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German Pages 279 [280] Year 2016
Stefan Smid und Hans-Peter Rechel Die Struktur des Insolvenzrechts in der BGH-Rechtsprechung 2012–2014
Schriften zum deutschen, europäischen und internationalen Insolvenzrecht
Herausgegeben von Professor Dr. Stefan Smid, Kiel Rechtsanwalt Professor Dr. Mark Zeuner, Hamburg Rechtsanwalt Michael Schmidt, Berlin
Band 26
Stefan Smid und Hans-Peter Rechel
Die Struktur des Insolvenzrechts in der BGH-Rechtsprechung 2012–2014
Prof. Dr. Stefan Smid, Universität Kiel Dr. Hans-Peter Rechel, WZR Wülfing Zeuner Rechel, Hamburg
ISBN 978-3-11-047972-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-048102-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-047987-4 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt Vorwort
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A. Eröffnungsverfahren 1 I. Insolvenzgericht 1 1 . Gerichtsstandbestimmung . Zustimmungsvorbehalt im Eröffnungsverfahren und Überweisungen des Schuldners 3 II. Der vorläufige Insolvenzverwalter 6 . Vertrauensschutzes eines Gläubigers bei Erfüllung von 6 Altverbindlichkeiten . Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktionen durch vorläufigen Zustimmungsverwalter und Anfechtung der Zahlung von 8 Sozialversicherungsbeiträgen III. Eröffnungsgründe 10 . Voraussetzungen der Fortführung des Insolvenzverfahrens trotz 10 Erfüllung der Forderung . Berücksichtigung von Steuerschulden bei der Prüfung der 12 Zahlungsunfähigkeit IV. Frist für die Beschwerde des Schuldners gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens 15 V. Unterbrechungswirkung vorläufiger Anordnungen des 16 Insolvenzgerichts B. Eröffnetes Insolvenzverfahren 18 I. Allgemeine Wirkungen der Verfahrenseröffnung 18 . Wirksamkeit von Zweitabtretungen 18 . Wirksamkeit der Abtretung künftiger, nach Insolvenzeröffnung entstehender Forderungen infolge Konvaleszenz 20 . Wirksamkeit der Vorausabtretung von Forderungen 22 . Pfändung des Anspruchs des Schuldners auf Aufhebung der Gemeinschaft 23 II. Prozessuales 24 . Gerichtsstandsbestimmung trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei 24 . Aufnahme eines Rechtsstreits zur Feststellung einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung 25
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Inhalt
. Zulässigkeit der Teilaufnahme eines nach § 240 ZPO 26 unterbrochenen Rechtsstreits . Aufnahme unterbrochenen Rechtsstreits durch Insolvenzgläubiger 27 . Unterbrechung des Verfahrens der Abgabe der eidesstattlichen 29 Versicherung . Unterbrechung des Patentnichtigkeitsverfahrens 29 . Hemmung der Verjährung der Ansprüche aus 30 existenzvernichtender Haftung und Anfechtung . Bindung des Insolvenzverwalters an die Schiedsabrede wegen der 32 sicherungszedierten Forderung . Schiedsverfahren und Insolvenz 34 . Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters 35 37 III. Insolvenzmasse . Hinterlegte Beträge aus der Abrechnung von Lebensversicherungen 37 38 . Massezugehörigkeit des Nachlasses . Nichtzahlung zweckgebundener Mittel in der Insolvenz des Zahlungsschuldners 40 . Dinglicher Arrest und Insolvenzbeschlag: strafprozessuale 40 Rückgewinnungshilfe . Dinglicher Arrest gegen die Insolvenzschuldnerin nach Eröffnung des Verfahrens über ihr Vermögen 42 44 . Neuerwerb und Pfändungsschutz . Beschlagfreier Neuerwerb in der Insolvenz Selbständiger 45 . Pfändungsschutz für eigenständig erwirtschaftete Einkünfte und Massezugehörigkeit 46 . Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch 47 . Reichweite des Insolvenzbeschlags 48 . Massezugehörigkeit kassenärztlicher Zulassungen? 49 . Massezugehörigkeit von Berufsunfähigkeitsrenten 54 . Massezugehörigkeit des Eigengeldes des Strafgefangenen 55 . Verschleiertes Arbeitseinkommen 57 . P-Konto 58 . Massezugehörigkeit (Pfändbarkeit) von Informationsrechten des GmbH-Gesellschafters 59 . Prozessführungsbefugnis nach § 93 InsO 60 . Prozesskostenhilfe 60 . Erfolgsaussichten der Prozessführung des Insolvenzverwalters 63
Inhalt
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. Rechtsweg für Anspruch des Insolvenzverwalters auf Einsicht von 63 Akten der Verwaltung IV. Das Insolvenzgericht 64 . Amtsermittlungspflichten bei der Flucht des Schuldners 64 . Überführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in 66 Regelinsolvenzverfahren . Sonderinsolvenzverfahren bei vollbeendigter zweigliedriger KG 67 V. Vertragsbeziehungen des Insolvenzschuldners 70 . Unwirksamkeit insolvenzbedingter Lösungsklauseln 70 71 . Erfüllungsablehnung beim Grundstückskaufvertrag . Reichweite der Kündigung von gewerblichen Mietverhältnissen 73 74 . Private Krankenversicherungsverträge des Schuldners . Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO 76 . Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO 77 (Nebenkosten) . Keine Billigkeitskontrolle der Kündigung nach § 113 InsO 79 VI. Rechtsstellung des Insolvenzverwalters 80 . Immissionsrechtliche Störereigenschaft des 80 Insolvenzverwalters . Sachwalter als vorinsolvenzlicher Sanierungsberater 81 . Kein Auskunftsanspruch des Verwalters gegen den Notar bei 82 Grundstücksverkehrsgeschäften des Schuldners . Reichweite des § 160 InsO 83 . Untreue des Insolvenzverwalters 85 . Berufsrecht des Insolvenzverwalters 85 . Antrag auf Aufhebung der Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters 86 . Bindung des Insolvenzverwalters an Satzungsänderungen 87 . Kanzleiabwickler und Insolvenzverwalter im RechtsanwaltsInsolvenzverfahren 88 . Pflicht des Insolvenzverwalters zur zinsgünstigen Anlegung von Geldern 89 . Anspruch nach § 166 HGB in der Insolvenz der Gesellschaft 90 VII. Schadenersatzforderungen der Masse wegen schädigenden Verhaltens Dritter im Vorfeld des Insolvenzverfahrens 92 . Verjährung des Anspruch aus existenzvernichtenden Eingriff 92
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Inhalt
. Hinweispflicht des Steuerberaters wegen Insolvenzgefahr 95 . Haftung und Parteieigenschaft bei Ausgliederung . Anforderungen an den Sachverhaltsvortrag bei schadenersatzrechtlicher Inanspruchnahme eines Steuerberaters 96
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C. Rechtsstellung der Gläubiger 97 97 I. Organe der verfassten Gläubigerautonomie . Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses 97 . Unverhältnismäßigkeit der Einsetzung eines vorläufigen 98 Gläubigerausschusses II. Insolvenzforderungen 98 . Insolvenzrechtlicher Rang sogenannter atypisch stiller 98 Gesellschafter . Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer aus einem Sanierungstarifvertrag als Insolvenzforderungen 99 100 . Kostenerstattungsanspruch . Forderung eines Anlegers in der Insolvenz des Unternehmens 101 III. Masseverbindlichkeiten 102 102 . Kostenfestsetzungsverfahren bei Masseunzulänglichkeit . Keine Masseverbindlichkeit der Kraftfahrzeugsteuer 102 . Gleichrangigkeit von Gerichtskosten und 103 Insolvenzverwaltervergütung bei Masseunzulänglichkeit IV. Aus- und Absonderung 103 . Anmeldung von Ansprüchen und § 1179a Abs. 1 S. 1 und S. 3 BGB 103 . Löschung einer Sicherungshypothek – insolvenzrechtliche Rückschlagsperre 105 . Erteilung einer auf § 166 Abs. 2 InsO gestützten Einziehungsermächtigung an Dritte 107 . Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs auf insolvenzfeste Anlage der Barkaution 108 . Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB durch den Insolvenzschuldner 108 . Einziehung einer verpfändeten Forderung bei nichtfälliger Hauptforderung 111 . Voraussetzungen einer Sicherungsübereignung 112 . Vorrecht der WEG-Gemeinschaft nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG 114
Inhalt
IX
. Haftung des Zessionars für nicht abgeführte Umsatzsteuer 116 117 . Konsignationslagerverträge . Raumsicherungsvertrag 119 . Auskehr des Verwertungserlöses nach § 170 InsO 121 . Eigentumsvorbehalt als Aussonderungsrecht 122 124 V. Aufrechnung . Aufrechnung von Forderungen gegen den insolventen Vertragshändler mit Ausgleichsansprüchen nach § 89b HGB 124 . Aufrechnung von rückständigen Gehaltsansprüchen des Geschäftsführers gegen dessen Inanspruchnahme aus § 64 S. 1 126 GmbHG . Aufrechnung des Insolvenzverwalters mit massezugehöriger 127 Forderung gegen Insolvenzforderung VI. Verteilungsverfahren 130 . Nachweis rechtzeitiger Klageerhebung 130 131 . Bekanntgabe des Verteilungsverzeichnisses . Voraussetzungen einer Nachtragsverteilung 132 D. Insolvenzanfechtung 134 134 I. Ausgewählte Fragestellungen . Durchführung des Anfechtungsanspruch auf Rückübertragung eines Erbbaurechts 134 . Übergang des Anfechtungsrechts des Gläubigers auf den 135 Insolvenzverwalter . Abtretung von Anfechtungsansprüchen 136 . Maßgeblicher Zeitpunkt bei der Anfechtung der Lastschriftbuchung 137 . Wissenszurechnung bei der Insolvenzanfechtung 138 . Anfechtungsrecht im Zweitverfahren bei Verfristung oder Verjährung des Anfechtungsanspruchs im Erstverfahren 139 . Rentenversicherungsverträge für Arbeitnehmer 140 . Deckungsanfechtung ist zulässige Inhalts-und Schrankenbestimmung des Eigentums 141 . Anfechtung von Rechtshandlungen des eigenverwaltenden Schuldners 141 . Ist die Anfechtbarkeit von Zahlungen, die der Schuldner im Schutzschirmverfahren vorgenommen hat, davon abhängig, dass keine Ermächtigung nach § 270b Abs. 3 InsO vorliegt? 143
X
Inhalt
II. Gläubigerbenachteiligung 144 144 . Bewirkung der Überweisung als Rechtshandlung . Gläubigerbenachteiligung durch Abtretung künftiger Ruhegehaltsansprüche 145 . Benachteiligung nicht nachrangiger Gläubiger erforderlich 147 . Gläubigerbenachteiligende Leistungen von Konto des 147 Vaters 149 . Anfechtung der Befriedigung aus abgetretener Forderung . Insolvenzanfechtung der Direktzahlung des Bauherrn an den Lieferanten 151 153 III. Inkongruenz – und Kongruenzanfechtung . AGB und Lastschrifteinzug 153 . Werthaltigmachen von Werklohnansprüchen 154 . Inkongruenzanfechtung bei Androhung der 155 Fremdantragsstellung IV. Schenkungsanfechtung 155 . Relevanter Zeitpunkt bei der Schenkungsanfechtung bei 155 unwiderruflichem Bezugsrecht aus Lebensversicherung . Anfechtbarkeit von Prämienzahlungen auf eine sicherungshalber abgetretene Lebensversicherung 156 . Schenkungsanfechtung der Ausschüttung von 158 Scheingewinnen V. Vorsatzanfechtung 159 . Eigene Rechtshandlung des Schuldners bei Hingabe von Geldern, 159 die er vor dem Gerichtsvollzieher verborgen hatte . Anfechtung von Zahlungen an den Steuerberater wegen laufender Buchhaltungs- und Kontierungsarbeiten 160 . Vorsatzanfechtung wegen zur gesetzlichen Krankenversicherung vom Arbeitgeber als Leistungsmittler abgeführter Beiträge 161 . Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners 162 . Vorsatzanfechtung gegenüber dem Leistungsmittler 164 . Vorsatzanfechtung gegen Versicherungsmakler als zweitem Leistungsmittler 166 . Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners 168 . Einschränkung von Inkongruenz als Beweiszeichen 169 . Einschränkung von Inkongruenz als Beweisanzeichen (2) 172 . Benachteiligungsabsicht bei Gläubigeranfechtung 174
Inhalt
XI
VI. Anfechtung gegenüber Gesellschaftern und diesen 176 Gleichgestellten . Abtretung der Darlehensforderung eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft 176 . Anfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO 177 180 . Gesellschafterdarlehen . „Stehengelassene“ Gehaltsforderungen des Arbeitnehmers als Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin 181 VII. Bargeschäft 182 . Haftung des Sanierers und Bargeschäft 182 182 . Bargeschäft und Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers VIII. Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit 183 . Retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit: 183 Ratenzahlungsplan . Retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit: Stundung 185 . Retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit 185 187 . Retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit (2) IX. Prozessuale Fragen im Anfechtungsrecht 189 . Rechtsweg für Anfechtungsklagen 189 . Gegner der Deckungsanfechtung 189 E.
Insolvenzplan 191 I. Ausgewählte Fragestellungen 191 . Fortdauer der Bürgenhaftung nach Bestätigung eines 191 Insolvenzplans . Erklärungen nach § 230 InsO 192 . Vergleichsrechnung und Zurückweisung des Insolvenzplans nach § 231 InsO 192 II. Prozessführungsbefugnis nach planbedingter Verfahrensaufhebung 193 . Befugnis des Planüberwachers zur Führung von Anfechtungsprozessen 193 . Rechtshängigkeit von Forderungen, die der bisherige Verwalter nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Planbestätigung noch prozessual verfolgen soll 194 . Prozessführungsbefugnis des planüberwachenden Sachwalters 198
XII
F.
Inhalt
Eigenverwaltung 201 201 I. Eröffnungsverfahren . Veröffentlichungen von Anordnungen gem. § 270b InsO 201 . Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung 201 . Zeitpunkt der Nachteilsprognose bei Antrag auf Anordnung der 202 Eigenverwaltung . Wohl vorbereitete Insolvenzanträge 205 207 . Gesellschafterkonflikte in der Eigenverwaltung . Ungenügender Eigenantrag 209 . Antrag nach § 270b InsO 211 . Keine Beschwerdebefugnis des Insolvenzschuldners gegen 211 Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung II. Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten 213 . Keine Rechtsbeschwerde gegen die Versagung einer beantragten 213 Ermächtigung . An den Schuldner während der vorläufigen Eigenverwaltung 217 erbrachte Dienstleistungen . Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren 218 III. Eigenverwaltung und Prozessführung 220 . Aufnahme von Rechtsstreitigkeiten durch eigenverwaltenden 220 Schuldner . § 270a InsO führt noch nicht zur Unterbrechung des Verfahrens 221 nach § 240 ZPO . Eigenverwaltung und PKH 221
G. Restschuldbefreiung 223 I. Anmeldung von Deliktsforderungen 223 II. Ankündigung der Restschuldbefreiung 224 H. Vergütungsrecht 226 I. Ausgewählte Fragestellungen 226 . Vergütung der Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschusses 226 . Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters 226 . Verzinsung des Erstattungsanspruchs nach Aufhebung des Vergütungsbeschlusses 228 . Keine Rückwirkung der Änderung der Vergütungsvorschriften 229
Inhalt
XIII
II. Berechnungsgrundlage der Vergütung 229 . Einbeziehung des Wertes sicherungszedierter Forderungen in die 229 Berechnungsgrundlage . Vergütung und Nachtragsverteilung 231 III. Gründe für Vergütungsabschläge und -zuschläge 232 232 . Zuschlag zum Degressionsausgleich . Erstattung des Sach- und Personalaufwandes für Zustellungen 233 . Korrektur „zu hoher“ Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters 234 236 IV. Rechtsmittel gegen Vergütungsfestsetzung . Voraussetzung der sofortigen Beschwerde des Schuldners 236 . Beschwerdebefugnis des Masseschuldners gegen die Festsetzung 236 der Verwaltervergütung V. Uneinbringlichkeit der Vergütung 237 . Risiko der Uneinbringlichkeit seiner Vergütung beim vorläufigen 237 Insolvenzverwalter . Treuhändervergütung bei unterbliebener Entscheidung über Verfahrenskostenstundung 238 . Subsidiärhaftung des Staates für die Verfahrenskosten 239 I.
Internationales Insolvenzrecht 242 I. Zuständigkeitsfragen 242 242 . Der Begriff der Niederlassung nach Art. 2 lit. h EuInsVO . Internationale Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte 243 . Internationale Zuständigkeit für Insolvenzanfechtungsklagen 244 II. Internationale Geltung der Verfahrenseröffnung 246 . Voraussetzung der europäisch-internationalen Anerkennung von Insolvenzverfahren in einem Mitgliedsstaat 246 . Feststellung der Unterbrechungswirkung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein ausländisches Gericht 247 . Reichweite des Art. 24 EuInsVO 249 . Befreiende Leistung an den Schuldner nach Art. 24 EuInsVO 250 251 . Insolvenzanfechtung, Art. 13 EuInsVO . Gelöschte vermögenslose Limited 252
Sachregister
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Vorwort Das deutsche, aber auch das europäische Insolvenzrecht befindet und befinden sich im Fluss einer Entwicklung, die nicht durch eine Stetigkeit gekennzeichnet wird, die seiner Anwendung die Gleichmäßigkeit einer Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte verliehe, um die es im Zivilrecht gehen sollte – dessen wichtiger Teil aber das insolvenzrechtliche Haftungsrecht ist. Dies gilt für die Gesetzgebung, deren Tätigkeit in dem hier im wesentlichen behandelten Zeitraum vom April 2012 bis zum November 2014 mit dem Gesetz zur Verkürzung der Rechtsschuldbefreiung einen nicht unwesentlichen Schritt gegangen ist, der freilich für die Praxis und die systematischen Strukturen des Insolvenzrechts noch keine Auswirkungen hat zeitigen können. Dies gilt mehr noch für die Judikatur. Als Mittel zur Bekämpfung der Überlastung des IX. Zivilsenats des BGH ist die Rechtsbeschwerde nachhaltig erschwert und die Entscheidungstätigkeit des obersten Fachsenats viel stärker als in den vergangenen zehn Jahren auf das materielle Insolvenzrecht, namentlich das höchst ziselierte Anfechtungsrecht beschränkt worden. In der Tat hatte die Konzentration der Letztentscheidungsbefugnis über insolvenzrechtliche Fragestellungen beim BGH in den vergangenen 13 Jahren dazu geführt, dass in sehr weiten Bereichen des Insolvenzrechts Klarheit und Orientierungssicherheit geschaffen worden sind. Man mag die Judikatur des BGH kritisieren, und der Verfasser hat keinen Hehl daraus gemacht, dass Einzelentscheidungen nicht immer auf Verständnis stoßen können, so ist indes nicht zu übersehen, dass mit der Streichung des § 7 InsO im Jahr 2011¹ der IX. Zivilsenat des BGH entlastet worden sein mag, aber doch in wesentlichen Bereichen seine Jurisdiktion nicht mehr zur Vereinheitlichung und Systematisierung des Insolvenzrechts den unverzichtbaren Beitrag leisten kann, der in den vorangegangenen Jahre so wichtig war. War die oberlandesgerichtliche Judikatur der weiteren Beschwerde bzw. der Rechtsbeschwerde in Insolvenzsachen nicht immer geeignet, die erforderliche Systematisierungsleistung zu erbringen, fragt sich nachhaltig, ob dies von den Gerichten der sofortigen Beschwerde geleistet werden kann. Die Rückschau auf die insolvenzrechtliche Rechtsprechung muss daher, anders als in den früheren Jahren, wieder in stärkerem Umfang die instanzgerichtliche Beschwerdejudikatur in den Blick zu bekommen trachten.
Gesetz zur Änderung des § der Zivilprozessordnung vom . . , BGBl. I S. , m.W.v. . . .
A. Eröffnungsverfahren I. Insolvenzgericht 1. Gerichtsstandbestimmung Das OLG München ² hat auf Vorlage des AG Hamburg, das sich nach der Eigenantragstellung der Insolvenzschuldnerin Mitte Juli 2013 aufgrund eines Zwischenberichts des vorläufigen Insolvenzverwalters für örtlich zuständig erklärt hatte, über den damit ausgelösten positiven Kompetenzkonflikt mit dem AG München als Insolvenzgericht zu entscheiden. Fall 1: Die im Handelsregister des AG München mit Sitz in München eingetragene Insolvenzschuldnerin hatte am 8.6. 2012 beim AG München wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Eigenantrag gestellt, den sie Ende Juli 2012 zurücknahm. Eine Sozietät von Rechtsanwälten stellte am 24.9. 2012 Fremdantrag beim AG München, wobei sie sich auf eine bestrittene Honorarforderung gegenüber der Insolvenzschuldnerin in Höhe von EUR 200.000 beriefen. Sie trugen vor, im vorangegangenen Eröffnungsverfahren sei ein Insolvenzgutachten erstellt worden, das Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Insolvenzschuldnerin dargelegt habe und legten Unterlagen über die bestrittene Forderung vor. Dieser Antrag wurde am 5.10. 2012 als unzulässig zurückgewiesen, wogegen die antragstellenden Gläubiger die sofortige Beschwerde einlegten. Das LG München hob als Beschwerdegericht den zurückweisenden Beschluss auf unter Verweisung des Verfahrens zur weiteren Entscheidung ans AG München. Zwischenzeitlich hatte am 24.9. 2012 die Gesellschafterversammlung der Insolvenzschuldnerin die Sitzverlegung nach Hamburg beantragt, die im Jahr 2013 eingetragen wurde.
Das LG München bejahte wegen des eingetragenen Sitzes im maßgeblichen Zeitpunkt der Fremdantragsstellung die örtliche Zuständigkeit des AG München nach § 3 Abs. 1 S. 1 InsO. Im Übrigen sei der Bestand der Forderung wenigstens in einer Größenordnung von EUR 200.000 ebenso glaubhaft gemacht, wie der Eröffnungsgrund, so dass der Antrag der Gläubiger zulässig sei. Am 5.9. 2013 eröffnete das AG München das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Diese ließ vor dem OLG München vortragen, der Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit liege schon seit Ende 2011 in Hamburg und die Verlegung des Geschäftssitzes sei nicht missbräuchlich. Das OLG München war funktional für die Entscheidung in dem positiven Kompetenzkonflikt der Amtsgerichte – Insolvenzgerichte – Hamburg und München zuständig, weil zu seinem Bezirk das wegen des Fremdantrages vom 24.9. 2012 zuerst befasste Insolvenzgericht – nämlich das AG München – gehört. In der Tat könnte die Regelung des § 3 Abs. 1
OLG München, Beschl. v. . . – AR / – NZI , .
