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German Pages 446 Year 2018
Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht Band 10
Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0 Zur Gewährleistung der netzseitigen Versorgungssicherheit unter den Herausforderungen von Liberalisierung und Energiewende
Von Johannes Hilpert
Duncker & Humblot · Berlin
JOHANNES HILPERT
Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0
Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht Herausgegeben von Ralf Brinktrine und Markus Ludwigs
Band 10
Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0 Zur Gewährleistung der netzseitigen Versorgungssicherheit unter den Herausforderungen von Liberalisierung und Energiewende
Von Johannes Hilpert
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Wintersemester 2017/2018 als Dissertation angenommen.
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© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 2198-0632 ISBN 978-3-428-15511-8 (Print) ISBN 978-3-428-55511-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-85511-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Das Energierecht ist ein ausgesprochen dynamisches Rechtsgebiet, das ständiger Fortentwicklung unterliegt. Eine Dissertation, die sich mit entsprechenden Fragestellungen befasst, steht deshalb unter dem ständigen Druck der Nachbesserung und Überarbeitung. Bereits längst untersuchte und abschließend ausformulierte Abschnitte müssen immer wieder von neuem aktualisiert und erweitert werden. Als ich 2013 mit meinem Projekt zur rechtlichen Erfassung der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) begonnen habe, war mir das nicht in dem Ausmaß bewusst. Seitdem hat sich das Recht der Netzsicherheit, um die es bei der Systemverantwortung der ÜNB im Kern geht, geradezu explosionsartig ausgeweitet und ist in die Mitte des energiewirtschaftlichen Diskurses gerückt. Die damit verbundenen Herausforderungen für die Rechtserfassung haben mir einiges Kopfzerbrechen bereitet. Umso mehr möchte ich diese Gelegenheit nutzen, all jenen besonders zu danken, die in dieser Zeit immer für mich da waren. An erster Stelle möchte ich hier meine Eltern Margit und Erich Hilpert nennen, ohne die all das niemals möglich gewesen wäre! Gleiches gilt für meine Freundin Caroline Schäfer, die mir immer eine wichtige Stütze war. Der Stiftung Umweltenergierecht, insbesondere Thorsten Müller und Oliver Antoni, gebührt mein herzlicher Dank für die Möglichkeit, meine Dissertation neben meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter anzufertigen und hierfür umfangreiche Freiräume zu bekommen. Zudem danke ich all den wunderbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung, den ehemaligen wie den aktiven, für das einmalig freundschaftliche Arbeitsumfeld! Besonders herausheben möchte ich aber meinen Doktorvater Prof. Dr. Markus Ludwigs. Nicht nur waren seine fachlichen Ratschläge von unschätzbaren Wert für mich, auch im zwischenmenschlichen Bereich war seine Unterstützung herausragend. Ich halte das für keineswegs selbstverständlich und weiß es daher umso mehr zu schätzen. Danken möchte ich an dieser Stelle auch Prof. Dr. Florian Bien, Maîre en droit, für die überaus zügige Anfertigung des Zweitgutachtens sowie Prof. Dr. Markus Ludwigs und Prof. Dr. Ralf Brinktrine für die Aufnahme der Dissertation in ihre Schriftenreihe. Wie eingangs bereits dargestellt, hat das Thema der Netzsicherheit einen enormen Bedeutungsgewinn erlangt. Insofern fühle ich mich ein Stück weit bestätigt, was die Wahl des Untersuchungsgegenstandes im Hinblick auf seine besondere Aktualität – unter den Herausforderungen von Liberalisierung und Energiewende – angeht. Zugleich bedeutet dies aber auch, dass die Dissertation sich schon mittelfristig in Einzelbereichen überholen wird. So wird in den nächsten Monaten etwa der Regelenergiemarkt durch unionsrechtliche Überformung an vielen Stellen auf neue
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Vorwort
Füße gestellt. Auch im Bereich des Redispatchings ist damit zu rechnen, dass durch Einwirkung des EU-Winterpaketes (Clean Energy Package) Überarbeitungen im deutschen Recht erfolgen müssen. Trotz dieser Fortentwicklungen bleibt zu hoffen, dass die Dissertation aber auch zukünftig einen relevanten Beitrag zur Erschließung der Systemverantwortung der ÜNB leisten wird, etwa und insbesondere im Bereich der entwickelten Maßnahmenreihenfolge. Wichtige Anpassungen des Rechtsrahmens wurden bis Ende März 2018 – zumindest als Ausblick oder Hinweis in den Fußnoten – berücksichtigt. Ansonsten ist die Arbeit grundsätzlich auf dem Stand von Ende Juni 2017; Literatur, die in der Folgezeit neu erschienen ist, konnte allenfalls sporadisch berücksichtigt werden. Zwei Hinweise zum Gebrauch dieses Buches seien noch erlaubt: 1. Angesichts der Komplexität des Themas mit all seinen physikalisch-technischen und ökonomischen Bezügen sollte diese Arbeit vor allem als Annäherung an die vollständige Erschließung verstehen werden. Für ergänzende Hinweise bin ich jederzeit dankbar! Fragestellungen zur Netzsicherheit werden mich in meiner täglichen Arbeit bei der Stiftung Umweltenergierecht auch weiterhin begleiten, so dass ich gerne in einen fachlichen Austausch trete. 2. Mir ist war es ein Anliegen, dass dieses Buch gerade auch als Nachschlagewerk für bestimmte Einzelaspekte der Systemverantwortung dienen kann (einzelne Instrumente, Kostenregelungen, verfassungsrechtliche Einbettung usw.). Deshalb werden für das Verständnis wichtige Vorüberlegungen immer auch bei jedem Teilaspekt kurz rekapituliert bzw. wird auf vorhergehende oder nachfolgende Gliederungspunkte verwiesen. Ich hoffe, diese Redundanzen erweisen sich für den Leser als hilfreiche Anker und nicht als unnütze Wiederholung des bereits Gesagten. Auch insoweit bin ich für Feedback dankbar. Ich wünsche viel Spaß bei der Lektüre! Würzburg, im April 2018
Johannes Hilpert
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
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A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Die Transformation des Elektrizitätsversorgungssystems und die damit verbundenen Gefahren für die Netzstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Physikalisch-technischer Hintergrund: Besonderheiten der Stromnetze . . . . . . . . 21 III. Rechtlicher Hintergrund: Einflussnormen für die Netzstabilität . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Grundlagen der Systemverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Zweck der Systemverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Historische Entwicklung der Systemverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Rechtsregime der Systemverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. §§ 11 ff. EnWG; Verhältnis von Regel- und Systemverantwortung . . . . . . . . . . 40 2. §§ 13 ff. EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Weitere gesetzliche und untergesetzliche Vorschriften sowie unionsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4. Transmission Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5. Begriffliche Einordnung der relevanten Gefährdungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 6. ÜNB als Adressaten der Systemverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 IV. Im Speziellen: Struktur von § 13 EnWG als Schlüsselnorm der Systemverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 C. Gang der weiteren Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Teil 2 Wahrnehmung der Systemverantwortung durch die Übertragungsnetzbetreiber 52 A. Begriff, Inhalt und Abgrenzung der Systemverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Begriffsklärung: Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Gefährdung oder Störung – Prognoseentscheidung des ÜNB . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Gefährdungslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Sicherheit und (oder) Zuverlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Das Elektrizitätsversorgungssystem in der jeweiligen Regelzone . . . . . . . . . . . 61
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Inhaltsverzeichnis II. Netzstabilität als Teilbereich der Versorgungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Inhalt und Reichweite der Versorgungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Versorgungssicherheit als Gegenstand der Systemverantwortung . . . . . . . . . . . 65 III. Netzengpässe als Spezialproblem zu und in § 13 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Netzengpässe und Engpassmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Der Netzengpass-Begriff; Abgrenzung zwischen kurzfristig-sporadischen und langfristig-strukturellen Engpässen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Das Engpassmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Abgrenzung zwischen § 13 EnWG und § 15 StromNZV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Das Verhältnis von Engpassmanagement und Netzausbau . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4. Netzengpässe als Netzanschluss- bzw. Netzzugangsverweigerungsgrund . . . . . 78 IV. § 13 EnWG im Verhältnis zum Einspeisevorrang für Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Das Vorrangprinzip für Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK
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2. Berücksichtigung des Vorrangprinzips im EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Berücksichtigung des Vorrangprinzips im Rahmen des Einspeisemanagements nach § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG i.V.m. § 14 EEG 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Rechtsentwicklung und wichtige Sonderregelungen des Einspeisemanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Wichtige tatbestandliche Besonderheiten des Einspeisemanagements . . . . . 91 aa) Vorliegen einer Gefährdung im Sinne eines Netzengpasses . . . . . . . . . . 91 bb) Verhältnis zum Netzausbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 cc) Vorliegen einer Ausnahmesituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 V. § 13 EnWG im Verhältnis zur „Systemverantwortung“ der Verteilnetzbetreiber nach § 14 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Kollision der Verantwortungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 B. Maßnahmenkatalog zur Wahrnehmung der Systemverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . 102 I. Einordnung der zur Verfügung stehenden Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Netzbezogene Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 III. Marktbezogene Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Einsatz von Regelenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Die Systembilanz und die Rolle des Einsatzes von Regelenergie . . . . . . . . . 109 b) Rechtsgrundlagen der Regelenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Gliederung, Beschaffung und Einsatz von Regelenergie . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Arten und Formen der Regelenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Ausschreibungsverfahren und Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Kurzfristiges, marktbezogenes Engpassmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Zum Hintergrund von Netzengpässen und Engpassmanagement . . . . . . . . . 124
Inhaltsverzeichnis
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b) Redispatching zur Behandlung kurzfristig-sporadischer Engpässe (vertraglicher Redispatch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Begriff und Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Wirkungen und Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Redispatch-Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Verpflichtende Teilnahme am Redispatching nach § 13a EnWG (gesetzlicher Redispatch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Regelungsgehalt von § 13a Abs. 1 EnWG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassungen von BNetzA und OLG Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Kurzbewertung der Regelung des § 13a EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Andere Instrumente des kurzfristigen Engpassmanagements . . . . . . . . . . . . 142 3. Kontrahieren abschaltbarer bzw. zuschaltbarer Lasten (Lastmanagement) . . . . 144 a) §§ 13 Abs. 6 und 13i Abs. 1 und 2 EnWG und die Verordnung zu abschaltbaren Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa) Vorgaben des EnWG in §§ 13 Abs. 6 und 13i Abs. 1 und 2 . . . . . . . . . . 146 bb) Verordnung zu abschaltbaren Lasten (AbLaV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Lastmanagement im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. § 13 Abs. 6a EnWG als Spezialinstrument („Nutzen statt Abregeln“) . . . . . . . . 155 5. Mobilisierung und Einsatz zusätzlicher Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Einführung und Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Stilllegungen von Anlagen (§ 13b EnWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 c) Netzreserve (§ 13d EnWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 d) Kapazitätsreserve (§ 13e EnWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 e) Weitere Reserve-Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Netzstabilitätsanlagen (§ 13k EnWG a.F.) bzw. besondere netztechnische Betriebsmittel (§ 11 Abs. 3 EnWG n.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Stilllegung und Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken (§ 13g EnWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Systemrelevante Gaskraftwerke (§ 13f EnWG) und weitere Vorschriften in Bezug auf das Gasversorgungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 IV. Notmaßnahmen und Einspeisemanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG als subsidiäre Handlungsform der ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Pflicht der ÜNB zur Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen? . . . . . . . . . . . . 187 3. Verhältnis von Notmaßnahmen zur vorrangigen Einspeisung von Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK; Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Gasversorgungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4. Einspeisemanagement nach § 14 EEG 2017 als besondere Notmaßnahme bei Netzengpässen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Hintergrund und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
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Inhaltsverzeichnis b) Regelungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Handelnde und Adressaten nach § 14 EEG 2017 sowie ergänzende Vorgaben aus § 9 EEG 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Vorgaben aus § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 EEG 2017 . . . . . . . . . . . . . . 211 cc) Vorgaben aus § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EEG 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Unterrichtungspflichten, Rechtsfolgen und Härtefallentschädigung . . . . . . . 215 d) Rechtssystematische Bedeutung der Regelung des § 14 EEG 2017 . . . . . . . 217
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 I. Überblick und rechtlicher Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Bestimmungsschritte zur korrekten Auswahl von Maßnahme und Adressat . . . . . 225 1. Bestimmung der relevanten Gefährdungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Auswahl der korrekten Rangstufe und Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) Rangstufe und handelnder Akteur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Auswahl des korrekten Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Adressatentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa) Gesetzlicher Redispatch: Umgang mit Kondensationsstrom und Strom aus nicht hocheffizienter KWK? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 bb) Einspeisemanagement: Umgang mit kleinen privilegierten Erzeugungsanlagen, insbesondere Photovoltaik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 cc) Einspeisemanagement: Umgang mit der Verschiebbarkeit der Einspeisung privilegierter Erzeugungsanlagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 dd) Einspeisemanagement: Rolle und Einordnung der Grubengas-Anlagen? 248 ee) Einspeisemanagement: Nachrangige oder vorrangige Abregelung von KWK-Anlagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 ff) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Individuelle Adressatenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 aa) Marktbezogene Maßnahmen (mit Ausnahme des gesetzlichen Redispatch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 bb) Gesetzlicher Redispatch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Notmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 dd) Speziell: Einspeisemanagement und Notmaßnahmen gegenüber privilegierten Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 ee) Gemeinsame Betrachtung der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 III. Ergebnisse und Bewertung des Entscheidungseinflusses der ÜNB . . . . . . . . . . . . 264 D. Informationsrechte und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 I. Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 II. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Informationspflichten im EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) § 13 Abs. 7 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
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b) § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 c) § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 2. Informationspflichten im EEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) § 14 Abs. 3 EEG 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) § 14 Abs. 2 EEG 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c) Anwendbarkeit von § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG auch im EEG . . . . . . . . . . . . . . 280 3. Rechtssystematische Bewertung der beschriebenen Informationspflichten . . . . 281 E. Pflicht zur zukünftigen Verhinderung von Gefahrensituationen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
Teil 3 Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung durch die Übertragungsnetzbetreiber
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A. Kostenverantwortung für die Bereitstellung von Systemdienstleistungen . . . . . . . . . . 286 I. Vergütungspflichten der ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1. Vergütung der marktbezogenen Maßnahmen sowie der zusätzlichen Reserven 288 a) Regelleistung bzw. -energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 b) Abschaltbare und zuschaltbare Lasten im Allgemeinen, AbLaV im Speziellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 c) Vertraglicher und gesetzlicher Redispatch; Besonderheiten bei §§ 13bff. EnWG und NetzResV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 aa) Vertraglicher Redispatch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 bb) Gesetzlicher Redispatch; Darstellung der Rechtsansicht des OLG Düsseldorf und der Reaktion des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 cc) Besonderheiten bei §§ 13b ff. EnWG und NetzResV . . . . . . . . . . . . . . . 300 d) Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG mit KWK-Power-to-Heat-Kombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 e) Vertragliche Abregelungsvereinbarungen bei EE- und Grubengas-Anlagen 304 2. Keine Vergütung bei Notmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3. Speziell: Härtefallentschädigung nach § 15 EEG 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Voraussetzungen der Härtefallentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Entschädigungspflichten und -verpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 c) Umfang der Entschädigungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 d) Zweck und Erforderlichkeit der Härtefallentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . 318 e) Weitergehende Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 II. Bilanzausgleichsverpflichtungen der ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 III. Abwälzungsmöglichkeiten der ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 1. Grundlagen der Abwälzung von Kosten durch die ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
12
Inhaltsverzeichnis 2. Abwälzungsmöglichkeiten im Rahmen der marktbezogenen Maßnahmen sowie der zusätzlichen Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 a) Regelleistung bzw. -energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 b) Abschaltbare und zuschaltbare Lasten im Allgemeinen, AbLaV im Speziellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 c) Vertraglicher und gesetzlicher Redispatch; Besonderheiten bei §§ 13b ff. EnWG und NetzResV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 d) Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG mit KWK-Power-to-Heat-Kombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 e) Vertragliche Abregelungsvereinbarungen bei EE- und Grubengas-Anlagen 347 3. Keine Abwälzung nötig im Falle von Notmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 4. Speziell: Weitergabe der Kosten für die Härtefallentschädigung nach § 15 EEG 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
B. Haftungsrisiken beim Handeln oder Nichthandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 I. Überblick über mögliche Haftungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 1. Vornahme und Unterlassen von Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 2. Mögliche Anspruchsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 3. Mögliche Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 II. Haftungsauslösendes Fehlverhalten der ÜNB; Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . 362 1. Unterlassen erforderlicher Netzsicherheitsmaßnahmen bzw. Schlechtleistung
362
2. Verletzung von Leistungspflichten aus einem Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . 364 3. Weiteres haftungsauslösendes Fehlverhalten; Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . 369 III. Einschlägige Haftungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 IV. Einschlägige Privilegierungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 V. Zwischenfazit; keine Abwälzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Teil 4 Aufsicht und Kontrolle der Übertragungsnetzbetreiber im Rahmen der Systemverantwortung durch Regulierungsbehörden und Gerichte sowie das Bestehen von Beurteilungsspielräumen 381 A. Befugnisse der Regulierungsbehörden sowie gerichtliche Überprüfbarkeit von Maßnahmen der ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 B. Bestehen von Beurteilungsspielräumen der ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 I. Rechtsdogmatischer Hintergrund: Beurteilungsspielräume von Behörden . . . . . . . 384 II. Bewertung: Beurteilungsspielräume der ÜNB im Rahmen der Systemverantwortung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 1. Grundsätzliche Anerkennung von Beurteilungsspielräumen der ÜNB im Rahmen der Systemverantwortung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
Inhaltsverzeichnis
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2. Untersuchung der Vorschriften der Systemverantwortung auf die Gewährung von Beurteilungsspielräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 a) Raum für Beurteilungsspielräume – relevante Tatbestandselemente . . . . . . . 390 b) Rechtfertigung der Anerkennung von Beurteilungsspielräumen in den genannten Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 c) Grenzen der Beurteilungsspielräume der ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
Teil 5 Die Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber zur Übernahme der Systemverantwortung als (unzulässige) Indienstnahme?
403
A. Rechtsdogmatischer Hintergrund der Indienstnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 I. Merkmale einer Indienstnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 II. Grenzen der Indienstnahme durch den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 B. Bewertung: Aufbürdung der Systemverantwortung als (unzulässige) Indienstnahme? 411 I. Hintergrund zur Bedeutung der Versorgungssicherheit im Elektrizitätsbereich . . . 411 II. Stellt die Aufbürdung der Systemverantwortung auf die ÜNB eine Indienstnahme durch den Staat dar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 III. Ist die Aufbürdung der Systemverantwortung verfassungsgemäß ausgestaltet? . . 417
Teil 6 Schlussbetrachtungen
424
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
Teil 1
Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung Diese Abhandlung befasst sich mit der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), also dem Recht und der Pflicht zur Beseitigung von Gefährdungen oder Störungen für die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems. In einem ersten, in die Thematik einführenden Teil wird zunächst die besondere aktuelle Relevanz der Systemverantwortung angesichts der Herausforderungen von Liberalisierung und Energiewende beschrieben (A.). Hierbei werden auch die physikalisch-technischen sowie rechtlichen Hintergründe dargestellt. In einem zweiten Schritt werden die normativen Grundlagen der Systemverantwortung herausgearbeitet (B.). Im Anschluss daran wird der weitere Untersuchungskanon dargelegt (C.).
A. Einführung Eine stabile Stromversorgung ist die Basis unseres gesamten modernen Lebens.1 Im Falle eines Zusammenbruchs weiter Teile des Stromnetzes funktionieren keine elektrischen Geräte, wir können nicht telefonieren, nicht fernsehen und auch den Computer nicht benutzen, Unternehmen können nicht produzieren, an den Börsen kann nicht gehandelt werden. Auch die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung kann ohne Strom nicht aufrechterhalten werden, an den Tankstellen kann nicht getankt werden, ohne Benzin können keine Lebensmittel zu den Supermärkten transportiert werden, die Müllabfuhr kann den Müll nicht einsammeln – man könnte dieses Gedankenspiel noch lange weiterführen.2 1
So auch die Prämisse bei Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 1. 2 Sehr aufschlussreich hierzu sind die Ausführungen des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag: TAB, Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen Ausfalls der Stromversorgung, 2010; empfehlenswert zu diesem Thema ist auch der fiktionale Roman von Elsberg, Blackout – Morgen ist es zu spät, München 2012; vgl. zudem: Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 47; Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 330, 344 f.); Tamke, Die Haftungsprivilegierung für Netzbetreiber bei Störungen der Anschlussnutzung, Baden-Baden 2014, S. 66 ff.; Altenschmidt, Die Versorgungssicherheit im Lichte des Verfas-
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
Die Staaten tragen also eine große Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es nicht zu einem „Blackout“ kommen kann. In Deutschland wird diese Verantwortung auf die Netzbetreiber – insbesondere die Übertragungsnetzbetreiber – übertragen. So heißt es in § 13 Abs. 1 EnWG, dass diese berechtigt und verpflichtet sind, Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu beseitigen. Das Gesetz spricht von der Systemverantwortung der Betreiber von Übertragungsnetzen. Diese spezielle Verantwortung bildet den Gegenstand der vorliegenden Dissertation. Ausgehend von den neuen Herausforderungen für das Elektrizitätsversorgungssystem angesichts der Liberalisierung des Strommarktes und der sog. Energiewende (Umbau des Energiesystems hin zur Nutzung erneuerbarer Energien bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Kernkraft) sowie den allgemeinen Grundlagen der Systemverantwortung sollen die Instrumente der ÜNB beschrieben werden, mit denen diese die Netzsicherheit überwachen und gewährleisten. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, welche rechtlichen Vorgaben bei der Auswahl von Maßnahmen und Adressaten bestehen und inwieweit getroffene Entscheidungen regulierungsbehördlich und gerichtlich überprüfbar sind. Darüber hinaus wird untersucht, welche Kosten- und Haftungsfolgen für diese entstehen können und ob die Aufbürdung der Systemverantwortung durch den Staat auf die ÜNB insgesamt verfassungsgemäß ist. Die mit der Erhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Stromversorgung verbundenen Fragestellungen weisen eine hohe politische und damit auch rechtliche Dynamik auf.
I. Die Transformation des Elektrizitätsversorgungssystems und die damit verbundenen Gefahren für die Netzstabilität Die neuere politische und rechtliche Entwicklung hat dazu geführt, dass es zunehmend schwieriger ist, die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Stromnetze zu gewährleisten.3 Ursprünglich war das deutsche Energiesystem lastbasiert.4 Die großen Kraftwerke haben den Strom grundsätzlich genau in der Menge produziert, wie er aktuell nachgefragt wurde.5 Standortentscheidungen für bestimmte Kraftsungsrechts, NVwZ 2015, S. 559 ff. (S. 559 f.); Guckelberger, Energie als kritische Infrastruktur, DVBl. 2015, S. 1213 ff. (S. 1213); Hake/Rath-Nagel, Energiesicherheit neu fokussieren, et 2015, Heft 9, S. 8 ff. (S. 9); Laux, Die Notwendigkeit einer Kapazitätsreserve zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit sowie deren europa- und verfassungsrechtliche Zulässigkeit, Göttingen 2016, S. 1. 3 Hake/Rath-Nagel, Energiesicherheit neu fokussieren, et 2015, Heft 9, S. 8 ff. (S. 8 f.); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 1. 4 Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 317); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 7. 5 Vgl. Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 61.
A. Einführung
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werke richteten sich wesentlich nach dem örtlichen Bedarf, der Verfügbarkeit von Primärenergieträgern (Bsp.: Kohle) und dem Vorhandensein von Stromnetzen.6 In Folge der Liberalisierung des Strommarktes sowie im Zuge der Energiewende – im Sinne der Förderung erneuerbarer Energien und des Ausstiegs aus der Kernkraft – haben sich jedoch die Vorzeichen geändert.7 Durch die Öffnung der Stromnetze für den Wettbewerb, die Entflechtung der Energieversorgungsunternehmen und den grenzüberschreitenden Stromhandel im europäischen Binnenmarkt gibt es auf dem Strommarkt mehr und neue Mitspieler, die nur nach ihren jeweils persönlichen Interessen handeln und nicht gesamtheitlich denken.8 Die nunmehr grundsätzlich eigenständigen Stromerzeuger treffen ihre Standortentscheidungen nach eigenen Maßstäben und unbeeinflusst durch eine Steuerung der Netzbetreiber oder des örtlichen Vorhandenseins von Stromnachfrage.9 Die Vermarktung des Stroms erfolgt unabhängig von der tatsächlichen Netzsituation.10 Es wird also ein fiktives Szenario entworfen, in dem es keinerlei Netzrestriktionen gibt – dies entspricht aber freilich nicht der Realität und hat zwingend nachträgliche Anpassungsmaßnahmen zur Folge.11 Hinzu kommt, dass erneuerbare 6
Pritzsche, Engpässe im Stromnetz – rechtliche Lösungsansätze?, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts, Baden-Baden 2009, S. 73 ff. (S. 75); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 48; Zahoransky (Hrsg.)/Allelein et al., Energietechnik, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 394. 7 BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 59; vgl. auch: Pritzsche, Engpässe im Stromnetz – rechtliche Lösungsansätze?, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts, Baden-Baden 2009, S. 73 ff. (S. 75 ff.); Zahoransky (Hrsg.)/Allelein et al., Energietechnik, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 394; vgl. auch Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 10 (Stand: März 2012); Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 46 f.; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 7 ff. 8 Gentzsch, Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft – Neue Vorgaben im Energierecht, in: Ehricke (Hrsg.), Hürden und Grenzen der Liberalisierung im Energiesektor, Baden-Baden 2013, S. 81 ff. (S. 87); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 56 ff.; Theobald, in: Schneider/ Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 1 Rn. 17; Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 46 f. 9 BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 59; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 50 f. 10 BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 61. 11 König, Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff. (S. 451); König, Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff. (S. 451). Zahoransky (Hrsg.)/Allelein et al., Energietechnik, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 399; Schweizer/Mattis, Die neuen gesetzlichen Instrumente für Versorgungssicherheit im deutschen Stromnetz, et 2016, Heft 5, S. 84 ff. (S. 84).
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
Energien wie Wind und Sonne vorrangig dort geschöpft werden müssen, wo die größten Potenziale sind.12 Damit findet die Stromerzeugung häufig nicht mehr dort statt, wo der Verbrauch erfolgt, was dazu führt, dass ein großräumiger Stromtransport – insbesondere von Nord- nach Süddeutschland erforderlich ist.13 Räumliche Ungleichgewichte betreffen zudem nicht nur die erneuerbaren Energien, sondern auch den nach wie vor erfolgenden Zubau konventioneller Energien in Norddeutschland bei gleichzeitigem Rückbau der Kernkraftwerke v. a. in Süddeutschland.14 Die Einspeisung von Wind- und Photovoltaik-Strom fluktuiert zudem, je nachdem ob Wind weht oder die Sonne scheint.15 Das Stromsystem wird folglich zunehmend angebotsabhängig, so dass es sich schwieriger gestaltet, Einspeisung und Last in Ausgleich zu bringen. Dies liegt auch an der nur indirekten Speicherbarkeit von Strom, die bestimmte Umwandlungsprozesse voraussetzt.16 Einen Verstärkungseffekt erzeugt hierbei der schrittweise Ausstieg aus der Kernenergie, deren Einspeisung keinen Schwankungen unterliegt und somit eine gesicherte Grunderzeugung garantiert.17 Zudem ist es erforderlich, sehr genaue Wetterprognosen zu erstellen, was zwar in gewissem Maße möglich ist, aber dennoch an natürliche Grenzen stößt. Weiterhin findet die Stromerzeugung auch mehr und mehr dezentral in den einzelnen Haushalten statt. Nicht eigenverbrauchter Strom wird in die Verteilnetze eingespeist, wodurch sich phasenweise der Lastfluss ändert: Während früher im Wesentlichen in die höheren Netzebenen eingespeist wurde, wird nun
12 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 48. 13 Bicker, Einspeisemanagement in EEG-Regionen – Grundlagen, aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen auf Biogasanlagen in Nordwestdeutschland, AUR 2012, S. 245 ff. (S. 245); König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 201); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 28, 48, 53 ff.; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., München 2013, S. 219; Schaber/Bieberbach, Redispatch und dezentrale Erzeugung – Alternativen zum Netzausbau?, et 2015, Heft 7, S. 18 ff. (S. 18); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 7 f. 14 Pritzsche, Engpässe im Stromnetz – rechtliche Lösungsansätze?, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts, Baden-Baden 2009, S. 73 ff. (S. 75); vgl. auch Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff. (S. 252); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 11. 15 BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 59; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 49; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., München 2013, S. 219; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 10. 16 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 60. 17 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 54 f.
A. Einführung
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zunehmend auch auf Verteilnetzebene Strom in die Netze geleitet.18 Die Stromeinspeisung aus dezentralen Anlagen ist für die Netzbetreiber insgesamt auch schwierig zu prognostizieren und erhöht die Anforderungen an die Aussteuerung des Gleichgewichts zwischen Erzeugung und Verbrauch.19 Für die Netzbetreiber folgt hieraus, dass sie häufiger in das System eingreifen müssen, um die Netzstabilität gewährleisten zu können.20 Aus einem Sicherheitsinstrumentarium für Notfälle wird zunehmend ein Standardinstrument des Energiemanagements, auf das täglich zurückgegriffen werden muss.21 Frequenzschwankungen müssen verhindert, Maßnahmen zur Spannungshaltung eingeleitet werden. Ein Sonderproblem stellt die Bewältigung von Netzengpässen dar. Insbesondere der Transport von Windstrom aus Norddeutschland in die großen Verbrauchszentren in Süddeutschland verlangt nach ausreichenden Netzkapazitäten, die derzeit so nicht vorhanden sind.22 Aus diesem Grund müssen Maßnahmen ergriffen werden, um stabilitätsgefährdende Engpässe im Netz zu verhindern. Hinzu kommt, dass als Folge des rasanten Zubaus von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen und des zugleich schleppenden Netzausbaus, zur Sicherung der Versorgung in der Übergangszeit der Transformation des Stromsystems Erzeu18
BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2012, S. 16; BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 54; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 9. 19 BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2014, S. 27; vgl. auch Benfer/Heinemann et al., Auswirkungen der Eigenerzeugung auf die Bilanzkreisbewirtschaftung, et 2014, Heft 1/2, S. 91 ff. (S. 92). 20 BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2012, S. 15 f., 19; Hampel, Energieregulierung – Neues aus Gesetzgebung und (Behörden-)Praxis – I/2013, RdE 2013, S. 47 ff. (S. 48); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 411; Schneller, Die Systemverantwortung des Übertragungsnetzbetreibers im Wandel, in: Gundel/Germelmann (Hrsg.), Die Europäisierung des Energierechts – 20 Jahre Energiebinnenmarkt, Tübingen 2016, S. 151 ff. (S. 151); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 11; siehe auch die Entwicklung der ergriffenen Maßnahmen der ÜNB in: BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2013, Dezember 2013, S. 19; BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2014, November 2014, S. 16 f.; BNetzA/ BKartA, Monitoringbericht 2015, November 2015, S. 22 f.; BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2016, November 2016, S. 24 f. 21 Kühne, Versorgungssicherheit – Erscheinungsformen und Abwägungskonstellationen, in: Pielow (Hrsg.), Sicherheit in der Energiewirtschaft (in memoriam Peter J. Tettinger), Bad Langensalza 2007, S. 129 ff. (S. 133 f.). 22 BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2012, S. 16; BMWi, Zweiter MonitoringBericht „Energie der Zukunft“, März 2014, S. 46; vgl. auch: Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 232); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 28 f., 63 ff; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 8.
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
gungsanlagen, die zuverlässig und kurzfristig hochfahren können, an ganz bestimmten Stellen im Netz benötigt werden, um in Engpasssituationen kurzfristig zugeschaltet zu werden.23 Kann etwa der Strom aus dem Norden engpassbedingt nicht in den Süden transportiert werden, wo er gebraucht wird, werden dort zum Ausgleich zusätzliche Erzeugungskapazitäten benötigt.24 Hintergrund für erforderliche Stromlieferungen in den Süden sind zum Teil auch Stromexporte in das südliche europäische Ausland (Österreich, Frankreich etc.).25 Da konventionelle Anlagen aber – durchaus gewollt – zunehmend unrentabel werden, können insoweit im Falle der Stilllegung bestimmter, örtlich günstig gelegener Kraftwerke netzbezogene Versorgungslücken entstehen.26 Den ÜNB stehen dann für an sich erforderliche Maßnahmen keine ausreichenden Erzeugungskapazitäten an den erforderlichen Stellen im Netz zur Verfügung. Hier hat der Gesetzgeber reagiert und u. a. Vorschriften zur Stilllegung von großen Erzeugungsanlagen geschaffen, die derzeit unter dem Gesichtspunkt der sog. „Systemrelevanz“ nicht ohne Weiteres außer Betrieb genommen werden dürfen.27 In diesem Zusammenhang werden außerhalb des Strommarktes eigene Reservekraftwerke kontrahiert (sog. Netzreserve), auf die bei Bedarf zurückgegriffen wird. In bestimmten Fällen war es zeitweilig sogar möglich,
23 BMWi, Zweiter Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, März 2014, S. 48; vgl. auch: Gentzsch, Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft – Neue Vorgaben im Energierecht, in: Ehricke (Hrsg.), Hürden und Grenzen der Liberalisierung im Energiesektor, Baden-Baden 2013, S. 81 ff. (S. 83); Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 315). 24 BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2012, S. 23 f.; vgl. auch: Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff.; König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 201); Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 320 f.); Wahlhäuser, Kann immissionsschutzrechtlich erloschenes Leben energiewirtschaftlich reanimiert werden?, UPR 2014, S. 44 ff. (S. 44). 25 Siehe hierzu Jarass, Reservekraftwerksbedarf gemäß Bundesnetzagentur, EWeRK 2016, S. 63 ff. (S. 65 f.). 26 Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 170); Franke, Systemstabilität und Wirtschaftlichkeit als Schlüsselherausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende, EnWZ 2013, S. 529 f. (S. 530); Gentzsch, Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft – Neue Vorgaben im Energierecht, in: Ehricke (Hrsg.), Hürden und Grenzen der Liberalisierung im Energiesektor, Baden-Baden 2013, S. 81 ff. (S. 84); Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff. (S. 252); BMWi, Zweiter Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, März 2014, S. 48; Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 315); BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2015, November 2015, S. 23 f.; Garbers, Rechtliche Vorgaben für die Bundesnetzagentur bei regulatorischen Eingriffen in die Versorgungssicherheit, RdE 2015, S. 221 ff. (S. 222). 27 BMWi, Zweiter Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, März 2014, S. 48.
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dass die ÜNB eigene Kraftwerke bauen und unterhalten (sog. Netzstabilitätsanlagen). Die Regelung wurde aber zwischenzeitlich bereits wieder abgeschafft.28 Die Transformation des Stromsystems birgt demnach viele neue Gefahren für die Netzstabilität, die durch die ÜNB bewältigt werden müssen. Der faktische und regulatorische Umgang mit der Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems stellt eine Schlüsselherausforderung der Energiewende dar.29 Freilich bleiben neben den beschriebenen neuen Herausforderungen für die ÜNB gleichzeitig auch die „alten“ Risikofaktoren bestehen, etwa ungeplante Kraftwerksausfälle, Naturereignisse oder schlichte Prognosefehler.30 Auch deren netzbezogene Auswirkungen sind durch die ÜNB im Rahmen ihrer Systemverantwortung zu beseitigen.
II. Physikalisch-technischer Hintergrund: Besonderheiten der Stromnetze Dass sich durch die Transformation des Stromsystems verstärkt Gefahrenlagen ergeben können, liegt ganz wesentlich an den Besonderheiten der Stromnetze. Diese sind komplexe Gebilde und können mit anderen Netzinfrastrukturen wie etwa Gasleitungen oder Schienennetzen aufgrund ihrer physikalisch-technischen Gegebenheiten nur schwer verglichen werden. Unterteilt werden sie in Übertragungsnetze – die den wesentlichen Gegenstand dieser Arbeit bilden – und Verteilernetze sowie in die Spannungsebenen Höchstspannung, Hochspannung, Mittelspannung und Niederspannung (vgl. § 3 Nr. 32, 37 EnWG). Knapp zusammengefasst zeichnen sich Stromnetze generell durch drei wesentliche Eigenschaften aus: Leitungsgebundenheit, Gleichzeitigkeit und „Nichtspeicherbarkeit“.31 Leitungsgebundenheit bedeutet schlicht, dass die Übertragung und Verteilung von Strom auf den Transport über Netzsysteme angewiesen ist.32 Jede Leitung eines 28
Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 17. Juli 2017, BGBl. 2017 I S. 2503 ff. 29 Franke, Systemstabilität und Wirtschaftlichkeit als Schlüsselherausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende, EnWZ 2013, S. 529 f. (S. 529). 30 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 240; Hirth/Ziegenhagen, Wind, Sonne und Regelleistung, et 2013, Heft 10, S. 59 ff. (S. 59). 31 Vgl. etwa: Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 44 ff.; Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 64 ff.; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 30 f. 32 Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 44; Ringel, Die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Energierecht (mit Schwerpunkt auf der Verpflichtung zum Ausbau des Stromnetzes), Baden-Baden 2011, S. 24 f.; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer
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Netzsystems hat dabei eine bestimmte Betriebsspannung, deren Grenzwerte eingehalten werden müssen.33 Bei den Stromnetzen handelt es sich um sog. natürliche Monopole; der Bau und Betrieb mehrerer konkurrierender Leitungsinfrastrukturen ist demnach aus wirtschaftlicher Sicht nicht zielführend.34 Das bedeutet aber auch, dass sämtliche an der Stromversorgung beteiligten Akteure bis hin zu den angeschlossenen Unternehmen und Letztverbrauchern auf das Funktionieren dieses „einen“, wenn auch weit verzweigten und vermaschten (untereinander verbundenen)35 Elektrizitätsversorgungssystems angewiesen sind. Treten hier Ausfälle einzelner Netzbestandteile auf, sind nur bedingt „Umleitungen“ möglich, so dass sich regionale Gefahrensituationen im äußersten Fall zu bundes- oder gar europaweiten Blackouts aufpotenzieren können. Dies liegt daran, dass der Ausfall einer Einzelleitung eine Kettenreaktion in der Weise nach sich ziehen kann, dass in der Folge die verbliebenen Leitungen überlastet werden, sich einzelne Betriebsmittel (Erzeugungsanlagen, angeschlossene Maschinen in Unternehmen usw.) aufgrund von Abschaltautomatiken automatisch vom Netz trennen und so eine kaskadenförmige Abtrennung Leitung um Leitung, Betriebsmittel um Betriebsmittel, vom Gesamtnetz erfolgt.36 Man kann insoweit auch von einem „Dominoeffekt“ sprechen.37 Gleichzeitigkeit, als zweite wesentliche Eigenschaft von Stromnetzen, bedeutet, dass sich in jeder Sekunde die Summen der Stromeinspeisungen in das Netz sowie der Stromentnahmen aus dem Netz entsprechen müssen: Ein- und Ausspeisungen müssen also zur gleichen Zeit erfolgen.38 Dabei wird im europäischen Verbundnetz eine Frequenz von 50 Hertz eingehalten.39 Naturgemäß richtet sich demnach das
Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 58; Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2013, S. 41. 33 Zahoransky (Hrsg.)/Allelein et al., Energietechnik, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 388. 34 Siehe nur Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2013, S. 27. 35 Knies/Schierack, Elektrische Anlagentechnik, 6. Aufl. München 2012, S. 65. 36 Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007, S. 52; Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 317); vgl. auch Zahoransky (Hrsg.)/Allelein et al., Energietechnik, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 393. 37 Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 317). 38 Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007, S. 59 f.; Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 45; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 240; Ringel, Die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Energierecht (mit Schwerpunkt auf der Verpflichtung zum Ausbau des Stromnetzes), Baden-Baden 2011, S. 28; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 61; Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2013, S. 42. 39 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 241.
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jeweilige Stromangebot nach der gegenwärtigen Nachfrage.40 In einem rein konventionellen Elektrizitätsversorgungssystem mit großen, steuerbaren Kraftwerken findet dann eine permanente Anpassung der aktuellen Stromerzeugung an die Last statt. Die Netze müssen dabei auf die maximal zu erwartende gleichzeitige Spitzenlast ausgerichtet sein, da es sonst zu lastgetriebenen Engpässen im Netz kommen kann, was zunächst Versorgungsausfälle erzeugt und sodann im äußersten Fall zu Netzzusammenbrüchen führt.41 Kurz gesagt: Bereits in einem „klassischen“, fossil geprägten Energiesystem bedeutet die permanente Netzaussteuerung eine große Herausforderung und Verantwortung. Fehler und Nachlässigkeiten können weitreichende Folgen mit großen volkswirtschaftlichen Schäden nach sich ziehen. Durch die Auswirkungen der Liberalisierung der Elektrizitätsversorgung sowie der Energiewende haben sich die Anforderungen an die Netzsteuerung um ein Vielfaches erhöht.42 Stromerzeuger und Netzbetreiber sind nun grundsätzlich personenverschieden und handeln jeweils nur nach ihren eigenen Interessen (Entflechtung).43 Anlagenstandorte richten sich nicht mehr nach den Last- und Netzerfordernissen, so dass die Abstimmung von Erzeugung und Verbrauch auch verstärkt regionale Aspekte mitberücksichtigen muss, etwa bestimmte Engpassstellen im Netz. Dabei sind die Netzbetreiber auf die Übermittlung von Informationen durch die Anlagenbetreiber angewiesen; unterlassene oder verspätete Hinweise auf mögliche Kraftwerksausfälle können so schnell problematisch werden. Die Energiewende wiederum hat bewirkt, dass die Erzeugungsstruktur nun volatiler, also unberechenbarer und von Wind- und Wetterprognosen abhängiger ist.44 Bereits eine kurzzeitige Windflaute oder das Verdunkeln der Sonne durch eine vorbeiziehende Wolke kann die Einspeisung aus ganzen Wind- bzw. Solarparks binnen Sekunden auf Null und anschließend wieder auf volle Leistung setzen. Es muss also eine jeder-
40 Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007, S. 60; Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 45; Ringel, Die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Energierecht (mit Schwerpunkt auf der Verpflichtung zum Ausbau des Stromnetzes), Baden-Baden 2011, S. 28. 41 Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 45. 42 Vgl. bereits Teil 1 A.I. BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 59; vgl. auch: Pritzsche, Engpässe im Stromnetz – rechtliche Lösungsansätze?, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts, Baden-Baden 2009, S. 73 ff. (S. 75 ff.); Zahoransky (Hrsg.)/Allelein et al., Energietechnik, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 387 ff. 43 Gentzsch, Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft – Neue Vorgaben im Energierecht, in: Ehricke (Hrsg.), Hürden und Grenzen der Liberalisierung im Energiesektor, Baden-Baden 2013, S. 81 ff. (S. 87); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 56 ff. 44 BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 59; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 49; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., München 2013, S. 219.
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zeitige Einspeisungssteuerung unter Rückgriff auf regelbare Kraftwerke erfolgen.45 Das Stromsystem wird dabei zunehmend angebotsgeprägt, so dass sich Aussteuerungsbedürfnisse nicht mehr im Wesentlichen nach dem gegenwärtigen Verbrauch richten, sondern gleichzeitig auch nach der aktuellen Stromeinspeisung. Daneben wird das Stromsystem durch die Zunahme an Eigenversorgungsanlagen (etwa PVModule auf dem Hausdach) kleinteiliger und damit schwerer zu überblicken.46 Einen dritten wesentlichen Aspekt der Beschreibung von Stromnetzen neben der Leitungsgebundenheit und der Gleichzeitigkeit bildet die grundsätzliche Nichtspeicherbarkeit von Elektrizität.47 Nur durch die zeitweilige Umwandlung48 in eine andere Energieform sowie die spätere Rückumwandlung kann eine „Speicherung“ von Strom erfolgen, etwa in Pumpspeicherkraftwerken oder Batteriespeichern.49 Diese Tatsache erhöht die Schwierigkeiten, die durch die erforderliche Gleichzeitigkeit von Ein- und Ausspeisungen bestehen. Im Falle etwa des plötzlichen, wetterbedingten Wegfalls von Windkraft- und Photovoltaik-Einspeisungen kann – jedenfalls derzeit – nur begrenzt auf gespeicherten Strom zurückgegriffen werden. Dies bedeutet für Netzsicherheitsmaßnahmen durch die Netzbetreiber, dass in erster Linie nur Eingriffe in Erzeugung, Transport und Verbrauch vorgenommen werden können, also ein eher indirektes Vorgehen erfolgen kann. Der Aufbau eines umfassenden Speicheranlagen-Parks dürfte mittel- und langfristig noch ein großes Thema werden. Die spezifischen Eigenheiten von Elektrizitätsnetzen führen also – gerade angesichts der zunehmenden Komplexität des Elektrizitätsversorgungssystems in Deutschland und Europa – zu besonderen Herausforderungen bei der Gewährleistung der Netzstabilität.
45 Vgl. Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 61. 46 BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2014, S. 27; vgl. auch Benfer/Heinemann et al., Auswirkungen der Eigenerzeugung auf die Bilanzkreisbewirtschaftung, et 2014, Heft 1/ 2, S. 91 ff. (S. 92). 47 Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 44 f.; Mätzig, Das Recht der Elektrizitätsversorgungsnetze: Netzbetreiberpflichten zwischen unternehmerischer Eigenverantwortung und staatlicher Steuerung, Essen 2012, S. 31 f.; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 61; Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2013, S. 42. 48 Ausnahmen: Das elektrische Feld eines Kondensators bzw. das elektromagnetische Feld einer Spule, Zahoransky (Hrsg.)/Allelein et al., Energietechnik, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 421. 49 Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007; Theobald, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 1 Rn. 2; Zahoransky (Hrsg.)/Allelein et al., Energietechnik, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 421.
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III. Rechtlicher Hintergrund: Einflussnormen für die Netzstabilität Die zunehmenden Schwierigkeiten, die Netzstabilität aufrechterhalten zu können, ergeben sich nicht nur als Folge der physikalisch-technischen Besonderheiten von Stromnetzen, sondern v. a. aufgrund der politischen Grundentscheidungen zu Liberalisierung und Energiewende.50 Der hierfür maßgebliche Rechtsrahmen soll im Folgenden aufgespannt werden. Der Zweck der gemeinschaftsrechtlich mit dem Ersten Energiebinnenmarktpaket51 angestoßenen und im EnWG 1998 erstmals umgesetzten Liberalisierung liegt in der Schaffung von Wettbewerb auf dem Strommarkt (vgl. § 1 Abs. 2 EnWG).52 Ursprünglich wurde die Stromversorgung insgesamt als natürliches Monopol angesehen und von wenigen großen Verbundunternehmen in geschlossenen und gegeneinander abgegrenzten Versorgungsgebieten untereinander aufgeteilt53 ; heute geht man dagegen davon aus, dass nur der Netzbetrieb ein solches natürliches Monopol darstellt.54 Der Aufbau und die Unterhaltung mehrerer paralleler Netze ist ökonomisch nicht sinnvoll.55 Stromerzeugung und Stromvertrieb sind deshalb 50 BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 59; vgl. auch: Pritzsche, Engpässe im Stromnetz – rechtliche Lösungsansätze?, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts, Baden-Baden 2009, S. 73 ff. (S. 75 ff.); Zahoransky (Hrsg.)/Allelein et al., Energietechnik, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 394; vgl. auch Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 10 (Stand: März 2012); Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, BadenBaden 2016, S. 75 ff. 51 Richtlinie RL 96/92/EG, ABl. EG 1997, L 27/20 ff. 52 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2013, S. 27, 31; vgl. auch Mätzig, Das Recht der Elektrizitätsversorgungsnetze: Netzbetreiberpflichten zwischen unternehmerischer Eigenverantwortung und staatlicher Steuerung, Essen 2012, S. 40. 53 Theobald, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 1 Rn. 34; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., München 2013, S. 34 f.; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 14 f. 54 Theobald, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 1 Rn. 34; vgl. auch: Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., BadenBaden 2013, S. 27; Eekhoff/Jänsch, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl., Köln 2016, S. 14 f.; vgl. weiterhin: Mätzig, Das Recht der Elektrizitätsversorgungsnetze: Netzbetreiberpflichten zwischen unternehmerischer Eigenverantwortung und staatlicher Steuerung, Essen 2012, S. 34; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 118; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 19. 55 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2013, S. 27 (Fn. 3); Eekhoff/Jänsch, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl., Köln 2016, S. 14 f.; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 19.
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mittlerweile für den Wettbewerb geöffnet, wohingegen der Netzbetrieb hiervon abgespalten wurde.56 Rechtlich manifestiert sich diese politisch-ökonomische Grundentscheidung insbesondere in der Entflechtung (Unbundling) sog. vertikal integrierter Energieversorgungsunternehmen (§ 3 Nr. 38 EnWG), also von Unternehmen oder Unternehmensgruppen, die „mindestens eine der Funktionen Übertragung oder Verteilung und mindestens eine der Funktionen Erzeugung oder Vertrieb von Elektrizität“ wahrnehmen.57 Die Einzelheiten der Entflechtung sowie deren Ausnahmen finden sich in den §§ 6 ff. EnWG. Das Ziel ergibt sich unmittelbar aus § 6 Abs. 1 S. 1 EnWG und liegt in der transparenten und diskriminierungsfreien Ausgestaltung des Netzbetriebs. Hierzu soll die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von den sonstigen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sichergestellt werden (§ 6 Abs. 1 S. 2 EnWG). Damit die monopolistisch betriebenen Netze dem Wettbewerb nicht entgegenstehen, wird die Entflechtung von der Anschluss-, Zugangs- und Entgeltregulierung begleitet.58 Ein Netzbetreiber kann ohne sachliche Begründung im Sinne der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit Anschluss und Zugang von Stromerzeugern, Letztverbrauchern, Speichern oder sonstigen Netzbetreibern an sein bzw. zu seinem Übertragungs- oder Verteilernetz nicht untersagen (§§ 17, 18, 20 EnWG).59 Die hierfür verlangten Zugangsentgelte müssen zudem insbesondere angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sein (§ 21 EnWG). Erzeugern und Vertrieblern soll damit die realistische Chance gegeben werden, auf die monopolistisch strukturierten Stromnetze zugreifen zu können, um ihre eigenen Leistungen anbieten zu können.60 Im Ergebnis können nun die ggf. komplett eigenständigen Stromerzeuger ihren Standort frei nach ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen auswählen.61 Auch die Letztverbraucher haben nun die Wahl zwischen verschiedenen Stromlieferanten, so dass sie sich bundesweit den günstigsten aussuchen bzw. sich gezielt für einen be56 Vgl. Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 332). 57 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2013, S. 28. 58 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2013, S. 28. 59 Vgl. Büdenbender, Rechtliche Grundlagen für eine Koordination von Kraftwerken und Netzen in der Elektrizitätswirtschaft nach der Energierechtsreform 2005, in: Pielow (Hrsg.), Sicherheit in der Energiewirtschaft (in memoriam Peter J. Tettinger), Bad Langensalza 2007, S. 165 ff. (S. 176 ff.). 60 Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2013, S. 27. 61 BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 59; Gentzsch, Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft – Neue Vorgaben im Energierecht, in: Ehricke (Hrsg.), Hürden und Grenzen der Liberalisierung im Energiesektor, Baden-Baden 2013, S. 81 ff. (S. 87); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 50 f.; vgl. auch Büdenbender, Rechtliche Grundlagen für eine Koordination von Kraftwerken und Netzen in der Elektrizitätswirtschaft nach der Energierechtsreform 2005, in: Pielow (Hrsg.), Sicherheit in der Energiewirtschaft (in memoriam Peter J. Tettinger), Bad Langensalza 2007, S. 165 ff. (S. 170 f.).
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stimmten Lieferanten entscheiden können, etwa einen, der sich auf Öko-Strom spezialisiert.62 Aus Netzsicht ist ein solcher uneingeschränkter und freier Markt mit vielen unterschiedlichen, eigenständigen Akteuren, die ggf. nur Teilleistungen anbieten (nur Erzeugung, nur Transport, nur Vertrieb) jedoch eine Illusion, da die tatsächliche Stromeinspeisung, -verteilung und -ausspeisung am Ende immer den Kapazitätsgrenzen der Stromnetze unterliegt. Die Netzbetreiber müssen also die gefundenen Marktergebnisse zu Kauf und Verkauf von Strom an die Realitäten des Netzbetriebs anpassen, indem sie durch die „Steuerung“ der Stromflüsse Engpässe umgehen.63 Die damit verbundenen Herausforderungen werden zudem durch die grenzüberschreitenden Stromflüsse des europäischen Strombinnenmarktes gesteigert.64 Darüber hinaus verstärken die Regelungen zur Transformation des Stromsystems im Sinne der Energiewende die durch die Liberalisierungsvorgaben bewirkten Netzsteuerungsherausforderungen massiv. Die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (EE) wurde erstmals mit dem Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) von 1991 in Angriff genommen, das im Jahre 2000 durch das EEG abgelöst wurde.65 Der Gesetzgeber hat zudem mit dem EnWG 1998 die Umweltverträglichkeit der Elektrizitätsversorgung in den Status einer Zweckbestimmung des Energiewirtschaftsrechts erhoben (§ 1 Abs. 1 EnWG). Dies entspricht der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, was auch den Klimaschutz und den Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung mitumfasst.66 Als Zielvorgabe formuliert § 1 Abs. 2 EEG 2017, den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch bis 2050 auf mindestens 80 Prozent zu erhöhen. Die wichtigsten Vorschriften hierzu betreffen die finanzielle Förderung der Einspeisung von Strom aus EE und KWK (Kraft-Wärme-Kopplung) über die Einspeisevergütung, Marktprämie bzw. Zuschlagzahlung (heute: §§ 19 ff. EEG 2017, §§ 5 ff. KWKG), den vorrangigen Anschluss von EE- und hocheffizienten KWKAnlagen (§ 8 EEG 2017, § 3 Abs. 1 Nr. 1 KWKG) sowie die privilegierte Einspeisung bzw. vorrangige physikalische Abnahme von Strom aus solchen Anlagen (§ 11 62 Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 332). 63 König, Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff. (S. 451); König, Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff. (S. 451). Zahoransky (Hrsg.)/Allelein et al., Energietechnik, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 399. 64 Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., München 2013, S. 61 ff. 65 Vgl.: Schumacher, in: Gerstner (Hrsg.), Grundzüge des Rechts der erneuerbaren Energien, Göttingen 2013, S. 4 ff.; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., München 2013, S. 495 ff. 66 Schumacher, in: Gerstner (Hrsg.), Grundzüge des Rechts der erneuerbaren Energien, Göttingen 2013, S. 11; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 333).
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EEG 2017, § 3 KWKG). Spätestens seit 2009 sind umwelt- und klimapolitische Ziele des Energierechts auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene angekommen, etwa im Wege der sog. 20/20/20-Ziele im Hinblick auf das Zieljahr 2020: Senkung der CO2Emissionen um 20 Prozent gegenüber 1990, Senkung des Energieverbrauchs um 20 Prozent (Erhöhung der Energieeffizienz) sowie Deckung des Energiebedarfs zu 20 Prozent aus erneuerbaren Energien.67 Die Energie- und Klimaziele der EU für das Zieljahr 2030 sehen darüber hinaus vor: Senkung der CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990, Senkung des Energieverbrauchs um 27 bis 30 Prozent und Deckung des Energiebedarfs zu 27 Prozent aus erneuerbaren Energien.68 Die Einführung und Weiterentwicklung der Förderungs- und Privilegierungsvorschriften hat einen starken Zubau an EE-Anlagen, insbesondere von Windkraft und Photovoltaik (PV), bewirkt69, während gleichzeitig konventionelle Anlagen zunehmend unrentabel werden.70 Die Folge ist ein Elektrizitätsversorgungssystem, das stark geprägt ist von Erzeugungsanlagen, deren Einspeisung nicht steuerbar ist71 und die sich v. a. dort befinden, wo die Ausbeute an Wind bzw. Sonne am besten ist – häufig weit entfernt von den Hauptverbrauchszentren.72 Die Einführung der verpflichtenden Direktvermarktung hat die Prognoseschwierigkeiten der ÜNB erhöht, da insoweit und anders als bei der Einspeisevergütung die Vermarktung des 67 Vgl. Theobald, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 1 Rn. 68. 68 Vgl. die Pressemitteilung des BMWi vom 24. 10. 2014, http://www.bmwi.de/Redaktion/ DE/Pressemitteilungen/2014/20141024-gabriel-eu-klima-und-energieziele-bis-2030-setzen-einwichtiges-signal.html (abgerufen am 30. 06. 2017). Auf diesen Zielen soll das kommende EUPaket „Saubere Energie für alle Europäer“, dessen erste Entwürfe am 30. November 2016 vorgestellt wurden (KOM(2016) 860 final), fußen. 69 BMWi, „Die Energie der Zukunft“ – Vierter Monitoring-Bericht zur Energiewende, November 2015, S. 14. 70 Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 170); Franke, Systemstabilität und Wirtschaftlichkeit als Schlüsselherausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende, EnWZ 2013, S. 529 f. (S. 530); Gentzsch, Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft – Neue Vorgaben im Energierecht, in: Ehricke (Hrsg.), Hürden und Grenzen der Liberalisierung im Energiesektor, Baden-Baden 2013, S. 81 ff. (S. 84); Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff. (S. 252); BMWi, Zweiter Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, März 2014, S. 48; Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 315); BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2015, November 2015, S. 23 f.; Garbers, Rechtliche Vorgaben für die Bundesnetzagentur bei regulatorischen Eingriffen in die Versorgungssicherheit, RdE 2015, S. 221 ff. (S. 222); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 34 ff. 71 BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 59; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 49; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., München 2013, S. 219. 72 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 48.
A. Einführung
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EE-Stromes nicht in den Händen der ÜNB selbst liegt.73 Statt wenigen großen Stromerzeugern gibt es nun zudem viele kleine, dezentral angesiedelte Anlagen, zum Teil auf den Dächern von Privathäusern.74 Hinzu kommt der schrittweise, durch das Unglück in Fukushima 2011 beschleunigte Ausstieg aus der Kernkraft bis zum Jahr 2022 (vgl. § 7 AtG) und damit der weitere Verlust lastnaher, gesicherter Erzeugungsleistung.75 Die Versorgung aus eigenen Anlagen (Eigenversorgung) wurde und wird – wenn auch in geringerem Maße – durch Privilegierungsvorschriften, etwa Vergünstigungen bei der EEG-Umlage oder der Stromsteuer (heute: §§ 61a ff. EEG 2017, § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG), gefördert bzw. durch den Wegfall der Netzentgeltzahlungspflicht (soweit kein Bezug aus dem Netz erfolgt) begünstigt.76 Aus Netzsicht ist diese Entwicklung jedoch nicht unbedingt zu begrüßen, da auch Eigenversorger in der Regel einen Anschluss an das Versorgungsnetz benötigen, ihre Strombezüge aber wesentlich sprunghafter ausfallen können als bei sonstigen Verbrauchern. Eine direkte oder indirekte räumliche Steuerung der Erzeugung fand lange Zeit nicht statt, rückt nun jedoch zunehmend in den Blick.77 Hier sind insbesondere die bereits eingeführten Stilllegungsverbote für systemdienliche konventionelle Anlagen sowie die Regelungen zur Netzreserve, nun geregelt in den §§ 13b und 13d EnWG, zu nennen.78 Darüber hinaus wurden mit dem Strommarktgesetz79, das seit 30. Juli 2016 in Kraft ist, die Kapazitätsreserve (§ 13e EnWG), Vorschriften zur Stilllegung von Braunkohlekraftwerken bzw. zur vorübergehenden Erhaltung in der sog. Sicherheitsbereitschaft (§ 13g EnWG) und das Instrument der Netzstabilitätsanlagen80 (§ 13k EnWG a.F.) eingefügt. Die letztgenannte Regelung wurde mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz, das seit dem 22. Juli 2017 in Kraft ist, aber
73 Haker/Weber, Untersuchungen zur Bilanzabweichung in der 50Hertz Transmission GmbH-Regelzone, et 2015, Heft 3, S. 62 ff. (S. 62). 74 BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2014, S. 24. 75 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 54 f. 76 ISI/SUER, Anforderungen der Integration der erneuerbaren Energien an die Netzentgeltregulierung – Vorschläge zur Weiterentwicklung des Netzentgeltsystems, 2016, S. 137; vgl. auch Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 330 f.). 77 Vgl. etwa Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 358 ff. 78 Siehe dazu: Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff. (S. 252); Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 317); Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 243 f.). 79 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 80 Eine ähnliche Regelung enthielt zuvor bereits § 8 Abs. 4 ResKV a.F.
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
bereits wieder abgeschafft.81 Die Nachfolgeregelung in § 11 Abs. 3 EnWG n.F. zielt auf die Beauftragung Dritter zum Betrieb sog. besonderer netztechnischer Betriebsmittel. Mit dem EEG 2017 wurden weitere Schritte in Richtung Erzeugungssteuerung unternommen, insbesondere durch die Schaffung des Steuerungsinstruments „Netzausbaugebiet“ in § 36c EEG 2017.82 Hiernach wird der weitere Zubau von Windenergieanlagen an Land in Gebieten, in denen die Übertragungsnetze besonders überlastet sind83, über die Einführung von Obergrenzen künftig gedeckelt. Bestehende Engpasslagen sollen also durch den weiteren Zubau von EE nicht zu stark verschärft werden.84 Dies geht einher mit der Umstellung auf Ausschreibungen zur Ermittlung der Förderungen für Wind-, PV- und Biomasseanlagen (§ 22 EEG 2017) und der damit verbundenen Mengensteuerung (§ 28 EEG 2017).85 Insoweit wird nun also bereits der Zubau von EE-Anlagen der Regulierung unterworfen und nicht mehr nur die Erhaltung systemdienlicher konventioneller Anlagen forciert. Gegenläufige Effekte können sich aufgrund der Einführung der sog. Spitzenkappung (§ 11 Abs. 2 EnWG n.F., § 12 Abs. 3 S. 2 EEG 2017) durch das Strommarktgesetz ergeben. Danach können Netzbetreiber ihrer Netzplanung künftig die Annahme zugrunde legen, „dass die prognostizierte jährliche Stromerzeugung je unmittelbar an ihr Netz angeschlossener Anlage zur Erzeugung von elektrischer Energie aus Windenergie an Land oder solarer Strahlungsenergie um bis zu 3 Prozent reduziert werden darf (Spitzenkappung).“ Die Netze müssen also nicht mehr so ausgebaut werden, dass auch die „letzte Kilowattstunde“ im Sinne einer seltenen Erzeugungsspitze noch in das Netz aufgenommen werden kann.86 Bis zu einem gewissen Grad müssen folglich Engpässe nicht durch Netzausbau behoben werden. Der regulatorische Rahmen von Liberalisierung und Energiewende bewirkt durch die Setzung von Rahmenbedingungen und Anreizen in der Konsequenz eine zu81 Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 17. Juli 2017, BGBl. 2017 I S. 2503 ff. 82 Kahl/Kahles/Müller, Neuordnungen im EEG 2017 – Die Folgen des Systemwechsels auf Ausschreibungen für die Förderung, die Rolle des Netzes und den Anwendungsbereich, ER 2016, S. 187 ff. (S. 190). 83 Näheres ist in einer Rechtsverordnung nach § 88b EEG 2017 zu regeln. Dies erfolgte nun durch Anfügung an die bereits bestehende Erneuerbare-Energien-Ausführungs-Verordnung EEAV, in Kraft seit dem 1. März 2017. Zum Netzausbaugebiet zählen demnach der nördliche Teil Niedersachsens, Bremen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. 84 Vgl. BT-Drs. 18/8860, S. 210. 85 Kahl/Kahles/Müller, Neuordnungen im EEG 2017 – Die Folgen des Systemwechsels auf Ausschreibungen für die Förderung, die Rolle des Netzes und den Anwendungsbereich, ER 2016, S. 187 ff. (S. 188); Vollprecht/Altrock, Die EEG-Novelle 2017 – Von Ausschreibungen bis zuschaltbare Lasten, EnWZ 2016, S. 387 ff. (S. 388). Auch die Förderungen für KWKAnlagen mit einer elektrischen Leistung von mehr als 1 bis einschließlich 50 Megawatt werden künftig in Ausschreibungen ermittelt (§§ 5, 8a ff. KWKG n.F.). 86 BT-Drs. 18/7317, S. 79; vgl. hierzu auch Sailer, Die besonderen Netzausbaupflichten im EEG und KWKG, EnWZ 2016, S. 250 ff. (S. 256 f.).
B. Grundlagen der Systemverantwortung
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nehmende Komplexität der Stromversorgung. Dabei können beide genannten Leitmotive des jüngeren Energierechts auch in Konflikt zueinander treten. Dies zeigt sich etwa bei den Fragen des für die Energiewende unabdingbaren Netzausbaus.87 Die hierfür anfallenden Kosten können im Rahmen der Anreizregulierung – die als Methode der Entgeltregulierung der Zugangsregulierung als Teil der Liberalisierungsgesetzgebung zuzuordnen ist – ggf. nicht ohne Weiteres bzw. nur nach Maßgabe von § 23 ARegV vollständig und ohne Zeitverzug geltend gemacht werden.88 Aus Energiewende-Sicht gewünschter Netzausbau muss sich also im Grundsatz der effizienz- und verbraucherorientierten Anreizregulierung stellen. Wird in der Folge an sich erforderlicher Netzausbau zurückgestellt oder gänzlich unterlassen, verstärken sich die Probleme im Bereich des Netzsicherheitsmanagements.
B. Grundlagen der Systemverantwortung Nachdem in Teil 1 A. der Bedeutungsgewinn der Regelungen zur Systemverantwortung sowie die physikalisch-technischen und rechtlichen Hintergründe herausgearbeitet wurden, sollen im folgenden Kapitel die allgemeinen Grundlagen, also Zweck, historische Entwicklung und Rechtsregime der Systemverantwortung dargestellt werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf § 13 EnWG als Schlüsselnorm der Systemverantwortung.
I. Zweck der Systemverantwortung Wie sich aus § 13 Abs. 1 EnWG ergibt, sind die Übertragungsnetzbetreiber zur Beseitigung von Gefährdungen oder Störungen für die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in ihrer jeweiligen Regelzone berufen. Damit tragen sie zur Gewährleistung der „Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems der Elektrizitätsversorgung“ bei.89 Sie sind in diesem Zusammenhang für die Netzsicherheit und -stabilität (Netzsicherheitsmanagement90) verantwortlich, die einen essentiellen Teilbereich der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit mit 87
Bicker, Einspeisemanagement in EEG-Regionen – Grundlagen, aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen auf Biogasanlagen in Nordwestdeutschland, AUR 2012, S. 245 ff. (S. 245); König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 201); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 28, 48, 53 ff.; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., München 2013, S. 219; Schaber/Bieberbach, Redispatch und dezentrale Erzeugung – Alternativen zum Netzausbau?, et 2015, Heft 7, S. 18 ff. (S. 18). 88 Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 329 f.). 89 BT-Drs. 15/3917, S. 56. 90 Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 2.
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
Elektrizität darstellt. Diese fällt in den Bereich der Daseinsvorsorge, also in den Bereich der Aufgaben, die klassischerweise dem Staat obliegen.91 Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ist nach dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine „öffentliche Aufgabe von größter Bedeutung“ bzw. gar von „überragender Bedeutung“ für das Gemeinwohl, deren „der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf.“92 Das Interesse der Bevölkerung an einer funktionierenden Stromversorgung sei vergleichbar mit dem „Interesse am täglichen Brot.“93 Das BVerfG betont in diesem Zusammenhang zudem die Bedeutung für den „ungestörten Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens.“94 Im Rahmen seiner Gewährleistungsverantwortung kann der Staat durch die Schaffung gesetzlicher Regelungen sicherstellen, dass bestimmte Aufgaben der Daseinsvorsorge durch private Akteure erfüllt werden.95 Die Vereinnahmung der Übertragungsnetzbetreiber96 für diese staatliche Aufgabe liegt darin begründet, dass die ÜNB97 aufgrund ihrer Stellung als Betreiber der großen, den Verteilnetzen vorgelagerten Transportnetze im Bereich der Stromverteilung eine herausgehobene Stellung einnehmen. Von allen an der Stromverteilung beteiligten Akteuren verfügen sie über den besten Überblick über die Lage in den Netzen und gleichzeitig die besten Möglichkeiten zur Überwachung und zur Einwirkung bei Gefährdungs- und Störungslagen.98 Man könnte sie insoweit als das „Rückgrat der Stromversorgung“ bezeichnen.99 Denn: „Sie sind in der Lage, zu jedem Zeitpunkt die Spannung im Netz einer Regelzone konstant zu halten und die an verschiedenen Punkten in unterschiedlicher Menge zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingespeiste und verbrauchte Elektrizität unter Berücksichtigung von erforderlicher Ausgleichsenergie sowie Netz- und Erzeugungsreserven im Gleichgewicht zu fahren.“100 Die ÜNB sollen Gefahren möglichst frühzeitig erkennen und 91 BVerfGE 66, S. 248 ff. (S. 258); Altenschmidt, Die Versorgungssicherheit im Lichte des Verfassungsrechts, NVwZ 2015, S. 559 ff. (S. 561); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 21 ff. 92 BVerfGE 66, S. 248 ff. (S. 258); BVerfGE 134, S. 242 ff. (S. 338); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 26. 93 BVerfGE 91, S. 186 ff. (S. 206). 94 BVerfGE 30, S. 292 ff. (S. 312, 324); BVerfGE 134, S. 242 ff. (S. 338). 95 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 151; zudem: Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 121 ff.; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 23 f. 96 Genauer hierzu: Teil 5. 97 Auch die Verteilnetzbetreiber sind nach § 14 EnWG aber in Teilen zur Wahrnehmung der Systemverantwortung berufen. 98 BT-Drs. 15/3917, S. 56 f. 99 So Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 1 (Stand: März 2012). 100 BT-Drs. 15/3917, S. 57.
B. Grundlagen der Systemverantwortung
33
abwenden bzw. bei bereits eingetretenen Störungen die Schäden in Grenzen halten.101 Wichtig ist die gesamtheitliche Erfassung aller Wechselwirkungen zwischen Ein- und Ausspeisungen und die entsprechende Ausrichtung der Netzführung in den Leitstellen.102 Die ÜNB sind dazu befugt, auf sämtliche Erzeuger, Verbraucher, Speicher, nachgelagerte Netzbetreiber usw. einzuwirken.103 Das Ziel der Aufgabenwahrnehmung besteht darin, dass eine möglichst unterbrechungsfreie Versorgung der Bevölkerung mit Elektrizität über die Netze sichergestellt wird und hierbei keine Gefahren für Menschen und Sachen entstehen.104 Die Systemverantwortung dient also unmittelbar zwei wesentlichen Regulierungszwecken des Energiewirtschaftsrechts, der Versorgungssicherheit und der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 EnWG).105 Daneben sind aber auch die Zweckbeschreibungen der Preisgünstigkeit, Effizienz und Umweltverträglichkeit – im Sinne des möglichst weitgehenden Einsatzes von erneuerbaren Energien – von Bedeutung (§ 1 Abs. 1 EnWG). Letzteres betrifft insbesondere die nachrangige, netzbedingte Drosselung von EE-Erzeugungsanlagen im Vergleich zu sonstigen Erzeugungsanlagen (§ 13 Abs. 3 EnWG, § 14 EEG 2017). Die verschiedenen Vorgaben können dabei im Spannungsverhältnis zueinander stehen.106 Die Schaffung einer gesetzlichen Regelung zur Systemverantwortung dient der Rechtssicherheit, also der Festschreibung klarer Verantwortlichkeiten.107 Auch die Vorschrift zum Einspeisemanagement nach § 14 EEG 2017, die Teil des Rechtsregimes zur Systemverantwortung ist (vgl. § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG) und die Abregelung von an sich privilegierten Erzeugungsanlagen (EE, Grubengas, hocheffiziente KWK) betrifft, dient der Schaffung von Rechtssicherheit. Hintergrund ist die Formulierung von klaren und berechenbaren Parametern für die Drosselung der Einspeisung aus privilegierten Anlagen entgegen der grundsätzlichen Abnahmepflicht der Netzbetreiber (§ 11 EEG 2017, § 3 KWKG).108
101
BT-Drs. 15/3917, S. 57. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 3. 103 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 2. 104 Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 6 ff. (Stand: März 2012); König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 5. 105 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 5. 106 Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 21 ff. (Stand: März 2012). 107 Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 41 (Stand: März 2012). 108 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 6. 102
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
Mit dem Strommarktgesetz109 (in Kraft seit dem 30. Juli 2016) wurden die Regulierungszwecke des EnWG in § 1 Abs. 1 durch die Einführung von Zielbestimmungen, die der Zweckerreichung dienen sollen, ergänzt. Diese Ziele sind in § 1 Abs. 4 EnWG geregelt. Hiernach sollen – neben weiteren Vorgaben – Erzeugungsanlagen, Stromspeicher und Lasten „möglichst umweltverträglich, netzverträglich, effizient und flexibel in dem Umfang eingesetzt werden, der erforderlich ist, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten“ (§ 1 Abs. 4 Nr. 3 EnWG). Die Wahrnehmung der Systemverantwortung soll also zukünftig im Widerstreit der verschiedenen Zwecke des EnWG weiter optimiert werden, etwa indem verstärkt auch das Potenzial der verschiedenen vorhandenen Flexibilitätsoptionen besser ausgenutzt wird.110 Angebot und Nachfrage nach Elektrizität sollen künftig also flexibler aufeinander angestimmt werden. Hierauf zielt auch § 1a Abs. 3 EnWG, der das Hinwirken auf die Flexibilisierung von Angebot und Nachfrage zu einem der Grundsätze des sog. „Strommarktes 2.0“ erhebt.111
II. Historische Entwicklung der Systemverantwortung Bevor im nächsten Schritt dieses Kapitels zu den Grundlagen der Systemverantwortung das derzeitige Rechtsregime vorgestellt wird, soll kurz die historische Entwicklung der Regelungen aufgezeigt werden. Ursprünglich enthielt das EnWG keine Normen, die sich dem Umgang mit Gefährdungen der Netze widmeten.112 Jedoch entstand mit der schrittweisen Umsetzung der Liberalisierung ab 1998 zunehmend die Erforderlichkeit, hierfür einen Rechtsrahmen zu entwickeln.113 Der Grund liegt darin, dass mit der Trennung des Netzbetriebs von den sonstigen Bereichen der Elektrizitätsversorgung und der Öffnung der Netze für Dritte (Erzeuger, Lieferanten usw.) durch die Einführung von Zugangsrechten (§ 20 EnWG) die Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Stromleitungen keine bloß interne Angelegenheit der Verbundunternehmen mehr war.114 Vom störungsfreien Betrieb der Netze waren nun auch dritte Netznutzer betroffen. Zudem entstand die Notwendigkeit einer Systematisierung und Standardisierung des Netzsicherheitsmanagements, um nicht entgegen von § 20 Abs. 1 EnWG auf der Ebene der Netzstabilität einen Raum zu schaffen, in dem Diskriminierungen einzelner Netznutzer
109
BGBl. 2016 I S. 1786 ff. BT-Drs. 18/7317, S. 76. 111 Vgl. BT-Drs. 18/7317, S. 76. 112 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 372. 113 Vgl. Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2013, S. 27, 31. 114 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 372. 110
B. Grundlagen der Systemverantwortung
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auftreten können, etwa durch willkürliche Abregelungen bestimmter Netznutzer in Gefährdungsfällen. Erste Regelungen fanden sich dann in den an sich rechtlich unverbindlichen technischen Regelwerken der Netzbetreiber wie dem Transmission Code.115 Die Einführung gesetzlicher Regelungen zur Systemverantwortung erfolgte erst mit dem EnWG 2005116, dort wurden die §§ 13 und 14 EnWG geschaffen, deren wesentliche Vorgaben bis heute unverändert gültig sind.117 Einen unmittelbaren unionsrechtlichen Anstoß gab es insoweit nicht.118 In der Folgezeit wurden aufgrund der Zunahme von Netzengpässen Stück für Stück Ergänzungen und Erweiterungen vorgenommen.119 Der Hintergrund dieser Entwicklungen liegt maßgeblich in den Regelungen zur Energiewende, die insbesondere einen zunehmenden Einsatz lastferner, volatiler Erzeugungsanlagen ausgelöst haben.120 Mit dem EnWG 2011121 wurden erstmals Regelungen eingeführt, nach denen bestimmte große Erzeuger verpflichtend an sog. Redispatch-Maßnahmen teilnehmen mussten, ohne dass es auf eine vertragliche Vereinbarung insoweit ankam (§ 13 Abs. 1a EnWG 2011; heute § 13a EnWG), zudem wurde gezielt auch die Verbrauchsseite adressiert, um neue Potenziale für das Netzsicherheitsmanagement zu erschließen (§ 13 Abs. 4a EnWG 2011; heute § 13 Abs. 6 EnWG).122 Nur wenig später erfolgte mit dem Dritten Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2012123 eine erneute Überarbeitung. Hiermit wurden zum einen die erst 2011 eingeführten Regelungen überarbeitet (teilweise allerdings nur befristet), zum anderen wurde erstmals der Problemkreis des örtlichen Vorhandenseins ausreichender Erzeugungsleistung in den Blick genommen.124 Wie bereits dargestellt, ist es aufgrund der Unterversorgung bestimmter Gebiete in 115 Vgl. die geltende Fassung: VDN, Transmission Code 2007 (mit Anhängen); vgl. dazu de Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 252. 116 BGBl. 2005 I S. 1970 ff. 117 BT-Drs. 15/3917, S. 56 f.; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 144; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 373. 118 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 8; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 76; vgl. aber auch Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 233). 119 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 374. 120 Siehe bereits Teil 1 A.I. und III. 121 BGBl. 2011 I S. 1554 ff. 122 BT-Drs. 17/6072, S. 71 ff. 123 BGBl. 2012 I S. 2730 ff. 124 BT-Drs. 17/11705, S. 50 ff.; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 374; Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 14.
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
Süddeutschland und des defizitären Netzausbaus ggf. erforderlich, kurzfristig Erzeugungsanlagen vor Ort hochzufahren, um die Netzstabilität zu wahren und die Versorgung zu sichern.125 Die Stilllegung einzelner systemrelevanter Anlagen aufgrund mangelnder Rentabilität kann jedoch die Versorgungssicherheit in Frage stellen.126 Deshalb entschied sich der Gesetzgeber dafür, Regelungen zu erlassen, um die Anlagenstilllegung ggf. zu verhindern oder zumindest zu verzögern; zudem wurde der Rechtsrahmen für das Kontrahieren von Netzreserveanlagen geschaffen (§§ 13a f. EnWG 2012; heute §§ 13b-13d EnWG). Eine wesentliche Fortentwicklung des Rechtsrahmens erfolgte mit dem Strommarktgesetz, das seit dem 30. Juli 2016 in Kraft ist.127 Dessen Verabschiedung ging ein umfassender Grün- und Weißbuchprozess128 voraus, in dem Bürger und Experten zur Beteiligung und zur Abgabe von Stellungnahmen aufgerufen waren. Im Ergebnis erfolgte hierbei die Entscheidung für die Umsetzung eines „Strommarktes 2.0“, also für die Weiterentwicklung des bestehenden Energieversorgungssystems zur Bewältigung der Herausforderungen durch die Energiewende und gegen die Einführung eines sog. Kapazitätsmarktes neben dem regulären Strommarkt (zum Handel mit gesicherter Kraftwerksleistung).129 In der Entwurfsbegründung heißt es hierzu: „Ziel des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Strommarktes ist es daher, die energiewirtschaftsrechtlichen Regelungen für den Stromsektor so auszugestalten, dass einerseits ausreichend Kapazitäten vorhanden sind, um jederzeit Angebot und Nachfrage auszugleichen (Vorhaltefunktion), andererseits zu gewährleisten, dass diese Kapazitäten auch zur richtigen Zeit und im erforderlichen Umfang eingesetzt
125
BMWi, Zweiter Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, März 2014, S. 48; vgl. auch: Gentzsch, Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft – Neue Vorgaben im Energierecht, in: Ehricke (Hrsg.), Hürden und Grenzen der Liberalisierung im Energiesektor, Baden-Baden 2013, S. 81 ff. (S. 83); Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 315). 126 Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 170); Franke, Systemstabilität und Wirtschaftlichkeit als Schlüsselherausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende, EnWZ 2013, S. 529 f. (S. 530); Gentzsch, Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft – Neue Vorgaben im Energierecht, in: Ehricke (Hrsg.), Hürden und Grenzen der Liberalisierung im Energiesektor, Baden-Baden 2013, S. 81 ff. (S. 84); Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff. (S. 252); BMWi, Zweiter Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, März 2014, S. 48; Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 315); BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2015, November 2015, S. 23 f.; Garbers, Rechtliche Vorgaben für die Bundesnetzagentur bei regulatorischen Eingriffen in die Versorgungssicherheit, RdE 2015, S. 221 ff. (S. 222). 127 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 128 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014; BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Weißbuch), 2015. 129 BT-Drs. 18/7317, S. 53 ff.; Stelter/Ipsen, Das Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz), EnWZ 2016, S. 483 ff. (S. 483).
B. Grundlagen der Systemverantwortung
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werden (Einsatzfunktion).“130 Die wesentlichen Vorgaben der Systemverantwortung wurden beibehalten, es erfolgte jedoch eine strukturelle Überarbeitung und Ergänzung der Vorschriften: Aus den §§ 13 – 13c EnWG a.F. wurden nun die §§ 13 – 13k EnWG n.F. Neu eingefügt wurde insbesondere die Kapazitätsreserve (§ 13e EnWG), die der Absicherung der Stromversorgung dienen und auf diese Weise den Aufbau eines Kapazitätsmarktes entbehrlich machen soll.131 Es wird damit also auch weiterhin neben dem Energy-Only-Market, der dadurch gekennzeichnet ist, dass ausschließlich Energie, nicht aber die Vorhaltung von Leistung vergütet wird, keinen eigenständigen Markt132 für Stromkapazität geben; die zusätzlichen Reserven sollen demnach nur außerhalb der Strommärkte zum Einsatz kommen.133 Zudem wurde eine Spezialvorschrift zur Stilllegung von Braunkohlekraftwerken eingefügt (§ 13 g EnWG), die vorrangig dem Klimaschutz dienen soll. Die stillzulegenden Braunkohlekraftwerke müssen allerdings übergangsweise auch als sog. Sicherheitsbereitschaft im Rahmen der Systemverantwortung zur Verfügung stehen.134 In § 13k EnWG (a.F.) wurde schließlich noch eine Spezialregelung zur Errichtung sog. Netzstabilitätsanlagen durch die ÜNB zum Einsatz als besondere netztechnische Mittel eingefügt.135 Diese Norm wurde mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz (in Kraft sei dem 22. Juli 2017) aber bereits wieder abgeschafft und durch eine Nachfolgeregelung ersetzt, die die Beauftragung Dritter zum Betrieb sog. „besonderer netztechnischer Betriebsmittel“ vorsieht (§ 11 Abs. 3 EnWG n.F.).136 Im Zuge der EEG-Novelle 2017137, deren Verabschiedung am 8. Juli 2016 erfolgte – und damit nur kurz nach Inkrafttreten des Strommarktgesetzes am 30. Juni 2016 –, wurde bereits eine erneute Ergänzung der Systemverantwortungs-Normen vorgenommen.138 In § 13 Abs. 6a EnWG wurde eine neue Spezialregelung geschaffen, die der Einbindung zuschaltbarer Lasten in das Netzengpassregime dienen soll.139 Adressiert werden hierdurch Betreiber von KWK-Anlagen, die auf Veranlassung durch den ÜNB in Engpasssituationen die Einspeisung von Strom in das Netz 130
BT-Drs. 18/7317, S. 53. BT-Drs. 18/7317, S. 96. 132 Wenngleich kein „Markt“ im klassischen Sinne, dazu Riewe, Kapazitätsmechanismen – Perspektiven des Wettbewerbs- und Kartellrechts, EWeRK 2016, S. 229 ff. (S. 230). 133 Vgl. Ludwigs, Unionsrechtliche Probleme bei der Schaffung von Kapazitätsmechanismen in Deutschland, RdE 2015, S. 325 ff. (S. 325). 134 BT-Drs. 18/7317, S. 101. 135 Insoweit kann § 8 Abs. 4 der Reservekraftwerksverordnung (ResKV) allerdings als Vorläufervorschrift angesehen werden. 136 Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 17. Juli 2017, BGBl. 2017 I S. 2503 ff. 137 Das Inkrafttreten erfolgte am 1. Januar 2017. 138 BGBl. 2016 I S. 2258 ff. 139 BT-Drs. 18/8860, S. 333. 131
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
drosseln und zur Sicherung der Wärmebereitstellung Power-to-Heat-Anlagen, also Anlagen, die Strom in Wärme umwandeln, einsetzen sollen.140 Auch im EEG selbst entwickelten sich – zunächst unabhängig von den Vorgaben im EnWG – Vorschriften, die mit dem Netzsicherheitsmanagement in Zusammenhang stehen.141 Ausgangspunkt war die mit der Einführung des EEG im Jahre 2000142 erstmals festgeschriebene Pflicht der Netzbetreiber, Strom aus erneuerbaren Energien vorrangig abzunehmen (§ 3 Abs. 1 EEG 2000). Noch bevor also im Jahre 2005 im EnWG die Regelungen zur Systemverantwortung eingeführt wurden, enthielt das EEG bereits eine Vorschrift, die sich mit dem Engpassmanagement befasste. Eine Einspeiseprivilegierung macht schließlich nur dann Sinn, wenn es zu Engpässen kommt, ist also eine Regelung aus dem Bereich des Engpassmanagements.143 Ebenfalls noch vor der Einführung der Systemverantwortung im EnWG wurde mit dem EEG 2004144 vier Jahre später dann auch zum ersten Mal eine Regelung geschaffen, die dem Netzbetreiber das Recht zur Abregelung von EE-Anlagen gewährte – unter Abweichung vom Abnahmevorrang (sog. Erzeugungsmanagement, § 4 Abs. 3 S. 2 EEG 2004145).146 Mit dem EEG 2009147 wurde diese Regelung allerdings grundsätzlich überarbeitet und in eine neue Form gebracht (§ 11 EEG 2009). Engpassbedingte Abregelungen von EE-Anlagen sind seither nur noch unter engen Voraussetzungen zulässig und werden als Einspeisemanagement (EinsMan) bezeichnet.148 Damit standen den Netzbetreibern nun mit der Systemverantwortung des EnWG 2005 und dem Einspeisemanagement des EEG 2009 zwei quasi konkurrierende Befugnisnormen des Netzsicherheitsmanagements zur Verfügung, die sich im Bereich des Engpassmanagements kreuzten und deren Verhältnis strittig war.149 Mit 140
BT-Drs. 18/8860, S. 333. Ausführlich König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 9 ff. 142 BGBl. 2000 I S. 305 ff. 143 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 375. 144 BGBl. 2004 I S. 1918 ff. 145 § 4 Abs. 3 S. 2 EEG 2004: „Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 zur vorrangigen Abnahme des in diesen Anlagen erzeugten Stroms besteht nur, soweit das Netz oder der Netzbereich nicht durch Strom aus zeitlich vor diesen Anlagen angeschlossenen Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien oder Grubengas vollständig ausgelastet ist; die Verpflichtung zum unverzüglichen Ausbau nach Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.“ 146 Vgl. dazu nur Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/ von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 175 ff.). 147 BGBl. 2008 I S. 2074 ff.; BT-Drs. 16/8184, S. 46 ff. 148 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 375. 149 Vgl. dazu nur König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 376 m.w.N. 141
B. Grundlagen der Systemverantwortung
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dem EnWG 2011 und der Einführung des § 13 Abs. 2a EnWG 2011 sowie dem EEG 2012150 wurden die Systemkonflikte jedoch entschärft. Das Einspeisemanagement wurde dem EnWG-Regime eingegliedert und die Regelungen wurden miteinander verzahnt.151 Seit dem EEG 2012 sind im Übrigen auch KWK-Anlagen von den EinsMan-Regelungen erfasst. Auch nach der EEG-Novelle 2014152 ist das Einspeisemanagement als eigene Vorschrift existent und befindet sich nun in § 14 EEG 2014. Daran änderte sich auch mit der EEG-Novelle 2017153 sowie dem KWKGEEG-Änderungsgesetz154, das noch vor Inkrafttreten des EEG 2017 am 1. Januar 2017 verabschiedet wurde, nichts (§ 14 EEG 2017).
III. Rechtsregime der Systemverantwortung Als Basis für die ausführliche Befassung mit den Regelungen der Systemverantwortung sollen im Folgenden die wesentlichen Vorschriften in ihrer aktuellen Fassung vorgestellt und in den Gesamtrahmen des Energiewirtschaftsrechts eingeordnet werden. Die Bedeutung einer gesicherten Versorgung mit Elektrizität wird bereits in § 1 Abs. 1 EnWG zu den wesentlichen Zwecken des EnWG gezählt, neben der Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Effizienz und Umweltverträglichkeit.155 Zudem heißt es in § 1 Abs. 2 EnWG, dass die Regulierung der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze nicht nur der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Elektrizitäts- und Gasversorgung dient, sondern auch „der Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen.“ In § 1 Abs. 4 Nr. 3 EnWG wird zudem seit Einfügung mit dem Strommarktgesetz von 2016156 die Zielvorstellung vorgegeben, 150
BGBl. 2011 I S. 1634 ff.; BT-Drs. 17/6071, S. 64 ff. Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. Das Verhältnis von Systemverantwortung und Einspeisemanagement war vor Einfügung von § 13 Abs. 2a EnWG mit dem EnWG 2011 heftig umstritten, vgl. nur König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M., § 13 EnWG Rn. 91, m.w.N. (Fn. 53); vgl. zudem Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 228), zum Verhältnis von Systemverantwortung und EinsMan nach dem EEG 2009: „Man kann auch von einem legislativen Bärendienst sprechen, der dem Rechtsanwender hier erwiesen wurde. Literatur und Rechtsprechung quälen sich daher durch das Normenwirrwarr und legen einschränkend und erweiternd aus oder attestieren bisweilen ein legislatives Versehen.“ 152 BGBl. 2014 I S. 1066 ff. 153 BGBl. 2016 I S. 2258 ff. 154 BGBl. 2016 I S. 3106 ff. 155 Vgl. Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 12 Rn. 1 (Stand: März 2012). 156 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 151
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
„dass Erzeugungsanlagen, Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie und Lasten insbesondere möglichst umweltverträglich, netzverträglich, effizient und flexibel in dem Umfang eingesetzt werden, der erforderlich ist, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten.“ Die Energieversorgungsunternehmen, zu denen auch die Netzbetreiber zu zählen sind (§ 3 Nr. 18 EnWG), sind auf eine Versorgung in diesem Sinne verpflichtet (§ 2 Abs. 1 EnWG). 1. §§ 11 ff. EnWG; Verhältnis von Regel- und Systemverantwortung In den §§ 11 ff. EnWG werden die Aufgaben der Netzbetreiber dann näher beschrieben. Diese sind nach § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG verpflichtet, „ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist.“ Den Netzbetreibern obliegen also der sichere Netzbetrieb, die Wartung und der bedarfsgerechte Netzausbau. Letzteres setzt jedoch seit der Einfügung der Spitzenkappung mit dem Strommarktgesetz in § 11 Abs. 2 EnWG n.F. keinen Ausbau mehr voraus, der auch noch die letzte aus Windkraft und PV produzierte Kilowattstunde an Strom in das Netz integriert.157 Die weitere Ausgestaltung der Aufgaben der Netzbetreiber erfolgt in den §§ 12 bis 16a EnWG (§ 11 Abs. 1 S. 2 EnWG). Hier werden Konkretisierungen der allgemeinen Vorgaben des § 11 EnWG vorgenommen.158 In § 12 Abs. 1 S. 1 EnWG wird sodann die sog. Regelverantwortung der ÜNB beschrieben, zudem wird bereits hier inhaltlich auch auf die Systemverantwortung Bezug genommen: „Betreiber von Übertragungsnetzen haben die Energieübertragung durch das Netz unter Berücksichtigung des Austauschs mit anderen Verbundnetzen zu regeln und mit der Bereitstellung und dem Betrieb ihrer Übertragungsnetze im nationalen und internationalen Verbund zu einem sicheren und zuverlässigen Elektrizitätsversorgungssystem in ihrer Regelzone und damit zu einer sicheren Energieversorgung beizutragen.“ Die erste Satzhälfte („Energieübertragung durch das Netz […] zu regeln“) normiert die Regelverantwortung, die zweite Satzhälfte („zu einem sicheren und zuverlässigen Elektrizitätsversorgungssystem […] beizutragen“) bezieht sich auf die Systemverantwortung.159 Auch in § 12 Abs. 3 S. 1 EnWG wird Letztere angesprochen („Zuverlässigkeit des Netzes“). Regelverantwortung meint die jederzeitige Erhaltung des Gleichgewichts aus Ein- und Ausspeisungen zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Netzfrequenz und betrifft
157
BT-Drs. 18/7317, S. 79. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 11 EnWG Rn. 75. 159 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 EnWG Rn. 10. 158
B. Grundlagen der Systemverantwortung
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den Normalbetrieb des Netzes.160 Mit der Regelverantwortung wird der bereits beschriebenen physikalischen Besonderheit der Gleichzeitigkeit beim Betrieb von Elektrizitätsnetzen Rechnung getragen.161 Die Systemverantwortung – die dann in den §§ 13 ff. EnWG näher ausgestaltet wird – dient dagegen der Gefahrenabwehr; Gefährdungen für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Netze sollen hiernach beseitigt werden.162 Sie zielt auf den Stress- bzw. Störbetrieb und damit an sich auf Ausnahmesituationen.163 Ziel ist die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems der Elektrizitätsversorgung.164 Eine echte Abgrenzung zwischen den Aufgabenbereichen der Regel- und der Systemverantwortung ist allerdings kaum sinnvoll durchzuführen.165 Dies lässt sich bereits anhand von § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG ersehen, wonach der Einsatz von Regelenergie zu den marktbezogenen Maßnahmen der Systemverantwortung gezählt wird. Regelenergie wird aber standardmäßig eingesetzt, um Frequenzschwankungen auszugleichen166, dient also gerade der Wahrnehmung der Regelverantwortung. Ohnehin würde jede Nicht-Wahrnehmung der Regelverantwortung Gefährdungen der Netzstabilität bewirken und Maßnahmen im Sinne der Systemverantwortung hervorrufen. Anders gesagt: Jede Netzsituation, die Handlungen der Regelverantwortung hervorruft, stellt auch gleichzeitig eine Gefährdungssituation im Rahmen der Systemverantwortung dar. Im Grunde lässt sich folglich die Regelverantwortung als ein Teilelement der Systemverantwortung begreifen und hat keine echte eigenständige Bedeutung. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass spätestens mit den 160 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 236; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 EnWG Rn. 10; Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 12 Rn. 4. 161 Siehe hierzu Teil 1 A.II. 162 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 EnWG Rn. 10. 163 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 EnWG Rn. 10. 164 Vgl. Teil 1 B.I.; BT-Drs. 15/3917, S. 56. 165 Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 58) sind der Ansicht, dass sich die Regelungen ergänzen und somit eine „scharfe“ begriffliche Unterscheidung nicht erforderlich ist; vgl. auch Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 81; a.A. allerdings Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 12 Rn. 9 f. (Stand: März 2012), der eine Trennung von Aufgaben- (§ 12 EnWG) und Befugnisnorm (§ 13 EnWG) vertritt. 166 Müller-Kirchenbauer/Zenke, Wettbewerbsmarkt für Regel- und Ausgleichsenergie, et 2001, Heft 11, S. 696 ff. (S. 697); Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 20); Kremer, Bedarf an Regelenergie im Netz wächst, Energy 2.0 2012, S. 16 ff. (S. 16); Oesterwind/Spiegel/Riegebauer, Brachliegende Erlöspotenziale auf dem Regelenergiemarkt, et 2015, Heft 10, S. 42 ff. (S. 42).
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
Veränderungen des Elektrizitätsversorgungssystems im Zuge von Liberalisierung und Energiewende und dem damit verbundenen zunehmenden Auftreten von Gefährdungssituationen eine Unterscheidung von Normalbetrieb (Regelverantwortung) und Störbetrieb (Systemverantwortung) kaum noch möglich ist. Wie bereits festgestellt, ist aus der Systemverantwortung als Sicherheitsinstrumentarium für Notfälle ein Standardinstrument des Energiemanagements geworden, auf das täglich zurückgegriffen werden muss.167 Insgesamt ist auffällig, dass die §§ 11, 12 und 13 EnWG die Aufgabenbereiche der ÜNB vergleichsweise umständlich umschreiben und vielfach Doppelungen auftreten. § 11 EnWG als zentrale Aufgabennorm der Netzbetreiber schließt unmittelbar an die Zweckvorgaben der Regulierung in § 1 EnWG an, verweist dann weiter u. a. auf § 12 EnWG, dieser wiederum enthält bereits eine Grundlegung der Systemverantwortung, die dann in § 13 EnWG erneut aufgenommen wird. Im Grunde kann man die Verpflichtung der Netzbetreiber zur Aufrechterhaltung der Netzsicherheit jeweils eigenständig bereits aus § 1, § 11 und § 12 EnWG ableiten (aus § 13 EnWG ohnehin). Ein denkbarer Grund für diese Überschneidungen liegt in der teils wörtlichen Umsetzung unionsrechtlicher Vorschriften.168 Hier wollte der Gesetzgeber möglicherweise nicht riskieren, dass Umsetzungslücken verbleiben und hat deshalb in Kauf genommen, dass mehrere Vorschriften den gleichen Sinngehalt aufweisen. Relevante Vorgaben des Unionsrechts ergeben sich insoweit aus der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie169, insbesondere aus Art. 9170, der die Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber beschreibt. Dort heißt es u. a. in lit. c), dass jeder ÜNB dafür verantwortlich ist, „die Energieübertragung durch das Netz unter Berücksichtigung des Austauschs mit anderen Verbundnetzen zu regeln“ und weiter, dass es Sache des ÜNB ist, „ein sicheres, zuverlässiges und effizientes Elektrizitätsnetz zu unterhalten.“ Das EU-Recht macht also vor allem Vorgaben zur Regelverantwortung und weniger zur Einführung einer ganzheitlichen „Systemverantwortung“ als Norm des Gefährdungsmanagements, die offensichtlich also ursprünglich keinen unmittelbaren unionsrechtlichen Hintergrund hat.171 Zwar wird die Unterhaltung eines sicheren und zuverlässigen Elektrizitätsnetzes adressiert, nicht aber eine darüber hinausgehende, umfassende und konkrete Verantwortung des ÜNB für seine gesamte Regelzone. Hieraus könnten die Doppelungen im deutschen Recht resultieren. Ein 167
Kühne, Versorgungssicherheit – Erscheinungsformen und Abwägungskonstellationen, in: Pielow (Hrsg.), Sicherheit in der Energiewirtschaft (in memoriam Peter J. Tettinger), Bad Langensalza 2007, S. 129 ff. (S. 133 f.). 168 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 EnWG Rn. 10. 169 RL 2003/54/EG, ABl. EU 2003, L 176/37 ff. 170 Heute in Art. 12 der RL 2009/72/EG, ABl. EU 2009, L 211/55 ff., enthalten. 171 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 8; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 96.
B. Grundlagen der Systemverantwortung
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anderes Beispiel für eine allzu umfassende bzw. wenig integrativ durchgeführte Umsetzung von EU-Recht liefert Art. 9 lit. b) der Richtlinie, der den Beitrag der ÜNB zur Versorgungssicherheit durch die Gewährleistung der Zuverlässigkeit des Netzes (sowie die Bereithaltung entsprechender Übertragungskapazitäten) adressiert. Die entsprechende Vorgabe hat der Gesetzgeber in § 12 Abs. 3 S. 1 EnWG quasi 1:1 umgesetzt, ohne dass dieser Vorschrift neben § 11 Abs. 1 S. 1 und § 13 EnWG eine sinnvolle Zusatzbedeutung zukommt.172 2. §§ 13 ff. EnWG Die entscheidende Norm für die Systemverantwortung ist § 13 EnWG. Daran hat sich auch durch das Strommarktgesetz von 2016 nichts geändert.173 In dieser Vorschrift wird die Verpflichtung der ÜNB zur Beseitigung von Gefährdungen oder Störungen für die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems geregelt (§ 13 Abs. 1 EnWG). Zudem werden u. a. die hierzu erforderlichen Handlungsbefugnisse festgeschrieben (§ 13 Abs. 1 und 2 EnWG). Die Regelung zum sog. gesetzlichen Redispatch, die im Rahmen des Engpassmanagements bedeutsam ist und die bislang in § 13 Abs. 1a EnWG a.F. zu finden war, ist nun allerdings in einer eigenen Vorschrift enthalten, in § 13a EnWG n.F. Eine detailliertere Beschreibung von §§ 13 und 13a EnWG wird sogleich in Teil 1 B.IV. vorgenommen. Weitere wichtige Normen finden sich in den §§ 13b-13k EnWG. Durch das Strommarktgesetz erfolgte insoweit eine umfassende Neustrukturierung und Erweiterung der Regelungen zur Systemverantwortung. In § 13b EnWG finden sich Vorgaben zur Stilllegung von Erzeugungs- und Speicheranlagen mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt (zuvor § 13a EnWG a.F.), ergänzt um Vergütungsvorschriften in § 13c EnWG (zuvor enthalten in den §§ 13 Abs. 1b, 13a Abs. 3 EnWG a.F. und den §§ 6 und 11 der Reservekraftwerkverordnung ResKV174). Die Netzreserve, die bislang im EnWG nicht unmittelbar geregelt war175, erhält in § 13d EnWG eine eigene Vorschrift. Näheres hierzu findet sich in der Netzreserveverordnung NetzResV.176 Vollständig neu eingeführt wurde die Kapazitätsreserve (§§ 13e, 13h EnWG). Gleiches gilt für die Regelung zur Stilllegung von Braunkohlekraftwerken und zur Einführung einer Sicherheitsbereitschaft (§ 13g EnWG). In das neue EnWG wurde zudem eine Norm zur Errichtung sog. Netzstabilitätsanlagen (§ 13k EnWG a.F.) eingefügt, die den ÜNB unter bestimmten Umständen ermöglichte, selbst Erzeugungsanlagen zu errichten. Eine Vorläufervorschrift enthielt bereits § 8 Abs. 4 ResKV. Die Regelung wurde mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz, das seit 172 Vgl. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 46. 173 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 174 Diese wurde in Netzreserveverordnung (NetzResV) umbenannt. 175 Enthalten war nur die Verordnungsermächtigung in § 13b Abs. 1 Nr. 2 EnWG a.F. 176 Diese wurde zuvor als Reservekraftwerksverordnung (ResKV) bezeichnet.
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
dem 22. Juli 2017 in Kraft ist, aber bereits wieder abgeschafft und durch eine Nachfolgeregelung in § 11 Abs. 3 EnWG n.F. ersetzt, die die Beauftragung Dritter zum Betrieb sog. besonderer netztechnischer Betriebsmittel vorsieht.177 Weitere Vorgaben finden sich in § 13j (systemrelevante Gaskraftwerke) sowie in den §§ 13i und 13j, die Verordnungs- bzw. Festlegungskompetenzen der Regulierungsbehörden bündeln. § 14 EnWG enthält – inhaltlich unangetastet durch das Strommarktgesetz – maßgebliche Vorgaben für die Verteilnetzbetreiber (Systemverantwortung in ihren eigenen Netzen, Mitwirkungspflichten). Wichtige Normen der Systemverantwortung finden sich zudem in den §§ 14 f. EEG 2017 (Einspeisemanagement, Härtefallregelung). Das Verhältnis von § 13 EnWG zu § 14 EEG 2017 bzw. generell zu den Einspeiseprivilegien in EEG und KWKG für EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen wird im Rahmen dieser Abhandlung noch zu klären sein (§ 2 Abs. 2 EnWG, § 13 Abs. 3 EnWG). 3. Weitere gesetzliche und untergesetzliche Vorschriften sowie unionsrechtliche Vorgaben Mit der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung befassen sich auch die §§ 49 ff. EnWG. Nach § 49 Abs. 1 S. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dies betrifft auch die Energienetze (vgl. § 3 Nr. 15 EnWG). Schutzgegenstand sind hier das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG).178 Zudem bestehen insbesondere Regelungen zum Monitoring der Versorgungssicherheit (§ 51 EnWG) und zum Lastmanagement (§ 51a EnWG), zu Meldepflichten bei Versorgungsstörungen (§ 52 EnWG) sowie zur Ausschreibung neuer Erzeugungskapazitäten (§ 53 EnWG). Letztgenannte Norm zählt neben den §§ 13b und 13d EnWG (Stilllegungsverbote, Vorhalten einer Netzreserve) sowie den mit dem Strommarktgesetz im Jahre 2016 neu eingefügten Regelungen zum Aufbau einer Kapazitätsreserve (§ 13e EnWG) zu denjenigen Vorschriften des Energiewirtschaftsrechts179, die eine Erzeugungssteuerung ermöglichen.180 Hintergrund der Regelung des § 53 EnWG ist die Erhaltung der Versorgungssicherheit. Für den Bereich der Systemverantwortung sind die Vorschriften der §§ 49 ff. EnWG nur am Rande relevant. Dies gilt auch für § 12 Abs. 3a EnWG, wonach auf dem Verordnungswege technische Anforderungen an 177
Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 17. Juli 2017, BGBl. 2017 I S. 2503 ff. 178 Säcker/König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 2), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2014, § 49 EnWG Rn. 2. 179 Im Bereich des EEG 2017 sind zudem die Durchführung von Ausschreibungen und die Festlegung sog. Netzausbaugebiete zu nennen. 180 Auch die Vorgaben zur Stilllegung von Braunkohlekraftwerken bzw. ihr zeitweiser Einsatz im Rahmen der Sicherheitsbereitschaft (§ 13 g EnWG) sowie die ggf. zu errichtenden Netzstabilitätsanlagen (§ 13k EnWG a.F.) können bzw. konnten – die Netzstabilitätsanlagen wurden zwischenzeitlich wieder abgeschafft und durch eine Nachfolgeregelung ersetzt – insoweit genannt werden.
B. Grundlagen der Systemverantwortung
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Erzeugungsanlagen (insbesondere für Anlagen nach dem EEG bzw. KWKG) vorgegeben werden können, um die technische Sicherheit sowie die Systemstabilität zu gewährleisten (siehe hierzu die Systemstabilitätsverordnung SysStabV). Von größerer Bedeutung sind dagegen die §§ 22 f. EnWG sowie die §§ 4 f. und 6 ff. StromNZV, die das Bilanzkreissystem sowie die Beschaffung und Erbringung von Regelenergie betreffen, § 14a EnWG zur Steuerung von unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen, die Verordnung zu abschaltbaren Lasten AbLaV sowie die Netzreserveverordnung NetzResV. Auch die Anreizregulierungsverordnung ARegV ist bedeutsam, bei der Weitergabe von Kosten. Unionsrechtliche Vorschriften181, die sich mit Fragen der Netzsicherheit bzw. des Engpassmanagements befassen182, folgen insbesondere aus der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie183 (Art. 12, 25 und 37 Abs. 9), der Erneuerbare-EnergienRichtlinie184 (Art. 16), der Stromhandelszugangs-Verordnung185 (Art. 8, 16, Anhang I, Festlegung von Leitlinien auf Grundlage von Art. 18)186 sowie der Infrastruktur-Richtlinie187 (Art. 5). Dabei ist zu beachten, dass die StromhandelszugangsVerordnung im Grundsatz nur für grenzüberschreitende Sachverhalte gilt (vgl. Art. 1). Dies betrifft auch die Ausarbeitung von sog. Netzkodizes durch die ENTSO-E188, also die Vereinigung der Übertragungsnetzbetreiber in der EU, die ebenfalls unmittelbar nur für Angelegenheiten der grenzüberschreitenden Netze gelten (vgl. Art. 8 Abs. 7).189 Netzkodizes, also gemeinsame Regeln für den Netz181 Vgl. hierzu auch Art. 194 AEUV, der der EU Kompetenzen im Bereich der Energiepolitik verleiht. 182 Künftig dürften die Vorgaben aus dem EU-Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ (KOM(2016) 860 final), dessen erste Entwürfe am 20. November 2016 vorgestellt wurden, insoweit bedeutsam werden. 183 RL 2009/72/EG, ABl. EU 2009, L 211/55 ff. 184 RL 2009/28/EG, ABl. EU 2009, L 140/16 ff. 185 VO (EG) 714/2009, ABl. EU 2009, L 211/15 ff. 186 Siehe insbesondere auch die Verordnung VO (EU) 2015/1222 zur Festlegung einer Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement („CACM“), ABl. EU 2015, L 197/24 ff.; dazu Günther/Brucker, Rechtsetzung durch Netzkodizes – Hintergrund und Stand, RdE 2016, S. 216 ff. (S. 221 f.). Von großer Bedeutung sind zukünftig auch die Verordnung (VO) 2017/1485 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb („SOGL“) sowie die Verordnung VO (EU) 2017/2195 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem („EBGL“), ABl. EU 2017, L 312/6 ff. 187 RL 2005/89/EG, ABl. EU 2006, L 33/22 ff. 188 ENTSO-E: European Network of Transmission System Operators for Electricity. Die Gründung erfolgte auf Veranlassung in der StromhandelZVO (vgl. Art. 5), bzw. bereits im Vorgriff darauf; vgl. Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 251. Der ENTSO-E überarbeitet und veröffentlicht auch das sog. Operation Handbook als gemeinsames technisches Regelwerk der europäischen ÜNB; vgl. Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 12 Rn. 7 (Stand: März 2012). 189 Näher hierzu Günther/Brucker, Rechtsetzung durch Netzkodizes – Hintergrund und Stand, RdE 2016, S. 216 ff.
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betrieb, können u. a. Regeln vorsehen für die Netzsicherheit und -zuverlässigkeit, die Kapazitätsvergabe, das Engpassmanagement, die Ausgleichsenergie und die Reserveleistung (Art. 8 Abs. 6). Ausstrahlungswirkungen von Netzkodizes auf innerstaatliche Regularien sind zu erwarten und müssen zunehmend im Auge behalten werden.190 Insbesondere im Bereich der Regelenergie ist zudem bereits für das Jahr 2018 eine stärkere unionsrechtliche Überformung im Wege der Umsetzung von EULeitlinien vorgesehen.191 4. Transmission Code192 Neben den genannten gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen ist insbesondere der an sich rechtlich unverbindliche Transmission Code193 von Bedeutung.194 Dieser enthält die Netz- und Systemregeln der deutschen Übertragungsnetzbetreiber und war insbesondere vor Einfügung der Systemverantwortung in das EnWG (2005) maßgeblich für das Netzsicherheitsmanagement in Deutschland.195 Hier sind die Regeln zusammengefasst, „die die wirtschaftliche und verfahrenstechnische Grundlage der Netznutzung bilden und der technisch-betrieblichen Koordination zwischen den systemverantwortlichen ÜNB und den Netznutzern dienen.“196 Nach dem Transmission Code erbringen die Netzbetreiber neben der Übertragung und Verteilung von Strom sog. Systemdienstleistungen, also alle „für die Funktionstüchtigkeit des Systems unbedingt erforderlichen Leistungen, die […] die Qualität der Stromversorgung bestimmen.“197 Auf diese Weise werden die Netzbetreiber ihrer 190 Günther/Brucker, Rechtsetzung durch Netzkodizes – Hintergrund und Stand, RdE 2016, S. 216 ff. (S. 224); siehe auch Drees/Sprey et al., Regelleistungsmärkte in Europa und ihre Harmonisierung, et 2015, Heft 1/2, S. 54 ff. (S. 56). 191 Von großer Bedeutung sind hier die Verordnung VO (EU) 2017/1485 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb („SOGL“), ABl. EU 2017, L 220/1 ff., sowie die Verordnung VO (EU) 2017/2195 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem („EBGL“), ABl. EU 2017, L 312/6 ff. 192 Der Transmission Code dürfte im Zuge der unionsrechtlichen Weiterentwicklungen einzelner Regelungsbereiche im Rahmen der Verordnung VO (EU) 2017/1485 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb („SOGL“), ABl. EU 2017, L 220/1 ff., sowie der Verordnung VO (EU) 2017/2195 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem („EBGL“), ABl. EU 2017, L 312/6 ff., an Bedeutung verlieren. 193 Das Pendant für die Verteilnetzbetreiber ist der Distribution Code: VDN, Distribution Code, Version 1.1, 2007. 194 VDN, Transmission Code 2007 (mit Anhängen); vgl. dazu: de Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 252; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 48 ff. 195 Vgl. Teil 1 B.II.; zudem: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 180; Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 12 Rn. 25. 196 VDN, Transmission Code 2007, S. 7. 197 VDN, Transmission Code 2007, S. 49.
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Regel- und Systemverantwortung gerecht (vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 EnWG, Art. 12 lit. d) RL 2009/72/EG198).199 Systemdienstleistungen betreffen die Bereiche Frequenzhaltung, Spannungshaltung (Erbringung sog. Blindleistung), Versorgungswiederaufbau nach Großstörungen und System-/Betriebsführung.200 Zur Erbringung der Leistungen durch die Netzbetreiber sind häufig Vorleistungen von Netznutzern erforderlich, soweit die Netzbetreiber diese nicht selbst durch Netzschaltungen o. ä. erbringen können.201 Die Wahrnehmung der Systemverantwortung erfolgt über die vorab durchgeführte Systembetriebsplanung sowie die operative Systemführung als kontinuierliche Netzsicherheitsbetrachtung.202 5. Begriffliche Einordnung der relevanten Gefährdungen Relevante Gefährdungen im Sinne des Netzsicherheitsmanagements liegen nach § 13 Abs. 4 EnWG dann vor, „wenn örtliche Ausfälle des Übertragungsnetzes oder kurzfristige Netzengpässe zu besorgen sind oder zu besorgen ist, dass die Haltung von Frequenz, Spannung oder Stabilität durch die Betreiber von Übertragungsnetzen nicht im erforderlichen Maße gewährleistet werden kann.“ Man kann also etwa danach unterscheiden, ob die zu ergreifenden Maßnahmen der Einhaltung einer ausgeglichenen Systembilanz (Einspeisungen gleich Ausspeisungen, Frequenzregelung; Systemsicherheit oder Systemstabilität), der Vermeidung von Engpasssituationen oder in sonstiger Weise der für den Systembetrieb entscheidenden Grenzwerte hinsichtlich Spannung und Strom – also kurz gesagt, der Netzsicherheit oder -stabilität – dienen.203 Generell lassen sich allerdings die verschiedenen Begrifflichkeiten Netzsicherheit, Netzstabilität, Systemsicherheit und Systemstabilität nicht eindeutig voneinander abgrenzen. Demnach kann man diese im Bereich der Systemverantwortung der ÜNB auch synonym verwenden. 6. ÜNB als Adressaten der Systemverantwortung Die Adressaten der Systemverantwortung sind die Übertragungsnetzbetreiber. Diese werden in § 3 Nr. 10 EnWG definiert als „natürliche oder juristische Personen oder rechtlich unselbständige Organisationseinheiten eines Energieversorgungsunternehmens, die die Aufgabe der Übertragung von Elektrizität wahrnehmen und die verantwortlich sind für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den 198
ABl. EU 2009, L 211/55 ff. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 EnWG Rn. 12 ff. 200 VDN, Transmission Code 2007, S. 49, 53 f. 201 VDN, Transmission Code 2007, S. 49. 202 VDN, Transmission Code 2007, S. 60, 63. 203 Vgl. VDN, Transmission Code 2007, S. 10 ff.; Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 27 f. (Stand: Juni 2008). 199
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
Ausbau des Übertragungsnetzes in einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen.“ Übertragung von Elektrizität wiederum meint den Transport über ein Höchstspannungs- und Hochspannungsverbundnetz (einschließlich grenzüberschreitender Verbindungsleitungen) zum Zwecke der Belieferung von Verteilern oder Letztverbrauchern (3 Nr. 32 EnWG). In Deutschland gibt es vier Übertragungsnetzbetreiber, unter denen die Fläche der Bundesrepublik aufgeteilt ist: TenneT TSO, 50Hertz Transmission, Amprion und TransnetBW, alle betrieben in der Rechtsform einer GmbH. 50Hertz und Amprion befinden sich mehrheitlich in privater Hand; TenneT ist ein niederländisches Staatsunternehmen.204 TransnetBW ist größtenteils in öffentlicher Hand. Die Systemverantwortung der ÜNB strahlt mittlerweile zunehmend auch auf bestimmte Betreiber von Erzeugungsanlagen aus.205 Damit sind etwa die Fälle gemeint, in denen letztere zwangsweise zur Drosselung ihrer Einspeisung gegen angemessene Vergütung verpflichtet werden (§ 13a EnWG) oder Stilllegungsrestriktionen unterliegen (§ 13b EnWG). Die neuartige Kraftwerkregulierung wird so zu einem immer stärkeren Teilelement des Netzsicherheitsmanagements. Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Verantwortung für die Funktionsfähigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems auch weiterhin bei den ÜNB liegt, Beiträge der angeschlossenen Netznutzer sind als subsidiär einzuordnen.206
IV. Im Speziellen: Struktur von § 13 EnWG als Schlüsselnorm der Systemverantwortung Im Zentrum aller folgenden Ausführungen stehen in erster Linie die Vorschriften des § 13 EnWG. Durch das Strommarktgesetz (2016) wurden die Absätze dieser Norm zum Teil neu geordnet.207 Absatz 1 enthält das Recht und die Pflicht der ÜNB, Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems durch netz- oder marktbezogene Maßnahmen zu beseitigen. Absatz 4 definiert, wann eine Gefährdung in diesem Sinne vorliegt: „Wenn örtliche Ausfälle des Übertragungsnetzes oder kurzfristige Netzengpässe zu besorgen sind oder zu besorgen ist, dass die Haltung von Frequenz, Spannung oder Stabilität durch die Übertragungsnetzbetreiber nicht im erforderlichen Maße gewährleistet werden kann.“ Absatz 2 regelt weitreichende Not-Kompetenzen der Übertragungsnetzbetreiber (Notmaßnahmen). Auf diese darf nur zurückgegriffen werden, wenn sich eine 204 Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 12 Rn. 17 (Stand: März 2012); Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 130. 205 Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 247). 206 Vgl. Garbers, Rechtliche Vorgaben für die Bundesnetzagentur bei regulatorischen Eingriffen in die Versorgungssicherheit, RdE 2015, S. 221 ff. (S. 224). 207 BGBl. 2016 I S. 1786 ff.
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Gefährdung oder Störung „durch Maßnahmen nach Absatz 1 nicht oder nicht rechtzeitig beseitigen“ lässt. Nach Absatz 5 ruhen im Falle einer Anpassung nach Absatz 2, also bei Heranziehung von Notmaßnahmen, die betroffenen Leistungspflichten; zudem ist die Haftung für Vermögensschäden ggf. ausgeschlossen. Absatz 8 bezieht sich auf besonders schwerwiegende Versorgungsstörungen, in denen selbst Notmaßnahmen nach Absatz 2 nicht genügen; hierzu erfolgt ein Verweis auf das sog. Energiesicherungsgesetz (EnSiG).208 Bei Eintreten eines solchen Falles geht die Verantwortung von den ÜNB auf die Regulierungsbehörde über, die insoweit die Handlungskompetenz übernimmt.209 Die möglichen Maßnahmen, um Gefährdungen bzw. Störungen zu beseitigen, ergeben sich in erster Linie aus Absatz 1 Nummer 1 bis 3. Man unterscheidet grundsätzlich netzbezogene und marktbezogene Maßnahmen. Netzbezogene Maßnahmen sind insbesondere sog. Netzschaltungen. Marktbezogene Maßnahmen umfassen etwa den Einsatz von Regelenergie, vertraglich vereinbarte abschaltbare und zuschaltbare Lasten, die Information über Engpässe und das Management von Engpässen (Engpassmanagement). Darüber hinaus können zusätzliche Reserven relevant werden. Diese waren bislang dem Teilbereich der marktbezogenen Maßnahmen zugeordnet, wurden jedoch durch das Strommarktgesetz zu einer eigenen Maßnahmenkategorie aufgewertet (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG). Als Beispiele für solche Reserven nennt das Gesetz die Netzreserve sowie die neu eingeführte Kapazitätsreserve. Nähere Vorgaben zur Beschaffung von Ab- bzw. Zuschaltleistung finden sich nun in Absatz 6 (zuvor waren diese in § 13 Abs. 4a und 4b EnWG a.F. enthalten), die hiermit verbundenen Verordnungsermächtigungen sind in § 13i Abs. 1 und 2 EnWG verschoben worden. Im Zuge der EEG-Novelle 2017210 wurde in Absatz 6a zudem noch ein neues Instrument zum Einsatz von KWK-Anlagen in Kombination mit zuschaltbaren Lasten (vorrangig: Power-to-Heat-Anlagen) für Zwecke des Engpassmanagements eingefügt. Eine besondere Eingriffsform stellt das sog. gesetzliche Redispatching dar, das dem Wortlaut nach den marktbezogenen Maßnahmen sowie den zusätzlichen Reserven zugeordnet ist und bislang in § 13 Abs. 1a EnWG a.F. geregelt war. Der Gesetzgeber hat dieses nun in § 13a EnWG zu einem eigenen Paragraphen umgebildet. Im Übrigen gibt es im Bereich der Maßnahmen der Systemverantwortung noch die bereits benannten, subsidiären Notmaßnahmen nach Absatz 2. Zu beachten ist in besonderer Weise auch Absatz 3 (bislang § 13 Abs. 2a EnWG a.F.), der sich mit dem Verhältnis der Systemverantwortung zu den Privilegierungsvorschriften des EEG und des KWKG befasst. Die Absätze 7, 9 und 10 enthalten Informations- und Berichtspflichten der ÜNB. 208 Hier wird die neu eingeführte Sicherheitsbereitschaft bestimmter stillzulegender Braunkohlekraftwerke nach § 13 g Abs. 2 EnWG relevant. 209 Lippert, Sicherheit der Energieversorgung – Renaissance eines energierechtlichen Leitziels, in: Leible/Lippert/Walter (Hrsg.), Die Sicherung der Energieversorgung auf globalisierten Märkten, 2007, S. 1 ff. (S. 19). 210 BGBl. 2016 I S. 2258 ff.
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Teil 1: Einführung und Grundlagen der Systemverantwortung
C. Gang der weiteren Darstellung Diese Abhandlung widmet sich umfassend der Systemverantwortung der ÜNB. Ausgehend von dem bereits ermittelten Befund, dass die Gewährleistung der Netzsicherheit zunehmenden Herausforderungen ausgesetzt ist (Teil 1 A.) und der Herausarbeitung der wesentlichen Grundlagen (Teil 1 B.), erfolgt in Teil 2 eine ausführliche Befassung mit den Einzelheiten der Wahrnehmung der Systemverantwortung. Hier werden zunächst Begriff, Inhalt und Abgrenzungen in den Blick genommen (A.), sodann erfolgt die Untersuchung des Maßnahmenkatalogs zur Beseitigung von Gefährdungen oder Störungen (B.). Anhand der erlangten Erkenntnisse werden die maßgeblichen Vorgaben zu Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten entwickelt (C.). Zudem werden die Informationsrechte und -pflichten der ÜNB untersucht (D.) sowie der Frage nachgegangen, ob eine Pflicht zur zukünftigen Verhinderung von Gefahrensituationen besteht (E.). In Teil 3 wird sodann die Rechtsfolgenseite dargestellt. Hier geht es insbesondere um die mit der Wahrnehmung der Systemverantwortung verbundenen Vergütungspflichten und Abwälzungsmöglichkeiten der ÜNB sowie um mögliche Haftungsrisiken. Schließlich werden in Teil 4 und 5 die öffentlich-rechtlichen Aspekte der Systemverantwortung näher erläutert. Zum einen geht es hierbei um Aufsicht und Kontrolle durch Regulierungsbehörden und Gerichte. Dabei ist auch näher zu untersuchen, ob den ÜNB gerichtsfeste Beurteilungsspielräume zustehen. Zum anderen werden grundrechtliche Aspekte in den Blick genommen, denn es stellt sich die Frage, ob mit § 13 EnWG eine (unzulässige) staatliche Indienstnahme vorliegt. Die Beantwortung dieser Frage erfordert die Befassung mit den im Zuge der Arbeit gewonnenen Erkenntnissen, etwa zu Vergütungs- und Haftungspflichten der ÜNB. Teil 6 enthält Schlussbetrachtungen zu den im Rahmen dieser Abhandlung gewonnenen Erkenntnissen. Der Fokus der vorliegenden Dissertation liegt auf den ÜNB, da diese die Gesamtverantwortung für die Netzsicherheit und -zuverlässigkeit tragen. Verteilnetzbetreiber (VNB), Betreiber von Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen und sonstige Netznutzer werden allenfalls am Rande mitbetrachtet. Weiterhin bezieht sich die Arbeit nur auf die Systemverantwortung nach den §§ 13 ff. EnWG und §§ 14 f. EEG 2017. Fragen der technischen Anlagensicherheit nach § 49 EnWG bzw. zu Gefährdungen für Leib und Leben durch mangelhafte Anlagenwartung werden nicht näher behandelt. Diese stehen nicht in unmittelbarem Bezug zur Aussteuerung der Elektrizitätsversorgungsnetze. Gleiches gilt für sonstige Fragestellungen, die über die netzseitigen Aspekte der Versorgungssicherheit hinausgehen, etwa zur Bereitstellung ausreichender Erzeugungskapazitäten für die Versorgung der Bevölkerung mit Elektrizität. Zudem werden die Aspekte der Spannungshaltung und des Versorgungswiederaufbaus bei den Untersuchungen ausgeklammert. Im Zentrum stehen die Problemstellungen zur Systembilanz (Einspeisungen gleich Ausspeisungen) und zum kurzfristigen Engpassmanagement. Spezialfragen zu Engpässen an Grenz-
C. Gang der weiteren Darstellung
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kuppelstellen, bei denen die Vorgaben zur Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für Elektrizität von vorrangiger Bedeutung sind, werden dabei ausgeblendet.
Teil 2
Wahrnehmung der Systemverantwortung durch die Übertragungsnetzbetreiber Teil 2 dieser Abhandlung widmet sich ausführlich der Wahrnehmung der Systemverantwortung durch die Übertragungsnetzbetreiber. Es erfolgt eine Untergliederung in fünf Kapitel, beginnend mit Ausführungen zu Begriff, Inhalt und Abgrenzung der Systemverantwortung (A.). Es folgt eine umfassende Untersuchung des Maßnahmenkatalogs zur Beseitigung von Gefährdungen bzw. Störungen für das Elektrizitätsversorgungssystem (B.) sowie die Befassung mit der korrekten Reihenfolge und Auswahl von Maßnahmen und Adressaten (C.). Hieran schließt sich eine Darstellung der Informationsrechte und -pflichten der ÜNB an (D.). Schließlich wird untersucht, ob für die ÜNB eine Pflicht zur zukünftigen Verhinderung von Gefahrensituationen besteht (E.)
A. Begriff, Inhalt und Abgrenzung der Systemverantwortung Zunächst sollen jedoch Begriff, Inhalt und Abgrenzung der Systemverantwortung näher in den Fokus rücken. Im Rahmen der Begriffsklärung ist herauszuarbeiten, was unter einer Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu verstehen ist. Zudem ist eine Einordnung der Systemverantwortung in den Oberbegriff der Versorgungssicherheit vorzunehmen und herauszuarbeiten und inwieweit Netzengpässe als Spezialprobleme wiederum einen Teilbereich der Systemverantwortung bilden. Zudem ist das Verhältnis der Systemverantwortung zum Einspeisevorrang für EE, Grubengas und hocheffiziente KWK darzustellen. Schließlich ist zu klären, wie sich Übertragungsnetzbetreiber und Verteilnetzbetreiber im Rahmen der §§ 13 ff., 14 EnWG zueinander verhalten.
I. Begriffsklärung: Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems Bevor eine vertiefte Beschäftigung mit Abgrenzungsfragen oder den einzelnen Maßnahmen zur Gewährleistung der Systemstabilität erfolgen kann, muss zunächst
A. Begriff, Inhalt und Abgrenzung der Systemverantwortung
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herausgearbeitet werden, was man unter der Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu verstehen hat. Hierbei hilft zunächst § 13 Abs. 4 EnWG weiter. Dort heißt es, dass eine entsprechende Gefährdung vorliegt, „wenn örtliche Ausfälle des Übertragungsnetzes oder kurzfristige Netzengpässe zu besorgen sind oder zu besorgen ist, dass die Haltung von Frequenz, Spannung oder Stabilität durch die Übertragungsnetzbetreiber nicht im erforderlichen Maße gewährleistet werden kann.“ In der Legaldefinition werden also konkrete Gefährdungslagen beschrieben – was unter dem Begriff der Gefährdung an sich zu verstehen ist, wird nur angedeutet. Der Störungsbegriff wird in § 13 Abs. 4 EnWG nicht angesprochen. 1. Gefährdung oder Störung – Prognoseentscheidung des ÜNB Im Wesentlichen umschreibt der Gesetzgeber in der Legaldefinition die Gefährdung mit „Besorgnis“. Der Begriff der Besorgnis ist insbesondere aus dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) bekannt, wo in verschiedenen Vorschriften gefordert wird, dass eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit bzw. der Gewässereigenschaften nicht zu besorgen sein darf, wenn eine bestimmte Handlung vorgenommen wird.1 Beispielhaft sei hier § 48 Abs. 2 WHG genannt, der die Reinhaltung des Grundwassers zum Gegenstand hat. Hier heißt es, dass Stoffe nur so gelagert oder abgelagert werden dürfen, dass eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit „nicht zu besorgen ist“. Ähnliche Vorschriften gibt es für die Reinhaltung oberirdischer Gewässer (§ 32 Abs. 2 WHG) bzw. von Küstengewässern (§ 45 Abs. 2 WHG). Der wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz ist sehr strikt, eine negative Veränderung ist nur dann nicht zu besorgen, wenn „keine auch noch so naheliegende Wahrscheinlichkeit“ besteht.2 Für den Besorgnisbegriff in § 13 Abs. 4 EnWG lassen sich hieraus jedoch keine Erkenntnisse ableiten, da es im Wasserrecht um die Einschränkung oder das Verbot bestimmter Handlungen geht, die Gefährdungen hervorrufen können. Dabei soll ein möglichst strenger Maßstab gelten, um die Risiken zu minimieren. Bei § 13 EnWG geht es dagegen darum, bestimmte Handlungen vorzunehmen, um Gefährdungen zu verhindern. Um hier Risiken minimieren zu können, darf die Eingriffsschwelle nicht zu hoch sein. Daraus lässt sich zunächst ableiten, dass es nicht darauf ankommt, dass eine der beschriebenen Gefährdungslagen (örtliche Ausfälle des Übertragungsnetzes, kurzfristige Netzengpässe o. ä.) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf-
1
Berendes, Wasserhaushaltsgesetz, Berlin 2010, § 48 Rn. 4. BVerwG, DVBl. 1966, S. 496 ff. (S. 497); Berendes, Wasserhaushaltsgesetz, Berlin 2010, § 48 Rn. 4; Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, München 2010, § 48 Rn. 26; Kotulla, Wasserhaushaltsgesetz, 2. Aufl., Stuttgart 2011, § 48 Rn. 6. 2
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
tritt.3 Gleichwohl deutet der Begriff der Besorgnis aber auch darauf hin, dass die bloße Möglichkeit des Eintritts einer konkreten Gefährdungslage nicht genügt, um Maßnahmen der ÜNB zu begründen.4 Die inhaltliche Ausfüllung des Begriffs ist vielmehr im Gesamtkontext vorzunehmen. Einerseits dürfen die Hürden für einen Eingriff der ÜNB nicht zu hoch angesetzt werden, um nicht das hohe Gut der Versorgungs- bzw. Netzsicherheit einem unnötigen Risiko auszusetzen. Andererseits dürfen auch die möglichen Folgen der Vornahme einer Maßnahme für Dritte nicht aus den Augen verloren werden (insbesondere finanzielle Einbußen). Würde die Eingriffsschwelle allzu niedrig angesetzt, könnte dies dazu führen, dass die ÜNB häufig und vorschnell Maßnahmen ergreifen.5 Eine Gefährdung erfordert demnach eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, wobei es nicht auf die subjektive Sicht des ÜNB ankommt, sondern auf die Prognoseentscheidung eines „sorgfältigen Netzbetreibers“6 abzustellen ist.7 Der relevante Zeitpunkt zur Beurteilung der Gefahrenlage liegt vor bzw. bei Ergreifen der Maßnahme (ex ante-Sicht).8 Es kommt also nicht darauf an, wie sich die Situation nach Abschluss der Maßnahme darstellt (ex post-Sicht). Die Umstände, die zur Ermittlung der Gefährdungssituation maßgeblich sind, müssen jedoch vor
3 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181). 4 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 107 f. 5 Vgl. Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 182). 6 Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 317). 7 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181); König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. 8 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181); König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123.
A. Begriff, Inhalt und Abgrenzung der Systemverantwortung
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Ergreifung einer Maßnahme gründlich ermittelt werden.9 Das Vorliegen einer Gefährdung ist dabei nicht schematisch zu bestimmen. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit des Gefährdungseintritts mit der zeitlichen Nähe zum besorgten Eintritt einer Gefahr für die Netzstabilität („wie viel Zeit bleibt noch zum Abwarten oder Handeln?“) sowie dem Ausmaß des potenziellen Schadens in Beziehung zu setzen.10 Relevant ist auch die Eingriffsintensität: je geringer diese ausfällt und je größer ggf. der drohende Schaden ist, desto niedriger sind auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose anzusetzen.11 Die zur Beseitigung der Gefährdung einsetzbaren Abhilfemöglichkeiten (Regelenergie, abschaltbare oder zuschaltbare Lasten etc.) sind im Rahmen der Gefährdungsprognose nicht zu berücksichtigen; eine Gefährdung liegt vielmehr gerade dann vor, wenn ohne einen Eingriff i.S.v. § 13 EnWG ein kritischer Netzzustand eintreten würde.12 Wenn sich die Gefährdungslage bereits realisiert hat, liegt eine Störung vor.13 Die Systemverantwortung bezieht sich nicht nur auf bevorstehende Gefährdungen, die verhindert oder eingedämmt werden sollen, sondern auch auf bereits eingetretene Gefährdungen – eben Störungen –, die zu beseitigen sind. Die sprachliche Ausgestaltung von § 13 EnWG, insbesondere die Verwendung der Termini „Gefährdung“ und „Störung“, sowie die hier entwickelte Auslegung orientiert sich am Polizei- und Sicherheitsrecht.14 Unter einer konkreten Gefahr im 9 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 8; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. 10 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. 11 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168. 12 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 6; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 122. 13 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 10; Theobald, in: Danner/ Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 6 (Stand: Juni 2008); Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 170; Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 317); Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 232); Weise/ Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181); de Wyl/ Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 67). 14 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 5; Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7;
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
Sinne des Polizeirechts versteht man eine Sachlage, die „im Einzelfall tatsächlich oder jedenfalls aus der (ex-ante-)Sicht des für die Polizei handelnden Amtswalters bei verständiger Würdigung der Sachlage in naher Zukunft die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in sich birgt.“15 Sowohl bei § 13 EnWG als auch im Polizeirecht stellt die hinreichende Wahrscheinlichkeit die Eingriffsschwelle dar, auch die Beurteilung der Situation aus ex ante-Sicht stimmt überein. Die Nähe zwischen der Systemverantwortung der ÜNB und dem hoheitlichen Gefahrenabwehrrecht, die sich hier manifestiert, ist bemerkenswert. Hier lässt sich erkennen, welch herausgehobene Stellung die ÜNB einnehmen. Sie übernehmen die Aufgabe einer Gefahrenabwehrstelle, die beständig das Elektrizitätsversorgungssystem überwacht und bei Bedarf eingreift.16 2. Gefährdungslagen In § 13 Abs. 4 EnWG werden drei konkrete Gefährdungslagen genannt: Örtliche Ausfälle des Übertragungsnetzes, kurzfristige Netzengpässe sowie, dass die Haltung von Frequenz, Spannung oder Stabilität nicht im erforderlichen Maße gewährleistet werden kann. Die genannten Gefährdungslagen können sich überschneiden und stellen nur eine beispielhafte17 Aufzählung dar. Die Systemverantwortung der ÜNB ist notwendigerweise umfassend in Bezug auf alle denkbaren Gefahren für die Netzsicherheit. Eine Beschränkung der Handlungsrechte und -pflichten auf die im Gesetz angesprochenen Situationen wäre nicht sachgerecht. Örtliche Ausfälle des Übertragungsnetzes entstehen, wenn ein Bestandteil des Übertragungsnetzes seine Funktion nicht mehr erfüllt, so dass es zu einer Unterbrechung des Stromtransportes kommt.18 Mögliche Gründe für einen solchen Ausfall sind technisch bedingte Schäden (etwa Materialermüdung oder Überbelastung),
König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 105. 15 Schenke/Schenke, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Heidelberg/München/Landsberg/Berlin 2006, S. 199; vgl. auch Schoch, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl., Berlin/Boston 2013, S. 186 f. 16 Ob insoweit rechtsdogmatisch eine Indienstnahme der ÜNB für die Erhaltung der Netzsicherheit vorliegt, ist in Teil 5 näher zu untersuchen. 17 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 4; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 118; a.A. Hobbeling, Die Entwicklung der energierechtlichen Pflichten der Übertragungsnetzbetreiber, Regensburg 2010, S. 309. 18 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 165; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 119.
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Naturereignisse oder menschliche Eingriffe.19 Dem Sinn und Zweck der Vorschrift nach – und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei § 13 Abs. 4 EnWG nicht um eine abschließende Norm handelt – müssen überörtliche Ausfälle des Übertragungsnetzes erst Recht erfasst sein.20 Damit sind sowohl regional begrenzte als auch weiträumige Netzausfälle umfasst. Die Bezeichnung „Ausfall des Übertragungsnetzes“ beschreibt das Ergebnis einer Störung. Die weiteren genannten Gefährdungslagen können ebenfalls zu einem Ausfall des Übertragungsnetzes führen, etwa, wenn Netzengpässe nicht behoben werden oder Frequenzschwankungen nicht ausgeglichen werden. In der Folge drohen immer Schäden an den Netzbestandteilen, die zu einer Unterbrechung des Stromtransportes führen können.21 Engpässe entstehen, wenn die Übertragungskapazität einzelner Netzbestandteile nicht ausreichend dimensioniert ist, um die gesamte elektrische Leistung weiterleiten zu können.22 Im Transmission Code 2007 heißt es hierzu: „Ein Engpass besteht, wenn das (n-1)-Kriterium nicht eingehalten wird oder der Netzbetreiber die begründete Erwartung hat, dass bei Akzeptanz aller bereits bekannten oder prognostizierten Fahrplananmeldungen ohne durch ihn veranlasste Sondermaßnahmen das (n-1)-Kriterium nicht eingehalten werden kann.“23 Das (n-1)-Kriterium verlangt, dass bei Ausfall eines Netzbetriebsmittels die Systemsicherheit nicht beeinträchtigt wird.24 Auch hier gilt, dass nicht nur – wie in § 13 Abs. 4 EnWG genannt – kurzfristige Netzengpässe erfasst sind, sondern erst Recht auch länger dauernde.25 Je mehr es dabei jedoch um strukturelle Engpässe geht, desto stärker steht die marktorientierte Bewirtschaftung und weniger die Frage der Netzsicherheit im Vorder19
Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 165; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 119. 20 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 165; Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 50; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 119. 21 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166. 22 Dazu näher unter Teil 2 A.III.; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166. 23 VDN, Transmission Code 2007, S. 76. 24 VDN, Transmission Code 2007, S. 57; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 120. 25 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 8; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166; Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 51.
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grund. Die Gefahr bei Netzengpässen besteht v. a. darin, dass die Überlastung an einer Stelle des Netzes zu Überlastungen an weiteren Stellen führt und sich der Fehler damit großflächig ausbreitet; im schlimmsten Fall kann es zu einem Totalausfall weiter Teile des Stromnetzes kommen.26 Die Haltung von Frequenz, Spannung und Stabilität ist eine wesentliche technische Grundbedingung zur Aufrechterhaltung der Funktionsleistung der Elektrizitätsnetze.27 Näheres hierzu ist in § 49 EnWG geregelt, der allgemeine Anforderungen an Energieanlagen, also Anlagen zur Erzeugung, Speicherung, Fortleitung und Abgabe von Energie (§ 3 Nr. 15 EnWG), enthält. Über einen längeren Zeitraum auftretende Über- oder Unterfrequenzen – also Abweichungen von der Sollfrequenz des europäischen Verbundnetzes von 50 Hertz – können Schäden an den Netzbetriebsmitteln verursachen.28 Selbiges gilt auch für Über- und Unterschreitungen der zulässigen Betriebsspannung; insbesondere die Transformatoren können nur ein begrenztes Spannungsband verarbeiten.29 Der Begriff der Stabilität ist hier im Sinne des Transmission Code 2007 als „Fähigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems, den Synchronbetrieb der Generatoren aufrecht zu erhalten“30 zu verstehen. 3. Sicherheit und (oder) Zuverlässigkeit Nachdem geklärt ist, wann eine „Gefährdung“ oder „Störung“ der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems vorliegt und was unter den im Gesetz aufgeführten Gefährdungslagen zu verstehen ist, sind die betroffenen Rechtsgüter „Sicherheit“ bzw. „Zuverlässigkeit“ in den Blick zu nehmen. Hier zeigt sich, dass die Definitionen der Rechtsgüter eng verknüpft sind mit den Definitionen der Gefährdung bzw. Störung.
26 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166 („kaskadenartige Abschaltung“); Ruge, in: Rosin/ Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 52; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 120. 27 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 9; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 167; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 121. 28 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 9; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 167; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 121. 29 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 167; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 121. 30 VDN, Transmission Code 2007, S. 85; Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 60.
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Der Begriff der Sicherheit lässt im Wesentlichen zwei Deutungsweisen zu. Einerseits kann man hierunter die technische Anlagensicherheit verstehen, andererseits die Versorgungssicherheit (vgl. Art. 2 Nr. 28 der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 2009/72/EG31).32 Die technische Anlagensicherheit wird in § 49 EnWG behandelt.33 Dort heißt es in Absatz 1, dass Energieanlagen so zu errichten und betreiben sind, dass die „technische Sicherheit“ gewährleistet wird. Um dies zu erreichen, sind die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ zu beachten, die dem Schutz von Leib, Leben und Vermögen von Betroffenen sowie der Allgemeinheit dienen.34 Technische Sicherheit kann dabei verstanden werden als hinreichend ungefährlicher Betrieb von Energieanlagen35, wobei hierunter auch die Energieversorgungsnetze fallen, wie sich aus § 3 Nr. 15 EnWG ergibt. Ziel von § 49 EnWG ist der Schutz der Allgemeinheit und der Mitarbeiter der Betreiber von Energieanlagen vor Gefahren, die von Energieanlagen ausgehen können.36 Die Einhaltung der Vorgaben von § 49 Abs. 1 EnWG wird nach Absatz 5 von den zuständigen Landesbehörden überwacht37, die befugt sind, Einzelfallmaßnahmen zu erlassen. Die wesentliche Norm zur Gewährleistung der technischen Sicherheit ist damit § 49 EnWG und nicht § 13 EnWG.38 In § 13 EnWG kann diese an sich nur insoweit relevant sein, als der Netzbetreiber durch Maßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG in einer spontan auftretenden Gefahrensituation steuernden Einfluss auf eigene und fremde Energieanlagen nehmen kann und im Rahmen von Netzsicherheitsmaßnahmen ggf. die technische Sicherheit von Anlagen beeinflusst, etwa, indem durch seine Maßnahmen Schäden ausgelöst werden. „Sicherheit“ in § 13 EnWG ist weiter zu verstehen und umfasst neben den von Netzbetreiberseite beeinflussbaren Bereichen der technischen Sicherheit auch und insbesondere die netzseitige39, auf die Netzstabilität bezogene, Versorgungssicher-
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ABl. EU 2009, L 211/55 ff. BT-Drs. 13/7274, S. 13; Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 11 Rn. 12; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 11 EnWG Rn. 20. 33 Vgl. Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 5, der die Versorgungssicherheit im Rahmen der Zuverlässigkeit thematisiert. 34 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 49 Rn. 1, 4 f. 35 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 49 Rn. 27. 36 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 11 Rn. 12, § 49 Rn. 4. 37 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 11 Rn. 12, § 49 Rn. 13 f. 38 Vgl. Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 11 Rn. 12. 39 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 6. 32
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heit.40 Damit ist gemeint, dass ein funktionierender Stromtransport über die Energieversorgungsnetze logische Grundlage der Energieversorgung ist.41 Ein lastdeckender Kraftwerkspark, der die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend Strom sicherstellt, genügt alleine noch nicht, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Darüber hinaus muss der Strom auch unterbrechungsfrei bei den Letztverbrauchern zur Verfügung stehen. Dies zu ermöglichen, ist Aufgabe der ÜNB im Rahmen der Systemverantwortung. Die ÜNB haben also dafür Gewähr zu tragen, dass der Stromtransport gesichert ist; hier liegt ihre Einflusssphäre – für die Bereithaltung mengenmäßig ausreichender Versorgungskapazitäten zur Lastdeckung sind sie dagegen an sich nicht verantwortlich.42 Hieran ändert auch die Einführung der Kapazitätsreserve in § 13e EnWG mit dem Strommarktgesetz (2016) nichts, da insoweit der Fokus auf der Netzsicherheit liegt, indem ein vollständiger Ausgleich von Angebot und Nachfrage an Strom gewährleistet wird und so die Frequenzhaltung gesichert werden kann. Gesetzessystematisch zeigt sich dies bereits an der Einordnung der Kapazitätsreserve im Bereich des Gefährdungsmanagements (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG). Es ist darüber hinaus auch weiterhin nicht die Aufgabe der ÜNB, die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend elektrischer Erzeugungsleistung zu koordinieren und sicherzustellen. Neben der Sicherheit spricht § 13 EnWG auch von der Zuverlässigkeit des Versorgungsnetzes. Hiermit ist gemeint, dass die Stromnetze den an sie gestellten Anforderungen über eine bestimmte Zeitdauer genügen können bzw. müssen.43 Im Rahmen der Anreizregulierung werden im Bereich der Qualitätsvorgaben beim Betrieb von Energieversorgungsnetzen (§§ 18 ff. ARegV) Aussagen zur Netzzuverlässigkeit getroffen, die auf § 13 EnWG übertragbar erscheinen.44 Dort heißt es,
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Vgl. hierzu auch Teil 2 A.II.; Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 11 EnWG Rn. 13 ff. (Stand: Juni 2008); Bourwieg, in: Britz/ Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 11 Rn. 12; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 81; a.A. insoweit Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 5 f., der die Versorgungssicherheit im Rahmen der Zuverlässigkeit thematisiert; a.A. auch König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 11 EnWG Rn. 20. 41 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 11 Rn. 13. 42 Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 11 EnWG Rn. 14 (Stand: Juni 2008). 43 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 11 Rn. 16; Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 5, spricht an dieser Stelle die Versorgungssicherheit an; auch König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 11 EnWG Rn. 20, 22, sieht die Frage der Versorgungssicherheit scheinbar als Frage der Zuverlässigkeit an (Rn. 20). 44 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 11 Rn. 16; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht,
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dass die Netzzuverlässigkeit die Fähigkeit des Energieversorgungsnetzes beschreibt, „Energie möglichst unterbrechungsfrei und unter Einhaltung der Produktqualität zu transportieren“ (§ 19 Abs. 3 S. 1 ARegV). Die Produktqualität umfasst dabei auch die Gewährleistung einer stabilen Netzfrequenz sowie die Vermeidung von Überund Unterspannung.45 Kriterien zur Bewertung der Netzzuverlässigkeit können insbesondere die Dauer und Häufigkeit von Unterbrechungen der Versorgung, die Menge der nicht gelieferten Energie sowie die Höhe der nicht gedeckten Last sein (§ 20 Abs. 1 S. 1 ARegV). Wo genau die Abgrenzungslinie zwischen Sicherheit und Zuverlässigkeit verläuft, ist unklar.46 Es wird jedoch deutlich, dass Überschneidungen auftreten: In aller Regel dürfte ein zuverlässiges, weitgehend unterbrechungsfreies Energieversorgungssystem auch die Versorgungssicherheit gewährleisten. Wenn die Versorgungssicherheit netzseitig gewährleistet ist, kann wiederum davon ausgegangen werden, dass die Stromnetze auch dem Zuverlässigkeitskriterium genügen. Zurecht wird deshalb in der Literatur47 dafür plädiert, die Frage der Abgrenzung offen zu lassen. Entscheidend ist nur, dass die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems im Sinne von technischer Sicherheit und netzseitiger, stabilitätsbezogener Versorgungssicherheit verstanden wird.48 4. Das Elektrizitätsversorgungssystem in der jeweiligen Regelzone Die Systemverantwortung der ÜNB bezieht sich gemäß § 13 Abs. 1 und 2 EnWG auf das Elektrizitätsversorgungssystem in der jeweiligen Regelzone. Die Regelzone ist das Netzgebiet, „für dessen Primärregelung, Sekundärregelung und Minutenreserve ein Betreiber von Übertragungsnetzen im Rahmen der Union für die Koordinierung des Transports elektrischer Energie (UCTE) verantwortlich ist“ (§ 3 Nr. 30 EnWG). In Deutschland gibt es vier Regelzonen, die von den Übertragungsnetzbetreibern (§ 3 Nr. 10 EnWG) TenneT TSO, 50Hertz Transmission, Amprion und TransnetBW betrieben, gewartet und ausgebaut werden. Der Begriff „ElektriziBand 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 11 EnWG Rn. 22; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 82 f. 45 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 11 EnWG Rn. 22. 46 Unklar ist auch, warum der Gesetzgeber eine Verknüpfung mit „oder“ und nicht mit „und“ gewählt hat. Insbesondere, da in § 11 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 EnWG eine Verknüpfung mit Komma bzw. mit „und“ vorgenommen wurde. 47 Siehe: Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 4 („ohne praktische Bedeutung“); Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 163. 48 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 163; Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 47.
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tätsversorgungssystem“ ist im EnWG nicht legaldefiniert; nach dem Transmission Code 2007 handelt es sich dabei um eine „nach technischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Kriterien abgrenzbare funktionale Einheit innerhalb der Elektrizitätswirtschaft.“49 In der Entwurfsbegründung zum EnWG 200550 heißt es zum Gegenstand der Systemverantwortung: „Diese Vorschrift enthält eine Konkretisierung der Aufgaben- und Rechtsstellung der Betreiber von Übertragungsnetzen im Hinblick auf die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems der Elektrizitätsversorgung.“ Dies zeigt, dass sich die Verantwortung der ÜNB nicht nur auf ihr jeweiliges Netz an sich bezieht, sondern vielmehr auf sämtliche Stromeinspeisungen, -ausspeisungen und Transite (vgl. so auch in § 13 Abs. 2 EnWG).51 § 13 EnWG stellt damit eine umfassende Verantwortungsnorm dar, nach der es Gefährdungen und Störungen im gesamten Versorgungssystem durch geeignete Maßnahmen zu verhindern bzw. einzudämmen gilt.
II. Netzstabilität als Teilbereich der Versorgungssicherheit52 Mit der Sicherheit des Elektrizitätsversorgungssystems i.S.v. § 13 EnWG ist – wie bereits erörtert53 – vorrangig die „netzseitige Versorgungssicherheit“ gemeint. Diese in Anführungsstriche gesetzte Formulierung bringt zum Ausdruck, dass sich die Systemverantwortung der ÜNB dagegen nicht auf die Versorgungssicherheit im Ganzen bezieht. Letztere54 gehört zu den fünf wesentlichen Grundprinzipien des Energiewirtschaftsrechts, die in § 1 Abs. 1 EnWG genannt sind. Zweck des EnWG ist es nämlich, eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effi49 VDN, Transmission Code 2007, S. 75; Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 12 Rn. 21. 50 BT-Drs. 15/3917, S. 56; Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 3. 51 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 12 Rn. 1; Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 5. 52 Der Begriff der Versorgungssicherheit wird in der Literatur umfassend behandelt und beschrieben (vgl. etwa die Entwicklung einer eigenen Definition der Versorgungssicherheit durch Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 102 ff.). In dieser Abhandlung liegt der Fokus jedoch auf der Abgrenzung zwischen dem Begriff der Versorgungssicherheit und den für § 13 EnWG relevanten Teilaspekten. Siehe auch: Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007. 53 Teil 2 A.I.3. 54 A.A. Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 98 ff.: Versorgungssicherheit ist nur eine Teilmenge der Sicherheit i.S.v. § 1 EnWG.
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ziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, zunehmend auf erneuerbaren Energien beruhend, zu gewährleisten. In Absatz 2 heißt es weiter, dass die Regulierung der Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen dient. Auch im EU-Recht spielt die Versorgungssicherheit eine große Rolle. Hier ist etwa an die Infrastruktur-Richtlinie 2005/89/EG55 zu denken (über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Elektrizitätsversorgung und von Infrastrukturinvestitionen). Der Begriff der Versorgungssicherheit wird auch in § 1a EnWG verwendet. Diese Norm wurde mit dem Strommarktgesetz eingeführt und enthält die Grundsätze des „Strommarktes 2.0“.56 Dort heißt es in Absatz 3: „Ein Wettbewerb zwischen effizienten und flexiblen Erzeugungsanlagen, Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie und Lasten, eine effiziente Kopplung des Wärme- und des Verkehrssektors mit dem Elektrizitätssektor sowie die Integration der Ladeinfrastruktur für Elektromobile in das Elektrizitätsversorgungssystem sollen die Kosten der Energieversorgung verringern, die Transformation zu einem umweltverträglichen, zuverlässigen und bezahlbaren Energieversorgungssystem ermöglichen und die Versorgungssicherheit gewährleisten.“ Nach der Entwurfsbegründung57 soll dies den Grundsatz verankern, dass zur Flexibilisierung von Angebot und Nachfrage bezüglich Strom ein Wettbewerb aller verfügbaren Flexibilitätsoptionen (Speicher, Lastmanagement usw.) ausgerufen werden und dies u. a. der Versorgungssicherheit dienen soll. Zudem ergibt sich aus § 1a Abs. 4 EnWG, dass auch im Rahmen des Netzausbaus der Versorgungssicherheit Rechnung zu tragen ist. 1. Inhalt und Reichweite der Versorgungssicherheit Konstitutiv für eine gesicherte Versorgung ist die vollständige und ununterbrochene Befriedigung der Nachfrage.58 Versorgungssicherheit ist damit ein umfassender Begriff, der alle vorgelagerten Schritte von der Verfügbarkeit von Primärenergieträgern über die Energieerzeugung bis zur Lieferung über die Stromnetze an 55
ABl. EU 2006, L 33/22 ff. BT-Drs. 18/7317, S. 76 f. 57 BT-Drs. 18/7317, S. 76 f. 58 So u. a.: Tettinger, Zum Thema „Sicherheit“ im Energierecht, RdE 2002, S. 225 ff. (S. 226); Büdenbender, Kommentar zum Energiewirtschaftsgesetz, Köln 2003, § 1 Rn. 17; Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 1 Rn. 26; Bourwieg, in: Britz/Hellermann/ Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 1 Rn. 26; Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 28; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, 2013, S. 82 f.; Säcker/Timmermann, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 1 EnWG Rn. 8 („kurz- und mittelfristige Versorgungssicherheit“); Theobald, in Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 1 EnWG Rn. 15 (Stand: September 2013). 56
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die Letztverbraucher umfasst.59 Er hat eine kollektive und eine individuelle Komponente60 und bezieht sich sowohl auf die kurzfristige als auch auf die langfristige Versorgung61. Das bedeutet, dass zum einen die gesamtstaatliche Versorgungssicherheit gewährleistet sein muss, ebenso aber auch die jedes Einzelnen (vgl. die Grundversorgungspflicht in § 36 EnWG); zudem muss sie sowohl im hier und jetzt als auch in der Zukunft erreicht werden. Entsprechend kommt es also auch darauf an, dass keine Ausfälle der Versorgung auftreten.62 Gezielte Abschaltungen im Rahmen des Netzsicherheitsmanagements, die auf vertraglichen Vereinbarungen beruhen (§ 14a EnWG, Vereinbarungen nach der AbLaV), stehen dem nicht entgegen.63 Der Zielzustand ist dann erreicht, wenn auch eine ungewöhnliche und plötzlich auftretende Lastspitze mengenmäßig und zuverlässig gedeckt werden kann.64 Ob jederzeit die Nachfrage nach Strom durch die zur Verfügung stehende Leistung befriedigt werden kann, wurde bislang durch die sog. Leistungsbilanz (§ 12 Abs. 4 S. 3 EnWG) ermittelt, die von den ÜNB erstellt wurde65 : Hierbei wurde als Referenz der Zeitpunkt angesetzt, an dem die Stromreserven ihren voraussichtlich geringsten Wert aufwiesen und gleichzeitig die Last ihren voraussichtlich höchsten Wert erreichte. Die Differenz aus gesicherter Leistung und zu deckender Nachfrage ergab dann entweder einen Versorgungspuffer oder aber ein Defizit. Mit der Verabschiedung des Strommarktgesetzes tritt an die Stelle der Leistungsbilanz der ÜNB das Monitoring durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (§ 12 Abs. 5 Nr. 2 und 3 i.V.m. § 51 EnWG).66
59 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 1 Rn. 26; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 1 EnWG Rn. 8; siehe auch: BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2012, S. 4. 60 Britz, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, Tübingen 2010, § 9 Rn. 27. 61 Scholz, Kontrahierungszwang in der Versorgungswirtschaft (Dargestellt am Beispiel der Anschluß- und Versorgungspflicht von Elektrizitätsversorgungsunternehmen gegenüber Stromverbrauchern), Baden-Baden 1997, S. 45; Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 28. 62 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 1 Rn. 26. 63 Säcker/Timmermann, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 1 EnWG Rn. 10. 64 Scholz, Kontrahierungszwang in der Versorgungswirtschaft (Dargestellt am Beispiel der Anschluß- und Versorgungspflicht von Elektrizitätsversorgungsunternehmen gegenüber Stromverbrauchern), Baden-Baden 1997, S. 44; Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 100, 106; Theobald, in Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 1 EnWG Rn. 15 (Stand: September 2013); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 28. 65 Vgl. hierzu BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2012, S. 9. 66 BT-Drs. 18/7317, S. 82.
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Für Versorgungsunternehmen und Netzbetreiber ist die Gewährleistung der Versorgungssicherheit in erster Linie mit finanziellem Aufwand67 verbunden, da für den Ernstfall Reserven vorgehalten werden müssen, die Kosten verursachen. Angesichts eines zunehmend volatil geprägten Stromsystems und der Schwierigkeiten, Strom zu speichern68, ist dies eine nicht zu unterschätzende Problematik. Es genügt jedoch nicht, auf Versorgerseite die benötigten Strommengen zu allen Zeiten bereitzustellen, darüber hinaus ist auch erforderlich, dass die Stromnetze ausreichende Kapazitäten aufweisen und eine störungsfreie bzw. stabile Verteilung des Stroms ermöglichen.69 Dies betrifft den Aufgabenbereich der Netzbetreiber. In § 12 Abs. 3 EnWG heißt es demnach: „Betreiber von Übertragungsnetzen haben dauerhaft die Fähigkeit des Netzes sicherzustellen, die Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität zu befriedigen und insbesondere durch entsprechende Übertragungskapazität und Zuverlässigkeit des Netzes zur Versorgungssicherheit beizutragen.“ Umstritten ist, ob auch die technische Sicherheit der Energieanlagen i.S.v. § 49 EnWG unter den Begriff der Versorgungssicherheit fällt – oder nur und gerade unter den Oberbegriff der „Sicherheit“ in § 1 EnWG oder auch § 13 EnWG.70 Für die hier anzustellenden Abgrenzungen ist dies nicht von Bedeutung. Es spricht jedoch wohl mehr dafür, die technische Anlagensicherheit auch noch als Randbereich der Versorgungssicherheit anzusehen, da sich Schäden und Mängel auf Anlagenseite auf die Sicherheit der Versorgung mit Elektrizität auswirken können. 2. Versorgungssicherheit als Gegenstand der Systemverantwortung Gegenstand der Systemverantwortung der ÜNB nach § 13 EnWG ist – neben der durch den Netzbetreiber beeinflussbaren technischen Sicherheit der Energieanlagen 67
Vgl. Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 1 Rn. 26; vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 391. 68 Theobald, in Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 1 EnWG Rn. 15 (Stand: September 2013). 69 So u. a.: Evers, Das Recht der Energieversorgung, 2. Aufl., Baden-Baden 1983, S. 99; Ehricke, Der europäische Regelungsansatz zur Versorgungssicherheit – zum Richtlinienvorschlag für die Sicherung der Elektrizitätsversorgung, ZNER 2004, S. 211 ff. (S. 212); Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 1 Rn. 26; Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 27 f. 70 Vgl. BT-Drs. 13/7274, S. 14; dagegen insbesondere: Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, Baden-Baden 2009, S. 99 f. (technische Sicherheit und Versorgungssicherheit sind zwei Elemente des Sicherheitsbegriffs); dafür etwa: Ehricke, Der europäische Regelungsansatz zur Versorgungssicherheit – zum Richtlinienvorschlag für die Sicherung der Elektrizitätsversorgung, ZNER 2004, S. 211 ff. (S. 212); Kühne, Versorgungssicherheit – Erscheinungsformen und Abwägungskonstellationen, in: Pielow (Hrsg.), Sicherheit in der Energiewirtschaft (in memoriam Peter J. Tettinger), Bad Langensalza 2007, S. 129 ff. (S. 130).
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
– die netzseitige Versorgungssicherheit.71 Der Netzausbau fällt dagegen nicht unter § 13 EnWG, sondern u. a. unter die allgemeinere Regelung in § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG. Auch die Bereitstellung von Primärenergieträgern und Erzeugungskapazitäten wird von § 13 EnWG nicht behandelt.72 Diesbezüglich greifen allerdings die Vorgaben zur Stilllegung von Erzeugungsanlagen und zur Bildung einer Netzreserve (vgl. §§ 13b, 13d EnWG sowie die NetzResV) sowie die §§ 50 ff. EnWG, die die Versorgungssicherheit im Sinne von Erzeugungssicherheit betreffen.73 Hinzu kommt die mit dem Strommarktgesetz eingeführte Kapazitätsreserve (§ 13e EnWG). Auch die Vorgaben zur Stilllegung von Braunkohlekraftwerken bzw. ihr zeitweiser Einsatz im Rahmen der Sicherheitsbereitschaft (§ 13 g EnWG) sowie die ggf. zu errichtenden Netzstabilitätsanlagen (§ 13k EnWG a.F.) können bzw. konnten insoweit genannt werden. Die letztgenannte Regelung wurde mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz bereits wieder abgeschafft und durch eine Nachfolgeregelung ersetzt, die die Beauftragung Dritter zum Betrieb sog. besonderer netztechnischer Betriebsmittel vorsieht (§ 11 Abs. 3 EnWG n.F.).74 Darüber hinaus ist die Schaffung und Unterhaltung von Erzeugungskapazitäten den Marktakteuren überlassen.75 Auch im „Strommarkt 2.0“ ist es nicht die Aufgabe der ÜNB, die erzeugungsseitige Versorgungssicherheit sicherzustellen. Sämtliche erzeugungsbezogenen Regelungen im Rahmen der Systemverantwortung (§§ 13 ff. EnWG) dienen immer vorrangig der Netzsicherheit.76 Auch die Kapazitätsreserve, die relevant wird, sofern sich an den Strommärkten kein vollständiger Ausgleich von Angebot und Nachfrage einstellen sollte (§ 13e Abs. 1 EnWG), ist in erster Linie darauf bezogen, dass Gefährdungen der Netze aufgrund von Frequenzschwankungen ausgeschlossen werden.77 Dies zeigt auch § 1 Abs. 4 Nr. 2 EnWG, wonach es eine Zielvorstellung des mit dem Strommarktgesetz novellierten EnWG darstellt, dass jederzeit ein Ausgleich 71
Säcker/Timmermann, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 1 EnWG Rn. 9; Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 108 f., 349 72 BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2012, S. 19. 73 Britz, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, Tübingen 2010, § 9 Rn. 27, 87 ff; Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff.; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 338) 74 Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 17. Juli 2017, BGBl. 2017 I S. 2503 ff. 75 Säcker/Timmermann, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 1 EnWG Rn. 8. 76 In diesem Sinne auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13b Rn. 25 f.; zu Überschneidungen zwischen netzund erzeugungsseitiger Versorgungssicherheit vgl. Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 112 f. 77 Vgl. Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomischjuristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 358 ff.
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von Angebot und Nachfrage an den Strommärkten ermöglicht werden soll; die Absicherung durch die Kapazitätsreserve ist nach der Entwurfsbegründung des Gesetzgebers in diesem Kontext zu sehen.78 Hier ist aber gerade nicht von der Sicherung von Erzeugungskapazitäten die Rede, sondern vom Ausgleich zwischen Erzeugung und Last und damit von einem stabilen Netz. Die Gewährleistung der Netzstabilität ist nicht allein dem – grundsätzlich natürlich gegebenen – Eigeninteresse der ÜNB überantwortet; der Gesetzgeber hat den ÜNB die Systemverantwortung in § 13 EnWG ausdrücklich als Pflicht auferlegt. Danach gilt es, Gefährdungen bzw. Störungen hinsichtlich der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu beseitigen. Gefährdungsgründe können etwa Frequenzstörungen oder Spannungsschwankungen sein. Diese Verantwortung der ÜNB für das Elektrizitätsversorgungssystem behandelt einen zunehmend wichtigen Teilbereich der Versorgungssicherheit. Kühne bemerkte hierzu bereits im Jahr 2007: „Zwischen die rein technische Anlagensicherheit, die schwerpunktmäßig in den Händen der Ingenieure liegt, und [die] Bedarfsdeckungssicherheit i.S.d. Verfügbarkeit von (Primär-)Energie, die schwerpunktmäßig in den Händen der Bergleute (Eigenproduktion) und Kaufleute (Energieimport) liegt, hat sich der ständig ausweitende Bereich des Energiemanagements geschoben.“79 Diese Erkenntnis wird in jüngerer Zeit dadurch verstärkt, dass Liberalisierung und Energiewende, inklusive der schrittweisen Abschaltung der Kernkraftwerke, für die Bewirtschaftung der Stromnetze erhebliche Konsequenzen haben. Das Management von Stromeinspeisungen und -ausspeisungen verschiedenster Akteure an verschiedensten Orten ist zu einer komplexen und zeitaufwendigen Aufgabe für die Netzbetreiber geworden. Bislang lässt sich konstatieren, dass in Deutschland kein Mangel an ausreichenden Erzeugungskapazitäten besteht, insoweit kann also davon ausgegangen werden, dass die Versorgung gesichert ist.80 Etwas Anderes gilt jedoch für die Frage, ob der Strom auch dorthin gelangen kann, wo er gebraucht wird. Dies wird unter dem Stichwort „Engpässe im Stromnetz“ näher diskutiert und betrifft einen elementaren Teil der Systemverantwortung – dazu sogleich mehr im nächsten Kapitel.
78
BT-Drs. 18/7317, S. 76. Kühne, Versorgungssicherheit – Erscheinungsformen und Abwägungskonstellationen, in: Pielow (Hrsg.), Sicherheit in der Energiewirtschaft (in memoriam Peter J. Tettinger), Bad Langensalza 2007, S. 129 ff. (S. 133 f.). 80 Vgl. etwa Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 314). 79
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
III. Netzengpässe als Spezialproblem zu und in § 13 EnWG Die Auswirkungen der Liberalisierung der Stromnetze sowie der Energiewende, insbesondere das zunehmende örtliche Auseinanderfallen von Erzeugung und Verbrauch, haben dazu geführt, dass in den Stromnetzen – v. a. auf Übertragungsnetzebene – verstärkt Engpässe auftreten.81 Die hiermit verbundenen Fragestellungen werden regelmäßig im Zusammenhang mit dem erforderlichen Netzausbau diskutiert, spielen aber auch im Bereich der Netzsicherheit eine große Rolle – zumindest, soweit es um kurzfristig auftretende Engpässe geht. In § 15 StromNZV existiert eine eigene Regelung, die mit „Engpassmanagement“ überschrieben ist. Zugleich stellt das „Management von Engpässen“ aber auch eine Maßnahme der Systemverantwortung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG dar. Das Verhältnis der beiden Vorschriften ist folglich zu klären. Zudem ist herauszuarbeiten, in welchem Verhältnis die Bewirtschaftung von Engpässen (§ 15 Abs. 2 StromNZV) zum Netzausbau steht. Zuletzt ist noch das Verhältnis von Engpässen zu Netzanschluss und -zugang zu untersuchen. 1. Netzengpässe und Engpassmanagement Zunächst soll jedoch geklärt werden, was unter einem Netzengpass zu verstehen ist und welche Formen von Engpässen zu unterscheiden sind. Sodann ist darzustellen, wie der Umgang mit Engpässen erfolgt, welche Methoden also bestehen, mit denen diese behandelt und beseitigt werden können. a) Der Netzengpass-Begriff; Abgrenzung zwischen kurzfristig-sporadischen und langfristig-strukturellen Engpässen Ausgehend von der grundsätzlichen und allgemeinen Begriffsbestimmung des Engpasses wird in einem weiteren Schritt auf die Unterscheidung zwischen kurzfristig-sporadischen und langfristig-strukturellen Netzengpässen einzugehen sein. Im deutschen Recht existiert keine eigene Legaldefinition des Netzengpasses. In der Stromhandelszugangs-Verordnung82, die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel enthält, wird ein Engpass beschrieben als „eine Situation, in der eine Verbindung zwischen nationalen Übertragungsnetzen wegen unzureichender Kapazität der Verbindungsleitungen und/oder der betreffenden nationalen Übertragungsnetze nicht alle Stromflüsse im Rahmen des von den Marktteilnehmern gewünschten internationalen Handels bewältigen kann“ (Art. 2 Abs. 2 lit. c). Im Wesentlichen liegt also nach dieser Definition dann ein Engpass vor, wenn eine grenzüberschreitende Verbindungsleitung nicht alle Stromflüsse übertragen
81 82
Ausführlich: Teil 1 A.I. und III. VO (EG) 714/2009, ABl. EU 2009, L 211/15 ff.
A. Begriff, Inhalt und Abgrenzung der Systemverantwortung
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kann, die handelsseitig übertragen werden sollen.83 Es handelt sich hier um eine ökonomische Betrachtung von Engpasssituationen. Höffler betont noch stärker die fiskalische Komponente eines Engpasses, indem er darauf abstellt, dass sich ein solcher dadurch auszeichnet, dass die Nachfrage nach Übertragungskapazität zum „Normalpreis“ das Angebot übersteigt; der „Normalpreis“ ist dabei der kostenbasierte Preis für die Netzkapazität, wie er sich bei ausreichenden Netzkapazitäten einstellt bzw. einstellen würde.84 Soweit es um Netzengpässe geht, die eine Gefährdung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems darstellen können (§ 13 Abs. 1 EnWG), kommt es jedoch weniger auf die wirtschaftliche Komponente an, sondern es steht vielmehr die Netzstabilität im Vordergrund. Deshalb ist es vorzugswürdig, auf die technische bzw. physische Seite von Engpässen abzustellen: Hier ist das (n-1)-Kriterium von besonderer Bedeutung.85 Dieses verlangt, dass bei Ausfall eines Netzbetriebsmittels die Systemsicherheit nicht beeinträchtigt wird und das Netz weiterhin seine bestimmungsmäßige Aufgabe erfüllen kann, ohne dass eine Versorgungsunterbrechung entsteht.86 Wie bereits zu § 13 Abs. 4 EnWG (Besorgnis kurzfristiger Engpasssituationen als Gefährdungslage der Systemverantwortung) dargestellt87, gilt, dass Engpässe aus technischer Sicht dann entstehen, wenn die Übertragungskapazität einzelner Netzbestandteile nicht ausreichend dimensioniert ist, um die gesamte elektrische Leistung weiterleiten zu können, ohne dass dabei das (n-1)-Kriterium verletzt wird.88 Im Transmission Code 2007 heißt es hierzu: „Ein Engpass besteht, wenn das (n-1)-Kriterium nicht eingehalten wird oder der Netzbetreiber die begründete Erwartung hat, dass bei Akzeptanz aller bereits bekannten 83 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 38. 84 Höffler, Engpassmanagement und Anreize zum Netzausbau im leitungsgebundenen Energiesektor, Baden-Baden 2009, S. 19. 85 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 58. 86 Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 525); Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 39; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 120; Marenbach/Nelles/ Tuttas, Elektrische Energietechnik, 2. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 345; vgl. auch VDN, Transmission Code 2007, Anhang C. 87 Teil 2 A.I.2. 88 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 38; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 66 f.).
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
oder prognostizierten Fahrplananmeldungen ohne durch ihn veranlasste Sondermaßnahmen das (n-1)-Kriterium nicht eingehalten werden kann.“89 Der physische Netzengpass bezieht sich demnach auf die noch sichere Transportkapazität eines Stromnetzes und ist vom Erzeugungsengpass abzugrenzen, der eine Unterversorgung mit Stromerzeugungskapazitäten beschreibt.90 In dieser Unterscheidung kommt erneut zum Ausdruck, was bereits zur Versorgungssicherheit herausgearbeitet wurde91: Es ist zu unterscheiden zwischen der Deckung der Stromnachfrage durch entsprechende Erzeugungskapazitäten einerseits und der Transportkapazität der Netze bzw. der dauerhaften Netzstabilität andererseits. König ordnet den Begriff des ökonomischen Engpasses der Gefährdung i.S.v. § 13 Abs. 1 EnWG zu, während der physische Engpass eine bereits verwirklichte Gefährdung, mithin eine Störung i.S.v. § 13 Abs. 1 EnWG, darstelle.92 Bei dieser Abgrenzung wird jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Unterscheidung zwischen ökonomischen und physischen Engpässen nicht zwingend eine zeitliche Abfolge zum Ausdruck bringen muss, sondern v. a. eine unterschiedliche Herangehensweise der Engpassbestimmung darstellt. Hierzu sei nur angemerkt, dass ein physischer Engpass im Sinne einer Verletzung des (n-1)-Kriteriums nicht zwangsläufig bereits vorliegen muss, sondern eben auch „drohen“ kann und so eine Gefährdung der Systemsicherheit hervorruft. Von wesentlicher Bedeutung für die nähere Befassung mit § 13 EnWG ist die Abgrenzung zwischen langfristig-strukturellen und kurzfristig-sporadischen Netzengpässen.93 Hier darf bereits vorweggenommen werden, dass § 13 EnWG nur letztere behandelt.94 Während langfristige Engpässe regelmäßig auftreten und nach bestimmten Verfahrensregelungen „bewirtschaftet“ werden, treten kurzfristige Engpässe unregelmäßig bzw. unvorhersehbar auf und werden durch präventive oder kurative Maßnahmen beseitigt.95 Der deutsche Gesetzgeber geht gegenwärtig offenbar ebenso wenig vom Vorhandensein struktureller Engpässe in Deutschland aus 89 VDN, Transmission Code 2007, S. 76. Vgl. auch die Definition des Netzengpasses im Sinne des Distribution Code: „Ein Engpass im Verteilungsnetz besteht, wenn im ungestörten Betrieb die Betriebsmittel überlastet werden, das Netz nicht in der Lage ist, die einspeise- oder entnahmeseitig gewünschten Energieflüsse zu führen oder dies eine Gefährdung bzw. Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit beinhaltet.“ (VDN, Distribution Code, Version 1.1, 2007, S. 22). 90 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 40. 91 Teil 2 A.II. 92 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 41. 93 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 41 f. 94 Näheres hierzu sogleich in Teil 2 A.III.2. 95 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 41 f.
A. Begriff, Inhalt und Abgrenzung der Systemverantwortung
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wie die ÜNB.96 Anders sieht es jedoch an den Grenzkuppelstellen innerhalb der EU aus.97 Insbesondere die Verbindungsleitungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich stehen in diesem Zusammenhang häufig im Fokus der Diskussionen.98 Anhand eines Beispiels sei auf die Schwierigkeiten hingewiesen, eindeutig zu bestimmen, ab wann ein Engpass strukturell ist: Die Einspeiseleistung von Windenergieanlagen ist volatil, ihre Stromgenerierung schwankt im Tages-, Monats- und Jahresablauf. Es ist also etwa denkbar, dass in einem Stromnetz, an dem viele Windenergieanlagen angeschlossen sind, zu bestimmten Zeiten im Jahr regelmäßig Engpässe auftreten, zu anderen Zeiten dagegen nicht. Kann man dann aber von einem strukturellen Engpass sprechen (weil regelmäßig im Jahresablauf Engpässe entstehen) oder handelt es sich um kurzfristige Engpässe (weil die Engpässe im Ergebnis auf das Jahr gesehen unvorhersehbar sind)? Insgesamt dürfte es sich bei der Frage, ob ein struktureller Engpass vorliegt99, im Wesentlichen um eine politische Frage handeln.100 Solange der Gesetz- oder Verordnungsgeber bzw. die Regulierungsbehörden kein ausdifferenziertes Bewirtschaftungsregime vorgeben, bleibt § 15 StromNZV – eine Vorschrift, die auf strukturelle Engpässe bezogen ist101 –, vermutlich ohne Anwendungsbereich in der Praxis. Ob § 13 EnWG einschlägig ist, richtet sich danach, ob eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuver96 Die ÜNB sind nach § 15 Abs. 4 StromNZV dazu berufen, strukturelle Engpässe auszuweisen – dies ist bislang nicht geschehen. Vgl. dazu etwa König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 627 ff., m.w.N.; zudem: Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 59. 97 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 42. 98 Vgl. Bourwieg, Aktuelles aus der Energieregulierung (Stand: Februar 2016), ER 2016, S. 99 ff. (S. 102). Die bislang bestehende gemeinsame Strompreiszone wird zum 1. Oktober 2018 geteilt, so dass – zumindest oberhalb einer gewissen Schwelle – kein deutsch-österreichischer Stromgroßhandel mehr stattfindet (ZfK-Meldung vom 16. Mai 2017, https://www.zfk. de/unternehmen/energiemarkt/beschaffung-handel/artikel/strommarktteilung-kommt-als-kom promiss.html, abgerufen am 30. 06. 2017). Dies hat dann zur Folge, dass die tatsächlich vorhandenen Transportkapazitäten zwischen den beiden Ländern im Rahmen des Stromhandels zu berücksichtigen sind. Auf diese Weise sollen Engpässe und entsprechende Beseitigungsmaßnahmen obsolet werden. Weiterführend: Mussaeus/Sänger/Linden, Die Neuordnung der Strompreiszonen – ein ungeliebtes Kind am Horizont, RdE 2017, S. 172 ff. Ergänzender Hinweis: Zur Erhaltung der Einheitlichkeit der innerdeutschen Strompreiszone hat der Verordnungsgeber mit Kabinettsbeschluss vom 22. 11. 2017 § 3a StromNZV n.F. eingeführt. Die ÜNB dürfen danach „nicht einseitig eine Kapazitätsvergabe einführen, die zu einer Aufteilung der einheitlichen deutschen Stromgebotszone führen würde.“ 99 König ist der Ansicht, dass es mindestens auf der Leitung „Remptendorf – Redwitz“ zu strukturellen Engpässen kommt und sowohl nach europäischem als auch deutschem Recht die Pflicht zur Einführung eines Market Splittings in Deutschland besteht (Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff.). 100 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 43. 101 Näheres hierzu sogleich in Teil 2 A.III.2.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
lässigkeit des Energieversorgungssystems vorliegt. Gäbe es anerkannte strukturelle Engpässe und ein marktbezogenes Verfahren zum Umgang mit diesen, könnte in Ausnahmefällen – etwa, wenn das Verfahren versagt oder andere außergewöhnliche Umstände eintreten – dennoch § 13 EnWG relevant werden. Denn auch strukturelle Engpässe können dann zu kurzfristig-sporadischen Engpässen werden, die nach dem Notfallregime zu behandeln sind. Ob man Engpässe als strukturell einordnet, ist auch eine Frage der Perspektive. Gerade mit Blick auf den engpassbehafteten Transport von Windstrom aus dem Norden in den verbrauchsstarken Süden Deutschlands102 könnte man auch von einem strukturellen Erzeugungsdefizit in Süddeutschland sprechen. Nicht die häufigen Engpässe im Netz sind demnach strukturell bedingt, sondern die aufgrund der veränderten Erzeugungsstruktur als Folge von Liberalisierung und Energiewende entstandene, nicht mehr verbrauchsnahe Versorgung mit Elektrizität. Engpasslagen sind insoweit also bloße Folgeerscheinungen der politisch-rechtlichen Entwicklung. Sobald die Netzentwicklung, also der Ausbau der großen „Strom-Autobahnen“ in den Süden, abgeschlossen ist, bestehen im Netz auch keine potenziell strukturellen Engpässe mehr. b) Das Engpassmanagement Im Transmission Code 2007 wird nicht nur definiert, was unter einem Engpass zu verstehen ist, sondern auch, dass die „Summe aller Maßnahmen des Netzbetreibers zur Vermeidung bzw. Behebung eines Engpasses (z. B. Auktionen, Redispatch, Countertrading, Market Splitting)“ als Engpassmanagement zu bezeichnen ist.103 Unklar ist, ob im Sinne eines weiten Begriffsverständnisses tatsächlich alle Maßnahmen hierunter zu fassen sind, die dazu dienen, Engpässe zu vermeiden oder zu beheben – also auch Vorfeldmaßnahmen wie Standortsteuerung und Netzausbau104 – oder ob der Begriff enger zu fassen ist.105 Letzteres erscheint vorzugswürdig: Das Management von Engpässen meint sinnvollerweise die bestmögliche Ausschöpfung der vorhandenen Kapazität, wobei sowohl kurzfristige als auch strukturelle Engpässe 102
BMWi, Monitoring-Bericht nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juli 2012, S. 16; BMWi, Zweiter MonitoringBericht „Energie der Zukunft“, März 2014, S. 46; vgl. auch: Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 232); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 28 f., 63 ff. 103 VDN, Transmission Code 2007, S. 76. 104 Vgl. in Bezug auf § 15 StromNZV etwa Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 37), allerdings wird von den Autoren der Netzausbau nicht ausdrücklich als Engpassmanagement bezeichnet, sondern nur die Stufenfolge von Netzausbau und Engpassbewirtschaftung betont. 105 Vgl. dazu König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 43 ff.
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erfasst sind.106 Im Rahmen des Engpassmanagements wird also das Vorhandensein von Engpässen vorausgesetzt.107 Wenn man den Begriff des Engpassmanagements dennoch auch für Standortsteuerung und Netzausbau verwenden möchte, sollte man zumindest von „strategischem“ Engpassmanagement sprechen, um deutlich zu machen, dass es nicht um operative Methoden zur Beseitigung oder Bewirtschaftung von Engpässen geht, sondern um Vorfeldmaßnahmen, die das Aufkommen von Engpässen grundsätzlich abzuwenden suchen.108 Nach dem Unterscheidungsschema kurzfristig – strukturell lassen sich auch die verschiedenen Methoden des Engpassmanagements eingruppieren.109 Zur Beseitigung kurzfristiger Engpässe bieten sich zunächst netzinterne Abhilfemaßnahmen an (Schalthandlungen o. ä.). Daneben kommen Eingriffe in Last und Erzeugung in Betracht. Das Ziel ist dann regelmäßig, Stromflüsse umzuleiten oder zu verringern und so die belasteten Netzelemente zu schonen.110 Typischerweise wird ein sog. Redispatching durchgeführt, bei dem Erzeugungsanlagen vor dem Engpass abgeregelt und stattdessen Anlagen hinter dem Engpass heraufgeregelt werden.111 Aber auch Lastmanagement kann zum Engpassmanagement eingesetzt werden.112 Während bei Redispatching oder Lastmanagement auf die Fahrweise von Kraftwerken bzw. die Last von Stromverbrauchern Einfluss genommen wird, kann auch das sog. Countertrading genutzt werden. Hierbei wird versucht, Engpässen über gezielte Handelsgeschäfte entgegenzuwirken.113 Die verschiedenen Methoden, die derzeit in der Bundesrepublik zur Engpassbeseitigung angewandt werden, sind sämtlich nicht-allokativ, es wird also keine
106
De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? – Zur Netzeinbindung von Großkraftwerken (Teil 1), IR 2006, S. 199 ff. (S. 201); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 44. 107 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 127. 108 Consentec/Frontier, Methodische Fragen bei der Bewirtschaftung innerdeutscher Engpässe im Übertragungsnetz (Energie), 2008, S. 3; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 59. 109 Vgl. zum Folgenden insbesondere die allgemeine Übersicht bei Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 22 ff., 31 ff.; ausführlicher (aber auch allgemein): König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 45 ff., 129 ff. 110 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 45. 111 Vgl.: Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43); Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 31 f. 112 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 45; ggf. kann auch Regelenergie eingesetzt werden. 113 Vgl. Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 33. Die begriffliche Verwendung ist teilweise uneinheitlich.
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Kapazitätszuteilung durchgeführt.114 Strukturelle Engpässe spielen aktuell nur an den Grenzkuppelstellen eine Rolle. Bei solchen Engpässen werden sinnvollerweise Auktionsverfahren angewandt. Denkbar sind einerseits explizite Auktionen, bei denen Kapazitätsrechte isoliert versteigert werden, andererseits aber auch implizite115 Auktionen, bei denen die Übertragungskapazität im Rahmen von Stromtransaktionen über eine zentrale Stelle mitversteigert wird.116 Für die Durchführung von Auktionen sind abgegrenzte Marktgebiete erforderlich, solche gibt es freilich zwischen den nationalen Übertragungsnetzen der EU-Mitgliedstaaten – nicht aber innerhalb des bundesdeutschen Stromnetzes.117 Die Unterteilung in vier Regelzonen ist zum einen willkürlich, zum zweiten nicht ausreichend.118 Die ansonsten typischen Methoden119 bei der Zuteilung knapper Kapazitäten (Prioritätsprinzip, Repartierung etc.) spielen im Energierecht keine Rolle, da sie mangels Marktbezogenheit § 15 Abs. 2 StromNZV nicht genügen.120 Die Vorrangregelungen für Strom aus erneuerbaren Energien bzw. Grubengas (§ 11 EEG 2017) sowie für Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung (§ 3 KWKG) stellen im Übrigen besondere Methoden des Engpassmanagements dar.121 2. Abgrenzung zwischen § 13 EnWG und § 15 StromNZV Der Begriff des Engpassmanagements (bzw. des Managements von Engpässen) findet sich nicht nur in § 13 EnWG, sondern auch in § 15 StromNZV, einer Norm, die bereits mit „Engpassmanagement“ überschrieben ist. In § 15 Abs. 1 StromNZV heißt es: „Betreiber von Übertragungsnetzen haben im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren das Entstehen von Engpässen in ihren Netzen und an den Kuppelstellen zu benachbarten Netzen mit Hilfe von netzbezogenen und marktbezogenen Maßnah114
Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 31, 33. Weiterhin zu unterscheiden: Market Coupling, Market Splitting, Nodal Pricing. 116 Vgl.: Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 40 f.); Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 33 f. 117 Hier ist allerdings denkbar, dass die EU zukünftig Forderungen zur Strommarktteilung aufstellt. Zur Erhaltung der Einheitlichkeit der innerdeutschen Strompreiszone hat der Verordnungsgeber mit Kabinettsbeschluss vom 22. 11. 2017 „vorsorglich“ § 3a StromNZV n.F. eingeführt. Die ÜNB dürfen danach „nicht einseitig eine Kapazitätsvergabe einführen, die zu einer Aufteilung der einheitlichen deutschen Stromgebotszone führen würde.“ 118 Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 38). 119 Vgl. Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 22 ff., 33 f. 120 Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 39). 121 Näher hierzu in Teil 2 A.IV.; vgl. zudem König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 391 ff. Eine weitere Vorrangregelung enthält § 7 KraftNAV. 115
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men zu verhindern, die auch die Zusammenarbeit der Betreiber von Übertragungsnetzen einschließen kann.“ Ähnlich wie in § 13 Abs. 1 EnWG wird also auf netz- und marktbezogene Maßnahmen abgestellt, die zur Verhinderung von Engpässen durch die ÜNB eingesetzt werden sollen. Die Regelung zur Systemverantwortung in § 13 Abs. 1 EnWG ist jedoch inhaltlich weiter, indem Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems im Allgemeinen beseitigt werden sollen. Wie § 13 Abs. 4 EnWG zeigt, kann die Sicherheit und Zuverlässigkeit beispielsweise durch (kurzfristige) Engpässe gefährdet sein, so dass man § 15 Abs. 1 StromNZV auf den ersten Blick als Spezialregelung zur Systemverantwortung in Engpasssituationen ansehen könnte. Aus den weiteren Absätzen von § 15 StromNZV wird jedoch deutlich, dass diese Vorschrift über die Vorgaben der Systemverantwortung hinausgeht. So heißt es in Absatz 2, dass die verfügbaren Leitungskapazitäten nach marktorientierten und transparenten Verfahren diskriminierungsfrei zu bewirtschaften sind, wenn sich ein Engpass nicht mit netz- oder marktbezogenen Maßnahmen nach Absatz 1 vermeiden lässt. Hier geht es also nicht um Fragen der Netzstabilität, sondern um die ökonomische Seite von Netzengpässen. Erlöse aus der Engpassbewirtschaftung sind zur Beseitigung von Engpässen zu verwenden, zurückzustellen oder entgeltmindernd in den Netzentgelten anzusetzen (Abs. 3 S. 1). Absatz 4 enthält die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung von Engpässen im Internet. § 15 StromNZV stellt demnach keine Spezialregelung zur Systemverantwortung bei Netzengpässen dar, sondern verfolgt eine andere Zwecksetzung: Während es im Rahmen von § 13 EnWG um kurzfristig-sporadisch auftretende, technische Engpässe geht, die die Netzstabilität beeinträchtigen, zielt § 15 StromNZV auf langfristig-strukturelle, ökonomische Engpässe122 ab, die marktorientiert, transparent und diskriminierungsfrei zu „bewirtschaften“ sind.123 Für den grenzüberschreitenden Stromhandel enthält Art. 16 der Stromhandelszugangs-Verordnung124 eine Regelung, die ebenfalls auf strukturelle Engpässe abzielt.125 Dort heißt es nämlich in Absatz 1, dass Netzengpässen „mit nichtdiskriminierenden marktorientierten Lösungen begegnet [wird], von denen wirksame wirtschaftliche Signale an die 122
Zu diesen Unterscheidungsmerkmalen vgl. Teil 2 A.III.1.a). König sieht ökonomische Engpässe auch in § 13 Abs. 1 EnWG verwirklicht (König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 41). 123 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 186, 225 ff.; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 377 ff.; König, Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff. (S. 454 ff.); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 166; so offensichtlich auch Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 37) und Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, BadenBaden 2015, § 13 Rn. 27. 124 VO (EG) 714/2009, ABl. EU 2009, L 211/15 ff. 125 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 90.
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Marktteilnehmer und die beteiligten Übertragungsnetzbetreiber ausgehen.“ An dieser Regelung – bzw. an der Vorgängerregelung in der VO (EG) 1228/2003 – scheint sich die Bundesregierung bei der Einführung von § 15 StromNZV orientiert zu haben.126 Hierfür spricht jedenfalls, dass in § 15 Abs. 1 StromNZV auch auf die Kuppelstellen zu benachbarten Netzen eingegangen wird und damit genau die Netzbestandteile explizit adressiert werden, die sich typischerweise durch strukturelle Engpässe auszeichnen.127 Während sich die Unterteilung „kurzfristige Engpässe nach § 13 EnWG“ und „strukturelle Engpässe nach § 15 Abs. 2 – 5 StromNZV“ schlüssig aus dem Wortlaut der Normen ableiten lässt, bleibt allerdings die Frage, auf welcher Seite § 15 Abs. 1 StromNZV einzuordnen ist, der die Verhinderung von Engpässen mit netz- oder marktbezogenen Maßnahmen verlangt, bevor – im Falle der Unvermeidbarkeit – nach Absatz 2 eine Bewirtschaftung erforderlich wird.128 Hier drängt sich die Frage auf, ob sich das kurzfristige Engpassmanagement nach § 13 Abs. 1 EnWG oder aber nach § 15 Abs. 1 StromNZV richtet? Ein wichtiges Indiz ist in diesem Zusammenhang, dass in § 15 Abs. 1 StromNZV eine zusätzliche Voraussetzung hinzutritt, nämlich, dass die Engpassverhinderung mit netz- oder marktbezogenen Maßnahmen „im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren“ durchzuführen ist. Diese fiskalische Betrachtung passt schwerlich zur Bedeutung der Systemverantwortung als Gefahrenabwehr-Verantwortung und nimmt eher Bezug auf die Regelungen zum Netzausbau (vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG: das Netz ist auszubauen, „soweit es wirtschaftlich zumutbar ist“). Ein Eingreifen des ÜNB in die Elektrizitätsversorgung ist in Gefährdungssituationen aber unerlässlich – im schlimmsten Falle drohen schließlich weiträumige Stromausfälle und in der Folge massive Haftungsverpflichtungen für den ÜNB. Zudem stellt die Regelung in der StromNZV eine untergesetzliche Norm dar, so dass vorrangig auf § 13 Abs. 1 EnWG zurückzugreifen ist.129 Im Ergebnis spricht mehr dafür, das kurzfristige, technische Engpassmanagement an der Regelung im EnWG zu messen.130 § 15 Abs. 1 StromNZV ist insoweit keine weitergehende Bedeutung zuzumessen. 126
So jedenfalls: Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 58; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 377 ff. (S. 378). 127 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 228; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 377 ff. (S. 378). 128 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 377 ff. (S. 378 ff.), kommt hier aufgrund der systematischen und sprachlichen Nähe zu § 13 Abs. 1 EnWG zu dem Ergebnis, dass § 15 Abs. 1 StromNZV (doch) kurzfristige Netzengpässe behandelt. 129 Vgl. in anderem Kontext Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 58. 130 A.A. offensichtlich Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff. (S. 84), sowie Mätzig, Das Recht der Elektrizitätsversorgungsnetze:
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3. Das Verhältnis von Engpassmanagement und Netzausbau Wie bereits angedeutet, ist das Verhältnis von Engpassmanagement und Netzausbau zu klären. Unabhängig davon, ob der Netzausbau als Teil des Engpassmanagements anzusehen ist oder nicht, könnte man sich schließlich die Frage stellen, ob es einen Vorrang des Ausbaus der Netze gibt und nur subsidiär ein Engpassmanagement durchgeführt werden darf. Dies vertreten etwa Pritzsche/Stephan/Pooschke131: Eine Bewirtschaftung von Engpässen sei nur dann zulässig, wenn der Netzausbau noch nicht abgeschlossen oder ein weiterer Ausbau nicht erforderlich sei. An Ausbaubedarf mangele es jedoch nur dann, wenn es lediglich um punktuell auftretende Fälle gehe. Diese Ansicht zielt auf die allgemeine Regelung zum Netzausbau in § 11 Abs. 1 EnWG (i.V.m. § 12 Abs. 3 EnWG), wonach die Betreiber von Energieversorgungsnetzen u. a. dazu verpflichtet sind, das von ihnen betriebene Netz bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit dies wirtschaftlich zumutbar ist. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit wird auch in § 15 Abs. 1 StromNZV angeführt. Man könnte demnach aus dieser Norm herauslesen, dass im Rahmen einer Stufenfolge eine Bewirtschaftung von Engpässen (§ 15 Abs. 2 StromNZV) nur in Betracht kommt, wenn eine Beseitigung ausscheidet.132 Auf den Punkt gebracht könnte das heißen: „Verhinderung und Beseitigung vor Bewirtschaftung von Kapazitätsengpässen.“133 Hierfür spricht auch § 15 Abs. 3 S. 1 StromNZV: Danach sind Erlöse aus der Durchführung der Engpassbewirtschaftung beispielsweise für Maßnahmen zur Engpassbeseitigung einzusetzen. Selbst ein etabliertes, funktionierendes Bewirtschaftungssystem ist also nicht unbedingt als Dauerlösung anzusehen. Es wird allerdings deutlich, dass ein möglicher Vorrang des Netzausbaus nur in Bezug auf langfristig-strukturelle Netzengpässe in Frage kommt.134 Zur Beseitigung Netzbetreiberpflichten zwischen unternehmerischer Eigenverantwortung und staatlicher Steuerung, Essen 2012, S. 293 f. 131 Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 37 f.); vgl. auch Pritzsche, Engpässe im Stromnetz – rechtliche Lösungsansätze?, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts, Baden-Baden 2009, S. 73 ff. (S. 84). 132 Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff. (S. 84); Sösemann, Umweltverträgliche Energienetze, Baden-Baden 2008, S. 35; Pritzsche, Engpässe im Stromnetz – rechtliche Lösungsansätze?, in: Ehricke (Hrsg.), Die neuen Herausforderungen im Lichte des Energierechts, Baden-Baden 2009, S. 73 ff. (S. 84). 133 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 92. 134 Unklar jedoch bei Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff. (S. 84), sowie bei Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 92.
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kurzfristig-sporadisch auftretender Engpässe im Rahmen der Systemverantwortung, die den Gegenstand dieser Abhandlung bilden, ergibt eine Vorrangstellung des Netzausbaus keinen Sinn, da in solchen Fällen die Gefahrenabwehr im Vordergrund steht.135 Würde man den ÜNB etwa den regelnden Zugriff auf Erzeugungsanlagen im Rahmen des gesetzlichen Redispatchings nach § 13a EnWG oder gar als Notmaßnahme nach § 13 Abs. 2 EnWG aufgrund unterbliebenen Netzausbaus verwehren, könnte dies im äußersten Fall dazu führen, dass das Stromsystem „sehenden Auges“ zusammenbricht, da entsprechende Gefahrenverhinderungsmaßnahmen nicht ergriffen werden dürfen. § 13 EnWG soll aber gerade gewährleisten, dass es dazu nicht kommt. Ein schuldhaft unterbliebener Netzausbau ist allenfalls auf der Vergütungsseite von Relevanz. Beispielweise kann der Netzbetreiber Entschädigungskosten für die Abregelung von EE-, Grubengas- oder KWK-Anlagen aufgrund eines Netzengpasses nach § 15 Abs. 2 S. 2 EEG 2017 nur dann über die Netzentgelte auf die Netznutzer abwälzen, wenn er „alle Möglichkeiten zur Optimierung, zur Verstärkung oder zum Ausbau des Netzes ausgeschöpft hat.“ Zudem ergeben sich aus § 13 EEG 2017 ggf. Schadenersatzpflichten. Kurzfristig-sporadische Engpässe können in jedem Ausbauzustand des Netzes auftreten.136 Dies ergibt sich erst Recht seit der Einführung der Spitzenkappung (§ 11 Abs. 2 EnWG n.F.) durch das Strommarktgesetz. Danach können Netzbetreiber ihrer Netzplanung künftig die Annahme zugrunde legen, „dass die prognostizierte jährliche Stromerzeugung je unmittelbar an ihr Netz angeschlossener Anlage zur Erzeugung von elektrischer Energie aus Windenergie an Land oder solarer Strahlungsenergie um bis zu 3 Prozent reduziert werden darf (Spitzenkappung).“ Die Netze müssen also nicht mehr so ausgebaut werden, dass auch die „letzte Kilowattstunde“ im Sinne einer seltenen Erzeugungsspitze noch in das Netz aufgenommen werden kann.137 4. Netzengpässe als Netzanschlussbzw. Netzzugangsverweigerungsgrund Der Ausgangspunkt für das spätere Auftreten von Engpässen ist grundsätzlich der Anschluss zusätzlicher Netznutzer an das bestehende Stromnetz. Der erstmalige Anschluss von Letztverbrauchern, Erzeugungsanlagen, Speichern o. ä. potenziellen Netznutzern an die Energieversorgungsnetze darf nicht unter Verweis auf Engpässe im Netz verweigert werden (siehe hierzu insbesondere die Grundregelung in § 17 EnWG138). Netzanschluss meint dabei die physische Verknüpfung mit dem Netz;
135 A.A. aber Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 32. 136 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 89 ff. 137 BT-Drs. 18/7317, S. 79. 138 Auf die Sonderregelung in § 8 EEG 2017 wird hingewiesen.
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diese ermöglicht in rechtlicher Hinsicht für sich noch nicht die Einspeisung oder Entnahme von Strom, ist aber zwingende technische Voraussetzung.139 Zwar erlaubt § 17 Abs. 2 S. 1 EnWG die Anschlussverweigerung bei Nachweis von betriebsbedingten oder sonstigen wirtschaftlichen oder technischen Gründen, die einen Anschluss unmöglich oder unzumutbar machen. Darüber hinaus heißt es in Satz 3: „Auf Verlangen der beantragenden Partei muss die Begründung im Falle eines Kapazitätsmangels auch aussagekräftige Informationen darüber enthalten, welche konkreten Maßnahmen und damit verbundene Kosten zum Ausbau des Netzes im Einzelnen erforderlich wären, um den Netzanschluss durchzuführen.“ Mit „Ausbau des Netzes“ ist hier jedoch nicht der Ausbau der Verteilungsleitungen, sondern der Ausbau der Anschlussanlagen gemeint, die mit dem Ausbau Teil des Netzes werden.140 Entsprechend ist mit „Kapazität“ dann auch nicht die Kapazität des gesamten Netzes gemeint, sondern die Anschlusskapazität.141 Engpässe können nur durch den Stromfluss entstehen, nicht bereits durch den Anschluss von Anlagen.142 So heißt es in der Sonderregelung zum Netzanschluss für Erzeugungsanlagen mit einer Nennleistung von mehr als 100 Megawatt nach der Kraftwerks-Netzanschlussverordnung KraftNAV143 nun ausdrücklich: „Ein Netzanschluss kann nicht mit dem Hinweis darauf verweigert werden, dass in einem mit dem Anschlusspunkt direkt oder indirekt verbundenen Netz Kapazitätsengpässe auftreten oder auftreten werden“ (§ 6 Abs. 2 KraftNAV).144 Zudem existieren in § 8 EEG 2017 bzw. § 3 S. 1 Nr. 1 KWKG weitere Spezialregelungen, die eine Anschlussverweigerung wegen 139 De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? – Zur Netzeinbindung von Großkraftwerken (Teil 1), IR 2006, S. 199 ff. (S. 200); de Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 120. 140 De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? – Zur Netzeinbindung von Großkraftwerken (Teil 1), IR 2006, S. 199 ff. (S. 200 f.). 141 De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? – Zur Netzeinbindung von Großkraftwerken (Teil 1), IR 2006, S. 199 ff. (S. 200 f.); von Hammerstein, Netzanschluss und Netzzugang für Kohle- und Gaskraftwerke, ZNER 2006, S. 110 ff. (S. 110); Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 56. 142 De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? – Zur Netzeinbindung von Großkraftwerken (Teil 1), IR 2006, S. 199 ff. (S. 200); Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff. (S. 84); Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 55 f.; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 96; a.A. Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 17 Rn. 37; offensichtlich auch a.A.: Säcker/Boesche, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 17 EnWG Rn. 57 ff.; Theobald/Zenke/Dessau, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 15 Rn. 50. 143 Bezogen auf Versorgungsnetze mit einer Spannung von mindestens 110 Kilovolt, § 1 Abs. 1 KraftNAV. 144 Vgl. hierzu Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 17 Rn. 25: klarstellende Funktion von § 6 Abs. 2 KraftNAV.
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Engpässen im Netz ausschließen. Und auch in allen von den Sonderregelungen nicht erfassten Fällen gilt: Erst die Einspeisung von Strom und eine daraus resultierende Leitungsüberlastung kann die Netzstabilität beeinträchtigen.145 Folglich bewegt man sich beim Umgang mit Netzengpässen nicht im Recht des Netzanschlusses, sondern vielmehr im Recht des Netzzugangs.146 Der Netzzugang ist inhaltlich auf die Nutzung der Netzkapazitäten für die Durchleitung von Energie gerichtet.147 Hierfür bietet § 20 EnWG den Anknüpfungspunkt, wonach jedermann nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren ist (§ 20 Abs. 1 S. 1 EnWG). Eine Einschränkung erfährt der Netzzugangsanspruch durch § 20 Abs. 2 EnWG, der die Verweigerung des Zugangs im Falle der Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen erlaubt. Der Wortlaut ähnelt größtenteils der Regelung in § 17 Abs. 2 S. 1 EnWG. Die Begründungspflicht bei Kapazitätsmängeln in Satz 3 ist sogar wortgleich zu § 17 Abs. 2 S. 3 EnWG. Hier geht es nun aber um die Netzkapazität und nicht um die Anschlusskapazität. Eine inhaltlich gleiche Beurteilung von Netzanschluss- und Netzzugangsverweigerung ist nicht zwingend, da im EnWG gerade zwischen Anschluss und Zugang zum Netz differenziert wird (u. a. durch die Regelung in unterschiedlichen Abschnitten).148 Netzengpässe können zur Zugangsverweigerung nach § 20 Abs. 2 EnWG führen.149 Der weitere Umgang mit Netzengpässen erfolgt dann anhand der Regelungen zur Systemverantwortung in § 13 EnWG bzw. – soweit es um strukturelle Engpässe geht – § 15 StromNZV.150 Diese Vorschriften enthalten nähere bzw. speziellere Vorgaben zur Art und Weise, wie mit Netzengpässen zu verfahren ist.151 Im Falle von Netzengpässen erfolgt also keine auf § 20 Abs. 2 EnWG gestützte Zugangsverweigerung 145 Holznagel/Schumacher, Netzanschluss, Netzzugang und Grundversorgung im EnWG 2005, ZNER 2006, S. 218 ff. (S. 222); Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 55; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 182. 146 De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? – Zur Netzeinbindung von Großkraftwerken (Teil 1), IR 2006, S. 199 ff. (S. 200 f.); Holznagel/Schumacher, Netzanschluss, Netzzugang und Grundversorgung im EnWG 2005, ZNER 2006, S. 218 ff. (S. 222); von Hammerstein, Netzanschluss und Netzzugang für Kohle- und Gaskraftwerke, ZNER 2006, S. 110 ff. (S. 110); de Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 170. 147 De Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 228. 148 Holznagel/Schumacher, Netzanschluss, Netzzugang und Grundversorgung im EnWG 2005, ZNER 2006, S. 218 ff. (S. 222); Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 55. 149 Zur näheren Einordnung vgl. Säcker/Boesche, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 20 EnWG Rn. 23 ff., m.w.N. 150 De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? – Zur Netzeinbindung von Großkraftwerken (Teil 1), IR 2006, S. 199 ff. (S. 202). 151 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 387.
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gegenüber einem bestimmten Netznutzer, sondern es wird ein Engpassmanagement i.S.v. § 13 EnWG durchgeführt.152 Auf die Sonderregelungen bei EE-, Grubengasund hocheffiziente KWK-Anlagen wird im Folgenden einzugehen sein.
IV. § 13 EnWG im Verhältnis zum Einspeisevorrang für Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas sowie aus hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung genießen im deutschen Energierecht eine privilegierte Stellung. Die Netzbetreiber sind verpflichtet, den gesamten angebotenen Strom aus solchen Anlagen unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen (§ 11 Abs. 1 S. 1 EEG 2017, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KWKG). Die Abnahmeverpflichtungen sind grundsätzlich gleichrangig153 (§ 11 Abs. 1 S. 3 EEG 2017, § 3 Abs. 2 S. 1 KWKG).154 Es besteht jedoch ein Zielkonflikt mit den Regelungen zum Engpassmanagement bzw. zur Systemstabilität im Ganzen. Die energiewirtschaftliche Grundentscheidung des Gesetzgebers, erneuerbare Energien, Grubengas und hocheffiziente KWK umfassend zu privilegieren, kann zu Problemen führen, wenn die Gefahrenabwehr i.S.v. § 13 EnWG im Vordergrund steht. Aus diesem Grund sind in § 13 Abs. 3 EnWG (§ 13 Abs. 2a EnWG a.F.) sowie in § 14 EEG 2017 Sonderregelungen enthalten, die dazu dienen, das Verhältnis von Gefahrenabwehr und Einspeisevorrang so ausbalancieren, dass sowohl dem Vorrangprinzip als auch der Gefahrenabwehr so weit wie möglich entsprochen werden kann. 1. Das Vorrangprinzip155 für Strom aus EE156, Grubengas und hocheffizienter KWK In § 11 Abs. 1 S. 1 EEG 2017 heißt es, dass Netzbetreiber – vorbehaltlich des Einspeisemanagements nach § 14 EEG 2017 – verpflichtet sind, den gesamten an152
König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 388. 153 Dies gilt grundsätzlich nicht, soweit für KWK-Strom eine Förderung nach § 8a bzw. § 8b KWKG in Anspruch genommen wird (§ 3 Abs. 2 S. 2, 3 KWKG). Neu einfügt mit dem KWKGEEG-ÄndG, das zum 1. Januar 2017 in Kraft trat, BGBl. 2016 I S. 3106 ff. 154 KWK-Strom, der nach dem EEG gefördert wird (Biomasse), fällt nicht unter den Anwendungsbereich des KWKG, vgl. § 1 Abs. 3 KWKG. Es gilt dann das Vorrangprinzip des EEG. 155 Ein weiteres – allerdings zeitlich befristetes – Vorrangprinzip enthält § 7 KraftNAV für Kraftwerke mit einer Nennleistung von mindestens 100 Megawatt an Versorgungsnetzen mit einer Spannung von mindestens 110 Kilovolt (vgl. § 1 KraftNAV), wenn vor dem 31. Dezember 2007 ein Antrag auf Netzanschluss gestellt wurde und die Anlage zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. Dezember 2012 tatsächlich an das Netz angeschlossen wurde. Aufgrund der Bezugnahme auf § 15 Abs. 2 StromNZV (§ 7 Abs. 3 S. 2 KraftNAV) wird jedoch deutlich, dass
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gebotenen Strom aus erneuerbaren Energien und Grubengas unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen.157 Das Vorrangprinzip soll den bestehenden Wettbewerbsnachteil für erneuerbare Energien kompensieren, indem Strom aus Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien rechtlich privilegiert wird.158 Eine nahezu gleichlautende Vorschrift enthält das KWKG: Netzbetreiber sind nach § 3 Abs. S. 1 Nr. 2 KWKG verpflichtet, den Strom aus hocheffizienten KWK-Anlagen unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen. Unter den Begriff der erneuerbaren Energien fallen Wasserkraft einschließlich der Wellen-, Gezeiten-, Salzgradienten- und Strömungsenergie, Windenergie, solare Strahlungsenergie, Geothermie sowie Energie aus Biomasse einschließlich Biogas, Biomethan, Deponiegas, Klärgas sowie Energie aus dem biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen aus Haushalt und Industrie (§ 3 Nr. 21 EEG 2017). Bei Grubengas, das beim untertätigen Bergbau entsteht, handelt es sich nicht um eine erneuerbare, sondern eine konventionelle Energie, so dass die Einbeziehung in das EEG und – im Besonderen – in das Vorrangprinzip zunächst überraschend erscheinen mag.159 Der Grund für die Berücksichtigung und Privilegierung von Grubengas im EEG liegt darin, dass die energetische Verwertung von Grubengas die Kohlendioxidund Methanbilanz gegenüber der unverwerteten Abgabe an die Atmosphäre verbessert.160 Kraft-Wärme-Kopplung meint die gleichzeitige Umwandlung von eingesetzter Energie in elektrische Energie und in Nutzwärme in einer ortsfesten technischen Anlage (§ 2 Nr. 13 KWKG). KWK-Anlagen sind also Anlagen, in denen Strom und Nutzwärme erzeugt werden (§ 2 Nr. 14 KWKG, § 3 Nr. 32 EEG 2017). KWK-Strom kann auf Basis von Steinkohle, Braunkohle, Abfall, Abwärme, Biomasse sowie gasförmiger und flüssiger Brennstoffe erzeugt werden (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 KWKG). Soweit KWK aus Biomasse nach § 19 EEG 2017 finanziell gefördert wird, dieses nur zur Anwendung kommt, soweit es um langfristige Netzengpässe geht (ebenso: König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 383). In jedem Fall bleiben die Vorschriften des EEG und des KWKG unberührt (§ 1 Abs. 2 S. 2 KraftNAV). 156 Hier könnten sich durch das EU-Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ (KOM(2016) 860 final), dessen erste Entwürfe am 20. November 2016 vorgestellt wurden, Änderungen ergeben. Zwar ist nicht mit einer vollständigen Abschaffung des Einspeisevorrangs zu rechnen, dennoch könnten Anpassungen vorgenommen werden, die das derzeitige System aus Einspeisevorrang und Einspeisemanagement geänderten Bedingungen unterwerfen und etwa die konkrete Abschaltrangfolge betreffen. 157 Soweit der Strom in einer Veräußerungsform des § 21b Abs. 1 EEG 2017 veräußert wird (Marktprämie, Einspeisevergütung oder sonstige Direktvermarktung). 158 Vgl. etwa Altrock/Herrmann, Ausbau der Windenergie und Laufzeitverlängerung – energiewirtschaftliche und rechtliche Herausforderungen für das zukünftige Marktdesign, ZNER 2010, S. 350 ff. (S. 351). 159 Vgl. Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 68. 160 Vgl. BT-Drs. 16/8148, S. 39.
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gelten insoweit allerdings die Vorrangregeln des EEG (§ 1 Abs. 3 KWKG). Von § 3 Abs. 1 KWKG erfasst sind nur hocheffiziente KWK-Anlagen. Was darunter zu verstehen ist, ergibt sich aus § 2 Nr. 8 KWKG in Verbindung mit der EU-Richtlinie RL 2012/27/EU161. Anhang II dieser Richtlinie enthält bestimmte Kriterien, die KWK-Anlagen erfüllen müssen, um als hocheffizient eingeordnet zu werden; insbesondere geht es dabei um Primärenergieeinsparungen im Vergleich zu Referenzwerten für die getrennte Erzeugung von Strom und Wärme. Privilegiert ist auch nur echter KWK-Strom – als das „rechnerische Produkt aus Nutzwärme und Stromkennzahl der KWK-Anlage“ (§ 2 Nr. 16 KWKG). Es geht also nicht um „Strom aus einer KWK-Anlage“, sondern um „KWK-Strom aus einer KWK-Anlage“. Nur der tatsächlich in einem Kopplungsprozess erzeugte Strom ist auch bevorrechtigt.162 Die Vorrangrechte für EE und Grubengas einerseits und hocheffiziente KWK andererseits sind grundsätzlich gleichrangig163 (§ 11 Abs. 1 S. 3 EEG 2017, § 3 Abs. 2 S. 1 KWKG). Dies gilt aber nicht, soweit für KWK-Strom eine Förderung nach § 8a bzw. § 8b KWKG in Anspruch genommen wird (§ 3 Abs. 2 S. 2, 3 KWKG). Diese Regelung wurde mit dem KWKG-EEG-Änderungsgesetz mit Wirkung zum 1. Januar 2017 eingefügt, mit dem auch im KWKG die Durchführung von Ausschreibungen zur Ermittlung der Förderungshöhe eingeführt wurde.164 Zwar bleibt es auch dann bei der Privilegierung der hocheffizienten KWK gegenüber konventionellen Stromerzeugern. Im Verhältnis zu EE-Anlagen (auch zu BiomasseKWK, soweit nach EEG gefördert) dürfen KWK-Anlagen aber vorrangig abgeregelt werden. Oder anders gesagt, das Recht auf vorrangige Abnahme der EE hat wiederum Vorrang vor dem Recht der hocheffizienten KWK. Diese Tendenz lässt sich auch an der mit der EEG-Novelle 2017165 neu eingefügten Regelung des § 13 Abs. 6a EnWG erkennen. Mit dieser Vorschrift soll die engpassbedingte Abregelung von EEAnlagen verhindert werden, wobei hierzu u. a. die vertraglich vereinbarte Abregelbarkeit von KWK-Anlagen genutzt werden soll.166 Der entscheidende Begriff für den Einspeisevorrang ist der der vorrangigen „Abnahme“ von Strom – eine vorrangige „Übertragung“ und „Verteilung“ dürfte aus physikalischen Gründen keinen Sinn ergeben, da die Netzbetreiber auf den Strom-
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ABl. EU 2012, L 315/1 ff. Vgl. Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 50. 163 Dies gilt grundsätzlich nicht, soweit für KWK-Strom eine Förderung nach § 8a bzw. § 8b KWKG in Anspruch genommen wird (§ 3 Abs. 2 S. 2, 3 KWKG). Neu einfügt mit dem KWKGEEG-ÄndG, das zum 1. Januar 2017 in Kraft trat, BGBl. 2016 I S. 3106 ff. 164 Für Anlagen mit einer elektrischen Leistung von mehr als 1 bis einschließlich 50 MW (§ 5 KWKG); BGBl. 2016 I S. 3106 ff. 165 BGBl. 2016 I S. 2258 ff. 166 BT-Drs. 18/8860, S. 333. 162
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fluss in den Netzen keinen steuernden Einfluss haben.167 Der Terminus Abnahme beinhaltet zwei Elemente: Zum einen ist damit die vorrangige physikalische Entgegennahme des Stromes zum Transport gemeint, zum anderen aber auch die handelsmäßige Übernahme (Ankauf).168 Im ersten Fall geht es also um den umfassenden Anspruch auf vorrangigen Netzzugang (vgl. § 20 EnWG), im zweiten Fall um die gesicherte Vergütung bzw. Förderung des Stroms aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK.169 Letzteres gilt jedoch nur dann, wenn auch die Voraussetzungen des jeweiligen Förderungsanspruchs (§§ 19 ff. EEG 2017, §§ 5 ff. KWKG) vorliegen. Der vorrangige Netzzugang wird durch das Nichtbestehen von gesetzlichen Förderungsansprüchen allerdings nicht in Frage gestellt.170 Dies wurde mittlerweile sowohl im EEG als auch im KWKG explizit verankert. So heißt es in § 11 Abs. 1 S. 1 EEG 2017, dass solcher Strom vorrangig abzunehmen ist, der in einer Veräußerungsform nach § 21b Abs. 1 EEG 2017 veräußert wird. Dies umfasst auch die sog. sonstige Direktvermarktung nach § 21a EEG 2017, bei der keine finanzielle Förderung in Anspruch genommen wird. Zudem wird die kaufmännische Abnahme in § 11 Abs. 1 S. 2 EEG 2017 gesondert adressiert, soweit es um die Inanspruchnahme einer Einspeisevergütung nach § 21 EEG 2017 geht. In § 3 Abs. 1 S. 1 KWKG wird darauf verwiesen, dass die Vorrangrechte „unabhängig von der Zahlung von Zuschlägen nach den §§ 6 – 13“ gelten. Die Komponente der kaufmännischen Abnahme von privilegiertem Strom spielt im Folgenden keine Rolle. Wichtig ist jedoch, dass für EE, Grubengas und hocheffiziente KWK ein vorrangiger Netzzugang besteht. Sofern sämtliche Anlagen, die Strom einspeisen können und wollen, der Zugang zum Netz ermöglicht werden kann, kommt es hierauf nicht an.171 Wenn es im Elektrizitätsnetz jedoch zu einem Engpass
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So (überzeugend): König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 392 (Fn. 1697); vgl. auch Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 8 Rn. 11. 168 Vgl.: BT-Drs. 11/7816, S. 4 f.; Altrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 8 Rn. 13; Schäfermeier, in: Reshöft/ Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 8 Rn. 10; so nun auch Cosack, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 11 Rn. 21 ff.; für das KWKG: Jacobshagen/Kachel, in: Danner/ Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 4 KWKG Rn. 33 (Stand: Mai 2010); anders noch Büdenbender, Rechtsfragen des elektrizitätswirtschaftlichen Netzzugangs, RdE 2003, S. 193 ff. (S. 200) und König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 392 f., 400 f.: der Netzzugangsanspruch ist ein Minus zu der im Abnahmebegriff im Kern enthaltenen Ankaufsverpflichtung. 169 Altrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 8 Rn. 14. 170 So im Ergebnis auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 401 f. 171 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 403.
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kommt, ist der vorrangige Zugang der genannten Anlagen zu beachten.172 Dies bedeutet, „dass die Abnahme und Vergütung nicht unter Berufung auf eine anderweitige Auslastung des Netzes durch konventionell erzeugten Strom verweigert werden kann.“173 §§ 11 EEG 2017 und 3 KWKG stellen damit im Ergebnis besondere Regeln oder Methoden des Engpassmanagements dar.174 Sie stehen jedoch auch unter dem Vorbehalt der Anwendung des sog. Einspeisemanagements, auf das im Folgenden noch näher einzugehen sein wird. In § 11 Abs. 1 S. 1 EEG 2017 wird dies auch unmittelbar klargestellt, da es dort heißt, dass die Abnahme-Verpflichtungen nur „vorbehaltlich des § 14“, also der EinsMan-Regelung gelten. 2. Berücksichtigung des Vorrangprinzips im EnWG175 Das Verhältnis der Regelungen im EnWG zu EEG und KWKG wird in § 2 Abs. 2 EnWG176 beschrieben. Dort heißt es, dass die Verpflichtungen nach dem EEG und dem KWKG unberührt bleiben. Das bedeutet, dass insbesondere die Regeln zum Einspeisevorrang in den Spezialgesetzen – also nach § 11 EEG 2017 und § 3 KWKG – auch im EnWG zu berücksichtigen sind. Da es sich bei EEG und KWKG um speziellere Gesetze handelt, versteht sich das von selbst; § 2 Abs. 2 EnWG ist also insoweit rein deklaratorisch.177 Allerdings heißt es dort auch, dass dies nur „vorbehaltlich des § 13 [EnWG], auch in Verbindung mit § 14“ gelte. Damit wird den Regeln zur Systemverantwortung eine grundsätzliche Ausnahmestellung zugebilligt. Sie genießen gegenüber den Vorgaben aus EEG und KWKG Vorrang. Speziell bezogen auf die privilegierte und vorrangige Abnahme von Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK enthalten die Regeln zur Systemverantwortung jedoch eine Art Rückausnahme. So heißt es in § 13 Abs. 3 S. 1 EnWG (früher: § 13 Abs. 2a EnWG a.F.), dass bei Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 und 2 EnWG „die Verpflichtungen nach § 11 Absatz 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 172
BT-Drs. 16/8148, S. 43; Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 233). 173 So in BT-Drs. 14/2776, S. 22; Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 21. 174 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 403. 175 Hierauf wird im Rahmen von Teil 2 B.IV. noch ausführlich einzugehen sein. 176 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 64 f. (Fn. 204): Die Norm ist eigentlich überflüssig und sollte gestrichen werden. 177 Büdenbender, Umweltschutz in der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, DVBl. 2005, S. 1161 ff. (S. 1166); Hellermann, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 2 Rn. 11; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 2 EnWG Rn. 5; Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 2 EnWG Rn. 12 (Stand: September 2013).
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und § 3 Abs. 1 und 2 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes einzuhalten“ sind.178 Hieraus folgt, dass auch im Rahmen der Wahrnehmung der Systemverantwortung durch die ÜNB konventionelle Anlagen vorrangig bzw. EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen nachrangig abgeregelt werden müssen.179 Der in § 13 Abs. 3 EnWG explizit abgesicherte Einspeisevorrang unterliegt jedoch auch Beschränkungen. So regelt § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG, dass die Verpflichtungen nach diesem Absatz ausnahmsweise nicht gelten, soweit deren Einhaltung die Beseitigung einer Gefährdung oder Störung verhindern würde. Im Ergebnis gilt also, dass der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems vor dem Regelungsregime zur Transformation des Energiesystems dann doch eine Art „Letztvorrang“ eingeräumt wird.180 Der Gesetzgeber bringt das in der Gesetzesbegründung181 folgendermaßen zum Ausdruck: „In konkreten Krisensituationen hat die Abwehr eines Netzzusammenbruchs nach Maßgabe der Bestimmungen des § 13 Abs. 2 Vorrang.“ Auch nach der Erneuerbare-Energien-Richtlinie182 (Art. 16 Abs. 2) steht ein vorrangiger Netzzugang für EE unter dem Vorbehalt der „zur Wahrung der Zuverlässigkeit und Sicherheit des Netzes zu erfüllenden Anforderungen.“183 Der energiewirtschaftliche Gesetzeszweck einer umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas tritt dann zurück hinter den Zweck einer möglichst sicheren Versorgung der Allgemeinheit (vgl. dazu § 1 Abs. 1 EnWG). Zwar muss der Einspeisevorrang an sich gewährleistet werden. Soweit jedoch zur Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektri178 Daneben sind die Auswirkungen auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems zu berücksichtigen. 179 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 112. 180 Vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 48; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 222; Güneysu, Smart Grids und die Anforderungen des Einspeisemanagements, RdE 2012, S. 47 ff. (S. 51); Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 2 EnWG Rn. 13 (Stand: September 2013); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 66; Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 48; die Gegenmeinung in der Literatur vertritt ein Nebeneinander der Vorschriften in §§ 13 ff. EnWG und denjenigen in EEG und KWKG, stammt aber größtenteils aus der Zeit vor Einfügung von § 13 Abs. 2a EnWG a.F.: Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 528 f.); Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 320); Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 228); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 101. 181 BT-Drs. 15/3917, S. 48. 182 RL 2009/28/EG, ABl. EU 2009, L 140/16 ff. 183 Vgl. auch Güneysu, Smart Grids und die Anforderungen des Einspeisemanagements, RdE 2012, S. 47 ff. (S. 52).
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zitätsversorgungssystems etwa „die Mindesteinspeisung aus bestimmten Anlagen“ erforderlich ist, darf hiervon abgewichen werden (§ 13 Abs. 3 S. 5 EnWG).184 Man spricht in diesem Zusammenhang von dem netztechnisch erforderlichen Minimum bzw. von „must-run-units“. Wenn es speziell um Engpasssituationen geht, also Überlastungen der Netzkapazität185, die zumindest auch durch die Einspeisung aus EE-186, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen drohen, verweist § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG – zur Klarstellung187 – auf die Spezialregelung zum Einspeisemanagement in § 14 EEG 2017 (vgl. auch § 3 Abs. 1 S. 3 KWKG).188 Hierauf wird sogleich noch genauer eingegangen (Teil 2 A.IV.3.). Die speziellen Anforderungen dieser Norm sind einzuhalten. Liegen dann allerdings nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen von § 14 EEG 2017 vor, verbleibt es bei der Grundregelung des § 13 Abs. 2 und 3 EnWG, die weiterhin anwendbar ist.189 Das Einspeisemanagement selbst enthält keine eigene Handlungsanweisung an die Netzbetreiber zur Beseitigung von Engpässen; diese folgt jedoch bereits aus § 13 Abs. 1 und 2 EnWG, so dass es darauf gar nicht ankommt. Auch beim Einspeisemanagement gilt u. a., dass der Einspeisevorrang dann nicht einzuhalten ist, soweit „sonstige Anlagen zur Stromerzeugung am Netz bleiben müssen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten“ (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017). Daraus folgt, dass auch bei Kapazitätsengpässen im Netz konventionelle Anlagen nur bis zur Grenze des netztechnischen Minimums heruntergeregelt werden müssen. Soweit nur noch mustrun-units am Netz sind, dürfen auch EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWKAnlagen abgeregelt werden. Kaplun bezeichnet die Regelungen in § 13 EnWG und § 14 EEG 2014 (nun: § 14 EEG 2017) – sehr treffend – als „spiegelbildlich“190 : Die Norm zur Systemverantwortung dient der Versorgungssicherheit unter der Prämisse, dass das Vorrangprinzip weitestgehend eingehalten wird. Das Einspeisemanagement dient dem Vorrangprinzip unter der Prämisse, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet wird. 184
Soweit die ÜNB keine technisch gleich wirksamen anderen Maßnahmen verfügbar machen können. Diese Vorgabe wurde mit dem Strommarktgesetz ergänzt, BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 185 „Überlastung der Netzkapazität“ (§ 13 Abs. 3 S. 3 EnWG) und „Netzengpass“ (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EEG 2017) meinen das gleiche, vgl. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 146 f. 186 Auch Stromspeicher sind erfasst, wenn die eingespeicherte Energie ausschließlich aus EE oder Grubengas stammt, § 3 Nr. 1 S. 2 EEG 2017. 187 BT-Drs. 17/6072, S. 72. 188 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 33, 74 ff. 189 Vgl. nur Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 19. 190 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 180.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
3. Berücksichtigung des Vorrangprinzips im Rahmen des Einspeisemanagements nach § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG i.V.m. § 14 EEG 2017191 Im Folgenden soll ein erster Blick auf die Regelungen zum Einspeisemanagement geworden werden.192 Im Zusammenhang mit der Verwirklichung des Vorrangprinzips für EE, Grubengas und hocheffiziente KWK im Rahmen der Systemverantwortung erfolgt in § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG ein Verweis auf die Regelungen der §§ 14 f. EEG 2017, soweit es um Netzengpässe geht. Während § 13 Abs. 3 S. 1 EnWG auf § 3 Abs. 1 und 2 KWKG verweist und damit im Rahmen der Systemverantwortung schon dem Wortlaut nach nur hocheffiziente KWK-Anlagen privilegiert sind, ist in § 14 Abs. 1 EEG 2017 für den Anwendungsbereich des Einspeisemanagements allgemein von „KWK-Anlagen“ die Rede. Daraus könnte man an sich schließen, dass es nicht darauf ankommt, dass diese auch hocheffizient sind. Allerdings zeigt sich, dass die Vorrangregelung für hocheffiziente KWK-Anlagen nach § 3 Abs. 1 in ihrem Satz 3 auf die Anwendbarkeit der §§ 14 und 15 des EEG verweist und damit auf das Einspeisemanagement. Es handelt sich insoweit um einen Rechtsfolgenverweis.193 Hieraus lässt sich ableiten, dass auch § 14 EEG 2017 nur hocheffiziente KWK-Anlagen adressiert, während die übrigen, also nicht hocheffizienten KWK-Anlagen nach § 13 Abs. 2 EnWG geregelt werden können.194 Es wäre systematisch kaum nachvollziehbar, wenn KWK-Anlagen, die keinen Abnahmevorrang genießen – also nicht hocheffiziente Anlagen – vom Einspeisemanagement erfasst würden, also einer Norm, die insbesondere dem Schutz des Vorrangprinzips dient. Im Übrigen erfasst das im EinsMan verwirklichte Vorrangprinzip nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 1 S. 3 EEG 2017 nur Strom „aus Kraft-Wärme-Kopplung“ (§ 3 Nr. 43 EEG 2017 i.V.m. § 2 Nr. 16 KWKG), also tatsächlich gekoppelt erzeugten Strom („KWK-Strom aus einer KWK-Anlage“).195 Eingriffe betreffen nach § 14 EEG 2017 dementsprechend nur Anlagen, die KWK-Strom erzeugen. Kon191
Ausführlich: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-EnergienGesetz, Baden-Baden 2012. 192 Ausführlich dann in Teil 2 B.IV.4. 193 BT-Drs. 17/8801, S. 16; Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 22. 194 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 16ß; so in der Tendenz auch Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/ Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 22. 195 Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 20); vgl. schon Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 525); so auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 159 ff.
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densationskraftwerke, die die erzeugte Abwärme keiner Nutzung zuführen, fallen damit nicht in den Anwendungsbereich des EinsMan.196 Insoweit besteht also schon dem Wortlaut nach ein Gleichlauf mit der Vorrangregelung in § 3 KWKG. a) Rechtsentwicklung197 und wichtige Sonderregelungen des Einspeisemanagements Das Einspeisemanagement in seiner jetzigen Form ist seit dem 1. Januar 2009 Bestandteil des EEG; zuvor enthielt § 4 Abs. 3 S. 2 EEG 2004198 eine als „Erzeugungsmanagement“ bezeichnete Regelung, die jedoch einen etwas anderen Gehalt hatte.199 Danach wurde nach wohl h.M. zwischen zeitlich früher oder später angeschlossenen EE- bzw. Grubengas-Anlagen unterschieden und es wurden vorrangig die neueren Anlagen – entschädigungslos – abgeregelt.200 Ein Zugriff auf privilegierte Anlagen setzte immerhin bereits im EEG 2004 voraus, dass zuerst konven196 Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 234). 197 Dazu etwa Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-EnergienGesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 5 ff. 198 § 4 Abs. 3 EEG 2004: „Die Verpflichtung zum vorrangigen Anschluss nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch dann, wenn das Netz oder ein Netzbereich zeitweise vollständig durch Strom aus Erneuerbaren Energien oder Grubengas ausgelastet ist, es sei denn, die Anlage ist nicht mit einer technischen Einrichtung zur Reduzierung der Einspeiseleistung bei Netzüberlastung ausgestattet. Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 zur vorrangigen Abnahme des in diesen Anlagen erzeugten Stroms besteht nur, soweit das Netz oder der Netzbereich nicht durch Strom aus zeitlich vor diesen Anlagen angeschlossenen Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien oder Grubengas vollständig ausgelastet ist; die Verpflichtung zum unverzüglichen Ausbau nach Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Der Netzbetreiber ist auf Verlangen des Anlagenbetreibers verpflichtet, bei Nichtabnahme des Stroms das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 2 innerhalb von vier Wochen schriftlich unter Vorlage nachprüfbarer Berechnungen nachzuweisen.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 199 Dazu: LG Itzehoe, IR 2006, S. 65 f. (m. Anm. Altrock); Salje, EEG-Vorrangprinzip und Netzengpassmanagement, RdE 2005, S. 250 ff.; Dreher/Reshöft, Erzeugungsmanagement nach dem EEG – Zulässigkeit und Grenzen, ZNER 2006, S. 311 ff.; Fischer/Henning, Stromabnahme, Netzlastmanagement und Netzausbau nach § 4 EEG, ZUR 2006, S. 225 ff.; vgl. hierzu auch Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/ Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 176 f.), m.w.N. 200 Dies wurde als Prioritätsprinzip bezeichnet; vgl. dazu: Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-EnergienGesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 523); Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 8; Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 176 f.); Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 6, m.w.N.; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 10.
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tionelle Anlagen abgeregelt werden.201 Eine explizite Verpflichtung zur Netzintegration einer möglichst großen Menge an Strom aus erneuerbaren Energien auch im Engpassfalle existierte damals aber nicht. Die zunehmende Häufung von Maßnahmen des Erzeugungsmanagements stellte aus Sicht des Gesetzgebers deshalb ein wesentliches Investitionshemmnis für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und eine Gefährdung für die Klimaschutzziele des Bundes dar.202 Mit Einführung des Einspeisemanagements wurde in der Folge die Sicherstellung der Abnahme der „insgesamt größtmöglichen Strommenge aus Erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung“ in den Blick genommen (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2009; heute enthalten in § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017).203 Auf diese Weise sollte – unter Aufrechterhaltung der Netzsicherheit – gewährleistet werden, dass die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas oder Kraft-Wärme-Kopplung „in Zeiten, in denen dieser Strom angeboten werden kann“ auch tatsächlich erfolgt.204 Zudem wurde mit § 12 EEG 2009 (heute § 15 EEG 2017) eine Entschädigungsregelung eingeführt. Das Verhältnis der Regelung in § 11 EEG 2009 und der Systemverantwortung in § 13 EnWG (2005) war jedoch zunächst sehr unübersichtlich und strittig.205 Seit der Energierechtsnovelle 2011 herrscht deutlich mehr Klarheit.206 Zudem wurden unter Umsetzung von Handlungsempfehlungen des EEG-Erfahrungsberichts mit dem EEG 2012 zahlreiche Unklarheiten der Regelung zum Einspeisemanagement selbst ausgeräumt.207 Dieses ist nun in das Regelungsregime der Systemverantwortung eingepasst.208 Maßnahmen des Engpassmanagements in Bezug auf EE-, Grubengasund hocheffiziente KWK-Anlagen, sind nach § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG (bislang: § 13 Abs. 2a S. 3 EnWG) nun gemäß der speziellen Anforderungen der §§ 14 f. EEG 2017 (zuvor: §§ 11 f. EEG) durchzuführen. Dies betrifft allerdings nicht netz- oder marktbezogene Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 EnWG, die vorrangig heranzuziehen sind – § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG enthält insoweit eine Sonderregel zum Abschluss von vertraglichen Regelungen zur Abweichung vom Einspeisevorrang –, sondern Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG. Das Einspeisemanagement stellt also nun eine 201 Vgl. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 10. 202 BT-Drs. 16/8148, S. 46. 203 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 384. 204 BT-Drs. 16/8148, S. 46. 205 Vgl. nur König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M., § 13 EnWG Rn. 91, m.w.N. (Fn. 53). 206 Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. 207 BT-Drs. 17/6071, S. 64; Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 10 ff. 208 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 384.
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Spezialregelung zu § 13 EnWG dar, die ausschließlich den Umgang mit EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen im Falle von Netzkapazitätsengpässen regelt. Soweit es um solche Anlagen, aber nicht um Netzengpässe geht – oder, wie bereits dargestellt, nicht alle Voraussetzungen von § 14 EEG 2017 vorliegen –, greift nicht das Einspeisemanagement sondern § 13 EnWG.209 Auch die Sonderregelungen in §§ 14 f. EEG 2017 gelten nur für Engpasssituationen. Zu erwähnen sind insbesondere drei spezielle Regelungen: Erstens die bereits angesprochene Pflicht der Netzbetreiber, sicherzustellen, dass insgesamt die größtmögliche Strommenge aus EE und KWK abgenommen wird (§ 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017), zweitens die besonderen Unterrichtungspflichten in § 14 Abs. 2 und 3 EEG 2017 und drittens die sog. Härtefallentschädigung nach § 15 EEG 2017.210 Nach letzterer Norm erhalten Anlagenbetreiber im Falle einer Einspeisereduzierung wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 14 Abs. 1 EEG 2017 – auf die weiteren Tatbestandsmerkmale kommt es nicht an – eine Entschädigung. b) Wichtige tatbestandliche Besonderheiten des Einspeisemanagements Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen von § 14 EEG 2017 (auch im Verhältnis zu § 13 EnWG) werden noch näher zu untersuchen sein (Teil 2 B.IV.4.). Auf einige wichtige Aspekte sei jedoch bereits an dieser Stelle hingewiesen. aa) Vorliegen einer Gefährdung im Sinne eines Netzengpasses Ausgangspunkt und vorrangiges Tatbestandsmerkmal des Einspeisemanagements ist das Vorliegen eines kurzfristig-sporadisch aufgetretenen Netzengpasses.211 § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EEG 2017 erlaubt das Abregeln212 von fernsteuerbaren EE-, Grubengas- und (hocheffizienten) KWK-Anlagen, soweit „andernfalls im jeweiligen Netzbereich […] ein Netzengpass entstünde.“ Hier wird auf die Systemverantwortung des ÜNB Bezug genommen. Der Netzengpass ist eine der in § 13 Abs. 4 EnWG beschriebenen Gefährdungslagen. Auch im Rahmen von § 14 EEG 2017 kommt es also darauf an, dass eine bestimmte Gefährdung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems vorliegt, wobei die gleichen Anforderungen an 209 Vgl. nur Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 19. 210 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 385. 211 BT-Drs. 17/6071, S. 64: „Netzengpässe bestehen, wenn die Spannungsbänder nicht eingehalten werden können oder die Strombelastbarkeit der Leitungen überschritten wird.“ Der Gesetzgeber verwendet also eine physikalisch-technische Definition. Vgl. zur Definition von Netzengpässen Teil 2 A.III.1.a). 212 Dazu Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 184).
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den Grad der Gefährdung zu stellen sind wie bei § 13 EnWG.213 Eine Gefährdung erfordert insbesondere eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, wobei es nicht auf die subjektive Sicht des ÜNB ankommt, sondern auf die Prognoseentscheidung eines „sorgfältigen Netzbetreibers“214 abzustellen ist.215 Soweit in der Literatur darauf hingewiesen wird, dass bei § 14 EEG 2017 an die Prognosegüte und die Wahrscheinlichkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen sind216, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar scheint § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EEG 2017 dem Wortlaut nach eine nahezu absolute Sicherheit des Ereigniseintritts zu verlangen.217 Betrachtet man die Norm jedoch im Gesamtzusammenhang, ist nicht ersichtlich, warum gerade bei § 14 EEG 2017 höhere Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen sein sollten als im Rahmen der Systemverantwortung. Das Vorrangprinzip für EE, Grubengas und hocheffiziente KWK ist auch nach § 13 Abs. 3 S. 1 EnWG besonders geschützt. Greift aber § 14 EEG 2017 tatbestandlich nicht, gilt § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 S. 1, 4, 5 EnWG. Im Ergebnis wird die Anlage also ggf. auch außerhalb der Norm zum Einspeisemanagement abgeregelt. Höhere Anforderungen an die Prognosegüte würden nur dann sinnvoll sein, wenn bei Nichterreichen der geforderten hohen Prognoseschwelle des § 14 EEG 2017 eine Abregelung ausscheiden würde. In einer Situation, in der zwar eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Netzengpasses gegeben ist, jedoch auch beachtliche Restzweifel verbleiben, hätte der Netzbetreiber dann rechtlich keine Möglichkeit, einzugreifen. Vergegenwärtigt man sich die beiden gegensätzlichen Zielsetzungen 213
Teil 2 A.I.1. Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 317). 215 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181); König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. 216 So etwa: Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 176 f., die Autorin ist insofern inkonsequent, als sie andererseits schreibt: „In einzelnen Ausnahmefällen kann es jedoch geboten sein, von diesem strengen Grundsatz abzuweichen und eine geringere Prognoseanforderung anzulegen.“; auch: Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-EnergienGesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 524); Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/ von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 188). 217 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 63, 65; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 176. 214
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von § 14 EEG 2017, einerseits dem Vorrangprinzip zu dienen, andererseits aber auch die Netzstabilität zu gewährleisten, so wird man feststellen, dass ohne ein funktionierendes Stromnetz das Vorrangprinzip ins Leere läuft; deshalb ist dem Gefahrenabwehraspekt im Ergebnis der höhere Stellenwert einzuräumen.218 Das heißt aber auch, dass die Anforderungen an die Gefahrenprognose nicht überdehnt werden dürfen. Unklar ist nur, warum § 15 Abs. 1 S. 1 EEG 2017 als Voraussetzung für eine Härtefallentschädigung einen Netzengpass „im Sinne von § 14 Abs. 1 [EEG 2017]“ verlangt. Dies könnte an sich darauf hinweisen, dass das Einspeisemanagement doch eine eigene Prognosewahrscheinlichkeit verlangt und somit die Gegenmeinung stützen. Die gewünschte Bedeutung der Härtefallentschädigung liegt aber darin, einen finanziellen Ausgleich der Betreiber von EE-, Grubengas- oder (hocheffizienten) KWK-Anlagen nicht nur dann auszulösen, wenn der Netzbetreiber nach § 14 EEG 2017 gehandelt hat, sondern gerade auch dann, wenn sich dieser auf § 13 Abs. 2 EnWG stützt.219 Würde man an das Vorliegen eines Netzengpasses nach § 14 EEG 2017 aber höhere Anforderungen stellen, könnten sich Situationen ergeben, in denen zwar nach § 13 Abs. 2 EnWG rechtmäßigerweise eine Abregelung aufgrund eines Netzengpasses (i.S.d. EnWG) erfolgt, gleichzeitig aber eine Entschädigung nach § 15 EEG 2017 ausscheidet. Das ist gerade nicht gewollt. Teleologisch betrachtet kann also aus der Formulierung in § 15 Abs. 1 S. 1 EEG 2017 kein Hinweis auf spezifische, höhere Prognoseanforderungen in § 14 EEG 2017 abgeleitet werden. Allerdings könnte man aus der genannten Formulierung in § 14 Abs. 1 EEG 2017 schließen, dass der Netzengpassbegriff selbst im Rahmen des Einspeisemanagements und der Härtefallregelung im Vergleich zu demjenigen des § 13 Abs. 4 EnWG einen etwas anderen Gehalt aufweist. So lässt sich vertreten, dass Netzengpässe, die auf klassischen Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten basieren, ohne dass ein spezifischer Bezug zu „energiewendebedingten“ Kapazitätserweiterungspflichten besteht, nicht unter die §§ 14 f. EEG 2017 fallen.220 Als Argument lässt sich an218 So wohl auch Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-EnergienGesetz, Baden-Baden 2012, S. 64 ff. 219 BT-Drs. 17/6071, S. 65; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 23. 220 So: Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 235 f.); Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 20); Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 35; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 150; Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 14 Rn. 5; KG Berlin, ZNER 2016, S. 48 ff. (S. 49); BGH, ZNER 2016, S. 232 ff. (S. 234 f.); a.A.: Schwintowski, Der Anspruch auf Schadensersatz und Einspeisevergütung bei der Abschaltung von Anlagen Erneuerbarer Energien, EWeRK 2012, S. 131 ff. (S. 137 ff.); Walter/ Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 185); Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips
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führen, dass das EinsMan keine allgemeine Besserstellung der privilegierten Anlagen bezweckt, sondern v. a. die Nachteile ausgleichen soll, die mit dem nicht vollständigen Netzausbau im Zusammenhang stehen.221 Ohnehin und immer wieder erforderliche Wartungsarbeiten betreffen nicht in spezifischer Weise die privilegierten Anlagen, sondern sind von allen Anlagenbetreibern grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Auch wenn sich in der Praxis schwierige Abgrenzungsprobleme ergeben könnten, erscheint diese Ansicht deshalb vorzugswürdig. Eine Anlagenregelung kann dann nur nach § 13 Abs. 2 EnWG erfolgen; eine Entschädigung nach § 15 EEG 2017 ist nicht zu zahlen. bb) Verhältnis zum Netzausbau Das Recht der Netzbetreiber zur Durchführung des Einspeisemanagements besteht „unbeschadet ihrer Pflicht nach § 12 [EEG 2017]“, also der Pflicht zur Erweiterung der Netzkapazität, um die Abnahme, Übertragung und Verteilung des Stroms aus erneuerbaren Energien oder Grubengas sicherzustellen.222 In § 13 EnWG, der Regelung zur Systemverantwortung, ist ein ähnlicher Verweis auf § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG – also u. a. die allgemeine Pflicht zum Netzausbau – nicht enthalten. Folglich stellt sich die Frage, ob im Rahmen des Einspeisemanagements im Verhältnis zum Netzausbau andere Vorgaben gelten. Zu § 13 EnWG bzw. § 15 StromNZV wurde festgestellt, dass ein Vorrang des Netzausbaus nur für strukturelle und nicht für kurzfristig-sporadische Engpässe gelten kann.223 Das Einspeisemanagement bezieht sich jedoch ohnehin nur auf kurzfristige Engpässe. Tritt also eine Situation ein, in der EE-, Grubengas- oder hocheffiziente KWK-Anlagen geregelt werden müssen, um einen Netzengpass zu verhindern, dann kann dieses Erfordernis nicht mit dem Verweis auf zu Unrecht unterbliebenen bzw. vorrangigen Netzausbau untersagt sein. Der zu besorgende Engpass stellt eine unter § 13 Abs. 4 EnWG fallende Gefährdungslage hinsichtlich der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems dar. Aus Gründen der Gefahrenabwehr ist hier eine Reaktion durch den ÜNB erforderlich und geboten.
und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 173 ff.; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 14, 17; Hoffmann/Herz, Einspeisemanagement nach EEG und Entschädigung des Anlagenbetreibers, ree 2016, S. 65 ff. (S. 67 f.); Kment, Regulierungsrechtliche Rahmenbedingungen für Elektrizitätsnetzbetreiber und EEG-Anlagen – Systemstabilität, Systemverantwortung und Kostenverteilung, NVwZ 2016, S. 1438 ff. (S. 1441 f.). 221 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 35; BGH, ZNER 2016, S. 232 ff. (S. 234 f.). 222 Für KWK-Anlagen gilt diese Pflicht nicht. 223 Teil 2 A.III.3.
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Der Gesetzgeber ging in seinen Erwägungsgründen224 zum Entwurf des EEG 2009 davon aus, dass das Einspeisemanagement nur übergangsweise erforderlich sein werde, also, solange der Netzausbau dem Zubau von EE-Anlagen hinterherhinke. Dies ergab sich auch aus dem Wortlaut der Norm zum Einspeisemanagement im EEG 2009, in der es in § 11 Abs. 1 S. 2 hieß, dass die Regelung der Anlagen nur während einer Übergangszeit „bis zum Abschluss von Maßnahmen im Sinne des § 9 [heute: § 12 EEG 2017] erfolgen“ dürfe. Werde die Netzkapazität überschritten, dann spreche dies dafür, dass der Pflicht zur Erweiterung der Netzkapazität nach § 9 EEG [heute: § 12 EEG 2017] nicht oder nicht vollständig nachgekommen worden sei. Dies stellt zwar einen Verstoß gegen § 9 EEG [§ 12 EEG 2017] dar und kann Schadenersatzansprüche nach § 10 EEG [§ 13 EEG 2017] auslösen, führte und führt aber nicht dazu, dass eine Regelung von Anlagen nach § 11 EEG [§ 14 EEG 2017] unzulässig wird.225 Dieser Teil ist seit dem EEG 2012 aber ohnehin nicht mehr erhalten.226 Der Passus „unbeschadet ihrer Pflicht nach § 12 EEG“ in der aktuellen Form des § 14 Abs. 1 S. 1 EEG 2017 bringt nun auch deutlich zum Ausdruck, dass es sich bei der Pflicht zum Netzausbau (bestehende Erweiterungspflicht) nicht um ein Tatbestandsmerkmal handelt.227 Synonyme für „unbeschadet“ sind „trotz“, „im Einklang mit“ oder „ungeachtet“228 – aus diesen Begriffen lässt sich keine vorrangige zeitliche Verknüpfung zur Ausbaupflicht herleiten. Im Gegenteil, es wird nur auf die parallel zum Einspeisemanagement bestehende Kapazitätserweiterungsaufgabe als Dauerverpflichtung verwiesen.229 Auch das vom Bundesministerium für Justiz herausgegebene Handbuch der Rechtsförmlichkeit deutet auf ein Nebeneinander der Vor224
BT-Drs. 16/8148, S. 46 f. Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 207. 226 Vgl.: Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 64; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 12; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 136 (Fn. 25), ist jedoch der Ansicht, dass hiermit keine inhaltliche Änderung verbunden ist. 227 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 63; so im Ergebnis auch schon zur vorigen Fassung des EEG: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-EnergienGesetz, Baden-Baden 2012, S. 84 ff.; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 154; a.A. offensichtlich noch Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 524); ebenso Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 235 f.). 228 Vgl. Duden online. 229 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 174; Gerstner, in: Gerstner (Hrsg.), Grundzüge des Rechts der erneuerbaren Energien, Göttingen 2013, S. 359, 370; vgl. auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 152. 225
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schriften hin: Die Formulierung „unbeschadet der Vorschriften über“ bringt danach zum Ausdruck, dass die Norm, die diesen Passus enthält, neben der Norm, auf die verwiesen wird, anwendbar ist.230 Ohnehin ist ein vollständiger Netzausbau weder sinnvoll231 – zu denken ist etwa an unberechenbare Einspeisespitzen von Windkraftanlagen, für die sich ein Komplettausbau des Netzes finanziell nicht lohnt – noch gesetzlich gefordert.232 In diesem Zusammenhang gilt seit Inkrafttreten des Strommarktgesetzes auch die sog. Spitzenkappung (§ 12 Abs. 3 S. 2 EEG 2017 i.V.m § 11 Abs. 2 EnWG) bei der Planung des Netzausbaus. Nach § 12 Abs. 3 S. 1 EEG 2017 ist der Netzbetreiber auch nicht dazu verpflichtet, soweit ein Ausbau wirtschaftlich unzumutbar ist. Zudem muss er auch erst auf Verlangen eines Einspeisewilligen tätig werden (§ 12 Abs. 1 S. 1 EEG 2017) – ein solches wird aber möglicherweise gar nicht ausgesprochen.233 Einer dauerhaften, also sich regelmäßig wiederholenden Anwendung des Einspeisemanagements unabhängig von vorhandenen oder nicht vorhandenen Netzausbaupflichten, steht nichts entgegen.234 Es können zukünftig Situationen eintreten, in denen ein Netzbetreiber seinen Ausbaupflichten vollständig Folge geleistet hat und dennoch die Anwendung des Einspeisemanagements erforderlich wird.235 Hat er dagegen nicht alle Möglichkeiten zur Optimierung, Verstärkung oder zum Ausbau des Netzes ausgeschöpft, kann er allerdings die gezahlten Entschädigungen nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 nicht über die Netzentgelte auf die Netznutzer umlegen und muss die Kosten selbst tragen (§ 15 Abs. 2 S. 2 EEG 2017).236
230 BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, September 2008, Rn. 87; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 12. 231 Höppner, Die Regulierung der Netzstruktur, Baden-Baden 2009, S. 44 f., 205; vgl. auch: Angenendt/Boesche/Franz, Der energierechtliche Rahmen einer Implementierung von Smart Grids, RdE 2011, S. 117 ff. (S. 123); Güneysu, Smart Grids und die Anforderungen des Einspeisemanagements, RdE 2012, S. 47 ff. (S. 50). 232 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 97 ff. 233 Dazu Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 126 f.; so auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 98. 234 So auch: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 127 f.; Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/ Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 185); Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 70; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 60. 235 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 154. 236 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 156.
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cc) Vorliegen einer Ausnahmesituation Die Regelung von Anlagen ist nach § 14 Abs. 1 S. 1 EEG 2017 nur „ausnahmsweise“ zulässig.237 Diesem begrifflichen Einschub ist jedoch keine weitergehende Bedeutung zuzumessen.238 Es ist nicht ersichtlich, warum bei Vorliegen der Voraussetzungen des Einspeisemanagements eine Anlagenregelung dennoch im Regelfall nicht zulässig sein sollte – genau das wäre aber die Folge, würde man den Anwendungsbereich von § 14 EEG 2017 auf Ausnahmefälle beschränken. In der Literatur wird deshalb zurecht angemerkt, dass die verwendete Terminologie nur zum Ausdruck bringen soll, dass das Abweichen vom Einspeisevorrang und damit die Rechtsfolge von § 14 EEG 2017 insgesamt bereits eine Ausnahmesituation darstellt bzw. darstellen soll.239 Umgekehrt ist der Netzbetreiber nicht berechtigt, außerhalb von Gefahrensituationen über die Einspeisung von EE-, Grubengas- und KWK-Anlagen zu disponieren.240 Sobald die Gefahrenlage behoben ist, darf auf § 14 EEG 2017 nicht mehr zurückgegriffen werden.241
V. § 13 EnWG im Verhältnis zur „Systemverantwortung“ der Verteilnetzbetreiber nach § 14 EnWG242 Während in § 14 EEG 2017 allgemein die „Netzbetreiber“ adressiert werden und damit alle Betreiber von Elektrizitätsnetzen für die allgemeine Versorgung erfasst sind (§ 3 Nr. 36 EEG 2017), bezieht sich die Systemverantwortungsnorm des § 13 EnWG nur auf die Betreiber von Übertragungsnetzen (§ 3 Nr. 10 EnWG). Bereits aus § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG folgt jedoch, dass alle Betreiber von Energieversorgungsnetzen verpflichtet sind, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Versorgungsnetz zu betreiben und zu warten. § 14 EnWG erweitert zudem den Anwendungsbereich der §§ 12 und 13 EnWG auch auf die Verteilernetzbetreiber (§ 3 Nr. 3
237 Vgl. hierzu Säcker, Der beschleunigte Ausbau der Höchstspannungsnetze als Rechtsproblem, Frankfurt a.M. 2009, S. 91 ff. 238 Vgl. etwa König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 42. 239 Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/ Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 185); Schäfermeier, in Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 22; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 42. 240 BT-Drs. 16/8144, S. 46; Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 123. 241 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 123. 242 Siehe hierzu auch VDN, Distribution Code, Version 1.1, 2007.
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EnWG).243 Für das Verhältnis zwischen der Systemverantwortung der ÜNB und derjenigen der VNB ergeben sich zwei Fragestellungen: Erstens, welcher Netzbetreiber in einem konkreten Fall berechtigt und/oder verpflichtet ist, Maßnahmen zu ergreifen und zweitens, wie sich vor- oder nachgelagerte Netzbetreiber zu verhalten haben, wenn sie von Maßnahmen eines dritten Netzbetreibers in ihrem Netz betroffen sind. 1. Abgrenzung der Verantwortungsbereiche Die Antwort auf die erste Frage – nach der Berechtigung und Verpflichtung der jeweiligen Netzbetreiber zur Maßnahmenergreifung und damit zur Abgrenzung ihrer Verantwortungsbereiche – sollte an sich aus § 14 Abs. 1 S. 1 EnWG ableitbar sein. Dort heißt es: „Die §§ 12 und 13 [EnWG] gelten für Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen im Rahmen ihrer Verteilungsaufgaben entsprechend, soweit sie für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Elektrizitätsversorgung in ihrem Netz verantwortlich sind.“ Die Formulierung kann als unglücklich bezeichnet werden, denn im Grunde wird damit Folgendes ausgesagt: „Die Verantwortung für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems nach § 13 EnWG liegt bei den VNB, soweit sie dafür verantwortlich sind, in ihrem Netz die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Versorgungssystems zu gewährleisten.“ Ein tieferer Gehalt lässt sich dieser Formulierung also nicht entnehmen.244 Die grundsätzliche Verantwortung jedes Netzbetreibers für sein eigenes Netz folgt aber ohnehin bereits aus § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG, so dass davon auszugehen ist, dass die VNB in der Folge immer auch die Systemverantwortung in ihrem eigenen Netz tragen (Grundsatz der Selbstverantwortlichkeit245). Im Ergebnis gilt jedenfalls, dass jeder ÜNB die Systemverantwortung in seinem Übertragungsnetz und jeder VNB in seinem Verteilnetz trägt. Ausnahmen können sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 – 4 EnWG ergeben, wonach ÜNB vereinbaren können, die Regelverantwortung und damit die Befugnisse nach §§ 13 – 13b EnWG bei einem ÜNB zu vereinigen. Da § 14 Abs. 1 S. 1 EnWG neben der Bezugnahme auf § 13 EnWG auch auf § 12 EnWG verweist, dürfen auch mehrere VNB die Regel- und Systemverantwortung auf einen der VNB oder einen ÜNB übertragen.246 Der Einsatz von Regelenergie als Maßnahme im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG fällt ausschließlich in den Aufgabenbereich der ÜNB, was sich aus § 22 Abs. 2 EnWG bzw. 243
Zum zukünftigen Bedeutungsgewinn der Verteilnetzbetreiber im Rahmen der Systemsicherheit siehe Säcker, Die Aufgaben der Verteilnetzbetreiber bei zunehmender Erzeugung erneuerbarer Energien und der Digitalisierung der Energiemärkte, EnWZ 2016, S. 294 ff. 244 A.A. Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 97: Abgrenzung zu den Bereichen der alleinigen Systemverantwortung der ÜNB. 245 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 517; Voß/de Wyl, Übertragbarkeit von Aufgaben im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 218 ff. (S. 219). 246 Vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 57.
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§ 6 Abs. 1 StromNZV ableiten lässt.247 Auch die Kontrahierung von Reserven liegt alleine bei den ÜNB (vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 EnWG).248 2. Kollision der Verantwortungsbereiche249 Der Befund, dass grundsätzlich jeder Netzbetreiber in seinem Netz die Systemverantwortung trägt, führt zu der Frage, wie sich das Verhältnis der Netzbetreiber gestaltet, wenn sich drohende Gefährdungen nicht nur innerhalb des eigenen Netzes auswirken (würden) bzw. Maßnahmen erforderlich sind, die nicht nur das eigene Netz betreffen. § 14 Abs. 1c EnWG beantwortet diese Frage in dem Sinne, dass sämtliche Netzbetreiber verpflichtet sind, Maßnahmen von anderen Netzbetreibern, in deren Netze sie „unmittelbar oder mittelbar technisch eingebunden sind“ nach deren Vorgaben durch eigene Maßnahmen zu unterstützen. Voraussetzung ist dann nur, dass solche eigenen Maßnahmen erforderlich sind, um Gefährdungen „mit geringstmöglichen Eingriffen in die Versorgung zu vermeiden.“ § 14 Abs. 1c EnWG ergänzt die Maßnahmenergreifungskompetenz des § 13 Abs. 2 EnWG, die dann greift, wenn netz- oder marktbezogene Maßnahmen keinen Erfolg zur Bewältigung einer Netzgefährdung versprechen.250 Die ÜNB sind berechtigt und verpflichtet, Einspeisungen, Stromtransite und Stromabnahmen anzupassen oder anpassen zu lassen. Auch den ÜNB nachgelagerte Verteilnetzbetreiber können nach dieser Norm verpflichtet werden. Der zusätzliche Gehalt von § 14 Abs. 1c EnWG liegt darin, dass die Verteilnetzbetreiber trotz der Mitwirkungspflicht keine reinen Ausführungsorgane der ÜNB darstellen251, sondern eigene Maßnahmen durchführen, also beispielsweise auf bestehende vertraglich vereinbarte Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG zurückgreifen.252 Das „wie“ der Maßnahmenergreifung liegt also beim unterstützenden Verteilnetzbetreiber.253 Zudem wird durch § 14 Abs. 1c EnWG das Verhältnis zwischen vor- und nachgelagerten Verteilnetzbe247 VDN, Transmission Code 2007, S. 9; vgl. auch Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 182). 248 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 98. 249 Angelehnt an Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. 250 BT-Drs. 17/6072, S. 73; a.A. Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 99 f. 251 Gilt nicht beim gesetzlichen Redispatch (Teil 2 B.III.2.c)). 252 Vgl.: König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 518 f., 522 f.; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 14 Rn. 16 ff. 253 Vgl. BDEW/VKU, Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 13; so auch Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 101, allerdings weitergehend.
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treibern geregelt.254 Die Verpflichtung, unterstützende Maßnahmen zu treffen, betrifft immer den nachgelagerten Netzbetreiber255, also denjenigen einer niedrigeren Spannungsebene; zwischen gleichgelagerten Netzbetreibern ergibt sich die Unterstützungsobliegenheit aus der Pflicht zur konstruktiven Zusammenarbeit nach §§ 12 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 S. 1 EnWG.256 In der Praxis wird die Verpflichtung nachgelagerter Netzbetreiber regelmäßig durch das sog. Kaskadierungsprinzip umgesetzt: Danach werden Anforderungen jeweils nur an den unmittelbar nachgelagerten Netzbetreiber gerichtet.257 Dieser kann der Aufforderung entsprechen oder einen ihm nachgelagerten Netzbetreiber verpflichten. Die Kommunikation erfolgt also von oben nach unten, wobei nicht direkt auf einen Netzbetreiber zugegriffen wird, mit dem keine technische Verbindung besteht.258 Beispielsweise wird ein ÜNB nicht unmittelbar auf einen Betreiber eines Mittelspannungsnetzes zugreifen, sondern zunächst auf einen Hochspannungsnetz-Betreiber, der ihm unmittelbar nachgelagert ist. Dass Kommunikation und Abstimmung zwischen verbundenen Netzen erfolgt, macht Sinn, da zwischen den angeschlossenen Netzbetreibern ohnehin bereits umfassende vertragliche Beziehungen bestehen und im täglichen Betrieb eine enge Zusammenarbeit erforderlich ist.259 Logische Folge des Kaskadierungsprinzips ist, dass in aller Regel Eingriffe in Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen durch den Anschlussnetzbetreiber erfolgen und nicht durch vorgelagerte Netzbetreiber, die möglicherweise einen schlechteren Einblick in die Gegebenheiten vor Ort haben.260 Allerdings muss zuvor geprüft werden, ob die Mitwirkung eines nachgelagerten Netzbetreibers auch erforderlich ist, oder ob nicht mildere Mittel – im eigenen Netz – zur Verfügung stehen.261 Hierbei ist aber zu beachten, dass Erzeugungsanlagen zunehmend auf Verteilnetzebene 254
BT-Drs. 17/6072, S. 73. De Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 67 f.). 256 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 518 f.; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 99. 257 VDN, Transmission Code 2007, S. 9; der Gesetzgeber hat diesen Begriff mittlerweile in die Gesetzesbegründung aufgenommen, vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 73; BDEW/VKU, PraxisLeitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 11 ff.; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 519 ff. 258 Vgl. auch BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 6, bezogen auf § 13 Abs. 1a EnWG a.F. 259 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 521. 260 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 521. 261 Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 183); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 19. 255
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angeschlossen und die ÜNB faktisch damit immer stärker auf die Beteiligung von VNB angewiesen sind.262 Unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit beansprucht das Kaskadierungsprinzip nicht.263 Deutlich wird das etwa beim Einspeisemanagement in § 14 EEG 2017. Hier können Netzbetreiber auch auf Anlagen zugreifen, die an ein nachgelagertes Netz angeschlossen sind. Dies leitet sich aus dem Wortlaut von § 14 Abs. 1 S. 1 EEG 2017 ab, wonach die Netzbetreiber nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar an ihr Netz angeschlossene EE-, Grubengas- und (hocheffiziente) KWK-Anlagen regeln dürfen. Dies dürfte aber in erster Linie die Fälle betreffen, in denen ein vorgelagerter Netzbetreiber die Systemverantwortung für einen nachgelagerten Netzbetreiber wahrnimmt (§§ 12 Abs. 1 S. 2 – 4, 14 Abs. 1 S. 1 EnWG).264 An der rechtlichen Unverbindlichkeit des Kaskadierungsprinzips ändert grundsätzlich auch die seit dem 1. Februar 2017 in Kraft befindliche VDE-Anwendungsregel „Kaskadierung von Maßnahmen für die Systemsicherheit von elektrischen Energieversorgungsnetzen“265, die das Zusammenwirken der Netzbetreiber bei Gefährdungen bzw. Störungen der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems behandelt, nichts. Allerdings wird bei technischen Regeln des VDE, wie die benannte Anwendungsregel zur Kaskadierung eine darstellt, vermutet, dass bei deren Einhaltung gleichzeitig die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik gegeben ist (§ 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EnWG). Diese wiederum sind beim Betrieb von Energieanlagen, also auch bei Elektrizitätsnetzen (§ 3 Nr. 15 EnWG), zu beachten (§ 49 Abs. 1 EnWG). Im Rahmen von Haftungsfällen entfaltet die Einhaltung der VDE-Anwendungsregel damit künftig eine gewisse Vermutungsregel für korrektes Verhalten des Netzbetreibers.266 Die Anwendungsregel trifft insbesondere Vorgaben zu unterschiedlichen Rollen von Netzbetreibern (auslösend, anfordernd, ausführend), zur Einhaltung einer sog. Kaskadenstufenzeit von 12 Minuten von der Anforderung einer Maßnahme bis zur Durchführung durch den nachgelagerten Netzbetreiber, zu Vorbereitungsmaßnah-
262
Säcker, Die Aufgaben der Verteilnetzbetreiber bei zunehmender Erzeugung erneuerbarer Energien und der Digitalisierung der Energiemärkte, EnWZ 2016, S. 294 ff. (S. 297). 263 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 520. 264 BT-Drs. 17/6071, S. 64; BR-Drs. 341/11, S. 124; Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/ Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 24 f.; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 5. 265 VDE-AR-N 4140; siehe dazu: Rieke/Weise/Hartmann, Entwurf einer VDE-AR zur Kaskade – eine rechtliche Einordnung, ER 2016, S. 78 ff.; Voß/de Wyl, Übertragbarkeit von Aufgaben im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 218 ff. 266 Rieke/Weise/Hartmann, Entwurf einer VDE-AR zur Kaskade – eine rechtliche Einordnung, ER 2016, S. 78 ff. (S. 81); Voß/de Wyl, Übertragbarkeit von Aufgaben im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 218 ff. (S. 218); Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 244).
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
men (etwa Bildung eines Aufteilungsschlüssels zu Adressatenauswahl) sowie zur Kommunikation zwischen den Beteiligten.267
B. Maßnahmenkatalog zur Wahrnehmung der Systemverantwortung Im vorhergehenden Kapitel wurde geklärt, wann Maßnahmen im Rahmen der Systemverantwortung relevant werden, dass die Systemverantwortung insbesondere den netzseitigen Bereich der Versorgungssicherheit schützt und dass kurzfristigspontan auftretende Netzengpässe sowie das Einspeisemanagement Teilbereiche der Systemverantwortung darstellen. Schließlich wurde das Verhältnis zwischen ÜNB und VNB in den §§ 13 und 14 EnWG dargestellt. Im nun folgenden Kapitel soll erläutert werden, welche Maßnahmen den Netzbetreibern zur Verfügung stehen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Es geht also um das „wie“ des Eingreifens in das Energieversorgungssystem.
I. Einordnung der zur Verfügung stehenden Maßnahmen Eine Unterteilung der zur Verfügung stehenden Maßnahmen lässt sich auf verschiedene Art und Weise vornehmen. Regelmäßig wird unterschieden zwischen netzbezogenen Maßnahmen, marktbezogenen Maßnahmen und Notmaßnahmen. Dieses Schema ergibt sich aus § 13 Abs. 1 und 2 EnWG und folgt der gebotenen Stufenfolge268 der Handlungsformen des ÜNB, auf die in Teil 2 C. näher einzugehen sein wird. Mit dem Strommarktgesetz wurde in § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG ein eigener Unterpunkt für zusätzliche Reserven geschaffen.269 Dies soll der besseren Abgrenzung untereinander dienen270, macht die Reserven aber nicht zur einer eigenen Maßnahmenstufe. Generell stellen die Vorschriften für die Reservevorhaltung bzw. zum Einsatz von Reserven im Netzbetrieb für sich keine eigenen Maßnahmen dar, sondern dienen der Durchführbarkeit von Maßnahmen. Weiterhin lässt sich unterscheiden zwischen Maßnahmen, die einspeisungsbezogen, netzbezogen oder lastbezogen eingesetzt werden, also danach, auf welcher Seite des Netzsystems diese eingesetzt wird. Oder aber man unterteilt danach, in 267 Vgl. dazu: Rieke/Weise/Hartmann, Entwurf einer VDE-AR zur Kaskade – eine rechtliche Einordnung, ER 2016, S. 78 ff. (S. 81 ff.); Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 244). 268 Vgl. hierzu auch die Einordnungen von Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 163 ff. 269 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 270 BT-Drs. 18/7317, S. 85.
B. Maßnahmenkatalog zur Wahrnehmung der Systemverantwortung
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welchen Gefährdungssituationen sie relevant werden, ob die Maßnahmen folglich der Einhaltung einer ausgeglichenen Systembilanz (Einspeisungen gleich Ausspeisungen, Systemsicherheit), der Vermeidung von Engpasssituationen oder der für den Systembetrieb entscheidenden Grenzwerte hinsichtlich Spannung und Strom – also kurz gesagt, der Netzsicherheit – dienen.271 Die vorliegende Arbeit folgt der Einordnung in § 13 EnWG und beschreibt – soweit aus rechtlicher Sicht von Relevanz – die wesentlichen Möglichkeiten der Netzbetreiber, Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu beseitigen, wobei im Rahmen der jeweils beschriebenen Maßnahme auch dargestellt wird, auf welcher Seite des Netzsystems die Maßnahme wirkt bzw. in welchen Gefährdungssituationen sie eingesetzt wird.272 Der Fokus liegt dabei insbesondere auf dem Einsatz von Regelenergie zur Wahrung einer ausgeglichenen Systembilanz sowie dem Redispatching als Instrument zum Umgang mit Engpasssituationen. Fragen des Lastmanagements sowie der Vorhaltung von zusätzlichen Reserven werden ebenfalls dargestellt. Zuletzt wird es um die Bedeutung von Notmaßnahmen i.S.v. § 13 Abs. 2 EnWG gehen. Auch auf die Besonderheiten des Einspeisemanagements ist hierbei ausführlicher einzugehen.
II. Netzbezogene Maßnahmen Die netzbezogenen Maßnahmen sind aus juristischer Sicht von untergeordneter Bedeutung, bilden jedoch die erste und einfachste Möglichkeit zur Bekämpfung von Gefahren für die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems. Sie betreffen nur die interne Sphäre der Netzbetreiber und haben keine Außenbzw. Eingriffswirkung auf andere Netzbetreiber bzw. Netznutzer.273 Vorrangig ist deshalb auf netzbezogene Maßnahmen zurückzugreifen.274 Sobald netzseitige Anpassungen des ÜNB Stromeinspeisungen bzw. -abnahmen – und damit Dritte – 271 Vgl. VDN, Transmission Code 2007, S. 10 ff.; Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 27 f. (Stand: Juni 2008). Die Einordnung der Begriffe Systemsicherheit, Systemstabilität, Netzsicherheit und Netzstabilität ist insoweit nicht ganz eindeutig, die Begriffe können auch synonym verwendet werden. 272 Ähnlich König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 415 ff., der allerdings vom Oberbegriff des kurzfristigen Engpassmanagements ausgeht. 273 Statt vieler: Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 526 f.); a.A. offensichtlich Weise/ Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 184) und de Wyl/ Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 68), unter Bezugnahme auf BNetzA, Beschluss vom 26. 09. 2011, BK8 – 11 – 015. 274 So etwa explizit Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 42 f.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
betreffen und keine vertraglichen Grundlagen bestehen, handelt es sich nicht um Maßnahmen i.S.v. § 13 Abs. 1 EnWG, sondern um Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG, die nachrangig heranzuziehen sind.275 In § 13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG werden „insbesondere“ Netzschaltungen, auch Topologiemaßnahmen genannt, als netzbezogene Maßnahmen eingeordnet. Gemeint ist, dass durch einfache Umschaltmaßnahmen der Lastfluss im Netz so beeinflusst bzw. verändert wird, dass Gefährdungen oder Störungen vermieden oder umgangen werden können.276 Die Netzstruktur bietet dem Netzbetreiber in der Regel nicht nur eine Möglichkeit der Stromdurchleitung, er wird sich jedoch für eine aus seiner Sicht optimale Topologie entscheiden. Stellt sich dann heraus, dass Gefährdungen i.S.v. § 13 EnWG drohen, kann er von der angedachten Netzschaltung abweichen und beispielsweise den Lastfluss so verlagern, dass bislang weniger stark belastete Leitungen stärker eingebunden werden und dafür stärker belastete Leitungen entlastet werden.277 Am einfachsten und naheliegendsten ist es, ausgeschaltete Netzelemente wieder einzuschalten.278 Soweit der Hintergrund der Ausschaltung in der Durchführung von Wartungsarbeiten liegt, sind diese dann zeitlich später vorzunehmen. Vollständig unproblematisch sind Topologiemaßnahmen allerdings nicht, eine Abweichung von der eigentlich optimalen Netzschaltung kann zu höheren Übertragungsverlusten führen und so Mehrkosten generieren; im schlimmsten Fall können Probleme für die Spannungshaltung eintreten oder die Versorgungssicherheit sogar gefährdet werden.279 Topologiemaßnahmen sind also nur in geringem Umfang sinnvolle Optionen bei der Wahrnehmung der Systemverantwortung. Eine weitere netzbezogene Maßnahme zur Beherrschung von Gefährdungssituationen besteht in der Ausnutzung betrieblicher zulässiger Toleranzbänder.280 Damit ist gemeint, dass Netzbetriebsmittel kurzzeitig auch überlastet werden können; dabei dürfen die allgemeinen technischen Regeln jedoch nicht verletzt werden (vgl. § 49 EnWG).281 Überlastungsmaßnahmen können sowohl spannungs- als auch stromseitig eingesetzt werden. Soweit die Ausnutzung betrieblich zulässiger Tole275
Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 12; Schwintowski, Der Anspruch auf Schadensersatz und Einspeisevergütung bei der Abschaltung von Anlagen Erneuerbarer Energien, EWeRK 2012, S. 131 ff. (S. 134); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 182; vgl. auch Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 68. 276 VDN, Transmission Code 2007, Anhang A.1, S. 1. 277 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 425. 278 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 174. 279 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 161, 174. 280 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 111. 281 VDN, Transmission Code 2007, Anhang A.1, S. 1.
B. Maßnahmenkatalog zur Wahrnehmung der Systemverantwortung
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ranzbänder effektiv eingesetzt werden kann, um Gefährdungen für die Netzstabilität abzuwenden, ist auch eine kurzzeitige Abweichung vom (n-1)-Prinzip zulässig.282 Dieses besagt, dass der Ausfall eines Netzbetriebsmittels nicht zu einer Gefährdung für die Netzsicherheit im Ganzen führen darf.283 Hier ist nichtsdestotrotz sehr vorsichtig vorzugehen, damit der Einsatz einer netzbezogenen Maßnahme nicht zu größeren Schäden führt als die eigentlich maßnahmenauslösende Gefährdung.284 Auch technische Anlagen zur Bereitstellung von Blind- und Kurzschlussleistung im Sinne von § 12 Abs. 3 S. 2 EnWG können im Rahmen netzbezogener Maßnahmen eingesetzt werden, um Gefährdungs- oder Störungslagen zu beseitigen. Hierbei handelt es sich nicht um Stromerzeugungsanlagen, sondern um sog. Kondensatoranlagen, Kompensationsspulen, flexible Drehstromübertragungssysteme (sog. „FACTS“) oder Phasenschiebergeneratoren.285
III. Marktbezogene Maßnahmen Im Zentrum der Betrachtung des gesamten Maßnahmenkatalogs stehen die marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG. Das Gesetz selbst nennt den Einsatz von Regelenergie, vertraglich vereinbarte ab- und zuschaltbare Lasten sowie die Information über Engpässe und das Management von Engpässen. Die Auflistung ist nicht abschließend, was durch das dem Abschnitt voran gestellte Wort „insbesondere“ zum Ausdruck gebracht wird.286 Den ÜNB steht es grundsätzlich frei, alle denkbaren vertraglichen Regelungen – ggf. bereits im Netzanschlussvertrag – mit Einspeisern, anderen Netzbetreibern, Lieferanten oder Verbrauchern einzugehen, die dazu dienen, die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone zu erhalten.287 Der Punkt „Mobilisierung zusätzlicher Reserven“, der bislang noch in § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG enthalten war, wurde mit dem Strommarktgesetz herausgenommen und gesondert als § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG aufgeführt.288 Dies soll der besseren Abgrenzung untereinander die-
282 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 176. 283 VDN, Transmission Code 2007, S. 57. 284 Vgl. den Gedanken bei Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 19. 285 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 24, § 12 Rn. 43 ff. 286 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 14; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 429. 287 Statt vieler: Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 13; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 112. 288 BGBl. 2016 I S. 1786 ff.
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nen289, macht die Reserven aber nicht zur einer eigenen Maßnahmenstufe. Sie bleiben weiter den marktbezogenen Maßnahmen zugeordnet. Vorhaltung und Einsatz von Reserven stellen selbst auch gar keine eigenen Maßnahmen dar, sondern dienen der Durchführbarkeit von Maßnahmen wie dem Redispatching. Das EnWG nennt als zusätzliche Reserven „insbesondere“ die Netzreserve und die Kapazitätsreserve. Die marktbezogenen Maßnahmen zeichnen sich regelmäßig dadurch aus, dass dem Vertragspartner der ÜNB, der bestimmte Leistungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Systemstabilität anbietet, dafür eine Vergütung zu zahlen ist.290 Möglich ist zum einen, dass bereits für die Vorhaltung dieser Leistung eine Zahlung erfolgt, andererseits aber auch, dass nur oder zusätzlich der Abruf der Leistung in der konkreten Situation zu vergüten ist. Die vertraglich vereinbarte Leistungsvergütung unterscheidet die marktbezogenen Maßnahmen von den Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG, die vergütungs- und entschädigungslos erfolgen (vgl. § 13 Abs. 5 EnWG)291 – dafür aber auch subsidiär sind. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass marktbezogene Maßnahmen grundsätzlich auf freiwilliger Basis abgeschlossen werden – sowohl vonseiten des ÜNB als auch des Vertragspartners.292 Die grundsätzlich uneingeschränkte Freiheit der ÜNB, nach eigenem Bedarf und eigenen Maßstäben Verträge über Systemdienstleistungen abzuschließen, wurde durch den Gesetzgeber in verschiedener Weise der Regulierung unterworfen. So ergibt sich aus § 22 Abs. 2 EnWG, dass bei der Beschaffung von Regelenergie ein diskriminierungsfreies und transparentes Ausschreibungsverfahren anzuwenden ist. Gleiches gilt nach § 13 Abs. 6 EnWG (früher § 13 Abs. 4a EnWG) für die Beschaffung von Ab- und Zuschaltleistung. Für abschaltbare Lasten hat die Bundesregierung eine Verordnung erlassen (Verordnung zu abschaltbaren Lasten), die eine Verpflichtung zur wöchentlichen Ausschreibung bzw. Annahme von Angeboten zu Abschaltleistung in Höhe von nunmehr 1.500 Megawatt (früher 3.000 MW) enthält. Insoweit ist also die Abschlussfreiheit der ÜNB eingeschränkt – diese sind grundsätzlich dazu verpflichtet, sich gemeinsam um Abschaltleistung in der benannten Höhe zu bemühen. Die mit der EEG-Novelle 2017 in das EnWG eingeführte Regelung in § 13 Abs. 6a EnWG („Nutzen statt Abregeln“) enthält sehr detaillierte
289
BT-Drs. 18/7317, S. 85. BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 4; Bicker, Einspeisemanagement in EEG-Regionen – Grundlagen, aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen auf Biogasanlagen in Nordwestdeutschland, AUR 2012, S. 245 ff. (S. 246); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 428; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 112. 291 Etwas Anderes gilt jedoch im Rahmen des Einspeisemanagements nach §§ 14 f. EEG 2017 für die engpassbedingte Abregelung von EE-, Grubengas- und KWK-Anlagen ist nach § 15 EEG 2017 Entschädigung zu leisten. 292 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 21. 290
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Voraussetzungen, mit welchen KWK-Anlagen Verträge geschlossen werden dürfen.293 Umgekehrt beinhaltet § 13a Abs. 1 EnWG (früher § 13 Abs. 1a EnWG) die Verpflichtung für Speicher- und Erzeugungsanlagen mit einer Nennleistung über 10 Megawatt gegen angemessene Vergütung auf Anforderung durch den ÜNB die Wirkleistungs- oder Blindleistungseinspeisung bzw. den Wirkleistungsbezug anzupassen. Damit wird ein Großteil der Anlagen automatisch dem Redispatch unterworfen. Aus dem Wortlaut lässt sich ableiten, dass insoweit auch keine vertragliche Regelung erforderlich ist, so dass man an sich nicht von marktbezogenen Maßnahmen sprechen kann.294 Trotzdem ist die Einordnung bei den marktbezogenen Maßnahmen nachvollziehbar, da die Anpassungsmaßnahmen nach § 13a EnWG jedenfalls eine Vergütung nach sich ziehen, während Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG vergütungsfrei sind.295 Die in § 13 EnWG aufgezählten Beispiele für marktbezogene Maßnahmen sind bei genauerer Betrachtung keineswegs gleichrangige Alternativmöglichkeiten, sondern betreffen zum einen unterschiedliche Netzsymptome und setzen zum anderen an unterschiedlichen Stellen der Netznutzung an: Regelenergie betrifft sowohl die Einspeise- als auch die Lastseite und wird v. a. eingesetzt, um die Systembilanz aus Einspeisungen und Ausspeisungen im Gleichgewicht zu halten.296 Ab- und zuschaltbare Lasten sind ebenfalls in erster Linie der Systembilanz zuzuordnen, erfassen aber – der Name sagt es bereits – nur die Lastseite.297 Mit dem neuen § 13 Abs. 6a EnWG sollen allerdings Lasten (namentlich Power-to-Heat-Anlagen) zukünftig auch stärker im Bereich des Engpassmanagements herangezogen werden.298 Information und Management von Engpässen sind an sich keine eigenen Maßnahmen, sondern der Oberbegriff für einen wesentlichen Teilbereich der Systemverantwortung, nämlich den Umgang mit Netzengpässen. Die hierzu eigensetzten Instrumente – insbesondere das die Erzeugungsseite betreffende Redispatching – werden im EnWG nicht speziell genannt. Auch ab- und zuschaltbare Lasten sowie Regelenergie sind grundsätzlich im Rahmen des Engpassmanagements einsetzbar;
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BGBl. 2016 I S. 2258 ff. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 429: „die vom Gesetzgeber zwar als marktbezogene Maßnahmen bezeichnet werden, aber eigentlich keine sind.“ 295 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 429. Dies gilt allerdings nicht, soweit das Einspeisemanagement nach §§ 14 f. EEG 2017 betroffen ist. 296 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 182. 297 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 183. 298 BT-Drs. 18/8860, S. 333. 294
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
der Einsatz von Regelenergie zur Engpassbeseitigung kommt jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht.299 Der Begriff der zusätzlichen Reserven (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG) ist noch weiter als der des Managements von Engpässen und umfasst alle Maßnahmen, die über das Standardrepertoire hinaus noch als Reservemöglichkeiten zur Verfügung stehen. Insbesondere bezieht sich der Gesetzgeber damit aber auf die Instrumente Netzreserve und Kapazitätsreserve. Erstere betrifft das Engpassmanagement, letztere zielt eher auf den Bereich der Systembilanz. 1. Einsatz von Regelenergie300 Zunächst soll der Einsatz von Regelenergie als zentrales Thema der Systemverantwortung näher untersucht werden. Gerade durch die fluktuierende Einspeisung von Wind und Photovoltaik ist es zunehmend schwierig, die erforderliche Netzfrequenz von 50 Hertz stabil zu halten.301 Regelenergie betrifft sowohl die Einspeiseals auch die Lastseite und wird eingesetzt, um die Systembilanz im Lot zu halten.302 Bei Frequenzschwankungen ist zunächst ein Ausgleich über die Bilanzkreise, in denen Ein- und Ausspeisungen durch einen Bilanzkreisverantwortlichen saldiert werden, durchzuführen. Erst wenn das Problem nicht über die Bilanzkreise bewältigt werden kann, wird Regelenergie eingesetzt. Zu vermeiden sind sowohl Unterfrequenzen (wenn die Last größer ist als die Einspeisung) als auch Überfrequenzen (wenn die Einspeisung größer ist als die Last).303 Die Regelenergie dient der netzseitigen Versorgungssicherheit, also der System- bzw. Netzstabilität.304 Die Verfügbarkeit von Primärenergieträgern und Erzeugungskapazitäten spielt hier an sich nur mittelbar eine Rolle. Die langfristige Vorhaltung ausreichender Kapazitäten zum 299 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 453 ff., 469 f.; bezüglich abschaltbaren Lasten auch: Weise/Hartmann/ Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 185). 300 Hinweis: Im Bereich der Regelenergie sowie des Bilanzkreismanagements werden sich bereits im Jahre 2018 aufgrund unionsrechtlicher Überformung Änderungen ergeben. Hierzu ist auf die Verordnung VO (EU) 2017/1485 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb („SOGL“), ABl. EU 2017, L 220/1 ff., sowie die Verordnung VO (EU) 2017/ 2195 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem („EBGL“), ABl. EU 2017, L 312/6 ff., sowie entsprechende Umsetzungsinitiativen der deutschen bzw. europäischen ÜNB hinzuweisen. 301 Vgl. etwa Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 17); zudem: Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 72 ff. 302 Theoretisch kann Regelenergie aber auch in Engpasssituationen eingesetzt werden. 303 Kroneberg/Semmler/Teschner, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 22 EnWG Rn. 6. 304 Vgl. Teil 2 A.II.
B. Maßnahmenkatalog zur Wahrnehmung der Systemverantwortung
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Ausgleich von Angebot und Nachfrage wird allerdings zukünftig über das Instrument der Kapazitätsreserve abgesichert (§ 13e EnWG), das mit dem Strommarktgesetz eingeführt wurde.305 Soweit es um sog. negative Regelenergie geht, steht gerade die Abregelung von Erzeugungsanlagen oder die Aktivierung zusätzlicher Lasten im Vordergrund, um Überfrequenzen zu verhindern. Der Gesetzgeber misst dem gesicherten Ausgleich von Angebot und Nachfrage sowie einem funktionierenden Bilanzkreis- und Ausgleichsenergiesystem im „Strommarkt 2.0“ eine zentrale Bedeutung zu. Dies ergibt sich bereits aus der neuen Zielsetzung in § 1 Abs. 4 Nr. 2 EnWG, die die langfristige Vermeidung von Systembilanzungleichgewichten adressiert306 sowie aus § 1a Abs. 2 EnWG, wo die zentrale Bedeutung des Bilanzkreis- und Ausgleichsenergiesystems betont und die Bilanzkreistreue der Bilanzkreisverantwortlichen sowie die ordentliche Bewirtschaftung der Bilanzkreise in den Fokus gerückt wird.307 a) Die Systembilanz und die Rolle des Einsatzes von Regelenergie Die Stabilität der Stromnetze erfordert, dass eine ausgeglichene Systembilanz, also ein Gleichgewicht aller Einspeisungen und Ausspeisungen in jeder Viertelstunde gewährleistet wird.308 Dabei ist eine Frequenz von 50 Hertz beizubehalten. Über- und Unterfrequenzen sind zu vermeiden, da sonst Gefährdungen oder Störungen für die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems drohen. Um diesem Erfordernis gerecht zu werden, ist ein umfangreiches Bilanzkreismanagement durchzuführen. Dieses wurde erstmals eingeführt mit der Verbändevereinbarung VV II vom 13. September 1999.309 Jeder Einspeiser und jeder Verbraucher muss einem Bilanzkreis310 zugeordnet werden (§ 4 Abs. 3 S. 1 StromNZV, vgl. auch § 21 Abs. 1a S. 5 EnWG), wobei sich beliebig viele Einspeise- bzw. Entnahmestellen in einem Bilanzkreis befinden können. Voraussetzung ist aber, dass sich in jedem Bilanzkreis mindestens eine Einspeise- und eine Entnahmestelle befinden (§ 4 Abs. 1 S. 2 StromNZV). Anlagen, die eine Einspeisevergütung nach dem EEG erhalten (§§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 21 EEG 305
BGBl. 2016 I S. 1786 ff. BT-Drs. 18/7317, S. 76. 307 BT-Drs. 18/7317, S. 76. 308 Vgl. dazu weiterführend Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 65 ff., 112 ff. 309 Siehe dazu Müller-Kirchenbauer/Ritzau, VV II – Anforderungen und Chancen in der Praxis, et 2000, Heft 4, S. 212 ff. 310 § 3 Nr. 10 EnWG: „Im Elektrizitätsbereich innerhalb einer Regelzone die Zusammenfassung von Einspeise- und Entnahmestellen, die dem Zweck dient, Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen durch ihre Durchmischung zu minimieren und die Abwicklung von Handelstransaktionen zu ermöglichen.“ 306
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
2017), werden in einem eigenen Bilanzkreis geführt (§ 11 StromNZV). Im Rahmen der geförderten Direktvermarktung ist die Bilanzierung in einem eigenen Bilanzoder Unterbilanzkreis erforderlich, um die Marktprämie in Anspruch nehmen zu können (§§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 4 EEG 2017). Auch für Verlustenergie311 (§ 10 StromNZV) und die Abweichungen des tatsächlichen Stromverbrauchs von Letztverbrauchern im Standardlastprofil312 (Differenzbilanzkreis nach § 12 Abs. 3 StromNZV) ist eine gesonderte Bilanzierung durchzuführen. Die Netznutzer in einem Bilanzkreis müssen gegenüber dem ÜNB, in dessen Regelzone sich der Bilanzkreis befindet, einen Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) benennen. Dieser bildet die Schnittstelle zwischen dem ÜNB und den Netznutzern und ist dafür verantwortlich (auch wirtschaftlich), eine ausgeglichene Bilanz von Einspeisungen und Ausspeisungen in jeder Viertelstunde zu gewährleisten (§ 4 Abs. 2 S. 2 StromNZV). Die Bilanzkreisverantwortlichen übernehmen also gegenüber den ÜNB die Aufgabe, für den Bilanzausgleich zu sorgen; die Grundlage dafür bildet ein Bilanzkreisvertrag (§ 26 StromNZV).313 In der Regel sind Energieversorgungsunternehmen oder große Industriebetriebe als Bilanzkreisverantwortliche eingesetzt.314 Aber auch Stromerzeuger, Direktvermarktungsunternehmer und Endkunden können die Bilanzkreisverantwortung übernehmen.315 Die vier deutschen ÜNB tragen die Gesamtverantwortung für die Frequenz-Leistungsregelung und koordinieren die Bilanzkreise.316 Sie werden insoweit als Bilanzkreiskoordinatoren bezeichnet (BIKO). Durch die bilanzielle Erfassung können in jedem Bilanzkreis – als Zuordnungseinheit – Abweichungen zwischen Ein- und Ausspeisungen saldiert werden.317 311
Verlustenergie meint diejenige Ausgleichsenergie, die zur Deckung von Netzverlusten eingesetzt wird, vgl. § 3 Nr. 1 EnWG. 312 Gemeint sind Letztverbraucher ohne registrierende Lastgangmessung, vgl. § 17 Abs. 6 StromNEV. 313 Siehe dazu die Festlegungen der BNetzA zur Einführung eines Standardbilanzvertrages, Beschluss vom 29. 09. 2011, BK6 – 06 – 013. Vgl. hierzu auch de Wyl/Wagner, Aktuelle Entwicklungen der Strompreisbilanzierung – Branchenlösung zu Bilanzkreisvertrag, Nulldurchgängen und der Marktrolle Aggregator, IR 2016, S. 146 ff. Künftig sind die ÜNB dazu berufen, einen Standardbilanzkreisvertrag zu entwickeln (Art. 18 der Verordnung VO (EU) 2017/2195 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, ABl. EU 2017, L 312/6 ff.). 314 VDN, Transmission Code 2007, S. 73. 315 De Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 245; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 78, Fn. 59). 316 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 309); de Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 410. 317 De Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 244.
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Solche entstehen in erster Linie durch unvorhersehbare Ereignisse (Bsp.: Kraftwerksausfall, vgl. § 5 Abs. 4 StromNZV) oder schlichte Prognosefehler.318 Die Bilanzkreisverantwortlichen müssen zum einen den Verbrauch für jede Viertelstunde prognostizieren und zum anderen dafür sorgen, dass dieser Verbrauch durch eigene Kraftwerke oder den Zukauf von Strom gedeckt werden kann. In einem von volatil einspeisenden Energiequellen geprägten Stromsystem ist auch die Erzeugungsseite höheren Prognoserisiken unterworfen, da nicht viertelstunden- und einspeisepunktgenau vorhergesagt werden kann, wann und wo Wind weht oder die Sonne scheint.319 Die Verbrauchsseite wiederum lässt sich durch zunehmende Tendenzen zur Eigenversorgung – etwa durch eine eigene PV-Anlage auf dem Dach eines Privathauses – schwerer einschätzen.320 Selbst gesellschaftliche Großereignisse wie eine Fußball-Weltmeisterschaft können für die Netzprognosen große Probleme erzeugen.321 Um eine ausgeglichene Bilanz in einem Bilanzkreis erzielen zu können, ist in der Regel ein Austausch mit anderen Bilanzkreisen erforderlich (Export oder Import).322 Lieferungen zwischen verschiedenen Bilanzkreisen erfolgen auf der Grundlage von Fahrplänen (§ 2 Nr. 1 StromNZV), die dem regelverantwortlichen ÜNB bis 14.30 Uhr für den Folgetag mitzuteilen sind (§ 5 Abs. 1 S. 3 StromNZV).323 Sich abzeichnende Prognosefehler können von den BKV aber in gewissem Umfang auch über kurzfristige Börsengeschäfte im sog. intraday-Handel (vgl. § 5 Abs. 2 StromNZV) korrigiert werden.324 Die von den Bilanzkreisen eingereichten Fahrpläne bilden die Grundlage für die Systembetriebsplanung der ÜNB.325 Alle Fahrplananmeldungen, die prognostizierten Einspeisungen und Lasten sowie der geplante Netzzustand sind unter Einhaltung des (n-1)-Kriteriums zu koordinieren.326 Auch der regelzonenübergreifende sowie 318
Hirth/Ziegenhagen, Wind, Sonne und Regelleistung, et 2013, Heft 10, S. 59 ff. (S. 59). Brückl/Neubarth/Wagner, Regel- und Reserveleistungsbedarf eines Übertragungsnetzbetreibers, et 2006, Heft-1 – 2, S. 50 ff. (S. 50 – 52); Lüdtke-Handjery, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 5 StromNZV Rn. 15. (Stand: August 2009); Hirth/Ziegenhagen, Wind, Sonne und Regelleistung, et 2013, Heft 10, S. 59 ff. (S. 59 f.). 320 Benfer/Heinemann et al., Auswirkungen der Eigenerzeugung auf die Bilanzkreisbewirtschaftung, et 2014, Heft 1/2, S. 91 ff. (S. 91 f.) 321 Thyen/Hilker, Die Fussball-WM 2014 und ihr Einfluss auf Deutschlands Regelenergiemarkt, et 2014, Heft 11, S. 50 f. 322 Vgl. de Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 246, 414. Siehe auch in § 3 Nr. 10a EnWG: „Abwicklung von Handelstransaktionen“. 323 Zur Änderung von Fahrplänen siehe § 5 Abs. 2 StromNZV. 324 Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 20); Hirth/Ziegenhagen, Wind, Sonne und Regelleistung, et 2013, Heft 10, S. 59 ff. (S. 60); siehe auch: Horstmann/Buchholz, ViertelstundenIntraday-Handel entlastet die Netze, ew 2014, Heft 2, S. 38 ff. 325 VDN, Transmission Code 2007, S. 61. In diesem Zusammenhang sind auch die Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom (MaBiS) von Bedeutung, BNetzA, Beschluss vom 10. 06. 2009, BK6 – 07 – 002. 326 VDN, Transmission Code 2007, S. 62. 319
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-interne Austausch von Bilanzkreisen muss in der Systembetriebsplanung beachtet werden. Nur durch diese abgestimmte Planung kann die Ausgeglichenheit der Systembilanz gewährleistet werden. Zudem wird ein effizientes Engpassmanagement ermöglicht. Neben der Systembetriebsplanung steht die Beobachtung der IstSituation als Aufgabe der Systemführung, die dem sicheren Betrieb des Gesamtsystems und der Überwachung und Steuerung des Übertragungsnetzes sowie der angeschlossenen Lasten und Erzeugungseinheiten dient.327 Sobald Zustände auftreten, die vom Normalbetrieb abweichen, sind Maßnahmen erforderlich.328 Bleiben trotz des Austausches mit anderen Bilanzkreisen oder der Durchführung von intraday-Geschäften Ungleichgewichte in einzelnen Bilanzkreisen bestehen, setzen die ÜNB sog. Ausgleichsenergie329 ein, um diese zu beseitigen.330 Bis zu einem gewissen Grad lassen sich Überdeckungen in den einen und Unterdeckungen in den anderen Bilanzkreisen gegeneinander aufrechnen (vgl. § 8 Abs. 2 S. 1 StromNZV).331 Nur soweit Abweichungen in der Gesamtregelzone auf diese Weise nicht behoben werden können, ist der Einsatz von Regelenergie erforderlich.332 Oder anders gesagt: Die saldierte Abweichung aller Bilanzkreise entspricht der eingesetzten Regelenergie.333 Die Regelenergie zählt insoweit zu den Ausgleichsleistungen (§ 3 Nr. 1 EnWG) und bezeichnet diejenige Energie, die schlussendlich zum physikalischen Ausgleich von Leitungsungleichgewichten in der jeweiligen Regelzone eingesetzt wird (§ 2 Nr. 9 StromNZV).334 Sie wird durch die ÜNB durch 327
VDN, Transmission Code 2007, S. 63. VDN, Transmission Code 2007, S. 64. 329 Hierbei handelt es sich einerseits um einen Oberbegriff, dem die Regelenergie als Teilbereich unterfällt (vgl. § 3 Nr. 1 EnWG), andererseits wird der Begriff auch als Spezialbezeichnung im Rahmen der finanziellen Abwicklung der Regelenergie verwendet (§ 8 Abs. 2 S. 2 StromNZV). 330 Curtius, in: Bartsch/Röhling/Salje/Scholz (Hrsg.), Stromwirtschaft – Ein Praxishandbuch, 2. Aufl., München 2008, S. 427; zu beachten ist jedoch § 6 Abs. 4 S. 2 StromNZV – danach ist bei ungeplanten Kraftwerksausfällen nach Ablauf einer Stunde wieder der BKV verantwortlich (Stundenreserve). 331 Kremer, Bedarf an Regelenergie im Netz wächst, Energy 2.0 2012, S. 16 ff. (S. 16); von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 608). 332 Müller-Kirchenbauer/Zenke, Wettbewerbsmarkt für Regel- und Ausgleichsenergie, et 2001, Heft 11, S. 696 ff. (S. 697); Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 20); Kremer, Bedarf an Regelenergie im Netz wächst, Energy 2.0 2012, S. 16 ff. (S. 16); Oesterwind/Spiegel/Riegebauer, Brachliegende Erlöspotenziale auf dem Regelenergiemarkt, et 2015, Heft 10, S. 42 ff. (S. 42); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 54. 333 So Kroneberg/Semmler/Teschner, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 22 EnWG Rn. 6, 11. 334 Näher zum Begriff der Regelenergie Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 178 ff. 328
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vertragliche Vereinbarungen kontrahiert und – wenn der Abruf erforderlich wird – eingesetzt. Die Bedarfsermittlung erfolgt auf 15-Minutenbasis (§ 8 Abs. 2 S. 1, 2 StromNZV).335 Physikalisch betrachtet ist die Netzfrequenz allerdings in jeder Sekunde zu gewährleisten.336 Die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems kann jedoch gefährdet werden, wenn die Bilanzkreisverantwortlichen aus Wirtschaftlichkeitsgründen bewusst Über- oder Unterspeisungen ihrer Bilanzkreise in Kauf nehmen337, je nachdem, wie das Verhältnis des Ausgleichsenergiepreises338, den die BKV für den Bezug von Ausgleichsenergie gemäß § 8 Abs. 2 StromNZV zu leisten haben, zum Spotmarktpreis des Stromes liegt bzw. erwartet wird.339 Die kontrahierten Regelenergiemengen könnten so im schlimmsten Fall bereits durch das Fehlverhalten der BKV ausgeschöpft werden, so dass es für plötzlich auftretende Gefährdungssituationen i.S.v. § 13 EnWG an einsetzbarer Regelenergie mangelt. Auch angesichts der Tatsache, dass Regelenergie zunehmend benötigt wird, um (logische) Prognosefehler der Einspeisung von Strom aus fluktuierenden erneuerbaren Energieträgern auszugleichen340, ist die Wichtigkeit der korrekten Bilanzkreisbewirtschaftung für das gesamte Energiesystem nicht zu unterschätzen. Deshalb betont der Gesetzgeber auch zunehmend die Bedeutung der Bilanzkreistreue (vgl. etwa § 1a Abs. 2 S. 2 EnWG). Zudem können nun – anders als das bislang der Fall war – zusätzliche Kosten für die Vorhaltung von Regelleistung ggf. auch auf die Bilanzkreisverantwortlichen abgewälzt werden (§ 8 Abs. 1 S. 1 a.E., Abs. 2 S. 2 StromNZV n.F.).341
335 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 309). 336 Kroneberg/Semmler/Teschner, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 22 EnWG Rn. 6. Möglicherweise ist deshalb auch die Einführung eines Preises für möglichst genaue Einspeisung von Regelenergie sinnvoll oder gar erforderlich, vgl. hierzu Meister/Schneider, Kein Preis für Genauigkeit – Preise für Sekundärregelleistung in Deutschland diskriminierend?, EnWZ 2015, S. 110 ff. 337 Vgl.: Kremer, Bedarf an Regelenergie im Netz wächst, Energy 2.0 2012, S. 16 ff. (S. 19); Hirth/Ziegenhagen, Wind, Sonne und Regelleistung, et 2013, Heft 10, S. 59 ff. (S. 60); Bourwieg, Aktuelles aus der Regulierung (Stand: Januar 2014), ER 2014, S. 47 ff. (S. 48). Hinweis: Die BKV können an sich auch eigene Reserven vorhalten, um selbst Schwankungen auszugleichen. 338 Hierzu näher in Teil 3 A.III.2.a). 339 BNetzA, Beschluss vom 25. 10. 2012, BK6 – 12 – 024, S. 9 f.; Lüdtke-Handjery, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 5 StromNZV Rn. 10 f. (Stand: August 2009); vgl. auch: BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014, S. 23. 340 Horstmann/Buchholz, Viertelstunden-Intraday-Handel entlastet die Netze, ew 2014, Heft 2, S. 38 ff. (S. 40); Schlieper/Hinz, Power to Heat – Regelenergie mit Mehrwert, ew 2014, Heft 6, S. 56 ff. (S. 56). 341 BT-Drs. 18/7317, S. 135.
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b) Rechtsgrundlagen der Regelenergie Nachdem nun geklärt ist, wie das Bilanzkreissystem mit dem Einsatz von Regelenergie zusammenhängt, soll im Folgenden näher auf die Beschaffung und den Gebrauch von Regelenergie eingegangen werden. Um sich diesen Themen nähern zu können, sind zunächst die Rechtsgrundlagen zu erfassen. In § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG – also im Rahmen der Norm zur Systemverantwortung – wird der „Einsatz von Regelenergie“ zu den marktbezogenen Maßnahmen gezählt, nicht aber näher beschrieben. Ausgangspunkt der Beschäftigung mit dem Begriff der Regelenergie ist vielmehr § 22 Abs. 2 EnWG.342 Diese Vorschrift dient der Regulierung der Regelenergiebeschaffung343, für die ein diskriminierungsfreies und transparentes Ausschreibungsverfahren anzuwenden ist. Auf diesem Wege soll es jedem Anbieter potenziell ermöglicht werden, Angebote abzugeben.344 Die ÜNB werden zur Zusammenarbeit verpflichtet, sie haben insbesondere eine gemeinsame Internetplattform für die Ausschreibung einzurichten345 sowie die Anforderungen, die die Anbieter von Regelenergie erfüllen müssen – soweit technisch möglich – zu vereinheitlichen. Verteilnetzbetreiber sind in das Regelenergiesystem nicht eingebunden, was sich aus § 22 Abs. 2 EnWG bzw. § 6 Abs. 1 StromNZV ableiten lässt; dort werden nur die ÜNB in Bezug genommen.346 Weitergehende Vorgaben finden sich in den §§ 6 ff. StromNZV.347 Die Zusammenarbeitsverpflichtung der ÜNB wird dort näher ausgestaltet: Erforderlich ist eine regelzonenübergreifende Ausschreibung (§ 6 Abs. 1 StromNZV), um sog. Gegeneinander-Regeln im Netzregelverbund348 zu vermeiden und die Kosten für die Beschaffung von Regelenergie zu senken.349 Nur ein für die Gewährleistung der Systemverantwortung unabdingbarer Anteil darf durch die ÜNB in ihrer jeweiligen Regelzone ausgeschrieben werden (§ 6 Abs. 2 StromNZV). Ein aus der Gesamtsicht 342 Die Vorschrift ist lex specialis zu § 22 Abs. 1 EnWG, der sich allgemein auf Ausgleichsleistungen bezieht. 343 Vgl. zum Hintergrund näher Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 22 Rn. 1 f. 344 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 22 Rn. 8. 345 Zu finden unter http://www.regelleistung.net. 346 VDN, Transmission Code 2007, S. 9; Burges/Bömer, Systemdienstleistungen durch Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien, in: Thorsten Müller (Hrsg.), 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien, 2012, S. 759 ff. (S. 760); Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 182). 347 Die Verordnungsermächtigung für die StromNZV findet sich in § 24 EnWG, hinsichtlich der Vorschriften zur Regelenergie insbesondere in Satz 2 Nr. 3 und Satz 4. 348 Nicht zu verwechseln mit der Übertragung der Regelverantwortung auf einen ÜNB oder gar der Bildung einer einheitlichen Regelzone (vgl. § 12 Abs. 1 EnWG). 349 BT-Drs. 15/3917, S. 60; Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 22 Rn. 12; Kroneberg/Semmler/Teschner, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 22 EnWG Rn. 41.
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des Energieversorgungssystems ineffizientes Gegeneinander-Regeln tritt auf, wenn zeitgleich in einer Regelzone positive Regelenergie zum Ausgleich einer Unterdeckung mit Strom und in einer anderen Regelzone negative Regelenergie zum Ausgleich einer Überdeckung eingesetzt wird.350 Das Normenkonstrukt der Regelenergie enthält energierechtstypisch über die gesetzlichen Grundlagen im EnWG sowie die Vorschriften auf dem Verordnungswege in der StromNZV hinaus eine weitere Ebene, die durch Festlegungen der Bundesnetzagentur gekennzeichnet ist (§§ 29, 54 EnWG). So folgt aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StromNZV die Befugnis der Regulierungsbehörde, das Beschaffungsverfahren und den Einsatz von Regelenergie detaillierter auszuführen, wovon die BNetzA in verschiedenen Beschlüssen auch Gebrauch gemacht hat.351 Diese Beschlüsse haben Vorrang vor den für sich rechtlich unverbindlichen Netz- und Systemregelungen der deutschen ÜNB im Transmission Code 2007.352 Dies ergibt sich auch aus dem TMC 2007 selbst – dort heißt es u. a.: „Die ÜNB beschaffen diese Regelenergiearten gemäß den gesetzlichen Regelungen und den Festlegungen der BNetzA.“353 Die Anhänge D1 bis D3 zum Transmission Code enthalten die unter den ÜNB gemeinsam abgestimmten Präqualifikationsbedingungen und sind deshalb in der Praxis von erheblicher Bedeutung.354 c) Gliederung, Beschaffung und Einsatz von Regelenergie Im Folgenden wird näher beschrieben, welche Arten und Formen an Regelenergie es gibt, wie Ausschreibung und Präqualifikation vor sich gehen und was hinsichtlich Angebotsabgabe, Vergütung und Einsatz der Regelenergie zu beachten ist. aa) Arten und Formen der Regelenergie Regelenergie lässt sich – wie man § 6 Abs. 3 StromNZV entnehmen kann – in verschiedene Arten und Formen unterteilen. Man unterscheidet insbesondere Pri350 Lüdtke-Handjery, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 6 StromNZV Rn. 5. (Stand: August 2009); Kroneberg/Semmler/Teschner, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 22 EnWG Rn. 42 (Fn. 67). 351 Aktuell heranzuziehen: BNetzA, Beschlüsse vom 12. 04. 2011, BK6 – 10 – 097 und BK6 – 10 – 098 bzw. vom 18. 10. 2011, BK6 – 10 – 099. Es ist darauf hinzuweisen, dass die BNetzA am 13. Juni 2017 mit Wirkung zum 12. Juli 2018 neue Ausschreibungsbedingungen für Sekundärregelung und Minutenreserve erlassen hat (BK6 – 15 – 158 und BK6 – 15 – 159), vgl. hierzu bereits Bourwieg, Aktuelles aus der Energieregulierung, ER 2017, S. 47 ff. (S. 53). 352 VDN, Transmission Code 2007. 353 VDN, Transmission Code 2007, S. 50. 354 Anhänge D1, D2 (Teil 1 und 2) und D3 zum Transmission Code (2007). Anhang D1 wurde mit dem TMC 2007 nicht überarbeitet und entspricht somit dem Stand von 2003. Anhang D2 wurde 2009 zuletzt überarbeitet.
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märregelung, Sekundärregelung und Minutenreserve.355 Diese drei Regelenergiearten werden auf der gemeinsamen Internetplattform der ÜNB ausgeschrieben.356 Hinzu kommen noch die abschaltbaren Lasten, die über die gleiche Plattform (www.regelleistung.net) ausgeschrieben werden. Die einzelnen Arten unterteilen sich jeweils wiederum in positive und negative Regelleistung. Primärregelenergie357 wird innerhalb von 30 Sekunden automatisch eingesetzt, „durch Aktivbeitrag der Kraftwerke bei Frequenzänderungen und Passivbeitrag der von der Frequenz abhängigen Lasten“ (§ 3 Nr. 8 StromNZV). Sie dient dem permanenten kurzfristigen Differenzausgleich und bedarf keiner äußeren Steuerung. Sie muss für bis zu 15 Minuten zur Verfügung stehen.358 Aufgrund der kurzfristigen Zugriffszeit kommen jedoch nur wenige Anbieter in Betracht.359 Die Primärregelenergie wird in einer Gesamthöhe von 3.000 Megawatt von den kontinentaleuropäischen ÜNB der ENTSO-E360 gemeinsam vorgehalten. Mittlerweile nehmen auch mehrere ausländische ÜNB unmittelbar an der gemeinsamen Primärregelungsausschreibung der vier deutschen ÜNB teil (u. a. Swissgrid und TenneT NL).361 Die Primärregelung führt die Frequenz nicht zurück auf den Sollwert von 50 Hertz, sondern bewirkt nur eine Stabilisierung.362 Die Anbieter erbringen die Stabilisierungsleistung automatisch entsprechend der dezentral gemessenen Netzfrequenz.363 Die Sekundärregelung364 löst die Primärregelung deshalb bei einem fortbestehenden Bedarf ab, entlastet diese somit und sichert den Ausgleich der Leistungsbilanz (vgl. § 3 Nr. 10 StromNZV365).366 Die Regelabweichung wird auf dieser 355 Ausführlich hierzu Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 183 ff. 356 Es gibt aber auch noch weitere Regelenergieprodukte oder andere ähnlich wirkende Instrumente. 357 Siehe zum ganzen Absatz: VDN, Transmission Code 2007, S. 27; VDN, Transmission Code 2003, Anhang D1; BNetzA, Beschluss vom 12. 04. 2011, BK6 – 10 – 097. 358 Brückl/Neubarth/Wagner, Regel- und Reserveleistungsbedarf eines Übertragungsnetzbetreibers, et 2006, Heft-1 – 2, S. 50 ff. (S. 51). 359 Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 20). 360 ENTSO-E: European Network of Transmission System Operators for Electricity. 361 Siehe unter: https://www.regelleistung.net/ext/static/prl (abgerufen am 30. 06. 2017). 362 Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 11. 363 Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 26. 364 Siehe zum ganzen Absatz: VDN, Transmission Code 2007, Anhang D2 (Teil 1 und 2), mit Stand 2009; BNetzA, Beschluss vom 12. 04. 2011, BK6 – 10 – 098. 365 In § 3 Nr. 10 StromNZV heißt es dazu: „die betriebsbezogene Beeinflussung von zu einem Versorgungssystem gehörigen Einheiten zur Einhaltung des gewollten Energieaustausches der jeweiligen Regelzonen mit den übrigen Verbundnetzen bei gleichzeitiger, integraler Stützung der Frequenz.“
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Regelenergiestufe also auf den Sollwert zurückgeführt.367 Sie muss innerhalb von fünf Minuten in voller Höhe zur Verfügung und wird in der Regel nach 15 Minuten durch die Minutenreserve abgelöst.368 Auch bei der Sekundärregelung erfolgt der Abruf mittlerweile automatisiert; die Steuerung erfolgt über einen sog. LeistungsFrequenz-Regler. Der Gesamtbedarf wird von den ÜNB gemeinsam jeweils für 3 Monate ermittelt – hierzu wird ein mathematisches Verfahren eingesetzt, das verschiedene Ursachen von Bilanzkreisstörungen berücksichtigt.369 Die Minutenreserve (Tertiärregelenergie)370 schließlich kompensiert größere Bilanzstörungen und kommt dann zum Einsatz, wenn die Sekundärregelung nicht ausreicht bzw. zu deren Ablösung (vgl. § 3 Nr. 6 StromNZV). Sie muss innerhalb einer Vorlaufzeit von 7,5 bis 15 Minuten erbracht werden und einen Zeitraum von mindestens 15 Minuten in konstanter Höhe abdecken.371 Der Abruf erfolgt mittlerweile auch bei der Minutenreserve automatisch.372 Die Dimensionierung des Gesamtbedarfs erfolgt nach demselben Verfahren wie bei der Sekundärregelung.373 Die drei Regelenergiearten können jeweils in positiver und negativer Form bereitgestellt werden (vgl. § 6 Abs. 3 StromNZV): Einerseits kann die Last die Einspeisung übersteigen und so ein Unterangebot an Strom erzeugen, andererseits kann die Einspeisung aber auch die Last übersteigen, so dass Überschüsse erzeugt werden.374 Der starke Zubau von Windkraft- und PV-Anlagen führt dazu, dass die Erzeugung von Strom schwerer planbar ist als bei steuerbaren Erzeugungsanlagen (Kohle, Gas, Biomasse), da Wetterprognosen – wann weht der Wind, wann scheint die Sonne – immer ein gewisses Defizit an Genauigkeit in sich tragen.375 Das 366 Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 20); Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 11. 367 Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 11. 368 Brückl/Neubarth/Wagner, Regel- und Reserveleistungsbedarf eines Übertragungsnetzbetreibers, et 2006, Heft-1 – 2, S. 50 ff. (S. 51). 369 Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 20. 370 Siehe zum ganzen Absatz: VDN, Transmission Code 2007, Anhang D3; BNetzA, Beschluss vom 18. 10. 2011, BK6 – 10 – 099. 371 Brückl/Neubarth/Wagner, Regel- und Reserveleistungsbedarf eines Übertragungsnetzbetreibers, et 2006, Heft-1 – 2, S. 50 ff. (S. 51). 372 Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 27. 373 Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 20. 374 Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 20). 375 Von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 604).
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Energiesystem wandelt sich in Folge der Energiewende zunehmend zu einem angebotsabhängigen System, was für die Bilanzkreisbewirtschaftung und den Einsatz von Regelenergie eine Herausforderung darstellt.376 Neben dem Faktor Energiewende bestehen aber auch weiterhin die klassischen Unwägbarkeiten des Fahrplanmanagements: Kraftwerksausfälle und fehlerhafte Lastprognosen. Insgesamt ergeben sich immer vier Stellschrauben zur Bereitstellung von Regelenergie: Erhöhung oder Senkung der Einspeisung bzw. Erhöhung oder Senkung des Verbrauchs. Positive Regelenergie kommt zum Einsatz, wenn ein Unterangebot an Strom zur Verfügung steht – wenn also die Last größer ist als die Einspeisung.377 Regelenergie ist hier erforderlich, um zu verhindern, dass die Netzfrequenz sinkt. Zur Gewährleistung der Netzstabilität muss jedoch zu jeder Zeit eine Frequenz von 50 Hertz eingehalten werden. Zur Frequenzhaltung kann entweder auf Erzeugerseite mehr Strom eingespeist werden oder aber es können einzelne Verbraucher vom Netz genommen werden.378 In der umgekehrten Situation, wenn also ein Stromüberschuss vorliegt, da die Erzeugung die Last übersteigt, können entweder Erzeugungsanlagen abgeregelt werden oder zusätzliche Verbraucher aktiviert werden.379 In beiden Fällen spricht man von negativer Regelenergie. Ohne ein aktives Gegensteuern würde es hier zu einem Ansteigen der Netzfrequenz kommen. bb) Ausschreibungsverfahren380 und Vergütung Die beschriebenen Regelenergiearten sind von den ÜNB gemeinsam regelzonenübergreifend auf einer Internetplattform (www.regelleistung.net) auszuschreiben (§ 6 Abs. 1 StromNZV), wobei ein diskriminierungsfreies und transparentes Verfahren anzuwenden ist (§ 22 Abs. 2 StromNZV). Zudem kann ein zur Erhaltung der Versorgungssicherheit unabdingbarer Anteil an Regelenergie auch gesondert in der eigenen Regelzone ausgeschrieben werden (§ 6 Abs. 2 StromNZV). Dies kann erforderlich werden, wenn mögliche Engpässe im Stromnetz den Abruf von Regel-
376
Vgl. etwa Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 17). 377 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 309). 378 Vgl.: Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 309).; von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 609). 379 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 309); von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 609). 380 Vgl. dazu auch Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 432 ff.