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A. Eröffnungsverfahren
S. 2 InsO die Zuständigkeit des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Hamburg begründet haben. Der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin geht dem Gesellschaftssitz vor. Und die Verlegung des Gesellschaftssitzes, die dem Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners entspricht, kann allemal nicht als missbräuchlich bezeichnet werden, so dass insofern zum Zeitpunkt des beim AG Hamburg gestellten Eröffnungsantrages die örtliche Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 S. 2 bzw. S. 1 InsO begründet gewesen wäre. Zu Recht geht aber das OLG München davon aus, dass dies im vorliegenden Fall nicht mehr entscheidend war. Denn der Eröffnungsbeschluss des AG München vom Anfang 2013 ist in Rechtskraft erwachsen. Damit ist über das schuldnerische Vermögen der Insolvenzbeschlag verhängt. Schon dies würde für einen Eröffnungsbeschluss durch das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Hamburg keinen Raum mehr lassen, da es an einem Vermögen fehlt, über das das Insolvenzverfahren eröffnet werden könnte. Dass die schuldnerische Gesellschaft außerhalb des über ihr Vermögen durch das AG München eröffneten Insolvenzverfahrens weiteres beschlagfreies Vermögen habe, ist weder vorgetragen noch wahrscheinlich. Das Eröffnungsverfahren in Hamburg hatte sich somit in Ermangelung eines möglichen Gegenstandes der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erledigt. Das OLG München zitiert nun Ganter und Lohmann im Münchner Kommentar zu § 3, dass insoweit das Prioritätsprinzip gelte. Das ist aber missverständlich. Es geht um etwas anderes: So lehnt eine Durchbrechung der Rechtskraft das OLG München mit guten Gründen ab. Nun schließt § 571 Abs. 2 S. 2 ZPO ein Rechtsmittel aus, das auf die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit gestützt ist. Wird nun den Beteiligten keine Gelegenheit gegeben, Einwendungen zur örtlichen Zuständigkeit vorzutragen, hat die Judikatur vor der Einfügung des § 321a ZPO danach gefragt, ob insoweit ein außerordentlicher Rechtsbehelf einzuräumen sei. Ob dies trotz § 321a ZPO heute noch der Fall sein könne, brauchte das OLG München aber schon deshalb nicht zu diskutieren, weil die sofortige Beschwerde der Insolvenzschuldnerin gegen den Eröffnungsbeschluss nicht auf die örtliche Unzuständigkeit gestützt werden konnte, weil die Gesellschafter Gelegenheit zur Äußerung hatten und hiervon auch Gebrauch gemacht haben.
I. Insolvenzgericht
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2. Zustimmungsvorbehalt im Eröffnungsverfahren und Überweisungen des Schuldners Der IX. Zivilsenat des BGH ³ hat darüber zu entscheiden gehabt, welche Wirkungen die Anordnungen eines Zustimmungsvorbehalts bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Insolvenzeröffnungsverfahren zeitigen, wenn der Insolvenzschuldner danach mit seiner Bank einen Überweisungsvertrag schließt und die Bank an den Empfänger eine Zahlung bewirkt. Fall 2: Die Insolvenzschuldnerin bezog von dem später vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommenen Apotheker als Betreiberin eines Alten- und Pflegeheims aufgrund eines Rahmenvertrages Arzneimittel und Medizinprodukte. Am 30.9. 2008 wurde der Insolvenzschuldnerin eine Sammelrechnung über EUR 6.500 erteilt. Die entsprechenden Einzelbeträge zog sie daraufhin bei den Heimbewohnern ein, die Arzneimittel bzw. Medizinprodukte bezogen hatten. Am 15.10. 2008 wurde um 14:30 Uhr vom Amtsgericht als Insolvenzgericht eine vorläufige Anordnung des Inhalts erlassen, dass Verfügungen der Insolvenzschuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters, den das Amtsgericht mit gleicher Verfügung bestellte, wirksam seien. Am gleichen Tage fertigte die Insolvenzschuldnerin zu Gunsten des Apothekers einen Überweisungsauftrag über den Rechnungsbetrag aus. Dieser ging nach 17:00 Uhr bei ihrer Hausbank ein. In Unkenntnis der gegen die Insolvenzschuldnerin angeordneten Verfügungsbeschränkung führte die Hausbank den Überweisungsauftrag am 16.10. 2008 aus. Am darauf folgenden Tag wurde der Betrag dem Konto des Apothekers gutgeschrieben, den nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin der Insolvenzverwalter auf Rückzahlung in Anspruch nahm.
Die Insolvenzschuldnerin hatte mit ihrer Bank zunächst einen wirksamen Überweisungsvertrag geschlossen. Denn anders als nach Anordnung eines Verwaltungs- und Verfügungsverbots gegen den Insolvenzschuldner durch das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren bleibt die Befugnis des Insolvenzschuldners, Verpflichtungsgeschäfte zu schließen, nach Anordnung einer vorläufigen Zustimmungsverwaltung bestehen. Der Überweisungsvertrag ist ein solches Verpflichtungsgeschäft zwischen dem Insolvenzschuldner und seiner Bank. Anders als Verfügungen, die im Falle des § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Hs. InsO nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, entfaltet der Abschluss eines Verpflichtungsvertrages also uneingeschränkt Wirkungen. Der BGH schließt insoweit mit der vorliegenden Entscheidung an seine frühere Judikatur an, dass die Bank grundsätzlich berechtigt ist, mit dem späteren Insolvenzschuldner (also im Insolvenzeröffnungsverfahren dem Antragsgegner) trotz der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt einen Überwei-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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A. Eröffnungsverfahren
sungsauftrag zu schließen.⁴ Dieser Judikatur hat sich die Literatur angeschlossen.⁵ Der wirksame Überweisungsvertrag begründet ein Anweisungsverhältnis, in dem die Bank zur Zahlung an den Empfänger mit Mitteln der Kontoinhaberin (also hier: der Insolvenzschuldnerin) angewiesen wird.⁶ Zur Ausführung dieser Anweisung, also zur Bewirkung der Zahlung, wird die Bank aus dem Überweisungsvertrag verpflichtet. Nimmt sie die Zahlung vor, kommt sie somit, wie der BGH überzeugend ausführt, von ihrer eigenen Verpflichtung aus dem Überweisungsvertrag frei. Geschieht dies aus einem im Haben geführten Konto, bewirkt der Insolvenzschuldner die Zahlung an den Empfänger mit eigenen Mitteln. Im Übrigen wäre, würde die Bank aufgrund einer dem anweisenden Kontoinhaber eingeräumten Kreditlinie die Zahlung durchführen, diese in dem über das Vermögen des Insolvenzschuldners später eröffneten Insolvenzverfahren den Aufwendungsersatzanspruch als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden haben. Dieses Verhältnis zwischen anweisendem und angewiesener Bank lässt aber das Verhältnis zwischen dem zahlenden Insolvenzschuldner und dem Empfänger als Zahlungsempfänger unberührt. In diesem Verhältnis – also dem Valutaverhältnis – ist nach Ansicht des IX. Zivilsenats des BGH dagegen nach Anordnung des Zustimmungsvorbehalts ein Fehler eingetreten, der dazu führt, dass der Apotheker als Zahlungsempfänger im vorliegenden Fall nach § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB rechtsgrundlos bereichert, und daher zur Rückzahlung des empfangenen Betrages verpflichtet ist. Nach der Judikatur des IX. Zivilsenats sind die Fehler im Deckungs- oder Valutaverhältnis jeweils zwischen den dort Beteiligten abzuwickeln.⁷ Im Schrifttum herrscht nun Streit darüber, wie diese Fälle näher zu begründen sind. Einigkeit besteht nur darüber, dass bei einer Überweisung, die aufgrund eines gegenüber der Bank wirksam erteilten Überweisungsvertrages durchgeführt wird, nicht die Bank gegen den Zahlungsempfänger, sondern die Masse gegen den Zahlungsempfänger einen Bereicherungsanspruch hat. Worauf sich dieser gründet, ist dagegen streitig.Während eine Auffassung davon ausgeht, es handele sich um einen Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise⁸, leiten andere den Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB her, der hier analog angewendet werden soll.⁹ Der BGH hat sich nun der Auffassung angeschlossen, dass es sich hier um eine Konstellation handle, die dem Bereicherungsanspruch in Dreiecksverhältnissen gleichgelagert sei und deshalb nach allgemeinen Grundsätzen
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . Vgl. nur: Jaeger/Windel, § InsO, Rn. . BGH, Urt. v.. . – XI ZR / – WM , , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – WM , . Bork, Zahlungsverkehr in der Insolvenz, , S. . Schlegelberger/Hefermehl-Canaris, Anh. zu § HGB, Rn. .
I. Insolvenzgericht
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als Leistungskondiktion vorzugehen sei. § 816 Abs. 2 BGB komme nach Ansicht des BGH deshalb nicht zum Zuge, weil sich die Wirksamkeit von Leistungen Dritter, die für den Insolvenzschuldner gegenüber dem Drittschuldner erbracht werden können, wegen der Verweisung in § 24 Abs. 1 InsO nach § 81 InsO richteten. Nach dieser Vorschrift ist eine Verfügung des Insolvenzschuldners unwirksam wenn er die Verfügung ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters getroffen hat.¹⁰ § 816 Abs. 2 BGB setze aber eine gegenüber dem Berechtigten wirksame Leistung voraus. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift komme daher nicht in Betracht. Für eine Anwendung des Tatbestandes der Bereicherung in sonstiger Weise gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB sei kein Raum, weil eine Leistung des Insolvenzschuldners an den Beklagten vorliege. Weil ein Überweisungsauftrag, der trotz des angeordneten Zustimmungsvorbehalts wirksam war, erteilt worden war, habe im vorliegenden Fall nicht eine Leistung der angewiesenen Bank sondern eine Leistung des Insolvenzschuldners an den Apotheker als Empfänger vorgelegen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte die Zahlung dem Insolvenzschuldner als nur vermeintlich Anweisenden, wie der BGH überzeugend ausführt, nicht als seine Leistung zugerechnet werden können. Dabei komme es auf den Empfängerhorizont des Überweisungsempfängers nicht an, weil dieser eine fehlende Zweckbestimmung im Falle unwirksamen Überweisungsvertrages nicht zu ersetzen vermag. Im Falle einer unwirksamen Anweisung bestünde ein Bereicherungsverhältnis gegebenenfalls zwischen Bank und Zahlungsempfänger. Dies aber war hier nicht der Fall, so dass ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB in Betracht kam. Nun bestand aber wegen der Lieferung von Medikamenten und anderen Sachen eine Forderung des Apothekers als Leistungsempfänger gegen den Insolvenzschuldner aus Kaufvertrag. Gleichwohl habe eine rechtsgrundlose Leistung des Insolvenzschuldners in dem hier zu beurteilenden Falle vorgelegen, weil der Insolvenzschuldner keine wirksame Erfüllungszweckbestimmung mehr treffen konnte. Wird eine Leistung bewirkt, ist die Erfüllungswirkung freilich im allgemeinen objektive Folge der Leistungsbewirkung.¹¹ Man spricht hier von der Theorie der realen Leistungsbewirkung. Nach dieser bedarf es keiner Zweckbestimmung, da die Erfüllungswirkung schlechthin an den Realakt der Leistungsvornahme geknüpft ist. Anders verhalte es sich aber, wie der BGH ausführt, wenn sich der Insolvenzschuldner eines Zahlungsmittlers bedient, um seine Verbindlichkeit zu begleichen. Die Erfüllung der zu tilgenden Schuld hinge dann davon ab, dass der Insolvenzschuldner eine entsprechende Tilgungsbestimmung vornimmt, die der Zahlungsmittler als Bote oder Vertreter
BGH, Beschl. v.. . – IX ZR / – WM , . BGH, Urt. v. . . – XI ZR / – BGHZ , .
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A. Eröffnungsverfahren
gegenüber dem Zahlungsempfänger als Gläubiger verlautbart.¹² Diese Tilgungsbestimmung sei konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung der Erfüllungswirkung der Leistung. Weil die Tilgungsbestimmung verfügungsähnliche Wirkungen zeitige, sei die Tilgungsbestimmung selbst nur unter der Voraussetzung wirksam, dass der Insolvenzschuldner uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über sein Vermögen habe.¹³ Die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen habe dem Insolvenzschuldner aber nach Erlass der vorläufigen Anordnung des Insolvenzgerichts nicht mehr zugestanden, da ein Zustimmungsverwalter eingesetzt worden war.
II. Der vorläufige Insolvenzverwalter 1. Vertrauensschutzes eines Gläubigers bei Erfüllung von Altverbindlichkeiten Wenn im Eröffnungsverfahren eine Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Var. InsO getroffen wird, wonach der Insolvenzschuldner bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag zwar weiter über sein Vermögen verfügen darf, aber seine Verfügungen nur wirksam sind, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter zustimmt, ruft dies naturgemäß Probleme hervor, wenn mit den Verfügungen des Insolvenzschuldners Leistungen an einen Gläubiger zur Erfüllung von „Altverbindlichkeiten“, also bis dahin aufgelaufenen Insolvenzforderungen erbracht werden. Wird in der kritischen Zeit – also drei Monate vor Antragstellung oder nach Antragstellung – eine Insolvenzforderung vom Insolvenzschuldner befriedigt, hat dies nach §§ 130, 131 InsO, sofern die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschriften vorliegen, die Anfechtbarkeit dieser Leistung zur Folge. Die Besonderheit von mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters getätigten Leistungen liegt nun aber darin, dass der Insolvenzschuldner wirksam nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters verfügen konnte. In seiner früheren Judikatur hat der IX. Zivilsenat des BGH aus diesem Umstand darauf geschlossen, dass die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu der Zahlung des Insolvenzschuldners an den Gläubiger einen Vertrauenstatbestand schaffe, der dazu führe, dass ihm die erhaltene Zahlung nicht mehr im Wege der Anfechtung entzogen werden darf.¹⁴ Mit einer Entscheidung aus dem Januar 2013¹⁵ hat der BGH diese Problematik des Vertrauensschutzes eines Gläubigers bei Erfüllung von Altverbindlichkeiten mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzver
BGH, Urt. v. . . – V ZR / – WM , . BGH, Urt. v. . . – XII ZR / – BGHZ , , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
II. Der vorläufige Insolvenzverwalter
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walters näher gefasst. Der Entscheidung lag der im Folgenden vereinfacht wiedergegebene Sachverhalt zugrunde: Fall 3: Im Rahmen der Abarbeitung eines Vertrages über Straßen- und Pflasterbau mit einer Kommune hatte die Insolvenzschuldnerin von der späteren Beklagten, der Betreiberin eines Granitwerkes, Natursteine geliefert bekommen und befand sich Ende Februar 2009 mit EUR 90.000 in Zahlungsverzug.Vergeblich versuchte die spätere Beklagte, unter Berufung auf § 16 VOB/ B von der Kommune Direktzahlungen zu erhalten. Von dem nicht bezahlten Material hatte die Schuldnerin Steine zum Preis von EUR 40.000 verbaut. Die Granitsteine waren unter erweiterten und verlängerten Eigentumsvorbehalt geliefert worden. Nachdem Anfang März 2009 die Insolvenzschuldnerin Eigenantrag gestellt hatte und der spätere Kläger zum vorläufigen Zustimmungsverwalter bestellt worden war, nahm dieser Verhandlungen mit der Beklagten auf, an deren Ende eine von der Beklagten entworfene Vereinbarung zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters geschlossen wurde. Mit dieser Vereinbarung – datierend auf den 16. 3. 2009 – wurde der bestehende Eigentumsvorbehalt bestätigt und die Fortsetzung der Lieferungsbeziehung zu bestimmten Bedingungen vereinbart. Unter anderem war die Verpflichtung der Insolvenzschuldnerin zur Zahlung des offenen Betrages von EUR 90.000 vorgesehen. Und weiter wörtlich der Satz aufgenommen: „Diese Zahlung erfolgt anfechtungsfrei, d. h. unter Verzicht auf jegliche Art von Anfechtung jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt“. Der vorläufige Insolvenzverwalter wies, als ihm diese Vereinbarung zur Gegenzeichnung vorgelegt wurde, die Beklagte ausdrücklich darauf hin, er habe als vorläufiger Verwalter nicht die Befugnis auf Anfechtungsansprüche zu verzichten, die der Insolvenzmasse im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustünden und die von einem künftigen Insolvenzverwalter ausgeübt würden. Allerdings sagte er in einem späteren Telefongespräch dem Geschäftsführer der späteren beklagten Lieferantin zu, die von der Insolvenzschuldnerin vorgenommene Zahlung später nicht anfechten zu wollen. Zum 1.5. 2009 wurde er dann zum Insolvenzverwalter bestellt und verlangte mit Schreiben vom 18.12. 2009 die Zahlung in Höhe eines Teilbetrages von EUR 40.000 im Wege der Anfechtung zurück.
Der IX. Zivilsenat hat in dem vorliegenden Urteil zunächst einmal festgehalten, dass der Insolvenzverwalter berechtigt sei, die Erfüllung von Altverbindlichkeiten im Wege der Deckungsanfechtung auch dann rückabzuwickeln, wenn er die Zustimmung zu der Erfüllungshandlung des Insolvenzschuldners erklärt hat, wenn diese Zahlung nicht mit einer künftig zu erbringenden eigenen Leistung des Gläubigers im Zusammenhang steht.¹⁶ Mit anderen Worten, kommt die Anfechtung auch solcher Rechtshandlungen in Betracht, in denen der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung erteilt hat. Nur unter der Voraussetzung, dass ein Vertrauenstatbestand durch den vorläufigen Insolvenzverwalter gesetzt worden ist, ist dies nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB ausgeschlossen. Die vorbehaltlose Zustimmung zu einer Erfüllung durch den Insolvenzschuldner stelle die Begründung eines solchen Vertrauenstatbestandes dar,wie der IX. Zivilsenat seine
So schon in früherer Judikatur: BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , , ; Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , .
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A. Eröffnungsverfahren
bisherige Judikatur bestätigt. Dies sei hier zwar zunächst nicht geschehen, aber in dem – unstreitig – so durchgeführten Telefonat zwischen dem Geschäftsführer und dem Insolvenzverwalter habe sich der vorläufige Insolvenzverwalter eindeutig erklärt. Soweit unterscheidet sich die vorliegende Entscheidung nicht von der zitierten früheren Judikatur des Senats. Allerdings wird nunmehr durch den IX. Zivilsenat auch für den Fall, dass der vorläufige Insolvenzverwalter eine vorbehaltlose Zustimmung zu der Erfüllungshandlung des Insolvenzschuldners erklärt hat, die Schutzwürdigkeit des bei dem Beklagten dadurch hervorgerufenen Vertrauens näher bestimmt. Denn der IX. Zivilsenat führt nunmehr aus, dass der andere Teil sich nicht auf sein Vertrauen berufen könne, wenn die vorbehaltlose Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters eine Reaktion auf eine monopolartige Stellung des Gläubigers sei und der Fortsetzung des Geschäftsbetriebes diene, die er anders nicht sichern könnte.Würden etwa – so führt der IX. Zivilsenat aus – ohne weitere Lieferungen bereits geschaffene Werte vernichtet, insbesondere weil ein vor der Fertigstellung stehendes Werk wegen eines fehlenden Teils nicht vollendet werden, und drohten dadurch Verluste der Masse, dann sei eine solche Lage gegeben. Voraussetzung hierfür sei, dass der vorläufige Insolvenzverwalter vorträgt, ohne seine vorbehaltlose Zustimmung hätten der künftigen Insolvenzmasse nachhaltige Schädigungen gedroht. Nur unter dieser Voraussetzung hält der IX. Zivilsenat die Durchbrechung des von ihm angesehenen Vertrauensschutzes für geboten.
2. Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktionen durch vorläufigen Zustimmungsverwalter und Anfechtung der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen Die rechtliche Beurteilung der Vorgänge im Eröffnungsverfahren fällt nicht immer leicht. Befriedigungshandlungen sind grundsätzlich anfechtbar¹⁷: Fall 4: Der Insolvenzverwalter forderte vom Sozialversicherungsträger EUR 18.000 Sozialversicherungsbeiträge im Wege der Insolvenzanfechtung zurück. Diese waren, wie es im Sachverhalt des OLG Saarbrücken heißt, vom vorläufigen Insolvenzverwalter im Rahmen einer revolvierenden Insolvenzgeldvorfinanzierung¹⁸ für den Zeitraum August 2009 an den Sozialversicherungsträger gezahlt worden. Am 6. 8. 2009 war der spätere Insolvenzverwalter zum vorläufigen Zustimmungsverwalter bestellt worden. In dem Anordnungsbeschluss war ihm das Recht zur Ausübung
OLG Saarbrücken, Urt. v. . . – U / – ZIP , . Hierzu: Sinz, Revolvierende Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, in: FS für W. Uhlenbruck, Köln , S. ff.
II. Der vorläufige Insolvenzverwalter
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der Arbeitgeberbefugnisse einschließlich der Ermächtigung, Kündigungen auszusprechen und mit einem vorhandenen Betriebsrat Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen zu führen, übertragen worden. Die Gutschrift, die dem Konto der Rentenversicherungsanstalt erteilt worden war, nennt als Auftraggeber den Namen des vorläufigen Insolvenzverwalters und trägt den Verwendungszweck „AN-Anteile 08/09“.
Werden Arbeitnehmeranteile auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge entrichtet, wird dies als Rechtshandlung des Arbeitgebers angesehen und kann somit angefochten werden.¹⁹ Die Vorschrift des § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV steht der Annahme einer Gläubigerbenachteiligung i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO nicht entgegen. Aus der Natur der Rechtshandlung – nämlich der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen – leitet sich daher nicht ab, dass eine Insolvenzanfechtung ausgeschlossen wäre. Da nach dem mitgeteilten Sachverhalt „der [vorläufige] Insolvenzverwalter“ die Zahlung vorgenommen hatte, musste das OLG Saarbrücken prüfen, ob gerade dieser Umstand eine Insolvenzanfechtung ausschließt. Es ist angebracht, an dieser Stelle Zweifel zu äußern. Die Übertragung der Stellung als Arbeitgeber im vorläufigen Anordnungsbeschluss des Insolvenzgerichts ist in der Tat nicht aussagefähig. Wenn nun aber der vorläufige Insolvenzverwalter Zahlungen (und zwar für den Insolvenzschuldner und wahrscheinlich auch mit dessen Mitteln) vorgenommen und damit über das Vermögen des Insolvenzschuldners verfügt hatte, stellt sich in der Tat die Frage nach der Auslegung des vorläufigen Anordnungsbeschlusses. Denn man könnte auf den Gedanken verfallen, dass eine Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten vorlag, wenigstens aber eine „Gruppenermächtigung“, nämlich alle Sozialversicherungsbeitragsverbindlichkeiten, die aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von Arbeitnehmern erwachsen, aus dem Schuldnervermögen zu befriedigen. In der Tat prüft das OLG Saarbrücken, ob hier eine entsprechende Ermächtigung vorgelegen habe, mit der Folge, dass gegebenenfalls die entsprechenden Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 2 InsO im eröffneten Verfahren zu befriedigen gewesen wären. Wäre nämlich dies der Fall, könnte man daran zweifeln, dass die Zahlung aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners gläubigerbenachteiligenden Charakter gehabt hat. Das OLG Saarbrücken sieht in der insolvenzgerichtlichen Übertragung der Rechtsausübung der Arbeitgeberbefugnis einschließlich der Ermächtigung, Kündigung auszusprechen, aber keine Ermächtigung, Masseverbindlichkeiten, etwa bei der Vereinbarung von Sozialplänen, oder Massedarlehen zu begründen. Insbesondere sei hier eine Ermächtigung zur Begründung von Sozialversicherungsleistungen als Masseverbindlichkeiten nicht gegeben. Eine analoge An-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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A. Eröffnungsverfahren
wendung des §§ 55 Abs. 2 InsO schließt das OLG Saarbrücken mit dem BGH ²⁰ zu Recht aus. Hierbei kann sich das OLG Saarbrücken auf eine arbeitsgerichtliche Judikatur des LAG Hamm ²¹ stützen, das in der Übertragung der Rechte zur Ausübung der Arbeitergeberbefugnis keine Ermächtigung hat sehen wollen, im Eröffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten zu begründen. Das OLG Saarbrücken kommt daher zu dem Schluss, dass die Rechtshandlungen des vorläufigen Zustimmungsverwalters, der Namens des späteren Insolvenzschuldners mit Vertretungsmacht gehandelt hat, angefochten werden können. Über eine Vertretungsmacht des vorläufigen Insolvenzverwalters ist aber im Sachverhalt nichts mitgeteilt. Sind diese Ausführungen unter Umständen durch den Sachverhalt getragen, aber aus den vom OLG Saarbrücken mitgeteilten bzw. den veröffentlichten Gründen nicht ersichtlich, ist doch nachvollziehbar, dass es das OLG Saarbrücken abgelehnt hat, in dem Handeln des vorläufigen Insolvenzverwalters die Begründung eines besonderen zu Gunsten des Sozialversicherungsträgers schutzwürdigen Vertrauenstatbestandes zu sehen. Unter Bezugnahme auf die Judikatur des BGH ²² führt das OLG Saarbrücken insoweit zutreffend aus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter nur dann einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand schaffe, wenn er mit dem Gläubiger verhandelt, insbesondere sich über die Erfüllung von Verträgen einlässt und somit Erklärungen abgibt, an die der Gegner Vertrauen knüpfen kann. Dies sei allein im Falle der Zahlung nicht der Fall. Es fehle dabei an Abreden, aus denen sich ein Vertrauenstatbestand ableiten lässt. Im Übrigen ist das vorliegende Urteil insoweit nachzuvollziehen, als die Zahlung kein Bargeschäft darstellt. Denn auch wenn die Beiträge erst am 11.11. 2009 gezahlt worden waren, waren doch weit zurückliegende Beitragsräume betroffen.
III. Eröffnungsgründe 1. Voraussetzungen der Fortführung des Insolvenzverfahrens trotz Erfüllung der Forderung Die Neufassung des § 14 Abs. 1 S. 2 InsO durch das Haushaltbegleitgesetz 2011²³ hat erheblichen Klärungsbedarf in der Judikatur hervorgerufen. Der BGH ²⁴ hat über
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . LAG Hamm, Urt. v. . . – SA /, SA / – juris Rz. . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . Haushaltsbegleitgesetz , HBeglG , BGBl I , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
III. Eröffnungsgründe
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die Voraussetzungen der Fortführung des Insolvenzverfahrens trotz Erfüllung der Antragsforderung zu entscheiden gehabt. Fall 5: Gegen den Insolvenzschuldner, der einen Kfz-Reparaturbetrieb unterhielt, stellte seine Krankenversicherung am 26.5. 2011 Fremdantrag. Ihre Forderung in Höhe von EUR 5.500 gründete sich auf rückständige Sozialversicherungsbeiträge, die durch Vollstreckbarkeitserklärung glaubhaft gemacht wurden. Nachdem der Insolvenzschuldner daraufhin Zahlung erbrachte, erklärte die Krankenkasse ihren Antrag nicht für erledigt, weil beim Insolvenzgericht bereits im Jahr 2010 ein Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners anhängig gewesen war. Den Eröffnungsantrag, an dem die Gläubigerin also festhielt, wies das Insolvenzgericht darauf als unzulässig ab.
§ 14 Abs. 1 S. 2 InsO regelt ausdrücklich, dass der Fremdantrag des Gläubigers allein durch die Erfüllung seiner Forderung nicht unzulässig wird. Der Antrag bleibt zulässig, wenn in dem Zeitraum von 2 Jahren vor der Antragstellung gegen das schuldnerische Vermögen bereits Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden war. Der Gesetzgeber hat aber, worauf der IX. Zivilsenat ausdrücklich hinweist, durch die Formulierung der Antrag werde „nicht allein“ durch Zahlung auf die den Antrag stützende Forderung unzulässig, auf die in § 14 Abs. 1 S. 1 InsO bestimmten Zulässigkeitserfordernisse im Übrigen nicht habe einwirken und diese einschränken wollen. Vielmehr muss der Gläubiger sowohl das Fortbestehen seines Rechtsschutzinteresses als auch (kumulativ) das Vorliegen eines Insolvenzeröffnungsgrundes nach den §§ 16, 17 oder 19 InsO glaubhaft machen. Damit tritt der IX. Zivilsenat einer in der insolvenzgerichtlichen Praxis²⁵ und der Literatur²⁶ vertretenen Rechtsansicht entgegen, nach der die Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes auf eine nicht erfüllte sekundäre Darlegungslast des Insolvenzschuldners gestützt werden könne. Das ergibt sich bereits daraus, dass dieser erst dann angehört wird, wenn der Antrag vom Gericht zugelassen worden ist – was eine sekundäre Darlegungslast des Insolvenzschuldners in Ansehung seiner materiellen Insolvenz ausschließt. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte aber der Insolvenzschuldner mit Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge über einen Zeitraum von 16 Monaten Indizwirkungen geschaffen, von denen auf seine Zahlungsunfähigkeit zu schließen war. Ist die Zahlungsunfähigkeit aber einmal nach außen in Erscheinung getreten, wird sie nicht nur durch die Begleichung der Gesamtforderung eines Gläubigers, wie im vorliegenden Fall derjenigen der gesetzlichen Krankenkasse, beseitigt. Vielmehr setzt die Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit voraus, dass der Insolvenzschuldner seine Zahlungen insgesamt wieder aufgenommen hat.
AG Köln, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , . Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Kadenbach, InsO, § Rn. .
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A. Eröffnungsverfahren
2. Berücksichtigung von Steuerschulden bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit Der Zeitraumbezug des Tatbestandes der Zahlungsunfähigkeit und seine Abgrenzung von dem im Schutzschirmverfahren des § 270b InsO für die Rechtspraxis bedeutender gewordenen Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit ruft eine Reihe von Fragen hervor, die zu einer weiteren Feinabstimmung der Judikatur des IX. Zivilsenats des BGH Anlass geben. In seinem Urteil aus dem Mai 2014²⁷ ging es um die Frage, wie Steuerforderungen, die gestundet und deren Vollziehung ausgesetzt ist, bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit auf der einen Seite und auf der anderen Seite der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen sind. Fall 6: Die insolvenzschuldnerische W. GmbH stand mit der S. in laufender Geschäftsverbindung. Am 13.6.1997 erließ das zuständige Finanzamt sofort vollziehbare Körperschaftssteuerbescheide für die Jahre 1993 über 950.000 DM und 1994 über 320.000 DM zuzüglich Zinsen. Denn die von der Insolvenzschuldnerin für sich in Anspruch genommene Gemeinnützigkeit wurde vom Finanzamt nicht anerkannt. Die S. (Sparkasse) hatte hiervon Kenntnis durch folgende Vorgänge erlangt: Zunächst versuchte die Finanzverwaltung die Steuerforderungen im Wege des Lastschrifteinzugs bei der S., und dann durch Pfändung des bei der S. für die Insolvenzschuldnerin geführten Kontos durchzusetzen. Beides blieb mangels Deckung vergeblich. Im September 1997 wurde die Vollziehung der Steuerbescheide von der Finanzverwaltung ausgesetzt, weil ernsthafte Zweifel an deren Rechtmäßigkeit aufgetreten waren. Die von der späteren Insolvenzschuldnerin gegen die Körperschaftssteuerbescheide erhobene Klage blieb aber in allen Instanzen erfolglos. Im September 2003 wurden, nachdem schließlich der BFH die Revision der Insolvenzschuldnerin als unbegründet zurückgewiesen hatte, fällige Steuerforderungen von nun EUR 740.000 zuzüglich Zinsen angemahnt. Antragsgemäß wurde dieser Betrag dann bis Ende Juni 2004 gestundet; rückwirkend wurde für die Zeit vom 1.7. 2004 bis zum 30. Juni 2006 die Stundung der mittlerweile auf EUR 1,1 Mio. angewachsenen Rückstände bewilligt.
Die Insolvenzschuldnerin hatte gegenüber der S. in der Zeit von 2001 bis Anfang Juli 2006 Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von EUR 650.000 rückgeführt. Am 30.6. 2006 war gegen die Insolvenzschuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt worden, worauf hin am 4.9. 2006 das Insolvenzverfahren unter Bestellung des späteren Klägers zum Insolvenzverwalter eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter klagte daraufhin gegen S. auf Rückzahlung der Tilgungsleistungen im Wege der Anfechtung. Ein Betrag von EUR 216.000 waren im Zeitraum vom August 2001 bis zum Juli 2003, weitere EUR 160.000 im Zeitraum vom 12.7. 2003 bis zum 30.6. 2004 und schließlich EUR 303.000 im Zeitraum vom 1.7. 2004 bis zum 30.6. 2006 gezahlt worden. Das Landgericht wies die Klage ab. Vor dem Berufungsgericht führte das vom Insolvenzverwalter ein-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
III. Eröffnungsgründe
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gelegte Rechtsmittel dazu, dass ihm ein Betrag i.H.v. EUR 290.000 zuzüglich anteiliger Zinsen zugesprochen worden. Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten S. blieb erfolglos, während die Revision des Klägers als teilweise begründet angesehen wurde. Im Zeitraum vom 1.7. 2004 bis zum 30.6. 2006 lagen die Voraussetzungen der Absichtsanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO deshalb vor, weil die Insolvenzschuldnerin zahlungsunfähig oder wenigstens drohend zahlungsunfähig war und die Beklagte S. hiervon Kenntnis hatte. Denn die Insolvenzschuldnerin konnte die offenen Steuerforderungen in Höhe von EUR 800.000 nicht begleichen. Die Beendigung der Aussetzung der Vollziehung führte nach zutreffender Ausführung des IX. Zivilsenats zur Zahlungseinstellung der Insolvenzschuldnerin.²⁸ Der IX. Zivilsenat führt nun aus, dass die am 16.1. 2006 rückwirkend für den Zeitraum vom 1.7. 2004 bis zum 30.6. 2006 bewilligte Stundung an der eingetretenen Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 InsO nichts mehr ändern konnte. Die bis zum Zeitpunkt der rückwirkend bewilligten Stundung erfolgten Zahlungen seien in einem Zeitraum vorgenommen worden, in dem die Anfechtungsvoraussetzungen (vergleiche § 140 Abs. 1 InsO) vorgelegen hatten. Soweit Zahlungen nach dem 16.1. 2006 geleistet worden waren, läge zwar die rückwirkende Stundung der Steuerforderungen vor. Der IX. Zivilsenat lässt es offen, ob damit tatsächlich die Zahlungseinstellung beseitigt werden konnte. Jedenfalls aber habe eine drohende Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 Abs. 2 InsO vorgelegen. Diese und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon genüge indes für die Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO. Denn die Insolvenzschuldnerin hätte davon ausgehen müssen, dass die Finanzbehörde ihre Forderungen weiter geltend machen würde und die Stundung allein als kurzer zeitlicher Aufschub wirken werde. Deshalb waren die Steuerforderungen bei einer anzustellenden Liquiditätsprognose zu berücksichtigen. Der IX. Zivilsenat begründet weiter, dass nicht allein die eingetretene Zahlungsunfähigkeit, sondern auch die drohende Zahlungsunfähigkeit ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin darstelle.²⁹ Voraussetzung dafür sei, dass ihr bei Vornahme der Rechtshandlung die drohende Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen war. Dieses sei nun, wie der IX. Zivilsenat überzeugend ausführt, dann nicht der Fall, wenn sie aufgrund konkreter Umstände damit rechnen konnte, die Krise alsbald zu überwinden. Die Insolvenzschuldnerin hatte, nachdem ihre Klagen gegen die Steuerbescheide erfolglos geblieben waren, Kenntnis davon gehabt, dass nach Ablauf der Aus-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz., . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz..
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A. Eröffnungsverfahren
setzung der Vollziehung der Steuerbescheide keine Aussicht bestehen würde, ihre Gläubiger vollständig zu befriedigen. Sie hätte auch gewusst, dass sie Insolvenzantrag stellen musste, sobald die Finanzverwaltung die Steuerforderungen durchsetzen werde. Die Beklagte S. hatte aber bereits 1997 aufgrund der Versuche der Finanzverwaltung, die Steuerforderungen per Lastschrifteinzug und danach durch Pfändungs- und Einziehungsverfügung an die Beklagte S. als Drittschuldnerin durchzusetzen, von der Lage der Insolvenzschuldnerin Kenntnis gehabt. Die Beklagten S. hätte auch nicht Tatsachen vorgetragen, aus denen darauf hätte geschlossen werden könnte, ihr sei der Benachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin nicht bekannt gewesen. Hierzu hätte sie nämlich Umstände darlegen und beweisen müssen, aus denen darauf zu schließen war, dass die Insolvenzschuldnerin die drohende Zahlungsunfähigkeit hätte überwinden können.³⁰ Werden Steuerverbindlichkeiten gestundet, werden diese für den Stundungszeitraum als nicht fällig angesehen. Dies war hier für den Zeitraum von Oktober 2003 bis Ende Juni 2004 der Fall gewesen. Wenn aber eine dauernde Verbesserung der Liquiditätslage des Steuerschuldners mit der Steuerstundung nicht verbunden ist, führt dies allenfalls zu einem kurzfristigen Aufschub des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit. Auf das Vorliegen drohender Zahlungsunfähigkeit hat dies keinen Einfluss. Der IX. Zivilsenat lässt es dahingestellt sein, ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn noch nicht abschließend geklärt ist, ob die fraglichen Steuerschulden überhaupt bestehen oder nicht. Bedenkt man, dass das Recht mit dem Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit dem Schuldner eine Eigenantragsbefugnis einräumt, um durch eine frühzeitige Antragstellung die Befriedigung der Gläubiger in dem um zu eröffnenden Insolvenzverfahren zu optimieren und nicht zuletzt, wie die Regelung des § 270b Abs. 1 InsO zeigt, durch Ausarbeitung eines Insolvenzplans im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens konkrete Reorganisationsmöglichkeiten zu nutzen, ist davon auszugehen, dass auch solche Steuerverbindlichkeiten, deren Bestand noch streitig ist, in eine Liquiditätsprognose zur Beurteilung drohender Zahlungsunfähigkeit einzustellen sind. Demgegenüber geht der BGH mit dem Berufungsgericht davon aus, dass die Darlehensrückzahlungen der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte S., die während der Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide bis zum 11.7. 2003 geleistet wurden, nicht der Vorsatzanfechtung unterlägen. Denn allein auf diesen Zeitraum sei nach Maßgabe des § 140 Abs. 1 InsO bei der Beurteilung der Liquiditätslage der Insolvenzschuldnerin abzustellen. Mit der Aussetzung der Vollziehung gebe die Verwaltungsbehörde zu erkennen, dass sie nicht beabsichtige,
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz..
IV. Frist für die Beschwerde des Schuldners gegen die Eröffnung
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einen Bescheid durchzusetzen, dessen Rechtmäßigkeit im Streit steht. Für den Zeitraum der Aussetzung werde die Begleichung der Steuerverbindlichkeiten vom Steuerschuldner nicht erwartet. Damit sei die Steuerverbindlichkeit aber nicht mehr als fällige Verbindlichkeit i.S.v. § 17 Abs. 2 InsO zu bewerten. Daher könne der Insolvenzverwalter die Erstattung der Tilgungsleistungen in der Zeit vom Jahr 2001 bis zum 11.7. 2003 nicht im Wege der Vorsatzanfechtung durchsetzen. Nun fragt sich allerdings, ob hier nicht eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hatte. Bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit sind diejenigen Zahlungspflichten des Insolvenzschuldners einzubeziehen, deren Fälligkeit im Prognosezeitraum nicht sicher, aber überwiegend wahrscheinlich ist.³¹ Dies hat der BGH ³² auch für den Fall entschieden, dass ein Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens zwar (noch) nicht fällig ist, es aber aufgrund bereits bekannter Umstände überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Darlehensgeber das Darlehen kündigen und fällig stellen wird. Liegt aber ein ernsthaftes Einfordern nicht vor, soll nach Ansicht des BGH auch im Rahmen der Prognoseentscheidung nach § 18 Abs.2 InsO eine Forderung, an deren Berechtigung ernsthafte Zweifel bestehen und die deshalb nicht vollstreckt wird, nicht in die Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit eingestellt werden.³³
IV. Frist für die Beschwerde des Schuldners gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Mit Beschluss vom 5.12. 2013 hat der IX. Zivilsenat des BGH ³⁴ die Frage zu entscheiden gehabt, unter welchen Bedingungen der Lauf der die Frist für die Beschwerde des Insolvenzschuldners gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt. Fall 7: In dem gegen das Vermögen der Insolvenzschuldnerin gerichtete Eröffnungsverfahren zeigte ein Rechtsanwalt deren Vertretung an. Der Eröffnungsbeschluss vom 27.4. 2011 wurde am 28.4. 2011 im Internet veröffentlicht. Die Zustellung an Rechtsanwalt X erfolgte am 4. 5. 2011. Gegen den Eröffnungsbeschluss legte dieser mit Schriftsatz vom 12.5. 2011, der beim Insolvenzgericht am 17. 5. 2011 einging, sofortige Beschwerde namens der Insolvenzschuldnerin ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 16.6. 2011.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz.. BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP ,.
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A. Eröffnungsverfahren
Nach § 569 Abs. 1 S.1 ZPO greift für die sofortige Beschwerde eine Notfrist von zwei Wochen. Diese Frist beginnt zwei Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses im Internet, § 4 InsO, § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO, § 34 Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 InsO. Hieran ändert sich nicht dadurch etwas, dass der Beschluss über die öffentliche Bekanntmachung hinaus auch noch der Insolvenzschuldnerin persönlich über deren Rechtsanwalt in der in § 9 Abs. 1 S. 3 InsO normierten Frist zugestellt wurde. Die Prüfung der Fristwahrung gehört dabei zu den vom Rechtsanwalt wahrzunehmenden Tätigkeiten und stellt keine routinemäßige Büroarbeit dar.
V. Unterbrechungswirkung vorläufiger Anordnungen des Insolvenzgerichts Der IX. Zivilsenat des BGH ³⁵ hat darauf erkannt, dass rechtshängige Verfahren auch dann nach § 240 S. 2 InsO unterbrochen werden, wenn dem Insolvenzschuldner durch vorläufige Anordnung des Insolvenzgerichts im Eröffnungsverfahren ein Verfügungsverbot auferlegt und der vorläufige Insolvenzverwalter ermächtigt worden ist, Aktiv- und Passivprozesse des Insolvenzschuldners zu führen. Fall 8: Am 9.11. 2011 hatte die Klägerin, in deren Werkstatt der Pkw der Insolvenzschuldnerin repariert worden war, ihre Werklohnforderung in Höhe von EUR 240,00 mit einem an diesem Tag der Insolvenzschuldnerin zugestellten Mahnbescheid geltend gemacht. Am 29.11. 2011 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bestellt. Nachdem auf deren Widerspruch das Verfahren am 5.12. 2011 an das Prozessgericht abgegeben worden war, erlegte das Insolvenzgericht der Insolvenzschuldnerin am 12.12. 2011 hinsichtlich der von ihr geführten Aktiv- und Passivprozesse ein Verfügungsverbot auf. Zugleich wurde der beklagte vorläufige Insolvenzverwalter ermächtigt, die Aktiv- und Passivprozesse der Insolvenzschuldnerin zu führen. Das AG, bei dem am 22.12. 2011 die Anspruchsbegründung eingegangen war, ordnete die Durchführung des vereinfachten Verfahrens an und stellte die entsprechende Verfügung dem bisherigen Prozessbevollmächtigten der Insolvenzschuldnerin zu. Am 30.1. 2012 gab das AG der Klage statt. Am 1. 2. 2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet.
Der IX. Zivilsenat hat ausgeführt, durch den Wechsel der Prozessführungsbefugnis ergebe sich die Notwendigkeit, dem Insolvenzverwalter Gelegenheit zu geben, sich auf die rechtliche und wirtschaftliche Lage einzustellen, die sich durch die Er-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
V. Unterbrechungswirkung vorläufiger Anordnungen des Insolvenzgerichts
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öffnung des Insolvenzverfahrens verändert habe.³⁶ Die Unterbrechung des Zivilgerichtsverfahrens dient m.a.W. dazu, den Parteien die Möglichkeit zu geben, ihre Rechtsverfolgung sinnvoll zu gestalten – sie ist daher im weitesten Sinne Ausdruck der Gewährung rechtlichen Gehörs, zu dem gehört, dass die Parteien auf den Verfahrensgang in gebotener Weise einwirken können. Der IX. Zivilsenat führt nun überzeugend aus, dass § 240 ZPO zwar auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abstelle, aber der Zweck der Verfahrensunterbrechung auf eine Lage verweise, die sich bereits im Eröffnungsverfahren dann ergeben kann, wenn die Prozessführungsbefugnis aufgrund wirksamer Einzelermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht auf diesen übergeht.
BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , , ; Beschl. v. . . – VIII ZB / – ZIP , .
B. Eröffnetes Insolvenzverfahren I. Allgemeine Wirkungen der Verfahrenseröffnung 1. Wirksamkeit von Zweitabtretungen Der BGH hat seine Judikatur zur Reichweite des § 91 Abs. 1 InsO im Zusammenhang mit der Besicherung von Insolvenzforderungen, die er mit der Konsortialpoolentscheidung³⁷ und der Zweckabredeentscheidung³⁸ durch ein Urteil aus dem Oktober 2012³⁹ zur Insolvenzfestigkeit der Zweitabtretung einer Forderung ausgebaut, die bereits einem Sicherungsnehmer übertragen worden war. Diesem Urteil lag ein Sachverhalt zugrunde, der im Folgenden vereinfacht wiedergegeben wird. Fall 9: Der Insolvenzschuldner hatte zunächst mit einem Vertrag aus dem Oktober 2000 eine ihm zustehende Forderung aus einem Sparguthaben bei der B-Bank in Höhe von EUR 41.000 zur Sicherung bestehender und künftiger Ansprüche an einen Kautionsversicherer abgetreten. Diese Sicherungszession sollte gegenstandslos werden, sobald der Kautionsversicherer als Sicherungszedent schriftlich erklärt, aus ihr keine Ansprüche mehr geltend machen zu wollen. Später, im Februar 2004, trat der Insolvenzschuldner seine Ansprüche aus dem Sparkonto bei der B-Bank als Sicherheit für ein Darlehen an die spätere Klägerin ab, das diese für die S-GmbH gewährt hatte. Ursprünglich hatte der Gesellschafter St. seine Rentenversicherung als Sicherheit zediert. Die Sicherungszession durch den Insolvenzschuldner diente einem Sicherheitentausch. Am 9.6. 2007 wurde über das Vermögen des Insolvenzschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Im November 2007 kündigte der im Verfahren bestellte Insolvenzverwalter das Sparguthaben des Insolvenzschuldners gegenüber der B-Bank. Im März 2008 teilte die Kautionsversicherung dem Insolvenzverwalter mit, die Sicherheit in Höhe von EUR 14.000 zu benötigen und gab im Übrigen den darüber hinausgehenden Betrag frei. Sie erklärte weiter, aus der Sicherheit keine Ansprüche mehr herzuleiten. Die Klägerin als Darlehensgeberin der S-GmbH und „zweite“ Sicherungszessionarin nimmt den Insolvenzverwalter auf Auszahlung des eingezogenen Betrags in Anspruch.