B. Maßnahmenkatalog zur Wahrnehmung der Systemverantwortung
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energie andernfalls konterkarieren würden.381 Auf Antrag eines ÜNB kann die jeweilige Anschlussregelzone auch als Kriterium für die Zuschlagserteilung mitherangezogen werden; dies erfordert jedoch die Genehmigung durch die BNetzA.382 Vor der Teilnahme an einer Ausschreibung haben potenzielle Anbieter von Regelenergieprodukten (sog. Technische Einheiten) nachzuweisen, dass sie die zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit erforderlichen Anforderungen für die Erbringung der jeweiligen Regelenergieart erfüllen (§ 6 Abs. 5 StromNZV). Insbesondere sind die notwendigen technischen Fähigkeiten und die ordnungsgemäße Erbringung der Regelleistung unter betrieblichen Bedingungen nachzuweisen. Wer also mit seiner Anlage am Regelenergiemarkt partizipieren will, muss diese zunächst präqualifizieren und einen Rahmenvertrag, basierend auf abgestimmten Musterverträgen der ÜNB, schließen.383 Die exakten, unter den ÜNB gemeinsam abgestimmten Anforderungen (§ 22 Abs. 2 S. 1 EnWG), ergeben sich insbesondere aus den Anhängen D1 bis D3 zum Transmission Code 2007 und sind für die verschiedenen Regelenergiearten unterschiedlich.384 Die Präqualifikation findet immer beim Anschluss-ÜNB statt, also bei demjenigen, in dessen Regelzone sich die Anlage befindet.385 Die Ausschreibung erfolgt getrennt nach den drei Regelenergiearten Primär- und Sekundärregelenergie bzw. Minutenreserve. Sekundärregelenergie und Minutenreserve werden zudem auch getrennt nach positivem und negativem Regelenergiebedarf ausgeschrieben (§ 6 Abs. 3 S. 2 StromNZV). Primär- und Sekundärregelenergie werden wöchentlich ausgeschrieben, für die Minutenreserve erfolgt die Ausschreibung werktäglich.386 Zukünftig werden Sekundärregelung und Minutenreserve allerdings auf eine kalendertägliche Ausschreibung umgestellt, wobei jeweils Produktzeiten von vier Stunden vorgesehen sind.387
381 Heim, Ein Regelenergiemarkt-Plus als Kapazitätsmechanismus, et 2015, Heft 5, S. 22 f. (S. 23). 382 Beispielhaft für die Primärregelung: BNetzA, Beschluss vom 12. 04. 2011, BK6 – 10 – 097, S. 37 ff. Die Festlegungen für Sekundärregelung und Minutenreserve enthalten wortgleiche Formulierungen. 383 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 310). 384 Anhänge D1, D2 (Teil 1 und 2) und D3 zum Transmission Code (2007). Anhang D1 wurde mit dem TMC 2007 nicht überarbeitet und entspricht somit dem Stand von 2003. Anhang D2 wurde 2009 zuletzt überarbeitet. Weiterführend und kritisch zu den geltenden Anforderungen Schwintowski, Verfassungs- und europarechtliche Grenzen zulässiger Präqualifikation auf Märkten für Regelenergie, EWeRK 2016, S. 248 ff. 385 Vgl. beispielhaft für die Minutenreserve: VDN, Transmission Code 2007, Anhang D3. 386 BNetzA, Beschlüsse vom 12. 04. 2011, BK6 – 10 – 097, S. 2 und BK6 – 10 – 098, S. 2 sowie Beschluss vom 18. 10. 2011, BK6 – 10 – 099, S. 2. Die Sekundärregelung wird für Hauptund Nebenzeit ausgeschrieben, die Minutenreserve in vier-Stunden-Blöcken, also sechs Zeitscheiben. 387 BNetzA, Beschlüsse vom 13. 06. 2017, BK6 – 15 – 158 und BK6 – 15 – 159, jeweils S. 2, wirksam zum 12. Juli 2018.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
Die ÜNB können an sich Mindestangebote für die zur Verfügung stehende Regelenergie festlegen (§ 6 Abs. 4 S. 1 StromNZV). Eine jedenfalls geltende Mindestangebotsmenge wurde aber bereits von der Bundesnetzagentur festgesetzt: bei Primärregelenergie auf 1 Megawatt, bei Sekundärregelenergie und Minutenreserve auf 5 Megawatt.388 Aber auch Anlagenbetreiber, die diese Grenzen nicht überschreiten, können zum Zuge kommen, wenn sie Pools mit anderen kleineren Betreibern bilden (§ 6 Abs. 4 S. 3 StromNZV). Insbesondere dezentrale Erzeugungsanlagen können sich zu einer Anbietergemeinschaft vernetzen und so ein „virtuelles (Regelenergie-)Kraftwerk“ bilden.389 Auch EE-Anlagen können grundsätzlich eingesetzt werden390, um Regelenergie anzubieten, wenn die Präqualifikationsbedingungen erfüllt werden.391 Bei Anlagen in der Direktvermarktung zur Inanspruchnahme der Marktprämie (§§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 EEG 2017) ergibt sich dies aus § 80 Abs. 1 S. 4 EEG 2017. Dort heißt es: „Die Vermarktung als Regelenergie ist im Rahmen der Direktvermarktung nicht als mehrfacher Verkauf oder anderweitige Überlassung von Strom anzusehen.“ Daraus folgt, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass direktvermarktete Anlagen Regelenergie grundsätzlich anbieten dürfen – andernfalls müsste er nicht explizit zum Ausdruck bringen, dass in diesem Fall kein Verstoß gegen das Doppelvermarktungsverbot des § 80 EEG 2017 vorliegt.392 Wird für EE-Strom dagegen eine Einspeisevergütung in Anspruch genommen, ist die Teilnahme am Regelenergiemarkt untersagt (§§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 21 Abs. 2 Nr. 2).393 Diese Vorschrift überlagert dann 388 BNetzA, Beschlüsse vom 12. 04. 2011, BK6 – 10 – 097, S. 2 und BK6 – 10 – 098, S. 3 bzw. vom 18. 10. 2011, BK6 – 10 – 099, S. 3. Künftig bestehen auch Ausnahmeregelungen für kleinere Anbieter (BNetzA, Beschlüsse vom 13. 06. 2017, BK6 – 15 – 158 und BK6 – 15 – 159, jeweils S. 2, wirksam zum 12. Juli 2018). 389 Fickers, Virtuelle Kraftwerke als Anbieter von Regelenergieprodukten, ZNER 2009, S. 17 ff.; Lüdtke-Handjery, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 5 StromNZV Rn. 3 (Stand: August 2009); Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 21). 390 So bereits Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 310 ff.). 391 Für fluktuierende EE in der Praxis derzeit aber – noch – kaum möglich, vgl. dazu IWES, Optimierung der Marktbedingungen für die Regelleistungserbringung durch Erneuerbare Energien, 2014; Böttger/Götz/Bruckner, Negative Sekundärregelleistung durch Power-to-HeatAnlagen, et 2014, Heft 4, S. 20 ff. (S. 20); zu Änderungsvorschlägen im Regelenergiemarkt: BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014, S. 22 f. Mit den neuen Ausschreibungsbedingungen für Sekundärregelung und Minutenreserve, die ab dem 12. Juli 2018 anzuwenden sind, sollen sich die Teilnahmebedingungen für EE verbessern (BNetzA, Beschlüsse vom 13. 06. 2017, BK6 – 15 – 158 und BK6 – 15 – 159). Diese betreffen allerdings nicht die Präqualifikationsbedingungen. 392 Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 18 f.) 393 Vgl. etwa BT-Drs. 18/1304, S. 213; von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 612).
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§ 11 Abs. 3 EEG 2017, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Abweichung vom Abnahmevorrang (§§ 11 Abs. 1 EEG 2017) für EE und Grubengas zulässt, so dass Anlagenbetreiber in die Lage versetzt werden, Verträge im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG394 abzuschließen. Generell ist § 11 Abs. 3 EEG 2017395 relevant, soweit es um eine mögliche Abregelung von EE- und Grubengas-Anlagen durch den ÜNB geht (negative Regelenergie)396, eine Erhöhung der Einspeisung ist freilich unproblematisch.397 Unproblematisch sind auch alle Formen der Selbstabregelung, also ohne Steuerung durch den Netzbetreiber. Bei hocheffizienten KWK-Anlagen gibt es keine gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zur Abweichung vom Abnahmevorrang und damit zur Beteiligung an marktbezogenen Maßnahmen wie der Regelenergie (vgl. § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG), soweit es um die Anlagenabregelung geht.398 Um zukünftig auch Letztverbrauchern verstärkt die Möglichkeit zu geben, Regelenergie anzubieten, wurde mit dem Strommarktgesetz ein neuer § 26a StromNZV geschaffen, der rechtliche Hemmnisse abbauen soll, die bislang einer Vermarktung von Lastmanagementpotenzialen im Weg stehen konnten.399 Dies betraf insbesondere den Einsatz von Vermarktungsdienstleistern, sog. Aggregatoren, sowie die Folgen für das Bilanzkreismanagement.400 Auf die jeweilige Ausschreibung hin geben die präqualifizierten Anbieter von Regelenergie ihre Angebote ab, die eine Mengenangabe, einen Leistungspreis pro Megawatt und – außer bei Primärregelenergie401 – einen Arbeitspreis pro Megawattstunde (MWh) enthalten.402 Der Leistungspreis wird für die Vorhaltung von Kapazitäten für Regelenergie bezahlt, unabhängig davon, ob letztendlich ein Abruf
394 Ohnehin zu beachten ist hier § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG, wonach vertragliche Abregelungsvereinbarungen mit EE- und Grubengas-Anlagen nachrangig zu anderen marktbezogenen Maßnahmen sind. 395 Hinzuweisen ist auch darauf, dass nach der Neufassung des § 7 Abs. 2 EEG mit der Novelle 2017 vertragliche Abweichungen von Vorschriften des EEG grundsätzlich zulässig sind, vgl. dazu BT-Drs. 18/8860, S. 190. 396 Zudem ist § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG zu beachten. Auf die Folgen für die merit order wird noch einzugehen sein, siehe Teil 2 C.II.3.b)aa). 397 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 313 ff.). 398 Ein Pendant zu § 11 Abs. 3 EEG 2017 existiert nicht. Eine Ausnahme besteht nur für Verträge im Sinne von § 13 Abs. 6a EnWG, nach § 3 Abs. 3 KWKG n.F. 399 BT-Drs. 18/8915, S. 42. Vgl. hierzu den Branchenleitfaden zur Regelleistungserbringung durch Drittpartei-Aggregatoren gem. § 26a EnWG, 2016. 400 Näheres hierzu Scholtka/Martin/Sänger, Das Strommarktgesetz – ein Strommarktdesign für die Energiewende?, ER 2016, S. 249 ff. (S. 250 f.). 401 BNetzA, Beschluss vom 12. 04. 2011, BK6 – 10 – 097, S. 37. 402 Von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 618).
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erfolgt oder nicht (Regelleistung).403 Vergütet wird hier das Regelenergiepotenzial, also die grundsätzliche Bereitschaft zur Erbringung von Regelenergie.404 Nach dem Leistungspreis richtet sich auch der Zuschlag (vgl. § 8 Abs. 1 S. 3 StromNZV).405 Der Arbeitspreis wird dagegen für den tatsächlichen Einsatz bezahlt (Regelenergie im engeren Sinne oder auch Regelarbeit).406 Ob ein Anbieter abgerufen wird, folgt grundsätzlich407 dem Prinzip der merit order (Leistungsreihenfolge): Zunächst kommt der Anbieter mit dem günstigsten Arbeitspreis zum Zug, es folgen die Anbieter mit den nächsthöheren Angeboten408 – solange, bis der Bedarf an Regelenergie gedeckt ist (vgl. § 7 StromNZV).409 Der Arbeitspreis wird also nur beim tatsächlichen Einsatz der kontrahierten Anbieter gezahlt; hier werden anbieterseitig die mit dem Anbieten von Regelenergie verbundenen Kosten oder entgangenen Vergütungen eingepreist.410 Derzeit wird für Leistungs- und Arbeitspreis das pay as bid-Verfahren genutzt, soweit ein Zuschlag erfolgt bzw. die Anlage konkret zum Einsatz kommt, wird also der Angebotspreis ausgezahlt.411 Die Regulierungsbehörde kann jedoch auch festlegen, dass stattdessen Einheitspreise gezahlt werden (§ 27 Abs. 1 Nr. 3b i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 3 StromNZV), dass also etwa allen Teilnehmern gleichermaßen 403 Von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 618). 404 Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 21). 405 Das Zuschlagsverfahren wurde bei der Überarbeitung der Ausschreibungsbedingungen vom 13. Juni 2017 (BNetzA, Beschlüsse vom 13. 06. 2017, BK6 – 15 – 158 und BK6 – 15 – 159, jeweils S. 2, wirksam zum 12. Juli 2018) nicht angetastet, auch im Hinblick auf ohnehin absehbare Änderungen im Rahmen der unionsrechtlichen Überformung der Regelenergie-Vorgaben (Verordnung VO (EU) 2017/1485 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb, ABl. EU 2017, L 220/1 ff., sowie Verordnung VO (EU) 2017/2195 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, ABl. EU 2017, L 312/6 ff.). Da aber erstmals zum 17. Oktober 2017 sowie in der Folgezeit im Abruf mehrfach sehr hohe Arbeitspreisgebote bezuschlagt wurden, die nicht auf Knappheitssituationen zurückgeführt werden konnten, hat sich die BNetzA mit Beschluss vom 2. Februar 2018 dazu entschlossen, zwischenzeitlich noch eine Änderung des Zuschlagsmechanismus zu konsultieren: BNetzA, BK6 – 18 – 019/020. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen (Stand: März 2018). 406 Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 21). 407 Ausnahmen können sich beispielsweise aus drohenden Netzüberlastungen ergeben, vgl. § 7 S. 2 StromNZV. 408 Gezahlt wird jeweils der individuelle Preis nach dem pay as bid-Verfahren (also kein Grenzpreis, der für alle gültig ist). 409 Von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 618). 410 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 310). 411 Kritisch zur Abrechnungspraxis der ÜNB: Klotz/Reich, Die Abrechnungspraxis von Übertragungsnetzbetreibern für erbrachte Regelleistung, ZNER 2016, S. 312 ff.
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diejenige Gebotshöhe zu zahlen ist, die gerade noch zum Zug gekommen ist (Grenzpreis).412 Auch negative Arbeitspreise sind mittlerweile im Bietverfahren zulässig. Hier läuft der Zahlungsfluss also im Falle des Abrufs vom Anbieter der Regelenergie zum Übertragungsnetzbetreiber, dem damit Einnahmen entstehen.413 Der Hintergrund dieser auf den ersten Blick überraschenden Tatsache liegt darin, dass es für manche Stromerzeuger günstiger ist, Geld an den ÜNB zu zahlen, als ihre Erzeugungsmenge anpassen zu müssen. Beispielhaft sind sog. träge Kraftwerke zu nennen bzw. solche mit einer bestimmten Mindestleistung, bei deren Unterschreitung eine Abschaltung erforderlich wird.414 Die Ausschreibungsergebnisse sind der Regulierungsbehörde auf Anforderung zur Verfügung zu stellen und zudem in anonymisierter Form auf der Internetplattform zur Regelenergie zu veröffentlichen, wobei insbesondere der Preis des Grenzanbieters zu nennen ist (§ 9 StromNZV). 2. Kurzfristiges, marktbezogenes Engpassmanagement Neben dem Einsatz von Regelenergie nennt § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG als weitere marktbezogene Maßnahme die Information über und das Management von Engpässen.415 Die Regelung setzt u. a. Vorgaben der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie zur Behebung von Kapazitätsengpässen um.416 Wie bereits herausgearbeitet wurde, beziehen sich die Regelungen zum Engpassmanagement im Rahmen der Systemverantwortung nicht auf das gesamte Engpassmanagement, das insbesondere auch die Bewirtschaftung langfristig-struktureller Engpässe umfasst, sondern nur auf kurzfristig-sporadisch auftretende Engpässe. Nur letztere betreffen unmittelbar die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems und können zu plötzlichen Gefährdungen oder Störungen führen. Die Fragen einer möglichst marktgerechten Behandlung von längerfristig auftretenden strukturellen Engpässen (vgl. § 15 StromNZV), insbesondere beim grenzüberschreitenden Stromhandel (vgl.
412 Zurückhaltend hierzu Belica/Ehrhart/Ocker, Kritische Beurteilung der geplanten Umstrukturierung des Regelenergiemarktes, et 2016, Heft 5, S. 13 ff. 413 Vgl. Rolli, Marktstrukturanalyse der Stromwirtschaft – Der Regelleistungsmarkt und seine Bedeutung für die ordnungspolitische Gestaltung, Baden-Baden 2011, S. 46. 414 Rolli, Marktstrukturanalyse der Stromwirtschaft – Der Regelleistungsmarkt und seine Bedeutung für die ordnungspolitische Gestaltung, Baden-Baden 2011, S. 46. 415 Vgl. hierzu bereits Teil 2 A.III. 416 Vgl. Art. 23 Abs. 1 S.1 lit. a) der RL 2003/54/EG, ABl. EU 2003, L 176/37 ff.; vgl. in der aktuellen Fassung u. a. Art. 37 Abs. 9 RL 2009/72/EG, ABl. EU 2009, L 211/55 ff.; Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff. (S. 84).
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Art. 16 StromhandelZVO + Anhang I), sind dagegen hierfür nicht von entscheidender Bedeutung und werden im Folgenden ausgeblendet.417 Die Methoden zum Umgang mit kurzfristig-sporadischen Netzengpässen und der Ausgleich von Ungleichgewichten in der Systembilanz sind streng voneinander zu trennen.418 Während erste regelmäßig durch das sogleich näher zu behandelnde Redispatching behandelt werden, werden letztere in erster Linie durch den Einsatz von Regelenergie bewältigt. a) Zum Hintergrund von Netzengpässen und Engpassmanagement Die jüngeren Entwicklungen im Energierecht haben das Thema Netzengpässe verstärkt in den Fokus von Wissenschaft und Politik gerückt.419 Dies liegt zum einen daran, dass sich durch die Folgewirkungen der Liberalisierung sowie der Energiewende neue Herausforderungen für die Stromnetze ergeben.420 Insbesondere findet die Stromerzeugung häufig nicht mehr dort statt, wo der Verbrauch erfolgt, so dass ein großräumiger Stromtransport erforderlich wird.421 Regelmäßig müssen heute große Strommengen aus norddeutschen Erzeugungsanlagen zu den großen Stromverbrauchern in Süddeutschland transportiert werden.422 Hinzu kommen Engpässe,
417 Siehe hierzu aber: Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff.; Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff.; Consentec/Frontier, Methodische Fragen bei der Bewirtschaftung innerdeutscher Engpässe im Übertragungsnetz (Energie), 2008; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, 2012, S. 22 ff., 36 ff.; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, 2013, S. 129 ff., 206 ff., 596 ff.; König, Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff.; siehe auch Höffler, Engpassmanagement und Anreize zum Netzausbau im leitungsgebundenen Energiesektor, Baden-Baden 2009. 418 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 36. 419 Hier sei etwa das Grünbuch des BMWi genannt, in dem Netz- und Engpassfragen thematisiert werden: BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014. 420 Teil 1 A.I und III. 421 BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 59; BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014, S. 28; auch etwa: Bicker, Einspeisemanagement in EEG-Regionen – Grundlagen, aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen auf Biogasanlagen in Nordwestdeutschland, AUR 2012, S. 245 ff. (S. 245); König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 201); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 28, 48, 53 ff.; Theobald/Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., München 2013, S. 219; Schaber/Bieberbach, Redispatch und dezentrale Erzeugung – Alternativen zum Netzausbau?, et 2015, Heft 7, S. 18 ff. (S. 18). 422 König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 201).
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die den grenzüberschreitenden Stromfluss an den Kuppelstellen der EU-Mitgliedstaaten betreffen.423 Zum anderen hat sich gezeigt, dass der erforderliche Netzausbau mit diesen Anforderungen nicht Schritt halten kann; hierbei mögen auch Versäumnisse aus der Vergangenheit eine Rolle spielen.424 Es besteht insoweit auch weitgehend Einigkeit, dass es keinen Ausbau der Netze „bis zur letzten erzeugten Kilowattstunde“ geben soll: Eine Netzkapazitätsvorhaltung auch für ganz außergewöhnliche und selten auftretende Erzeugungsspitzen ist ökonomisch nicht sinnvoll.425 Dies wird gesetzgeberisch nun mit der sog. Spitzenkappung in § 11 Abs. 2 EnWG n.F. adressiert, wonach bei der Netzplanung berücksichtigt werden darf, dass die Erzeugung aus Windenergie an Land und Photovoltaik um bis zu 3 Prozent abgeregelt werden darf.426 Die Spitzenkappung kann grundsätzlich engpassfördernd wirken. Ein gegenteiliger Effekt kann sich aber aufgrund der Einführung der sog. Netzausbaugebiete nach § 36c EEG 2017 ergeben, wonach in besonders engpassbelasteten Gebieten der Zubau weiterer Windenergieanlagen an Land gedeckelt wird.427 Ein im Sinne der Systemverantwortung relevanter Netzengpassbegriff stellt die technische bzw. physikalische Komponente eines Engpasses im Netz in den Vordergrund, die auf das (n-1)-Kriterium Bezug nimmt.428 Dieses verlangt, dass bei Ausfall eines Netzbetriebsmittels die Systemsicherheit nicht beeinträchtigt wird und das Netz weiterhin seine bestimmungsmäßige Aufgabe erfüllen kann, ohne dass eine Versorgungsunterbrechung entsteht.429 Wenn die Übertragungskapazität einzelner Netzbestandteile nicht ausreichend dimensioniert ist, um die gesamte elektrische Leistung übertragen zu können, ohne dass das (n-1)-Kriterium verletzt werden
423 Diese sollen hier jedoch nicht weiter betrachtet werden, da es sich dabei eher um strukturelle Herausforderungen handelt; BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 65. 424 Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff. (S. 85). 425 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014, S. 27; Ecke/Wöstmann, Redispatch im Spannungsfeld von Netz und Markt – Steigende Relevanz, offene Ausgestaltungsfragen, et 2015, Heft 1/2, S. 108 ff. (S. 109). 426 Strommarktgesetz, BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 427 EEG 2017, BGBl. 2016 I S. 2258 ff. 428 Teil 2 A.III.1.a). 429 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 39; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 120; Marenbach/Nelles/Tuttas, Elektrische Energietechnik, 2. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 345; vgl. auch VDN, Transmission Code 2007, Anhang C.
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müsste, kommt es zu einem Engpass.430 Entscheidend ist also, dass die Kapazität eines Netzes an einer bestimmten Stelle nicht ausreicht, um den Strom sicher und stabil weiterleiten zu können. Es handelt sich um ein netztopologisch lokales Ereignis – im Gegensatz zu Ungleichheiten der Netzfrequenz, die eine netzglobale Dimension aufweisen, also nicht nur eine ganz bestimmte Stelle des Netzes betreffen.431 Nur kurzfristig-spontan auftretende Engpässe unterfallen dem „Gefahrenabwehr“-Regime von § 13 EnWG, langfristig-strukturelle Engpässe werden in marktbezogenen Verfahren bewirtschaftet und sind hiervon abzugrenzen (§ 15 StromNZV).432 Kurzfristige Engpässe kommen insbesondere dann in Betracht, wenn netzbezogene, also netzinterne, Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG nicht erfolgversprechend sind oder waren. Vorrangig wird ein sog. Redispatching durchgeführt, das ausschließlich die Erzeugungsseite betrifft. Dabei kann entweder auf vertragliche Vereinbarungen zurückgegriffen werden oder aber § 13a EnWG (früher § 13 Abs. 1a EnWG a.F.) herangezogen werden, wonach bestimmte Erzeugungsanlagen zur Teilnahme am Redispatch verpflichtet werden können. Hier ist ggf. auch auf Reserve-Anlagen zurückzugreifen, etwa im Rahmen der Netzreserve (§ 13d EnWG). Auch ab- und zuschaltbare Lasten und – zumindest in der Theorie – Regelenergie, die sowohl auf der Erzeugungs- als auch auf der Lastseite einsetzbar ist, können zur Engpassbeseitigung eingesetzt werden.433 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch der neue § 13 Abs. 6a EnWG, der im Zuge der EEG-Novelle 2017434 eingefügt wurde und eine Mischform von Redispatch und Lastzuschaltung darstellt.435 Daneben kommt insbesondere noch das sog. Countertrading in Betracht, das auf gezielten Handelsgeschäften beruht.436 Sämtliche genannten Verfahren sind nicht-allokativ, denn anders als bei strukturellen Engpässen wird hier keine Kapazitätszuteilung durchgeführt.437 Die Engpassbewältigung erfolgt also nicht im 430 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 38. 431 Vgl. BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 32. 432 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 41 f. Langfristig-strukturelle Engpässe sind nicht Gegenstand dieser Abhandlung. 433 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 453 ff., 469 f.; bezüglich abschaltbaren Lasten auch: Weise/Hartmann/ Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 185). 434 BGBl. 2016 I S. 2258 ff. 435 Gesonderte Darstellung in Teil 2 B.III.4. 436 Vgl. Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 33. Die begriffliche Verwendung ist teilweise uneinheitlich. 437 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 31, 33; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 92.
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Rahmen einer Auktion oder eines vergleichbaren Verfahrens, das Gewinner und Verlierer hervorbringt. b) Redispatching438 zur Behandlung kurzfristig-sporadischer Engpässe439 (vertraglicher Redispatch) Zunächst soll das Redispatching440 allgemein beleuchtet werden, also in seiner ursprünglichen, rein vertraglichen Form. aa) Begriff und Funktionsweise Tritt eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit bzw. Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in Form eines Netzengpasses auf, wird der Netzbetreiber typischerweise ein Redispatching441 durchführen, sofern Netzschaltungen oder ähnliche netzbezogene Maßnahmen nicht erfolgversprechend sind oder waren.442 Das Redispatching fällt unter den Begriff des Engpassmanagements in § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG und kann sowohl präventiv als auch kurativ eingesetzt werden, also einerseits im Vorfeld eines absehbaren Engpasses und andererseits, wenn es bereits dazu gekommen ist.443 Der Begriff „Redispatching“ wird benutzt, da die – von Maßnahmen nach § 13 EnWG noch unbeeinflusste – Kraftwerkseinsatzplanung als „Dispatch“ bezeichnet wird.444 Diese ergibt sich aus dem Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage am Strommarkt. Welche Kraftwerke wann und in welchem Umfang zur Stromerzeugung eingesetzt werden, folgt aus dem Börsenergebnis bzw. aus außerbörslichen Direktverträgen (over the counter – OTC); bei den vorrangig einspeisenden fluktuierenden erneuerbaren Energien Windkraft und PV sind die Wetterprognosen ent-
438 Hier könnten sich durch das EU-Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ (KOM(2016) 860 final), dessen erste Entwürfe am 20. November 2016 vorgestellt wurden, Änderungen ergeben. Dies betrifft etwa die Einführung eines stärker marktbasierten Redispatch-Verfahrens. 439 Ausführliche Behandlung bei König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 152 ff., 430 ff. 440 Die Begriffe Redispatching und – kurz – Redispatch werden synonym verwendet. 441 Im Folgenden wird der stromseitige Redispatch behandelt; der sog. spannungsbedingte Redispatch betrifft nicht das Engpassmanagement, sondern die Beseitigung von Spannungsgrenzwertverletzungen; vgl. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 45. 442 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 66. 443 VDN, Transmission Code 2007, Anhang A.1, S. 2; vgl. auch: Theobald, in: Danner/ Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 20 (Stand: Juni 2008). 444 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 24.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
scheidend.445 Über die Stromlieferungen zwischen verschiedenen Bilanzkreisen entstehen Fahrpläne, die durch die Bilanzkreisverantwortlichen an die ÜNB gemeldet werden.446 Wird es zur Abwehr von Gefahren erforderlich, die am Markt entstandene Einsatzplanung anzupassen, wird ein „Re-Dispatch“ durchgeführt: Die ÜNB greifen in die an sich bereits feststehende Planung – den Dispatch – ein und bewirken räumliche Verlagerungen des Stromflusses, damit es nicht zur Überlastung bestimmter Netzbestandteile kommt.447 Auf diese Weise wird das aus dem freien Spiel der Marktkräfte sowie der Wetterprognose entstandene Ergebnis an die Realitäten des Netzbetriebes angepasst.448 Da für die Stromerzeuger neben der betriebswirtschaftlichen Rentabilität der Stromerzeugung nur ihre eigenen Kapazitäten den limitierenden Maßstab bilden, nicht aber die Kapazität des Stromnetzes, müssen die Netzbetreiber Eingriffe vornehmen, wenn das Stromnetz an einzelnen Stellen nicht über die erforderliche Dimensionierung zum Transport des durch die Kraftwerksbetreiber verkauften Stroms verfügt. Derzeit werden vor allem die Nord-Süd-Leitungen dadurch entlastet, dass durch Redispatch-Maßnahmen an sich unrentable, aber netztechnische günstig liegende Kraftwerke449 in Süddeutschland oder Österreich hochgefahren werden.450 Ein Kraftwerk ist dann unrentabel, wenn seine Grenzkosten über den Grenzkosten des preissetzenden Kraftwerks am Markt liegen, also des letzten Kraftwerks, das noch zum Zuge kommt und Strom verkaufen kann.451 Das Redispatching führt folglich zu zusätzlichen Kosten für die Volkswirtschaft. bb) Wirkungen und Folgen An der Gesamtstrommenge, die durch das Netz geleitet wird, ändert sich durch den Redispatch nichts, es findet nur eine räumliche Verlagerung statt.452 Man kann die Situation etwa mit einer Umleitung nach einem Unfall auf der Autobahn veranschaulichen: Muss ein Streckenabschnitt vorübergehend gesperrt werden oder ist 445
Vgl. Curtius, in: Bartsch/Röhling/Salje/Scholz (Hrsg.), Stromwirtschaft – Ein Praxishandbuch, 2. Aufl., München 2008, S. 418. 446 Siehe ausführlich Teil 2 B.III.1.a). 447 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 24. 448 König, Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff. (S. 451). 449 Diese müssen natürlich auch vorhanden sein und zur Verfügung stehen, vgl. zu dieser Problematik Teil 2 B.III.5. 450 König, Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff. (S. 451). 451 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 155. 452 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 25; vgl. auch Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 24.
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er nur teilweise befahrbar, veranlassen die verantwortlichen Behörden das Ausweisen einer Umleitung zur Umfahrung der Engstelle. Den Autofahrern wird also eine Ausweichstrecke nahegelegt. Die Zahl der Fahrzeuge, die sich unterwegs befinden, bleibt dadurch unverändert. Im Stromnetz wird eine Umleitung der Stromflüsse dadurch bewirkt, dass Kraftwerke vor dem Netzengpass abgeregelt werden, während solche nach dem Engpass heraufgeregelt werden.453 Es werden also „Kraftwerkspaare“ vor und hinter dem Engpass gebildet.454 Die Last wird weiterhin gedeckt, es werden jedoch verstärkt Einspeisungen aus Regionen mit geringerer Netzbelastung vorgenommen, während in stärker belasteten Regionen die Einspeisung zurückgefahren wird455 ; die Netzfrequenz von 50 Hertz muss natürlich jeweils eingehalten werden, so dass ggf. Folgeanpassungen, etwa Einsatz von Regelenergie, nötig werden. Nicht nur die durchzuleitende Gesamtstrommenge bleibt gleich: Auch an der vertraglichen Situation zwischen Erzeugern und Kunden ändert sich durch den Redispatch nichts.456 Wenn beispielsweise Kunde K einen bilateralen Vertrag mit Kraftwerk A über die Strommenge x geschlossen hat, wird er genau diese Strommenge x bekommen und gegenüber A vergüten, denn der Anspruch von A gegen K bleibt unverändert bestehen.457 Damit kommt es auch nicht zu einer engpassbedingten Netzzugangsverweigerung i.S.v. § 20 Abs. 2 EnWG aus Sicht von Kraftwerk A.458 Dass A aufgrund der Redispatch-Maßnahme tatsächlich gar keine oder eine geringere Einspeisung vorgenommen hat, sondern vielmehr ein anderes, netztechnisch günstiger liegendes Kraftwerk B, spielt weder für A noch für den Stromkunden K eine Rolle. Die durch B gelieferte Menge wird A zugerechnet.459 Die Änderung des Stromflusses wirkt sich auch nicht auf die Systembilanz aus, so dass keine Über- oder Unterdeckungen der Bilanzkreise abgerechnet werden müssen; es wird stattdessen
453
Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43 f.); Consentec/Frontier, Methodische Fragen bei der Bewirtschaftung innerdeutscher Engpässe im Übertragungsnetz (Energie), 2008, S. 5; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 31; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 25; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 67. 454 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 185. 455 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 31; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 25. 456 Anschaulich dazu: Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 31. 457 Vgl. Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43). 458 Hierauf weist Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 32, zurecht hin. 459 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 31.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
fingiert, dass die Stromlieferung durch die in Wahrheit abgeregelten Kraftwerke erfolgt.460 cc) Redispatch-Verträge Die ÜNB und VNB schließen mit geeigneten Erzeugern Redispatch-Verträge, in denen auch die Frage der Vergütung näher ausgestaltet wird. Der Abschluss solcher Verträge ist für beide Seiten freiwillig. Anders ist die Situation nur beim gesetzlichen Redispatch nach § 13a EnWG, der im Anschluss an diese Ausführungen zum vertraglichen Redispatch näher behandelt wird. Ist zu erwarten, dass an einer bestimmten Stelle im Netz ein Engpass auftreten kann oder hat sich ein solcher bereits realisiert, werden die Netzbetreiber tätig, indem sie auf die vertraglich kontrahierten Redispatch-Potenziale zurückgreifen und Anpassungen – also einerseits Abregelungen und andererseits das Hochfahren von Anlagen – von den Kraftwerksbetreibern anfordern. Wie sich aus § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG ergibt, können auch mit einspeisebevorrechtigten EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen vertragliche Vereinbarungen i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG geschlossen werden, soweit dies im EEG bzw. KWKG gestattet wird.461 Für erneuerbare Energien und Grubengas gilt § 11 Abs. 3 EEG 2017. Dort heißt es, dass die Pflicht zur vorrangigen Abnahme nach § 11 Abs. 1 EEG 2017 nicht gilt, soweit „zur besseren Integration der Anlage in das Netz“ eine Abweichung vom Einspeisevorrang vertraglich vereinbart wird. Trotzdem muss der Vorrang für Strom aus erneuerbaren Energien aber „angemessen berücksichtigt“ und insgesamt die größtmögliche Strommenge aus erneuerbaren Energien abgenommen werden (§ 11 Abs. 3 S. 2 EEG 2017). Die letztgenannte Vorgabe findet man wortgleich auch beim Einspeisemanagement (vgl. § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017). Bestehende vertragliche Vereinbarungen mit EE- oder Grubengas-Anbietern dürfen nach § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG im laufenden Betrieb erst dann herangezogen werden, wenn das Potenzial aus Verträgen mit konventionellen Anbietern bzw. die sich aus § 13a Abs. 1 EnWG ergebenden Rechte (verpflichtende Teilnahme bestimmter Anbieter am Redispatching) bereits ausgeschöpft ist.462 Für hocheffiziente KWKAnlagen gibt es bereits keine allgemeine Ausnahmevorschrift, so dass die Teilnahme 460 Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff. (S. 86); Consentec/Frontier, Methodische Fragen bei der Bewirtschaftung innerdeutscher Engpässe im Übertragungsnetz (Energie), 2008, S. 6; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 156; Schweizer/ Mattis, Die neuen gesetzlichen Instrumente für Versorgungssicherheit im deutschen Stromnetz, et 2016, Heft 5, S. 84 ff. (S. 86). 461 Vgl. Güneysu, Smart Grids und die Anforderungen des Einspeisemanagements, RdE 2012, S. 47 ff. (S. 51). 462 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 54; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 91.
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am vertraglichen Redispatch ausscheidet.463 Der neu eingefügte § 3 Abs. 3 KWKG bezieht sich nur ganz speziell auf Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG („Nutzen statt Abregeln“)464, nur insoweit sind Abweichungen für hocheffiziente KWK-Anlagen vom Einspeisevorrang und die Teilnahme am Redispatch zulässig.465 In der Praxis dürfte die Attraktivität von Redispatch-Vereinbarungen nach § 11 Abs. 3 EEG 2017 gering sein, da sich EE- und Grubengas-Anlagen auf die gesetzliche Entschädigung nach § 15 EEG 2017 berufen können, soweit eine engpassbedingte Abregelung erfolgt. Eine solche Vereinbarung würde sich nur dann lohnen, wenn die Anlagenbetreiber eine finanzielle Besserstellung gegenüber der gesetzlichen Regelung erzielen könnten. Nach der sog. Härtefallregelung des § 15 EEG 2017 erhalten die Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas und Kraft-Wärme-Kopplung bei einer engpassbedingten Reduzierung der Einspeisung eine Entschädigung in Höhe von 95 Prozent der entgangenen Einnahmen466, die sich auf 100 Prozent erhöht, wenn die entgangenen Einnahmen 1 Prozent der Jahreseinnahmen übersteigen. Schließt ein Netzbetreiber eine für die EE-/Grubengas-Anlage noch günstigere Abregelungsvereinbarung ab, die über die gesetzliche Entschädigung hinausgeht, kann insoweit nicht von Kosten einer effizienten Betriebsführung des Netzbetreibers (§ 21 Abs. 2 EnWG i.V.m. § 18 EEG 2017) gesprochen werden467, so dass die vollständige Überwälzung der Kosten auf die Netznutzer über die Netzentgelte468 nicht möglich ist. Der Netzbetreiber kann sich die zusätzlich entstehenden Kosten also nicht abgelten lassen. Der Redispatch, wie er in Deutschland praktiziert wird, ist kein marktorientiertes und transparentes Verfahren i.S.v. § 15 Abs. 2 StromNZV469, sondern ein rein kostenbasierter Korrekturmechanismus.470 Die variablen Kosten, etwa für den Brenn-
463 So König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 53; vgl. auch Lührig, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 2, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2014, § 4 KWKG Rn. 10; a.A. ohne nähere Erläuterung BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 6 f. 464 Eingefügt mit dem EEG 2017, BGBl. 2016 I 2258 ff. 465 Dazu näher Teil 2 B.III.4. 466 Zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich der ersparten Aufwendungen. 467 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 451 ff.; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 108 ff. 468 Im Wege der Anreizregulierung nach der Anreizregulierungsverordnung (ARegV). 469 So insbesondere: König, Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff. (S. 454). 470 Andere denkbare Formen sind der marktbasierte/marktorientierte oder der wettbewerbsbasierte Redispatch, vgl. hierzu: Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43 f.); Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff. (S. 86 f.); Consentec/Frontier,
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stoffeinsatz, die im Falle einer Erzeugungsdrosselung eingespart werden, sind an den Netzbetreiber zu leisten; dieser wiederum erstattet dem hochfahrenden Kraftwerk seine zusätzlich anfallenden Kosten.471 Die Auswahl erfolgt nicht aufgrund eines Marktmechanismus, sondern – anhand bestimmter Vorgaben, die in Teil 2 C. erläutert werden – durch die Netzbetreiber selbst.472 c) Verpflichtende Teilnahme am Redispatching nach § 13a EnWG (gesetzlicher Redispatch) Die Bedeutung von bilateralen Verträgen über Redispatch-Potenziale hat seit Einführung des § 13 Abs. 1a EnWG a.F. im Zuge der EnWG-Novelle vom 26. Juli 2011473 abgenommen. Diese Norm regelte zunächst die verpflichtende Teilnahme am Redispatching für Erzeugungsanlagen und Stromspeicher mit einer Nennleistung ab 50 Megawatt an Elektrizitätsversorgungsnetzen mit einer Spannung von mindestens 110 Kilovolt. Mit dem Dritten Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2012474 wurde die Schwelle übergangsweise auf 10 MW – bezogen auf alle Netze – herabgesetzt.475 Diese Anpassung wurde mit dem Strommarktgesetz dauerhaft festgeschrieben: Die spätere Wiederhochsetzung der Nennleistung auf 50 MW sowie die erneute Einführung der Beschränkung des Instruments auf höhere Spannungsebenen ab 110 kV wurde endgültig gestrichen.476 Darüber hinaus477 wurde die ursprünglich in § 13 Abs. 1a EnWG a.F. enthaltene Regelung in einen eigenen Paragraphen überführt und befindet sich nun in § 13a EnWG n.F., der mit „Anpassungen von Einspeisungen und ihre Vergütung“ überschrieben ist; die bislang in § 13 Abs. 1a S. 3 EnWG zu findende Festlegungsermächtigung an die Regulierungsbehörde wurde in § 13j Abs. 1 EnWG verschoben. Dabei wurden als Reaktion auf Entscheidungen des Methodische Fragen bei der Bewirtschaftung innerdeutscher Engpässe im Übertragungsnetz (Energie), 2008, S. 7 ff. 471 Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43 f.); Consentec/Frontier, Methodische Fragen bei der Bewirtschaftung innerdeutscher Engpässe im Übertragungsnetz (Energie), 2008, S. 5; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 32; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 156, 530 f. 472 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 32. 473 BGBl. 2011 I S. 1554. 474 BGBl. 2012 I S. 2730. 475 Bis zum 31. 12. 2017; ab dem 1. Januar 2018 sollten wieder nur noch Anlagen mit einer Nennleistung ab 50 MW an Elektrizitätsversorgungsnetzen mit einer Spannung von mindestens 110 kVerfasst sein, Art. 2 Nr. 3 lit. a) i.V.m. Art. 8 Abs. 2 des Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2012, BGBl. 2012 I S. 2743. 476 Art. 11 des Strommarktgesetzes, BGBl 2016 I S. 1817. Allerdings erfolgt nach § 63 Abs. 2a S. 3 EnWG n.F. zum 31. Dezember 2022 eine Evaluation hinsichtlich der weiteren Erforderlichkeit der Regelung. 477 BGBl. 2016 I S. 1786 ff.
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Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 28. April 2015478 zu zwei Festlegungen der Bundesetzagentur zum näheren Verfahren bei Redispatchmaßnahmen479 sowie zu deren Vergütung480 Überarbeitungen der Vorgaben vorgenommen. Die Festlegungen wurden seitens der BNetzA bereits vor Inkrafttreten des Strommarktgesetzes aufgehoben.481 Die Anpassungen im Gesetz betreffen den Umgang mit dem Wirkleistungsbezug von Speicheranlagen, die vom gesetzlichen Redispatch ebenso wie Erzeugungsanlagen adressiert werden, sowie insbesondere die Vergütungsseite. In den Absätzen 2 bis 5 des § 13a EnWG sind nun ausführliche Regelungen zur Bestimmung der „angemessenen Vergütung“, die im Rahmen des gesetzlichen Redispatch zu zahlen ist, enthalten.482 Die Vorgaben der BNetzA zum Verfahren beim gesetzlichen Redispatch aus der Festlegung BK6 – 11 – 098 können trotz ihrer Aufhebung, wenngleich unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf, weiterhin als Auslegungshilfe herangezogen werden; hierauf weist die BNetzA in einem Hinweis-Dokument vom 15. März 2016 auch explizit hin.483 Spätestens mit den Überarbeitungen im Strommarktgesetz werden wohl in der Praxis nur noch Betreiber kleinerer Erzeugungsanlagen, also mit einer Nennleistung kleiner als 10 Megawatt, sowie Betreiber von Anlagen im Ausland (insbesondere in Österreich) vertraglich kontrahiert (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG).484 In allen anderen Fällen dürfte auf § 13a EnWG zurückgegriffen werden.485 Diese Vorschrift stärkt die Versorgungssicherheit, indem den ÜNB gesicherte Befugnisse zur Anpassung von 478
Siehe: OLG Düsseldorf, IR 2015, S. 277 f.; OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098. 480 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK8 – 12 – 019. 481 BNetzA, Beschluss vom 15. 06. 2015, BK6 – 11 – 098-A; BNetzA, Beschluss vom 19. 08. 2015, BK8 – 12 – 019-A. Die Aufhebungen waren nötig, da die OLG-Entscheidungen nur inter partes, also zwischen den am Verfahren Beteiligten, gelten. 482 Hierzu näher in Teil 3 A.I.c). 483 BNetzA, Beschluss vom 15. 06. 2015, BK6 – 11 – 098-A – Hinweise zur Durchführung von Redispatchmaßnahmen vor dem Hintergrund der Urteile des OLG Düsseldorf vom 28. 04. 2015; vgl. auch Bourwieg, Aktuelles aus der Energieregulierung (Stand: Februar 2016), ER 2016, S. 99 ff. (S. 102). 484 Vgl.: König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 448; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 80); u. a. Tüngler ist der Ansicht, dass vorrangig auf vertragliche Maßnahmen zurückgegriffen werden muss (in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 44). Dazu siehe Teil 2 C.II.2.a). 485 BT-Drs. 17/6072, S. 71: „Die Übertragungsnetzbetreiber können daher, sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems nach Absatz 1 gefährdet oder gestört ist, bei der Durchführung von marktbezogenen Maßnahmen auch auf den gesetzlich ausgestalteten Anspruch nach Absatz 1a [nun: § 13a Abs. 1 EnWG] zurückgreifen.“; vgl. auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 40. 479
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Einspeisungen gewährt werden486 – jedenfalls, soweit entsprechende Anlagen tatsächlich und am richtigen Ort zur Verfügung stehen. Mangelt es bereits an relevanten Anlagen, geht § 13a EnWG ins Leere. Um insoweit auch das erforderliche Redispatchpotenzial zu sichern, hat der Gesetzgeber spezielle Vorschriften erlassen, insbesondere zur Stilllegung von Anlagen (§ 13b EnWG) sowie zur Bildung einer Netzreserve (§ 13d EnWG). Hierauf wird noch gesondert einzugehen sein.487 aa) Regelungsgehalt von § 13a Abs. 1 EnWG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassungen von BNetzA und OLG Düsseldorf § 13a Abs. 1 EnWG ergänzt die marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG um eine Verpflichtungsregelung „für die Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 3“. Gemeint sind die Maßnahmen im Rahmen des Engpassmanagements sowie die Vorhaltung von Reserven. Rechtstechnisch handelt es sich beim gesetzlichen Redispatch um ein gesetzliches Schuldverhältnis.488 Betroffen sind die Betreiber von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie mit einer Nennleistung von mindestens 10 Megawatt. Abgestellt wird hierbei – entgegen der ursprünglichen Rechtsauffassung der BNetzA489 – auf die jeweilige Einzelanlage.490 Die ÜNB haben das Recht, gegen angemessene Vergütung eine Anpassung der Wirkleistungs- oder Blindleistungseinspeisung491 zu verlangen. Gemeint ist damit die Teilnahme an RedispatchMaßnahmen des ÜNB, wobei sowohl das Hochfahren als auch die Abregelung von Erzeugungs- oder Speicheranlagen verlangt werden kann. Die Heranziehung von 486 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 41. 487 Teil 2 B III.5. 488 Flemming/Riese, Die Stilllegung von konventionellen Kraftwerken, NordÖR 2015, S. 189 ff. (S. 191); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 36; offen gelassen bei Rutloff/Kindler, Redispatch – gestern, heute und morgen (Die Aufhebung der BNetzA-Vergütungsfestlegung und ihre Folgen), EnWZ 2015, S. 401 ff. (S. 406); Schweizer/Mattis, Die neuen gesetzlichen Instrumente für Versorgungssicherheit im deutschen Stromnetz, et 2016, Heft 5, S. 84 ff. (S. 86); ein Vertragsschluss ist darüber hinaus nicht erforderlich – so aber Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeiseund Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 17); ebenso Ruttloff, Redispatch und angemessene Vergütung – Präjudizien für den Strommarkt 2.0, NVwZ 2015, S. 1086 ff. (S. 1090). In jedem Fall empfiehlt sich aber der freiwillige Abschluss eines Vertrages über die Berechnung der „angemessenen Vergütung“. Vgl. in diesem Sinne auch BK8 – 12 – 019, Beschluss vom 30. 10. 2012, S. 2 (Ziff. 1). 489 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 37; kritisch bereits hierzu de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 67). 490 OLG Düsseldorf, IR 2015, S. 277 f. (S. 277). 491 Während mit „Wirkleistung“ die tatsächliche Leistung gemeint ist, versteht man unter dem Begriff „Blindleistung“ die in elektrischen Netzen unerwünschte Leistung, die keine Arbeit verrichtet, aber zum Aufbau von Magnetfeldern benötigt wird, Cichowski/Cichowski, Lexikon der Anlagentechnik, Frankfurt a.M. 2013, S. 59 f.
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Eingriffen nach § 13a EnWG zur Frequenzsteuerung ist nicht zulässig.492 Explizit neu aufgenommen in § 13a Abs. 1 EnWG wurde zudem der Wirkleistungsbezug von Speicheranlagen. Erfasst sind damit sowohl die Ab- als auch die Zuschaltung des Strombezugs.493 Dieser konnte nach der Auffassung des OLG Düsseldorf in der vorherigen Fassung der Regelung nicht in den gesetzlichen Redispatch integriert werden.494 Da Speicheranlagen insoweit in ihrer Stromverbrauchskomponente adressiert werden, ist die Regelung im Rahmen des Redispatch an sich auch systemfremd, da sie dem Lastmanagement zuzuordnen ist. Aus Zweckmäßigkeitsgründen ist hierüber aber hinwegzusehen. Aus Sicht des Gesetzgebers495 schließt § 13a Abs. 1 EnWG eine Lücke in der Systematik der Systemverantwortung, da vor Einführung der Norm die ÜNB keine Möglichkeit hatten, Betreiber von Erzeugungsanlagen zur Teilnahme am Redispatch zu verpflichten. Gleichzeitig bestand keine Verpflichtung der ÜNB, RedispatchVerträge zu „unangemessenen Konditionen“ abzuschließen. Der gesetzliche Redispatch biete einen „Ausgleich zwischen den wechselseitigen Interessen“, da Anpassungsbefugnisse gegenüber bestimmten Erzeugungsanlagen gegen Zahlung einer Vergütung nun obligatorisch seien und damit die Notwendigkeit des Einsatzes entschädigungsloser Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG eingeschränkt werde. Der Gesetzgeber stellt im Übrigen in Satz 2 der Norm klar, dass auch Anlagen erfasst sind, die gerade nicht einspeisen und ggf. erst betriebsbereit gemacht werden müssen (Nr. 1) oder die eine geplante Revision verschieben müssen (Nr. 2).496 Hiermit werden einerseits Anlagen erfasst, die an sich im Normalbetrieb laufen, aber im Anforderungszeitpunkt – etwa, weil an der Strombörse für diesen Zeitpunkt kein Strom verkauft werden konnte – nicht einspeisen und ggf. noch nicht einmal betriebsbereit sind. Andererseits dient diese Vorgabe aber auch der Verknüpfung der
492 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 32 f.; kritisch hierzu Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 124; vgl. auch Rutloff/Kindler, Redispatch – gestern, heute und morgen (Die Aufhebung der BNetzA-Vergütungsfestlegung und ihre Folgen), EnWZ 2015, S. 401 ff. (S. 404). 493 BT-Drs. 18/8915, S. 31. 494 OLG Düsseldorf, IR 2015, S. 277 f. (S. 277). 495 BT-Drs. 17/6072, S. 71. 496 Die BNetzA erkennt jedoch an, dass bestimmte Anlagen nicht herangezogen werden dürfen: „Leistungsscheiben von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie, deren Brennstoffverfeuerung oder Primärenergieträgerverbrauch aufgrund von gesetzlichen oder behördlichen Vorgaben bzw. aufgrund von an die Stromproduktion gekoppelten industriellen Produktionsprozessen nicht disponibel ist, sind für Wirkleistungsanpassungen nicht heranzuziehen. Die Übertragungsnetzbetreiber sind berechtigt, vom Anlagenbetreiber einen Nachweis über die eingeschränkte Disponibilität der Erzeugungs- oder Speicheranlage einzufordern.“ (BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 3 f.). Vgl. aber König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 33 zur Problematik bei den privilegierten Produktionsprozessen.
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Vorschriften des gesetzlichen Redispatch mit den zusätzlichen Reserven nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG. Die Reserven sind für sich genommen keine eigenen Instrumente der Systemverantwortung der ÜNB, sondern dienen der tatsächlichen Durchführbarkeit der marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG. Im Rahmen des Engpassmanagements geht es hierbei um die Bereitstellung von Redispatchpotenzial an den Stellen des Elektrizitätsnetzes, an denen dies erforderlich ist, also vor oder hinter einem häufiger auftretenden Netzengpass. Relevante Vorschriften hierzu bieten insbesondere die Normen zum Verbot der vorläufigen bzw. endgültigen Stilllegung von Erzeugungsanlagen mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt (§§ 13b, 13c EnWG) und zur Netzreserve (§ 13d EnWG, NetzResV). Eine Anpassung der Einspeisung im Sinne von § 13a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EnWG setzt ggf. voraus, dass zuvor eine Anweisung zur weiteren Vorhaltung bzw. Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft erfolgt ist (vgl. insbes. §§ 13b Abs. 4 S. 3 und 4 sowie 13c Abs. 1497 EnWG). In diesem Fall ist der Begriff der „Anpassung“ der Wirk-/Blindleistungseinspeisung bzw. des Wirkleistungsbezugs weit zu verstehen, da im Vorfeld einer Erhöhung oder Senkung der Einspeisung einer Erzeugungsanlage oder des Strombezugs eines Stromspeichers die jeweilige Anlage zunächst betriebsbereit gemacht werden muss – es muss also zunächst eine „Betriebsbereitschaftsmaßnahme“ als Anpassung im weiteren Sinne vorgenommen werden.498 Die BNetzA hat in ihrer aufgehobenen, aber in den Grundsätzen weiter heranziehbaren Redispatch-Festlegung u. a. festgelegt, dass die Koordination des gesetzlichen Redispatch allein in den Händen der ÜNB liegt, die ihre Anweisungen an den Anschluss-Verteilnetzbetreiber (ggf. unter Einbeziehung eines dem AnschlussVNB vorgelagerten VNB) weitergeben, wobei der Anschluss-VNB als Erfüllungsgehilfe tätig werden soll.499 Eine Anweisungskette von oben nach unten ist im Bereich der §§ 13 ff., 14 EnWG üblich500, allerdings werden die nachgeordneten Netzbetreiber sonst in der Regel nicht als Erfüllungsgehilfen tätig, sondern ergreifen eigene Maßnahmen. Anweisungen zur Anpassung der Wirkleistungseinspeisung erfordern das Auftreten konkret drohender Überlastungssituationen oder Spannungsgrenzwertverletzungen; entsprechende Erkenntnisse ergeben sich aus regelmäßig durchzuführenden Netzbelastungsberechnungen.501 Das (n-1)-Prinzip502 ist hierbei von entscheidender 497
Entspricht im Grundsatz der früheren Regelung in § 13 Abs. 1b EnWG a.F. Vgl. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 58. 499 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S.49, 57 ff.; allerdings berücksichtigen die Festlegungen der BNetzA nicht die Herabsenkung der Nettonennleistung auf 10 MW (bezogen auf allen Netze), da sie zeitlich vor der Gesetzesnovelle vom 20. 12. 2012 erlassen wurden. 500 Siehe Teil 2 A.V. 501 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 33. 498
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Bedeutung. Die Auswahl der zu regelnden Anlagen richtet sich sowohl hinsichtlich der Erzeugungsabsenkung als auch der Erzeugungserhöhung nach einem Quotienten aus netzstützender Wirkung – also danach, um welche Leistung der Lastfluss an dem überlastungsbedrohten Netzelement reduziert werden muss – und der für die Anpassung der Einspeisung zu entrichtenden Vergütung (merit order).503 Dieser Ansatz berücksichtigt neben der Wirksamkeit des Einsatzes einer bestimmten Anlage auch die Kosteneffizienz. Eine nur geringfügig weniger wirksame Erzeugungs- oder Speicheranlage, deren Regelung aber deutlich geringere Kosten verursacht, kann im Ergebnis die bessere Wahl sein als die an sich aus Netzsicht am besten geeignete Anlage.504 In der Regel werden Anlagen, die ihre Einspeisung absenken, Brennstoffkosten sparen, so dass die ersparten Kosten an den ÜNB auszuzahlen sind (vgl. nun auch explizit in § 13a Abs. 2 S. 3 EnWG); die höhere Kostenersparnis eines Anlagenbetreibers führt also zu höheren Einnahmen des ÜNB.505 Diese Einnahmen werden saldiert mit den Ausgaben der ÜNB für Anlagen, die ihre Erzeugung im Rahmen des Redispatching erhöhen müssen.506 Einen letztlich verbleibenden negativen Saldo kann der ÜNB über die Netzentgelte an die Netznutzer weitergeben.507 Die nach § 13a Abs. 1 EnWG erforderliche „angemessene Vergütung“ der Anlagenbetreiber, deren Anlagen abgeregelt werden, besteht darin, dass ihnen unentgeltlich die Ersatzstrommengen durch die an anderer Stelle im Netz hochgeregelten Anlagen zugerechnet werden. Würde der Vorteil der eingesparten Brennkosten ebenfalls bei den Betreibern der abgeregelten Anlagen verbleiben, so würde dies einen nicht zu rechtfertigenden Vorteil darstellen, der mit dem Grundkonzept des kostenbasierten Redispatch nicht vereinbar wäre.508 Ebenso wie beim vertraglichen Redispatch praktiziert, bewirkt auch der gesetzliche Redispatch keine Änderung in der Systembilanz. Die Änderungen der Wirkleistungseinspeisung werden so behandelt, als haben sie nicht stattgefunden.509 Die Bilanzkreisverantwortlichen müssen also nicht für einen nachträglichen Ausgleich ihrer Bilanzkreise sorgen. Dies ist auch nachvollziehbar, denn die Änderung der Stromflüsse liegt nicht in ihrer Verantwortung, sondern geht auf die Handlungen bzw. Handlungsanweisungen der ÜNB zurück.510 Auch die vertragliche Situation zwischen Erzeugern und Abnehmern bleibt unverändert. 502
Bei Ausfall eines Netzbetriebsmittels darf die Systemsicherheit nicht beeinträchtigt werden; VDN, Transmission Code 2007, S. 57. 503 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 43 ff. Näheres in Teil 2 C.II.3.b)bb). 504 Vgl. BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 44 f. 505 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 46. 506 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 46. 507 Näheres in Teil 3 A.III.2.c. 508 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 47. 509 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 50 f. 510 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 50 f.
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Inwiefern EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen mit einer Nennleistung von mindestens 10 Megawatt in den gesetzlich geregelten Redispatch einbezogen werden dürfen, lässt sich aus dem Wortlaut von §§ 13 Abs. 1, 3 und 13a Abs. 1 EnWG nicht unmittelbar ableiten. Das Vorrangprinzip für EE-, Grubengasund hocheffiziente KWK-Anlagen (§ 11 EEG 2017 und § 3 KWKG) wird in § 13 Abs. 3 EnWG abgesichert. Da es beim gesetzlichen Redispatch gerade nicht um vertragliche Regelungen geht, sondern um die zwangsweise Einbeziehung von Anlagen in den Redispatch, ist § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG, der Vorgaben zum Einsatz vertraglicher Vereinbarungen mit privilegierten Anlagen betrifft, anders als beim vertraglichen Redispatch nicht anwendbar.511 Bei § 13 Abs. 3 S. 1 EnWG, der das Vorrangprinzip im Rahmen der Systemverantwortung allgemein absichert, wiederum ist unklar, ob diese Norm nur für die Absätze 1 und 2 des § 13 EnWG, oder auch für § 13a Abs. 1 EnWG gilt. Zwar wird § 13a Abs. 1 EnWG in § 13 Abs. 3 S. 1 EnWG nicht explizit genannt, jedoch stellt § 13a Abs. 1 EnWG dem Wortlaut nach eine Durchführungs- oder Spezialregelung zu § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG dar, er ist also in § 13 Abs. 1 EnWG mit hinein zu lesen.512 Maßnahmen des gesetzlichen Redispatch sind den marktbezogenen Maßnahmen des Engpassmanagements zuzurechnen, obwohl der gesetzliche Redispatch eine zwangsweise Einbeziehung von Anlagen erlaubt. Problematisch ist allerdings, dass der Verweis der Systemverantwortungsregelungen auf die Vorgaben zum Einspeisemanagement in § 14 EEG 2017, dessen spezielle Anforderungen im Falle einer Überlastung der Netzkapazität, also beim Auftreten von Netzengpässen, einzuhalten sind, dem Wortlaut nach nur im Falle von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG greift. Ein Schutz vor Maßnahmen des gesetzlichen Redispatch, also marktbezogenen Maßnahmen, besteht hiernach nicht. Daraus könnte man ableiten, dass EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen in den gesetzlichen Redispatch einbezogen werden können, sobald mit Ausnahme von must-run-units keine konventionellen Anlagen mehr am Netz sind (§ 13 Abs. 3 S. 1, 4, 5 EnWG). Danach würden privilegierte Anlagen zwar gegenüber konventionellen Anlagen geschützt, es könnte jedoch bereits im Rahmen der Stufe der marktbezogenen Maßnahmen auf diese zurückgegriffen werden, obwohl keine an sich erforderliche, spezielle vertragliche Vereinbarung zugrunde liegt (vgl. § 11 Abs. 3 EEG 2017). Dieses Ergebnis ist nicht sachgerecht, da in der Folge bereits auf der zweiten Regelungsstufe Zwangseingriffe in die Fahrweise von privilegierten Anlagen ermöglicht würden – die Spezialregelungen der §§ 14 und 15 EEG 2017, auf die § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG nur in Bezug auf Notmaßnahmen verweist, wären aus-
511 A.A. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 91; Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, BadenBaden 2015, § 13 Rn. 29. 512 So im Ergebnis auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 443 (Fn. 1936).
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gehebelt.513 Deshalb ist eine teleologische Reduktion514 dergestalt vorzunehmen, dass privilegierte Anlagen nicht in den Anwendungsbereich von § 13a Abs. 1 EnWG fallen.515 Zwangsweise Eingriffe in privilegierte Anlagen können ausschließlich im Rahmen von § 13 Abs. 2 EnWG bzw. § 14 EEG 2017 erfolgen. Die BNetzA betont in diesem Zusammenhang in ihrer Redispatch-Festlegung, dass die elektrischen Leistungsscheiben von KWK-Anlagen, die „keinen Einschränkungen durch die Wärmeproduktion unterworfen sind“, nicht geschützt sind, so dass ohne Weiteres auf sie zurückgegriffen werden kann.516 Hierbei handelt es sich um eine Klarstellung: Soweit KWK-Anlagen keinen KWK-Strom (§ 2 Nr. 16 KWKG) erzeugen, also mit der Stromerzeugung nicht auch Wärme produzieren und einer Nutzung zuführen, greift das Vorrangprinzip des § 3 Abs. 1 KWKG nicht517 – folglich gelten insoweit auch nicht die Spezialregelungen der §§ 13 Abs. 3 EnWG und §§ 14 f. EEG 2017.518 Nur KWK-Strom aus KWK-Anlagen ist vor der Einbeziehung in den gesetzlichen Redispatch geschützt, sonstiger Strom aus KWK-Anlagen nicht. Im Übrigen kann auch ohne Weiteres auf nicht-hocheffiziente KWKAnlagen zugegriffen werden, da diese vom Vorrangprinzip ebenfalls nicht erfasst sind. bb) Kurzbewertung der Regelung des § 13a EnWG Die gesetzliche Verpflichtung zur Teilnahme am Redispatch – wenn auch gegen angemessene Vergütung – kann bei näherer Betrachtung eigentlich nur schwer als marktbezogene Maßnahme bezeichnet werden, da es zum einen nicht auf einen Vertragsschluss ankommt519 und es zum anderen am Element der Freiwilligkeit 513 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 50 ff.; a.A. in diesem Zusammenhang Schulz/Rohrer, Die Auswirkungen der „Energiewende“-Gesetzgebung auf Offshore-Windparks, ZNER 2011, S. 494 ff. (S. 499 f.), die offensichtlich eine nachrangige Heranziehung von privilegierten Anlagen bei § 13 Abs. 1a EnWG a.F. (nun § 13a Abs. 1 EnWG) befürworten. 514 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 5. Aufl., München 2011, S. 89. 515 So im Ergebnis auch de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 67); vgl. zudem: Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 72); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 198. 516 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 36; kritisch hierzu de Wyl/ Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 67). 517 Vgl. Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 50. 518 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 118. 519 Für die Netzbetreiber besteht vielmehr ein unmittelbarer gesetzlicher Anspruch, vgl. BTDrs. 17/6072, S. 71. Darüber hinausgehende und die gesetzliche Regelung ergänzende Verträge
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fehlt.520 Dennoch ist die gesetzliche Einordnung unter Bezugnahme auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EnWG521 nachvollziehbar, da es sich beim gesetzlichen Redispatch nicht um eine entschädigungslose Notmaßnahme im Sinne von § 13 Abs. 2 EnWG handelt.522 Im Gegenteil, nach dem Willen des Gesetzgebers sollen der Einsatz von Notmaßnahmen und die Abregelung von EE- und KWK-Anlagen (Einspeisemanagement) hierdurch verringert werden.523 Der gesetzliche Redispatch ist nach Ansicht des Gesetzgebers ein gleichrangiger Unterfall der marktbezogenen Maßnahmen zum Engpassmanagement.524 Gerade die Herabsenkung der Nennleistung auf 10 MW, endgültig festgeschrieben mit dem Strommarktgesetz, wirft dennoch Fragen nach der Systematik von § 13 EnWG auf. Die gesetzliche Verpflichtungsregelung bildet damit keine gezielt gesetzte Ausnahme (mehr), die größere Kraftwerke automatisch dem Redispatch unterwirft und auf diese Weise eine unerlässliche Menge an Engpassbewältigungspotenzial sichert. Stattdessen wird das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt, indem nun die meisten für das Redispatching relevanten Anlagen bereits per Gesetz in die Pflicht genommen werden und in der Folge für vertragliche Vereinbarungen nur noch wenig Raum bleibt.525 Insoweit könnte man argumentieren, dass es die bessere Wahl gewesen wäre, den gesetzlichen Redispatch zu einer eigenen Zwischenstufe zwischen marktbezogenen Maßnahmen und Notmaßnahmen zu machen. Andererseits ist das Gesamtgefüge der §§ 13 ff. EnWG bereits jetzt immer schwerer zu überblicken, so dass eine weitere Spezialisierung und Erhöhung der Kleinteiligkeit der Vorschriften aus pragmatischen Gründen wohl doch eher abzulehnen ist. Schwerwiegender ist ohnehin die Frage, ob verfassungsmäßige Bedenken gegen § 13a EnWG bestehen.526 Die Verfassungsbeschwerde527 der Betreiberin einer Pasind aber selbstverständlich zulässig. So auch: Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 60; de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 67); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 38. 520 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 429, 437. 521 „Für die Durchführung von Maßnahmen nach § 13 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 3…“. 522 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 199 f. 523 BT-Drs. 17/6072, S. 71. 524 BT-Drs. 17/6072, S. 71; Schulz/Rohrer, Die Auswirkungen der „Energiewende“-Gesetzgebung auf Offshore-Windparks, ZNER 2011, S. 494 ff. (S. 498); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 40. Näheres dazu in Teil 2 C.II.2.a). 525 Die Regelungen zur Netzreserve sind insoweit nachrangig und deshalb gesondert zu betrachten. 526 Vgl. Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 38 ff.
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pierfabrik gegen den Rechtssatz des § 13 Abs. 1a EnWG a.F. (in der Form von 2012) wurde durch das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).528 Die Beschwerdeführerin betreibt eine sog. wärmegeführte KWK-Anlage, um den für die Papiererzeugung nötigen Dampf selbst bereitstellen zu können. Die Stromerzeugung ist gegenüber der Wärmeerzeugung nachrangig: Verbleibende Stromüberschüsse – also die Mengen an Strom, die im Kraftwerk nicht benötigt werden – werden in das Stromnetz eingespeist. In ihrer Rüge legte die Beschwerdeführerin dar, sie sei durch § 13 Abs. 1a EnWG a.F. selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen, denn eine Abregelung ihrer KWK-Anlage, die von der gesetzlichen Redispatch-Regelung erfasst werde, könne zu erheblichen Produktionsausfällen führen. Die Fahrweise der KWK-Anlage sei nicht disponibel, jeglicher Eingriff in die Stromeinspeisung führe zu einer Verminderung oder gar Unterbrechung der Produktion. Die Regelung verstoße damit gegen Art. 14 Abs. 1 GG (auch in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG) sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zudem verletze sie den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das BVerfG hat sich mit der Begründetheit der Beschwerde jedoch nicht näher befasst, da diese bereits nicht zulässig sei. Insbesondere weist das Gericht darauf hin, dass eine Auseinandersetzung mit dem (unterdessen allerdings aufgehobenen) Beschluss der BNetzA vom 30. Oktober 2012529 in der Beschwerdeschrift unterblieben sei, obwohl § 13 Abs. 1a S. 3 EnWG a.F. (nun in § 13j Abs. 1 EnWG geregelt) die Regulierungsbehörde dazu ermächtigt, Festlegungen zur Konkretisierung des Adressatenkreises zu treffen. In der Tat ergibt sich bereits aus Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusses530, dass sich die Verpflichtung zur Teilnahme am gesetzlichen Redispatch nur auf solche KWKAnlagen beziehe, die zumindest in einem Betriebszustand eine disponible, „d. h. keinen Einschränkungen durch die Wärmeproduktion unterworfene“ Wirkleistung größer oder gleich 50 Megawatt (bzw. mittlerweile: 10 Megawatt) erzeugen können.531 Hocheffiziente KWK-Anlagen, mit denen also tatsächlich in einem Kopplungsprozess Strom und Wärme erzeugt wird, sind demnach – wie bereits dargestellt – nicht von der Regelung erfasst. Auch im Übrigen ist die Regelung verfassungskonform.532 Potenzielle Eingriffe in Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) bzw. Verletzungen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sind 527
BVerfG, ZNER 2014, S. 381 f. Vgl. Hofmann, Aktuelle Entwicklungen auf dem Stromerzeugungsmarkt im Jahr 2014, EnWZ 2015, S. 70 ff. (S. 74). 529 BNetzA, Beschluss vom 30. Oktober 2012, BK6 – 11 – 098. 530 BNetzA, Beschluss vom 30. Oktober 2012, BK6 – 11 – 098, S. 3, 35 ff. 531 Vgl. auch Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 246). 532 Vgl. hierzu auch Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 404 ff. 528
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jedenfalls als gerechtfertigt anzusehen, da die Regelung des gesetzlichen Redispatch verhältnismäßig ist. Dies folgt insbesondere aus dem hohen Schutzgut der Versorgungssicherheit, die in Bezug auf Netzengpässe nicht auf weniger intensive, aber ebenso wirkungsvolle Weise sichergestellt werden kann. Eine ausreichende Menge an Redispatchpotenzial ist zwingend erforderlich, um die zunehmend auftretenden Engpässe beseitigen zu können und somit Gefährdungen für die Sicherheit des Elektrizitätsversorgungssystems zu verhindern. Durch die umfangreichen Entschädigungsvorgaben nach § 13a Abs. 2 bis 5 EnWG wird auch sichergestellt, dass die betroffenen Anlagenbetreiber „wirtschaftlich weder besser noch schlechter“ gestellt sind als ohne eine Maßnahme des gesetzlichen Redispatch (§ 13a Abs. 2 S. 1 EnWG). d) Andere Instrumente des kurzfristigen Engpassmanagements Neben dem gesetzlichen oder vertraglichen Redispatching bietet das kurzfristige Engpassmanagement noch weitere Instrumente. In § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG ist auch die „Information über Engpässe“ genannt. Die bloße Engpassinformation kann hilfreich sein, um Betreiber von Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen dazu zu bringen, von selbst Anpassungen der Einspeisung vorzunehmen. Von einer eigenen marktbezogenen Maßnahme kann man jedoch nicht sprechen.533 Vielmehr handelt es sich hierbei um eine mildere (Vorfeld-)Maßnahme im Vergleich zu den marktbezogenen Maßnahmen des Engpassmanagements.534 Dass auf die bloße Information hin in der Praxis tatsächlich eine Reaktion der Netznutzer erfolgt, darf jedoch als unrealistisch bezeichnet werden, da bei einer freiwilligen und selbständigen Anpassung von Erzeugung oder Verbrauch keine Entschädigung durch den Netzbetreiber gezahlt wird.535 Auch ab- und zuschaltbare Lasten (Lastseite) und Regelenergie – die sowohl auf der Erzeugungs- als auch auf der Lastseite einsetzbar ist – können zur Engpassbeseitigung eingesetzt werden.536 Regelenergie darf jedoch nur im äußersten Notfall hierfür genutzt werden, da sie immer in ausreichender Menge für die Frequenzregelung zur Verfügung stehen muss – dies ist ihre eigentliche Zweckbestimmung.537 533 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 471. 534 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 24. 535 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 471. 536 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 453 ff., 469 f.; bezüglich abschaltbaren lasten auch: Weise/Hartmann/ Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 185). 537 BNetzA, Bericht zu den Auswirkungen des Kernkraftausstiegs auf die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit, August 2011, S. 72; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 470; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 124.
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Ohnehin erfolgt der Einsatz von Regelenergie nicht netzknoten-, sondern regelzonenscharf, diese lässt sich also an sich nicht bestimmten Engpassstellen zuordnen.538 Die gezielte Behandlung regional auftretender Engpässe ist durch das eher „grobschlächtige“ Vorgehen des Einsatzes von Regelenergie folglich kaum möglich.539 Auf die Bedeutung von ab- und zuschaltbaren Lasten wird im folgenden Kapitel noch näher einzugehen sein. Die Anwendbarkeit von Lastmanagement in Engpasssituationen hängt davon ab, dass die kontrahierten Lasten eine geeignete örtliche Lage aufweisen.540 In § 13 Abs. 6a EnWG541 ist nun auch ein Spezialinstrument für Kombinationen aus KWK- und Power-to-Heat-Anlagen, also Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen, enthalten, das in Teil 2 B.III.4. gesondert darzustellen sein wird. Diese auch als „Nutzen statt Abregeln“ bezeichnete Vorschrift ist zwar systematisch dem Lastmanagement zugeordnet, stellt aber eigentlich eine Mischform von Redispatch und Lastzuschaltung dar. Hiernach können unter bestimmten Voraussetzungen KWKAnlagen in den Redispatch einbezogen und durch den ÜNB gedrosselt werden, wobei gleichzeitig Power-to-Heat-Anlagen als zuschaltbare Lasten Strom aus dem Netz ziehen und in Wärme umwandeln. Hintergrund dieser Regelung ist die Vermeidung der engpassbedingten Abregelung von EE-Anlagen und die Nutzbarmachung der erzeugten Stromüberschüsse.542 Daneben kommt auch das sog. Countertrading in Betracht, das auf gezielten, gegenläufigen Handelsgeschäften beruht, mit dem Ziel, kurzfristig auftretende Engpässe zu vermeiden oder zu beseitigen.543 Hier wird vor dem Engpass Strom verkauft, während zugleich hinter dem Engpass Strom zugekauft wird; auf diese Weise soll ein dem Engpass entgegen gerichteter Leistungsfluss entstehen.544 Die Wirkungsweise ist dem Redispatch sehr ähnlich, nur dass keine direkte Abregelungs-/Hochregelungs-Steuerung erfolgt, sondern Handelsgeschäfte zur Einwirkung auf den Stromfluss eingesetzt werden.545 Damit ist der Einsatz von Countertrading weniger präzise als das Redispatching. Hinzu kommt, dass Handelsgeschäfte an der Strombörse (ebenso wie die Ausschreibung von Regelenergie) nicht anlagen- oder 538 BNetzA, Bericht zu den Auswirkungen des Kernkraftausstiegs auf die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit, August 2011, S. 72; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 470; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 70. 539 Hierfür müssten die ÜNB wohl „out of merit order“ agieren. 540 Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 235). 541 Eingeführt mit dem EEG 2017, BGBl. 2016 I S. 2258 ff. 542 BT-Drs. 18/8860, S. 333. 543 VDN, Transmission Code 2007, Anhang A, S. 2; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 33. Die begriffliche Verwendung ist teilweise uneinheitlich. 544 Vgl. BNetzA, Beschluss vom 15. 10. 2009, BK6 – 08 – 267, S. 4 (Fn. 1). 545 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 465 f.
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netzknotenscharf, sondern nur regelzonenscharf erfolgen, so dass das Countertrading regelmäßig nur beim Umgang mit Netzengpässen auf den Kuppelleitungen zwischen zwei Regelzonen sinnvoll ist.546 Wird beispielsweise mehr Strom von einer Regelzone in eine andere verkauft, als die Kuppelleitung zwischen den beiden Regelzonen bewältigen kann, kann der zuständige Netzbetreiber Strom in der eigenen Regelzone kaufen und in die andere (mit dem „Exportüberschuss“) verkaufen – die hierdurch entstehenden gegenläufigen Stromflüsse können sich dann zu einem gewissen Grad gegenseitig aufheben.547 Schließlich gibt es auch noch die Möglichkeit für die Netzbetreiber, auf den intraday-Handel einzuwirken (temporärer Ausschluss einer oder mehrerer Regelzonen aus dem börslichen intraday-Handel)548 oder Fahrplanänderungen nicht anzunehmen (vgl. § 5 Abs. 2 S. 2 StromNZV). 3. Kontrahieren abschaltbarer bzw. zuschaltbarer Lasten (Lastmanagement)549 Neben dem Einsatz von Regelenergie sowie dem Gesamtkomplex des Engpassmanagements nennt § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG bei den Maßnahmen zur Beseitigung von Gefährdungen und Störungen des Energieversorgungssystems auch den Einsatz vertraglich vereinbarter abschaltbarer und zuschaltbarer Lasten – kurz gesagt: das Lastmanagement. Um die Rolle des Lastmanagements im Rahmen von § 13 EnWG darzulegen, soll an dieser Stelle kurz in Erinnerung gerufen werden, welche Rolle Regelenergie und Redispatching einnehmen: Regelenergie betrifft sowohl die Erzeugungs- als auch die Lastseite, wobei jeweils sowohl das Hochfahren von Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen als auch das Abregeln dieser Anlagen umfasst ist. Die Bedeutung der Regelenergie liegt in der Stabilisierung der Systembilanz. Das Redispatching betrifft dagegen ausschließlich das Hoch- und Abregeln von Erzeugungsanlagen und stellt die Standardmaßnahme zum Engpassmanagement dar. Das Lastmanagement betrifft im Gegensatz zum Redispatching550 ausschließlich die Lastseite, wobei sowohl die Ab- als auch die Zuschaltung von Lasten erfasst wird. 546 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 466. 547 Anschaulich bei König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 152. 548 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 468 f. 549 Siehe hierzu den kurzen Beitrag zur Bedeutung von Industrieanlagen zur Netzstabilisierung von Loske/Bier, Netzstabilisierende Beiträge der Industrie – Möglichkeiten und Hemmnisse, et 2011, Heft 10, S. 12 ff.; vgl. zudem Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 538 ff. 550 Mit Ausnahme der Regelung des Wirkleistungsbezugs von Speicheranlagen, § 13a Abs. 1 EnWG.
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Der Anwendungsbereich des Lastmanagements liegt aber nicht nur im Engpassmanagement551, es kann vielmehr auch zur Frequenzregelung eingesetzt werden.552 Unterspeisungen auf Erzeugungsseite können durch das Abschalten von Lasten ausgeglichen werden – die Wirkung entspricht hier dem Einsatz von positiver Regelenergie.553 Hierauf nimmt auch § 7 der Verordnung zu abschaltbaren Lasten (AbLaV) Bezug, aus dem sich ableiten lässt, dass abschaltbare Lasten im Sinne der AbLaV dem Regelleistungsmarkt nicht entzogen werden sollen; die Vermarktung dort bleibt auch weiterhin möglich.554 Das Zuschalten von Lasten kann im Übrigen eingesetzt werden wie negative Regelenergie. Man kann ab- und zuschaltbare Lasten dementsprechend auch als „weitere Regelenergieprodukte“ im Sinne von § 6 Abs. 3 S. 2 StromNZV neben Primär- und Sekundäregelenergie bzw. Minutenreserve bezeichnen.555 Angesichts der ähnlichen Wirkung von Lastmanagement und Regelenergie ist fraglich, inwiefern ab- und zuschaltbare Lasten im Rahmen von § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG eine eigenständige Bedeutung zur Frequenzregelung entwickeln können. Etwas anders sieht es im Bereich des Engpassmanagements aus: Angesichts des wachsenden Erzeugungsdefizits in Süddeutschland wird es schwieriger, RedispatchMaßnahmen durchzuführen – ggf. muss dabei sogar auf Erzeugungsanlagen in Österreich zurückgegriffen werden. Hier könnte das gezielte Abschalten von süddeutschen Lasten künftig eine wichtige Rolle spielen.556 In der Praxis muss sich allerdings erst noch erweisen, ob an den richtigen Stellen im Netz große Anlagen zur Verfügung stehen, die kurzfristig ihren Strombezug aus dem Netz drosseln können, ohne Produktionsausfälle hinnehmen zu müssen.557 § 13 Abs. 6 und § 13i Abs. 1 und 2 EnWG (früher: § 13 Abs. 4a und 4b EnWG a.F.) enthalten nähere Vorgaben bzw. Verordnungsermächtigungen für ab- und zuschaltbare Lasten. Seit 2013 ist zudem die Verordnung zu abschaltbaren Lasten in Kraft (AbLaV), die an sich am 1. Januar 2016 außer Kraft treten sollte (§ 19 S. 2 AbLaV a.F.) und nach zwischenzeitlich zweimaliger übergangsweiser Verlängerung doch noch novelliert wurde und in dieser Form seit dem 1. Oktober 2016 gültig ist (§ 20 Abs. 1 AbLaV).558 Die AbLaV enthält die Verpflichtung der ÜNB zur 551
VDN, Transmission Code 2007, S. 12. Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 233); BT-Drs. 18/8561, S. 17. 553 Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 185). 554 BT-Drs. 17/11671, S. 12. 555 Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 235); Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 185). 556 König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 201). 557 Vgl. hierzu König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 203). 558 BGBl. 2016 I S. 1984 ff. 552
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Durchführung von Ausschreibungen und zur Annahme eingegangener Angebote bis zu einer Gesamtabschaltleistung von 1.500 Megawatt (§§ 1, 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 AbLaV).559 Eine eigene Verordnung zu zuschaltbaren Lasten gibt es bislang nicht. Allerdings enthält § 13 Abs. 6a EnWG560 nun ein Spezialinstrument für Kombinationen aus KWK- und Power-to-Heat-Anlagen, also Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen.561 Eine weitere Regelung zum Lastmanagement enthält § 14a EnWG. Diese Vorschrift regelt, dass Netznutzern im Gegenzug für die Steuerung von vollständig unterbrechbaren Lasten ein reduziertes Netzentgelt anzubieten ist. Zwar handelt es sich hierbei nicht um eine Norm, die nach ihrer Konzeption originär der Systemverantwortung zuzuordnen ist und betrifft auch nicht die ÜNB, sie ist jedoch nichtsdestotrotz ist im Gesamtzusammenhang der Systemverantwortung von Bedeutung und wird deshalb hier mitbehandelt. a) §§ 13 Abs. 6 und 13i Abs. 1 und 2 EnWG und die Verordnung zu abschaltbaren Lasten562 Zunächst werden im Folgenden die allgemeinen Vorgaben des EnWG zum Umgang mit ab- und zuschaltbaren Lasten dargestellt, sodann wird das Instrument der Lastabschaltung nach der AbLaV näher untersucht. aa) Vorgaben des EnWG in §§ 13 Abs. 6 und 13i Abs. 1 und 2 Die ÜNB waren zwar schon bislang frei, Ab- oder Zuschaltleistung vertraglich zu kontrahieren und im Rahmen ihrer Systemverantwortung zum Einsatz zu bringen, haben aber kaum darauf zurückgegriffen bzw. konnten es mangels entsprechender Angebote nicht.563 Möglicherweise spielt hierbei auch eine Rolle, dass die Weitergabe der Kosten über die Netzentgelte – anders als im Bereich von Regelenergie und Redispatch – durch den Gesetzgeber bzw. die BNetzA nicht gesondert adressiert wurde und damit ganz regulär der Anreizregulierung, also der Effizienzregulierung, unterlag. Mit der Verordnung zu abschaltbaren Lasten wurde deshalb eine eigene Umlage zur Weiterwälzung der Kosten auf die Letztverbraucher eingeführt, die sog. AbLaV-Umlage (§ 18 AbLaV). Um den Einsatz von ab- und zuschaltbaren Lasten in Zukunft verstärkt zu forcieren und das Lastmanagement Teil des „Standardrepertoires“ der Netzbetreiber werden zu lassen, hat der Gesetzgeber mittlerweile regulatorisch eingegriffen.564 Die 559
Vor der Novellierung: 3.000 Megawatt (§ 1 AbLaV a.F.). Eingeführt mit dem EEG 2017, BGBl. 2016 I S. 2258 ff. 561 Teil 2 B.III.4. 562 Siehe hierzu insbesondere König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 454 ff. 563 BT-Drs. 17/6072, S. 72. 564 BT-Drs. 17/6072, S. 72. 560
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Regelung in § 13 Abs. 4a EnWG a.F., die nun in geänderter Form in § 13 Abs. 6 bzw. § 13i Abs. 1 und 2 EnWG enthalten ist, wurde zusammen mit der Regelung in § 14a EnWG mit der EnWG-Novelle vom 26. Juli 2011565 eingeführt und bereits mit dem Dritten Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2012566 wieder geändert; in diesem Zusammenhang wurde Absatz 4a überarbeitet und Absatz 4b neu eingefügt. Die ursprüngliche Regelung in § 13 Abs. 4a EnWG a.F. wurde bewusst in den Zusammenhang zur Vorschrift in § 13 Abs. 4 EnWG567 (nun: § 13 Abs. 5 EnWG) gesetzt, die eine Haftungsbeschränkung568 der ÜNB bei der Anwendung von Notmaßnahmen (§ 13 Abs. 2 EnWG) enthält.569 Die Rechtsfolgen dieser Haftungsbeschränkung sollten entfallen, soweit die ÜNB „ihnen angebotene technisch und wirtschaftlich sinnvolle Vereinbarungen für freiwillige Ab- und Zuschaltungen“ im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG ohne hinreichenden Grund im Vorfeld einer Gefährdungssituation nicht abgeschlossen hatten.570 Diese Verknüpfung zwischen Entfall der Haftungsbeschränkung und Beschaffung von Ab- und Zuschaltleistung wurde mit der Überarbeitung des EnWG 2012 wieder gestrichen. § 13 Abs. 4a EnWG a.F. enthielt seitdem insbesondere Verfahrensvorschriften, die bei der Beschaffung von Ab- und Zuschaltleistung über vertraglich vereinbarte ab- und zuschaltbare Lasten nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG einzuhalten sind. Mit dem Strommarktgesetz571 wurden unterdessen diese allgemeinen Vorgaben für ab- und zuschaltbare Lasten in § 13 Abs. 6 EnWG verschoben. Die bislang ebenfalls in § 13 Abs. 4a und 4b EnWG enthaltenen Verordnungsermächtigungen wurden in § 13i Abs. 1 und 2 EnWG eingefügt. Nach § 13 Abs. 6 EnWG ist bei der Beschaffung von Ab- oder Zuschaltleistung mittels ab- bzw. zuschaltbarer Lasten ein diskriminierungsfreies und transparentes Ausschreibungsverfahren anzuwenden572, bei dem die Anforderungen, die die Anbieter von Ab- oder Zuschaltleistung erfüllen müssen – soweit dies technisch möglich ist – zu vereinheitlichen sind; die ÜNB haben für die Ausschreibung eine gemeinsame Internetplattform einzurichten und zu nutzen. Diese Vorgaben entsprechen nun 1:1 denjenigen für die Beschaffung von Regelenergie (§ 22 Abs. 2 EnWG).573 Wenn sich also die ÜNB zukünftig ab- oder zuschaltbare Lasten sichern 565
BGBl. 2011 I S. 1554. BGBl. 2012 I S. 2730. 567 Vgl. dazu König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 132. 568 Näheres zur Haftung unter Teil 3 B. 569 Vgl. Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 185). 570 Siehe konkret: BGBl. 2011 I S. 1572 f. 571 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 572 Hier hieß es vor der Novellierung durch das Strommarktgesetz noch: „soweit dies wirtschaftlich und technisch vertretbar ist.“ 573 Siehe in Teil 2 B.III.1.c)bb). 566
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wollen, dann müssen sie die Vorgaben von § 13 Abs. 6 EnWG einhalten – komplett individuell ausgehandelte Verträge ohne vorherige Ausschreibung sind dagegen nicht mehr zulässig.574 Nach § 13i Abs. 1 EnWG wird die Bundesregierung „zur Verwirklichung einer effizienten Beschaffung und zur Verwirklichung einheitlicher Anforderungen“ zur näheren Ausgestaltung ermächtigt. Dies betrifft etwa die technischen Anforderungen, das Verfahren der Zuschlagserteilung und den Abruf der Ab- bzw. Zuschaltleistung. Während § 13 Abs. 6 i.V.m. § 13i Abs. 1 EnWG nur eine „wenn-dann“-Regelung enthält – „wenn ein ÜNB Ab- oder Zuschaltleitung kontrahieren will, dann muss er Folgendes einhalten“ –, ermöglicht § 13i Abs. 2 EnWG der Bundesregierung, eine Verordnung zu erlassen, mit der die ÜNB verpflichtet werden, Ausschreibungen im Sinne von Absatz 6 „für wirtschaftlich und technisch sinnvolle Angebote“ wiederholend oder für einen bestimmten Zeitraum durchzuführen und eingegangene Angebote über ab- oder zuschaltbare Lasten bis zu einer Gesamtab- oder Zuschaltleistung von jeweils 3.000 Megawatt (bislang: 3.500 MW) anzunehmen. In den weiteren Sätzen von § 13i Abs. 2 EnWG werden dann nähere Vorgaben gemacht und eingegrenzt, was in der Verordnung geregelt werden kann (u. a. Anforderungen an die Verträge, Berichtspflichten der BNetzA, Näheres zur finanziellen Verrechnung der entstehenden Kosten). Wirtschaftlich sinnvoll sind nach der Legaldefinition in Satz 3 nur Angebote, für die eine Vergütung zu zahlen ist, die die Kosten für eine Versorgungsunterbrechung nicht übersteigt, die eintreten könnte, wenn die ÜNB keine ab- oder zuschaltbaren Lasten zur Verfügung hätten. Es ist jedoch sehr zweifelhaft, ob die Kosten einer Versorgungsunterbrechung auf diesem Abstraktionsniveau seriös abschätzbar sind. Technisch sinnvoll sind im Sinne von § 13i Abs. 2 S. 4 EnWG nur Lasten mit einer Mindestleistung von 5 Megawatt (ursprünglich war hier eine Untergrenze von 50 MW genannt) die innerhalb von 15 Minuten zur Verfügung stehen können und geeignet sind, zur Sicherheit und Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems beizutragen. In der Rechtsverordnung können auch Befugnisse an die Regulierungsbehörde weitergegeben werden. Dies betrifft etwa die Möglichkeit, geographisch beschränkte Ausschreibungen durchzuführen (§ 13i Abs. 2 S. 7 Nr. 3 EnWG). Hiernach können etwa regelzonenscharfe Ausschreibungen eingeführt werden, wie es sie im Bereich der Regelenergie bereits gibt (§ 6 Abs. 2 StromNZV).575 Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass es ggf. von Bedeutung ist, wo im Netz sich eine bestimmte Anlage befindet, auf die zurückgegriffen werden soll.
574 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 59. 575 BT-Drs. 18/8951, S. 36.
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bb) Verordnung zu abschaltbaren Lasten (AbLaV) Für die Abschaltung von Lasten hat die Bundesregierung die Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (vom 28. Dezember 2012) erlassen.576 Diese wurde nach zwischenzeitlich zweimaliger Verlängerung mit Inkrafttreten zum 1. Oktober 2016 novelliert (§ 20 Abs. 1 AbLaV n.F.).577 Sie soll am 1. Juli 2022 wieder außer Kraft treten (§ 20 Abs. 2 S. 1 AbLaV).578 Die AbLaV stützt sich insbesondere auf § 13i Abs. 2 EnWG (ursprünglich § 13 Abs. 4b EnWG) und regelt, dass die ÜNB zur Durchführung von Ausschreibungen im Sinne von § 13 Abs. 6 EnWG sowie zur Annahme von eingegangenen Angeboten zum Erwerb von Abschaltleistung aus abschaltbaren Lasten bis zur einer Gesamtabschaltleistung von 1.500 Megawatt (vorher 3.000 MW) verpflichtet sind (§§ 1, 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 AbLaV). Durch die Novelle ist es zu einigen Anpassungen gekommen, die Struktur der Verordnung wurde jedoch nicht verändert. Das in der AbLaV geregelte Ausschreibungsverfahren ist an dasjenige für die Beschaffung von Regelenergie angelehnt.579 Die Ausschreibung von abschaltbarer Leistung erfolgt durch die ÜNB gemeinsam einmal wöchentlich (zuvor: monatlich) deutschlandweit und umfasst dementsprechend jeweils einen Erbringungszeitraum von einer Woche (§ 8 Abs. 1 AbLaV). Als Internetplattform wird www.regelleis tung.net mitgenutzt, also die Plattform, die bereits für die Ausschreibung von Regelenergie eingerichtet wurde. Die Abschaltleistung wird nochmal unterschieden nach sofort abschaltbarer Leistung, die innerhalb von einer Sekunde automatisch frequenzgesteuert bzw. unverzögert ferngesteuert durch den ÜNB und damit ähnlich der Primärregelenergie eingesetzt wird (§ 2 Nr. 10 AbLaV) und schnell abschaltbarer Leistung, die innerhalb von 15 Minuten ferngesteuert durch den ÜNB herbeigeführt werden kann und damit der Minutenreserve ähnelt (§ 2 Nr. 9 AbLaV); beide Formen werden nach § 8 Abs. 1 AbLaV in Höhe von jeweils 750 Megawatt (zuvor: 1.500 MW) ausgeschrieben. Zur Teilnahme am Ausschreibungsverfahren sind nur solche Anbieter berechtigt, die sich zuvor präqualifiziert haben bzw. eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen haben (§ 9 AbLaV). Was unter abschaltbaren Lasten zu verstehen ist, ergibt sich aus der Legaldefinition des § 2 Nr. 1 AbLaV: Erfasst sind Verbrauchseinrichtungen, die eine Abschaltleistung herbeiführen können, die mit der Höchstspannungsebene über 576 BGBl. I S. 2998. In Kraft ist die Verordnung seit dem 1. Januar 2013, vgl. 19 AbLaV. Zur Kritik an der AbLaV in ihrer ursprünglichen Ausgestaltung siehe Kühling/Klein/Busch, Demand-Side-Management und Energieregulierung, et 2016, Heft 7, S. 59 ff. (S. 63 f.). 577 BGBl. 2016 I S. 1984 ff. Die Novelle wurde durch die Europäische Kommission beihilferechtlich genehmigt, siehe die Pressemitteilung der EU-Kommission vom 24. Oktober 2016, http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16 – 3524_de.htm (abgerufen am 17. 04. 2018). Das Inkrafttreten der AbLaV war nach § 20 Abs. 1 und 2 AbLaV (in der Beschluss-Fassung) dadurch bedingt, dass die Kommission die Genehmigung erteilt, vgl. BGBl. 2016 I S. 1989. 578 § 18 AbLaV tritt erst am 31. Dezember 2023 außer Kraft (§ 20 Abs. 2 S. 2 AbLaV). 579 Teil 2 B.III.1.c)bb).
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maximal zwei Umschaltungen verbunden sind und die im physikalischen Wirkungsbereich eines Höchstspannungsknotens liegen. Hierdurch soll die netztechnische Wirksamkeit für die ÜNB sichergestellt werden.580 Diese wäre bei einem Anschluss an einer zu niedrigen Netzebene nicht gegeben. Die Mindestleistung ergibt sich unmittelbar aus § 13i Abs. 2 S. 4 EnWG und beträgt 5 Megawatt (ursprünglich: 50 MW). Mit der Novellierung wurden also die Ausschreibungszeiträume und die ausgeschriebenen Mengen verkürzt, gleichzeitig sind nun aber auch vergleichsweise kleine Anlagen zur Teilnahme berechtigt. Das Verfahren wird insoweit also ausgeweitet. Ein Anschluss mindestens am Hochspannungsnetz ist nicht mehr erforderlich. Vor der Teilnahme an den Ausschreibungen müssen die Anbieter von Abschaltleistung ein Vorverfahren durchlaufen und eine Rahmenvereinbarung mit dem ÜNB ihrer Regelzone abschließen (§ 9 AbLaV). Hierzu sind gemäß § 3 Abs. 2 AbLaV insbesondere die technischen Voraussetzungen nach § 5 AbLaVeinzuhalten, die näher ausgestalten, was in § 13i Abs. 2 S. 4 EnWG mit „technisch sinnvoll“ umschrieben wird: Danach muss die angebotene Abschaltleistung mindestens 5 MW betragen und der Kategorie sofort bzw. schnell abschaltbare Last zugeordnet sein. Zudem muss der Abruf für eine bestimmte Abrufdauer am Stück gewährleistet und für insgesamt mindestens 16 Viertelstunden im Erbringungszeitraum ermöglicht werden können sowie eine bestimmte Mindestverfügbarkeit im Ausschreibungszeitraum aufweisen. Im Übrigen muss sichergestellt sein, dass die Einspeiseleistung von Erzeugungseinrichtungen, die zur Versorgung der abschaltbaren Last genutzt werden, infolge des Abrufs von Abschaltleistung nicht verringert wird. Zur Erfüllung der technischen Voraussetzungen ist die Bildung eines Konsortiums zulässig, das Pooling kleiner Anlagen ist also möglich (§ 6 AbLaV). Näheres zur Angebotserstellung und zur Zuschlagserteilung regeln die §§ 10 und 11 AbLaV. Die ÜNB müssen für ordnungsgemäße Angebote nach § 10 AbLaV bis zu einer Gesamtabschaltleistung von jeweils 750 Megawatt Zuschläge für sofort und schnell abschaltbare Lasten erteilen (§ 11 Abs. 1 S. 2 AbLaV). Die Zuschläge erfolgen grundsätzlich auf Basis der Höhe der in den Angeboten enthaltenen Leistungspreise – beginnend mit dem niedrigsten und damit für den ÜNB günstigsten (§ 11 Abs. 2 AbLaV). Leistungspreise werden dann bereits für die Bereitstellung der Abschaltleistung ausgezahlt (§ 2 Nr. 6 AbLaV). Bei gleichem Leistungspreis entscheidet zunächst die Höhe des Arbeitspreises, ansonsten die „systemtechnische Wirksamkeit“ und schließlich der Zeitpunkt des Angebotseingangs über den Zuschlag. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Regelungen der AbLaV vor der Novelle 2016. Ursprünglich richtete sich der Zuschlag nach dem Arbeitspreis, da der Leistungspreis für Abschaltleistung auf 2.500 Euro pro Megawatt gedeckelt war (§ 4 Abs. 2 AbLaV a.F.) und somit als Zuschlagskriterium ausschied. Mit der Umstellung der AbLaV auf individuelle Leistungspreise und der Übernahme als Zuschlagskriterium erfolgte nun eine weitere Anpassung der AbLaV-Vorgaben an das 580
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Verfahren bei der Ausschreibung von Regelenergie. Auch dort richtet sich der Zuschlag nach dem Leistungspreis. Es gilt jeweils das pay-as-bid-Verfahren, es werden also keine Einheitspreise gezahlt. Der Verordnungsgeber erhofft sich von der Neuregelung eine Kostensenkung.581 Die Vergütung abschaltbarer Lasten hat sich danach zu richten, was „wirtschaftlich sinnvoll“ im Sinne von § 13i Abs. 2 S. 3 EnWG ist und wurde in § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 AbLaV näher geregelt. Der Verordnungsgeber hat sich dort von den im EnWG genannten potenziellen Kosten von Versorgungsunterbrechungen gelöst, da diese einen praktisch nicht handhabbaren Maßstab darstellen; Großstörungen im Stromnetz sind kaum abstrakt mit Kosten bewertbar, da sie sehr unterschiedlich verlaufen und dementsprechend auch ganz unterschiedliche Kostenniveaus erreichen können.582 In § 4 AbLaV werden deshalb konkrete Regelungen getroffen: Leistungsund Arbeitspreise werden durch die Anbieter von Abschaltleistung zwar individuell festgelegt, dürfen aber eine Höhe von 500 Euro pro Megawatt Abschaltleistung (Leistungspreis)583 bzw. von 400 Euro pro Megawattstunde im Falle des Abrufs der Leistung (Arbeitspreis)584 nicht übersteigen. Arbeitspreise werden gezahlt, sobald ein Abruf der Abschaltleistung erfolgt (vgl. § 2 Nr. 4 AbLaV). Dieser richtet sich vorrangig nach der systemtechnischen Wirksamkeit; bei gleicher Wirksamkeit wird der Anbieter mit dem vergleichsweise günstigsten Arbeitspreis herangezogen (§ 13 Abs. 4 AbLaV). Hier besteht damit auch weiterhin ein Unterschied zum Abruf von Regelenergie, wo grundsätzlich streng nach der Höhe des Arbeitspreises abgerufen wird. Die bilanzielle Berücksichtigung von Abschaltungen nach der AbLaV erfolgt über Fahrplangeschäfte: Dem ÜNB wird die Abschaltenergie bilanziell durch den Anbieter der Abschaltleistung geliefert.585 Die Vergütungsregelung in der AbLaV bewegt sich innerhalb der Vorgaben der Verordnungsermächtigung. Aus § 13i Abs. 2 S. 3 EnWG ergibt sich, dass nur solche Angebote zum Erwerb abschaltbarer Lasten wirtschaftlich sinnvoll seien, die die Kosten für die Versorgungsunterbrechungen nicht übersteigen, „zu denen es ohne Nutzung der zu- oder abschaltbaren Lasten kommen könnte.“ Da sich die Kosten für einen Blackout durchaus im Milliardenbereich bewegen können, die sich aus den Vergütungszahlungen nach der AbLaV maximal ergebenden Kosten der ÜNB aber „nur“ im dreistelligen Millionenbereich liegen können586, ist der Rahmen des EnWG 581
BT-Drs. 18/8561, S. 29. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 70. 583 Zuvor: einheitliche Festsetzung in Höhe von 2.500 Euro pro Megawatt. 584 Zuvor: Mindestpreis von 100 und Höchstpreis von 400 Euro. 585 BT-Drs. 18/8561, S. 24. 586 Vgl. BT-Drs. 17/11671, S. 2: Hier werden als Maximalsumme 348 Mio. Euro genannt – die Zahl bezieht sich jedoch noch auf eine frühere Entwurfsfassung der AbLaV, die einen Leistungspreis von 1.667 Euro pro Megawatt vorsah und dafür einen maximal möglichen Arbeitspreis von 500 Euro pro Megawattstunde. König nennt als Gesamtkostenbetrag nach der in Kraft getretenen Fassung der AbLaV 320,4 Mio. Euro (König, Die Vergütung abschaltbarer 582
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
gewahrt.587 Zudem erlaubt § 13i Abs. 2 S. 5 Nr. 4 EnWG dem Verordnungsgeber ohnehin, Ausgestaltung und Höhe der Vergütung näher zu regeln. Mit der Novellierung der AbLaV wurden die hauptsächlichen Kritikpunkte588 an der Vorgängerregelung zumindest auch deutlich entschärft: Es gibt nun keine hohen fixen Leistungspreise mehr, zudem werden nicht mehr nur große Anlagen mit einer Nennleistung von mindestens 50 Megawatt erfasst. Ob die Nutzung abschaltbarer Lasten neben dem Einsatz von Regelenergie eine echte Bedeutung erlangen kann, kann hier nicht beurteilt werden. Gerade im Bereich des Engpassmanagements scheinen jedoch sinnvolle Anwendungsbereiche zu bestehen.589 Alle Anbieter, die für ihre Angebote einen Zuschlag erhalten haben, müssen den ÜNB täglich bis 14.30 Uhr für den Folgetag ihre technische Verfügbarkeit melden (§ 12 AbLaV). Dies gilt allerdings dann nicht mehr, wenn das Restabrufkonto aufgebraucht ist. Soweit ein ÜNB auf die Abschaltung einer Last zurückgreift, hat er sich mit dem Betreiber des nachgelagerten Versorgungsnetzes, in das die zu regelnde abschaltbare Last eingebunden ist, abzustimmen; dies ändert jedoch nichts daran, dass der nachgelagerte Netzbetreiber verpflichtet ist, den ÜNB bei seiner Maßnahmenergreifung zu unterstützen (§ 16 AbLaV, § 14 Abs. 1c EnWG). Das Wiederhochfahren einer Verbrauchsanlage nach Durchführung einer Abschaltung darf erst nach Information des ÜNB erfolgen (§ 13 Abs. 3 AbLaV). Die Zuschaltung von Lasten wurde bislang nicht gesondert durch eine eigene Verordnung adressiert. Der Bedarf, Lasten abzuschalten und auf diese Weise den gleichen Effekt zu erzielen, wie durch das Hochfahren zusätzlicher Erzeugungsanlagen, wurde zunächst als größer eingeschätzt als der Bedarf an Lastzuschaltung.590 Allerdings kann in Zeiten hoher Einspeisung aus erneuerbaren Energien auch die kurzfristige Zuschaltung von Verbrauchsanlagen energiewirtschaftlich sinnvoll sein. Beispielsweise könnten Power-to-Heat-Anlagen eingesetzt werden, um in Stromüberschusssituationen Strom in Wärme umzuwandeln und in Fernwärmenetze oder Wärmespeicher einzuspeisen. Auf diese Weise könnte die Abregelung von Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen vermieden werden.591 Mit der Einführung Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 203)). Nach der Novelle gibt der Gesetzgeber eine Maximalsumme von 164 Mio. Euro an, BT-Drs. 18/8561, S. 22. 587 BT-Drs. 17/11671, S. 12; BT-Drs. 18/8561, S. 22. 588 König sah in den Regelungen eine gezielt eingeführte zusätzliche Einnahmequelle für energieintensive Unternehmen zur Abfederung der Kosten der Energiewende (König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 76). Vgl. auch König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 204 f.). 589 Vgl. BT-Drs. 18/8561, S. 17 f. 590 Vgl. etwa BNetzA, Bericht zu den Auswirkungen des Kernkraftausstiegs auf die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit, August 2011, S. 49 ff. 591 Ausführlich hierzu: IWES/SUER/IFAM, Power-to-Heat zur Integration von ansonsten abgeregeltem Strom aus Erneuerbaren Energien, 2014; SUER/ISI, Gutachten zu zuschaltbaren Lasten (für das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein), 2016.
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eines Spezialinstrumentes für Kombinationen aus KWK- und Power-to-Heat-Anlagen in § 13 Abs. 6a EnWG hat der Gesetzgeber aber mittlerweile einen ersten Schritt in diese Richtung unternommen. b) Lastmanagement im Übrigen In den Grenzen von § 13 Abs. 6 EnWG – Beschaffung in einem diskriminierungsfreien und transparenten Ausschreibungsverfahren – können ÜNB auch weiterhin Verträge über ab- und zuschaltbare Lasten außerhalb der AbLaV abschließen. Dies gilt für sämtliche zuschaltbaren Lasten, abschaltbare Lasten mit einer Nennleistung von maximal 5 Megawatt, die die AbLaV nicht erfasst (§ 2 Nr. 7 AbLaV i.V.m. § 13i Abs. 2 S. 4 EnWG), sowie für weitere abschaltbare Lasten mit einer Nennleistung über 5 Megawatt, wenn die Verpflichtung zur Kontrahierung von 1.500 Megawatt nach dem Verfahren der AbLaV (§§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 S. 2 AbLaV) bereits erfüllt ist.592 Eine Sperrwirkung der AbLaV dahingehend, dass über die dort gemachten Verpflichtungen keine weiteren vertraglichen Vereinbarungen gemacht werden dürfen, erscheint widersinnig, da § 13i Abs. 2 EnWG ein Minimum an vorhandener Abschaltleistung anreizen, nicht aber gleichzeitig ein Maximum festlegen soll.593 Zudem liegt der Sinn der AbLaV v. a. in der Festlegung einer bestimmten Vergütungssystematik, die nur für nach der AbLaV kontrahierte Lasten gilt, sowie einer speziellen Kostenweitergabeform, der AbLaV-Umlage (§ 18 AbLaV). Letztere gilt für die Kosten individuell vertraglich gebundener Lasten freilich nicht. Auch der neue § 13 Abs. 6a EnWG, mit dem für Power-to-HeatAnlagen in Verbindung mit KWK-Anlagen ein Spezialinstrument eingeführt wurde, das dazu dienen soll, die engpassbedingte Abregelung von EE-Anlagen zu vermeiden, entfaltet keine Sperrwirkung zur vertraglichen Bindung sonstiger zuschaltbarer Lasten.594 Das Instrument stellt v. a. ein Angebot an die ÜNB im Sinne eines Anreizes dar. Eine bemerkenswerte Vorschrift im Bereich des Lastmanagements, die hier noch exkursartig angesprochen werden muss, ist § 14a EnWG595, der sich an die Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen im Bereich der Niederspannung – damit also nicht an die ÜNB – richtet. Die Vorschrift wurde zuletzt im Zuge der Verabschiedung des
592
Jeweils 750 MW an schnell und sofort abschaltbaren Lasten. Vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 72 sowie BT-Drs. 17/11671, S. 10; vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 553. 594 Buchmüller/Hennig, Zuschaltbare Lasten, Innovationsausschreibungen, Experimentierklauseln und vieles mehr – Die Entstehung eines Rechtsrahmens für die Sektorkopplung?, ZNER 2016, S. 384 ff. (S. 386). 595 Ausführlich: Franz/Boesche, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 14a EnWG. 593
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neuen Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende geändert.596 Die genannten VNB müssen nach dieser Vorschrift Lieferanten und Letztverbrauchern, mit denen sie Netznutzungsverträge geschlossen haben, ein reduziertes Netzentgelt berechnen, wenn ihnen im Gegenzug die netzdienliche Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, die über einen separaten Zählpunkt verfügen, gestattet wird. Über diese Norm können Netzbetreiber also eine Ab- oder Zuschaltung von Lasten in Niederspannung bewirken.597 Entsprechende Verbrauchseinrichtungen sind etwa Wärmepumpen, Kühlanlagen oder auch Elektromobile. § 14a EnWG hat die gleiche Zielsetzung wie die Vorschriften zur Systemverantwortung in den §§ 13 ff., 14 EnWG598, nämlich die Beseitigung von Netzgefährdungen oder -störungen, verfolgt aber einen etwas anderen Weg der Umsetzung. Hier wird keine spezielle Vergütung für die Bereitstellung bzw. den Abruf von abschaltbaren Lasten gewährt, sondern es wird die allgemeine Bereitschaft, die eigene Verbrauchsanlage zum Zwecke der Netzentlastung durch den Netzbetreiber steuern zu lassen, mit einem vergünstigten Netzentgelt honoriert.599 Die Norm sollte bei ihrer Einführung erste Voraussetzungen für eine intelligente Netzsteuerung schaffen600, bei der sich im Zielzustand die gegenwärtige Netzbelastungssituation – drohende Engpässe im Verteilernetz – in der Höhe der Netzentgelte widerspiegelt. Hier soll also keine eigene vertragliche Vereinbarung geschlossen werden, die eine Vergütung für das Bereitstellen von Systemdienstleistungen (also etwa von abschaltbaren Lasten) enthält. Stattdessen wird direkt am Strompreis angesetzt, um über gezielt gesetzte Privilegierungen Flexibilisierungspotenziale zu erschließen. Derzeit enthält die Norm jedoch erst einmal nur eine pauschale Netzentgeltvergünstigung für diejenigen Betreiber von Lasten, die dem Verteilnetzbetreiber die Steuerung ihrer Anlagen zur Netzentlastung gestatten. Zukünftig könnten lastvariable Tarife jedoch eine große Bedeutung erlangen.601 Diese Entwicklung wird mit dem Digitalisie-
596 BGBl. 2016 I S. 2034 ff. Nun ist von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen die Rede, zuvor hieß es noch „unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen“. 597 Ursprünglich waren wohl nur Unterbrechungen, also Lastabschaltungen erfasst („Steuern von unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen“), BT-Drs. 17/6072, S. 74: „Zuschaltungen und ähnliche Maßnahmen sollen dagegen dem Netzbetreiber vorenthalten und dem wettbewerblichen Bereich vorbehalten bleiben. Sie sollten in variable Tarife im Sinne von § 40 [EnWG] integriert werden und Angebote ermöglichen, die zu einer intelligenten Netzauslastung beitragen, indem beispielsweise die Stromabnahme zu windstarken Zeiten belohnt wird.“ Dies hat sich nun geändert, wie bereits der neue Wortlaut „steuerbare Verbrauchseinrichtungen“ zeigt, BT-Drs. 18/7555, S. 111. 598 Vgl. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 84. 599 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 552. 600 BT-Drs. 17/6072, S. 73. 601 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 464.
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rungsgesetz nun verstärkt forciert und wird zunehmend dann auch die ÜNB-Ebene betreffen. 4. § 13 Abs. 6a EnWG als Spezialinstrument („Nutzen statt Abregeln“) Im Zuge der EEG-Novelle 2017602 hat der Gesetzgeber in § 13 Abs. 6a EnWG ein marktbezogenes, auf dem Abschluss vertraglicher Vereinbarungen beruhendes Spezialinstrument eingeführt, das systematisch dem Bereich des Lastmanagements in § 13 Abs. 6 EnWG zugeordnet ist, dabei jedoch ausschließlich KWK-Anlagenbetreiber adressiert. Das Instrument bildet eine Mischform aus Vorgaben zum Redispatch und zum Lastmanagement und wird deshalb in dieser Abhandlung in einem eigenen Unterpunkt dargestellt.603 Es dient dem Bereich des Engpassmanagements, stellt jedoch weniger die Gefahrenabwehr in den Mittelpunkt, sondern nimmt v. a. eine umwelt- bzw. klimabezogene und volkswirtschaftlich orientierte Sichtweise ein. Hintergrund der Einführung dieser Regelung ist die häufige und zunehmende engpassbedingte Abregelung von EE-Strom, insbesondere aus Windkraft im Norden Deutschlands.604 Aufgrund des nach wie vor defizitären Netzausbaus der Übertragungsnetze und des Auftretens von Engpässen, kann EE-Strom in vielen Situationen nicht in den Süden abtransportiert werden und wird deshalb im Rahmen der Maßnahmen der Systemverantwortung in der Form des Einspeisemanagements nach § 14 EEG 2017 abgeregelt. Dies ist aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes bedauerlich, da auf diese Weise emissionsfrei erzeugter Strom verloren geht. Gleichzeitig entstehen für die Nicht-Einspeisung Kosten nach § 15 EEG 2017.605 Mit § 13 Abs. 6a EnWG sollen künftig weniger Abregelungen von EE erfolgen und es soll stattdessen der Strom aus solchen Anlagen in Engpasssituationen vor Ort nutzbar gemacht werden („Nutzen statt Abregeln“).606 Hierzu werden aus dem Pool der verfügbaren zuschaltbaren Lasten einzig die Power-to-Heat-Anlagen, die Strom in Wärme umwandeln, herausgegriffen und in die Regelung eingebaut.607 Schon bislang hätten die ÜNB auch Verträge mit zuschaltbaren Lasten abschließen können. Dies unterblieb 602
BGBl. 2016 I S. 2258 ff. Vgl. BT-Drs. 18/8860, S. 333. 604 BT-Drs. 18/8860, S. 333. 605 BT-Drs. 18/8860, S. 333. 606 BT-Drs. 18/8860, S. 333. 607 Vgl. hierzu weiterführend: Birkner/Antoni/Hilpert, Technik der Energiewende und die Rolle von Power-to-Heat, EuroHeat&Power 2013, Heft 11, S. 22 ff.; Birkner/Antoni/Hilpert, Rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von Power-to-Heat, EuroHeat&Power 2013, Heft 12, S. 20 ff.; IWES/SUER/IFAM, Power-to-Heat zur Integration von ansonsten abgeregeltem Strom aus Erneuerbaren Energien, 2014; Hilpert, Der Rechtsrahmen für Power-to-HeatAnwendungen, in: Wenzl/Kaiser (Hrsg.), Erneuerbare erfolgreich integrieren durch Power-toHeat, Göttingen 2015, S. 128 ff. 603
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jedoch mangels eines klaren und detaillierten Rechtsrahmens608, auch bezüglich der Möglichkeiten der Kostenweitergabe über die Netzentgelte bzw. auf andere Weise (vgl. die AbLaV-Umlage). Der Gesetzgeber hat sich in diesem Zusammenhang dennoch nicht dafür entschieden, den Rechtsrahmen für ab- und zuschaltbare Lasten nach § 13 Abs. 6 und § 13i Abs. 1 und 2 EnWG zu nutzen und auch für zuschaltbare Lasten weiter auszugestalten609, sondern geht mit § 13 Abs. 6a EnWG einen Sonderweg. Warum nicht entsprechend der AbLaV eine Verordnung zu zuschaltbaren Lasten erlassen wurde, die gemäß den Vorgaben des § 13 Abs. 6 EnWG ein diskriminierungsfreies und transparentes Ausschreibungsverfahren und die Beteiligung aller verfügbaren zuschaltbaren Lasten regelt, erschließt sich aus den Entwurfsbegründungen zum EEG 2017 nicht.610 Stattdessen hat der Gesetzgeber nun ein eng umgrenztes Spezialinstrument geschaffen, das temporär dem Umgang mit Netzengpässen dienen soll. Ein ernsthafter Impuls für einen Wettbewerb der Flexibilitätsoptionen (Speicher, Industrie usw.) sowie für die Kopplung des Stromsektors mit dem Wärme- und dem Verkehrssektor, wie in § 1 Abs. 4 Nr. 3 sowie § 1a Abs. 3 EnWG beschrieben, geht hiervon nicht aus. Nach § 118 Abs. 22 EnWG stellt § 13 Abs. 6a EnWG ohnehin nur eine zeitlich begrenzte Regelung dar und ist nach dem 31. Dezember 2023 nicht mehr anzuwenden.611 Nach § 13 Abs. 6a S. 1 EnWG können ÜNB mit den Betreibern von KWK-Anlagen spezielle vertragliche Vereinbarungen schließen, die zum einen die Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung der KWK-Anlage vorsehen, zum anderen die gleichzeitige Lieferung von Strom aus dem Netz zur Aufrechterhaltung der Wärmeversorgung. Wird nämlich die KWK-Anlage durch den ÜNB gedrosselt, wird gleichzeitig auch weniger Wärme erzeugt612; dies soll durch die Nutzung von Netzstrom, der in einer Power-to-Heat-Anlage in Wärme umgewandelt wird, ausgeglichen werden. Die vorrangige Wirkung von § 13 Abs. 6a EnWG besteht darin, dass durch diese Norm nun auch hocheffiziente KWK-Anlagen in den Redispatch 608 BT-Drs. 18/8860, S. 333; Kahl/Kahles/Müller, Neuordnungen im EEG 2017 – Die Folgen des Systemwechsels auf Ausschreibungen für die Förderung, die Rolle des Netzes und den Anwendungsbereich, ER 2016, S. 187 ff. (S. 191); Vollprecht/Altrock, Die EEG-Novelle 2017 – Von Ausschreibungen bis zuschaltbare Lasten, EnWZ 2016, S. 387 ff. (S. 394). 609 Siehe Teil 2 B.III.3. Vgl. insoweit zudem SUER/ISI, Gutachten zu zuschaltbaren Lasten (für das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein), 2016, S. 67 ff. 610 BT-Drs. 18/8860; BT-Drs. 18/9096. Buchmüller/Hennig, Zuschaltbare Lasten, Innovationsausschreibungen, Experimentierklauseln und vieles mehr – Die Entstehung eines Rechtsrahmens für die Sektorkopplung?, ZNER 2016, S. 384 ff. (S. 388), halten die Regelungen des § 13 Abs. 6 EnWG zur Erforderlichkeit von Ausschreibungen auch im Rahmen von § 13 Abs. 6a EnWG für anwendbar bzw. einzuhalten. Dies entspricht aber nicht dem Wortlaut von § 13 Abs. 6a EnWG. 611 Zuvor nach § 13 Absatz 6a geschlossene Verträge laufen bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit weiter. 612 BT-Drs. 18/8860, S. 333.
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einbezogen werden können. Diese Anlagen sind an sich nach § 3 KWKG einspeiseprivilegiert. Eine Öffnungsklausel zum Abschluss vertraglicher Vereinbarungen zum Einsatz hocheffizienter KWK-Anlagen bei marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG bestand bislang nicht.613 Dies ändert sich nun insoweit, als in § 3 Abs. 3 KWKG festgeschrieben ist, dass die Vorgaben zum Einspeisevorrang nicht gelten, soweit nach § 13 Abs. 6a EnWG eine abweichende Vereinbarung besteht. Hieran zeigt sich die Tendenz der jüngeren Regulierungen (vgl. auch § 3 Abs. 2 S. 2 und 3 KWKG n.F.), der Einspeisung von EE einen gewissen Vorrang vor der an sich ebenfalls privilegierten KWK zu gewähren; die weiterhin geltende grundsätzliche Gleichrangigkeit von EE und KWK (§ 11 Abs. 1 S. 3 EEG 2017, § 3 Abs. 2 S. 1 KWKG) wird also mit Ausnahmen versehen. Dies macht auch Sinn, da KWK-Anlagen ihre Einspeisung ggf. verschieben können, während die Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik volatil ist. Im Falle von Abregelungen ist der Strom also verloren. Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG haben zur Folge, dass nun in Engpasssituationen ggf. hocheffiziente KWK-Anlagen614 auf der Ebene der marktbezogenen Maßnahmen und unter Abweichung vom Einspeisevorrang, jedoch erst nach den übrigen marktbezogenen Maßnahmen (§ 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 1 EnWG), also insbesondere dem Redispatching von konventionellen Anlagen, herangezogen werden können.615 Gleichzeitig werden Power-to-Heat-Anlagen als zuschaltbare Lasten aktiviert, so dass ein doppelter Entlastungseffekt616 entstehen soll und keine oder zumindest weniger Abregelungen von EE-Anlagen durchgeführt müssen.617 Es erfolgt dann insoweit keine gleichrangig-individuelle Anlagenauswahl von EE- und KWK-Anlagen auf der Ebene des Einspeisemanagements nach § 14 EEG 2017, die möglicherweise zugunsten der weiteren Einspeisung aus bestimmten KWK-Anlagen ausgeht618, sondern letztere werden – soweit nach § 13 Abs. 6a EnWG kontrahiert –, bereits auf der Rangstufe der marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG abgeregelt. Das Instrument des § 13 Abs. 6a EnWG hat allerdings nur einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich. Erfasst werden nur bereits vor dem 1. Januar 2017 in Betrieb genommene, also bestehende, KWK-Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mindestens 500 Kilowatt, die sich zum Zeitpunkt des Vertrags613
Dazu Teil 2 B.III.2.b)cc). Hinweis: Dem Wortlaut von § 13 Abs. 6a EnWG nach werden auch nicht hocheffiziente KWK-Anlagen mit-adressiert. 615 BT-Drs. 18/8860, S. 333 f.; Buchmüller/Hennig, Zuschaltbare Lasten, Innovationsausschreibungen, Experimentierklauseln und vieles mehr – Die Entstehung eines Rechtsrahmens für die Sektorkopplung?, ZNER 2016, S. 384 ff. (S. 388). 616 BT-Drs. 18/8860, S. 333. Zum einen wird die Stromeinspeisung verringert, zum anderen der -bezug erhöht. 617 Näheres hierzu in Teil 2 C. 618 Vgl. Vollprecht/Altrock, Die EEG-Novelle 2017 – Von Ausschreibungen bis zuschaltbare Lasten, EnWZ 2016, S. 387 ff. (S. 394). 614
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schlusses in einem Netzausbaugebiet nach § 36c EEG 2017 befinden und die „unter Berücksichtigung ihrer Größe und Lage im Netz geeignet ist, zur Beseitigung von Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems aufgrund von Netzengpässen im Höchstspannungsnetz effizient beizutragen“ (§ 13 Abs. 6a S. 1 EnWG). Die erforderliche Eignung der KWK-Anlagen umfasst dabei auch die möglichst kostengünstige Beseitigung von Engpässen (§ 13 Abs. 6a S. 3 EnWG). Die Verträge zwischen dem ÜNB und dem Anlagenbetreiber sind auf mindestens fünf Jahre zu schließen und der Bundesnetzagentur vor dem Abschluss zu übermitteln (§ 13 Abs. 6a S. 4 EnWG). Die Verteilnetzebene sowie Gefährdungen, die nicht auf Engpässen beruhen, werden von der Regelung nicht erfasst (§ 13 Abs. 6a S. 5 EnWG). Aus den weiteren Vorgaben der Norm könnte man zudem schließen, dass § 13 Abs. 6a EnWG nur den Neubau von Power-to-Heat-Anlagen betrifft. So heißt es in Satz 6, dass die elektrische Leistung von Wärmeerzeugern, die aufgrund einer Vereinbarung nach den Sätzen 1 und 2 installiert wird, 2 Gigawatt nicht übersteigen darf. Zudem ergibt sich aus § 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 3 EnWG, dass die Kosten für die Investition in eine Power-to-Heat-Anlage durch den ÜNB einmalig erstattet werden. Ein Ausschluss bereits bestehender Anlagen aus Verträgen nach § 13 Abs. 6a EnWG erscheint allerdings nicht sachgerecht. Damit würden gerade die KWK-Anlagenbetreiber bestraft, die bereits Vorkehrungen zur Sicherung ihrer Wärmeversorgung in Abregelungssituationen getroffen haben. Es spricht also mehr dafür, dass auch bestehende Power-to-Heat-Anlagen einbezogen werden können.619 Insoweit gilt dann auch die 2 GW-Grenze nicht. Allerdings wird für bestehende Anlagen keine nachträgliche Investitionskostenerstattung gewährt.620 In einer Rechtsverordnung nach § 13i Abs. 3 Nr. 3 EnWG kann die Bundesregierung nähere Vorgaben für Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG festlegen. Hiernach kann sie auch regeln, dass die ÜNB zum Abschluss von Verträgen mit KWK-Anlagenbetreibern in einem bestimmten Umfang verpflichtet werden. Auf diese Weise könnte also eine ähnliche Vorgabe getroffen werden, wie dies im Rahmen der AbLaV beim Abschluss von Abschaltverträgen der Fall ist, wonach die ÜNB zur Ausschreibung und Annahme von Angeboten in Höhe einer Abschaltleistung von insgesamt 1.500 Megawatt verpflichtet sind (§§ 1, 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 AbLaV). Weiterhin heißt es in § 13 Abs. 6a S. 7 EnWG, dass die Bundesregierung eine Rechtsverordnung nach § 13i Abs. 1 und 2 EnWG vorlegen wird, „sofern die installierte elektrische Leistung von Wärmeerzeugern, die aufgrund von vertraglichen Vereinbarungen mit den KWK-Anlagen nach den Sätzen 1 und 2 installiert wird, 2 Gigawatt im Netzausbaugebiet nicht erreicht.“ Die 2 GW-Grenze stellt also nicht nur eine 619
Ebenso Buchmüller/Hennig, Zuschaltbare Lasten, Innovationsausschreibungen, Experimentierklauseln und vieles mehr – Die Entstehung eines Rechtsrahmens für die Sektorkopplung?, ZNER 2016, S. 384 ff. (S. 387). 620 Vgl. BT-Drs. 18/8860, S. 334; Buchmüller/Hennig, Zuschaltbare Lasten, Innovationsausschreibungen, Experimentierklauseln und vieles mehr – Die Entstehung eines Rechtsrahmens für die Sektorkopplung?, ZNER 2016, S. 384 ff. (S. 387).
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maximale, investitionsgeförderte Obergrenze dar, sondern gleichzeitig auch eine Zielmarke. Wird diese nicht erreicht, soll eine Verordnung zu zuschaltbaren Lasten erlassen werden, damit neben Power-to-Heat-Anlagen auch andere zuschaltbare Lasten zum Abschluss vertraglicher Vereinbarungen angereizt werden können. Insoweit müssten dann, da die Regelung auf § 13i Abs. 1 und 2 EnWG verweist, diskriminierungsfreie und transparente Ausschreibungen durchgeführt werden. Ein Stichtag zum Erreichen der 2 Gigawatt wird aber nicht genannt.621 Alles in allem ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber die Lastzuschaltung nun erstmals ausdrücklich mit einer konkreten Regelung adressiert.622 Allerdings ist nicht nachvollziehbar, warum er sich für ein derart eingeschränktes und bereits in sich kompliziertes Verfahren entschieden hat. Hinzu kommt, dass in § 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 2 und 3 EnWG umfassende Vergütungsregelungen623 geschaffen werden, die neben der Entschädigung für die Kosten der Reduzierung der Einspeisung aus der KWK-Anlage und der Kosten für die Lieferung von Energie für die Power-to-HeatAnlage (EEG-Umlage, Netzentgelt, Stromsteuer usw.)624 sogar die Erstattung der Kosten der Investition in eine Power-to-Heat-Anlage vorsehen. 5. Mobilisierung und Einsatz zusätzlicher Reserven Im letzten Unterkapitel zu den marktbezogenen Maßnahmen der ÜNB werden die zusätzlichen Reserven einer näheren Betrachtung unterzogen. Ausgehend von allgemeinen Aussagen zum Hintergrund der Mobilisierung von Reserven, werden die einzelnen Reserve-Formen untersucht. a) Einführung und Hintergrund625 Bis zum Inkrafttreten des Strommarktgesetzes626 enthielt § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG, der die marktbezogenen Maßnahmen der ÜNB behandelt, auch einen Punkt „Mobilisierung zusätzlicher Reserven“. Dieser wurde nun in einen neuen § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG überführt und heißt künftig schlicht „zusätzliche Reserven“. Zudem werden dort jetzt konkret die Netzreserve (§ 13d EnWG) und die Kapazitätsreserve (§ 13e EnWG) als Beispiele genannt. Bei den Reserven handelt es aber keineswegs 621 Buchmüller/Hennig, Zuschaltbare Lasten, Innovationsausschreibungen, Experimentierklauseln und vieles mehr – Die Entstehung eines Rechtsrahmens für die Sektorkopplung?, ZNER 2016, S. 384 ff. (S. 389). 622 Vgl. Kühling/Klein/Busch, Demand-Side-Management und Energieregulierung, et 2016, Heft 7, S. 59 ff. (S. 64). 623 Dazu näher in Teil 3 A.I.1.d). 624 BT-Drs. 18/8860, S. 334. 625 Weiterführend zu Kapazitätsmechanismen: Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016. 626 BGBl. 2016 I S. 1786 ff.
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um eine eigene Maßnahmestufe627, sie stellen für sich noch nicht einmal eigene Maßnahmen dar, sondern habe ausschließlich dienende Funktion. Sie sind dazu da, die Durchführbarkeit der Maßnahmen der Systemverantwortung zu sichern. Man kann hier unterscheiden zwischen „klassischen“ Zusatzabsicherungen der ÜNB einerseits und erzeugungssteuernden Reserve-Instrumenten andererseits. Erstere stellen kein neues oder außergewöhnliches Phänomen dar, sondern waren immer schon Bestandteil des Maßnahmenrepertoires der ÜNB. Letztere dagegen sind eine gesetzgeberische Reaktion auf einen durch Liberalisierung und Energiewende fortentwickelten Strommarkt.628 Um die Aufgabenerfüllung der ÜNB zur Erhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems sicherstellen zu können, ist eine zunehmende Steuerung der Erzeugungsseite notwendig.629 Nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass es überhaupt genügend Regelungspotenzial an den erforderlichen Stellen im Netz gibt, auf das die ÜNB zurückgreifen können. Es handelt es sich also um erweiterte Systemsicherheitsmaßnahmen zur Ergänzung des Instrumentariums aus § 13 EnWG.630 Klassische Zusatzabsicherungen der ÜNB können beispielsweise in nicht eingesetzter Leistung bzw. im Anfahren sonst ungenutzter Einheiten von Kraftwerken sowie der Störungsaushilfe durch benachbarte ÜNB, etwa durch Lieferung freier Minutenreserve, bestehen.631 Ebenfalls erfasst sind der vorsorgliche Ankauf zusätzlicher Regel- und Ausgleichsenergie, die Wiederinbetriebnahme eines bereits entwidmeten Netzteils oder das Anfahren eines erst im Probebetrieb befindlichen Erzeugungsblocks; umfasst sind insoweit also Unterstützungsmaßnahmen, die über den regulären Netzbetrieb hinausgehen.632 Für die hier vorzunehmenden Untersuchungen sind diese allerdings nicht weiter von Relevanz. Im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen steht der Bereich der erzeugungssteuernden Reserve-Instrumente, der mit dem Strommarktgesetz nun umfassend weiterentwickelt wurde. Erste Schritte in diese Richtung wurden jedoch bereits 627
A.A. Scholtka/Martin/Sänger, Das Strommarktgesetz – ein Strommarktdesign für die Energiewende?, ER 2016, S. 249 ff. (S. 254); Schweizer/Mattis, Die neuen gesetzlichen Instrumente für Versorgungssicherheit im deutschen Stromnetz, et 2016, Heft 5, S. 84 ff. (S. 84 f.). 628 BT-Drs. 18/7317, S. 53. 629 Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff. (S. 252); Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 317); Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 243 f.); Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 358 ff. 630 So Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 30. 631 So Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 19 (Stand: Juni 2008). 632 So Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 24.
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zuvor unternommen, mit dem Dritten Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (2012)633, das die §§ 13a ff. EnWG a.F. einführte und eine Rechtsgrundlage für den Erlass der Reservekraftwerksverordnung (ResKV, heute: NetzResV) schaffte.634 Vor dem Erlass der neuen Vorschriften beschafften sich die Netzbetreiber für die Wintermonate in 2011/2012 sowie 2012/2013 auf Empfehlung und in Abstimmung mit der BNetzA635 eine sog. „Kaltreserve“ in nicht-förmlichen Verfahren.636 Hierzu wurden zwischen ÜNB und Kraftwerksbetreibern individuell ausgehandelte Verträge abgeschlossen – Transparenz und Diskriminierungsfreiheit waren entsprechend nicht in wünschenswertem Maße gewährleistet.637 Die hiernach mit dem Dritten Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften eingefügten Normen befassten sich erstmals mit der Stilllegung von Erzeugungsanlagen, der Beschaffung einer Netzreserve sowie mit für das Elektrizitätsversorgungsnetz bedeutenden Gaskraftwerken.638 Die Vorschriften wurden auch als „Winterreserve“-Normen bezeichnet.639 Sie sollten an sich zum 31. Dezember 2017 wieder außer Kraft treten640 – ihr Zweck bestand v. a. darin, dem Gesetzgeber Zeit zur Ausarbeitung eines neuen Strommarktdesigns zu verschaffen.641 Diese Zeit wurde in einem umfassenden Grün- und Weißbuchprozess auch genutzt.642 Hintergrund der gesetzgeberischen Befassung mit Kraftwerkreserven ist, dass konventionelle Erzeugungsanlagen neben fluktuierenden Stromeinspeisern wie Wind und Sonne vorerst auch weiterhin erforderlich sind, um am richtigen Ort gesicherte Erzeugungsleistung bereitzustellen.643 Dies liegt insbesondere daran, dass 633
BGBl. 2012 I S. 2730 ff. Vgl. hierzu auch Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 365 ff. 635 Siehe hierzu: BNetzA, Bericht zum Zustand der leitungsgebundenen Energieversorgung im Winter 2011/12, Mai 2012 und BNetzA, Bericht zum Zustand der leitungsgebundenen Energieversorgung im Winter 2012/13, Juni 2013. 636 Vgl. dazu Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 170). 637 Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 170). 638 Dazu Hofmann, Aktuelle Entwicklungen auf dem Stromerzeugungsmarkt im Jahr 2013, EnWZ 2014, S. 51 ff. 639 De Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 66). 640 Art. 2, 8 Abs. 2 des Dritten Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften, BGBl. 2012 I S. 2743 f. 641 Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 171). 642 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014; BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Weißbuch), 2015. 643 Gentzsch, Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft – Neue Vorgaben im Energierecht, in: Ehricke (Hrsg.), Hürden und Grenzen der Liberalisierung im Energiesektor, Baden-Baden 2013, S. 81 ff. (S. 83); Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 315). 634
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
der status quo des Netzausbaus nicht gewährleisten kann, dass in der Summe vorhandener Strom auch dorthin gelangt, wo er gebraucht wird. Liberalisierung und Energiewende haben dazu geführt, dass Erzeugung und Verbrauch von Strom regional häufig keine mengenmäßige Kongruenz aufweisen.644 Insbesondere besteht ein strukturelles Erzeugungsdefizit in Süddeutschland.645 Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch die Außerbetriebnahme von Kernkraftwerken, v. a. solcher im Süden Deutschlands.646 Engpässe im Stromnetz werden – wie beschrieben – insbesondere durch Redispatching ausgeglichen. Hierfür müssen aber auch genügend regelbare Erzeugungsanlagen zum Hochfahren an Stellen hinter dem Engpass zur Verfügung stehen. Da Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen Strom mit Grenzkosten nahe Null produzieren, werden für das Redispatching erforderliche konventionelle Anlagen, etwa Gaskraftwerke, aber zunehmend unrentabel – im äußersten Fall werden solche Anlagen sogar endgültig stillgelegt.647 Zubau von EE-Anlagen und Stilllegung konventioneller Anlagen entspricht zwar dem Ziel der Energiewende, jedoch sind zum einen häufig die „falschen“ konventionellen Anlagen betroffen – nämlich die im Vergleich zu Kohlekraftwerken umweltschonenderen Gaskraftwerke648, zum anderen entstehen für das Energiesystem netzseitige Versorgungsprobleme, solange die Stromnetze einen engpassbehafteten Flaschenhals darstellen. Die §§ 13a ff. EnWG a.F. (nun: §§ 13b ff. EnWG) sollen dieses (temporäre) Problem lösen, indem sie sicherstellen, dass genügend Erzeugungsanlagen zur 644
BMWi/BMU, Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, Dezember 2012, S. 59; BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014, S. 28. 645 Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff.; König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 201); Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 320 f.); Wahlhäuser, Kann immissionsschutzrechtlich erloschenes Leben energiewirtschaftlich reanimiert werden?, UPR 2014, S. 44 ff. (S. 44). 646 Vgl. etwa Franke, Systemstabilität und Wirtschaftlichkeit als Schlüsselherausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende, EnWZ 2013, S. 529 f. 647 Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 170); Franke, Systemstabilität und Wirtschaftlichkeit als Schlüsselherausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende, EnWZ 2013, S. 529 f. (S. 530); Gentzsch, Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft – Neue Vorgaben im Energierecht, in: Ehricke (Hrsg.), Hürden und Grenzen der Liberalisierung im Energiesektor, Baden-Baden 2013, S. 81 ff. (S. 84); Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff. (S. 252); BMWi, Zweiter Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“, März 2014, S. 48; Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 315); BNetzA/BKartA, Monitoringbericht 2015, November 2015, S. 23 f.; Garbers, Rechtliche Vorgaben für die Bundesnetzagentur bei regulatorischen Eingriffen in die Versorgungssicherheit, RdE 2015, S. 221 ff. (S. 222). 648 Vgl. Franke, Systemstabilität und Wirtschaftlichkeit als Schlüsselherausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende, EnWZ 2013, S. 529 f. (S. 530); zudem: Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 31 ff.
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Verfügung stehen, um Engpässe im Netz durch Umleitung des Stromflusses auflösen zu können.649 Diese Zweckrichtung darf nicht gleichgesetzt werden mit der mengenbezogenen Seite der Versorgungssicherheit650, also der Bereitstellung von ausreichender Stromerzeugungskapazität insgesamt651 und den mit dem Strommarktgesetz nun im Wesentlichen abgeschlossenen Diskussionen über die Einführung einer Kapazitätsreserve (nun erfolgt, § 13e EnWG n.F.652) oder gar eines Kapazitätsmarktes.653 Im Weißbuch des BMWi zum „Strommarkt 2.0“ heißt es zur Unterscheidung: „Kapazitäts- und Netzreserve sind zwei unterschiedliche Instrumente. Die Kapazitätsreserve sichert die Stromversorgung für den unwahrscheinlichen Fall ab, in dem der Markt Angebot und Nachfrage nicht ausgleicht. Die Netzreserve hingegen sichert den Netzbetrieb bei regionalen Netzengpässen ab. Bis zur Behebung der Netzengpässe hält sie Kraftwerke in Süddeutschland vor, um sie im Falle von Netzengpässen für Redispatch einzusetzen.“654 Um auch langfristig jederzeit einen vollständigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage an den Strommärkten sicherstellen zu können (vgl. § 1 Abs. 4 Nr. 2 EnWG n.F.), hat der Gesetzgeber mit dem Strommarktgesetz nun deshalb neben der weiter bestehenden Netzreserve (nun in § 13d EnWG explizit geregelt) mit der Kapazitätsreserve ein eigenes, zusätzliches Instrument eingeführt (§ 13e EnWG).655 Ein darüber hinausgehender Kapazitätsmarkt656 neben dem regulären Strommarkt
649 Vgl. dazu Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 49. 650 Vgl. hierzu Teil 2 A.II. 651 Insoweit besteht derzeit absolut betrachtet kein Defizit, die Probleme liegen eher im zeitlichen und örtlichen Ausgleich, vgl. Lehmann/Brandt et al., Braucht Deutschland jetzt Kapazitätszahlungen für eine gesicherte Stromversorgung?, et 2015, Heft 1/2, S. 26 ff. (S. 28); siehe hierzu auch Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 358 ff., 385 f. 652 In ihrer nun verwirklichten Form ist die Kapazitätsreserve allerdings – auch aufgrund ihrer Verortung bei den Systemverantwortungsvorschriften – vorrangig der Netzseite zuzuordnen. 653 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014, S. 38 ff.; siehe hierzu etwa auch: Franke, Systemstabilität und Wirtschaftlichkeit als Schlüsselherausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende, EnWZ 2013, S. 529 f.; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 319); Janssen/Maurer et al., Kapazitätsmarkt in Deutschland – falls ja, welcher?, et 2015, Heft 3, S. 12 ff. 654 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Weißbuch), 2015, S. 82. 655 Bereits vor der Einführung der Kapazitätsreserve gab es Vorschriften, die der Absicherung des Strommarktes zugeordnet waren, vgl. etwa § 13b Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EnWG a.F. 656 Siehe zu den denkbaren Ausgestaltungsformen und ihrer gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit insbesondere Ludwigs, Unionsrechtliche Probleme bei der Schaffung von Kapazitätsmechanismen in Deutschland, RdE 2015, S. 325 ff.; zudem, auch in Bezug auf nationale Vorgaben: Laux, Die Notwendigkeit einer Kapazitätsreserve zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit sowie deren europa- und verfassungsrechtliche Zulässigkeit, Göttingen 2016, S. 93 ff., 204 ff.
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(zum Handel mit gesicherter Kraftwerksleistung) wird dagegen nicht eingeführt.657 Während nun also die Netzreserve dem Engpassmanagement zugeordnet ist und hier die örtliche Lage der Erzeugungsanlagen eine wesentliche Rolle spielt, ist die Kapazitätsreserve aus Sicht der Systemverantwortung im Bereich der Frequenzregelung einzuordnen, die im Normalbetrieb mit dem Einsatz von Regelenergie behandelt wird.658 Die Vorschriften zur Kapazitätsreserve betreffen den Grenzbereich dessen, was noch als netzbezogene Aufgabe in den Bereich der Systemverantwortung der ÜNB fällt. Während die Netzreserve v. a. kurz- und mittelfristig relevant ist, dürfte die Kapazitätsreserve eher langfristig von Bedeutung sein und dann ggf. auch die Aufgaben der Netzreserve mitübernehmen. Bereits nach der nun geschaffenen Rechtslage können nach § 13d Abs. 2 EnWG n.F. Betreiber von Anlagen, die in der Netzreserve gebunden sind, auch am Verfahren zur Beschaffung der Kapazitätsreserve teilnehmen, sobald dieses startet. Mit Inkrafttreten des Strommarktgesetzes gibt es nun insgesamt sechs ReserveInstrumente: Dies sind die bereits bestehenden und nun weiterentwickelten Instrumente der Stilllegungsverbote für größere Erzeugungsanlagen (§§ 13b f. EnWG), der Netzreserve (§ 13d EnWG) und der Vorgaben zu systemrelevanten Gaskraftwerken (§ 13f EnWG); hinzu kommen nun noch die Kapazitätsreserve (§§ 13e, 13h EnWG), die Vorgaben zur Stilllegung von Braunkohlekraftwerken und deren Überführung in die sog. Sicherheitsbereitschaft (§ 13g EnWG), die v. a. dem Klimaschutz dienen, sowie die Schaffung einer eigenen Vorschrift für sog. Netzstabilitätsanlagen (§ 13k EnWG a.F.659). Die letztgenannte Regelung wurde mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz aber bereits wieder abgeschafft und durch eine Nachfolgeregelung ersetzt, die die Beauftragung Dritter zum Betrieb sog. besonderer netztechnischer Betriebsmittel vorsieht (§ 11 Abs. 3 EnWG n.F.).660 Mit diesem kaum überschaubaren Geflecht an Reserven – sowie dem Mangel an legislativer Konstanz – erzeugt der Gesetzgeber unnötige Komplexität. So erschließt sich nicht, warum man sich nicht gleich für ein einheitliches, alle Teilbereiche umfassendes Reserve-Instrument entschieden hat, mit dem gleichermaßen die Beseitigung engpassbedingter Gefährdungen und die Schaffung von Sicherungen für den jederzeitigen Abgleich von Angebot und Nachfrage verfolgt werden. Eine andere Möglichkeit hätte darin bestanden, über eine Modifikation des Regelenergiemarktes Kapazitätsmechanismen in das bestehende System integrieren; dort wird ja bereits jetzt über den Leis657
BT-Drs. 18/7317, S. 53 ff.; Stelter/Ipsen, Das Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz), EnWZ 2016, S. 483 ff. (S. 483). 658 Chrischilles/Bardt, Versorgungssicherheit im Strommarkt 2.0 – Stärkung der Bilanzkreisverantwortung, et 2016, Heft 4, S. 17 ff. (S. 19 f.); Scholtka/Martin/Sänger, Das Strommarktgesetz – ein Strommarktdesign für die Energiewende?, ER 2016, S. 249 ff. (S. 254); Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 389; Schweizer/Mattis, Die neuen gesetzlichen Instrumente für Versorgungssicherheit im deutschen Stromnetz, et 2016, Heft 5, S. 84 ff. (S. 87). 659 Eine ähnliche Regelung enthielt zuvor bereits § 8 Abs. 4 ResKV a.F. 660 Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 17. Juli 2017, BGBl. 2017 I S. 2503 ff.
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tungspreis die Bereitstellung von kurzfristig abrufbarer Leistung vergütet – man hätte den Regelenergiemarkt also im Wesentlichen um eine Langfristkomponente ergänzen müssen.661 b) Stilllegungen von Anlagen (§ 13b EnWG)662 § 13b EnWG (früher § 13a EnWG a.F.) betrifft die Stilllegung von Stromerzeugungs- und Speicheranlagen mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt. Adressiert werden hiermit konventionelle Anlagen, grundsätzlich sind jedoch auch EE-Anlagen erfasst. Die Vorschrift enthält Vorgaben, die die Stilllegung der betroffenen Anlagen temporär untersagen. Dazu besteht zum einen ein sog. „kleines Stilllegungsverbot“ (Absatz 1) und ggf. darüber hinaus auch ein „großes Stilllegungsverbot“ (Absätze 4 und 5), soweit die jeweilige Anlage als systemrelevant eingestuft wird (Absatz 2). Von Stilllegungsverboten betroffene Anlagen dienen vorübergehend als zusätzliche Reserven im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG bzw. werden im Rahmen der Netzreserve nach § 13d EnWG eingesetzt.663 Sie können dann nach § 13a Abs. 1 EnWG (insbes. Satz 2 Nr. 1) im gesetzlichen Redispatch eingesetzt werden. Durch das Strommarktgesetz wurde die Norm systematisch etwas anders angeordnet und ergänzt.664 Ausgangspunkt der Regelungen nach § 13b EnWG ist die Verpflichtung der Betreiber von Stromerzeugungs- und Speicheranlagen mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt, „vorläufige oder endgültige Stilllegungen ihrer Anlage oder von Teilkapazitäten ihrer Anlage dem systemverantwortlichen Betreiber des Übertragungsnetzes und der Bundesnetzagentur möglichst frühzeitig, mindestens aber zwölf Monate vorher anzuzeigen“ (§ 13b Abs. 1 S. 1 EnWG).665 Stilllegungen ohne vorherige Anzeige bzw. vor Ablauf der Jahresfrist sind grundsätzlich verboten (§ 13b Abs. 1 S. 2 EnWG). Dies wird auch als „kleines Stilllegungsverbot“ bezeichnet. Hintergrund der Vorgaben ist, dass den ÜNB auf diese Weise zum einen über 661 Siehe dazu Heim, Ein Regelenergiemarkt-Plus als Kapazitätsmechanismus, et 2015, Heft 5, S. 22 f. (S. 22). 662 Näheres hierzu: §§ 8 ff. NetzResV; siehe hierzu auch Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 374 ff. 663 Vgl. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 34. 664 Zudem wird sie nicht mehr automatisch mit Ablauf des 31. Dezember 2017 außer Kraft treten, vgl. BGBl. 2016 I S. 1817. Allerdings erfolgt nach § 63 Abs. 2a S. 3 EnWG n.F. zum 31. Dezember 2022 eine Evaluation hinsichtlich der weiteren Erforderlichkeit der Regelung. 665 Die Anzeige geplanter Stilllegungen ist für sich keine völlige Neuheit, vgl. VDN, Transmission Code 2007, S. 62: „Die Planung für vorübergehende bzw. endgültige Stilllegungen von Erzeugungseinheiten ist frühzeitig, möglichst 2 Jahre vor der geplanten Stilllegung dem ÜNB mitzuteilen, damit rechtzeitig ggf. netztechnische Anpassungsmaßnahmen durchgeführt werden können.“ Siehe hierzu auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 7.
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kommende Veränderungen in der Erzeugungslandschaft rechtzeitig Kenntnis verschafft wird666, zum anderen, dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird, zu prüfen, ob es sich bei der zur Stilllegung angezeigten Anlage um eine systemrelevante Anlage handelt (§ 13b Abs. 2 S. 1 EnWG). Im Übrigen soll verhindert werden, dass unmittelbar Fakten geschaffen werden.667 Das Ergebnis der Prüfung ist dem betroffenen Anlagenbetreiber und der BNetzA mitzuteilen. Soweit der ÜNB zum Ergebnis kommt, dass die Anlage nicht systemrelevant ist und er dies dem betroffenen Anlagenbetreiber mitgeteilt hat, ist auch schon vor Ablauf der Jahresfrist eine Stilllegung möglich (§ 13b Abs. 1 S. 3 EnWG).668 Eine Anlage ist nach § 13b Abs. 2 S. 2 EnWG dann systemrelevant669, „wenn ihre Stilllegung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems führen würde und diese Gefährdung oder Störung nicht durch andere angemessene Maßnahmen beseitigt werden kann.“ Es wird also geprüft, ob gerade durch das Fehlen der Erzeugungsleistung aus dieser Anlage größere Gefährdungen bzw. Störungen – insbesondere im Sinne von Netzengpässen – auftreten können, die nicht ohne Schwierigkeiten auch auf andere Weise verhindert werden können, etwa mit Hilfe des Rückgriffs auf andere, weiterhin vorhandene Anlagen oder ggf. auch gezielte Lastabschaltungen nach der AbLaV. Maßstab ist wie bei der Gefährdungsprognose670 die hinreichende Wahrscheinlichkeit.671 Entscheidend für die Prüfung ist das Vorhandensein von ausreichend gesicherter Erzeugungskapazität sowie die zu erwartende mittelfristige Entwicklung der Kapazitäten.672 Die Begründung der Notwendigkeit der Ausweisung als systemrelevant soll sich insbesondere aus der Systemanalyse der ÜNB nach § 3 NetzResV ergeben. Mit dem Strommarktgesetz wurde klargestellt, dass die Prüfung der Systemrelevanz nicht nur
666
Chaaban/Godron, Das neue Strommarktgesetz – Was ändert sich für stillgelegte Kraftwerke in der Netzreserve?, ER 2016, S. 106 ff. (S. 107). 667 Fietze, Vorläufiges Stilllegungsverbot und Weiterbetrieb „systemrelevanter Anlagen“ – Rechtsfragen der Stilllegung von Kraftwerken, EWeRK 2014, S 351 ff. (S. 354). 668 Vgl. bislang § 10 Abs. 5 ResKV; vgl. im Übrigen zur alten Rechtslage: König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13a EnWG Rn. 12; Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff. (S. 255); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 9. 669 Siehe zu diesem Begriff: Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. 670 Teil 2 A.I.1. 671 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 21 f. 672 Fietze, Vorläufiges Stilllegungsverbot und Weiterbetrieb „systemrelevanter Anlagen“ – Rechtsfragen der Stilllegung von Kraftwerken, EWeRK 2014, S 351 ff. (S. 353).
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bei der Anzeige einer endgültigen, sondern auch bei der Anzeige von vorläufigen Stilllegungen durchzuführen ist.673 Kommt der ÜNB zu dem Ergebnis, dass eine Anlage systemrelevant ist, so ist für das weitere Verfahren entscheidend, ob der Anlagenbetreiber die Anlage vorläufig oder endgültig stilllegen möchte.674 In beiden Fällen sind längerfristige, „große“ Stilllegungsverbote möglich. Als vorläufige Stilllegungen gelten nach § 13b Abs. 3 S. 1 EnWG Maßnahmen, die bewirken, „dass die Anlage nicht mehr anfahrbereit gehalten wird, aber innerhalb eines Jahres nach Anforderung durch den Betreiber eines Übertragungsnetzes nach Absatz 4 Satz 3 wieder betriebsbereit gemacht werden kann, um eine geforderte Anpassung ihrer Einspeisung nach § 13a Absatz 1 umzusetzen.“ Absatz 4 Satz 3 betrifft die Vorhaltung bzw. Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft im Falle eines Verbots der vorläufigen Stilllegung. Endgültige Stilllegungen sind nach § 13b Abs. 3 S. 2 EnWG Maßnahmen, „die den Betrieb der Anlage endgültig ausschließen oder bewirken, dass eine Anpassung der Einspeisung nicht mehr innerhalb eines Jahres nach einer Anforderung nach Absatz 4 erfolgen kann, da die Anlage nicht mehr innerhalb dieses Zeitraums betriebsbereit gemacht werden kann.“ Maßgeblich ist also für die Abgrenzung, ob eine Anlage innerhalb eines Jahres nach einer Anforderung zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft betriebsbereit gemacht werden kann. Revisionen und technisch bedingte Störungen fallen nicht in den Bereich der Stilllegungen. Die Legaldefinitionen der vorläufigen und endgültigen Stilllegung wurden mit dem Strommarktgesetz grundsätzlich überarbeitet.675 Für vorläufige Stilllegungen gelten die Vorgaben von § 13b Abs. 4 EnWG.676 Danach ist die tatsächliche Durchführung einer vorläufigen Stilllegung einer Anlage, die zur vorläufigen Stilllegung angezeigt wurde, auch über den Ablauf der Anzeigefrist hinaus verboten, solange und soweit die Anlage durch den ÜNB als systemrelevant ausgewiesen wurde (§ 13b Abs. 4 S. 1 EnWG). Die Ausweisung erfolgt für einen Zeitraum von 24 Monaten und kann im Falle einer erneuten Stilllegungsanzeige und dem Fortbestehen der Systemrelevanz jeweils für einen Zeitraum von 24 Monaten verlängert werden (§ 13b Abs. 4 S. 2 EnWG). Rechtsfolge der Ausweisung ist, dass der Anlagenbetreiber die Betriebsbereitschaft für Anpassungen nach § 13a Abs. 1 EnWG, also für Maßnahmen im Rahmen des gesetzlichen Redispatch, weiter vorhalten bzw. wiederherstellen muss (§ 13b Abs. 4 S. 3 EnWG). Ist die Anlage bereits vorläufig stillgelegt, muss sie auf Anforderung durch den ÜNB wieder betriebsbereit gemacht werden (§ 13b Abs. 4 S. 4 EnWG). 673
BT-Drs. 18/7317, S. 88 f. Kritisch zur Unterscheidung zwischen vorläufigen und endgültigen Stilllegungen im EnWG 2012: Fietze, Vorläufiges Stilllegungsverbot und Weiterbetrieb „systemrelevanter Anlagen“ – Rechtsfragen der Stilllegung von Kraftwerken, EWeRK 2014, S 351 ff. 675 Dazu Chaaban/Godron, Das neue Strommarktgesetz – Was ändert sich für stillgelegte Kraftwerke in der Netzreserve?, ER 2016, S. 106 ff. (S. 107 f.) 676 Vor dem Inkrafttreten des Strommarktgesetzes enthielt das EnWG keine Vorschriften hierzu. 674
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Wurde die endgültige Stilllegung einer Anlage angezeigt, gelten die Vorgaben des § 13b Abs. 5 EnWG, der im Grundsatz dem früheren § 13a Abs. 2 EnWG a.F. entspricht. Die tatsächliche Durchführung einer endgültigen Stilllegung ist danach über den Ablauf der Anzeigefrist hinaus verboten, „solange und soweit der systemverantwortliche Betreiber des Übertragungsnetzes die Anlage als systemrelevant ausweist, die Ausweisung durch die Bundesnetzagentur genehmigt worden ist und ein Weiterbetrieb technisch und rechtlich möglich ist“ (§ 13b Abs. 5 S. 1 EnWG). Betroffen hiervon sind allerdings nur Anlagen mit einer Nennleistung ab 50 Megawatt. Solche mit einer Nennleistung zwischen 10 und 49,99 Megawatt sind nicht erfasst, können also nicht als systemrelevant ausgewiesen und temporär am Netz gehalten werden. Im Übrigen besteht im Unterschied zum Umgang mit vorläufigen Stilllegungen vor allem die Besonderheit, dass die Bundesnetzagentur die Ausweisung als systemrelevant explizit genehmigen muss.677 Näheres zum Verfahren ergibt sich insoweit aus den Sätzen 2 bis 7. Dies Ausweisung soll in dem Umfang und für den Zeitraum erfolgen, „der erforderlich ist, um die Gefährdung oder Störung abzuwenden“; sie soll jedoch grundsätzlich die Dauer von 24 Monaten nicht überschreiten (§ 13b Abs. 5 S. 8, 9 EnWG). Rechtsfolge des Verbots der endgültigen Stilllegung ist dann, dass der Anlagenbetreiber die Anlage in einem Zustand erhalten muss, der eine Anforderung zur weiteren Vorhaltung bzw. Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft ermöglicht bzw., dass er auf eine tatsächliche Anforderung des ÜNB hin, die Betriebsbereitschaft der Anlage für Anpassungen weiter vorhält bzw. wiederherstellt (§ 13b Abs. 5 S. 11 EnWG). Insoweit wird an die Regelung bei vorläufigen Stilllegungen nach § 13b Abs. 4 S. 3 und 4 EnWG angeknüpft. Der Anlagenbetreiber muss die Anlage „auf dem qualitativen Mindestniveau einer vorläufigen Stilllegung“ erhalten.678 Die Stilllegungsvorschriften stellen zwar erhebliche Eingriffe in die Grundrechte679 der betroffenen Anlagenbetreiber dar – betroffen sind insbesondere die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG), auch der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) wird tangiert –, dürften sich im Ergebnis aber als verfassungsgemäß erweisen. Sie sind insbesondere verhält677 Es handelt sich hierbei um einen begünstigenden Verwaltungsakt mit drittbelastender Wirkung, Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 24. 678 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 32. 679 Siehe hierzu: König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13a EnWG Rn. 9; vgl. allgemein zur Verfassungsmäßigkeit von §§ 13af. EnWG auch: Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff.; Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 337 ff.); Schmidt-Preuß, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl., Köln 2016, S. 1640 ff.; Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, BadenBaden 2016, S. 404 ff.