Ausgangspunkt der hier vorzunehmenden Prüfung ist die Frage nach der Wirksamkeit der Zweitabtretung. Da der Sicherungszessionar die Forderung bereits einmal zur Sicherheit abgetreten hatte, geht der BGH davon aus, dass eine erneute Sicherungszession kein Sicherungsrecht an der Forderung habe begründen können. Das kann man so sehen. Schließlich sieht ebenso wenig wie § 930 BGB bei der Sicherungsübereignung, die Vorschrift des § 398 BGB für die Sicherungszession eine rangschlechtere Sicherungsrechtsbegründung vor. Damit hat aber der Si-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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cherungszedent bei der Zweitzession als Nichtberechtigter gehandelt, mit der Folge, dass der Erwerb eines Sicherungsrechts ausscheidet. Fraglich ist aber, ob die klagende Sicherungszessionarin aus der Zweitzession deshalb Rechte hat herleiten können, weil durch die Rückübertragung des Rechts an der Forderung mit Erklärung des Kautionsversicherers als Erstsicherungszessionar das fragliche Vermögensrecht sich wieder im Vermögen des Insolvenzschuldners mit der Folge befunden hat, dass die Zweitsicherungszession wirksam war. Es liegt auf der Hand, dass die Zweitsicherungszession allerdings nicht mehr durch eine Erklärung des Insolvenzschuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat begründet werden können. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte er nach § 80 Abs. 1 InsO die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen und damit die Rechtsmacht verloren, die fragliche Forderung aus dem Bankkonto bei der B-Bank zu belasten. Umgekehrt konnte die Zweitsicherungszessionarin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an Vermögensgegenständen der Masse kein Sicherungsrecht mehr erwerben, da dieser Rechtserwerb durch § 91 Abs. 1 InsO ausgeschlossen ist. Der IX. Zivilsenat bekräftigt nun aber, dass möglicherweise die Erklärung des Insolvenzschuldners beim Sicherungsaustausch zu Gunsten der Klägerin so zu verstehen sei, dass der aufgrund der Abreden mit der Kautionsversicherung bestehende Rückgewähr- bzw. Rückübertragungsanspruch selbst zum Gegenstand eines Sicherungsrechts hätte gemacht werden sollen. Hat der Insolvenzschuldner den Rückübertragungsanspruch gegen die Kautionsversicherung an die Zweitsicherungszedentin sicherungszediert, dann hätte die Klägerin ein Absonderungsrecht an einer aufschiebend bedingten Forderung dergestalt erlangt, dass sie bei Bedingungseintritt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Sicherungszessionarin der zurück zu gewährenden Forderung geworden wäre. Voraussetzung eines insolvenzfesten Erwerbs des Sicherungsrechts wäre aber gewesen, dass der Insolvenzschuldner bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen den Rechtserwerb der Zweitsicherungszessionarin nicht mehr hätte vereiteln können. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass – wie der IX. Zivilsenat zutreffend feststellt – die Sicherungszweckabrede weiter Bestand hatte – also weitere Bürgschaften ausgereicht worden wären. Umgekehrt: waren keine weiteren Bürgschaften mehr ausgereicht und der Sicherungszweck damit obsolet, konnte der Rechtserwerb der Zweitsicherungszessionarin nicht mehr vereitelt werden. Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hatte, ist die Sache vom IX. Zivilsenat zurückverwiesen worden.
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2. Wirksamkeit der Abtretung künftiger, nach Insolvenzeröffnung entstehender Forderungen infolge Konvaleszenz Mit Urteil aus April 2013⁴⁰ hat der IX. Zivilsenat des BGH zur Wirksamkeit der Abtretung künftiger nach Insolvenzeröffnung entstehender Forderungen infolge Konvaleszenz zu entscheiden gehabt. Fall 10: In dem vom BGH entschiedenen Fall klagte der Insolvenzschuldner, ein selbständiger Facharzt für Orthopädie, mit dem Antrag auf Feststellung, Inhaber solcher Forderungen gegen die kassenärztliche Vereinigung („KV“) geworden zu sein, die er seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben habe. Die Klage richtete sich gegen eine Bank, die ihm 13 Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen im Jahr 2010 ein Darlehen gewährt hatte, zu dessen Besicherung der spätere Kläger der Bank die ihm gegen die KV zustehenden Forderungen abgetreten hatte. Wenige Tage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners gab der bestellte Insolvenzverwalter gem. § 35 Abs. 2 InsO das Vermögen aus dessen selbständiger Tätigkeit mit Wirkung zum Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens frei.
Zunächst stellten sich für den IX. Zivilsenat prozessuale Fragen. Es liegt auf der Hand, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners dessen Partei- und Prozessfähigkeit nicht tangiert.⁴¹ Soweit im Prozess streitgegenständlich insolvenzbefangenes Vermögen ist, sei die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzschuldners gegenständlich durch § 80 Abs. 1 InsO dergestalt beschränkt, dass für das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen die Prozessführungsbefugnis vom Insolvenzschuldner auf den Insolvenzverwalter übergeht. Hat dieser aber die Freigabe von Massegegenständen erklärt (§ 35 Abs. 2 InsO bzw. § 85 Abs. 2 InsO) und führt nun der Insolvenzschuldner einen Prozess, ist streitgegenständlich das freie Vermögen des Insolvenzschuldners für das ihm die Prozessführungsbefugnis zusteht. So hat die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters die verfahrensrechtliche Wirkung, dass der Insolvenzschuldner in Bezug auf die freigegebenen Vermögensgegenstände seine Prozessführungsbefugnis noch im laufenden Insolvenzverfahren wiedererlangt. Allerdings war nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Erwerb eines besitzlosen Pfandrechts (der Sicherungszession) an den vorab sicherungszedierten Forderungen des Facharztes gegen die KV nach § 91 Abs. 1 InsO ausgeschlossen. Denn die KV hatte als Sicherungszessionar mit der Vorababtretung dieser (künftigen) Forderungen noch keine insolvenzfeste Rechtsposition erlangt, da der Kläger als Zedent ohne ihre Zustimmung durch einseitiges Verhalten ihre Rechtsposition hätte zerstören können. Da bei Dienstverträgen der Vergütungsanspruch erst mit der Erbringung
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , Tz. .
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der Dienstleistung zum Entstehen gelangt, handelt es sich nicht um einen betagten Anspruch, bei dessen Vorababtretung der Zessionar eine gesicherte Rechtsposition erlangt. Denn der Vergütungsanspruch kann sowohl durch Kündigung als auch durch schlichte Nichterbringung der Dienstleistungen durch den Dienstverpflichteten vernichtet werden. Dies gilt auch für die Abschlagszahlungen, die der Kassenarzt satzungsgemäß von der KV erhält.⁴² Der Kläger hätte, käme § 91 Abs. 1 InsO im vorliegenden Fall zur Anwendung, also frei von der Sicherungszession die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden Forderungen gegen die KV erworben. Der IX. Zivilsenat führt demgegenüber aber für den vorliegenden Fall überzeugend aus, dass mit der Freigabeerklärung der Insolvenzbeschlag erloschen sei. Mit der Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis über sein Vermögen aufgrund des Ausscheidens aus der Insolvenzmasse ergebe sich daher ein differenziertes Bild. Denn bei der Freigabe nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO diene das freigegebene Vermögen – der Neuerwerb des Insolvenzschuldners – als Haftungsmasse der Befriedigung der Neugläubiger, die erst nach der Freigabeerklärung Forderungen gegen den Insolvenzschuldner aus seiner selbständigen Tätigkeit erworben haben.⁴³ Da somit der Kläger nicht nur Inhaber der aus seiner selbständigen Tätigkeit als Kassenarzt herrührenden Vergütungsansprüche gegen die KVgeworden ist, sondern insoweit auch seine Verfügungsmacht wiedererlangt hat, als diese ihm vom Insolvenzverwalter freigegeben worden sind, liege ein Fall der Konvaleszenz nach § 185 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB vor – denn die Vorausabtretungen dieser Forderungen, die bei Fortdauer des Insolvenzbeschlages zur Unwirksamkeit des Sicherungsrechtserwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hätten, hätten nun von der Beklagten erworben werden können. Dies folgert der IX. Zivilsenat des BGH daraus, dass nach § 81 Abs. 1 S. 1 InsO nach allgemeiner Rechtsprechung⁴⁴ Verfügungen des Insolvenzschuldners dann wirksam werden, wenn dieser wegen der betreffenden Vermögensgegenstände Berechtigter geblieben und das Insolvenzverfahren über sein Vermögen beendet worden ist. Diesen Fall achtet der IX. Zivilsenat demjenigen der Freigabe der betreffenden Vermögensgegenstände gleich. Die Entscheidung ist überzeugend.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , Tz. . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , .
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3. Wirksamkeit der Vorausabtretung von Forderungen Soweit für vorausabgetretene Forderungen die Frist des § 110 Abs. 1 S. 1 InsO abgelaufen ist, kommt es für die Wirksamkeit der Vorausabtretungen in dem über das Vermögen des Zedenten eröffneten Insolvenzverfahren allein auf § 91 Abs. 1 InsO an.⁴⁵ Insofern unterscheiden sich nach dem vorliegenden Beschluss des BGH vorausabgetretene Mietzinsforderungen von Leasingraten beim Finanzierungsleasingvertrag. Mietforderungen sind aufschiebend befristet. Der Anspruch auf Entrichtung des Mietzinses (oder der Miete, wie man heute sagt) entsteht erst zum Anfangstermin des jeweiligen Nutzungsüberlassungszeitraums.⁴⁶ Mit Ablauf der Frist des § 110 Abs. 1 S. 1 InsO wird daher die Abtretung solcher Forderungen unwirksam.⁴⁷ Beim Finanzierungsleasing verhalte es sich für die Grundmietzeit jedoch anders. Man kann nämlich den Finanzierungsleasingvertrag, der sich als typengemischter Vertrag erweist, als Mietverhältnis qualifizieren.⁴⁸ Dauer der „Mietzeit, Fälligkeit und Höhe der Leasingraten“ seien aber, wie der IX. Zivilsenat überzeugend ausführt, als wesentliche Bestandteile des Finanzierungsleasing, dessen Kündigungsmöglichkeit vor Ablauf der Grundmietzeit regelmäßig ausgeschlossen sei,⁴⁹ in einer Art und Weise von vornherein festgelegt, dass diese Forderungen in ihrer Gesamtheit den „Kaufpreis“ der Nutzungsüberlassung darstellten. Aus all diesen Gründen seien die Raten beim Finanzierungsleasing als betagte Forderungen zu behandeln.⁵⁰ Daher folgt der IX. Zivilsenat nicht Erwägungen der Literatur⁵¹, die sich auf „masse- bzw. verwalterfreundlichen“ Erwägungen stützen. Diese Meinung geht davon aus, es sei aus Gründen des Schutzes der Insolvenzmasse über die zeitlichen Schranken des § 110 Abs. 1 InsO hinaus die Vorausabtretung von Leasingraten unwirksam.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , f. BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . Hierzu eingehend: Fehl, Finanzierungsleasing und Bauherrenmodell, , BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , . BGH, Urt. v. . . – VIII ZR / – BGHZ , , f.; Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , . MünchKomm-Eckert, § InsO, Rn. f.
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4. Pfändung des Anspruchs des Schuldners auf Aufhebung der Gemeinschaft In seinem Beschluss aus dem März 2014 hat der IX. Zivilsenat des BGH ⁵² über die Frage zu entscheiden gehabt, ob das von einem Gläubiger des Insolvenzschuldners nach Pfändung dessen Anspruchs auf Aufhebung der Gemeinschaft, einschließlich des künftigen Anspruchs auf eine den Miteigentumsanteilen entsprechende Teilung und Auskehrung des Versteigerungserlöses, eingeleitete Teilungsversteigerungsverfahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners nach § 88 Abs. 1 InsO aufzuheben sei, wenn die Teilungsversteigerung weniger als ein Monat vor dem Insolvenzantrag angeordnet worden ist. Fall 11: Der antragstellende Gläubiger hat am 7. 5. 2012 den Anspruch des Insolvenzschuldners auf Aufhebung der Gemeinschaft und Auskehrung des auf ihn entfallenden Anteils des Teilungserlöses gepfändet, nachdem er am 5. 3. 2012 eine Sicherungshypothek auf den Miteigentumsanteil des Insolvenzschuldners an einem Grundstück hatte eintragen lassen. Am 22.10. 2012 war die Teilungsversteigerung auf Antrag des Gläubigers vom Vollstreckungsgericht angeordnet, am 22.11. 2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen vom Schuldner beantragt worden. Das Insolvenzverfahren wurde am 25. 3. 2013 eröffnet und der Insolvenzverwalter gab den Miteigentumsanteil am 23. 5. 2013 frei.
Der IX. Zivilsenat hat die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Anordnung der Teilungsversteigerung nach § 88 InsO unwirksam sei, weil sie eine im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag erlangte Sicherung darstelle, für unzutreffend erachtet, weil § 88 InsO hier nicht anwendbar sei. Denn die (zulässige⁵³) Pfändung und Überweisung zur Einziehung des Anspruchs auf eine den Miteigentumsanteilen entsprechende Teilung und Auskehrung des Versteigerungserlöses begründe die Rechtsstellung der Gläubigerin aus der Pfändung des auf § 749 Abs. 1 BGB beruhenden Anspruchs des Insolvenzschuldners auf Aufhebung der Gemeinschaft. Diese im vorliegenden Fall weit vor Ablauf der Monatsfrist des § 88 InsO am 7.5. 2012 erfolgte Pfändung wurde in ihrer Wirkung aber durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt. Aus dem Pfändungspfandrecht an dem Miteigentumsanteil des Insolvenzschuldners, das die Pfandgläubigerin insolvenzrechtlich wirksam erworben hatte, konnte sie in dem über das Vermögen des Zwangsvollstreckungsschuldners eröffneten Insolvenzverfahren nach § 50 Abs. 1 InsO die abgesonderte Befriedigung verlangen. Damit war aber die Zwangsvollstreckungsgläubigerin in eine Lage gekommen, die derjenigen der Grundpfandgläubiger in dem über das Vermögen des Grundeigentümers eröff-
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – V ZB / – WM , , Tz..
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neten Insolvenzverfahrens entspricht. Auch deren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen werden, wie § 49 InsO zeigt, durch die Zwangsversteigerung außerhalb des Insolvenzverfahrens nach dem ZVG durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt. Gleiches gilt im vorliegenden Fall: Denn § 88 InsO greift allein für Insolvenzgläubiger, nicht aber für die Rechtsverfolgung des Absonderungsberechtigten ein. Haben Absonderungsberechtigte daher in dem Insolvenzverfahren noch die Befugnis aufgrund ihres dinglichen Rechts in den Gegenstand die Vollstreckung zu betreiben, wie hier, wo die Gläubigerin den ihr zur Einziehung überwiesenen Anspruch des Insolvenzschuldners durch die Teilungsversteigerung verwertet, greift § 88 InsO nicht.
II. Prozessuales 1. Gerichtsstandsbestimmung trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei Der X. Zivilsenat des BGH ⁵⁴ hat darüber zu entscheiden gehabt, ob eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO durchgeführt werden kann, wenn der Rechtsstreit durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 240 ZPO unterbrochen wurde. Fall 12: Die Kläger hatten von der Beklagten zu 1 als Verkäuferin zu überteuerten Bedingungen eine Wohnung gekauft. Die Beklagte zu 2 war die finanzierende Bank. Die Beklagte zu 1 hatte ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Frankfurt, während die beklagte Bank im Bezirk des Landgerichts Hannover ansässig ist. Die Beklagte zu 2 rügte die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt, vor dem die Kläger Klage erhoben hatten. Die Kläger haben beantragt, das OLG Frankfurt möge die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt bestimmen. Das OLG Frankfurt ging davon aus, es sei wegen der Verletzung sekundärer Aufklärungs- und Beratungspflichten durch eine D GmbH mit Sitz in Dortmund nach § 29 ZPO die Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund gegeben, da dort wegen Sachzusammenhangs der Erfüllungsort liege. Das OLG Frankfurt sah sich aber an der beabsichtigten Gerichtsstandsbestimmung durch Entscheidung des BGH ⁵⁵ und des OLG München ⁵⁶ gehindert. Zwischenzeitlich war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 1 eröffnet worden.
Der BGH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der beklagten Parteien (bzw. der beklagten Partei) die Gerichtsstandsbestimmung
BGH, Beschl. v. . . – X ARZ / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IV ZR / – VersR , . OLG München, Urt. v. . . – U / – VersR , .
II. Prozessuales
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nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht hindere. Denn die Gerichtsstandsbestimmung betreffe nicht die Hauptsache selbst. Sie habe nur die Zuständigkeit zum Gegenstand und daher nur vorbereitenden Charakter. § 240 S. 1 ZPO greife daher in diesen Fällen nicht ein. In der Sache ist der BGH dem OLG Frankfurt indes nicht gefolgt, da für die Verletzung von Leistungspflichten, auch Nebenleistungspflichten, in Dortmund kein hinreichender Anhaltspunkt vorlag. Ein gemeinsamer Gerichtsstand bestand jedoch nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO in Frankfurt am Main.
2. Aufnahme eines Rechtsstreits zur Feststellung einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung Mit einem Beschluss von Ende Oktober 2012 hat der III. Zivilsenat des BGH ⁵⁷ über die Voraussetzungen zur Aufnahme eines Rechtsstreits zur Feststellung einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung, der im Prüfungsverfahren widersprochen wurde, zu entscheiden gehabt. Fall 13: In erster Instanz war eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von EUR 37.000 in Anspruch genommen und antragsgemäß verurteilt worden. Auch in der Berufungsinstanz unterlag sie; das OLG ließ die Revision nicht zu, woraufhin die unterlegene Gesellschaft die Nichtzulassungsbeschwerde einlegte. Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wurde nach § 240 ZPO unterbrochen, da über das Vermögen der verurteilten Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten trat die H-AG auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit bei, als Gläubigerin der Beklagten widersprach sie der streitgegenständlichen Forderung, die von der Klägerin zur Tabelle angemeldet wurde. Auch der Insolvenzverwalter widersprach. Die Klägerin nahm ausdrücklich nur gegen die Streithelferin gem. § 250 ZPO i.V.m. §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2 InsO den Prozess auf. Hiergegen wandte sich die Streithelferin.
Grundsätzlich ist der Gläubiger einer Forderung dazu befugt, den Rechtsstreit aufzunehmen, wenn der Widersprechende seinen Widerspruch nicht verfolgt. Dies gilt auch dann, wenn für die Forderung bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel bzw. ein Endurteil vorlag. Ebenso tritt derjenige Gläubiger bzw. der Insolvenzverwalter anstelle des Insolvenzschuldners in den als Feststellungsstreit aufgenommenen Rechtsstreit ein, der im Insolvenzverfahren der Forderung widersprochen hat. Im vorliegenden Fall war aber der Streitverkündende an das bisherige Ergebnis des Prozesses gebunden, § 67 ZPO. Die Aufnahme des Rechtsstreits allein gegen die Streithelferin konnte jedenfalls nicht erfolgen. Sie
BGH, Beschl. v. . . – III ZR / – ZIP , .
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hätte gegenüber allen widersprechenden Personen auch gegenüber dem Insolvenzverwalter erfolgen müssen. Denn andernfalls hätte das Rechtsschutzziel – nämlich die Feststellung zur Tabelle – nicht erreicht werden können.
3. Zulässigkeit der Teilaufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits Der III. Zivilsenat des BGH ⁵⁸ hat über die Frage der Zulässigkeit der Teilaufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits mit der Feststellungsklage nach § 179 ZPO zu entscheiden gehabt. Fall 14: Der Kläger hatte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von EUR 80.000 in Anspruch genommen und verklagt. Nachdem die Beklagte in der Berufungsinstanz unterlegen war, legte sie gegen die Nichtzulassung der Revision durch das OLG Beschwerde ein. Dieses Beschwerdeverfahren wurde durch die Verhängung eines allgemeinen Verfügungsverbots durch das zuständige Insolvenzgericht nach § 240 S. 2 ZPO unterbrochen. Später wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der beklagten Insolvenzschuldnerin eröffnet. Im Insolvenzverfahren widersprach die H. AG, eine Insolvenzgläubigerin, der Anmeldung der Forderung durch die Klägerin. Der Insolvenzverwalter hatte diese Forderung in Höhe der ursprünglichen Schadenersatzpflicht anerkannt, im Übrigen aber wegen Zinsen in Höhe von rd. EUR 14.000 und Kosten in Höhe von rd. EUR 9.000 widersprochen. Die H. AG war nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Rechtsstreit auf Seiten der beklagten Insolvenzschuldnerin beigetreten. Die Klägerin nahm den Rechtsstreit in Höhe des vom Insolvenzverwalter anerkannten und von der Gläubigern H. AG mit Widerspruch begegneten Betrages von EUR 80.500 auf. Demgegenüber hat die H. AG als Streithelferin der Beklagten den Antrag gestellt, dass festgestellt werde, das Verfahren sei weiterhin unterbrochen.
Die Aufnahme des Verfahrens erfolgte ausdrücklich nur gegen die Streithelferin der Beklagten als widersprechende Gläubigerin gem. § 180 Abs. 2 InsO. Der IX. Zivilsenat hat vor kurzem⁵⁹ darauf erkannt, dass die Aufnahme auch eines zurzeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Revisionsinstanz anhängigen Rechtsstreits möglich sei und dies auch für den Zeitraum der Nichtzulassungsbeschwerde gelte. Mit ihrem Antrag hatte die Streithelferin begehrt, über die Zulässigkeit der beschränkt auf ihre Person gerichteten Insolvenzfeststellungsklage als Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits eine Entscheidung herbeizuführen – mithin führte sie gegen den Kläger einen Zwischenstreit über die Wirksamkeit der vom ihm erklärten Aufnahme, der entsprechend § 303 ZPO durch Beschluss zu entscheiden ist. Der III. Zivilsenat macht in diesem Zusammenhang
BGH, Beschl. v. . . – III ZR / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – III ZR / – ZIP , .
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klar, unter welchen Bedingungen die „Teilaufnahme“ eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits möglich ist. Grundsätzlich könne, wenn der Anmeldung der Forderung mehrere Personen gem. § 178 Abs. 1 S. 1 InsO widersprochen haben, die Aufnahme wirksam nur gegenüber allen Widersprechenden erklärt werden. Denn ansonsten würde entgegen § 180 Abs. 2 InsO immer nur der Widerspruch einer Person durch das angestrebte Urteil beseitigt. Damit sei aber die Frage, ob die angemeldete Forderung zur Tabelle widerspruchsfrei festzustellen ist oder nicht, bis zum Urteil gegen den letzten der Bestreitenden aufgeschoben – was der Beschleunigungsfunktion der zitierten Vorschriften widerspricht und wegen der Formierung von Prozessen mit erheblichen Kosten verbunden wäre. Die Teilaufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits sei dagegen dann möglich, wenn in Höhe eines bestimmten Teils dieser Forderung – wie im vorliegenden Fall – nur ein Gläubiger widersprochen hat. Denn unter dieser Voraussetzung erledige der Forderungsfeststellungsstreit zwischen dem anmeldenden klagenden Gläubiger und dem widersprechenden Gläubiger als Beklagtem (oder Streithelfer des Beklagten wie im vorliegenden Fall) die Ungewissheit darüber, ob die Forderung zur Tabelle festzustellen sei.⁶⁰ Ist aber der Teil des angemeldeten Gesamtanspruchs, dem der Gläubiger – wie im vorliegenden Fall – widersprochen hat, eine Hauptforderung und will der die Feststellungsklage betreibende Gläubiger allein Nebenforderungen, nämlich Zinsen und Kosten, nicht weiter verfolgen, so ist eine Teilaufnahme ausgeschlossen. Denn diese würde die Gefahr nach sich ziehen, dass wegen der Hauptforderung im Forderungsfeststellungsstreit auf der einen Seite und im Übrigen wegen der Nebenforderungen widersprechende Entscheidungen ergehen. Daher ist es nachvollziehbar, dass der III. Zivilsenat ausführt, die Teilaufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits sei nur möglich, wenn es ausgeschlossen werden kann, dass in Bezug auf den aufgenommenen Teil des Rechtsstreits über den nicht aufgenommenen Teil widersprechende Entscheidungen ergehen.
4. Aufnahme unterbrochenen Rechtsstreits durch Insolvenzgläubiger Der BGH ⁶¹ hat in seiner Entscheidung vom 3.7. 2014 über die Voraussetzungen zu entscheiden gehabt unter denen der insolvenzbedingt unterbrochene Rechtsstreit von einem Insolvenzgläubiger aufgenommen werden kann.
So bereits: BGH, Beschl. v. . . – V ZR / – NJW-RR , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP ,.
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
Fall 15: Die Kläger hatten die spätere Insolvenzschuldnerin als Bauträgerin mit der schlüsselfertigen Erstellung von Eigentumswohnungen beauftragt und im Zusammenhang mit dem Abnahmetermin die angeforderte letzte Kaufpreisrate gezahlt. Später machten diese mit ihrer Klage geltend, die Anforderung der letzten Kaufpreisrate sei in Ermangelung einer Abnahme des Werkes zu Unrecht erfolgt. Im Verfahren über die Berufung der späteren Insolvenzschuldnerin gegen das der Klage stattgebende Urteil wurde über das Vermögen der Bauträgergesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. In dem Insolvenzverfahren meldeten die Kläger mit Schreiben vom 11. 8. 2011 ihre Forderungen zur Tabelle an, wobei der Insolvenzverwalter deren Berücksichtigung wegen formeller Fehler ablehnte. Später, am 10.11. 2011, fand ein Prüfungstermin statt, in dem in diese Forderungen nicht berücksichtigt wurden. Später, am 10. 2. 2012, meldeten die späteren Kläger mit ausführlicheren Begründungen ihre Forderungen erneut an, die dann aber nicht geprüft wurden, da das Insolvenzgericht einen Prüfungstermin nicht anberaumte. Zwischenzeitlich hatten die Kläger den unterbrochenen Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen und den Antrag auf Erstattung der letzten Kaufpreisraten umgestellt auf Feststellung der Erstattungsforderungen zur Insolvenztabelle. Das Berufungsgericht hatte die Berufung des Insolvenzverwalters zurückgewiesen und den Tenor des angefochtenen Urteils im Sinne der begehrten Feststellung neugefasst.
Der BGH hat das berufsgerichtliche Urteil mit der Begründung aufgehoben, dass der Rechtsstreit nicht wirksam aufgenommen werden konnte. Die Aufnahme eines Rechtsstreits nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei setzt im Falle von Passivprozessen voraus, dass entweder ein Aussonderungsstreit nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO oder ein Absonderungsstreit vorliegt – wobei bei letzterem die Voraussetzungen, unter denen die Aufnahme nach den besonderen Voraussetzungen der §§ 166 ff. InsO erfolgen kann, bekanntlich streitig sind. Geht es um einen Passivprozess nach § 87 InsO, in dem der Insolvenzgläubiger Leistung (also nach § 45 InsO: Zahlung) vom Insolvenzschuldner begehrt, sei, wie der IX. Zivilsenat des BGH überzeugend ausführt, zu berücksichtigen, dass Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen nur mehr in der insolvenzrechtlich gebotenen Form nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können (§ 87 InsO). Daher ist die Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden. Dabei sind die §§ 174, 175 InsO zu berücksichtigen. Weiterhin bedarf es einer Prüfung im Prüfungstermin vor dem Insolvenzgericht oder im schriftlichen Verfahren nach den §§ 5 Abs. 2, 176 ff. InsO bei der die Forderung nicht festgestellt wird, weil der Insolvenzverwalter oder ein anderer Insolvenzgläubiger der Forderung widerspricht, um die Aufnahme des Rechtsstreits mit dem Ziel zu betreiben, dass die Forderung zur Tabelle aufgenommen wird, §§ 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 InsO. Hier galt noch die Besonderheit, dass bereits ein vorläufig vollstreckbarer Schuldtitel in Gestalt des landgerichtlichen Urteils vorlag. In diesem Fall hat nicht der anmeldende Insolvenzgläubiger, sondern der Bestreitende den unterbrochenen Rechtsstreit aufzunehmen, wie sich aus § 179 Abs. 2 InsO ergibt. Nur im Falle der Untätigkeit des Bestreitenden ist der Gläubiger nach der Judikatur des BGH zur Aufnahme befugt. Weil die insolvenzrechtlichen
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Regelungen über das Feststellungsverfahren dazu dienen, dass neben dem Insolvenzverwalter auch die Insolvenzgläubiger sich an der Forderungsfeststellung beteiligen können, und weil die Feststellung nach § 183 Abs. 1 InsO gegenüber allen Insolvenzgläubigern wirkt, sei die Durchführung des Feststellungsverfahrens eine nicht abdingbare zwingende Sachurteilsvoraussetzung für die Aufnahme des Verfahrens und für das Feststellungsurteil. Ob in diesem Zusammenhang die Forderungsanmeldung in ordentlicher Form erfolgt war, sei, da eine Feststellung nicht erfolgte, unerheblich gewesen.
5. Unterbrechung des Verfahrens der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Fall 16:⁶² In dem gegen sie betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahren gab die Schuldnerin im August 2010 durch einen im Handelsregister nicht mehr eingetragenen Geschäftsführer die eidesstattliche Versicherung ab. Die betreibende Gläubigerin beantragte daraufhin im November 2010, nunmehr möge die eidesstattliche Versicherung durch den im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer abgegeben werden. Es kam zu einer Verhandlung am 4.1. 2011, in der die Schuldnerin ihre Verpflichtung bestritt, erneut die eidesstattliche Versicherung abgeben zu müssen. Nachdem am 7. 2. 2011 über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, erklärte das Vollstreckungsgericht in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung mit Beschluss vom 9. 3. 2011 den Widerspruch für berechtigt.
Der IX. Zivilsenat des BGH geht davon aus, das Widerspruchsverfahren sei durch die Insolvenzeröffnung nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen worden. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens greift § 89 Abs. 1 InsO. Danach ist die Individualzwangsvollstreckung während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig, worunter auch die Abnahme der Offenbarungsversicherung fällt.⁶³ Das ergebe sich bereits daraus, dass das Vollstreckungshindernis des § 89 Abs. 1 InsO von Amts wegen zu berücksichtigen ist.
6. Unterbrechung des Patentnichtigkeitsverfahrens Von der Unterbrechungswirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners wird auch das Patentnichtigkeitsverfahren nach § 99 Abs. 1 PatG gefasst, das gegen den Patentinhaber geführt wird.⁶⁴
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Zwischenurt. v. . . – X ZR / – BeckRS , .
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Fall 17: Eine GmbH & Co. KG war Schuldnerin eines in Österreich über ihr Vermögen als Hauptinsolvenzverfahren eröffneten Konkursverfahrens. Nach Art. 15 EuInsVO entfaltete dieses Hauptinsolvenzverfahren europäisch universelle Wirkung mit der Folge, dass die gegen die schuldnerische Patentinhaberin gerichtete Nichtigkeitsklage nach § 240 ZPO unterbrochen wurde. Die Klägerinnen erklärten die Aufnahme des Rechtsstreits. Der Verwalter hatte die Aufnahme des Nichtigkeitsverfahrens dagegen abgelehnt.
Die Patentnichtigkeitsklage wird von dem Verletzer des „Streitpatents“ gegen den Patentinhaber mit dem Ziel erhoben, geltend zu machen, dass dem Streitpatent die Schutzvoraussetzungen fehlen. Ist dies der Fall, sei das Patent aber nicht Teil der Insolvenzmasse, wie der X. Zivilsenat des BGH überzeugend ausführt. Die Patentnichtigkeitsklage sei auf die Aussonderung des Schutzrechts gerichtet und könne deshalb als Passivprozess nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO sowohl vom Insolvenzverwalter in dem über das Vermögen des Patentinhabers eröffneten Insolvenzverfahren als auch von dem Verletzer aufgenommen werden. Das BPatG hat vor diesem Hintergrund bereits darüber zu entscheiden gehabt, ob das durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Patentinhabers unterbrochene Einspruchsverfahren unter § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO fällt und diese Frage bejaht.⁶⁵ Dem hat sich der X. Zivilsenat des BGH nunmehr für die Patentnichtigkeitsklage angeschlossen. In der Literatur wird allerdings die Auffassung vertreten, dass eine negative Feststellungsklage ein Teilungsmassestreit (ein Passivprozess) sein könne, wenn der Kläger die Feststellung des Nichtbestehens eines Anspruchs begehrt, der vom Schuldner behauptet wird. Unterlassungsklagen, die auf ein gewerbliches Schutzrecht gestützt sind, betreffen einen Aussonderungsanspruch und unterfallen § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO.⁶⁶ Hier läge die Sache ebenso, wie der X. Zivilsenat feststellt. Die Patentnichtigkeitsklage träte an die Stelle einer negativen Feststellungsklage und stelle sich somit als Teilungsmassestreit dar, der nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO vom klagenden Verletzer aufgenommen werden könne.
7. Hemmung der Verjährung der Ansprüche aus existenzvernichtender Haftung und Anfechtung Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Rechtsstreitigkeiten des Insolvenzverwalters ist ein Dauerbrenner. Während des Bewilligungsverfahrens stellt sich stets die Frage der Verjährung massezugehöriger Ansprüche.
BPatG, Beschl. v. . . – W (pat) / – ZInsO , , Tz. . so bereits: K. Schmidt, Unterlassungsanspruch, Unterlassungsklage und deliktischer Ersatzanspruch im Konkurs, ZZP (), , .
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Fall 18:⁶⁷ Die Beklagte zu 1 hielt am Stammkapital der insolvenzschuldnerischen GmbH in Höhe von DM 500.000 einen Gesellschaftsanteil im Nennbetrag von DM 412.000. Später wurde sie Alleingesellschafterin der Insolvenzschuldnerin und begründete mit dieser ein Cash-Management-Verhältnis kraft dessen das Bankkonto der Insolvenzschuldnerin zu Gunsten oder zu Lasten der Beklagten zu 1 täglich durch einen automatischen Kontoübertrag auf Null gestellt und die Umsätze der Beklagten zu 1 als täglich fälliges Guthaben bzw. Darlehen der Insolvenzschuldnerin verwaltet wurden. Um die Überschuldung der Insolvenzschuldnerin zu vermeiden, wurden entweder auf Forderungen aus dem Cash-Management verzichtet oder unwiderrufliche Rangrücktritte gegen Forderungen derzeitiger und künftiger Gläubiger für den Zeitraum der Überschuldung der Insolvenzschuldnerin erklärt. Später wurde von der Beklagten zu 1 als deren Alleingesellschafterin die Beklagte zu 3 gegründet, die durch Kaufvertrag von Ende 2000 von der Insolvenzschuldnerin alle Aktiva und Passiva, die sich auf für ihren Produktionsbetrieb benötigte Spritzgussmaschinen bezogen, übernommen. Die Gegenleistung in Höhe von DM 9,6 Mio. wurde dadurch erbracht, dass die Beklagte zu 3 Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin gegenüber der Beklagten zu 1 mit befreiender Wirkung übernahm. Am 1.5. 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet. Der Insolvenzverwalter begehrte von den Beklagten Zahlung des im Kaufvertrag vom Ende 2000 vereinbarten Betrages von DM 9,6 Mio. bzw. EUR 4,9 Mio.
Der klagende Insolvenzverwalter hatte zunächst einen Prozesskostenhilfeantrag für seine beabsichtigte Klage gestellt, die er in dem seinem PKH-Antrag beigefügten Klageentwurf ausdrücklich auf eine Vorsatzanfechtung gestützt hatte. Hierdurch war die Verjährung des Anfechtungsanspruchs gem. § 146 Abs. 1 InsO gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB). Nachdem der PKH-Antrag abgelehnt und auch die sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung erfolglos geblieben war, trat 6 Monate nach Zustellung der abweisenden Beschwerdeentscheidung der Lauf der Verjährungsfrist wieder in Gang.Während des Laufs der Verjährungsfrist erhob der Insolvenzverwalter indes Klage, was grundsätzlich zur Hemmung des weiteren Laufs der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB führt. Ob und in wieweit die Verjährungshemmung greift, richte sich nach dem Streitgegenstand der Klage, wie der IX. Zivilsenat überzeugend ausführt. Hier wird bedeutsam, dass als Streitgegenstand der durch Klagantrag und den Lebenssachverhalt als Anspruchsgrund konkretisierte prozessuale Anspruch bezeichnet wird.⁶⁸ Zur Ermittlung des Streitgegenstandes greift der IX. Zivilsenat zunächst einmal auf das Rubrum der Klage zurück. Dort fand sich die Bemerkung „Konzernhaftung/ Existenzvernichtungshaftung, § 826 BGB“. Im Klageantrag war im Unterschied zu dem Klageentwurf ausgeführt, die Beklagten seien verpflichtet, dem Kläger (gemeint ist wohl: die Masse) sämtliche durch die Insolvenz der Firma D. (d.i. die Insolvenz-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. .. – IX ZR / – BGHZ , , ; Urt. v. .. – IX ZR / – BGHZ , .
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schuldnerin) entstandenen Schäden unter Abzug einer etwaig vorhandenen Insolvenzmasse, die zur Gläubigerbefriedigung erforderlich sind, zu ersetzen. Der vorgetragene Sachverhalt war zwar auch für die Voraussetzungen eines Rückgewähranspruches gem. §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO relevant. Soweit der klagende Insolvenzverwalter aber zur Rechtslage vorgetragen hatte, befasst er sich ausschließlich mit den Ansprüchen nach § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und ließ im Übrigen einen Anfechtungsanspruch unberührt. Da mit der Insolvenzanfechtung ein Schadenersatz nicht begehrt werden kann, sondern allein die Rückgewähr des anfechtbar aus dem Vermögen des Schuldners Weggegebenen, schloss der IX. Zivilsenat daraus, der Kläger habe im Unterschied zu seinem PKH-Antrag den Anfechtungsanspruch nicht zum Streitgegenstand gemacht – woraus sich zwingend ergeben habe, dass die Verjährung des Anfechtungsanspruchs durch die Erhebung der Klage nicht gehemmt wurde. Der IX. Zivilsenat hat im Übrigen in der vorliegenden Entscheidung daran festgehalten, dass die Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff einen originären, aus § 826 BGB begründeten Anspruch der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft darstellt. Wenn der Gesellschafter der Gesellschaft ohne angemessenen Ausgleich Vermögenswerte durch offene oder verdeckte Entnahmen entzieht, ohne dabei angemessene Rücksicht auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zu nehmen und dadurch die Insolvenz herbeiführt, liegt eine Existenzvernichtungshaftung vor.
8. Bindung des Insolvenzverwalters an die Schiedsabrede wegen der sicherungszedierten Forderung In dem über das Vermögen der Partei eines Schiedsvertrages bzw. einer Schiedsvereinbarung eröffneten Insolvenzverfahren stellt sich die Frage, wieweit die vorinsolvenzlich geschlossene Schiedsabrede Auswirkungen auf die Prozessführung des Insolvenzverwalters in Bezug auf den Schiedsgegenstand hat. § 103 InsO suspendiert nach zutreffend in Literatur⁶⁹ und Judikatur⁷⁰ vertretener Auffassung nicht solche Schiedsabreden, die der Insolvenzschuldner im Rahmen von Verträgen mit Gläubigern vor Insolvenzeröffnung getroffen hat. Die Schiedsabrede ist weder ein gegenseitiger Vertrag i.S.d. § 103 InsO, noch ein
Kreft/Marotzke, § InsO, Rn. ; ausführlich: Kück, Schiedsgerichtsvereinbarungen und Schiedsabreden im Insolvenzverfahren, ZInsO , . BGH, Beschl. v. . . – III ZB / – ZInsO , ; Urt. v. . . – VII ZR / – BGHZ , ; RG, Urt. v. . . – VII / – RGZ , , .
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Auftrag i.S.d. § 115 InsO.⁷¹ Der Insolvenzverwalter kann sich nicht durch die Ablehnung der Erfüllung eines mit einer Schiedsabrede verknüpften gegenseitigen Vertrages von den in der Schiedsabrede getroffenen Festlegungen lösen; zur Entscheidung von Streitigkeiten bleibt m.a.W. nach allgemeinen schiedsgerichtlichen Grundsätzen das vereinbarte Schiedsgericht unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs zuständig. Ansprüche aus Insolvenzanfechtung werden von der Schiedsabrede allerdings nicht erfasst. Der Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung ergibt sich nämlich nicht aus dem vom Insolvenzschuldner geschlossenen Schiedsvertrag, sondern aus einem selbständigen Recht des Insolvenzverwalters.⁷² Fall 19: Die vom Insolvenzverwalter klagweise in Anspruch genommene Beklagte hatte von der schuldnerischen Gesellschaft Getreide gekauft, wobei dabei eine Schiedsgerichtsvereinbarung zugrunde gelegt war. Die Insolvenzschuldnerin hatte die Forderung aus dem Kaufvertrag an die Vorlieferanten abgetreten.
Der IX. Zivilsenat des BGH ⁷³ hat nun darauf erkannt, dass der im über das Vermögen eines Sicherungsgebers eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter bei der Einziehung einer vom Insolvenzschuldner sicherungszedierten Forderung an eine Schiedsvereinbarung gebunden sei, die der Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung getroffen hatte. Das OLG Naumburg hatte als Berufungsgericht demgegenüber noch eine Bindung an die Schiedsvereinbarung abgelehnt. § 1032 Abs. 1 ZPO hat die Unzulässigkeit der vor den ordentlichen Gerichten erhobenen Leistungsklage des Insolvenzverwalters zur Folge, wenn und soweit ihn die Schiedsvereinbarung binden kann. Die hier zugrunde gelegten Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel sehen unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges vor, dass alle Streitigkeiten aus den Verträgen, denen die Bedingungen unterlegt sind, durch ein bei einer deutschen Getreide- und Produktbörse, Warenbörse bzw. Börsenverein eingerichteten Schiedsgericht entschieden werden. Da es sich bei der Schiedsvereinbarung nicht um einen gegenseitigen Vertrag handele, komme § 103 InsO nicht zum Zuge. Auch stelle sich die Schiedsvereinbarung nicht als Auftrag i.S.v. § 115 InsO dar, der mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen würde. Daraus folgert der BGH im Anschluss an seine frühere Judikatur⁷⁴, dass eine Erfüllungsablehnung der
BGH, Beschl. v. . . – III ZB / – ZInsO , . BGH, Beschl. v. . . – III ZB / – ZInsO , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt.v. . . – VII ZR / – BGHZ , , ; Beschl.v. . . – III ZB / – BGHZ , ; RG, Urt. v. . . – VII / – RGZ , , .
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Schiedsvereinbarung nicht in Betracht komme.⁷⁵ Dies betrifft sogar die insolvenzrechtliche Verfolgung der Forderung im Insolvenzrechtsfeststellungsstreit.⁷⁶ Nichts anderes gilt, wenn der Insolvenzverwalter sicherungszedierte Forderungen in Wahrnehmung seiner Befugnisse aus § 166 Abs. 2 InsO einklagt. Der IX. Zivilsenat stellt zutreffend fest, dass nach § 404 BGB die Schiedsabrede auch dem Sicherungszessionar gegenüber Wirkung entfaltet hätte. Denn der Sicherungszessionar erwirbt seine Befugnisse an der Forderung so, wie die Forderung von Insolvenzschuldner und Drittschuldner begründet worden ist. Die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters aus § 166 Abs. 2 BGB ist demgegenüber ohne Einfluss auf die materiell-rechtliche Verfasstheit der Forderung – wozu eben auch die im Hinblick auf ihre Rechtsdurchsetzung geschlossene Schiedsabrede gehört.
9. Schiedsverfahren und Insolvenz Soweit eine zwischen dem Insolvenzschuldner und einem Dritten geschlossene Schiedsvereinbarung nicht diejenigen Prozesse betrifft, die der Insolvenzverwalter spezifisch aufgrund der Insolvenzlage und seines Amtes zu führen hat, also namentlich Anfechtungsprozesse nach den §§ 129 ff. InsO und Prozesse nach den §§ 92, 93 InsO, ist der Insolvenzverwalter nach ständiger Rechtsprechung an Schiedsverfahren gebunden. Die andere Seite kann daher die Schiedsvereinbarung einwenden, wenn der Insolvenzverwalter die staatliche Gerichtsbarkeit anruft. Fall 20: In dem vom OLG Köln ⁷⁷ entschiedenen Fall, ging es darum, dass der Insolvenzverwalter im Rahmen des Nachtragsverteilungsverfahrens nach § 203 InsO für eine auf Zahlung von EUR 21.000 gerichtete Klage PKH-Bewilligung beantragt hatte. Die Insolvenzschuldnerin war Mitglied der Antragsgegnerin. Als solche hatte sie in einen Fonds einen Betrag eingezahlt. Der Fonds diente der Entsorgung überzähligen Leerguts im Fall der Beendigung eines von der Antragsgegnerin betriebenen Mehrwegpools. Die Fondsmittel waren von der Antragsgegnerin treuhänderisch verwaltet worden. Wegen den Streitigkeiten aus diesem Verhältnis war ein Schiedsvertrag geschlossen worden.
Die Antragsgegnerin konnte indes nicht die Einrede der Schiedsvereinbarung erheben. Denn dies setzt voraus, dass die Kosten des vereinbarungsgemäß erforderlichen Schiedsverfahrens aufgebracht werden können und eine anderweitige Kostendeckung nicht gegeben ist. Das Insolvenzverfahren war aber mangels
BGH, Beschl. v. . . – III ZB / – ZInsO , . Vgl. jüngst: Wagner, Insolvenz und Schiedsverfahren, KTS , , f. OLG Köln, Beschl. v. . . – W / – ZIP , .