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nismäßig, da kein milderes, aber ebenso effektives Mittel ersichtlich ist, um zumindest temporär die aus Gründen der Versorgungssicherheit erforderliche680 Erhaltung der Einspeiseleistung aus bestimmten, örtlich günstig gelegenen Anlagen zu sichern. Selbst ein ggf. durch den ÜNB veranlasster Neubau von Anlagen kann bzw. konnte zumindest nur mit deutlicher zeitlicher Verzögerung Abhilfe schaffen (vgl. § 13k EnWG a.F.). Hinzu kommt, dass den Energieversorgungsunternehmen, wozu die Betreiber von Erzeugungsanlagen in der Regel zu zählen sind, bereits nach § 2 Abs. 1 EnWG eine besondere Versorgungsverantwortung auferlegt ist, die eine gesicherte Bereitstellung von Elektrizität umfasst (§ 1 EnWG).681 Die Stilllegungsvorschriften werden im Übrigen ergänzt durch ein umfangreiches Vergütungsregime (§ 13c EnWG).682 Ersetzt werden dabei auch Betriebsbereitschafts- und ggf. Erhaltungsauslagen (§ 13c Abs. 1 S.1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 3 EnWG). Werden solche in Anspruch genommen, ist allerdings zu beachten, dass die Anlage dann – um Fehlanreize zu vermeiden683 – nicht mehr am Strommarkt betrieben werden darf („no way back“) bzw., im Falle der geplanten vorläufigen Stilllegung, bei einer Rückkehr an den Strommarkt nach Ablauf der Dauer der Ausweisung der Restwert der investiven Vorteile zu erstatten ist (§ 13c Abs. 2 bzw. 4 EnWG). Eine vollständige Rückerstattung ist seit den Anpassungen durch das Strommarktgesetz nicht mehr gefordert. Ein Rückgriff auf von Stilllegungsverboten betroffene Anlagen nach § 13b EnWG darf nur erfolgen, soweit mit Anlagen im Regulärbetrieb keine Engpassbeseitigung mehr durchgeführt werden kann (vgl. §§ 9 Abs. 2 S. 1 und 10 NetzResV) und erst nach Ausschöpfung des Redispatchpotenzials aus Reserve-Anlagen in der Netzreserve (§ 1 Abs. 2 S. 3 NetzResV). c) Netzreserve (§ 13d EnWG)684 Neben den Regelungen zum Verbot der Stilllegung von Anlagen wurde mit der „Wintergesetzgebung“ 2012 in § 13b Abs. 1 Nr. 2 EnWG a.F. auch eine Verordnungsermächtigung eingefügt, um Regelungen für den transparenten Prozess zur Beschaffung einer sog. Netzreserve vorzusehen – aus vorläufig stillgelegten Anlagen, aus von vorläufiger oder endgültiger Stilllegung bedrohten Anlagen und in 680 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 40. 681 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 40. 682 Dazu näher in Teil 3 A.I.1.c)cc). 683 Vgl.: BT-Drs. 17/11705, S. 51; Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 171); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 66 ff. 684 Siehe hierzu auch Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 368 ff.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
begründeten Ausnahmefällen aus neuen Anlagen. Mit dem Strommarktgesetz685 wurde die Netzreserve nun auch unmittelbar in einem eigenen Paragraphen des EnWG, in § 13d EnWG n.F., geregelt. Die bislang nur bis zum 31. Dezember 2017 reichende Geltungsdauer wurde gestrichen.686 Allerdings hat die EU-Kommission nur eine beihilferechtliche Genehmigung bis Juni 2020 erteilt.687 Die Vorgaben zur Beschaffung einer Netzreserve aus neuen Anlagen, ggf. sogar errichtet und betrieben durch die ÜNB selbst, wurden mit dem Strommarktgesetz aus den NetzreserveVorschriften herausgenommen (§ 8 Abs. 4 ResKV a.F.); insoweit bestand zeitweise das Instrument der sog. Netzstabilitätsanlagen (§ 13k EnWG a.F.). Die Netzreserve bildet derzeit in Kombination mit den Stilllegungs-Vorschriften nach § 13b EnWG das zentrale Instrument zur Sicherung von Redispatchpotenzial für die ÜNB.688 In § 13d Abs. 1 EnWG heißt es hierzu nun, dass die ÜNB nach § 13b Abs. 4 und 5 EnWG, also den großen Stilllegungsverboten (bezogen auf die geplante vorläufige oder endgültige Stilllegung von Erzeugungs- bzw. Speicheranlagen mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt), sowie nach Maßgabe der Netzreserveverordnung689 Anlagen vorhalten, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems gewährleisten zu können, insbesondere zur Bewirtschaftung von Engpässen (vgl. auch § 2 Abs. 1 NetzResV). Für den Bereich der Frequenzregelung ist die Netzreserve künftig nicht mehr gedacht, da insoweit die Kapazitätsreserve relevant ist.690 Allerdings können Anlagen, die im Rahmen der Netzreserve kontrahiert wurden, auch am Verfahren zur Beschaffung der Kapazitätsreserve nach § 13e EnWG teilnehmen. Sie erhalten ihre Vergütung dann ausschließlich nach Maßgabe der Bestimmungen zur Kapazitätsreserve, müssen jedoch weiterhin für Redispatch-Maßnahmen nach § 13a Abs. 1 EnWG zur Verfügung stehen (§ 13d Abs. 2 EnWG). Durch diese Vorgabe wird sichergestellt, dass die an netztechnisch günstig gelegenen Orten befindlichen Anlagen auch weiterhin zur Engpassumgehung eingesetzt werden können.691 Mit dieser Verknüpfung der Instrumente Netzreserve und Kapazitätsreserve wird die mittelfristige Wiederabschaffung der Netz-
685
BGBl. 2016 I S. 1786 ff. BGBl. 2016 I S. 1817. Allerdings erfolgt nach § 63 Abs. 2a S. 3 EnWG n.F. zum 31. Dezember 2022 eine Evaluation hinsichtlich der weiteren Erforderlichkeit der Regelung. 687 Pressemitteilung der EU-Kommission vom 20. Dezember 2016, http://europa.eu/rapid/ press-release_IP-16-4472_de.htm (abgerufen am 30. 06. 2017). 688 Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 378. 689 Die Reservekraftwerksverordnung wurde in Netzreserveverordnung umbenannt. Sie basiert im Hinblick auf die weiteren Vorgaben zur Netzreserve auf der Ermächtigung in § 13i Abs. 3 Nr. 2 EnWG. Sie tritt nicht mehr mit Ablauf der 31. 12. 2017 außer Kraft (§ 14 Abs. 2 ResKV a.F.). 690 Vgl. noch § 13b Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EnWG a.F. und BT-Drs. 17/11705, S. 52; zum neuen Recht siehe BT-Drs. 18/7317, S. 94. 691 BT-Drs. 18/7317, S. 96 686
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reserve bereits in die Wege geleitet; dies ist allerdings auch abhängig davon, inwieweit der Netzausbau in den kommenden Jahren voranschreitet.692 Teilnahmeberechtigt sind nach § 13d Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EnWG in erster Linie alle Anlagen, „die derzeit nicht betriebsbereit sind und auf Grund ihrer Systemrelevanz auf Anforderung der Betreiber von Übertragungsnetzen wieder betriebsbereit gemacht werden müssen.“ Damit sind wohl die Anlagen nach § 13b Abs. 4 und 5 EnWG gemeint, für die bereits Stilllegungsverbote gelten. Weiterhin können aber auch solche systemrelevanten Anlagen Teil der Netzreserve werden, „für die die Betreiber eine vorläufige oder endgültige Stilllegung nach § 13b Absatz 1 Satz 1 angezeigt haben“ (§ 13d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EnWG). Mit dieser Ergänzung sollen scheinbar auch Anlagen, die bisher ihre Stilllegungsabsicht bloß angezeigt haben, für die also bislang nur das kleine Stilllegungsverbot gilt, Teil der Netzreserve werden können. Der Sinn dieser Vorschrift erschließt sich allerdings nicht, da zu diesem Zeitpunkt die Systemrelevanz-Prüfung noch im Gange ist, also noch gar nicht feststeht, ob die Anlage auch tatsächlich systemrelevant ist. Auch die Entwurfsbegründung des Gesetzgebers gibt hierzu keinen Aufschluss.693 Schließlich können für die Netzreserve noch geeignete Anlagen im Ausland kontrahiert werden (§ 13d Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EnWG). Die Bildung und der Einsatz der Netzreserve erfolgen, unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben, auf Grundlage von vertraglichen Vereinbarungen zwischen den ÜNB und den teilnahmeberechtigten Anlagenbetreibern – in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur und nach Maßgabe der Netzreserveverordnung (§ 13d Abs. 3 EnWG, § 1 Abs. 2 S. 1 NetzResV).694 Ausgangspunkt der Beschaffung einer Netzreserve bildet eine jährlich von den ÜNB gemeinsam durchgeführte Analyse der verfügbaren gesicherten Erzeugungskapazitäten, der wahrscheinlichen Entwicklung der verfügbaren gesicherten Erzeugungskapazitäten bezogen auf das folgende Winterhalbjahr695 (Systemanalyse) und – hieraus abgeleitet – des eventuellen Bedarfs an Netzreserve (§ 3 Abs. 1 NetzResV). Die Ergebnisse der Prüfungen der ÜNB sind an die Bundesnetzagentur zu ermitteln, die den Bedarf an Netzreserve ebenfalls prüft und ggf. bestätigt (§ 3 Abs. 1 NetzResV).696 Maßstab aller Prüfungen ist die 692
Vgl. BT-Drs. 18/8915, S. 32 f. BT-Drs. 18/7317, S. 94. 694 Ausschreibungsverfahren sind nicht erforderlich, vgl. Sötebier, in: Britz/Hellermann/ Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13b Rn. 20. 695 Sowie auf mindestens eines der weiteren darauf folgenden vier Betrachtungsjahre. Es können auch weitere Untersuchungszeiträume definiert werden. 696 Siehe: BNetzA, Feststellung des Reservekraftwerksbedarfs für den Winter 2013/2014, September 2013; BNetzA, Feststellung des Reservekraftwerksbedarfs für den Winter 2014/ 2015 sowie die Jahre 2015/2016 und 2016/2017, Mai 2014; BNetzA, Feststellung des Reservekraftwerksbedarfs für den Winter 2015/2016 sowie die Jahre 2016/2017 und 2019/2020, April 2015; BNetzA, Feststellung des Bedarfs an Netzreserve für den Winter 2016/2017 sowie das Jahr 2018/2019, April 2016; BNetzA, Feststellung des Bedarfs an Netzreserve für den Winter 2017/2018 sowie das Jahr 2018/2019 und zugleich Bericht über die Ergebnisse der Systemanalysen, April 2017. 693
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Vermeidung von Gefährdungssituationen durch die Vorhaltung von Erzeugungskapazitäten, insbesondere als Redispatchpotenzial; bestehende Netzengpässe und mögliche Entwicklungen im Netzausbau sind zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 3 NetzResV). Die jeweils örtlich betroffenen ÜNB veröffentlichen dann die konkreten Anforderungen an die erforderlichen Anlagen für die Netzreserve einschließlich eventueller Anforderungen an den Standort und die technischen Parameter (§ 4 Abs. 1 NetzResV). In der Folge können Anlagenbetreiber ihr Interesse am Vertragsabschluss bekunden, wobei im Falle gleicher technischer Eignung vom ÜNB das preisgünstigste Angebot zu berücksichtigen ist (§ 4 Abs. 2 NetzResV). Netzreserve-Verträge mit Anlagenbetreibern im Inland dürfen nur geschlossen werden, wenn die Anlage systemrelevant i.S.v. § 13b Abs. 2 S. 2 EnWG ist, die Anzeigefrist nach § 13b Abs. 1 S. 1 EnWG zum Beginn des Einsatzes in der Netzreserve abgelaufen ist bzw. die Anlage bereits vorläufig stillgelegt ist, sie sich in einem zumindest materiell genehmigungsfähigen Zustand befindet und sich der Betreiber verpflichtet, die Anlage nach Ablauf des Reserve-Vertrages bis zur Stilllegung nicht mehr den Strommärkten einzusetzen (§ 5 Abs. 2 NetzResV). Anlagen in der Netzreserve fallen also unter die sog. „no way back-Regelung“, die den regulären Strommarkt schützen soll (vgl. auch § 7 Abs. 1 NetzResV).697 Wenn Anlagen im europäischen Energiebinnenmarkt oder der Schweiz kontrahiert werden, sind die Anforderungen weniger streng. Hier ist im Wesentlichen erforderlich, dass die Anlage mindestens genauso preisgünstig ist wie die Nutzung einer gleich geeigneten Anlage in Deutschland (§ 5 Abs. 3 NetzResV). Der Umfang der Kostenerstattung wird in den jeweiligen Verträgen und nach Abstimmung mit der Bundesnetzagentur festgelegt. Nähere Vorgaben hierzu enthält § 6 NetzResV.698 Erstattungsfähig sind dabei die Kosten, die durch die Nutzung für die Netzreserve entstehen; umfasst sind insbesondere auch Betriebsbereitschaftsauslagen. Der Einsatz der Netzreserve kommt ausschließlich außerhalb des Energiemarktes und nur nach Maßgabe der Anforderung durch die ÜNB (§ 7 Abs. 1 NetzResV) in Betracht. Der Einsatz der Netzreserve erfolgt zudem nachrangig zu den nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG vertraglich kontrahierten sowie zu den per Gesetz zum Redispatch verpflichteten Anlagen nach § 13a Abs. 1 EnWG, die sich im regulären Betrieb befinden (§ 7 Abs. 2 NetzResV), aber vorrangig zur Heranziehung von Anlagen, deren Stilllegung geplant und angezeigt wurde (§ 1 Abs. 2 S. 3 NetzResV), die jedoch nicht an der Netzreserve teilnehmen (möchten).699 Ist also im Rahmen des gesetzlichen Redispatch ein Rückgriff auf Reserve-Anlagen erforderlich, sind zu697 Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S.171). 698 Dazu näher in Teil 3 A.I.1.c)cc). 699 Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 171); Hofmann, Aktuelle Entwicklungen auf dem Stromerzeugungsmarkt im Jahr 2013, EnWZ 2014, S. 51 ff. (S. 52); Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 244); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 164.
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nächst die in der Netzreserve vertraglich gebundenen Anlagen heranziehen. Nur soweit auch deren Einsatz nicht ausreichend ist, darf generell auf die von Stilllegungsverboten betroffenen Anlagen zurückgegriffen werden (§ 13b EnWG). d) Kapazitätsreserve (§ 13e EnWG)700 Mit dem Strommarktgesetz701 wurde die Kapazitätsreserve in § 13e EnWG als neues und weiteres Reserve-Instrument eingeführt. Die Entscheidung hierfür fiel nach umfassenden Diskussionsprozessen über die Absicherung des Strommarktes, bei denen auch die Bildung eines eigenen Kapazitätsmarktes – zum Handel mit gesicherter Kraftwerksleistung – neben dem regulären Strommarkt geprüft, aber schließlich verworfen wurde.702 In § 13e Abs. 1 S. 1 EnWG heißt es nun, dass die ÜNB Reserveleistung vorhalten, um „um im Fall einer Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems Leistungsbilanzdefizite infolge des nicht vollständigen Ausgleichs von Angebot und Nachfrage an den Strommärkten im deutschen Netzregelverbund auszugleichen (Kapazitätsreserve).“ Diese neue Reserve dient also dem langfristigen, jederzeitigen und vollständigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage an den Strommärkten (vgl. auch § 1 Abs. 4 Nr. 2 EnWG n.F.). Es soll ein „Kapazitäts-Puffer“ aufgebaut werden, der dann zum Tragen kommt, wenn die derzeit noch bestehenden Überkapazitäten abgebaut sind, etwa um 2020.703 Sie betrifft damit nicht den Bereich des Engpassmanagements und der Schaffung von Redispatchpotenzial, sondern den Frequenzausgleich, also die Erhaltung einer ausgeglichenen Systembilanz und ist damit der marktbezogenen Maßnahme des Einsatzes von Regelenergie zugeordnet.704 Netzreserve und Kapazitätsreserve bestehen damit parallel, allerdings können Anlagen, die in der Netzreserve gebunden sind, auch am Verfahren zur Beschaffung der Kapazitätsreserve 700 Zur Vereinbarkeit von Kapazitätsmechanismen mit dem Unionsrecht: Ludwigs, Unionsrechtliche Probleme bei der Schaffung von Kapazitätsmechanismen in Deutschland, RdE 2015, S. 325 ff. (S. 328 ff.); zudem: Cosack/Laux, Der Weißbuch-Vorschlag zur Einführung einer Kapazitätsreserve aus beihilferechtlicher Sicht, ER 2015, S. 190 ff. Eine beihilferechtliche Genehmigung stand zunächst noch aus (vgl. § 118 Abs. 18 S. 1 Nr. 2 EnWG), die EUKommission hatte insoweit gewisse Bedenken geäußert; siehe dazu Spiegel Online-Meldung vom 7. April 2017, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/energiewende-eu-kommission-pru eft-deutsche-stromreserve-a-1142370.html (abgerufen am 30. 06. 2017). Mit Pressemitteilung der EU-Kommission vom 7. Februar 2018, https://ec.europa.eu/germany/news/20180207-strom versorgungssicherheit_de (abgerufen am 17. 04. 2018), wurde jedoch die Genehmigung erteilt. 701 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 702 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014; BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Weißbuch), 2015; BT-Drs. 18/7317, S. 96. 703 BT-Drs. 18/7317, S. 97. 704 Vgl. BT-Drs. 18/7317, S. 97; Die schon bislang im EnWG enthaltenen Maßnahmen zur Absicherung des Strommarktes wurden gestrichen, vgl. etwa § 13b Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EnWG a.F. im Rahmen der Netzreserve. Diese Aufgabe übernimmt nun alleine die Kapazitätsreserve.
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teilnehmen (§ 13d Abs. 2 EnWG). Langfristig könnte die Kapazitätsreserve aber die noch verbleibenden Aufgaben der Netzreserve grundsätzlich mitübernehmen. Die Vorschriften zur Kapazitätsreserve betreffen den Grenzbereich dessen, was noch als netzbezogene Aufgabe in den Bereich der Systemverantwortung der ÜNB fällt. Der jederzeitige Ausgleich von Angebot und Nachfrage im Sinne der Frequenzregelung ist eine klassische Aufgabe der ÜNB, da das Unterlassen einer solchen Netzaussteuerung im Ergebnis zu einem Zusammenbruch der Netze führen würde.705 Die Erhaltung einer ausgeglichenen Systembilanz bildet einen wesentlichen Teilbereich der netzseitigen Versorgungssicherheit.706 Die Ergänzung dieser Aufgaben um die Koordination und Beschaffung von Reserve-Anlagen fällt ebenfalls noch in diesen Bereich. Darüber hinaus gehende Aufgaben der Erzeugungssteuerung ohne grundsätzlichen Netzbezug, also der erzeugungsseitigen Versorgungssicherheit, sind aber keine Aufgabenbereiche mehr, die den ÜNB zugeordnet werden könnten. Hier müsste der Staat selbst aktiv werden (vgl. § 53 EnWG). Die Kapazitätsreserve wird schrittweise ab dem Winterhalbjahr 2018/2019 gebildet. Die hiernach kontrahierten Anlagen müssen sich außerhalb der Strommärkte befinden, Abrufe erfolgen dann ausschließlich durch die ÜNB (§ 13e Abs. 1 S. 2, 3 EnWG). Es gelten insoweit strenge Vermarktungs- und Rückkehrverbote („no way back“, § 13e Abs. 4 EnWG). Die Beschaffung der Kapazitätsreserve soll grundsätzlich in einem wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren durch die ÜNB erfolgen, das ab dem Jahr 2017 in regelmäßigen Abständen durchzuführen sein wird; vorläufig sollen dabei 2 Gigawatt an Reserveleistung gebunden werden (§ 13e Abs. 2 EnWG). Teilnahmeberechtigt sind nicht nur Erzeugungs- und Speicheranlagen, sondern auch – bestehende sowie neu zu errichtende – Verbrauchsanlagen (vgl. § 13e Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EnWG).707 Die Kapazitätsreserve kann also sowohl zum Erzeugungs- als auch zum Lastmanagement eingesetzt werden. Als potenzielle Bieter werden jedoch zunächst v. a. Betreiber von stilllegungsbedrohten Erzeugungsanlagen erwartet.708 Auf eine Ausweisung als systemrelevant kommt es hier jedoch nicht an.709 Die jährliche Vergütung, die im Falle des Zuschlags zu zahlen ist, wird im Rahmen der Ausschreibung ermittelt. Daneben werden allerdings insbesondere die Kosten für tatsächliche Anlagenabrufe gesondert erstattet (§ 13e Abs. 3 EnWG). Nähere Vorgaben sind in einer Verordnung nach § 13h EnWG zu regeln.710 Die Kapazitätsreserve soll jedenfalls erst dann eingesetzt werden, wenn Regelenergie,
705
Vgl. Teil 2 B.III.1. Vgl. Teil 2 A.II. 707 BT-Drs. 18/8915, S. 33. 708 BT-Drs. 18/7317, S. 98. 709 Scholtka/Martin/Sänger, Das Strommarktgesetz – ein Strommarktdesign für die Energiewende?, ER 2016, S. 249 ff. (S. 254). 710 Eine solche Kapazitätsreserve-Verordnung (KapResV) wurde bislang noch nicht erlassen (Stand: März 2018). 706
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abschaltbare Lasten und die sonstigen marktbezogenen Maßnahmen ausgeschöpft wurden.711 e) Weitere Reserve-Vorschriften Neben den wichtigen Vorschriften zum temporären Verbot der Stilllegung von Erzeugungsanlagen, zur Netzreserve und zur Kapazitätsreserve gibt es noch drei weitere Reserve-Vorschriften, die in der gebotenen Kürze darzustellen sind. Dies betrifft Netzstabilitätsanlagen (§ 13k EnWG a.F., bereits wieder abgeschafft und durch eine Nachfolgeregelung in § 11 Abs. 3 EnWG n.F. ersetzt), die Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken und die Regelung zu systemrelevanten Gaskraftwerken. aa) Netzstabilitätsanlagen (§ 13k EnWG a.F.)712 bzw. besondere netztechnische Betriebsmittel (§ 11 Abs. 3 EnWG n.F.) Mit dem Strommarktgesetz713 wurde noch eine neue Kategorie von ReserveAnlagen eingeführt, die sog. Netzstabilitätsanlagen (§ 13k EnWG a.F.). Eine Vorgängervorschrift hierzu war bislang in den Bereich der Netzreserve integriert (§ 8 Abs. 4 ResKV a.F.). Die Regelung zu den Netzstabilitätsanlagen wurde mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz, in Kraft seit dem 22. Juli 2017, aber bereits wieder abgeschafft und durch eine Nachfolgeregelung ersetzt, die die Beauftragung Dritter zum Betrieb sog. besonderer netztechnischer Betriebsmittel vorsieht (§ 11 Abs. 3 EnWG n.F.).714 Ausweislich der Entwurfsbegründung715 des Gesetzgebers sollte die Errichtung von Netzstabilitätsanlagen dem konkreten Zweck dienen, dass in den Jahren 2021 und 2022 in Süddeutschland Kernkraftwerke mit einer Leistung von 5 Gigawatt vom Netz gehen, der Abschluss des Ausbaus der zur Kompensation erforderlichen NordSüd-Transportleitungen aber erst 2025 zu erwarten ist. Die Netzstabilitätsanlagen sollten also übergangsweise sicherstellen, dass für die ÜNB insbesondere genügend Redispatchpotenzial zur Verfügung steht. Nach § 13k Abs. 1 S. 1 EnWG a.F. konnten die ÜNB selbst Erzeugungsanlagen als besonderes netztechnisches Betriebsmittel errichten, soweit „ohne die Errichtung und den Betrieb dieser Erzeugungsanlagen die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems im Sinne von § 2 Absatz 2 der Netzreservever711
BT-Drs. 18/7317, S. 99. Eine beihilferechtliche Genehmigung durch die EU-Kommission (vgl. § 118 Abs. 18 S. 1 Nr. 3 EnWG) hat sich erledigt, da die Regelung bereits wieder abgeschafft wurde. 713 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 714 Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 17. Juli 2017, BGBl. 2017 I S. 2503 ff. 715 BT-Drs. 18/8915, S. 37. 712
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ordnung gefährdet ist.“ Insgesamt durfte die elektrische Nennleistung aller hiernach errichteten Anlagen 2 Gigawatt nicht überschreiten (§ 13k Abs. 1 S. 2 EnWG a.F.). Mit dieser Norm wurden die Reserve-Vorschriften zum Engpassmanagement um eine weitere Komponente ergänzt: Neben die Stilllegungsverbote nach § 13b EnWG und die vertraglich kontrahierte Netzreserve (§ 13d EnWG) trat nun noch die Möglichkeit, dass die ÜNB auch selbst Erzeugungsanlagen errichten. Diese Anlagen sollten dann unmittelbar dem Netzbetrieb zugeordnet sein. Die Errichtung sollte dort erfolgen, „wo dies wirtschaftlich oder aus technischen Gründen für den Netzbetrieb erforderlich ist“ (§ 13k Abs. 2 S. 1 EnWG a.F.). Die Bedarfsermittlung erfolgte durch die ÜNB und war durch die Bundesnetzagentur zu bestätigen. Erstmalig sollte dies bis Ende März 2017 erfolgen: Die ÜNB kamen in ihrem Bericht zum Ergebnis, dass Netzstabilitätsanlagen mit einer Gesamtleistung in Höhe der gesetzlich vorgegebenen Höchstgrenze von 2 GW erforderlich seien.716 Die BNetzA bestätigte allerdings nur einen Bedarf von 1,2 GW.717 In dieser Höhe konnten die ÜNB demnach – vorbehaltlich der beihilferechtlichen Genehmigung von § 13k EnWG a.F. – eigene Erzeugungsanlagen errichten. Durch die Abschaffung von § 13k EnWG hat sich dies nun aber erledigt. In § 13k EnWG a.F. hieß es in Bezug auf den Umgang mit solchen Anlagen, dass § 7 Abs. 2 NetzResV und § 13e Abs. 4 EnWG entsprechend anzuwenden sind (§ 13k Abs. 1 S. 3, 4 EnWG a.F.). Gemäß § 7 Abs. 2 NetzResV dürfen Anlagen der Netzreserve nur nachrangig zu geeigneten sonstigen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie § 13a Abs. 1 EnWG eingesetzt werden. Dies galt demnach auch für Netzstabilitätsanlagen, die offensichtlich dabei gleichrangig zu Anlagen der Netzreserve behandelt werden sollten.718 Nach § 13e Abs. 4 EnWG bestehen für Anlagen der Kapazitätsreserve Vermarktungsverbote an den Strommärkten und Rückkehrverbote nach Ablauf der Bindung in der Reserve. Durch die entsprechende Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf Netzstabilitätsanlagen wurde sichergestellt, dass diese ausschließlich zum netzdienlichen Reservebetrieb errichtet und eingesetzt werden dürfen. Sie standen damit vollständig außerhalb der Strommärkte und waren stillzulegen, sobald kein Bedarf mehr hierfür bestand.719 Die weitere Handhabung der Netzstabilitätsanlagen war unklar.720 Es erschloß sich bereits nicht, weshalb die schon aus dem Bereich der Netzreserve bekannte Regelung zur Errichtung von Erzeugungsanlagen als besondere netztechnische Betriebsmittel zu einem eigenständigen Paragraphen aufgewertet wurde und warum 716 50Hertz/Amprion et al., Bedarf an Netzstabilitätsanlagen nach § 13k Energiewirtschaftsgesetz, Februar 2017, S. 2. 717 BNetzA, Bericht zur Ermittlung des Bedarfs an Netzstabilitätsanlagen gemäß § 13k EnWG, Mai 2017, S. 3. 718 Vgl. Stelter/Ipsen, Das Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz), EnWZ 2016, S. 483 ff. (S. 486). 719 BT-Drs. 18/8915, S. 37. 720 Nähere Vorgaben konnten durch die Bundesnetzagentur im Wege der Festlegung getroffen werden (§ 13j Abs. 5 EnWG a.F.). Auch diese Vorgabe wurde mittlerweile gestrichen.
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dieser systematisch sogar hinter die Verordnungs- und Festlegungsregelungen im Rahmen der Systemverantwortung (§§ 13i, 13j EnWG) an die letzte Stelle der §§ 13 ff. EnWG platziert wurde. Im Gegensatz zu den sonstigen Vorschriften im Rahmen der Systemverantwortung blieb ihr Gehalt auch vage und uneindeutig, insbesondere, was den Umgang mit dem erzeugten Strom anging. Zudem wurde das Verhältnis zur Netzreserve nicht geklärt. An sich konnte man davon ausgehen, dass die Errichtung von Netzstabilitätsanlagen durch den ÜNB nur das allerletzte Mittel sein konnte, das nur dann relevant werden konnte, wenn sonst keine andere Möglichkeit bestand, über die Netzreserve oder auf sonstige Weise, Engpässe zu beseitigen. Eine solche absolute Nachrangigkeit ließ sich aus § 13k EnWG a.F. aber nicht ableiten („soweit ohne die Errichtung […] die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems […] gefährdet ist“, § 13k Abs. 1 S. 1 EnWG a.F.). Nicht nachvollziehbar war auch, warum die Prüfung auf die Notwendigkeit solcher Anlagen nicht in den Prozess der Systemanalyse nach § 3 NetzResV, bei der es um den Bedarf an Netzreserve-Anlagen geht, eingebettet war.721 § 13k EnWG a.F. erschien im Übrigen unter Entflechtungsgesichtspunkten nicht unbedenklich (§§ 6 ff. EnWG). Das Ziel der Entflechtung ergibt sich unmittelbar aus § 6 Abs. 1 S. 1 EnWG und liegt in der transparenten und diskriminierungsfreien Ausgestaltung des Netzbetriebs. Hierzu soll die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von den sonstigen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sichergestellt werden (§ 6 Abs. 1 S. 2 EnWG). Hier konnte man argumentieren, dass Netzstabilitätsanlagen – schon dem Namen nach – ausschließlich der Stabilität der Netze, also der Netzsicherheit, dienen und gerade nicht der Versorgung von Letztverbrauchern mit Energie.722 Die Tragfähigkeit dieser Argumentation hing aber auch von der näheren Ausgestaltung des Umgangs mit dem in solchen Anlagen erzeugten Strom ab. Letztlich hat sich der Gesetzgeber bereits im Zuge des Erlasses des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes im Juli 2017 dazu entschieden, die Netzstabilitätsanlagen wieder abzuschaffen.723 Stattdessen hat er in § 11 Abs. 3 EnWG n.F. eine Regelung eingeführt, nach der die ÜNB besondere netztechnische Betriebsmittel vorhalten können, „um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems bei einem tatsächlichen örtlichen Ausfall eines oder mehrerer Betriebsmittel im Übertragungsnetz wieder herzustellen“ (§ 11 Abs. 3 S. 1 EnWG n.F.). Entscheidender Unterschied zur Errichtung von Netzstabilitätsanlagen ist hier, dass mit dem Betrieb der besonderen netztechnischen Betriebsmittel Dritte zu beauftragen sind (§ 11 Abs. 3 S. 2 EnWG n.F.). Entsprechendes gilt insbesondere „bei der Errichtung von Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie und der Bereitstellung
721
Vgl. den bloßen Hinweis hierauf in BT-Drs. 18/8915, S. 37 f. So auch Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 430. 723 Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 17. Juli 2017, BGBl. 2017 I S. 2503 ff. 722
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abschaltbarer Lasten“ (§ 11 Abs. 3. S. 3 EnWG n.F.).724 Aufträge sind im Wege wettbewerblicher, transparenter Ausschreibungsverfahren zu vergeben (§ 11 Abs. 3 S. 4 EnWG n.F.). Nach dem Willen des Gesetzgebers geht der Regelungsgehalt von § 13k EnWG a.F. vollständig in § 11 Abs. 3 EnWG n.F. auf.725 bb) Stilllegung und Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken (§ 13g EnWG) Mit dem Strommarktgesetz726 wurde auch eine Vorschrift zur Stilllegung von Braunkohlekraftwerken geschaffen (§ 13g EnWG).727 Diese dient grundsätzlich nicht dem Netzsicherheitsmanagement, sondern dem Klimaschutz, was sich bereits unmittelbar aus § 13g Abs. 1 EnWG ergibt728 : Danach sind „als Beitrag zur Erreichung der nationalen und europäischen Klimaschutzziele“ bestimmte, explizit aufgezählte Blöcke von Braunkohlekraftwerken schrittweise bis zum 1. Oktober 2019 stillzulegen. Allerdings sind diese jeweils für vier Jahre ab dem im Gesetz genannten Datum nur vorläufig und erst mit Ablauf dieses Zeitraums endgültig stillzulegen. Bis zur endgültigen Stilllegung sollen die Anlagen als sog. Sicherheitsbereitschaft auf Anforderung durch die ÜNB zur Verfügung stehen (§ 13g Abs. 2 EnWG). Sie dienen dann als eine Art allerletzte Reserve und werden nach § 1 Abs. 6 der Elektrizitätssicherungsverordnung (EltSV) eingesetzt. Sie werden damit erst im Rahmen von § 13 Abs. 8 EnWG relevant, der Versorgungsstörungen für lebenswichtigen Bedarf im Sinne von § 1 des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) betrifft und bedeutsam wird, wenn sogar Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG nicht mehr zur Gefahrenbeseitigung ausreichen.729 Da von den stillzulegenden Braunkohlekraftwerken nach § 13g Abs. 3 EnWG während der Sicherheitsbereitschaft verlangt wird, dass sie bei einer Vorwarnung durch den ÜNB überhaupt erst innerhalb von 240 Stunden auch nur betriebsbereit sein müssen und nach Herstellung ihrer Betriebsbereitschaft erst innerhalb von 11 Stunden auf Mindestteilleistung und in724 Eine abschließende Beurteilung dieser neu eingefügten Vorschrift ist im Rahmen der vorliegenden Abhandlung nicht mehr möglich. 725 BT-Drs. 18/12999, S. 17. 726 BGBl. 2016 I S. 1786 ff.; vgl. hierzu auch Scholtka/Martin/Sänger, Das Strommarktgesetz – ein Strommarktdesign für die Energiewende?, ER 2016, S. 249 ff. (S. 253). 727 § 13 g EnWG wurde durch die EU-Kommission auch bereits beihilferechtlich genehmigt, siehe dazu die Pressemitteilung der EU-Kommission vom 27. Mai 2016, https://ec.europa. eu/germany/news/kommission-genehmigt-beihilfen-f%C3 %BCr-stilllegung-von-braunkohle kraftwerken-deutschland_de (abgerufen am 30. 06. 2017); vgl. zur Vereinbarkeit mit EU-Recht im Übrigen: Cosack/Laux, Der Weißbuch-Vorschlag zur Einführung einer Kapazitätsreserve aus beihilferechtlicher Sicht, ER 2015, S. 190 ff.; Frenz, Staatliche unterstützte Reservekapazitäten als Beihilfe?, RdE 2016, S. 1 ff. 728 BT-Drs. 18/7317, S. 101 f. 729 BT-Drs. 18/7317, S. 103.
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nerhalb von weiteren weiteren 13 Stunden auf Nettonennleistung gefahren werden können, dürfte diese Regelung jeglicher praktischer Relevanz entbehren.730 cc) Systemrelevante Gaskraftwerke (§ 13f EnWG) und weitere Vorschriften in Bezug auf das Gasversorgungssystem Neben den bereits dargestellten Reserve-Vorschriften hat der Gesetzgeber mit dem EnWG 2012 noch eine Regelung für systemrelevante Gaskraftwerke mit einer Nennleistung ab 50 Megawatt erlassen (§ 13f EnWG). Diese Regelung wurde durch das Strommarktgesetz inhaltlich nicht wesentlich verändert.731 Dass Gaskraftwerke zusätzlich zu den Stilllegungsvorschriften in § 13b EnWG explizit adressiert werden, hängt damit zusammen, dass die ohnehin angespannte Stromerzeugungssituation in Süddeutschland in Gasversorgungskrisen nicht weiter verstärkt werden soll.732 Ein (Gas-)Kraftwerk ist im Sinne von § 13f Abs. 1 S. 1 EnWG systemrelevant, soweit „eine Einschränkung der Gasversorgung dieser Anlage mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems führt.“ Die Ausweisung erfolgt durch die ÜNB und bedarf der Genehmigung durch die BNetzA. In der Folge müssen die systemrelevanten Gaskraftwerke (soweit technisch und rechtlich möglich sowie wirtschaftlich zumutbar) eine Absicherung der Leistung „durch Inanspruchnahme der vorhandenen Möglichkeiten eines Brennstoffwechsels“ vornehmen (§ 13f Abs. 2 EnWG), wobei ihnen ein Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten zusteht. Ist ein Brennstoffwechsel nicht möglich, muss dies gegenüber der BNetzA begründet werden. Hintergrund dieser Norm ist, dass eine Gefährdung der Gasversorgung massive Auswirkungen auf die Stromversorgung haben kann.733 Im Februar 2012 war es – u. a. wegen sehr niedriger Außentemperaturen und eines entsprechend hohen Wärmebedarfs – aufgrund einer angespannten Gasversorgungssituation in Süddeutschland deshalb auch zu Folgeproblemen im Bereich der Stromerzeugung gekommen.734 Neben § 13f EnWG nehmen auch die §§ 13 Abs. 3 und 16 Abs. 2a EnWG das Gasversorgungssystem in den Blick. Nach § 13 Abs. 3 S. 1 EnWG sind bei Maß730
Vgl. auch die Kritik von Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 393 f. 731 Sie tritt allerdings nicht mehr – wie ursprünglich vorgesehen – mit Ablauf des 31. 12. 2017 außer Kraft, vgl. BGBl. 2016 I S. 1817. Gleiches gilt für § 16 Abs. 2a EnWG. Allerdings erfolgt nach § 63 Abs. 2a S. 3 EnWG n.F. zum 31. Dezember 2022 eine Evaluation hinsichtlich der weiteren Erforderlichkeit der Regelungen. 732 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13c EnWG Rn. 1; vgl. hierzu auch Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13c Rn. 21. 733 Vgl. BT-Drs. 17/11705, S. 52. 734 BNetzA, Bericht zum Zustand der leitungsgebundenen Energieversorgung im Winter 2011/12, Mai 2012, S. 80.
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nahmen im Rahmen der Systemverantwortung – neben der Verpflichtung zur Einhaltung der Vorrangregelungen für EE- und hocheffiziente KWK-Anlagen – die Auswirkungen auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems angemessen zu berücksichtigen. Nach § 16 Abs. 2a EnWG sind bei Maßnahmen der Betreiber von Gas-Fernleitungsnetzen, die der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems dienen, umgekehrt die Auswirkungen auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems angemessen zu berücksichtigen. Der Gasbezug eines nach § 13f EnWG systemrelevanten Gaskraftwerkes darf durch eine Maßnahme nach § 16 Abs. 1 EnWG nicht eingeschränkt werden, soweit der betroffene ÜNB die weitere Gasversorgung der Anlage gegenüber dem Betreiber des Fernleitungsnetzes anweist; der Gasbezug einer solchen Anlage darf zudem auch durch eine Notmaßnahme nach § 16 Abs. 2 EnWG nur nachrangig eingeschränkt werden – soweit der betroffene ÜNB die weitere Gasversorgung der Anlage gegenüber dem Betreiber des Fernleitungsnetzes anweist. Letzteres ist jedoch nur dann zulässig, wenn der ÜNB alle vertraglichen Maßnahmen im Sinne von § 13 Abs. 1 EnWG ausgeschöpft hat. Im Rahmen von § 13 Abs. 2 EnWG ist zudem eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen, die die Folgen weiterer Anpassungsmaßnahmen bei Stromeinspeisungen und -ausspeisungen bzw. Gaseinspeisungen und -ausspeisungen in Relation zu einander setzt. Im Ergebnis führt das beschriebene Regelungsgeflecht dazu, dass die ÜNB im Rahmen ihrer Systemverantwortung im Stromsektor eine „Weisungsbefugnis“ dahingehend innehaben, dass sie die Fernleitungs- bzw. Verteilernetzbetreiber im Gassektor veranlassen können bzw. müssen, die Gasversorgung bestimmter Anlagen wieder aufzunehmen, damit sie für das Redispatching im Stromsektor zur Verfügung stehen.735 Damit wurde gleichzeitig der Stabilität der Stromversorgung ein Vorrang vor der gesicherten Gasversorgung (zur dezentralen Wärmeerzeugung oder in der Industrie) eingeräumt.736
IV. Notmaßnahmen und Einspeisemanagement Lassen sich Gefährdungen oder Störungen durch netz- oder marktbezogene Maßnahmen „nicht oder nicht rechtzeitig“ beseitigen, sind die ÜNB berechtigt und verpflichtet, Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG zu ergreifen. Diese greifen als subsidiäre Maßnahmen im Hinblick auf alle Gefährdungs- und Störungslagen, betreffen also insbesondere sowohl die Frequenzsteuerung als auch die Bewältigung von Engpässen. Im Grundsatz besteht allerdings eine Pflicht zur Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen. Die vorrangige Abnahme von Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK ist sicherzustellen, wird im Rahmen von § 13 735
König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 434. 736 So auch König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13c EnWG Rn. 13.
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Abs. 3 EnWG aber auch notwendigen Grenzen unterworfen. In diesem Zusammenhang ist das Einspeisemanagement nach § 14 EEG 2017 relevant, das mit der Regelung zu den Notmaßnahmen verzahnt ist und in Engpasssituationen eine vorrangig zu berücksichtigende lex specialis zu § 13 Abs. 2 EnWG bildet. Da § 14 EEG 2017 auf Tatbestandsebene keine Besonderheiten aufwirft, sollte über eine Abschaffung der Regelung nachgedacht werden; dies wird noch näher zu erläutern sein.
1. Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG als subsidiäre Handlungsform der ÜNB Neben den bereits dargestellten netz- und marktbezogenen Maßnahmen steht den ÜNB subsidiär das Recht, aber auch die Pflicht zu, die Gefährdungen und Störungen, die sich durch solche Maßnahmen „nicht oder nicht rechtzeitig“ abwenden lassen, durch sog. Not- oder Zwangsmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG zu beseitigen.737 Die hiermit verbundene Eingriffsbefugnis umfasst die Anpassung sämtlicher Stromeinspeisungen, -transite und -ausspeisungen. Sie beruht nicht auf individuellen Verträgen, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.738 Können die ÜNB eine Anpassung nicht selbst vornehmen, sind sie auch berechtigt, Anpassungen von denjenigen zu verlangen, die hierzu in der Lage sind. Sie können also etwa die Kraftwerksbetreiber auffordern, entsprechende Maßnahmen vorzunehmen.739 Aus § 13 Abs. 2 EnWG740 folgt entsprechend die Pflicht aller Netznutzer, einem Anpassungsverlangen der ÜNB (bzw. der Verteilnetzbetreiber im Rahmen von § 14 EnWG) Folge zu leisten; um die Effektivität der Gefahrenabwehr nicht zu beschneiden, sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Handelns der ÜNB nachträglich zu klären – etwa durch Einschaltung der Regulierungsbehörde oder ein gerichtliches Vorgehen.741 Dem entspricht auch die Informationspflicht des § 13 Abs. 7 EnWG, wonach die Betroffenen sowie die Regulierungsbehörde über die Gründe von „durchgeführten Anpassungen und Maßnahmen“ zu informieren sind. Erst anhand 737 Man muss sich dabei stets vergegenwärtigen, dass es nicht auf den Begriff „Notmaßnahme“ ankommt, der im Gesetz ohnehin nicht verwendet wird, sondern auf das Vorliegen einer Gefährdung oder Störung, die nicht auf einer niedrigeren Eingriffsstufe beseitigt werden kann. A.A. scheinbar Schwintowski, Der Anspruch auf Schadensersatz und Einspeisevergütung bei der Abschaltung von Anlagen Erneuerbarer Energien, EWeRK 2012, S. 131 ff. (S. 135), der in seinem Beitrag auf das Vorliegen eines unvorhersehbaren Notfalls abstellt und für Situationen, die plan- und kalkulierbar sind, den Anwendungsbereich von § 13 Abs. 2 EnWG verneint. 738 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 89. 739 Eigene Zwangsmittel stehen den ÜNB allerdings nicht zur Verfügung. Leisten die Angewiesenen keine Folge, bleibt dann nur der Weg über die Regulierungsbehörden. 740 Vgl. hierzu auch Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 572 ff. 741 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 17; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 118.
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dieser erhaltenen Informationen ist dann ein rechtliches Vorgehen möglich. Zwar besteht nach § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG bei Notmaßnahmen auch eine Vorab-Informationspflicht, diese steht aber zum einen unter dem Vorbehalt, dass eine solche frühzeitige Information auch tatsächlich möglich ist und dient zum zweiten vor allem dazu, dass sich die von Maßnahmen Betroffenen frühzeitig auf Eingriffsmaßnahmen einstellen können und ggf. schadensmindernde Vorkehrungen treffen können.742 Für nachgelagerte VNB wurde die Pflicht, einem Anpassungsverlangen Folge zu leisten, explizit in § 14 Abs. 1c EnWG verankert.743 Der Begriff der „Anpassung“, der mit der gleichen Bedeutung auch beim gesetzlichen Redispatch (§ 13a Abs. 1 EnWG) verwendet wird744, ist weit zu verstehen.745 Erfasst wird die Erhöhung oder Verringerung der Einspeisung von Erzeugungs- und Speicheranlagen, ggf. auch die vollständige Abregelung, sowie gleichermaßen die Erhöhung, Verringerung oder Abregelung der Last von Verbrauchsanlagen. Auch Erzeugungsanlagen, die gerade nicht einspeisen und erst betriebsbereit gemacht werden müssen, wärmegeführte KWK-Anlagen, die vorrangig Wärme für Industrieprozesse oder Fernwärmenetze generieren und nur nebenbei, im Rahmen des Koppelungsprozesses, auch Strom erzeugen, oder Müllverbrennungsanlagen, können einbezogen werden.746 Der Grund liegt darin, dass eine kontrollierte Abschaltung von Anlagen durch den Netzbetreiber zur Behebung eines „Notstands im Netz“ gegenüber einem Netzzusammenbruch – und damit dem gesicherten Ausfall aller Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen – in jedem Fall vorzugswürdig ist.747 Zudem sind auch Stromtransite, also Stromübertragungen, bei denen sowohl der liefernde als auch der empfangende Bilanzkreis nicht in benachbarten Regelzonen liegen und die somit über dazwischenliegende Übertragungsnetze abgewickelt werden748, von der Anpassungsbefugnis erfasst. Da § 13 Abs. 2 EnWG keine Begrenzung auf eine bestimmte Stromanlagengröße enthält, könnte im Ergebnis unter Einbeziehung der Verteilnetzbetreiber nach § 14 Abs. 1c EnWG sogar ein einzelner Haushalt aus Gründen der Gefahrenabwehr
742 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 133; Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 49. 743 Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 48. 744 BT-Drs. 17/6072, S. 71. 745 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 116. 746 Vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 71; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 475; Sötebier, in: Britz/Hellermann/ Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 57 ff., 116. 747 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 475. 748 VDN, Transmission Code 2007, S. 86.
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kurzfristig vom Netz genommen werden.749 In allen Fällen ist es von immenser Bedeutung, dass eine Abstimmung zwischen den ÜNB sowie mit den verbundenen VNB erfolgt; entsprechend verweist § 13 Abs. 2 EnWG auch auf § 12 Abs. 1 EnWG.750 Hiernach haben die ÜNB die Energieübertragung durch das Netz „unter Berücksichtigung des Austauschs mit anderen Verbundnetzen zu regeln […] und damit zu einer sicheren Energieversorgung beizutragen.“ Ein unabgestimmtes, eigenmächtiges Handeln eines ÜNB könnte in verbundenen Netzen erst Recht Gefährdungen erzeugen und wäre somit kontraproduktiv. Die Notmaßnahmen sind sowohl im Bereich der Frequenzsteuerung zum Ausgleich der Systembilanz als auch im Rahmen des Engpassmanagements relevant. Auch soweit es um die für den Systembetrieb entscheidenden Grenzwerte hinsichtlich Spannung und Strom geht, kann § 13 Abs. 2 EnWG herangezogen werden. Gleichzeitig werden sämtliche Teilbereiche des Stromversorgungssystems, also die Erzeugungs-, die Netz- und die Lastseite, hiervon betroffen. Damit ersetzen die Notmaßmaßnahmen also insbesondere den Einsatz von Regelenergie, das Redispatching und die Abschaltung von Lasten nach der Verordnung zu abschaltbaren Lasten, jeweils inklusive des Rückgriffs auf Reserve-Anlagen. Oder anders gesagt: § 13 Abs. 2 EnWG bietet eine Notkompetenz zur Gefahrenabwehr für sämtliche Gefährdungen und Störungen, mit denen das Elektrizitätsversorgungssystem netzseitig konfrontiert sein kann. Bei der Maßnahmenergreifung haben die ÜNB nach sachlich-energiewirtschaftlichen Grundsätzen vorzugehen und dürfen keine Netznutzer diskriminieren.751 Bei der Auswahl von gleichrangigen Maßnahmen ist auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren.752 Anhand der Regelung von § 13 Abs. 2 EnWG lässt sich ersehen, welche Bedeutung der Gesetzgeber der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems beimisst. Während die vorrangig heranzuziehenden Maßnahmen nur netzbezogen wirken und keine Außenwirkung aufweisen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG)753 oder – zumindest im Grundsatz – auf vertraglichen Regelungen basieren (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG), erlauben die Notmaßnahmen unmittelbare Eingriffe der ÜNB in jede Erzeugungs- und Verbrauchsanlage. Erfolgen solche Eingriffe, ist, wie 749 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 483. 750 Vgl. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 119. 751 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198. 752 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 31. 753 Statt vieler: Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 12; a.A. offensichtlich Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungsund Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 184) und de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 68), unter Bezugnahme auf BNetzA, Beschluss vom 26. 09. 2011, BK8 – 11 – 015.
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sich aus § 13 Abs. 5 EnWG ableiten lässt, noch nicht einmal eine Entschädigung zu zahlen.754 Die Unterschiede zu den marktbezogenen Maßnahmen bestehen also darin, dass die Teilnahme an Notmaßnahmen des ÜNB zum einen zwangsweise und zum anderen ohne Zahlung einer angemessenen Vergütung erfolgt.755 Mit § 13 Abs. 2 EnWG gibt der Gesetzgeber den ÜNB ein scharfes Schwert in die Hand, das nicht auf ein sensibles Einzelfallmanagement ausgerichtet ist, sondern ultimativ der Gefahrenabwehr dient756 ; die ÜNB sollen hier ermutigt werden, im Sinne der Netzstabilität „beherzt“ einzugreifen.757 Von besonderer Bedeutung ist jedoch das Verhältnis zum gesetzlichen Redispatch nach § 13a Abs. 1 EnWG758, der für Maßnahmen des Engpassmanagements eine Art Zwischenstellung zwischen marktbezogenen Maßnahmen und Notmaßnahmen einnimmt. Durch den gesetzlichen Redispatch werden Erzeugungs- und Speicheranlagen mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt verpflichtet, am Redispatch teilzunehmen. Auch hier findet also eine zwangsweise Eingliederung in das System der Systemverantwortung statt. Trotzdem bestehen drei wesentliche Unterschiede im Vergleich zu Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG: Erstens ist hiervon nur die Einspeiseseite und nicht auch die Lastseite betroffen, zweitens sind nicht sämtliche Einspeiser, sondern nur größere Anlagen (Nennleistung oberhalb 10 Megawatt) erfasst und drittens erfolgt eine Anpassung der Wirk- oder Blindleistungseinspeisung dieser Anlagen nur gegen „angemessene Vergütung“. Die Bedeutung des gesetzlichen Redispatch liegt ausweislich der Entwurfsbegründung darin, dass ein „Ausgleich zwischen den wechselseitigen Interessen“ von ÜNB einerseits und Anlagenbetreibern andererseits angestrebt wird.759 Der reguläre Handlungsrahmen der ÜNB wird auf diese Weise erweitert, da Notmaßnahmen im Rahmen des Engpassmanagements aufgrund der Einfügung von § 13a Abs. 1 EnWG seltener notwendig sein dürften760; gleichzeitig wird die Zahlung einer Vergütung für Eingriffe gesetzlich vorgegeben und einheitlichen Maßstäben unterworfen. Notmaßnahmen dürfen nur herangezogen werden, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, um eine Gefährdung oder Störung zu beseitigen.761 Im Grundsatz sind also zunächst netz- und marktbezogene Maßnahmen – inklusive des gesetzlichen 754
Statt vieler: Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 113. 755 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 113. 756 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 27; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 199. 757 Siehe bezüglich § 13 Abs. 4 EnWG: BT-Drs. 15/3917, S. 57. 758 Teil 2 B.III.2.c). 759 BT-Drs. 17/6072, S. 71. 760 Vgl. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M., § 13 EnWG Rn. 93. 761 BT-Drs. 15/3917, S. 57.
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Redispatch nach § 13a Abs. 1 EnWG und der Heranziehung von Reserve-Vorschriften – anzuwenden. Nur soweit diese entweder tatsächlich keine ausreichende Wirkung entfalten oder dies bereits im Vorfeld abzusehen ist, darf subsidiär auf § 13 Abs. 2 EnWG zurückgegriffen werden.762 Es ist dabei nicht erforderlich, den absehbar erfolglosen Versuch des Einsatzes netz- oder marktbezogener Maßnahmen zu unternehmen, Notmaßnahmen können auch sofort herangezogen werden, wenn dies aus verständiger ex ante-Sicht – also aus der Sicht vor bzw. zum Zeitpunkt der Handlung – die einzige geeignete Möglichkeit zur Abwendung einer bevorstehenden Gefährdung bietet.763 Da es bereits zur Feststellung, ob überhaupt eine Gefährdung im Sinne von § 13 EnWG vorliegt, auf die ex ante-Perspektive ankommt, ist dies nur konsequent.764 Die für die Prognoseentscheidung erforderlichen Daten müssen jedoch umfassend ermittelt werden.765 Obwohl bei sämtlichen Maßnahmen im Rahmen von § 13 EnWG die hiervon unmittelbar Betroffenen sowie die Regulierungsbehörde zu informieren sind (§ 13 Abs. 7 EnWG) und die Gründe auf Verlangen auch zu belegen sind, besteht insoweit Missbrauchspotenzial. Allerdings lässt sich vertreten, dass den ÜNB ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht766 ; hierauf wird noch einzugehen sein.767 Aus Sicht des Gesetzgebers besteht keine Verpflichtung, Vereinbarungen für marktbezogene Maßnahmen „zu unangemessenen Konditionen“ zu kontrahieren.768 Es kann also nicht von den ÜNB verlangt werden, um jeden Preis Verträge im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG zu schließen, um möglichst zu verhindern, dass Notmaßnahmen erforderlich werden. Dennoch stellt sich die Frage, ob die ÜNB zu762 Im äußersten Fall, wenn auch Maßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG nicht ausreichen, um eine Versorgungsstörung für den „lebensnotwendigen Bedarf“ nach § 1 des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) abzuwenden, ist eine unverzügliche Unterrichtung der Regulierungsbehörde vorzunehmen (§ 13 Abs. 8 EnWG). 763 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 28; Theobald, in: Danner/ Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 29 (Stand: Juni 2008); Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198; Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 318); Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 233); Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 227); Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 184); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 115. 764 Teil 2 A.I.1. 765 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198. 766 So etwa Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 28. 767 Teil 4 B. 768 Zu § 13 Abs. 1a EnWG a.F., BT-Drs. 17/6072, S. 71.
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mindest im Grundsatz zur Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen verpflichtet sind (dazu sogleich unter Teil 2 B.IV.2.). Anpassungsmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG ziehen als Rechtsfolge nach sich, dass bis zur Beseitigung der Gefährdung oder Störung „alle hiervon jeweils betroffenen Leistungspflichten“ ruhen; darüber hinaus ist eine Haftung für Vermögensschäden ausgeschlossen (§ 13 Abs. 5 S. 1 und 3 EnWG). Die von einer Anpassungsmaßnahme betroffenen Schuldverhältnisse lösen also für die Dauer des Einsatzes einer Notmaßnahme keine Leistungspflichten aus.769 Hierfür besteht auch eine gewisse Erforderlichkeit, da die ÜNB mangels spezifischer vertraglicher Regelungen insoweit, anders als bei marktbezogenen Maßnahmen, sonst ggf. schutzlos hinsichtlich möglicher Haftungsfolgen gestellt wären, was einer effektiven Wahrnehmung der Systemverantwortung nicht zuträglich wäre.770 Der Umfang dieser Regelung ist innerhalb der Kommentarliteratur umstritten – ruhen sämtliche Leistungspflichten aller Beteiligten innerhalb der Lieferkette, ruhen zumindest die synallagmatischen Leistungspflichten zwischen dem handelnden ÜNB und dem konkret von der Maßnahme Betroffenen oder ruhen nur die Leistungspflichten des handelnden ÜNB? – und wird noch näher behandelt.771 Nach allgemeiner Auffassung lässt sich aus § 13 Abs. 5 EnWG jedenfalls ableiten772, dass der handelnde ÜNB bei Notmaßnahmen keine Entschädigung oder Vergütung an die Betroffenen auszuzahlen hat.773 Etwas anderes gilt nur, soweit es um einen Netzengpass im Sinne von
769
Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 40; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 121. 770 Im schlimmsten Falle entstünde sonst ein „Anreiz zum Untätigbleiben in Notsituationen“, BT-Drs. 15/3917, S. 57; Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 38; vgl. auch Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 197. 771 Vgl. die Übersicht bei Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 122 ff. 772 Lässt sich auch aus einem Umkehrschluss zur Härtefallentschädigung nach § 15 EEG 2017 herleiten. Danach ergibt sich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 EEG 2017 eine Entschädigung „abweichend von § 13 Abs. 5 des Energiewirtschaftsgesetzes.“ 773 Teil 3 A.I.2. Vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 71; Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 37); Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 321); BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 5; Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 229); Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 233); Weise/Hartmann/ Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 184); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 567; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 43 f., 127.
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§ 14 Abs. 1 EEG 2017 geht, dann greift die Härtefallentschädigungsregelung des § 15 EEG 2017. 2. Pflicht der ÜNB zur Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen? Ein Rückgriff der ÜNB auf entschädigungslose Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG (bzw. auch auf Einspeisemanagement-Maßnahmen nach § 14 EEG 2017) ist weder erforderlich noch zulässig, soweit wirksame marktbezogene Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG zur Verfügung stehen. Notmaßnahmen dürfen – wie dargestellt – nicht beliebig eingesetzt werden, sondern nur dann, wenn eine Gefährdung oder Störung auf andere Weise „nicht oder nicht rechtzeitig“ beseitigt werden kann. Vorrangig muss also auf marktbezogene Maßnahmen zurückgegriffen werden. Nur wenn diese nicht ausreichen oder aus verständiger ex ante-Sicht von Beginn an nicht erfolgversprechend sind, kann § 13 Abs. 2 EnWG herangezogen werden.774 Im äußersten Fall (sonst nur noch konventionelle must-run-units am Netz) können im Rahmen der Notmaßnahmen dann auch EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen abgeregelt werden (§ 13 Abs. 3 EnWG, § 14 EEG 2017). Das abgestufte Instrumentarium des § 13 EnWG würde jedoch ad absurdum geführt, wenn die ÜNB im Vorfeld keine marktbezogenen Maßnahmen kontrahieren. Deshalb stellt sich die Frage, ob eine Pflicht zur Vorhaltung vertraglicher Vereinbarungen im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG besteht. Mit der Einführung des gesetzlichen Redispatch in § 13 Abs. 1a EnWG (nun: § 13a Abs. 1 EnWG), der eine Teilnahmepflicht bestimmter Erzeugungsanlagen am Engpassmanagement gegen angemessene Vergütung enthält und vorrangig zu § 13 Abs. 2 EnWG einzusetzen ist, hat diese Frage an Bedeutung verloren, ist jedoch dennoch ungeklärt und soll deshalb hier betrachtet werden. Gegen eine Vorhaltepflicht spricht, dass der Gesetzgeber eine solche nicht ausdrücklich normiert hat. Zwar folgt aus § 13 Abs. 2 EnWG die Nachrangigkeit von Notmaßnahmen gegenüber den netz- oder marktbezogenen Handlungsmöglichkeiten. Es wird jedoch an keiner Stelle explizit vorgegeben, dass die ÜNB verpflichtet sind, auch vorrangig vertragliche Vereinbarungen zu treffen und entsprechend individuelle Verträge zu schließen. § 13 Abs. 2 EnWG erklärt dem Wortlaut nach nur die Subsidiarität von Notmaßnahmen gegenüber vorhandenen, im Sinne von im Vorfeld kontrahierten, vertraglichen Regelungen. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber nachträglich mit der Einführung von § 13 Abs. 4b EnWG a.F.775 (nun: § 13i 774 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 28; Theobald, in: Danner/ Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 29 (Stand: Juni 2008); Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 115; Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 46. 775 Durch das Dritte Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2012, BGBl. 2012 I S. 2730.
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Abs. 2 EnWG) eine Verordnungsermächtigung geschaffen hat, die eine Verpflichtung der ÜNB ermöglicht, Ausschreibungen über die Beschaffung von ab- bzw. zuschaltbare Lasten – und eben nur hierfür – einzuführen, soweit es sich dabei um „wirtschaftlich und technisch sinnvolle Angebote“ handelt; eingegangene Angebote sind dann bis zu einer Gesamtab- bzw. Zuschaltleistung von 3.500 Megawatt (nun herabgesetzt auf 3.000 MW) anzunehmen.776 Der Verordnungsgeber hat in der Folge die Verordnung zu abschaltbaren Lasten (AbLaV) eingeführt777, die seit dem 1. Januar 2013 in Kraft ist und eine Verpflichtung der ÜNB vorsieht, abschaltbare Lasten auszuschreiben und in einer Höhe von insgesamt 3.000 Megawatt anzunehmen (vgl. § 1 S. 1 AbLaV a.F.; mittlerweile herabgesetzt auf 1.500 MW).778 Aus der Schaffung von § 13 Abs. 4b EnWG a.F. (nun: § 13i Abs. 2 EnWG) könnte man schließen, dass im Grundsatz keine Pflicht zum Abschluss von Verträgen über marktbezogene Maßnahmen besteht. Denn sonst – so lässt sich vertreten – wäre die Einführung einer spezifischen Regelung gerade für das vertragliche Lastmanagement obsolet gewesen. Bereits vor der Einfügung von § 13 Abs. 4b EnWG a.F. (und der Neuregelung von § 13 Abs. 4a EnWG a.F.) wurde mit der Schaffung von § 13 Abs. 4a in der Ursprungsfassung779 der Versuch unternommen, das Lastmanagement stärker in den Fokus der ÜNB zu rücken. Danach sollten die Rechtsfolgen der Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 4 EnWG a.F. (nun: § 13 Abs. 5 EnWG) entfallen, soweit die ÜNB „ihnen angebotene technisch und wirtschaftlich sinnvolle Vereinbarungen für freiwillige Ab- und Zuschaltungen“ im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG ohne hinreichenden Grund im Vorfeld einer Gefährdungssituation nicht abgeschlossen hatten.780 Diese Regelung wurde jedoch wieder abgeschafft und stattdessen der Weg über die Möglichkeit zum Erlass einer Verpflichtungsregelung (§ 13 Abs. 4b EnWG a.F.) gewählt. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich jedoch, dass sich aus der Einführung von § 13 Abs. 4b EnWG a.F. nicht schließen lässt, dass eine Verpflichtung zum Abschluss vertraglicher Regelungen gerade nur für das Lastmanagement gewollt ist und im Umkehrschluss für das Erzeugungsmanagement bzw. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG im Ganzen nicht besteht. Der Gesetzgeber verfolgt mit seiner Regulierungstätigkeit im Hinblick auf die Laststeuerung das Ziel, dass die ÜNB bei der Wahrnehmung ihrer Systemverantwortung verstärkt auch Verbrauchsanlagen einsetzen.781 Das zunehmend angebotsabhängige Elektrizitätsversorgungssystem, das von der fluktuierenden Einspeisung von Strom aus Wind und PV geprägt ist und immer stärker sein wird, erfordert sinnvollerweise, dass nicht nur die Erzeugungsleistung aus brennstoffba776 777 778 779 780 781
Vgl. Teil 2 B.III.3. BGBl. I S. 2998. Eine Verordnung über zuschaltbare Lasten existiert bislang nicht. Durch die EnWG-Novelle vom 26. Juli 2011, BGBl. 2011 I S. 1554. Siehe konkret BGBl. 2011 I S. 1572 f. Vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 72 sowie BT-Drs. 17/11671, S. 10.
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sierten Anlagen an die aktuelle Einspeisung angepasst wird, sondern, dass auch der Verbrauch stärker an die derzeitige Einspeisung; insoweit gehen Gesetz- und Verordnungsgeber von weitgehend ungenutzten Potenzialen aus.782 Mit den Regeln in § 13 Abs. 4a und 4b EnWG a.F. bzw. der AbLaV sollten und sollen diese Potenziale nun erschlossen werden.783 Es geht hierbei also um die gezielte Förderung des Einsatzes von Lastmanagement, was u. a. über die genannte Vorhaltungsverpflichtung für die ÜNB bis zu einer Abschaltleistung von 3.000 Megawatt (nun: 1.500 MW) erreicht werden soll. Damit wird aber nur geregelt, dass ein bestimmter Mindestteil der vertraglich kontrahierten Maßnahmen des ÜNB nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG aus abschaltbaren Lasten bestehen muss. Es wird also Einfluss genommen auf die Zusammensetzung der vertraglichen Vereinbarungen. Ob darüber hinaus eine generelle Verpflichtung zur Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen besteht bzw. gerade nicht, lässt sich daraus nicht ableiten.784 Für eine derartige Verpflichtung lassen sich jedoch gute Argumente anführen. Verneint man diese nämlich, so würde dies automatisch dazu führen, dass die ÜNB sanktionslos jederzeit auf § 13 Abs. 2 EnWG zurückgreifen könnten. Dann wäre aber die vom Gesetzgeber intendierte gestufte Herangehensweise in Gefährdungs- und Störungssituationen überflüssig.785 Die ÜNB könnten sich ohne Weiteres auf die entschädigungslosen Notmaßnahmen stützen und würden gleichzeitig von der Regelung in § 13 Abs. 5 EnWG profitieren, nach der die Leistungspflichten entfallen und eine Haftung für Vermögensschäden ausscheidet. Es läge also in der Dispositionsbefugnis der ÜNB, ggf. vollständig auf vertragliche Vereinbarungen zu verzichten (Ausnahme eben: Ausschreibung abschaltbarer Lasten nach der AbLaV). Dies kann so nicht gewollt sein; vielmehr ergibt sich zumindest implizit aus § 13 EnWG, dass die ÜNB grundsätzlich verpflichtet sind, marktbezogene Maßnahmen vorzuhalten.786 Betrachtet man § 13 Abs. 1 EnWG als abgeschlossene Regelung, deutet auch der Wortlaut787 auf diese Auslegung hin, denn dort heißt es: „Sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone gefährdet oder gestört ist, sind Betreiber von Übertragungsnetzen berechtigt und verpflichtet788, die Gefährdung oder Störung zu beseitigen durch 1. netzbezogene Maßnahmen […], 2. marktbezogene Maßnahmen […] sowie 3. zusätzliche Reserven.“ Hier wird die allgemeine Verpflichtung der ÜNB zur Wahrnehmung der 782
Vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 72 sowie BT-Drs. 17/11671, S. 10. Vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 72 sowie BT-Drs. 17/11671, S. 10. 784 A.A. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 485. 785 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 484. 786 A.A. Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 113. 787 A.A. offensichtlich König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 484. 788 Hervorhebung durch den Verfasser. 783
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Systemverantwortung dargestellt, wobei gleichzeitig die Handlungspflicht der ÜNB – also die Gefährdungs- oder Störungsbeseitigung – nur mit netz- und marktbezogenen Maßnahmen bzw. zusätzlichen Reserven verknüpft wird. Die nach § 13 Abs. 2 EnWG möglichen Notmaßnahmen werden hier nicht genannt. Dass mit der Bezugnahme auf den Begriff der „Beseitigung“ in § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG bereits der Eintritt einer konkreten Gefährdungslage vorausgesetzt wird, ändert nichts an dem Befund, dass die ÜNB im Vorfeld darauf hinwirken müssen, vertragliche Regelungen abzuschließen.789 Die Verpflichtung, eine Gefährdung oder Störung mit marktbezogenen Maßnahmen zu beseitigen, kann naturgemäß nur erfüllt werden, wenn durch Vorfeldhandlungen der spätere Einsatz marktbezogener Maßnahmen ermöglicht wird. Bei der Beschaffung sind die ggf. vorhandenen Spezialvorschriften zu beachten, zu denken ist hierbei insbesondere an die Vorgaben zur Ausschreibung von Regelenergie (§ 22 Abs. 2 EnWG). Insgesamt sprechen die besseren Argumente dafür, grundsätzlich eine Vorhaltungspflicht anzuerkennen.790 Dass der Gesetzgeber den ÜNB durch die Regelung des § 13 Abs. 5 EnWG betriebswirtschaftliche Anreize setzt, möglichst keine individuellen Vereinbarungen zu schließen, um etwa vom Ruhen der Leistungspflichten zu profitieren, ist hierfür ohne Bedeutung.791 Die Schaffung dieser Regelung ist auch nicht zu kritisieren, da sie für die Fälle, in denen ein Eingriff der ÜNB in das Netzsystem unerlässlich ist, gleichzeitig aber keine ausreichenden vertraglichen Vereinbarungen bestehen, Rechtssicherheit garantiert und damit der Netzsicherheit dient. Nicht zu folgen ist der Begründungslinie von Weyer, dass sich eine Vorhaltungspflicht bereits aus den §§ 11 Abs. 1 S. 1 und 12 Abs. 1 und 3 EnWG ableiten lasse, da sich aus diesen Vorschriften die Verpflichtung ergäbe, Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems durch Vorfeldmaßnahmen wie Netzausbau oder eben Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 EnWG zu bekämpfen.792 König weist insoweit zurecht daraufhin, dass zur wirksamen Gefahrenabwehr die Heranziehung von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG ein ebenso effektives Mittel darstellt wie der Rückgriff auf vertragliche Vereinbarungen: Unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit sind marktbezogene Maßnahmen und Notmaßnahmen nicht unter-
789
A.A. Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 233). 790 So auch Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 234); a.A. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 487. 791 So aber offensichtlich König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 485. 792 Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 234).
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schiedlich zu beurteilen.793 Die Unterschiede ergeben sich stattdessen bei der Frage, inwieweit durch die abgestufte Regelungssystematik der Systemverantwortung auch eine möglichst weitgehende Schonung der Rechte der Netznutzer gewährleistet werden soll.794 Aus § 13 EnWG lässt sich die Pflicht zur Schonung der Netznutzer als eine Art Sekundärverpflichtung der ÜNB ableiten, aus den von Weyer zitierten allgemeinen Netzbetreiberpflichten in den §§ 11 und 12 EnWG gerade nicht. Diese zielen nur auf die Gewährleistung eines stabilen Netzes und befassen sich nicht mit den Rechten der Betroffenen.795 Dennoch kommt auch Weyer unter Betonung der Stufenfolge von § 13 Abs. 1 und Abs. 2 zurecht zu dem Ergebnis, dass die ÜNB verpflichtet sind, im Vorfeld Verträge zu schließen.796 Die entscheidende Frage ist letztlich nicht, ob eine Vorhaltungspflicht besteht – diese ist, wie erläutert, zu bejahen –, sondern, wie die ÜNB dieser Pflicht gerecht werden können, welche Grenzen insoweit bestehen und welche Rechtsfolgen im Falle der Nichtbeachtung eintreten. Aus Sicht des Gesetzgebers besteht jedenfalls keine Verpflichtung, Vereinbarungen für marktbezogene Maßnahmen „zu unangemessenen Konditionen“ zu kontrahieren.797 Soweit die entstandenen Kosten über die Netzentgelte weitergegeben werden können und am Ende der Kette die Letztverbraucher belasten, wäre dies auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ineffizient.798 Die Pflicht zur Beschaffung und Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen, die alle Bereiche der Systemverantwortung erfasst, also insbesondere die Frequenzsteuerung und das Engpassmanagement, erfordert vor allem ein aktives Tätigwerden der ÜNB, auf vertragliche Vereinbarungen hinzuwirken.799 Insbesondere, soweit gegenüber einem Netznutzer in der Vergangenheit Maßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG getroffen werden mussten, erstarkt die zunächst noch eher allgemeine Grundentscheidung des Gesetzgebers zum Vorrang marktbezogener Maßnahmen zu einer konkreten Handlungspflicht der ÜNB, mit diesem Betroffenen eine vertragliche Regelung zu schließen. Angesichts des ohnehin vorhandenen Instrumentariums zur Beschaffung von Regelenergie über Ausschreibungen, die regelmäßig durchgeführt werden, sowie der Einführung des gesetzlichen Redispatch nach § 13 Abs. 1a EnWG a.F. (nun: § 13a Abs. 1 EnWG), der Notmaßnahmen zunehmend überflüssig 793 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 486. 794 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 486. 795 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 486 f. 796 Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 234). 797 Zu § 13 Abs. 1a EnWG, BT-Drs. 17/6072, S. 71; so auch Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 113. 798 Hierzu siehe unten Teil 3 A. 799 Zur Auswahl vorzuhaltender Maßnahmen: Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 234 ff.).
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
machen könnte, dürfte es sich bei der Frage der Vorhaltungspflicht um eine eher theoretische Frage ohne die ganz große praktische Relevanz handeln. In jedem Fall steht aber fest, dass die ÜNB nicht vollständig auf vertragliche Vereinbarungen verzichten dürfen. Nach dem Sinn und Zweck von § 13 Abs. 2 EnWG kann ein Verstoß gegen die Vorhaltepflicht auch nicht zu einer Unzulässigkeit des Einsatzes einer Notmaßnahme führen.800 Wann und ob ein solcher Verstoß vorliegt, ist im Zweifelsfall keine einfach zu beantwortende Frage. Würde man die ÜNB aber unter das Damoklesschwert einer möglichen Unzulässigkeit ihrer Notmaßnahmen aufgrund einer mangelnden Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen stellen, wäre die vom Gesetzgeber intendierte Ermutigung der ÜNB, im Notfall ohne falsche Scheu nach § 13 Abs. 2 EnWG einzugreifen801, um eine Gefährdung oder Störung zu beseitigen, wenig wert. Sollte ein ÜNB gegen die Vorhaltungspflicht verstoßen, sind deshalb in erster Linie nachträgliche Aufsichtsmaßnahmen der Regulierungsbehörde geboten. 3. Verhältnis von Notmaßnahmen zur vorrangigen Einspeisung von Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK802 ; Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Gasversorgungssystem Die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität nach § 13 EnWG stehen, soweit es um die beabsichtigte Abregelung von Erzeugungsanlagen geht, in einem logischen Zielkonflikt mit der vorrangigen Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas und hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung (§ 11 EEG 2017 und § 3 KWKG).803 Im Grundsatz bilden EEG 2017 und KWKG im Vergleich zum EnWG jeweils das speziellere Gesetz (lex specialis) und genießen insoweit eine vorrangige Geltung, sodass man an sich davon ausgehen könnte, dass die vorrangige Einspeisung von EE, Grubengas und hocheffizienter KWK auch im Rahmen der Systemsicherheitsmaßnahmen uneingeschränkte Berücksichtigung verlangt. Dies ergibt sich auch aus der insoweit deklaratorischen Vorschrift des § 2
800
A.A. Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 234). 801 Siehe bezüglich § 13 Abs. 4 EnWG: BT-Drs. 15/3917, S. 57; Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 27; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 199. 802 Siehe bereits Teil 2 A.IV. Zum Einsatz vertraglicher Vereinbarungen zur Einspeisung von vorrangberechtigtem Strom (§ 13 Abs. 3 S. 2 EnWG) vgl. schon oben im Rahmen der jeweiligen marktbezogenen Maßnahmen. 803 Vgl. etwa Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 318).
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Abs. 2 EnWG804, wonach im Rahmen des EnWG die Verpflichtungen nach dem EEG und dem KWKG unberührt bleiben.805 Entscheidend ist jedoch, dass in dieser Norm die §§ 13 und 14 EnWG – also die Regelungen zur Systemverantwortung von ÜNB und VNB – ausdrücklich von der Verweisung auf die Vorrangstellung der Regelungen in EEG und KWKG ausgenommen werden.806 Der Gesetzgeber hat sich also dafür entschieden, den Zielkonflikt im Sinne der Systemsicherheit aufzulösen: Im Zweifel haben die Netzstabilität und die Verhinderung großflächiger Störungsfälle den Letztvorrang.807 Das folgt bereits daraus, dass logischerweise nur in einem funktionierenden Stromnetz die Verpflichtungen nach EEG/KWKG überhaupt eingehalten werden können.808 Um dennoch der vorrangigen Einspeisung von EE, Grubengas und hocheffizienter KWK eine möglichst umfassende Geltung zu verschaffen und nicht gleichsam „durch die Hintertür“ die Transformation des Stromsystems zu konterkarieren, hat der Gesetzgeber nachträglich – auch zur Klarstellung809 – § 13 Abs. 2a EnWG (nun: 804 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 64 f. (Fn. 204): die Norm ist eigentlich überflüssig und sollte gestrichen werden. 805 Büdenbender, Umweltschutz in der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, DVBl. 2005, S. 1161 ff. (S. 1166); Hellermann, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 2 Rn. 11; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 2 EnWG Rn. 5; Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 2 EnWG Rn. 12 (Stand: September 2013). 806 Der Wortlaut ist: „vorbehaltlich des § 13, auch in Verbindung mit § 14“. 807 Vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 48; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 222; Güneysu, Smart Grids und die Anforderungen des Einspeisemanagements, RdE 2012, S. 47 ff. (S. 51); Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 2 EnWG Rn. 13 (Stand: September 2013); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 66; Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 48; die Gegenmeinung in der Literatur vertritt ein Nebeneinander der Vorschriften in §§ 13 ff. EnWG und denjenigen in EEG und KWKG, stammt aber größtenteils aus der Zeit vor Einfügung von § 13 Abs. 2a EnWG a.F./§ 13 Abs. 3 EnWG n.F.: Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 528 f.); Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 320); Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 228); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 101. 808 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 45; Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 2 EnWG Rn. 13 (Stand: September 2013); Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 87 f., m.w.N. 809 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 95, 138.
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§ 13 Abs. 3 EnWG) eingeführt. Dort heißt es in Satz 1 zunächst, dass bei Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 und 2 EnWG „die Verpflichtungen nach § 11 Absatz 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und nach § 3 Abs. 1 und 2 des Kraft-WärmeKopplungsgesetzes einzuhalten“ sind.810 Diese absolute Formulierung ist missverständlich, da hiermit zunächst die bereits dargestellte Regelung in § 2 Abs. 2 EnWG auf den Kopf gestellt wird und man denken könnte, dass die Einspeisung von Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter811 KWK doch einen generellen Vorrang als lex specialis genießt. Die entscheidenden Vorgaben folgen dann jedoch aus den Sätzen 3 bis 5, die regeln, wann eine Abweichung vom Einspeisevorrang zulässig ist, um Gefährdungen und Störungen im Elektrizitätsversorgungssystem zu beseitigen. Nach § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG kann „ausnahmsweise“ von der Einhaltung des Einspeisevorrangs abgewichen werden, soweit dieser die Beseitigung einer Gefährdung oder Störung gerade verhindern würde, was nach Satz 5 insbesondere dann der Fall ist, soweit die ÜNB zur Aufrechterhaltung der Systemsicherheit „auf die Mindesteinspeisung aus bestimmten Anlagen angewiesen sind (netztechnisch erforderliches Minimum).“ Mit dem Strommarktgesetz812 wurde die Regelung noch ergänzt um den Passus, dass es für die Einordnung der Einspeisung aus einer Anlage als netztechnisch erforderliches Minimum auch erforderlich ist, dass „keine technisch gleich wirksamen anderen Maßnahmen“ verfügbar gemacht werden können. Geht es speziell um eine Überlastung der Netzkapazität, also um die Beseitigung eines Netzengpasses813, verweist Satz 3 des § 13 Abs. 3 EnWG im Rahmen von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG auf die speziellen Anforderungen des Einspeisemanagements nach §§ 14 f. EEG 2017, die einzuhalten sind (vgl. auch § 3 Abs. 1 S. 3 KWKG).814 Mit dieser Vorschrift werden Systemverantwortung und Einspeisemanagement (siehe dazu sogleich unter Teil 2 B.IV.4.) verzahnt.815 Hiernach (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017) findet der Vorrang für Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK seine Grenze, soweit „sonstige Stromerzeuger 810 Ähnliches war in § 13 Abs. 1 S. 2 EnWG a.F. nur hinsichtlich der netzbezogenen Maßnahmen geregelt (Redaktionsversehen), vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 72. 811 Dazu: Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 22. 812 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 813 „Überlastung der Netzkapazität“ (§ 13 Abs. 2a S. 3 EnWG) und „Netzengpass“ (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EEG 2017) meinen das gleiche, vgl. Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/ Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 76; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 146 f. 814 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 74 ff. 815 Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff.; das Verhältnis von Systemverantwortung und Einspeisemanagement war vor Einfügung von § 13 Abs. 2a EnWG (a.F.) mit dem EnWG 2011 heftig umstritten, vgl. nur König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M., § 13 EnWG Rn. 91, m.w.N. (Fn. 53).
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am Netz bleiben müssen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystem zu gewährleisten.“ §§ 11 EEG 2017 und 3 KWKG werden damit im Ergebnis zu speziellen Regeln oder Methoden des Engpassmanagements: Sie sind in besonderer Weise zu berücksichtigen, in ihrer Anwendung jedoch auch begrenzt.816 Oder anders ausgedrückt: Die vorrangige Abnahme führt grundsätzlich zur nachrangigen Abregelung – nicht mehr und nicht weniger. Der tatsächliche Schutzgrad der vorrangigen Abnahme von EE, Grubengas und hocheffizienter KWK wird aber damit über die Definition der Ausnahmen festgelegt. § 13 Abs. 3 S. 5 EnWG nennt hier das netztechnisch erforderliche Minimum als Ausnahmefall. Soweit aus bestimmten konventionellen Anlagen also eine Mindesteinspeisung erforderlich ist, auf die das Elektrizitätsversorgungssystem zur Gewährleistung der Netzstabilität angewiesen ist und keine technisch gleich wirksamen anderen Maßnahmen verfügbar gemacht werden können, kann auch die Einspeisung aus an sich vorrangberechtigten Anlagen abgeregelt werden, obwohl dann noch konventionelle Anlagen – sog. must-run-units – am Netz sind.817 Der Grund für diese Vorgehensweise liegt darin, dass solche Anlagen gerade eingesetzt werden, um Systemdienstleistungen anzubieten. Zu nennen ist hier etwa der Bereich negativer Regelenergie818, also der Abschluss von Verträgen, aufgrund derer die ÜNB eine Erzeugungsanlage nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG zur Abregelung veranlassen können, wenn die Einspeisung die Last übersteigt und deshalb die Einhaltung der Netzfrequenz von 50 Hertz gefährdet wird. Wenn also konventionelle Anlagen gerade der Systemverantwortung dienen und entsprechende Verträge geschlossen wurden, genießen diese eine Vorrangstellung. Relevant für die Einordnung als must-run-unit sind im Grundsatz nur objektive netztechnische Kriterien, die interne Sphäre der Kraftwerke bleibt hierbei außer Betracht.819 Eine must-run-unit ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass eine bestimmte Mindesteinspeisung erforderlich ist, um die Netzstabilität und damit die Versorgungssicherheit überhaupt zu gewährleisten; nur innerhalb eines stabilen und funktionierenden Stromsystems können energiewirtschaftliche Zielvorstellungen wie die möglichst weitgehende Einspeisung von Strom aus EE, Grubengas und KWK
816 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 403. 817 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 114. 818 Vgl. BT-Drs. 17/6071, S. 64. 819 BT-Drs. 17/6072, S. 72; Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 19); Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/ Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 39; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 20.
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erst verwirklicht werden.820 Auch das technische Minimum eines Einzelkraftwerks kann jedoch mittelbar relevant werden, wenn die Einspeisung aus dieser Anlage für die Systemstabilität unerlässlich ist.821 Dies könnte etwa Fälle erfassen, in denen ein Kraftwerk zwar aktuell nicht als must-run-unit einzuordnen ist, aufgrund der aus technischen Gründen gegebenen Trägheit des Anfahrens aber später zu erfüllende Systemdienstleistungsverpflichtungen nicht einhalten könnte.822 Zweifellos nicht von den Ausnahmeregelungen erfasst sind jedoch wirtschaftlich motivierte Argumentationen823, etwa, dass häufiges Auf- und Abregeln die Lebensdauer der Anlage verringert.824 Zudem ist durch den ÜNB nun immer auch zu prüfen, ob andere, gleich wirksame Maßnahmen bestehen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems auch unter Beibehaltung der Mindesteinspeisung aus konventionellen Anlagen einerseits und der weiteren Einspeisung aus privilegierten Anlagen andererseits, gewährleisten zu können (§ 13 Abs. 3 S. 5 a.E. EnWG). Dies dürfte auf den Einsatz von zuschaltbaren Lasten abzielen, die alternativ zur Abregelung von Erzeugungsanlagen eingesetzt werden können. In Situationen, in denen ein Kraftwerk alleine aus in der Eigenart des Kraftwerks liegenden oder in der betrieblichen Sphäre begründeten technischen Gegebenheiten825, nicht in der erforderlichen Form geregelt werden kann, also ein Fall der Unmöglichkeit vorliegt, greift § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG. Danach sind neben der Berücksichtigung von must-run-units auch andere Ausnahmen vom Einspeisevorrang denkbar, wobei eine enge Auslegung geboten ist.826 Wenn also die Regelung einer konventionellen Anlage unmöglich ist und ansonsten nur noch privilegierte Anlagen am Netz sind, bleibt zur Beseitigung einer Gefährdung oder Störung dann nur die Drosselung einer privilegierten Anlage. Hier besteht freilich Missbrauchspotenzial, da von außen nur schwer zu beurteilen sein kann, inwiefern tatsächlich technisch begründete Restriktionen vorliegen. Zu bedenken ist auch, dass die mangelnde Flexibilität bestimmter Kraftwerke dann mittelbar über die letztverbrauchenden Netznutzer „bezahlt“ wird; dies ergibt sich daraus, dass infolge der 820 Vgl. Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 237). 821 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 6. 822 Vgl. Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 186 f. 823 Freilich können bei der Unterscheidung zwischen technischen und wirtschaftlichen Argumentationen auch schwierige Abgrenzungsprobleme entstehen. 824 Vgl. Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 238). 825 Vgl. Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 237 f.); vgl. auch Ehricke, Die Vornahme einer Regelung von Anlagen nach § 11 EEG (Einspeisemanagement), KSzW 2011, S. 230 ff. (S. 234). 826 Zutreffend Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 140.
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Nicht-Abregelbarkeit dieser Anlagen privilegierte Anlagen heruntergefahren werden müssen, die Betreiber der privilegierten Anlagen nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 entschädigt werden und die hierdurch entstehenden Kosten in der Regel über die Netzentgelte auf die Netznutzer umgelegt werden können (§ 15 Abs. 2 EEG 2017).827 In jedem Fall sind alle Abweichungen vom Einspeisevorrang der Regulierungsbehörde unverzüglich anzuzeigen und die besonderen Gründe nachzuweisen (§ 13 Abs. 3 S. 6 EnWG).828 Auf diese Weise soll die Regulierungsbehörde in die Lage versetzt werden, die „sachgerechte Nutzung der Ausnahmemöglichkeiten nach Satz 4 und 5“ zu überwachen.829 Trotz dieser Kontrollmöglichkeit liefern die Regelungen zur Abweichung vom Einspeisevorrang auch generell ein gewisses Missbrauchspotenzial, da es zunächst in den Händen der ÜNB liegt, in der konkreten Situation eine konventionelle Anlage als „netzrelevant“ einzustufen und deshalb etwa stattdessen eine Windkraftanlage abzuregeln. Wenn immer mehr konventionelle Anlagen Systemdienstleistungen anbieten – was nicht auszuschließen ist, da etwa am Regelenergiemarkt zusätzliche Erlöse generiert werden können – und in der Folge als must-run-units einzuordnen sind, ist der Einspeisevorrang gefährdet. Bereits jetzt existiert im Strommarkt eine erhebliche fossile must-run-Kapazität, die vorwiegend über thermische Kraftwerke, die Kohle, Erdöl oder Gas zur Stromerzeugung einsetzen, bereitgestellt wird.830 Umso wichtiger erscheint es, dass zukünftig auch zunehmend erneuerbare Energien Systemdienstleistungen anbieten können und sich das Problem auf diese Weise ein Stück weit von selbst erledigt.831 Die entsprechenden EE-Anlagen gelten dann ebenfalls als must-run-Anlagen und werden im Vergleich zu sonstigen EE-
827 Vgl. Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 243). 828 Wie sich aus zwei Kleinen Anfragen an die Bundesregierung ergibt (BT-Drs. 18/9157, S. 5 f. und BT-Drs. 18/11464, S. 1 ff., 4), scheint es Defizite bei der Einhaltung der genannten Meldepflichten zu geben, die seitens der BNetzA nicht gerügt werden. Die BNetzA scheint in der Praxis nicht auf einen Nachweis der besonderen Gründe in den jeweiligen Einzelfällen zu bestehen und begnügt sich offensichtlich mit allgemeinen Meldungen zu erfolgten Netzsicherheitsmaßnahmen. Dieses Vorgehen widerspricht dem klaren Wortlaut von § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG und sollte dringend abgestellt werden. 829 BT-Drs. 17/6072, S. 72. 830 Böttger/Götz/Bruckner, Negative Sekundärregelleistung durch Power-to-Heat-Anlagen, et 2014, Heft 4, S. 20 ff. (S. 20). 831 Siehe deshalb die Vorschläge im Weißbuch des BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Weißbuch), 2015, S. 67 ff., 77. Vgl. zur Erforderlichkeit des Anbietens von Systemdienstleistungen durch EE auch Agricola/Seidl, Sicherheit und Zuverlässigkeit der Stromversorgung von morgen, et 2014, Heft 6, S. 8 ff. Mit den neuen Ausschreibungsbedingungen für Sekundärregelung und Minutenreserve, die ab dem 12. Juli 2018 gelten, wird darauf hingewirkt (BNetzA, Beschlüsse vom 13. 06. 2017, BK6 – 15 – 158 und BK6 – 15 – 159).
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Anlagen auch erst nachrangig abgeregelt.832 Unter den derzeit noch geltenden Bedingungen ist jedoch eine Präqualifikation von EE-Anlagen zur Regelleistung nur schwer zu realisieren, was u. a. daran liegt, dass die Gebotszeiträume zu lange bemessen sind – Sekundärregelleistung833 etwa wird derzeit wöchentlich ausgeschrieben.834 Wetterprognosen, die Aufschluss über die kommende Einspeisung aus Windkraft- und PV-Anlagen geben, können aber nur dann eine gewisse Sicherheit bieten, wenn die Einsatzzeiten, für die eine EE-Anlage zur Regelenergie bereitgestellt werden soll, relativ kurz bemessen sind.835 Aus diesem Grund gelten ab dem 12. Juli 2018 neue Ausschreibungsbedingungen für Sekundärregelung und Minutenreserve, die der besseren Eingliederung von EE in die Regelenergie dienen sollen, etwa durch Umstellung der Sekundärregelung auf eine kalendertägliche Ausschreibung und die Einführung von 4-Stunden-Produkten.836 Im Weißbuch zum „Strommarkt für die Energiewende“ hat sich auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit must-run-units befasst.837 Zukünftig sollen die „Einflussfaktoren für die Mindesterzeugung und ihre Entwicklung“ regelmäßig evaluiert und transparent gemacht werden. Da eine solche Mindesterzeugung erneuerbare Energien verdrängen und volkswirtschaftliche Ineffizienzen hervorrufen kann, soll herausgearbeitet werden, ob die Systemstabilität auch mit einer geringeren Mindesterzeugung als bisher gewährleistet werden kann. Offensichtlich bestehen in diesem Zusammenhang noch einige Unklarheiten.838 Mit dem Strommarktgesetz wurde nun die Bundesnetzagentur in § 63 Abs. 3a EnWG mit der regelmäßigen Veröffentlichung eines Berichts über die Mindesterzeugung beauftragt.839 Entsprechende Informationen und Analysen sollen durch die Netzbetreiber geliefert werden (§ 12 Abs. 5 Nr. 4 EnWG). Die BNetzA war im Übrigen bereits nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Strommarktgesetzes nach § 85 Abs. 2 Nr. 2 lit. c) EEG 2017 dazu befugt, Festlegungen zu treffen, welche Strom832 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 6; Wustlich/ Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 38. 833 BNetzA, Beschlüsse vom 12. 04. 2011, BK6 – 10 – 097, S. 2 und BK6 – 10 – 098, S. 2 sowie Beschluss vom 18. 10. 2011, BK6 – 10 – 099, S. 2. 834 Vgl. dazu IWES, Optimierung der Marktbedingungen für die Regelleistungserbringung durch Erneuerbare Energien, 2014; Böttger/Götz/Bruckner, Negative Sekundärregelleistung durch Power-to-Heat-Anlagen, et 2014, Heft 4, S. 20 ff. (S. 20); zu Änderungsvorschlägen im Regelenergiemarkt: BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014, S. 22 f. 835 Böttger/Götz/Bruckner, Negative Sekundärregelleistung durch Power-to-Heat-Anlagen, et 2014, Heft 4, S. 20 ff. (S. 20). 836 BNetzA, Beschlüsse vom 13. 06. 2017, BK6 – 15 – 158 und BK6 – 15 – 159. 837 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Weißbuch), 2015, S. 76 f. 838 Siehe hierzu: Consentec, Konventionelle Mindesterzeugung – Einordnung, aktueller Stand und perspektivische Behandlung, 2016; Energy Brainpool, Kurzanalyse zur Stromerzeugung bei netzbedingter Abregelung Erneuerbarer Energien, 2016. 839 Mittlerweile wurde der erste Bericht veröffentlicht: BNetzA, Bericht über die Mindesterzeugung, März 2017.
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erzeugungsanlagen nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017 auch bei Anwendung des Einspeisemanagements am Netz bleiben müssen. Auch im Bereich der Systemverantwortung kann die Regulierungsbehörde gemäß § 13j Abs. 2 Nr. 2 EnWG Kriterien für die „nach Satz 4 geltenden Ausnahmefälle“ festlegen. Es stellt sich die Frage, ob derzeit tatsächlich alles unternommen wird, um im Rahmen von Notmaßnahmen auch wirklich nur im Ausnahmefall – der Gesetzeswortlaut des § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG (und auch des § 14 Abs. 1 S. 1 EEG 2017) ist insoweit eindeutig – auf EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen zurückzugreifen und diese abzuregeln. Um dem engen Anwendungsbereich für Ausnahmefälle gerecht zu werden, sind die Netzbetreiber an sich verpflichtet, all diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um einen Rückgriff auf vorrangberechtigte Anlagen vermeiden zu können; hierzu sind bereits im Vorfeld technische und organisatorische Vorkehrungen zu treffen.840 Im Rahmen der Evaluationen durch die BNetzA sollte im Übrigen geprüft werden, ob in den Situationen, in denen die Einspeisung die Last übersteigt, auch der Einsatz zuschaltbarer Lasten in ausreichendem Maße berücksichtigt wird.841 Der neu eingefügte Einschub in § 13 Abs. 3 S. 5 EnWG zu den „gleich wirksamen anderen Maßnahmen“ sowie das neue Instrument nach § 13 Abs. 6a EnWG, das den Einsatz von Power-to-Heat-Anlagen forciert, gehen bereits in diese Richtung. Durch die Lastzuschaltung, ggf. auch vor dem Netz in unmittelbarer Verbindung zu einer EEAnlage842, kann die Abregelung von Erzeugungsanlagen verhindert werden. Soweit es speziell um Engpässe geht (Einspeisemanagement nach § 14 EEG 2017), könnte auch geprüft werden, ob nicht im Rahmen der marktbezogenen Maßnahmen auf negative Regelenergie zurückgegriffen werden kann.843 Dann würden die konventionellen Anlagen, die im Rahmen des Einspeisemanagements als „unantastbar“ eingeordnet werden (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017), da sie Systemdienstleistungen bereitstellen, im konkreten Fall gerade in ihrer Funktion als Systemdienstleister eingesetzt, um den Rückgriff auf EE-Anlagen zu verhindern. 840
Zutreffend Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 140. 841 Vgl. hierzu etwa die Studien von IWES/SUER/IFAM, Power-to-Heat zur Integration von ansonsten abgeregeltem Strom aus Erneuerbaren Energien, 2014, sowie von SUER/ISI, Gutachten zu zuschaltbaren Lasten (für das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein), 2016; ähnliche Argumentation bei Schermeyer/Klapdor et al., Lösungsvorschläge für ein marktnahes Einspeisemanagement, et 2014, Heft 8, S. 52 ff.; vgl. auch schon: Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 243); Ehricke, Die Vornahme einer Regelung von Anlagen nach § 11 EEG (Einspeisemanagement), KSzW 2011, S. 230 ff. (S. 230). 842 Altrock/Thomas/Vollprecht, Power to Heat – Kostenbelastungen, Regelenergie und Überschussstrom, EnWZ 2016, S. 106 ff. (S. 110 ff.). 843 Vgl. hierzu Teil 2 B.III.2.d); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 453 ff., 469 f.
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Zwar ist zwischen Maßnahmen des Engpassmanagements und solchen zur Frequenzhaltung zu unterscheiden, es können sich jedoch auch Überschneidungen ergeben. Es ist jedenfalls grundsätzlich möglich, wenn auch nicht die Zweckbestimmung der Regelenergie, dass eine konventionelle Anlage negative Regelenergie liefert, also eine Abregelung durchführt und auf diese Weise ein Engpass umgangen wird.844 Ein Rückgriff nach § 14 EEG 2017, etwa auf eine Windkraftanlage, kann dann ggf. vermieden werden. Darüber hinaus sollten im Rahmen eines Evaluierungsprozesses diejenigen Ausnahmefälle nach § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG beschrieben werden, die nicht gerade auf der Bereitstellung von Systemdienstleistungen beruhen. In jedem Fall gilt, dass sich ein ÜNB nicht nur, aber gerade im Falle des Einsatzes von Notmaßnahmen mit § 13 Abs. 3 EnWG beschäftigen muss. Neben der Bewältigung des grundsätzlichen Einspeisevorrangs von EE, Grubengas und hocheffizienter KWK verlangt § 13 Abs. 3 S. 1 EnWG auch, dass beim Einsatz von Notmaßnahmen „Auswirkungen auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems“ angemessen berücksichtigt werden. Hintergrund dieser Regelung ist, dass es im Februar 2012 u. a. wegen sehr niedriger Außentemperaturen und eines entsprechend hohen Wärmebedarfs aufgrund einer angespannten Gasversorgungssituation in Süddeutschland zu Problemen im Bereich der Stromerzeugung gekommen ist.845 Die Wechselwirkungen zwischen Elektrizitätsversorgung und Gasversorgung sind deshalb im Rahmen von Maßnahmen nach § 13 EnWG zu berücksichtigen, wobei daraus nicht folgt, dass Gaskraftwerke generell nachrangig zu regeln sind.846 4. Einspeisemanagement847 nach § 14 EEG 2017 als besondere Notmaßnahme bei Netzengpässen848 Der bereits dargestellte Rechtsrahmen zu Notmaßmaßnahmen enthält bereits die Antworten auf alle in diesem Zusammenhang relevanten Fragen – wie funktionieren Notmaßnahmen und wann werden sie relevant, besteht eigentlich eine Pflicht zur Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen und wie ist das Verhältnis von Notmaß844 BNetzA, Bericht zu den Auswirkungen des Kernkraftausstiegs auf die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit, August 2011, S. 72; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 470. 845 BNetzA, Bericht zum Zustand der leitungsgebundenen Energieversorgung im Winter 2011/12, Mai 2012, S. 80. 846 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 116. 847 Hier könnten sich durch das EU-Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ (KOM(2016) 860 final), dessen erste Entwürfe am 20. November 2016 vorgestellt wurden, Änderungen ergeben. Zwar ist nicht mit einer vollständigen Abschaffung des Einspeisevorrangs zu rechnen, dennoch könnten Anpassungen vorgenommen werden, die das derzeitige System aus Einspeisevorrang und Einspeisemanagement geänderten Bedingungen unterwerfen und etwa die konkrete Abschaltrangfolge betreffen. 848 Siehe bereits Teil 2 A.IV.3.
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nahmen zur vorrangigen Einspeisung aus privilegierten Anlagen? – ist aber dennoch unvollständig. Das liegt daran, dass der Gesetzgeber eine eigene Regelung für die Abregelung privilegierter Erzeugungsanlagen in Engpasssituationen, das sog. Einspeisemanagement, geschaffen hat, die im Folgenden noch zu untersuchen ist. a) Hintergrund und Grundlagen Die Vorschriften zur Systemverantwortung nach § 13 EnWG und zum Einspeisemanagement, das heute in § 14 EEG 2017 (vormals § 11 EEG 2012) geregelt ist, entwickelten sich zunächst unabhängig voneinander. Mit dem EnWG 2011849 bzw. dem EEG 2012850 wurden die Vorschriften jedoch miteinander verzahnt.851 Zudem wurden unter Umsetzung von Handlungsempfehlungen des EEG-Erfahrungsberichts mit dem EEG 2012 zahlreiche Unklarheiten der Regelung zum Einspeisemanagement selbst, die bis zur Novellierung noch bestanden hatten, ausgeräumt.852 Schließlich wurde das Einspeisemanagement von den Vorgaben der Härtefallregelung (ursprünglich § 12 EEG 2012, nun § 15 EEG 2017) entkoppelt, so dass es für das Auslösen einer Härtefallentschädigung nicht mehr darauf ankommt, dass der Netzbetreiber die Voraussetzungen des Einspeisemanagements eingehalten hat.853 Diese Anpassung des Rechts war zwingend nötig, da gerade auch dann ein Bedürfnis zur Entschädigung besteht, wenn die Voraussetzungen des EinsMan nicht beachtet wurden.854 Die Regelung sichert nun grundsätzlich in allen Engpassfällen auf ent-
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BGBl. 2011 I S. 1554; BT-Drs. 17/6072. BGBl. 2011 I S. 1634; BT-Drs. 17/6071. 851 Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff.; das Verhältnis von Systemverantwortung und Einspeisemanagement war vor Einfügung von § 13 Abs. 2a EnWG (a.F.) mit dem EnWG 2011 heftig umstritten, vgl. nur: König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M., § 13 EnWG Rn. 91, m.w.N. (Fn. 53); Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 228), zum Verhältnis von Systemverantwortung und EinsMan nach dem EEG 2009: „Man kann auch von einem legislativen Bärendienst sprechen, der dem Rechtsanwender hier erwiesen wurde. Literatur und Rechtsprechung quälen sich daher durch das Normenwirrwarr und legen einschränkend und erweiternd aus oder attestieren bisweilen ein legislatives Versehen.“ 852 BT-Drs. 17/6071, S. 64; Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 10 ff. 853 Vgl. etwa Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 21). 854 Schwintowski, Der Anspruch auf Schadensersatz und Einspeisevergütung bei der Abschaltung von Anlagen Erneuerbarer Energien, EWeRK 2012, S. 131 ff. (S. 138); Frenz, in: Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 12; vgl. schon zum EEG 2009: Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 529). 850
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schädigungsrechtlicher Ebene das Vorrangprinzip ab.855 Wird dieses nicht eingehalten – egal, ob rechtmäßig im Sinne von § 14 EEG 2017 bzw. § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 S. 4 EnWG oder gerade unter Verstoß gegen diese Vorschriften – dann wandelt sich die Pflicht zur vorrangigen Abnahme in einen monetären Entschädigungsanspruch um. Insgesamt existiert nun ein im Großen und Ganzen schlüssiges Regelungssystem von Systemverantwortung, Einspeisemanagement und Härtefallentschädigung, das jedoch nichtsdestotrotz auch weiterhin Fragen aufwirft (dazu im Folgenden). Der Sinn der Vorschrift des § 14 EEG 2017 liegt darin, einerseits dem Vorrangprinzip für Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK Geltung zu verschaffen, andererseits aber auch die Stabilität des Netzes zu gewährleisten.856 Diese Zielsetzung unterscheidet sich nicht von derjenigen des § 13 EnWG – mit dem Unterschied, dass dort die Netzstabilität den Regelungsgrund bildet, innerhalb dessen das Vorrangprinzip abzusichern ist. Die beiden Normen sind – soweit es um Netzengpässe geht – also „spiegelbildlich“ aufgebaut.857 Einerseits bildet das Einspeisemanagement eine Grenze des Vorrangprinzips für EE, Grubengas und hocheffiziente KWK, andererseits wird hierzu aber ein Verfahren festgelegt, das sicherstellen soll, dass die größtmögliche Strommenge aus den privilegierten Energiequellen in das Netz eingespeist wird.858 Dies dient – auch in Verbindung mit der Entschädigungsregelung nach § 15 EEG 2017 – der Investitionssicherheit der privilegierten Anlagenbetreiber und damit im Ergebnis der Netzintegration der EE sowie der Transformation des Energiesystems.859 Die entscheidende Aussage des § 14 EEG 2017 liegt in dem Wort „regeln“, das zum Ausdruck bringt, dass auch privilegierte Anlagen – unter bestimmten Umständen und grundsätzlich nachrangig – in ihrer Einspeisung gedrosselt werden können.860 Allerdings ist damit nicht nur ein Recht der Netzbetreiber verbunden, 855 Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 4. 856 BT-Drs. 16/8148, S. 46; Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 25; Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 24 f. 857 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 180. 858 BT-Drs. 16/8148, S. 46; Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff (S. 523). 859 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 2, 3, 6; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 2; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 8. 860 Zum Begriff des Regelns etwa: Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 318).
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sondern auch eine entsprechende Pflicht, die sie sich aus der Systemverantwortung ergibt. Im Falle einer Regelung muss der angebotene Strom nicht bzw. nicht vollständig abgenommen werden, die vorrangige Abnahmepflicht wird also suspendiert.861 Die Anlagenbetreiber sind zur Duldung entsprechender Eingriffsmaßnahmen verpflichtet.862 Sie können die Stromerzeugung drosseln oder den erzeugten Strom speichern bzw. auf andere Weise vor dem Netz einsetzen.863 Es wird also nicht die Anlage an sich geregelt, sondern die Einspeisung in das Netz.864 Dies zeigt nun auch explizit § 27a S. 2 Nr. 5 EEG 2017, der in EinsMan-Situationen die grundsätzliche Inkompatibilität von durch Ausschreibungen ermittelten Förderungen nach EEG 2017 und der Durchführung von Eigenversorgungsmodellen durchbricht.865 Die EEG-Förderungen bleiben dann bestehen, obwohl der Anlagenbetreiber den erzeugten Strom selbst nutzt, ihn also nicht in das Netz einspeist. Eine Erhöhung der Einspeisung wäre zwar vom Wortlaut ebenfalls gedeckt, kommt jedoch nicht in Betracht, da die privilegierten Anlagen gerade aufgrund des Vorrangprinzips in der Regel bereits mit der maximal möglichen Leistung einspeisen werden866 ; „vor dem Engpass“ würde ein Hochfahren der Einspeisung ohnehin keinen Sinn ergeben, sondern das Netzproblem vielmehr verschärfen. Schließlich liegt im Falle der Anforderung einer erhöhten Leistung auch schon gar keine Kollision mit dem Vorrangprinzip vor, sondern dient diesem vielmehr.867 861
BT-Drs. 16/8148, S. 46; Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 529); König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 40. 862 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 98; Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 16, 60; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 95; Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 181); Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 52; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 21. 863 Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/ Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 184); Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 52. 864 Vgl. Altrock/Thomas/Vollprecht, Power to Heat – Kostenbelastungen, Regelenergie und Überschussstrom, EnWZ 2016, S. 106 ff. (S. 110 f.). 865 Vollprecht/Altrock, Die EEG-Novelle 2017 – Von Ausschreibungen bis zuschaltbare Lasten, EnWZ 2016, S. 387 ff. (S. 394). 866 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 487. 867 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 137.
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Das Einspeisemanagement erlaubt nach § 14 Abs. 1 EEG 2017 „ausnahmsweise“868 die Regelung von unmittelbar oder mittelbar an das Netz eines Netzbetreibers angeschlossenen EE-, Grubengas- und hocheffizienten869 KWK-Anlagen870, die mit einer Einrichtung zur ferngesteuerten Reduzierung der Einspeiseleistung bei Netzüberlastung (im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 lit. a) EEG 2017) ausgestattet sind, „soweit andernfalls im jeweiligen Netzbereich einschließlich des vorgelagerten Netzes ein Netzengpass entstünde.“ Wie bei § 13 Abs. 1 EnWG kommt es auf das Vorliegen einer Gefährdung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems an – nur, dass bei § 14 EEG 2017 nicht jede Gefährdung ausreicht, sondern das Entstehen eines kurzfristigen Netzengpasses871 zu besorgen sein muss bzw., dass bereits ein solcher vorliegt. Ein Engpass entsteht, wenn die Übertragungskapazität einzelner Netzbestandteile nicht ausreichend dimensioniert ist, um die gesamte elektrische Leistung weiterleiten zu können, ohne dass dabei das (n-1)-Kriterium verletzt wird.872 Dieses wiederum verlangt, dass bei Ausfall eines Netzbetriebsmittels die Systemsicherheit nicht beeinträchtigt wird und das Netz weiterhin seine bestimmungsmäßige Aufgabe erfüllen kann, ohne dass eine Versorgungsunterbrechung entsteht.873 Bloße wartungs- oder instandhaltungsbedingte Engpässe fallen jedoch wohl nicht unter §§ 14 f. EEG 2017.874 Auch wenn der Wortlaut von § 14 Abs. 1 EEG 2017 scheinbar strengere Voraussetzungen an das Vorliegen eines Netzengpasses zu stellen scheint („andernfalls … entstünde“), gelten die gleichen Anforderungen an das Vorliegen einer Gefährdung wie bei § 13 EnWG.875 Eine Gefährdung erfordert insbesondere eine 868
Siehe Näheres in Teil 2 A.IV.3.b)cc). Siehe Näheres in Teil 2 A.IV.3. 870 Nicht erfasst sind Kondensationskraftwerke, die die entstehende Abwärme keiner Nutzung zuführen, Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 234). 871 Dazu Teil 2 A.III.1. 872 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 38; vgl. hier auch: König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 32. 873 Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 525); Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 166; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 39; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 120; Marenbach/Nelles/ Tuttas, Elektrische Energietechnik, 2. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 345; vgl. auch VDN, Transmission Code 2007, Anhang C. 874 Dazu Teil 2 A.IV.3.b)aa). 875 Siehe Näheres in Teil 2 A.IV.3.aa). 869
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hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, wobei es nicht auf die subjektive Sicht des ÜNB ankommt, sondern auf die Prognoseentscheidung eines „sorgfältigen Netzbetreibers“876 abzustellen ist.877 Das Einspeisemanagement ist – zumindest in der Form, in der es sich nach neuerer Rechtslage darstellt – kein eigenständiges Instrument des Netzbetreibers, sondern eine Spezialnorm zur Systemverantwortung, die nur greift, soweit es um die Abregelung von EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen in Engpassfällen geht.878 Es ist dagegen nicht einschlägig, wenn es um andere Gefährdungen als Netzengpässe, um die Abregelung nicht privilegierter Erzeugungsanlagen bzw. von Verbrauchsanlagen generell sowie um das Hochfahren von Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen geht; zudem kommt subsidiär § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EnWG zum Einsatz, wenn nicht alle Voraussetzungen von § 14 EEG 2017 vorliegen.879 Dabei kommt es jedoch nicht darauf an, ob der Netzbetreiber, der nach § 14 EEG 2017 handelt, seinen Netzausbaupflichten nachgekommen ist oder nicht bzw., ob solche überhaupt (noch) bestehen oder nicht. Das Recht zur Anlagenregelung im Rahmen 876 Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 317). 877 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181); König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. 878 Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 19); Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 4; Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 196); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 143 f.; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 63 ff. 879 Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 235, 240); BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 10; Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 19); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 188; Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/ Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 19; Walter/ Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 196); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 137, 175; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 4, 63; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 214; vgl. schon Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 527).
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des Einspeisemanagements besteht ausdrücklich „unbeschadet“ – also neben – der Pflicht der Netzbetreiber zur Erweiterung der Netzkapazität nach § 12 EEG 2017.880 Trotz der nachrangigen Anwendbarkeit des Einspeisemanagements im Rahmen der Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG und des auf die Abregelung privilegierter Erzeugungsanlagen begrenzten Anwendungsbereichs881, ist die Bedeutung des EinsMan in der Praxis nicht zu unterschätzen. Dies liegt daran, dass an bestimmten Standorten bzw. bestimmten Anschlussebenen quasi keine konventionellen Anlagen angeschlossen sind, so dass eine Abregelung von privilegierten Anlagen erforderlich werden kann.882 In Norddeutschland sind die Verteilnetze in der Mittelspannung zum Teil v. a. durch die Einspeisung aus Windkraftanlagen geprägt, in Süddeutschland können durch die weite Verbreitung von Photovoltaik auf den Dächern von Wohnhäusern bei sonnigem Wetter die Einspeisungen auf Niederspannungsebene zu Problemen führen. Anlagenabregelungen nach § 14 EEG 2017 sind insoweit also von hoher Relevanz.883 b) Regelungsvoraussetzungen Nach der Beschreibung von Hintergrund und Grundlagen des Einspeisemanagements sollen im Folgenden die einzelnen Regelungsvoraussetzungen von § 14 EEG 2017 untersucht werden. Hierbei wird auch die Verknüpfung mit § 9 EEG 2017 dargestellt. Die Regelungen werden einer kritischen Würdigung unterzogen. aa) Handelnde und Adressaten nach § 14 EEG 2017 sowie ergänzende Vorgaben aus § 9 EEG 2017 Berechtigt zum Einspeisemanagement sind die Netzbetreiber, also alle Betreiber von Netzen für die allgemeine Versorgung, unabhängig von der Spannungsebene (§ 3 Nr. 36 EEG 2017); damit sind sowohl ÜNB als auch VNB unmittelbar erfasst. Während die Systemverantwortung getrennt nach ÜNB (§ 13 EnWG) und VNB (§ 14 EnWG) ausgestaltet ist, wird im Rahmen des EinsMan nicht zwischen den Netzbetreibertypen unterschieden. Die Kompetenz zur Maßnahmenergreifung wird ÜNB und VNB gleichermaßen zugeordnet. Adressaten von Regelungsmaßnahmen
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Siehe Näheres in Teil 2 A.IV.3.b)bb). Und auch das nur, wenn mit Ausnahme von must-run-units bereits alle konventionellen Anlagen nach § 13 Abs. 2 EnWG abgeregelt wurden und keine sonstigen gleich wirksamen anderen Maßnahmen verfügbar gemacht werden können. 882 So König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 479 f. 883 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 479 f. 881
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sind „unmittelbar oder mittelbar angeschlossene“ EE-, Grubengas-884 und hocheffiziente KWK-Anlagen – und zwar unabhängig davon, ob sie eine gesonderte staatliche Vergütung oder Prämie bzw. einen Zuschlag nach EEG bzw. KWKG in Anspruch nehmen (können).885 Ein Netzbetreiber kann auch direkten Zugriff auf Anlagen nehmen, die nicht an sein eigenes Netz, sondern an das eines nachgelagerten Netzbetreibers angeschlossen sind (mittelbarer Anschluss). Dies stellt eine Abweichung vom ansonsten im Rahmen von § 13 EnWG praktizierten Kaskadierungsprinzip dar, wonach kein direkter Zugriff auf mittelbar angeschlossene Anlangen erfolgt, sondern dem jeweils nachgelagerten Netzbetreiber Anweisungen erteilt werden.886 Ein Zugriff des Netzbetreibers auf mittelbar angeschlossene Anlagen dürfte in erster Linie die Fälle betreffen, in denen ein vorgelagerter Netzbetreiber ohnehin die Systemverantwortung für einen nachgelagerten Netzbetreiber unmittelbar selbst wahrnimmt (§§ 12 Abs. 1 S. 2 – 4, 14 Abs. 1 S. 1 EnWG).887 Der Zugriff nach § 14 EEG 2017 erfordert ferner, dass die zu regelnden Anlagen mit einer Einrichtung zur ferngesteuerten Reduzierung der Einspeiseleistung bei Netzüberlastung ausgestattet sind. Näheres hierzu enthält § 9 EEG 2017888 : Danach sind die Betreiber von EE-, Grubengas- und KWK-Anlagen889 mit einer installierten Leistung von mehr als 884 Erfasst sind nach § 3 Nr. 1 a.E. EEG 2017 auch Zwischenspeicher, die ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien oder Grubengas speichern und nach der Rückumwandlung wieder einspeisen. 885 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 21 f.; so bereits zum EEG 2009: Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 523); Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 234); König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 25. 886 VDN, Transmission Code 2007, S. 9; der Gesetzgeber hat diesen Begriff mittlerweile in die Gesetzesbegründung aufgenommen, vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 73; BDEW/VKU, PraxisLeitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 11 ff.; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 519 ff.; vgl. auch BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 6, bezogen auf § 13 Abs. 1a EnWG. 887 BT-Drs. 17/6071, S. 64; BR-Drs. 341/11, S. 124; Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/ Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 24 f.; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 5. 888 Nicht zu verwechseln mit den Regelungen zur Fernsteuerbarkeit im Rahmen der Marktprämie nach § 20 EEG 2017. 889 Da das Vorrangprinzip im KWKG nur hocheffiziente KWK-Anlagen adressiert und in der Folge auch das Einspeisemanagement sinnvollerweise nur für solche Anlagen gilt, könnte man konsequenterweise auch die Pflicht zur technischen Ausstattung nach § 9 EEG 2017 nur auf hocheffiziente KWK-Anlagen beziehen (teleologische Reduktion). In dieser Arbeit wird
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
100 Kilowatt verpflichtet, ihre Anlagen mit technischen Einrichtungen890 zu versehen, mit denen der Netzbetreiber zum einen die Einspeiseleistung bei Netzüberlastung ferngesteuert reduzieren und zum anderen die Ist-Einspeisung abrufen kann (§ 9 Abs. 1 S. 1 EEG 2017). Die Pflicht gilt auch dann als erfüllt, wenn mehrere Anlagen, die gleichartige erneuerbare Energien einsetzen und über denselben Verknüpfungspunkt mit dem Netz verbunden sind, mit einer gemeinsamen technischen Einrichtung ausgestattet sind, mit der die gesamte Einspeiseleistung reduziert sowie die gesamte Ist-Einspeisung abgerufen werden kann (§ 9 Abs. 1 S. 2 EEG 2017). Für Photovoltaik-Anlagen bestehen in den Absätzen 2 und 3 Sonderregeln. Unterschieden wird hierbei zwischen Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 30 und höchstens 100 Kilowatt und solchen mit einer Leistung von höchstens 30 Kilowatt (§ 9 Abs. 2 EEG 2017). Die weite Verbreitung von kleinen PV-Anlagen mit einer mittlerweile schon beachtlichen Gesamtleistung, kann es künftig erforderlich machen, auch insoweit Abregelungen vorzunehmen; aus diesem Grund hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von § 9 EEG 2017 (und § 14 EEG 2017) erweitert.891 PV-Anlagen mit Leistungen zwischen 30 und 100 Kilowatt werden dergestalt in die Verpflichtung nach § 9 Abs. 1 EEG 2017 einbezogen, dass auch diese Einrichtungen zur ferngesteuerten Reduzierung der Einspeiseleistung vorhalten müssen.892 Betreiber von Anlagen mit maximal 30 Kilowatt Leistung haben dagegen ein Wahlrecht: Sie können entweder eine entsprechende Einrichtung zur Einspeisereduzierung installieren – also ebenso wie die größeren PV-Anlagen – oder aber „am Verknüpfungspunkt ihrer Anlage mit dem Netz die maximale Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent der installierten Leistung begrenzen.“ Hierdurch wird sichergestellt, dass der Netzausbau nicht auf die nur zu wenigen Zeiten im Kalenderjahr erreichbare maximale Einspeisespitze der Anlage ausgerichtet sein muss.893 Eine Beteiligung am EinsMan kommt dann nicht in Betracht.894 Nach § 9 Abs. 3 EEG 2017 gelten zudem mehrere PV-Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen als eine Anlage im Sinne von § 9 EEG 2017.895
jedoch die enge Verknüpfung von § 14 EEG 2017 und § 9 EEG 2017 ohnehin kritisch betrachtet, so dass der Ansatz nicht weiter verfolgt wird. 890 Intelligente Messsysteme sind nicht erforderlich, § 9 Abs. 7 EEG 2017. 891 BT-Drs. 17/6071, S. 63; Güneysu, Smart Grids und die Anforderungen des Einspeisemanagements, RdE 2012, S. 47 ff. (S. 48 f.). 892 Die Übermittlung der Ist-Einspeisung wird dagegen nicht verlangt. 893 So BT-Drs. 17/6071, S. 63. 894 Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 11 Rn. 10. 895 § 9 Abs. 3 EEG 2017: „Mehrere Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie gelten unabhängig von den Eigentumsverhältnissen und ausschließlich zum Zweck der Ermittlung der installierten Leistung im Sinne der Absätze 1 und 2 als eine Anlage, wenn 1. sie sich auf demselben Grundstück oder Gebäude befinden und 2. sie innerhalb von zwölf aufeinanderfolgenden Kalendermonaten in Betrieb genommen worden sind. Entsteht eine Pflicht nach Absatz 1 oder 2 für einen Anlagenbetreiber erst durch den Zubau von Anlagen
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Verletzt ein Anlagenbetreiber seine Verpflichtung nach § 9 EEG 2017896 und stattet seine Anlagen nicht mit den erforderlichen Einrichtungen aus, besteht nach § 14 EEG 2017 keine Zugriffsmöglichkeit des Netzbetreibers im Rahmen des Einspeisemanagements.897 Andererseits kann nach Ansicht des Gesetzgebers auf solche Anlagen zugegriffen werden, für die zwar keine Verpflichtung nach § 9 EEG 2017 besteht, die aber dennoch entsprechende Fernsteuerungseinrichtungen vorhalten.898 Diese Ansicht ist zwar faktisch sinnvoll und nachvollziehbar, widerspricht aber an sich dem Wortlaut von § 14 Abs. 1 S. 1 EEG 2017, der Bezug auf die einzelnen Verpflichtungsregelungen in § 9 EEG 2017 nimmt, die explizit aufgezählt werden.899 Eine analoge900 Anwendung des Einspeisemanagements auf Anlagen, die, ohne hierzu verpflichtet zu sein, mit technischen Regelungseinrichtungen ausgestattet sind, erscheint jedoch gut vertretbar.901 Es besteht eine planwidrige Regelungslücke, da nach dem Wortlaut des § 14 EEG 2017 nicht auf solche Anlagen zugegriffen werden kann, der Gesetzgeber dies aber gleichwohl dort geregelt sehen möchte.902 Zudem ist die Interessenlage bei allen faktisch steuerbaren Anlagen vergleichbar, eine Differenzierung erschiene künstlich und würde dem Zweck des Einspeisemanagements, der auch in der Gewährleistung der Netzsicherheit liegt, zuwiderlaufen. Generell ist jedoch nicht ersichtlich, wieso der Gesetzgeber überhaupt eine Verbindung zwischen der Möglichkeit der Fernsteuerung und dem Einspeisemanagement vornimmt und so mittelbar auch die noch aus dem EEG 2009903 bekannte
eines anderen Anlagenbetreibers, kann er von diesem den Ersatz der daraus entstehenden Kosten verlangen.“ 896 Zu den Rechtsfolgen für die Anlagenbetreiber vgl. § 52 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 EEG 2017. Betroffen sind die Förderungszahlungen bzw. das Recht auf vorrangigen Netzzugang. 897 So auch Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 25. 898 BT-Drs. 17/6071, S. 64; zustimmend: Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeiseund Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 19); Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/ Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 25. 899 Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl., München 2012, S. 39: „Die Grenze des möglichen Wortsinnes ist auch die Grenze der Auslegung. Will die Jurisprudenz sie überschreiten, so kann das nicht durch Interpretation, sondern nur durch gesetzesändernde oder gesetzesberichtigende Rechtsfortbildung, insbesondere durch ,Lückenausfüllung‘ geschehen.“ 900 Vgl. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Einl. Rn. 8. 901 Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 11; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 204. 902 Vgl. zur Bedeutung der Regelungsabsicht des Gesetzgebers: Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 5. Aufl., München 2011, S. 83. 903 § 11 Abs. 1 S. 1 EEG 2009: „Netzbetreiber sind […] berechtigt, an ihr Netz angeschlossene Anlagen mit einer Leistung über 100 Kilowatt zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien, Kraft-Wärme-Kopplung oder Grubengas zu regeln.“
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Bagatellgrenze904 bei einer Leistung von maximal 100 Kilowatt – nun aber mit Ausnahme von PV-Anlagen – aufrechterhält.905 Zwar ist in § 14 EEG 2017 selbst keine Bagatellgrenze enthalten, über die Verknüpfung mit § 9 EEG 2017, wonach im Grundsatz nur bei einer Leistung von mehr als 100 Kilowatt technische Einrichtungen vorzuhalten sind, wirkt die Einbau-Bagatellgrenze aber auch als Grenze des Einspeisemanagements. Zudem bringt die Verwendung des Begriffs „regeln“ in § 14 EEG 2017 anstatt „anzupassen oder diese Anpassung zu verlangen“ in § 13 Abs. 2 EnWG zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber für die Anwendung des EinsMan einen unmittelbaren, funkgesteuerten Zugriff verlangt.906 Ist die Stromeispeisung aus Erzeugungsanlagen fernsteuerbar, so erleichtert das die Vornahme von Einspeisemanagement-Maßnahmen. Eine separate Verpflichtung zur Installation solcher Einrichtungen in Verbindung mit Sanktionen bei Verstößen, wie sie § 9 i.V.m. § 52 EEG 2017 vorsieht, ist also zu begrüßen. Allerdings sind Einrichtungen zur Einspeisereduzierung keineswegs erforderlich, um eine Anlagenabregelung – zumindest eine vollständige Trennung vom Netz – zu veranlassen.907 Im Zweifel genügt ein Anruf des Netzbetreibers beim Anlagenbetreiber, um eine Abregelung anzuweisen.908 Entsprechend ist auch die allgemeine Notkompetenz nach § 13 Abs. 2 EnWG nicht an die Vorhaltung bestimmter technischer Einrichtungen durch den Anlagenbetreiber oder Stromverbraucher geknüpft. Eine Abregelung kann also nach dem EnWG unabhängig vom Vorhandensein bestimmter technischer Einrichtungen beim Anlagenbetreiber veranlasst werden. Im EEG gilt das nach dem eindeutigen Wortlaut von § 14 EEG 2017 nicht; auch die Erwägungsgründe zum Gesetzesentwurf des EEG 2012 enthalten insoweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte.909 Dies hat zur Folge, dass nicht alle privilegierten Anlagen auch nach § 14 EEG 2017 geregelt werden können, sondern bei kleinen Anlagen teilweise ein Rückgriff auf § 13 Abs. 2 EnWG erfolgen muss. 904 Vgl. etwa Güneysu, Smart Grids und die Anforderungen des Einspeisemanagements, RdE 2012, S. 47 ff. (S. 48 f.). 905 Pro Bagatellgrenze aufgrund des geringen Einflusses auf die Netzstabilität: König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 29. 906 So wohl auch König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 39; vgl. zur funkgesteuerten Vorgehensweise: Schweer, Vom Versorgungsnetz zum Ver- und Entsorgungsnetz – Anforderungen an den Netzbetrieb der Zukunft, et 2011, Heft 12, S. 63 ff. (S. 66). 907 Vgl. Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 235); explizit a.A.: Dreher/Reshöft, Erzeugungsmanagement nach dem EEG – Zulässigkeit und Grenzen, ZNER 2006, S. 311 ff. (S. 314); Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 169 (Fn. 576). 908 Vgl. Schmelzer/Beck, EEG-Einspeisemanagement – Ausgewählte Rechtsfragen zu technischen und betrieblichen Vorgaben an Anlagenbetreiber, ZNER 2011, S. 244 ff. (S. 247). 909 BT-Drs. 17/6071, S. 64.
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bb) Vorgaben aus § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 EEG 2017 Die konkreten Regelungsvoraussetzungen des EinsMan ergeben sich über die Vorgaben in Bezug auf § 9 EEG 2017 hinaus insbesondere aus § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 EEG 2017. Eine Abregelung von privilegierten Anlagen ist insoweit zulässig, als andernfalls im jeweiligen Netzbereich – einschließlich des vorgelagerten Netzes (also im Falle der Hochspeisung von Strom in ein vorgelagertes Netz910) – ein Netzengpass entstünde (vgl.o.) und der Vorrang für Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK911 gewahrt wird, „soweit nicht sonstige Stromerzeuger am Netz bleiben müssen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten.“ Eine Abregelung der vom Einspeisevorrang privilegierten Anlagen kommt also im Falle eines drohenden Netzengpasses nur nachrangig zu nicht-privilegierten Anlagen in Betracht. Der Netzbetreiber muss zunächst die konventionellen Anlagen abregeln – solange, bis nur noch EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen einspeisen.912 Allerdings gilt dies insoweit nicht, als nur noch sog. must-run-units am Netz sind. Die Parallelregelung913 im Rahmen der Systemverantwortung enthält § 13 Abs. 3 S. 5 EnWG: Soweit die Mindesteinspeisung aus bestimmten Anlagen zur Erhaltung der Systemsicherheit erforderlich ist, dürfen diese am Netz bleiben und privilegierte Anlagen stattdessen abgeregelt werden. Mit Einfügung im Rahmen des Strommarktgesetzes914 ist jedoch zusätzlich zu prüfen, ob sonstige technisch gleich wirksame Maßnahmen verfügbar gemacht werden können. Trotz des nicht identischen Wortlauts in § 13 Abs. 3 S. 5 EnWG und § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017 dürften die beiden Normen als deckungsgleich bezeichnet werden.915 Die Vorgabe zu den gleich wirksamen anderen Maßnahmen, auf die vorrangig noch zurückgegriffen werden muss (etwa Zuschaltung von Lasten), wurde 910 BT-Drs. 17/6071, S. 64: „Bei Starkwind oder in Zeiten hoher Solareinspeisung kann es dazu kommen, dass die Verteilnetze, an denen diese Anlagen angeschlossen sind, in das vorgelagerte Netz hochspeisen. Wenn dort ein Netzengpass entsteht, der nicht durch die Abregelung konventioneller Kraftwerke beseitigt werden kann, kann es erforderlich werden, dass der Netzbetreiber die Betreiber der nachgelagerten Netze auffordert, die Hochspeisung zu reduzieren. Auch in diesem Fall findet das Einspeisemanagement zukünftig Anwendung.“ 911 Vgl. Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 525). 912 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 9; Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 38. 913 Vgl.: Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 19; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 35. 914 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 915 Vgl. BT-Drs. 17/6071, S. 64; vgl. auch Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 242).
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zwar nicht auch in § 14 EEG 2017 ergänzt. Sie ist allerdings im Rahmen der Auslegung mit in die Regelung zum EinsMan hineinzulesen. Bei sonstigen Gefährdungen oder Störungen, die unter Einhaltung des Einspeisevorrangs nicht beseitigt werden könnten, die aber nicht die Einspeisung bestimmter Stromerzeuger als mustrun-units betreffen, kann nach § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG auch ausnahmsweise nicht auf § 14 EEG 2017 zurückgegriffen werden und eine Regelung nach § 13 Abs. 2 EnWG durchgeführt werden, denn dort heißt es, dass in solchen Fällen eine Abweichung von den „in diesem Absatz genannten Verpflichtungen“ (also denen des § 13 Abs. 3 EnWG) zulässig ist. Zu diesen Verpflichtungen zählt nach § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG aber eben auch der Rückgriff auf § 14 EEG 2017 in Engpasssituationen.916 Die Regelungssystematik ist an dieser Stelle unnötig kompliziert: Sowohl bei der Systemverantwortung als auch im Rahmen des EinsMan bilden must-run-units eine Grenze des Vorrangprinzips – die entsprechenden Vorschriften sind jedoch unterschiedlich formuliert. Darüber hinaus wurde der Passus zu den gleich wirksamen anderen Maßnahmen nur in die Regelung im EnWG eingefügt. In § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG ist darüber hinaus festgeschrieben, dass immer dann, wenn die Einhaltung des Vorrangprinzips die Gefahrenbeseitigung gerade verhindern würde, hiervon abgewichen werden kann, also auch wenn es nicht um must-run-units bzw. ein netztechnisch erforderliches Minimum geht. Das muss sinnvollerweise auch bei § 14 EEG 2017 gelten, ist dort tatsächlich aber nicht zu finden. Aus § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG ergibt sich allerdings, dass in solchen Fällen auch gänzlich auf die Anwendung der Vorschriften des EinsMan verzichtet und eine Regelung nach § 13 Abs. 2 EnWG durchgeführt werden kann. Stellt der Netzbetreiber also fest, dass eine konventionelle Anlage aus Netzgründen nicht geregelt werden kann, obwohl diese keine must-run-Anlage darstellt und regelt er stattdessen eine privilegierte Anlage ab, so kann er insoweit nicht auf § 14 EEG 2017 zurückgreifen, da die Tatbestandsvoraussetzungen des EinsMan in § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017 nur eine Abregelung privilegierter Anlagen erlauben, wenn ansonsten nur noch must-rununits am Netz sind; andere Fälle werden dort nicht genannt. Dies hätte sich auch wesentlich einfacher regeln lassen. Auf das mit der Einordnung von Anlagen als must-run-units bzw. mit der Bestimmung sonstiger Ausnahmesituationen verbundene Missbrauchspotenzial wurde bereits hingewiesen.917 Eine spezielle Anzeige- und Nachweispflicht über die besonderen Gründe einer Abweichung vom Einspeisevorrang, gerichtet an die Regulierungsbehörde, wie sie § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG für Maßnahmen der Systemverantwortung vorsieht, enthält die Regelung zum Einspeisemanagement allerdings nicht.918 Dem Wortlaut nach ist auch kein Rückgriff auf die Vorschrift des EnWG 916
Vgl. Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 241). 917 Teil 2 B.IV.3. 918 Siehe hierzu auch Teil 2 D.II.2.c).
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möglich, da § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG ausdrücklich nur auf Ausnahmen vom Einspeisevorrang „nach den Sätzen 4 und 5“ verweist, also nicht auf Ausnahmen im Rahmen des EinsMan, auf dessen Regelungen bereits in Satz 3 des § 13 Abs. 3 EnWG verwiesen wird. Hier ist ein erst-recht-Schluss (argumentum a minore ad maius)919 durchzuführen: Wenn schon nach § 13 EnWG Ausnahmen vom Vorrangprinzip gegenüber der Regulierungsbehörde anzuzeigen und nachzuweisen sind, dann muss das erst Recht im Rahmen des Einspeisemanagements gelten, das in besonderer Weise dem Vorrangprinzip dient. Weiteres Missbrauchspotenzial ergibt sich über den Begriff des Netzengpasses.920 Nur soweit der Netzbetreiber von einer Gefährdung der Netzsicherheit aufgrund eines solchen ausgeht, eröffnet sich der Anwendungsbereich des Einspeisemanagements. Kommt er dagegen zum Ergebnis, dass zwar eine Gefährdung droht, es sich bei dieser jedoch nicht um einen Netzengpass handelt, dann bleibt es bei dem Instrumentarium des § 13 EnWG. Zwar gelten – wie dargelegt – auch im Rahmen der Systemverantwortung die vorrangigen Einspeiserechte der privilegierten Stromerzeuger (vgl. § 13 Abs. 3 S. 1, 4 – 6 EnWG). Die Härtefallentschädigungsnorm des § 15 EEG 2017 jedoch erfordert das Vorliegen eines Netzengpasses. Nur in diesem Fall wird die automatische Entschädigung ausgelöst. Handelt der Netzbetreiber dagegen nach § 13 Abs. 2 EnWG, erfolgt eine solche aufgrund von § 13 Abs. 5 EnWG gerade nicht. Wenn es darum geht, ob die sich abzeichnende Gefährdung gerade einen Netzengpass darstellt oder etwas Anderes, dürfte auch kein Beurteilungsspielraum des Netzbetreibers bestehen921, da es sich hier um eine rein faktische Fragestellung handelt, die nicht mit einer Einschätzung des Netzbetreibers verbunden ist („welche Gefahr droht?“). Dies ist nicht zu verwechseln mit der ex antePrognose hinsichtlich des Eintretens einer Gefährdung bzw. – speziell – eines Netzengpasses („droht eine Gefahr?“). cc) Vorgaben aus § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EEG 2017 Nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EEG 2017 sind vor der Abregelung schließlich die verfügbaren Daten über die Ist-Einspeisung abzurufen. Hierbei handelt es sich nicht, wie teilweise vertreten, um eine „unechte“ Voraussetzung des Einspeisemanagements.922 Der Wortlaut der Norm liefert hierfür keine Anhaltspunkte, die Netzbe919
Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl., München 2012, S. 55 f. Vgl. auch: Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 21). 921 Näheres in Teil 4 B. 922 So nämlich: Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 242); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 77 ff.; Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/ Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 41 (Fn. 69); a.A.: Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements 920
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treiber sind zum Abruf der Daten – soweit verfügbar – verpflichtet. Die Vorschrift stellt vielmehr ein Formerfordernis dar, das im Sinne eines rechtmäßigen Einspeisemanagements einzuhalten ist.923 Auch die systematische Stellung als Nummer 3 hinter den beiden Voraussetzungen „Vorliegen eines Netzengpasses“ (Nr. 1) und „grundsätzliche Wahrung des Vorrangprinzips“ (Nr. 2) zeigt, dass der Datenabruf eine Zulässigkeitsvoraussetzung darstellt. Dies ist auch deshalb erforderlich, da es zur Sicherstellung der Abnahme der insgesamt größtmöglichen Strommenge aus privilegierten Energiequellen (§ 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017) entscheidend auf den Abruf der aktuellen Einspeisedaten ankommt.924 Zudem sind die erhobenen Daten zur Erfüllung der Nachweispflicht hinsichtlich der Erforderlichkeit der Abregelung den betroffenen Anlagenbetreibern auf deren Verlangen hin vorzulegen (§ 14 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 EEG 2017). Eine Überschneidung mit den Daten, die für die Engpassprognose (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EEG 2017) nötig sind, muss sich nicht zwangsläufig ergeben, da es sich dabei gerade um eine Prognose der zukünftigen Entwicklung handelt, ggf. auch gestützt auf Modellrechnungen925, die Abrufung der Ist-Einspeisung (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EEG 2017) aber die jetzt-Situation kurz vor der Abregelung betrifft. Hier geht es also um die tatsächliche Einspeisesituation, wie sie sich seit Erstellung der Engpassvorhersage entwickelt hat. Möglicherweise stellt sich zu diesem Zeitpunkt auch heraus, dass – trotz korrekter Prognose ex ante – gar kein Engpass entstanden ist und somit auf das Einspeisemanagement zu verzichten ist. Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von weniger als 100 Kilowatt sind nicht verpflichtet, Einrichtungen vorzuhalten, die eine Abrufung der IstEinspeisung erlauben; deshalb beschränkt sich § 14 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2017 auch auf den Abruf der „verfügbaren“ Daten.926 Erforderlich nach § 9 Abs. 2 EEG 2017 ist nur die Möglichkeit, diese Anlagen ferngesteuert in ihrer Einspeiseleistung reduzieren zu können. In der Folge dürfen PV-Anlagen im Sinne von § 9 Abs. 2 EEG 2017 auch erst nachrangig gegenüber den sonstigen privilegierten Anlagen abgeregelt werden (§ 14 Abs. 1 S. 2 EEG 2017).927 Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Regelung zur Abregelungsreihenfolge innerhalb des Einspeisemanagements. Gleichzeitig des EEG, Baden-Baden 2014, S. 50; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 21; Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 14 Rn. 3. 923 Vgl. Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 236); vgl. auch König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 37. 924 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 41. 925 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 181 f. 926 Dies war nach alter Rechtslage strittig, vgl. hierzu nur Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 42. 927 BT-Drs. 17/6071, S. 64.
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müssen die Netzbetreiber sicherstellen, dass insgesamt die größtmögliche Strommenge aus EE und hocheffizienter KWK (nicht aber aus Grubengas) abgenommen wird (§ 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017). Diese Vorgabe war im EEG 2009 noch Tatbestandsmerkmal des EinsMan928, was mit dem EEG 2012 aber aufgegeben wurde, denn richtigerweise wird hiermit nicht das „ob“ einer Regelung normiert, sondern das „wie“; es geht also um die Frage, welche konkrete Erzeugungsanlage in einem bestimmten Engpassfall gedrosselt werden darf.929 c) Unterrichtungspflichten, Rechtsfolgen und Härtefallentschädigung Das Einspeisemanagement wird flankiert von zwei speziellen Unterrichtungspflichten.930 Zum einen erfordert § 14 Abs. 2 EEG 2017, dass die Netzbetreiber die Betreiber von Anlagen im Sinne von § 9 Abs. 1 EEG 2017 (nicht aber Betreiber von PV-Anlagen mit einer Leistung von maximal 100 Kilowatt) „am Vortag, ansonsten unverzüglich“ über den zu erwartenden Zeitpunkt, den Umfang und die Dauer einer Regelung unterrichten, sofern diese zuvor absehbar ist. Dies stellt eine Spezialregelung zu § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG dar, der hierdurch verdrängt wird.931 Zudem müssen nach § 14 Abs. 3 EEG 2017 sämtliche von EinsMan-Maßnahmen Betroffenen unverzüglich über die tatsächlichen Zeitpunkte, den jeweiligen Umfang, die Dauer und – wichtig – die Gründe der Regelung unterrichtet werden932; auf Verlangen sind zudem innerhalb von vier Wochen Nachweise über die Erforderlichkeit der Maßnahme vorzulegen. Hierbei handelt es sich um eine lex specialis zu § 13 Abs. 7 EnWG.933 Während aber die genannte EnWG-Vorschrift ebenso wie § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG auch die Regulierungsbehörde miteinschließt, gilt dies im Rahmen des EEG dem Wortlaut nach nicht. § 14 Abs. 3 S. 4 EEG 2017 verweist auch nur auf „§ 13j Abs. 2 Nr. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes“, der eine Festlegungskompetenz der BNetzA bezüglich § 13 Abs. 7 EnWG enthält und unberührt bleiben soll.934 Im Umkehrschluss könnte das bedeuten, dass § 13 Abs. 7 S. 1 und 2 EnWG gerade nicht an928 Vgl. BT-Drs. 16/8148, S. 46; a.A. bereits damals Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 236). 929 Hierauf wird in Teil 2 C.II.3.b)dd) näher einzugehen sein. 930 Dazu siehe auch Teil 2 D.II.2. 931 BT-Drs. 17/6071, S. 65. 932 Anlagen nach § 9 Abs. 2 EEG 2017 können jedoch abweichend hiervon ggf. auch nur einmal jährlich informiert werden (§ 14 Abs. 3 S. 3 EEG 2017). 933 BT-Drs. 17/6071, S. 65. 934 Dies verkennt offensichtlich Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 62. In § 13 Abs. 5 S. 3 EnWG a.F. (nun § 13j Abs. 2 Nr. 1 EnWG) geht es um die Ermächtigung der Regulierungsbehörde, durch Festlegung nähere Vorgaben hinsichtlich der Mitteilungspflichten an sie selbst aufzustellen. Hier wird die Mitteilung an die Regulierungsbehörde also bereits vorausgesetzt.
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wendbar sind. Es wurde bereits dargestellt, dass die Regelung nach § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG, wonach die Regulierungsbehörde über Abweichungen vom Vorrangprinzip gesondert zu informieren ist, im Wege des erst-recht-Schlusses auch bei § 14 EEG 2017 gelten muss. Derselbe Gedanke ist auch hinsichtlich der Unterrichtungspflicht des § 14 Abs. 3 EEG 2017 anzuwenden, so dass neben den „nach Absatz 1 Betroffenen“ auch die Regulierungsbehörde zu unterrichten ist.935 Der explizite Verweis nur auf § 13j Abs. 2 Nr. 1 EnWG in § 14 Abs. 3 S. 4 EEG 2017 stellt nur einen klarstellenden Hinweis936 dar, dass auch § 13j Abs. 2 Nr. 1 EnWG im Rahmen des EinsMan gelten soll. Dieser Satz enthält eine Ermächtigung der BNetzA, im Wege einer Festlegung zu bestimmen, „in welchem Umfang, in welcher Form und innerhalb welcher Frist die Netzbetreiber Maßnahmen nach § 13 Absatz 1 und 2 [EnWG], deren Gründe und die zugrunde liegenden vertraglichen Regelungen der Bundesnetzagentur mitteilen und auf einer gemeinsamen Internetplattform veröffentlichen müssen.“ Da die Kompetenznorm also ohnehin gerade die Modalitäten der Mitteilung an die Regulierungsbehörde zum Gegenstand hat, würde der Verweis in § 14 EEG 2017 andernfalls weitgehend ins Leere gehen. Die hauptsächliche Rechtsfolge des Einspeisemanagements ist das Auslösen eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 EEG 2017.937 Allerdings kommt es seit dem EEG 2012 nicht mehr darauf an, dass sämtliche Voraussetzungen des EinsMan vorliegen; erforderlich ist einzig, dass die Einspeisung einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus EE, Grubengas oder hocheffizienter KWK „wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 14 Absatz 1“ reduziert wurde.938 Da § 14 EEG 2017 keinen eigenen, spezifischen Netzengpassbegriff enthält, ist unklar, weshalb der Gesetzgeber hier eine solche Bezugnahme auf § 14 EEG 2017 aufgenommen hat; man könnte daraus allerdings schließen, dass wartungs- und instandhaltungsbedingte Engpässe, also Engpässe, die keinen Bezug zum „energiewendebedingten“ Netzausbau aufweisen, aus dem Anwendungsbereich herausfallen.939 In jedem Fall ändert dies jedoch nichts daran, dass auch im Falle einer Regelung nach § 13 Abs. 2 EnWG – egal, ob rechtmäßig oder nicht – eine Entschädigung zu zahlen ist, soweit denn ein (nicht wartungs- oder instandhaltungsbedingter) Netzengpass die Maßnahme ausgelöst hat. Hier besteht insoweit ein gewisses Missbrauchspotenzial, falls der Netzbetreiber eine Maßnahme nicht dem Engpassmanagement zuordnet (vgl. o.), 935 So im Ergebnis auch BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 11. 936 Vgl. BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, September 2008, S. 42; unklar in diesem Zusammenhang Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 52. 937 Dazu noch näher in Teil 3.A.I.3. 938 BT-Drs. 17/6071, S. 65: „Die Kosten für diese dann nicht im Sinne von § 12 Absatz 2 EEG [nun § 15 Abs. 2 EEG 2017] erforderliche Maßnahme könnte der Netzbetreiber allerdings nicht nach § 12 Abs. 2 EEG [nun § 15 Abs. 2 EEG 2017] in Ansatz bringen.“ Eine Weiterwälzung über die Netzentgelte kommt dann also nicht in Betracht. 939 Dazu Teil 2 A.IV.3.aa).
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obwohl dies objektiv der Fall sein müsste. Eine Entschädigung nach § 15 EEG 2017 würde dann unrechtmäßig entfallen. Zudem würde nur eine Unterrichtung der Betroffenen nach der weniger weitgehenden Vorschrift des § 13 Abs. 7 EnWG erfolgen. Die Pflicht der Netzbetreiber zur Härtefallentschädigung greift ausweislich des Wortlauts von § 15 Abs. 1 EEG 2017 „abweichend von § 13 Abs. 5 des Energiewirtschaftsgesetzes.“ Da im Falle der Abregelung nach § 14 Abs. 1 EEG 2017 oder § 13 Abs. 2 EnWG aufgrund der vollständigen oder teilweisen Drosselung der Stromeinspeisung insoweit keine oder geringere Einnahmen generiert werden können (EEG-Förderung, KWK-Zuschlag usw.) und die Stromeinspeiser für das Auftreten von Netzengpässen zwar kausal, aber nicht verantwortlich sind, ist ein Ausgleich im Wege der Härtefallentschädigung auch erforderlich. Physikalisch wird ja kein Strom an den Netzbetreiber, den Direktvermarktungsunternehmer oder einen sonstigen Stromabnehmer geliefert, der vergütet werden könnte. Hier liegt auch ein entscheidender Unterschied zum Redispatch, bei dem im Falle der Abregelung einer bestimmten Erzeugungsanlage eine andere Anlage hinter dem Engpass hochgeregelt wird und so ein Ausgleich der Strommengen erfolgt, der dem abgeregelten Anlagenbetreiber zugerechnet wird.940 Er kann also, ohne selbst in der vereinbarten Höhe Strom zu liefern, seine geschlossenen Verträge erfüllen und erhält die vertraglich vereinbarte Vergütung des Stromkäufers. Auf die Fragen, ob ein EE-Anlagenbetreiber in der Direktvermarktung im Falle einer EinsMan-Maßnahme von seiner Leistungspflicht frei wird und wie hier ein Bilanzausgleich erfolgen kann, wird in Teil 3.A. näher eingegangen. d) Rechtssystematische Bedeutung der Regelung des § 14 EEG 2017 Betrachtet man die §§ 13, 14 EnWG und 14, 15 EEG 2017 im Zusammenhang, so drängt sich die Frage auf, ob die Regelung zum Einspeisemanagement eigentlich erforderlich ist, oder ob man sie auch abschaffen könnte, ohne dass sich an der derzeitigen Rechtslage etwas Entscheidendes ändern würde. Das Einspeisemanagement steht zwischen zwei Regelungen, die für das Energiesystem in seiner derzeitigen Ausgestaltung gleichermaßen bedeutsam sind: der Regelung zur Gewährleistung der Netzsicherheit nach § 13 EnWG und der vorrangigen Abnahme von Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK nach den §§ 11 EEG 2017 und 3 KWKG. Mit diesen rechtlichen Vorgaben werden zwei wesentliche Prinzipien des Energierechts mit Leben gefüllt: die Gewährleistung einer möglichst sicheren Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität sowie die Festlegung auf ein möglichst umweltverträgliches Energiesystem (vgl. § 1 Abs. 1 EnWG), das über die Förderung des Einsatzes von EE und KWK verwirklicht werden soll. Bringt man Systemverantwortung und Vorrangprinzip zusammen, hat man bereits die Quintessenz des Einspeisemanagements freigelegt: Die Versorgungssicherheit soll gewahrt werden, dabei aber auch die größtmögliche Menge Strom aus 940
Vgl. Teil 2 B.III.2.b)bb).
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
EE und hocheffizienter KWK in die Stromnetze eingespeist werden.941 Die Einspeisung von Strom aus privilegierten Stromquellen darf folglich erst dann abgeregelt werden, wenn keine konventionellen Einspeiser mehr am Netz sind – mit eng umgrenzten Ausnahmen, die gerade selbst im Zusammenhang mit der Netzstabilität stehen (etwa die weitere Einspeisung aus must-run-units, die Regelenergie anbieten). Die Vorrangregelungen sind auf Engpasssituationen ausgelegt, denn im engpassfreien Alltag kommt es auf eine „vorrangige“ Einspeisung nicht an.942 §§ 11 EEG 2017 und 3 KWKG sind also bereits selbst besondere Regeln des Engpassmanagements.943 Tritt tatsächlich ein Engpass ein bzw. droht ein solcher, so dass im Sinne von § 13 Abs. 4 EnWG eine Gefährdung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems vorliegt, muss im äußersten Falle zeitweise auf die vorrangige Einspeisung verzichtet werden, um das Stromnetz zu schützen.944 Dies versteht sich von selbst, denn ein funktionierendes Stromnetz ist die Grundbedingung für alle weiteren energiewirtschaftlichen Überlegungen, also auch für die Verwirklichung des Vorrangprinzips.945 Bereits vor Einfügung des Einspeisemanagements konnte beispielsweise über die zivilrechtlichen Regeln zu Leistungsstörungen, insbesondere aufgrund einer Unmöglichkeit der Abnahme im Sinne von § 275 BGB, eine Abregelung privilegierter Anlagen aufgrund von Netzsicherheitserwägungen erfolgen.946 Es zeigt sich also, dass es auf eine spezifische Norm, die eine Anlagenabregelung aus Netzsicherheitsgründen erlaubt und dabei so weit wie möglich das Vorrangprinzip schützt, gar nicht ankommt. Die juristisch einzig korrekte Auflösung des Spannungsverhältnisses von Netzstabilität und Vorrangprinzip führt hierzu automatisch. Das Recht und die Pflicht der Netzbetreiber, die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten folgt aus den §§ 13 und 941 BT-Drs. 16/8148, S. 46; Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 25; vgl. auch Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 228). 942 Altrock/Herrmann, Ausbau der Windenergie und Laufzeitverlängerung – energiewirtschaftliche und rechtliche Herausforderungen für das zukünftige Marktdesign, ZNER 2010, S. 350 ff. (S. 353). 943 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 403. 944 Vgl. Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 42 ff., m.w.N. 945 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 45; Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 2 EnWG Rn. 13 (Stand: September 2013); Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 87 f., m.w.N. 946 Vgl. dazu etwa Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 96, m.w.N.
B. Maßnahmenkatalog zur Wahrnehmung der Systemverantwortung
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14 EnWG und ist an dieser Stelle auch sachlich-fachlich korrekt verortet. Seit dem EnWG 2011 enthält zudem Absatz 2a (nun: Absatz 3) der Vorschrift eine im Grundsatz deklaratorische Norm, die zum Ausdruck bringt, dass die vorrangige Einspeisung von EE, Grubengas und hocheffizienter KWK bei Maßnahmen im Sinne der Systemverantwortung einzuhalten ist. Damit ist ausdrücklich klargestellt, dass die Vorgaben aus EEG und KWKG auch im Rahmen des EnWG gelten. Die entscheidenden Aussagen folgen jedoch aus § 13 Abs. 3 S. 4 und 5 EnWG, aus denen sich ergibt, dass in bestimmten Ausnahmefällen die vorrangige Einspeisung ausgesetzt werden kann und muss, um die Netzstabilität zu wahren. Hier kommt auch der Gedanke des § 2 Abs. 2 EnWG zum Ausdruck, wonach die Verpflichtungen nach dem EEG und KWKG zwar durch das EnWG unberührt bleiben – jedoch nur vorbehaltlich der §§ 13 und 14 EnWG. Das Verhältnis von Systemverantwortung und Vorrangprinzip ist damit nun in § 13 EnWG abschließend geklärt. Das Einspeisemanagement bildet darüber hinaus für einen Teilbereich der Systemverantwortung eine spezielle Regelung, auf die es eigentlich gar nicht ankommt. Es betrifft Netzengpässe, die zumindest auch durch privilegierte Anlagen verursacht werden und erlaubt die Abregelung dieser Anlagen, wenn ansonsten nur noch must-run-units am Netz sind; zudem sind nach § 14 EEG 2017 im Grundsatz nur solche Anlagen regelbar, die technische Einrichtungen nach § 9 EEG 2017 vorhalten. „Der abweichende Regelungsgehalt liegt jedoch weder in den tatbestandlichen Voraussetzungen noch in der primären Rechtsfolge. § 14 Abs. 1 und § 13 Abs. 2 EnWG erlauben gleichermaßen, zur Bewältigung von Engpässen die Stromeinspeisung von Erzeugungsanlagen anzupassen“, wie König zurecht feststellt.947 Liegen die Voraussetzungen von § 14 EEG 2017 nicht vor, erfolgt die Abregelung der privilegierten Anlagen nach § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EnWG.948 Das betrifft etwa Fälle, in denen die Gefährdung nicht durch einen Netzengpass hervorgerufen wird, aber auch die Regelung von Anlagen, die keine technischen Einrichtungen vorhalten. Das Einspeisemanagement entfaltet also keine Sperrwirkung. Eine solche wäre auch mit der Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems nicht zu vereinbaren. Würde sich der Gesetzgeber dazu durchringen, § 14 EEG 2017 ersatzlos zu streichen, würde sich also nichts Wesentliches ändern. Auf der Positivseite stünde jedoch ein Gewinn an Übersichtlichkeit und Systematik.949 Auch die Abregelung von privilegierten Anlagen würde dann in allen Gefährdungssituationen nach § 13 Abs. 2 EnWG erfolgen, es sei denn, es liegt eine vertragliche Vereinbarung nach § 11 Abs. 3 EEG 2017 vor oder es werden Maßnahmen nach § 13 Abs. 6a EnWG ergriffen (vgl. § 3 Abs. 3 KWKG). Dabei gilt, dass zu947
König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 10. 948 Vgl. etwa Teil 2 B.IV.4.a). 949 An dieser Stelle ist auch zu bemerken, dass es an sich eigentümlich anmutet, dass das Einspeisemanagement gegenüber KWK-Anlagen im EEG mitgeregelt wird.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
nächst – soweit erfolgversprechend – netz- oder marktbezogene Maßnahmen heranzuziehen sind, sowie, dass der grundsätzliche Vorrang der Einspeisung aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK gewahrt bleibt (§ 13 Abs. 3 EnWG). Praktische Unterschiede im Vergleich zum derzeitigen System mit Einspeisemanagement bestehen nicht. Eine zumindest im Grundsatz eigenständige Bedeutung entfalten in § 14 EEG 2017 nur die weiteren Regeln zur Abschaltrangfolge sowie zu den Unterrichtungspflichten. Diese Regelungen könnten jedoch bei Bedarf in § 13 EnWG integriert werden. Die Vorgaben zur Abschaltreihenfolge bei der Abregelung privilegierter Anlagen nach § 14 Abs. 1 S. 2 und 3 EEG 2017 könnten in § 13 Abs. 3 EnWG, die speziellen Unterrichtungsregelungen in § 14 Abs. 2 und 3 EEG 2017 in § 13 Abs. 2 bzw. 7 EnWG eingefügt werden. Die in § 13 Abs. 2 bzw. 7 EnWG bereits enthaltenen allgemeinen Unterrichtungsvorgaben könnten jeweils um die bislang im EEG geregelten „qualifizierten“ Informationspflichten gegenüber privilegierten Anlagen ergänzt werden. Die weitergehende950 Informationspflicht im Falle der Abregelung von EE, Grubengas und hocheffizienter KWK sollte dabei generell dann gelten, wenn solche Anlagen in ihrer Einspeisung gedrosselt werden müssen. Bislang ist das nicht der Fall, da es insoweit darauf ankommt, dass eine Abregelung im Sinne des EinsMan erfolgt. Geht der Netzbetreiber nicht von einem Netzengpass, sondern einer anderen Gefährdung aus, ist er auch nicht verpflichtet, nach § 14 Abs. 3 EEG 2017 Nachweise über die Erforderlichkeit der Regelung vorzulegen (vgl.o.). Einzig die Vorschrift zur Härtefallentschädigung sollte in § 15 EEG 2017 erhalten bleiben. Die Bedeutung der Vorschrift folgt insbesondere daraus, dass die Auszahlung der gesetzlichen Vergütungen, Prämien oder Zuschläge nach EEG bzw. KWKG an die physikalische Einspeisung des Stromes geknüpft ist.951 Kann aufgrund einer engpassbedingten Abregelung keine oder nur eine verminderte Einspeisung erfolgen, können auch insoweit keine gesetzlichen Förderungen erlangt werden.952 Eine Zurechnung von Strommengen aus anderen Erzeugungsanlagen hinter dem Engpass, wie im Rahmen des Redispatching bei konventionellen Anlagen praktiziert, findet nicht statt.953 Dies ist ein unbefriedigendes Ergebnis, zumal die Anlagenbetreiber für 950
Inwiefern die EEG-Regelungen tatsächlich weitergehend sind als die entsprechenden Vorschriften im EnWG wird in Teil 2 D.II. näher untersucht. 951 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 149, 163. Bei konventionellen Erzeugungsanlagen wird dagegen im Rahmen des Redispatching eine Einspeisung aus Anlagen vor dem Engpass fingiert, obwohl physikalisch eine Anlage hinter dem Engpass Strom liefert; die Stromlieferverträge können auf diese Weise einschränkungslos erfüllt werden. 952 Den Anlagenbetreibern entsteht also ein Schaden, Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 72). 953 Insofern kann auch das Einspeisemanagement nicht als Redispatching im engeren Sinne bezeichnet werden; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 61; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 220 f.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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einen defizitären Netzausbau nicht verantwortlich sind.954 Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die Härtefallregelung eingeführt, um insoweit einen Ausgleich für die privilegierten Anlagenbetreiber zu schaffen. Vergütet wird dann die „fiktive Einspeisung“ von Strom.955 Bereits mit dem EEG 2012 wurde zudem die Verknüpfung mit dem Einspeisemanagement aufgelöst, so dass § 15 EEG 2017 (damals: § 12 EEG 2012) nur noch das Vorliegen eines Netzengpasses (im Sinne von § 14 Abs. 1 EEG 2017956) voraussetzt.957 Die Bedeutung der Härtefallentschädigung zur Absicherung des Vorrangprinzips – die auch weiterhin besteht – kann also nicht (mehr) als Argument für die Beibehaltung des Einspeisemanagements angeführt werden.958 Es sollte abgeschafft bzw., soweit erforderlich, in § 13 EnWG integriert werden.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten Nachdem in Teil 2 B. das Instrumentarium der ÜNB zur Beseitigung von Gefährdungen oder Störungen für die Sicherheit bzw. Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems ausführlich dargestellt wurde, soll nun erörtert werden, in welcher Reihenfolge die Maßnahmen angewandt werden und wonach sich die individuelle Adressatenauswahl richtet. Einige wesentliche Elemente der sogleich zu beschreibenden Einordnungsschritte wurden bereits bei der Darstellung der Einzelmaßnahmen angesprochen. Insbesondere die Vorgaben zur Auswahl zwischen an sich gleichrangigen Maßnahmen bzw. Adressaten wurden jedoch bislang noch nicht beschrieben und sollen im Folgenden untersucht werden. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit gesetzliche Vorgaben bestehen bzw. allgemeine Rechtsgrundsätze heranzuziehen sind.