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kostendeckender Masse nach § 207 InsO eingestellt worden. § 1032 Abs. 1, Abs. 3 ZPO kommen daher hier nicht zum Zuge, die besagen, dass, wenn vor einem Gericht Klage in einer Angelegenheit erhoben wird, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen hat, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist.
10. Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters Das AG Bremen ⁷⁸ hat darauf erkannt, dass der Insolvenzverwalter für die Einlegung von Rechtsmitteln gegen einen Vollstreckungsbescheid, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzschuldner ergangen und ihm zugestellt worden ist, nicht prozessführungsbefugt sei. Fall 21: Das AG Hagen hatte gegen den Insolvenzschuldner am 3.7. 2013 einen Vollstreckungsbescheid erlassen, der diesem am 5.7. 2013 zugestellt wurde. Bereits vorher, am 30. 8. 2012, war über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden. Am 12. 2. 2014 meldete der Gläubiger die durch den Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung zur Insolvenztabelle an, wodurch der Insolvenzverwalter Kenntnis von dem Vorgang erlangte. Er hat dann am 14. 2. 2014 beim AG Hagen Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt. Die Sache ist wohl dann nach § 19a InsO an das zuständige AG Bremen gelangt. Dieses verwarf den Einspruch des Insolvenzverwalters, der hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt hatte, als unstatthaft und unzulässig. Der Insolvenzverwalter hatte am 15. 3. 2013 das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Beklagten als Insolvenzschuldner aus der Insolvenzmasse freigegeben.
Das AG Bremen meint nun, der Insolvenzverwalter habe hier in das Mahnverfahren nicht eingreifen können, da nicht er, sondern der „Beklagte“ – also der Insolvenzschuldner – insoweit prozessführungsbefugt sei. Dies begründet es zunächst einmal damit, die Voraussetzungen des § 240 ZPO haben nicht vorgelegen. Das Mahnverfahren habe nicht unterbrochen werden können, da es zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht anhängig gewesen sei. Daher habe der Insolvenzverwalter das Verfahren nicht aufnehmen können. Das ist nun wenig überzeugend. § 87 InsO besagt ebenso wie § 89 InsO, dass Leistungsklagen gegen den Insolvenzschuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erhoben werden können, vielmehr muss der Gläubiger den Versuch der Titulierung seiner Forderung durch Anmeldung zur Tabelle nach § 174 InsO betreiben. Leistungs-
AG Bremen, Urt. v. . . – C / – ZIP , .
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klagen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben werden, sind schlechthin unzulässig. Soweit es die Titulierung von Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO – also solchen Forderungen, die gegen den Insolvenzschuldner in personam gerichtet und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind – betrifft, greift im Übrigen § 80 Abs. 1 InsO. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners auf diesen über. Dieses schließt auch die Prozessführungsbefugnis ein, da der Insolvenzverwalter Partei kraft Amtes in den die Masse betreffenden Verfahren ist. Und Forderungen, die zur Tabelle anzumelden wären, betreffen die vom Insolvenzverwalter zu verwaltende Masse. Macht der Insolvenzverwalter im Rechtsmittelweg die Unwirksamkeit einer Leistungsklage aus § 87 InsO geltend, fällt dies selbstverständlich in seine Prozessführungsbefugnis. Demgegenüber ist der Insolvenzschuldner als der Gegner einer solchen Klage a priori nicht der richtige Beklagte. Die Zulässigkeit einer solchen Klage geltend zu machen, liegt selbstredend beim Insolvenzverwalter und nicht etwa beim Insolvenzschuldner, der andernfalls die Befugnis hätte, Vergleich zu schließen und damit die Masse zu belasten. Hieran ändert sich im Übrigen durch die Freigabe nichts, wie § 89 InsO zeigt. Denn der Gläubiger kann aus einem Leistungstitel die Zwangsvollstreckung nicht in das frei gewordene Vermögen des Insolvenzschuldners betreiben, solange das Insolvenzverfahren über sein Vermögen im ganzen anhängig ist; das gilt selbstverständlich erst recht für die Erhebung einer Leistungsklage. Hier ist natürlich keine Leistungsklage i.S.d. § 253 Abs. 2 ZPO erhoben, sondern ein Mahnverfahren und Verfahren auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides eingeleitet worden. Aber für dieses summarische Verfahren gilt nichts anderes. Die Entscheidung des AG Bremen ist grob fehlerhaft. Nun äußert sich das AG Bremen weiter, soweit es die Frage der Einhaltung der Einspruchsfrist durch den Insolvenzverwalter angeht. Hier sei die Zustellung an den nicht prozessführungsbefugten Insolvenzschuldner wirksam erfolgt und daher die Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt worden. Das AG Bremen beruft sich hierbei auf eine Entscheidung des BGH ⁷⁹, wonach aus der Ausgestaltung der Nichtigkeitsklage bei mangelhafter Vertretung einer Partei nach §§ 578 Abs. 1, 579 Abs. 1 Nr. 4, 586 Abs. 3, 584 Abs. 2 ZPO und aus einem „Gebot der Rechtssicherheit“ zu folgern sei, dass einer unwirksamen Zustellung an eine als prozessfähig behandelte, tatsächlich aber prozessunfähige Partei „ausnahmsweise“ Rechtswirkung zuzusprechen sei, als es um die Auslösung einer Einspruchs- und Rechtsmittelfrist gehe. Dies habe nach Auffassung des AG Bremen für die nur nicht
BGH, Urt. v. . . – VIII ZR / – BGHZ , ; bestätigt durch: Urt. v. . . – VIII ZR / – NJW , .
III. Insolvenzmasse
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prozessführungsbefugte Partei entsprechend zu gelten. Die Fälle, aus denen das Amtsgericht seine Auffassung ableitet, sind aber nicht vergleichbar. Denn daraus dass der Insolvenzschuldner für das haftende Vermögen und – wie § 89 Abs. 1 InsO zeigt – auch für das von der Freigabe erfasste Vermögen des Neuerwerbs nicht prozessführungsbefugt ist, ergibt sich, dass die Eröffnungswirkungen aufgrund des Eröffnungsbeschlusses als Hoheitsakt gegen eine prozessunfähige Partei von einer Reihe von tatsächlichen Voraussetzungen abhängen. Wird die prozessunfähige Partei aber als prozessfähig anerkannt, dann besteht Anlass, den Lauf der Einspruchs- und Rechtsmittelfristen an die Zustellung an die als prozessfähig anerkannte Partei zu knüpfen. Die Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses hindert indes eine solche Art der Behandlung. Daher war – anders als es das AG Bremen meint – dem Insolvenzverwalter auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
III. Insolvenzmasse 1. Hinterlegte Beträge aus der Abrechnung von Lebensversicherungen Der Insolvenzverwalter wird nicht selten mit Vorgängen konfrontiert werden, aufgrund derer Dritte behaupten, an Massegegenständen Rechte zu haben. In einem Urteil aus dem November 2012⁸⁰ hat der V. Senat des BGH darüber zu entscheiden gehabt, welche Anforderungen an das Bestreiten der Echtheit einer Urkunde durch den Insolvenzverwalter zu stellen sind. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Fall 22: Beim Amtsgericht waren EUR 786.000 aus der Abrechnung von Lebensversicherungsverträgen, die eine GmbH dem verstorbenen Ehemann der späteren Klägerin verpfändet hatte, hinterlegt. Über das Vermögen der GmbH war das Insolvenzverfahren eröffnet und der spätere Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Klägerin und Insolvenzverwalter streiten um die Bewilligung der Herausgabe des gesamten Betrages, wobei die Klägerin verschiedene Urkunden vorlegte, aus denen sich ergeben sollte, dass dem verstorbenen Ehemann der Klägerin Ansprüche aus der Lebensversicherung unter bestimmten Voraussetzungen zustehen sollten. Der Insolvenzverwalter hatte die Echtheit der Urkunden mit Nichtwissen bestritten.
Ist die Echtheit einer Urkunde unstreitig bzw. ist die Echtheit einer Urkunde nach § 439 Abs. 1 ZPO anerkannt, bedarf ihre Echtheit gem. § 440 Abs. 1 ZPO keines Beweises mehr. Der beklagte Insolvenzverwalter hatte nun die Echtheit der Urkunde mit Nichtwissen bestritten. Dabei hat er sich darauf berufen, es habe BGH, Urt. v. . . – V ZR / – ZIP , .
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verschiedene Fassungen einer ursprünglichen Urkunde und zudem noch eine Abänderungsurkunde gegeben. Allein der Umstand, dass der Insolvenzverwalter an der Errichtung der Urkunde nicht beteiligt war, ermöglicht es ihm freilich nicht bereits, deren Echtheit mit Nichtwissen zu bestreiten. Denn aus den Unterlagen des Insolvenzschuldners kann sich ergeben, ob eine Urkunde echt oder unecht ist. Voraussetzung des Bestreitens mit Nichtwissen ist, dass der Insolvenzverwalter ohne Erfolg die ihm einsehbaren Unterlagen sichtet und erforderlichenfalls den Insolvenzschuldner befragt. Diese Bemühungen müsse er, wie der V. Zivilsenat im Anschluss an die Judikatur des IX. Zivilsenats⁸¹ ausführt, in nachvollziehbarer Weise darlegen. Dies hat der Insolvenzverwalter hier getan, da er ausgeführt hat, in den Unterlagen der insolvenzschuldnerischen GmbH kein Original der Vereinbarungen vorgefunden zu haben.
2. Massezugehörigkeit des Nachlasses Der IX. Zivilsenat des BGH⁸² hat über folgenden Sachverhalt zu entscheiden gehabt: Fall 23: Die über 80-jährige T. war von der späteren Insolvenzschuldnerin aufgenommen und gepflegt worden, was die T. mit der Einsetzung der Insolvenzschuldnerin zur Erbin mit notariellem Vertrag vom Dezember 2003 würdigte. Am 11.5. 2005 wurde dieser notarielle Vertrag von den Vertragsparteien aufgehoben. War im ersten Vertrag die Tochter der Insolvenzschuldnerin zur Ersatzerbin eingesetzt worden, wurden nunmehr die Insolvenzschuldnerin zur alleinigen, nichtbefreiten Vorerbin und die beklagte Tochter zur Nacherbin eingesetzt, die zugleich Ersatzerbin sein sollte. Im Jahr 2006 wurde auf Fremdantrag hin über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der dort bestellte Insolvenzverwalter focht den zweiten Erbvertrag gegenüber der Beklagten an. Im März 2009 war die Erblasserin verstorben.
Die beklagte Nacherbin erlangte ihre Rechtsstellung durch einseitige letztwillige Verfügung nach § 2299 Abs. 1 BGB. Da indes der erste Erbvertrag nach §§ 2290 Abs. 1 S. 1, 2291 Abs. 1 S. 1 BGB Bindungswirkungen zwischen der Erblasserin und der Insolvenzschuldnerin entfaltet hatte, konnten diese Bindungswirkungen nur durch das Einvernehmen beider aufgehoben und damit die Möglichkeit eines Erwerbs einer erbrechtlichen Stellung der beklagten Tochter der Insolvenzschuldnerin vollzogen werden. Insoweit war nicht etwa allein ein zwischen Erblasserin und der beklagten Tochter als insolvenzverfahrensrechtliche Außenstehende zu beurteilender Vorgang gegeben, sondern eine Rechtshandlung der
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
III. Insolvenzmasse
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Insolvenzschuldnerin zu beurteilen. Denn der BGH stellt zutreffend fest, dass eine Zerlegung der Nacherbeneinsetzung der beklagten Tochter auf der einen Seite und des zweiten Erbvertrages auf der anderen Seite unter Aufhebung des ersten Erbvertrages sinnwidrig wäre. Zwar falle der Nachlass in die Masse, § 1922 Abs. 1 BGB, § 35 Abs. 1 InsO. Dieser Erwerb habe aber nur einen vorläufigen Charakter, da der Erbe die Erbschaft nach §§ 1942 ff. BGB ausschlagen kann. Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft gehören aber zu den von § 80 Abs. 1 InsO nicht erfassten, wegen ihrer höchstpersönlichen Natur gem. § 83 Abs. 1 InsO allein dem Insolvenzschuldner zustehenden Befugnissen. Damit hat der Insolvenzschuldner auch in dem über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren die Befugnis, durch die Ausschlagung den Anfall der Erbschaft von Anfang an nach § 1953 Abs. 1 BGB zu verhindern. Nur wenn der Erbe die Erbschaft angenommen hat, ist nach § 1943 BGB die Ausschlagung nicht mehr möglich. Der Nachlass fällt dann endgültig in die Insolvenzmasse. Wegen des höchstpersönlichen Charakters ist die Ausschlagung einer Erbschaft der Insolvenzanfechtung nicht unterworfen.⁸³ Auch der Anspruch auf den Pflichtteil nach § 2303 BGB gehört nur vorläufig zur Insolvenzmasse, da dem Erben die Rechtsmacht vorbehalten bleibt, auch in dem über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren darüber zu entscheiden, ob er diesen Anspruch auch gegenüber dem Erben durchsetzen will – womit der familiären Verbundenheit zwischen den Beteiligten Rechnung getragen wird. Auch insoweit greift eine Insolvenzanfechtung nicht, da diese wiederum den aus familiären Strukturen erwachsenen höchstpersönlichen Charakter des Anspruchs auf den Pflichtteil infrage stellen würde.⁸⁴ Auf der Grundlage dieser allgemeinen Grundstrukturen von Erb- und Insolvenzrecht kommt der IX. Zivilsenat zu einer Anwendung auch auf den vorliegenden Fall. Ebenso wenig wie ein Erbverzicht nach §§ 2346 ff. BGB vom Insolvenzverwalter oder die Ausschlagung des Anfalls der Erbschaft angefochten werden könne, sei die Aufhebung der Erbeinsetzung der Insolvenzanfechtung ausgesetzt. Denn die Mitwirkung an dem Aufhebungsvertrag beträfe eine höchstpersönliche Entscheidung, ob und inwieweit der Insolvenzschuldner Erbe sein will.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
3. Nichtzahlung zweckgebundener Mittel in der Insolvenz des Zahlungsschuldners Die Nichtzahlung zweckgebundener Mittel ruft in der Insolvenz des Zahlungsschuldners wertungsrechtliche Probleme hervor, wie ein Beschluss des BGH aus dem April 2013⁸⁵ deutlich macht. Fall 24: Der Generalunternehmer hatte Baugelder zweckwidrig verwendet und nicht an Bauhandwerker ausgezahlt. In dem über das Vermögen des Generalunternehmers eröffneten Insolvenzverfahren machten Bauhandwerker geltend, wegen der Zweckbindung der Baugelder habe nach § 851 Abs. 2 ZPO Pfändungsschutz bestanden. Der BGH schließt sich der oberlandesgerichtlichen Judikatur⁸⁶ an, wonach der Schutz mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet und die von der Insolvenzschuldnerin eingezogenen Baugelder Bestandteil der Insolvenzmasse geworden sind. Erfolgt bei Auszahlung von Baugeld keine Buchung auf einem besonderen Treuhandkonto, dann fällt es also in die Masse.
Ob Bauhandwerker dann besondere Schadenersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 BauFordSiG haben, bedarf einer Harmonisierung mit anfechtungsrechtlichen Wertungen. Hier ist die Sachlage derjenigen vergleichbar, die vorliegt, wenn nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a Abs. 1 StGB Schadenersatz wegen Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen geltend gemacht wird. Ein ersatzfähiger Schaden des Sozialversicherungsträgers liegt in diesen Fällen nicht vor, wenn pflichtgemäß gezahlt worden wäre, diese Zahlung aber anfechtungsrechtlich keinen Bestand gehabt hätte.⁸⁷ Nicht anders sei dann der vorliegende Fall zu beurteilen.
4. Dinglicher Arrest und Insolvenzbeschlag: strafprozessuale Rückgewinnungshilfe Im strafprozessualen Ermittlungsverfahren und im Strafprozess kann der strafprozessuale dingliche Arrest im Rahmen der sogenannten Rückgewinnungshilfe angeordnet werden. Der strafprozessuale Arrest und die durch das eröffnete Insolvenzverfahren verbundene Beschlagnahme des Schuldnervermögens stehen nun in einem Spannungsverhältnis. Das OLG Hamm ⁸⁸ hat darauf erkannt, dass der
BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , . OLG Hamm, Urt. v. . . – U / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . OLG Hamm, Beschl. v. . . – Ws / – ZIP , ; bestätigt durch: Beschl. v. . . – Ws / – ZIP , .
III. Insolvenzmasse
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zur Rückgewinnungshilfe angeordnete und vollzogene strafprozessuale dingliche Arrest nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners nicht notwendig aufzuheben sei. Fall 25a: Der verurteilte Insolvenzschuldner war – unter der Feststellung, er habe aus seinen Straftaten EUR 330.000 erlangt – wegen Computerbetruges in zwei Fällen und Betruges in Tateinheit mit Computerbetrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahre verurteilt worden. Im Ermittlungsverfahren hatte das zuständige AG nach §§ 111b Abs. 2 und 5, 111d, 111e Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 73 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 73a StGB zur Sicherung der Ersatzansprüche, die den Verletzten aus den Straftaten des Verurteilten entstehen, den dinglichen Arrest für das Land in Höhe von EUR 2,3 Mio. in das Vermögen des Insolvenzschuldners angeordnet. Dessen Grundstück wurde infolge des dinglichen Arrests mit einer Sicherungshypothek zu Gunsten des Landes belastet. Später wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und darauf das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verurteilten eröffnet. Der Insolvenzverwalter machte geltend, der zur Sicherung der Rückgewinnungshilfe angeordnete und vollzogene dingliche Arrest könne sein Platzhalterfunktion für die Ansprüche der Geschädigten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schädigers nicht mehr erfüllen.
Das OLG Hamm meint nun, der nach § 111d StPO angeordnete dingliche Arrest sei gem. § 111i Abs. 3 S. 1 StPO für die Dauer von drei Jahren ab Rechtskraft des Urteils aufrechtzuerhalten. Der Justiz sei ein Ermessungsspielraum insoweit nicht eingeräumt; das Gesetz sehe Ausnahmen nicht vor. Grundsätzlich ist allerdings die Individualzwangsvollstreckung nach § 89 InsO in dem über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffneten Insolvenzverfahren ausgeschlossen. Dagegen hat das OLG Nürnberg ⁸⁹ in einem grenzüberschreitenden Fall mit Blick auf § 89 InsO die Aufhebung des strafprozessualen dinglichen Arrests wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens befürwortet. Dem ist das OLG Hamm zum einen mit Blick auf die in dem von ihm entschiedenen Fall zur Belastung des Grundstücks des Insolvenzschuldners eingetragenen Sicherungshypothek, zum anderen mit Blick auf die Aufgabe des die Rückgewinnungshilfe sichernden Arrests entgegengetreten. Fall 25b: In dem vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall hatte das Gericht den Arrest in eine Guthabenforderung der schuldnerischen Gesellschaft auf einem schweizerischen Bankkonto angeordnet, der dann auch im Wege der Amtshilfe durch die schweizerische Staatsanwaltschaft vollzogen worden war. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners in Deutschland sah das OLG Nürnberg diesen dinglichen Arrest als erledigt an.
Die eingetragene Sicherungshypothek bleibt in dem über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffneten Insolvenzverfahren wirksam, da es sich dabei um ein wirksam entstandenes Pfändungspfandrecht handelt, wie das OLG Nürnberg
OLG Nürnberg, Beschl. v. . . – Ws / – NZI , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
ausführt – es sei denn die Monatsfrist des § 88 InsO sieht etwas anderes vor. Von allgemeinerer Bedeutung ist dagegen die Überlegung des OLG Hamm, dass die Rückgewinnungshilfe durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zwingend endgültig unmöglich wird. Denn die Stellung der Geschädigten wird nur während der Dauer des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzbeschlag geschützt. Nicht aber für den Fall, dass das Insolvenzverfahren eingestellt oder aufgehoben wird. Zwar hat in dem eröffneten Insolvenzverfahren der Geschädigte nicht etwa gegenüber anderen Insolvenzgläubigern ein Vorrecht. Insoweit ist der Rückgewinnungshilfegedanke nicht maßgeblich. Aber die Aufrechterhaltung des Arrests ist schon dadurch gerechtfertigt, dass der Insolvenzbeschlag der Masse – wie im Verfahren des OLG Nürnberg – entweder wegen kontradiktorischer Auffassungen der beteiligten Staaten in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren nicht verwirklicht werden kann oder – wie in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall – die Möglichkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens besteht, die Rückgewinnungshilfe noch verwirklichen zu müssen oder den Erwerb des Staates nach § 111i Abs. 7 S. 1 StPO zu verwirklichen (Auffangrechtserwerb).
5. Dinglicher Arrest gegen die Insolvenzschuldnerin nach Eröffnung des Verfahrens über ihr Vermögen Die Durchsetzung des Rechts des Gläubigers muss auf Instrumente zur Sicherung des ihm haftenden Schuldnervermögens zurückgreifen können. Der Insolvenzschuldner, der in der Lage ist,Vermögensgegenstände dem Haftungszugriff seiner Gläubiger zu entziehen, kann u.U. nicht vereiteln, dass der Gläubiger einen Zwangsvollstreckungstitel gegen ihn erwirbt; er kann diesen Titel aber dadurch wertlos machen, dass er die Gegenstände seines Vermögens beiseiteschafft und sie so dem Zugriff des Titelinhabers entzieht. Diese Feststellungen sind banal. Das geltende Recht trägt der geschilderten Lage dadurch Rechnung, dass mit dem Instrument des dinglichen Arrests einem solchen Verhalten des Insolvenzschuldners entgegengewirkt werden kann. Der dingliche Arrest verwirklicht eine Beschlagnahme, der dem Gläubiger haftenden Vermögensgegenstände mit der Folge, dass dem Zwangsvollstreckungsschuldner vereitelnde Verfügungen verboten sind. Fall 26: Das OLG Saarbrücken ⁹⁰ hatte über den Antrag des im über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffneten Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalters auf Anordnung des dinglichen Arrests in das Vermögen des früheren Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin
OLG Saarbrücken, Beschl. v. . . – W / – BeckRS , .
III. Insolvenzmasse
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zu entscheiden gehabt. Gegen den Antragsgegner bestand der dringende Verdacht der Untreue, des Bankrotts, der Insolvenzverschleppung zum Nachteil der Insolvenzschuldnerin bzw. ihrer Gläubiger. Die Wirtschaftsstrafkammer führte im Ermittlungsverfahren zum Arrestgrund aus, dass die Taten des Antragsgegners durch betrügerische oder listige Vorgehensweise geprägt seien. Daher bestehe Grund zur Annahme, der Antragsgegner werde sich auch in Zukunft in dieser Weise unlauter verhalten und sein rechtswidriges Tun fortsetzen.