954 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 149. 955 Schermeyer/Klapdor et al., Lösungsvorschläge für ein marktnahes Einspeisemanagement, et 2014, Heft 8, S. 52 ff. (S. 52). 956 Diese Vorgabe müsste im Falle der Abschaffung des Einspeisemanagements gestrichen bzw. – bei Bedarf – modifiziert werden. 957 Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 21). 958 Zwar angesprochen bei Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 99 f., aber ohne Würdigung der Auswirkungen auf die Bedeutung von § 14 EEG 2017 (damals noch § 11 EEG 2012); ebenso: König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 10.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
I. Überblick und rechtlicher Maßstab Die Auswahl der richtigen Maßnahme gegen den richtigen Adressaten erfolgt in mehreren Schritten, die im Folgenden jeweils näher betrachtet werden. Zunächst muss die relevante Gefährdungslage bestimmt werden: Insbesondere ist zu unterscheiden zwischen Gefährdungen der Systembilanz und solchen, die durch Netzengpässe hervorgerufen werden.959 Danach ist die korrekte Rangstufe der Maßnahme zu ermitteln, also ob netz- bzw. marktbezogene Maßnahmen ausreichen, oder ob auf Notmaßnahmen bzw. Einspeisemanagement zurückzugreifen ist; zu klären ist auch das Verhältnis zwischen Eingriffen durch die ÜNB und solchen durch die Verteilnetzbetreiber. Im Anschluss daran ist zu erörtern, auf welcher Seite des Elektrizitätsversorgungssystems – also Erzeugung, Netz oder Last – gehandelt und welche konkrete Maßnahme – Regelenergie, Redispatch, Lastmanagement usw. – eingesetzt werden kann. In einem letzten Schritt ist sodann noch der konkrete Adressat auszuwählen, der in eine Maßnahme einbezogen wird, der also etwa seine Erzeugung senken oder seine Last erhöhen muss. In diesem Zusammenhang ist zudem klärungsbedürftig, ob bestimmte Adressatentypen vorrangig oder nachrangig geregelt werden müssen. Besonderer Beachtung bedarf die Behandlung privilegierter Erzeugungsanlagen (EE, Grubengas, hocheffiziente KWK) im Rahmen des Gefährdungsmanagements. Auch die Besonderheiten des gesetzlichen Redispatch (§ 13a Abs. 1 EnWG), die die vorhandene Systematik der Systemverantwortung aufbrechen, sind näher zu untersuchen. Hinzu kommt die Einordnung der zusätzlichen Reserven (Stilllegungsverbote, Netz- und Kapazitätsreserve, Netzstabilitätsanlagen960 bzw. besondere netztechnische Betriebsmittel, Sicherheitsbereitschaft Braunkohlekraftwerke), der Vorgaben nach § 13 Abs. 6a EnWG bezüglich des Rückgriffs auf KWK-Power-to-Heat-Kombinationen bei Netzengpässen, der Regelungen nach § 3 Abs. 2 und 3 KWKG zu Besonderheiten bei hocheffizienten KWK-Anlagen im Verhältnis zu EE-Anlagen sowie der Vorschrift des § 13 Abs. 3 S. 5 EnWG zu „technisch gleich wirksamen Maßnahmen“ im Verhältnis zur Abregelung privilegierter Erzeugungsanlagen in das MaßnahmenInstrumentarium. Die schrittweise Bestimmung der korrekten Auswahl von Maßnahme und Adressat961 ergibt sich in erster Linie aus der Auslegung von §§ 13 ff. EnWG i.V.m. § 14 EEG 2017, auch in Verbindung mit der NetzResV.962 Der Vorrang netz- und marktbezogener Maßnahmen vor den sehr weitgehenden und auf Zwang beruhenden Notmaßnahmen etwa folgt unmittelbar aus dem Wortlaut von § 13 Abs. 2 EnWG. 959 Schweizer/Mattis, Die neuen gesetzlichen Instrumente für Versorgungssicherheit im deutschen Stromnetz, et 2016, Heft 5, S. 84 ff. (S. 85). 960 Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz vom 17. Juli 2017 bereits wieder abgeschafft (BGBl. 2017 I S. 2503 ff.). 961 Vgl. dazu den Überblick bei König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 104 ff. 962 Zukünftig dürfte auch die Kapazitätsreserve-Verordnung von Bedeutung sein.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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Insgesamt ist die gesetzliche Systematik aber eher schweigsam, was die Details der Maßnahmenreihenfolge angeht. Die Bundesnetzagentur hat zudem ihre Befugnis, Festlegungen zur Abregelungsreihenfolge im Einspeisemanagement zu treffen (§ 85 Abs. 2 Nr. 2 EEG 2017), bislang nicht genutzt. Nach wie vor existiert nur ein rechtlich unverbindlicher Leitfaden hierzu.963 Um die Lücke zu füllen, ist deshalb auf allgemeine Grundsätze des Energiewirtschaftsrechts im weiteren Sinne zurückzugreifen.964 Hier sind insbesondere die fünf Gesetzeszwecke des EnWG, also Sicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Effizienz und Umweltverträglichkeit der Versorgung relevant (§ 1 Abs. 1 EnWG).965 Diese waren als „sachlich-energiewirtschaftliche Grundsätze im Sinne des § 1 Abs. 1“ im EnWG 2005 noch ausdrücklich in § 13 Abs. 1 S. 3 genannt.966 Auch ohne unmittelbare Verweisung im Gesetz sind diese jedoch weiterhin handlungsleitend.967 Auch § 11 Abs. 1 EnWG, wonach die Netzbetreiber verpflichtet sind, ein „sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben“ ist relevant. Daneben ist § 20 Abs. 1 EnWG von Bedeutung, der Vorgaben zum Zugang zu den Energieversorgungsnetzen enthält; der Netzzugang im Speziellen muss insbesondere diskriminierungsfrei gewährt werden.968 Im Übrigen können und müssen allgemeine Rechtsgrundsätze wie insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz herangezogen werden. Auf die rechtliche Einordnung der Systemverantwortung der ÜNB, also ob eine Indienstnahme seitens des Staates vorliegt, wird noch einzugehen sein.969 Die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – der an sich unter Privaten nicht unmittelbar gilt970 – folgt 963
BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011. Die beiden Aktualisierungen „2.0“ und „2.1“ enthalten keine Änderungen zur Abschaltrangfolge. Ein Leitfaden „3.0“ ist derzeit im Entwurfsstadium (Stand: März 2018). 964 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 198. 965 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 66 f.; BDEW/VKU, Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 27 f.; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 20; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 159. Die BNetzA nennt als Maßstäbe Netz- und Systemsicherheitsaspekte, Umweltgesichtspunkte und ökonomische Auswirkungen, sie orientiert sich dabei ersichtlich an § 1 Abs. 1 EnWG (BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 5). 966 Diese Vorgabe war rein deklaratorischer Natur und wurde mit dem EnWG 2011 gestrichen. 967 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 159. 968 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 167 ff. 969 Siehe dazu Teil 5. 970 Hier sei allerdings angemerkt, dass TenneT TSO ein niederländisches Staatsunternehmen ist und TransnetBW ein Mischunternehmen darstellt, das sich überwiegend in der Hand des Landes Baden-Württemberg sowie einem Zusammenschluss von Gebietskörperschaften befindet.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
jedoch bereits aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber den ÜNB weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in die Rechte von Dritten zugesteht.971 Insbesondere, soweit Eingriffe ohne oder gegen den Willen von Betroffenen und ohne vertragliche Grundlage erfolgen, müssen diese aber geeignet, erforderlich und angemessen sein.972 Teilweise sind Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ohnehin bereits im Gesetz zu erkennen973 oder werden vom Gesetzgeber in den Entwurfsbegründungen974 angesprochen.975 Auch die BNetzA rekurriert auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn sie darlegt, dass eine Maßnahme nach § 11 EEG a.F. (nun: § 14 EEG 2017) nur dann erforderlich ist, „wenn nicht bereits vorrangig eine andere Maßnahme zu ergreifen gewesen wäre.“976 Nur dann können im Übrigen die Kosten für eine Härtefallentschädigung nach § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 bei der Ermittlung der Netzentgelte in Ansatz gebracht werden. Nach § 14 Abs. 3 S. 1 und 2 EEG 2017 sind den von EinsMan-Maßnahmen Betroffenen zudem Nachweise über die Erforderlichkeit einer Eingriffsmaßnahme vorzulegen, dazu gehören v. a. die Daten über die Ist-Einspeisung. Würde der Staat die Systemverantwortung selbst wahrnehmen, die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems also in eigener Regie gewährleisten, bestünde kein Zweifel daran, dass er bei der Ergreifung von Maßnahmen, die in Rechte Dritter eingreifen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt.977 Dies muss dann aber in gleichem Maße gelten, wenn er durch regulierungsrechtliche Vorgaben Akteure des Privatrechts – hier also die ÜNB – dazu berechtigt und verpflichtet, Aufgaben der Daseinsvorsorge – hier also die netzseitige Versorgungssi-
971 So auch: Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 38); Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 527); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 202 ff.; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 198 f.; BDEW/VKU, Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 7; a.A. noch Dreher/Reshöft, Erzeugungsmanagement nach dem EEG – Zulässigkeit und Grenzen, ZNER 2006, S. 311 ff. (S. 314 f.). 972 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 20 Rn. 80 ff. 973 Siehe etwa das in § 13 Abs. 2 EnWG angelegte Stufenverhältnis der Maßnahmen oder die Vorgaben zur Systemrelevanz in § 13b Abs. 2 S. 2 EnWG („und diese Gefährdung oder Störung nicht durch andere angemessene Maßnahmen beseitigt werden kann“). Zudem zu erkennen in § 14 Abs. 3 S. 1 und 2 sowie § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017. 974 Siehe etwa BT-Drs. 17/6072, S. 73, wonach derzeit nicht betriebsbereite Anlagen nach § 13 Abs. 1a EnWG a.F. (nun § 13a Abs. 1 EnWG) nur nachrangig angefordert werden dürfen. 975 So auch Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 38). 976 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 4. 977 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 20 Rn. 80.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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cherheit978 – zu übernehmen; andernfalls würde dies dazu führen, dass die Adressaten von Maßnahmen, die ein ÜNB ergreift, schlechter gestellt wären als bei der öffentlichen Aufgabenerfüllung.979 Vorliegend sind also die ÜNB, obwohl als privatrechtlich organisierte Akteure ggf. selbst Grundrechtsträger, bei der Ausübung ihrer Rechte nach § 13 EnWG oder § 14 EEG 2017 an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Sie können also auch dann nicht nach freiem Ermessen willkürliche Abregelungsentscheidungen treffen, wenn sich dem Gesetz keine spezifischen Handlungs- und Auswahlvorgaben entnehmen lassen.
II. Bestimmungsschritte zur korrekten Auswahl von Maßnahme und Adressat Im Folgenden werden die einzelnen Bestimmungsschritte zur korrekten Auswahl von Maßnahme und Adressat erläutert. An erster Stelle steht hierbei die Bestimmung der relevanten Gefährdungslage. Sodann sind die richtige Rangstufe sowie die richtige Handlungsform zu wählen. Im letzten Schritt ist die individuelle Adressatenauswahl durchzuführen. 1. Bestimmung der relevanten Gefährdungslage Den Ausgangspunkt für die Auswahl der passenden Maßnahme bildet der Gefährdungsbegriff des § 13 Abs. 1, 4 EnWG.980 Eine Gefährdung der Sicherheit bzw. Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems liegt vor, wenn ein Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist, wobei es dabei nicht auf die subjektive Sicht des ÜNB ankommt, sondern auf die Prognoseentscheidung eines „sorgfältigen Netzbetreibers“981 abzustellen ist.982 In § 13 Abs. 4 EnWG werden drei konkrete 978 BVerfGE 38, S. 258 ff. (S. 270); 54, S. 63 (S. 78); 66, S. 248 (S. 258); Kahle, Die Elektrizitätsversorgung zwischen Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, BadenBaden 2009, S. 140 f., 153. 979 So auch: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 202; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 157 f. 980 Teil 2 A.I.1. Hat sich eine Gefährdung bereits realisiert, spricht man von einer „Störung“. 981 Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 317). 982 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181); König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
Gefährdungslagen genannt: örtliche Ausfälle des Übertragungsnetzes, kurzfristige Netzengpässe sowie, dass die Haltung von Frequenz, Spannung oder Stabilität nicht im erforderlichen Maße gewährleistet werden kann. Diese Unterteilung ist wenig präzise, da sich die genannten Gefährdungen überschneiden. Die Bezeichnung „Ausfall des Übertragungsnetzes“ beschreibt zudem in Wahrheit nur das Ergebnis einer Störung, also einer verwirklichten Gefährdung, und nicht dessen zu bekämpfende Ursache. Die weiteren genannten Gefährdungslagen können gerade zu einem solchen Ausfall des Übertragungsnetzes führen – etwa, wenn Netzengpässe nicht behoben werden oder Frequenzschwankungen nicht ausgeglichen werden. Eine treffendere Beschreibung der verschiedenen Gefährdungslagen bietet die Unterteilung in einerseits Maßnahmen zur Einhaltung einer ausgeglichenen Systembilanz im Rahmen der Frequenzregelung (Einspeisungen gleich Ausspeisungen) sowie andererseits Maßnahmen zur Einhaltung der für den Systembetrieb entscheidenden Grenzwerte hinsichtlich Spannung und Strom, insbesondere im Umgang mit Netzengpässen.983 Die korrekte Bestimmung der zu beseitigenden Gefährdungslage ist von besonderer Relevanz, soweit es um die Abregelung von EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen geht. Diese sind vom Gesetzgeber mit dem Privileg ausgestattet, dass der von ihnen generierte Strom vorrangig in die Netze eingespeist werden muss (§ 11 EEG 2017, § 3 KWKG). Tritt eine Engpasssituation auf, in der die Abregelung von Erzeugungsanlagen erforderlich wird, sind diese Anlagen daher erst nachrangig in ihrer Einspeisung zu drosseln. § 15 EEG 2017 enthält zudem eine besondere Rechtsfolge, wonach privilegierte Anlagen im Falle der engpassbedingten Abregelung zu entschädigen sind. Eine missbräuchlich falsche Einordnung einer Gefährdung kann also zu monetären Konsequenzen für die Betroffenen führen. Hier ist ggf. ein nachträgliches gerichtliches Vorgehen erforderlich. 2. Auswahl der korrekten Rangstufe und Handlungsform In einem zweiten Schritt geht es für den ÜNB darum, die richtige Rangstufe der Maßnahmenergreifung zu wählen und über die Einbeziehung von Verteilnetzbetreibern zu entscheiden. Zudem ist im Folgenden zu untersuchen, ob es Vorgaben hinsichtlich der Auswahl der konkreten Handlungsform gibt. a) Rangstufe und handelnder Akteur Steht fest, welche Gefährdung durch eine Maßnahme im Sinne von § 13 EnWG beseitigt werden muss, ist zu prüfen, auf welcher Rangstufe der ÜNB handeln darf bzw. muss. Nach der gesetzlichen Systematik bestehen drei Handlungsstufen: Unterteilt wird in netzbezogene und marktbezogene Maßnahmen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 und 983 Vgl. VDN, Transmission Code 2007, S. 10 ff.; Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 27 f. (Stand: Juni 2008).
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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2 EnWG) sowie Notmaßnahmen (§ 13 Abs. 2 EnWG). Soweit es um einen Eingriff in die Erzeugungsleistung geht, ist das Vorrangprinzip für EE, Grubengas und hocheffiziente KWK zu wahren (§ 13 Abs. 3 EnWG). Eine Abregelung solcher Anlagen kann grundsätzlich nur nachrangig erfolgen. In jedem Fall muss der ÜNB zunächst prüfen, ob er die Gefährdung durch netzbezogene Maßnahmen beseitigen kann (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG).984 Gemeint sind damit insbesondere Netzschaltungen, also Veränderungen des Lastflusses durch einfache Umschaltmaßnahmen, oder die Ausnutzung von Toleranzbändern, also kurzzeitige Überlastungen von Netzbetriebsmitteln. Netzbezogene Maßnahmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur die interne Sphäre der Netzbetreiber betreffen und keine Außen- bzw. Eingriffswirkung auf andere Netzbetreiber bzw. Netznutzer aufweisen.985 Sobald dagegen netzseitige Anpassungen des ÜNB Stromeinspeisungen bzw. -abnahmen – und damit Dritte – betreffen und keine vertraglichen Grundlagen bestehen, handelt es sich nicht um Maßnahmen i.S.v. § 13 Abs. 1 EnWG, sondern um Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG, die nachrangig heranzuziehen sind.986 Lassen sich nach der Prognose des ÜNB Gefährdungen also bereits durch eingriffsfreie Netzmaßnahmen bewältigen, dann muss er auf solche Instrumente auch zurückgreifen.987 Hierfür lassen sich drei maßgebliche Gründe nennen:988 Erstens ergibt sich das aus der Zielbestimmung des EnWG, u. a. eine preisgünstige Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität sicherzustellen (§ 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 EnWG).989 Marktbezogene Maßnahmen zeichnen sich jedoch im Gegensatz zu netzbezogenen Maßnahmen gerade durch die Zahlung von Vergütungen oder Entschädigungen gegenüber den Betroffenen aus und erzeugen somit Kosten, die regelmäßig über die Netzentgelte auf die Letztverbraucher abgewälzt werden kön984
Siehe dazu Teil 2 B.II. Statt vieler: Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 526 f.); a.A. offensichtlich Weise/ Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 184) und de Wyl/ Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 68), unter Bezugnahme auf BNetzA, Beschluss vom 26. 09. 2011, BK8 – 11 – 015. 986 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 12; Schwintowski, Der Anspruch auf Schadensersatz und Einspeisevergütung bei der Abschaltung von Anlagen Erneuerbarer Energien, EWeRK 2012, S. 131 ff. (S. 134); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 182; vgl. auch Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 68. 987 So auch Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 167, 171. 988 Sehr gut auf den Punkt gebracht durch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 492 ff. 989 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 493. 985
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
nen. Preisgünstiger ist es demnach, bloße Netzschaltungen oder ähnliche Maßnahmen vorzunehmen. Zweitens ergibt sich dieses Ergebnis auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.990 Netzbezogene Maßnahmen bilden – soweit sie ebenso wirksam sind – ein vorrangig heranzuziehendes milderes Mittel gegenüber marktbezogenen Maßnahmen, da keine (wenn auch finanziell vergüteten) Eingriffe in die Rechte von Dritten erfolgen. Marktbezogene Maßnahmen sind insoweit nicht erforderlich und damit unzulässig. Diese Einschätzung entspricht – drittens – auch der Ansicht des Gesetzgebers in der Entwurfsbegründung.991 Kommt der ÜNB allerdings zum Ergebnis, dass netzbezogene Maßnahmen nicht hilfreich sind bzw. nicht ausreichen, um die Gefährdung zu beseitigen, ist auf der zweiten Stufe der Einsatz marktbezogener Maßnahmen zu prüfen (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG).992 Den ÜNB steht es grundsätzlich frei, im Vorfeld alle denkbaren vertraglichen Regelungen mit Einspeisern, anderen Netzbetreibern, Lieferanten oder Verbrauchern abzuschließen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems erhalten zu können.993 Grundsätzlich greifen die ÜNB aber auf die Instrumente Regelenergie (bei Frequenzschwankungen) und Redispatching (bei Netzengpässen) zurück. Die marktbezogenen Maßnahmen zeichnen sich regelmäßig dadurch aus, dass dem Vertragspartner der ÜNB, der bestimmte Leistungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Systemstabilität anbietet, dafür eine Vergütung zu zahlen ist.994 Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG, die vergütungs- und entschädigungslos995 990 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 16; Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im ErneuerbareEnergien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 527); Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 234); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 184; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 493 f.; Sötebier, in: Britz/ Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 20, 30; vgl. etwa auch: Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 318); Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 233); Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 227). 991 BT-Drs. 15/3917, S. 57. 992 Siehe dazu Teil 2 B.III. 993 Statt vieler: Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 13. 994 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 4; Bicker, Einspeisemanagement in EEG-Regionen – Grundlagen, aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen auf Biogasanlagen in Nordwestdeutschland, AUR 2012, S. 245 ff. (S. 246); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 428. 995 Vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 71.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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angewandt werden (§ 13 Abs. 5 EnWG), soweit es nicht um die Abregelung von privilegierten Erzeugungsanlagen aufgrund von Netzengpässen geht (§ 15 EEG 2017). Nur, soweit auch der Einsatz von marktbezogenen Maßnahmen nicht erfolgversprechend ist, darf (und muss) der ÜNB auf Notmaßnahmen996 nach § 13 Abs. 2 EnWG zurückgreifen.997 Diese sind subsidiär, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Norm ergibt. Dort heißt es: „Lässt sich eine Gefährdung oder Störung durch Maßnahmen nach Absatz 1 nicht oder nicht rechtzeitig beheben, so sind Betreiber von Übertragungsnetzen […] berechtigt und verpflichtet, sämtliche Stromeinspeisungen, Stromtransite und Stromabnahmen in ihren Regelzonen […] anzupassen oder diese Anpassung zu verlangen.“ Notmaßnahmen sind ein besonders scharfes Schwert der ÜNB, da hierdurch gegen den Willen der Beteiligten Eingriffe in Erzeugung, Stromtransit und Verbrauch vorgenommen werden können, ohne dass dafür eine Entschädigung fällig wird. § 13 Abs. 2 EnWG ist nicht auf ein sensibles Einzelfallmanagement ausgerichtet ist, sondern dient ultimativ der Gefahrenabwehr.998 Deshalb darf hierauf nur zurückgegriffen werden, soweit netz- oder marktbezogene Maßnahmen keine ausreichende Wirkung entfalten bzw. dies bereits im Vorfeld abzusehen ist.999 Dies stellt eine gesetzlich geregelte Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar, da vorrangig auf gleich wirksame, aber mildere Mittel zurückgegriffen werden muss.1000 Ein absehbar untauglicher Versuch, eine netz- oder marktbezogene Maßnahme einzusetzen, muss allerdings nicht unternommen werden.
996 An dieser Stelle ist noch allgemein auf § 16 Abs. 2a S. 4 EnWG hinzuweisen. Nach dieser Vorschrift können die ÜNB gegenüber den Betreibern von Fernleitungsnetzen die nachrangige Einschränkbarkeit des Gasbezugs nach 16 Abs. 2 EnWG (also im Rahmen einer Notmaßnahme im Sinne der Gasversorgung) eines systemrelevanten Gaskraftwerks (§ 13 f EnWG) anweisen, wenn sie – also die ÜNB – zuvor alle verfügbaren netz- und marktbezogenen Maßnahmen ausgeschöpft haben und die Anweisung im Rahmen einer Folgenabwägung zwischen Elektrizitäts- und Gasversorgungssystem (§§ 13 Abs. 2 und 16 Abs. 2 EnWG) angemessen erscheint. 997 Siehe dazu Teil 2 B.IV. Es besteht jedoch im Grundsatz eine Pflicht zur Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen. 998 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 27; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 199. 999 Im äußersten Fall, wenn auch Maßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG nicht ausreichen, um eine Versorgungsstörung für den „lebensnotwendigen Bedarf“ nach § 1 des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) abzuwenden, ist eine unverzügliche Unterrichtung der Regulierungsbehörde vorzunehmen (§ 13 Abs. 8 EnWG). 1000 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 31; Pritzsche/Stephan/ Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 38); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 20.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
Eingriffe in die Erzeugungsleistung von EE-1001, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen haben grundsätzlich nur nachrangig zu Eingriffen in die Erzeugungsleistung von konventionellen Anlagen zu erfolgen.1002 Dies wird in § 13 Abs. 3 EnWG klargestellt und betrifft sowohl den Abschluss von Verträgen mit Betreibern privilegierter Anlagen (soweit zulässig und in der Praxis relevant, § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG)1003 als auch den Einsatz von Notmaßnahmen gegenüber diesen. Beruht die Gefährdung oder Störung auf einem Netzengpass, sind bei Durchführung von Notmaßnahmen die Anforderungen des Einspeisemanagements nach § 14 EEG 2017 einzuhalten (§ 13 Abs. 3 S. 3 EnWG).1004 Eine eigene Regelungsstufe wird hierdurch allerdings nicht begründet. Liegen die Voraussetzungen von § 14 EEG 2017 nicht vor, bleibt § 13 Abs. 2 EnWG anwendbar.1005 Dies betrifft etwa auch privilegierte Anlagen mit einer installierten Leistung von maximal 100 Kilowatt, bei denen es sich nicht um PV-Anlagen handelt (vgl. § 9 EEG 2017).1006 So oder so gilt, dass die Einspeisung von Strom aus privilegierten Anlagen erst dann verringert werden darf, wenn die Stromeinspeisung aus konventionellen Anlagen nicht weiter gedrosselt werden kann, ohne die Netzsicherheit gerade zu gefährden.1007 Eine Besonderheit im Rahmen der Stufenfolge bildet das gesetzliche Redispatching, das in § 13a Abs. 1 EnWG geregelt ist.1008 Nach dem eindeutigen Wortlaut („Für die Durchführung von Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nummer 2 oder Nummer 3“) stellt es einen Unterfall der marktbezogenen Maßnahmen dar, der relevant wird, soweit es um engpassbedingte Gefährdungen geht. Es betrifft (an sich) ausschließlich die Erzeugungsseite und verpflichtet die Betreiber von Erzeugungs- und 1001 Hier könnten sich durch das EU-Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ (KOM (2016) 860 final), dessen erste Entwürfe am 20. November 2016 vorgestellt wurden, Änderungen ergeben. Zwar ist nicht mit einer vollständigen Abschaffung des Einspeisevorrangs zu rechnen, dennoch könnten Anpassungen vorgenommen werden, die das derzeitige System aus Einspeisevorrang und Einspeisemanagement geänderten Bedingungen unterwerfen und etwa die konkrete Abschaltrangfolge betreffen. 1002 Siehe dazu insbesondere Teil 2 B.IV.3. Zu beachten ist, dass EE und hocheffiziente KWK nicht mehr in allen Fällen als gleichrangig gelten, vgl. § 3 Abs. 2 KWKG. 1003 Zunächst müssen also alle relevanten vertraglichen Vereinbarungen mit konventionellen Anlagen ausgeschöpft werden, zudem muss auch vorrangig das gesetzliche Redispatching durchgeführt werden; erst im Anschluss kann auf vertragliche Vereinbarungen mit EEund Grubengas-Anlagen zurückgegriffen werden, Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 65; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 91. 1004 Siehe dazu Teil 2 B.IV.4. Über eine Abschaffung des Einspeisemanagements sollte allerdings nachgedacht werden (vgl. lit. d)). 1005 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 10. 1006 Vgl. Bicker, Einspeisemanagement in EEG-Regionen – Grundlagen, aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen auf Biogasanlagen in Nordwestdeutschland, AUR 2012, S. 245 ff. (S. 247). 1007 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 497. 1008 Siehe dazu Teil 2 B.III.2.c).
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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Speicheranlagen mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt auf Anforderung durch den ÜNB zur Anpassung der Wirkleistungs- bzw. Blindleistungseinspeisung bzw. des Wirkleistungsbezugs gegen „angemessene Vergütung“. Damit nimmt der gesetzliche Redispatch an sich eine Zwischenstellung zwischen den marktbezogenen Maßnahmen und den Notmaßnahmen ein. Einerseits werden Eingriffsmaßnahmen nach § 13a Abs. 1 EnWG im Gegensatz zu Notmaßnahmen vergütet, andererseits werden die von der Norm erfassten Erzeugungsanlagen zwangsweise zu Anpassungsmaßnahmen verpflichtet, ohne dass es auf eine vorherige vertragliche Vereinbarung ankommt1009 – was wiederum eine Parallele zu den Notmaßnahmen darstellt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen der Einsatz von Notmaßnahmen und die Abregelung von EE- und KWK-Anlagen (Einspeisemanagement) durch die Möglichkeit zum gesetzlichen Redispatching verringert werden.1010 In jedem Fall muss der ÜNB also zunächst auch das Potenzial nach § 13a Abs. 1 EnWG ausschöpfen, bevor er § 13 Abs. 2 EnWG heranziehen darf. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem klassischen vertraglichen Redispatch und dem gesetzlichen Redispatch nach § 13a Abs. 1 EnWG könnte man vertreten, dass der ÜNB zunächst auf die bereits kontrahierten Redispatch-Verträge zurückgreifen muss, da diese freiwillig abgeschlossen wurden und es somit an einem Eingriff in die Rechte Dritter fehlt.1011 Danach wäre die zwangsweise Heranziehung von Anlagen nach § 13a Abs. 1 EnWG konsequenterweise nur dann zulässig, soweit die vertraglich kontrahierten Regelungsmöglichkeiten nicht ausreichen, um eine konkrete Gefährdung zu beseitigen. Die besseren Argumente sprechen jedoch gegen diese Auslegung.1012 Zunächst ist festzustellen, dass weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Einkleidung von § 13a Abs. 1 EnWG in das Gefüge des § 13 EnWG ein Hinweis auf eine Nachrangigkeit des gesetzlichen Redispatch abzuleiten ist. Dies unterscheidet § 13a Abs. 1 EnWG von § 13 Abs. 2 EnWG, denn dort ist klargestellt, dass Notmaßnahmen nur subsidiär gegenüber netz- und marktbezogenen Maßnahmen herangezogen werden dürfen. Der gesetzliche Redispatch ist dagegen als gleichrangiger Unterfall der marktbezogenen Maßnahmen zum Engpassmanagement ausgestaltet; dies entspricht auch der Ansicht des Gesetzgebers in der Ent-
1009 Für die Netzbetreiber besteht vielmehr ein unmittelbarer gesetzlicher Anspruch, vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 71. 1010 BT-Drs. 17/6072, S. 71. 1011 Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 44; so offensichtlich auch: Schulz/Rohrer, Die Auswirkungen der „Energiewende“-Gesetzgebung auf Offshore-Windparks, ZNER 2011, S. 494 ff. (S. 500); Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 25 (Stand: März 2012); Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 104 (Stand: Mai 2016). 1012 So auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 40. Ebenso wohl: Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 19); Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 244).
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
wurfsbegründung.1013 Dort heißt es: „Die Übertragungsnetzbetreiber können daher, sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems nach Absatz 1 gefährdet oder gestört ist, bei der Durchführung von marktbezogenen Maßnahmen auch auf den gesetzlich ausgestalteten Anspruch nach Absatz 1a [nun § 13a Abs. 1 EnWG] zurückgreifen.“1014 Der Gesetzgeber gibt also keine Unterordnung oder Nachrangigkeit des gesetzlichen Redispatch vor. Dieser soll vielmehr die Handlungsmöglichkeiten der ÜNB erweitern und gleichzeitig einen Ausgleich mit den Interessen der betroffenen Kraftwerksbetreiber herbeiführen, indem eine allgemeingültige, bundeseinheitliche Regelung eingeführt wird, die eine eigene Vergütungsbestimmung enthält.1015 Betrachtet man den gesetzlichen Redispatch dagegen als nachrangig gegenüber den vertraglichen Handlungsmöglichkeiten, so schafft man de facto eine zusätzliche Rangstufe. Dies hätte zur Folge, dass der ÜNB in der konkreten Situation zunächst eine Adressatenauswahl zwischen den vertraglich kontrahierten Anlagen vornehmen müsste und in einem zweiten Schritt, sofern die Gefährdung weiterbesteht, eine Auswahl zwischen den gesetzlich verpflichteten Anlagen. Durch diese künstliche Unterscheidung in zwei Anlagengruppen würden die Handlungsoptionen der ÜNB kaum wirklich erweitert, da ein Rückgriff auf eine zum Redispatching örtlich günstig gelegene Anlage, die unter § 13a Abs. 1 EnWG fällt, aber nicht vertraglich kontrahiert wurde, unzulässig wäre, solange der handelnde ÜNB die Netzgefährdung auch alleine durch den Einsatz des vertraglichen Redispatch beseitigen könnte – auch wenn die hierzu heranziehbaren Anlagen eine weniger gute Wirkung erzielen, höhere Kosten verursachen usw. Das ist aber sicher nicht der Sinn und Zweck von § 13a Abs. 1 EnWG. Der gesetzliche Redispatch erweitert das Regelungsspektrum des § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG und ist im Übrigen gleichrangig zum vertraglichen Redispatch.1016 Die individuelle Anlagenauswahl erfolgt innerhalb des gesamten Redispatchpotenzials grundsätzlich nach den allgemeinen Maßstäben (auf die noch einzugehen sei wird).1017 Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes liegt darin nicht, da – wie gezeigt – ein zwingend vorrangiger Zugriff auf vertraglich kontrahierte Anlagen kein ebenso effektives, milderes Mittel darstellt wie die Möglichkeit, sämtliche zum Redispatch geeigneten Anlagen gleichermaßen einzubeziehen. 1013
BT-Drs. 17/6072, S. 71; Schulz/Rohrer, Die Auswirkungen der „Energiewende“-Gesetzgebung auf Offshore-Windparks, ZNER 2011, S. 494 ff. (S. 498); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 40. 1014 BT-Drs. 17/6072, S. 71, Hervorhebung durch den Verfasser. 1015 BT-Drs. 17/6072, S. 71. 1016 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 41. 1017 In der Praxis werden aber ohnehin wohl nur noch Betreiber kleinerer Erzeugungsanlagen (Nennleistung kleiner als 10 MW) sowie Betreiber von Anlagen im Ausland (insbesondere in Österreich) vertraglich kontrahiert (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG), vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 448.
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Allerdings gilt die Gleichbehandlung des gesamten Redispatchpotenzials nur eingeschränkt, soweit es im Rahmen des gesetzlichen Redispatch um solche Anlagen geht, die „1. derzeit nicht einspeisen oder beziehen und erforderlichenfalls erst betriebsbereit gemacht werden müssen oder 2. zur Erfüllung der Anforderung eine geplante Revision verschieben müssen“ (§ 13a Abs. 1 S. 2 EnWG). Hier ist insbesondere zu unterscheiden zwischen Anlagen, die sich grundsätzlich im Regelbetrieb befinden, also zumindest jederzeit anfahrbereit sind (auch wenn sie im Falle einer Anforderung etwa eine geplante Revision verschieben müssten) und solchen, die an sich stillgelegt werden sollen, deren Stilllegung aber vorübergehend verboten ist (§ 13b EnWG). Auf erstere kann grundsätzlich, wenngleich unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl.u.), jederzeit zugegriffen werden. Letztere sind dagegen dem Bereich der zusätzlichen Reserven nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG zuzurechnen und bieten den ÜNB insbesondere im Rahmen der Netzreserve bzw. über § 13b EnWG zusätzliches Redispatchpotenzial.1018 Der Zugriff auf ReserveAnlagen stellt keine eigene Maßnahmenstufe dar, sondern dient der Durchführbarkeit von Maßnahmen der ÜNB. Dabei handelt es sich um Anlagen, die ohne staatliche Regulierungsvorgaben vorübergehend oder endgültig vom Netz genommen worden wären, derzeit aber aufgrund ihrer Systemrelevanz1019 als Absicherung erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass an den richtigen Stellen im Netz auch genügend Redispatchpotenzial zur Verfügung steht.1020 Ein Zugriff auf solche Anlagen gemäß § 13a Abs. 1 EnWG darf aber entsprechend auch nur dann erfolgen, wenn ohne einen Einsatz der Reserve-Anlagen ein Redispatching nicht durchgeführt werden kann.1021 Hier ist in vielen Fällen ohnehin zunächst eine Anforderung zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft erforderlich (vgl. § 13b Abs. 4 S. 4, 5 bzw. Abs. 5 S. 11). ReserveAnlagen sind also nur nachrangig zu allen sonstigen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG kontrahierten bzw. von § 13a Abs. 1a EnWG erfassten Anlagen einsetzbar, aber vorrangig zu Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG.1022 Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der in den §§ 13b ff. EnWG regulatorisch erzwungenen bzw. angereizten Anlagenvorhaltung (vgl. §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 3 NetzResV), die ersichtlich davon ausgeht, dass der freie Markt derzeit nicht mit 1018
Siehe dazu Teil 2 B.III.5. Vgl. hierzu auch Fietze, Vorläufiges Stilllegungsverbot und Weiterbetrieb „systemrelevanter Anlagen“ – Rechtsfragen der Stilllegung von Kraftwerken, EWeRK 2014, S 351 ff. (S. 357). 1020 Vgl. Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 170). 1021 Vgl. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 60. 1022 Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 171); vgl. auch König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 38. 1019
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
ausreichender Sicherheit gewährleisten kann, dass sämtliche auftretenden Engpässe im Netz – zu allen Zeiten und an allen Orten – wirksam durch eine genügende Zahl von Erzeugungsanlagen ausgeglichen werden können.1023 Bestimmte, an sich unwirtschaftliche Anlagen sollen deshalb in einer Übergangszeit vorsichtshalber weiterhin für den Notfall zur Verfügung stehen. Sie dürfen aber dann auch nur zum Einsatz kommen, wenn es gerade auf diese Anlagen ankommt, wenn also ein solcher Notfall vorliegt und nicht genügend im Regelbetrieb befindliche Anlagen vorhanden sind. Der Verordnungsgeber hat die Nachrangigkeit deshalb in § 7 Abs. 2 NetzResV auch explizit festgeschrieben. Weiterhin ist zunächst ein Zugriff auf die vertraglich kontrahierte Netzreserve nach der NetzResV vorzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn Anlagen der Netzreserve am Verfahren zur Beschaffung der Kapazitätsreserve nach § 13e EnWG teilgenommen haben und insoweit erfolgreich waren (§ 13d Abs. 2 EnWG) sowie für sog. Netzstabilitätsanlagen1024 (§ 13k EnWG a.F.); letztgenannte Norm wurde mittlerweile aber wieder abgeschafft und durch eine Nachfolgeregelung ersetzt.1025 Nur soweit hierdurch die Gefährdung nicht beseitigt werden kann, dürfen auch die von § 13b EnWG betroffenen Anlagen (Stilllegungsverbot), die sich nicht an der Netzreserve beteiligen, einbezogen werden (§ 1 Abs. 3 S. 2 NetzResV). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz weist in dieselbe Richtung. Danach sind zunächst alle milderen Mittel auszuschöpfen, soweit diese ebenso effektiv sind. Über die Abgrenzung zwischen Anlagen im Regelbetrieb und solchen in der Netzreserve hinaus sind deshalb generell alle Erzeugungsanlagen, deren Einsatz zum Redispatching erst umfangreichere Vorbereitungsmaßnahmen erfordert und hohe Aufwendungen verursacht, um die Betriebsbereitschaft herzustellen, oder die eine bevorstehende Revision verschieben müssten, nachrangig zu behandeln sind.1026 Je nachdem, wie kurzfristig eine Gefährdungssituation zu erwarten ist, dürfte es im Übrigen auch häufig bereits an der Geeignetheit des Zugriffs fehlen. Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass im Falle von drohenden Netzengpässen und soweit netzbezogene Maßnahmen nicht ausreichen, auf der zweiten Rangstufe, also im Rahmen der marktbezogenen Maßnahmen, zwar nicht zwischen vertraglichem und gesetzlichem Redispatch abzugrenzen ist, dass jedoch Reserve1023 Vgl. Fietze, Vorläufiges Stilllegungsverbot und Weiterbetrieb „systemrelevanter Anlagen“ – Rechtsfragen der Stilllegung von Kraftwerken, EWeRK 2014, S 351 ff. (S. 351). 1024 Diese sollten wohl gemeinsam mit Anlagen der Netzreserve eingesetzt werden, durften aber nur unter den Voraussetzungen des § 13k Abs. 1 EnWG a.F. überhaupt errichtet werden. Vgl. Teil 2 B.III.5.e)aa). 1025 Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz (BGBl. 2017 I S. 2503 ff.). Als Nachfolgeregelung wurde § 11 Abs. 3 EnWG n.F. eingefügt, wonach die Beauftragung Dritter zum Betrieb sog. besonderer netztechnischer Betriebsmittel möglich ist. Eine abschließende Beurteilung dieser neuen Vorschrift ist im Rahmen der vorliegenden Abhandlung nicht mehr möglich. 1026 So auch: BT-Drs. 17/6072, S. 71; Flemming/Riese, Die Stilllegung von konventionellen Kraftwerken, NordÖR 2015, S. 189 ff. (S. 191); Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 33.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
235
Anlagen generell nur nachrangig einzusetzen sind und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren ist. Darüber hinaus bleibt es dabei, dass das Redispatching – egal in welcher Form und gegenüber welcher Anlage – jedenfalls Vorrang vor dem Einsatz von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG bzw. dem Einspeisemanagement nach § 14 EEG 2017 hat. Anlagen, die nach § 13 Abs. 6a EnWG kontrahiert wurden (KWK in Kombination mit Power-to-Heat als zuschaltbare Last) ordnen sich zwischen der Ausschöpfung aller genannten Redispatch-Maßnahmen und der Durchführung von Einspeisemanagement ein (dazu sogleich noch mehr im nächsten Unterkapitel). Sie sind dabei vorrangig zum Einsatz von Reserven nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG heranzuziehen. Liegt die Gefährdung nicht in einem Netzengpass, so gilt ebenfalls die Rangfolge netzbezogen – marktbezogen – Notmaßnahme; Besonderheiten wie § 13a Abs. 1 EnWG existieren insoweit nicht. Allerdings kann im Rahmen der Frequenzregelung ein Rückgriff auf Erzeugungs-, Speicher- oder Verbrauchsanlagen der Kapazitätsreserve nach § 13e EnWG erforderlich werden. Ein Einsatz darf jedoch nur dann erfolgen, wenn sich an den Strommärkten kein vollständiger Ausgleich von Angebot und Nachfrage einstellt (§ 13e Abs. 1 EnWG); auch diese Reserve kann also nur nachrangig – insbesondere zum Einsatz von Regelenergie und abschaltbaren Lasten – aktiviert werden.1027 Die Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken wird gar erst im Rahmen von § 13 Abs. 8 EnWG relevant, der Versorgungsstörungen für lebenswichtigen Bedarf im Sinne von § 1 des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) betrifft und bedeutsam wird, wenn sogar Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG nicht mehr zur Gefahrenbeseitigung ausreichen.1028 Die Notkompetenz des § 13 Abs. 2 EnWG wird generell durch § 14 Abs. 1c EnWG ergänzt1029, der die Verpflichtung der nachgelagerten Netzbetreiber betrifft, die Maßnahmen der jeweils vorgelagerten Netzbetreiber nach deren Vorgaben durch eigene Maßnahmen zu unterstützen.1030 In aller Regel werden Eingriffe in Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen durch den Anschlussnetzbetreiber erfolgen und nicht durch vorgelagerte Netzbetreiber.1031 Bei Rückgriffen auf den nachgelagerten Netzbetreiber muss zuvor geprüft werden, ob dessen Mitwirkung auch erforderlich ist, oder ob nicht mildere Mittel – im eigenen Netz – zur Verfügung stehen.1032 Allerdings dürfte es im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 (größtmögliche 1027
BT-Drs. 18/7317, S. 99. BT-Drs. 18/7317, S. 103. 1029 Siehe dazu Teil 2 A.V. 1030 BT-Drs. 17/6072, S. 73. 1031 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 521. 1032 Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 183); de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 68); Rieke/Weise/Hartmann, Entwurf einer VDE-AR zur Kaskade – eine rechtliche Einordnung, ER 2016, S. 78 ff. (S. 80). 1028
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
Einspeisung aus privilegierten Anlagen) geboten sein, auf Systemsicherheitsmaßnahmen gegenüber konventionellen Anlagen in nachgelagerten Netzen zurückzugreifen, bevor die ÜNB im eigenen Netz angeschlossene EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen regeln.1033 b) Handlungsformen Mit der Auswahl der Rangstufe, auf der der ÜNB tätig werden darf, ist noch nicht geklärt, welche Maßnahme er anwenden darf bzw., ob er insoweit in seiner Auswahlentscheidung frei ist. Dabei stellt sich zunächst die Frage, auf welcher Seite des Elektrizitätsversorgungssystems eine Handlung durchgeführt werden soll: im Netz selbst, auf der Erzeugungsseite oder bei der Last. Netzseitige Eingriffshandlungen dürften in aller Regel unmittelbar mit dem Begriff der netzbezogenen Maßnahmen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG) verbunden sein, so dass diese in erster Linie auf der ersten Stufe der Systemverantwortung maßgeblich sind. Relevanter sind deshalb die erzeugungs- und lastseitigen Handlungsformen, die sowohl bei marktbezogenen Maßnahmen als auch bei den Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG einsetzbar sind. Geht es um Gefährdungen der Systembilanz, ist also zu besorgen, dass sich Einund Ausspeisungen von Strom nicht entsprechen, setzen die ÜNB Regelenergie als marktbezogene Maßnahme ein, soweit sich kein Ausgleich über die Bilanzkreise einstellt.1034 Ist die Last größer als die Einspeisung, kommt positive Regelenergie zum Einsatz.1035 Hierzu kann entweder mehr Strom eingespeist werden, indem bestimmte Anlagen kurzfristig hochgeregelt werden, oder aber der Gesamtverbrauch verringert werden, indem einzelne Verbraucher vom Netz genommen werden. Gleichermaßen können auch abschaltbare Lasten im Sinne der AbLaV eingesetzt werden.1036 In der umgekehrten Situation, wenn also die Einspeisung die Last übersteigt, wird negative Regelenergie eingesetzt.1037 Dabei kann entweder die Einspeisung verringert werden oder es können Lasten zugeschaltet werden, die in erhöhtem Umfang Strom abnehmen. Eine Unterscheidung zwischen Regelenergie1033 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 98 f., 139, § 14 Rn. 20. 1034 Siehe dazu Teil 2 B.III.1. Im äußersten Fall ist ein Rückgriff auf die Kapazitätsreserve nach § 13e EnWG erforderlich. 1035 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 309). 1036 In der Praxis scheint gleichwohl ein erst nachrangiger Rückgriff auf die AbLaV üblich zu sein, vgl. Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, BadenBaden 2015, S. 190. 1037 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 309); von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 609).
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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Maßnahmen, die die Einspeisung betreffen und solchen, die auf der Verbrauchsseite wirken, erfolgt nicht. Allerdings ist bei EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWKAnlagen das Vorrangprinzip zu beachten, soweit es um eine mögliche Anlagenabregelung durch den ÜNB geht (negative Regelenergie); eine Abweichung hiervon ist nur für EE- und Grubengas-Anlagen möglich (über § 11 Abs. 3 EEG 2017), das KWKG enthält nur für Vereinbarungen nach § 13 Abs. 6a EnWG eine Abweichungsmöglichkeit (§ 3 Abs. 3 KWKG). Diese betrifft aber nur das Engpassmanagement (§ 13 Abs. 6a S. 5 EnWG). Die Ausschreibung von Regelenergie erfolgt bei Sekundärregelung und Minutenreserve nur getrennt nach positivem und negativem Regelenergiebedarf (§ 6 Abs. 3 S. 2 StromNZV), bei Primärregelenergie wird gar keine Unterscheidung der Regelenergieformen getroffen. Die Auswahl der konkret anzusteuernden Erzeuger oder Verbraucher richtet sich dann – nach Bestimmung der relevanten Gefährdung (Stromdefizit oder -überschuss) sowie der relevanten Regelenergieart (Primär- oder Sekundärregelenergie bzw. Minutenreserve) – alleine nach der merit order: Zunächst kommt der Anbieter mit dem günstigsten Arbeitspreis zum Zug, danach folgen die Anbieter mit den nächsthöheren Angeboten1038 – solange, bis der Bedarf an Regelenergie gedeckt ist (vgl. § 7 StromNZV).1039 Die Adressatenauswahl folgt also hier ausschließlich monetären Gesichtspunkten. Das liegt v. a. daran, dass Frequenzschwankungen anders als Netzengpässe nicht an einem bestimmten Punkt im Netz festgemacht werden können und eine an der Einsatzeffizienz ausgerichtete, netzknotenscharfe Anlagenauswahl deshalb nicht erforderlich ist.1040 Eine Abweichung ist jedoch bei „Netzeinschränkungen“ möglich (§ 7 S. 2 StromNZV). Solche Situationen können eintreten, wenn der Abruf von Regelenergie aus einer nach der merit order anzusteuernden Anlage aufgrund der Netzsituation nicht zweckgerichtet erfolgen kann, wenn also etwa ein Netzengpass den frequenzregelnden Eingriff durch diese Anlage konterkariert. Der ÜNB muss Abweichungen aufgrund von Netzeinschränkungen begründet darlegen. Im Rahmen des Engpassmanagements wird, soweit ein Rückgriff auf netzbezogene Maßnahmen nicht ausreicht, auf der Stufe der marktbezogenen Maßnahmen in der Regel ein Redispatching durchgeführt.1041 Dabei werden Erzeugungsanlagen vor dem Netzengpass abgeregelt, während solche nach dem Engpass hochgefahren
1038
Gezahlt wird jeweils der individuelle Preis nach dem pay as bid-Verfahren (also kein Grenzpreis, der für alle gültig ist). 1039 Von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 618). 1040 BNetzA, Bericht zu den Auswirkungen des Kernkraftausstiegs auf die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit, August 2011, S. 72; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 470. 1041 Siehe dazu Teil 2 B.III.2.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
werden.1042 Es werden also „Kraftwerkspaare“ vor und hinter dem Engpass gebildet.1043 Die Drosselung von EE- und Grubengas-Anlagen ist nur über § 11 Abs. 3 EEG 2017 möglich, bestimmte KWK-Anlagen können in Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG einbezogen werden. Im Rahmen des gesetzlichen Redispatch scheidet (wie bereits dargestellt) ein Zugriff auf privilegierte Anlagen aus, da insoweit eine teleologische Reduktion vorzunehmen ist.1044 Verbrauchsanlagen sind – mit Ausnahme von Speicheranlagen nach § 13a Abs. 1 EnWG – vom Redispatch an sich nicht betroffen. Allerdings kann alternativ bzw. ergänzend zum Redispatching auch auf abschaltbare Lasten im Sinne der AbLaV zugegriffen werden.1045 Statt des Hochfahrens von Erzeugungsanlagen hinter dem Engpass können stattdessen auch Lasten abgeschaltet werden, was insbesondere dann von Bedeutung ist, wenn lokal ein Defizit an Erzeugungsleistung besteht.1046 Zudem können Engpässe unter Umständen nicht nur durch die Drosselung der Einspeisung bestimmter Erzeugungsanlagen, sondern auch durch die gezielte Zuschaltung von Verbrauchsanlagen behoben werden. Ein allgemeines Vorrangverhältnis zwischen Redispatch und vertraglichem Lastmanagement ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und lässt sich auch nicht aus höherrangigen Rechtsprinzipien ableiten.1047 Dies ergibt sich vor allem daraus, dass den Eingriffen der ÜNB – mit Ausnahme von § 13a Abs. 1 EnWG, dessen besondere Bedeutung bereits dargestellt wurde – vertragliche Vereinbarungen zugrunde liegen. Sämtliche marktbezogenen Maßnahmen sind untereinander als grundsätzlich gleichrangig einzuordnen, egal, auf welcher Seite des Elektrizitätssystems sie wirken.1048 Die Frage nach dem Verhältnis von Erzeugungs- und Lastmanagement gewinnt jedoch an Bedeutung, soweit der Einsatz von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG bzw. des Einspeisemanagements nach § 14 EEG 2017 relevant wird. Hiernach ist die Anpassung jeglicher Stromeinspeisungen und Stromabnahmen mög1042
Consentec/Frontier, Methodische Fragen bei der Bewirtschaftung innerdeutscher Engpässe im Übertragungsnetz (Energie), 2008, S. 5; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 31; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 25; vgl. auch Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43 f.). 1043 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 185. 1044 Vgl. nur Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 50 ff. 1045 Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 326). 1046 König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 201). 1047 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 496 f. 1048 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 497; vgl. auch VDN, Transmission Code 2007, Anhang A, S. 1.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
239
lich1049, wobei dies für sämtliche Gefährdungsformen gilt. Das Vorrangprinzip für die Einspeisung von Strom aus EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen wird in § 13 Abs. 3 S. 1, 3 EnWG abgesichert und bildet einen zentralen Handlungsmaßstab des § 13 Abs. 2 EnWG. Ein Rückgriff auf Notmaßnahmen darf entsprechend der bereits beschriebenen Stufenfolge der Systemverantwortung erst nach Ausschöpfung sämtlicher relevanter marktbezogener Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG inklusive des Einsatzes von Reserven nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG erfolgen. Folglich dürfen auch keine privilegierten Anlagen nach § 13 Abs. 2 EnWG bzw. § 14 EEG 2017 abgeregelt werden, solange noch marktbezogene Maßnahmen des Redispatchings oder des Lastmanagements zur Verfügung stehen. An dieser Stelle sind künftig die mit dem Strommarktgesetz eingeführten vertraglichen Vereinbarungen nach § 13 Abs. 6a EnWG relevant.1050 Diese betreffen die Koppelung von KWK-Anlagen mit Power-to-Heat-Anlagen. In Engpassfällen kann der ÜNB danach vertraglich kontrahierte KWK-Anlagenbetreiber zur Drosselung der Einspeisung aus ihrer KWK-Anlage auffordern und gleichzeitig Strom aus dem Netz liefern, der in einer Power-to-Heat-Anlage in Wärme umgewandelt wird (§ 13 Abs. 6a S. 1 EnWG). Hiernach werden hocheffiziente KWK-Anlagen unter Abweichung vom Einspeisevorrang (§ 3 Abs. 3 KWKG) in den Redispatch einbezogen und gleichzeitig zusätzliche Verbrauchsanlagen hochgefahren. In Bezug auf den zu beseitigenden Netzengpass ergibt sich durch dieses Spezialinstrument eine doppelte Entlastungswirkung, indem einerseits weniger Strom eingespeist wird und durch die Lastzuschaltung andererseits dem Netz zusätzlicher Strom entnommen wird.1051 Bevor also im Rahmen des EinsMan auf die Abregelung von EE-Anlagen zurückgegriffen werden darf, sind zunächst Maßnahmen nach § 13 Abs. 6a EnWG zu ergreifen, indem vorrangig (auch) hocheffiziente KWK-Anlagen zu drosseln sind und gleichzeitig ein Strombezug zusätzlicher Lasten veranlasst wird. Das Instrument dient also dem Schutz der Einspeisung aus EE-Anlagen.1052 Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG dürfen nach Ausschöpfung der „übrigen Maßnahmen“ nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG, also dem vertraglichen bzw. gesetzlichen Redispatching oder auch sonstigem Lastmanagement, herangezogen werden (§ 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 1 EnWG), aber offensichtlich vorrangig zum Einsatz von zusätzlichen Reserven, da kein Verweis auf § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG erfolgt. Die Nachrangigkeit zum regulären Redispatch erklärt sich daraus, dass hocheffiziente KWK-Anlagen ja nichtsdestotrotz auch weiterhin privilegiert sind; eine komplette Einbeziehung in das Standardinstrument des Redispatchings würde diese Privilegierung für die nach § 13 Abs. 6a EnWG kontrahierten Anlagen vollständig aufheben. Mit der Einführung von § 13 Abs. 6a EnWG wurde ein Schritt in die Richtung unternommen, dass vorrangig zur Drosselung der Einspeisung aus EE die Zu1049 1050 1051 1052
Darüber hinaus kann auch auf Stromtransite zugegriffen werden. Teil 2 B.III.4. BT-Drs. 18/8860, S. 333. BT-Drs. 18/8860, S. 333.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
schaltung von Lasten durchgeführt wird. Eine Vorgabe in diesem Sinne enthält nun auch § 13 Abs. 3 S. 5 EnWG, wonach Ausnahmen vom Einspeisevorrang unter Beibehaltung der Einspeisung aus must-run-units nur dann zulässig sind, wenn keine „technisch gleich wirksamen anderen Maßnahmen“ verfügbar gemacht werden können. Hier ist also insbesondere zu prüfen, ob auch Verträge mit Lasten bestehen, die herangezogen werden können. Darüber hinaus ergeben sich innerhalb der Notmaßnahmen, also soweit keine vertraglichen Regelungen mehr bestehen, auf die zurückgegriffen werden kann, keine allgemeinen Vorrang-Nachrang-Verhältnisse. Durch den ÜNB erzwungene Verbrauchsabschaltungen und Einspeiseerhöhungen erfolgen also im Rahmen der individuellen Adressatenauswahl, ohne dass sich aus dem Gesetz oder den allgemeinen Rechtsgrundsätzen bestimmte, eindeutige Wertigkeiten ableiten lassen. Zwar dienen die Vorschriften der Systemverantwortung gerade der Aufrechterhaltung der Versorgung der Verbraucher mit Elektrizität.1053 Dies schließt aber nicht aus, dass es – gerade zum Schutz aller übrigen Verbraucher – erforderlich sein kann, bestimmte Verbrauchsanlagen abzuregeln und nicht stattdessen auf die Erhöhung der Einspeisung aus möglicherweise örtlich weniger günstig gelegenen Erzeugungsanlagen Einfluss zu nehmen. § 13 Abs. 2 EnWG dient der ultimativen Gefahrenabwehr für das Gesamtsystem und nicht dem Schutz jedes einzelnen Verbrauchers.1054 In § 13 Abs. 2 EnWG werden deshalb Eingriffe in die Stromeinspeisung und die Stromabnahme gleichermaßen genannt, ohne dass sich hieraus eine Abstufung ableiten lässt. Gleichermaßen besteht umgekehrt auch kein allgemeiner Vorrang der zwangsweisen Zuschaltung zusätzlicher Verbräuche im Vergleich zur zwangsweisen Abregelung von Erzeugungsanlagen. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um privilegierte Anlagen handelt, soweit keine Verträge mehr nach § 13 Abs. 6a EnWG bestehen. Die Vorrangregelungen in § 11 EEG 2017 und § 3 KWKG betreffen nach dem eindeutigen Wortlaut nur die Erzeugungsseite: Privilegierte Erzeugungsanlagen sollen – zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen – gegenüber den sonstigen, konventionellen Anlagen bessergestellt werden.1055 Das Verhältnis zum Lastmanagement wird hiervon nicht betroffen.1056
1053
Vgl. Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 235). 1054 Vgl.: Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 27; Erbring/Kuring/ Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 199. 1055 Vgl. etwa: Altrock/Herrmann, Ausbau der Windenergie und Laufzeitverlängerung – energiewirtschaftliche und rechtliche Herausforderungen für das zukünftige Marktdesign, ZNER 2010, S. 350 ff. (S. 351); Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 19. 1056 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 497 f.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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3. Auswahl des korrekten Adressaten Die letzte Auswahlebene beim Einsatz von Maßnahmen nach § 13 EnWG ist die Bestimmung des korrekten Adressaten. Wie dargestellt, kann innerhalb der gleichen Rangstufe sowohl auf Erzeugungs- als auch auf Lastseite eingegriffen werden. Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG sind zu berücksichtigen, bevor EE-Anlagen abgeregelt werden dürfen. Allerdings muss darüber hinaus auch geklärt werden, auf welchen konkreten Adressaten zugegriffen werden darf. Hier ist vorab herauszuarbeiten, ob eine Unterscheidung nach Adressatentypen vorzunehmen ist, sodann wird die individuelle Adressatenauswahl dargestellt. a) Adressatentypen Zunächst ist zu untersuchen, ob es explizite oder implizite Vorgaben gibt, die den vorrangigen bzw. nachrangigen Zugriff auf bestimmte Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen gleicher Art vorschreiben. Dies betrifft einerseits den gesetzlichen Redispatch und andererseits das Verhältnis von EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen im Einspeisemanagement zueinander sowie bestimmter Anlagenarten untereinander. aa) Gesetzlicher Redispatch: Umgang mit Kondensationsstrom und Strom aus nicht hocheffizienter KWK? Beim gesetzlichen Redispatch können nach dem Wortlaut von § 13a Abs. 1 S. 1 EnWG alle1057 Betreiber von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung von elektrischer Energie mit einer Nennleistung von mindestens 10 Megawatt zur Anpassung der Wirk- oder Blindleistungseinspeisung verpflichtet werden. Wie bereits dargelegt, können privilegierte Erzeugungsanlagen hier nicht einbezogen werden, ein Zugriff ist erst auf der Ebene der Notmaßnahmen bzw. des Einspeisemanagements erlaubt.1058 Dies betrifft allerdings nicht solchen Strom aus KWK-Anlagen, der nicht in einem Kopplungsprozess generiert wird (Kondensationsstrom) – auf diesen kann ohne Weiteres zurückgegriffen werden. Im Übrigen können nicht hocheffiziente KWK-Anlagen herangezogen werden. Das folgt daraus, dass das Vorrangprinzip nach § 3 Abs. 1 S.1 KWKG nur für KWK-Strom – also tatsächlich unter Aus1057 Die BNetzA erkennt allerdings – in ihrer an sich aufgehobenen Redispatch-Festlegung – an, dass bestimmte Anlagen nicht herangezogen werden dürfen: „Leistungsscheiben von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie, deren Brennstoffverfeuerung oder Primärenergieträgerverbrauch aufgrund von gesetzlichen oder behördlichen Vorgaben bzw. aufgrund von an die Stromproduktion gekoppelten industriellen Produktionsprozessen nicht disponibel ist, sind für Wirkleistungsanpassungen nicht heranzuziehen. Die Übertragungsnetzbetreiber sind berechtigt, vom Anlagenbetreiber einen Nachweis über die eingeschränkte Disponibilität der Erzeugungs- oder Speicheranlage einzufordern.“ (BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 3 f.). 1058 Teil 2 B.III.2.c)aa).
242
Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
kopplung und Nutzung von Wärme generierten Strom – aus hocheffizienten KWKAnlagen gilt.1059 Kondensationsstrom und Strom aus nicht hocheffizienten KWKAnlagen sind also nicht von Vorrangprinzip und Einspeisemanagement erfasst und können deshalb in § 13a Abs. 1 EnWG geregelt werden. Eine darüber hinausgehende Unterscheidung nach Anlagentypen erfolgt bei § 13a Abs. 1 EnWG allerdings nicht. bb) Einspeisemanagement: Umgang mit kleinen privilegierten Erzeugungsanlagen, insbesondere Photovoltaik? Etwas Anderes gilt aber im Rahmen von § 14 EEG 2017. Das Verhältnis der privilegierten Anlagentypen zueinander wird im Einspeisemanagement durch § 14 Abs. 1 S. 2 und – wie vertreten wird (dazu sogleich) – S. 3 EEG 2017 näher ausdifferenziert. In § 14 Abs. 1 S. 2 EEG 2017 wird festgelegt, dass Anlagen im Sinne von § 9 Abs. 2 EEG 2017 nachrangig gegenüber den übrigen privilegierten Anlagen zu regeln sind. Dies betrifft Anlagen zur Erzeugung von solarer Strahlungsenergie mit einer installierten Leistung von höchstens 100 Kilowatt, also kleine, häufig von Privatpersonen auf dem Hausdach betriebene PV-Anlagen.1060 Diese sollen dem Einspeisemanagement zwar nicht gänzlich entzogen sein, aber andererseits auch nur dann geregelt werden, wenn bereits alle sonstigen privilegierten Anlagen im betroffenen Netzbereich gedrosselt wurden. Sie stehen also ganz am Ende der zur Beseitigung von Engpässen heranziehbaren Erzeugungsanlagen im Rahmen des Einspeisemanagements. Ein Zugriff auf sonstige Erzeugungsanlagen mit einer Nennleistung von maximal 100 Kilowatt ist von § 14 i.V.m. § 9 EEG 2017 de facto bereits nicht erfasst. Solche Anlagen können also nur über § 13 Abs. 2 EnWG geregelt werden1061 – und zwar wiederum erst nach den von § 9 Abs. 2 EEG 2017 adressierten PV-Anlagen mit maximal 100 Kilowatt.1062 Der Grund ist, dass bei Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 14 EEG 2017 auf die Eingriffskompetenz des 13 Abs. 2 EnWG gegenüber privilegierten Anlagen nur nachrangig zurückgegriffen werden darf (§ 13 Abs. 3 S. 3 EnWG). cc) Einspeisemanagement: Umgang mit der Verschiebbarkeit der Einspeisung privilegierter Erzeugungsanlagen? Daneben enthält § 14 EEG 2017 in Absatz 1 Satz 3 eine weitere Vorgabe zur Anlagenauswahl, deren objektiver Gehalt jedoch stark umstritten ist. Dort heißt es: 1059
Teil 2 A.IV.1. Zu beachten ist jedoch § 9 Abs. 3 EEG 2017, wonach mehrere Anlagen unter bestimmten Umständen als eine Anlage im Sinne von § 9 Abs. 1 und 2 EEG 2017 gelten. 1061 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 10. 1062 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 78; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 210. 1060
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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„Im Übrigen müssen die Netzbetreiber sicherstellen, dass insgesamt die größtmögliche Strommenge aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung abgenommen wird.“ Ursprünglich handelte es sich hierbei um ein Tatbestandsmerkmal des Einspeisemanagements1063 ; mit dem EEG 2012 wurde die Regelung jedoch zu einer reinen Umsetzungsvorgabe umfunktioniert, betrifft also nun nicht mehr das „ob“ der Abregelung, sondern das „wie“. Ungeklärt ist hier insbesondere, ob die geforderte größtmögliche Stromabnahme von EE- und KWK-Strom (gekoppelt erzeugter Strom aus hocheffizienten KWK-Anlagen1064) die Verschiebbarkeit der Stromeinspeisung aus Anlagen adressiert, die im Falle einer Abregelung den an sich zu erzeugenden Strom auch später noch erzeugen bzw. einspeisen können.1065 Diese wären dann vorrangig abzuregeln, da ihr Einsatz nachgeholt werden kann und somit kein privilegierter Strom verloren geht.1066 Im Ergebnis würde eine entsprechende Interpretation von § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 dazu führen, dass Windkraftund PV-Anlagen im EinsMan immer erst als vorletztes – also nach allen anderen privilegierten Anlagen, aber vor kleinen PV-Anlagen im Sinne von §§ 14 Abs. 1 S. 2 und 9 Abs. 2 EEG 2017 – geregelt werden dürften.1067 Der Grund liegt in der Bindung dieser Anlagen an die Naturgegebenheiten: Die maximale Stromeinspeisung richtet sich danach, wie viel Wind weht bzw. wie stark die Sonneneinstrahlung ist – eine Speicherung von Wind oder Sonne ist freilich nicht möglich. Allenfalls kann der bereits erzeugte Strom gespeichert werden. Anders ist dies aber bei brennstoffbasierten Anlagen (konventionelle KWK und Biomasse mit oder ohne KWK) oder 1063 Vgl. BT-Drs. 16/8148, S. 46; a.A. bereits damals Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 236). 1064 Vgl. dazu Teil 2 A.IV.3. So auch Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/ Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 50. 1065 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 505 ff. 1066 So die überwiegende Meinung in der Literatur: Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-EnergienGesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 525); Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 227); Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 20 f.); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 72 ff.; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 67; Wustlich/ Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 52 ff.; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 231 ff. („unter den gegebenen Bedingungen“); Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 27 (offensichtlich); Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 13 Rn. 8.; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 208; unklar: Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 90 ff. 1067 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 506.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
Wasserkraftwerken, hier ist eine Verschiebung der Einspeisung möglich, da die Brennstoffe im Grundsatz speicherbar sind bzw. der Wasserdurchlauf steuerbar ist.1068 Betrachtet man den Wortlaut von § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017, so ist die Interpretation, dass diejenigen Anlagen, die die Stromeinspeisung verschieben können, vorrangig abgeregelt werden müssen, nachvollziehbar. In einem weiten zeitlichen Maßstab, also einer Gesamtbetrachtung über die Zeit, kann die Gesamtmenge an Strom aus EE und hocheffizienter KWK nur dann „größtmöglich“ sein, wenn man auch Verschiebungspotenziale von solchen privilegierten Anlagen nutzt, die den Strom ggf. auch später erzeugen können.1069 Auch das Wort „insgesamt“ deutet vage auf einen über die Ist-Situation hinausgehenden Zeithorizont hin. Andererseits ist diese Auslegung nicht zwingend und lässt auch andere Deutungen zu.1070 So könnte man ebenso gut auch schlussfolgern, dass dem Wortlaut keine zeitliche Komponente zu entnehmen ist und sich das „insgesamt“ nur auf den Umfang der Abnahme von Strom aus EE und hocheffizienter KWK im relevanten Zeitpunkt, also dem Zeitpunkt der Abregelungsentscheidung, bezieht.1071 Der Netzbetreiber muss nach dieser Auslegung keine typenbezogene Anlagenauswahl treffen, sondern im Rahmen der individuellen Adressatenwahl berücksichtigen, dass der maximal mögliche Strom aus EE- und hocheffizienten KWK-Anlagen eingespeist wird. Er muss also die abzuregelnden Anlagen so auswählen, dass die in der Ist-Situation verbleibende Einspeisung aus privilegierten Anlagen – soweit es die effektive Beseitigung des bestehenden oder drohenden Netzengpasses erlaubt – so hoch wie möglich ist. Die letztgenannte Auslegung findet eine Stütze in der Entwurfsbegründung des Gesetzgebers – bzw. darin, was in dieser nicht enthalten ist: Die Ausnutzung der Verschiebbarkeit der Stromeinspeisung aus nicht volatil einspeisenden Anlagen wird dort nicht erwähnt.1072 Stattdessen heißt es dort im Anschluss an eine kurze Beschreibung der nachrangigen Berücksichtigung kleiner PV-Anlagen (§ 14 Abs. 1 S. 2 EEG 2017): „Vorher soll der Netzbetreiber mittels einer Sensitivitätsanalyse si1068 Allerdings gilt das nicht ausnahmslos: Bei Laufwasserkraftwerken können sich etwa wasser- und naturschutzrechtliche Beschränkungen ergeben, auch bei Biogasanlagen ist eine Verschiebung der Stromerzeugung nicht immer ohne Weiteres möglich. Siehe hierzu König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 510. 1069 So etwa Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 50. 1070 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 506. Dies gesteht auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 235, ein. 1071 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 506 f. 1072 Näheres hierzu, auch zur wortgleichen Vorgängerregelung in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2009, bei König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 507 ff.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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cherstellen, dass die Anlagen abgeregelt werden, die den größten Einfluss auf die Verbesserung der Netzsituation haben, damit insgesamt möglichst viel Strom aus erneuerbaren Energien abgenommen werden kann.“1073 Der Gesetzgeber beschreibt also die aus seiner Sicht zielführende Methode der individuellen Anlagenauswahl (Sensitivitätsanalyse), mit der gewährleistet werden kann, dass ein Maximum an Strom aus EE abgenommen wird. Zwar vergisst er dabei zum einen die Erwähnung der (hocheffizienten) KWK-Anlagen, zum anderen entspricht „möglichst viel“ nicht „größtmöglich“, wie es das EEG aber verlangt. Dennoch ist die Aussage des Gesetzgebers bedeutsam, da sich hieraus klar die Tendenz zu einer rein individuell geprägten Adressatenauswahl ableiten lässt.1074 Die Frage der Verschiebbarkeit der Einspeisung war im Übrigen Thema der parlamentarischen Ausarbeitung1075, eine Änderung des Wortlauts der Regelung des Regierungsentwurfs erfolgte jedoch insoweit gerade nicht, so dass hieraus keine gegenteiligen Schlüsse gezogen werden können.1076 Gegen die Berücksichtigung von Verschiebungspotenzialen spricht auch der Blick auf die Systematik der Regelungen zum EEG 2017. So besteht nach § 85 Abs. 2 Nr. 2 EEG 2017 eine Festlegungskompetenz der Bundesnetzagentur, im Anwendungsbereich von § 14 EEG 2017 zu bestimmen, „in welcher Reihenfolge die verschiedenen von einer Maßnahme nach § 14 betroffenen Anlagen und KWK-Anlagen geregelt werden“ (lit. a)) und „nach welchen Kriterien der Netzbetreiber über diese Reihenfolge entscheiden muss“ (lit. b)). Die BNetzA, die bislang keine derartige Festlegung getroffen hat, ist dabei an die Vorgaben des Gesetzes gebunden, also insbesondere an § 14 Abs. 1 S. 2 EEG 2017 zur nachrangigen Abregelung kleiner PV-Anlagen und § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 zur größtmöglichen Stromabnahme aus privilegierten Anlagen. Interpretiert man die letztgenannte Vorschrift im Sinne einer Regelung zur Verschiebbarkeit der Stromerzeugung bzw. -einspeisung, so ergibt sich die Reihenfolge weitgehend von selbst, da damit Wind- und PV-Anlagen generell nachrangig abgeregelt werden müssten.1077 Der verbleibende Festlegungsspielraum wäre damit zwar nicht auf Null reduziert, jedoch erheblich eingeschränkt, so dass sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Festlegungsbefugnis der BNetzA auf-
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BT-Drs. 17/6071, S. 64. Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 509. 1075 BT-Drs. 16/9477, S. 23: „Im Ergebnis sollen zuerst diejenigen Erzeugungseinheiten herangezogen werden, die den stärksten Effekt auf die Sicherstellung der (n-1)-Sicherheit erwarten lassen und gleichzeitig die Möglichkeit zur Verschiebung ihrer Einspeisung haben.“ 1076 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 508 f.; a.A. etwa Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-EnergienGesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 525). 1077 Vgl. dazu auch BT-Drs. 17/6247, S. 30. 1074
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
drängen würde.1078 Bei Anwendung einer systematischen Auslegung spricht also mehr dafür, dass der expliziten Festlegungsbefugnis auch ein markanter Regelungsumfang eröffnet sein muss.1079 Ein weiteres systematisches Argument ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Tatbestand und Regelungsvorgaben des Einspeisemanagements. Die Anwendung des EinsMan ist auf eine konkrete Engpasssituation beschränkt und endet mit der Beseitigung dieser Gefährdung. Eine Erstreckung der weiteren Regelungsvorgaben, also des „wie“ der Anlagendrosselung, auf einen quasi unendlichen Zeithorizont, der die Verschiebbarkeit der Einspeisung berücksichtigt, erscheint somit zwar nicht ausgeschlossen, aber doch zumindest widersprüchlich.1080 Betrachtet man den Sinn und Zweck der Regelung des § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017, so ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei der Untersuchung des Wortlauts: Beide Seiten können hieraus grundsätzlich Argumente ableiten. Einerseits lässt sich gut vertreten, dass dem Vorrangprinzip nach § 11 EEG 2017 bzw. § 3 KWKG am besten genügt wird, wenn auch die Verschiebungspotenziale bestimmter privilegierter Anlagen berücksichtigt werden, so dass über die Zeit gesehen, die tatsächlich größtmögliche Strommenge aus EE und hocheffizienter KWK eingespeist werden kann. Auf diese Weise kann den Umweltzielen an sich bestmöglich gedient werden.1081 Andererseits ist zu beachten, dass damit Wind- und PV-Anlagen in den Genuss einer „privilegierten Privilegierung“ kommen würden, während etwa KWKAnlagen regelmäßig vorher abgeregelt werden müssten. Eine solche Zusatzprivilegierung steht aber im Widerspruch zur grundsätzlichen Gleichrangigkeit1082 der vorrangigen Abnahme von Strom aus EE einerseits und solchem aus hocheffizienter KWK, die in den §§ 11 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 und 3 Abs. 2 S. 1 KWKG explizit verankert ist.1083 Die Härtefallentschädigung des § 15 EEG 2017 bietet grundsätzlich auch keinen vollständigen monetären Ausgleich, so dass die Verschiebung der Einspeisung keine bloße zeitliche Verzögerung bewirkt, sondern finanzielle Folgen 1078 Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 71 (Stand: Mai 2016). 1079 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 507. Vgl. zudem Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 67. 1080 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 232 f. 1081 Kritisch hierzu: König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 509 ff.; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 237 f.; Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 94. 1082 Ausnahmen ergeben sich allerdings aus § 3 Abs. 2 und 3 KWKG. 1083 Vgl. auch: Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 236 f. („diskriminierende Folgen“); Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 96; a.A. Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 76.
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hat.1084 Wenn sich aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten ergibt, dass bestimmte Anlagen häufiger geregelt werden als andere und sich damit implizit eine Besserbzw. Schlechterstellung bestimmter Anlagentypen herauskristallisiert, stellt dies die dargestellte Gleichrangigkeit – anders als bei der generell vorgegebenen Berücksichtigung von Verschiebungspotenzialen – nicht in Frage. Die Auslegung führt somit zu dem Ergebnis, dass § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 nicht verlangt, dass die Stromeinspeisung aus privilegierten Anlagen, die die Einspeisung verschieben können, vor den volatil einspeisenden Erzeugungsanlagen abgeregelt werden muss.1085 Zwar kann man ein solches Vorgehen mit guten Argumenten für wünschenswert halten, die derzeitige Rechtslage bietet hierfür aber keine ausreichenden Anhaltspunkte.1086 Auch kann nicht auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgestellt werden, da die Nutzung von Verschiebungspotenzialen kein „milderes Mittel“ im Vergleich zur Gleichbehandlung aller privilegierten Stromeinspeiser darstellt, sondern eine politische Entscheidung.1087 Der Gesetzgeber hat sich aber augenscheinlich nicht dafür entschieden, das Einspeisemanagement dahingehend zu regeln. Stattdessen stellt er Maßgaben zur individuellen Adressatenauswahl bereit (dazu im folgenden Unterkapitel) und überlässt das Weitere der BNetzA. König bringt das Gesagte folgendermaßen auf den Punkt: „Es erscheint ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber, der für das EEG im Übrigen eine eher ausführliche Regelungstechnik gewählt hat, eine solch weitreichende Regelung [also die vorrangige Abregelung von Anlagen, die ihre Einspeisung verschieben können] hinter der unscheinbaren Formulierung des Abs. 1 S. 3 versteckt hätte.“1088 Zu ergänzen sei hierzu, dass bei der Berücksichtigung von Verschiebungspotenzialen etwa zu klären wäre, ob eine pauschale Unterscheidung nach bestimmten Anlagentypen (und wenn ja, nach welchen) erfolgt, oder ob etwa auch das Vorhandensein von Anlagen zur Zwischenspeicherung bei volatil erzeugenden Anlagen berücksichtigt werden muss. Ersteres erfordert eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Anlagentypen und ihrer generellen Fähigkeit zur Verschiebung der Einspeisung1089 – 1084 Dies übersehen augenscheinlich Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 76 und Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 235. 1085 Ebenso: König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 511; Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 71 f. (Stand: Mai 2016). 1086 Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/ Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 191). 1087 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 235. 1088 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 50. 1089 Vgl.: Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 53 ff.; Kaplun, Entscheidungsspielräume
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
und kann aufgrund der Pauschalisierung dennoch zu falschen Ergebnissen führen. Die Berücksichtigung der individuellen Anlagensituation wiederum könnte die Entwicklung und den Zubau von Speicheranlagen konterkarieren, soweit deren Vorhandensein im EinsMan die negative Folge der vorrangigen Abregelung verursachen kann.1090 dd) Einspeisemanagement: Rolle und Einordnung der Grubengas-Anlagen? Was mit Blick auf § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 allerdings noch auffällt, ist, dass Grubengas-Anlagen hier nicht erwähnt sind, obwohl sie ebenso wie EE- und hocheffiziente KWK-Anlagen von der vorrangigen Stromabnahme profitieren (§§ 11 Abs. 1 S. 1 EEG 2017) und dementsprechend auch vom EinsMan erfasst sind (§ 14 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 3 Nr. 1 EEG 2017).1091 Nach dem Wortlaut der Regelung müssen die Netzbetreiber also nicht sicherstellen, dass die größtmögliche Strommenge aus erneuerbaren Energien, Kraft-Wärme-Kopplung und Grubengas abgenommen wird. Warum der Gesetzgeber diese Einschränkung vornimmt, wird in den Entwurfsbegründungen nicht erwähnt.1092 Da der Gesetzgeber die Regelung aber im Wortlaut unverändert vom EEG 2009, damals noch als Tatbestandsvoraussetzung (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2009), in das EEG 2011 (§ 11 Abs. 1 S. 3 EEG 2011) und schließlich in das EEG 2014 bzw. das EEG 2017 (§ 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017) übernommen hat, scheint dem eine bewusste Entscheidung zugrunde zu liegen und kein Redaktionsversehen.1093 Es ist nicht die Aufgabe des Gesetzgebers, das Fehlen bestimmter Normelemente im Gesetz zu erklären.1094 Auch die Tatsache, dass Grubengas zwar im Einspeisemanagement auf Tatbestandsebene privilegiert wird, bei der Adressatenauswahl jedoch nicht auf die selbe Ebene wie EE und hocheffiziente KWK gesetzt wird, stellt keinen Widerspruch dar, da Grubengas – obwohl an des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 240 ff. 1090 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 238 f. 1091 Eine insoweit gleichlautende Vorschrift findet sich im Übrigen in § 11 Abs. 3 S. 2 EEG 2017. 1092 BT-Drs. 16/8148, S. 47; BT-Drs. 17/6071, S. 64. 1093 So etwa auch: Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 229 f.; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 26; a.A.: Ehricke, Die Vornahme einer Regelung von Anlagen nach § 11 EEG (Einspeisemanagement), KSzW 2011, S. 230 ff. (S. 233); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 72; Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 66 (Stand: Mai 2016); Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 85 f. 1094 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 229.
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sich keine erneuerbare Energie – immer noch besser gestellt ist als andere konventionelle Erzeugungsformen, die vorrangig abgeregelt werden (§ 13 Abs. 2 EnWG).1095 Eine vollständige Gleichrangigkeit von EE- und Grubengas-Anlagen ist also nicht angezeigt. Die Vertreter der These, dass § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 die vorrangige Berücksichtigung von Anlagen verlange, die ihre Einspeisung verschieben können, sehen die fehlende Nennung von Grubengas-Anlagen im Übrigen teilweise als Beleg für ihre Auslegung.1096 Sie argumentieren, dass die Nennung solcher Anlagen nicht erforderlich sei, da die Einspeisung aus diesen verschiebbar sei und somit kein Bedarf bestehe, sie in die gesetzliche Forderung zur Aufnahme der insgesamt größtmöglichen Strommenge aus privilegierten Anlagen zu integrieren.1097 Dies überzeugt nicht, da nicht klar wird, warum der Gesetzgeber dann Strom aus KWKAnlagen, deren Einsatz grundsätzlich ebenfalls verschiebbar sein dürfte, im Gegensatz zu Strom aus Grubengas-Anlagen in § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 explizit benennt. Aus der Nichtnennung von Grubengas lassen sich keine Schlüsse hinsichtlich des Bedeutungsgehalts dieser Regelung ziehen. Andererseits lässt sich aber sehr wohl die Entscheidung des Gesetzgebers erkennen, Grubengas-Anlagen im Rahmen der individuellen Adressatenauswahl den EE- und hocheffizienten KWKAusnahmen nicht gleichzustellen.1098 Das heißt, dass Grubengas-Anlagen zwar gleichrangig zu EE- und hocheffizienten KWK-Anlagen gegenüber sonstigen konventionellen Anlagen privilegiert sind, aber innerhalb des EinsMan vorrangig abgeregelt werden.1099 Grubengas-Anlagen bilden also einen besonderen Adressatentypus innerhalb des EinsMan. Die Festlegungskompetenz der BNetzA hinsichtlich der Vorgabe einer Reihenfolge der Abregelung von privilegierten Anlagen (§ 85 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) und b) EEG 2017) ist insoweit beschränkt.
1095 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 229. 1096 So etwa Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 52. 1097 Vgl. etwa König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 46. 1098 Vgl. Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 69. 1099 Vgl. Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 70; so auch: Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 191); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 209 f. Allerdings nennt der Gesetzgeber in BT-Drs. 16/8148, S. 47 im Rahmen der genaueren Beschreibung der Sensitivitätsanalyse plötzlich auch die Grubengas-Anlagen. Hier scheint es sich um ein Versehen zu handeln, da im einleitenden Satz – dem Gesetzeswortlaut entsprechend – nur von Strom aus erneuerbaren Energien und KWK die Rede ist.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
ee) Einspeisemanagement: Nachrangige oder vorrangige Abregelung von KWK-Anlagen? Ein letzter Punkt zur Frage, ob bestimmte Adressatentypen bei der Anlagenauswahl zu bilden sind, ist noch darzustellen: Zum Teil wird vertreten1100, dass KWK-Anlagen im Einspeisemanagement nur nachrangig zu den übrigen privilegierten Anlagen gedrosselt werden dürfen, soweit diesen aufgrund der gleichzeitigen Wärmeproduktion (KWK-Strom) eine Doppelfunktion zukommt, indem neben dem Strommarkt auch der Wärmemarkt bedient bzw. bestimmte wärmebasierte Industrieprozesse durchgeführt werden.1101 Anders als nach der Argumentation zu § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017, nach der die Verschiebbarkeit der Stromeinspeisung zu berücksichtigen sei, was in der Regel zu einem vorrangigen Zugriff auf KWK-Anlagen führen würde, sollen KWK-Anlagen nach dieser Argumentation also erst nach den EE-Anlagen geregelt werden.1102 Dem widerspricht jedoch die bereits erwähnte gesetzlich vorgegebene grundsätzliche Gleichrangigkeit von EE und KWK (§§ 11 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 und 3 Abs. 2 S. 1 KWKG).1103 Zudem haben KWK-Anlagenbetreiber die Möglichkeit, Vorkehrungen zu treffen, um eine gleichbleibende Wärmeversorgung auch im Falle der Drosselung der KWK-Anlage sicherzustellen; zu denken ist dabei insbesondere an die Installation von Wärmespeichern oder die Nutzung von Elektroheizkesseln (Power-to-Heat).1104 Eine besonders KWKfreundliche Gestaltung der Anlagenregelung ist also nicht zu befürworten und findet in den gesetzlichen Vorgaben entsprechend auch keinen Niederschlag. Mit dem KWK-EEG-Änderungsgesetz1105 wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2017 das bislang strenge Gleichrangigkeitsverhältnis von EE- und hocheffizienten KWK-Anlagen allerdings nun erstmals doch aufgebrochen, soweit für KWK-Strom eine Förderung nach § 8a bzw. § 8b KWKG in Anspruch genommen wird (§ 3 Abs. 2 1100 Vgl. etwa BDEW/VKU, Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 36 (Anhang 1); so wohl auch: Ruge/Hennig, in: Gabler/ von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 79 (Stand: Mai 2016); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 209. 1101 Dazu ausführlich Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 107 ff.; vgl. auch BT-Drs. 18/8860, S. 333. Offensichtlich waren die KWK-Anlagenbetreiber in der Praxis mit ihrer Argumentation zuweilen durchaus erfolgreich. 1102 Vgl. hierzu Lehnert, Direktvermarktung und Netzintegration von Strom aus erneuerbaren Energien im EEG 2014 – Gesetzliche Vorgaben und Rechtspraxis, ZUR 2015, S. 277 ff. (S. 280). 1103 Vgl. auch BT-Drs. 17/6247, S. 30. 1104 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 120 f.; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 226; Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 167 f.; vgl. auch BT-Drs. 16/8393, S. 1. 1105 BGBl. 2016 I S. 3106 ff.
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S. 2, 3 KWKG). Zwar bleibt es weiterhin bei der Privilegierung der hocheffizienten KWK gegenüber konventionellen Stromerzeugern. Im Verhältnis zu EE-Anlagen (auch zu Biomasse-KWK, soweit nach EEG gefördert) dürfen solche KWK-Anlagen aber nun vorrangig abgeregelt werden.1106 Spätestens hiermit wird den Vertretern der These, dass KWK in bestimmten Fällen gerade nachrangig zu regeln ist, eine Absage erteilt. Dies führt aber auch zu einer weiteren Zunahme der Komplexität: Während es für Bestands-KWK-Anlagen sowie solchen mit einer elektrischen Leistung von maximal 1 oder mehr als 50 Megawatt bei der bisherigen Rechtslage und damit auch der Gleichrangigkeit zu EE-Anlagen bleibt, werden künftig neue KWK-Anlagen – außer Biomasse-KWK – mit einer Leistung von mehr als 1 bis einschließlich 50 Megawatt sowie sog. innovative KWK-Systeme, deren Zuschlagszahlungen auf dem Ausschreibungswege ermittelt werden (§ 5 i.V.m. §§ 8a, 8b KWKG), im Einspeisemanagement vorrangig zu EE-Anlagen abgeregelt. Ausnahmsweise kann hiervon allerdings abgewichen werden, „wenn dies zur Beseitigung einer Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems mindestens gleich geeignet und volkswirtschaftlich effizienter ist“ (§ 3 Abs. 2 S. 3 KWKG). ff) Zwischenfazit Eine spezifische Unterscheidung nach Adressatentypen1107 betrifft zusammengefasst also Grubengas-Anlagen, die im EinsMan vorrangig zu regeln sind und kleine PV-Anlagen, die hier nachrangig geregelt werden müssen.1108 Liegen die Voraussetzungen von § 14 EEG 2017 nicht vor, so dass auf § 13 Abs. 2 EnWG zurückgegriffen wird, gelten diese Vorgaben allerdings nicht. Im Übrigen sind Anlagen mit einer Nennleistung von maximal 100 Kilowatt, die keine PV-Anlagen sind, nach den PV-Anlagen mit maximal 100 Kilowatt Leistung zu regeln (und zwar nach § 13 Abs. 2 EnWG). Werden neue KWK-Anlagen nach den §§ 8a oder 8b KWKG im Rahmen der Durchführung von Ausschreibungen gefördert, sind diese grundsätzlich vorrangig zu EE-Anlagen abzuregeln. Bei Eingriffen auf der Lastseite findet keine typenbezogene Unterscheidung und Abgrenzung statt. 1106 In diese Richtung geht auch das EU-Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ (KOM (2016) 860 final), dessen erste Entwürfe am 20. November 2016 vorgestellt wurden. 1107 Kritisch zur Sinnhaftigkeit von typenbezogenen Regelungsvorgaben Lehnert, Direktvermarktung und Netzintegration von Strom aus erneuerbaren Energien im EEG 2014 – Gesetzliche Vorgaben und Rechtspraxis, ZUR 2015, S. 277 ff. (S. 280). 1108 Der Vorschlag von BDEW und VKU (BDEW/VKU, Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 35 f. (Anhang 1), der eine genaue Festlegung von Eingriffsrängen für alle Typen von Erzeugungsanlagen beinhaltet, ist rechtlich bedenklich. Gleiches gilt für den Vorschlag von Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 226, S. 254.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
b) Individuelle Adressatenauswahl Nachdem herausgearbeitet wurde, dass – mit den dargelegten Ausnahmen – keine typenspezifische Adressatenauswahl erfolgt, soll im Folgenden dargestellt werden, nach welchen Maßstäben der ÜNB auf eine konkrete Anlage Zugriff nehmen kann. Hierbei ist zunächst zu unterscheiden zwischen den auf freiwilliger Teilnahme beruhenden marktbezogenen Maßnahmen einerseits und den mit zwangsweisen Eingriffen verbundenen Handlungsbefugnissen, also den Notmaßnahmen inklusive Einspeisemanagement. Auch der gesetzliche Redispatch ist – wenngleich Unterfall der marktbezogenen Maßnahmen – insoweit der mit Zwang verbundenen Seite zuzurechnen. Netzbezogene Maßnahmen sind nicht mit einer Adressatenauswahl verbunden, da Eingriffe im eigenen Netz des ÜNB erfolgen. Generell gilt, dass bei sämtlichen Maßnahmen auch die Auswirkungen auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems angemessen zu berücksichtigen sind (§ 13 Abs. 3 S. 2 a.E. EnWG). Eine bereits durchgeführte Adressatenauswahl muss also ggf. zum Schutz der Gasversorgung angepasst bzw. korrigiert werden. aa) Marktbezogene Maßnahmen (mit Ausnahme des gesetzlichen Redispatch) Bei den marktbezogenen Maßnahmen – mit Ausnahme des gesetzlichen Redispatch – erfolgt die individuelle Adressatenauswahl an sich anhand der zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen. Darüber hinaus bestehen jedoch allgemeine und spezielle regulierungsrechtliche Vorgaben, die einzuhalten sind. Liegt die zu beseitigende Gefährdung für das Elektrizitätsversorgungssystem in einer Frequenzschwankung, wird der ÜNB – wenn sich kein Ausgleich über die Bilanzkreise einstellt – Regelenergie einsetzen. Diese betrifft sowohl die Einspeiseals auch die Verbrauchsseite und kann ebenso zum Hochfahren von Anlagen wie zum Drosseln derselben führen. Zugriffsfähig sind alle Anlagen, die einen Zuschlag im Rahmen der Ausschreibung erhalten haben. Der konkrete Anlageneinsatz richtet sich (nach Bestimmung der zur Gefährdungsbeseitigung relevanten Regelenergieart- und form1109) letztlich alleine nach der merit order, beginnend mit dem Anbieter, der den niedrigsten Arbeitspreis geboten hat und folgt damit rein monetären Gesichtspunkten. Eine Ausnahme ist jedoch bei „Netzeinschränkungen“ möglich (§ 7 S. 2 StromNZV). Bei der Beteiligung von EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWKAnlagen ist das Vorrangprinzip zu beachten, soweit es um eine mögliche Anlagenabregelung durch den ÜNB geht (negative Regelenergie); eine Abweichung hiervon ist nur für EE- und Grubengas-Anlagen möglich1110 (über § 11 Abs. 3 EEG 2017), nicht für hocheffiziente KWK. 1109
Primär- bzw. Sekundärregelenergie oder Minutenreserve, in positiver oder negativer Erbringungsform. 1110 Und das auch nur in der Direktvermarktung, nicht in der Einspeisevergütung (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 2 EEG 2017).
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Dem Gesetzeswortlaut nach müsste die merit order hier modifiziert werden, so dass EE- und Grubengas-Anlagen unabhängig vom gebotenen Arbeitspreis erst dann abgeregelt werden können, wenn keine konventionellen Erzeugungsanlagen mehr vorhanden sind, die negative Regelenergie bereitstellen (§ 13 Abs. 3 S. 2 EnWG).1111 Der Grund ist, dass die Abregelung privilegierter Anlagen auch bei vertraglichen Vereinbarungen nur nachrangig zur Drosselung konventioneller Anlagen erfolgen darf. Damit wären aber die Anbieter von negativer Regelenergie aus EE und Grubengas, die sich ja freiwillig am Regelenergiemarkt beteiligen1112, um zusätzliche Einnahmen generieren, gegenüber konventionellen Anlagen benachteiligt und kämen in der Praxis regelmäßig nicht zum Zug. Deshalb ist die Vorschrift des § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG einschränkend auszulegen, um den Anbietern von Strom aus EE- und Grubengas nicht faktisch den Weg zum lukrativen Regelenergiemarkt zu versperren. Ohnehin geht § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG, wonach zunächst die vertraglichen Vereinbarungen zur Reduzierung der Einspeisung von nicht-vorrangberechtigter Elektrizität auszuschöpfen sind, bevor auf vertragliche Vereinbarungen zur Einspeisereduzierung aus privilegierten Anlagen (soweit zulässig) zurückgegriffen werden kann, augenscheinlich über § 11 Abs. 3 EEG 2017, der eigentlich gerade eine Abweichung vom Abnahmevorrang zur besseren Integration der Anlage in das Netz enthält bzw. zulässt1113, hinaus. Eine nähere Erklärung für diese überschießende Regelung enthalten die Entwurfsbegründungen des Gesetzgebers nicht. Möglicherweise waren diesem die damit verbundenen Auswirkungen nicht bewusst. Nach dem Zweck von § 11 Abs. 3 EEG 2017, vertragliche Vereinbarungen zur besseren Integration von privilegierten Anlagen in das Netz zu erlauben, bleibt es damit auch bei der Beteiligung von EE- und Grubengas-Anlagen bei der an den Arbeitspreisen orientierten merit order.1114 Hierfür spricht auch der novellierte § 7 Abs. 2 EEG 2017, der nun vertragliche Abweichungen von den Bestimmungen des EEG 2017, also auch vom Einspeisevorrang nach § 11 Abs. 1 EEG 2017, grundsätzlich erlaubt. Betrifft die Gefährdung nicht die Einhaltung der Systembilanz, sondern die Beseitigung eines Netzengpasses wird regelmäßig ein Redispatch durchgeführt, der allerdings nur die Erzeugungsseite betrifft. Vertraglicher und gesetzlicher Redispatch stehen – wie bereits dargestellt – auf der gleichen Rangstufe und können gemeinsam eingesetzt werden (Reserve-Anlagen sind allerdings nur nachrangig 1111 Vgl. von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 606). 1112 Hierfür ist aber zunächst Voraussetzung, dass eine Präqualifikation der Anlagen gelingt. 1113 Vgl. Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 177. 1114 So wohl auch von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 606); vgl. zudem bereits Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 313).
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
heranziehbar). Ein Unterschied besteht jedoch darin, dass aufgrund der zwangsweisen Heranziehung von Erzeugungsanlagen für den gesetzlichen Redispatch bestimmte, durch die BNetzA definierte Auswahlvorgaben bestehen (dazu sogleich), während die Adressatenauswahl beim vertraglichen Redispatch an sich frei ist.1115 Einzuhalten sind jedoch auch hier zumindest die allgemeinen Vorgaben für Netzbetreiber. Hierzu gehört, dass eine Abweichung vom Vorrangprinzip für privilegierte Anlagen nur nach § 11 Abs. 3 EEG 2017 erfolgen kann; für hocheffiziente KWKAnlagen scheidet dies im regulären Redispatch sogar gänzlich aus, da das KWKG eine entsprechende Möglichkeit nur für Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG bietet (§ 3 Abs. 3 KWKG). Weiterhin ist zu beachten, dass die Netzbetreiber nach § 20 Abs. 1 EnWG jedermann nach sachlich gerechtfertigten Kriterien und diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren haben.1116 Daraus lässt sich ableiten, dass im Falle der Unterbrechung des Netzzugangs aufgrund von Engpässen die Auswahl der zur Abregelung heranzuziehenden Anlagen nicht willkürlich erfolgen darf, sondern einer sachlich gerechtfertigten Auswahlentscheidung bedarf. Diese muss sich im Wesentlichen an zwei Parametern orientieren: Zum einen an der effizienten Gefährdungsbeseitigung, zum anderen daran, dass möglichst geringe Kosten entstehen, die über die Netzentgelte im Ergebnis auf die Letztverbraucher weitergewälzt werden.1117 Dies deckt sich auch mit den Anforderungen des § 1 Abs. 1 EnWG, wonach die Energieversorgung u. a. möglichst sicher, preisgünstig und effizient zu erfolgen hat; die Netzbetreiber sind hierauf nach § 2 Abs. 1 EnWG verpflichtet.1118 Die zielgerichtete Gefährdungsbeseitigung richtet sich sehr wesentlich nach der örtlichen Lage der regelbaren Anlagen. Bei Netzengpässen handelt es sich um netztopologisch lokal auftretende Gefährdungen, ihre effiziente Beseitigung hängt deshalb davon ab, an welcher Stelle durch Einspeiseregulierung ein Eingriff erfolgt.1119 Für den Einsatz abschaltbarer Lasten nach der AbLaV gab es bislang keine spezifischen Vorgaben.1120 Mit der AbLaV-Novelle 20161121 wurde jedoch § 13 1115
Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 32. Vgl. Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 44). 1117 Vgl.: Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43); Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff. (S. 86); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 163 f. 1118 Vgl. Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43). 1119 Vgl. BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 9, 32. 1120 Vgl. hierzu noch: Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 235); Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 1116
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Abs. 4 AbLaV n.F. eingeführt, der vorgibt, dass sich der Abruf von Abschaltleistung vorrangig nach der systemtechnischen Wirksamkeit richtet; nur bei gleicher systemtechnischer Wirksamkeit wird zusätzlich das Kriterium des vergleichsweise niedrigeren Arbeitspreises herangezogen. Im Unterschied zur Regelenergie steht bei abschaltbaren Lasten die Preisgünstigkeit also erst an zweiter Stelle. Anfallende Kosten werden bundeseinheitlich über die AbLaV-Umlage weitergegeben (§ 18 Abs. 1 AbLaV). Die Bezugnahme auf die systemtechnische Wirksamkeit, also letztlich auf die Effizienz der Maßnahme, erfolgt deshalb, da abschaltbare Lasten auch im Engpassmanagement relevant werden können und hier die örtliche Lage der Anlagen von Bedeutung ist.1122 Bevor EE-Anlagen abgeregelt werden dürfen, ist auf bestehende Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG zurückzugreifen. Hier werden in Engpasssituationen nachrangig zum Rückgriff auf vertraglichen und gesetzlichen Redispatch (ohne Berücksichtigung von Reserve-Anlagen) KWK-Power-to-Heat-Kombinationen eingesetzt. Dabei wird durch den ÜNB angewiesen, dass die Wirkleistungseinspeisung aus einer KWK-Anlage reduziert wird und gleichzeitig Netzstrom für die Power-to-HeatAnlage geliefert. Vorgaben, wie die Auswahl der zu regelnden KWK-Anlage vonstatten gehen soll, enthält § 13 Abs. 6a EnWG nicht. Enthalten sind nur nähere Regelungen zur Auswahl der KWK-Anlagen, mit denen der ÜNB Verträge schließen darf. Hier wird abgestellt auf die technische Eignung zur effizienten Engpassbeseitigung unter Berücksichtigung der Größe der Anlage sowie ihrer Lage im Netz (§ 13 Abs. 6a S. 1 Nr. 1 EnWG). Zudem ist die Kostengünstigkeit ein zu berücksichtigender Faktor (§ 13 Abs. 6a S. 3 EnWG). Die Eignung der Power-to-HeatAnlagen wird dabei nicht angesprochen. Für den Abruf der richtigen KWK-Anlage sind sinnvollerweise die gleichen Maßstäbe wie für den Vertragsabschluss heranzuziehen. Es kommt also hier wie beim vertraglichen Redispatch auf die effizienteste Gefährdungsbeseitigung zu den vergleichsweise geringsten Kosten, die über die Netzentgelte weitergegeben werden, an. bb) Gesetzlicher Redispatch Soweit ein gesetzlicher Redispatch durchgeführt werden soll oder auf Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG bzw. § 14 EEG 2017 zurückgegriffen werden muss, sind an die individuelle Adressatenauswahl – zumindest in der Theorie – noch engere Maßstäbe anzulegen, da ein Zwangseingriff von außen in die Rechte der Betroffenen erfolgt.1123 2012, S. 181 ff. (S. 185); König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 204 f.). 1121 BGBl. 2016 I S. 1984 ff. 1122 Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 235). 1123 Bei den Notmaßnahmen ist zudem die möglichst weitgehende Verwirklichung des Vorrangprinzips für privilegierte Erzeugungsanlagen von besonderer Bedeutung.
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Der gesetzliche Redispatch steht zwar auf derselben Rangstufe wie der vertragliche Redispatch, die Vorgaben zur Adressatenauswahl sind jedoch durch die zwar aufgehobene, aber in den Grundsätzen weiter heranziehbare Redispatch-Festlegung der BNetzA genau definiert.1124 Sinnvollerweise sollten die Netzbetreiber das Verfahren gleichermaßen auf vertraglich kontrahierte Erzeugungsanlagen anwenden, um eine einheitliche Behandlung gewährleisten zu können; dies ist allerdings nicht zwingend. Die Auswahl der zu regelnden Anlagen richtet sich danach sowohl hinsichtlich der Erzeugungsabsenkung als auch der Erzeugungserhöhung nach einem Quotienten aus netzstützender Wirkung – also danach, um welche Leistung der Lastfluss an dem überlastungsbedrohten Netzelement reduziert werden muss – und der für die Anpassung der Einspeisung zu entrichtenden Vergütung (merit order). Hier kommen also die bereits bekannten Parameter effiziente Gefährdungsbeseitigung und Preisgünstigkeit zum Ausdruck.1125 Zur möglichst weitgehenden Schonung der Betroffenen ist es entscheidend, die abzuregelnde Strommenge möglichst gering zu halten; gleichermaßen werden Kosten im Rahmen der Netzentgeltkalkulation eingespart, da zur Gewährleistung des energetischen Ausgleichs hinter dem Engpass in gleicher Menge Anlagen hochgeregelt werden müssen.1126 Die Anpassung der Wirkleistungseinspeisung erfolgt bei einer Erhöhung der Einspeisung beginnend mit der Anlage mit dem höchsten Quotienten aus netzstützender Wirkung und zu entrichtender Vergütung; bei einer Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung kehrt sich das Vorgehen um, hier wird zunächst die Erzeugungs- oder Speicheranlage mit dem geringsten Quotienten aus netzstützender Wirkung und Vergütung geregelt.1127 Reserve-Anlagen nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG können nur nachrangig angesteuert werden, privilegierte Anlagen sind vom gesetzlichen Redispatch nicht erfasst. cc) Notmaßnahmen Soweit ein Rückgriff auf Notmaßnahmen erforderlich wird, rückt die Bedeutung von privilegierten Anlagen stark in den Vordergrund. Gefährdungen müssen vorrangig durch den Zugriff auf konventionelle Anlagen beseitigt werden – wobei § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG (vgl. auch S. 5 bzw. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017) auch Ausnahmen zulässt, wenn ansonsten die Beseitigung einer Gefährdung oder Störung nicht verhindert werden könnte. Erzeugungs- und Lastmanagement sind nach Ausschöpfung der Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG innerhalb der Notmaßnahmen gleichrangig; EE, Grubengas und hocheffiziente KWK sind also nicht auch ge1124
BNetzA, Beschluss vom 15. 06. 2015, BK6 – 11 – 098-A. Vgl.: König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 44; Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 248). 1126 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 45. 1127 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 4. 1125
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genüber dem Zugriff auf Verbrauchsanlagen, in dem Fall der Zuschaltung von Lasten, privilegiert. Angesichts der weitreichenden Eingriffsbefugnisse von § 13 Abs. 2 EnWG und der Tatsache, dass die ÜNB bei der Anwendung von Notmaßnahmen keine Entschädigungen zu leisten haben, mutet es etwas sonderbar an, dass für die Adressatenauswahl unter den konventionellen Anlagen sowie den Verbrauchsanlagen keine speziellen gesetzlichen oder untergesetzlichen Handlungsmaßstäbe existieren. Der Zugriff der ÜNB folgt also ausschließlich den allgemeinen Regelungen und Zielvorgaben des EnWG. Dabei gelten grundsätzlich die gleichen Maßstäbe, die bereits bei den marktbezogenen Maßnahmen beleuchtet wurden und die die BNetzA für den gesetzlichen Redispatch vorgegeben hat. Im Mittelpunkt steht die Verpflichtung der EVU, zu denen auch die Netzbetreiber gehören (§ 3 Nr. 18 EnWG), zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas beizutragen, die zudem zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 EnWG).1128 Es handelt sich dabei um fünf Gesetzeszwecke, die zum Teil im Spannungsverhältnis zueinander stehen und in Ausgleich gebracht werden müssen: Sicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Effizienz und Umweltverträglichkeit.1129 Der Aspekt der Sicherheit steht bei § 13 EnWG im Zentrum der Betrachtungen, da die Systemverantwortung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems dient. Die Umweltverträglichkeit der Elektrizitätsversorgung wird über das Vorrangprinzip für EE, Grubengas und hocheffiziente KWK gewährleistet und ist in § 13 Abs. 3 EnWG abgesichert. Dabei wird vorgegeben, dass in die Auswahl zunächst nur konventionelle Anlagen einbezogen werden dürfen. Die konkrete Adressatenwahl zwischen gleichrangigen Anlagen richtet sich in erster Linie nach der Effizienz der einsetzbaren Maßnahmen.1130 Entscheidend ist also, dass die Sicherheit des Elektrizitätsversorgungssystems unter größtmöglicher Schonung der Betroffenen wiederhergestellt wird.1131 Eingriffe müssen zudem in die Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen1132 erfolgen, deren Regelung den größten Effekt zur 1128
Vgl. Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 159 ff. Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 1 Rn. 55; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 66 f.; BDEW/VKU, Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 27 f. 1130 Überzeugend: König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 500 ff.; vgl. auch: Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 38); Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 109 (Stand: März 2012). 1131 Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 109 (Stand: März 2012); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 501. 1132 Ein rollierendes System, wie es in Bezug auf Verbrauchsanlagen von BDEW und VKU vorgeschlagen wird, dürfte dem Prinzip der Maßnahmeneffizienz allerdings nicht entsprechen. 1129
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Gefährdungsbeseitigung aufweist.1133 Diese müssen einerseits wirksam sein, andererseits aber auch zielgerichtet. Dabei spielt etwa die örtliche Lage der zu regelnden Anlagen eine wichtige Rolle, zumindest, wenn es um die Beseitigung von Netzengpässen geht.1134 Da die Notmaßnahmen entschädigungsfrei sind, entstehen den ÜNB insoweit keine Kosten, die über die Netzentgelte auf die Netznutzer gewälzt werden können. Der Grundsatz der Preisgünstigkeit rückt also hier zugunsten der Maßnahmeneffizienz in den Hintergrund. Dies macht auch Sinn, da § 13 Abs. 2 EnWG die letzte Stufe der Gefahrenabwehr durch den ÜNB markiert und hier das wirkungsvolle „Durchgreifen“ des Netzbetreibers handlungsleitend sein soll.1135 Neben den Grundsätzen des § 1 EnWG ist auch § 20 Abs. 1 EnWG von Bedeutung, wonach die Netzbetreiber jedermann nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren haben.1136 Der Zugriff auf Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen darf also nicht willkürlich erfolgen, sondern muss sich jeweils individuell sachlich begründen lassen. Eine solche Begründung ergibt sich aus der Verwirklichung der Zwecke des § 1 Abs. 1 EnWG, insbesondere aus dem beschriebenen Handlungsmaßstab der effizienten Gefährdungsbeseitigung.1137 Mit dem effizienten Mitteleinsatz wird auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt, der u. a. vorgibt, dass unter gleich wirksamen Mitteln das mildeste zu wählen ist, da nur dann ein Eingriff auch erforderlich ist. Die Handlungen der ÜNB müssen also möglichst zielführend gesetzt werden, um die Betroffenen weitgehend zu schonen.1138 Ein genereller, vorrangiger Zugriff auf entweder Verbrauchs- oder Erzeugungsanlagen ist (wie dargestellt) nicht vorgegeben – allerdings gelten auch insoweit die Maßstäbe der Maßnahmeneffizienz sowie der sachlichen Begründung von Netzzugangsbeschränkungen. Im Rahmen der individuellen Adressatenauswahl kann sich also ergeben, dass ein Eingriff in die Fahrweise einer konkreten Erzeugungsanlage dem Eingriff in den Strombezug einer ebenfalls konVgl. dazu BDEW/VKU, Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 28 ff. 1133 Insoweit könnte man auch von der „Maßnahmeneffektivität“ sprechen. Allerdings scheint der Begriff „Maßnahmeneffizienz“ hier alles in allem treffender, da auch die größtmögliche Schonung der Betroffenen handlungsleitend sein muss, was in Richtung einer MittelZweck-Relation weist. Weiterführend zur Abgrenzung der Begriffe „Effizienz“ und „Effektivität“ siehe Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht – Unternehmenseffizienz als neue Rechtskategorie, Berlin 2013, S. 83 f. 1134 Vgl. BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 9, 32. 1135 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 27. 1136 Vgl. Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 38). 1137 Ebenso König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 501. 1138 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 501 f.; vgl. auch: Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 38); Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 109 (Stand: März 2012).
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kreten Verbrauchsanlage vorzuziehen ist – oder umgekehrt. Bietet der Zugriff auf eine Verbrauchsanlage die effizientere Möglichkeit zur Beseitigung einer Gefährdung als die Regelung einer privilegierten Erzeugungsanlage, dann ist vorrangig auf die Verbrauchsanlage zuzugreifen. Entscheidend ist die Effizienz der Maßnahmen, nicht das Verhältnis zwischen Erzeugern und Verbrauchern. dd) Speziell: Einspeisemanagement und Notmaßnahmen gegenüber privilegierten Anlagen1139 Innerhalb des Erzeugungsmanagements gilt zudem: Lässt sich eine Gefährdung auch nach Regelung aller zur Gefahrenbeseitigung zur Verfügung stehenden konventionellen Erzeugungsanlagen nicht beseitigen bzw. ist ein Zugriff auf die noch am Netz befindlichen konventionellen Anlagen aus Netzgründen unstatthaft (etwa, weil es sich um must-run-units handelt, § 13 Abs. 3 S. 5 EnWG) und existieren keine „technisch gleich wirksamen anderen Maßnahmen“ im Sinne von § 13 Abs. 3 S. 5 EnWG a.E. bzw. sind Maßnahmen nach Verträgen gemäß § 13 Abs. 6a EnWG ausgeschöpft, dann bleibt nur noch der Rückgriff auf privilegierte Erzeugungsanlagen. Beruht die Gefährdung oder Störung auf einer Überlastung der Netzkapazität, so gelten die speziellen Anforderungen des Einspeisemanagements nach § 14 EEG 2017 (§ 13 Abs. 3 S. 3 EnWG). Wie bereits herausgearbeitet wurde, sind GrubengasAnlagen sowie hocheffiziente KWK-Anlagen im Sinne von § 3 Abs. 3 S. 2, 3 KWKG1140 vorrangig und kleine PV-Anlagen nachrangig zu regeln; die Verschiebbarkeit der Einspeisung spielt für die Adressatenauswahl innerhalb der privilegierten Anlagen dagegen keine Rolle (§ 14 Abs. 1 S. 2 und 3 EEG 2017). Kleine privilegierte Anlagen, die keine PV-Anlagen sind, werden nach § 13 Abs. 2 EnWG – und erst nach den kleinen PV-Anlagen – geregelt. Da es sich beim Einspeisemanagement um einen speziell geregelten Fall der Notmaßnahmen handelt, gilt für die konkrete Adressatenauswahl zunächst dasselbe, was auch für die von § 13 Abs. 2 EnWG betroffenen Anlagen gilt: Keine Abregelung darf willkürlich erfolgen, sondern bedarf einer sachlichen Begründung, die maßgeblich in der Maßnahmeneffizienz liegt.1141 Da hier EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen betroffen sind, rückt allerdings das Ziel der Umweltverträglichkeit der Elektrizitätsversorgung, die u. a. zunehmend auf erneuerbaren Energien beruhen soll (§ 1 Abs. 1 EnWG), stärker in den Vordergrund. Neben der
1139 Siehe hierzu auch Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-EnergienGesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 28 ff. 1140 Neue hocheffiziente KWK-Anlagen, mit einer elektrischen Leistung von mehr als 1 bis einschließlich 50 MW, deren Zuschlagzahlungen im Wege von Ausschreibungen nach § 8a KWKG ermittelt wurden sowie innovative KWK-Systeme. 1141 Vgl.: Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 73 (Stand: Mai 2016); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 215.
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gezielt-effizienten Gefahrenbeseitigung1142 muss auch gewährleistet werden, dass „insgesamt die größtmögliche Strommenge aus erneuerbaren Energien und KraftWärme-Kopplung abgenommen wird“ (§ 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017).1143 Damit ist gemeint, dass zusätzlich sicherzustellen ist, dass trotz der Anlagenabregelung immer noch die maximal mögliche Menge von Strom aus privilegierten Anlagen eingespeist werden kann. Kann das Vorrangprinzip also im Engpassfalle nicht vollständig eingehalten werden, so ist zumindest sicherzustellen, dass die Auswahlentscheidung zwischen den privilegierten Anlagen auch berücksichtigt, dass dem Vorrangprinzip zumindest soweit wie möglich Genüge getan werden kann. Gleichzeitig wird damit auch das Prinzip der Preisgünstigkeit (§ 1 Abs. 1 EnWG) beachtet, da eine Vorgehensweise, die dem Vorrangprinzip möglichst weitgehend dient, zu einer vergleichsweise geringeren Ausfallarbeit führt und damit weniger Härtefallentschädigungen nach § 15 EEG 2017, die grundsätzlich auf die Netznutzer umgelegt werden können, zu zahlen sind.1144 Neben der Maßnahmeneffizienz wird also beim Einspeisemanagement das Vorrangprinzip auch auf der Auswahlebene handlungsleitend (auswahlspezifische Ausprägung). König geht insoweit noch einen Schritt weiter und betrachtet § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 bereits selbst als eine Ausprägung des Grundsatzes der Maßnahmeneffizienz.1145 Zwar ist nicht auszuschließen, dass es zwischen der „Gefahrenbeseitigungseffizienz“ und der „Vorrangprinzip-spezifischen Effizienz“ bei § 14 EEG 2017 in der Praxis keinen Unterschied gibt, diese also auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen. Dennoch sollten die beiden Auswahlaspekte nicht vermischt werden, da Gefahrenbeseitigungsprinzip und Vorrangprinzip zwei vollständig getrennte und regelmäßig sogar im Spannungsverhältnis stehende Bereiche des Energiewirtschaftsrechts im weiteren Sinne bilden.1146 Auch der Gesetzgeber trifft eine Unterscheidung zwischen den Sensitivitäten von Einspeiseänderungen einerseits und einer Optimierung der Eingriffsmaßnahmen im Hinblick auf privilegierte Anlagen andererseits (dazu sogleich). In den Entwurfsbegründungen zu EEG 20091147 und 20121148 macht der Gesetzgeber genauere Vorgaben zur Anlagenauswahl.1149 Es ist demnach eine sog. Sensi1142 BT-Drs. 16/8148, S. 47: „Im Ergebnis sollen zuerst diejenigen Erzeugungseinheiten herangezogen werden, die den stärksten Effekt auf die Sicherstellung der (n–1)-Sicherheit erwarten lassen.“ 1143 Vgl. auch § 11 Abs. 3 S. 2 EEG 2017 – hier gilt die gleiche Vorgabe, wenn die Regelung von EE-Anlagen durch den Netzbetreiber aufgrund vertraglicher Vereinbarungen ermöglicht wird. 1144 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 511; vgl. auch BT-Drs. 16/8148, S. 47. 1145 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 511 f. 1146 Ebenso Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 193. 1147 BT-Drs. 16/8148, S. 47.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
261
tivitätsanalyse1150 durchzuführen, bei der die Anlagen abgeregelt werden, die den größten Einfluss auf die Verbesserung der Netzsituation haben.1151 Um dies zu gewährleisten1152, ist es zunächst erforderlich, dass die Netzbetreiber die Wechselwirkungen zwischen einer Einspeiseänderung und dem Leistungsfluss über ein Netzbetriebsmittel erfassen, so dass sich eine „Sensitivitätsmatrix“ ergibt, die „den Zusammenhang abbildet, wie stark die an einem bestimmten Netzknoten eingespeiste Leistung die Leistungsflüsse über die verschiedenen Netzleitungen beeinflusst.“1153 Aus dieser Übersicht kann der Netzbetreiber dann ableiten, welche Anlage sich aufgrund ihrer ortspezifischen Lage am besten dazu eignet, zur Engpassbehebung gedrosselt zu werden.1154 Teilweise wird in der Literatur davon gesprochen, zuerst diejenigen Anlagen abzuregeln, die den Engpass unmittelbar „verursachen“.1155 Diese Begrifflichkeit ist jedoch abzulehnen, da ein Engpass nicht durch eine bestimmte Anlage ausgelöst wird, sondern durch das Zusammenspiel aller gegenwärtigen Stromflüsse im Netz. Alle einspeisenden Anlagen sind somit gleichermaßen ursächlich für den Engpass, sie unterscheiden sich nur dadurch, welche Wirkung die Abregelung einer bestimmten Anlage auf den Netzengpass aufweist. Anhand der Sensitivitätsmatrix wird der Grundsatz der Maßnahmeneffizienz verwirklicht, der in einem zweiten Schritt um das auswahlspezifische Vorrangprinzip aus § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 ergänzt wird, indem ein sog. Optimierungsalgorithmus eingesetzt wird, „der die bestehenden Netzengpässe und die insgesamt durch das Einspeisemanagement verhinderte Einspeiseleistung aus Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien […]1156 und Kraft-Wärme-Kopplung in dem 1148
BT-Drs. 17/6071, S. 64. Zum Streit um die Abschaltreihenfolge im EEG 2004 etwa Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 48. Vgl. auch oben Teil 2 A.IV.3.a). 1150 Anschaulich hierzu Schmidt/Klauß, in: Schöne (Hrsg.), Vertragshandbuch Stromwirtschaft, Frankfurt a.M., 2. Aufl. 2014, S. 990, S. 987 ff. 1151 BT-Drs. 17/6071, S. 64. In jedem Fall liegt die Wahl des Abregelungsprinzips im EinsMan nicht im pflichtgemäßen Ermessen des Netzbetreibers, die entsprechende Ansicht von Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 14 Rn. 8, ist nicht nachvollziehbar. 1152 BT-Drs. 16/8148, S. 47. 1153 BT-Drs. 16/8148, S. 47. 1154 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 49; Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 73 (Stand: Mai 2016). 1155 So Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 49; vgl. auch Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 73 (Stand: Mai 2016). 1156 Der Gesetzgeber nimmt versehentlich auch Bezug auf Grubengas-Anlagen, die aber – wie dargestellt – schon vorrangig abgeregelt werden müssen. 1149
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
betroffenen Netzbereich als Zielfunktion enthält.“1157 Im Ergebnis soll eine effektive, die Sicherheit der Versorgung gewährleistende Adressatenauswahl erfolgen, die möglichst geringe Kosten im Sinne von § 15 EEG 2017 verursacht und gleichzeitig die größtmögliche Einspeisung von Strom aus EE- und hocheffizienter KWK bewirkt.1158 Die Versorgungssicherheit steht dabei an erster Stelle, so dass die beiden letztgenannten Leitmotive, also möglichst geringe Kosten und größtmögliche Einspeisung aus EE und hocheffizienter KWK, nur soweit verwirklicht werden können, wie die Einhaltung der Sicherheit im Netz dies gerade noch zulässt.1159 Zwar sind die Ansichten des Gesetzgebers zur Handhabung bestimmter Rechtsnormen – hier also von § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 – nur im Rahmen der historischen Auslegung relevant und nicht automatisch durch den Rechtsanwender zu übernehmen.1160 Die Heranziehung der übrigen Auslegungsmethoden spricht jedoch ebenfalls für die beschriebene Vorgehensweise, insbesondere verwirklicht die dargestellte Auswahlmethode Sinn und Zweck des Einspeisemanagements, in dem das Vorrangprinzip soweit wie möglich den Handlungsmaßstab der Adressatenbestimmung bildet, die effiziente Wiederherstellung der netzseitigen Versorgungssicherheit dabei jedoch an erster Stelle steht. Nichtsdestotrotz entfaltet die Sensitivitätsanalyse keine Gesetzeskraft, die Netzbetreiber können also auch andere Methoden wählen, soweit diese den durch den Gesetzgeber beschriebenen und aus der Systematik der Regelungen in EnWG und EEG ableitbaren Grundprinzipien ebenso gut entsprechen.1161 Insoweit ist zu kritisieren, dass der Gesetzgeber keine explizite gesetzliche Regelung der Sensitivitätsanalyse vorgenommen hat. Große Unterschiede dürften sich in der Praxis deshalb aber nicht ergeben. Folgt aus den Berechnungen der ÜNB, dass es sowohl aus Sicht der Maßnahmeneffizienz als auch aus Sicht von § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 keinen Unterschied macht, ob eine Anlage in stärkerem Umfang oder mehrere Anlagen in geringerem Umfang geregelt werden, so erscheint es unter Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen, auf mehrere Anlagen zuzugreifen, da insofern die Last nicht nur auf eine Schulter verteilt wird (Gemeinlastprinzip, gruppenbezogene 1157
BT-Drs. 16/8148, S. 47. Vgl. BT-Drs. 16/8148, S. 47. 1159 Gut auf den Punkt gebracht durch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 193, 195. 1160 Vgl. Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 5. Aufl., München 2011, S. 73; siehe auch: Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 194 f.; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 11 Rn. 28; Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 75, 77 (Stand: Mai 2016). 1161 So auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 194 f.; a.A. Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 55. 1158
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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Abschaltung).1162 Eine Adressatenauswahl anhand der Verschiebbarkeit der Einspeisung lässt sich aus § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 nicht ableiten (vgl.o.) und kommt deshalb auch nicht als Ergänzung der Sensitivitätsanalyse („in einem zweiten Schritt“) zur Anwendung.1163 Die Problematik der effizienzorientierten Sensitivitätsanalyse – auch ergänzt um eine gruppenbezogene Abschaltung gleichermaßen effizient abregelbarer Anlagen – besteht allerdings darin, dass bei regelmäßig wiederkehrenden Engpässen an denselben Stellen im Netz wohl jeweils auch dieselben Anlagen gedrosselt werden dürften.1164 Insofern kann zumindest die Frage aufgeworfen werden, ob in solchen Fällen eine Aufweichung der Sensitivitätsanalyse zugunsten eines rollierenden Systems geboten ist, bei dem ggf. auch Anlagen geregelt werden, die weniger effizient zur Engpassbeseitigung eingesetzt werden können und deren Drosselung zu einer insgesamt geringeren Einspeisung aus privilegierten Anlagen führt, die für sich aber ein geringeres Diskriminierungspotenzial aufweist. Eine solche Vorgabe müsste jedoch zuvor wohl gesetzlich festgelegt werden. Liegen die Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 EEG 2017 nicht vor, ist auch § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 nicht anwendbar. Wenn ein Zugriff auf privilegierte Anlagen nach § 13 Abs. 2 EnWG durchgeführt wird, so ist dennoch zu gewährleisten, dass trotz Abregelungsmaßnahmen die größtmögliche Strommenge aus privilegierten Anlagen abgenommen werden kann. Dies lässt sich bereits aus dem Vorrangprinzip (§§ 11 EEG 2017, 3 KWKG) ableiten. Zwar liegt der Hauptzweck darin, ein Privileg gegenüber konventionellen Anlagen zu bewirken und so bestehende Wettbewerbsnachteile auszugleichen.1165 Man kann man dem Vorrangprinzip jedoch auch eine über die einzelnen Anlagen hinausgehende Dimension entnehmen, wonach insgesamt ein Maximum an Strom aus EE und hocheffizienter KWK in die Netze einzuspeisen ist – soweit eine effiziente Gefährdungsbeseitigung dies zulässt. Dies gilt auch bei bloßen Frequenzstörungen. Bei diesen spielt aber die örtliche Lage von Erzeugungsanlagen eine geringere Rolle, so dass eine Sensitivitätsanalyse bzw. eine ähnlich ausdifferenzierte Vorgehensweise zur Adressatenauswahl hier entbehrlich
1162
Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 14 Rn. 8; so auch: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 115 f., 122; Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 226, S. 261; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 512; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 29. 1163 So aber Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 52. 1164 So der Hinweis von Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 77 (Stand: Mai 2016). 1165 Vgl. etwa Altrock/Herrmann, Ausbau der Windenergie und Laufzeitverlängerung – energiewirtschaftliche und rechtliche Herausforderungen für das zukünftige Marktdesign, ZNER 2010, S. 350 ff. (S. 351).
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
sein dürfte.1166 Nichtsdestotrotz ist sicherzustellen, dass Regelungsmaßnahmen gegenüber privilegierten Anlagen effizient durchgeführt werden und möglichst viel privilegierter Strom eingespeist werden kann. Der jeweilige Adressat ist nach sachlichen Maßstäben zu bestimmen. ee) Gemeinsame Betrachtung der Maßnahmen In einem letzten Schritt sind im Rahmen von § 13 Abs. 2 EnWG i.V.m. § 14 EEG 2017 sämtliche Maßnahmen des Erzeugungs- und des Lastmanagements gemeinsam zu betrachten, so dass im Zuge der individuellen Adressatenauswahl diejenigen Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen geregelt werden, die bei gemeinsamer Betrachtung im Ergebnis die höchste Eingriffseffizienz aufweisen und so am besten dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt wird.
III. Ergebnisse und Bewertung des Entscheidungseinflusses der ÜNB In Thesenform zusammengefasst ergibt sich folgendes Bestimmungsschema zur korrekten Auswahl von Maßnahme und Adressat durch die ÜNB: – Bestimmung der relevanten Gefährdungslage: Frequenzschwankung oder Netzengpass? – Auswahl der korrekten Rangstufe und Handlungsform: Genügen netzbezogene Maßnahmen oder sind marktbezogene Maßnahmen oder gar Notmaßnahmen1167 anzuwenden? Kann die Gefährdung im eigenen Netz beseitigt werden oder muss der ÜNB auf nachgelagerte Netzbetreiber zurückgreifen? o Das Vorrangprinzip ist auf jeder Stufe zu beachten1168, ein zwangsweiser Eingriff in privilegierte Anlagen (EE, Grubengas, hocheffiziente KWK1169) ist nur über § 13 Abs. 2 EnWG bzw. § 14 EEG 2017 möglich – und grundsätzlich nachrangig gegenüber Eingriffen in konventionelle Erzeugungsanlagen, Ausnahmen gelten insbesondere für sog. must-run-units; gleich wirksame andere Maßnahmen, etwa nach § 13 Abs. 6a EnWG, sind vorrangig durchzuführen 1166 Vgl. Schmidt/Klauß, in: Schöne (Hrsg.), Vertragshandbuch Stromwirtschaft, Frankfurt a.M., 2. Aufl. 2014, S. 990. 1167 Nur im äußersten Fall wird § 13 Abs. 8 EnWG sowie der Rückgriff auf die Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken nach § 13 g EnWG relevant. 1168 Vertragliche Vereinbarungen, die die Abregelung privilegierter Anlagen durch den Netzbetreiber erlauben, sind nur nach § 11 Abs. 3 EEG 2017 zulässig (betrifft EE und Grubengas). Hocheffiziente KWK-Anlagen können allerdings in Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG einbezogen werden. 1169 Zu beachten ist: Privilegiert ist nur gekoppelt erzeugter Strom aus hocheffizienten KWK-Anlagen, soweit die erzeugte Wärme einer Nutzung zugeführt wird.
C. Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten
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(aber nachrangig gegenüber dem Redispatch); der gesetzliche Redispatch darf nicht auf privilegierte Anlagen erstreckt werden o Es gilt eine grundsätzliche Gleichrangigkeit von Maßnahmen auf der gleichen Rangstufe, egal, ob sie erzeugungs- oder verbrauchsseitig wirken o Beim Einsatz marktbezogener Maßnahmen zur Beseitigung von Netzengpässen: Vertraglicher und gesetzlicher Redispatch sind gleichrangig, derzeit nicht betriebsbereite Erzeugungsanlagen bzw. Reserve-Anlagen1170 sind jedoch nur nachrangig heranzuziehen (vor dem Rückgriff auf Reserve-Anlagen sind allerdings Maßnahmen nach § 13 Abs. 6a EnWG durchzuführen) o Beim Einsatz von Notmaßnahmen zur Beseitigung von Netzengpässen: Hier gelten zusätzlich die speziellen Anforderungen des Einspeisemanagements nach § 14 EEG 2017; liegen die Voraussetzungen nicht vor, bleibt es bei § 13 Abs. 2 EnWG – Auswahl des korrekten Adressaten: Welche konkrete Erzeugungs- oder Verbrauchsanlage darf geregelt werden? o Regelenergie: Abruf grundsätzlich nach rein monetären Gesichtspunkten (merit order) o Abschaltbare Lasten nach der AbLaV: Abruf vorrangig nach der systemtechnischen Wirksamkeit, dann nach den Arbeitspreisen o Vertraglicher Redispatch: Maßnahmeneffizienz und Preisgünstigkeit sind zu beachten, die örtliche Lage der Anlage ist von wesentlicher Bedeutung o Gesetzlicher Redispatch: Quotient aus netzstützender Wirkung und zu entrichtender Vergütung (gemäß an sich aufgehobener BNetzA-Festlegung); sinnvollerweise sollten die Netzbetreiber das Verfahren gleichermaßen auf vertraglich kontrahierte Erzeugungsanlagen anwenden, um eine einheitliche Behandlung gewährleisten zu können o Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG: Maßstab der effizientesten Gefährdungsbeseitigung zu den vergleichsweise geringsten Kosten (bezogen auf KWKAnlage) o Notmaßnahmen: Die Maßnahmeneffizienz steht im Vordergrund, jede Anlagenauswahl muss sachlich begründet und verhältnismäßig sein; ein Zugriff auf privilegierte Anlagen ist nur nachrangig möglich o Einspeisemanagement: Vorrangig sind Grubengas-Anlagen und hocheffiziente KWK-Anlagen im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 2 und 3 KWKG, nachrangig kleine PV-Anlagen zu regeln; im Übrigen gilt: Neben der Maßnahmeneffizienz ist das Vorrangprinzip in seiner auswahlspezifischen Ausprägung relevant (größtmögliche Strommenge aus privilegierten Anlagen; ggf. vorrangiger Zugriff auf 1170
Gilt auch für die Kapazitätsreserve, wenn es um Frequenzschwankungen geht.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
konventionelle Anlagen in nachgelagerten Netzen) – dazu wird nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine sog. Sensitivitätsanalyse durchgeführt o Kleine privilegierte Anlagen, die keine PV-Anlagen sind, werden nach § 13 Abs. 2 EnWG und erst nach den kleinen PV-Anlagen geregelt o Auswahl zwischen Zwangsmaßnahmen auf Erzeugungs- und Lastseite muss Effizienzprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten Die Auswahl der konkreten Gefahrenbeseitigungsmaßnahme sowie eines bestimmten Adressaten liegt also nicht in der freien Entscheidung der ÜNB, sondern folgt grundsätzlich einem festen Schema, das sich explizit oder implizit aus gesetzlichen Vorgaben oder übergreifenden Rechtsgrundsätzen ergibt.1171 Ihr Vorgehen muss insbesondere sachlich begründet, effizient und verhältnismäßig sein. Die Einhaltung der dargestellten Vorgaben dürfte sich durch automatisierte Ablaufpläne grundsätzlich auch bei sehr kurzfristig auftretenden Gefährdungslagen bewerkstelligen lassen.1172 Dennoch eröffnet das Bestimmungsschema auch an einigen Stellen ein gewisses Missbrauchspotenzial, etwa bei der Frage, ob ein Netzengpass oder eine sonstige Gefährdung vorliegt, ob entschädigungslose Notmaßnahmen herangezogen werden können oder, welche konventionellen Anlagen auch im Rahmen des Einspeisemanagements am Netz bleiben dürfen. Der Gesetzgeber versucht dieses in erster Linie mit Unterrichtungs- und Begründungspflichten der ÜNB gegenüber den Betroffenen zu minimieren (v. a. §§ 13 Abs. 3 S. 6 und Abs. 7 EnWG sowie § 14 Abs. 3 EEG 2017), so dass letzteren die Möglichkeit eröffnet wird, im Nachhinein gegen Handlungen der ÜNB vorzugehen. Die ÜNB wurden deshalb mit der Übernahme der Systemverantwortung betraut, da sie über den besten Überblick über das Elektrizitätsversorgungssystem verfügen.1173 Dieser ohnehin vorhandene Überblick, der sich daraus ergibt, dass die Übertragungsnetze den Verteilernetzen vorgelagert sind, wird durch § 12 Abs. 4, 5 EnWG ergänzt. Diese Norm dient der Informationsbeschaffung der ÜNB und der sonstigen vorgelagerten Netzbetreiber und umfasst alle Informationen, die zum sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb notwendig sind. Insbesondere anhand dieser Daten treffen die ÜNB letztlich ihre Entscheidungen. Im Rahmen der Maßnahmenergreifung ist zu unterscheiden zwischen einerseits prognostischen Einschätzungen und andererseits prognosefreien Fakten. Die Übergänge zwischen bloßen Einschätzungen und an sich eindeutig bestimmbaren Fakten können fließend sein bzw. miteinander zusammenhängen. Prognostische Einschätzungen werden aus der ex ante-Sicht eines verständigen Netzbetreibers bewertet, sie sind den ÜNB also auch dann nicht vorwerfbar, wenn sich im Nach1171 So auch Kment, Regulierungsrechtliche Rahmenbedingungen für Elektrizitätsnetzbetreiber und EEG-Anlagen – Systemstabilität, Systemverantwortung und Kostenverteilung, NVwZ 2016, S. 1438 ff. (S. 1442 f.). 1172 Vgl. BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 7; a.A. offensichtlich Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 14 Rn. 18. 1173 BT-Drs. 15/3917, S. 56 f.
D. Informationsrechte und -pflichten
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hinein ihre Unrichtigkeit herausstellt.1174 In den Bereich der prognostischen Einschätzungen gehören jedenfalls die Fragen danach, ob eine Gefährdung vorliegt („droht eine Gefahr?“) und auf welcher Rangstufe (netzbezogen, marktbezogen, Notmaßnahme) eine Handlung des ÜNB erfolgen muss. Zu den faktischen Fragen gehört dagegen etwa die Benennung der konkreten Gefahr (Frequenzschwankung oder Netzengpass?). Ob den ÜNB im Rahmen ihrer Maßnahmenergreifung regulierungsbehördlich und gerichtlich nicht abschließend überprüfbare Beurteilungsspielräume zustehen, wird noch zu untersuchen sein (siehe dazu Teil 4 B.II.). So oder so dürfen die Anforderungen an die ÜNB nicht zu hoch angesetzt werden, damit eine wirksame Gefahrenabwehr nicht aufgrund von rechtlichen und tatsächlichen Restriktionen behindert wird.1175
D. Informationsrechte und -pflichten Die effiziente Wahrnehmung der Systemverantwortung durch die Übertragungsnetzbetreiber ist nicht denkbar ohne eine möglichst umfassende Kenntnis der Netzsituation.1176 Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die ÜNB nicht nur mit den bereits dargestellten Eingriffsbefugnissen ausgestattet, um Gefährdungen und Störungen beseitigen zu können, sondern auch mit weitgehenden Informationsrechten. Dies hat jedoch naturgemäß zur Folge, dass die ÜNB eine sehr dominierende Stellung im Vergleich zu den übrigen an der Energieversorgung beteiligten Akteuren aufweisen. Um diese Stellung einer regulierungsrechtlichen bzw. gerichtlichen Kontrolle zuführen zu können, ist es zunächst erforderlich, die von Maßnahmen der ÜNB Betroffenen mit eigenen Informationsrechten auszustatten, die – aus der Perspektive der ÜNB besehen – zusammenfassend als Informationspflichten bezeichnet werden können. Nur durch die gesetzlich vorgegebenen Transparenzvorgaben kann eine missbräuchliche Ausnutzung der Befugnisse durch die ÜNB bekämpft werden. Die ausführliche Befassung mit der Reihenfolge und Auswahl von Maßnahmen und Adressaten in Teil 2 C. hat gezeigt, dass die ÜNB in der Maßnahmenergreifung keineswegs frei sind, sondern diversen expliziten und impliziten Handlungsvorschriften unterliegen und zudem an höherrangige Rechtssätze wie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden sind. Die Einhaltung dieser Vorgaben kann jedoch nur dann überprüft werden, wenn die ÜNB dazu verpflichtet sind, ihre handlungsleitenden Motive und Grundlagen offenzulegen.
1174
Siehe dazu Teil 2 A.I.1 und Teil 2 B.IV.1. Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 515 f. 1176 Vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 56. 1175
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
I. Informationsrechte1177 Zunächst sollen in der gebotenen Kürze die Informationsrechte der ÜNB angesprochen werden. Die wichtigste Vorschrift in diesem Zusammenhang ist nicht in der Systemverantwortungsnorm des § 13 EnWG geregelt, sondern in § 12 EnWG (Absätze 4 – 7) enthalten, der sich allgemein mit den Aufgaben der Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen, insbesondere der ÜNB, befasst.1178 Aus § 12 Abs. 4 S. 1 EnWG folgt für alle Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen ein sehr weitgehendes Informationsrecht gegenüber den Betreibern von Erzeugungs- und Speicheranlagen, Elektrizitätsverteilernetzen1179 und Gasversorgungsnetzen, gegenüber industriellen und gewerblichen Letztverbrauchern, Anbietern von Lastmanagement1180 sowie Großhändlern und Lieferanten von Energie. Nur private Letztverbraucher sind hiervon nicht erfasst. Die nötigen Erkenntnisse über das Verbrauchsverhalten von Letzteren können über die Einbeziehung der Stromlieferanten erlangt werden.1181 Mit dem Strommarktgesetz1182 wurden die Vorschriften in § 12 Abs. 4 EnWG sowie in den folgenden Absätzen überarbeitet und ergänzt. Es können alle Informationen angefordert werden, die „notwendig sind, damit die Elektrizitätsversorgungsnetze sicher und zuverlässig betrieben, gewartet und ausgebaut werden können“ (§ 12 Abs. 4 S. 1 EnWG). Die eingeholten Informationen müssen also erforderlich sein hinsichtlich mindestens einer der drei genannten Aufgaben der Netzbetreiber: sicherer Netzbetrieb, Wartungsmaßnahmen und Ausbau des Netzes.1183 Relevant sind insoweit alle betriebsbezogenen Daten, die Erkenntnisse über die Stromerzeugung, den Stromverbrauch sowie den Netzzustand liefern.1184 Erfasst sind insbesondere Stammdaten, Planungsdaten und Echtzeitdaten (§ 12 Abs. 4 S. 2 EnWG). Stammdaten betreffen allgemeine Informationen wie den Namen des Marktakteurs, die Anschluss-Netzebene sowie Anlagengröße und 1177 Weiterführend hierzu Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 236 ff. 1178 Kritisch hierzu König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 Rn. 62. 1179 Vgl. insoweit aber auch § 12 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 EnWG, dazu Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 91 f. 1180 BT-Drs. 18/7317, S. 81: „Unter Lastmanagement wird in diesem Zusammenhang eine zweckorientierte Veränderung des Verbrauchs elektrischer Energie gegenüber einem ansonsten zu erwartenden Verbrauchsverhalten verstanden. Lastmanagementmaßnahmen können unmittelbar auf Initiative eines Verbrauchers erfolgen, z. B. als Reaktion auf Strompreissignale, oder auf Initiative eines Externen, z. B. eines Netzbetreibers, im Rahmen der Erbringung von Systemdienstleistungen.“ 1181 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 Rn. 65. 1182 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 1183 Vgl. Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 12 Rn. 30. 1184 BT-Drs. 17/6072, S. 67.
D. Informationsrechte und -pflichten
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-leistung, Planungsdaten sind in die Zukunft gerichtete Erzeugungs- bzw. Verbrauchsplanungen, Echtzeitdaten umfassen die Ist-Einspeisung bzw. den Ist-Verbrauch.1185 Selbst Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse können umfasst sein, wobei § 12 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EnWG insoweit eine besondere Vorschrift enthält, die dem Schutz der Geheimnisse vor „unbefugter Offenlegung“ dienen soll. § 12 Abs. 4, 5 EnWG ist als subjektives Recht ausgestaltet, die Herausgabe von Informationen ist durch die ÜNB also einklagbar.1186 In der Praxis richten die ÜNB präventive Auskunftsverlangen an die Auskunftspflichtigen, damit diese die ÜNB über bestimmte zuvor definierte Ereignisse von sich aus unterrichten und ihre Berichte unverzüglich aktualisieren, sobald sich neue Entwicklungen ergeben.1187 Zukünftig soll statt der Abfrage nach § 12 Abs. 4 EnWG im Übrigen auf das Marktstammdatenregister (§ 111e EnWG) zurückgegriffen werden, soweit sich hieraus entsprechende Daten entnehmen lassen (§ 12 Abs. 7 EnWG). Die zu erlangenden Informationen betreffen sowohl die auf die Zukunft gerichtete Systembetriebsplanung als auch die Systemführung, also den Echtzeitbetrieb des Netzes.1188 Relevant sind insbesondere die Verfügbarkeiten von Erzeugungskapazitäten sowie zu erwartende Strombezüge aus dem Netz, weiterhin Mitteilungen über Kraftwerksrevisionen und Investitionsvorhaben im Kraftwerksbereich.1189 Von besonderer Bedeutung ist auch die frühzeitige Information über geplante Stilllegungen von Erzeugungsanlagen, für die der Gesetzgeber mit § 13b EnWG aber ohnehin mittlerweile eine spezielle Vorschrift geschaffen hat, wonach Betreiber von Erzeugungs- und Speicheranlagen mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt vorläufige oder endgültige Stilllegungen mindestens zwölf Monate vorher anzuzeigen haben.1190 Allgemein benötigen die ÜNB v. a. ein möglichst vollständiges Bild über die gegenwärtige und zukünftige Struktur und Zugriffsfähigkeit der Erzeugungsanlagen; relevant sind dabei auch Kenntnisse über die Einordnung bestimmter Anlagen als must-run-units, die maximal bzw. minimal fahrbare Leistung, zeitliche Nichtverfügbarkeiten sowie Anfahrzeiten.1191
1185
BT-Drs. 18/7317, S. 82. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 Rn. 66; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 12 Rn. 63; Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 12 Rn. 36. 1187 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 Rn. 66. 1188 VDN, Transmission Code 2007, S. 60 ff.; BNetzA, Beschluss vom 16. 04. 2014, BK6 – 13 – 200, S. 4. 1189 BT-Drs. 15/3917, S. 56; vgl. auch Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 12 Rn. 30. 1190 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 12 Rn. 60. 1191 Vgl. BNetzA, Beschluss vom 16. 04. 2014, BK6 – 13 – 200, S. 17 f. 1186
270
Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
Da das Einspeisemanagement nach § 14 EEG 2017 in die Systemverantwortung integriert ist, umfasst der Informationsanspruch auch die hierzu notwendigen Erkenntnisse.1192 Insoweit sind auch diejenigen Informationen einzuholen, die erforderlich sind, um den grundsätzlichen Vorrang der Abnahme von Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK ermöglichen zu können (vgl. § 13 Abs. 3 EWG); hierzu sind etwa Kenntnisse über die räumliche Verteilung von konventionellen und privilegierten Erzeugungsanlagen unerlässlich.1193 Zudem sind nun auch Informationen über „technisch gleich wirksame andere Maßnahmen“ nach § 13 Abs. 3 S. 5 a.E. EnWG einzuholen, die an sich nötige Abweichungen vom Einspeisevorrang verhindern können. Für die Netzführung der ÜNB ist weiterhin von Bedeutung, welche Netzausbaumaßnahmen nachgelagerte Netzbetreiber durchführen werden und ob etwa neue Netzanschlüsse großer Wind- bzw. Solarparks anstehen.1194 Der Abruf von Daten über die Ist-Einspeisung ist im Rahmen des Einspeisemanagements zudem sogar Eingriffsvoraussetzung (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EEG 2017). Mit der Liberalisierung sowie der Energiewende ist ein sicherer Netzbetrieb vor neue Herausforderungen gestellt, die insbesondere den ständigen Ausgleich von Stromeinspeisung und -entnahme angesichts einer zunehmend volatilen Stromerzeugung sowie die Beseitigung von Netzengpässen betreffen. Detaillierte Kenntnisse über den derzeitigen und absehbaren Netzzustand sind deshalb von immer größerer Bedeutung.1195 Der Gesetzgeber strebt aus diesem Grund die Einführung eines „Energieinformationsnetzes“ an, das den jederzeitigen Abruf von relevanten Daten ermöglicht und vereinfacht.1196 Dies wiederum stellt einen ersten Schritt in Richtung eines intelligenten Netzes (sog. smart grid) dar.1197 Dabei soll auch die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Hinblick auf die möglichen Kosten sowie den zeitlichen und organisatorischen Aufwand der Auskunftspflichtigen gewährleistet sein.1198 Die nähere Ausgestaltung obliegt der Regulierungsbehörde (§ 12 Abs. 6 EnWG), die hiervon auch bereits Gebrauch gemacht hat.1199 Die entsprechende Festlegung regelt insbesondere die weitgehend automatisierte Verarbeitung von 1192 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 12 Rn. 55. 1193 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 12 Rn. 61. 1194 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 12 Rn. 64. 1195 Vgl.: BT-Drs. 17/6072, S. 67; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 12 Rn. 59. 1196 BT-Drs. 17/6072, S. 67. 1197 BT-Drs. 17/6072, S. 67. 1198 BT-Drs. 17/6072, S. 67. 1199 BNetzA, Beschluss vom 16. 04. 2014, BK6 – 13 – 200. Die Festlegung betrifft bislang nur Anlagen mit Anschluss an der Spannungsebene von 110 kV und höher und mit einer Nennleistung von mindestens 10 MW.
D. Informationsrechte und -pflichten
271
Informationen.1200 Die BNetzA schreibt hierzu: „Mit Blick auf das zeitkritische Umfeld, in dem die ÜNB durch die umfangreichen Datenzulieferungen in die Lage versetzt werden müssen, für Systembetriebsplanung und Systemführung hieraus Rückschlüsse auf den Netzzustand zu ziehen, kommt […] nur eine nahezu vollständig automatisierte Verarbeitung in Frage, was die Notwendigkeit einer verbindlichen Festschreibung von Dateninhalten, Lieferzeitpunkten und Datenformaten mit sich bringt.“1201 Anhand der erlangten Informationen sollten1202 die ÜNB bislang eine sog. Leistungsbilanz mit statistischen und prognostischen Ausführungen erstellen (§ 12 Abs. 4 S. 3 EnWG a.F.) und an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für die Zwecke des Monitorings nach § 51 EnWG übermitteln (§ 12 Abs. 5 EnWG a.F.). Die Leistungsbilanz diente der Einschätzung der erzeugungsseitigen Stromversorgungssicherheit und gab das Verhältnis aus gesicherter Erzeugungsleistung und Höchstlast zu bestimmten Zeitpunkten des Jahres an.1203 Im Rahmen der Novellierung des EnWG ist der Gesetzgeber jedoch zu der Erkenntnis gelangt, dass die Leistungsbilanzen der ÜNB aufgrund ihrer rein nationalen Betrachtung in einem europäischen Binnenmarkt eine zu geringe Aussagekraft aufweisen.1204 Aus diesem Grund wurde die Pflicht zur Erstellung von Leistungsbilanzen durch die ÜNB abgeschafft und stattdessen das Monitoring durch das BMWi nach § 51 EnWG aufgewertet. Die ÜNB liefern dem BMWi deshalb auf dessen Verlangen hin zukünftig direkt die nach § 12 Abs. 4 EnWG erlangten Informationen (§ 12 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EnWG) sowie ggf. weitere verfügbare Informationen und Analysen, etwa zu Angebot und Nachfrage auf den europäischen Strommärkten (§ 12 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 EnWG).1205 Die an das BMWi gelieferten Daten sollen dann in aggregierter Form mit dem Bericht zum Stand und zur Entwicklung der Versorgungssicherheit im Bereich der Versorgung mit Elektrizität nach § 63 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EnWG veröffentlicht werden (§ 12 Abs. 5 S. 2 EnWG). Im Rahmen des Monitorings nach § 51 EnWG werden die ÜNB bei allen wesentlichen Verfahrensschritten einbezogen (§ 51 Abs. 5 EnWG).
1200 Vgl. dazu auch Bourwieg, Aktuelles aus der Energieregulierung (Stand: Februar 2015), ER 2015, S. 43 ff. (S. 43). 1201 BNetzA, Beschluss vom 16. 04. 2014, BK6 – 13 – 200, S. 10; vgl. dazu Hofmann, Aktuelle Entwicklungen auf dem Stromerzeugungsmarkt im Jahr 2014, EnWZ 2015, S. 70 ff. (S. 74). 1202 Gehört an sich in den Bereich der Informationspflichten, wird aber an dieser Stelle im Rahmen der Informationsrechte mitbetrachtet, um die Bezüge besser darstellen zu können. 1203 BT-Drs. 17/6072, S. 67. 1204 BT-Drs. 18/7317, S. 82. 1205 Nach § 12 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 und 5 EnWG sind zudem der Regulierungsbehörde Informationen über die Mindesterzeugung zu liefern (für den Bericht nach § 63 Abs. 3a EnWG) sowie über Unternehmen mit einem Stromverbrauch von mehr als 20 GWh im Jahr (für das Monitoring nach § 51a EnWG).
272
Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
Neben § 12 Abs. 4 – 7 EnWG bestehen noch weitere spezielle Informationsrechte der ÜNB bzw. -pflichten anderer Beteiligter. Diese betreffen im Bereich der Systembilanz etwa die Details der Fahrplanmeldung und -abwicklung (vgl. § 5 StromNZV), im Bereich des Engpassmanagements nach § 13a Abs. 1 EnWG etwa die Meldung freier Leistungsscheiben für Redispatch-Maßnahmen.1206 Die Abrufung der Ist-Einspeisung aus privilegierten Erzeugungsanlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 100 Kilowatt erfolgt nach § 9 EEG 2017 über technische Einrichtungen.
II. Informationspflichten Die ÜNB verfügen nicht nur über Informationsrechte, es besteht auch eine Vielzahl an systemverantwortungsbezogenen Informationspflichten. Diese dienen dazu, die Handlungen der ÜNB transparent zu machen und so eine regulierungsrechtliche bzw. gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen. Eine generelle Informationspflicht im Sinne einer Generalklausel – wie sie § 12 Abs. 4 – 7 EnWG zur Erlangung von Informationen durch die ÜNB darstellt – besteht nicht. Stattdessen gibt es eine Vielzahl konkreter Informations-, Unterrichtungs-, Veröffentlichungs- und Nachweispflichten, die zum Teil gegenüber von Maßnahmen Betroffenen, zum Teil gegenüber staatlichen Stellen (BNetzA, BMWi) bestehen.1207 Die wichtigsten Vorschriften sollen im Folgenden vorgestellt und in Relation zueinander gesetzt werden.
1206
Vgl. BNetzA, Beschluss vom 16. 04. 2014, BK6 – 13 – 200, S. 15. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: § 11 Abs. 2 EnWG n.F. (Informationspflichten im Zusammenhang mit der Spitzenkappung), § 12 Abs. 2 EnWG (Informationsaustauschpflichten bei verbundenen Netzen), § 12 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 – 5 EnWG n.F. (Informationsweitergabe für Berichte nach §§ 51, 51a und 63 Abs. 3a EnWG), § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG (Vorabinformation der Betreiber von Verteilernetzen bzw. von Stromhändlern bei Notmaßnahmen), § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG (Anzeige und Nachweis gegenüber Regulierungsbehörde bei Abweichung von den Vorschriften des Absatz 3), § 13 Abs. 7 EnWG (Information über die Gründe von Anpassungen und Maßnahmen an die Betroffenen sowie die Regulierungsbehörde), § 13 Abs. 8 EnWG (Information der BNetzA, wenn lebensnotwendiger Bedarf betroffen ist), § 13 Abs. 9 EnWG (Erarbeiten einer Schwachstellenanalyse und Bericht an die Regulierungsbehörde), § 13 Abs. 10 EnWG n.F. (Erstellung von Netzengpass-Prognosen und Übermittlung an BNetzA), § 13b Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 2 – 7 EnWG (Beteiligung der BNetzA bei der SystemrelevanzAusweisung), § 14 Abs. 1b EnWG (Netzkarten über Engpassregionen in Hochspannungsnetzen, Übermittlung an Regulierungsbehörde), § 20 Abs. 2 S. 2 EnWG (Mitteilung an Regulierungsbehörde bei Verweigerung des Netzzugangs), § 52 EnWG (Meldepflichten bei Versorgungsstörungen an die BNetzA), § 14 Abs. 2, 3 EEG 2017 (Unterrichtungspflichten bei Einspeisemanagement), § 9 Abs. 1 StromNZV (Zurverfügungstellung der Ausschreibungsergebnisse Regelenergie an Regulierungsbehörde), § 15 Abs. 3 S. 2, 3, Abs. 4 StromNZV (Dokumentations-, Vorlage- und Unterrichtungspflichten beim Engpassmanagement). Weitere Pflichten können sich etwa auch aus freiwilligen Selbstverpflichtungen ergeben. 1207
D. Informationsrechte und -pflichten
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1. Informationspflichten im EnWG Zunächst sollen die wichtigsten Informationspflichten im EnWG dargestellt werden. Dies betrifft § 13 Abs. 7, § 13 Abs. 2 S. 2 sowie § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG. a) § 13 Abs. 7 EnWG Die wichtigste Informationspflicht folgt aus § 13 Abs. 7 EnWG. Hiernach sind die ÜNB verpflichtet, die von durchgeführten Maßnahmen und Anpassungen unmittelbar Betroffenen und die Regulierungsbehörde unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 BGB), über die Gründe der Maßnahmen (vgl. § 13 Abs. 1 EnWG) bzw. Anpassungen (vgl. § 13 Abs. 2 EnWG) zu informieren, wobei die vorgetragenen Gründe auf Verlangen auch zu belegen sind. Diese Unterrichtungspflicht bezieht sich auf sämtliche im Rahmen der Systemverantwortung vorgenommenen Handlungen der ÜNB, also auf netz- und marktbezogene Maßnahmen (inklusive des gesetzlichen Redispatch, des Einsatzes abschaltbarer Lasten sowie von Maßnahmen nach § 13 Abs. 6a EnWG) sowie Notmaßnahmen (inklusive Einspeisemanagement – dazu vgl. aber Teil 2 D.II.2.).1208 Als unmittelbar betroffen gelten die jeweiligen Adressaten von Maßnahmen, also sowohl die an der Maßnahmendurchführung Beteiligten als auch alle sonstigen Netznutzer, auf die sich die Maßnahmenergreifung unmittelbar auswirkt.1209 In § 13j Abs. 2 Nr. 1 EnWG ist eine Festlegungskompetenz der Regulierungsbehörde enthalten, wonach diese bestimmen kann, „in welchem Umfang die Netzbetreiber Maßnahmen nach § 13 Absatz 1 und 2, deren Gründe und die zugrunde liegenden vertraglichen Regelungen der Bundesnetzagentur mitteilen und auf einer gemeinsamen Internetplattform veröffentlichen müssen.“ Hiervon wurde bislang kein Gebrauch gemacht, was angesichts der Wichtigkeit eines umfassenden und einheitlichen Mitteilungsverfahrens für die nachträgliche Kontrolle der Handlungen der ÜNB durchaus überraschend ist.1210 Folglich ist durch Auslegung zu klären, was zu den relevanten Gründen der durchgeführten Maßnahmen zu zählen ist. Umfasst sind insbesondere Erklärungen der ÜNB zur Abschaltrangfolge und zur diskriminierungsfreien Anlagenauswahl.1211 Die ÜNB müssen also darlegen, warum aus ihrer ex ante-Sicht eine Gefährdung vorlag, warum sie auf welcher Rangstufe (netzbezogen – marktbezogen – Notmaßnahme) tätig geworden sind und nach welchen Maßstäben gerade die Anlage des Adressaten der Maßnahme ausgewählt wurde. Die Darlegung der Handlungsgründe 1208
BT-Drs. 17/6072, S. 73. BT-Drs. 16/3917, S. 57; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 179. 1210 Vgl. aber zu den Vorgaben der freiwilligen Selbstverpflichtung der ÜNB für ein verbindliches Anreizsystem für Systemdienstleistungen König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 593 f. 1211 Vgl. BT-Drs. 17/6072, S. 73. 1209
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
setzt zudem naturgemäß voraus, dass zunächst über die formalen Gegebenheiten der Handlung aufgeklärt wird, also insbesondere über die tatsächlichen Zeitpunkte (Beginn und Ende), den technischen Umfang (Leistung bzw. Arbeit) und die Art der Maßnahme (vgl. dazu § 14 Abs. 3 EEG 2017).1212 Soweit es um Maßnahmen des Engpassmanagements geht, sind zudem die betroffenen Netzregionen zu benennen. Entscheidend ist, dass sich anhand der von den ÜNB gelieferten Daten – zumindest durch einen Fachmann – die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen nachvollziehen bzw. nachprüfen lässt.1213 Im Transmission Code1214 heißt es hierzu: „Die vom ÜNB zu liefernde Begründung muss geeignet sein, die Notwendigkeit, den Umfang und die Qualität der geforderten Maßnahmen nachträglich nachvollziehen zu können.“ b) § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG Neben der nachträglichen Informationspflicht des § 13 Abs. 7 EnWG enthält § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG die vorgelagerte Pflicht zur Vorabinformation bei Ergreifung von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG. Wird hiernach eine Anpassung der Einspeisung oder Abnahme von Strom erforderlich1215, sind insbesondere die betroffenen Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen und Stromhändler soweit möglich vorab zu unterrichten; die Netznutzer, in deren Rechte eingegriffen werden soll, sind ebenfalls vorab zu informieren (erst-recht-Schluss).1216 Diese Vorschrift dient nicht dazu, den Handlungsadressaten die Möglichkeit zu eröffnen, angekündigte Maßnahmen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu stoppen – was zeitlich ohnehin kaum möglich sein dürfte. Vielmehr stellt die Vorschrift eine Obliegenheit der ÜNB dar1217, soweit irgend möglich, die wichtigsten von der Maßnahmenergreifung Betroffenen formlos1218 auf kommende Eingriffe hinzuweisen, damit diese sich darauf einstellen und ggf. schadensmindernde Vorkehrungen treffen können.1219 Der Fokus der ÜNB soll auf der Beseitigung der Gefährdung liegen, während die Vorabinformation nur insoweit gefordert wird, als diese auch neben der Gefahrenabwehr praktisch durchführbar ist.1220 Allerdings sind durch die ÜNB im Vorfeld solche 1212 So wohl auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 181. 1213 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 34; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 181; Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 66. 1214 VDN, Transmission Code 2007, S. 14. 1215 Stromtransite sind hier nicht genannt. 1216 So Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 176. 1217 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 30. 1218 A.A. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 Rn. 133. 1219 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 Rn. 133. 1220 Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 49.
D. Informationsrechte und -pflichten
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organisatorisch-technischen Maßnahmen zu ergreifen, die nötig sind, um auch in angespannten Situationen grundsätzlich noch eine Unterrichtung der Beteiligten veranlassen zu können.1221 c) § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG Eine dritte wichtige Unterrichtungspflicht der ÜNB ergibt sich aus § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG. Wie bereits dargestellt, kann vom Abnahmevorrang für Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK ausnahmsweise abgewichen werden, soweit dessen Einhaltung die Beseitigung einer Gefährdung oder Störung gerade verhindern würde (§ 13 Abs. 3 S. 4 EnWG). Dies betrifft insbesondere die Mindesteinspeisung aus bestimmten Anlagen, sog. must-run-units (§ 13 Abs. 3 S. 5 EnWG; so auch § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017).1222 Dabei ist nun auch zu berücksichtigen, ob „technisch gleich wirksame andere Maßnahmen“ verfügbar gemacht werden können. Der tatsächliche Schutzgrad der vorrangigen Abnahme von EE, Grubengas und hocheffizienter KWK wird aber damit über die Definition der Ausnahmen festgelegt, so dass insoweit ein gewisses Missbrauchspotenzial besteht, wenn allzu großzügig konventionelle Anlagen als must-run-units eingeordnet werden oder sonstige Ausnahmen nach § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG fruchtbar gemacht werden. Umso wichtiger ist, dass nach § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG sämtliche Abweichungen vom Abnahmevorrang unverzüglich der Regulierungsbehörde anzuzeigen und die besonderen Gründe hierfür nachzuweisen sind.1223 Auf diese Weise soll die Regulierungsbehörde in die Lage versetzt werden, die „sachgerechte Nutzung der Ausnahmemöglichkeiten nach Satz 4 und 5“ zu überwachen.1224 Von der darüber hinausgehenden Festlegungsbefugnis (§ 13j Abs. 2 Nr. 2 EnWG), der Festlegung von Kriterien für die nach Satz 4 geltenden Ausnahmefälle, hat die Regulierungsbehörde bislang keinen Gebrauch gemacht. Gleichwohl erscheint der Erlass einer solchen Festlegung für die Zukunft wünschenswert, da auf diese Weise ein höherer Grad an Transparenz erzielt werden könnte.1225
1221
Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 177. 1222 Teil 2 B.IV.3. 1223 Wie sich aus zwei Kleinen Anfragen an die Bundesregierung ergibt (BT-Drs. 18/9157, S. 5 f. und BT-Drs. 18/11464, S. 1 ff., 4), scheint es Defizite bei der Einhaltung der genannten Meldepflichten zu geben, die seitens der BNetzA nicht gerügt werden. Die BNetzA scheint in der Praxis nicht auf einen Nachweis der besonderen Gründe in den jeweiligen Einzelfällen zu bestehen und begnügt sich offensichtlich mit allgemeinen Meldungen zu erfolgten Netzsicherheitsmaßnahmen. Dieses Vorgehen widerspricht dem klaren Wortlaut von § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG und sollte dringend abgestellt werden. 1224 BT-Drs. 17/6072, S. 72. 1225 Vgl. auch BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Weißbuch), 2015, S. 77.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
2. Informationspflichten im EEG Neben dem EnWG enthält auch das EEG Informationspflichten der ÜNB. Im Folgenden werden § 14 Abs. 3 und 2 EEG 2017 dargestellt. Sodann wird die Anwendbarkeit von § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG im Rahmen des Einspeisemanagements untersucht. a) § 14 Abs. 3 EEG 2017 Nach § 14 Abs. 3 EEG 2017 sind sämtliche von Maßnahmen des Einspeisemanagements Betroffenen durch die handelnden Netzbetreiber – also diejenigen, die die Regelung vorgenommen haben1226 – unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 BGB), über die tatsächlichen Zeitpunkte, den jeweiligen Umfang, die Dauer und die Gründe der Abregelung zu unterrichten; auf Verlangen sind zudem innerhalb von vier Wochen Nachweise über die Erforderlichkeit der Maßnahme vorzulegen. Weiter heißt es, dass die Nachweise eine sachkundige dritte Person in die Lage versetzen können müssen, ohne weitere Informationen die Erforderlichkeit der Maßnahme vollständig nachvollziehen zu können. Hierzu sind insbesondere die verfügbaren Daten über die Ist-Einspeisung in der jeweiligen Netzregion vorzulegen (vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EEG 2017). Gegenüber den Betreibern kleiner PV-Anlagen (höchstens 100 Kilowatt, allerdings unter Beachtung der Zusammenrechnungs-Norm des § 9 Abs. 3 EEG 2017) ist die Informationspflicht jedoch eingeschränkt – hier genügt ggf. eine einmal jährliche Unterrichtung über sämtliche Maßnahmen des Einspeisemanagements im vergangenen Jahr.1227 § 14 Abs. 3 EEG 2017 stellt eine Spezialregelung zu § 13 Abs. 7 EnWG dar.1228 In beiden Vorschriften geht es um die unverzügliche Unterrichtung der von Maßnahmen des Netzbetreibers Betroffenen, um diesen insbesondere eine nachträgliche Über-
1226 Muss nicht zwangsläufig mit dem für den Netzengpass „verantwortlichen“ Netzbetreiber übereinstimmen, Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 102; siehe auch: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 91 ff.; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 48; Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 14 Rn. 12; a.A. hierzu – unterrichtungspflichtig sind der Netzbetreiber, an dessen Netz die Anlage angeschlossen ist sowie der Netzbetreiber, in dessen Netz die Ursache für die Regelung liegt – Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 42. 1227 Dies folgt aus § 14 Abs. 3 S. 3 EEG 2017: „Die Netzbetreiber können abweichend von Satz 1 Betreiber von Anlagen nach § 9 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 3 nur einmal jährlich über die Maßnahmen nach Absatz 1 unterrichten, solange die Gesamtdauer dieser Maßnahmen 15 Stunden pro Anlage im Kalenderjahr nicht überschritten hat; diese Unterrichtung muss bis zum 31. Januar des Folgejahres erfolgen.“ 1228 BT-Drs. 17/6071, S. 65.
D. Informationsrechte und -pflichten
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prüfung zu ermöglichen.1229 Damit dienen sie automatisch auch präventiv dazu, die ÜNB dahingehend zu disziplinieren, dass sie ihre Handlungen streng nach rechtlichen Maßstäben ausrichten.1230 Das Verhältnis der beiden Normen ist rechtlich etwas unsauber, da nicht ohne Weiteres klar wird, inwiefern die Regelung im EEG im Ergebnis tatsächlich spezieller ist. § 13 Abs. 7 EnWG spricht eher knapp von der Information über die Gründe der Maßnahme. § 14 Abs. 3 EEG 2017 nennt neben den Gründen der Regelung auch formale Aspekte, nämlich, dass weiterhin über die tatsächlichen Zeitpunkte, den jeweiligen Umfang und die Dauer der Regelung zu unterrichten ist. Diese Daten bilden zugleich die Grundlage für die Härtefallentschädigung.1231 Insoweit besteht jedoch im Ergebnis kein Unterschied zwischen den Regelungen in EnWG und EEG, da – wie dargestellt – die formalen Grundlagen der Handlung des Netzbetreibers auch bei einer Unterrichtung nach § 13 Abs. 7 EnWG mit darzulegen sind. Bei § 13 Abs. 7 EnWG heißt es weiter, dass die vorgetragenen Gründe auf Verlangen zu belegen sind, gemäß § 14 Abs. 3 EEG 2017 sind auf Verlangen Nachweise über die Erforderlichkeit1232 der ergriffenen Maßnahme vorzulegen. Wo genau der inhaltliche Unterschied zwischen diesen beiden Formulierungen liegt, ist nicht ersichtlich, allerdings ist davon auszugehen, dass die Regelung im EEG im Zweifelsfall eine höhere Detailtiefe verlangt. Hiernach ist das Vorhandensein sämtlicher Voraussetzungen – und damit der Rechtmäßigkeit des Einspeisemanagements – zu belegen.1233 Dies betrifft zum einen die Gründe für das Vorliegen bzw. zu befürchtende Auftreten eines Netzengpasses aus ex ante-Sicht (Informationen über die vorhandene Netzkapazität, die normale Netzauslastung und die Ursache des Netzengpasses bzw., warum der Netzbetreiber mit der Entstehung eines Engpasses rechnen musste), zum anderen die Frage, warum gerade die Anlage des betroffenen Anlagenbetreibers
1229 Bezüglich § 14 Abs. 3 EEG 2017 vgl. nur König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 72. 1230 Vgl. Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 90 f. 1231 Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 49; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 72. 1232 Kosten für die Härtefallentschädigung kann der Netzbetreiber nach § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 im Übrigen auch nur dann über die Netzentgelte auf die Netznutzer abwälzen, wenn die EinsMan-Maßnahme erforderlich war (und er sie nicht zu vertreten hat). 1233 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 95; Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 110; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 51; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 75 f.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
abgeregelt wurde.1234 Der Netzbetreiber muss also sowohl Nachweise über die Gefährdungslage erbringen, als auch eine ausführliche Beschreibung der Auswahl von Maßnahme und konkretem Adressat: Nach welchen Maßstäben sie durchgeführt wurde und warum nicht andere Maßnahmen vorgenommen wurden oder stattdessen Strom aus konventionellen bzw. anderen privilegierten Anlagen abgeregelt wurde.1235 Dabei sind auch die vorhandenen Daten über die Ist-Einspeisungen aller Erzeugungsanlagen zum Regelungszeitpunkt im jeweiligen Netzbereich vorzulegen. Anhand dieser gesammelten Informationen soll im Ergebnis eine sachkundige dritte Person in der Lage sein können, die Erforderlichkeit der EinsMan-Maßnahme zu beurteilen (§ 14 Abs. 3 S. 2 EEG 2017). Nicht erforderlich sind Angaben über unterbliebenen Netzausbau, da die Verpflichtungen zum Netzausbau (§ 12 EEG 2017) und das Einspeisemanagement nicht unmittelbar miteinander verknüpft sind.1236 Da auch bei der Unterrichtung nach § 13 Abs. 7 EnWG ein Fachmann anhand der gelieferten Belege und Informationen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme bzw. Anpassung beurteilen können soll (vgl.o.), bleibt es dabei, dass sich inhaltliche Unterschiede zwischen der EnWG- und der EEG-Regelung allenfalls in der geforderten Informationstiefe ausmachen lassen. Immerhin enthält § 14 Abs. 3 S. 1 EEG 2017 aber zusätzlich noch die Vorgabe, dass die Nachweispflicht innerhalb von vier Wochen zu erfüllen ist. § 14 Abs. 3 S. 4 EnWG enthält einen klarstellenden Hinweis dahingehend, dass § 13j Abs. 2 Nr. 1 EnWG, also die Vorschrift, die der Regulierungsbehörde eine Festlegungsbefugnis hinsichtlich der Modalitäten (Umfang, Frist, Form) der Mitteilungspflicht an sie selbst bzw. zur Veröffentlichung der Informationen auf einer Internetplattform gibt, unberührt bleibt. Hier zeigt sich eine erneute systematische Unsauberkeit: § 13j Abs. 2 Nr. 1 EnWG setzt in Bezugnahme auf § 13 Abs. 7 S. 1 EnWG voraus, dass bereits eine Unterrichtungspflicht gegenüber der Regulierungsbehörde besteht, die dann ihrerseits ermächtigt wird, im Wege der Festlegung genauere Vorgaben hierzu zu erlassen; in § 14 Abs. 3 EEG 2017 wurde die Unterrichtung der Regulierungsbehörde aber nicht aufgenommen – es ist nur von den „Betroffenen“ die Rede, zu denen die Regulierungsbehörde schwerlich zu zählen ist.1237 Im Ergebnis läuft die Verweisung auf das EnWG dennoch nicht ins Leere, da 1234 Vgl. Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 110. 1235 Vgl.: Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 110; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 51; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 52 f. 1236 Ebenso König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 76; a.A. Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 110. 1237 Dies verkennt offensichtlich Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 62.
D. Informationsrechte und -pflichten
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im Wege eines erst-recht-Schlusses die Information der Regulierungsbehörde in § 14 Abs. 3 EEG 2017 hineinzulesen ist.1238 Es wäre auch kaum zu rechtfertigen, dass gerade bei der speziellen Regelung des Einspeisemanagements keine Unterrichtung der Regulierungsbehörde erforderlich ist, während bei allen sonstigen Maßnahmen im Rahmen der Systemverantwortung eine solche zu erfolgen hat. b) § 14 Abs. 2 EEG 2017 Ebenso wie bei Notmaßnahmen im EnWG (§ 13 Abs. 2 S. 2 EnWG) enthält auch das EEG zusätzlich eine dem § 14 Abs. 3 EEG 2017 vorgelagerte Informationspflicht. Diese findet sich in § 14 Abs. 2 EEG 2017 und enthält die Verpflichtung der Netzbetreiber, alle Betreiber von Anlagen nach § 9 Abs. 1 EEG 2017 – nicht also die Betreiber kleiner PV-Anlagen (§ 9 Abs. 2 und 3 EEG 2017) – spätestens am Vortag, ansonsten unverzüglich über den zu erwartenden Zeitpunkt, den Umfang und die Dauer der Regelung zu unterrichten, sofern die Durchführung der EinsMan-Maßnahme vorhersehbar ist. Hierbei handelt es sich um eine Spezialregelung zu § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG.1239 Die formalen Eckdaten einer sich abzeichnenden Maßnahmenergreifung müssen den Betroffenen, sofern es sich um Betreiber von privilegierten Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 100 Kilowatt handelt, also möglichst im Vorfeld der Maßnahmenergreifung mitgeteilt werden. Zeichnet sich beispielsweise aufgrund der Wetterprognosen bereits mehrere Tage zuvor ab, dass an einem bestimmten Tag mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Abregelung einer bestimmten privilegierten Anlage erfolgen muss, so ist der Anlagenbetreiber umgehend darüber zu informieren; ein Abwarten bis zum Vortag der absehbaren Engpasslage ist dann nicht zulässig.1240 Die frühzeitige Information von Anlagenbetreibern, die nach derzeitigem Kenntnisstand voraussichtlich von einer Abregelung betroffen sein werden, soll diese in die Lage versetzen, eigene Maßnahmen zu ergreifen, um das Auftreten eines Engpasses zu verhindern1241 bzw., um diesen die Möglichkeit zu geben, sich auf die Drosselung ihrer Anlage vorzubereiten und beispielsweise – sofern KWK-Anlagen betroffen sind – die Versorgung ihrer Kunden mit Fernwärme auf andere Weise sicherzustellen.1242 Dass Anlagenbetreiber in „vorauseilendem Gehorsam“ selbst eine Reduzierung der Einspeisung veranlassen, ist dabei ein zwar mögliches, in der Praxis jedoch äußerst unrealistisches Szenario, da bei einer Selbstabregelung keine Här1238
Siehe bereits Teil 2 B.IV.4.c. BT-Drs. 17/6071, S. 65. 1240 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 97; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 40. 1241 BT-Drs. 16/9477, S. 22. 1242 Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 88. 1239
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
tefallentschädigung nach § 15 EEG 2017 ausgezahlt wird.1243 Ist eine Vorabmeldung aufgrund der Kurzfristigkeit eines Gefährdungsereignisses gänzlich unmöglich, scheidet auch eine Nachholung der Unterrichtung nach § 14 Abs. 2 EEG 2017 aus.1244 In solchen Fällen ist aber ohnehin nicht zu erwarten, dass die Anlagenbetreiber noch selbst wie auch immer geartete Vorsorgemaßnahmen treffen können. Der Zweck der Vorschrift könnte insoweit also gar nicht erreicht werden. Die Pflicht zur Information nach § 14 Abs. 3 EEG 2017 bleibt davon unberührt, so dass eine nachträgliche Überprüfung der Handlungen des Netzbetreibers möglich bleibt. Im Verhältnis zu § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG weist § 14 Abs. 2 EEG 2017 eine detailliertere Handlungsbeschreibung auf, da Zeitpunkt und Umfang der Unterrichtung näher beschrieben werden. Zudem werden direkt die betroffenen Anlagenbetreiber genannt, die in § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG selbst gar nicht erwähnt werden (vgl.o.). Wirkliche inhaltliche Unterschiede bestehen zwischen den beiden Regelungen dennoch nicht. So wird man sich – wie schon im Verhältnis von § 13 Abs. 7 EnWG und § 14 Abs. 3 EEG 2017 – alleine darauf verständigen müssen, dass die Norm im EEG im Zweifelsfall eine etwas größere Detailtiefe verlangt. c) Anwendbarkeit von § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG auch im EEG Eine spezielle Anzeige- und Nachweispflicht über die besonderen Gründe einer Abweichung vom Einspeisevorrang, gerichtet an die Regulierungsbehörde, wie sie § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG für Maßnahmen der Systemverantwortung vorsieht, enthält die Regelung zum Einspeisevorrang nicht. Bei einer bloßen Orientierung am Wortlaut von § 13 Abs. 3 EnWG ist auch kein Rückgriff auf die Vorschrift des EnWG möglich, da § 13 Abs. 3 S. 6 EnWG ausdrücklich nur auf Ausnahmen vom Einspeisevorrang „nach den Sätzen 4 und 5“ verweist, also nicht auf Ausnahmen im Rahmen des EinsMan, auf dessen Anwendbarkeit im Rahmen der Systemverantwortung bereits in Satz 3 des § 13 Abs. 3 EnWG verwiesen wird. Allerdings muss die gesonderte Unterrichtungspflicht der Regulierungsbehörde erst recht im Rahmen von § 14 EEG 2017 gelten (vgl. die Argumentation bei § 14 Abs. 3 EEG 2017), da gerade das EinsMan in besonderer Weise dem Vorrangprinzip dient und sich auch in erster Linie hier – und weniger im Rahmen von § 13 Abs. 2 EnWG – Ausnahmen vom Einspeisevorrang ergeben können.1245
1243 So König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 66. 1244 BT-Drs. 17/6071, S. 65. 1245 Siehe bereits Teil 2 B.IV.4.b)bb).
D. Informationsrechte und -pflichten
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3. Rechtssystematische Bewertung der beschriebenen Informationspflichten Das Vorrangprinzip für Strom aus EE, Grubengas und hocheffizienter KWK, das nach §§ 13 Abs. 2, 3 und 14 EEG 2017 Beschränkungen unterliegt, kann nur dann effizient gewährleistet werden, wenn Transparenz- und Informationspflichten sicherstellen, dass Abweichungen hiervon nachträglich überprüft werden können. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 und 3 EEG 2017 (zuvor § 11 Abs. 2 und 3 EEG 2012) eine entsprechende Unterrichtungspflicht geschaffen. Da zusätzlich in § 13 Abs. 2 S. 2 und Abs. 7 EnWG für alle Maßnahmen der Systemverantwortung Informationspflichten existieren, die grundsätzlich auch für Maßnahmen im EinsMan gelten, ist davon auszugehen, dass die EEG-Normen eine größere Detailtiefe verlangen und insgesamt weitergehend sind als die allgemeinen Vorgaben im EnWG (wenngleich bei näherer Betrachtung inhaltliche Unterschiede an sich kaum auszumachen sind). Wenn aber nun die Vorschriften im EEG schärfer sein sollen als diejenigen im EnWG, dann stellt sich die Frage, warum sie nur dann gelten, wenn der ÜNB nach seinem Verständnis auch gerade eine Einspeisemanagement-Maßnahme durchführt. Beruft er sich nämlich zu Unrecht auf die Anwendbarkeit von § 13 Abs. 2 EnWG, dann ist auch § 14 Abs. 3 EEG 2017 nicht einschlägig, sondern § 13 Abs. 7 EnWG. Zwar kommt es für die Härtefallregelung nach § 15 EEG 2017 nicht (mehr) darauf an, nach welcher Vorschrift privilegierte Anlagen abgeregelt wurden, für die Frage der nachträglichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen des Netzbetreibers – etwa: durfte die konkrete Anlage überhaupt abgeregelt werden? – spielt die Wahl der Unterrichtungsvorschrift aber offensichtlich schon eine Rolle. Unter Umständen müsste ein betroffener Anlagenbetreiber zunächst auf die Herausgabe weiterer Informationen (im Sinne von § 14 Abs. 3 EEG 2017) klagen, bevor er überhaupt beurteilen kann, ob der Netzbetreiber zurecht § 13 Abs. 2 EnWG und nicht § 14 Abs. 1 EEG 2017 herangezogen hat. Darüber hinaus ist auch nicht einzusehen, warum in solchen Fällen, in denen rechtmäßigerweise § 14 EEG 2017 nicht anwendbar ist, aber dennoch eine Abregelung privilegierter Anlagen erfolgt, automatisch auch keine erweiterte Unterrichtung erfolgen muss, sondern nur die allgemeine Information nach dem EnWG. Dies betrifft etwa kleine privilegierte Erzeugungsanlagen, die nicht unter § 9 EEG 2017 fallen, also eine Nennleistung von maximal 100 Kilowatt aufweisen und keine PV-Anlagen sind, oder auch Fälle solcher Abweichungen vom Einspeisevorrang, die nicht aufgrund der must-run-Charakteristik der verbliebenen konventionellen Anlagen im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017 erfolgen, sondern aufgrund sonstiger Abweichungen nach § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG. Wie bereits erörtert1246, erscheint es sinnvoll, das Einspeisemanagement gänzlich abzuschaffen, da § 13 EnWG eine ausreichende Befugnisnorm für ausnahmsweise 1246
Teil 2 B.IV.4.d).
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
erforderliche Abregelungen von privilegierten Anlagen bietet. Die in § 13 Abs. 2 bzw. 7 EnWG enthaltenen allgemeinen Unterrichtungsvorgaben könnten dann jeweils um die bislang im EEG geregelten „qualifizierten“ Informationspflichten ergänzt werden. Auf diese Weise würde auch sichergestellt, dass die weitergehende Informationspflicht im Falle der Abregelung von EE, Grubengas und hocheffizienter KWK generell in allen Engpass-Situationen gilt und nicht nur, wenn eine Abregelung im Rahmen des Einspeisemanagements erfolgt. Alternativ könnte man die erweiterte Unterrichtungspflicht auch auf alle Fälle der Abregelung privilegierter Anlagen ausweiten, so dass diese auch bei sonstigen Gefährdungen greift. Oder aber man kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorgaben des EnWG ohnehin bereits ausreichen und verzichtet gänzlich auf zusätzliche Informationserfordernisse beim Zugriff auf privilegierte Anlagen.
E. Pflicht zur zukünftigen Verhinderung von Gefahrensituationen? Der Fokus der vorliegenden Abhandlung liegt auf der gegenwärtigen Beseitigung von Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems (§ 13 Abs. 1 EnWG). Das bedeutet, dass zumindest bereits eine konkrete, hinreichende Gefahr vorliegen muss, damit die ÜNB berechtigt und verpflichtet sind, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Hierzu sind zwar auch Vorfeldmaßnahmen, wie etwa die Vorhaltung marktbezogener Maßnahmen (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG) oder die Beschaffung von Informationen von den im Energieversorgungssystem involvierten Akteuren (§ 12 Abs. 4 EnWG), erforderlich. Solche Schritte dienen jedoch nur dazu, später auftretende Gefahren effizienter beseitigen zu können. Darüber hinaus stellt sich jedoch die Frage, ob die ÜNB aufgrund ihrer Systemverantwortung auch dazu verpflichtet sind, daran mitzuwirken, dass Gefahrensituationen gar nicht erst entstehen können. Oder um es in der Sprache des Sicherheits- und Polizeirechts auszudrücken: Folgt für die ÜNB aus § 13 EnWG auch eine Pflicht zur präventiven Gefahrenabwehr, also zur zukünftigen Verhinderung des Auftretens von Gefahrensituationen? In einem wesentlichen Teilbereich des Energiewirtschaftsrechts, nämlich der Verpflichtung sämtlicher Betreiber von Energieversorgungsnetzen, ihr Netz bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen (§ 11 Abs. 1 EnWG, vgl. auch § 12 EEG 2017), ist diese Frage an sich ohne Weiteres zu bejahen. Gerade das Handlungsfeld des Engpassmanagements ist eng mit dem Ausbauzustand des Netzes verknüpft. Könnte etwa der Windstrom aus Norddeutschland engpassfrei nach Süddeutschland übertragen werden, würde der Bedarf an Redispatchmaßnahmen wohl schlagartig sinken. Netzausbau stellt aus Sicht der Systemverantwortung eine präventive Maßnahme dar, die geeignet ist, die Zahl kritischer Netzzustände, die auf Engpässe im Netz zurückzuführen sind, zu verringern. Allerdings sind die Netz-
E. Pflicht zur zukünftigen Verhinderung von Gefahrensituationen?
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ausbaupflichten unabhängig von der Systemverantwortung und des hiermit verbundenen Instrumentenkoffers des Engpassmanagements zu sehen; letzteres setzt einen nicht vollumfänglich erfolgten Netzausbau gerade voraus.1247 Dies wird auch im Rahmen des Einspeisemanagements deutlich, wo es heißt, dass die Berechtigung zu Maßnahmen nach § 14 EEG 2017 „unbeschadet“ der Pflicht der Netzbetreiber zum Netzausbau besteht.1248 Das Einspeisemanagement als Element der Systemverantwortung und die Netzausbaupflicht weisen also rechtlich keine unmittelbaren Bezüge auf, sondern stehen nebeneinander. Umso mehr stellt sich jedoch die Frage, ob auch § 13 EnWG selbst präventive Gefahrenabwehrpflichten enthält.1249 Hierauf könnte § 13 Abs. 9 EnWG hindeuten, der die ÜNB verpflichtet, „zur Vermeidung schwerwiegender Versorgungsstörungen“ alle zwei Jahre eine sog. Schwachstellenanalyse zu arbeiten und auf dieser Grundlage „notwendige Maßnahmen zu treffen.“1250 Über die erfolgte Analyse ist der Regulierungsbehörde alle zwei Jahre, jeweils zum 31. August, zu berichten. Nach Ansicht des Gesetzgebers soll § 13 Abs. 9 EnWG jedoch nicht der Gefahrenprävention dienen, sondern der Vorbereitung auf die Behandlung zukünftiger Gefährdungen. Hierzu sollen Schwachstellen im Netzsystem identifiziert werden und Überlegungen angestellt werden, wie die Maßnahmen nach § 13 EnWG im Gefährdungs- bzw. Störungsfall am effizientesten eingesetzt werden können.1251 Hilfreich hierfür sind zum einen empirische Daten aus der Vergangenheit und zum anderen Modellrechnungen, die Auskunft über potenzielle zukünftige Gefahrenla-
1247 Vgl.: De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? – Zur Netzeinbindung von Großkraftwerken (Teil 1), IR 2006, S. 199 ff. (S. 201); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 44. 1248 Vgl. Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 63; so im Ergebnis auch schon zur vorigen Fassung des EEG: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-EnergienGesetz, Baden-Baden 2012, S. 84 ff.; so zudem Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 154; a.A. offensichtlich noch Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 524); ebenso Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 235 f.). 1249 Vgl. Mätzig, Das Recht der Elektrizitätsversorgungsnetze: Netzbetreiberpflichten zwischen unternehmerischer Eigenverantwortung und staatlicher Steuerung, Essen 2012, S. 336. 1250 Eine ähnliche Stoßrichtung hat § 52 EnWG, wonach die Betreiber von Energieversorgungsnetzen der BNetzA bis zum 30. April jeden Jahres einen Bericht über die im letzten Kalenderjahr aufgetretenen Versorgungsunterbrechungen zu erstatten haben. Hierbei sind auch die „auf Grund des Störungsgeschehens ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Versorgungstörungen darzulegen.“ 1251 BT-Drs. 15/3917, S. 57; Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007, S. 211.
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Teil 2: Wahrnehmung der Systemverantwortung
gen geben können.1252 Das Personal in den Leitstellen soll zudem vorbereitet und trainiert werden, „um insbesondere den Koordinierungsanforderungen unter Zeitdruck in Notsituationen gewachsen zu sein“ (vgl. § 13 Abs. 9 S. 2 EnWG).1253 Kurz gesagt, über die Durchführung von Schwachstellenanalysen soll dafür gesorgt werden, dass die ÜNB bzw. das für die ÜNB tätige Fachpersonal von plötzlich auftretenden Gefährdungslagen nicht kalt erwischt wird, sondern sofort in der Lage ist, die erforderlichen und zielführenden Schritte einzuleiten. Zu diesem Zweck sind Ablaufpläne zu erarbeiten, die auch gewährleisten, dass im Gefährdungsfalle die Vorgaben zur korrekten Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten eingehalten werden können.1254 Ein darüber hinaus gehendes strategisches Engpassmanagement oder ähnliche weiterführende Maßnahmen – also insbesondere Leitungs- bzw. Kraftwerksbau – soll nicht von § 13 Abs. 9 EnWG erfasst sein.1255 Eine präventive Gefahrenabwehrkomponente enthält die Systemverantwortung aber insoweit, als zumindest diejenigen Vorfeldmaßnahmen zu ergreifen sind, die die ÜNB in ihrer eigenen Netzsteuerung ohne großen organisatorischen oder finanziellen Aufwand vornehmen können. Lassen sich identifizierte Schwachstellen im Netz also bereits dadurch beseitigen, dass – ohne, dass es einen bestimmten gegenwärtigen Gefährdungsimpuls gibt – generelle Änderungen in der Netzplanung bzw. -schaltung vorgenommen werden, so sind diese auch auszuschöpfen. Man könnte insoweit von präventiven netzbezogenen Maßnahmen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG) sprechen, also Maßnahmen ohne Eingriffswirkung gegenüber Dritten, die geeignet sind, mögliche Gefährdungssituationen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die Existenz einer so gelagerten Verpflichtung lässt sich durchaus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck von § 13 Abs. 9 EnWG entnehmen, da hier von der „Vermeidung“ von Versorgungsstörungen die Rede ist und insofern „Maßnahmen“ zu treffen sind. Die bereits angesprochenen Vorab-Überlegungen zur effizienten Gefahrenbeseitigung bzw. entsprechenden Unterweisung des Personals reichen nicht aus, um Versorgungsstörungen auch tatsächlich zu vermeiden, sie dienen vielmehr dem Bereich der Beseitigung von Gefährdungen. Es wäre jedoch widersinnig, die ÜNB darüber hinaus nicht auch in die Pflicht zu nehmen, im eigenen Netz Präventivanpassungen vorzunehmen, soweit diese geeignet sind, den Eintritt bestimmter Gefährdungen zu verhindern. Dies ist auch ganz im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Eingriffsfreie, präventive Maßnahmen stellen ein milderes Mittel im Vergleich zur Heranziehung des in Teil 2 C. beschriebenen Instrumentariums zur 1252 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 144 f. 1253 BT-Drs. 15/3917, S. 57. 1254 Vgl. Teil 2 C. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 186. 1255 BT-Drs. 15/3917, S. 57; so etwa auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 185; a.A. Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 36.
E. Pflicht zur zukünftigen Verhinderung von Gefahrensituationen?
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Gefahrenbeseitigung dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn hierdurch keine oder nur geringe Kosten entstehen und so dem Grundsatz der Preisgünstigkeit nach § 1 Abs. 1 EnWG genügt wird.
Teil 3
Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung durch die Übertragungsnetzbetreiber Die rechtliche Erfassung der Systemverantwortung erfordert auch einen Blick auf die hiermit verbundenen Rechtsfolgen. Dies erfolgt nun in Teil 3 der Abhandlung. Dabei ist zu prüfen, inwiefern Kosten entstehen und wer für diese im Ergebnis einzustehen hat (A.). Die Systemverantwortung wird insoweit um eine Kostenverantwortung ergänzt. Für die Beurteilung des rechtlichen Status der Übertragungsnetzbetreiber im Rahmen ihrer Pflichten nach § 13 EnWG (dazu Teil 5) kommt es aber entscheidend darauf an, inwiefern diese Kosten von den ÜNB über das Netzentgelt oder auf andere Weise weitergegeben werden können, wer diese also letztendlich wirtschaftlich zu tragen hat. Zudem ist zu prüfen, welchen Haftungsrisiken die ÜNB ausgesetzt sind bzw., welche Haftungserleichterungen das Gesetz vorhält (B.). Am Ende gilt: Je umfassender die Kostenpflichten und Haftungsrisiken sind, desto schwieriger lässt sich die Aufbürdung der Systemverantwortung auf die ÜNB juristisch rechtfertigen.
A. Kostenverantwortung für die Bereitstellung von Systemdienstleistungen Zunächst soll die Kostenverantwortung der ÜNB beschrieben werden. Hierzu werden die einzelnen Maßnahmen, die die ÜNB ergreifen können bzw. müssen, auf ihre Vergütungspflichten hin untersucht. Auch Bilanzausgleichspflichten werden in den Blick genommen und daraufhin überprüft, ob insoweit für die ÜNB weitere Kosten entstehen können. In einem zweiten Schritt wird sodann herausgearbeitet, inwiefern die Kosten auf Dritte – insbesondere über die Netzentgelte auf die Netznutzer – abgewälzt werden können.
I. Vergütungspflichten der ÜNB Die Ausgangsfrage lautet, ob bzw. inwieweit die Übertragungsnetzbetreiber die Kosten für Maßnahmen im Rahmen von § 13 EnWG bzw. § 14 EEG 2017 zu tragen
A. Kostenverantwortung
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haben. Soweit die ÜNB auf die Handlungen von Dritten, etwa von Anlagenbetreibern, angewiesen sind und vertragliche Vereinbarungen bestehen, sind an diese regelmäßig Vergütungen zu zahlen.1 Den ÜNB steht es dabei grundsätzlich frei, alle denkbaren Systemdienstleistungsverträge mit Einspeisern (ggf. auch privilegierten, § 11 Abs. 3 EEG 2017), anderen Netzbetreibern, Lieferanten oder Verbrauchern einzugehen, die dazu dienen, die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone zu erhalten.2 Solche Vereinbarungen sind dem Bereich der marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG zuzurechnen.3 Den klassischen Fall bildet hier der vertragliche Redispatch, dessen Bedingungen zwischen ÜNB und Anlagenbetreibern individuell ausgehandelt werden können. Allerdings verliert der vertragliche Redispatch stark an Bedeutung gegenüber dem gesetzlichen Redispatch nach § 13a Abs. 1 EnWG, der bestimmte Anlagenbetreiber gegen „angemessene Vergütung“ zur Teilnahme an Redispatchmaßnahmen verpflichtet. Hierauf wird – ebenso wie auf die Regelungen zu zusätzlichen Reserven – näher einzugehen sein. Die Beschaffung von Regelenergie sowie von ab- oder zuschaltbaren Lasten erfolgt zunächst im Rahmen einer Ausschreibung und ist im EnWG, der StromNZV bzw. der AbLaV einer gewissen Regulierung unterworfen. Hier wird jeweils unterschieden zwischen der Zahlung von Leistungspreisen für die bloße Vorhaltung von Regelenergie bzw. von Lasten und der Zahlung von Arbeitspreisen für den konkreten Abruf. Eine Spezialregelung als Mischform von Redispatch und Lastmanagement enthält nun § 13 Abs. 6a EnWG, der in Satz 2 konkrete Vorgaben für die Vergütung vorsieht. Setzt der ÜNB Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG ein, sind keine Vergütungen zu zahlen (vgl. § 13 Abs. 5 EnWG). Eine Ausnahme bildet die Härtefallentschädigung nach § 15 Abs. 1 EEG 2017, die jedoch nur für EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen gilt. Zudem betrifft diese Entschädigungsregelung nur die Fälle engpassbedingter Abregelung durch den Netzbetreiber.
1
BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 4; Bicker, Einspeisemanagement in EEG-Regionen – Grundlagen, aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen auf Biogasanlagen in Nordwestdeutschland, AUR 2012, S. 245 ff. (S. 246); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 428. 2 Statt vieler: Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 13. 3 Hier sind ggf. die Besonderheiten von § 11 Abs. 3 EEG 2017 zu beachten. Zudem ist auch auf § 14a EnWG hinzuweisen, der bei steuerbaren Verbrauchseinrichtungen in Niederspannung nicht den Weg über eine Vergütung vorgibt, sondern über eine Reduzierung des Netzentgelts.
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
1. Vergütung der marktbezogenen Maßnahmen sowie der zusätzlichen Reserven Zunächst ist die Vergütung bei den marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG inklusive der zusätzlichen Reserven näher zu untersuchen. a) Regelleistung bzw. -energie4 Regelenergie ist nach § 22 Abs. 2 EnWG im Rahmen eines diskriminierungsfreien und transparenten Ausschreibungsverfahrens über eine gemeinsame Internetplattform der ÜNB zu beschaffen. Vergütungszahlungen5 werden in zweifacher Hinsicht fällig: Zum einen ist sämtlichen Anbietern von Regelleistung, die sich im Rahmen der Ausschreibung durchsetzen, bereits für die Vorhaltung ein Leistungspreis zu zahlen.6 Zum Zuge kommen die günstigsten Leistungspreise – solange, bis der ausgeschriebene Bedarf gedeckt werden kann.7 Ausgezahlt wird der individuell gebotene Preis (vgl. § 8 Abs. 1 S. 3 StromNZV). Zum anderen ist für den konkreten Abruf von Regelenergie ein Arbeitspreis pro Megawattstunde (MWh) zu zahlen. Ob ein Anbieter abgerufen wird, folgt grundsätzlich dem Prinzip der merit order (Leistungsreihenfolge)8 : Zunächst kommt der Anbieter mit dem günstigsten Arbeitspreis zum Zug, es folgen die Anbieter mit den nächsthöheren Angeboten – 4 Bezüglich des potenziellen zukünftigen Einsatzes der Kapazitätsreserve nach § 13e EnWG ist auf die Ausführungen im Rahmen von Teil 3 A.I.c)cc) zu verweisen. Die Vergütung der Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken nach § 13 g EnWG wird in dieser Abhandlung nicht näher behandelt. Im Übrigen werden auch Kosten im Zusammenhang mit systemrelevanten Gaskraftwerken nach § 13 f Abs. 2 EnWG ausgespart. 5 Vgl. hierzu auch Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 486 ff. 6 Von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 618). 7 Das Zuschlagsverfahren wurde bei der Überarbeitung der Ausschreibungsbedingungen vom 13. Juni 2017 (BNetzA, Beschlüsse vom 13. 06. 2017, BK6 – 15 – 158 und BK6 – 15 – 159, jeweils S. 2, wirksam zum 12. Juli 2018) nicht angetastet, auch im Hinblick auf ohnehin absehbare Änderungen im Rahmen der unionsrechtlichen Überformung der Regelenergie-Vorgaben (Verordnung (VO (EU) 2017/1485 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb, ABl. EU 2017, L 220/1 ff., sowie Verordnung VO (EU) 2017/2195 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, ABl. EU 2017, L 312/6 ff.). Da aber erstmals zum 17. Oktober 2017 sowie in der Folgezeit im Abruf mehrfach sehr hohe Arbeitspreisgebote bezuschlagt wurden, die nicht auf Knappheitssituationen zurückgeführt werden können, hat sich die BNetzA mit Beschluss vom 2. Februar 2018 dazu entschlossen, zwischenzeitlich noch eine Änderung des Zuschlagsmechanismus zu konsultieren: BNetzA, BK6 – 18 – 019/020. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen (Stand: März 2018). 8 Daneben kommt es natürlich noch auf die relevante Gefährdung (Stromdefizit oder -überschuss) sowie die relevante Regelenergieart (Primär- oder Sekundärregelenergie bzw. Minutenreserve) an.
A. Kostenverantwortung
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solange, bis die Gefährdung beseitigt ist (vgl. § 7 StromNZV).9 In den Arbeitspreis werden die mit dem Anbieten von Regelenergie verbundenen Kosten oder entgangenen Vergütungen eingepreist.10 Die Höhe der zu zahlenden Vergütungen ergibt sich also automatisch als Ergebnis der Ausschreibung und der auftretenden Gefährdungslage.11 Die Vergütungen werden dabei immer durch den Anschluss-ÜNB geleistet, unabhängig davon, in welcher Regelzone der Bedarf für die Vorhaltung oder den Einsatz einer bestimmten Regelenergiemenge entstanden sind (Anschluss-ÜNBPrinzip); in der Folge werden unter den ÜNB Ausgleichszahlungen geleistet.12 Derzeit wird für Leistungs- und Arbeitspreis das pay as bid-Verfahren genutzt. Soweit ein Zuschlag erfolgt bzw. die Anlage konkret zum Einsatz kommt, wird also der Angebotspreis ausgezahlt. Die Regulierungsbehörde kann jedoch auch festlegen, dass stattdessen Einheitspreise gezahlt werden (§ 27 Abs. 1 Nr. 3b i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 3 StromNZV), dass also etwa allen Teilnehmern gleichermaßen diejenige Gebotshöhe zu zahlen ist, die gerade noch zum Zug gekommen ist (Grenzpreis). b) Abschaltbare und zuschaltbare Lasten im Allgemeinen, AbLaV im Speziellen13 Ein ähnliches Prinzip gilt nach § 13 Abs. 6 EnWG (§ 13 Abs. 4a EnWG a.F.) für ab- und zuschaltbare Lasten. Auch hier ist die Durchführung eines diskriminierungsfreien und transparenten Ausschreibungsverfahrens über eine gemeinsame Internetplattform der ÜNB erforderlich. In § 13i Abs. 2 EnWG (§ 13 Abs. 4b EnWG a.F.) ist darüber hinaus eine Befugnis der Bundesregierung enthalten, die ÜNB zur Durchführung von Ausschreibungen und zur Annahme eingegangener Angebote in Höhe von maximal 3.000 Megawatt zu verpflichten; hiervon wurde für abschaltbare Lasten auch Gebrauch gemacht, in der AbLaV. Diese wurde nach zwischenzeitlich zweimaliger Verlängerung mit Inkrafttreten zum 1. Oktober 2016 novelliert (§ 20 Abs. 1 AbLaV n.F.).14 Zuschlagsberechtigt im Sinne von § 13i Abs. 2 S. 1 EnWG sind nur „wirtschaftlich und technisch sinnvolle Angebote“. Als wirtschaftlich sinnvoll gelten Angebote bis zur Dauer von einem Jahr, für die eine Vergütung zu 9 Von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 618). 10 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 310). 11 Da auch negative Arbeitspreise zulässig sind, können dem ÜNB auch Einnahmen entstehen. 12 Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 29, 31 ff. 13 Eine interessante Vorschrift in diesem Zusammenhang ist zudem § 14a EnWG, der sich an die Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen im Bereich der Niederspannung richtet und die Gewährung eines reduzierten Netzentgelts vorsieht. 14 BGBl. 2016 I S. 1984 ff.
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
zahlen ist, „die die Kosten für die Versorgungsunterbrechungen nicht übersteigt, zu denen es ohne die Nutzung der zu- oder abschaltbaren Lasten kommen könnte“ (§ 13i Abs. 2 S. 3 EnWG). Diese Vorgaben werden in § 4 Abs. 2 AbLaV präzisiert: Leistungs- und Arbeitspreise werden durch die Anbieter von Abschaltleistung individuell festgelegt, dürfen dabei aber eine Höhe von 500 Euro pro Megawatt Abschaltleistung (Leistungspreis)15 bzw. von 400 Euro pro Megawattstunde im Falle des Abrufs der Leistung (Arbeitspreis)16 nicht übersteigen. Sämtliche Ansprüche der Anbieter abschaltbarer Lasten richten sich gegen den ÜNB, mit dem eine Abschaltvereinbarung besteht (§ 4 Abs. 3 S. 3 AbLaV). Die Zuschläge erfolgen grundsätzlich auf Basis der Höhe der in den Angeboten enthaltenen Leistungspreise – beginnend mit dem niedrigsten und damit für den ÜNB günstigsten (§ 11 Abs. 2 AbLaV). Sofort abschaltbare und schnell abschaltbare Lasten werden dabei getrennt behandelt und bezuschlagt (vgl. § 2 Nr. 9, 10 AbLaV). Leistungspreise werden dann bereits für die Bereitstellung der Abschaltleistung ausgezahlt (§§ 2 Nr. 6, 4 Abs. 3 S. 1 AbLaV). Bei gleichem Leistungspreis entscheidet zunächst die Höhe des Arbeitspreises, ansonsten die „systemtechnische Wirksamkeit“ und schließlich der Zeitpunkt des Angebotseingangs über den Zuschlag. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Regelungen der AbLaV vor der Novelle 2016. Ursprünglich richtete sich der Zuschlag nach dem Arbeitspreis, da der Leistungspreis für Abschaltleistung auf 2.500 Euro pro Megawatt gedeckelt war (§ 4 Abs. 2 AbLaV a.F.) und somit als Zuschlagskriterium ausschied. Mit der Umstellung der AbLaV auf individuelle Leistungspreise und der Übernahme als Zuschlagskriterium erfolgte nun eine weitere Anpassung der AbLaV-Vorgaben an das Verfahren bei der Ausschreibung von Regelenergie. Es gilt jeweils das pay as bidVerfahren, es werden also keine Einheitspreise gezahlt. Für den Abruf der Lasten enthielt die AbLaV bislang keine expliziten Vorgaben, dies wurde mit der Novelle 2016 aber geändert. Die Arbeitspreise werden fällig, sobald ein Abruf der Abschaltleistung erfolgt (vgl. §§ 2 Nr. 4, 4 Abs. 3 S. 2 AbLaV). Dieser richtet sich nun vorrangig nach der systemtechnischen Wirksamkeit; bei gleicher Wirksamkeit wird der Anbieter mit dem vergleichsweise günstigsten Arbeitspreis herangezogen (§ 13 Abs. 4 AbLaV). Hier besteht damit auch weiterhin ein Unterschied zum Abruf von Regelenergie, wo grundsätzlich streng nach der Höhe des Arbeitspreises abgerufen wird. In den Grenzen von § 13 Abs. 6 EnWG – Beschaffung in einem diskriminierungsfreien und transparenten Ausschreibungsverfahren und unter einheitlichen Vorgaben – können ÜNB auch Verträge über ab- und zuschaltbare Lasten außerhalb der AbLaV abschließen. Dies gilt für sämtliche zuschaltbaren Lasten, abschaltbare Lasten mit einer Nennleistung von weniger als 5 Megawatt, die die AbLaV nicht erfasst (§ 2 Nr. 7 AbLaV i.V.m. § 13i Abs. 2 S. 4 EnWG), sowie für weitere abschaltbare Lasten mit einer Nennleistung von mindestens 5 Megawatt, wenn die 15 16
Zuvor: einheitliche Festsetzung in Höhe von 2.500 Euro pro Megawatt. Zuvor: Mindestpreis von 100 und Höchstpreis von 400 Euro.
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Verpflichtung zur Kontrahierung von 1.500 Megawatt17 nach dem Verfahren der AbLaV (§§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 S. 2 AbLaV) bereits erfüllt ist. Sperrwirkungen werden weder durch die AbLaV noch durch das neue Spezialinstrument des § 13 Abs. 6a EnWG18, das mit Power-to-Heat-Anlagen auch zuschaltbare Lasten im Rahmen der Regelung miterfasst, entfaltet. Die Vergütungshöhe unterliegt insoweit keinen fixen Vorgaben. c) Vertraglicher und gesetzlicher Redispatch; Besonderheiten bei §§ 13bff. EnWG und NetzResV Im Folgenden werden die verschiedenen Vergütungspflichten im Rahmen des Redispatchings behandelt. aa) Vertraglicher Redispatch Redispatch-Verträge können grundsätzlich frei ausgehandelt werden, dies betrifft auch die Höhe der Vergütung, die im Falle der Anlagenregelung von den ÜNB an die betroffenen Anlagenbetreiber zu leisten ist.19 Theoretisch könnten ÜNB und Anlagenbetreiber also auch völlig überhöhte Vergütungen vereinbaren: Der Anlagenbetreiber würde durch den Redispatch-Einsatz Einnahmen generieren – der ÜNB wiederum könnte die entstandenen Kosten über die Netzentgelte weiterwälzen, so dass die Netznutzer, die an den Verträgen nicht beteiligt sind, am Ende für die überhöhten Vergütungszahlungen einstehen müssten. Dabei ist aber zu beachten, dass die Festlegung der Netzentgelte der Anreizregulierung unterliegt.20 Der vertragliche Redispatch, wie er in Deutschland praktiziert wird, ist ein kostenbasierter21 Korrekturmechanismus der aus dem Marktergebnis folgenden Einspeiseplanung (Dispatch), der beim Auftreten von Netzengpässen herangezogen wird.22 Erzeugungsanlagen, die sich vor dem Engpass befinden, werden abgeregelt, 17
Jeweils 750 MW an schnell und sofort abschaltbaren Lasten. Wird gesondert betrachtet, da es um KWK-Power-to-Heat-Kombinationen geht, also nicht um reines Lastmanagement. 19 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 68; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 530. 20 Dazu Teil 3 A.III.1. 21 Hier könnten sich durch das EU-Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ (KOM(2016) 860 final), dessen erste Entwürfe am 20. November 2016 vorgestellt wurden, Änderungen ergeben. Dies betrifft etwa die Einführung eines stärker marktbasierten Redispatch-Verfahrens. 22 Andere denkbare Formen sind der marktbasierte/marktorientierte oder der wettbewerbsbasierte Redispatch, vgl. hierzu: Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43 f.); Ritzau/de Wyl/Hartmann, Rechtliche und energiewirtschaftliche Grundsätze zur Bewirtschaftung und Veröffentlichung von Engpässen im Übertragungsnetz, et 2007, Heft 6, S. 84 ff. (S. 86 f.); Consentec/Frontier, 18
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Anlagen hinter dem Engpass im Gegenzug hochgefahren. Auf diese Weise bleibt die zu liefernde Strommenge gleich und die geschlossenen Lieferungsverträge können erfüllt werden.23 Das aus dem freien Spiel der Kräfte sowie der Wetterprognose (Windkraft, PV) entstandene Marktergebnis wird so an die Realitäten des Netzbetriebs angepasst.24 Die Anpassungsmaßnahmen erzeugen bei den betroffenen Anlagenbetreibern jedoch ggf. Kosten, für die sie selbst keine unmittelbare Verantwortung tragen, da das Vorhandensein ausreichender Netzkapazitäten der Einflusssphäre der Netzbetreiber zuzurechnen ist (vgl. §§ 11 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 3 EnWG). Für diese Kosten verlangen sie einen Ausgleich vom handelnden Netzbetreiber; umgekehrt sind aber dafür solche Kosten, die aufgrund von Redispatchmaßnahmen eingespart werden, an den ÜNB auszuzahlen. Das System funktioniert deshalb in der Regel so, dass die Anlagen, deren Einspeisung erhöht wird, ihre zusätzlichen variablen Kosten – etwa für erhöhten Brennstoffeinsatz – vom ÜNB ersetzt bekommen, während die Anlagen, deren Einspeisung gesenkt wird und die somit geringere variable Kosten aufweisen, ihre eingesparten Kosten an den ÜNB auszuzahlen haben.25 Relevant sind dabei die tatsächlichen, individuellen Kosten der betroffenen Anlagenbetreiber, die diese an die ÜNB melden.26 Die Erstattung eingesparter Kosten an den ÜNB rechtfertigt sich daraus, dass die Betreiber von gedrosselten Anlagen den eigentlich abgeregelten Strom regulär verkaufen können, obwohl dieser tatsächlich-physikalisch durch andere Anlagenbetreiber erzeugt wird; diese Strommengen werden der gedrosselten Anlage fiktiv zugerechnet.27 Es wäre also unbillig, wenn die Anlagenbetreiber gleichzeitig Kosten sparen und somit zum Nachteil der ÜNB bzw. der Netznutzer im Ergebnis besser stünden als ohne Engpass. In der Praxis entsteht beim ÜNB nichtsdestotrotz – also obwohl die Betreiber gedrosselter Anlagen ihre eingesparten Kosten zu erstatten haben – reMethodische Fragen bei der Bewirtschaftung innerdeutscher Engpässe im Übertragungsnetz (Energie), 2008, S. 7 ff. 23 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 31. 24 König, Die Pflicht zur Umsetzung eines Market Splittings in Deutschland, EnWZ 2013, S. 451 ff. (S. 451). 25 Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43 f.); Consentec/Frontier, Methodische Fragen bei der Bewirtschaftung innerdeutscher Engpässe im Übertragungsnetz (Energie), 2008, S. 5; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 32; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 156, 530 f. 26 Höffler, Engpassmanagement und Anreize zum Netzausbau im leitungsgebundenen Energiesektor, Baden-Baden 2009, S. 60, 62; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 531. Hier besteht für den ÜNB das Problem, dass er die von den Anlagenbetreibern an ihn gemeldeten Kosten kaum überprüfen kann. 27 Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 32; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 156.
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gelmäßig ein negativer Saldo, da die Anlagen, deren Einspeisung im Rahmen des Redispatchings erhöht wird, tendenziell eher teurere Anlagen sind, also solche mit höheren Grenzkosten, die am Markt seltener zum Zuge kommen.28 Zudem können die Anlagenbetreiber verlangen, dass ihnen Zuschläge (bei Erstattungen durch den ÜNB) bzw. Abschläge (bei Zahlungen an den ÜNB) gewährt werden.29 Bei der individuellen Anlagenauswahl ist neben der effizienten Beseitigung der Gefährdung jedoch maßgeblich, dass möglichst geringe Kosten verursacht werden.30 Wenn es also im konkreten Fall an die Auswahl der korrekten Regelungsadressaten geht, sind die durch die Redispatchmaßnahme erzeugten Kosten ein wesentlicher Entscheidungsfaktor für den handelnden ÜNB. Es gilt demnach, dass die Vergütung zwar an sich frei und individuell bestimmt werden kann, dass die tatsächliche Heranziehbarkeit bestimmter Anlagen zum Redispatch im Rahmen der korrekten Adressatenauswahl bzw. die Weiterwälzbarkeit der Kosten auf die Netznutzer gewisse Grenzen setzen. bb) Gesetzlicher Redispatch; Darstellung der Rechtsansicht des OLG Düsseldorf und der Reaktion des Gesetzgebers Seit der Einführung und Erweiterung des gesetzlichen Redispatch in § 13a Abs. 1 EnWG haben die soeben dargelegten Grundsätze der kostenbasierten Vergütung von Redispatchmaßnahmen allerdings an Relevanz verloren. Zwar stehen vertraglicher und gesetzlicher Redispatch auf der gleichen Ebene – es besteht also kein Vorrangverhältnis31 – und es können auch weiterhin mit allen Erzeugungsanlagen individuelle Redispatch-Verträge getroffen werden.32 Soweit sich ein ÜNB aber auf § 13a Abs. 1 EnWG stützt und einen zwangsweisen Eingriff in die Wirk- oder Blindleistungseinspeisung bzw. den Wirkleistungsbezug von Erzeugungs- oder Speicheranlagen mit einer Nennleistung von mindestens 10 Megawatt vornimmt, so gelten auch im Hinblick auf die Vergütung die besonderen Vorgaben von § 13a EnWG. Es erscheint zudem sinnvoll, die finanzielle Abwicklung des vertraglichen
28 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 155; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 69. 29 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 531. 30 Teil 2 C.II.3.b)aa). Vgl. Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43). 31 Teil 2 C.II.2.a. 32 BT-Drs. 17/6072, S. 71: „Die Übertragungsnetzbetreiber können daher, sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems nach Absatz 1 gefährdet oder gestört ist, bei der Durchführung von marktbezogenen Maßnahmen auch auf den gesetzlich ausgestalteten Anspruch nach Absatz 1a zurückgreifen.“; vgl. auch Sötebier, in: Britz/ Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 40.
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Redispatch hieran zu orientieren.33 Dies bietet den Vorteil einer einheitlichen Vorgehensweise bei der Vergütung von Redispatchmaßnahmen. § 13a Abs. 1 EnWG gibt vor, dass zwangsweise Anpassungen im Rahmen des gesetzlichen Redispatch nur gegen „angemessene Vergütung“ erfolgen dürfen. Die nähere Vorgehensweise hat die BNetzA in zwei Festlegungen konkretisiert (vgl. § 13 Abs. 1a S. 3 EnWG a.F.).34 Diese wurden mittlerweile in Reaktion auf mehrere Urteile des OLG Düsseldorf hin aufgehoben.35 Die Vorgaben der BNetzA zum Verfahren beim gesetzlichen Redispatch aus der Festlegung BK6 – 11 – 098 (Redispatch-Festlegung) können trotz ihrer Aufhebung, wenngleich unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf, allerdings weiterhin als Auslegungshilfe herangezogen werden; hierauf weist die BNetzA in einem Hinweis-Dokument vom 15. März 2016 auch explizit hin.36 Die Vorgaben des OLG Düsseldorf zu den Details der Vergütung im gesetzlichen Redispatch wurden mit dem Strommarktgesetz37 einer unmittelbaren Regelung im EnWG, in § 13a Abs. 2 – 5 EnWG n.F., zugeführt.38 Die Redispatch-Vergütungs-Festlegung BK8 – 12 – 019 hat somit keine Bedeutung mehr. Die Auswahl der zu regelnden Anlagen39 erfolgt im Sinne der weiter heranziehbaren Vorgaben der Redispatch-Festlegung sowohl hinsichtlich der Erzeugungsabsenkung als auch der Erzeugungserhöhung nach einem Quotienten aus netzstützender Wirkung – also danach, um welche Leistung der Lastfluss an dem überlastungsbedrohten Netzelement reduziert werden muss – und der für die Anpassung der Einspeisung zu entrichtenden Vergütung (merit order).40 Die Anpassung der Wirkleistungseinspeisung erfolgt bei einer Erhöhung der Einspeisung beginnend mit der Anlage mit dem höchsten Quotienten aus netzstützender Wirkung und zu entrichtender Vergütung; bei einer Reduzierung der Wirkleistungseinspeisung kehrt
33 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 530, 532. 34 BNetzA, Beschlüsse vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098 (Standardisierung vertraglicher Rahmenbedingungen für Eingriffsmöglichkeiten der Übertragungsnetzbetreiber in die Fahrweise von Erzeugungsanlagen) und BK8 – 12 – 019 (Kriterien für die Bestimmung einer angemessenen Vergütung von strombedingten Redispatch-Maßnahmen und bei spannungsbedingten Anpassungen der Wirkleistungseinspeisung). 35 Siehe: OLG Düsseldorf, IR 2015, S. 277 f.; OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff.; BNetzA, Beschluss vom 15. 06. 2015, BK6 – 11 – 098-A; BNetzA, Beschluss vom 19. 08. 2015, BK8 – 12 – 019-A. Die Aufhebungen waren nötig, da die OLG-Entscheidungen nur inter partes, also zwischen den am Verfahren Beteiligten, gelten. 36 BNetzA, Beschluss vom 15. 06. 2015, BK6 – 11 – 098-A – Hinweise zur Durchführung von Redispatchmaßnahmen vor dem Hintergrund der Urteile des OLG Düsseldorf vom 28. 04. 2015. 37 BGBl. 2016 I S. 1786 ff. 38 BT-Drs. 18/7317, S. 87. 39 Teil 2 C.II.3.b)bb). 40 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 43 ff.
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sich das Vorgehen um, hier wird zunächst die Erzeugungs- oder Speicheranlage mit dem geringsten Quotienten aus netzstützender Wirkung und Vergütung geregelt.41 Die nähere Vorgehensweise ähnelt sehr stark dem zum vertraglichen Redispatch Dargelegten: In der Regel werden Anlagen, die ihre Einspeisung absenken, Brennstoffkosten sparen, so dass die ersparten Erzeugungskosten an den ÜNB auszuzahlen sind.42 Da diese die tatsächlich gar nicht erzeugten Strommengen dennoch – wie geplant – verkaufen können (unentgeltliche bilanzielle Lieferung von Ersatzstrommengen), ist diese Vorgehensweise auch angemessen.43 Die beim ÜNB entstehenden Einnahmen werden saldiert mit den Ausgaben für Anlagen, die ihre Erzeugung im Rahmen des Redispatching erhöhen müssen.44 Einen letztlich verbleibenden negativen Saldo kann der ÜNB über die Netzentgelte an die Netznutzer weitergeben.45 Die BNetzA hatte sich darüber hinaus in der aufgehobenen und nicht mehr heranziehbaren Redispatch-Vergütungs-Festlegung BK8 – 12 – 019 mit den Kriterien für die Bestimmung einer „angemessenen Vergütung“ befasst.46 Sie verstand darunter im Grundsatz einen Ersatz für die tatsächlich verursachten, zusätzlichen bzw. eingesparten Aufwendungen; Marktprämien, Gewinnzuschläge und Opportunitäten sollten nicht erfasst sein.47 In erster Linie ging es danach bei der Vergütung um Brennstoffkosten. Daneben sollten zusätzlich entstandene Aufwendungen wie etwa Kosten, die durch das An- und Abfahren entstehen, Kosten für Hilfs- und Einsatzstoffe (Zusatzwasser, Chemikalien, Entsorgungsaufwendungen) oder für CO2Emissionsrechte geltend gemacht werden können.48 Als Begründung für die Beschränkung auf bloßen Aufwendungsersatz legte die BNetzA dar, dass es für Redispatchmaßnahmen keinen funktionierenden Markt gäbe, dass die Durchführung von Redispatch vielmehr gerade einen Eingriff in den Markt darstelle und deshalb zu keinen zusätzlichen Gewinnen führen dürfe; andernfalls könnten Anreize zu systemdestabilisierendem Verhalten entstehen.49 Ein Fixkostenanteil im Sinne der zu41
BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 4. BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 46. 43 Vgl.: Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 77 ff.); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 47; so auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 528. 44 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S. 46. 45 Dazu Teil 3 A.III.2.c). 46 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK8 – 12 – 019; vgl. dazu Hofmann, Aktuelle Entwicklungen auf dem Stromerzeugungsmarkt im Jahr 2013, EnWZ 2014, S. 51 ff. (S. 53 f.). 47 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK8 – 12 – 019, S. 2. 48 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK8 – 12 – 019, S. 13. 49 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK8 – 12 – 019, S. 11. 42
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sätzlichen Zahlung eines Leistungspreises sollte nur dann in Betracht kommen, wenn jährlich mehr als 10 Prozent der Einspeisemengen des Vorjahres von Eingriffen nach § 13 Abs. 1a EnWG a.F. betroffen waren.50 Unterhalb einer Bagatellgrenze von 0,9 Prozent der Einspeisemengen einer Erzeugungsanlage im Vorjahr sollte zudem keine tatsächliche Berechnung erfolgen, sondern eine Bemessung anhand der pauschal bestimmten Grenzkosten der Erzeugungsanlagen.51 Hierzu heißt es in der Festlegung wörtlich: „Die Grenzkosten werden durch den niedrigsten Preis bestimmt zu dem die Erzeugungsanlage im Kalendermonat vor dem Einsatzzeitpunkt im Normalbetrieb eingespeist hat.“52 Hier sollten also nicht die echten Grenzkosten herangezogen werden, sondern es wurde versucht, diese über eine grobe Annäherung anhand der EPEX-Spot-Preise zu schätzen. Nur in begründeten Ausnahmefällen sollte auch innerhalb der Bagatellgrenze ein individueller Aufwandsersatz berechnet werden dürfen.53 Das OLG Düsseldorf als zuständiges Gericht bei Beschwerden gegen Entscheidungen der BNetzA (§ 75 EnWG) hat die Redispatch-Vergütungs-Festlegung54 BK8 – 12 – 019 mit Beschlüssen vom 28. 04. 2015 aufgehoben.55 Zwar gilt die gerichtliche Aufhebung nur jeweils für die am Verfahren Beteiligten (inter partes), die BNetzA hat jedoch reagiert und die Vergütungs-Festlegung, damit keine Ungleichheiten entstehen, für alle Betroffenen mit ex tunc-Wirkung aufgehoben56, so dass weder für die Vergangenheit noch für die Gegenwart eine regulierungsbehördliche Ausfüllung von § 13 Abs. 1a S. 3 EnWG a.F. (nun § 13j Abs. 1 S. 2 EnWG) existiert. Das OLG begründete seine Entscheidung damit, dass die BNetzA zwar zurecht davon ausgehe, dass die „angemessene Vergütung“ im Sinne von § 13 Abs. 1a S. 1 EnWG a.F. im Ersatz von Aufwendungen (zusätzlicher oder ersparter) bestehe bzw., dass, trotz der Einordnung als Unterfall der marktbezogenen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG, keine marktbezogene Vergütung erfolgen müsse.57 Es kam jedoch im Übrigen zu der Einschätzung, dass die BNetzA die Gewährung von Aufwendungsersatz durch die Schaffung von einschränkenden Regelungen im Ergebnis durchbreche.58 Das führe dazu, dass nicht alle redispatchbedingten Kosten ersetzt werden, so dass die betroffenen Anlagenbetreiber, die aufgrund der tatsächlichen Netzgegebenheiten regelmäßig dieselben sein dürften, am Ende 50
BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK8 – 12 – 019, S. 3, 13 f. BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK8 – 12 – 019, S. 3, 16 f. 52 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK8 – 12 – 019, S. 3. 53 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK8 – 12 – 019, S. 3. 54 Zur Verfassungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorschrift des § 13a Abs. 1 EnWG siehe Teil 2 B.III.2.c)bb). 55 Exemplarisch: OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler). 56 BNetzA, Beschluss vom 19. 08. 2015, BK8 – 12 – 019-A. 57 OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 370). 58 OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 370). 51
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schlechter stehen als ohne einen Eingriff nach § 13 Abs. 1a EnWG a.F.59 Die bloße Erstattung variabler Kosten, insbesondere von Brennstoffkosten, reiche jedenfalls nicht aus; zusätzlich seien insbesondere auch Opportunitätskosten, also die „entgangenen Vorteile der nächstbesten Entscheidungsalternative, die durch die getroffene Entscheidung verworfen wird“, zu ersetzen; dies betrifft etwa die verhinderte Teilnahme am intraday-Handel.60 Eine Schätzung oder Pauschalisierung von Opportunitäten sei zulässig, nicht aber der vollständige Ausschluss, wie ihn die BNetzA in der Vergütungs-Festlegung vorsah.61 Weiterhin beanstandete das OLG die Ausgestaltung der Bagatellgrenze. Zwar sei es zulässig, eine solche einzuführen und auch, dass bei deren Überschreiten für die unterhalb der Bagatellgrenze liegenden Einspeisemengen keine nachträgliche Berechnung anhand der tatsächlichen Aufwendungen erfolge.62 Die Schätzung der Grenzkosten anhand des niedrigsten Preises, zu dem die Anlage im Vormonat noch eingespeist hat, sei jedoch nicht sachgerecht, da auf diese Weise ein einzelner Stundenpreis einschränkungslos für die Grenzkostenermittlung eines ganzen Monats zugrunde gelegt werde.63 Angesichts der hohen Preisvolatilität und der Tatsache, dass es für die Anlagenbetreiber unter Umständen deshalb günstiger sein kann, die Anlage auch bei niedrigen oder gar negativen Preisen an der Börse durchlaufen zu lassen, könnten so ungerechtfertigte Nachteile entstehen.64 Schließlich beanstandete das OLG auch die Leistungspreisregelung, wonach ein Leistungspreisanteil vergütet werden kann, wenn die Maßnahmen 10 Prozent der Einspeisemengen des Vorjahres übersteigen. Der Schwellenwert erscheine zu hoch und es sei ohnehin nicht ersichtlich, aufgrund welcher Erwägungen gerade diese Höhe gewählt worden sei; damit liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor, der nicht gerechtfertigt sei.65 Hinzu kämen europa- und kartellrechtliche Bedenken.66 Die Zahlung eines Fixkostenanteils an sich sei aber zulässig, es sprächen sogar maßgebliche Gründe dafür, insbesondere, wenn regelmäßig dieselben Kraftwerke betroffen seien.67 Der Beschluss des OLG ist inhaltlich nachvollziehbar; es wird hinreichend deutlich gemacht, weshalb die Vorgaben der BNetzA in der Vergütungs-Festlegung BK8 – 12 – 019 den Begriff der „angemessenen Vergütung“ in § 13 Abs. 1a S. 1 59
OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 367, 371). OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 372); so bereits Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 35. 61 OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 373). 62 OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 374). 63 OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 375). 64 OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 375); so auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 527 f. 65 OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 376). 66 OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 377). 67 OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 376). 60
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EnWG a.F. nicht korrekt ausfüllen konnten.68 Das Gericht hat zurecht dargestellt, dass bei Eingriffen nach § 13 Abs. 1a EnWG a.F. im Grundsatz alle redispatchbedingten – also kausal durch gesetzlichen Redispatch verursachten – Aufwendungen auszugleichen sind, so dass die betroffenen Anlagenbetreiber im Wesentlichen so gestellt werden müssen, als ob kein Eingriff stattgefunden hätte.69 Dies erklärt sich bereits daraus, dass die Pflicht zum Betrieb eines sicheren, zuverlässigen und leistungsfähigen Energieversorgungsnetzes bei den Netzbetreibern liegt (§ 11 Abs. 1 S. 1 EnWG) und die Heranziehung der Betreiber von Erzeugungsanlagen nur „ersatzweise“ erfolgt.70 Dabei würdigt das OLG auch, dass in der Praxis häufig dieselben Anlagen betroffen sein werden, soweit die Engpässe regelmäßig an denselben Stellen im Netz auftreten, so dass die Gefahr besteht, dass diese Anlagen ein Sonderopfer tragen müssen, für das sie an sich keine eigene Verantwortung innehaben.71 An dieser Stelle überbetont das Gericht allerdings die Rolle der Netzbetreiber beim Auftreten von Engpässen. Diese tragen keine Alleinverantwortung für schleppenden Netzausbau, da dessen Erforderlichkeit zum einen gerade auch die Folge regulatorischer Veränderungen ist (Liberalisierung, Energiewende) und zum anderen durch langwierige Genehmigungsverfahren und Bürgerproteste verzögert wird. Redispatchbedingte Indienstnahmen von Anlagenbetreibern stellen Eingriffe in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG dar, die nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie in genügendem Maße vergütet werden und beim Betroffenen im Grundsatz keine zusätzlichen Kosten verbleiben.72 Dabei sind durchaus Pauschalisierungen denkbar, auch die Einführung einer Bagatellgrenze ist nicht als grundsätzlich unzulässig anzusehen – die entsprechenden Kriterien und Schwellenwerte müssen jedoch fundiert und sachgerecht sein. Zudem darf nicht gegen das energiewirtschaftliche Diskriminierungsverbot verstoßen werden.73 Das OLG hat allerdings zurecht auch darauf verwiesen, dass kein marktwirtschaftliches Redispatch-Beschaffungsverfahren erforderlich ist, da der Redispatch schon für sich gerade eine netzbedingte Korrektur des bereits entstandenen Marktergebnisses darstellt und seine Bedeutung insbesondere aus der örtlichen Lage bestimmter Anlagen entsteht.
68 Vgl. auch Garbers, Rechtliche Vorgaben für die Bundesnetzagentur bei regulatorischen Eingriffen in die Versorgungssicherheit, RdE 2015, S. 221 ff. (S. 227 f.). 69 Vgl.: Kindler, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 378 f. (S. 378); Rutloff/ Kindler, Redispatch – gestern, heute und morgen (Die Aufhebung der BNetzA-Vergütungsfestlegung und ihre Folgen), EnWZ 2015, S. 401 ff. (S. 402). 70 Ruttloff, Redispatch und angemessene Vergütung – Präjudizien für den Strommarkt 2.0, NVwZ 2015, S. 1086 ff. (S. 1087). 71 Vgl. Kindler, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 378 f. (S. 379). 72 Vgl.: Kindler, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 378 f. (S. 378); Rutloff/ Kindler, Redispatch – gestern, heute und morgen (Die Aufhebung der BNetzA-Vergütungsfestlegung und ihre Folgen), EnWZ 2015, S. 401 ff. (S. 402). 73 Rutloff/Kindler, Redispatch – gestern, heute und morgen (Die Aufhebung der BNetzAVergütungsfestlegung und ihre Folgen), EnWZ 2015, S. 401 ff. (S. 403).
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Nachdem zwischenzeitlich nach der Selbst-Aufhebung der Vergütungs-Festlegung durch die BNetzA keine näheren, verbindlich festgeschriebenen Vorgaben dazu, was unter einer „angemessenen Vergütung“ zu verstehen ist, wirksam waren74 und insoweit eine unsichere Rechtslage herrschte, hat der Gesetzgeber mit dem Strommarktgesetz reagiert und selbst Vorschriften hierzu getroffen (§ 13a Abs. 2 – 5 EnWG n.F.). Diese gelten grundsätzlich rückwirkend zum 1. Januar 2013 (§ 13a Abs. 5 EnWG).75 Der Gesetzgeber hat nun insbesondere festgeschrieben, dass, wie vom OLG Düsseldorf gefordert, alle redispatchbedingten Kosten ersetzt werden.76 Eine Vergütung für den gesetzlichen Redispatch ist danach nur dann angemessen, wenn der betroffene Anlagenbetreiber durch die angeforderte Anpassung von Einspeisung bzw. Strombezug (Speicheranlagen) wirtschaftlich weder besser noch schlechter gestellt ist, als er ohne die Maßnahme stünde (§ 13a Abs. 2 S. 1 EnWG). Eine Vergütung in diesem Sinne hat folgende Bestandteile zu erfassen (§ 13a Abs. 2 S. 2 EnWG): Die Erzeugungsauslagen (Nr. 1), also die notwendigen Auslagen für die tatsächlichen Anpassungen der Einspeisung oder des Bezugs (etwa: Brennstoffkosten, Kosten für CO2-Emissionsrechte, variable Instandhaltungskosten, Kosten für alternative Wärmeerzeugung)77 den anteiligen Werteverbrauch (Nr. 2) und – wie vom OLG vorgegeben – die entgangenen Erlösmöglichkeiten, soweit sie die Erstattungen im Sinne der Erzeugungsauslagen und des anteiligen Werteverbrauchs übersteigen (Nr. 3). Hinzu kommen die notwendigen Auslagen für die Herstellung der Betriebsbereitschaft bzw. für die Verschiebung einer geplanten Revision (§ 13a Abs. 2 S. 2 Nr. 4 EnWG), soweit es um Redispatch-Anpassungen nach § 13a Abs. 1 S. 2 EnWG geht. Dies betrifft insbesondere die Anforderung nicht betriebsbereiter Anlagen, soweit also die Betriebsbereitschaft erst hergestellt werden muss. Im Rahmen der Reserve-Vorschriften nach den §§ 13b ff. EnWG sowie der NetzResV gelten allerdings besondere Vorschriften (dazu sogleich im Anschluss). Ersparte Aufwendungen sind im Übrigen, wie bislang auch, an den ÜNB zu erstatten (§ 13a Abs. 2 S. 3 EnWG). Eine Bagatellgrenze wurde allerdings ebenso wenig eingeführt wie die Zahlung von Leistungspreisen. Zudem werden keine weitergehenden Kosten erstattet, also solche Kosten, die dem Anlagenbetreiber auch ohne Anforderung zum gesetzlichen Redispatch entstanden wären (§ 13a Abs. 4 EnWG). Dies betrifft etwa Betriebsbereitschaftsauslagen. 74 Vgl. dazu Rutloff/Kindler, Redispatch – gestern, heute und morgen (Die Aufhebung der BNetzA-Vergütungsfestlegung und ihre Folgen), EnWZ 2015, S. 401 ff. (S. 405). 75 § 13a Abs. 5 EnWG: „Die Absätze 2 bis 4 sind ab dem 1. Januar 2013 anzuwenden, wobei sie in dem Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 30. April 2015 nur anzuwenden sind, wenn und soweit die Betreiber von Erzeugungsanlagen dadurch nicht schlechter stehen, als sie durch die tatsächlich von den Betreibern von Übertragungsnetzen in diesem Zeitraum gezahlte jeweilige Vergütung stünden.“ 76 Kritisch zur Ausgestaltung Stelter/Ipsen, Das Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz), EnWZ 2016, S. 483 ff. (S. 485). 77 BT-Drs. 18/7317, S. 87.
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cc) Besonderheiten bei §§ 13b ff. EnWG und NetzResV78 Ist im Rahmen des gesetzlichen Redispatch ein Rückgriff auf die Reserve-Vorschriften nach den §§ 13b ff. EnWG bzw. der NetzResV erforderlich, dann gelten auch besondere Vergütungs-Vorgaben. Solche Eingriffe sind – wie bereits herausgearbeitet – nur nachrangig zur Durchführung des regulären gesetzlichen Redispatch sowie zum Einsatz von Verträgen nach § 13 Abs. 6a EnWG zulässig.79 Geht es um die Anforderung der weiteren Vorhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft einer Anlage, die andernfalls aufgrund vorläufiger Stilllegung im relevanten Zeitraum nicht anfahrbereit wäre, so gelten die besonderen Vorschriften des § 13c Abs. 1 und 2 EnWG.80 Erfasst hiervon sind Anlagen, deren vorläufige Stilllegung aufgrund der Ausweisung als systemrelevant durch den ÜNB verboten ist (§ 13b Abs. 4 EnWG). Als angemessene Vergütung können hier nach § 13c Abs. 1 S. 1 EnWG geltend gemacht werden: Die Erzeugungsauslagen im Sinne eines Arbeitspreises für die notwendigen Auslagen aufgrund der Einspeisung der Anlage (Nr. 2, Satz 4), der anteilige Werteverbrauch (Nr. 3, Satz 3) sowie die Betriebsbereitschaftsauslagen, also die notwendigen Auslagen für die Vorhaltung und die Herstellung der Betriebsbereitschaft (Nr. 1, Satz 2). Die Betriebsbereitschaftsauslagen gehen dabei über die bloßen Auslagen zur Herstellung der Betriebsbereitschaft im Sinne der Grundregelung zum gesetzlichen Redispatch (§ 13a Abs. 2 S. 2 Nr. 4 EnWG) hinaus. Bei an sich vorläufig stillzulegenden Anlagen wird auch ein Leistungspreis für die Bereithaltung der betroffenen Anlage gezahlt (§ 13c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b) EnWG). Entgangene Erlösmöglichkeiten werden hier allerdings nicht erstattet, da die Anlage ja gerade während der Zeit der vorläufigen Stilllegung nicht mehr an den Strommärkten teilnehmen sollte.81 Betriebsbereitschaftsauslagen sind nach § 13c Abs. 1 S. 2 EnWG zu erstatten, „wenn und soweit diese ab dem Zeitpunkt der Ausweisung der Systemrelevanz der Anlage durch den Betreiber eines Übertragungsnetzes anfallen und der Vorhaltung und dem Einsatz als Netzreserve im Sinne von § 13d Absatz 1 Satz 1 zu dienen bestimmt sind.“ Hierbei wird also direkt ein Bezug zur Teilnahme einer systemrelevanten Anlage, die an sich vorläufig stillgelegt werden soll, an der Netzreserve nach § 13d EnWG hergestellt. Soweit ein Anlagenbetreiber die Betriebsbereitschaftsauslagen in Anspruch nimmt, darf die Anlage für die Dauer der Ausweisung als systemrelevant – bislang: für die Dauer von 5 Jahren (§ 13 Abs. 1c S. 2 EnWG)82 78 Dazu Chaaban/Godron, Das neue Strommarktgesetz – Was ändert sich für stillgelegte Kraftwerke in der Netzreserve?, ER 2016, S. 106 ff. (S. 109 ff.) 79 Teil 2 C.II.2.a). 80 Siehe hierzu auch § 9 NetzResV. 81 Vgl.: OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 367 ff. (m. Anm. Kindler; S. 370, 372); Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 36. 82 Vgl. dazu auch Fietze, Vorläufiges Stilllegungsverbot und Weiterbetrieb „systemrelevanter Anlagen“ – Rechtsfragen der Stilllegung von Kraftwerken, EWeRK 2014, S 351 ff. (S. 356).
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– nicht mehr an den Strommärkten teilnehmen, sondern nur noch nach Maßgabe von Anforderungen durch den ÜNB betrieben werden; wird sie im Anschluss daran wieder an den Strommärkten eingesetzt, ist der Restwert der investiven Vorteile, die der Anlagenbetreiber erhalten hat, zu erstatten (§ 13c Abs. 2 EnWG). Eine vollständige Rückerstattung der Betriebsbereitschaftsauslagen, wie sie noch § 13 Abs. 1c S. 3 EnWG a.F. vorsah, ist nun nicht mehr erforderlich.83 Bei Anlagen mit einer Nennleistung von mehr als 50 Megawatt, die an sich endgültig stillgelegt werden sollen, jedoch durch die ÜNB als systemrelevant ausgewiesen werden, die Ausweisung durch die BNetzA genehmigt wird und deren Weiterbetrieb technisch und rechtlich möglich ist (§ 13b Abs. 5 S. 1 EnWG) greifen weitere Besonderheiten. Hier muss zunächst sichergestellt werden, dass die betreffende Anlage überhaupt in einem Zustand erhalten wird, der später ermöglicht, dass auf Anweisung des ÜNB die Betriebsbereitschaft weiter vorgehalten oder wiederhergestellt wird (§ 13b Abs. 5 S. 1 EnWG). Dabei geht es also erstmal nur darum, dass die Anlage nicht durch Untätigkeit des Betreibers in einen Zustand „verkommt“, der einer endgültigen Stilllegung gleichkommt und faktisch keinen Zugriff nach § 13a Abs. 1 EnWG im Rahmen des gesetzlichen Redispatch ermöglicht. Er muss die Anlage „auf dem qualitativen Mindestniveau einer vorläufigen Stilllegung“ erhalten.84 Im Rahmen der Vergütung gelten hier die besonderen Vorgaben aus § 13c Abs. 3 und 4 EnWG.85 Hiernach können als angemessene Vergütung folgende Positionen geltend gemacht werden (§ 13c Abs. 3 EnWG): Wie bei der vorläufigen Stilllegung die Erzeugungsauslagen (Nr. 3) und die Betriebsbereitschaftsauslagen (Nr. 2), zudem aber auch Erhaltungsauslagen, also Kosten für erforderliche Erhaltungsmaßnahmen nach § 13b Abs. 5 S. 11 EnWG (Nr. 1), sowie ggf. Opportunitätskosten in Form einer angemessenen Verzinsung für bestehende Anlagen (Nr. 4); der Werteverbrauch der weiterverwertbaren technischen Anlagen ist nur bei einem tatsächlichen Einsatz der Anlage in der Netzreserve erstattungsfähig (Satz 3). Weitergehende Kosten, also solche, die auch im Falle einer endgültigen Stilllegung angefallen wären, können nicht erstattet werden (Satz 4). Erhaltungs- und Bereitschaftsauslagen sind zu erstatten, „wenn und soweit diese ab dem Zeitpunkt der Ausweisung der Systemrelevanz durch den Betreiber eines Übertragungsnetzes nach § 13b Absatz 5 anfallen und der Vorhaltung und dem Einsatz als Netzreserve zu dienen bestimmt sind“ (§ 13c Abs. 3 S. 2 EnWG). Auch hier wird also direkt die Teilnahme an der Netzreserve in Bezug genommen. Zudem gilt nach § 13c Abs. 4 EnWG, dass bei Inanspruchnahme der Erhaltungs- oder der Betriebsbereitschaftsauslagen bis zur endgültigen Stilllegung keine Teilnahme an 83
Siehe dazu BT-Drs. 18/7317, S. 92; vgl. hierzu auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/ Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 66 f. 84 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 32. 85 Siehe hierzu auch § 10 NetzResV.
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den Strommärkten mehr zulässig ist und der Betrieb nur noch nach Maßgabe von Systemsicherheitsmaßnahmen durch den ÜNB erfolgen darf (no way back). Damit soll gewährleistet werden, dass der herkömmliche Strommarkt nicht beeinflusst wird.86 Der Restwert der investiven Vorteile bei wiederverwertbaren Anlagenteilen ist nach der endgültigen Stilllegung zu erstatten. Soweit systemrelevante Anlagen in der Netzreserve vertraglich kontrahiert werden (§ 1 Abs. 2, § 4 Abs. 3, § 5 NetzResV), so ist vorrangig zum Rückgriff auf die allgemeinen Regeln zur Stilllegung von Erzeugungs- und Speicheranlagen mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt (§ 13b EnWG) die Netzreserve einzusetzen (§ 1 Abs. 2 S. 3 NetzResV). Hierfür folgen aus § 6 NetzResV nähere Vorgaben zu den Vergütungsregelungen. Der Umfang der Kostenerstattung wird dabei in den jeweiligen Verträgen und nach Abstimmung mit der BNetzA festgelegt (§ 6 Abs. 2 S. 1 NetzResV). Inhaltlich gelten hierbei im Wesentlichen dieselben Vorgaben, die auch im Rahmen der Stilllegungsvorschriften angeordnet sind. Es werden also die Erzeugungsauslagen in der Form eines Arbeitspreises erstattet und Betriebsbereitschaftsauslagen, im Sinne der Berücksichtigung der einmaligen Kosten für die Herstellung der Betriebsbereitschaft sowie eines Leistungspreises für die Bereithaltung der Anlage, gewährt (§ 6 Abs. 3 NetzResV). Bezüglich Opportunitätskosten und Werteverbrauch gelten für an sich endgültig stillzulegende Anlagen dieselben Vorgaben wie nach § 13c Abs. 3 EnWG (§ 6 Abs. 1 S. 3, 4 NetzResV). Erhaltungsauslagen sind in der Netzreserve aber nicht erstattungsfähig. Für alle Anlagen in der Netzreserve gilt eine strenge no way back-Regelung87: Sie dürfen nach Ablauf des Vertrages bis zu endgültigen Stilllegung nicht mehr an den Strommärkten eingesetzt werden (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 NetzResV). Wenn ein Anlagenbetreiber, dessen Anlage systemrelevant ist, diese nur vorläufig stilllegen, später aber ggf. wieder an den Strommärkten agieren möchte, dann kann es für ihn sinnvoll sein, nicht an der Netzreserve teilzunehmen und nur im Rahmen von § 13b Abs. 4 EnWG für Regelungen durch den ÜNB zur Verfügung zu stehen. Anlagen der Netzreserve können nach § 13d Abs. 2 EnWG auch am Verfahren zur Beschaffung der Kapazitätsreserve nach § 13e EnWG teilnehmen. Sind sie insoweit erfolgreich, erfolgt ihre Vergütung gemäß den Bestimmungen zur Kapazitätsreserve. Sie erhalten dann eine jährliche Vergütung, die grundsätzlich im Rahmen eines wettbewerblichen Ausschreibungsverfahrens zu ermitteln ist und Kosten für die Vorhaltung der Anlage, für ihren Stromverbrauch, für auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften notwendige Anfahrvorgänge sowie Kosten für die Instandhaltung der Anlage und für Nachbesserungen sowie für den Werteverbrauch durch den Einsatz der Anlage erfasst (§ 13e Abs. 3 S. 1, 2 EnWG). Daneben erfolgen gesonderte Erstattungen, insbesondere der Kosten für die Einspeisungen von Wirkleistung oder 86
Vgl. Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 171). 87 Vgl. Däuper/Voß, Die Netzreserve nach der neuen Reservekraftwerksverordnung – Chancen und Risiken für Kraftwerksbetreiber, IR 2013, S. 170 ff. (S. 171).
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Blindleistung der Anlage, wenn und soweit sie durch eine von den ÜNB angeforderte Einspeisung von Wirkleistung oder Blindleistung im Rahmen der Kapazitätsreserve oder Netzreserve verursacht worden sind (§ 13e Abs. 3 S. 3 EnWG). Es gelten zudem ein Vermarktungs- und ein Rückkehrverbot hinsichtlich der Teilnahme an den Strommärkten (no way back). Dieses ist allerdings für Lasten insoweit eingeschränkt, dass nur keine Teilnahme mehr an Ausschreibungen nach der AbLaV zulässig, eine endgültige Stilllegung aber nicht erforderlich ist. Im Falle der Errichtung von Netzstabilitätsanlagen nach § 13k EnWG a.F. wären keine Vergütungen zu zahlen gewesen, da Errichtung und Betrieb durch den ÜNB selbst erfolgen sollten. Insoweit wären aber weiterwälzbare Kosten unmittelbar beim ÜNB angefallen. Die Regelung wurde mittlerweile wieder aufgehoben.88 Im Rahmen der Nachfolgeregelung zu besonderen netztechnischen Betriebsmitteln (§ 11 Abs. 3 EnWG n.F.) sind im Wege von wettbewerblichen Ausschreibungen ermittelte Vergütungen für den Betrieb der Anlagen durch den ÜNB zu leisten.89 d) Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG mit KWK-Power-to-Heat-Kombinationen Bei den Verträgen nach § 13 Abs. 6a EnWG („Nutzen statt Abregeln“), die nach den übrigen Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG, aber vor dem Rückgriff auf Reserve-Anlagen nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG, eingesetzt werden sollen (§ 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 1 EnWG), hat der Gesetzgeber in § 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 2 und 3 EnWG umfangreiche Entschädigungsregeln vorgesehen, deren nähere Inhalte in den jeweiligen Verträgen auszugestalten sind. Danach ist zum einen für die Einspeisereduzierung der vertraglich kontrahierten KWK-Anlagen eine angemessene Vergütung zu zahlen, zum anderen sind die Kosten für die Lieferung von Strom für die Power-to-Heat-Anlagen zu erstatten; hierzu sollen die Regelungen für den gesetzlichen Redispatch nach § 13a Abs. 2 – 4 EnWG entsprechend angewandt werden (§ 13 Abs. 6a S. 2 EnWG). Die Anlagen sollen also hierdurch insbesondere wirtschaftlich weder besser noch schlechter gestellt sein als ohne eine Aktivierung ihrer Einspeisereduzierungs- und Strombezugsleistung durch den ÜNB (vgl. § 13a Abs. 2 S. 1 EnWG). Entgangene Erlösmöglichkeiten sind somit zu ersetzen, ebenso die Strombezugskosten, also auch Netzentgelte, EEG-Umlage, Stromsteuer usw.; vermiedene Brennstoffkosten sind im Gegenzug an den ÜNB zu erstatten.90 Zudem werden nach § 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 3 EnWG sogar die Kosten für die Investition in eine Power-to-Heat-Anlage einmalig erstattet. Wie die Erstattung allerdings genau 88 Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz vom 17. Juli 2017 (BGBl. 2017 I S. 2503 ff.). 89 Weitergehende Beurteilungen sind im Rahmen dieser Abhandlung nicht mehr möglich. 90 BT-Drs. 18/8860, S. 334; Buchmüller/Hennig, Zuschaltbare Lasten, Innovationsausschreibungen, Experimentierklauseln und vieles mehr – Die Entstehung eines Rechtsrahmens für die Sektorkopplung?, ZNER 2016, S. 384 ff. (S. 388); Vollprecht/Altrock, Die EEG-Novelle 2017 – Von Ausschreibungen bis zuschaltbare Lasten, EnWZ 2016, S. 387 ff. (S. 395).
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erfolgen soll, ob etwa auch Teilzahlungen durch den ÜNB zulässig sind, wird im Gesetz nicht genauer festgelegt.91 e) Vertragliche Abregelungsvereinbarungen bei EE- und Grubengas-Anlagen Wie sich aus § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG ergibt, können auch mit einspeisebevorrechtigten EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen vertragliche Vereinbarungen i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG92 geschlossen werden, soweit dies im EEG bzw. KWKG gestattet wird.93 Für erneuerbare Energien gilt § 11 Abs. 3 EEG 2017: EE-Anlagen können zur besseren Integration der Anlage in das Netz unter Abweichung vom Abnahmevorrang (§ 11 Abs. 1 EEG 2017) grundsätzlich vertragliche Abregelungsvereinbarungen schließen und hierfür individuelle Vergütungsvereinbarungen treffen. Für KWK-Anlagen gibt es eine solche Ausnahmevorschrift, mit Ausnahme der speziellen Regelung nach § 3 Abs. 3 KWKG, der für Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG gilt, nicht.94 In der Praxis dürfte die Attraktivität von Vereinbarungen nach § 11 Abs. 3 EEG 2017 – wenn es um die engpassbedingten Abregelungen geht – gering sein, da sich EE-Anlagen auf die gesetzliche Entschädigung nach § 15 EEG 2017 berufen können. Eine solche Vereinbarung würde sich nur dann lohnen, wenn die Anlagenbetreiber eine finanzielle Besserstellung gegenüber der gesetzlichen Regelung erzielen könnten. Schließt aber ein Netzbetreiber eine Abregelungsvereinbarung ab, die über die gesetzliche Entschädigung hinausgeht, kann insoweit nicht von Kosten einer effizienten Betriebsführung des Netzbetreibers (§ 21 Abs. 2 EnWG i.V.m. § 18 EEG 2017) gesprochen werden95, so dass eine vollständige Überwälzung der Kosten auf die Netznutzer über die Netzentgelte96 ausscheidet.
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Vgl. auch Buchmüller/Hennig, Zuschaltbare Lasten, Innovationsausschreibungen, Experimentierklauseln und vieles mehr – Die Entstehung eines Rechtsrahmens für die Sektorkopplung?, ZNER 2016, S. 384 ff. (S. 388). 92 Dies betrifft etwa den vertraglichen Redispatch, ggf. auch die Teilnahme am Regelenergiemarkt. 93 Vgl. Güneysu, Smart Grids und die Anforderungen des Einspeisemanagements, RdE 2012, S. 47 ff. (S. 51). 94 So König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 53; vgl. auch Lührig, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 2, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2014, § 4 KWKG Rn. 10; a.A. ohne nähere Erläuterung: BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 6 f. 95 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 451 ff., 533, 586 f.; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 108 ff. 96 Teil 3 A.III.2.e).
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2. Keine Vergütung bei Notmaßnahmen Soweit sich eine Gefährdung oder Störung durch netz- oder marktbezogene Maßnahmen nicht bzw. nicht rechtzeitig beseitigen lässt, sind die ÜNB berechtigt und verpflichtet, Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG zu ergreifen. Die ÜNB können hierauf nur subsidiär zurückgreifen, da entsprechende Eingriffe ohne vertragliche Grundlage und regelmäßig ohne den Willen der Betroffenen – also zwangsweise – erfolgen.97 Vor allem aber sind von den ÜNB hier keine vertraglich geregelten oder gesetzlich angeordneten Vergütungen oder Entschädigungen zu zahlen.98 Dies folgt bereits aus der Gesamt-Systematik der Regelungen zur Systemverantwortung in § 13 EnWG. Marktbezogene Maßnahmen wie der Einsatz von Regelenergie oder das vertragliche Redispatching sind naturgemäß freiwillig und vergütungsbasiert, der gesetzliche Redispatch nach § 13a Abs. 1 EnWG enthält zwar ein Zwangselement, kann jedoch nur gegen „angemessene Vergütung“ erfolgen. Damit bleibt für den Bereich der Notmaßnahmen konsequenterweise nur noch ein System der Vergütungsfreiheit. Diese erfolgen also zwangsweise und ohne finanziellen Ausgleich, aber eben auch nur nachrangig gegenüber allen sonstigen Maßnahmen. Hierauf deutet auch der Umkehrschluss aus der Existenz der Härtefallentschädigung nach § 15 EEG 2017 hin. Für den speziellen Fall, dass die Einspeisung von Strom aus EE, Grubengas oder hocheffizienter KWK engpassbedingt reduziert werden muss, hat der Netzbetreiber, in dessen Netz die Ursache des Engpasses liegt, die von der Drosselungsmaßnahme betroffenen Anlagenbetreiber „abweichend von § 13 Abs. 5 des Energiewirtschaftsgesetzes“ zu entschädigen (§ 15 Abs. 1 S. 1, 3 EEG 2017). Bei allen sonstigen Notmaßnahmen, bei denen § 15 EEG 2017 nicht gilt, ist demnach keine Entschädigung zu leisten.99 97 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 113. 98 Vgl.: BT-Drs. 17/6072, S. 71; Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 37); Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 321); BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 5; Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 229); Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 233); Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 184); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 567; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 43 f., 127. 99 Vgl.: Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 72, 74); Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikover-
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
Dass bei § 13 Abs. 2 EnWG keine Vergütungs- oder Entschädigungspflichten100 greifen, lässt sich auch aus § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG ableiten. Dort heißt es u. a., dass im Falle einer Anpassung nach Absatz 2 „bis zur Beseitigung der Gefährdung oder Störung alle hiervon jeweils betroffenen Leistungspflichten [ruhen].“ Die von einer Anpassungsmaßnahme betroffenen Schuldverhältnisse lösen also für die Dauer des Einsatzes einer Notmaßnahme keine Leistungspflichten aus.101 Im Falle der Abregelung von Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen betrifft dies in erster Linie die Anschluss- bzw. Netznutzungsverträge, die die Ansprüche der Netznutzer auf Zugang zu den Elektrizitätsversorgungsnetzen vermitteln (§ 20 Abs. 1, 1a EnWG).102 Wird der Zugang aufgrund von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG unterbrochen, so führt dies dazu, dass in der Zeit der Unterbrechung keine gesetzlichen oder vertraglichen Leistungspflichten ausgelöst werden. Somit können solche im Ergebnis auch nicht verletzt werden und damit zu Entschädigungsansprüchen nach den §§ 280 ff. BGB führen.103 Konsequenterweise betrifft dies auch Fälle, in denen Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen hochgefahren werden104, was Kosten für erhöhten Brennstoffeinsatz oder zusätzlichen Strombezug (EEG-Umlage, Stromsteuer usw.) generieren dürfte. Die Betroffenen können ihre Kosten hier nicht gegenüber den ÜNB geltend machen. Der Grundgedanke von § 13 Abs. 2 EnWG besteht darin, den ÜNB ein wirksames Notfallinstrument an die Hand zu geben, um die Systemstabilität ultimativ gewährleisten zu können. Soweit zumindest aus ex ante-Sicht nur noch ein Rückgriff auf Notmaßnahmen möglich ist, um eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit teilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 82 f.). 100 Ausführliche Prüfung möglicher Haftungsgrundlagen bei König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 554 ff.: „Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Notfallmaßnahmen im Sinne von § 13 Abs. 2 EnWG eine Haftung der Netzbetreiber gemäß §§ 280 Abs. 1, 283 BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB begründen können, insbesondere wenn die Netzbetreiber für das Auftreten von Netzengpässen verantwortlich sind oder die gesetzlichen Vorschriften an die Durchführung von Notfallmaßnahmen nicht einhalten.“ Dies steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass keine Haftungsbeschränkungen eingreifen. 101 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 40; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 209; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 121. 102 Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 71); vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 554 f. 103 Wobei auf darüber hinausgehende Haftungsverpflichtungen noch einzugehen sein wird, Teil 3 B. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 126. 104 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 556 f. (bei Lastzuschaltung: „überobligatorische Leistung der Anlagenbetreiber“).
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bzw. Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems abzuwenden, sollen die ÜNB vor unabsehbaren, da vertraglich oder gesetzlich nicht geregelten, monetären Entschädigungsansprüchen geschützt werden.105 Es soll kein „Anreiz zum Untätigbleiben“ entstehen.106 Den betroffenen Netznutzern wird dadurch zwar eine Art Sonderopfer auferlegt, indem sie entschädigungslos hinnehmen müssen, dass ihr Netzzugang zweitweise unterbrochen ist oder Kosten für erhöhte Erzeugung bzw. zusätzlichen Verbrauch entstehen. Angesichts des hohen Schutzgutes einer sicheren und stabilen Versorgung mit Elektrizität ist dies jedoch gerechtfertigt.107 Allerdings gilt diese Einschätzung nur, soweit die Heranziehung von § 13 Abs. 2 EnWG auch in der Praxis die Ausnahme bildet und die ÜNB sich in ausreichendem Maße um die Kontrahierung marktbezogener Maßnahmen bemühen.108 Dem Wortlaut nach genügt es für das Ruhen der Leistungspflichten, dass faktisch eine Anpassung nach § 13 Abs. 2 EnWG erfolgt ist („Im Falle einer Anpassung nach Absatz 2 Satz 1 ruhen…“), auf die Rechtmäßigkeit des Rückgriffs auf Notmaßnahmen scheint es also nicht anzukommen.109 Diese Einschätzung wird dadurch unterstützt, dass bei dem ebenfalls in § 13 Abs. 5 EnWG geregelten Ausschluss der Haftung für Vermögensschäden (§ 13 Abs. 5 S. 3 EnWG) eine andere Formulierung gewählt wurde. Hiernach kommt es darauf an, dass „bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 Maßnahmen getroffen werden.“ Man könnte also aufgrund der Gesetzessystematik argumentieren, dass der Gesetzgeber bewusst zwischen dem Ruhen der Leistungspflichten und dem Haftungsausschluss für Vermögensschäden differenziert hat. Nach dem Sinn und Zweck beider Regelungen erscheint eine unterschiedliche Behandlung von Primär- und Sekundärpflichten jedoch unlogisch. Beide Regelungen hängen miteinander zusammen, so dass unterschiedliche Anforderungen an die Voraussetzungsbasis inkonsequent wären.110 Es ist auch kaum einzusehen, warum die Rechtsfolge des Ruhens von Leistungspflichten nicht an die rechtmäßige Heranziehung von § 13 Abs. 2 EnWG geknüpft sein soll. Dies gilt zumindest dann, wenn
105 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 38; vgl. auch Erbring/Kuring/ Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 197, 210. 106 BT-Drs. 15/3917, S. 57; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 75). 107 Vgl. Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 68. 108 Teil 2 B.IV.2. 109 Vgl. auch Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 45. 110 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 45; vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 566 f.
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man auf die ex ante-Sicht des handelnden ÜNB abstellt.111 Danach kommt es darauf an, dass dieser in der konkreten Situation eine fundierte Entscheidung trifft. Soweit er nach objektiven Maßstäben davon ausgehen konnte, dass ihm außer dem Rückgriff auf Notmaßnahmen keine andere Wahl verbleibt, ist seine Handlung rechtmäßig – und zwar auch dann, wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass tatsächlich keine Gefährdung des Elektrizitätsversorgungssystems eingetreten wäre. Es kommt also für § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG auf die Rechtmäßigkeit aus ex ante-Sicht an.112 Der Umfang der ruhenden Leistungspflichten nach § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG ist bislang nicht abschließend geklärt. Hier lassen sich im Wesentlichen drei denkbare Sichtweisen unterscheiden: Nach der weitesten Auslegung ruhen sämtliche Leistungspflichten aller Beteiligten innerhalb der Lieferkette113, nach der engsten Auslegung ruhen nur die Leistungspflichten des handelnden ÜNB114 und nach der vermittelnden Auslegung ruhen zumindest die synallagmatischen Leistungspflichten zwischen dem handelnden ÜNB und dem konkret von der Maßnahme Betroffenen (insbesondere: Erzeuger, Lieferant oder Letztverbraucher).115 Die letztgenannte Lesart von § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG ist dabei vorzugswürdig, da eine Bezugnahme auf die gesamte Lieferkette zu weit führen würde – § 13 Abs. 5 EnWG bezieht sich ja nur auf die Systemverantwortung der ÜNB und soll diese vor unabsehbaren Regressansprüchen schützen – und andererseits eine Beschränkung auf die Pflichten der ÜNB die Adressaten der Maßnahmen unangemessen benachteiligen würde.116 Zudem enthält der Wortlaut von § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG keine Beschränkung auf die 111 Vgl.: Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 52; Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 244). 112 Vgl. auch: Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 209; so auch: Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungsund Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 184); de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 69); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 557, 566 f.; Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 244); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 149. 113 So offensichtlich König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 126; im Übrigen nun wohl auch Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 243). 114 So unter Verweis auf § 6 Abs. 3 StromGVV: Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 54; vgl. auch bei Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 187): „vertretbar anzunehmen“. 115 Vgl. die Übersicht bei Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 122 ff. 116 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 122.
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einseitigen Leistungspflichten der ÜNB.117 Folglich ruhen die wechselseitigen Pflichten zwischen dem handelnden ÜNB und den Maßnahmeadressaten.118 Dies dürfte im Falle des Hochfahrens von Verbrauchsanlagen dann u. a. auch dazu führen, dass insoweit keine Netzentgelte für die „zwangsweise“ bezogene elektrische Arbeit durch die Letztverbraucher zu zahlen sind. Die Lieferpflichten eines abgeregelten Stromerzeugers gegenüber seinen Abnehmern bleiben weiterhin bestehen, da diese nicht das unmittelbare Verhältnis zwischen ÜNB und Erzeuger betreffen.119 Werden Erzeugungsanlagen abgeregelt, so müssen die Betreiber im Übrigen ersparte Kosten – etwa für nicht eingesetzte Brennstoffe – nicht an die ÜNB auszahlen.120 Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zum vertraglichen bzw. gesetzlichen Redispatch. Das folgt daraus, dass § 13 Abs. 2 EnWG eben kein spezielles Rechtsverhältnis zwischen ÜNB und Stromerzeuger darstellt, das spezifische Vergütungs- und Ausgleichsverpflichtungen enthält.121 Erzeugungsanlagen erhalten hier auch keinen kostenlosen bilanziellen Ausgleich – es wird also nicht fingiert, dass sie den an sich abgeregelten Strom wie beim Redispatching122 regulär verkaufen können, indem eine Erzeugungsanlage hinter dem Engpass den Strom zu Verfügung stellt. 3. Speziell: Härtefallentschädigung nach § 15 EEG 2017123 Einen Sonderfall innerhalb der Notmaßnahmen bildet die Abregelung von Strom aus EE-, Grubengas- und KWK-Anlagen aufgrund von Netzengpässen. Anders als bei der Abregelung sonstiger Erzeugungsanlagen aufgrund von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG sieht § 15 Abs. 1 EEG 2017 eine Entschädigung für die aufgrund der Abregelung entgangenen Einnahmen vor. Dabei ist zu beachten, dass 117 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 123. 118 So auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 123. 119 Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 71). 120 Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 72). 121 Vgl. Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 82). 122 Vgl. Teil 2 B.III.2.b)bb). 123 Im EEG 2004 gab es noch keine gesetzliche Entschädigungsregelung, so dass Ansprüche der Anlagenbetreiber auf das allgemeine Zivilrecht (§§ 280 ff. BGB) gestützt werden mussten und regelmäßig nicht zum Erfolg führten. Die hohe Investitionssicherheit, die das EEG gerade gewähren soll, wurde somit gefährdet. Siehe dazu etwa Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/ Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 9 f. Zur Entstehungsgeschichte des § 15 EEG 2017 siehe insbes. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 7 ff.
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§ 3 Abs. 1 KWKG im Hinblick auf Strom aus KWK-Anlagen124 nur eine Privilegierung für tatsächlich gekoppelt erzeugten Strom (KWK-Strom)125 aus hocheffizienten KWK-Anlagen enthält.126 Folglich ist auch die Zahlung von Entschädigungen nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 auf die Abregelung der Einspeisung von KWKStrom aus hocheffizienten KWK-Anlagen127 beschränkt.128 a) Voraussetzungen der Härtefallentschädigung Der Auslöser für Entschädigungen für EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWKAnlagen liegt grundsätzlich in der Durchführung von Einspeisemanagement, allerdings ist dies seit dem EEG 2012 keine Voraussetzung mehr für die Einschlägigkeit von § 15 Abs. 1 EEG 2017.129 Auch wenn ein Netzbetreiber, ggf. fälschlicherweise, eine privilegierte Anlage (EE, Grubengas, hocheffiziente KWK) nach § 13 Abs. 2 EnWG regelt bzw. nicht alle Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 (Nr. 2 und 3) EEG 2017 vorliegen, hat er nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 eine Entschädigung zu leisten.130 Folglich fallen auch privilegierte Anlagen, die nicht vom EinsMan erfasst werden (kleine privilegierte Erzeugungsanlagen, die nicht unter § 9 EEG 2017 124
Mit dem EEG 2011 wurde zumindest klargestellt, dass auch KWK-Anlagen von der Entschädigungspflicht der Netzbetreiber erfasst sind, dies war ursprünglich strittig. Vgl. dazu etwa Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 529). 125 Vgl. auch BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 18. 126 Teil 2 A.IV.1. 127 Vgl. auch Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 19. 128 So wohl auch die BNetzA, vgl. BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.1, 2014, S. 17; vgl. hinsichtlich § 14 EEG 2017: Teil 2 A.IV.3. 129 BT-Drs. 17/6071, S. 65. Vgl. in diesem Sinne bereits zum EEG 2009 etwa Schumacher, Durchbrechung des Vorrangs für erneuerbare Energien? – Das Einspeisemanagement im Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Verhältnis zu den Regelungen des Energiewirtschaftsrechts, ZUR 2009, S. 522 ff. (S. 529); vgl. auch Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 171; vgl. zur alten Rechtslage i.Ü. KG Berlin, ZNER 2016, S. 48 ff. 130 Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 21); Schwintowski, Der Anspruch auf Schadensersatz und Einspeisevergütung bei der Abschaltung von Anlagen Erneuerbarer Energien, EWeRK 2012, S. 131 ff. (S. 138); Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 23 f., 35 ff.; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 569 ff.; Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 200); Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 10 f.; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 3 f., 15; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 10, 20 f.
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fallen, also eine Nennleistung von maximal 100 Kilowatt aufweisen und keine PVAnlagen sind), unter diese Regelung. Die Anwendung von § 15 Abs. 1 EEG 2017 auch bei netz- und marktbezogenen Maßnahmen kommt jedoch nicht in Betracht131, da netzbezogene Maßnahmen bereits keine Außenwirkung haben und marktbezogene Maßnahmen – soweit sie privilegierte Anlagen überhaupt betreffen – eigene Vergütungsvorschriften bzw. -abreden enthalten, so dass es auf eine Härtefallentschädigung bereits nicht ankommt. Auch KWK-Anlagen, die nach § 13 Abs. 6a EnWG geregelt werden, sind nicht von der Härtefallregelung erfasst (vgl. § 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 1 EnWG). Nach § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG sind die speziellen Voraussetzungen der §§ 14, 15 EEG 2017 auch nur bei „Maßnahmen nach Absatz 2“, also Notmaßnahmen, einzuhalten. Die sog. Härtefallregelung132 bzw. Härtefallentschädigung nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 setzt einzig voraus, dass die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas oder Kraft-Wärme-Kopplung „wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 14 Absatz 1“ reduziert wird, dass der Anlagenbetreiber also aufgrund einer Maßnahme des Netzbetreibers weniger Strom einspeisen kann als die Anlage ohne die Maßnahme eingespeist hätte.133 Die Formulierung „wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 14 Absatz 1“ ist missverständlich, suggeriert sie doch dem Wortlaut nach, dass es einen eigenen EinsMan-spezifischen Engpassbegriff gibt. Dies ist jedoch abzulehnen, da das Einspeisemanagement nur eine Spezialregelung zu den allgemeinen Vorgaben der Systemverantwortung nach § 13 EnWG bildet (§ 13 Abs. 3 S. 3 EnWG); man kann daraus allerdings schließen, dass wartungs- und instandhaltungsbedingte Engpässe, also Engpässe, die keinen Bezug zum „energiewendebedingten“ Netzausbau aufweisen, aus dem Anwendungsbereich von EinsMan und Härtefallentschädigung herausfallen.134 In jedem Fall ändert dies jedoch nichts daran, dass auch im Falle einer Regelung nach § 13 Abs. 2 EnWG – egal, ob rechtmäßig oder nicht – eine Entschädigung zu zahlen ist, soweit denn ein (nicht wartungs- oder instandhaltungsbedingter) Netzengpass die Maßnahme ausgelöst hat. Hier besteht nichtsdestotrotz ein gewisses Missbrauchspotenzial, falls der Netzbetreiber eine Maßnahme nicht dem Engpassmanagement zuordnet, obwohl dies objektiv der Fall sein müsste.135 Eine Entschädigung nach § 15 EEG 2017 würde 131
So aber: Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 11; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 18. 132 Die amtliche Überschrift spricht von „Härtefallregelung“. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 1, bezeichnet dies zu Recht als „irreführend“, da die Regelung gerade nicht nur in seltenen Ausnahmefällen anwendbar ist. 133 Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 33 f. 134 Dazu Teil 2 A.IV.3.b)aa). 135 Angedeutet bei Hoffmann/Herz, Einspeisemanagement nach EEG und Entschädigung des Anlagenbetreibers, ree 2016, S. 65 ff. (S. 68 f.); zum umgekehrten Fall (zu Unrecht von
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
dann unrechtmäßig entfallen, zudem würde nur eine Unterrichtung der Betroffenen nach der weniger weitgehenden Vorschrift des § 13 Abs. 7 EnWG erfolgen. Geht es dagegen bereits objektiv nicht um die Bewältigung eines Netzengpasses, sondern um die Beseitigung einer sonstigen Gefährdung, erhalten auch privilegierte Anlagen keine Entschädigung, da § 15 EEG 2017 insoweit nicht greift.136 b) Entschädigungspflichten und -verpflichtete Liegen die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 EEG 2017 vor, muss der Netzbetreiber, an dessen Netz die gedrosselte Anlage angeschlossen ist, die von der Maßnahme betroffenen, privilegierten Anlagenbetreiber für 95 Prozent der entgangenen Einnahmen zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich der ersparten Aufwendungen entschädigen.137 Dies gilt „abweichend von § 13 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes“, denn an sich sind Notmaßnahmen vergütungsfrei (vgl.o.). Sobald die entgangenen Einnahmen in einem Jahr 1 Prozent der Jahreseinnahmen übersteigen, sind die Betroffenen ab diesem Zeitpunkt zu 100 Prozent zu entschädigen (§ 15 Abs. 1 S. 2 EEG 2017). Das heißt, bis zum Erreichen der 1 Prozent-Grenze besteht ein Eigenanteil von 5 Prozent, den die Anlagenbetreiber nicht ersetzt bekommen. Auf diese Weise soll nach dem Willen des Gesetzgebers ein Anreiz gesetzt werden, sich mit der Netzsituation auseinander zu setzen und ggf. einen anderen Standort für die Anlage zu wählen, der voraussichtlich engpassfrei ist (Steuerungseffekt).138 Tatsächlich dürfte es sich hierbei vor allem um eine politisch bewusst gesetzte Entschädigungsgrenze handeln und weniger um eine Steuerungsmaßnahme. Der Anlagenbetreiber, der einen Standort für seine EE- oder KWKAnlage sucht, kann schließlich kaum die aktuelle und schon gar nicht die zukünftige regionale Netzsituation abschließend abschätzen.139 drohendem Netzengpass ausgehender Netzbetreiber) siehe Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 17. 136 Vgl. dazu etwa: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-EnergienGesetz, Baden-Baden 2012, S. 166 ff; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 19. 137 Unklar, ist, worauf sich die 95 Prozent beziehen, siehe dazu Schäfermeier, in: Reshöft/ Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 24. Die BNetzA geht ersichtlich davon aus, dass sich die 95 Prozent-Beschränkung nur auf die entgangenen Einnahmen bezieht, BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.0, 2013, S. 17; BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.1, 2014, S. 18; dies entspricht auch der Einschätzung des Gesetzgebers, BT-Drs. 17/6071, S. 65; in diesem Sinne zudem Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 205 f.). 138 BT-Drs. 17/6071, S. 65; Grüner/Sailer, Das EEG als Instrument des Bundes zur räumlichen Steuerung der erneuerbaren Energien – zugleich ein Beitrag zur Diskussion um eine Energiefachplanung, ZNER 2016, S. 122 ff. (S. 124). 139 So auch Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 202).
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Zahlungsverpflichtet ist immer der Anschluss-Netzbetreiber, da dieser der unmittelbare Ansprechpartner des Anlagenbetreibers ist und auf diese Weise Nachforschungs- und Nachweisprobleme für den Anlagenbetreiber vermieden werden.140 Der Anschluss-Netzbetreiber bekommt jedoch, soweit die Ursache des Netzengpasses nicht in seinem eigenen Netz liegt, die Kosten für die Entschädigungszahlungen durch den vorgelagerten Netzbetreiber, in dessen Netz die Ursache – also der Netzengpass141 – liegt, ersetzt (§ 15 Abs. 1 S. 3 EEG 2017).142 Es gilt folglich das Verursacherprinzip.143 Nur der verursachende Netzbetreiber ist schließlich in der Lage, zukünftig das Auftreten von Engpässen durch Netzausbau zu verhindern.144 Die Zahlungsverpflichtung greift auch dann, wenn der Netzbetreiber sich auf Ausnahmen von der Ausbaupflicht berufen kann (vgl. § 12 Abs. 3 EEG 2017) bzw. eine Spitzenkappung nach § 11 Abs. 2 EnWG n.F. durchgeführt hat (vgl. § 11 Abs. 2 S. 4 EnWG n.F.145). Nicht relevant ist im Übrigen, wer die Maßnahme zur Engpassbeseitigung im Rahmen des Gefährdungsmanagements nach § 14 Abs. 1 EEG 2017 bzw. § 13 Abs. 2 EnWG ergriffen hat, denn die Handlungen der Netzbetreiber sind insoweit nur Reaktionen auf die zu beseitigende Gefährdung selbst; ggf. haben ohnehin alle beteiligten Netzbetreiber im Rahmen der Kaskade eigene Maßnahmen durchgeführt (vgl. § 14 Abs. 1c EnWG). Situationen, in denen Anschluss-Netzbetreiber und für die Gefährdung ursächlicher (verantwortlicher) Netzbetreiber auseinanderfallen, entstehen etwa bei Netzengpässen im Übertragungsnetz, wenn die zu regelnden Erzeugungsanlagen auf nachgelagerter Netzebene angeschlossen sind. Hier leistet dann der nachgelagerte Anschluss-VNB zunächst die Entschädigung
140 Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 21); Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 27 f.; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 10 („schematische Konzentration, um die Geltendmachung zu vereinfachen“). 141 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 17 142 Kritisch zu der noch im EEG 2011 enthaltenen Gesamtschuldnerschaft und generell zur Rolle der Anschluss-Netzbetreiber als „Inkassounternehmen“ der Anlagenbetreiber (unter Verweis auf die Informationspflichten des EEG): König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 572 f. 143 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 134 f.; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 30; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 6. 144 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 134 f.; zur Kostentragung bei mehreren verursachenden Netzbetreibern: Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 166. 145 Kahl/Kahles/Müller, Neuordnungen im EEG 2017 – Die Folgen des Systemwechsels auf Ausschreibungen für die Förderung, die Rolle des Netzes und den Anwendungsbereich, ER 2016, S. 187 ff. (S. 190).
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gegenüber dem Anlagenbetreiber und nimmt dafür den verantwortlichen ÜNB in Regress. Die Härtefallentschädigung gegenüber dem Anlagenbetreiber erfolgt verschuldensunabhängig.146 Auf das Verschulden des Netzbetreibers (Vorsatz oder Fahrlässigkeit), in dessen Netz die Ursache für die Abregelung liegt und der – wie dargestellt – im Ergebnis für die Härtefallentschädigung einzustehen hat, kommt es also nicht an. Dieses wirkt sich allerdings auf der zweiten Ebene, der Frage, ob die entstandenen Kosten über die Netzentgelte auf die Netznutzer abgewälzt werden können, aus. So ist eine Weitergabe der Kosten unzulässig, soweit die Regelungsmaßnahme nicht erforderlich war und der Netzbetreiber sie zu vertreten hatte, etwa, indem er nicht sämtliche Möglichkeiten zum Netzausbau ausgeschöpft hat (§ 15 Abs. 2 EEG 2017). c) Umfang der Entschädigungspflichten Im Folgenden soll der Umfang der Entschädigungspflichten näher erläutert werden. Entgangene Einnahmen im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2017 sind alle Vermögenswerte, die der betroffene Anlagenbetreiber nur deshalb nicht realisieren konnte, weil er aufgrund der Abregelung durch den Netzbetreiber nicht oder nur in geringerem Umfang Strom sowie ggf. Wärme (bei einer KWK-Anlage) in das Netz einspeisen konnte.147 Hierbei handelt es sich um aufgrund der Nicht-Einspeisung wegfallende EEG-Förderungen (Marktprämie oder Einspeisevergütung), KWKZuschläge, Marktpreise für direktvermarkteten oder auf sonstige Weise vermarkteten Strom, das Entgelt für die vermiedene Netznutzung bei dezentraler Einspeisung (§ 18 StromNEV)148 sowie Wärmeerlöse149 bei KWK-Anlagen.150 Die Abregelungen privilegierter Anlagen durch die Netzbetreiber führen zu einer Entlastung von EEGund KWK-Umlage, da an die Anlagenbetreiber weniger EEG-Förderungen bzw. 146 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 135; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 31; Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 197). 147 Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 64; Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 201); Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-EnergienGesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 15. 148 Soweit hierauf neben der Förderung ein Anspruch besteht. 149 Vgl. BT-Drs. 16/8148, S. 47; Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 146 ff. 150 Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 67 ff.; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 14; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 35; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 23.
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KWK-Zuschläge zu zahlen sind. Die bei den Netzbetreibern für Entschädigungszahlungen auflaufenden Kosten für Entschädigungen nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 werden allerdings grundsätzlich in das Netzkostensystem verlagert und können die Netzentgelte erhöhen (§ 15 Abs. 2 EEG 2017). Relevant für die Berechnung sind die hypothetisch erzeugte Strom- bzw. Wärmemenge und die hierfür zugrundezulegende Vergütung.151 Die Berechnung der hypothetisch möglichen Einspeisung bzw. der Ausfallarbeit – mögliche Einspeisung minus tatsächliche/reduzierte Einspeisung152 – während des Abregelungszeitraums bereitet naturgemäß Probleme, da sich eine nicht erfolgende Einspeisung messtechnisch nicht erfassen lässt.153 Für die Berechnung der Ausfallarbeit von Windkraftanlagen hat die BNetzA in einem Leitfaden zum Einspeisemanagement deshalb zwei alternative Methoden vorgeschlagen, die rechtlich allerdings, mangels Regelungsbefugnis der BNetzA insoweit, nicht verbindlich sind154: Das pauschale Verfahren, das auf die Einspeisung in der letzten Viertelstunde vor der Abregelung Bezug nimmt und das sog. Spitzabrechnungsverfahren, bei dem die konkreten Windgeschwindigkeiten während der Zeit der Drosselung erfasst und der Berechnung zugrundegelegt werden. In späteren Überarbeitungen des Leitfadens hat die BNetzA u. a. auch – ebenfalls unverbindliche – Aussagen zur Berechnung der Ausfallarbeit bei anderen Stromerzeugungsformen (Biogas, Deponie-, Klär- und Grubengas, Biomasse, Photovoltaik) getroffen; auch hier werden jeweils ein pauschales Verfahren und ein Spitzabrechnungsverfahren genannt und mit den jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Stromerzeugungsformen dargestellt.155 Für KWK-Anlagen wurden bislang keine spezifischen Aussagen getätigt.156 Die Bundesregierung hat nach § 95 Nr. 1 EEG 2017 die Möglichkeit, im Rahmen einer Verordnung ein verbindliches Berechnungsverfahren für 151 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 573. 152 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 12. 153 Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 45. 154 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 12 ff.; dazu: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 153; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-EnergienGesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 45 ff.; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 47 ff.; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 27 f.; vgl. auch: BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.0, 2013, S. 6 ff.; BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.1, 2014, S. 6 ff. 155 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.0, 2013, S. 11 ff.; vgl. auch BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.1, 2014, S. 11 ff.; dazu insgesamt: Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 47 ff. 156 Dies dürfte mit dem Leitfaden 3.0, dessen erster Entwurf im Juni 2017 vorgestellt wurde, nachgeholt werden.
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die Härtefallentschädigung zu regeln; von dieser Ermächtigung wurde bislang aber kein Gebrauch gemacht. Vom Entschädigungsanspruch erfasst ist nur die reduzierte Einspeisung, soweit sie tatsächlich auf einer Maßnahme des Netzbetreibers beruht bzw. durch diesen veranlasst ist, nicht aber, soweit der Anlagenbetreiber selbstständig und ohne Aufforderung hierzu eine Abregelung durchführt.157 Neben dem Ersatz der entgangenen Einnahmen kann der Anlagenbetreiber vom Netzbetreiber noch seine zusätzlichen Aufwendungen abgelten lassen; gemeint sind alle Vermögenswerte, die der Betreiber aufgrund der Abregelung durch den Netzbetreiber im eigenen Interesse unmittelbar aufgeopfert hat.158 Dies umfasst etwa die Kosten für eine alternative Wärmebereitstellung, Betriebskosten eines Notstromaggregats, erhöhte Kosten für Deckungskäufe oder fällige Vertragsstrafen.159 Zu beachten ist allerdings, dass im Falle der Einhaltung der Lieferverpflichtungen durch die abgeregelten Anlagenbetreiber – alternative Wärmebereitstellung, Deckungskäufe o. ä. – zwar die Aufwendungen für hierdurch entstehende Mehrkosten (Bsp.: höhere Kosten für Brennstoffe) vom Netzbetreiber verlangt werden können, dass es insoweit aber an ersatzfähigen entgangenen Einnahmen fehlt.160 Es können also dann nicht gleichzeitig auch entgangene Einnahmen geltend gemacht werden. Auch Bauund Vorhaltekosten für Strom-, Gas oder Wärmespeicher können nicht verlangt werden, da Investitionen in Speicheranlagen nicht unmittelbar-kausale Folge von engpassbedingten Abregelungen sind, sondern allgemeine unternehmenspolitische Entscheidungen, die durch häufige Abregelungen allenfalls befördert werden.161 Abzuziehen vom Erstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 sind im Übrigen die ersparten Aufwendungen, also die Aufwendungen, die der Anlagenbe157
BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 12; Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 135, 137; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-EnergienGesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 61; Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 200); Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 142; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 21 ff. 158 Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 74 f.; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 17 f. 159 Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/ Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 205); Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 145 ff.; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 18; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 24; vgl. auch BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.0, 2013, S. 18. 160 Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, BadenBaden 2014, S. 148 ff. 161 So auch Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 153 ff.
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treiber an sich hätte machen müssen, die aber aufgrund der Abregelung weggefallen sind (insbesondere ersparte Brennstoffkosten).162 Im Ergebnis soll der Anlagenbetreiber so stehen, als ob keine Abregelung durchgeführt worden wäre – allerdings gemindert um den Eigenanteil von 5 %.163 Rechtlich ungeklärt ist die Frage, wie es sich auf die Härtefallentschädigung auswirkt, wenn der Netzbetreiber die Einspeisung aus einer privilegierten Anlage reduziert, der Anlagenbetreiber den Strom aber dennoch erzeugt und entweder zwischenspeichert (etwa: Batteriespeicher oder Power-to-Gas) oder in Wärme umwandelt164 und in ein Fernwärmenetz einspeist (Power-to-Heat).165 Die Lösung diese Frage dürfte darin zu finden sein, dass die Härtefallentschädigung nicht zu einer finanziellen Besserstellung des Anlagenbetreibers im Vergleich zu einer Situation ohne Abregelung führen soll. Das lässt sich daraus ableiten, dass zum einen keine Vollkompensation erfolgt (Eigenanteil von 5 %), zum anderen daraus, dass ersparte Aufwendungen gegenzurechnen sind. Der Begriff der entgangenen Einnahmen bezieht sich dementsprechend nicht nur auf die netzbetreiber-veranlasste Nichteinspeisung einer bestimmten Strommenge zum Zeitpunkt x, sondern umfasst auch den Umgang mit dem dennoch erzeugten Strom. Das hat zur Folge, dass der Anlagenbetreiber Einnahmen, die er mit dem dennoch erzeugten Strom macht (spätere Einspeisung von Strom oder Wärmeverkauf), vom Entschädigungsanspruch gegen den Netzbetreiber abzuziehen hat, da insoweit in der Gesamtbetrachtung keine Einnahmen „entgangen“ sind.166 Im Falle der Zwischenspeicherung sind dies die 162
Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 147; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 78; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 19; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 45; Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 15 Rn. 8. 163 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 24. 164 Vgl. dazu Thomas, Rechtliche Rahmenbedingungen für Power to Heat, in: Wenzl/Kaiser (Hrsg.), Erneuerbare erfolgreich integrieren durch Power to Heat, Göttingen 2015, S. 141 ff. (S. 144 f.). 165 Vgl. den Überblick bei Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 16; vgl. hierzu auch Walter/Huber/ Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 201 f.). Die grundsätzliche Zulässigkeit dieses Vorgehens lässt sich nun aus § 27a S. 2 Nr. 5 EEG 2017 ableiten, vgl. Vollprecht/ Altrock, Die EEG-Novelle 2017 – Von Ausschreibungen bis zuschaltbare Lasten, EnWZ 2016, S. 387 ff. (S. 394). 166 So auch: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 146; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 73; a.A. Schäfermeier, in: Reshöft/ Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 16; Altrock/Thomas/Vollprecht, Power to Heat – Kostenbelastungen, Regelenergie und Überschussstrom, EnWZ 2016, S. 106 ff. (S. 111).
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Einnahmen aus der Einspeisung des Stroms zu einem späteren Zeitpunkt. Eine Entschädigung ist hier nur für die Speicherverluste167 und für womöglich niedrigere Einnahmen aufgrund eines gesunkenen Marktpreises auszuzahlen. Im Falle der Umwandlung des dennoch erzeugten Stromes in Wärme und Einspeisung in ein Fernwärmenetz, sind die Einnahmen aus dem Wärmeverkauf von der Härtefallentschädigung abzuziehen. Zwar ist anzumerken, dass die Speicherung oder Umwandlung des dennoch erzeugten Stroms klimapolitisch vorzugswürdig sein kann – nämlich dann, wenn es um Strom aus Windkraft und Photovoltaik geht, der andernfalls „verloren“ wäre. Aus § 15 Abs. 1 EEG 2017 lässt sich jedoch eine entsprechende Anreizwirkung, dass Anlagenbetreiber, die den Strom im Falle der Abregelung durch den Netzbetreiber dennoch erzeugen und anderweitig nutzen, privilegiert werden sollen, nicht ablesen; die Norm ist insoweit rein kompensatorisch ausgestaltet.168 Hierbei ist auch zu beachten, dass die Kosten für die Auszahlung von Härtefallentschädigungen regelmäßig über die Netzentgelte auf die Netznutzer bzw. Letztverbraucher weitergewälzt werden können (§ 15 Abs. 2 EEG 2017). Diese Vorgehensweise ist kaum vertretbar, soweit den Anlagenbetreibern aufgrund anderweitiger Nutzung des an sich abgeregelten Stroms gar keine Einnahmenausfälle entstehen. d) Zweck und Erforderlichkeit der Härtefallentschädigung Der Zweck der Härtefallentschädigung liegt darin, die Finanzierbarkeit neuer Projekte zu sichern und einen effizienten Einsatz des Einspeisemanagements durch den Netzbetreiber zu gewährleisten.169 Die Durchführung von EinsMan-Maßnahmen soll nicht dazu führen, dass der weitere Ausbau von erneuerbaren Energien und hocheffizienter KWK gehemmt wird.170 Soweit auf Veranlassung oder durch den Netzbetreiber eine engpassbedingte Drosselung der Einspeisung erfolgt, können die Betreiber privilegierter Anlagen aber an sich keine oder zumindest nur geringere Einnahmen generieren. Dies folgt daraus, dass die Förderung nach dem EEG (Marktprämie: § 20 EEG 2017; Einspeisevergütung: § 21 EEG 2017) sowie dem KWKG (Zuschlag: §§ 5 ff. KWKG) an die tatsächliche physikalische Einspeisung 167 So auch: Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 73; Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 202); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 211. 168 BT-Drs. 17/6071, S. 65; Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 200). 169 BT-Drs. 16/8148, S. 47. 170 Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 5; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 5.
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von Strom anknüpft, also an die jeweils eingespeiste Kilowattstunde.171 Privilegierte Anlagen sind also aufgrund der rechtlichen Ausgestaltung der Förderung darauf angewiesen, dass sie den erzeugten Strom auch in voller Höhe in das Netz einspeisen können. Eine EE-Anlage etwa erzielt in der Einspeisevergütung ohne Einspeisung sonst keinen, in der Direktvermarktung zumindest nur einen erheblich geminderten Erlös, da insoweit keine Marktprämie ausgezahlt werden kann.172 Gleichzeitig können in der Direktvermarktung bestehende Leistungspflichten gegenüber Dritten ggf. nicht erfüllt werden, so dass im Gegenzug der Anspruch auf Bezahlung entfällt (§§ 275, 326 BGB).173 § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG, der auch im Rahmen des Einspeisemanagements gilt174, ordnet zwar das Ruhen der Leistungspflichten an, dies gilt jedoch nach der hier vertretenen Auffassung nur zwischen Netzbetreiber und Anlagenbetreiber (vgl.o.), nicht gegenüber Dritten. Gleichzeitig sind die Erzeugungsanlagen für das Auftreten von Netzengpässen und die hieraus resultierenden Maßnahmen des Gefährdungsmanagements zwar kausal, aber nicht verantwortlich. Die Gefährdung der Netzstabilität als Folge des Auftretens eines Engpasses entsteht schließlich aufgrund nicht ausreichender Netzkapazitäten und unterliegt damit der Einfluss- und Verantwortungssphäre der Netzbetreiber.175 Es ist also nicht nur im Sinne der Energiewende zielführend, sondern auch – als Konsequenz der rechtlichen Ausgestaltung der Förderung – sachgerecht, für die engpassbedingte Nichteinspeisung aus privilegierten Anlagen eine Entschädigung vorzusehen.176 Potenziellen Investoren in EE 171 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 149. 172 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 163. 173 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 144 ff.; vgl. auch: Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 67 ff.; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 85 f.). 174 Die Härtefallentschädigung nach § 15 EEG 2017 regelt nur – eben abweichend von § 13 Abs. 5 EnWG – dass bei engpassbedingten Maßnahmen gegenüber privilegierten Anlagen eine Vergütung zu zahlen ist; im Übrigen bleibt es aber dabei, dass bei allen Notmaßnahmen § 13 Abs. 5 EnWG gilt. Vgl. dazu etwa Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 71); so auch noch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 575; a.A. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 48. 175 Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 1: Härtefallregelung als Sondervorschrift zum zivilrechtlichen Aufopferungsanspruch (§ 904 S. 2 BGB); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 149. 176 Noch weitergehend: Schwintowski, Der Anspruch auf Schadensersatz und Einspeisevergütung bei der Abschaltung von Anlagen Erneuerbarer Energien, EWeRK 2012, S. 131 ff.
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und hocheffiziente KWK wird auf diese Weise Planungssicherheit gewährt, da quasi kein Risiko der Unverfügbarkeit des Netzes besteht.177 Der Gesetzgeber hat sich mit der Gewährung des Anspruchs auf Härtefallentschädigung nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 bei EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen für eine andere Herangehensweise entschieden, als dies bei der engpassbedingten Abregelung sonstiger, nicht privilegierter Erzeugungsanlagen der Fall ist. Bei letzteren wird regelmäßig ein Redispatching als marktbezogene Maßnahme durchgeführt; dabei wird im Falle der Abregelung einer bestimmten Erzeugungsanlage eine andere Anlage hinter dem Engpass hochgeregelt und so ein Ausgleich der Strommengen hergestellt, der dem abgeregelten Anlagenbetreiber zugerechnet wird.178 Dieser kann also, ohne selbst in der vereinbarten Höhe Strom zu liefern, seine geschlossenen Verträge erfüllen und erhält die vertraglich vereinbarte Vergütung des Stromkäufers.179 Würde man dasselbe Verfahren de lege ferenda auch bei der Abregelung privilegierter Anlagen anwenden, so hätte dies wohl zur Folge, dass EEG-Förderungen und KWK-Zuschläge auch für an sich abgeregelte Strommengen ausgezahlt werden, die in der Praxis durch konventionelle, nicht förderungsfähige Erzeugungsanlagen hinter dem Engpass bereitgestellt werden. Soweit allerdings Strom aus privilegierten Anlagen bereits im Voraus – also vor der tatsächlichen Erzeugung, bei Wind und Sonne notwendigerweise prognostisch – und ohne Einberechnung möglicherweise abzuregelnder Mengen verkauft wird (durch den Anlagenbetreiber selbst, einen Direktvermarkter oder den ÜNB)180, wird so oder so auch trotz des Härtefallentschädigungs-Systems ein tatsächlicher und bilanzieller Ausgleich, also im Ergebnis das Hochfahren von regelmäßig konventionellen Anlagen hinter dem Engpass erforderlich (hierauf wird in Teil 3 A.II. noch näher einzugehen sein). Zudem ist festzustellen, dass privilegierte Anlagen im Ergebnis – aufgrund des Selbstbehalts von 5 Prozent bei der Härtefallentschädigung (§ 15 Abs. 1 EEG 2017) – im Falle der engpassbedingten Abregelung finanziell schlechter stehen als konventionelle Anlagen im Redispatch, die einen vollständigen energetischen und bilanziellen Ausgleich erhalten.181 Rechtlich ist das aber nicht zu beanstanden, da die
(S. 138): „Das heißt, jede Abschaltung beinhaltet nach Art. 14 Abs. 1 GG einen Eingriff in die geschützte Eigentumsposition und löst folglich eine gesetzliche Entschädigung […] aus.“ 177 So König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 3 f. 178 Vgl. Teil 2 B.III.2.b)bb). 179 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 149. 180 Dazu Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. 181 Vgl. sinngemäß Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 72), der sich an dieser Stelle allerdings mit einem möglichen energetischen Ausgleich nach § 13 Abs. 4 EnWG a.F. (nun § 13 Abs. 5
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zwangsweise Abregelung von privilegierten Anlagen nur nachrangig und als Teil der Notmaßnahmen erfolgen kann, während der Redispatch, auch in der gesetzlich geregelten Form des § 13a Abs. 1 EnWG, den vorrangig heranzuziehenden marktbezogenen Maßnahmen zuzurechnen ist. Im Rahmen von Notmaßnahmen, die nicht in den Bereich des EinsMan fallen, gilt nach § 13 Abs. 5 EnWG aber, dass überhaupt keine Vergütung zu zahlen ist (vgl.o.). Innerhalb der Notmaßnahmen stehen privilegierte Anlagen also besser, im direkten Vergleich mit dem Redispatch aber schlechter. e) Weitergehende Ansprüche Grundsätzlich ist immerhin denkbar, dass durch das Geltendmachen von weitergehenden Schadenersatzansprüchen die entgangenen Einnahmen auch vollständig verlangt werden können, also ohne Abzug des Selbstbehalts.182 Insoweit stellt § 15 Abs. 3 EEG 2017 klar, dass durch die Härtefallregelung Schadenersatzansprüche der Anlagenbetreiber gegen den Netzbetreiber unberührt bleiben. Solche können dabei insbesondere auf § 13 Abs. 1 EEG 2017 gestützt werden.183 Nach dieser Vorschrift können Einspeisewillige ggf. Ersatz des Schadens verlangen, der dadurch entsteht, dass der Netzbetreiber Kapazitätserweiterungspflichten nach § 12 Abs. 1 EEG 2017 verletzt. Die Ersatzpflicht scheidet aus, wenn der Netzbetreiber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Leistungspflichten, die im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Abregelung nach § 13 Abs. 2 EnWG bzw. § 14 Abs. 1 EEG 2017 stehen, können darüber hinaus allerdings im Regelfall keine Schadenersatzansprüche auslösen, da § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG für alle Notmaßnahmen (§ 13 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 EnWG, § 14 Abs. 1 EEG 2017), also auch für die Durchführung von Einspeisemanagement184, das Ruhen der Leistungspflichten anordnet. Schadenersatzansprüche nach §§ 280 ff. BGB, die auf die Versagung des Netzzugangs (§ 20 Abs. 1, 1a EnWG) bzw. der vorrangigen Einspeisung (§ 11 Abs. 1 EnWG) befasst; vgl. zudem Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 172 f. 182 Dazu König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 46 ff. 183 Ebenso: Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 87; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 575; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 82; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 48; Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 15 Rn. 16. 184 Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 71); so auch noch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 575; a.A. ohne nähere Begründung König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 48.
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EEG 2017) gestützt werden, sind somit unzulässig – es sei denn, die NotmaßnahmenErgreifung war rechtswidrig (dazu näher in Teil 3 B.).185
II. Bilanzausgleichsverpflichtungen der ÜNB Im Zusammenhang mit den Vergütungspflichten ist auch auf mit den Maßnahmen nach § 13 EnWG bzw. § 14 EEG 2017 verbundene Bilanzausgleichsverpflichtungen einzugehen, da hier zusätzliche Kosten entstehen können, die den ÜNB treffen. Der Bilanzausgleich des Energieversorgungssystems stellt neben dem Engpassmanagement das wichtigste Handlungsfeld der ÜNB im Rahmen ihrer Systemverantwortung dar. Entscheidend ist nun, dass Maßnahmen im Bereich des Engpassmanagements Folgemaßnahmen zum Ausgleich der Systembilanz auslösen können, da die Ergreifung von Maßnahmen zur Beseitigung von Netzengpässen nicht in allen Fällen auch auftretende Schwankungen der Systembilanz ausgleicht. Für den Einsatz von Notmaßnahmen bzw. Einspeisemanagement (§§ 13 Abs. 2 EnWG, 14 Abs. 1 EEG 2017) ist jedoch ungeklärt, wie ein Ausgleich der Systembilanz vonstatten geht. Die Stabilität der Stromnetze erfordert, dass eine ausgeglichene Systembilanz, also ein Gleichgewicht aller Einspeisungen und Ausspeisungen in jeder Viertelstunde gewährleistet wird, wobei eine Frequenz von 50 Hertz beizubehalten ist.186 Über- und Unterfrequenzen sind zu vermeiden, da sonst Gefährdungen oder Störungen für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems drohen. Um diesem Erfordernis gerecht zu werden, ist ein umfangreiches Bilanzkreismanagement durchzuführen, das zunächst in den Händen der Bilanzkreisverantwortlichen liegt (§ 4 Abs. 2 StromNZV). In der Regel sind Energieversorgungsunternehmen oder große Industriebetriebe als Bilanzkreisverantwortliche eingesetzt.187 Aber auch Stromerzeuger, Direktvermarktungsunternehmer und Endkunden können die Bilanzkreisverantwortung übernehmen.188 Die vier deutschen ÜNB tragen die Gesamtverantwortung für die Frequenz-Leistungsregelung
185
Vgl. dazu: Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 87; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 575; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 82; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 48; Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 15 Rn. 16. 186 Siehe dazu Teil 2 B.III.1.a). 187 VDN, Transmission Code 2007, S. 73. 188 De Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 245; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 78, Fn. 59).
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und koordinieren die Bilanzkreise.189 Lassen sich Abweichungen in der Gesamtregelzone nicht durch Austausch zwischen den Bilanzkreisen oder auf sonstige Weise beheben, ist der Einsatz von Regelenergie erforderlich.190 Ggf. können auch abschaltbare Lasten nach der AbLaV herangezogen werden.191 Im äußersten Fall ist auf die Kapazitätsreserve nach § 13e EnWG zurückzugreifen. Werden Netzengpässe durch die marktbezogenen Maßnahmen des vertraglichen oder gesetzlichen Redispatchings behandelt, so ist grundsätzlich kein Einsatz von Regelenergie erforderlich, da der energetische und bilanzielle Ausgleich engpassbedingter Abregelungen von Erzeugungsanlagen gerade ein wesentliches Merkmal des Redispatch darstellt. Hier werden Erzeugungsanlagen vor dem Engpass gedrosselt, während gleichzeitig solche hinter dem Engpass in gleicher Höhe hochgefahren werden, so dass die energetische Gesamtbilanz ausgeglichen bleibt.192 Bilanziell wird dann dem Bilanzkreis, dem die abgeregelten Anlagen zugeordnet sind, per Fahrplangeschäft des ÜNB der eigentlich durch eine andere Anlage erzeugte Strom zur Verfügung gestellt.193 Es wird also fingiert, dass gar keine Anpassung der Wirkleistungseinspeisung stattgefunden hat. Die abgeregelten Anlagen können ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen und den vereinbarten Preis erlösen.194 Problematischer ist die Situation allerdings, wenn sich ein Engpass nicht durch marktbezogene Maßnahmen beseitigen lässt, so dass nach § 13 Abs. 2 EnWG ein Rückgriff auf Notmaßnahmen erforderlich wird. Insoweit ist nicht abschließend geklärt, wie ein energetischer und bilanzieller Ausgleich bei der Abregelung von 189 Ehricke/Breuer, Die Vereinbarkeit von sog. Optionsverträgen auf negative Regelenergie mit dem EEG, RdE 2010, S. 309 ff. (S. 309); de Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 410. 190 Müller-Kirchenbauer/Zenke, Wettbewerbsmarkt für Regel- und Ausgleichsenergie, et 2001, Heft 11, S. 696 ff. (S. 697); Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 20); Kremer, Bedarf an Regelenergie im Netz wächst, Energy 2.0 2012, S. 16 ff. (S. 16); Oesterwind/Spiegel/Riegebauer, Brachliegende Erlöspotenziale auf dem Regelenergiemarkt, et 2015, Heft 10, S. 42 ff. (S. 42). 191 Hier gilt nach § 4 Abs. 4 S. 2 AbLaV: „Die elektrische Energie, die von den abschaltbaren Lasten durch den Abruf der Abschaltleistung nicht verbraucht wird, wird dem Betreiber von Übertragungsnetzen per Fahrplan geliefert.“ 192 Consentec/Frontier, Methodische Fragen bei der Bewirtschaftung innerdeutscher Engpässe im Übertragungsnetz (Energie), 2008, S. 5; Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, Tübingen 2012, S. 31; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 25; vgl. auch Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 43 f.). 193 Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 78). 194 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 149.
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Erzeugungsanlagen zu erfolgen hat und damit, ob für den ÜNB zusätzliche Kosten entstehen können.195 Wenn ein ÜNB eine Erzeugungsanlage nach § 13 Abs. 2 EnWG abregelt, muss hinter dem Engpass eine andere Erzeugungsanlage ihre Einspeisung erhöhen oder es müssen alternativ Lasten abgeschaltet werden. Diese Steuerungsund Bilanzausgleichsaufgabe obliegt letztverantwortlich den ÜNB im Rahmen der Systemverantwortung. Wie herausgearbeitet wurde, führt § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG zum Ruhen der synallagmatischen Leistungspflichten zwischen dem handelnden Netzbetreiber und dem Betreiber der betroffenen Erzeugungs- bzw. Verbrauchsanlage; infolgedessen hat der Netzbetreiber keine Entschädigung zu leisten.196 Vertragliche Lieferpflichten gegenüber Dritten bleiben bestehen. Die Aufgabenerfüllung nach § 13 EnWG ruht selbstverständlich ebenfalls nicht, da sie auf das gesamte Energieversorgungssystem bezogen ist und nicht nur das Verhältnis zur abgeregelten Erzeugungsanlage berührt. Letztlich verbleibende Bilanzungleichgewichte müssen durch die ÜNB einem Ausgleich zugeführt werden.197 Dies wurde nun in § 13 Abs. 5 S. 2 EnWG n.F. auch klargestellt.198 Hierfür ist bislang aber kein spezielles Instrumentarium vorgesehen. Denkbar wäre eine Verpflichtung der Anlagenbetreiber oder Bilanzkreisverantwortlichen, selbst durch intraday-Geschäfte oder ähnliche Maßnahmen für den kurzfristigen Stromzukauf aus Erzeugungsanlagen hinter dem Engpass zu sorgen.199 Alternativ könnte ein redispatchähnliches Verfahren durchgeführt werden, bei dem der Netzbetreiber Ersatzlieferungen im Wege von Ausgleichsfahrplänen bereitstellt200; hierbei ist allerdings zu beachten, dass den abgeregelten Erzeugungsanlagen im Rahmen von § 13 Abs. 2, 5 EnWG – anders als beim Redispatch – kein kostenloser energetischer und bilanzieller Ausgleich gewährt werden darf (so vgl. nun auch § 13 Abs. 5 S. 2 EnWG n.F.).201 Dies folgt aus der Systematik von § 13 EnWG, nach der 195
Vgl. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 129. 196 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 123. 197 Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 72); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 124; Berzel/Sötebier/ Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 81). 198 Vgl. BT-Drs. 18/7317, S. 86. 199 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 129; vgl. dazu auch Consentec, Physikalische und bilanzielle Auswirkungen von Einspeisemanagement-Maßnahmen, 2013, S. 35 f. 200 Vgl. dazu auch Consentec, Physikalische und bilanzielle Auswirkungen von Einspeisemanagement-Maßnahmen, 2013, S. 36 ff. 201 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 130; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in:
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Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG nur und gerade als letztes Mittel eingesetzt werden können, wobei nach § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG die wechselseitigen Leistungspflichten ruhen, der Netzbetreiber den angeschlossenen Anlagenbetreibern also insbesondere bis zur Beseitigung der Gefährdung oder Störung keinen Netzzugang ermöglichen muss.202 Würde hier dennoch ein kostenloser energetischer und bilanzieller Ausgleich gewährt, so stünden die Anlagenbetreiber faktisch so, als ob ihnen doch Netzzugang gewährt wird; sie könnten ihre Lieferverpflichtungen erfüllen und die angedachten Erlöse erzielen.203 Bei dieser Lösung wäre § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG ausgehebelt. Es wäre für die Anlagenbetreiber geradezu lukrativ, im Rahmen von Notmaßnahmen gedrosselt zu werden, da sie hier mangels Rechtsgrundlage wohl noch nicht einmal die eingesparten Brennstoffkosten an den ÜNB auszahlen müssten.204 Bislang hat die BNetzA kein Verfahren zur Festlegung der energetischen und bilanziellen Behandlung von Notmaßnahmen eingeleitet – allerdings ist denkbar, dass sie sich im Zuge des laufenden Verfahrens in Bezug auf Einspeisemanagementmaßnahmen (dazu sogleich) auch zu § 13 Abs. 2 EnWG näher äußern wird. Eine Festlegungskompetenz im Hinblick auf das Bilanzkreismanagement obliegt ihr gem. § 27 Abs. 1 Nr. 5 StromNZV. Derzeit erfolgt der energetische Ausgleich letztlich über den Einsatz von positiver Regelenergie.205 Den ÜNB entstehen damit Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 81 f.); a.A. womöglich Erbring/Kuring/ Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 213. 202 Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 71); Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 81 f.); vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 554 f. 203 Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 72); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 125 f.; Berzel/Sötebier/ Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 81 f.). 204 So jedenfalls: Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 72); vgl. auch später: Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 126 f.; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 81 f.). 205 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 131; vgl. auch Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei
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im Rahmen von § 13 Abs. 2 EnWG also zusätzliche Ausgaben für Regelenergie, da insoweit Arbeitspreise an die Anbieter von Regelenergie zu zahlen sind. Da die konkrete Örtlichkeit der Anlagen aufgrund des erforderlichen Einsatzes hinter dem Engpass relevant ist, kann es erforderlich sein, dass von der an der Höhe der Arbeitspreise ausgerichteten merit order abgewichen werden muss, so dass vergleichsweise sogar besonders hohe Vergütungen zu leisten sind. Werden privilegierte Erzeugungsanlagen – in der Regel durch Einspeisemanagement – zwangsabgeregelt, so stellen sich im Grundsatz dieselben Fragen wie bei Notmaßnahmen gegenüber sonstigen Erzeugungsanlagen.206 Auch insoweit ruhen die synallagmatischen Leistungspflichten zwischen Netzbetreiber und Erzeuger, da § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG bei allen Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG gilt und das Einspeisemanagement nur einen speziellen Unterfall hierzu bildet (vgl. § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG); nicht betroffen sind die Leistungspflichten gegenüber Dritten.207 Dass im Unterschied zu Notmaßnahmen gegenüber sonstigen Erzeugungsanlagen bei der engpassbedingten Abregelung privilegierter Anlagen nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 eine Entschädigung zu zahlen ist, zeigt zudem besonders deutlich, dass bei Notmaßnahmen kein vollständiger, kostenloser energetischer und bilanzieller Ausgleich wie beim Redispatch erfolgt.208 Denn würde es einen solchen Ausgleich geben, wäre eine explizite und bis auf den Selbstbehalt umfassende Entschädigung privilegierter Anlagen, wie sie § 15 Abs. 1 EEG 2017 vorsieht, zumindest in der Direktvermarktung fehl am Platze: Die Erzeuger könnten ihre an sich abgeregelten Strommengen regulär verkaufen und hierfür die entsprechenden Markterlöse erzielen.209 Folglich entstünden für die abgeregelten Erzeuger entgangene Einnahmen im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2017 nur insoweit, als sie für den Ausgleichsstrom, der durch andere Anlagen geleistet wird, keine Förderansprüche nach EEG bzw. KWKG geltend machen können.210 Dem Wortlaut nach betrifft § 15 Abs. 1 EEG 2017 aber alle entgangenen Einnahmen und nicht nur solche, die auf der Förderung nach EEG/KWKG beruhen. Auch der Selbstbehalt von 5 Prozent bezieht sich auf sämtliche Einnahmen.
Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 83). 206 Das dürfte wohl auch für Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG gelten, soweit an sich privilegierte KWK-Anlagen betroffen sind 207 Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 71). 208 Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 72); a.A. womöglich Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 94 ff. (Stand: Mai 2016). 209 Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 72). 210 So Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 173.
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Wie der Ausgleich der vor dem Engpass abgeregelten Strommengen zu erfolgen hat, ist bisher ungeklärt. Klar ist nur, dass die ÜNB im Rahmen von § 13 EnWG letztverantwortlich für den Ausgleich von Fehlmengen sind (§ 13 Abs. 5 S. 1 EnWG gilt insoweit nicht, vgl.o.). Auch bei fluktuierend erzeugenden EE-Anlagen (Windkraft, Photovoltaik) kann im Falle der Drosselung ein energetischer und bilanzieller Ausgleich erforderlich sein, soweit der Anlagenbetreiber, Direktvermarktungsunternehmer oder Netzbetreiber (Einspeisevergütung) den Strom anhand von Wetterprognosen bereits vorab veräußert hat, ohne eine mögliche engpassbedingte Abregelung hier bereits einzukalkulieren und die zu veräußernden Mengen entsprechend zu kürzen.211 Die BNetzA hat zur energetischen und bilanziellen Behandlung von EinsMan-Maßnahmen vor geraumer Zeit ein Konsultationsverfahren eingeleitet, das aber bislang nicht abgeschlossen wurde bzw. nicht in den Beschluss einer entsprechenden Festlegung mündete; derzeit ist es sogar ruhend gestellt.212 Festlegungskompetenzen ergeben sich aus § 27 Abs. 1 Nr. 5 StromNZV. Das von der BNetzA veröffentlichte Zielmodell präferiert ein durch die ÜNB abgewickeltes, redispatchähnliches Verfahren, bei dem hinter dem Engpass Erzeugungsanlagen hochgefahren werden; in die betroffenen Bilanzkreise sollen jeweils Ausgleichfahrpläne eingestellt werden.213 Die Kosten hierfür sollen – entsprechend den Wertungen der Härtefallentschädigung – die Netzbetreiber tragen, in deren Netz die Ursache für das Einspeisemanagement, also der Netzengpass, liegt.214 Derzeit erfolgt der Ausgleich mangels tatsächlicher Festlegung eines bestimmten Verfahrens allerdings wohl regelmäßig über den Einsatz von positiver Regelenergie.215 Hierdurch entstehen den ÜNB, wie auch sonst im Rahmen von § 13 Abs. 5 EnWG, zusätzliche Kosten für zu zahlende Arbeitspreise (vgl.o.). Weitere Kosten können dann entstehen, wenn der abgeregelte Anlagenbetreiber gleichzeitig Bi-
211 Siehe dazu Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 69 f.). 212 BNetzA, Eröffnung eines Festlegungsverfahrens (25. 09. 2013), BK6 – 12 – 049; vgl. dazu auch Consentec, Physikalische und bilanzielle Auswirkungen von EinspeisemanagementMaßnahmen, 2013; zudem: Hofmann, Aktuelle Entwicklungen auf dem Stromerzeugungsmarkt im Jahr 2013, EnWZ 2014, S. 51 ff. (S. 54); vgl. hierzu auch Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 93 (Stand: Mai 2016). 213 BNetzA, Eröffnung eines Festlegungsverfahrens (25. 09. 2013), BK6 – 12 – 049, S. 2 f.; kritisch: Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 93 ff. (Stand: Mai 2016). 214 BNetzA, Eröffnung eines Festlegungsverfahrens (25. 09. 2013), BK6 – 12 – 049, S. 3. 215 Vgl. Consentec, Physikalische und bilanzielle Auswirkungen von Einspeisemanagement-Maßnahmen, 2013, S. 2. Die BNetzA möchte diese Vorgehensweise zukünftig verhindern, vgl. BNetzA, Eröffnung eines Festlegungsverfahrens (25. 09. 2013), BK6 – 12 – 049, S. 4. Siehe dazu auch: Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 70, 73); Sötebier, in: Britz/Hellermann/ Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 170, 174.