Derartige Fallgestaltungen sind durchaus typisch in Lagen, in denen Gesellschafter-Geschäftsführer zu Lasten der schuldnerischen Gesellschaft und ihrer Gläubiger namentlich existenzvernichtende Eingriffe vornehmen, die sich strafrechtlich als Untreue darstellen. Das OLG Saarbrücken führt nun zutreffend aus, dass es nicht ausreiche, in der Vergangenheit sei das Verhalten des Antragsgegners in dem beschriebenen strafrechtlichen Sinn einer Untreue bzw. eines Betruges und einer Bankrottstraftat unlauter gewesen. Dies mag im Hauptsacheverfahren dazu führen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen eines existenzvernichtenden Eingriffs dargetan werden können. Zur Anordnung eines Arrests bedarf es aber der ernsthaften Befürchtung, dass vertragswidrige oder betrügerische Maßnahmen des Antragsgegners wiederholt würden. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist zu befürchten, dass die Vollstreckung in das Vermögen des Antragsgegners fehlschlägt. Allerdings finden sich in der Judikatur⁹¹ Entscheidungen, die darauf scheinbar schließen lassen, dass für die Anordnung eines Arrests hinreichender Arrestgrund ein bewusst vertragswidriges oder betrügerisches Verhalten des Schuldners im Allgemeinen ausreiche. Dies sei aber, wie das OLG Saarbrücken in der vorliegenden Entscheidung zutreffend ausführt, bei sorgfältiger Lektüre der entsprechenden höchstrichterlichen Entscheidung nur dann der Fall, wenn der antragsgegnerische Vollstreckungsschuldner zu erkennen gibt, dass er sich nach Titulierung der Forderung des Gläubigers der Vollstreckung entziehen werde. Dies ist dann der Fall, wenn der Antragsgegner und Vollstreckungsschuldner z. B. einen Vermögenszuwachs leugnet oder konkrete Anstalten trifft, die Vollstreckung zu vereiteln. Allein das vorsätzliche vertragswidrige Verhalten des Schuldners oder dessen betrügerischen Machenschaften in der Vergangenheit genügen hier nicht. In dem vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall hatte der Antragsgegner der Insolvenzschuldnerin Vermögen dadurch entzogen, dass er dieses an Scheinfirmen verschob. Nachdem diese Verhaltensweisen aber aufgedeckt worden waren, lagen – jedenfalls nach dem Vortrag des antragstellenden Insolvenzverwalters – keine Verhaltensweisen vor, die eine Wiederholung dieser Schädigungshandlungen besorgen ließen. Der BGH hat zutreffend ausgeführt, dass ein Erfahrungssatz für die Darlegung von Arrestgründen nicht aus-
BGH, Urt. v. . . – VI ZR / – WM , , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
reiche, dass, wer einmal unredlich gewesen sei, auch in Zukunft sich so verhalten werde.
6. Neuerwerb und Pfändungsschutz Die Beschlagnahme des Neuerwerbs und das Verhältnis zu den Pfändungsschutzvorschriften der ZPO ist durch eine Entscheidung des BGH vom Ende September 2013⁹² näher geklärt worden. Fall 27: Am 11.12. 2006 war auf seinen Eigenantrag hin das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners unter Bestellung eines Insolvenzverwalters eröffnet worden. Später richtete der Insolvenzschuldners neben seinem Gehaltskonto bei einem Kreditinstitut ein Konto ein, auf das er einen Betrag von EUR 1.000 einzahlte. Dieser resultierte aus Beträgen, die er aus seinen monatlichen pfändungsfreien Lohneinkünften angespart hatte. Insgesamt waren dies EUR 2.044,57. Nachdem das Insolvenzverfahren aufgehoben und dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung angekündigt worden war, teilte dieser dem zum Treuhänder bestellten Insolvenzverwalter mit, dass er den genannten Betrag gespart habe. Der bisherige Insolvenzverwalter beantragte daraufhin die Durchführung einer Nachtragsverteilung.
Solche Gegenstände, die wegen ihrer Unpfändbarkeit nicht zur Insolvenzmasse gehören (§ 36 Abs. 1 InsO) und nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aufgefunden werden, rechtfertigen eine Nachtragsverteilung nicht. Grundsätzlich unterliegt das pfändungsfreie Arbeitseinkommen nicht der Insolvenzbeschlagnahme des Neuerwerbs. Erwirbt aber der Insolvenzschuldner aus dem unpfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens Vermögensgegenstände, die an sich pfändbar sind, so fallen diese in die Insolvenzmasse.⁹³ Im vorliegenden Fall hatte der Insolvenzschuldner mit Beträgen aus dem unpfändbaren Bestand des Arbeitseinkommens durch deren Einzahlung auf ein neues Konto eine eigenständige Forderung gegen das kontoführende Kreditinstitut erworben. Diese Forderung ist vom Pfändungsschutz der §§ 850 ff. ZPO aber nicht erfasst und fällt somit als Neuerwerb in die Masse, so dass die Nachtragsverteilung durchzuführen war. Das Ergebnis widerstreitet zunächst dem, was man als Rechtsgefühl bezeichnen kann, das ein trefflicher Begleiter sein mag, aber zwingend versagen muss, wenn es seinen engen Horizont verlässt. Die vorliegende Entscheidung erscheint nach alledem vordergründig als (methodisch) richtig. Denn es war der Insolvenzschuldner, der den fraglichen Betrag aus dem geschützten Bereich der Pfändungsfreiheit entlassen hat. Dem Insolvenzschuldner planende Maßnahmen
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – NZI , .
III. Insolvenzmasse
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z. B. zur Tätigung von Investitionen (die neue Waschmaschine oder den neuen Kühlschrank als Ersatz für ausgefallene oder verbrauchte Haushaltsgeräte, etc.) zu ermöglichen, scheint daher Angelegenheit des Gesetzgebers zu sein, dagegen ist der Rechtsprechung die Einschränkung des geltenden Rechts schon durch § 1 S. 1 InsO verwehrt. So einfach ist aber das Sachproblem nicht zu behandeln, das der BGH mit der vorliegenden Entscheidung anspricht. Denn hinter der Entscheidung steht das Problem, ob es eine umwidmenden Beschlagwirkung nach Freigabe geben kann – was der BGH in seinen Entscheidungen zu § 109 Abs. 1 S. 2 InsO verneint.⁹⁴
7. Beschlagfreier Neuerwerb in der Insolvenz Selbständiger Die Insolvenz natürlicher Personen führt regelmäßig zu der Frage, in welchem Umfang der Neuerwerb nach § 35 Abs. 1 InsO Insolvenzmasse ist. Allein die Beträge, die nach den §§ 850 ff. ZPO unpfändbar sind, werden nach § 36 Abs. 1 InsO vom Insolvenzbeschlag nicht erfasst. Der BGH ⁹⁵ hat nun, über die Regelung der § 36 Abs. 1 InsO und § 350c ZPO hinaus darauf erkannt, dass auf Antrag des Insolvenzschuldners dessen Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit als Mehrarbeitsvergütung bis zur Hälfte vom Insolvenzbeschlag freigestellt werden können, wenn der Insolvenzschuldner eine Altersrente bezieht und daneben zur Aufbesserung dieser Rente selbständig tätig ist Fall 28: Bis zum Januar 2010 war der im Jahr 1941 geborene Insolvenzschuldner als Anwalt und Notar tätig. Diese Tätigkeit hatte er aufgegeben und bezog eine gesetzliche Rente sowie Versorgungsbezüge aus der Anwaltsversorgung und eine weitere Rente aus einem privaten Versicherungsvertrag. Hieraus erhielt er monatlich EUR 1.150. Über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde auf seinen eigenen Antrag am 18.4. 2011 das Insolvenzverfahren unter Bestellung eines Insolvenzverwalters eröffnet. Während des laufenden Insolvenzverfahrens ging der Insolvenzschuldner einer Tätigkeit als freiberuflicher Unternehmensberater nach. Er beantragte daraufhin, dass ihm monatlich EUR 2.200 (vierteljährlich EUR 6.600) sowie zusätzlich monatlich EUR 300, also vierteljährlich EUR 900, wegen seiner überobligatorischen Anstrengungen pfandfrei zu belassen seien. Im Übrigen beruhten die genannten Beträge auf seinen Betriebskosten, namentlich der anfallenden Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung, sowie voraussichtlich anfallender Steuervorauszahlung. Der Insolvenzschuldner berief sich auf § 850a Nr. 1 ZPO, wonach ihm die Hälfte des infolge der Mehrarbeit erzielten Einkommens unpfändbar zu stellen sei.
BGH, Urt. v. . . – VIII ZR / – ZIP , (siehe Fn. ); Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , (siehe Fn. ). BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
Ein selbständig tätiger Insolvenzschuldner kann nur den Antrag stellen, dass ihm nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 850i Abs. 1 ZPO aus den im Rahmen der selbständigen Tätigkeit erzielten Einkünften ein Pfändungsfreibetrag belassen werde. Hierbei ist darauf abzustellen, wieviel der Insolvenzschuldner für seinen notwendigen Unterhalt benötigt. Die Obergrenze liegt in einem vergleichbaren Arbeitseinkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn. Dies wäre nun in solchen Fällen unbillig, in denen der Insolvenzschuldner alters- oder krankheitsbedingt zur Arbeit nicht gehalten ist, sondern wie im vorliegenden Fall seinen Unterhalt, ohne zu arbeiten, aus Renten bezieht. Der IX. Zivilsenat des BGH verweist in diesem Zusammenhang auf § 850a Nr. 1 ZPO, wonach die für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile des Arbeitseinkommens zur Hälfte unpfändbar sind. Selbstständige leisten allerdings keine Mehrarbeitsstunden (Überstunden); ihre Tätigkeit ist regelmäßig dadurch geprägt, dass die Arbeitszeit nicht geregelt ist und daher der übliche Umfang der Arbeit nicht bestimmt werden kann. Daher bleibt es grundsätzlich bei der Regelung des § 850i Abs. 1 ZPO. In dem vom BGH entschiedenen Fall allerdings war der im Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits 70 Jahre alt und deshalb nicht mehr erwerbspflichtig. Sein Unterhaltsbedarf war durch die Rentenansprüche gesichert. Der BGH hält es aber wegen der vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 850i ZPO gewollten Gleichstellung des Schutzes von Arbeitnehmern und selbstständig tätigen Personen im Rahmen des Pfändungsverfahrens für richtig, den Rechtsgedanken des § 850a Nr. 1 ZPO auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden. Es gehe darum, den Insolvenzschuldner zu der von ihm nicht geschuldeten Mehrarbeit zu motivieren, die den Gläubigern (jedenfalls mit) zu Gute kommt. Der BGH fordert aber, dass eine Abwägung der Belange von Schuldnern und Gläubigern zur Anwendung komme. Da diese Interessenabwägung vom Insolvenzgericht nicht unternommen worden war, verwies der BGH die Sache an das Insolvenzgericht zurück.
8. Pfändungsschutz für eigenständig erwirtschaftete Einkünfte und Massezugehörigkeit Der BGH ⁹⁶ hatte über den Pfändungsschutz für eigenständig erwirtschaftete Einkünfte und deren Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse zu entscheiden.
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
III. Insolvenzmasse
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Fall 29: Der Insolvenzschuldner – Jahrgang 1940 – hatte aus einem im April 2008 erlangten Nießbrauch an einem Grundstück monatlich EUR 800 erlöst. Im Übrigen bezogen er und seine Ehefrau gesetzliche Altersrenten in Höhe von monatlich EUR 320 und EUR 472. Am 1.10. 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnet, in dem er beantragte, die monatlichen Einnahmen aus dem Nießbrauch pfandfrei zu stellen.
Da § 36 Abs. 1 InsO ausdrücklich auf § 850i ZPO Bezug nimmt, der in seiner Fassung nach dem 1.7. 2010 den Pfändungsschutz auf sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, ausgedehnt hat, hat der BGH vor diesem Hintergrund darauf erkannt, dass die Einkünfte aus dem Nießbrauch des Insolvenzschuldners Pfändungsschutz genießen und daher nicht in die Insolvenzmasse fallen würden. Dabei ist der erkennende Senat der Auffassung gefolgt, dass die Regelungen der § 35 Abs. 1 InsO und § 850i ZPO auch Einkünfte aus „kapitalistischer Tätigkeit“ wie die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen im Wege der Vermietung und Verpachtung und dergleichen mehr beträfen, sofern diese Einkünfte selbstständig vom Insolvenzschuldner erwirtschaftet würden. Diese Auslegung folgt daraus, dass § 850i Abs. 1 S. 1 ZPO die Verknüpfung der Einkünfte mit der Arbeitskraft des Insolvenzschuldners nicht mehr vorsieht, sondern den Schutz der selbst erwirtschafteten Mittel des Lebensunterhaltes anstrebt.
9. Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch Das OLG Naumburg ⁹⁷ hat darüber zu entscheiden gehabt, welche Auswirkungen die Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch für das weitere grundbuchamtliche Verfahren hat. Fall 30: Der Insolvenzschuldner hatte ein Grundstück, als dessen Eigentümer er im Grundbuch eingetragen war, mit notariellem Vertrag an einen Erwerber veräußert. Der beurkundende Notar war mit dem Vollzug des Vertrages beauftragt worden und stellte nach § 15 GBO den Antrag, zugunsten des Erwerbers eine Auflassungsvormerkung vertragsgemäß in das Grundbuch einzutragen. Das Grundbuchamt erließ eine Zwischenverfügung mit der es den Hinweis gab, über das Vermögen des Veräußerers sei das Insolvenzverfahren eröffnet. Zwar sei der Insolvenzvermerk, der ins Grundbuch eingetragen gewesen worden sei, gelöscht, es bedürfe aber des Nachweises, dass der Insolvenzschuldner die Verfügungsmacht über das Grundstück wiedererlangt habe.
Das OLG Naumburg führt insoweit zutreffend aus, dass gegen die nach § 18 Abs. 1 GBO erlassene Zwischenverfügung des Grundbuchamtes die Beschwerde nach §§ 71 Abs. 1, 73 GBO statthaft und zulässig sei, es aber an ihrer Begründetheit fehle, weil allein die Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch noch nicht OLG Naumburg, Beschl. v. . . – Wx / – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
zwingend den Schluss darauf zulasse, dass der Insolvenzverwalter oder Treuhänder das Grundstück an den Insolvenzschuldner freigegeben habe. Denn während eines fortdauernden Insolvenzverfahrens ist stets vom Bestehen einer Verfügungsbeschränkung i.S.d. §§ 80, 81 InsO auszugehen. Nun fragt sich, was eigentlich hier zu geschehen habe, damit der grundbuchliche Vollzug der Eigentumsveräußerung stattfinden kann. Denn regelmäßig wird sich in der Grundbuchakte die Erklärung des Insolvenzverwalters finden, in der er die Freigabe erklärt. Ob – auf Kosten der Masse und damit der ungesicherten Gläubiger i.S.v. § 38 InsO – weitere Erklärungen des Insolvenzverwalters notariell beurkundet werden müssen, ist zweifelhaft.
10. Reichweite des Insolvenzbeschlags Mit Urteil vom Ende Februar 2013⁹⁸ hat der IX. Zivilsenat des BGH die Reichweite des Insolvenzbeschlags nach § 35 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 S. 1 InsO näher bestimmt. Fall 31: Der Insolvenzschuldner hatte den späteren Beklagten beauftragt, ihn in seiner wirtschaftlichen Krise zu beraten. Am 1. 2. 2008 leistete der Insolvenzschuldner einen Vorschuss von EUR 4.000 auf das Honorar des Beklagten und stellte am 4. 2. 2008 Eigenantrag. Während der Dauer des Eröffnungsverfahrens erbrachte der Beklagte tatsächlich Beratungsleistungen an den Insolvenzschuldner. Später machte der Insolvenzverwalter in dem über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffneten Insolvenzverfahren einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Vorschusses gegen den Beklagten geltend. Der IX. Zivilsenat hat die vom in der Vorinstanz verurteilten Beklagten eingelegte Revision für begründet erachtet. Der Insolvenzverwalter hatte geltend gemacht, der beklagte Berater habe nach Anordnung von Verfügungsbeschränkungen und seiner Bestellung im Eröffnungsverfahren als Zustimmungsverwalter nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 2. Var. InsO nicht mehr mit befreiender Wirkung durch Erbringung von Beratungsleistungen an den Insolvenzschuldner leisten können. Daher sei der Vorschuss zurückzuzahlen.
Dem ist der IX. Zivilsenat nun nicht gefolgt. Dabei setzt er bei der Reichweite der im Eröffnungsverfahren verhängten Verfügungsbeschränkungen an. Diese beziehen sich nach §§ 24 Abs. 1, 81, 82 InsO allein auf diejenigen Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzbeschlag erfasst würden. Insoweit kommt es darauf an, ob die Forderung, die dem Insolvenzschuldner gegen den beklagten Berater auf Erbringung von Beratungsleistungen zustand, Teil der Masse wäre. Dies lehnt der BGH ab. Zwar sähe § 613 S. 2 BGB einen Ausschluss der Übertragbarkeit von Ansprüchen auf Dienstleistungen nur im Zweifel vor, dies sei aber hier deshalb der Fall, weil die Beratungsleistungen an den Insolvenzschuldner persönlich inhaltlich gebunden seien. Daher komme eine BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
III. Insolvenzmasse
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Übertragbarkeit der Forderung mit der Folge des § 851 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht, so dass diese Forderung nicht pfändbar und folglich nach § 36 Abs. 1 S. 1 InsO nicht dem Insolvenzbeschlag unterworfen sei. Zwar hat der IX. Zivilsenat des BGH Ausnahmen von § 851 Abs. 1 ZPO dort zugelassen, wo aufgrund einer Abwägung der schutzwürdigen Belange von Schuldner und Gläubiger ausnahmsweise eine Pfändbarkeit höchstpersönlicher Forderungen zuzulassen sei.⁹⁹ Eine solche Ausnahme liege hier aber deshalb nicht vor, weil die Übertragung des Anspruchs auf Beratungsleistungen die Befriedungsaussichten der Gläubiger nicht verbessert hätte. Geht man isoliert von § 36 InsO aus, mag die Entscheidung etwas für sich haben. So hat der IX. Zivilsenat – durchaus überzeugend – ausgeführt, bei der Leistung des Vorschusses sei nicht im Voraus über einen Anspruch des Insolvenzschuldners und damit der künftigen Masse auf Rückzahlung verfügt worden. Während in Ansehung des § 36 InsO die Überlegung des IX. Zivilsenats durchaus etwas für sich hat, dass der Insolvenzschuldner den Vergütungsanspruch des beklagten Beraters im Umfang der späteren Abrechnung durch seinen Vorschuss erfülle, ist damit doch aber jedenfalls die Frage in anfechtungsrechtlicher Hinsicht noch nicht beantwortet. Denn die liquiden Mittel, die der Insolvenzschuldner mit dem Vorschuss ausgegeben hat, wurden evident in der kritischen Zeit nach §§ 130, 131 InsO ausgegeben. Allerdings konnte im vorliegenden Fall der Kläger, der nach einer Abtretung der Ansprüche vom Insolvenzverwalter vorgegangen war, die sich auf Ansprüche wegen Insolvenzanfechtung nicht erstreckte, keine Ansprüche nach den §§ 129, 130, 131, 143 Abs. 1 InsO geltend machen, da er hierzu nicht aktiv legitimiert war.
11. Massezugehörigkeit kassenärztlicher Zulassungen? Das BVerfG ¹⁰⁰ hat darauf erkannt, dass die kassenärztliche Zulassung als höchstpersönliches Recht kein Teil der Insolvenzmasse ist und daher nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO unterfällt. Fall 32: Die Schuldnerin war eine GmbH, die den Betrieb eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) zum Unternehmensgegenstand hatte. Von der kassenärztlichen Vereinigung war ihr am 27.4. 2009 die im Jahr 2008 erteilte Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung entzogen worden. Die Klagen bzw. Berufung und Revision gegen die Entziehung der
BGH, Urt.v. . . – IX ZR / – BGHZ , ; Beschl.v. . . – IX ZB / – BGHZ , , . BVerfG, Beschl. v. . . – BvR / – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
Zulassung blieben erfolglos. Am 1.4. 2012 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beschluss der Kammer lässt nicht erkennen, wann Antrag gestellt worden ist und was bis zu der Verfahrenseröffnung und der Bestellung des Insolvenzverwalters, der die bereits von der Insolvenzschuldnerin eingelegte Verfassungsbeschwerde weiterführte, geschehen ist. Am 30.6. 2012 wurden die vertragsärztliche Tätigkeit im MVZ eingestellt und die Arbeitsverträge mit den angestellten Ärzten gekündigt. Mit Beschluss vom 1.8. 2012 wurde die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit der angestellten Ärzte mit Wirkung zu dem Zeitpunkt ihrer Kündigung vom Zulassungsausschuss festgestellt.
Die 2. Kammer des Ersten Senats führt aus, der Insolvenzverwalter sei als Partei kraft Amtes befugt, Verfassungsbeschwerden zu erheben. Er müsse berechtigt sein, die gerügten Grundrechtsverstöße eigenständig als Partei kraft Amtes geltend zu machen. Die prozessuale Handlungsfähigkeit scheitere hier aber daran, dass der Insolvenzverwalter nicht materiell handlungsfähig sei,weil die Zulassung als Vertragsarzt höchstpersönlicher Natur und deshalb nicht übertragbar sei. Dies sei auch dann der Fall, wenn sie einem medizinischen Versorgungszentrum in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts erteilt worden sei. Denn der vertragsärztliche Teilnahmestatus des MVZ setzt voraus, dass die in ihm tätigen Ärzte die entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen, die höchstpersönlicher Natur sind, erfüllen. Gegen die Entscheidung des BVerfG sprechen gewichtige Gründe: Mit der Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses ist rückwirkend zu dem gem. § 91 Abs. 1 InsO im Eröffnungsbeschluss angegebenen Zeitpunkt das gesamte pfändbare Vermögen einschließlich aller im Besitz des Insolvenzschuldners befindlichen Sachen und der von ihm genutzten Grundstücke oder Gebäude beschlagnahmt.¹⁰¹ § 35 Abs. 1 InsO enthält die Legaldefinition der Insolvenzmasse. Nach dieser Vorschrift erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Insolvenzschuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Die Beschlagnahme beruht auf einem staatlichen Hoheitsakt, erlassen durch das zuständige Insolvenzgericht. Dementsprechend verändert sich die Stellung des Insolvenzschuldners gegenüber seinem eigenen Vermögen. Insbesondere verliert er nach den §§ 80 ff. InsO das Recht, sein Vermögen zu verwalten oder darüber zu verfügen sowie sein Vermögen betreffende Prozesse zu führen¹⁰², obwohl er Eigentümer seines bisherigen Vermögens bleibt¹⁰³. Der Insolvenzbeschlag erstreckt sich auf Vermögensrechte, wegen derer die Rechtszuständigkeit des Insolvenzschuldners begründet ist, nachdem ihr
Mothes, Die Beschlagnahme nach Wesen, Arten u. Wirkungen, , ff.; MünchKommPeters, § InsO, Rn. ff. LSZ-Smid, § InsO, Rn. . Uhlenbruck-Hirte, § InsO, Rn. ; MünchKomm-Peters, § InsO, Rn. .