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
lanzkreisverantwortlicher ist.216 Bilanzkreismanagement und Systemverantwortung werden, wie dargestellt, nicht von der Ruhendstellung des § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG erfasst. Dies ergibt sich nun auch aus § 13 Abs. 5 S. 2 EnWG n.F. Die Bilanzkreisverantwortlichen haben damit auch in EinsMan-Situationen nach § 8 Abs. 2 StromNZV die Kosten für die Beschaffung von Sekundärregelarbeit und Minutenreservearbeit zu tragen.217 Hier lässt sich nun aber vertreten, dass es sich insoweit um „zusätzliche Aufwendungen“ im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2017 handelt, die Folge der engpassbedingten Abregelung einer privilegierten Anlagen sind und so im Rahmen der Härtefallentschädigung verlangt werden können.218 Generell ist kritisch anzumerken, dass eine Drosselung von EE-Anlagen nicht nur dazu führt, dass CO2-frei erzeugter Strom „weggeworfen“ wird, sondern gleichzeitig im Umfang der Drosselung regelmäßig konventionelle Anlagen hinter dem Engpass hochgefahren werden, um die Mindereinspeisung auszugleichen.219 Gleichzeitig entstehen Kosten zum einen zur Entschädigung der EE-Anlagenbetreiber für die Nicht-Erzeugung von EE-Strom (§ 15 Abs. 1 EEG 2017) und zum anderen für die gezielte Erzeugungserhöhung konventioneller Anlagen hinter dem Engpass (Einsatz von Regelenergie).
III. Abwälzungsmöglichkeiten der ÜNB220 Nachdem in den vorstehenden Kapiteln herausgearbeitet wurde, welche Vergütungspflichten die ÜNB bei der Wahrnehmung der Systemverantwortung treffen können, soll nun im Folgenden dargestellt werden, inwieweit die ÜNB die Kosten auf
216 Gleiches gilt, wenn der Direktvermarkter BKV ist und die Kosten an den Anlagenbetreiber weitergibt. 217 Näheres dazu in Teil 3 A.III.2.a). 218 Angedeutet bei: Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 170; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 87); so auch: Ruge/ Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 86 (Stand: Mai 2016); im Ergebnis so zudem Hoffmann/Herz, Einspeisemanagement nach EEG und Entschädigung des Anlagenbetreibers, ree 2016, S. 65 ff. (S. 71 f.), aber Einordnung bei den entgangenen Einnahmen. 219 Vgl. Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 70, 73); dazu auch: Schaber/Bieberbach, Redispatch und dezentrale Erzeugung – Alternativen zum Netzausbau?, et 2015, Heft 7, S. 18 ff. (S. 21 f.). 220 Zum Vergleich mit der Abwälzung von Netzausbaukosten siehe Ringel, Die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Energierecht (mit Schwerpunkt auf der Verpflichtung zum Ausbau des Stromnetzes), Baden-Baden 2011, S. 147 ff.
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nachgelagerte Netzbetreiber bzw. Letztverbraucher weiterwälzen können.221 Der Umfang der Abwälzungsmöglichkeiten ist dabei von großer Bedeutung im Hinblick auf die tatsächlichen Belastungen, die die ÜNB im Rahmen der Aufbürdung der Systemverantwortung zu tragen haben und damit für die Frage, ob es sich hierbei um eine unzulässige Indienstnahme durch den Staat handelt (Teil 5). Dabei ist auch bedeutsam, inwieweit ein zeitlicher Versatz zwischen Kostenanfall und der Möglichkeit der Weitergabe besteht. 1. Grundlagen der Abwälzung von Kosten durch die ÜNB Die Netzbetreiber generieren Einnahmen in erster Linie über die sog. Netzentgelte. Diese bilden einen staatlich regulierten Bestandteil des Gesamt-Strompreises, den die Netzbetreiber, also auch die ÜNB, als Gegenleistung für die Gewährung des Netzzugangs bzw. die mit der Bereitstellung der Infrastruktur verbundenen Netzkosten von den Netznutzern verlangen (vgl. §§ 20, 21 EnWG).222 Netznutzer sind alle natürlichen oder juristischen Personen, die Energie in ein Elektrizitätsversorgungsnetz223 einspeisen oder daraus beziehen (§ 3 Nr. 28 EnWG), wobei im Stromsektor die Einspeiseseite von der Entrichtung von Netzentgelten befreit ist (§ 15 Abs. 1 S. 3 StromNEV), so dass nur die Entnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entgeltpflichtig ist. Stromentnahmen aus dem Übertragungsnetz erfolgen in erster Linie durch nachgelagerte Netzbetreiber und weniger durch Stromlieferanten bzw. Letztverbraucher. Dies ist ja gerade der Zweck der Übertragungsnetze: Der Transport von Elektrizität über Höchst- und Hochspannungsnetze zum Zwecke der Weiterleitung an die VNB – und nicht primär die unmittelbare Versorgung von Kunden (vgl. § 3 Nr. 32, 37 EnWG). Die ÜNB werden ihre Kosten über die Netzentgelte also regelmäßig an die an ihr Netz angeschlossenen Verteilnetzbetreiber weiterreichen.224 Netzkosten entstehen den Netzbetreibern v. a. im Zusammenhang mit der Unterhaltung und dem Ausbau der Netzinfrastruktur, aber auch für den Ausgleich von Netzverlusten, für die Messung und Abrechnung zwischen den Netzbetreibern sowie für die Erbringung von Systemdienstleistungen.225 221
Siehe dazu ausführlich König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 575 ff. 222 De Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 331; vgl. dazu auch: Lietz, Die Qualifikation von Stromspeicherbetreibern als Letztverbraucher – Eine kritische Betrachtung, EWeRK 2014, S. 96 ff. (S. 102); ISI/SUER, Anforderungen der Integration der erneuerbaren Energien an die Netzentgeltregulierung – Vorschläge zur Weiterentwicklung des Netzentgeltsystems, 2016, S. 58. 223 Bzw.: Gasversorgungsnetz. 224 Vgl. dazu de Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 338. 225 De Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 347; ISI/SUER, Anforderungen der Integration der erneu-
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
Die in Teil A.I. und II. dargestellten Vergütungs- und Bilanzausgleichsverpflichtungen führen zu systemdienstleistungsbedingten Netzkosten, die mehrheitlich über die Netzentgelte weitergegeben werden können. Eine reine 1:1-Weitergabe von Netzkosten ist jedoch nicht möglich, da die Entgeltbildung der Regulierung unterliegt (§ 21 EnWG) und seit dem 1. Januar 2009226 zudem im Wege der Anreizregulierung erfolgt (§ 21a EnWG, ARegV). Nach § 21 Abs. 1 EnWG müssen die Netzentgelte angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sein; zudem darf kein Unterschied gemacht werden zwischen unternehmensinternen227 Netznutzern und Dritten. Weiterhin heißt es in § 21 Abs. 2 S. 1 EnWG, dass die Entgelte „auf der Grundlage der Kosten einer Betriebsführung, die denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen müssen, unter Berücksichtigung von Anreizen für eine effiziente Leistungserbringung und einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals gebildet“ werden. Kosten und Kostenbestandteile, die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nicht einstellen würden, dürfen nicht berücksichtigt werden (§ 21 Abs. 2 S. 2 EnWG). Die Durchführung der Anreizregulierung überlagert die in § 21 Abs. 2 – 4 EnWG dargestellten Grundsätze der kostenorientierten Entgeltbildung, ohne jedoch gänzlich von ihnen abzuweichen, wie etwa die Verweise auf § 21 Abs. 2 EnWG in § 21a Abs. 4 S. 2 und 5 EnWG zeigen.228 Allerdings kommt es ggf. zumindest zu einer zeitweisen Entkoppelung von Kosten und Erlösen.229 Das Setzen von Anreizen für eine effiziente Leistungserbringung steht zudem nun im Mittelpunkt der Regulierung (§ 21a Abs. 1 EnWG). Hierzu werden für jede auf 5 Jahre angesetzte Regulierungsperiode Obergrenzen für die Gesamterlöse aus den Netzentgelten gebildet (revenue cap) und Effizienzvorgaben festgelegt (§ 21a Abs. 2 S. 1 EnWG, §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 ARegV). Die Erlöse aus den Netzentgelten sollen insbesondere anhand der individuellen Effizienzvorgaben Stück für Stück abgesenkt werden, so dass im Ergebnis ein vollständiger Abbau aller ermittelten Ineffizienzen erfolgt (vgl. § 16 ARegV).230 Entscheidend für die Ermittlung der Obergrenzen ist die Unterscheidung zwischen beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Kostenanteilen, da sich die Effizienzvorgaben nur auf die beeinflussbaren Kostenanteile beziehen (§ 21a Abs. 4 erbaren Energien an die Netzentgeltregulierung – Vorschläge zur Weiterentwicklung des Netzentgeltsystems, 2016, S. 58. 226 Siehe § 1 Abs. 1 S. 2 ARegV. 227 Bzw. gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen. 228 So etwa Theobald/Zenke/Lange, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 17 Rn. 40. 229 So Theobald/Zenke/Lange, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 17 Rn. 35. 230 So Theobald/Zenke/Lange, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 17 Rn. 46.
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EnWG, § 11 ARegV).231 Für die Netzbetreiber ist es also günstig, wenn Kostenbestandteile als „nicht beeinflussbar“ eingeordnet werden, da diese die Erlösobergrenzen erhöhen und somit im Ergebnis eine vollständige, wenn auch ggf. zeitlich verzögerte Weitergabe über die Netzentgelte232 erfolgen kann.233 Über das Institut der nicht beeinflussbaren Kostenanteile können bestimmte Kostenbestandteile aus der effizienzgetriebenen Anreizregulierung ausgenommen werden, ohne dass die regulatorische Kontrolle gänzlich entfällt.234 Nicht beeinflussbar sind nach § 21a Abs. 4 S. 2 EnWG insbesondere diejenigen Kostenanteile, „die auf nicht zurechenbaren strukturellen Unterschieden der Versorgungsgebiete, auf gesetzlichen Abnahme- und Vergütungspflichten, Konzessionsabgaben und Betriebssteuern beruhen.“ Eine abschließende235 Auflistung dauerhaft und vorübergehend nicht beeinflussbarer Kostenanteile enthalten § 11 Abs. 2 und 3 ARegV; alle Kostenanteile, die nicht dauerhaft oder vorübergehend unbeeinflussbar sind, gelten nach § 11 Abs. 4 S. 2 ARegV als für den ÜNB beeinflussbar und ziehen damit ggf. Effizienzvorgaben nach sich.236 Die Abgrenzung zwischen beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Kostenelementen ist für die Netzbetreiber folglich von großer Bedeutung.237 Dies betrifft auch die Kosten, die den ÜNB im Rahmen der Systemverantwortung als Vergütungs- und Bilanzausgleichsverpflichtungen entstehen. Hier stellt sich die Frage, ob diese zu den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenbestandteilen zu zählen sind oder ob insoweit Effizienzvorgaben einzuhalten sind und somit für die ÜNB zusätzliche Belastungen entstehen bzw. bestehen bleiben. Bezüglich der Vergütung der Vorhaltung von Regelleistung sowie von Kosten, die im Rahmen des vertraglichen oder gesetzlichen Redispatch entstehen238, findet sich in § 11 Abs. 2 S. 1 231 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 577. 232 § 17 Abs. 1 S. 1 ARegV: „Die nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 festgelegten Erlösobergrenzen werden in Entgelte für den Zugang zu den Energieversorgungsnetzen umgesetzt.“ 233 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 577. 234 Berndt/Franz/Angenendt, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, vor § 21a EnWG Rn. 62. 235 So etwa: Meyer/Paulus, in: Holznagel/Schütz (Hrsg.), Anreizregulierungsverordnung, Bad Langensalza 2013, § 11 Rn. 58; Berndt/Franz/Angenendt, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, vor § 21a EnWG Rn. 56, 60; a.A. etwa Ruge, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 18 Rn. 45 ff. 236 Dazu Ruge, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 18 Rn. 45 ff. 237 Hierzu: Berndt/Franz/Angenendt, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, vor § 21a EnWG Rn. 54 ff.; Ruge, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 18 Rn. 47 ff. 238 Anders ist die Lage für Kosten nach der Kapazitätsreserve, der Sicherheitsbereitschaft der Braunkohlekraftwerke, für Netzstabilitätsanlagen – letztgenannte Anlagenform wurde zwischenzeitlich wieder abgeschafft und durch eine Nachfolgevorschrift ersetzt – sowie für
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
ARegV kein Anknüpfungspunkt zur unproblematischen Einordnung als „dauerhaft nicht beeinflussbar“. Allerdings gelten nach § 11 Abs. 2 S. 2 ARegV auch sog. verfahrensregulierte Kosten als dauerhaft nicht beeinflussbar.239 Damit sind gemäß der ARegV etwa Erlöse aus dem Engpassmanagement nach § 15 StromNZV240 (Nr. 2) oder Kosten für Ausgleichsleistungen wie etwa Regelenergie241 (Nr. 3) gemeint. Hintergrund der Regelung zu den verfahrensregulierten Kosten ist, dass im Falle einer umfassenden Regulierung, etwa durch die BNetzA, ggf. kaum mehr Einwirkungsmöglichkeiten der ÜNB auf die Höhe bestimmter Netzkosten bestehen; insofern ist es dann auch sachgerecht, solche Kosten mangels echter Beeinflussbarkeit den Effizienzvorgaben nach der ARegV zu entziehen.242 Dem steht allerdings nicht entgegen, dass diese Kosten andererseits mit besonderen, spezifischen Anreizmechanismen belegt werden können.243 Wann eine in diesem Sinne wirksame Verfahrensregulierung nach § 11 Abs. 2 S. 2 ARegV vorliegt, wird in Satz 4 näher ausgeführt: Erforderlich ist, dass eine umfassende Regulierung des betreffenden Bereichs erfolgt ist – durch vollziehbare Entscheidungen der Regulierungsbehörde oder „freiwillige Selbstverpflichtungen“ –, die Regulierungsbehörde dies nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV festgelegt hat und es sich nicht um sog. volatile Kostenanteile
Entschädigungen nach § 15 EEG 2017, siehe § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 16, 17 ARegV. Eingefügt wurden die Regelungen mit dem Strommarktgesetz (BGBl. 2016 I S. 1786 ff.) bzw. der ARegVNovelle 2016 (BGBl. 2016 I S. 2147 ff.), mit Anpassungen durch das Netzentgeltmodernisierungsgesetz (BGBl. 2017 I S. 2503 ff.). 239 § 11 Abs. 2 S. 2 ARegV: „Als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile gelten bei Stromversorgungsnetzen auch solche Kosten oder Erlöse, die sich aus Maßnahmen des Netzbetreibers ergeben, die einer wirksamen Verfahrensregulierung nach der Stromnetzzugangsverordnung oder der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 […] unterliegen, insbesondere 1. Kompensationszahlungen im Rahmen des Ausgleichsmechanismus nach Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003, 2. Erlöse aus dem Engpassmanagement nach Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 oder nach § 15 der Stromnetzzugangsverordnung, soweit diese entgeltmindernd nach Artikel 6 Abs. 6 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 oder § 15 Abs. 3 Satz 1 der Stromnetzzugangsverordnung geltend gemacht werden, und 3. Kosten für die Beschaffung der Energie zur Erbringung von Ausgleichsleistungen, einschließlich der Kosten für die lastseitige Beschaffung.“ 240 Neben der Bezugnahme auf § 15 StromNZV hätte hier an sich auch ein Verweis auf das auf kurzfristige Engpässe bezogene Engpassmanagement des § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG erfolgen müssen. Die Einschränkung auf wirksame Verfahrensregulierungen nach StromNZV und VO (EG) Nr. 1228/2003 ist insoweit zu eng. 241 Vgl. § 3 Nr. 1 EnWG. 242 Ruge, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 18 Rn. 86 f. 243 Meyer/Paulus, in: Holznagel/Schütz (Hrsg.), Anreizregulierungsverordnung, Bad Langensalza 2013, § 11 Rn. 97, 115; Lismann, Effizienzanforderungen in den Festlegungen einer wirksamen Verfahrensregulierung nach § 11 Abs. 2 S. 2 – 4 ARegV, Baden-Baden 2015, S. 151.
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nach § 11 Abs. 5 ARegV244 handelt. Eine umfassende Regulierung liegt vor, wenn jedenfalls die wesentlichen Kernfragen von der Regelung erfasst sind.245 Im Bereich der Systemdienstleistungen hat die BNetzA erstmals 2009 freiwillige Selbstverpflichtungen der vier deutschen ÜNB gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV als wirksam verfahrensreguliert festgelegt.246 Dies betrifft u. a. die Bereiche Regelenergie und Redispatch247 (vgl. § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 ARegV) und damit wesentliche Instrumente der Systemverantwortung. Neu hinzugekommen ist zuletzt der Bereich der Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG.248 Kosten, die insoweit anfallen (soweit nach Maßgabe der freiwilligen Selbstverpflichtungen und unter Beachtung der Vorgaben zur Beschaffung ermittelt)249, gelten damit als dauerhaft nicht beeinflussbar und können – allerdings mit einem Zeitverzug von zwei Jahren – im Rahmen der Erlösobergrenzen auch im Laufe einer Regulierungsperiode angepasst werden (§ 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Hs. 1 ARegV).250 Zu beachten ist, dass die Festlegungsbeschlüsse der BNetzA nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV jeweils nur für die Dauer einer Regulierungsperiode gelten dürfen, so dass in den Beschlüssen Befristungen vorzusehen sind (aktuell: bis zum 31. 12. 2018; bei § 13 Abs. 6a EnWG bis zum 31. 12. 2023 bzw. 2028). 244
§ 11 Abs. 5 ARegV: „Als volatile Kostenanteile gelten Kosten für die Beschaffung von Treibenergie. Andere beeinflussbare oder vorübergehend nicht beeinflussbare Kostenanteile, insbesondere Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie, deren Höhe sich in einem Kalenderjahr erheblich von der Höhe des jeweiligen Kostenanteils im vorhergehenden Kalenderjahr unterscheiden kann, gelten als volatile Kostenanteile, soweit die Regulierungsbehörde dies nach § 32 Absatz 1 Nummer 4a festgelegt hat. Kapitalkosten oder Fremdkapitalkosten gelten nicht als volatile Kostenanteile.“ 245 So Ruge, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 18 Rn. 87; vgl. auch Meyer/Paulus, in: Holznagel/Schütz (Hrsg.), Anreizregulierungsverordnung, Bad Langensalza 2013, § 11 Rn. 112 ff. 246 Festlegung einer wirksamen Verfahrensregulierung bezüglich eines verbindlichen Anreizsystems für Systemdienstleistungen (SDL) und den Umgang mit den daraus resultierenden Kosten (in den Erlösobergrenzen), BNetzA, Beschlüsse vom 27. 11. 2009, BK8 – 09 – 003 (Amprion GmbH), BK8 – 09 – 004 (Transpower Stromübertragungs GmbH), BK8 – 09 – 005 (Vattenfall Europe Transmission GmbH) und BK8 – 09 – 006 (EnBW Transportnetze AG). Aktuell: BNetzA, Beschlüsse vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91 (TenneT TSO GmbH, 4 Anlagen), BK8 – 14/0450 – 91 (50Hertz Transmission GmbH, 4 Anlagen), BK8 – 14 – 0502 – 91 (TransnetBW GmbH, 3 Anlagen), BK8 – 14/0772 – 91 (Amprion GmbH, 3 Anlagen). Die einzelnen freiwilligen Selbstverpflichtungen sind nun in den Anlagen enthalten. Weiterführend: Lismann, Effizienzanforderungen in den Festlegungen einer wirksamen Verfahrensregulierung nach § 11 Abs. 2 S. 2 – 4 ARegV, Baden-Baden 2015, S. 150 ff. 247 Inklusive Countertrading, vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, S. 12. 248 BNetzA, Beschluss vom 12. 01. 2018, BK8 – 17/0009-A (inkl. Anlage). 249 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, S. 2; vgl. auch Meyer/Paulus, in: Holznagel/Schütz (Hrsg.), Anreizregulierungsverordnung, Bad Langensalza 2013, § 11 Rn. 100. 250 Ruge, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 18 Rn. 88; vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 578 f.
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
Die nähere Befassung der BNetzA mit der Weitergabe der Kosten für Systemdienstleistungen der ÜNB drängt sich schon deshalb auf, da diese etwa die Hälfte der Netzkosten eines Übertragungsnetzes ausmachen.251 Die Aufbürdung der Systemverantwortung hat für die ÜNB also auch auf der Kostenseite große Auswirkungen. Die freiwilligen Selbstverpflichtungen sollen einerseits verlässliche Rahmenbedingungen für die ÜNB schaffen, indem diese größere Sicherheit hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Systemdienstleistungskosten erhalten, gleichzeitig aber auch gewährleisten, dass keine unnötig hohen Kosten entstehen, die am Ende im Wege der Weiterreichung durch die Verteilnetzbetreiber bei den Letztverbrauchern anfallen.252 Fallende Beschaffungskosten sollen sich auch für die Netznutzer positiv auswirken.253 Die Kosten der VNB im Zusammenhang mit Systemdienstleistungen unterliegen dagegen keiner wirksamen Verfahrensregulierung im Sinne von § 11 Abs. 2 S. 2 ARegV und sind damit grundsätzlich als beeinflussbare Kosten gemäß § 11 Abs. 4 ARegV einzuordnen; dementsprechend gelten hier die Effizienzvorgaben der ARegV.254 Auf die freiwilligen Selbstverpflichtungen wird im Folgenden noch näher einzugehen sein. Dabei werden in der gebotenen Kürze die wesentlichen Punkte bei der Weiterwälzung von Kosten bezüglich der einzelnen Maßnahmen dargestellt. Vorab ist zudem auf die Besonderheiten bei der gespaltenen Weiterwälzung von Kosten im Rahmen von Regelleistung bzw. -energie nach § 8 StromNZV hinzuweisen. Weitere spezielle Regelungen betreffen die Kostenweitergabe im Rahmen der Verordnung zu abschaltbaren Lasten (AbLaV-Umlage), vertragliche Abreden bei EE-Anlagen nach § 11 Abs. 3 i.V.m. § 18 EEG 2017 sowie den Umgang mit Kosten aus der Härtefallentschädigung nach § 15 EEG 2017. Auch hierauf wir noch näher einzugehen sein. 2. Abwälzungsmöglichkeiten im Rahmen der marktbezogenen Maßnahmen sowie der zusätzlichen Reserven Zunächst sind dabei die Abwälzungsmöglichkeiten im Rahmen der marktbezogenen Maßnahmen darzustellen. Hierbei werden auch die zusätzlichen Reserven mitbetrachtet.
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Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, S. 3. Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, S. 6 ff. 253 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, S. 8. 254 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 584. Ausnahme insbesondere § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 17 ARegV bezüglich § 15 EEG 2017. 252
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a) Regelleistung bzw. -energie255 Für die Vorhaltung von Regelenergie (Regelleistung) zahlen die ÜNB an die Anbieter Leistungspreise, für den konkreten Einsatz256 von Erzeugungs- bzw. Verbrauchsanlagen (Regelenergie im engeren Sinne oder auch Regelarbeit) Arbeitspreise; welcher Anbieter zum Zuge kommt, richtet sich grundsätzlich nach der Reihenfolge der günstigsten Angebote – solange, bis der ausgeschriebene Bedarf gedeckt bzw. die Gefährdung beseitigt ist. Gezahlt wird jeweils der individuelle Angebotspreis. Hinsichtlich der Weitergabe257 der bei den ÜNB auflaufenden Kosten ist nach § 8 StromNZV zwischen den Kosten für Primärregelleistung und -arbeit sowie für die Vorhaltung von Sekundärregelleistung und Minutenreserveleistung einerseits258 und den Kosten für die Beschaffung von Sekundärregelarbeit und Minutenreservearbeit andererseits zu unterscheiden: Die Kosten für die Vorhaltung der Leistung sowie für den Einsatz von Primärregelarbeit259 werden den Nutzern der Übertragungsnetze als eigenständige Systemdienstleistungen in Rechnung gestellt (§ 8 Abs. 1 StromNZV).260 Es erfolgt also eine Weitergabe über die Netzentgelte, so dass die bereits angesprochenen freiwilligen Selbstverpflichtungen im Rahmen der ARegV Bedeutung erlangen. Im Gegensatz hierzu werden die Kosten für positive und negative Sekundärregelarbeit und Minutenreservearbeit den Bilanzkreisverantwortlichen als Ausgleichsenergie in Rechnung gestellt (§ 8 Abs. 2 StromNZV).261 Mit dem Strommarktgesetz wurde insoweit eine Ergänzung eingeführt, dass die Kosten zur Vorhaltung von Sekundärregelleistung und Minutenreserveleistung in Teilen auch den Bilanzkreisverantwortlichen über die Ausgleichsenergie in Rechnung gestellt werden können, soweit sie „durch das Verhalten der Bilanzkreisverantwortlichen in ihrer Gesamtheit“ verursacht werden (§ 8 Abs. 1 S. 1 a.E., Abs. 2 S. 2 StromNZV
255 Kosten für Beschaffung und Einsatz der Kapazitätsreserve (§ 13e EnWG) gelten gemäß § 13e Abs. 3 S. 5 EnWG i.V.m. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 16 ARegV unmittelbar als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile. Dies gilt auch im Rahmen der Betriebsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken (§ 13g EnWG i.V.m. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 16 ARegV). Die Weitergabe erfolgt hier ohne Zeitverzug (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 Hs. 2 ARegV). 256 Ggf. ist auch im Rahmen von § 13 Abs. 2 EnWG bzw. § 14 Abs. 1 EEG 2017 der Einsatz von Regelenergie erforderlich, vgl. Teil 3 A.II. 257 Vgl. dazu ausführlich Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, Baden-Baden 2015, S. 496 ff. 258 Auch erfasst: weitere beschaffte und eingesetzte Regelenergieprodukte. 259 Tatsächlich wird Primärregelarbeit allerdings gar nicht separat vergütet, BNetzA, Beschluss vom 12. 04. 2011, BK6 – 10 – 097, S. 37. 260 Vgl. auch § 23 EnWG. 261 Vgl. Teil 2 B.III.1.a); vgl. auch Lüdtke-Handjery, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 5 StromNZV Rn. 9. (Stand: August 2009).
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
n.F.).262 Dies kann die Regulierungsbehörde nach § 27 Abs. 1 Nr. 21a StromNZV festlegen. Auf diese Weise soll die Bilanzkreistreue der BKV gestärkt werden, die durch die teilweise missbräuchliche Beanspruchung von Ausgleichsenergie auch die insgesamt vorzuhaltende Menge an Regelleistung beeinflussen.263 Die Kosten, die für den tatsächlichen Abruf der Regelarbeit entstehen, werden in jedem Fall – mit Ausnahme der Kosten für Primärregelarbeit – nicht über die Netzentgelte an die Netznutzer weitergegeben, sondern gegenüber den Bilanzkreisverantwortlichen geltend gemacht. Die ÜNB saldieren dabei zunächst die Mehr- und Mindereinspeisungen aller Bilanzkreise (§ 8 Abs. 2 S. 1 StromNZV). Bis zu einem gewissen Grad lassen sich Überdeckungen in den einen und Unterdeckungen in den anderen Bilanzkreisen gegeneinander aufrechnen.264 Nur soweit Abweichungen in der Gesamtregelzone auf diese Weise nicht behoben werden können, ist der Einsatz von Regelenergie erforderlich.265 Die saldierte Abweichung aller Bilanzkreise entspricht dann der eingesetzten Regelenergie.266 Die hierdurch entstehenden Kosten und Erlöse (bezogen auf Sekundärregelarbeit bzw. Minutenreservearbeit) werden nach § 8 Abs. 2 S. 2 StromNZV als Ausgleichsenergie gegenüber den BKV geltend gemacht. Die Preise müssen dabei für Bilanzkreisunterspeisungen und -überspeisungen identisch sein (§ 8 Abs. 2 S. 3 StromNZV). Die Abrechnung erfolgt jeweils gegenüber denjenigen BKV, deren Bilanzkreise entgegen der Vorgabe des § 4 Abs. 2 S. 2 StromNZV in einer Viertelstunde keine ausgeglichene Bilanz aufgewiesen haben.267 Hierzu wird viertelstundenscharf ein Ausgleichsenergiepreis berechnet, der sog. regelzonenübergreifende einheitliche Bilanzausgleichsenergiepreis (reBAP), der seit Juni 2010 deutschlandweit maßgeblich ist und für alle BKV gleichermaßen gilt.268 Dieser berechnet sich im ersten 262
Vgl. Berger, Die Herausforderungen der zukünftigen Bilanzkreistreue, et 2016, Heft 6, S. 49 ff. (S. 50); kritisch hierzu Stelter/Ipsen, Das Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz), EnWZ 2016, S. 483 ff. (S. 485). 263 Siehe hierzu bereits Teil 2 B.III.1.a); BT-Drs. 18/7317, S. 135. 264 Kremer, Bedarf an Regelenergie im Netz wächst, Energy 2.0 2012, S. 16 ff. (S. 16); von Bredow/Valentin, Die Bereitstellung von Regelenergie durch Biogasanlagen, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 603 ff. (S. 608). 265 Müller-Kirchenbauer/Zenke, Wettbewerbsmarkt für Regel- und Ausgleichsenergie, et 2001, Heft 11, S. 696 ff. (S. 697); Breuer, Zur Bereitstellung von Regelleistung im Rahmen der Direktvermarktung nach dem EEG 2012, REE 2012, S. 17 ff. (S. 20); Kremer, Bedarf an Regelenergie im Netz wächst, Energy 2.0 2012, S. 16 ff. (S. 16); Oesterwind/Spiegel/Riegebauer, Brachliegende Erlöspotenziale auf dem Regelenergiemarkt, et 2015, Heft 10, S. 42 ff. (S. 42). 266 So Kroneberg/Semmler/Teschner, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 22 EnWG Rn. 6, 11. 267 Hirth/Ziegenhagen, Wind, Sonne und Regelleistung, et 2013, Heft 10, S. 59 ff. (S. 59); Lüdtke-Handjery, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 5 StromNZV Rn. 9 (Stand: August 2009). 268 Siehe hierzu die gemeinsamen Informationen der ÜNB zur Methodik der reBAP-Ermittlung auf www.regelleistung.net, https://www.regelleistung.net/ext/static/rebap (abgerufen
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Schritt aus den Kosten und Erlösen der ÜNB aus dem Einsatz von Sekundärregelarbeit und Minutenreservearbeit, dividiert durch den Saldo der hierzu eingesetzten Energiemengen.269 In den meisten Viertelstunden dürften die Kosten für den Regelenergieeinsatz die erzielten Erlöse übersteigen, da jedoch auch negative Arbeitspreise am Regelenergiemarkt möglich sind, kann es vorkommen, dass in einer Viertelstunde die Erlöse überwiegen.270 Der energetische Saldo ist positiv, wenn die Regelzonen im Viertelstundenmittel insgesamt unterspeist sind; er ist negativ im Falle der Überspeisung.271 In ersterem Fall überwiegt der Einsatz von positiver Regelenergie, im zweiten Fall der Einsatz negativer Regelenergie. Der Ausgleichsenergiepreis einer Viertelstunde kann in der Folge positiv oder negativ sein, so dass sich für den einzelnen BKV vier Zahlungskonstellationen ergeben können, je nachdem, ob der Ausgleichsenergiepreis positiv oder negativ ist und ob der eigene Bilanzkreis eine Über- oder Unterdeckung aufweist.272 Der Zahlungsfluss kann dann individuell vom BKV zum ÜNB gehen, aber auch umgekehrt. Der ÜNB erzielt Einnahmen, wenn der Ausgleichsenergiepreis positiv ist und der abzurechnende Bilanzkreis unterdeckt (Konstellation 1) oder, wenn der Ausgleichsenergiepreis negativ ist und der abzurechnende Bilanzkreis überdeckt (Konstellation 2). Der BKV erzielt Einnahmen, wenn der Ausgleichsenergiepreis positiv ist und sein Bilanzkreis überdeckt (Konstellation 3) oder, wenn der Ausgleichsenergiepreis negativ ist und sein Bilanzkreis unterdeckt (Konstellation 4). Nach einer zum reBAP erlassenen Festlegung der BNetzA sind zudem weitere Berechnungsschritte vorzunehmen, die über die reine Geltendmachung der Regelenergiekosten hinausgehen.273 Hintergrund dieser Regulierungstätigkeit waren Erkenntnisse, dass das damalige Ausgleichsenergiepreissystem keine ausreichenden am 30. 06. 2017). Siehe hierzu auch den Beschluss der BNetzA vom 25. 10. 2012, BK6 – 12 – 024. 269 Vgl. BNetzA, Beschluss vom 25. 10. 2012, BK6 – 12 – 024, S. 19; siehe auch: gemeinsame Modellbeschreibung der ÜNB zur Berechnung des regelzonenübergreifenden einheitlichen Bilanzausgleichsenergiepreises (reBAP) unter Beachtung des Beschlusses BK6 – 12 – 024 der Bundesnetzagentur vom 25. 10. 2012, https://www.regelleistung.net/ext/download/methodo logyRebap (abgerufen am 30. 06. 2017), S. 1. 270 Gemeinsame Modellbeschreibung der ÜNB zur Berechnung des regelzonenübergreifenden einheitlichen Bilanzausgleichsenergiepreises (reBAP) unter Beachtung des Beschlusses BK6 – 12 – 024 der Bundesnetzagentur vom 25. 10. 2012, https://www.regelleistung.net/ext/ download/methodologyRebap (abgerufen am 30. 06. 2017), S. 1. 271 Gemeinsame Modellbeschreibung der ÜNB zur Berechnung des regelzonenübergreifenden einheitlichen Bilanzausgleichsenergiepreises (reBAP) unter Beachtung des Beschlusses BK6 – 12 – 024 der Bundesnetzagentur vom 25. 10. 2012, https://www.regelleistung.net/ext/ download/methodologyRebap (abgerufen am 30. 06. 2017), S. 1. 272 Siehe hierzu: Gemeinsame Modellbeschreibung der ÜNB zur Berechnung des regelzonenübergreifenden einheitlichen Bilanzausgleichsenergiepreises (reBAP) unter Beachtung des Beschlusses BK6 – 12 – 024 der Bundesnetzagentur vom 25. 10. 2012, https://www.regelleis tung.net/ext/download/methodologyRebap (abgerufen am 30. 06. 2017), S. 1; siehe auch Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 37 f. 273 BNetzA, Beschluss vom 25. 10. 2012, BK6 – 12 – 024.
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Anreize für die BKV setzte, ihrer Verantwortung nach § 4 Abs. 2 S. 2 StromNZV zu genügen und in jeder Viertelstunde für eine ausgeglichene Bilanz zwischen Ein- und Ausspeisungen zu sorgen, ggf. durch untertäglichen Ausgleich am intraday-Markt.274 Die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems kann jedoch gefährdet werden, wenn die Bilanzkreisverantwortlichen aus Wirtschaftlichkeitsgründen bewusst Über- oder Unterspeisungen ihrer Bilanzkreise in Kauf nehmen275, je nachdem, wie das Verhältnis des Ausgleichsenergiepreises zum Spotmarktpreis des Stromes liegt bzw. erwartet wird.276 Die kontrahierten Regelenergiemengen könnten so im schlimmsten Fall bereits durch das Fehlverhalten der BKV ausgeschöpft werden, so dass es für plötzlich auftretende Gefährdungssituationen i.S.v. § 13 EnWG an einsetzbarer Regelenergie mangelt. Auch angesichts der Tatsache, dass Regelenergie zunehmend benötigt wird, um Prognosefehler der Einspeisung von Strom aus fluktuierenden erneuerbaren Energieträgern auszugleichen277, ist die korrekte Bilanzkreisbewirtschaftung von hoher Bedeutung. Aus diesem Grund hat die BNetzA festgelegt, dass bei der Berechnung des reBAP eine Kopplung an den intraday-Börsenpreis erfolgt und dass im Falle des Überschreitens von 80 % der kontrahierten Regelleistung ein Zuschlag (bei Unterspeisung) bzw. Abschlag (bei Überspeisung) auf den Ausgleichsenergiepreis vorzunehmen ist.278 Dies stellt nach Ansicht der BNetzA sicher, dass die Inanspruchnahme von Ausgleichsenergie „bereits systematisch niemals günstiger ist als ein Ver- oder Ankauf der jeweiligen Mengen am Spotmarkt.“279 Zudem besteht mit Inkrafttreten des Strommarktgesetzes nun auch die Möglichkeit, zusätzliche Vorhaltekosten für Sekundärregelleistung und Minutenreserveleistung über das Ausgleichsenergiesystem an die BKV weiterzugeben (§ 8 Abs. 1 S. 1 a.E., Abs. 2 S. 2 StromNZV n.F.).
274
BNetzA, Beschluss vom 25. 10. 2012, BK6 – 12 – 024, S. 3, 7. Vgl.: Kremer, Bedarf an Regelenergie im Netz wächst, Energy 2.0 2012, S. 16 ff. (S. 19); Hirth/Ziegenhagen, Wind, Sonne und Regelleistung, et 2013, Heft 10, S. 59 ff. (S. 60); Bourwieg, Aktuelles aus der Regulierung (Stand: Januar 2014), ER 2014, S. 47 ff. (S. 48). 276 BNetzA, Beschluss vom 25. 10. 2012, BK6 – 12 – 024, S. 9 f.; Lüdtke-Handjery, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 5 StromNZV Rn. 10 f. (Stand: August 2009); vgl. auch: BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014, S. 23. 277 Horstmann/Buchholz, Viertelstunden-Intraday-Handel entlastet die Netze, ew 2014, Heft 2, S. 38 ff. (S. 40); Schlieper/Hinz, Power to Heat – Regelenergie mit Mehrwert, ew 2014, Heft 6, S. 56 ff. (S. 56). 278 BNetzA, Beschluss vom 25. 10. 2012, BK6 – 12 – 024, S. 1. Die Details sollen hier ausgespart werden. Vgl. dazu Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 38 f. 279 BNetzA, Beschluss vom 25. 10. 2012, BK6 – 12 – 024, S. 10. Tatsächlich scheint nach wie vor Handlungsbedarf zu bestehen, vgl. BNetzA, Positionspapier zur Wahrnehmung der Pflicht nach § 4 Abs. 2 StromNZV und Ziffer 5.2 des Standardbilanzkreisvertrags durch die Bilanzkreisverantwortlichen, BK6 – 13 – 104; zudem: BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), 2014, S. 23. 275
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In jedem Fall ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die ÜNB ihre gesamten Kosten für Sekundärregelarbeit und Minutenreservearbeit auf die BKV abwälzen können. Dies folgt schon unmittelbar aus dem Wortlaut von § 8 Abs. 2 S. 2 StromNZV, wonach die ÜNB „die Kosten“ hierfür – also alle Kosten und nicht nur einen Teil hiervon – den BKV in Rechnung zu stellen haben. Bleiben Abweichungen zwischen den Regelenergiekosten und den über die Bilanzkreisabrechnung abgerechneten Kosten bestehen, werden diese mit den Netzkosten der ÜNB verrechnet und bei den Netzentgelten berücksichtigt.280 Andererseits ist davon auszugehen, dass die Abrechnung der einzelnen Bilanzkreise (Zahlungen bzw. Erstattungen) auch Organisationskosten für die ÜNB erzeugt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass für die ÜNB ein gewisser zeitlicher Versatz zwischen der Auszahlung von Vergütungen an die Anbieter von Regelenergie (Abrechnung im Folgemonat281) und der Geltendmachung der Kosten als Ausgleichsenergie gegenüber den BKV (vgl. § 8 Abs. 2 S. 5 StromNZV282) entstehen kann.283 Die Kosten für die Vorhaltung von Regelleistung werden grundsätzlich – ggf. mit Ausnahme zusätzlicher Vorhaltekosten aufgrund des Verhaltens der BKV – nicht über das Ausgleichsenergiesystem, sondern über die Netzentgelte umgelegt. § 8 Abs. 1 StromNZV adressiert zwar zudem auch die Kosten für Primärregelarbeit, diese werden allerdings tatsächlich gar nicht gesondert vergütet, sondern zusammen mit der Primärregelleistung über den Leistungspreis abgegolten.284 Die allgemeinen Vorhaltungskosten werden nicht gegenüber den BKV, sondern gegenüber den Netznutzern – aus Sicht der ÜNB sind das in der Regel die VNB – abgerechnet. Wie bereits dargestellt, unterliegt die Weitergabe von Netzkosten über die Netzentgelte der Anreizregulierung. Bei den Kosten für Regelleistung handelt es sich um dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, S. 4 ARegV, da die BNetzA entsprechende freiwillige Selbstverpflichtungen der vier deutschen ÜNB gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegVals wirksam verfahrensreguliert festgelegt hat. Kosten, die insoweit anfallen, gelten damit als dauerhaft nicht beeinflussbar, soweit sie nach Maßgabe der freiwilligen Selbstverpflichtungen und unter Beachtung der Vorgaben zur Beschaffung ermittelt wurden.285 Sie können – allerdings mit einem 280
S. 39. 281
S. 28. 282
Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014,
Vgl. Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 39. 283 Ein solcher kann sich für einzelne ÜNB auch als Folge des Anschluss-ÜNB-Prinzips und des erst nachträglichen Ausgleichs ergeben, vgl. Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 29, 31 ff. 284 BNetzA, Beschluss vom 12. 04. 2011, BK6 – 10 – 097, S. 37. 285 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, S. 2; vgl. auch Meyer/Paulus, in: Holznagel/Schütz (Hrsg.), Anreizregulierungsverordnung, Bad Langensalza 2013, § 11 Rn. 100.
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Zeitverzug von zwei Jahren – im Rahmen der Erlösobergrenzen auch im Laufe einer Regulierungsperiode angepasst werden (§ 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Hs. 1 ARegV).286 Die Vorgaben zur Beschaffung von Regelleistung (inkl. Primärregelarbeit) sehen ein Bonus-Malus-System287 vor, dem sich die ÜNB auch dann zu unterwerfen haben, wenn in der Folge Absenkungen der Erlösobergrenze ausgelöst werden und somit zusätzliche Belastungen entstehen.288 Das Bonus-Malus-System basiert auf einem ex post-Vergleich der nach einem bestimmten Verfahren im Voraus errechneten Plankosten, die den Nullpunkt der Bonus-Malus-Funktion bilden, und den dann tatsächlich angefallenen Istkosten.289 Liegen die Istkosten letztlich im Rahmen des sog. Totbandes um den Nullpunkt, können diese vollständig weitergegeben werden.290 Liegen sie unterhalb des Nullpunktes und außerhalb des Totbandes, können die ÜNB einen Bonus geltend machen, liegen sie dagegen oberhalb der Nullpunktes und außerhalb des Totbandes, greift die Malus-Funktion und die ÜNB können ihre Kosten nicht vollständig weitergeben.291 Für Bonus und Malus gibt es dabei allerdings jeweils Maximalwerte, die nicht überschritten werden können. Gestützt wird das System durch spezielle Datenübermittlungserfordernisse zur Ist-Abrechnung, zur Nullpunktbestimmung sowie zur Berechnung des Bonus und des Malus.292 Ob dieses System tatsächlich sinnvoll ist, darf zumindest bezweifelt werden. Wie König zurecht feststellt, hängt es nicht nur von der Effizienz der Netzbetreiber ab, ob die Istkosten von den Plankosten abweichen, „sondern auch von der Qualität der den Plankosten zugrunde liegenden Pläne.“293 Bezogen auf die Leistungspreise für die Vorhaltung von Regelenergie gilt ohnehin, dass sich die Zuschlagserteilung schlicht nach der Höhe der gebotenen Leistungspreise bis zur Deckung der Ausschreibungsmenge richtet – beginnend mit dem günstigsten gebotenen Preis. Inwieweit hier Raum für die Durchführung eines Anreizsystems besteht, erschließt sich nicht 286 Ruge, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 18 Rn. 88; vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 578 f. 287 Siehe dazu beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, Anlage 1 (Teil 1); weiterführend: Lismann, Effizienzanforderungen in den Festlegungen einer wirksamen Verfahrensregulierung nach § 11 Abs. 2 S. 2 – 4 ARegV, Baden-Baden 2015, S. 177 ff. 288 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, Anlage 1 (Teil 1), S. 1. 289 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 579. 290 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 579. 291 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 579. 292 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, Anlage 1 (Teil 1), S. 10. 293 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S: 580.
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unmittelbar. Jedenfalls ist nicht gewährleistet, dass die ÜNB in allen Fällen ihre gesamten Kosten für die Regelleistungsvorhaltung weitergeben können (Malus). Zudem entsteht grundsätzlich ein zeitlicher Versatz zwischen Kostenentstehung und -weitergabe.294 b) Abschaltbare und zuschaltbare Lasten im Allgemeinen, AbLaV im Speziellen Abschaltbare Lasten im Sinne der AbLaV werden durch die Zahlung von Leistungs- sowie Arbeitspreisen vergütet (§ 4 Abs. 2 ARegV). Für die Weiterwälzung der Kosten gilt eine Sonderregelung: Diese werden nicht als Teil der Netzentgelte und damit der Anreizregulierung behandelt, sondern als gesonderte Umlage – die AbLaV-Umlage – an die Netznutzer weitergegeben. Hierzu heißt es in § 18 Abs. 1 S. 1 AbLaV: „Die Betreiber von Übertragungsnetzen sind verpflichtet, ihre Zahlungen und Aufwendungen nach dieser Verordnung über eine finanzielle Verrechnung monatlich untereinander auszugleichen; ein Belastungsausgleich erfolgt dabei entsprechend den §§ 26, 28 und 30 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung.“ Es findet also ein Belastungsausgleich unter den vier ÜNB statt, wobei auf das Verfahren des KWKG hinsichtlich der KWK-Umlage zurückgegriffen wird. Weiter heißt es in § 18 Abs. 1 S. 2 AbLaV, dass die Kosten nach Satz 1 als „Aufschlag auf die Netzentgelte“ anteilig auf die Letztverbraucher umgelegt werden können. Im Ergebnis entsteht eine bundesweit einheitliche Umlage, die zwar mit den Netzentgelten, aber nicht über die Netzentgeltsystematik von den Netznutzern verlangt wird.295 Die Kosten nach der AbLaV können damit in voller Höhe und ohne Effizienzabschlag geltend gemacht werden.296 Dies entspricht dem expliziten Willen des Gesetzgebers.297 Werden Verbrauchsanlagen nach der AbLaV allerdings nicht zum Engpassmanagement, sondern zur Sicherstellung des Leistungsungleichgewichts eingesetzt, so 294
Ein solcher kann sich für einzelne ÜNB auch als Folge des Anschluss-ÜNB-Prinzips und des erst nachträglichen Ausgleichs ergeben, vgl. Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 29, 31 ff. 295 Dazu ISI/SUER, Anforderungen der Integration der erneuerbaren Energien an die Netzentgeltregulierung – Vorschläge zur Weiterentwicklung des Netzentgeltsystems, 2016, S. 61 ff. 296 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 584; König, Die Vergütung abschaltbarer Lasten, EnWZ 2013, S. 201 ff. (S. 204 f.). König äußert sich hierzu ablehnend: „Zu kritisieren ist außerdem, dass der Verordnungsgeber mit der Umlage nach § 18 AbLaV verschleiert, dass es sich bei diesen Kosten des Lastmanagements eigentlich um Netzkosten handelt.“ 297 BT-Drs. 17/11671, S. 14; siehe auch BT-Drs. 17/11705, S. 51: „Die Regelung in Satz 6 stellt sicher, dass den Betreibern von Übertragungsnetzen keine finanziellen Nachteile durch die Verpflichtungen zur monatlichen Ausschreibung und zur Annahme von zulässigen Angeboten entstehen sollen und gleicht damit Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit und der allgemeinen Handlungsfreiheit aus.“
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werden die hierbei entstehenden Abrufkosten, also die zu zahlenden Arbeitspreise (vgl. § 13 Abs. 4 AbLaV), nicht in den Belastungsausgleich einbezogen (§ 18 Abs. 1 S. 4 AbLaV). Die insoweit zu leistenden Zahlungen werden stattdessen wie Kosten für den Einsatz von Regelenergie behandelt.298 Es erfolgt also eine Abrechnung gegenüber den Bilanzkreisverantwortlichen im Rahmen des Ausgleichsenergiesystems (vgl.o.). Damit gelten die Besonderheiten des regelzonenübergreifenden einheitlichen Bilanzausgleichsenergiepreises (reBAP). Die Kontrahierung von abschaltbaren Lasten außerhalb der AbLaV sowie von zuschaltbaren Lasten wird augenscheinlich bislang nicht mit gesonderten Regelungen adressiert. Dies hat zur Folge, dass es sich bei den hierfür entstehenden Kosten um beeinflussbare Kosten im Sinne der ARegV handelt, denn alle Kostenanteile, die nicht dauerhaft oder vorübergehend unbeeinflussbar sind, gelten nach § 11 Abs. 4 S. 2 ARegV als beeinflussbar und ziehen damit ggf. Effizienzvorgaben nach sich.299 Möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, warum die ÜNB im Rahmen der Systemverantwortung bislang kaum auf die Zuschaltung von Lasten gesetzt haben und so die Erforderlichkeit für den Gesetzgeber entstand, mit § 13 Abs. 6a EnWG eine eigene Vorschrift zu schaffen, die gezielt auch zuschaltbare Lasten, namentlich Power-to-Heat-Anlagen, adressiert.300 c) Vertraglicher und gesetzlicher Redispatch301; Besonderheiten bei §§ 13b ff. EnWG und NetzResV Im Rahmen des Redispatch ergeben sich verschieden gelagerte Vergütungspflichten der ÜNB. Beim vertraglichen Redispatch können die Vergütungen grundsätzlich frei und individuell zwischen den Beteiligten ausgehandelt werden. Beim gesetzlichen Redispatch nach § 13a Abs. 1 EnWG ist eine „angemessene Vergütung“ zu leisten, deren erforderlicher Umfang in den Absätzen 2 bis 5 näher beschrieben wird. Betroffen sind zum einen Erzeugungsanlagen, die gedrosselt werden und zum anderen solche, die hochgefahren werden und damit etwa zusätzliche Brennstoffkosten geltend machen können. In den gesetzlichen Redispatch ist auch der Wirkleistungsbezug von Stromspeichern eingebunden. Besonderheiten gelten hier insbesondere beim Einsatz von zusätzlichen Reserven nach den §§ 13b ff. EnWG bzw. der NetzResV. Die Weitergabe dieser Kosten erfolgt einheitlich über die Netzentgelte, also im Wege der Anreizregulierung. Bei den Kosten für das Redispatching handelt es sich um dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, S. 4 298
So BT-Drs. 17/11671, S. 14. Dazu Ruge, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 18 Rn. 45 ff. 300 Vgl. BT-Drs. 18/8860, S. 333. Hierauf wird noch einzugehen sein. 301 Inklusive Countertrading, vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, S. 12. 299
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ARegV, da die BNetzA entsprechende freiwillige Selbstverpflichtungen der vier deutschen ÜNB gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV als wirksam verfahrensreguliert festgelegt hat. Kosten, die insoweit anfallen, gelten damit als dauerhaft nicht beeinflussbar, soweit sie nach Maßgabe der freiwilligen Selbstverpflichtungen und unter Beachtung der Vorgaben zur Beschaffung ermittelt wurden.302 Sie können – allerdings mit einem Zeitverzug von zwei Jahren – im Rahmen der Erlösobergrenzen auch im Laufe einer Regulierungsperiode angepasst werden (§ 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Hs. 1 ARegV).303 Die auf den Redispatch bezogenen Freiwilligen Selbstverpflichtungen der ÜNB unterscheiden ihrem Wortlaut nach nicht zwischen den einzelnen Redispatch-Formen. So wird unter dem Oberpunkt „Definitionen“ Folgendes dargelegt: „Unter Redispatch im Sinne dieser FSV werden durch den ÜNB veranlasste Eingriffe in den geplanten physikalischen Kraftwerkseinsatz von Kraftwerksbetreibern (ggf. auch Countertrading) und Speichern zur Beseitigung oder Vermeidung physikalischer Engpässe und damit verbundene Kosten verstanden.“304 Allerdings werden hinsichtlich der Vorgehensweise für die Kostenanerkennung die – mittlerweile aufgehobenen305 – Redispatch-Festlegungen der BNetzA vom 30. Oktober 2012 in Bezug genommen.306 Diese wiederum gelten an sich nur für den gesetzlichen Redispatch (§ 13 Abs. 1a S. 3 EnWG a.F.).307 Die BNetzA hat sich in den Festlegungsbeschlüssen nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV bereits vorsorglich zu der möglichen Rechtswidrigkeit des Beschlusses BK8 – 12 – 019 zur Redispatch-Vergütung geäußert und postuliert, dass die freiwilligen Selbstverpflichtungen auch im Falle der Rechtswidrigkeit des VergütungsBeschlusses ihre Gültigkeit nicht verlieren.308 Gegenwärtig ist allerdings davon auszugehen, dass statt der Vorgaben aus der Redispatch-Vergütungs-Festlegung309 nun die gesetzlichen Regelungen in § 13a Abs. 2 – 5 EnWG n.F. (gesetzlicher Redispatch) relevant sind und deren Anwendbarkeit in die freiwilligen Selbstver302 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, S. 2; vgl. auch Meyer/Paulus, in: Holznagel/Schütz (Hrsg.), Anreizregulierungsverordnung, Bad Langensalza 2013, § 11 Rn. 100. 303 Ruge, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 18 Rn. 88; vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 578 f. 304 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, Anlage 3, S. 1. 305 BNetzA, Beschluss vom 15. 06. 2015, BK6 – 11 – 098-A, sowie Beschluss vom 19. 08. 2015, BK8 – 12 – 019-A. 306 Siehe hierzu Teil 3 A.I.1.c)bb). Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, Anlage 3. 307 Vgl. auch BT-Drs. 17/11705, S. 51. 308 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, S. 12; vgl. aber auch Rutloff/Kindler, Redispatch – gestern, heute und morgen (Die Aufhebung der BNetzA-Vergütungsfestlegung und ihre Folgen), EnWZ 2015, S. 401 ff. (S. 405 f.). 309 BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK8 – 12 – 019.
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pflichtungen hineinzulesen ist.310 Die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben führt wohl im Übrigen dazu, dass zudem die Kosten im Rahmen des vertraglichen Redispatch als dauerhaft unbeeinflussbar eingeordnet werden können. Weiterhin sollen offensichtlich auch die im Rahmen der Stilllegungsvorschriften nach § 13b und 13c EnWG sowie im Rahmen der Netzreserve (§ 13d EnWG i.V.m. NetzResV) entstehenden Kosten von den bestehenden freiwilligen Selbstverpflichtungen umfasst sein, wie sich aus der expliziten Bezugnahme auf die Anerkennung als verfahrensregulierte Kosten in § 13c Abs. 5 EnWG bzw. § 6 Abs. 2 S. 2 NetzResV ableiten lässt.311 Die Vorgänger-Vorschrift zur Stilllegung in § 13a EnWG a.F. wird in den freiwilligen Selbstverpflichtungen auch bereits angesprochen.312 Im Ergebnis werden also sämtliche Redispatchkosten, die Stilllegungskosten sowie die Kosten für die Netzreserve von den freiwilligen Selbstverpflichtungen umfasst. Das zur Anerkennung der Redispatch-Kosten als dauerhaft unbeeinflussbare Kostenanteile einzuhaltende Verfahren beinhaltet – anders als im Rahmen der Regelleistung – kein Bonus-Malus-System mehr.313 Es kommt alleine auf die Vorgaben des § 13a Abs. 2 – 5 EnWG n.F. bzw. auf diejenigen im Rahmen der Vergütung bei geplanten Stilllegungen nach § 13c EnWG oder der Netzreserve nach § 6 NetzResV an; hinzu kommen einige wenige Formalia hinsichtlich der Ermittlung der erwarteten Redispatchkosten, des Abgleichs von Plan- und Istkosten sowie der Differenzverrechnung (insoweit entsteht im Übrigen erneut ein zeitlicher Versatz) und schließlich der Einhaltung bestimmter über § 13 Abs. 7 EnWG hinausgehender Transparenz- und Nachweispflichten.314 Kosten für Beschaffung und Einsatz der Kapazitätsreserve (§ 13e EnWG) gelten gemäß § 13e Abs. 3 S. 5 EnWG i.V.m. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 16 ARegV unmittelbar als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile.315 Insoweit ist jedoch auch denkbar, dass im Rahmen einer noch zu erlassenden Kapazitätsreserve-Verordnung (KapResV) festgelegt wird, dass eine Abrechnung über die Ausgleichsenergie, also gegenüber den Bilanzkreisverantwortlichen, erfolgt.316 Im Übrigen galten die Kosten der mittlerweile wieder abgeschaff310 Dort heißt es in Bezug auf die Redispatch-Vergütungs-Festlegung auch nur, dass in dieser Festlegung die Kriterien für eine angemessene Vergütung „derzeit“ formuliert sind, vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, Anlage 3. 311 So im Übrigen auch für Kosten im Zusammenhang mit systemrelevanten Gaskraftwerken nach § 13 f Abs. 2 S. 4 EnWG. 312 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, Anlage 3. 313 Vgl. noch beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 27. 11. 2009, BK8 – 09 – 003 (Anlage); dazu König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 577 ff. 314 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, Anlage 3, S. 2 f. 315 Zuvor ist im Übrigen ein Belastungsausgleich unter den ÜNB durchzuführen, vgl. § 13e Abs. 3 S. 6, 7 EnWG. Die Weitergabe erfolgt hier ohne Zeitverzug (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 Hs. 2 ARegV). 316 Dazu Scholtka/Martin/Sänger, Das Strommarktgesetz – ein Strommarktdesign für die Energiewende?, ER 2016, S. 249 ff. (S. 253).
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ten317 Regelung zu Errichtung und Betrieb von Netzstabilitätsanlagen (§ 13k EnWG a.F.) nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 16 ARegV als dauerhaft nicht beeinflussbar.318 Gleiches gilt nun für die neue Vorschrift zu besonderen netztechnischen Betriebsmitteln in § 11 Abs. 3 EnWG n.F. (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 16 ARegV n.F.). König trägt gegen die Einordnung von Redispatch-Kosten als dauerhaft unbeeinflussbar generelle Bedenken vor.319 Die Redispatch-Kosten seien der Einwirkungssphäre der Netzbetreiber gerade nicht entzogen, da sie diese durch ausreichenden Netzausbau in einer langfristigen Perspektive entbehrlich machen könnten.320 Zudem könne vorrangig auf netzbezogene Maßnahmen wie Netzschaltungen zurückgegriffen werden. Weiterhin bestehe beim Abschluss entsprechender Verträge und der vereinbarten Vergütungshöhe sowie beim konkreten Einsatz – zumindest, soweit mehrere gleich geeignete Maßnahmen zur Verfügung stehen – ein gewisser Handlungsspielraum: „Zwar müssen die Netzbetreiber die anzuwendenden Maßnahmen in erster Linie nach dem gesetzlichen Stufensystem und der Maßnahmeeffizienz auswählen, soweit jedoch gleich geeignete Maßnahmen zur Verfügung stehen, erlangt der Grundsatz der Kosteneffizienz Bedeutung.“321 Die Netzbetreiber träfen also durchaus Entscheidungen mit Kostenrelevanz, bei denen ihnen ein gewisser Spielraum zukomme. Auch das Verhältnis der Kosten für die Steuerung von Erzeugungsanlagen zu den Kosten, die bei der Verbrauchssteuerung entstehen würden, könne hier relevant werden. Es erscheine demgemäß nicht systemgerecht, die Kosten des kurzfristigen Engpassmanagements pauschal als nicht beeinflussbar zu definieren. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Zunahme von Maßnahmen des Engpassmanagements gerade die Folge gesetzgeberischer Entscheidungen zur Systemtransformation (Zubau von EE) ist, sowie, dass defizitärer Netzausbau nicht zwangsläufig nur den Netzbetreibern angelastet werden kann (Bsp.: langwierige Genehmigungsverfahren, Bürgerproteste usw.), soweit König jedoch die konkrete Adressatenauswahl ins Spiel bringt, ist ihm durchaus zuzustimmen. Es wäre jedenfalls zielführend, auch auf der Seite der Kostenweitergabe Effizienzkriterien anzulegen. Allerdings ergibt sich bereits nach den in dieser Abhandlung erörterten Grundsätzen der Auswahl des korrekten Maßnahmeadressaten die Verpflichtung der Netzbetreiber, denjenigen und gleichermaßen geeigneten Adressaten auszuwählen, dessen Heranziehung die geringsten Kosten generiert (vgl. § 1 Abs. 1 EnWG)322, so 317 Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz vom 17. Juli 2017 (BGBl. 2017 I S. 2503 ff.). 318 Die Weitergabe erfolgt hier ohne Zeitverzug (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 Hs. 2 ARegV). 319 Siehe König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 582 ff. 320 Vgl. auch Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE 2007, S. 36 ff. (S. 44). 321 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 583. 322 Vgl. Teil 2 C.II.3.b).
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dass die zusätzliche Berücksichtigung im Rahmen der Kostenweitergabeseite zumindest nicht zwingend erscheint. Andererseits dürfte dies zu einer sorgfältigeren Adressatenauswahl beitragen, da Kosten in dem Fall nur noch dann vollständig weitergegeben werden könnten, wenn eine korrekte Auswahl erfolgt ist. d) Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG mit KWK-Power-to-Heat-Kombinationen Bei Verträgen nach § 13 Abs. 6a EnWG können in dreierlei Hinsicht Kosten für den ÜNB entstehen: Erstens für die Erstattung der Kosten der Anlagenbetreiber für die Verringerung der Einspeisung aus der KWK-Anlage, zweitens für den Strombezug der Power-to-Heat-Anlage und drittens für die Investitionskosten im Zusammenhang mit der Errichtung der Power-to-Heat-Anlage (§ 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 2 und 3 EnWG). Die Frage der Kostenweitergabe durch die ÜNB war zunächst ungeklärt. Für die Investitionskosten bestand in jedem Fall zunächst keine spezielle Regelung, so dass diese in den Bereich der beeinflussbaren Kosten nach § 11 Abs. 4 S. 2 ARegV einzuordnen und folglich Effizienzvorgaben zu beachten waren. Die Schaffung einer entsprechenden Regelung in der ARegV, die solche Kosten als unbeeinflussbar eingeordnet hätte, war bei der Konzeptionierung von § 13 Abs. 6a EnWG diskutiert worden323, wurde aber letztlich nicht umgesetzt. Auch bei den Kosten für die Absenkung der Wirkleistung bzw. für den Strombezug war die Einordnung als dauerhaft nicht beeinflussbar fragwürdig, da zwar im Gesetz eine Bezugnahme auf die Vorgaben zum gesetzlichen Redispatch erfolgt (§ 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 2 a.E. EnWG) und somit eine Einbeziehung in die im vorstehenden Unterkapitel dargestellten freiwilligen Selbstverpflichtungen der ÜNB zum Redispatch324 denkbar gewesen wäre. Dies erschien jedoch nicht angebracht, da die Maßnahmen nach § 13 Abs. 6a EnWG gänzlich neu sind und die Annahme einer „impliziten präventiven Vorwegnahme“ in diesen Dokumenten zu weitgehend gewesen wäre.325 In Bezug auf die Kosten für den Strombezug für Power-to-Heat ist zudem zu bemerken, dass diese bereits begrifflich nicht dem Bereich des Redispatch zugeordnet werden können, da es insoweit um Lastmanagement geht. In der Folge bestanden gewisse Zweifel, ob die ÜNB unter diesen Umständen tatsächlich Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG schließen werden, oder ob eine Nachsteuerung durch die Bundesregierung, etwa nach § 13i Abs. 3 Nr. 3 EnWG (Verpflichtung zum Abschluss entsprechender Verträge), erforderlich wird. Letztlich wurde die Frage der Kostenanerkennung durch die Bundesnetzagentur gelöst. Wie schon in Bezug auf die Kosten für die Vorhaltung von Regelleistung und die Redispatch-Kosten hat die BNetzA freiwillige Selbstverpflichtungen der ÜNB 323
Vgl. BT-Drs. 18/8860, S. 339. Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, Anlage 3. 325 Vgl. nun im Übrigen die Klarstellung in BNetzA, Beschluss vom 12. 01. 2018, BK8 – 17/ 0009-A, Anlage, S. 1. 324
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gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV als wirksam verfahrensreguliert festgelegt.326 Kosten, die insoweit anfallen, gelten damit als dauerhaft nicht beeinflussbar (§ 11 Abs. 2 S. 2, 4 ARegV), soweit sie nach Maßgabe der freiwilligen Selbstverpflichtungen und unter Beachtung der Vorgaben zur Kontrahierung von Verträgen nach § 13 Abs. 6a EnWG ermittelt wurden. Sie können – allerdings mit einem Zeitverzug von zwei Jahren – im Rahmen der Erlösobergrenzen auch im Laufe einer Regulierungsperiode angepasst werden (§ 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Hs. 1 ARegV).327 Erfasst sind sämtliche Kostenpunkte, die in § 13 Abs. 6a S. 2 Nr. 2 und 3 EnWG genannt sind.328 Die speziellen Vorgaben der freiwilligen Selbstverpflichtungen enthalten insbesondere eine bestimmte Effizienzberechnungsmethode bezüglich der kostengünstigen engpassauflösenden Geeignetheit einer KWK-Anlage (Verhältnis der aus dem vermiedenen Einspeisemanagement voraussichtlich resultierenden Einsparungen zu den erforderlichen Investitionskosten).329 e) Vertragliche Abregelungsvereinbarungen bei EE- und Grubengas-Anlagen Nach § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG i.V.m. § 11 Abs. 3 EEG 2017 können Netzbetreiber mit Betreibern von EE- und Grubengas-Anlagen (nicht aber von hocheffizienten KWK-Anlagen) vertragliche Abregelungsvereinbarungen – unter Abweichung vom Einspeisevorrang – abschließen. Die Vergütungen können frei ausgehandelt werden. Zur Weitergabe der hierdurch entstehenden Kosten enthält § 18 EEG 2017 jedoch eine Sonderregelung. Danach können Netzbetreiber solche Kosten bei der Ermittlung der Netzentgelte nur insoweit in Ansatz bringen, als diese im Hinblick auf § 1 oder § 2 Abs. 1 EEG 2017 wirtschaftlich angemessen sind330 ; die Kosten unterliegen der Effizienzprüfung durch die Regulierungsbehörde (vgl. § 21 Abs. 2 EnWG). Der Gesetzgeber hat also festgelegt, dass bei vertraglichen Abreden von EE- und Grubengas-Anlagen eine Effizienzprüfung stattfinden muss. Damit besteht für die Regulierungsbehörde nicht die Möglichkeit der Verfahrensregulierung nach § 11 Abs. 2 S. 2 – 4 ARegV, die dazu führt, dass die Kosten als dauerhaft nicht beeinflussbar gelten. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu den vertraglichen Maßnahmen Regelenergie und Redispatch (vgl.o.). Nehmen EE-Anlagen allerdings am Regelenergiemarkt teil, so kann § 18 EEG 2017 insoweit nicht zur Anwendung kommen, da die Netzbetreiber sonst benach326
BNetzA, Beschluss vom 12. 01. 2018, BK8 – 17/0009-A (inkl. Anlage). Vgl. Ruge, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 18 Rn. 88; vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 578 f. 328 BNetzA, Beschluss vom 12. 01. 2018, BK8 – 17/0009-A, Anlage, S. 1, 4. 329 BNetzA, Beschluss vom 12. 01. 2018, BK8 – 17/0009-A, Anlage, S. 2, 3. 330 Der Begriff der wirtschaftlichen Angemessenheit liefert keine weitergehenden Erkenntnisse; so auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 585 f. 327
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teiligt wären, soweit auf EE-Anlagen zurückgegriffen wird. Diese Rechtsfolge lässt sich im Übrigen daraus herleiten, dass § 18 Abs. 2 EEG 2017 bezüglich der Effizienzprüfung der Kosten bei vertraglichen Vereinbarungen mit EE-/GrubengasAnlagen auf das EnWG verweist. Das EnWG wiederum bildet die Grundlage der Anreizregulierungsverordnung (§ 21a Abs. 6 EnWG), die nach § 11 Abs. 2 S. 2 – 4 ARegV die Möglichkeit bietet, etwa Kosten der Regelenergie als dauerhaft unbeeinflussbar einzuordnen und so der Effizienzprüfung zu entziehen. § 18 EEG 2017 wird damit also durch die konkreten Vorgaben der ARegV überlagert. Es gelten deshalb auch für EE-Anlagen die Kostenvorgaben für die Regelenergie (§ 8 StromNZV): Die Kosten für den Einsatz von Regelarbeit werden gegenüber den BKV geltend gemacht, die Kosten für die Vorhaltung von Regelleistung werden nach dem Bonus-Malus-System grundsätzlich gegenüber den Netznutzern abgerechnet.331 Schließt ein Netzbetreiber eine sonstige Abregelungsvereinbarung ab, die über die gesetzliche Entschädigung nach § 15 EEG 2017 hinausgeht, kann insoweit nicht von Kosten einer effizienten Betriebsführung des Netzbetreibers (§ 21 Abs. 2 EnWG i.V.m. § 18 EEG 2017) gesprochen werden332, so dass eine vollständige Überwälzung der Kosten auf die Netznutzer über die Netzentgelte ausscheidet. Mit einer Vergütung unterhalb der gesetzlichen Entschädigung dürften die Anlagenbetreiber in der Regel wiederum nicht zufrieden sein. Inwiefern das Instrument der vertraglichen Abregelungsvereinbarung in seiner derzeitigen Form überhaupt echte praktische Relevanz hat, ist fraglich.333 Das gesetzlich geregelte Abregelungssystem in Bezug auf privilegierte Anlagen macht den Abschluss vertraglicher Abreden in den meisten Fällen schlicht entbehrlich.334 3. Keine Abwälzung nötig im Falle von Notmaßnahmen Wie bereits herausgearbeitet wurde335, sind beim Einsatz von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG keine Vergütungen zu zahlen. Dies leitet sich insbesondere aus § 13 Abs. 5 EnWG sowie aus dem Umkehrschluss der Existenz der Spezialregelung in § 14 EEG 2017 ab (dazu sogleich). Damit stellt sich auch die Frage der Kostenweitergabe nicht. Zu beachten ist jedoch, dass bei Notmaßnahmen ein aktiver
331
Vgl. Teil 3 A.III.2.a). BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 19 (Fn. 14); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 451 ff., 533, 586 f.; Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 108 ff. 333 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 586 f. 334 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 587. 335 Teil 3 A.I.2. 332
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energetischer Ausgleich vorzunehmen ist.336 Derzeit erfolgt dieser letztlich über den Einsatz von positiver Regelenergie.337 Den ÜNB entstehen damit im Rahmen von § 13 Abs. 2 EnWG also zusätzliche Ausgaben für Regelenergie, da insoweit Arbeitspreise an die Anbieter von Regelenergie zu zahlen sind. Es gilt das Verfahren zur Weitergabe von Kosten für Regelarbeit gegenüber den BKV nach § 8 Abs. 2 StromNZV.338 4. Speziell: Weitergabe der Kosten für die Härtefallentschädigung nach § 15 EEG 2017 Werden privilegierte Anlagen engpassbedingt abgeregelt, haben die Netzbetreiber nach § 15 EEG 2017 verschuldensunabhängig Entschädigungen zu leisten: Liegen die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 EEG 2017 vor, muss der Netzbetreiber, an dessen Netz die gedrosselte Anlage angeschlossen ist, die von der Maßnahmen betroffenen, privilegierten Anlagenbetreiber für 95 Prozent der entgangenen Einnahmen zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich der ersparten Aufwendungen entschädigen.339 Sobald die entgangenen Einnahmen in einem Jahr 1 Prozent der Jahreseinnahmen übersteigen, sind die Betroffenen ab diesem Zeitpunkt zu 100 Prozent zu entschädigen (§ 15 Abs. 1 S. 2 EEG 2017). Zahlungsverpflichtet ist immer der Anschluss-Netzbetreiber; er bekommt jedoch, soweit die Ursache der Regelungsmaßnahme – also der Netzengpass340 – nicht in seinem eigenen Netz liegt, die Kosten für die Entschädigungszahlungen durch den vorgelagerten Netzbetreiber, in dessen Netz die Ursache liegt, ersetzt (§ 15 Abs. 1 S. 3 EEG 2017).341 336
Teil 3 A.II. Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 131; vgl. auch Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 83). 338 Teil 3 A.III.2.a). 339 Unklar, ist, worauf sich die 95 Prozent beziehen, siehe dazu Schäfermeier, in: Reshöft/ Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 24. Die BNetzA geht ersichtlich davon aus, dass sich die 95 Prozent-Beschränkung nur auf die entgangenen Einnahmen bezieht, BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.0, 2013, S. 17; BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.1, 2014, S. 18; dies entspricht auch der Einschätzung des Gesetzgebers, BT-Drs. 17/6071, S. 65; in diesem Sinne zudem Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 205 f.). 340 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 17. 341 Kritisch zu der noch im EEG 2011 enthaltenen Gesamtschuldnerschaft und generell zur Rolle der Anschluss-Netzbetreiber als „Inkassounternehmen“ der Anlagenbetreiber (unter 337
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Der letztlich engpass-ursächliche Netzbetreiber kann die Entschädigungskosten, also entgangene Einnahmen plus zusätzliche Aufwendungen, minus ersparte Aufwendungen, dann „bei der Ermittlung der Netzentgelte in Ansatz bringen, soweit die Regelungsmaßnahme erforderlich war und er sie nicht zu vertreten hat“ (§ 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017). Es handelt sich bei den Kosten für die EinsMan-Entschädigung um einen speziellen Posten der Netzkosten, die über die Netzentgelte weitergewälzt werden; es gibt insoweit jedoch, anders als bei den abschaltbaren Lasten im Sinne der AbLaV, keine bundesweit einheitliche „EinsMan-Umlage“. Folglich findet kein Belastungsausgleich unter den betroffenen Netzbetreibern statt. Hinzu kommt, dass eine Weitergabe der Kosten über die Netzentgelte nicht ohne Weiteres zulässig ist. Der Kostenansatz im Rahmen der Netzentgelte erfordert vielmehr, dass die Regelungsmaßnahme gegenüber dem betroffenen Anlagenbetreiber erforderlich war und der Netzbetreiber die Maßnahme nicht zu vertreten hat. Ein Vertretenmüssen ist insbesondere dann zu bejahen, soweit der Netzbetreiber „nicht alle Möglichkeiten zur Optimierung, zur Verstärkung und zum Ausbau des Netzes ausgeschöpft hat“ (§ 15 Abs. 2 S. 2 EEG 2017). Demgemäß ist für jede Einzelmaßnahme gesondert zu prüfen, ob ein Ansatz der Kosten im Rahmen der Netzentgeltermittlung zulässig ist. Die Regelung soll sicherstellen, dass rechtswidrige und unnötige Abregelungen privilegierter Anlagen möglichst vermieden werden.342 Nach den Lehren des allgemeinen Verwaltungsrechts ist dann von der Erforderlichkeit oder Notwendigkeit einer Maßnahme zu sprechen, wenn keine ebenso geeigneten, aber milderen Mittel zur Verfügung stehen, wenn also ein Eingriff mit einer geringeren Belastungsintensität nicht ausreichend ist, um das verfolgte Ziel zu erreichen.343 Diese Definition ist auf das Stufensystem der SystemverantwortungsMaßnahmen übertragbar, so dass sich die Erforderlichkeit einer Eingriffsmaßnahme nach § 13 Abs. 2 EnWG bzw. § 14 Abs. 1 EEG 2017 insbesondere danach beurteilt, ob auch eine mildere Maßnahme auf einer niedrigeren Handlungsstufe und gegenüber einer nicht-privilegierten Anlage ausreichend gewesen wäre.344 Auch die BNetzA bringt im Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement zum Ausdruck, dass eine Maßnahme nach § 11 EEG (nun: § 14 EEG 2017) nur dann erforderlich ist, „wenn nicht bereits vorrangig eine andere Maßnahme zu ergreifen gewesen wäre.“345 Es gelten dabei die in Teil 2 C. entwickelten Vorgaben zur Reihenfolge und Auswahl der richtigen Maßnahmen und Adressaten. Die engpassbedingte Abregelung einer privilegierten Anlage ist hiernach nur dann als erforderlich im Sinne von § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 anzusehen, wenn sie auch rechtmäßig erfolgt ist, wenn also die Verweis auf die Informationspflichten des EEG): König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 572 f. 342 Walter/Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/ Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 207 f.). 343 Vgl. nur Maurer, Allgemeines Veraltungsrecht, 18. Auflage, München 2011, S. 206. 344 Vgl. Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 77. 345 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 4.
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richtige Maßnahme gegenüber dem richtigen Adressaten durchgeführt wurde. Der Netzbetreiber kann demnach seine Kosten weitergeben, wenn er rechtmäßigerweise eine privilegierte Anlage abregeln durfte und im Rahmen der Auswahl zwischen gleichrangigen Anlagen auch eine diskriminierungsfreie Wahl getroffen hat.346 Hier zeigt sich im Rahmen der Härtefallentschädigungs-Regelung eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der einen wesentlichen Aspekt des rechtlichen Maßstabs der Adressatenauswahl darstellt. Nach § 14 Abs. 3 S. 1 und 2 EEG 2017 sind den von EinsMan-Maßnahmen347 Betroffenen im Übrigen Nachweise über die Erforderlichkeit einer Eingriffsmaßnahme vorzulegen.348 Hiernach ist (auf Verlangen) das Vorhandensein sämtlicher Voraussetzungen – und damit der Rechtmäßigkeit des Einspeisemanagements – zu belegen.349 Dies betrifft zum einen die Gründe für das Vorliegen bzw. zu befürchtende Auftreten eines Netzengpasses aus ex ante-Sicht, zum anderen die Frage, warum gerade die Anlage des betroffenen Anlagenbetreibers abgeregelt wurde.350 Der Netzbetreiber muss also sowohl Nachweise über die Gefährdungslage erbringen, als auch eine ausführliche Beschreibung der Auswahl von Maßnahme und konkretem Adressat: nach welchen Maßstäben sie durchgeführt wurde und warum nicht andere Maßnahmen vorgenommen wurden oder stattdessen Strom aus konventionellen bzw. anderen privilegierten Anlagen abgeregelt wurde.351 Insoweit ist die Reichweite des 346 Vgl. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 37: „Die Abregelung gemäß § 14 Abs. 1 setzt voraus, dass im jeweiligen Netzbereich ein Netzengpass droht, dass alle vorrangigen Maßnahmen (insbes. nach §§ 13, 14 Abs. 1 S. 1 EnWG) bereits ausgeschöpft sind und dass der Netzbetreiber die verfügbaren Daten über die Ist-Einspeisung abgerufen hat.“ Vgl. dazu auch: BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 19 f.; Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 155; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-EnergienGesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 82; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 29; Berzel/Sötebier/ Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 77); Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-EnergienGesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 77. 347 Vgl. auch die ähnliche Regelung in § 13 Abs. 7 EnWG. 348 Siehe Teil 2 D.II.2.a). 349 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 95; Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 110; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 51; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 75 f. 350 Vgl. Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 110. 351 Vgl.: Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 110; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfer-
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
Begriffs der Erforderlichkeit im Rahmen der Unterrichtungspflicht im EinsMan nach § 14 Abs. 3 S. 1, 2 EEG 2017 und im Rahmen der Weitergabefähigkeit von Entschädigungskosten nach § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 deckungsgleich. König ordnet die Vorgabe der Erforderlichkeit in § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 inhaltlich den Vorschriften über die Netzentgeltermittlung nach §§ 21, 21a EnWG sowie der Anreizregulierung nach der ARegV zu.352 Er legt insoweit einen wettbewerbs- und effizienzorientierten Maßstab an, wonach nur solche Kostenpositionen anerkennungsfähig sein können, die für die Leistungserbringung notwendig sind. Inwiefern engpassbedingte Kosten tatsächlich notwendig sind, ergibt sich nach dieser Einschätzung aus den gesetzlichen Verpflichtungen der Netzbetreiber im Rahmen der Systemverantwortung, also etwa daraus, dass die Netzbetreiber zur Durchführung des Einspeisemanagements verpflichtet sind, soweit ein Engpass nicht mit vorrangigen Maßnahmen zu bewältigen ist. Im Ergebnis ergibt sich auch auf diesem Weg die Erkenntnis, dass Kosten nur dann anerkennungsfähig sind, wenn der Netzbetreiber rechtmäßig – auch gegenüber dem richtigen Adressaten – gehandelt hat.353 Die Heranziehung der ARegV-Regelungen erscheint aber nicht angezeigt, da bei einer solchen Betrachtung die Gefahr besteht, dass Maßnahmeneffizienz im Sinne der Systemverantwortung (Teil 2 C.) und Kosteneffizienz nach der ARegV vermengt werden. Die Maßnahmeneffizienz bezieht sich auf die sachlich begründete Maßnahmen- und Anlagenauswahl bei Eingriffen durch den Netzbetreiber, der Effizienzbegriff der ARegV zielt dagegen eher auf den Vergleich mit anderen Netzbetreibern und das Abschmelzen von Ineffizienzen mit dem Ziel der Kostensenkung (§ 21 Abs. 2 EnWG). Bei den speziellen Vorgaben des § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 zu Erforderlichkeit und Nicht-Vertretenmüssen geht es jedoch nicht um einen Netzbetreibervergleich, sondern um die vorgelagerte Frage, ob der handelnde Netzbetreiber seine Entschädigungskosten überhaupt zulässigerweise in voller Höhe in das Netzentgeltsystem einstellen darf.354 Potenzielle Fragen des Effizienzvergleichs stellen sich dann erst auf der zweiten Stufe – und auch nur dann, wenn es sich bei den Kosten um beeinflussbare Kosten i.S.d. ARegV handelt (dazu sogleich). meier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 51; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 52 f. 352 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 588 f. Unklar ist, ob diese Ansicht im Fortgang aufrechterhalten wurde, vgl. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 36 f. 353 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 589 f.; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 37. 354 Dafür spricht auch ein Vergleich von § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 mit § 18 EEG 2017, der bei vertraglichen Abregelungsvereinbarungen gilt und – gerade anders als § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 – auf die Effizienzprüfung nach dem EnWG verweist.
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Ergibt die Prüfung, dass die entstandenen Entschädigungskosten gegenüber einem bestimmten Anlagenbetreiber auf einer rechtmäßigen Auswahlentscheidung beruhen und ist damit dem Erforderlichkeitsgebot Folge geleistet worden, so ist weiter zu untersuchen, ob der Netzbetreiber die Abregelung bzw. die hierdurch verursachten Kosten aber zu vertreten hat, insbesondere durch unterlassenen Netzausbau (§ 15 Abs. 2 S. 2 EEG 2017). Liegt nämlich ein Verschulden des Netzbetreibers vor (vgl. § 276 Abs. 1 BGB)355, so ist keine Kostenweitergabe möglich. Ausbaupflichten ergeben sich aus § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG und § 12 Abs. 1 S. 1 EEG 2017; bei beiden Normen liegt die Grenze der Ausbaupflichten in der Unzumutbarkeit für den betroffenen Netzbetreiber. Bezugspunkt für einen unterlassenen Netzausbau können nur die für den entschädigungsauslösenden Engpass konkret verantwortlichen Netzelemente sein, nicht dagegen ein Ausbaudefizit an irgendeiner Stelle des – möglicherweise Tausende von Kilometern langen – Netzes.356 Alles in allem ist die Nennung von unterlassenen Ausbaupflichten als besonders hervorzuhebendes Beispiel („insbesondere“) für das Vorliegen eines Verschuldens für das Entstehen von Entschädigungskosten kritisch zu sehen. Zwar gibt es zweifellos Fälle, in denen ein Netzbetreiber entgegen den gesetzlich normierten Pflichten und ohne ausreichende Exkulpation an sich erforderlichen Netzausbau unterlässt und sich stattdessen durch die Zahlung von Entschädigungen nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 „freikauft“. Es darf aber auch nicht verkannt werden, dass der steigende Bedarf an Netzausbau in vielen Fällen Folge staatlicher Regulierungstätigkeit der letzten Jahre ist, auf die die Netzbetreiber nun Stück für Stück reagieren müssen. Gerade in den Übertragungsnetzen kann wohl unmöglich verlangt werden, dass sämtliche entstandenen „Flaschenhälse“ gleichzeitig erweitert werden. Hinzu kommen für die Netzbetreiber generell unbeeinflussbare Punkte wie langwierige Genehmigungsverfahren und Klagen von Bürgerinitiativen gegen Ausbauprojekte.357 Unterlassener Netzausbau kann folglich nur dann zu einem Vertretenmüssen des Netzbetreibers führen, wenn er „tatsächlich und rechtlich in der Lage gewesen wäre, das Netz an der fraglichen Stelle zu erweitern und er sich selbstbestimmt und freiwillig dafür entschieden hat, dies
355 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 156; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 84; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 12 Rn. 28; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 78 ff.; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 38; a.A. Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 15 Rn. 13 ff. 356 So zurecht König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 40. 357 Vgl. König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 39.
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nicht zu tun.“358 Auch nach dieser einschränkenden Lesart ist aber nur schwer abgrenzbar, wann denn in der Praxis eine solche selbstbestimmte und freiwillige Entscheidung gegen den Ausbau vorliegt. Hinzu kommt, dass das Auftreten von Engpässen an einer bestimmten Stelle im Netz eine gewisse Nachhaltigkeit entfalten muss, damit eine Netzverstärkung oder -erweiterung auch sinnvollerweise in den Fokus rückt.359 Ein Ausbau „bis zur letzten Kilowattstunde“ erscheint dabei volkswirtschaftlich nicht angezeigt und wird spätestens mit Einführung der Spitzenkappung in § 11 Abs. 2 EnWG n.F. auch nicht mehr verfolgt. Zu beachten ist auch, dass das Engpassmanagement und die Ausbaupflichten grundsätzlich eigenständige Bereiche des Netzbetriebs darstellen, die auch mit unterschiedlichen Normen adressiert werden.360 Hier ist im Bereich Netzausbau insbesondere § 13 EEG 2017 zu nennen, der für die Verletzung von Ausbaupflichten einen eigenen Schadensersatzanspruch für die Einspeisewilligen normiert. Soweit letztlich nach § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 ein Ansatz der Entschädigungskosten im Rahmen der Ermittlung der Netzentgelte zulässig ist, erscheint es gerechtfertigt, diese Kosten als dauerhaft unbeeinflussbar im Sinne der ARegV einzuordnen, so dass keine Effizienzvorgaben gelten. Bei Einhaltung der Voraussetzungen von § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 ist also eine vollständige Kostenweitergabe möglich.361 Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass bereits nach § 15 Abs. 2 S. 1 und 2 EEG 2017 sichergestellt ist, dass die letztlich in die Netzentgeltermittlung einstellbaren Kosten auf einer erforderlichen und damit rechtmäßigen Handlung beruhen, für die den Netzbetreiber kein Verschulden trifft; damit können diese Kosten auch tatsächlich als unbeeinflussbar bezeichnet werden.362 Eine andere Vorgehensweise wäre jedenfalls widersprüchlich. Den nötigen, wenngleich nicht ganz passgenauen Anker für diese Sichtweise bildete bislang § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ARegV, wonach Kosten aus gesetzlichen Abnahme- und Vergütungspflichten als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile gelten.363 Mittlerweile hat der Verordnungsgeber mit der Schaffung von § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 17 ARegV explizit klargestellt, dass die Kosten für Entschädigungen nach § 15 Abs. 1 EEG 2017, die die 358 So König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 39. 359 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 39. 360 Vgl. Teil 2 A.III.3. 361 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 19. 362 Vgl.: König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 590; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 43. 363 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 19; so auch: Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 80; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 589 f.; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 42 f.
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Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EEG 2017 erfüllen, als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile gelten.364 Die zuständigen Regulierungsbehörden prüfen demnach, ob die Voraussetzungen von § 15 Abs. 2 EEG 2017 beachtet wurden und die Höhe der Entschädigungszahlungen angemessen ist.365 Letzteres dürfte jedenfalls dann gegeben sein, soweit die Netzbetreiber die Berechnungsvorgaben aus den an sich rechtlich unverbindlichen EinsMan-Leitfäden der BNetzA eingehalten haben.366 Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 Hs. 2 ARegV gilt hier zudem die Besonderheit, dass eine vollständige Weitergabe der Kosten ohne zeitlichen Versatz stattfindet.367 Wie der energetische Ausgleich beim EinsMan durchgeführt wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Derzeit erfolgt der Ausgleich mangels tatsächlicher Festlegung eines bestimmten Verfahrens allerdings wohl regelmäßig über den Einsatz von positiver Regelenergie.368 Hierdurch entstehen den ÜNB, wie auch sonst im Rahmen von § 13 Abs. 5 EnWG, zusätzliche Kosten für zu zahlende Arbeitspreise. Es gilt insoweit das Verfahren zur Weitergabe von Kosten für Regelarbeit gegenüber den BKV nach § 8 Abs. 2 StromNZV. Weitere Kosten können dann entstehen, wenn der abgeregelte Anlagenbetreiber gleichzeitig Bilanzkreisverantwortlicher ist. Hier lässt sich vertreten, dass es sich insoweit bei den Kosten für die Zahlung von Ausgleichsenergie um „zusätzliche Aufwendungen“ im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2017 handelt, die Folge der engpassbedingten Abregelung einer privilegierten Anlage sind und so im Rahmen der Härtefallentschädigung verlangt werden können.369 Der Netzbetreiber wird entstehende Zusatzkosten wiederum über § 15 Abs. 2 EEG 2017 in die Netzentgelte einpreisen. 364 Vgl. Gersemann, Novellierte Anreizregulierungsverordnung 2016, EnWZ 2016, S. 531 ff. (S. 533 f.). 365 BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 19; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 86; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), ErneuerbareEnergien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 81; Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 15 Rn. 15. 366 Siehe Teil 3 A.I.3. BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 20; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 45. 367 Bourwieg, Aktuelles aus der Energieregulierung, ER 2017, S. 47 ff. (S. 49). 368 Vgl. Consentec, Physikalische und bilanzielle Auswirkungen von Einspeisemanagement-Maßnahmen, 2013, S. 2. Die BNetzA möchte diese Vorgehensweise zukünftig verhindern, vgl. BNetzA, Eröffnung eines Festlegungsverfahrens (25. 09. 2013), BK6 – 12 – 049, S. 4. Siehe dazu auch: Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 70, 73); Sötebier, in: Britz/Hellermann/ Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 170, 174. 369 Angedeutet bei: Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 170; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 87); so auch: Ruge/ Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 86 (Stand: Mai 2016).
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5. Zwischenfazit Betrachtet man die Abwälzungsmöglichkeiten der Netzbetreiber im Zusammenhang, so fällt auf, dass grundsätzlich bei allen Handlungsinstrumenten der Systemverantwortung die Möglichkeit besteht, die entstandenen Kosten weiterzuwälzen, dass die hierzu festgesetzten Verfahrensvorschriften jedoch große Unterschiede aufweisen. Eine einschränkungslos vollständige, zeitnahe und bedingungslose Kostenweitergabe gewährt nur die AbLaV-Umlage, bei der die Kosten zudem unter den einzelnen Netzbetreibern ausgeglichen und als bundesweit einheitliche Umlage auf die Netznutzer abgewälzt werden.370 Beim Einsatz von Regelenergie ist zwischen den Kosten für die Vergütung von Regelarbeit und für die Vorhaltung von Regelleistung zu unterscheiden. Die Kosten für den Abruf von Regelarbeit werden über das Ausgleichsenergiepreissystem von den BKV verlangt.371 Bleiben hiernach Abweichungen zwischen den Regelenergiekosten und den über die Bilanzkreisabrechnung abgerechneten Kosten bestehen, werden diese mit den Netzkosten der ÜNB verrechnet und bei den Netzentgelten berücksichtigt.372 Die ÜNB können auf diese Weise ihre Kosten vollständig ausgleichen. Die Kosten, die im Rahmen der Vorhaltung von Regelleistung entstehen, werden generell über das Netzentgeltsystem von den Netznutzern verlangt, soweit nicht ausnahmsweise auch die Bilanzkreisverantwortlichen beteiligt werden (§ 8 Abs. 1 S. 1 a.E. EnWG). Es handelt sich um dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, S. 4 ARegV, da die BNetzA entsprechende freiwillige Selbstverpflichtungen der vier deutschen ÜNB gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegVals wirksam verfahrensreguliert festgelegt hat. Kosten, die insoweit anfallen, gelten damit als dauerhaft nicht beeinflussbar, soweit sie nach Maßgabe der freiwilligen Selbstverpflichtungen und unter Beachtung der Vorgaben zur Beschaffung ermittelt wurden.373 Aufgrund des speziellen Bonus-Malus-Systems kann es jedoch dazu kommen, dass die Netzbetreiber ihre Kosten nicht vollständig weitergeben können. Bei den Kosten für das Redispatching handelt es sich ebenfalls um dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile aufgrund wirksamer Verfahrensregulierung (nach § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, S. 4 ARegV). Das zur Anerkennung der Redispatch-Kosten als dauerhaft unbeeinflussbare Kostenanteile einzuhaltende Verfahren beinhaltet al370
Werden Verbrauchsanlagen nach der AbLaVallerdings nicht zum Engpassmanagement, sondern zur Sicherstellung des Leistungsungleichgewichts eingesetzt, so werden die hierbei entstehenden Abrufkosten nicht in den Belastungsausgleich einbezogen (§ 18 Abs. 1 S. 4 AbLaV). 371 Hier können aufgrund des energetischen Ausgleichs bei Notmaßnahmen bzw. EinsMan zusätzliche Kosten entstehen, die weitergegeben werden können. 372 Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, 2014, S. 39. 373 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, S. 2; vgl. auch Meyer/Paulus, in: Holznagel/Schütz (Hrsg.), Anreizregulierungsverordnung, Bad Langensalza 2013, § 11 Rn. 100.
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lerdings, anders als im Rahmen der Regelleistung, kein Bonus-Malus-System mehr.374 Es kommt hier – nach Aufhebung der Redispatch-Vergütungs-Festlegung sowie der nun mit dem Strommarktgesetz erfolgten Schaffung von Regelungen im EnWG – insbesondere auf die Vorgaben in § 13a Abs. 2 – 5 EnWG sowie einige wenige Formalia an.375 Erfasst sind die Kosten für den vertraglichen und gesetzlichen Redispatch sowie für Kosten im Rahmen der Stilllegungsvorschriften nach § 13c EnWG bzw. der Netzreserve. Hier sollte eine vollständige Kostenweitergabe möglich sein. Kosten bei Verträgen nach § 13 Abs. 6a EnWG werden nun ebenfalls als dauerhaft nicht beeinflussbar aufgrund wirksamer Verfahrenregulierung eingeordnet. Kosten im Rahmen der Kapazitätsreserve sowie für besondere netztechnische Betriebsmittel gelten ohnehin als dauerhaft nicht beeinflussbar (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 16 ARegV). Bei den Kosten für die Härtefallentschädigung ist die Einhaltung der Vorgaben von § 15 Abs. 2 EEG 2017 entscheidend. Im Falle einer rechtmäßigen Vorgehensweise der Netzbetreiber bei der Maßnahmenausführung gegenüber privilegierten Anlagenbetreibern können die Kosten vollständig abgewälzt werden (vgl. § 15 Abs. 2 EEG 2017), denn Letztere gelten im Sinne von § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 17 ARegV als dauerhaft unbeeinflussbar. Im Falle von Lastmanagement-Vereinbarungen außerhalb der AbLaV sowie bei vertraglichen Vereinbarungen mit EE- und GrubengasAnlagen (§ 18 EEG 2017) greifen die Effizienzvorgaben der ARegV, so dass eine vollständige Kostenweitergabe unsicher ist. Grundsätzlich ist zudem zu beachten, dass auch dann, wenn im Ergebnis sämtliche Kosten auf Dritte abgewälzt werden können, in den meisten Fällen ein Zeitverzug zwischen Kostenanfall und -weitergabe entsteht. Dies betrifft die dauerhaft unbeeinflussbaren Kosten im Sinne der ARegV mit Ausnahme der Kosten für EinsMan, Kapazitätsreserve, Sicherheitsbereitschaft der Braunkohle und besondere netztechnische Betriebsmittel (vgl. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ARegV), aber auch etwa das Ausgleichsenergiepreissystem. Zudem ist zu berücksichtigen, dass neben den Kosten, die Kontrahierung und Einsatz der einzelnen Instrumente mit sich bringen, auch Zusatzkosten für Organisation und Zeitaufwand entstehen, die möglicherweise nicht über die Netzentgelte oder das Ausgleichsenergiepreissystem weitergereicht werden können. Die Kosten der Systemverantwortung sind damit für die ÜNB – trotz der weitgehenden Abwälzungsmöglichkeiten – zumindest keine reinen Durchlaufposten. Da die zunehmenden Kosten für Systemdienstleistungen stark durch die gesetzgeberisch forcierte Transformation des Energiesystems geprägt sind, könnte man diskutieren, ob die Einführung einer allgemeinen, bundesweit gewälzten System374 Vgl. noch beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 27. 11. 2009, BK8 – 09 – 003 (Anlage). Dazu König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 577 ff. 375 Vgl. beispielhaft BNetzA, Beschluss vom 01. 10. 2014, BK8 – 14/0260 – 91, Anlage 3, S. 2 f.
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dienstleistungs-Umlage – zumindest auf ÜNB-Ebene376 – ein zielführendes Instrument für die Abwälzung von Kosten der Systemverantwortung auf die Netznutzer sein kann (vgl. § 24 S. 2 Nr. 4 EnWG).377 Bislang gibt es dieses System im Bereich der Systemverantwortung nur bei der AbLaV-Umlage.378 Das Ziel könnte darin bestehen, das bislang eher schwer zu durchschauende Abwälzungssystem zu vereinfachen und Organisationskosten zu senken. Zudem könnte eine möglichst weitgehende Gleichbehandlung der ÜNB erfolgen. Eine bundesweit einheitliche Umlage erscheint auch als guter Weg zur Angleichung der Netzentgelte in den einzelnen Regionen.379 Derzeit variiert das Netzentgelt für Haushaltskunden deutschlandweit um bis zu 4 Cent/kWh; es beträgt zwischen 4,75 und knapp 10 Cent/kWh.380
B. Haftungsrisiken beim Handeln oder Nichthandeln381 Über die Zahlung von Vergütungen bzw. Entschädigungen (§ 15 Abs. 1 EEG 2017) hinaus, besteht für die ÜNB auch das grundsätzliche Risiko, im Rahmen ihrer Rechte und Pflichten nach §§ 13 ff. EnWG und §§ 14 f. EEG 2017 Haftungsfälle zu schaffen. Eine erschöpfende Behandlung dieser Thematik würde den Rahmen der vorliegenden Abhandlung sprengen, jedoch sollen zumindest die wesentlichen Haftungsgründe und Privilegierungsregelungen im Folgenden dargestellt werden.
376 Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 17. Juli 2017 unternimmt der Gesetzgeber erste Schritte in diese Richtung (BGBl. 2017 I S. 2503 ff.). §§ 24 S. 2 Nr. 4, 24a EnWG n.F. schaffen insoweit Verordnungsermächtigungen für die Bundesregierung (mit Zustimmung des Bundesrates). Ab dem 1. Januar 2019 ist danach eine zunächst teilweise bundesweit einheitliche Festlegung der Übertragungsnetzentgelte möglich (v. a. bezogen auf Kosten, die „zuordenbar durch die Integration von dezentralen Anlagen zur Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen verursacht werden“). Dies betrifft allerdings nur die „Außenwirkung“ gegenüber den angeschlossenen Netznutzern und nicht die jeweilige Netzentgeltermittlung der einzelnen ÜNB, BT-Drs. 18/12999, S. 18. 377 Vgl. auch: König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 590 ff.; ISI/SUER, Anforderungen der Integration der erneuerbaren Energien an die Netzentgeltregulierung – Vorschläge zur Weiterentwicklung des Netzentgeltsystems, 2016, S. 87 ff. 378 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 591. 379 Vgl. BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Weißbuch), 2015, S. 72; vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 591. 380 Vgl. RAP, Netzentgelte in Deutschland – Herausforderungen und Handlungsoptionen, 2014, S. 15, 28. 381 Ausführlich hierzu Tamke, Die Haftungsprivilegierung für Netzbetreiber bei Störungen der Anschlussnutzung, Baden-Baden 2014, S. 78 ff.
B. Haftungsrisiken beim Handeln oder Nichthandeln
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I. Überblick über mögliche Haftungsfälle Aus Sicht des ÜNB können im Rahmen der Aufbürdung der Systemverantwortung unzählige, völlig unterschiedlich gelagerte Haftungsfälle gegenüber diversen Beteiligten oder Unbeteiligten entstehen. Allen ist aber zumindest gemein, dass Schäden entstanden sind, die mit der Wahrnehmung oder Nicht-Wahrnehmung der Systemverantwortung durch die ÜNB zu tun haben, so dass von diesen Ersatz hierfür gefordert wird. Vom Vorliegen eines Schadens kann dabei nur insoweit ausgegangen werden, als nicht bereits durch die Zahlung einer vertraglich vereinbarten oder gesetzlich geregelten Vergütung eine Kompensation der Geschädigten erfolgt ist. Gemeint sind damit die in Teil 3 A.I. und II. bereits untersuchten Vergütungs- und Ausgleichspflichten der ÜNB. Relevante Schäden sind nur solche, die über die erlangten Vergütungen oder sonstige Ausgleichsleistungen hinausgehen bzw. die Schäden, die bei – im Hinblick auf Regelungsmaßnahmen der ÜNB – Unbeteiligten entstehen. Die Prüfung der Haftungsrisiken der ÜNB betrifft also finanzielle Erstattungspflichten, die zusätzliche Belastungen der ÜNB darstellen. Der Hauptunterschied zwischen der Vergütungs- bzw. Ausgleichszahlung und der Schaffung von Haftungsfällen besteht dabei darin, dass eine Haftung grundsätzlich durch ein Fehlverhalten des ÜNB ausgelöst wird, während die Zahlung von Vergütungen bzw. die Gewährung von Ausgleichsleistungen dem Standardverhalten entspricht. Da die Härtefallentschädigung nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 im Falle der engpassbedingten Abregelung privilegierter Erzeugungsanlagen nicht zwangsläufig mit einem Fehlverhalten des ÜNB einhergeht, sondern zunächst einmal eine Regelzahlung darstellt, wurde sie bereits im Rahmen der Vergütungspflichten untersucht. 1. Vornahme und Unterlassen von Maßnahmen Eine erste Unterscheidung im Rahmen der Haftungsrisiken ist zwischen der Vornahme und dem Unterlassen von Maßnahmen nach § 13 EnWG zu treffen. Dass ein fehlerhaftes Handeln der ÜNB – Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben oder ungeschriebene Rechtsgrundsätze (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz o. ä.) – Haftungsfälle auslösen kann, dürfte sich weitgehend von selbst verstehen. In besonderem Maße erwähnenswert erscheint demnach vor allem, dass auch durch das Unterlassen von Maßnahmen der ÜNB Haftungsfälle entstehen können.382 Man müsste wohl sogar sagen: Wirklich empfindliche Schäden dürften gerade dann drohen, wenn die ÜNB ihrer Systemverantwortung nicht gerecht werden und erforderliche Abwendungsmaßnahmen nicht treffen. Im schlimmsten Fall tritt dann ein großflächiger Blackout mit massiven Produktionsausfällen in Gewerbe und Industrie ein. Die Pflicht zum Handeln folgt unmittelbar aus § 13 Abs. 1 S. 1 EnWG. Hiernach sind die ÜNB „berechtigt und verpflichtet“, Gefährdungen und Störungen für die Sicherheit bzw. Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu beseitigen. In der 382 Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 39 (Stand: Juni 2008).
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
Vorschrift zum Einspeisemanagement gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 EEG 2017 wird zwar nur die Berechtigung der Netzbetreiber zur Regelung von Anlagen erwähnt („dürfen […] regeln“), dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen gefährdungsrechtlichen Handlungspflicht der ÜNB aus § 13 Abs. 1 S. 1 EnWG. Das EinsMan ist ja, wie dargestellt, mit den Regeln zur Systemverantwortung verzahnt (vgl. § 13 Abs. 3 S. 3 EnWG).383 Die Pflicht der ÜNB besteht darin, die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems der Elektrizitätsversorgung zu gewährleisten.384 Hierzu ist es erforderlich, die Spannung im Netz konstant zu halten „und die an verschiedenen Punkten in unterschiedlicher Menge zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingespeiste und verbrauchte Elektrizität unter Berücksichtigung von erforderlicher Ausgleichsenergie sowie Netz- und Erzeugungsreserven im Gleichgewicht zu fahren.“385 Diese Aufgabenzuteilung bildet den Kernbereich der noch näher zu untersuchenden Indienstnahme (Teil 5). Die ÜNB tragen eine Art Garanten- oder Verkehrssicherungspflicht für die netzseitige Versorgungssicherheit. Sie müssen für eine störungsfreie Elektrizitätsversorgung einstehen und Gefahren für Menschen und Sachen abwehren.386 Das Unterlassen erforderlicher Maßnahmen kann demnach Schadenersatzansprüche auslösen.387 Dabei ist freilich nicht die Gewährleistung absoluter Sicherheit in dem Sinne erforderlich, „dass der Eintritt von Rechtsgutsverletzungen schlechthin ausgeschlossen wäre“, vom systemverantwortlichen ÜNB ist nur die Ergreifung aller möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu erwarten.388 2. Mögliche Anspruchsteller Eine weitere Unterscheidung möglicher Haftungsfälle richtet sich nach dem Anspruchsteller.389 Hier ist zunächst an die Einspeiser von Elektrizität zu denken, also die Betreiber von Stromerzeugungsanlagen. Handelt es sich dabei um Betreiber von EE-, Grubengas- und hocheffizienten KWK-Anlagen ist besonders zu berück383
Teil 2 B.IV.4. BT-Drs. 15/3917, S. 56. 385 BT-Drs. 15/3917, S. 57. 386 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 5. 387 Vgl. auch Elspas, Haftung der Energieversorgungsunternehmen bei einer Störung der Stromversorgung, in: Gundel/Lange (Hrsg.), Energieversorgung in Zeiten der Energiewende (Tagungsband der Sechsten Bayreuther Energierechtstage 2015), Tübingen 2015, S. 13 ff. (S. 23). 388 Vgl. Wagner, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., München 2013, § 823 BGB Rn. 337. 389 Vgl. dazu: Elspas, Haftung der Energieversorgungsunternehmen bei einer Störung der Stromversorgung, in: Gundel/Lange (Hrsg.), Energieversorgung in Zeiten der Energiewende (Tagungsband der Sechsten Bayreuther Energierechtstage 2015), Tübingen 2015, S. 13 ff. (S. 17). 384
B. Haftungsrisiken beim Handeln oder Nichthandeln
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sichtigen, dass diesen ein vorrangiger Netzzugang zu gewähren ist (§ 11 EEG 2017, § 3 KWKG). Anders gesagt: Solche Anlagen dürfen im Falle von Engpässen nur nachrangig abgeregelt werden. Werden Einspeiser unter Verstoß gegen die geschriebenen und ungeschriebenen Abregelungsvorgaben vom Netz getrennt bzw. werden privilegierte Anlagen widerrechtlich vor sonstigen Anlagen abgeregelt390, so kommen Schadenersatzansprüche in Betracht. Auch das Hochfahren von Erzeugungsanlagen kann ggf. eine Haftung auslösen. Zudem kommen solche Ansprüche auch auf der Verbraucherseite in Betracht. Dies gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich, im Falle der Trennung von Letztverbrauchern von der Stromversorgung, was vor allem in Gewerbe und Industrie zu enormen Folgeschäden führen kann; auch private Letztverbraucher können jedoch ggf. Ansprüche geltend machen (Nutzungsausfall, Defekte an Haushaltsgegenständen o. ä.).391 Weiterhin ist denkbar, dass nachgelagerte Netzbetreiber gegen den ÜNB vorgehen, etwa, wenn ein Fehlverhalten des ÜNB in ihren Netzen Schäden verursacht (Sachschäden, Folgen ausbleibender Netzentgelte392 usw.) oder in Regressfällen. Denkbar sind unter Umständen auch Ansprüche gegen den ÜNB, wenn dieser entgegen § 14 Abs. 1c EnWG auf nachgelagerte Netzbetreiber zurückgreift, obwohl dies nicht im Sinne der Norm „erforderlich“ ist (vorausgesetzt, dabei entsteht ein Schaden). Weiterhin können Stromlieferanten Anspruchsteller von Schadenersatz sein. Generell gilt, dass auch Dritte, also natürliche oder juristische Personen bzw. Personenhandelsgesellschaften, die nicht in einem unmittelbaren Verhältnis zum ÜNB stehen, im Falle des Eintritts von Schäden gegen diesen vorgehen können. Hier ist in besonderer Weise an Unterlassenskonstellationen bzw. Schäden von Personen oder an Sachen zu denken. 3. Mögliche Schäden Die möglichen Schäden, die im Zusammenhang mit der Systemverantwortung der ÜNB auftreten können, sind vielgestaltig.393 Bei Anbietern von Systemdienstleistungen (etwa: Regelenergie oder vertraglicher Redispatch) bzw. unfreiwillig für Netzsicherheitsmaßnahmen Herangezogenen (insbesondere: gesetzlicher Redispatch, EinsMan, sonstige Notmaßnahmen) können jedoch nur insoweit Schäden entstehen, als nicht bereits ohnehin Vergütungen oder sonstige Ausgleichszahlungen geleistet wurden. Im Falle eines haftungsrelevanten Fehlverhaltens des ÜNB können darüber hinausgehende Schäden – etwa durch die Vergütungen/Ausgleichszahlungen nicht abgegoltene Zusatzkosten bzw. Schäden an sonstigen Rechtsgütern – 390
Etwa auch mangels Rückgriff auf Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG. Vgl. Bartsch/vom Wege, Die Haftung des Netzbetreibers – Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung, EnWZ 2014, S. 152 ff. (S. 152). 392 Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 39 (Stand: Juni 2008). 393 Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007, S. 245. 391
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
verlangt werden. Hier ist insbesondere an die Härtefallentschädigung nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 zu denken, nach der grundsätzlich nur 95 Prozent der entgangenen Einnahmen394 entschädigt werden. Die verbleibenden 5 Prozent können ggf. über Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden (vgl. § 15 Abs. 3 EEG 2017). Auch bei Redispatchmaßnahmen können Restkosten bestehen bleiben, die im Wege des Schadenersatzes verlangt werden können. Zudem können konventionelle Einspeiser bzw. Stromverbraucher, die für vergütungsfreie Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG herangezogen wurden395, ihre hierdurch entstandenen Kosten trotz der Haftungsprivilegierung des ÜNB in § 13 Abs. 5 EnWG unter bestimmten Umständen geltend machen (bei einer rechtswidrigen Regelungsmaßnahme, hierauf wird noch näher einzugehen sein). Im Falle der Abschaltung von Einspeisern oder Verbrauchern dürfte es sich vor allem um wegfallende Erlöse für die Stromeinspeisung bzw. um die Folgen von Produktionsausfällen (Gewinneinbußen) handeln, bei der Zuschaltung von Einspeisern oder Verbrauchern um Zusatzkosten für Brennstoffe bzw. den Strombezug. Generell sind auch alle möglichen weiteren Vermögenschäden denkbar sowie Schäden an sonstigen Rechtsgütern, etwa Sach- oder Personenschäden. Gerade durch das Unterlassen erforderlicher Maßnahmen können Beschädigungen hervorgerufen werden, beispielsweise Defekte an Maschinen, Haushaltsgegenständen o. ä. Im Falle eines großflächigen Blackouts können die Schäden immense Ausmaße annehmen.
II. Haftungsauslösendes Fehlverhalten der ÜNB; Gefährdungshaftung Der Eintritt einer Haftungspflicht wird grundsätzlich durch ein bestimmtes Fehlverhalten des Handelnden bzw. Handlungsverpflichteten ausgelöst; man spricht von einer Pflichtverletzung, Verletzungshandlung o. ä. Außer im Falle der Gefährdungshaftung kommt das Erfordernis des Vertretenmüssens bzw. Verschuldens hinzu. Im Folgenden sollen mögliche haftungsauslösende Fehlverhalten des ÜNB herausgearbeitet werden. 1. Unterlassen erforderlicher Netzsicherheitsmaßnahmen bzw. Schlechtleistung Dabei ist zunächst an das Unterlassen erforderlicher Netzsicherheitsmaßnahmen zu denken. Aus § 13 Abs. 1 EnWG folgt die Pflicht der ÜNB, Gefährdungen und Störungen für die Sicherheit bzw. Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu beseitigen, hieraus lässt sich eine Art Garantenpflicht der ÜNB für die 394 395
Zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich der ersparten Aufwendungen. Vgl. Teil 3 A.I.2.
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Netzsicherheit ableiten (vgl.o.). In § 16 Abs. 3 NAV heißt es zudem, dass der Netzbetreiber Spannung und Frequenz möglichst gleichbleibend zu halten hat. „Allgemein übliche Verbrauchsgeräte“ und Stromerzeugungsanlagen müssen in diesem Rahmen einwandfrei betrieben werden können. Die NAV gilt jedoch nur für Letztverbraucher im Niederspannungsnetz (§ 18 EnWG i.V.m. § 1 NAV). Unterlässt der ÜNB mögliche und zumutbare Maßnahmen396 zur Beseitigung einer Gefährdung, weil er diese nicht erkennt oder in ihrer Tragweite unterschätzt, obwohl er sie als verständiger Netzbetreiber in ihrem zu erwartenden Ausmaß nach objektiven Maßstäben eigentlich hätte erkennen müssen, so stellt dies eine Pflichtverletzung dar. Der relevante Zeitpunkt zur Beurteilung der Gefahrenlage liegt vor bzw. bei Ergreifen der Maßnahme (ex ante-Sicht).397 Es kommt also nicht darauf an, wie sich die Situation nach Abschluss der Maßnahme darstellt (ex post-Sicht). Die Umstände, die zur Ermittlung der Gefährdungssituation maßgeblich sind, müssen jedoch vor der Ergreifung einer Maßnahme gründlich ermittelt werden.398 Erkennt der ÜNB die Gefährdung zwar, ergreift aber keine Maßnahmen, so stellt dies ein pflichtwidriges Unterlassen dar. Ergreift er zwar Maßnahmen, sind diese jedoch nicht ausreichend, liegt im Übrigen ebenfalls eine Pflichtverletzung vor, da § 13 Abs. 1 EnWG unmissverständlich von der „Pflicht zur Beseitigung“ spricht, also keinen Raum lässt für gescheiterte Versuche. Bei dieser Variante liegt wohl keine Form des Unterlassens, sondern eher eine Schlechtleistung vor. Hier ist jedoch weiter zu prüfen, inwiefern die Gefährdung überhaupt hätte beseitigt werden können bzw., ob weitergehende Maßnahmen dem ÜNB auch zumutbar gewesen wären.399 Zudem ist näher zu untersuchen, ob dem ÜNB ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann.
396 Vgl. Wagner, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., München 2013, § 823 BGB Rn. 337. 397 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181 f.); de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 69); König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. Vgl. hierzu insbes. Teil 2 A.I.1. 398 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 8; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. 399 Vgl. Wagner, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., München 2013, § 823 BGB Rn. 337.
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
2. Verletzung von Leistungspflichten aus einem Schuldverhältnis Der Hauptgrund für das Entstehen von Schadenersatzpflichten des ÜNB dürfte in der Verletzung von Leistungspflichten aus einem Schuldverhältnis liegen. Hier ist in erster Linie an die Anschluss- bzw. Netznutzungsverträge zu denken, die die Ansprüche der Netznutzer auf Zugang zu den Elektrizitätsversorgungsnetzen vermitteln (§§ 17 ff., 20 ff. EnWG; v. a. § 20 Abs. 1, 1a EnWG).400 Als Netznutzer gelten gleichermaßen die Einspeiser von Energie als auch die Verbraucher (§ 3 Nr. 28 EnWG). Drosselt ein ÜNB nun die Einspeisung aus einer Erzeugungsanlage bzw. die Ausspeisung eines Verbrauchers, so greift er grundsätzlich in die jeweiligen Netzzugangsrechte (Netznutzungsrechte) ein. Geht es dabei speziell um die Abregelung von EE-, Grubengas- bzw. hocheffizienten KWK-Anlagen, kommt daneben eine Verletzung des Rechts auf vorrangige Einspeisung (§ 11 EEG 2017401, § 3 KWKG) als gesetzliches Schuldverhältnis in Betracht.402 Im Falle der Erhöhung der Stromeinspeisung bzw. des Verbrauchs wird zwar nicht der Netzzugangsanspruch an sich verletzt, allerdings handelt es sich dann um eine überobligatorische Leistung; es wird also etwas eingefordert, das an sich nicht Gegenstand des zugrundeliegenden Schuldverhältnisses ist.403 Soweit kein direkter Netznutzungsvertrag zwischen ÜNB und Antragsteller besteht, ist regelmäßig kein unmittelbares Vorgehen gegen den ÜNB möglich, sondern gegen den Anschluss-Netzbetreiber; bei privaten Letztverbrauchern besteht häufig ohnehin kein separater Netznutzungsvertrag, sondern ein sog. „all-inclusive“-Vertrag mit dem Stromlieferanten.404 Im Ergebnis ist aber aus Sicht des ÜNB in vielen Konstellationen damit zu rechnen, dass er bei eigenen Pflichtverletzungen letztlich 400
Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 39 (Stand: Juni 2008); Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 71); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 554 f.; auch: Mätzig, Das Recht der Elektrizitätsversorgungsnetze: Netzbetreiberpflichten zwischen unternehmerischer Eigenverantwortung und staatlicher Steuerung, Essen 2012, S. 338 f.; Bartsch/vom Wege, Die Haftung des Netzbetreibers – Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung, EnWZ 2014, S. 152 ff. (S. 152); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 102. 401 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 165 f.; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 48. 402 Siehe § 7 Abs. 1 EEG 2017; Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 11 Rn. 12; im KWKG ist das Vorliegen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses strittig, vgl. Lührig, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 2, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2014, § 4 KWKG Rn. 8 ff. 403 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 556 f. 404 Zu den Vertragsgestaltungen beim Netzzugang: Laakmann, in: Schöne (Hrsg.), Vertragshandbuch Stromwirtschaft, Frankfurt a.M., 2. Aufl. 2014, S. 108 ff.
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durch den nachgelagerten Verteilnetzbetreiber bzw. Stromlieferanten in Regress genommen wird (vgl. etwa § 15 Abs. 1 S. 3 EEG 2017).405 Allerdings kann mangels eigenen Fehlverhaltens eines nachgelagerten VNB dessen Haftung entfallen und somit auch ein Regress beim ÜNB ausscheiden406 ; hier können aber die Wertungen der sog. Drittschadensliquidation greifen und so doch eine Haftung – trotz Auseinanderfallens von Anspruch und Schaden – konstruiert werden.407 Denkbar ist auch, dass ein neben dem „all-inclusive“-Vertrag bestehender Lieferantenrahmenvertrag zwischen Netzbetreiber und Stromlieferant als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, hier des Letztverbrauchers, ausgestaltet ist.408 Im Übrigen können unabhängig vom Vorhandensein vertraglicher Schuldverhältnisse ggf. deliktische Ansprüche oder solche aus dem Bereich der Gefährdungshaftung geltend gemacht werden (dazu s. u.).409 Die Pflichten aus den genannten Schuldverhältnissen werden nicht verletzt, soweit sich der Maßnahmen ergreifende ÜNB auf bestimmte Handlungsrechte berufen kann und er sich im Rahmen der hierdurch vermittelten Befugnisse bewegt.410 Solche Handlungsrechte folgen grundlegend aus § 13 Abs. 1 EnWG, wonach die ÜNB das Recht und die Pflicht innehaben, Gefährdungen und Störungen für die Sicherheit bzw. Zuverlässigkeit zu beseitigen. Soweit der ÜNB auf marktbezogene Maßnahmen zurückgreifen kann – wozu er auch vorrangig verpflichtet ist –, sind die hierzu geschlossenen Systemdienstleistungs-Verträge maßgeblich (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG). Im Übrigen gelten die gesetzlichen Vorgaben von § 13a Abs. 1 (gesetzlicher Redispatch), § 13 Abs. 2 EnWG (Notmaßnahmen), § 14 EEG 2017 (EinsMan) usw.411 Haftungspflichten können dann ausgelöst werden, wenn der ÜNB gegen geschriebene oder ungeschriebene Vorschriften im Rahmen der Systemverantwortung verstößt und hierdurch Schäden verursacht.412 Entscheidend ist also die Einhaltung 405
KG Berlin, ZNER 2016, S. 48 ff. (S. 49). A.A. ggf. Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 102. 407 Dazu Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 246). 408 Elspas, Haftung der Energieversorgungsunternehmen bei einer Störung der Stromversorgung, in: Gundel/Lange (Hrsg.), Energieversorgung in Zeiten der Energiewende (Tagungsband der Sechsten Bayreuther Energierechtstage 2015), Tübingen 2015, S. 13 ff. (S. 21, 27 f.). 409 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 554 (Fn. 2250). 410 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 557; so im Ergebnis wohl auch Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 138 ff. 411 Vgl. Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 244). 412 Vgl. de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 69 f.); vgl. auch 406
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
der in Teil 2 C. entwickelten Vorgaben zu Reihenfolge und Auswahl der Maßnahmen und Adressaten. Die Auswahl der konkreten Gefahrenbeseitigungsmaßnahme sowie eines bestimmten Adressaten liegt – wie gezeigt – nicht in der freien Entscheidung der ÜNB, sondern folgt grundsätzlich einem festen Schema, das sich explizit oder implizit aus gesetzlichen Vorgaben oder übergreifenden Rechtsgrundsätzen ergibt. Ihr Vorgehen muss insbesondere sachlich begründet, effizient und verhältnismäßig sein. Die potenziellen Fehlerquellen sind dabei vielgestaltig und betreffen sowohl den Bereich prognostischer Einschätzungen (Bsp.: droht eine Gefahr?) als auch den der prognosefreien Fakten (Bsp.: liegt ein Engpass vor oder geht es um eine Frequenzschwankung?).413 Die Bewertung erfolgt immer aus der ex ante-Sicht, es wird also für die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Einschätzung oder Handlung des ÜNB auf den Zeitpunkt vor oder während des Gefährdungsereignisses bzw. der Beseitigungshandlung abgestellt.414 Inwiefern gerichtsfeste Beurteilungsspielräume bestehen können, die sich auf das Eintreten einer Haftung auswirken können, wird in Teil 4 C. untersucht. Haftungsansprüche dürften v. a. dann geltend gemacht werden, wenn Zweifel daran bestehen, dass tatsächlich eine Gefährdung vorlag, wenn nach Ansicht des Handlungsbetroffenen nicht alle Regelungsvoraussetzungen und -vorgaben beachtet wurden bzw., wenn der Handlungsbetroffene vorträgt, dass er nicht der korrekte Maßnahmenadressat war. Nachfolgend sollen die wichtigsten Fehlerquellen kurz aufgelistet werden: – Fehler bei der Bestimmung der relevanten Gefährdungslage (Frequenzschwankung oder Netzengpass) bzw. bei der Frage, ob aus verständiger ex ante-Sicht überhaupt eine Gefährdung droht. Bei der Bewertung, ob ein Engpass vorliegt, kommen theoretisch auch insoweit Missbrauchsfälle in Betracht, als der ÜNB eine Gefährdung fälschlicherweise nicht als Engpass einordnet, um die Entschädigung nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 zu umgehen. – Nicht-Einhalten der korrekten Rangstufe, wenn also beispielsweise Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG herangezogen wurden, obwohl aus verständiger ex ante-Sicht der Einsatz vorhandener marktbezogene Maßnahmen ausreichend gewesen wäre. – Rückgriff auf nachgelagerte Netzbetreiber, obwohl die Gefährdung aus verständiger ex ante-Sicht auch durch Maßnahmen im eigenen Netz des ÜNB hätte beseitigt werden können (§ 14 Abs. 1c EnWG). Ausnahmen gelten allerdings dann, wenn dem ÜNB nur noch die Drosselung privilegierter Anlagen zur Verfügung stünde.415 Ein Fehlverhalten bzw. Verschulden eines nachgelagerten Netzbetreibers muss sich der ÜNB zudem nicht zurechnen lassen, denn nachgelagerte König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 556 f. 413 Vgl. Teil 2 C.III. 414 Vgl. u. a. Teil 2 A.I.1. und Teil 2 B.IV.1. 415 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 98 f., 139.
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Netzbetreiber sind in der Regel416 nicht Erfüllungsgehilfen des ÜNB.417 Allerdings ist zu beachten, dass die nachgelagerten Netzbetreiber im Falle der Anforderung durch den ÜNB nach § 14 Abs. 1c EnWG nicht das „ob“ einer Maßnahme, also die grundsätzliche Erforderlichkeit des Tätigwerdens, überprüfen müssen.418 Die Einhaltung der VDE-Anwendungsregel zur Kaskade419 ist im Übrigen im Rahmen von § 14 Abs. 1c EnWG künftig von Bedeutung.420 – Verletzung des Vorrangprinzips hinsichtlich der Einspeisung aus EE-, Grubengasund hocheffizienten KWK-Anlagen (vgl. § 13 Abs. 3 EnWG und § 14 EEG 2017) oder Verletzung der Voraussetzungen des EinsMan nach § 14 EEG 2017. Ggf. liegt einem diesbezüglichen Fehler eine missbräuchlich falsche Einordnung einer konventionellen Anlage als must-run zugrunde. Denkbar ist auch, dass keine Anlagen im Sinne von Verträgen nach § 13 Abs. 6a EnWG angesteuert werden, bevor auf EE zurückgegriffen wird. Abregelungen von privilegierten Anlagen sind generell zulässig, soweit keine technisch gleich wirksamen anderen Maßnahmen herangezogen werden können (§ 13 Abs. 3 S. 5 a.E. EnWG). – Heranziehung privilegierter Erzeugungsanlagen zum Redispatch oder Einsatz von derzeit nicht betriebsbereiten konventionellen Erzeugungsanlagen bzw. von zusätzlichen Reserven, obwohl noch betriebsbereite Anlagen an der richtigen Stelle im Netz zur Verfügung stehen bzw. ein Rückgriff auf Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG erfolgen kann. – Fehler unmittelbar bei der Auswahl des korrekten Adressaten (geschriebene und ungeschriebene Vorgaben). Beim Einsatz von Regelenergie betrifft das etwa die Einhaltung der merit order der gebotenen Arbeitspreise, beim gesetzlichen Redispatch die Anlagenauswahl anhand eines Quotienten aus netzstützender Wirkung und zu entrichtender Vergütung, bei Notmaßnahmen die Berücksichtigung der Maßnahmeneffizienz, beim EinsMan die Einhaltung der Regelungen des § 14 Abs. 1 S. 2 und 3 EEG 2017 (kleine PV nachrangig, auswahlspezifisches Vorrangprinzip, Sensitivitätsanalyse) usw. Keine insoweit relevante Fehlerquelle ist ein schuldhaft unterbliebener Netzausbau (§ 11 Abs. 1 S. 1 EnWG, § 12 EEG 2017); dieser ist grundsätzlich getrennt 416
Eine Ausnahme gilt gemäß der BNetzA beim gesetzlichen Redispatch, BNetzA, Beschluss vom 30. 10. 2012, BK6 – 11 – 098, S.49, 57 ff. 417 De Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 70); a.A. Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 101. 418 De Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 69 f.); Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 244). 419 VDE-AR-N-4140. 420 Rieke/Weise/Hartmann, Entwurf einer VDE-AR zur Kaskade – eine rechtliche Einordnung, ER 2016, S. 78 ff. (S. 81).
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
von der Ergreifung von Netzsicherheitsmaßnahmen zu bewerten.421 Soweit Fehler, wie sie soeben dargestellt wurden, gegenüber Maßnahmeadressaten erfolgen, die ohnehin eine Vergütung oder einen sonstigen Ausgleich erlangen, sind sie im Hinblick auf die Auszahlung dieser Vergütung grundsätzlich ohne Belang; es können jedoch hierdurch weitergehende Ansprüche entstehen. Hier sei insbesondere die Härtefallentschädigung nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 genannt, für deren Anfall es ausschließlich darauf ankommt, dass eine privilegierte Anlage aufgrund eines Netzengpasses422 i.S.v. § 14 Abs. 1 EEG 2017 abgeregelt wurde.423 Auch wenn ein Netzbetreiber, ggf. fälschlicherweise, eine privilegierte Anlage nach § 13 Abs. 2 EnWG regelt bzw. nicht alle Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 (Nr. 2 und 3) EEG 2017 vorliegen, hat er nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 eine Entschädigung zu leisten.424 Im Falle einer rechtswidrigen Abregelung kommt jedoch eine Entschädigung zu 100 Prozent in Betracht, d. h. die an sich nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 nicht ersetzten Einnahmenausfälle – für entgangene Einnahmen bis 1 Prozent der Jahresgesamteinnahmen erfolgt nur eine Erstattung in Höhe von 95 Prozent – können im Wege des Schadenersatzes verlangt werden (vgl. § 15 Abs. 3 EEG 2017).425 Die Haftungsprivilegierung nach § 13 Abs. 5 EnWG steht dem dann nicht entgegen (dazu näher s. u.). Der Netzbetreiber kann Kosten, die nicht rechtmäßig zustande gekommen sind, nicht über die Netzentgelte auf die Netznutzer
421 A.A. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 557. 422 Zu der Fallkonstellation, dass (aus ex ante-Sicht?) bereits kein Netzengpass vorlag: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 162 ff. 423 Teil 3 A.I.3. Hier besteht eine gewisse Missbrauchsgefahr, wenn der Netzbetreiber bewusst eine falsche Einschätzung vornimmt („Gefahr, aber kein Engpass“). 424 Schumacher, Die Neuregelungen zum Einspeise- und Engpassmanagement, ZUR 2012, S. 17 ff. (S. 21); Schwintowski, Der Anspruch auf Schadensersatz und Einspeisevergütung bei der Abschaltung von Anlagen Erneuerbarer Energien, EWeRK 2012, S. 131 ff. (S. 138); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 171 f.; Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-EnergienGesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 23 f., 35 ff.; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 569 ff.; Walter/ Huber/Müller, Einspeisemanagement im EEG, in: Loibl/Maslaton/von Bredow/Walter (Hrsg.), Biosgasanlagen im EEG, 3. Aufl., Berlin 2013, S. 173 ff. (S. 200); Schäfermeier, in: Reshöft/ Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 30, § 12 Rn. 10 f.; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-EnergienGesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 3 f., 15; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 10, 20 f. 425 Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, BadenBaden 2012, S. 172; Schäfermeier, in: Reshöft/Schäfermeier (Hrsg.), Erneuerbare-EnergienGesetz, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 11 Rn. 30; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 75, § 15 Rn. 46, 48.
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umlegen (§ 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017), da die den Kosten zugrundeliegende Maßnahme nicht als „erforderlich“ einzuordnen ist.426 Die von Maßnahmen des ÜNB Betroffenen erhalten die erforderlichen Informationen, um Schadenersatzansprüche aufgrund von bestimmten Pflichtverletzungen geltend zu machen, im Wege der Informationspflichten des ÜNB (§ 13 Abs. 7 EnWG, § 14 Abs. 3 EEG 2017427).428 3. Weiteres haftungsauslösendes Fehlverhalten; Gefährdungshaftung Weiteres haftungsauslösendes Fehlverhalten kann sich etwa aus der Verletzung von Rechtsgütern im Sinne des Deliktsrechts (§§ 823 ff. BGB) durch eine dem ÜNB zurechenbare Verletzungshandlung ergeben. Werden also im Rahmen der Wahrnehmung oder Nicht-Wahrnehmung der Systemverantwortung etwa Personen- oder Sachschäden verursacht, kann dies dazu führen, dass der ÜNB im Falle des Verschuldens Schadenersatz leisten muss. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass eine bestimmte Pflicht aus einem vertraglichen Schuldverhältnis verletzt wird. Ggf. greifen auch Haftungstatbestände aus dem Bereich der Gefährdungshaftung. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie kein Verschulden voraussetzt, zudem kommt es in bestimmten Fällen nicht einmal auf das Vorliegen eines Fehlverhaltens an.429 Im Übrigen können sich auch Haftungsfälle ergeben, indem der ÜNB Pflichten aus Systemdienstleistungsverträgen (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG) verletzt oder nicht seinen Informationspflichten nach § 13 Abs. 7 EnWG, § 15 Abs. 3 EEG 2017 o. ä. genügt.
III. Einschlägige Haftungstatbestände Nachdem die wesentlichen Aspekte der Haftungsrisiken des ÜNB im Zusammenhang herausgearbeitet wurden, soll nun in der gebotenen Kürze dargestellt werden, auf welche Haftungstatbestände sich die Anspruchsteller konkret stützen können. Hier ist insbesondere an die §§ 280 ff. BGB zu denken, die den Schadenersatz wegen einer Pflichtverletzung regeln. In § 280 Abs. 1 BGB heißt es hierzu: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz 426
Teil 3 A.III.4. Hier wird – wie bei § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017 – die „Erforderlichkeit“ der Maßnahme thematisiert. 428 Teil 2 D.II. 429 Vgl. Bartsch/vom Wege, Die Haftung des Netzbetreibers – Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung, EnWZ 2014, S. 152 ff. (S. 152). 427
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“ Die §§ 280 ff. BGB kommen demnach bei den in Teil 3 B.II.2 angesprochenen Verletzungen von Leistungspflichten aus einem Schuldverhältnis, also insbesondere bei Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Netznutzungsvertrag, in Betracht.430 Der ÜNB wird insoweit ggf. von nachgelagerten Netzbetreibern oder Stromlieferanten in Regress genommen, soweit kein separater Netznutzungsvertrag zwischen ihm und dem Antragsteller besteht.431 Er haftet für eigenes Verschulden, eine Zurechnung des Verschuldens nachgelagerter Netzbetreiber erfolgt grundsätzlich nicht.432 Allerdings ist zu beachten, dass die nachgelagerten Netzbetreiber im Falle der Anforderung durch den ÜNB nach § 14 Abs. 1c EnWG nicht das „ob“ einer Maßnahme, also die grundsätzliche Erforderlichkeit des Tätigwerdens, überprüfen müssen.433 Hierfür hat also der ÜNB einzustehen. Neben der Haftung aus vertraglichem Schuldverhältnis kommt eine deliktische Haftung nach § 823 BGB in Betracht. Nach § 823 Abs. 1 BGB gilt Folgendes: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ Hiernach ist also Schadenersatz zu leisten, wenn der ÜNB widerrechtlich und schuldhaft ein Rechtsgut434 verletzt. Das Deliktsrecht dürfte v. a. in den in Teil 3 B.II.1 angesprochenen Unterlassens-Fällen sowie bei der Betroffenheit Dritter einschlägig sein. Ein vertragliches Schuldverhältnis zwischen ÜNB und Geschädigtem ist hier nicht erforderlich. Denkbar ist an sich auch die Heranziehung von § 823 Abs. 2 BGB, wonach auch von demjenigen Schadenersatz zu leisten ist, „welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt.“ Ein solches Schutzgesetz muss dabei zumindest auch dem Individualinteresse zu dienen bestimmt sein.435
430 Bartsch/vom Wege, Die Haftung des Netzbetreibers – Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung, EnWZ 2014, S. 152 ff. (S. 152); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 555 (auch zur Möglichkeit des vertraglichen Ausschlusses der Gewährung von Netzzugang in Fällen höherer Gewalt o. ä.). 431 KG Berlin, ZNER 2016, S. 48 ff. (S. 49). 432 De Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 70). 433 De Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 69 f.). 434 Eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb scheidet hier wohl aus, Elspas, Haftung der Energieversorgungsunternehmen bei einer Störung der Stromversorgung, in: Gundel/Lange (Hrsg.), Energieversorgung in Zeiten der Energiewende (Tagungsband der Sechsten Bayreuther Energierechtstage 2015), Tübingen 2015, S. 13 ff. (S. 22). Denkbar sind aber insbesondere Eigentumsverletzungen. 435 Wagner, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., München 2013, § 823 BGB Rn. 405.
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Dieses muss nicht im Mittelpunkt stehen, ein bloß reflexartiger Individualschutz genügt jedoch nicht.436 § 13 Abs. 1 EnWG, der die Verpflichtung der ÜNB zur Beseitigung von Gefährdungen und Störungen für die Sicherheit bzw. Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems enthält, dient grundsätzlich nicht dem Individualschutz und kann damit nicht als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB eingeordnet werden.437 Geschützt ist dem Wortlaut nach nur die Elektrizitätsversorgung als solche, ohne dass der Einzelne hieraus bestimmte weitergehende Rechte ableiten kann.438 Dies zeigt sich auch daran, dass die im Rahmen der Systemverantwortung zulässigen Maßnahmen gerade erlauben, die Versorgung Einzelner zu unterbrechen, um die Gesamtversorgung zu erhalten (vgl. etwa § 13 Abs. 2 EnWG). Der Einzelne wird hier im Zweifelsfall also geradezu für die Allgemeinheit „geopfert“. Anders ist die Rechtslage bezüglich der Netzanschluss- und Netzzugangsansprüche nach §§ 17 ff. und 20 ff. EnWG, diese regeln individuelle Rechte der Anschluss- bzw. Zugangswilligen.439 Insoweit kann § 823 Abs. 2 BGB also anwendbar sein.440 Weitere potenzielle Haftungstatbestände ergeben sich aus dem Bereich der Gefährdungshaftung.441 In Betracht kommt zunächst § 1 Abs. 1 ProdHaftG, wonach eine Haftung für fehlerhafte Produkte normiert wird. In der Norm heißt es: „Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“ Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Sachbeschädigungen sind nur insoweit von der Anspruchsgrundlage erfasst, als es um die Beschädigung einer anderen Sache – also nicht um das fehlerhafte Produkt selbst – geht (§ 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG). Zudem muss die Sache gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten auch hauptsächlich genutzt worden sein. Nach § 2 ProdHaftG 436 Wagner, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., München 2013, § 823 BGB Rn. 405 m.w.N. 437 Vgl. auch: Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 40 (Stand: Juni 2008); Theobald/Zenke/Dessau, in: Schneider/ Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 15 Rn. 136; ebenso de Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 103; a.A. tendenziell Elspas, Haftung der Energieversorgungsunternehmen bei einer Störung der Stromversorgung, in: Gundel/Lange (Hrsg.), Energieversorgung in Zeiten der Energiewende (Tagungsband der Sechsten Bayreuther Energierechtstage 2015), Tübingen 2015, S. 13 ff. (S. 24). 438 Vgl. Wagner, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., München 2013, § 823 BGB Rn. 407. 439 Dies lässt sich aus § 32 Abs. 3, 4 EnWG ableiten, Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 32 Rn. 20. 440 Vgl. auch Theobald/Zenke/Dessau, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 15 Rn. 136. 441 Vgl. etwa Bartsch/vom Wege, Die Haftung des Netzbetreibers – Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung, EnWZ 2014, S. 152 ff. (S. 154 f.).
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gilt Elektrizität als Produkt im Sinne des ProdHaftG, so dass der Bereich der Elektrizitätsversorgung grundsätzlich von der Haftung erfasst wird.442 Ungeklärt ist jedoch, ob ein Netzbetreiber auch Hersteller im Sinne von § 4 ProdHaftG sein kann.443 Der Bundesgerichtshof hat bislang nur insoweit eine Klärung herbeigeführt, dass solche Netzbetreiber erfasst sind, die Strom von einer Netzebene in eine andere transformieren.444 Kommt man zu dem Ergebnis, dass der ÜNB als Hersteller des Stroms nach § 4 ProdHaftG zu werten ist, muss ferner beachtet werden, dass § 1 Abs. 2 ProdHaftG bestimmte Ausnahmevorschriften enthält, nach denen eine Haftung entfällt.445 Nach der Rechtsprechung des BGH liegt dabei ein „Inverkehrbringen“ von Elektrizität erst mit der Lieferung des Netzbetreibers über den Netzanschluss an den Anschlussnutzer vor.446 Der Ausschlussgrund des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG447, der hieran anknüpft, kommt damit regelmäßig nicht in Betracht, so dass eine Haftung möglich ist. Insgesamt ist im Zusammenhang mit der Haftung von Netzbetreibern nach dem ProdHaftG allerdings noch Vieles ungeklärt.448 Eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Einzelfragen würde den in dieser Abhandlung zu weit führen. Jedenfalls kann darauf hingewiesen werden, dass Ansprüche nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG gegen den ÜNB denkbar sind. Die Nichtlieferung von Strom stellt aber jedenfalls keinen Fehler des Produktes Elektrizität dar.449 Ein zweiter relevanter Gefährdungshaftungstatbestand findet sich im Haftpflichtgesetz. Hier wird in § 2 Abs. 1 HaftPflG auf die Wirkungen von Elektrizität Bezug genommen: „Wird durch die Wirkungen von Elektrizität, Gasen, Dämpfen oder Flüssigkeiten, die von einer Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage oder einer 442 Ausführlich hierzu: Kermel/Klindt/Wende, Die Haftung des Verteilnetzbetreibers für Überspannungsschäden – Energiewirtschaft trifft auf Produkthaftung, RdE 2015, S. 281 ff., gleichzeitig eine kritische Auseinandersetzung mit BGH, RdE 2014, S. 234 ff. 443 Vgl. Bartsch/vom Wege, Die Haftung des Netzbetreibers – Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung, EnWZ 2014, S. 152 ff. (S. 154). 444 BGH, RdE 2014, S. 234 ff. (S. 234, 237); Schreiber/Salmen, Die allgemeine gesetzliche Haftung von Netzbetreiber und -eigentümer, RdE 2017, S. 62 ff. (S. 64); kritisch: Kermel/ Klindt/Wende, Die Haftung des Verteilnetzbetreibers für Überspannungsschäden – Energiewirtschaft trifft auf Produkthaftung, RdE 2015, S. 281 ff. (S. 281 f.). 445 Dazu: Bartsch/vom Wege, Die Haftung des Netzbetreibers – Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung, EnWZ 2014, S. 152 ff. (S. 155). 446 BGH, RdE 2014, S. 234 ff. (S. 234, 237); kritisch: Kermel/Klindt/Wende, Die Haftung des Verteilnetzbetreibers für Überspannungsschäden – Energiewirtschaft trifft auf Produkthaftung, RdE 2015, S. 281 ff. (S. 285). 447 § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG: „Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn […] 2. nach den Umständen davon auszugehen ist, daß das Produkt den Fehler […], noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte.“ 448 Kermel/Klindt/Wende, Die Haftung des Verteilnetzbetreibers für Überspannungsschäden – Energiewirtschaft trifft auf Produkthaftung, RdE 2015, S. 281 ff.; Ehring, Der Netzbetreiber als Hersteller i.S.d. ProdHaftG (Teil 1), ZNER 2017, S. 114 ff. (S. 116 ff.). 449 De Wyl/Thole/Bartsch, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 16 Rn. 91.
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Anlage zur Abgabe der bezeichneten Energien oder Stoffe ausgehen, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Inhaber der Anlage verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“ Weiter heißt es: „Das gleiche gilt, wenn der Schaden, ohne auf den Wirkungen der Elektrizität, der Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten zu beruhen, auf das Vorhandensein einer solchen Anlage zurückzuführen ist, es sei denn, daß sich diese zur Zeit der Schadensverursachung in ordnungsmäßigem Zustand befand.“ Ein solcher ordnungsmäßiger Zustand liegt vor, solange die Anlage den „anerkannten Regeln der Technik entspricht und unversehrt ist.“450 Nicht unter diese Norm fallen jedoch wohl die Fälle, in denen der Netzzugang aufgrund von Netzsicherheitsmaßnahmen oder aufgrund eines Blackouts unterbrochen ist, denn in solchen Fällen erfüllt die Stromleitung ihre bestimmungsmäßige Aufgabe – die Versorgung mit Strom – gerade nicht, von ihr gehen also keine „Wirkungen“ aus.451 Die Unterbrechung der Versorgung ist auch nicht auf das „Vorhandensein“ der Anlage zurückzuführen.452 Wird nicht die Unterbrechung als Schaden geltend gemacht, sondern geht es um Schäden an sonstigen Rechtsgütern, dürfte § 2 HaftPflG aber durchaus anwendbar sein. Hier sind jedoch die Ausnahmevorschriften nach Absatz 3 zu beachten.453 Auch das EEG selbst enthält einen spezifischen Schadenersatzanspruch in § 13 EEG 2017. Dieser betrifft allerdings keine unmittelbaren Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung oder Nicht-Wahrnehmung der Systemverantwortung, sondern bezieht sich nur auf pflichtwidrig defizitären Netzausbau, also die Verletzung von Ausbaupflichten nach § 12 EEG 2017.454 Netzausbau und Engpassmanagement stehen grundsätzlich unabhängig nebeneinander. So ergibt sich dann auch aus § 15 Abs. 3 EEG 2017, bezüglich der Härtefallentschädigung privilegierter Erzeugungsanlagen im Falle der engpassbedingten Abregelung, dass Schadenersatzansprüche von Anlagenbetreibern gegen den Netzbetreiber unberührt 450
Hier ist die VDE-Anwendungsregel zur Kaskade relevant, VDE-AR-N-4140. Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007, S. 249; Mätzig, Das Recht der Elektrizitätsversorgungsnetze: Netzbetreiberpflichten zwischen unternehmerischer Eigenverantwortung und staatlicher Steuerung, Essen 2012, S. 339; de Wyl/ Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 70); Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 245); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 144 ff.; Schreiber/ Salmen, Die allgemeine gesetzliche Haftung von Netzbetreiber und -eigentümer, RdE 2017, S. 62 ff. (S. 64). 452 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, Tübingen 2016, S. 146 f. 453 Hierzu: Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007, S. 249 f.; Bartsch/vom Wege, Die Haftung des Netzbetreibers – Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung, EnWZ 2014, S. 152 ff. (S. 154). 454 Eng auszulegen, vgl. Altrock/Thomas, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 10 Rn. 8; vgl. auch Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 168 f. 451
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bleiben, also im Falle des Vorliegens ihrer Voraussetzungen neben der Härtefallentschädigung verlangt werden können. Schließlich ist noch auf § 32 EnWG hinzuweisen. Diese Norm enthält einen Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch (§ 32 Abs. 1 EnWG) sowie einen Schadenersatzanspruch (§ 32 Abs. 3 EnWG) bei Verstößen gegen Vorschriften der Abschnitte 2 und 3 des EnWG bzw. der aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Rechtsverordnungen oder Entscheidungen der Regulierungsbehörde. Die Regelungen zur Systemverantwortung in den §§ 13 ff. EnWG befinden sich in Abschnitt 1 und werden deshalb von § 32 EnWG nicht erfasst.455 Die Regelungen zum Netzanschluss- und Netzzugangsanspruch in §§ 17 ff. und 20 ff. EnWG sind allerdings innerhalb des von § 32 EnWG abgedeckten Regelungsbereichs normiert, systemverantwortungsbedingte Pflichtverletzungen bezüglich Netzanschluss und Netzzugang können also ggf. über § 32 EnWG geltend gemacht werden.456
IV. Einschlägige Privilegierungstatbestände Liegen sämtliche Voraussetzungen eines in Teil 3 B.III. genannten Schadenersatzanspruches vor, kann eine Haftung des ÜNB dennoch ausscheiden, wenn ein Privilegierungstatbestand einschlägig ist.457 Hier ist in erster Linie § 13 Abs. 5 S. 1, 3 EnWG von Bedeutung. Satz 1 regelt, dass „im Falle einer Anpassung nach [§ 13] Absatz 2 Satz 1“ bis zur Beseitigung der Gefährdung oder Störung „alle hiervon jeweils betroffenen Leistungspflichten“ ruhen. Unter anderem aus dieser Vorschrift wurde in dieser Abhandlung bereits abgeleitet, dass im Falle der Anwendung von Notmaßnahmen keine Vergütungen zu zahlen sind.458 In diesem Zusammenhang wurde auch herausgearbeitet, dass nach § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG die synallagmatischen Leistungspflichten zwischen dem ÜNB und dem Maßnahmeadressaten ruhen.459 Im Falle der Abregelung von Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen betrifft dies in erster Linie die Netzanschlussbzw. Netznutzungsverträge, die die Ansprüche der Netznutzer auf Zugang zu den 455 Vgl. dazu auch Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007, S. 250 f. 456 A.A. Elspas, Haftung der Energieversorgungsunternehmen bei einer Störung der Stromversorgung, in: Gundel/Lange (Hrsg.), Energieversorgung in Zeiten der Energiewende (Tagungsband der Sechsten Bayreuther Energierechtstage 2015), Tübingen 2015, S. 13 ff. (S. 21); a.A. offensichtlich auch Weyer, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 32 EnWG Rn. 6. 457 Haftungsprivilegierungen finden sich etwa auch in § 10 ProdHaftG bzw. § 10 HaftPflG (Haftungshöchstbeträge), hier nicht näher behandelt. 458 Teil 3 A.I.2. 459 Die Aufgabenerfüllung nach § 13 EnWG ruht selbstverständlich ebenfalls nicht, da sie auf das gesamte Energieversorgungssystem bezogen ist und nicht nur das Verhältnis zur abgeregelten Erzeugungsanlage berührt, Teil 3 A.II.
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Elektrizitätsversorgungsnetzen vermitteln (vgl. v. a. § 20 Abs. 1, 1a EnWG).460 Wird der Zugang aufgrund von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG unterbrochen, so führt dies dazu, dass in der Zeit der Unterbrechung keine vertraglichen oder gesetzlichen Leistungspflichten ausgelöst werden.461 Somit können solche im Ergebnis auch nicht verletzt werden und damit zu Entschädigungsansprüchen nach den §§ 280 ff. BGB führen.462 Konsequenterweise betrifft dies auch Fälle, in denen Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen hochgefahren werden463, was Kosten für erhöhten Brennstoffeinsatz oder zusätzlichen Strombezug (EEG-Umlage, Stromsteuer usw.) generieren dürfte. Die Betroffenen können ihre Kosten für diese überobligatorischen Leistungen464 hier nicht gegenüber den ÜNB geltend machen, also weder im Sinne einer Vergütung noch durch das Geltendmachen von Schadenersatz. Durch § 13 Abs. 5 EnWG sollen die ÜNB vor unabsehbaren, da vertraglich oder gesetzlich nicht geregelten, monetären Entschädigungsansprüchen geschützt werden.465 Es soll kein „Anreiz zum Untätigbleiben“ entstehen.466 Die Haftung entfällt gemäß § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG jedoch nur, wenn die Notmaßnahmen aus ex ante-Sicht rechtmäßig angewandt wurden.467 Zwar könnte man aus dem Wortlaut von § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG, nach dem nur die tatsächliche Ergreifung einer Notmaßnahme relevant ist („im Falle einer Anpassung nach Absatz 2 Satz 1“), auch zu der Einschätzung gelangen, dass die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht von Bedeutung ist.468 Hinzu kommt, dass es in § 13 Abs. 5 S. 3 EnWG bezüglich der Haftung für Vermögensschäden im Gegensatz dazu gerade auf das „Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2“ ankommt und somit eine abweichende Regelung getroffen wird. Jedoch erschiene eine uneinheitliche Anwendung 460
Sötebier, Folgen des Einspeisemanagements für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, ER 2012, S. 69 ff. (S. 71); vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 554 f. 461 De Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 69). 462 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 565; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 126. 463 Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 556 f. (bei Lastzuschaltung: „überobligatorische Leistung der Anlagenbetreiber“). 464 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 556 f. 465 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 38; vgl. auch Erbring/Kuring/ Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 197, 210. 466 BT-Drs. 15/3917, S. 57; Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 75). 467 Siehe bereits Teil 3 A.I.2. 468 Vgl. auch Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 45.
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der Sätze 1 und 3 kaum nachvollziehbar.469 Zudem ist es nicht einzusehen, warum die Rechtsfolge des Ruhens von Leistungspflichten nicht an die rechtmäßige Heranziehung von § 13 Abs. 2 EnWG geknüpft sein soll; nur hierdurch wird sichergestellt, dass die ÜNB bei der Maßnahmenergreifung nicht willkürlich vorgehen.470 Bezüglich der prognostischen Einschätzungsbereiche ist aber dabei auf die ex anteSicht des handelnden ÜNB abzustellen.471 Soweit dieser nach objektiven Maßstäben davon ausgehen konnte, dass ihm dabei außer dem Rückgriff auf Notmaßnahmen keine andere Wahl verbleibt, ist seine Handlung rechtmäßig – und zwar auch dann, wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass tatsächlich keine Gefährdung des Elektrizitätsversorgungssystems eingetreten wäre. Generell gilt im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Notmaßnahme das in Teil 2 C. herausgearbeitete. § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG schützt den ÜNB vor Ersatzansprüchen also nur dann, wenn er nach bestem Wissen und Gewissen zum Zeitpunkt vor oder bei Ergreifung der Maßnahme rechtmäßig gehandelt hat. Da auch im Falle der rechtmäßigen Anwendung von § 13 Abs. 2 EnWG hinsichtlich des Netzzugangs eines Maßnahmeadressaten jedenfalls ein Fall der Unmöglichkeit vorliegt – die verhinderte Netznutzung zu einem Zeitpunkt x kann nicht später zu einem Zeitpunkt y nachgeholt werden –, könnten an sich Schadenersatzansprüche nach den §§ 275, 280 ff. BGB entstehen.472 Die Pflichtverletzung liegt dann in der Unmöglichkeit der Gewährung von Netzzugang. Hier greift aber § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG und schützt den ÜNB vor 469
Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 45; vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 566 f. 470 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 45; Theobald, in: Danner/ Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 39 (Stand: Juni 2008); Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 209; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 187); de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 69); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 567; BDEW/VKU, Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 31; vgl. auch Sötebier, in: Britz/ Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 133. 471 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 209; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 184); de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 69); König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 557, 566 f.; Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 52; vgl. auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/ Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 134 f. 472 Vgl. dazu: Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 169 f.; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 556.
B. Haftungsrisiken beim Handeln oder Nichthandeln
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der Haftung. Die Vergütungsfreiheit von rechtmäßigen Notmaßnahmen kann also nicht über das Haftungsrecht umgangen werden. Die Haftungsprivilegierung gilt auch bei EinsMan-Maßnahmen (§ 14 EEG 2017), da diese nur einen Unterfall der Notmaßnahmen bilden (§ 13 Abs. 3 S. 3 EnWG).473 § 15 Abs. 3 EEG 2017, wonach Schadenersatzansprüche von der Auszahlung der Härtefallentschädigung nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 unberührt bleiben, hat rein deklaratorische Wirkung474 und steht dem nicht entgegen. Im Falle der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme ist § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG ja ohnehin nicht anwendbar (vgl.o.), so dass eine Haftung ausgelöst werden kann.475 Insgesamt lässt sich feststellen, dass § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG im Rahmen der in diesem Kapitel untersuchten Haftungsrisiken letztlich keine echte Bedeutung aufweist, da die Privilegierung immer dann nicht greift, wenn – wie hier grundsätzlich vorausgesetzt (Teil 3 B.II.) – ein Fehlverhalten des ÜNB vorliegt.476 Es besteht zudem keine Privilegierung hinsichtlich der Einhaltung von Nebenpflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB.477 Auch § 13 Abs. 5 S. 3 EnWG, der bei Notmaßnahmen generell die Haftung für Vermögensschäden (z. B. entgangener Gewinn) ausschließt, hilft regelmäßig nicht weiter, da hier ebenfalls die Rechtmäßigkeit der Maßnahme Voraussetzung für das Eingreifen der Privilegierung ist (hier bereits dem Wortlaut nach, vgl. o.).478 Eine rechtmäßige Maßnahme löst aber keine deliktische Haftung (§§ 823 ff. BGB) aus, da die ÜNB nach § 13 Abs. 1 und 2 EnWG zur Maßnahmendurchführung verpflichtet sind und sich somit eine Recht-
473 A.A. offensichtlich König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 48. 474 Vgl. etwa Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 87. 475 Vgl. dazu: Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 12 Rn. 87; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 575; Ehricke/Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 15 Rn. 82; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 48; Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 15 Rn. 16. 476 Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 187); Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 245). 477 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 41; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 209; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 565. 478 Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 187); de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 69).
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
fertigung ergibt (Handlungsrecht).479 War die Maßnahme nicht rechtmäßig, dann kommt nicht nur eine deliktische Haftung für Vermögensschäden (§ 13 Abs. 5 S. 3 EnWG) in Betracht, sondern bereits eine Haftung für die Verletzung von Leistungspflichten (§ 13 Abs. 5 S. 1 EnWG).480 Eine echte Relevanz der Vorschrift des § 13 Abs. 5 S. 3 EnWG entfaltet sich allenfalls im Bereich der Gefährdungshaftung (aber auch insoweit nur bei rechtmäßiger Maßnahmenergreifung).481 Die Haftung für Personen- und Sachschäden wird von § 13 Abs. 5 S. 3 EnWG ohnehin nicht tangiert und bleibt bestehen. Neben den speziellen Privilegierungsvorschriften in den Sätzen 1 und 3 enthält § 13 Abs. 5 EnWG in Satz 4 auch eine Verweisung auf § 11 Abs. 3 EnWG (gemeint ist § 11 Abs. 4 EnWG n.F.), der unberührt bleiben soll.482 Danach können in Rechtsverordnungen Regelungen zur Haftung von Netzbetreibern aus Vertrag und unerlaubter Handlung für Sach- und Vermögensschäden getroffen werden, „die ein Kunde durch Unterbrechung der Energieversorgung oder durch Unregelmäßigkeiten in der Energieversorgung erleidet.“ Möglich sind Beschränkungen der Haftung auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Verursachung sowie der Höhe nach; auch ein vollständiger Haftungsausschluss kommt in Betracht, soweit ein solcher „zur Vermeidung unzumutbarer wirtschaftlicher Risiken des Netzbetriebs im Zusammenhang mit Verpflichtungen nach § 13 Absatz 2, § 13b Absatz 5 und § 13 f Absatz 1, auch in Verbindung mit § 14, und § 16 Absatz 2 und 2a, auch in Verbindung mit § 16a, erforderlich ist.“ Der Verordnungsgeber hat hiervon teilweise Gebrauch gemacht und in § 18 NAV für Letztverbraucher im Niederspannungsnetz (§ 18 EnWG i.V.m. § 1 NAV) eine Haftungsprivilegierung bei Störungen der Anschlussnutzung geregelt.483 Diese gilt nach § 25a StromNZV darüber hinaus bei Störungen der Netznutzung entsprechend – ebenfalls nur bezogen auf Letztverbraucher in Niederspannung.484 § 18 NAV (ggf.
479 Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 187); de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 69). 480 Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 187). 481 Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 187); vgl. dazu auch Voß/Weise, Leistungspflichten und Haftung im Rahmen der Kaskade nach §§ 13, 14 EnWG, IR 2016, S. 242 ff. (S. 245). 482 Zu beachten ist auch § 13 Abs. 5 S. 5 EnWG: „Die Sätze 3 und 4 [des § 13 Abs. 5 EnWG] sind für Entscheidungen des Betreibers von Übertragungsnetzen im Rahmen von § 13b Absatz 5, § 13 f Absatz 1 und § 16 Absatz 2a entsprechend anzuwenden.“ 483 Ausführlich hierzu Tamke, Die Haftungsprivilegierung für Netzbetreiber bei Störungen der Anschlussnutzung, Baden-Baden 2014, S. 154 ff. 484 A.A.: Mätzig, Das Recht der Elektrizitätsversorgungsnetze: Netzbetreiberpflichten zwischen unternehmerischer Eigenverantwortung und staatlicher Steuerung, Essen 2012,
B. Haftungsrisiken beim Handeln oder Nichthandeln
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i.V.m. § 25a StromNZV) gilt nicht im Bereich der Gefährdungshaftung.485 Bei allenfalls fahrlässig verursachten Sachschäden greift hier eine individuelle Haftungsbeschränkung auf jeweils 5.000 E sowie eine Gesamtbeschränkung je Schadenereignis auf 2,5 bis 40 Millionen Euro bei nicht vorsätzlich verursachten (Sach-) Schäden, abhängig von der Menge der an das Netz angeschlossenen Anschlussnutzer (§ 18 Abs. 2 NAV). Dies gilt im Übrigen entsprechend bei der Einspeisung von Strom aus EE oder Grubengas (§ 10 Abs. 3 EEG 2017). Bei grob fahrlässig verursachten Vermögensschäden erfolgt ebenfalls eine Beschränkung auf 5.000 E; die Gesamtbeschränkung beträgt für alle Vermögensschäden 20 Prozent der Werte für Sachschäden (§ 18 Abs. 4 NAV). Nach § 1 Abs. 1 S. 2 NAV ist die Haftung bei Vermögensschäden bei einfacher Fahrlässigkeit ohnehin ausgeschlossen. Die Ersatzpflicht entfällt zudem für Schäden unter 30 Euro, wenn sie weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht worden sind (§ 18 Abs. 6 NAV). Bei Personenschäden greifen keine Einschränkungen der Haftung. Oberhalb der Niederspannung und für sonstige Einspeiser hat der Verordnungsgeber bislang keine Regelungen erlassen. Allerdings sind individuelle vertragliche Vereinbarungen, angelehnt an § 18 NAV, vorbehaltlich der AGB-Kontrolle möglich und wohl auch üblich.486
V. Zwischenfazit; keine Abwälzungsmöglichkeiten Die Ausführungen zu den Haftungsrisiken der ÜNB haben gezeigt, dass durchaus die Gefahr besteht, dass im Einzelfall neben den Kosten für Vergütungs- und Ausgleichspflichten zusätzliche Kosten auf die ÜNB zukommen können. Hier sind verschiedenste Konstellationen denkbar. Entscheidend ist dabei vor allem, dass aufgrund eines Fehlverhaltens des ÜNB Schäden verursacht werden. Zu denken ist etwa an das gänzliche Unterlassen von Gefahrenabwendungsmaßnahmen, das Verletzen von Netzzugangsrechten durch die Nicht-Einhaltung geschriebener oder ungeschriebener Vorschriften im Rahmen der Systemverantwortung oder die Verletzung von Rechtsgütern. Relevante Schäden können auch bei an sich unbeteiligten Dritten entstehen. Zudem können auch Tatbestände der verschuldensunabhängigen S. 340; Bartsch/vom Wege, Die Haftung des Netzbetreibers – Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung, EnWZ 2014, S. 152 ff. (S. 154). 485 Vgl. bereits Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007, S. 259. 486 Bartsch/vom Wege, Die Haftung des Netzbetreibers – Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung, EnWZ 2014, S. 152 ff. (S. 154) unter Verweis auf: BNetzA, § 17 EnWG – Veröffentlichung zur Haftungsregelung in Netzanschluss- und Anschlussnutzungsverträgen oberhalb der Niederspannung, BK6p-07 – 013; ausführlich hierzu auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 559 ff. (Ergebnis: keine unangemessene Benachteiligung); zudem Tamke, Die Haftungsprivilegierung für Netzbetreiber bei Störungen der Anschlussnutzung, Baden-Baden 2014, S. 179 ff.
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Teil 3: Rechtsfolgen der Wahrnehmung der Systemverantwortung
Gefährdungshaftung einschlägig sein. Die Haftungsprivilegierung in § 13 Abs. 5 EnWG hilft den ÜNB im Falle von bereits aus ex ante-Sicht rechtswidrigen Not- oder EinsMan-Maßnahmen nicht. § 18 NAV oder ähnliche, vertraglich festgelegte Haftungsprivilegierungen können einschlägig sein, verhindern in den meisten Fällen eine Haftung aber nicht, sondern begrenzen diese nur. Kosten, die dem ÜNB durch das Verursachen von Schadenersatz entstehen, können nicht im Wege der Anreizregulierung über die Netzentgelte auf die Netznutzer weitergewälzt werden (vgl. § 15 Abs. 2 S. 1 EEG 2017); sie schmälern folglich seinen Gewinn.487 Insoweit kann die Indienstnahme der ÜNB durch den Staat also echte Mehrbelastungen des ÜNB bewirken.
487 König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 15 Rn. 49.
Teil 4
Aufsicht und Kontrolle der Übertragungsnetzbetreiber im Rahmen der Systemverantwortung durch Regulierungsbehörden und Gerichte sowie das Bestehen von Beurteilungsspielräumen Nachdem in Teil 3 B. die Haftungsrisiken der Übertragungsnetzbetreiber bei der Wahrnehmung oder Nicht-Wahrnehmung der Systemverantwortung in den Blick genommen wurden, wird nun, in Teil 4, hieran angeknüpft. In den Mittelpunkt rückt die Frage nach der prozeduralen Ausgestaltung des Vorgehens gegen die ÜNB im Falle eines Fehlverhaltens. Gemeint sind damit einerseits die Befugnisse der Regulierungsbehörden gegenüber den ÜNB, andererseits das gerichtliche Vorgehen gegen Maßnahmen der ÜNB durch Betroffene (A.). Hierbei wird nun auch die Frage beantwortet, ob den ÜNB bei ihren Handlungen Beurteilungsspielräume zustehen (B.).
A. Befugnisse der Regulierungsbehörden sowie gerichtliche Überprüfbarkeit von Maßnahmen der ÜNB Das EnWG enthält in § 30 Abs. 2 die Befugnis der zuständigen Regulierungsbehörde – dies ist im Rahmen der Wahrnehmung der Systemverantwortung durch die ÜNB die Bundesnetzagentur (vgl. § 54 EnWG Abs. 1, 21) –, gegen missbräuchliches Verhalten von Netzbetreibern vorzugehen. Sie kann diese verpflichten, die missbräuchliche Ausnutzung ihrer Marktstellung (vgl. § 30 Abs. 1 EnWG) abzustellen und „alle Maßnahmen aufgeben, die erforderlich sind, um die Zuwiderhandlung wirksam abzustellen“ (§ 30 Abs. 2 S. 2 EnWG). Verweigern die Netzbetreiber etwa rechtswidrig den Netzanschluss oder -zugang, so kann die BNetzA den Netzanschluss bzw. -zugang anordnen (§ 30 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EnWG). Insofern kann § 30 Abs. 2 EnWG einschlägig sein in Fällen der verhinderten Netznutzung aufgrund von unrechtmäßig durchgeführten Maßnahmen im Rahmen der Wahrnehmung der Systemverantwortung. Dies kann etwa relevant werden, wenn der falsche Stromeinspeiser abgeregelt wird. Darüber hinaus findet die Vorschrift im Rahmen der 1 Nehmen die VNB nach § 14 EnWG die Systemverantwortung wahr, können auch die Landesregulierungsbehörden zuständig sein (§ 54 Abs. 2 Nr. 5 EnWG).
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Teil 4: Aufsicht und Kontrolle der Übertragungsnetzbetreiber
Systemverantwortung jedoch regelmäßig keine Anwendung, da im Rahmen der nicht abschließenden Aufzählung potenzieller Missbrauchsfälle in § 30 Abs. 1 S. 2 EnWG nur auf Verstöße gegen Rechtsnormen der Abschnitte 2 und 3 des Teils 3 des EnWG Bezug genommen wird und nicht auf solche des Abschnitts 1, der die Normen zur Systemverantwortung enthält (§ 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EnWG).2 Von größerer Bedeutung sind deshalb die Aufsichtsrechte in § 65 EnWG.3 Hiernach kann die Bundesnetzagentur (vgl. § 54 Abs. 1, 2 EnWG) generell alle Unternehmen verpflichten, ein Verhalten abzustellen, „das den Bestimmungen dieses Gesetzes [also des EnWG] sowie den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften entgegensteht“ (§ 65 Abs. 1 S. 1 EnWG, sog. Abstellungsverfügung).4 Sie kann alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen – verhaltensorientierter oder struktureller Art – vorschreiben, soweit sie gegenüber der erkannten Zuwiderhandlung „verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich“ sind (§ 65 Abs. 1 S. 2 EnWG). Strukturelle Abhilfemaßnahmen5 sind dabei grundsätzlich nachrangig zu ergreifen (§ 65 Abs. 1 S. 3 EnWG). Weiter heißt es, dass die BNetzA Maßnahmen zur Einhaltung von Verpflichtungen nach dem EnWG bzw. nach den auf Grund des EnWG erlassenen Verordnungen anordnen kann, soweit ein Unternehmen solchen nicht von selbst nachkommt (§ 65 Abs. 2 EnWG, sog. Gebotsverfügung).6 Zuwiderhandlungen können auch im Nachhinein festgestellt werden, soweit ein berechtigtes Interesse an der Feststellung besteht (§ 65 Abs. 3 EnWG). Ein solches Interesse besteht jedenfalls immer dann, wenn mit der Gefahr der Wiederholung eines rechtswidrigen Verhaltens zu rechnen ist.7 Die BNetzA kann also aufsichtsrechtlich einschreiten, wenn ein ÜNB seine Systemverantwortung nicht wahrnimmt oder bei der Maßnahmenergreifung rechtswidrig handelt.8 Mit der Wahrnehmung von Aufsichtsmaßnahmen ist aus Sicht der ÜNB bereits dann zu rechnen, wenn sie entgegen den in Positionspapieren der BNetzA geäußerten Ansichten (Bsp.: Leitfäden zum EEG-Einspeisemanagement9)
2
Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 42 (Stand: Juni 2008). 3 Die Befugnisse nach § 30 Abs. 2 EnWG bleiben unberührt (§ 65 Abs. 4 EnWG). 4 Vgl. dazu Franke, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 19 Rn. 69 ff. 5 Gemeint sind Eingriffe in die Unternehmensstruktur, Turiaux, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 65 Rn. 16 f. 6 Vgl. dazu Franke, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 19 Rn. 73. 7 Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 46 (Stand: Juni 2008). 8 Vgl. Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 172; vgl. auch Garbers, Rechtliche Vorgaben für die Bundesnetzagentur bei regulatorischen Eingriffen in die Versorgungssicherheit, RdE 2015, S. 221 ff. (S. 225). 9 Zuletzt: BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 2.1, 2014.
B. Bestehen von Beurteilungsspielräumen der ÜNB
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handeln.10 Diese Papiere haben allerdings keine Regelungswirkung11, so dass eine Beschwerde der ÜNB zum alleine zuständigen OLG Düsseldorf Aussicht auf Erfolg haben kann (§ 75 Abs. 1, 4 EnWG). Das EEG enthält darüber hinaus in § 85 EEG 2017 eine Spezialvorschrift zu den Aufgaben der BNetzA. Diese hat insbesondere die Aufgabe, zu überwachen, dass die Netzbetreiber nur Anlagen nach § 14 EEG 2017 (EinsMan) regeln, zu deren Regelung sie auch berechtigt sind (§ 85 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) EEG 2017). Dies betrifft v. a. die Einhaltung der Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 EEG 2017 und die Abregelung des richtigen Adressaten.12 Die Vorschrift ergänzt damit § 65 EnWG um den Anwendungsbereich des EEG-Einspeisemanagements, da § 65 EnWG dem Wortlaut nach nur im EnWG sowie in darauf basierenden Verordnungen gilt, nicht aber im EEG. Möchten von Systemverantwortungs-Maßnahmen des ÜNB Betroffene gerichtlich gegen diesen vorgehen, steht ihnen grundsätzlich der Weg vor den ordentlichen Gerichten offen (vgl. § 102 EnWG). Hier können sie Haftungstatbestände geltend machen und Ersatz für erlittene Schäden verlangen (vgl. Teil 3 B.).13
B. Bestehen von Beurteilungsspielräumen der ÜNB Ungeklärt ist bislang, ob den ÜNB bei der Wahrnehmung der Systemverantwortung bestimmte Beurteilungsspielräume zustehen, die regulierungsbehördlich und gerichtlich nicht vollumfänglich überprüft werden können. Soweit man solche anerkennt, verringern diese in gewissem Umfang die Möglichkeit der BNetzA oder der von Maßnahmen des ÜNB Betroffenen (Einspeiser, Letztverbraucher usw.), erfolgreich gegen die ÜNB vorzugehen. Den ÜNB verbleiben dann bestimmte Entscheidungsspielräume, in denen die Gefahr aufsichtsrechtlicher Maßnahmen oder der Haftung für Schäden verringert ist.
10 Garbers, Rechtliche Vorgaben für die Bundesnetzagentur bei regulatorischen Eingriffen in die Versorgungssicherheit, RdE 2015, S. 221 ff. (S. 223). 11 Garbers, Rechtliche Vorgaben für die Bundesnetzagentur bei regulatorischen Eingriffen in die Versorgungssicherheit, RdE 2015, S. 221 ff. (S. 223). 12 Vgl. nur Mengering, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 85 Rn. 10 ff. 13 Theobald/Zenke/Lange, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., München 2013, § 20 Rn. 4.
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Teil 4: Aufsicht und Kontrolle der Übertragungsnetzbetreiber
I. Rechtsdogmatischer Hintergrund: Beurteilungsspielräume von Behörden Der Begriff des Beurteilungsspielraums entstammt dem Bereich des Verwaltungsrechts. Unter bestimmten Voraussetzungen bzw. in bestimmten Fallgruppen wird nach der Auffassung der Rechtsprechung den Behörden bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe auf Tatbestandsebene ein gerichtsfester Einschätzungsspielraum zugestanden.14 Der Verwaltung wird also in dezidiert zu ermittelnden Ausnahmefällen bezüglich einzelner Tatbestandsvoraussetzungen eine Letztentscheidungsbefugnis zugeordnet; dies geht einher mit einer Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle der getroffenen Entscheidung.15 Wird eine Rechtsnorm, die einen oder mehrere unbestimmte Rechtbegriffe enthält, durch eine Behörde angewandt, so kann es trotz der Unbestimmtheit einzelner Tatbestandselemente an sich nur eine rechtmäßige Entscheidung geben16 – die Probleme liegen jedoch hier in der Ermittlung und Erkenntnis dieser einzig richtigen Entscheidung.17 Erforderlich ist die Abgabe einer behördlichen Wertung, ggf. sogar einer zukunftsgerichteten Prognose.18 Beurteilungsspielräume stellen dabei keine eigenständige Form behördlicher Entscheidungsspielräume dar, sondern bilden – zusammen mit der Ermessensausübung, auch in den Formen des Planungs- sowie des Regulierungsermessens – eine einheitliche Kategorie des Verwaltungsermessens.19 Beurteilungsspielräume lassen sich ermitteln, indem zwei Elemente näher untersucht werden: Zum einen und vorrangig die normative Ausgestaltung eines un14 Siehe hierzu insbesondere: BVerfG, NVwZ 2011, S. 1062 ff. (S. 1064 f.); BVerfG, NVwZ 2012, S. 694 ff. (S. 695 f.). In der Literatur wird von einigen Autoren eine noch großzügigere Linie vertreten, zum Teil sogar, dass jeder unbestimmte Rechtsbegriff einen Beurteilungsspielraum nach sich zieht, vgl. dazu Maurer, Allgemeines Veraltungsrecht, 18. Aufl., München 2011, S. 153 ff. Dies dürfte jedoch mit Art. 19 Abs. 4 GG kaum zu vereinbaren sein; dazu: Ludwigs, Das Regulierungsermessen als Herausforderung für die Letztentscheidungsdogmatik im Verwaltungsrecht, JZ 2009, S. 290 ff. (S. 295); Ludwigs, Regulierungsermessen – Spielräume gerichtlich eingeschränkter Kontrolle im Regulierungsrecht, RdE 2013, S. 297 ff. (S. 298 f.). 15 Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 268; Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl., München 2016, § 114 Rn. 23; vgl. dazu auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 19 Rn. 69. 16 So etwa Ossenbühl, Vom unbestimmten Gesetzesbegriff zur letztverbindlichen Verwaltungsentscheidung, DVBl. 1975, S. 309 ff. (S. 310); kritisch hierzu Ludwigs, Das Regulierungsermessen als Herausforderung für die Letztentscheidungsdogmatik im Verwaltungsrecht, JZ 2009, S. 290 ff. (S. 293). 17 Maurer, Allgemeines Veraltungsrecht, 18. Aufl., München 2011, S. 152 f. 18 Maurer, Allgemeines Veraltungsrecht, 18. Aufl., München 2011, S. 152. 19 Siehe insbesondere Ludwigs, Das Regulierungsermessen als Herausforderung für die Letztentscheidungsdogmatik im Verwaltungsrecht, JZ 2009, S. 290 ff. (S. 293), m.w.N. Dies entspricht allerdings nicht der herrschenden Meinung, vgl. nur Maurer, Allgemeines Veraltungsrecht, 18. Aufl., München 2011, S. 143 ff.
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bestimmten Rechtsbegriffs, zum anderen20 das Vorhandensein einer sachlichen Rechtfertigung für die Anerkennung einer Einschätzungsprärogative der Verwaltung.21 Die normative Ausgestaltung erfordert zumindest eine rechtliche Ermächtigung an die Verwaltung (sog. normative Ermächtigungslehre), die aber nicht explizit-wörtlich einen Beurteilungsspielraum vorsehen muss – es genügt, wenn sich dessen Existenz aus dem systematischen Zusammenhang oder dem Sinn und Zweck der Norm ableiten lässt.22 Die sachliche Rechtfertigung lässt sich einerseits aus den Besonderheiten und Eigenarten behördlicher Entscheidungen herleiten, andererseits aus den praktisch-tatsächlichen Erkenntnismöglichkeiten bzw. der Leistungsfähigkeit der Judikative (funktionell-rechtlicher Ansatz).23 Damit ist im Wesentlichen gemeint, dass entweder die Behörde aufgrund ihrer Sachnähe bestimmte, häufig technisches Verständnis erfordernde Entscheidungen gerade besonders gut treffen kann, oder andererseits die Gerichte eine sachgerechte Kontrolle im Nachhinein praktisch nur unzureichend vornehmen können (Bsp.: unwiederholbare Situationen bei mündlichen Prüfungen, fehlendes sachverständiges Erfahrungswissen).24 Folgende Indizien können – allerdings nicht für sich alleine – für die Annahme eines Beurteilungsspielraums sprechen25: 20 Zum Zusammenspiel zwischen Ermächtigungslehre und funktionell-rechtlichem Ansatz siehe zudem: Ludwigs, Das Regulierungsermessen als Herausforderung für die Letztentscheidungsdogmatik im Verwaltungsrecht, JZ 2009, S. 290 ff. (S. 295); Ludwigs, Regulierungsermessen – Spielräume gerichtlich eingeschränkter Kontrolle im Regulierungsrecht, RdE 2013, S. 297 ff. (S. 299). Das BVerfG hat sich zum funktionell-rechtlichen Ansatz zuletzt eher zurückhaltend geäußert, vgl. BVerfG, NVwZ 2011, S. 1062 ff. (S. 1065, Rn. 74); BVerfG, NVwZ 2012, S. 694 ff. (S. 695, Rn. 26). 21 Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 305; Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl., München 2016, § 114 Rn. 24; vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 19 Rn. 69; zudem: Jacob/Lau, Beurteilungsspielraum und Einschätzungsprärogative – Zulässigkeit und Grenzen administrativer Letztentscheidungsmacht am Beispiel des Naturschutz- und Wasserrechts, NVwZ 2015, S. 241 ff. (S. 242 f.). 22 BVerfG, NVwZ 2011, S. 1062 ff. (S. 1065); BVerfG, NVwZ 2012, S. 694 ff. (S. 695); vgl. zudem: Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 114 Rn. 307; Jacob/Lau, Beurteilungsspielraum und Einschätzungsprärogative – Zulässigkeit und Grenzen administrativer Letztentscheidungsmacht am Beispiel des Naturschutz- und Wasserrechts, NVwZ 2015, S. 241 ff. (S. 242). 23 Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., München 2014, § 114 Rn. 52; Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 114 Rn. 310 f. Das BVerfG hat sich zum funktionell-rechtlichen Ansatz zuletzt eher zurückhaltend geäußert, vgl. BVerfG, NVwZ 2011, S. 1062 ff. (S. 1065, Rn. 74); BVerfG, NVwZ 2012, S. 694 ff. (S. 695, Rn. 26). 24 Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., München 2014, § 114 Rn. 52; Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 114 Rn. 310 f. 25 Siehe die Auflistung bei Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 314 m.w.N., die hier größtenteils wortgleich übernommen wird.
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– Fehlende begriffliche Eindeutigkeit – Wertungsabhängigkeit eines Begriffs oder Notwendigkeit einer vergleichenden wertenden Entscheidung – Komplexität einer Entscheidung – Notwendigkeit der Gegenüberstellung und Abwägung verschiedener, teilweise gegenläufiger Gesichtspunkte, Interessen usw. – Planerische Elemente einer Entscheidung – Prognostische Elemente einer Entscheidung oder Notwendigkeit von Prognosen auf der Grundlage von Erfahrungswissen – Schwierigkeiten bei der Sachaufklärung – Effizienz der Verwaltung – Besondere Qualifikation der mit der Beurteilung betrauten Amtsträger Neben den zitierten, nicht abschließenden Indizien haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet, in denen Beurteilungsspielräume anerkannt wurden.26 Hierbei handelt es sich um Prüfungsentscheidungen sowie prüfungsähnliche Entscheidungen (bezogen auf die schulische und universitäre Laufbahn), beamtenrechtliche Beurteilungen, Entscheidungen wertender Art durch weisungsfreie, mit Sachverständigen und/oder Interessenvertretern besetzte Ausschüsse (Bsp.: Indizierung jugendgefährdender Schriften durch Bundesprüfstelle), Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen (vor allem im Bereich des Umwelt- und Wirtschaftsrechts; Bsp.: die nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Gefahren durch den Betrieb von Kernkraftwerken) sowie um Entscheidungen, die an vorgegebene Ziele und Faktoren im Bereich der Verwaltungspolitik, der Wirtschaftspolitik usw. anknüpfen und durch diese bestimmt werden (Bsp.: militärische Tiefflüge). Ob eine konkrete Tatbestandsvoraussetzung einen Beurteilungsspielraum vorsieht, ist gerichtlich voll überprüfbar.27 Kommt das Gericht aber zu dem Ergebnis, dass dies tatsächlich der Fall ist, beschränkt sich seine Prüfungsbefugnis auf eine Plausibilitätskontrolle.28 Das bedeutet, dass eine Kontrolle der getroffenen Behördenentscheidung nur dahingehend erfolgt, ob die gesetzlichen Grenzen eingehalten wurden.29 Überprüft werden dabei grundsätzlich „die vollständige und methoden26
Siehe die Auflistung bei Maurer, Allgemeines Veraltungsrecht, 18. Aufl., München 2011, S. 158 f. m.w.N., die hier größtenteils wortgleich übernommen wird. 27 Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., München 2014, § 114 Rn. 56; Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 114 Rn. 351. 28 Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 351. 29 Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., München 2014, § 114 Rn. 77; Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-
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gerechte Erfassung des Sachverhalts, die Einhaltung der Verfahrensregeln und der rechtlichen Bewertungsgrundsätze oder -maßstäbe, die Verkennung des anzuwendenden Rechts sowie der Einfluss von sachfremden Erwägungen.“30
II. Bewertung: Beurteilungsspielräume der ÜNB im Rahmen der Systemverantwortung? Erwägt man die Übertragung der Rechtsfigur des Beurteilungsspielraums auf die Ausübung der Systemverantwortung durch die ÜNB, so stellen sich zwei Fragen: Erstens, ob es überhaupt zulässig sein kann, den ÜNB als nicht-behördlichen Akteuren im Rahmen ihrer Systemverantwortung einen gerichtsfesten Einschätzungsspielraum einzuräumen und wenn ja (zweitens), bei welchen konkreten Tatbestandselementen ein solcher in Betracht kommt. 1. Grundsätzliche Anerkennung von Beurteilungsspielräumen der ÜNB im Rahmen der Systemverantwortung? Wie dargelegt, besteht für Behörden bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe in bestimmten Ausnahmefällen eine nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbare Einschätzungsprärogative. Die Wahrnehmung der Systemverantwortung obliegt jedoch keinen Behörden wie etwa der Bundesnetzagentur, sondern den Betreibern von Übertragungsnetzen. Damit stellt sich die Frage, ob sich die Erkenntnisse hinsichtlich des Bestehens von Beurteilungsspielräumen bei Behörden auch auf die ÜNB übertragen lassen. Eine vertiefte, abstrakte Auseinandersetzung mit der allgemeinen Frage, inwieweit die Kategorie des Beurteilungsspielraums bei nicht-behördlichen Akteuren anwendbar ist, erscheint an dieser Stelle allerdings nicht zielführend. Generell weisen Zivil- und Verwaltungsrecht völlig unterschiedliche Spezifika auf, so dass die Übernahme verwaltungsrechtlicher Eigenheiten (Beurteilungsspielräume, Ermessensentscheidungen usw.) auf Handlungen im Rahmen des Zivilrechts an sich nicht in Frage kommt. Behörden sind als Teil der vollziehenden Gewalt (Exekutive) nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden, sie bedürfen also für ihr Handeln einer Rechtsgrundlage – jedenfalls soweit in Grundrechte eingegriffen wird – und dürfen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.31 Private Akteure genießen Baden 2014, § 114 Rn. 351; Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl., München 2016, § 114 Rn. 23. 30 Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 354; vgl. auch: Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., München 2014, § 114 Rn. 78; Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl., München 2016, § 114 Rn. 28. 31 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 20 Rn. 39 ff., 47 ff.
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hingegen nach Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit, sie sind also in ihrem Handeln grundsätzlich frei und ungebunden.32 Einschränkungen dieser grundrechtlich geschützten Freiheit sind rechtfertigungsbedürftig und müssen insbesondere verhältnismäßig sein.33 Heruntergebrochen auf das Allerwesentlichste kann man also abgrenzen, dass Behörden für ihre Handlungen einer Ermächtigung bedürfen, während Private grundsätzlich tun und lassen können, was sie möchten.34 Folglich haben Letztere auch grundsätzlich das Recht, alle möglichen Verträge zu schließen und dadurch Bindungen einzugehen oder dies gerade zu unterlassen (Privatautonomie, Vertragsfreiheit).35 Da die rechtsprechende Gewalt, ebenso wie die Exekutive, an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG), kann zudem eine gerichtliche Prüfung privater Handlungen nur insoweit erfolgen, als bestimmte Normen bestehen, die auf den betreffenden Sachverhalt anwendbar sind.36 Man kann also sagen, dass für private Akteure der „Beurteilungsspielraum“ im Sinne einer eigenständigen und letztverbindlichen Entscheidung über eine bestimmte Handlung, etwa den Abschluss eines Vertrages, gerade den Regelfall bildet; Einschränkungen bedürfen hier einer normtechnischen Umsetzung sowie der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.37 Insoweit besteht hier an sich gar kein Bedarf, über das Einräumen eines Beurteilungsspielraums, wie er den Behörden in bestimmten Fällen zugestanden wird, nachzudenken. Anders ist dies jedoch bei der Wahrnehmung der Systemverantwortung durch die ÜNB. Diese ist derart ausgestaltet, dass die ÜNB behördenähnlich mit Rechten und Pflichten ausgestattet sind. So heißt es in § 13 Abs. 1 EnWG, dass die Betreiber von Übertragungsnetzen berechtigt und verpflichtet sind, Gefährdungen oder Störungen, die die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems betreffen, zu beseitigen. Die ÜNB sind damit aufgrund der staatlichen Regulierung in dem Spezialbereich der Systemverantwortung gegenüber sonstigen nicht-behördlichen 32 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 2 Rn. 2, 5; vgl. auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 144. 33 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 2 Rn. 13 ff. 34 Vgl. auch Röhling, Beurteilungsspielräume bei der Festlegung von Netzentgelten, in: Ehricke (Hrsg.), Entwicklungstendenzen des Energierechts nach Inkrafttreten des EnWG, Baden-Baden 2007, S. 129 ff. (S. 130). 35 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 2 Rn. 22; vgl. auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 144. 36 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 20 Rn. 42; vgl. auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 146 f. 37 So auch: Röhling, Beurteilungsspielräume bei der Festlegung von Netzentgelten, in: Ehricke (Hrsg.), Entwicklungstendenzen des Energierechts nach Inkrafttreten des EnWG, Baden-Baden 2007, S. 129 ff. (S. 130); Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 244.
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bzw. privaten Akteuren in einer besonderen Rechtsstellung.38 Ihre Handlungsfreiheit ist insoweit eingeschränkt, als sie in die Pflicht genommen werden, die Netzsicherheit zu gewährleisten, was Kosten generiert und ggf. auch Haftungsansprüche auslösen kann (vgl. Teil 3). Ihnen werden also besondere Aufgaben auferlegt, die sonstige nicht-behördliche bzw. private Akteure nicht betreffen. Andererseits werden den ÜNB zur Ausfüllung der Systemverantwortung weitgehende Eingriffsrechte eingeräumt, wie etwa bei den Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG ersichtlich ist. Wenn Behörden39 unter bestimmten Umständen bei ihrer Aufgabenwahrnehmung Beurteilungsspielräume eingeräumt werden und die ÜNB im Rahmen der Systemverantwortung aufgrund ihrer Rechts- und Pflichtenstellung ähnlich wie Behörden agieren, so drängt sich die Frage auf, wieso man den ÜNB dann nicht ebenfalls gerichtsfeste Beurteilungsspielräume zugestehen sollte.40 Würde man diese unter Verweis auf ihre Stellung als nicht-behördliche Akteure von vornherein versagen, dann stünden die ÜNB bei ihrer Aufgabenwahrnehmung schlechter als staatliche Akteure. Hierfür existiert keine Rechtfertigung. Entscheidend ist der Blick auf die konkreten Vorschriften der Systemverantwortung, hier ist jeweils zu prüfen, ob den ÜNB bei einzelnen unbestimmten Rechtsbegriffen eine Einschätzungsprärogative einzuräumen ist. Dabei ist auf die Voraussetzungen zurückzugreifen, die bei Behörden herangezogen werden (vgl.o.)41: Zum einen kommt es auf die normative Ausgestaltung eines unbestimmten Rechtsbegriffs an, zum anderen auf das Vorhandensein einer sachlichen Rechtfertigung für die Anerkennung einer Einschätzungsprärogative.42 38
Ob eine Indienstnahme vorliegt, wird in Teil 5 untersucht. Insoweit zurückhaltend in Bezug auf den Energiesektor, soweit die gerichtliche Kontrolldichte am Vorbild des Kartellrechts ausgerichtet ist: Ludwigs, Regulierungsermessen – Spielräume gerichtlich eingeschränkter Kontrolle im Regulierungsrecht, RdE 2013, S. 297 ff. (S. 304 ff.). 40 Vgl. Kühne, Versorgungssicherheit – Erscheinungsformen und Abwägungskonstellationen, in: Pielow (Hrsg.), Sicherheit in der Energiewirtschaft (in memoriam Peter J. Tettinger), Bad Langensalza 2007, S. 129 ff. (S. 130), S. 147. 41 Vgl. auch Röhling, Beurteilungsspielräume bei der Festlegung von Netzentgelten, in: Ehricke (Hrsg.), Entwicklungstendenzen des Energierechts nach Inkrafttreten des EnWG, Baden-Baden 2007, S. 129 ff. (S. 131 f.); a.A. zur vollen Übertragbarkeit Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 148 f., die den „Netzbetreiberspielraum“ als eigene Kategorie einführt; offen gelassen bei: Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 195 f.; Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 105 f. 42 Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 305; Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl., München 2016, § 114 Rn. 24; vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 19 Rn. 69; siehe zu Entscheidungsspielräumen der Netzbetreiber im EEG auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 148 ff. 39
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2. Untersuchung der Vorschriften der Systemverantwortung auf die Gewährung von Beurteilungsspielräumen Im Folgenden werden Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 13 ff. EnWG, 14 f. EEG 2017 genannt, bei denen Beurteilungsspielräume relevant sein können. Es muss also zunächst ermittelt werden, wo überhaupt Raum für der regulierungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfung entzogene Entscheidungsspielräume der ÜNB besteht. Sodann werden die für Beurteilungsspielräume der Behörden entwickelten Prüfungsmerkmale angelegt. Schließlich wird dargelegt, inwieweit trotz des Bestehens eines Beurteilungsspielraums gerichtliche Kontrollen erfolgen können (Grenzen der Beurteilungsspielräume). a) Raum für Beurteilungsspielräume – relevante Tatbestandselemente Zunächst kommt es darauf an, dass im Zusammenhang mit der Systemverantwortung der ÜNB überhaupt Tatbestandselemente bestehen, die Raum für Beurteilungsspielräume belassen. Gemeint sind damit unbestimmte Rechtsbegriffe, die nicht bereits durch sonstige geschriebene oder ungeschriebene Handlungsvorschriften soweit vorgeprägt sind, dass für individuelle Einschätzungen der ÜNB gar kein Platz verbleibt. – Hier ist zuvorderst an den Begriff der Gefährdung43 zu denken (§ 13 Abs. 1 EnWG).44 Das Vorliegen einer solchen bildet den Ausgangspunkt jeglicher Maßnahmen im Rahmen der Systemverantwortung – auch, soweit es um die Abregelung privilegierter Erzeugungsanlagen aufgrund eines Netzengpasses nach § 14 Abs. 1 EEG 2017 (Einspeisemanagement) geht. Die Besorgnis des Eintretens eines Netzengpasses stellt eine der in § 13 Abs. 4 EnWG genannten Gefährdungslagen dar. Eine weitere typische Gefährdungslage bildet das Auftreten von Frequenzschwankungen. Eine Gefährdung erfordert die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, wobei es nicht auf die subjektive Sicht des ÜNB ankommt, sondern auf die Prognoseentscheidung eines „sorgfältigen Netzbetreibers“45 abzustellen ist.46 Der relevante Zeitpunkt zur Beurteilung der 43
Hat sich eine Gefährdung bereits verwirklicht, spricht man von einer Störung, vgl. § 13 Abs. 1 EnWG. 44 Siehe dazu: Teil 2 A.I.1./2., Teil 2 C.II.1. 45 Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 317). 46 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181); König, in: Säcker (Hrsg.),
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Gefahrenlage liegt vor bzw. bei Ergreifen der Maßnahme (ex ante-Sicht).47 Es kommt also nicht darauf an, wie sich die Situation nach Abschluss der Maßnahme darstellt (ex-post-Sicht). Die Umstände, die zur Ermittlung der Gefährdungssituation maßgeblich sind, müssen jedoch vor Ergreifung einer Maßnahme gründlich ermittelt werden.48 Das Vorliegen einer Gefährdung ist nicht schematisch zu bestimmen. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit des Gefährdungseintritts mit der zeitlichen Nähe zum besorgten Eintritt einer Gefahr für die Netzstabilität („wie viel Zeit bleibt noch zum Abwarten oder Handeln?“) sowie dem Ausmaß des potenziellen Schadens in Beziehung zu setzen.49 Relevant ist auch die Eingriffsintensität: Je geringer diese ausfällt und je größer ggf. der drohende Schaden ist, desto niedriger sind auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose anzusetzen.50 Anhand dieser Prognoseparameter zeigt sich, dass für den ÜNB ein gewisser Spielraum verbleibt, innerhalb dessen er den Eintritt einer Gefährdung zu bewerten hat; hier kommt also die Annahme eines Beurteilungsspielraums in Betracht.51 Dies gilt allerdings nicht hinsichtlich der Frage, welche konkrete Gefährdungslage vorliegt (Engpass, Frequenzstörung etc.); hier ist eine objektiv zweifelsfreie Bestimmung vorzunehmen, die vollumfänglich gerichtlich überprüft werden kann. – Die Annahme eines Beurteilungsspielraums ist zudem bei der Heranziehung von Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG52 denkbar.53 Hier heißt es, dass solche Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. 47 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 181); König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. 48 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 8; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123; so auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 186. 49 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. 50 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168. 51 Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 187; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 422 f.; Frenz, in: Frenz/Müggenborg et al. (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., Berlin 2015, § 14 Rn. 14. 52 Siehe dazu Teil 2 B.IV.1., Teil 2 C.II.2.a).
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Maßnahmen nur dann durchgeführt werden dürfen, wenn sich eine Gefährdung oder Störung „durch Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig beseitigen“ lässt. Im Grundsatz sind also zunächst netz- und marktbezogene Maßnahmen – inklusive des gesetzlichen Redispatch nach § 13a Abs. 1 EnWG, Verträgen nach § 13 Abs. 6a EnWG und dem Rückgriff auf Reserve-Anlagen – anzuwenden. Nur soweit diese entweder tatsächlich keine ausreichende Wirkung entfalten oder dies bereits im Vorfeld abzusehen ist, darf subsidiär auf § 13 Abs. 2 EnWG zurückgegriffen werden.54 Es ist dabei nicht erforderlich, den absehbar erfolglosen Versuch des Einsatzes netz- oder marktbezogener Maßnahmen zu unternehmen, Notmaßnahmen können auch sofort herangezogen werden, wenn dies aus verständiger ex ante-Sicht – also aus der Sicht vor bzw. zum Zeitpunkt der Handlung – die einzige geeignete Möglichkeit zur Abwendung einer bevorstehenden Gefährdung bietet.55 Da es bereits zur Feststellung, ob überhaupt eine Gefährdung im Sinne von § 13 EnWG vorliegt, auf die ex ante-Perspektive ankommt, gilt dies auch für den Rückgriff auf Notmaßnahmen.56 Die für die Prognoseentscheidung erforderlichen Daten müssen jedoch umfassend ermittelt werden.57 – Auch im Verhältnis netzbezogener zu marktbezogenen Maßnahmen kommt ein Beurteilungsspielraum in Betracht.58 Nach überzeugender Auffassung darf erst 53 Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 227); a.A. Theobald, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2016, § 13 EnWG Rn. 30 (Stand: Juni 2008); offensichtlich a.A. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 514. 54 Im äußersten Fall, wenn auch Maßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG nicht ausreichen, um eine Versorgungsstörung für den „lebensnotwendigen Bedarf“ nach § 1 des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) abzuwenden, ist eine unverzügliche Unterrichtung der Regulierungsbehörde vorzunehmen (§ 13 Abs. 8 EnWG). 55 Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 Rn. 28; Theobald, in: Danner/ Theobald (Hrsg.), Energierecht, 90. Erg.-Lief., München 2015, § 13 EnWG Rn. 29 (Stand: Juni 2008); Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198; Scholz/Tüngler, Zum Verhältnis des Einspeisemanagements nach dem EEG und der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Energiewirtschaftsgesetz, RdE 2010, S. 317 ff. (S. 318); Altrock/Vollprecht, Zur Entwicklung des Einspeisemanagements zwischen dem Vorrang erneuerbarer Energien und dem Ausbau fluktuierender Stromerzeugungskapazitäten, ZNER 2011, S. 231 ff. (S. 233); Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 227); Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 184); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 115. 56 Teil 2 A.I.1. 57 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198. 58 So auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 514 („aus praktischen Gründen“).
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dann auf marktbezogene Maßnahmen zurückgegriffen werden, wenn sich Gefährdungen nach der Prognose des ÜNB nicht bereits durch eingriffsfreie Netzmaßnahmen bewältigen lassen.59 Dies ergibt sich zwar – anders als bei § 13 Abs. 2 EnWG – nicht unmittelbar aus dem Gesetz, folgt aber aus der Auslegung der Vorgaben des § 13 Abs. 1 EnWG. Zudem verbleiben den ÜNB gewisse Entscheidungsspielräume bei der Frage, ob ein Rückgriff auf nachgelagerte Netzbetreiber erfolgen darf (vgl. § 14 Abs. 1c EnWG). Hier muss geprüft werden, ob die Mitwirkung eines nachgelagerten Netzbetreibers „erforderlich“ ist, oder ob nicht mildere Mittel – im eigenen Netz des ÜNB – zur Verfügung stehen.60 Allerdings dürfte es im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 3 EEG 2017 (größtmögliche Einspeisung aus privilegierten Anlagen) geboten sein, auf Systemsicherheitsmaßnahmen gegenüber konventionellen Anlagen in nachgelagerten Netzen zurückzugreifen, bevor die ÜNB im eigenen Netz angeschlossene EE-, Grubengas- und hocheffiziente KWK-Anlagen regeln.61 – Keine Spielräume bestehen für den ÜNB bei der Einhaltung des Vorrangprinzips für EE, Grubengas und hocheffiziente KWK im Rahmen der Abregelung von Erzeugungsanlagen (§ 13 Abs. 3 EnWG, § 14 Abs. 1 EEG 2017): Privilegierte Anlagen dürfen grundsätzlich nur nachrangig abgeregelt werden. Ausnahmen sind möglich nach § 13 Abs. 3 S. 4, 5 EnWG bzw. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EEG 2017.62 Die Abweichung vom Einspeisevorrang ist jedoch gerichtlich voll überprüfbar und bietet dem ÜNB keinen Beurteilungsspielraum.63 Ob es sich bei einem Kraftwerk um eine must-run-unit handelt, insbesondere, weil es selbst Systemdienstleistungen anbietet, oder ein sonstiger Ausnahmefall vorliegt (etwa individuelle Unmöglichkeit der Anlagendrosselung), ist objektiv-faktisch bestimmbar und eröffnet den ÜNB keine Prognose- oder Abwägungsspielräume.64 Die ÜNB müssen also harte Fakten vorlegen, warum in einem konkreten Einzelfall die Einspeiseprivilegierung für einzelne EE-, Grubengas- oder hocheffiziente KWKAnlagen nicht gewährleistet werden konnte, obwohl noch bestimmte konventionelle Anlagen am Netz waren. Zudem ist darzustellen, warum keine „technisch 59 Sehr gut auf den Punkt gebracht durch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 492 ff. 60 Weise/Hartmann/Wöldeke, Energiewende und Netzstabilität – die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, RdE 2012, S. 181 ff. (S. 183); de Wyl/Hartmann/Weise, Schutz der Systemstabilität und die Haftung des Netzbetreibers bei Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG, EnWZ 2013, S. 66 ff. (S. 68). 61 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 98 f., 139. 62 Siehe dazu insbesondere Teil 2 B.IV.3. 63 A.A.: Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 188 f.; BDEW/VKU, Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 10. 64 A.A. Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 188.
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Teil 4: Aufsicht und Kontrolle der Übertragungsnetzbetreiber
gleich wirksamen anderen Maßnahmen“ (§ 13 Abs. 3 S. 5 a.E. EnWG) verfügbar gemacht werden konnten. – Keine Spielräume bestehen im Übrigen hinsichtlich des nachrangigen Zugriffs auf Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG gegenüber dem regulären Redispatch sowie des wiederum nachrangigen Einsatzes von Reserve-Anlagen gegenüber der Nutzung des Potenzials aus Verträgen nach § 13 Abs. 6a EnWG. Voraussetzung der Heranziehung der genannten Instrumente ist jeweils die Ausschöpfung des vorrangig einzusetzenden Potenzials zur Engpassbeseitigung. – Wie in Teil 2 C. herausgearbeitet wurde, ist das Herzstück aller Maßnahmen der Systemverantwortung die individuelle Adressatenauswahl. Sind die vorliegende Gefährdung, die zur Beseitigung korrekte Maßnahmenstufe sowie der ÜNB als richtiger Handlungsakteur bestimmt, kommt es entscheidend darauf an, dass dieser bestimmte Auswahlvorgaben beachtet. Zusammengefasst wurde folgendes Schema entwickelt: o Regelenergie: Abruf grundsätzlich nach rein monetären Gesichtspunkten (merit order) o Abschaltbare Lasten nach der AbLaV: Abruf vorrangig nach der systemtechnischen Wirksamkeit, dann nach den Arbeitspreisen o Vertraglicher Redispatch: Maßnahmeneffizienz und Preisgünstigkeit sind zu beachten, die örtliche Lage der Anlage ist von wesentlicher Bedeutung o Gesetzlicher Redispatch: Quotient aus netzstützender Wirkung und zu entrichtender Vergütung (gemäß an sich aufgehobener BNetzA-Festlegung); sinnvollerweise sollten die Netzbetreiber das Verfahren gleichermaßen auf vertraglich kontrahierte Erzeugungsanlagen anwenden, um eine einheitliche Behandlung gewährleisten zu können o Verträge nach § 13 Abs. 6a EnWG: Maßstab der effizientesten Gefährdungsbeseitigung zu den vergleichsweise geringsten Kosten (bezogen auf KWKAnlage) o Notmaßnahmen: Maßnahmeneffizienz steht im Vordergrund, jede Anlagenauswahl muss sachlich begründet und verhältnismäßig sein; ein Zugriff auf privilegierte Anlagen ist nur nachrangig möglich o Einspeisemanagement: vorrangig sind Grubengas-Anlagen und hocheffiziente KWK-Anlagen im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 2 und 3 KWKG, nachrangig kleine PV-Anlagen zu regeln; im Übrigen gilt: neben der Maßnahmeneffizienz ist das Vorrangprinzip in seiner auswahlspezifischen Ausprägung relevant (größtmögliche Strommenge aus privilegierten Anlagen; ggf. vorrangiger Zugriff auf konventionelle Anlagen in nachgelagerten Netzen) – dazu wird nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine sog. Sensitivitätsanalyse durchgeführt o Kleine privilegierte Anlagen, die keine PV-Anlagen sind, werden nach § 13 Abs. 2 EnWG und erst nach den kleinen PV-Anlagen geregelt
B. Bestehen von Beurteilungsspielräumen der ÜNB
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o Auswahl zwischen Zwangsmaßnahmen auf Erzeugungs- und Lastseite muss Effizienzprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten Die Wahl der konkreten Gefahrenbeseitigungsmaßnahme sowie eines bestimmten Adressaten liegt also nicht in der freien Entscheidung der ÜNB, sondern folgt grundsätzlich einem festen Schema, das sich explizit oder implizit aus gesetzlichen Vorgaben oder übergreifenden Rechtsgrundsätzen ergibt. Ihr Vorgehen muss insbesondere sachlich begründet, effizient und verhältnismäßig sein. Die Einhaltung der dargestellten Vorgaben dürfte sich durch automatisierte Ablaufpläne grundsätzlich auch bei sehr kurzfristig auftretenden Gefährdungslagen bewerkstelligen lassen.65 Grundsätzlich ist die Adressatenauswahl vollständig gerichtlich überprüfbar – allerdings auch insoweit bezogen auf die ex ante-Sicht des handelnden ÜNB.66 Beurteilungsspielräume67 können hier im Wesentlichen nur dort bestehen, wo die beschriebenen Vorgaben noch Raum lassen für die Wahl mehrerer Maßnahmeadressaten.68 Im Rahmen des Einspeisemanagements muss zudem nicht zwingend eine Sensitivitätsanalyse, wie sie sich der Gesetzgeber in der Entwurfsbegründung vorgestellt hat, durchgeführt werden.69 Die Netzbetreiber können auch andere Methoden wählen, soweit diese den durch den Gesetzgeber beschriebenen und aus der Systematik der Regelungen in EnWG und EEG ableitbaren Grundprinzipien ebenso gut
65 Vgl. BNetzA, Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement, Version 1.0, 2011, S. 7; a.A. offensichtlich Salje, Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 7. Aufl., Köln 2015, § 14 Rn. 18. 66 König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 515; Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 80 (Stand: Mai 2016). 67 Insoweit könnte man auch von Auswahlermessen sprechen. 68 Vgl. auch: Weyer, Systemverantwortung und Verträge über abschaltbare Lasten, RdE 2010, S. 233 ff. (S. 234); Ehricke, Die Vornahme einer Regelung von Anlagen nach § 11 EEG (Einspeisemanagement), KSzW 2011, S. 230 ff. (S. 233); Vergoßen, Das Einspeisemanagement nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Baden-Baden 2012, S. 116 f., 121; Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S: 74; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht – Sonderband zum EEG 2014, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 55; Ruge/Hennig, in: Gabler/von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 79 (Stand: Mai 2016); weitergehend bezügl. § 13 Abs. 2 EnWG Salje, Energiewirtschaftsgesetz, München 2006, § 13 EnWG Rn. 28: „Bandbreite zulässiger Entscheidungen“; weitergehend auch: Kment, Rechts vor links? – Überlegungen zur Vereinfachung der rechtlichen Vorfahrtregelungen im deutschen Stromnetz, ZNER 2011, S. 225 ff. (S. 226); Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 326); offensichtlich gänzlich ablehnend gegenüber Handlungs- und Prognosespielräumen (bezogen auf das Einspeisemanagement) Wustlich/Hoppenbrock, in: Altrock/Oschmann/Theobald (Hrsg.), Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl., München 2013, § 11 Rn. 46 (Fn. 76); vgl. auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 199 f., S. 261 ff., die nach ausführlicher Prüfung gerade keinen Raum für einen Netzbetreiberspielraum sieht. 69 BT-Drs. 16/8148, S. 47; BT-Drs. 17/6071, S. 64.
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Teil 4: Aufsicht und Kontrolle der Übertragungsnetzbetreiber
entsprechen.70 Relevante unbestimmte Rechtsbegriffe als „Einfallstore“ für die Anerkennung von Beurteilungsspielräumen finden sich in den Beschreibungen der Handlungsbefugnisse der ÜNB. In § 13 Abs. 1 EnWG ist allgemein vom „Beseitigen“ der Gefährdungen bzw. Störungen die Rede, in § 13a Abs. 1 EnWG von der „Durchführung von Maßnahmen“ bzw. von einer „Anpassung“ der Wirk- oder Blindleistungseinspeisung bzw. des Wirkleistungsbezugs durch die ÜNB, in § 13 Abs. 2 EnWG wird von „Anpassung“ bzw. einem „Anpassungsverlangen“ gesprochen, in § 14 Abs. 1 EEG 2017 wiederum wird der Begriff des „Regelns“ von Anlagen verwendet. Insgesamt zeigt sich, dass den ÜNB v. a. dort Spielräume verbleiben, wo es um prognostische Einschätzungen (v. a.: Vorliegen einer Gefährdung?, Eingriff auf nachrangiger Stufe zulässig?) geht. Prognostische Einschätzungen werden aus der ex ante-Sicht eines verständigen Netzbetreibers bewertet, sie sind den ÜNB also auch dann nicht vorwerfbar, wenn sich im Nachhinein ihre Unrichtigkeit herausstellt.71 Voraussetzung ist nur, dass die vom ÜNB getroffene Entscheidung aus der Sicht vor oder während des Gefährdungsereignisses bzw. der Beseitigungshandlung auf Fakten basiert und nachvollziehbar ist. Die Wahrscheinlichkeit des Gefährdungseintritts ist dabei mit der zeitlichen Nähe zum besorgten Eintritt einer Gefahr für die Netzstabilität („wie viel Zeit bleibt noch zum Abwarten oder Handeln?“), dem Ausmaß des potenziellen Schadens sowie der Eingriffsintensität – die bei § 13 Abs. 2 EnWG am höchsten ist – in Beziehung zu setzen.72 Geht es dagegen eher um faktische Fragen (etwa: Art der Gefährdung, Einordnung als must-run-unit73, Ausschöpfung reguläres Redispatchpotenzial, individuelle Adressatenauswahl nach bestimmten Vorgaben), verbleiben den ÜNB in der Regel keine Spielräume. Ausnahmen ergeben sich jedoch ggf., soweit die Einhaltung bestimmter Vorgaben nicht zu eindeutigen Ergebnissen führt, wenn also noch Raum für differierende Entscheidungen verbleibt, wie etwa innerhalb der Adressatenauswahl. So oder so dürfen die Anforderungen an die ÜNB nicht zu hoch angesetzt werden, damit eine effektive
70 So auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 194 f., 199 f.; a.A. Lindner, Abschaltreihenfolge im Rahmen des Einspeisemanagements des EEG, Baden-Baden 2014, S. 55. 71 Siehe dazu Teil 2 A.I.1 und Teil 2 B.IV.1. 72 Bourwieg, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., München 2010, § 13 Rn. 7; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 168; König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13 EnWG Rn. 123. 73 Dies könnte auch für darüber hinausgehende Abweichungen vom Vorrangprinzip nach § 13 Abs. 3 S. 4 EnWG gelten; allerdings können sich hierbei auch Überschneidungen mit eher prognostischen Fragen ergeben.
B. Bestehen von Beurteilungsspielräumen der ÜNB
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Gefahrenabwehr nicht aufgrund von rechtlichen und tatsächlichen Restriktionen behindert wird.74 b) Rechtfertigung der Anerkennung von Beurteilungsspielräumen in den genannten Fällen Nachdem nun geklärt wurde, in welchen Bereichen für die ÜNB bestimmte Entscheidungsspielräume verbleiben, wo also die Anerkennung der Rechtsfigur gerichtsfester Beurteilungsspielräume überhaupt in Betracht kommt, soll nun untersucht werden, ob den ÜNB in den genannten Fällen auch tatsächlich Beurteilungsspielräume zugestanden werden können. Hierzu werden die Prüfungsmerkmale herangezogen, die sich für die Zuerkennung von behördlichen Beurteilungsspielräumen herausgebildet haben: Zum einen geht es hierbei um die normative Ausgestaltung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, zum anderen um das Vorhandensein einer sachlichen Rechtfertigung für die Anerkennung einer Einschätzungsprärogative der Verwaltung (hier nun: der ÜNB).75 Die normative Ausgestaltung erfordert zumindest eine rechtliche Ermächtigung an die Verwaltung (hier nun: die ÜNB), die aber nicht explizit-wörtlich einen Beurteilungsspielraum vorsehen muss – es genügt, wenn sich dessen Existenz aus dem systematischen Zusammenhang oder dem Sinn und Zweck der Norm ableiten lässt.76 Die sachliche Rechtfertigung lässt sich einerseits aus den Besonderheiten und Eigenarten behördlicher Entscheidungen (hier nun: von Entscheidungen der ÜNB) herleiten, andererseits aus den praktisch-tatsächlichen Erkenntnismöglichkeiten der Judikative.77 Relevante Spielräume der ÜNB im Rahmen der Systemverantwortung wurden ausgemacht bei der Gefährdungsprognose, bei der Wahl der korrekten Handlungsstufe (Zugriff auf marktbezogene Maßnahmen oder gar Notmaßnahmen aufgrund einer Prognose des ÜNB unerlässlich?) bzw. hinsichtlich der Erforderlichkeit des Rückgriffs auf nachgelagerte Netzbetreiber, sowie bei verbleibenden Spielräumen im Rahmen der individuellen Adressatenauswahl (unbestimmte Rechtbegriffe finden sich in den Beschreibungen der Handlungsbefugnisse der ÜNB). In allen Fällen muss sich zunächst aus dem Wortlaut der unbestimmten Rechtsbegriffe eine Ermächtigung an die ÜNB ableiten lassen, eigenständig Letztent74
Vgl. König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 515 f. 75 Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 305; Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl., München 2016, § 114 Rn. 24; vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 19 Rn. 69. 76 Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 114 Rn. 307. 77 Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., München 2014, § 114 Rn. 52; Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 114 Rn. 310 f.
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Teil 4: Aufsicht und Kontrolle der Übertragungsnetzbetreiber
scheidungen zu treffen (normative Ausgestaltung).78 Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. Für die Annahme eines Beurteilungsspielraums spricht hier entscheidend die besondere Stellung der ÜNB bei der Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems. Die vier deutschen ÜNB verfügen über den besten Überblick über die deutschen Elektrizitätsnetze, da ihre eigenen Übertragungsnetze vielmaschig mit den nachgelagerten Verteilnetzen verknüpft sind.79 Zudem sind sie in der Lage, direkt und indirekt Maßnahmen zu ergreifen, um in ihren bzw. den nachgelagerten Netzen Gefährdungen und Störungen entgegenzuwirken.80 Konsequenterweise stellt der Gesetzgeber in der Entwurfsbegründung fest: „Es soll daher dem Übertragungsnetzbetreiber obliegen, durch ein Stufensystem von Maßnahmen im Netz und gegenüber Netznutzern auf Erzeuger- und Verbraucherseite möglichen Störungen vorzubeugen und im Störungsfall durch Anpassungsmaßnahmen zur Begrenzung des Ausfallschadens beizutragen.“81 Hieraus lässt sich die herausgehobene Bedeutung der ÜNB für die Erhaltung der Netzsicherheit ableiten. Aufgrund ihrer besonderen Kenntnislage und ihren spezifischen Möglichkeiten zum Gefährdungsmanagement haben die ÜNB natürliche Kompetenzen inne, die staatliche Stellen kaum in gleicher Weise erlangen könnten. Aus diesem Grund nimmt sich der Staat selbst zurück und überträgt in § 13 Abs. 1 EnWG die Aufgaben auf die ÜNB. Insoweit ist es darüber hinaus konsequent, den ÜNB in bestimmten Bereichen, die in besonderer Weise an tatsächliche Kenntnisse über die gegenwärtige Netzsituation gebunden sind, Letztentscheidungsbefugnisse zu verleihen. Der entsprechende Wille des Gesetzgebers lässt sich mittelbar der zitierten Entwurfsbegründung entnehmen. Dies ist im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr, die § 13 Abs. 1 EnWG gewährleisten soll, auch zielführend, da durch die Gewährung von Beurteilungsspielräumen etwa Haftungsrisiken der ÜNB verringert werden können.82 Dies wiederum kann die ÜNB ermutigen, ohne falsche Scheu Maßnahmen zu ergreifen.83 Das Treffen verbindlicher und gerichtsfester Letztentscheidungen macht vor allem dann Sinn, wenn es um das Fällen von zukunftsgerichteten Prognosen geht, da hier naturgemäß immer Unsicherheiten bestehen. Dies betrifft insbesondere die angesprochenen Spielräume bei Prognoseleistungen84 im Hinblick auf das drohende Eintreten von Gefährdungen. Aber auch in Bezug auf die weiteren Spielräume – bei 78 Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 307. 79 BT-Drs. 15/3917, S. 56 f. 80 BT-Drs. 15/3917, S. 56 f. 81 BT-Drs. 15/3917, S. 57. 82 BT-Drs. 15/3917, S. 57; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 197. 83 BT-Drs. 15/3917, S. 57; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 197. 84 Zum Bereich der Prognoseentscheidungen siehe ausführlich Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 317 ff.
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der Wahl der richtigen Rangstufe, dem Rückgriff auf nachgelagerte Netzbetreiber sowie bei der individuellen Adressatenauswahl – machen solche Letztentscheidungsbefugnisse der ÜNB aufgrund ihres Wissensvorsprungs gegenüber staatlichen Stellen bzw. den Gerichten einerseits sowie der Minimierung von Haftungsrisiken andererseits Sinn. Es spricht also viel dafür, dass der Gesetzgeber den ÜNB konkludent Ermächtigungen für die genannten Letztentscheidungsbefugnisse gewähren möchte. Die neben der normativen Ermächtigung ebenfalls relevante85 sachliche Rechtfertigung liegt in Bezug auf alle oben angesprochenen Entscheidungsspielräume vor. Diese folgt zunächst ebenfalls bereits aus der Tatsache, dass die ÜNB – anders als etwa hierzu eingesetzte Behörden – aufgrund ihrer besonderen Stellung in spezifischer Weise in der Lage sind, bestimmte Letztentscheidungen zu treffen.86 Gleichzeitig sind die faktischen Überprüfungsmöglichkeiten der Gerichte beschränkt, da ein entsprechendes Erfahrungswissen hinsichtlich der sicherheitstechnischen Lage in den Elektrizitätsversorgungsnetzen nicht vorhanden ist und allenfalls über Sachverständigengutachten eingeholt werden könnte.87 Eine volle gerichtliche Überprüfung stößt damit evident an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung.88 Im Übrigen ist die Gewährung von gerichtsfesten Beurteilungsspielräumen auch angemessen, da die ÜNB eine große Verantwortung tragen und innerhalb kürzester Zeit hochkomplexe Entscheidungen mit möglicherweise schweren Folgen treffen müssen.89 Die Verringerung von Haftungsrisiken durch die Anerkennung von Einschätzungsspielräumen ist demnach zielführend.90 85 Zumindest – im Sinne eines funktionell-rechtlichen Ansatzes – immer dann ergänzend heranzuziehen bzw. heranziehbar, wenn nach der Ermächtigungslehre den einschlägigen Vorschriften keine hinreichend klare Aussage entnommen werden kann; dazu: Ludwigs, Das Regulierungsermessen als Herausforderung für die Letztentscheidungsdogmatik im Verwaltungsrecht, JZ 2009, S. 290 ff. (S. 295); Ludwigs, Regulierungsermessen – Spielräume gerichtlich eingeschränkter Kontrolle im Regulierungsrecht, RdE 2013, S. 297 ff. (S. 299). Das BVerfG hat sich zum funktionell-rechtlichen Ansatz zuletzt allerdings eher zurückhaltend geäußert, vgl. BVerfG, NVwZ 2011, S. 1062 ff. (S. 1065, Rn. 74); BVerfG, NVwZ 2012, S. 694 ff. (S. 695, Rn. 26). 86 Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 114 Rn. 310. 87 Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 114 Rn. 311. Siehe dazu auch: Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 194: Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 104. 88 Zu dieser Vorgabe siehe: BVerfGE 129, S. 1 ff. (S. 23); Ludwigs, Regulierungsermessen – Spielräume gerichtlich eingeschränkter Kontrolle im Regulierungsrecht, RdE 2013, S. 297 ff. (S. 299). 89 BT-Drs. 15/3917, S. 57; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 197; Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 107; König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 515.
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Teil 4: Aufsicht und Kontrolle der Übertragungsnetzbetreiber
Somit ist im Ergebnis davon auszugehen, dass in den herausgearbeiteten Bereichen den ÜNB gerichtsfeste Beurteilungsspielräume zur Verfügung stehen. Eine Einordnung in die bestehenden Fallgruppen für Behörden ist nicht erforderlich, da diese nur einen zusammenfassenden Überblick über bislang anerkannte Beurteilungsspielräume bieten, aber keine abschließende Aufzählung darstellen.91 Entscheidend ist vielmehr die bereits vorgenommene Prüfung auf normative Ermächtigung und sachliche Rechtfertigung. Zur Stützung der Argumentation kann darauf verwiesen werden, dass mehrere der anerkannten Indizien, die in Richtung der Annahme eines Beurteilungsspielraums weisen, ebenfalls verwirklicht sind.92 Dies betrifft die fehlende begriffliche Eindeutigkeit der spielraumauslösenden unbestimmten Rechtsbegriffe (vgl. insbesondere: „Gefährdung“), die Komplexität der durch den ÜNB zu treffenden Handlungsentscheidungen (droht eine Gefahr?; welche Maßnahme darf gegenüber wem ergriffen werden?), die prognostischen Elemente der Entscheidung, die Notwendigkeit von Erfahrungswissen, die Schwierigkeiten bei der nachträglichen Sachaufklärung durch die Gerichte sowie die besondere Qualifikation der ÜNB zur Gefahrenerkennung und -beseitigung. Dass die Maßnahmen der Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr grundsätzlich vollumfänglich durch die Gerichte überprüft werden93, kann nicht als Argument gegen die Anerkennung von Beurteilungsspielräumen herangezogen werden, da die durch die ÜNB durchgeführte Gefahrenabwehr – anders als diejenige des Polizeirechts – stark auf speziellem Erfahrungswissen und Sonderkenntnissen der ÜNB beruht, so dass die hierauf gegründeten Maßnahmen faktisch ohnehin nur eingeschränkt überprüfbar wären. Es besteht also insoweit keine vergleichbare Grundsituation. c) Grenzen der Beurteilungsspielräume der ÜNB Wenn bislang davon die Rede war, dass Beurteilungsspielräume zu einer Gerichtsfestigkeit führen, so bedeutet dies nicht, dass den Gerichten bei der Kontrolle von Maßnahmen der ÜNB in den Bereichen, in denen Letztentscheidungsspielräume bestehen, überhaupt keine Kompetenzen zustehen. Ausgeschlossen ist nur eine inhaltliche Überprüfung der getroffenen Entscheidung. Sehr wohl überprüfbar ist jedoch zunächst die Frage, ob überhaupt hinsichtlich eines unbestimmten Rechtsbe90 BT-Drs. 15/3917, S. 57; Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 197; Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 107. 91 Vgl. die kritische Betrachtung bei Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 316. Unklar die Einordnung bei Erbring/ Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 193 ff. 92 Siehe die Auflistung bei Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 314 m.w.N. 93 Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl., München 2016, § 114 Rn. 27.
B. Bestehen von Beurteilungsspielräumen der ÜNB
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griffes ein Beurteilungsspielraum besteht.94 Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass dies tatsächlich der Fall ist, erfolgt weiterhin zumindest eine Plausibilitätskontrolle.95 Das bedeutet, dass eine Überprüfung der durch den ÜNB getroffenen Entscheidung dahingehend erfolgt, ob die gesetzlichen Grenzen eingehalten wurden.96 Überprüft werden dabei grundsätzlich „die vollständige und methodengerechte Erfassung des Sachverhalts, die Einhaltung der Verfahrensregeln und der rechtlichen Bewertungsgrundsätze oder -maßstäbe, die Verkennung des anzuwendenden Rechts sowie der Einfluss von sachfremden Erwägungen.“97 Nur soweit die Entscheidungen des ÜNB diesen Vorgaben folgen, können sie durch die (Regulierungsbehörden und) Gerichte nicht beanstandet werden.98 Am wichtigsten dürfte es sein, dass die von den ÜNB getroffenen Entscheidungen in sich schlüssig sind und auf validen Kenntnissen über die Tatsachenlage beruhen.99 Eine Überprüfung der im Rahmen eines Beurteilungsspielraums getroffenen Entscheidung im Hinblick auf das Verbot der Diskriminierung sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz100 – hier relevant bei den verbleibenden Spielräumen hinsichtlich der individuellen Adressatenwahl – kommt jedoch nicht in Betracht. Soweit aus diesen Grundsätzen noch Vorgaben abzuleiten sind, besteht bereits kein Entscheidungsspielraum, da hierdurch den ÜNB eindeutige Vorgaben gemacht werden, die diese einzuhalten haben. Ein Beurteilungsspielraum besteht nur dann, wenn nach 94
Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., München 2014, § 114 Rn. 56; Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 114 Rn. 351. 95 Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 351. 96 Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., München 2014, § 114 Rn. 77; Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., BadenBaden 2014, § 114 Rn. 351; Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl., München 2016, § 114 Rn. 23; so auch Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198; Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 EnWG Rn. 108. 97 Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Baden-Baden 2014, § 114 Rn. 354; vgl. auch: Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., München 2014, § 114 Rn. 78; Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl., München 2016, § 114 Rn. 28; vgl. auch Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198. 98 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198. 99 Vgl. Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198. 100 So: Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 198; BDEW/VKU, Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern, Oktober 2014, S. 7; Ruge/Hennig, in: Gabler/ von Hesler (Hrsg.), EEG 2014 – Der Praxiskommentar, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 14 Rn. 78 (Stand: Mai 2016).
402
Teil 4: Aufsicht und Kontrolle der Übertragungsnetzbetreiber
Einhaltung aller expliziten und impliziten Vorgaben noch Raum für unterschiedliche Entscheidungen verbleibt.
Teil 5
Die Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber zur Übernahme der Systemverantwortung als (unzulässige) Indienstnahme? Nachdem in dieser Arbeit die materiell-rechtliche Stellung der Übertragungsnetzbetreiber herausgearbeitet wurde, also Handlungs- und Informationsrechte, Kostenverantwortung und Haftungsrisiken dargestellt wurden und zudem untersucht wurde, inwieweit Aufsicht bzw. Kontrolle durch Regulierungsbehörden und Gerichte erfolgen können bzw. inwieweit gerichtsfeste Beurteilungsspielräume bestehen, soll nun, in Teil 5, aus verfassungsrechtlicher Sicht beschrieben werden, wie die besondere Position der ÜNB einzuordnen ist. Hier liegt die Einschätzung nahe, dass es sich um eine Indienstnahme seitens des Staates handelt, da die ÜNB zur Aufgabenwahrnehmung verpflichtet werden (B.). Dies wird im Folgenden – nach vorheriger Darstellung der keineswegs eindeutigen rechtsdogmatischen Grundlagen der Indienstnahme (A.) – näher untersucht. Zudem wird geprüft, ob die Verfassungsmäßigkeit gewährleistet wird.
A. Rechtsdogmatischer Hintergrund der Indienstnahme Die Rechtsfigur der Indienstnahme Privater entfaltet ihre Bedeutung vorrangig im Kontext des neueren Staats- und Verwaltungsrechts und stellt eine Form der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch Private dar.1 Dahinter steht der Gedanke, dass der Staat nicht zwingend alle Aufgaben in eigener Regie erfüllen muss, sondern auch auf private Akteure delegieren kann. Die Motive für solche Privatisierungen im weiteren Sinne sind vielgestaltig und können etwa der Effizienzsteigerung, der Kostenersparnis, der Schaffung von Wettbewerb oder der Nutzbarmachung privaten Sachverstands dienen.2 Letzteres trifft in besonderer Weise auf die Wahrnehmung der Systemverantwortung für die Elektrizitätsversorgungsnetze durch die ÜNB zu, die
1
Vgl. dazu nur Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl., München 2012, § 12 Rn. 91 ff. 2 Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl., München 2012, § 12 Rn. 93.
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Teil 5: Systemverantwortung als (unzulässige) Indienstnahme
von allen an der Energieversorgung beteiligten Akteuren über den besten Überblick über die Lage in den Stromnetzen verfügen.3
I. Merkmale einer Indienstnahme Wie noch zu zeigen sein wird, ähnelt die Aufbürdung der Systemverantwortung auf die ÜNB am ehesten der Rechtsfigur der Indienstnahme. Diese soll deshalb im Folgenden zunächst in ihren Grundstrukturen dargestellt werden, wobei die vorliegende Arbeit nicht den Anspruch erheben kann, einen Beitrag zur Dogmatik der Indienstnahme selbst zu leisten, sondern vielmehr anhand des vorhandenen Konsenses über diesen Rechtsgegenstand eine Einordnung der Systemverantwortung der ÜNB versuchen soll. Das Grundproblem der Rechtsfigur der Indienstnahme besteht darin, dass zwar einerseits bereits dem Wortlaut nach im Grundsatz verständlich wird, worum es geht – die Vereinnahmung von privaten Akteuren für öffentliche bzw. staatliche Aufgaben –, andererseits die konkreten Voraussetzungen und Grenzen dieses Terminus bis zum heutigen Tag nicht vollständig geklärt sind.4 Drüen spricht gar von der „inhaltlichen Konturenlosigkeit“ der Indienstnahme Privater.5 Andererseits sollte die Definitionsfindung auch nicht überbewertet werden, da es für die Zulässigkeit einer rechtlichen Konstruktion am Ende ausschließlich auf die verfassungsrechtliche Prüfung, insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den Grundrechten, ankommt; vorherige Einordnungen nehmen in erster Linie eine „Zubringerfunktion“ ein.6 Die Feststellung, dass eine Indienstnahme vorliegt – soweit man überhaupt zu einer solch eindeutigen Aussage gelangen kann –, löst für sich keine Rechtsfolgen aus und enthält auch noch keine Einschätzung über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit.7
3
Vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 56 f. Vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 49; eine übersichtliche Aufarbeitung wesentlicher Stimmen in Literatur und Rechtsprechung bietet Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, Frankfurt a.M. 2006, S. 42 ff.; vgl. auch bereits Ipsen, Gesetzliche Indienstnahmen Privater für Verwaltungsaufgaben, in: Festgabe für Erich Kaufmann, Stuttgart/Köln 1950, S. 141 ff. (S. 145). 5 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 46. 6 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 50. 7 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 96 f. 4
A. Rechtsdogmatischer Hintergrund der Indienstnahme
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Als grundlegende Meilensteine in der Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte der Indienstnahme sind die Ausarbeitungen von Ipsen8 zu nennen, der diese Rechtsfigur vor allem im Steuerrecht verortete, sowie die frühen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Pflicht der Kreditinstitute, die sog. Kuponsteuer9 einzubehalten und abzuführen, sowie zur Bevorratungspflicht für Erdölerzeugnisse10 durch Erdölerzeuger und -importeure. Eng verbunden mit der Entwicklung von Tatbestandsvoraussetzungen der Indienstnahme war von Beginn an immer auch die Frage, ob den Indienstgenommenen Entschädigungen bzw. Vergütungen für ihre durch den Staat erzwungenen Aufgaben zustehen, sowie, ob eine einheitliche oder eine getrennte Prüfung von Indienstnahme und Kostenlast durchzuführen ist.11 Die Indienstnahme ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass der Staat auf privaten Sachverstand bzw. besondere Fähigkeiten von Privaten zurückgreift, um bestimmte Aufgaben erfüllen zu können.12 Drüen bietet zur Bestimmung des Vorliegens einer Indienstnahme folgende, in sich plausible Definition an: „Bei der Indienstnahme Privater wird einem ,nicht-staatlichen Subjekt‘ ohne dessen Willen einseitig durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes im öffentlichen Interesse ein Pflichtenstatus auferlegt, der Naturalleistungspflichten (einschließlich Verfahrensleistungen) zum Inhalt hat und dessen Erfüllung nicht allein eigene Angelegenheiten des Pflichtenträgers betrifft. Der Indienstgenommene bleibt Privatrechtssubjekt, wird nicht organisatorisch in die öffentliche Verwaltung integriert und nicht zum Einsatz ausschließlich dem Staat vorbehaltener öffentlich-rechtlicher Mittel berechtigt.“13 Wesentliche Punkte dieser Charakterisierung sind also14 : – Einem nicht-staatlichen Akteur werden durch den Staat bestimmte Handlungspflichten auferlegt – Es kommt nicht auf den Willen und die Bereitschaft des Indienstgenommenen hierzu an 8 Ipsen, Gesetzliche Indienstnahmen Privater für Verwaltungsaufgaben, in: Festgabe für Erich Kaufmann, Stuttgart/Köln 1950, S. 141 ff.; Ipsen, Gesetzliche Bevorratungsverpflichtung Privater, AöR 90 (1965), S. 393 ff. 9 BVerfGE 22, S. 380 ff. 10 BVerfGE 30, S. 292 ff. 11 Vgl.: Ipsen, Gesetzliche Indienstnahmen Privater für Verwaltungsaufgaben, in: Festgabe für Erich Kaufmann, Stuttgart/Köln 1950, S. 141 ff. (S. 142); Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 206 ff. 12 Ipsen, Gesetzliche Indienstnahmen Privater für Verwaltungsaufgaben, in: Festgabe für Erich Kaufmann, Stuttgart/Köln 1950, S. 141 ff. (S. 141); Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 157; Korte, in: Kirchhof/Magen/Korte (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht – Neuvermessung eines Rechtsgebiets, Heidelberg/München/Landsberg/Frechen/Hamburg 2014, § 14 Rn. 3. 13 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 51 ff., 95. 14 Vgl. auch etwa Kahl/Bews, Ökostromförderung und Verfassung – Eine Untersuchung anhand des Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014, Baden-Baden 2015, S. 100 f. m.w.N.
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Teil 5: Systemverantwortung als (unzulässige) Indienstnahme
– Gefordert wird ein Tätigwerden im öffentlichen Interesse (etwa zur Übernahme öffentlicher Aufgaben)15 und in Bezug auf Angelegenheiten, die jedenfalls auch fremdnützig sind – Der Indienstgenommene wird nicht zu einem funktionalen Element des Staates, sondern bleibt eine Person des Privatrechts16 Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sämtliche vorgestellten Tatbestandsmerkmale zumindest in ihren Details strittig sind17; beispielsweise werden zum Teil auch freiwillig begründete „Indienststellungen“ unter den Begriff der Indienstnahme gefasst oder das Element der Fremdnützigkeit abgelehnt.18 Im Großen und Ganzen hat sich laut Drüen19 gezeigt, dass es zwei wesentliche Grundtypen der Indienstnahme gibt: Zum einen die Fälle, in denen der Staat bestimmte Modalitäten von Leistungen vorschreibt, die ein Unternehmen typischerweise auch ohne staatliche Einflussnahme erbringt (Bsp.: Erdölvorräte anlegen, als Strafverteidiger Pflichtmandate übernehmen), zum anderen die Fälle, in denen der Staat auf Betriebseinrichtungen von Unternehmen Zugriff nimmt, um mit diesen bestimmte, nicht unternehmenstypische Zwecke zu verfolgen (Bsp.: Steuerabzug an der Quelle vornehmen, Telefonüberwachung ermöglichen).20 Die Indienstnahme ist von der Beleihung abzugrenzen.21 Letztere ist in ihren Einzelelementen weit weniger strittig als die Indienstnahme – sehr wohl umstritten ist allerdings das Verhältnis zwischen Indienstnahme und Beleihung.22 Typischerweise wird die Beleihung definiert als „Betrauung von Privatrechtssubjekten mit der selbständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts.“23 Der Beliehene wird durch den Beleihungsakt zu einem funktionellen Verwaltungsträger, unterliegt also den Bindungen des Verfassungsund Verwaltungsrechts sowie der behördlichen Aufsicht und kann sich im Rahmen 15 Vgl. auch Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 165. 16 So bereits Ipsen, Gesetzliche Indienstnahmen Privater für Verwaltungsaufgaben, in: Festgabe für Erich Kaufmann, Stuttgart/Köln 1950, S. 141 ff. (S. 151). 17 Vgl. die Nachweise bei Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 51 ff. 18 Vgl. speziell die Nachweise bei Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 60 f., 79. 19 Siehe Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 99 ff. 20 Vgl. bereits Ipsen, Gesetzliche Bevorratungsverpflichtung Privater, AöR 90 (1965), S. 393 ff. (S. 418 f.). 21 Vgl. bereits Ipsen, Gesetzliche Indienstnahmen Privater für Verwaltungsaufgaben, in: Festgabe für Erich Kaufmann, Stuttgart/Köln 1950, S. 141 ff. (S. 151). 22 Vgl. die Nachweise bei Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 86 ff. 23 So etwa Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl., München 2012, § 13 Rn. 89.
A. Rechtsdogmatischer Hintergrund der Indienstnahme
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seiner Aufgabe nicht selbst auf die Geltung der Grundrechte berufen; zudem werden Haftungsfälle im Wege der Amtshaftung behandelt.24 Beliehene üben staatliche Hoheitsmacht aus, indem ihnen hoheitliche Befugnisse übertragen werden.25 Dies führt zu einer Trennung von Status und Funktion: Der Beliehene ist dem Status nach auch weiterhin Privatrechtssubjekt, der Funktion nach jedoch Verwaltungsträger und Behörde.26 Das bekannteste Beispiel für die Beleihung von Privaten dürfte die Tätigkeit der Sachverständigen des TÜV e.V. im Bereich der Gefahrenabwehr im Rahmen des Straßenverkehrszulassungsrechts darstellen.27 Einen wesentlichen Abgrenzungspunkt zwischen Beleihung und Indienstnahme könnte man darin sehen, dass bei einer Beleihung hoheitliche Befugnisse an einen Privaten übertragen werden, während die Indienstnahme eines Privaten nur die Übertragung einer Aufgabe vorsieht. Dies wird wohl von einem Großteil der Literatur so vertreten28, ist jedoch keineswegs unumstritten.29 In der Tat erscheint eine strikte Trennung zwischen der bloßen Aufgabenübertragung und der weitergehenden Befugnisverleihung nicht zielführend. In vielen Fällen dürfte die Erfüllung einer staatlicherseits übertragenen Aufgabe nicht in genügendem Maße möglich sein, ohne dass dem Indienstgenommenen auch bestimmte, für die Aufgabenerfüllung erforderliche, hoheitliche Befugnisse als Annex verliehen werden.30 Drüen schlägt demnach zurecht vor, dass bei der Rechtsfigur der Indienstnahme zwar die Pflicht des Indienstgenommenen zur Aufgabenerfüllung im Vordergrund stehen muss, dass aber die Verleihung von mit dieser korrespondierenden Befugnissen nicht zwangsläufig dazu führt, dass aus der Indienstnahme rechtsdogmatisch eine Beleihung wird.31 Ebenso wird eine Indienstnahme nicht unzulässig, sobald dem Indienstgenommenen hoheitliche Befugnisse übertragen werden.32 24 Siehe hierzu nur Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl., München 2012, § 13 Rn. 90. 25 Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl., München 2012, § 12 Rn. 106. 26 Maurer, Allgemeines Veraltungsrecht, 18. Aufl., München 2011, § 23 Rn. 56. 27 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl., München 2012, § 12 Rn. 106. 28 So etwa Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, Frankfurt a.M. 2006, S. 67; ebenso zuletzt etwa Korte, in: Kirchhof/Magen/Korte (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht – Neuvermessung eines Rechtsgebiets, Heidelberg/München/ Landsberg/Frechen/Hamburg 2014, § 14 Rn. 4. 29 Vgl. die Nachweise bei Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 90 (Fn. 642), S. 92 (Fn. 655). 30 Vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 93. 31 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 93; vgl. bereits Ipsen, Gesetzliche Indienstnahmen Privater für Verwaltungsaufgaben, in: Festgabe für Erich Kaufmann, Stuttgart/Köln 1950, S. 141 ff. (S. 159). 32 A.A. Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 168.
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Teil 5: Systemverantwortung als (unzulässige) Indienstnahme
Zweifellos macht diese Einschätzung freilich die Abgrenzungsproblematik schwieriger, jedoch sollte hierbei immer im Hinterkopf behalten werden, dass die Indienstnahme ohnehin keine vollständig und umfassend ausdefinierte Rechtsfigur darstellt (vgl.o.), sondern in gewisser Weise eine „Lückenfüllungsfunktion“ einnimmt, wenn der Staat Private mit öffentlichen Aufgaben betraut und etwa die neben der Befugnisübertragung weiteren Merkmale einer Beleihung – insbesondere die funktionelle Eingliederung in die Verwaltung – nicht vorliegen.
II. Grenzen der Indienstnahme durch den Staat Mit der Feststellung, dass in einem bestimmten Fall der Übertragung von öffentlichen bzw. staatlichen Aufgaben auf Private eine Indienstnahme vorliegt, ist noch nichts über deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit entschieden.33 Maßgeblich ist vor allem die Durchführung einer am konkreten Einzelfall ausgerichteten Grundrechtsprüfung, die den besonderen Erfordernissen einer Indienstnahme gerecht wird.34 Als hauptsächlich betroffenes Grundrecht ist hier die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG anzuführen.35 Die Freiheit von Arbeitszwang nach Art. 12 Abs. 2 GG scheint zwar dem Wortlaut nach auf Indienstnahme-Konstellationen ebenfalls anwendbar zu sein („Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.“), die historische Auslegung liefert jedoch einen starken Ansatz dahingehend, dass der Verfassungsgesetzgeber mit dieser Norm in erster Linie auf die im Nationalsozialismus praktizierten Formen des herabwürdigenden Arbeitszwangs bzw. der Zwangsarbeit (vgl. Art. 12 Abs. 3 GG) replizieren wollte.36 Derartige, in Bezug zur Beeinträchtigung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) stehende Eingriffe sind in Indienstnahme-Konstellationen freilich nicht zu erwarten.37 Weiterhin kommen ggf. auch Verletzungen der Eigentumsgarantie des Art. 14
33 Vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 184 ff. 34 So schon BVerfGE 30, S. 292 ff. (S. 311); kritisch hinsichtlich des dogmatischen Wertes der Rechtsfigur Indienstnahme aber etwa Kahl/Bews, Ökostromförderung und Verfassung – Eine Untersuchung anhand des Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014, Baden-Baden 2015, S. 105 ff. 35 So bereits BVerfGE 22, S. 380 ff. (S. 383). 36 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 12 Rn. 113, 115 f.; siehe in diesem Sinne auch BVerfGE 22, S. 380 ff. (S. 383) sowie BVerfGE 30, S. 292 ff. (S. 312). 37 Vgl. auch: Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, Frankfurt a.M. 2006, S. 227 ff.; Kube, Öffentliche Aufgaben in privater Hand – Sachverantwortung und Finanzierungslast, Verw 2008, S. 13; Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 195.
A. Rechtsdogmatischer Hintergrund der Indienstnahme
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Abs. 1 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG (subsidiär) sowie des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht.38 Soweit in die genannten Grundrechte eingegriffen wird, ergibt sich eine mögliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung in erster Linie dann, soweit der Gesetzgeber mit den von ihm geschaffenen Regelungen zur Indienstnahme den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt hat. Hierbei ist dem Vorliegen einer Indienstnahme insoweit Rechnung zu tragen, als bei der Prüfung näher zu untersuchen ist, inwieweit als Indienstnahmegrund eine besondere Sachverantwortung des Indienstgenommenen für die ihm übertragene Aufgabe besteht.39 Eine derartige spezifische Sachverantwortung ergibt sich etwa im Falle der besonderen Sachnähe und Fachkunde eines privaten Akteurs hinsichtlich der zu erfüllenden Aufgabe.40 Von Bedeutung ist auch, ob es bei der Indienstnahme um die Bewältigung von Problemen geht, die „in der Sphäre des Privaten ihren Ursprung haben [oder] durch ihn mitverursacht sind.“41 Besondere Schwierigkeiten treten dann auf, wenn der Indienstgenommene nicht nur durch den mit der Aufgabenerfüllung verbundenen Organisationsaufwand belastet wird, sondern gleichzeitig finanzielle Einbußen erleidet. Solche können allerdings durch eine Entschädigung seitens des Staates bzw. die Möglichkeit der Umlage von Kosten auf Dritte teilweise oder vollständig kompensiert werden.42 Allerdings darf im Falle der Kostenumlage nicht vorschnell davon ausgegangen werden, dass die Belastungen des Indienstgenommenen gerechtfertigt sind. Hierbei ist zu beachten, dass eine Weitergabe von Kosten an Dritte auch von marktwirtschaftlichen und ggf. regulatorischen Faktoren (Bsp.: Entgeltregulierung)
38 Ausführlich Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 184 ff.; vgl. auch Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 214 ff. 39 Siehe insbesondere Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 201 ff.; ähnlich auch: BVerfGE 125, S. 260 ff. (S. 361); siehe zudem: Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 187; Ringel, Die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Energierecht (mit Schwerpunkt auf der Verpflichtung zum Ausbau des Stromnetzes), BadenBaden 2011, S. 52; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 341); kritisch Kahl/Bews, Ökostromförderung und Verfassung – Eine Untersuchung anhand des Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014, Baden-Baden 2015, S. 107 f.: Die Autoren sind der Ansicht, dass eine bereichspezifische Sonderdogmatik hier nicht erforderlich sei, sondern die allgemeine Grundrechtsdogmatik ausreiche, um dem Erfordernis der besonderen Sachverantwortung Rechnung zu tragen. 40 Vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 201; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 342). 41 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 203. 42 Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 343).
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Teil 5: Systemverantwortung als (unzulässige) Indienstnahme
abhängig ist.43 Dies kann dazu führen, dass im Ergebnis in der Praxis gar keine, eine unvollständige, oder zumindest eine nur verzögerte Weiterwälzung möglich ist. In der Literatur wird zum Teil gefordert, dass eine entschädigungslose Indienstnahme nur dann zulässig sein kann, wenn den Indienstgenommenen neben der Sachverantwortung zusätzlich eine besondere „Finanzierungsverantwortung“ für das verfolgte Gemeinwohlziel trifft.44 Diese wird abgeleitet aus den Maßgaben des Sonderabgaben-Rechts, das von Kube als „finanzverfassungsrechtliches Pendant zur sachrechtlichen Indienstnahme von Teilgruppen der Gesellschaft für Gemeinwohlbelange“ bezeichnet wird.45 Zudem wird gefordert, dass eine getrennte Grundrechtsprüfung, einmal bezogen auf die Indienstnahme selbst, zum anderen bezogen auf die finanziellen Folgen der Indienstnahme, durchzuführen sei.46 Kahl/Bews sind dagegen der Ansicht, dass zwischen Sach- und Finanzierungsverantwortung kein wirklich greifbarer Unterschied bestehe, so dass eine getrennte Grundrechtsprüfung nicht erforderlich sei.47 Dem ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als sich eine eindeutige Abgrenzung dieser beiden Verantwortungsbereiche kaum abstrakt bewerkstelligen lässt, so dass anhand des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen ist, ob der relevante Sachgrund auch die mit der Indienstnahme verbundenen Kostenlasten mittragen kann, oder ob darüber hinaus eine – möglicherweise im konkreten Fall gerade fehlende – spezielle Finanzierungsverantwortung zu fordern ist.48 Jedenfalls abzulehnen ist jedoch die Durchführung einer gesonderten Grundrechtsprüfung im Hinblick auf die Kostenfolgen einer Indienstnahme.49 Dies würde den Rechtsvorgang „Indienstnahme“ unnatürlich aufspalten. Dass eine Indienstnahme mit Kostenausgleich logischerweise gegenüber einer solchen ohne Ausgleich ein milderes Mittel darstellt und somit das erfolgreiche „Passieren“ des Verhält43 So auch Kube, Öffentliche Aufgaben in privater Hand – Sachverantwortung und Finanzierungslast, Verw 2008, S. 23; vgl. bereits Ipsen, Gesetzliche Bevorratungsverpflichtung Privater, AöR 90 (1965), S. 393 ff. (S. 436). 44 So etwa: Kube, Öffentliche Aufgaben in privater Hand – Sachverantwortung und Finanzierungslast, Verw 2008, S. 17 f., 21; Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 214 f.; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 344). 45 Kube, Öffentliche Aufgaben in privater Hand – Sachverantwortung und Finanzierungslast, Verw 2008, S. 16. 46 So in der jüngeren Zeit etwa: Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, Frankfurt a.M. 2006, S. 224 f.; Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 181 f.; entsprechend offensichtlich auch Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 344 f.) 47 Kahl/Bews, Ökostromförderung und Verfassung – Eine Untersuchung anhand des Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014, Baden-Baden 2015, S. 107 (speziell Fn. 359). 48 Vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 204 f. 49 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 212; Kahl/Bews, Ökostromförderung und Verfassung – Eine Untersuchung anhand des Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014, Baden-Baden 2015, S. 107 (speziell Fn. 359).
B. Bewertung
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nismäßigkeitsgrundsatzes erleichtert, führt keineswegs automatisch dazu, dass sämtliche Indienstnahmen mit Ausgleichsregelungen im Sinne eines „dulde und liquidiere“-Prinzips auch bereits rechtmäßig sind, da die Indienstnahme darüber hinaus angemessen, also verhältnismäßig „im engeren Sinne“ sein muss.50 Hierfür genügt nicht bereits das Vorhandensein einer Kostenerstattungsregelung, sondern es ist eine umfassende Abwägung vorzunehmen. Ein praktischer Bedarf für die getrennte Grundrechtsprüfung besteht demnach nicht.
B. Bewertung: Aufbürdung der Systemverantwortung als (unzulässige) Indienstnahme? Nach der Klärung der allgemeinen Merkmale und Grenzen von Indienstnahmen, soll nun untersucht werden, ob die Aufbürdung der Systemverantwortung auf die ÜNB eine Indienstnahme in diesem Sinne darstellt und ob diese verfassungsgemäß ausgestaltet ist. Dabei ist zunächst kurz die Bedeutung der Versorgungssicherheit im Elektrizitätsbereich aufzuzeigen.
I. Hintergrund zur Bedeutung der Versorgungssicherheit im Elektrizitätsbereich51 Die Regelungen zur Systemverantwortung sollen der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems (§ 13 Abs. 1 EnWG) und damit letztlich der netzseitigen Versorgungssicherheit52 dienen. Die Versorgungsicherheit wird bereits in § 1 Abs. 1 und 2 EnWG zu den wesentlichen Grundprinzipien des Energiewirtschaftsrechts gezählt. Es handelt es sich dabei um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, die grundsätzlich dem Staat zufällt.53 Die Stabilität der Stromnetze ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Gewährleistung der jederzeitigen und stabilen Versorgung der Bevölkerung – also von Unternehmen und Haushalten gleichermaßen – mit Elektrizität. Diese wiederum ist eine essentielle Grundbedingung für das Leben und Wirtschaften in einem modernen Staat, da ohne funktionierende Stromversorgung das öffentliche Leben binnen kurzer Zeit nahezu voll-
50 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 210 f. 51 Gut zusammengefasst bei Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 107 ff. 52 Vgl. dazu schon Teil 2 A.II. 53 BVerfGE 66, S. 248 ff. (S. 258); Altenschmidt, Die Versorgungssicherheit im Lichte des Verfassungsrechts, NVwZ 2015, S. 559 ff. (S. 561).
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ständig zum Erliegen kommen würde.54 Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ist nach dem BVerfG deshalb eine „öffentliche Aufgabe von größter Bedeutung“, oder gar von „überragender Bedeutung“ für das Gemeinwohl, deren „der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf.“55 Das Interesse der Bevölkerung an einer funktionierenden Stromversorgung sei vergleichbar mit dem „Interesse am täglichen Brot.“56 Das BVerfG betont in diesem Zusammenhang zudem die Bedeutung für den „ungestörten Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens.“57 Auch für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und das friedliche Miteinander innerhalb der Gemeinschaft ist die Sicherung der Elektrizitätsversorgung entscheidend.58 Aus heutiger verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Sicht ist es dennoch nicht erforderlich, dass der Staat Aufgaben der Daseinsvorsorge in Alleinregie selbst übernimmt.59 Dies gilt auch für den Bereich der Versorgungssicherheit.60 Im Rahmen seiner Gewährleistungsverantwortung kann er auch durch die Schaffung gesetzlicher Regelungen sicherstellen, dass bestimmte hierzu zu rechnende Aufgaben durch private Akteure erfüllt werden.61 Ein Mittel der Aufgabenübertragung auf Private ist die Rechtsfigur der Indienstnahme.62 Die Privatisierung entlässt den Staat freilich nicht aus seiner Pflicht, jederzeit zu überwachen, dass die von ihm übertragenen Aufgaben auch tatsächlich in genügendem Maße erfüllt werden.63 Gerade soweit 54
Altenschmidt, Die Versorgungssicherheit im Lichte des Verfassungsrechts, NVwZ 2015, S. 559 ff. (S. 559 f.); siehe auch TAB, Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen Ausfalls der Stromversorgung, 2010; vgl. zudem: Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff. (S. 330, 344 f.); Tamke, Die Haftungsprivilegierung für Netzbetreiber bei Störungen der Anschlussnutzung, Baden-Baden 2014, S. 66 ff. 55 BVerfGE 66, S. 248 ff. (S. 258); BVerfGE 134, S. 242 ff. (S. 338). 56 BVerfGE 91, S. 186 ff. (S. 206). 57 BVerfGE 30, S. 292 ff. (S. 312, 324); BVerfGE 134, S. 242 ff. (S. 338). 58 Altenschmidt, Die Versorgungssicherheit im Lichte des Verfassungsrechts, NVwZ 2015, S. 559 ff. (S. 561). 59 Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl., München 2012, § 12 Rn. 91. 60 Vgl.: Altenschmidt, Die Versorgungssicherheit im Lichte des Verfassungsrechts, NVwZ 2015, S. 559 ff. (S. 562); Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 54 f., 69). 61 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 151. 62 Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 151. 63 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl., München 2012, § 12 Rn. 58; vgl. auch: Moser, Versorgungssicherheit im liberalisierten Energiemarkt, Göttingen 2007, S. 61, 65 f.; Berzel/ Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-
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dieser davon ausgehen muss, dass der freiheitliche Wettbewerb die Versorgungssicherheit nicht uneingeschränkt gewährleisten kann, ist eine staatliche Intervention erforderlich.64 Regulierung dient insoweit nicht nur der Schaffung von Wettbewerb, sondern auch der Erhaltung der Versorgungssicherheit.65
II. Stellt die Aufbürdung der Systemverantwortung auf die ÜNB eine Indienstnahme durch den Staat dar? Wie dargestellt, hat sich der Staat dafür entschieden, die Gewährleistung der netzseitigen Versorgungssicherheit in die Hände von nicht-behördlichen Akteuren, den ÜNB, zu geben, bzw., soweit diese im Eigeninteresse der ÜNB liegt, sie dort zu belassen. Damit ist jedoch noch nicht geklärt, wie diese Aufbürdung von Verantwortung rechtlich einzuordnen ist. In Betracht kommt die Rechtsfigur der Indienstnahme, deren wesentliche Grundlagen in Teil 5 A. näher beleuchtet wurden.66 Für das Vorliegen einer Indienstnahme ist gemäß den in dieser Arbeit herangezogenen Einordnungsvoraussetzungen zunächst erforderlich, dass einem nichtstaatlichen Akteur durch den Staat bestimmte Handlungspflichten auferlegt werden, wobei es nicht auf den Willen und die Bereitschaft des Indienstgenommenen hierzu ankommt. Dies trifft auf die Systemverantwortung der ÜNB zu: Der Gesetzgeber hat die ÜNB, als Akteure des Privatrechts, nach § 13 Abs. 1 EnWG verpflichtet, Gefährdungen oder Störungen für die Sicherheit bzw. Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu beseitigen. Ein potenziell entgegenstehender Wille der ÜNB ist irrelevant. Weiterhin ist für die Einordnung als Indienstnahme gefordert, dass ein Tätigwerden im öffentlichen Interesse und in Bezug auf jedenfalls auch fremdnützige Angelegenheiten erfolgt. Da die Systemverantwortung der Netzstabilität und damit der Versorgungssicherheit dient, geht es um ein überragend wichtiges öffentliches Interesse.67 Es handelt sich um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, deren jederzeitige Gewährleistung im Grundsatz dem Staat obliegt.68 Die Bereitstellung eines stabilen Stromnetzes ist zwar eine der Kernaufgaben der ÜNB, deren Erfüllung unabdingbar für das reguläre Geschäftsmodell des ÜbertraRegulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, BadenBaden 2015, S. 53 ff. (S. 55). 64 Ruthig, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl., Köln 2016, S. 1409. 65 Ruthig, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl., Köln 2016, S. 1409. 66 Vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 51 ff., 95. 67 Siehe Teil 5.B.I. 68 BVerfGE 66, S. 248 ff. (S. 258); Altenschmidt, Die Versorgungssicherheit im Lichte des Verfassungsrechts, NVwZ 2015, S. 559 ff. (S. 561).
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gungsnetzbetriebes ist – insoweit stellt dies auch eine ureigene Aufgabe der ÜNB selbst dar.69 Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Handeln der ÜNB „jedenfalls auch fremdnützig“ ist, da sämtliche nachgelagerten Verteilnetzbetreiber sowie die angeschlossenen Stromerzeuger und -verbraucher im Rahmen der Stromversorgung davon abhängig sind, dass der Stromtransport funktioniert. Die ÜNB sind nach § 13 Abs. 1 EnWG zudem nicht nur für die Stabilität ihres eigenen Übertragungsnetzes verantwortlich, sondern für die Stabilität des gesamten Elektrizitätsversorgungssystems innerhalb ihrer Regelzone. Als letzte Voraussetzung für das Vorliegen einer Indienstnahme darf der Indienstgenommene im Sinne einer negativen Abgrenzung nicht zu einem funktionalen Element des Staates werden, sondern muss Person des Privatrechts bleiben.70 Auch dies ist bei den ÜNB der Fall: Sie sind nicht als Behörde organisiert, handeln nicht durch den Erlass von Verwaltungsakten und haften regulär gemäß den Vorschriften des Zivilrechts (vgl. § 13 Abs. 5 EnWG); es findet keine Amtshaftung statt. Insoweit hat sich gezeigt, dass sich die Systemverantwortung der ÜNB an sich ohne größere Schwierigkeiten als Indienstnahme durch den Staat einordnen lässt.71 Sie weist auch eine große Nähe zu einem der beiden von Drüen herausgearbeiteten Grundtypen auf, nämlich dem Fall, dass der Staat bestimmte Modalitäten von Leistungen vorschreibt, die ein Unternehmen typischerweise auch ohne staatliche Einflussnahme erbringt (Bsp.: Erdölvorräte anlegen, als Strafverteidiger Pflichtmandate übernehmen).72 Wie bereits erwähnt, stellt die Gewährleistung der Netzstabilität so oder so eine Grundbedingung des Netzbetriebs dar, die der ÜNB auch aus freien Stücken erbringen würde. Der Staat hat dies jedoch darüber hinaus im Sinne einer Verantwortlichkeit festgeschrieben und zudem die „Modalitäten“ dieser Leistungserbringung näher ausgestaltet. Dies betrifft etwa die Regelungsreihenfolge (vgl. § 13 Abs. 2 EnWG), die grundsätzliche Einhaltung des Vorrangs der Ein69
Vgl.: BVerfGE 30, S. 292 ff. (S. 324); Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 187. 70 Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 341). 71 So auch: Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 341 f.); Kindler, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 378 f. (S. 379); Ruttloff, Redispatch und angemessene Vergütung – Präjudizien für den Strommarkt 2.0, NVwZ 2015, S. 1086 ff. (S. 1090, 1092); Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 360; a.A. zur Einordnung des Netzbetreibers generell Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 134 („Normadressat sui generis“); a.A. evtl. auch Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff. (S. 253 f.), bezogen jedoch nur auf § 13a Abs. 1 und 2 sowie § 13 Abs. 1b EnWG a.F. (Vorliegen einer Beleihung, allerdings aufgrund der Ausgestaltung verfassungswidrig); dem zustimmend wohl Tüngler, in: Kment (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, Baden-Baden 2015, § 13 Rn. 38 (Fn.44). 72 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 99 ff.
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speisung von EE, Grubengas und hocheffizienter KWK (§ 13 Abs. 3 EnWG), die Haftungsprivilegierung (§ 13 Abs. 5 EnWG), die verschiedenen Informationsrechte und -pflichten (§§ 12 Abs. 4 – 7, 13 Abs. 7 EnWG etc.), die Regelungen zur Ausschreibung von Regelenergie oder ab- bzw. zuschaltbaren Lasten (§§ 22 Abs. 2, 13 Abs. 6 EnWG) usw. Dies wesentlichen Aspekte der Indienstnahme liegen also nicht nur in der umfassenden Gefahrenabwehr-Verpflichtung, sondern v. a. auch in der näheren inhaltlichen Ausgestaltung der Regelungen (§§ 13 ff. EnWG, §§ 14 f. EEG 2017).73 Als problematisch für die Einordnung der Systemverantwortung als Indienstnahme erweist sich allerdings – auch in Abgrenzung zur Rechtsfigur der Beleihung74 – die Tatsache, dass den ÜNB nicht nur die Aufgabe der Gefahrenabwehr überantwortet wird, sondern diesen auch umfassende Handlungsbefugnisse gewährt werden.75 Dies betrifft namentlich die Kompetenzen der ÜNB, die nicht auf vertraglicher Grundlage beruhen, also insbesondere den gesetzlichen Redispatch nach § 13a Abs. 1 EnWG, die Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG, das spezielle Instrument des Einspeisemanagements nach § 14 Abs. 1 EEG 2017 sowie bestimmte Informationsrechte (v. a. § 12 Abs. 4 – 7 EnWG). Hiernach können die ÜNB – freilich unter Einhaltung der richtigen Regelungsrangfolge sowie der Auswahl des korrekten Adressaten (Teil 2 C.) – weitreichende Eingriffe wahrnehmen, die im Rahmen dieser Abhandlung bereits als geradezu polizeirechtsähnlich bezeichnet wurden. Entscheidend ist also, dass den ÜNB Befugnisse zustehen, die über vertragliche Abreden (marktbezogene Maßnahmen, § 13 Abs. 1 EnWG) hinausgehen und zudem auch außerhalb ihres eigenen Geschäftsbereiches, also des von ihnen betriebenen Übertragungsnetzes, angewandt werden können. Sie verfügen über quasi-hoheitliche Eingriffsmöglichkeiten und Informationsbeschaffungsrechte.76 Insoweit kann man durchaus davon sprechen, dass die ÜNB in Teilen eine beleihungsähnliche Stellung aufweisen.77 Dennoch ändert dies insgesamt nichts an der Einordnung der zugrundeliegenden Rechtsfigur als Indienstnahme. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Verleihung von mit der Aufgabenerfüllung korrespondierenden Befugnissen nicht zwangsläufig dazu führt, dass aus der Indienstnahme rechtsdogmatisch eine Belei73
So auch Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 341 f.). 74 Vgl. auch Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 360. 75 Vgl. dazu auch KG Berlin, ZNER 2016, S. 48 ff. (S. 49). 76 Günnewicht, Reguliertes Informationsmanagement in der Elektrizitätswirtschaft – Rechtliche Strukturen des Informationsmanagements im Kontext der Frequenzhaltung, BadenBaden 2015, S. 191; Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 360. 77 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, Tübingen 1998, S.9; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 341); Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 246).
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hung wird.78 In vielen Fällen – wie auch vorliegend – kann die Erfüllung einer staatlicherseits übertragenen Aufgabe nicht in genügendem Maße geleistet werden, ohne dass dem Indienstgenommenen auch bestimmte, für die Aufgabenerfüllung erforderliche, hoheitliche Befugnisse als Annex verliehen werden.79 Die Befugnisse im Rahmen der Systemverantwortung der ÜNB loten womöglich den Grenzbereich dessen aus, was man noch unter die Rechtsfigur der Indienstnahme fassen kann, können aber noch unter diesem Begriff eingeordnet werden, da die Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung – Gewährleistung der Netzstabilität – im Vordergrund der Regelungen steht. Die genannten Befugnisse docken dezidiert an dieser Aufgabe an und verbriefen keine überschießenden Rechte. Dies zeigt sich deutlich an den Notmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG, die nur nachrangig zu marktbezogenen, also grundsätzlich vertraglich vereinbarten Handlungsformen, herangezogen werden dürfen. Die quasi-hoheitlichen Befugnisse kommen also in erster Linie nur dann ins Spiel, wenn die ÜNB auf regulär zivilrechtlichem Weg die Aufgabenerfüllung mangels ausreichender Beteiligung der Netznutzer nicht leisten können. Ohnehin fehlt es hier auch am Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen einer Beleihung80, da die ÜNB nicht als funktionelle Verwaltungsträger und in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts tätig werden.81 Die ÜNB haben die Systemverantwortung auch nicht freiwillig übernommen und können aus der Verpflichtung an sich auch keinen spezifischen Sondernutzen ziehen. Einzig die Eingliederung der ÜNB in die Aufsichtsstruktur der BNetzA (§ 65 EnWG) weist noch gewisse Parallelen zur Beleihung auf. Diese betrifft aber nicht speziell die ÜNB, sondern generell „Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen“, die ein Verhalten zeigen, dass den „Bestimmungen dieses Gesetzes [gemeint ist das EnWG] sowie den aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsvorschriften entgegensteht“ (§ 65 Abs. 1 EnWG). Insoweit handelt es sich nicht um eine beleihungsspezifische Aufsichtsregelung.82 Abschließend ist noch auf eine Besonderheit hinzuweisen. Die Indienstnahme im Rahmen der Aufbürdung der Systemverantwortung stellt wohl nicht die einzige Indienstnahme der ÜNB dar, da sich auch weitere Verpflichtungen der ÜNB bzw. Netzbetreiber allgemein als solche einordnen lassen. Dies betrifft einerseits die
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Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012,
Vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 93. 80 Vgl. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl., München 2012, § 13 Rn. 89. 81 Vgl.: Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 246); Ruttloff, Redispatch und angemessene Vergütung – Präjudizien für den Strommarkt 2.0, NVwZ 2015, S. 1086 ff. (S. 1089). 82 Ebenso Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff. (S. 254).
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Netzausbau-83, andererseits die Abnahme- und Vergütungspflichten84 nach EEG und KWKG. Hinzu kommt die besondere Situation, dass zugleich auch bestimmte Betreiber von Erzeugungsanlagen durch den Staat indienstgenommen werden (§§ 13a, 13b EnWG, ggf. auch im Rahmen von Notmaßnahmen bzw. Einspeisemanagement durch den ÜNB/VNB).85 Das führt zu der kurios anmutenden Situation, dass zum Teil ein Indienstgenommener (ÜNB) bei der Wahrnehmung der Systemverantwortung gegenüber seinerseits Indienstgenommenen (Anlagenbetreiber) Handlungen vollzieht.86
III. Ist die Aufbürdung der Systemverantwortung verfassungsgemäß ausgestaltet? An die Feststellung, dass die Systemverantwortung eine Indienstnahme darstellt, schließt sich notwendigerweise die Prüfung an, ob diese auch verfassungsgemäß ist. Hier ist aus Sicht der ÜNB zu prüfen, ob Grundrechte verletzt werden.87 Vorrangig ist 83 So etwa: Ringel, Die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Energierecht (mit Schwerpunkt auf der Verpflichtung zum Ausbau des Stromnetzes), Baden-Baden 2011, S. 52 ff.; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 339 ff.). 84 So etwa: Kube, Öffentliche Aufgaben in privater Hand – Sachverantwortung und Finanzierungslast, Verw 2008, S. 1 ff. (S. 11 ff., 28), insoweit kritische Äußerung; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 339 ff.); Kahl/Bews, Ökostromförderung und Verfassung – Eine Untersuchung anhand des ErneuerbareEnergien-Gesetz 2014, Baden-Baden 2015, S. 109 ff. (bei „hypothetischer“ Prüfung). 85 So u. a.: König, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1 (Halbband 1), 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2013, § 13a EnWG Rn. 31; Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken – Zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Regulierung der Energieerzeugung, N&R 2013, S. 251 ff.; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 339 ff.); Kindler, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, ZNER 2015, S. 378 f.; Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 245 ff.), Ruttloff, Redispatch und angemessene Vergütung – Präjudizien für den Strommarkt 2.0, NVwZ 2015, S. 1086 ff. (S. 1089 ff.); vgl. auch: Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, S. 313 ff.; Garbers, Rechtliche Vorgaben für die Bundesnetzagentur bei regulatorischen Eingriffen in die Versorgungssicherheit, RdE 2015, S. 221 ff. (S. 224 f.); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13a Rn. 39 f. 86 Ruttloff, Redispatch und angemessene Vergütung – Präjudizien für den Strommarkt 2.0, NVwZ 2015, S. 1086 ff. (S. 1090); vgl. auch Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 340 f.). 87 Inwieweit für gemischtwirtschaftliche Unternehmen die generelle Grundrechtsfähigkeit zu bejahen sein kann, soll hier nicht untersucht werden. Es wird vorliegend (vereinfachend) davon ausgegangen, dass sich auch solche generell auf Grundrechte berufen können, vgl. hierzu etwa Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 400 ff. Insoweit kann argumentiert werden, dass eine Berufung auf Grundrechte bereits dann möglich sein muss, wenn auch nur ein rein privater Akteur Anteile am Unternehmen besitzt, vgl. etwa Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 151 ff.
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dabei an eine Verletzung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG zu denken.88 Auch das BVerfG konzentriert sich bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Indienstnahmen hierauf.89 Schutzgut der Berufsfreiheit ist bei Unternehmen die Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit auszuüben.90 Die Aufbürdung von Netzsicherheitsaufgaben auf die ÜNB stellt einen Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit dar, da die Berufsfreiheit grundsätzlich auch davor schützt, dass Beeinträchtigungen des „ob und wie“ der gewerblichen Betätigung erfolgen, dass diese also nicht fremdbestimmt wird.91 Indem die ÜNB durch die Aufbürdung der Systemverantwortung in die Pflicht genommen werden, die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten, wobei die Modalitäten dieser Verpflichtung teilweise sehr detailliert vorgegeben werden, wird ihre Freiheit, autonome, betriebswirtschaftlich ausgerichtete Entscheidungen zu fällen, stark eingeschränkt. Dass die Ausübung ihrer eigentlichen beruflichen Tätigkeit darüber hinaus sogar gänzlich unrentabel wird92, ist allerdings nicht ersichtlich, so dass die Grenze hin zu einem Eingriff in die Berufswahlfreiheit – als noch schwerwiegendere Eingriffsform – nicht überschritten ist. Eingriffe in Freiheitsgrundrechte sind nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gewahrt werden. Dies erfordert, dass mit dem Eingriff ein legitimer Zweck verfolgt wird und das hierzu eingesetzte Mittel geeignet, erforderlich und angemessen ist.93 Berufsausübungsregelungen sind nur dann angemessen, wenn sie durch vernünftige bzw. ausreichende Gründe des Allgemeinwohls legitimiert sind.94 Die Rechtmäßigkeit einer Indienstnahme erfordert darüber hinaus, dass eine besondere Sachverantwortung des Indienstgenommenen für die ihm übertragene Aufgabe besteht.95 Eine (S. 232). Dies entspricht allerdings nicht der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, vgl. zuletzt etwa BVerfG, Urteil vom 06. 12. 2016, 1 BvR 2821/11, juris-Rz. 190. Hiernach ist entscheidend, ob der Staat mehr als 50 Prozent der Anteile hält. Im Hinblick auf TenneT TSO als niederländisches Staatsunternehmen gilt, dass eine Berufung auf Grundrechte – wohl auch nach der Ansicht des BVerfG im vorstehend zitierten Urteil (juris-Rz. 191 ff.) – möglich ist. 88 Art. 12 Abs. 2 GG ist bereits aus historischen Gründen kein relevanter Maßstab, vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 12 Rn. 113, 115 f.; siehe in diesem Sinne auch BVerfGE 22, S. 380 ff. (S. 383) sowie BVerfGE 30, S. 292 ff. (S. 312). 89 So bereits in BVerfGE 22, S. 380 ff. (S. 383) und BVerfGE 30, S. 292 ff. (S. 312). 90 BVerfGE 21, S. 261 ff. (S. 266). 91 Ruttloff, Redispatch und angemessene Vergütung – Präjudizien für den Strommarkt 2.0, NVwZ 2015, S. 1086 ff. (S. 1089); vgl. auch Ringel, Die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Energierecht (mit Schwerpunkt auf der Verpflichtung zum Ausbau des Stromnetzes), BadenBaden 2011, S. 43 f. 92 BVerfGE 30, S. 292 ff. (S. 313 f.). 93 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 20 Rn. 80 ff. 94 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 12 Rn. 45. 95 Teil 5 A.II. Siehe insbesondere Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 201 ff.; ähnlich auch: BVerfGE 125, S. 260 ff. (S. 361);
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solche ergibt sich etwa im Falle der besonderen Sachnähe und Fachkunde eines privaten Akteurs hinsichtlich der zu erfüllenden Aufgabe.96 Mit der Aufbürdung der Systemverantwortung auf die ÜNB verfolgt der Gesetzgeber den legitimen Zweck, die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten und damit der Versorgungssicherheit insgesamt zu dienen.97 Hierzu werden die ÜNB verpflichtet, Gefährdungen und Störungen zu beseitigen (§ 13 Abs. 1 EnWG). Wie dargestellt, handelt es sich bei der Erhaltung der Versorgungssicherheit um einen besonders wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge. Das BVerfG spricht von einer „öffentliche[n] Aufgabe von größter Bedeutung“, oder gar von „überragender Bedeutung“ für das Gemeinwohl, deren „der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf.“98 Indem der Staat sicherstellt, dass ein privater Akteur hierfür die Verantwortung übernimmt, wird er seiner Gewährleistungsverantwortung gerecht.99 Die ÜNB stellen auch geeignete Adressaten für diese Aufgabe dar, da sie von allen an der Energieversorgung beteiligten Akteuren über den besten Überblick über die Lage in den Stromnetzen verfügen.100 Sie sind deshalb dazu in der Lage, Gefährdungen frühzeitig zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.101 Im Vergleich zu sonstigen, nachgelagerten Netzbetreibern oder zu staatlichen Stellen, befinden sich die ÜNB also in einer besonders exponierten Stellung, was die Möglichkeiten einer effektiven „Netzpolizei“ angeht. Dementsprechend befassten sie sich bereits vor der Einführung des § 13 EnWG im Jahre 2005 auf freiwilliger Basis siehe zudem: Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 187; Ringel, Die wirtschaftliche Zumutbarkeit im Energierecht (mit Schwerpunkt auf der Verpflichtung zum Ausbau des Stromnetzes), Baden-Baden 2011, S. 52; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 341); kritisch Kahl/Bews, Ökostromförderung und Verfassung – Eine Untersuchung anhand des Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014, Baden-Baden 2015, S. 107 f.: Die Autoren sind der Ansicht, dass eine bereichspezifische Sonderdogmatik hier nicht erforderlich sei, sondern die allgemeine Grundrechtsdogmatik ausreiche, um dem Erfordernis der besonderen Sachverantwortung Rechnung zu tragen. 96 Vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 201; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 342). 97 Vgl. bei Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 193, als Beispiel für ein Sachziel der Indienstnahme; vgl. zudem BVerfGE 30, S. 292 ff. (S. 317) bezüglich der Erdölbevorratungspflicht; siehe zudem Ruttloff, Redispatch und angemessene Vergütung – Präjudizien für den Strommarkt 2.0, NVwZ 2015, S. 1086 ff. (S. 1090). 98 BVerfGE 66, S. 248 ff. (S. 258); BVerfGE 134, S. 242 ff. (S. 338). 99 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 151; so auch Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 2. 100 Vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 56 f.; siehe zudem Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 342). 101 Vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 56 f.
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Teil 5: Systemverantwortung als (unzulässige) Indienstnahme
und anhand des Transmission Code102 mit der Überwachung und Steuerung der Netze.103 Erbring/Kuring/Ruge sprechen gar davon, dass die Eigenschaft eines Netzbetreibers als ÜNB ohne die Verpflichtung und Berechtigung zur Ausregelung der Stromnetzes gänzlich in Frage stünde.104 Eine wichtige Frage ist, ob die Aufbürdung der umfassenden Systemverantwortung auf die ÜNB weiterhin erforderlich ist, oder ob stattdessen auch ebenso wirksame, aber mildere Mittel zur Verfügung stehen.105 Im Ergebnis ist diese Frage zu bejahen, da die ÜNB – wie dargestellt – am besten geeignet sind, Gefährdungen für das Elektrizitätsversorgungssystem zu erkennen und zu beseitigen. Die Einschaltung anderer privater Akteure oder Behörden würde nicht den gleichen Grad an Versorgungssicherheit mit ebenso effizienten Mitteln bieten können. Allerdings ist der Gesetzgeber sehr wohl in der Pflicht, die Mittel auszuschöpfen, die gleichzeitig den sonstigen an der Elektrizitätsversorgung Beteiligten Möglichkeiten bieten, selbst aktiv an der jederzeitigen Erhaltung der netzseitigen Versorgungssicherheit mitzuarbeiten. Damit ist gemeint, dass der Gesetzgeber einen Rechtsrahmen schaffen muss, in dem auch Erzeuger, Lieferanten und Verbraucher dazu angereizt werden, durch ihr Erzeugungs-, Lieferungs- und Nachfrageverhalten auf die aktuelle Lage im Netz zu reagieren. Gerade ein zunehmend auf volatilen Energiequellen (Windkraft, PV) basierendes Elektrizitätssystem erfordert kurzfristige Anpassungen an die aktuelle Einspeisesituation, der Verbrauch muss also stärker der Einspeisung folgen. Je mehr aber die genannten Beteiligten bereits selbst daran mitwirken, Erzeugung und Last in Ausgleich zu bringen und Netzengpässe zu vermeiden, desto weniger Eingriffe durch den ÜNB werden erforderlich. Hier besteht aus gesetzlicher Sicht noch Nachholbedarf bei der Schaffung eines Rechtsrahmens für Flexibilitätsoptionen wie Speicher und zuschaltbare Lasten bzw. bei der Einführung von Strompreisregelungen, die den Strombezug gerade dann belohnen, wenn viel Strom im Netz verfügbar ist und umgekehrt sanktionieren, wenn Engpässe bestehen. Ein bereits vorhandenes, in diese Richtung weisendes Strompreisinstrument bietet § 14a EnWG106, nach dem Verbraucher den VNB die netzdienliche Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen (etwa Wärmepumpen oder E-Kfz) überlassen können und dafür im Gegenzug von einem reduzierten Netzentgelt profitieren. Das Lastmanagement wird zudem nun mit § 13 Abs. 6a EnWG erstmals direkt adressiert. Hier bestehen aber noch große Potenziale, die der Gesetzgeber dringend ausschöpfen sollte. Dies hat er, wie die Überarbeitungen des
102
Vgl. die „aktuelle“ Fassung des Transmission Code: VDN, Transmission Code 2007. Vgl. Ruge, in: Rosin/Pohlmann et al. (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Band 1, Losebl., Frankfurt a.M. 2015, § 13 Rn. 4 (Stand: März 2012). 104 Erbring/Kuring/Ruge, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, München 2010, S. 107 ff., Rn. 238. 105 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 20 Rn. 85. 106 Teil 2 B.III.3.b). 103
B. Bewertung
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EnWG im Rahmen des Strommarktgesetzes zeigen107, mittlerweile zumindest erkannt. So wird die Bedeutung von Flexibilitätsoptionen nun in § 1 Abs. 4 Nr. 3 und § 1a Abs. 3 EnWG explizit herausgestellt. Nichtsdestotrotz wird immer der Bedarf nach einer effektiv ausgestalteten Letztverantwortung der ÜNB bestehen, so dass auch in Zukunft keine Aufgabe der Pflicht zur Übernahme der Systemverantwortung realistisch erscheint. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass man einzelne Teilpflichten der ÜNB künftig als nicht (mehr) erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einordnen muss, da ebenso wirksame, mildere Mittel bestehen. Für die Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme der ÜNB in ihrer derzeitigen Ausgestaltung ist letztendlich entscheidend, dass die Regelungen den Grundsatz der Angemessenheit wahren. Dies erfordert, dass der Eingriff bzw. das mit ihm verfolgte Ziel „in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts“ der Berufsfreiheit stehen.108 Hier ist also zum einen der Blick zu richten auf die Bedeutung der Versorgungssicherheit als verfolgtes Ziel, zum anderen die Schutzwürdigkeit der ÜNB als privatrechtlich organisierte Wirtschaftsunternehmen. Dabei ist erneut die überragende Wichtigkeit der ständigen und zuverlässigen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität zu betonen (vgl.o.). Die Gewährleistung der Netzstabilität als elementarer Teilbereich der Versorgungssicherheit als Ganzes, ist dabei am besten bei den ÜNB aufgehoben (vgl.o.). Das Schutzgut der Systemverantwortungs-Regelungen ist also zum einen von besonders herausragender Stellung, zum anderen bei den ÜNB sinnvoll allokiert. Deren Schutzwürdigkeit ist gleichzeitig bereits deshalb gemindert, da die Gewährleistung eines stabilen Elektrizitätsnetzes ohnehin Grundbedingung ihrer wirtschaftlichen Betätigung als Netzbetreiber ist.109 Sie werden folglich nicht mit einer unternehmensfremden Aufgabe belastet, sondern es wird eine unternehmenseigene Aufgabe erweitert und in seinen Modalitäten näher festgelegt. Es zeigt sich insoweit, dass „vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls“ bestehen, die die Überbürdung der Systemverantwortung tragen können. Auch die spezifischen Angemessenheitsanforderungen, die eine Indienstnahme mit sich bringt, sind vorliegend gewährleistet, da die ÜNB eine besondere Sachverantwortung für die Netzsicherheit trifft.110 Dies ergibt sich als Folge der bereits beschriebenen besonderen Sachnähe und Fachkunde hinsichtlich der zu erfüllenden Überwachungs- und Steuerungsaufgabe.111 107
BGBl. 2016 I S. 1786 ff. BVerfGE 67, S. 157 ff. (S. 173); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 20 Rn. 86. 109 Vgl.: BVerfGE 30, S. 292 ff. (S. 324); Greenawalt, Die Indienstnahme privater Netzbetreiber bei der Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, Berlin 2009, S. 187. 110 Vgl. auch Ruttloff, Redispatch und angemessene Vergütung – Präjudizien für den Strommarkt 2.0, NVwZ 2015, S. 1086 ff. (S. 1090). 111 Vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 201; Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 342). 108
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Teil 5: Systemverantwortung als (unzulässige) Indienstnahme
Auch die Bewertung der Kosten- und Haftungsfolgen, die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zu berücksichtigen sind, führt insoweit zu keiner anderen Einschätzung. Da den ÜNB die Aufgabe der Gewährleistung der Netzsicherheit auch ohne staatliche Beeinflussung grundsätzlich zuzuordnen ist, beinhaltet dies auch die Verantwortlichkeit für in diesem Zusammenhang entstehende Kosten bzw. Haftungsfälle. Ihre Sachverantwortung umfasst damit auch die mit der Indienstnahme verbundenen Geldlasten, so dass es nicht auf die Prüfung einer womöglich darüber hinausgehenden speziellen Finanzierungsverantwortung ankommt.112 Ohnehin können die ÜNB – wie in Teil 3 A.III. herausgearbeitet wurde – in der Regel die Kosten, die für die Vorhaltung und den Einsatz von Maßnahmen im Rahmen der Systemverantwortung anfallen, über die Netzentgelte, die AbLaVUmlage bzw. das Ausgleichsenergiepreissystem auf die Netznutzer bzw. die Bilanzkreisverantwortlichen weiterwälzen. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die ÜNB die Kosten zunächst selbst zu tragen haben, sie also in Vorleistung treten müssen; zudem sind bei der Weiterwälzung über die Netzentgelte die Vorgaben der Anreizregulierung zu beachten.113 Es besteht auch kein einheitliches System zur Kostenweitergabe, so dass ein gewisser Organisationsaufwand erforderlich ist. Soweit die ÜNB durch ein Fehlverhalten bei der Aufgabenwahrnehmung – oder, indem sie es unterlassen, überhaupt Maßnahmen zu ergreifen – Schadenersatzansprüche auslösen, können sie die hiermit verbundenen Kosten nicht auf die Netznutzer weiterwälzen (siehe die Ausarbeitungen in Teil 3 B.). Insoweit besteht aber auch kein schutzwürdiges Interesse, das im Rahmen der Abwägung Berücksichtigung finden müsste. Zu berücksichtigen ist hier zudem, dass den ÜNB in bestimmten Fällen sogar gerichtsfeste Beurteilungsspielräume zuzuerkennen sind (siehe Teil 4 B.II.). Sie befinden sich also in einer ausreichend abgesicherten Position. Der Eingriff des Gesetzgebers in die Berufsfreiheit der ÜNB ist letztlich gerechtfertigt. Denkbar ist, dass neben dem Eingriff in die Berufsfreiheit auch die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG tangiert wird.114 Der Schwerpunkt des gesetzgeberischen Eingriffs115 liegt jedoch in der Einwirkung auf die gewerbliche Tätigkeit der ÜNB als Netzbetreiber und weniger im Umgang mit den in ihrem Eigentum ste112 Vgl. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 204 f. 113 Vgl. hierzu: Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 343 f.); Ruttloff, Redispatch und angemessene Vergütung – Präjudizien für den Strommarkt 2.0, NVwZ 2015, S. 1086 ff. (S. 1092); vgl. zudem bereits den allgemeinen Hinweis bei Kube, Öffentliche Aufgaben in privater Hand – Sachverantwortung und Finanzierungslast, Verw 2008, S. 23. 114 So speziell zu Indienstnahmen im Bereich des Steuervollzugs etwa Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, Tübingen 2012, S. 219; siehe auch Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, S. 243 ff. (S. 246). 115 BVerfGE 121, S. 317 ff. (S. 345); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., München 2014, Art. 12 Rn. 3.
B. Bewertung
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henden Übertragungsnetzen. Dies lässt sich bereits daran erkennen, dass die Befugnisse der ÜNB über den Bereich ihres jeweils eigenes Netzes hinausreichen und auch Einwirkungen auf die nachgelagerten VNB erlauben (vgl. § 14 Abs. 1c EnWG). Ohnehin sind sie nach § 13 Abs. 2 EnWG ggf. berechtigt und verpflichtet, „sämtliche Stromeinspeisungen, Stromtransite und Stromabnahmen in ihren Regelzonen den Erfordernissen eines sicheren und zuverlässigen Betriebs des Übertragungsnetzes anzupassen.“ Weitere Grundrechtsbeeinträchtigungen kommen nicht in Betracht. So scheidet eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG bereits deshalb aus, da alle vier ÜNB gleichermaßen betroffen sind. Legt man den Fokus auf die Gesamtheit der Netzbetreiber, so ist zum einen die besondere Stellung der ÜNB zu beachten, die eine unterschiedliche Behandlung gegenüber den VNB rechtzufertigen vermag, zum anderen, dass auch die VNB nicht von der Systemverantwortung – wenn auch in geringerem Maße und nur bezogen auf ihre jeweiligen Verteilnetze – freigestellt sind (§ 14 Abs. 1 EnWG). Die Indienstnahme der ÜNB ist alles in allem also verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.116
116 Ebenso Fehling, Neues Regulierungssystem im Anschluss an die Energiewende, Verw 2014, S. 313 ff. (S. 346).
Teil 6
Schlussbetrachtungen Betrachtet man die Ausführungen dieser Abhandlung in ihrer Gesamtheit, so zeigt sich im Hinblick auf die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber zur Gewährleistung der netzseitigen Versorgungssicherheit ein alles in allem funktionierendes und verfassungsgemäß ausgestaltetes Regelungskonstrukt, das den neuen Herausforderungen aufgrund der Liberalisierung des Energieversorgungssystems und der Energiewende, also der weitgehenden Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien unter gleichzeitigem Ausstieg aus der Kernenergie, gewachsen erscheint. Dennoch ist auch Anlass zur Kritik geboten.1 Die vertiefte Auseinandersetzung mit den einzelnen Gefährdungssituationen, den hierzu einsetzbaren Instrumenten in ihrer rechtlich korrekten Anwendung, den Vergütungs- und Weiterwälzungsvorgaben sowie den möglichen Haftungstatbeständen zeigt, dass die Systematik von großer Uneinheitlichkeit und Komplexität gekennzeichnet ist. Auf den zunehmenden Bedeutungsgewinn des Netzsicherheitsmanagements, das insbesondere aufgrund der volatilen Einspeisecharakteristik von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen und der erforderlichen netzengpassbedingten Umleitung von Stromflüssen immer regelmäßiger Eingriffe der ÜNB in die Netzsteuerung erfordert, wurde seitens des Gesetzbzw. Verordnungsgebers mit vielfältigen Spezialregelungen reagiert, die das vorhandene Regelungskonstrukt immer stärker aufgebläht und verwaschen haben. Hier seien beispielhaft die Regelungen zum gesetzlichen Redispatch (§ 13a EnWG) sowie die Einführung verschiedener Reserve-Instrumente (Stilllegungsvorschriften, Netzreserve, Kapazitätsreserve usw.) genannt. Es besteht hierbei ein zunehmender Trend zur Erzeugungsregulierung und -steuerung.2 Die Auswahl der richtigen Maßnahme auf der richtigen Maßnahmestufe mit dem richtigen Handlungsinstrument gegen den richtigen Adressaten zur Beseitigung einer bestimmten Gefährdungslage (§ 13 Abs. 4 EnWG) ist von hoher Komplexität geprägt. Angesichts des zeitlichen und mengenmäßigen Umfangs erforderlicher Eingriffsmaßnahmen sowie der häufig kurzen Reaktionszeiten ist unklar, inwiefern diesen umfangreichen Regelungsvorgaben, die sich zudem in Teilen auch an ungeschriebenen Rechtssätzen wie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientieren 1
Vgl. auch König, Engpassmanagement in der deutschen und europäischen Elektrizitätsversorgung, Baden-Baden 2013, S. 32 f. 2 Vgl. statt vieler Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 358 ff.
Schlussbetrachtungen
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haben, in der Praxis auch ausreichend Genüge getan werden kann. Dabei dürfte weniger die Effizienz der Gefahrenbeseitigung selbst in Frage stehen als vielmehr der Zugriff auf bestimmte, individuelle Erzeugungs-, Speicher- oder Verbrauchsanlagen. Eine unsauber durchgeführte Adressatenauswahl kann schnell zu Ungerechtigkeiten, insbesondere im Sinne von wirtschaftlichen Nachteilen, führen. Insoweit bestehen auch Gefahren für die ÜNB, soweit gegen ihr Vorgehen regulierungsbehördlich oder gerichtlich vorgegangen wird. Zwar können sich diese zum Teil auf gerichtsfeste Beurteilungsspielräume berufen, solche betreffen jedoch nicht die Heranziehung einer Maßnahme gegenüber einem individuellen Adressaten im Ganzen, sondern nur bestimmte Teilelemente wie etwa das Vorliegen einer Gefährdung und die korrekte Maßnahmenstufe. Ein rechtswidriges Vorgehen, aber auch etwa ein Unterlassen von Maßnahmen, kann empfindliche Haftungspflichten auslösen. Mittelfristig erscheint es deshalb geboten, die Systematik der Systemverantwortung zu verschlanken und zu vereinheitlichen. Hierzu sollte zunächst das im EEG geregelte Einspeisemanagement abgeschafft werden, da für dessen Existenz keine Erforderlichkeit besteht und das Zusammenspiel mit § 13 EnWG unnötig verkompliziert.3 Die nachrangige Abregelung privilegierter Erzeugungsanlagen (EE, Grubengas, hocheffiziente KWK) in Engpasssituationen wird bereits durch § 13 Abs. 3 EnWG sichergestellt und erfordert keine Zusatzregelung im EEG. In diesem Zusammenhang sollten auch die Informationspflichten aus § 14 Abs. 2 und 3 EEG 2017 mit den Informationspflichten der ÜNB nach dem EnWG verschmolzen und vereinheitlicht werden.4 Darüber hinaus erscheint es geboten, die Systematik der Eingriffsmaßnahmen und Reserven nach § 13 Abs. 1 und 2 EnWG zu vereinfachen. Die verschiedenen Maßnahmeformen in ihren unterschiedlichen Intensitäten und mit ihren jeweils eigenen und miteinander verwobenen Reserve-Vorschriften5 sollten zusammengefasst und einem einheitlichen Vergütungs- und Abwälzungssystem unterworfen werden. Dabei könnten dann auch klare Vorgaben zur individuellen Adressatenauswahl, zur Einordnung von Anlagen als must-run-units, zum Verhältnis des Lastmanagements zum Erzeugungsmanagement sowie zur nachrangigen Abregelung von privilegierten Erzeugungsanlagen entworfen und gesetzlich festgeschrieben werden (vgl. § 13j Abs. 2 Nr. 2 EnWG, § 85 Abs. 2 Nr. 2 EEG 2017). Um die Sinnhaftigkeit dieses Vorschlags zu untermauern, sollen an dieser Stelle nur kurz einige wesentliche Punkte des gegenwärtigen Regelungssystems in Erinnerung gerufen werden: Regelenergie wird in erster Linie eingesetzt, um Frequenzschwankungen auszugleichen und betrifft sowohl die Erzeugungs- als auch die Lastseite. Zum Umgang mit Netzengpässen wird auf das Redispatching zurückge3
Siehe Teil 2 B.IV.4.d). Siehe Teil 2 D.II.3. 5 Die Netzreserve bietet ohnehin nicht mehr als einen „Zusatznutzen“ gegenüber dem „Grundnutzen“ der Kapazitätsreserve – so Müller, Was wir mit dem Netzentgelt bezahlen, et 2016, Heft 5, S. 40 ff. (S. 41). 4
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Teil 6: Schlussbetrachtungen
griffen, das an sich nur Erzeugungsanlagen betrifft, aber auch den Strombezug von Speicheranlagen, soweit es um den gesetzlichen Redispatch geht (§ 13a Abs. 1 EnWG). Für den Umgang mit Verbrauchsanlagen wurde die Verordnung zu abschaltbaren Lasten geschaffen, die sowohl frequenz- als auch engpassbezogen Geltung entfaltet, aber nur die Abschaltung betrifft. Das Spezialinstrument nach § 13a EnWG wiederum bezieht einerseits (auch hocheffiziente) KWK-Anlagen – nachrangig – in den Redispatch ein, betrifft gleichzeitig aber auch die Zuschaltung von Power-to-Heat-Anlagen, während sonstige zuschaltbare Lasten vorerst ausgeklammert sind. Das Einspeisemanagement regelt ausschließlich die engpassbedingte Abregelung privilegierter Anlagen, klammert aber auch bestimmte Anlagen aus dem Anwendungsbereich aus (privilegierte Erzeugungsanlagen mit Nennleistung von bis zu 100 Kilowatt, die keine PV-Anlagen sind, § 9 Abs. 1, 2 EEG 2017). ReserveVorschriften wiederum bestehen sowohl für die Frequenz- als auch die Engpassseite. Dabei ist u. a. unklar, warum es neben den Regelungen zur Stilllegung in §§ 13b und 13c EnWG mit der Netzreserve nach § 13d EnWG ein zusätzliches Instrument gibt, das wiederum auf die Stilllegungsvorschriften Bezug nimmt. Für alle diese Regelungen bestehen zudem jeweils eigene Vorgaben zur Vergütung und Weiterwälzung von Kosten (Ausgleichsenergie, AbLaV-Umlage, Netzentgelte; Kosten teilweise eingeordnet als dauerhaft unbeeinflussbare Kosten im Sinne der Anreizregulierung, dabei wiederum zum Teil erst aufgrund einer Festlegung durch die BNetzA). Hier erscheint es überlegenswert, statt dem bisherigen Instrumentarium ein einheitliches, auf Verträgen basierendes Instrument des Netzsicherheitsmanagements einzuführen, das erzeugungs- und lastseitig wirkt, mit einer einheitlichen Reserve-Vorschrift verknüpft wird und die Regelungen zum Rückgriff auf privilegierte Erzeugungsanlagen und den Zugriff auf zuschaltbare Lasten mit einbezieht. Hierzu könnte etwa das System der Regelenergie umgebaut und ausgeweitet werden, indem zusätzlich eine Netz- und eine Langfristkomponente mit eingebaut werden, die es ermöglichen, in Engpasssituationen zielgerichtet auf örtlich günstig im Netz gelegene Anlagen zuzugreifen und langfristig Reserven bereitzustellen.6 Für das neu geschaffene oder überarbeitete Instrument sollten dann einheitliche Vergütungs- und Weiterwälzungsregelungen gelten. Dies könnte auch im Sinne eines Belastungsausgleichs unter den ÜNB und der Schaffung einer eigenen Netzstabilitäts-Umlage ausgestaltet werden.7 6
Vgl. Heim, Ein Regelenergiemarkt-Plus als Kapazitätsmechanismus, et 2015, Heft 5, S. 22 f. (S. 22); vgl. zudem Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen – Eine ökonomisch-juristische Analyse, Baden-Baden 2016, S. 172 f., 351 f. 7 Vgl. etwa ISI/SUER, Anforderungen der Integration der erneuerbaren Energien an die Netzentgeltregulierung – Vorschläge zur Weiterentwicklung des Netzentgeltsystems, 2016, S. 87 ff. Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 17. Juli 2017 unternimmt der Gesetzgeber erste Schritte in diese Richtung (BGBl. 2017 I S. 2503 ff.). §§ 24 S. 2 Nr. 4, 24a EnWG n.F. schaffen insoweit Verordnungsermächtigungen für die Bundesregierung (mit Zustimmung des Bundesrates). Ab dem 1. Januar 2019 ist danach eine zunächst teilweise bundesweit einheitliche Festlegung der Übertragungsnetzentgelte möglich (v. a. bezogen auf Kosten, die „zuordenbar durch die Integration von dezentralen Anlagen zur Erzeugung aus
Schlussbetrachtungen
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Darüber hinaus sollten die Belastungen der Indienstnahme der ÜNB für die Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems dadurch abgemildert werden, dass die übrigen Akteure der Elektrizitätsversorgung stärker in die Netzsteuerung eingebunden werden. Auf diese Weise könnte die Erforderlichkeit von Eingriffen durch die ÜNB zurückgeschraubt werden auf solche Maßnahmen, die dann relevant werden, wenn sich anders kein Abgleich von Angebot und Nachfrage an den Strommärkten ergibt bzw. Engpässe sich nicht auf sonstige Weise umgehen lassen.8 Hierzu müsste der Gesetzgeber stärker den Einsatz von Flexibilitätsoptionen im Bereich von Erzeugungs- und Lastmanagement forcieren (§ 1 Abs. 4 Nr. 3 und § 1a Abs. 3 EnWG).9 Dies könnte dadurch gelingen, dass durch die Schaffung von dynamischen Strompreiselementen10 – bezogen auf die Berechnungssystematik oder über bestimmte Ausnahmetatbestände – eine EchtzeitReaktion auf aktuelle Verfügbarkeiten von Erzeugungskapazitäten oder Netzeinschränkungen angereizt wird.11 Wenn etwa gerade viel Strom aus Windkraft- und PVAnlagen zur Verfügung steht, könnten dann der Marktpreis für Strom oder auch bestimmte staatlich induzierte bzw. regulierte Strompreiselemente (EEG-Umlage, Netzentgelt, Stromsteuer etc.) besonders günstig sein, während in Unterdeckungssituationen die Preise steigen. Damit würde der Verbrauch stärker an die aktuelle Einspeisung von Strom bzw. die aktuelle Netzauslastungslage angepasst.12 Hierzu bietet sich die Einbindung von Speichern, Power-to-Heat-Anlagen oder auch EFahrzeugen an.13 Eine solche Entwicklung kann insbesondere im Zusammenhang erneuerbaren Energiequellen verursacht werden“). Dies betrifft allerdings nur die „Außenwirkung“ gegenüber den angeschlossenen Netznutzern und nicht die jeweilige Netzentgeltermittlung der einzelnen ÜNB. 8 Vgl. Grote/Mennel/Werner, Aktivierung von Flexibilität – das Ampelmodell und seine Alternativen, et 2016, Heft 11, S. 8 ff. (S. 9). 9 Vgl. BMWi, Impulspapier Strom 2030, 2016, S. 2 f. 10 Dazu etwa: Berzel/Sötebier/Zerres, Haftungsrecht und Risikoverteilung als sinnvolle Ergänzung des Energie-Regulierungsrechts – Risikoverteilung bei Netzengpässen, in: Ehricke (Hrsg.), Handlungsfreiheit und Haftungsverantwortung in den regulierten Bereichen des Energiesektors, Baden-Baden 2015, S. 53 ff. (S. 70 f.); Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl., München 2015, § 13 Rn. 76; Buchmüller/Hennig, Zuschaltbare Lasten, Innovationsausschreibungen, Experimentierklauseln und vieles mehr – Die Entstehung eines Rechtsrahmens für die Sektorkopplung?, ZNER 2016, S. 384 ff. (S. 391). 11 Einen ähnlichen Weg geht der Gesetzgeber bereits mit § 14a EnWG, der allerdings nicht zwangsläufig eine dynamische Netzentgeltreduzierung vorsieht und die Steuerung der Verbrauchsanlagen bei den Netzbetreibern belässt. Vgl. zur Fortentwicklung Schnurre, Ausgestaltung einer Flexibilitätsverordnung nach § 14a EnWG, et 2016, Heft 11, S. 12 ff. 12 Vgl. auch Kaplun, Entscheidungsspielräume des Netzbetreibers im EEG unter besonderer Berücksichtigung des Vorrangprinzips und des Einspeisemanagements, Hamburg 2013, S. 101 f. 13 Auf diese Weise könnte auch die Sektorenkopplung Strom – Wärme – Verkehr vorangetrieben werden. Siehe dazu Buchmüller/Hennig, Zuschaltbare Lasten, Innovationsausschreibungen, Experimentierklauseln und vieles mehr – Die Entstehung eines Rechtsrahmens für die Sektorkopplung?, ZNER 2016, S. 384 ff.; zudem: IWES/IBP/IFEU/SUER, Interaktion EE-Strom, Wärme und Verkehr, 2015.
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Teil 6: Schlussbetrachtungen
mit der Nutzung von smart metern und der Schaffung von intelligenten Netzen (smart grids) in die Tat umgesetzt werden.14 Insoweit werden mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende nun wichtige Schritte in diese Richtung vorgenommen.15 Es besteht jedoch noch hinreichend Bedarf zur Überarbeitung und Fortentwicklung des Regelungskonstruktes zur Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber. Insofern können die Darstellungen in dieser Abhandlung dazu dienen, Defizite zu erkennen und Lösungen auszuarbeiten. Die Gewährleistung einer sicheren und zuverlässigen Versorgung mit Elektrizität steht bereits jetzt zunehmend im Fokus und wird auch in den kommenden Jahren im Zuge der fortschreitenden Energiewende nicht an Aktualität verlieren.
14 Siehe dazu etwa Angenendt/Boesche/Franz, Der energierechtliche Rahmen einer Implementierung von Smart Grids, RdE 2011, S. 117 ff. 15 BGBl. 2016 I S. 2034 ff.
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Sachverzeichnis AbLaV-Umlage 146, 153, 156, 255, 334, 341, 356, 358, 422, 426 Abnahmevorrang 38, 88, 121, 253, 275, 304 Abregelungsreihenfolge 214, 223 abschaltbare Lasten 35, 106, 143, 145, 150, 153, 175, 188, 190 – 192, 228, 236, 238, 240, 254 f., 289 f., 323, 395 Adressatenauswahl 102, 221, 225, 232, 237, 240 f., 245, 247 – 249, 252, 254 – 259, 262 – 264, 293, 345, 351, 394 – 397, 399, 425 Anreizregulierung 31, 60, 131, 146, 291, 330 f., 339, 341 f., 352, 380, 422, 426 Aufsichtsrechte 382 Ausgleichsenergie 32, 41, 46, 110, 112 f., 160, 323, 335 f., 338 f., 344, 355, 360, 426 Ausschreibungsverfahren 106, 114, 118, 147, 149, 153, 156, 171, 174, 178, 290 Beleihung 406 – 408, 414 – 416 Beurteilungsspielräume 50, 267, 366, 381, 383 f., 386 – 390, 395, 397, 400, 403, 422, 425 Bilanzkreise 108 – 110, 112 f., 129, 137, 236, 252, 323, 327, 336, 338 f. Binnenmarkt 17, 271 Countertrading
72 f., 126, 143, 333, 342 f.
Direktvermarktung 28, 41, 82, 84, 108, 110 – 112, 116 – 118, 120, 122, 217, 250 – 252, 319, 323, 326, 336 Effizienzvorgaben 330 – 332, 334, 342, 346, 354, 357 Eigenversorgung 29, 111 Einspeisemanagement 18, 31, 33, 38 f., 44, 46, 63 – 65, 69, 82, 86 – 97, 101 – 104, 106 f., 124, 130 f., 138, 140, 180 f., 186 f., 193 f., 196, 198 – 207, 209 – 225, 227 f., 230 f., 235, 241 – 243, 245 – 253, 259 – 261,
263, 265 f., 270, 272 f., 276 – 278, 281, 283, 287, 304 f., 310 – 319, 321 f., 324, 326 – 328, 347 – 351, 353 – 355, 360, 364, 368, 373, 376, 382, 390, 394 f., 417, 425 f. Einspeisevergütung 27 f., 82, 84, 93, 104, 109, 120, 181, 201, 227, 252, 310, 314, 318 f., 327, 368 Einspeisevorrang 52, 81 – 83, 85 – 87, 90, 97, 130, 157, 194, 196 f., 200, 211 f., 230, 239 f., 253, 270, 280 f., 347, 393 Energiewende 15 – 17, 20 f., 23, 25 – 31, 35 f., 42, 54 f., 66 – 68, 72, 92, 99 f., 103, 108, 113 f., 118, 120 f., 124 – 126, 139 f., 142, 145, 147, 152, 154 – 156, 160 – 164, 173 f., 178, 183, 185 f., 197 – 199, 205, 225, 227, 231 f., 235, 238, 254, 270, 275, 298, 305, 308, 319, 338, 344, 358, 360, 363, 365, 370 f., 374, 376 – 378, 390 – 393, 395, 409 f., 414 f., 417, 419, 421 – 424, 428 Engpässe 17 – 19, 23, 25, 27, 30, 49, 57, 67 – 80, 94, 105, 118, 123 f., 126 f., 129 f., 132, 142 f., 154, 162 f., 177, 199, 204, 216, 234, 238, 282, 292, 298, 311, 323, 332, 343, 420, 427 Engpassmanagement 17 – 19, 23, 26, 28 f., 31, 34 f., 38 f., 45 f., 49 f., 65, 68 – 77, 80 – 82, 84 f., 88, 90 f., 93, 98 – 101, 103 – 108, 112, 123 – 134, 138, 140, 142 – 146, 153 f., 164, 176, 180, 182 f., 186 f., 189 – 191, 194 f., 199 – 201, 203 – 207, 209, 213, 216, 218, 221, 224, 227 – 232, 235, 237 f., 240, 243 – 247, 254 f., 257 f., 260, 263, 267, 272 f., 283 f., 287, 291 – 295, 297, 304 – 308, 310 f., 313, 315, 319, 321 – 323, 325, 329, 331 – 334, 340 f., 343 – 345, 347 f., 350, 352, 354, 356 – 358, 364 – 366, 368, 370, 373, 375 – 377, 379, 391 – 393, 395, 397, 399, 424 Entflechtung 17, 23, 26, 177 Erzeugungssteuerung 30, 44, 174
Sachverzeichnis Fahrpläne 111, 128 Flexibilitätsoptionen 34, 63, 156, 420, 427 freiwillige Selbstverpflichtungen 332 f., 339, 343, 346, 356 Frequenzregelung 47, 142, 145, 164, 170, 174, 226, 235 Frequenzschwankungen 19, 41, 57, 66, 108, 226, 228, 237, 265, 390, 425 Gefährdungsbegriff 225 Gefährdungshaftung 362, 365, 369, 371, 378 – 380 Gefahrenabwehr 33, 41, 76, 78, 81, 94, 126, 155, 181 – 184, 190, 229, 240, 258, 267, 274, 282, 397 f., 400, 407, 415 Gleichzeitigkeit 21 f., 24, 41 Haftungsbeschränkung 147, 188, 379 Haftungspflichten 50, 365, 425 Handlungspflicht 190 f., 360 Härtefallregelung 44, 93, 131, 201, 221, 281, 311, 319, 321 Indienstnahme 32, 50, 56, 223, 329, 360, 380, 389, 403 – 419, 421 – 423, 427 Informationspflichten 220, 267, 271 – 273, 276, 281 f., 313, 350, 369, 425 Informationsrechte 50, 52, 267 f., 271 f., 403, 415 Kapazitätsmechanismen 21, 25, 29, 32, 37, 66, 141, 159 – 161, 163 – 165, 168 – 170, 173, 177, 179, 414 f., 417, 424, 426 Kapazitätsreserve 16, 29, 37, 43 f., 49, 60, 66, 106, 108 f., 159, 163 f., 170, 173 – 176, 178, 222, 234 – 236, 265, 288, 302, 323, 331, 335, 344, 357, 424 f. Kaskadierungsprinzip 100 f., 207 KWK-Power-to-Heat-Kombinationen 222, 255, 291, 303, 346 Lastmanagement 44, 63, 73, 135, 143 – 146, 153, 155, 174, 188, 222, 238 – 240, 256, 268, 287, 291, 346, 357, 420, 427 Leitungsgebundenheit 21, 24 Liberalisierung 15 – 17, 20, 23, 25 f., 28, 30, 34, 36, 42, 67 f., 72, 124, 160 – 162, 270, 298, 424
443
Marktbezogene Maßnahmen 48 f., 75, 90, 99, 106 f., 180, 184 f., 187 – 191, 220, 222, 226, 229, 239, 264, 273, 305, 311, 323, 365 f., 392 f., 397, 415 Marktprämie 27, 82, 110, 120, 207, 314, 318 Maßnahmeneffizienz 257 – 262, 265, 352, 367, 394 merit order 121 f., 137, 143, 237, 252 f., 256, 265, 288, 294, 326, 367, 394 Mindesteinspeisung 87, 194 f., 211, 275 must-run-units 87, 138, 187, 195 – 198, 206, 211 f., 218 f., 240, 259, 264, 269, 275, 425
Natürliches Monopol 25 Netzausbau 18, 31, 40, 66, 68 f., 72, 76 – 78, 89, 94 – 96, 124 f., 171 f., 190, 208, 216, 221, 278, 282, 292, 298, 311, 313 f., 328, 345, 353, 367, 373, 417 Netzausbaugebiet 30, 158 netzbezogene Maßnahmen 103 f., 127, 189, 227 f., 234, 237, 264, 311, 345 Netzengpässe 47 f., 52 f., 56 f., 68 f., 76 – 78, 80, 82, 88, 91, 93, 102, 124, 142, 163, 172, 202, 205, 219, 222, 226, 237, 261, 323, 420 Netzentgelt 146, 154, 159, 286, 358, 420, 425, 427 Netzentgeltmodernisierungsgesetz 21, 29 f., 37, 43 f., 66, 164, 175, 177, 222, 234, 303, 332, 345, 358, 426 Netzfrequenz 40, 61, 108, 113, 116, 118, 126, 129, 195 Netzreserve 20, 28 f., 36, 43 f., 49, 66, 106, 108, 126, 134, 136, 140, 159, 161 – 167, 169 – 173, 175 f., 233 f., 300 – 302, 344, 357, 424 – 426 Netzsicherheit 16, 31, 42, 45, 47, 50, 54, 56 f., 60, 66, 68, 90, 103, 105, 177, 190, 209, 213, 217, 230, 363, 389, 398, 421 f. Netzstabilität 16, 19, 21, 24 f., 34, 36, 41, 47, 54 f., 59, 62, 67, 69, 75, 80, 92 f., 99 f., 103, 105, 108, 114, 118, 126, 142, 145, 147, 183 – 186, 193, 195, 202, 205, 210, 218, 225, 227, 235, 254, 305, 308, 319, 363, 376 – 378, 390 – 393, 396, 413 f., 416, 421
444
Sachverzeichnis
Netzstabilitätsanlagen 21, 29, 37, 43 f., 66, 164, 170, 175 – 177, 222, 234, 303, 331, 345 Nichtspeicherbarkeit 21, 24 no way back 169, 172, 174, 302 f. Notmaßnahmen 48 f., 90, 102 – 104, 106 f., 135, 138, 140, 147, 178, 180 – 187, 189 – 192, 194, 199 f., 206, 222, 227 – 231, 233, 235 f., 238, 240 f., 252, 255 – 259, 264 – 266, 272 – 274, 279, 287, 305 – 309, 311 f., 319, 321 – 323, 325 f., 348, 356, 361, 365 – 367, 374 f., 377, 389, 391, 394, 397, 415 – 417 Nutzen statt Abregeln 106, 131, 143, 155, 303 Pflichtverletzung 321, 362 f., 369, 376 Power-to-Heat-Anlage 156, 158 f., 239, 255, 303, 346 Präqualifikation 115, 119, 198, 253 privilegierte Einspeisung 27 Privilegierungsvorschriften 28 f., 49, 378 Rangstufe 157, 222, 225 f., 232, 234, 236, 241, 253, 256, 264 f., 267, 273, 366, 399 Redispatch 18, 31, 35, 43, 72, 99, 107, 124 – 143, 145 f., 155 f., 163, 165, 167, 170, 172, 182, 184 f., 187, 191, 217, 222, 231 – 234, 238 f., 241, 252 – 257, 265, 272 f., 287, 291, 293 – 296, 298 – 301, 303 – 305, 309, 320, 323 f., 326, 328, 331, 333, 342 – 347, 356, 361, 365, 367, 392, 394, 414 – 419, 421 f., 424, 426 Redispatching 49, 72 – 75, 77, 103, 106 f., 124, 126 – 132, 137, 140, 142 – 144, 157, 162, 180, 183, 186, 220, 224, 228 – 230, 232 – 235, 237 – 239, 254, 257 f., 291 – 293, 295, 305, 309, 320, 323, 342, 345, 356, 425 Redispatchpotenzial 134, 136, 142, 169 f., 172 f., 175, 233, 396 Regelenergie 41, 45 f., 49, 55, 73, 98, 103, 105 – 110, 112 – 115, 117 – 124, 126, 129, 142 – 149, 151 f., 164, 173 f., 183, 190 f., 195, 198 f., 203, 218, 222, 228, 235 – 237, 252 f., 255, 265, 272, 287 – 290, 305, 317, 323, 325, 327 f., 332 f., 335 – 340, 342, 347 – 349, 355 f., 361, 367, 394, 415, 425 f.
Regelleistung 21, 41, 108, 111 – 113, 116 – 120, 122, 198, 288, 323, 331, 334 – 336, 338 – 340, 344, 346, 348, 356 f. Reserve-Vorschriften 175 f., 179, 185, 299 f., 425 f. Reservekraftwerke 20 Sensitivitätsanalyse 244, 249, 261 – 263, 266, 367, 394 f. Sicherheit 15 f., 19, 21, 26, 31, 34, 40 – 44, 48 f., 52 f., 58 – 63, 65, 67, 69 – 71, 75, 86 f., 91 f., 94, 98, 101, 103, 105, 109, 113, 123, 127, 133, 142, 148, 158, 160, 166, 170, 173, 175, 177, 179 f., 183, 189 f., 195 – 198, 200, 204, 211, 218 f., 221, 223 – 225, 228, 232, 234, 245, 251 f., 257, 260, 262, 282, 287, 293, 306, 322, 334, 338, 359 f., 362, 365, 371, 388 f., 398, 411, 413, 418 f., 427 Sicherheitsbereitschaft 29, 37, 43 f., 49, 66, 164, 175, 178, 222, 235, 264, 288, 331, 357 smart grid 270 Spitzenkappung 30, 40, 78, 96, 125, 272, 313, 354 Stilllegung 20, 29, 36 f., 43 f., 66, 134, 136, 161 f., 164 – 172, 175, 178, 233 f., 300 – 303, 344, 426 Stilllegungsverbote 29, 44, 164, 167, 171, 176, 222 Strommarktgesetz 29 f., 34, 36, 39 f., 43 f., 48 f., 60, 63, 66, 78, 87, 102, 105, 109, 121, 125, 132 f., 140, 147, 160, 163 – 167, 169 f., 173 – 176, 178 f., 194, 198, 239, 268, 294, 299 f., 332, 335 f., 344, 357 Stufensystem 345, 350, 398 Systembilanz 47, 50, 103, 107 – 109, 112, 124, 129, 137, 144, 173 f., 183, 222, 226, 236, 253, 272, 322 Systemdienstleistungen 46, 106, 114, 154, 195, 197, 199, 268, 273, 286, 329, 333 – 335, 357, 361, 393 Systemrelevanz 15, 20, 22, 28, 36, 67, 161 f., 166 – 168, 171, 224, 233, 272, 300 f., 412, 417 Systemsicherheit 47, 57, 69 f., 98, 101, 103, 125, 137, 193 f., 204, 211 Systemstabilität 20 f., 28, 36, 45, 47, 52, 55, 81, 94, 100, 103, 106, 134, 139 f., 161 –
Sachverzeichnis 163, 183, 192, 196, 198, 227 f., 235, 266, 306, 308, 363, 365, 367, 370, 373, 375 – 378, 393 Systemverantwortung 15 – 19, 21, 25, 28, 31 – 35, 37 – 44, 46 – 50, 52, 54 – 56, 60 – 62, 65 – 69, 71, 73, 75 f., 78, 80, 85 – 88, 90 – 92, 94 f., 97 – 102, 104 – 108, 112, 114, 123, 125, 127, 129, 135 f., 138 – 140, 142 f., 145 f., 154 f., 160, 162, 164, 172, 174, 177, 180, 184 – 186, 188 – 196, 199, 201 – 203, 205 – 207, 209, 211 – 213, 217, 219, 222 – 225, 227 f., 236, 239 f., 242 f., 249 f., 254 f., 257, 259, 266 – 268, 270, 273, 279 – 282, 284, 286, 293, 305, 308, 311, 318, 322, 324, 328, 331, 333 f., 342, 352, 356 – 359, 361, 364 f., 367, 369, 371, 373 f., 379, 381 – 383, 387 – 390, 392, 394 f., 397, 403 f., 411, 413 – 425, 428 Transformation des Stromsystems 27, 193 Überlastung der Netzkapazität 194, 259
19, 21,
87, 138,
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 183, 223, 234 f., 247, 258, 264, 266 f., 359, 395, 401, 409, 424 Versorgungssicherheit 15, 17, 19 – 26, 28 f., 31 – 33, 36, 42 – 44, 48, 50, 52, 59 – 67, 70,
445
72, 87, 102, 104, 108, 118 f., 130, 133 f., 141 – 143, 152, 159 – 165, 168 – 170, 174, 177, 179, 190, 195, 200, 217, 222, 225, 237, 262, 271, 283, 298, 360 f., 373 f., 379, 382 f., 389, 411 – 415, 417, 419 – 421, 424, 426 Vorhaltungspflicht 190 – 192 vorrangige physikalische Abnahme 27 Vorrangprinzip 81 f., 87 – 89, 92 f., 138 f., 202 f., 207, 213, 216 – 219, 227, 237, 239, 241, 246, 252, 254, 257, 260 – 265, 280 f., 367, 394, 396 Wirksame Verfahrensregulierung
332
Zusätzliche Reserven 49, 102, 106, 159, 165, 189 zuschaltbare Lasten 30, 49, 55, 105, 107, 126, 142 f., 145, 147 f., 153, 156 f., 159, 188, 203, 289 f., 303, 317, 341 f., 420, 426 Zuverlässigkeit 15 f., 21, 31, 34, 40, 43 f., 48, 52 f., 58 – 61, 65, 67, 69 f., 72, 75, 86 f., 91, 94, 98, 101, 103, 105, 109, 113, 123, 127, 133, 148, 158, 160, 166, 170, 173, 175, 177, 179 f., 183, 189 f., 195 – 197, 200, 204, 211, 218 f., 221, 224 f., 228, 232, 251 f., 257, 282, 287, 293, 307, 322, 338, 359, 362, 365, 371, 388, 398, 411, 413, 418 f., 427