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Erwerb bis zum Ende des Insolvenzverfahrens abgeschlossen ist.¹⁰⁴ Nutzungsbefugnisse aus Miet-, Pacht- und Leasingverträgen fallen regelmäßig in die Masse in dem über das Vermögen des Mieters, Pächters oder Leasingnehmers eröffneten Insolvenzverfahren.¹⁰⁵ Soweit – was regelmäßig der Fall ist – vertraglich die Unübertragbarkeit dieser Rechte vereinbart ist, kann außer der weiteren Nutzung durch den Insolvenzverwalter (vgl. §§ 148 ff. InsO) keine anderweitige Verwertung dieser Nutzungsrechte erfolgen. Software (EDV-Programme), über die der Insolvenzschuldner aufgrund von Überlassungsverträgen (Lizenzen) verfügt, fallen im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen bzw. des Urheberrechts in die Masse.¹⁰⁶ Gemäß § 159 InsO hat der Insolvenzverwalter nach dem Berichtstermin unverzüglich das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten. Gegenstand der Verwertung sind die zur Soll-Masse zählenden Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners.¹⁰⁷ Zur Ist-Masse gehören weiterhin unübertragbare Forderungen, § 399 2. Hs. BGB, § 851 ZPO, deren Sicherung besonders im Wege der Einziehung nach Verfahrenseröffnung in die Rechtszuständigkeit des Insolvenzverwalters fällt, nicht aber deren Verwertung.¹⁰⁸ Hängt die Ausübung des Gewerbes des schuldnerischen Unternehmens von einer Konzession ab, liegt auf der Hand, dass damit der Entzug der Konzession sich als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Insolvenzschuldners darstellt. Der Gewerbetreibende hat, durch die höchstrichterliche Rechtsprechung seit mehr als einhundertzwanzig Jahren anerkannt, ein deliktsrechtlich als sonstiges Recht gem. § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Recht an dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dieser Eingriff mag sich als rechtmäßig erweisen. Es obliegt aber dem Insolvenzverwalter, das schuldnerische Vermögen zu verwalten. Die in § 157 S. 1 InsO eröffnete Entscheidung über Stilllegung oder Fortführung des schuldnerischen Unternehmens wird durch § 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO offengehalten: auch der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungsbefugnis über das schuldnerische Unternehmen in vollem Umfang übergeht, darf im Eröffnungsverfahren das Unternehmen als Ganzes oder Betriebsteile nur dann stilllegen, wenn durch die Fortführung die Masse erhebliche Einbußen erleiden würde. Dies gilt umso mehr für den Ermächtigungsverwalter nach § 22 Abs. 2 InsO
Pech, Die Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse, , ; K/B-Holzer, § Rn. f.; Braun/Bäuerle, § Rn. f. Baumgarte, Leasing-Verträge über bewegliche Sachen im Konkurs, , passim; Jaeger/ Henckel, § InsO, Rn. ; MünchKomm-Peters, § InsO, Rn. f. LSZ-Smid, § InsO, Rn. . LSZ-Smid, § InsO, Rn. . LSZ-Smid, § InsO, Rn. .
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und den vorläufigen Zustimmungsverwalter; beide dürfen die Fortführung des Unternehmens nicht behindern. Bis zum Berichtstermin begrenzt § 158 InsO die Befugnis des Insolvenzverwalters zur Stilllegung.¹⁰⁹ Hier könnte nun damit argumentiert werden, die Entscheidung über eine Stilllegung stelle sich für die Gläubigerversammlung im Berichtstermin überhaupt nicht mehr, da mit dem Entfallen der kassenärztlichen Zulassung die Voraussetzungen eines legalen medizinischen Betriebes beseitigt worden wären. Diese Argumentation geht aber an der Grundstruktur insolvenzrechtlicher Optionen der Entscheidungsbefugnisse der Organe der Gläubigerselbstverwaltung vorbei. Denn die Gläubigerversammlung entscheidet nicht allein über Fortführung oder Stilllegung des schuldnerischen Unternehmens, sondern auch über die Sanierung und Rettung des Unternehmensträgers oder die Beauftragung des Insolvenzverwalters mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen aber auch der Unternehmensträger, eine natürliche Person, eine Personenhandelsgesellschaft oder eine juristische Person saniert werden. Da die Unternehmensträgersanierung ein erfolgreiches Insolvenzplanverfahren voraussetzt, muss es, soll das Insolvenzplanverfahren überhaupt eine nennenswerte Bedeutung erhalten, möglich sein, mit Hilfe des Insolvenzplans bestimmte Mängel der bisherigen Unternehmenssanierung zu überwinden. Letztere war bisher vor allen Dingen problematisch, wenn entweder wegen der Größe des Unternehmens oder wegen rechtlicher Besonderheiten eine Veräußerung sämtlicher Vermögensgegenstände nicht unbedingt die Unternehmensübertragung als solche bedeutet hatte. Z. B. war es bei der Übertragung besonders großer Unternehmen tatsächlich schwierig, sämtliche zu übertragenden Vermögenswerte genau auf einen bestimmten Zeitpunkt zu erfassen und zu bewerten. Auch lassen sich bestimmte Vermögenswerte oder vermögenswerte Positionen nicht bzw. nicht gegen den Willen der Betroffenen übertragen, wie z. B. Ansprüche aus Mietverhältnissen, bestimmte immaterielle Rechte, Lizenzen und dergleichen. Zugleich hatten Verfahrensbeteiligte, insbes.Vertragspartner, für den Fall der juristischen Beendigung des Insolvenzschuldners die Möglichkeit, sich einseitig von diesem zu lösen, in dem etwa Lieferbeziehungen, Mietverhältnisse, Bauaufträge etc. gekündigt oder beendet wurden. Wenn man der Unternehmenssanierung durch Insolvenzplan derartige Schwächen nähme, hätte dies gleichzeitig erhebliche Bedeutung für Inhalt und Reichweite zu erstellender Pläne. Diese Option werterhaltender Maßnahmen der Gläubigerversammlung hat der Konzessionsentzug abgeschnitten. Hier stellt sich wegen der fehlenden Verwertbarkeit der Konzession die Frage, ob es sich in Ansehung der Konzession um Aufgaben des Insolvenzverwalters han-
LSZ-Smid, § InsO, Rn. .
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delt, die ihm aus der Verwaltung der sogenannten Ist-Masse erwachsen. Unter der Ist-Masse versteht man danach die Summe aller Vermögensgegenstände, die der Insolvenzverwalter beim Insolvenzschuldner vorfindet und die er gem. § 148 InsO „in Besitz“ zu nehmen verpflichtet ist.¹¹⁰ Der Begriff der Ist-Masse verweist daher auf die Sicherungsfunktion des Eröffnungsbeschlusses und auf die vom Insolvenzverwalter wahrzunehmenden Sicherungsaufgaben, und zwar gerade auch gegenüber denjenigen dinglich berechtigten Gläubiger, die vermeintliche Herausgabeansprüche wegen Gegenständen in der Ist-Masse geltend machen. Denn es gehört geradezu zu dem typischen Erscheinungsbild der Insolvenz des Schuldners, dass es zum concursus creditorum – dem „Zusammenlaufen“ der Gläubiger kommt. Gegenüber dem Insolvenzverwalter werden in dieser Lage die unterschiedlichsten Forderungen erhoben, die bis zur Prüfung der Sach- und Rechtslage vom Insolvenzverwalter abgewehrt werden müssen, um unberechtigte Abflüsse aus dem „den Gläubigern“ haftenden (§ 1 S. 1, 1. Halbs. InsO) Vermögen zu verhindern. § 35 InsO bestimmt, dass alle Vermögenswerte des Insolvenzschuldners vom Insolvenzbeschlag erfasst werden. Denn es können z. B. Dritte als Inhaber von Aussonderungsansprüchen nicht ohne vorherige Prüfung der Berechtigung durch den Insolvenzverwalter die Herausgabe von Sachen verlangen. Soweit Pfändungsschutz besteht, gehören die davon erfassten Gegenstände mit den in § 36 Abs. 2 InsO genannten Ausnahmen nicht zu der zu verwaltenden und zu verwertenden Soll-Masse. Diese Gegenstände unterliegen weiterhin der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzschuldners. Der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterworfen sind zunächst auch Gegenstände, die für die Gläubiger des Insolvenzschuldners nicht von Nutzen sind oder sogar einen negativen Wert verkörpern. Zu denken ist insbesondere an Gegenstände, die dem Insolvenzschuldner nicht gehören, die bis zum Verkehrswert mit Absonderungsrechten belastet sind oder die einen solchen Verkehrswert gar nicht haben und für den Insolvenzverwalter lästige Pflichten oder Kosten mit sich bringen. Zu denken ist an wertlose Grundstücke, die Grundsteuern, Heizung und andere Kosten verursachen, oder Grundstücke, auf denen Sondermüll gelagert ist,¹¹¹ wie z. B. vorhandener Atommüll, weiterhin wertlose Kraftfahrzeuge, die Steuern kosten, oder leichtverderbliche Ware, die einem Dritten gehört. So ist die Entscheidung des BVerfG schon erstaunlich. Roma locuta causa finita. Richtig erscheint diese Entscheidung nicht.
Uhlenbruck-Hirte, § InsO, Rn. ; vgl. auch: Jaeger, Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts, . Aufl. , § , (S. ff.). Vgl. BVerwG, Urt. v. . . – C / – NJW , .
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12. Massezugehörigkeit von Berufsunfähigkeitsrenten Das LG Köln ¹¹² hat mit seiner Entscheidung über die Reichweite des Insolvenzbeschlages in einem über das Vermögen einer natürlichen Person eröffneten vereinfachten Insolvenzverfahren zu entscheiden gehabt. Fall 33: Der Insolvenzschuldner verfügte über Einkommen aus zwei Berufsunfähigkeitsversicherungen, aus denen er nach Eintritt des Versicherungsfalls zwei Renten in monatlicher Höhe von EUR 2.400 zu beanspruchen hatte. Allerdings sind derartige Rentenansprüche unpfändbar gem. § 850b Nr. 1 ZPO. Nach § 850b Abs. 2 ZPO kann die Pfändbarkeit einer wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichtenden Rente – wie der hier gegenständlichen Berufsunfähigkeitsrente des Insolvenzschuldners – angeordnet werden. Das AG Siegen hatte als das zuständige Insolvenzgericht nach § 36 Abs. 4 InsO diese Anordnung nach § 850b Abs. 2 ZPO unter gleichzeitiger Zusammenrechnung der Renten als pfändbares und damit als Neuerwerb vom Insolvenzbeschlag nach § 35 Abs. 1 InsO erfasstes Einkommen des Insolvenzschuldners angeordnet. Diese Anordnung führt grundsätzlich dazu, dass der Insolvenzverwalter bzw. im vorliegenden Fall der Treuhänder den pfändbaren Betrag zur Masse zu ziehen berechtigt und verpflichtet ist. Im vorliegenden Fall indes hatte der Insolvenzschuldner 13 Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen, die 1985 und 1986 geschlossen worden waren und als Lebensversicherungen Leistungen auf den Todesfall des späteren Insolvenzschuldners vorsahen, an seine Ehefrau abgetreten. Diese machte nun gegen die Versicherung als Beklagte Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu den Lebensversicherungen geltend. Denn ihr Ehemann habe ihr 1998 auch insoweit die Ansprüche aus den Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen geschenkt und abgetreten.
Das LG Köln geht zutreffend davon aus, dass diese Abtretung von Anfang an absolut unwirksam war. Denn § 400 BGB ordnet an, dass eine Abtretung unwirksam ist, wenn die Forderung, die zediert werden soll, nicht gepfändet werden kann. Insofern führt § 850b Nr. 1 ZPO dazu, dass Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit nicht abgetreten werden können.¹¹³ Es entspricht höchstrichterlicher Judikatur und herrschender Meinung, dass § 400 BGB die absolute Unwirksamkeit der Abtretung zur Folge hat. Das LG Köln hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf erkannt, dass die Pfändbarerklärung nach § 850b Abs. 2 ZPO nicht etwa rückwirkend dazu führt, dass die entgegen § 400 BGB erfolgte Abtretung von Berufsunfähigkeitsrenten zu deren Wirksamkeit geführt habe. Denn die Entscheidung nach § 850b Abs. 2 ZPO beruht auf einer Interessenabwägung, die auf der einen Seite die Position des Insolvenzschuldners in den Blick nimmt, auf der anderen Seite die Interessen des betreibenden Zwangsvollstreckungsgläubigers berücksichtigt. Nur soweit die Pfändbarerklärung nach § 850b Abs. 2 ZPO nicht dazu führt, dass die durch den Entzug der Rente ge-
LG Köln, Urt. v. . . – O / – ZInsO , . BGH, Urt. v. . . – IV ZR / – NJW , , Tz. .
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schützten Unterhaltsinteressen des Insolvenzschuldners verletzt und dieser ggfls. öffentlicher Fürsorge anheimgestellt wird, überwiegt das Interesse des betreibenden Gläubigers daran, auf die relativ unpfändbaren Rentenbezüge aus der Berufsunfähigkeitsversicherung Zugriff nehmen zu können. Eine solche Abwägung nimmt auch das Insolvenzgericht bei seiner Entscheidung nach § 36 Abs. 4 InsO vor. Dabei allerdings stellt es in die Abwägung die Gesamtinteressen der Gläubigerschaft auf Verwirklichung der Haftung des Insolvenzschuldners ein. Im Ergebnis allerdings ist die Struktur dieser Abwägung von der des Vollstreckungsgerichts im Individualzwangsvollstreckungsverfahren nicht unterschieden. Ein Interesse des Zessionars daran, dass die Berufsunfähigkeitsrente wirksam an ihn abgetreten werden könne, ist dabei unerheblich. Denn der Zessionar (im vorliegenden Fall die Klägerin) hat – wie § 400 BGB i.V.m. § 850b Abs. 1 ZPO zeigt – von Gesetzes wegen gerade kein schützenswertes Interesse. Im vorliegenden Fall hatte aber der Insolvenzschuldner und Versicherungsnehmer den Beschluss des Insolvenzgerichts, mit dem dieses die Pfändbarkeit und damit den Insolvenzbeschlag über die Berufsunfähigkeitsrenten angeordnet hatte – angefochten, was zu einem Beschluss des LG Siegen geführt hatte, in dem dieses die Zusammenrechnung der monatlichen Einkünfte deshalb aufgehoben hatte, weil die zunächst unwirksame Abtretung an die Klägerin durch die Anordnung der Pfändbarkeit rückwirkend wirksam geworden sei. Diese Entscheidung hinderte die Kammer im vorliegenden Prozess aber nicht an ihrem Urteil. Denn der Beschluss des LG Siegen wirkte nicht in der Weise Rechtskraft, dass eine widersprechende Entscheidung ausgeschlossen gewesen wäre. Die Rechtskraft wirkt nur inter partes gem. § 322 ZPO; die klagende Ehefrau des Insolvenzschuldners und Versicherungsnehmers war aber an den Beschwerdeverfahren auf die Erklärung hin nicht beteiligt gewesen.
13. Massezugehörigkeit des Eigengeldes des Strafgefangenen Die Reichweite des Insolvenzbeschlages wird nach § 36 Abs. 1 InsO durch den Verweis auf die Grenzen der Lohn- und Gehaltspfändung bestimmt, die in den §§ 850 ff. ZPO normiert sind. Die Pfändungsschutzvorschriften und damit die Begrenzung der vom Insolvenzbeschlag erfassten Masse sind geeignet, die Befriedigung der Gläubiger nachdrücklich zu gefährden. Es liegt daher nahe, dass nach der Anwendung der Pfändungsfreigrenzen auf besondere Formen der Erwerbsquellen eines Schuldners gefragt wird. Seit langer Zeit wird dabei das Augenmerk auf das Eigengeld gerichtet, das durch Gutschriften von Arbeitsentgelt aus der Ausübung der dem arbeitspflichtigen Strafgefangenen zugewiesenen
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Arbeit herrührt. Mit seiner Entscheidung aus dem Juni 2013¹¹⁴ hat der IX. Zivilsenat des BGH im Anschluss an seine frühere Judikatur¹¹⁵ darauf erkannt, dass die Pfändungsgrenzen der §§ 850c, 850 f, 850k ZPO auf das Eigengeld des Strafgefangenen keine Anwendung finden. Fall 34: Der Schuldner befand sich in Strafhaft. Er erhielt ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von EUR 240,00, von dem ihm auf seinem Hausgeldkonto EUR 102,00 gutgeschrieben wurden. Weitere EUR 138,00 wurden ihm auf seinem Eigengeldkonto gutgeschrieben. Im Übrigen war das Überbrückungsgeld gem. § 52 BadWürttJVollzGB III schon angespart. Da der Schuldner Ausgang wahrnehmen kann und sich auf Arbeitssuche befindet, hatte er beim Insolvenzgericht beantragt, ihm das Eigengeld pfändungsfrei zu belassen. Gegen die abweisende Entscheidung des Insolvenzgerichts legte er erfolgreich Beschwerde ein. Das LG meinte, in Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung im JVollzGB sei eine entsprechende Anwendung des § 850 f Abs. 1 ZPO zum Zwecke der Wiedereingliederung des Strafgefangenen schon deshalb geboten, weil er bereits die Ausgaben nicht mit dem Hausgeld decken könne, die seine Ausgaben für Jahreszeit angemessene Kleidung beträfen.
Dem ist der IX. Zivilsenat des BGH auf die Rechtsbeschwerde des Treuhänders entgegengetreten. Dabei nimmt er folgende Differenzierungen vor: der Strafgefangene habe zunächst einen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Dieser sei nach § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 399 BGB wegen der ihm innewohnenden Zweckbindung unpfändbar, so dass dieser nicht dem Insolvenzbeschlag, § 36 Abs. 1 InsO unterliege. Eine Anordnung des Vollstreckungsgerichts über das Insolvenzgericht sei insoweit nicht erforderlich. Dieser Anspruch richte sich aber nicht auf Barauszahlung, sondern vielmehr auf Gutschrift auf dem Hausgeldkonto, auf dem 3/7, und dem Eigengeldkonto, auf dem 4/7 des Arbeitsentgeltes gutzuschreiben sind.¹¹⁶ Wird der Anspruch gutgeschrieben, erlösche er nach § 362 Abs. 1 BGB analog. Dem Strafgefangenen stehe indes nach § 63 Abs. 2 BadWürttJVollzGB III ein Anspruch auf Auszahlung des gutgeschriebenen Eigengeldes zu. Dieser Anspruch sei,wie der IX. Zivilsenat im Anschluss an seine bisherige Judikatur feststellt, nach § 829 ZPO pfändbar. Folglich unterliege er nach § 35 Abs. 1 InsO dem Insolvenzbeschlag. Voraussetzung sei, dass nach § 52 Abs. 1 BadWürttJVollzGB III das Überbrückungsgeld angespart ist – was hier der Fall war. Die Pfändbarkeit des Anspruchs auf Auszahlung des Eigengeldes werde auch nicht durch § 851 ZPO ausgeschlossen oder beschränkt. Denn der Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen erlösche mit der als Arbeitseinkommen geschuldeten Forderung – dies sei aber mit der Gutschrift des Arbeitsentgelts der Fall. Der IX. Zivilsenat lehnt es insoweit ab, § 850c
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – NZI , . BGH, Beschl. v. . . – IXa ZB / – BGHZ , . BGH, Beschl. v. . . – IXa ZB / – BGHZ , , .
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ZPO analog auf den Anspruch des Strafgefangenen auf Auszahlung des Eigengeldes anzuwenden. Denn die sozialen Gründe, die dafür sprechen, dem „in Freiheit lebenden Schuldner“ – so wörtlich der IX. Zivilsenat – einen Teil seines Arbeitseinkommens zu belassen, griffen bei einem Strafgefangenen nicht ein. Soweit es nämlich darum geht, dass die Bedürfnisse des Strafgefangenen aus Unterkunft,Verpflegung, notwendiger Kleidung und Gesundheitsfürsorge gedeckt werden, werde hierfür bereits allgemein Sorge getragen, ohne dass es auf das Arbeitsentgelt des Strafgefangenen ankäme. Das Hausgeld, das zur Deckung seines Lebensbedarfs eingesetzt wird, sei darüber hinaus nach überwiegender Meinung unpfändbar. All dies gelte aber nicht für das Eigengeld. Der IX. Zivilsenat stellt zutreffend fest, dass § 765a ZPO nicht etwa über § 4 InsO zu einer anderen Bewertung führe. Denn es ginge hier nicht darum, Rechte des Insolvenzschuldners schwerwiegender und insolvenzuntypischer Beeinträchtigung zu schützen.
14. Verschleiertes Arbeitseinkommen Insbesondere in der Insolvenz selbständiger natürlicher Personen spielt nicht selten die Frage eine Rolle, wieweit „verschleiertes Arbeitseinkommen“ dem Insolvenzbeschlag nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO unterfällt und daher vom Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO geltend gemacht werden kann. Hierüber hat das BAG ¹¹⁷ zu entscheiden gehabt. Fall 35: Der Beklagte betrieb einen Lebensmitteleinzelhandel, in dem er seinen Vater beschäftigte. Gegen den Vater hatte die Klägerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, der dem Beklagten zugestellt wurde. Gepfändet wurde das gesamte Arbeitseinkommen einschl. einer angemessenen Vergütung nach § 850 h Abs. 2 ZPO sowie künftig fällig werdende Ansprüche. Später wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vaters eröffnet. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Der Treuhänder des schuldnerischen Vaters hatte eine Freigabeerklärung abgegeben.
Bei der Klage des Vollstreckungsgläubigers gegen den Drittschuldner handelt es sich um eine Klage auf künftige Leistungen nach § 259 ZPO, die schon wegen der Regelung des § 832 ZPO erhoben werden kann, wie der VI. Senat des BAG überzeugend feststellt. Nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO kommt in dem über das Vermögen des Arbeitnehmers (hier: des Vaters) eröffneten Insolvenzverfahren § 850 h Abs. 2 ZPO mit der Folge zur Anwendung, dass die Masse um den pfändbaren Teil des verschleierten Arbeitseinkommens erweitert wird. Soweit nach § 850 h Abs. 2 ZPO vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam (§ 88 InsO) verschleiertes Arbeits BAG, Urt. v. . . – AZR / – ZIP , .
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einkommen gepfändet worden ist, greift § 114 Abs. 3 InsO¹¹⁸ ein, so dass nach Ablauf der dort genannten Zeiträume der gepfändete Betrag der Gläubigergemeinschaft unter Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Verfügung steht. § 804 Abs. 3 ZPO (das Prioritätsprinzip) wird dann durch die par conditio creditorum abgelöst. Hier hatte aber der Treuhänder das verschleierte Arbeitseinkommen an die Zwangsvollstreckungsgläubigerin im Wege einer modifizierten Freigabe freigegeben. Das BAG hält diese Freigabe gem. § 314 InsO für insolvenzgemäß. Denn zum einen könne die Zwangsvollstreckungsgläubigerin die – wie im vorliegenden Fall durch Einsatz eines Detektives – regelmäßig unter Einsatz erheblicher Aufwendungen das Vorliegen verdeckten Arbeitseinkommens ermittelt hat, auf dieser Grundlage erfolgversprechend gegen den Insolvenzschuldner vorgehen, während dies ansonsten durch die vom Treuhänder zu führenden Prozesse sehr häufig nur unter sehr erheblichen finanziellen Aufwendungen der Masse möglich sei.
15. P-Konto Der VII. Zivilsenat des BGH ¹¹⁹ hat über die Voraussetzungen zu entscheiden gehabt, unter denen der Zwangsvollstreckungsgläubiger die Herausgabe derjenigen Nachweise vom Schuldner bzw. vom Drittschuldner verlangen kann, die notwendig sind, um den Umfang der sich auf dem P-Konto befindenden Pfändungsfreibeträge feststellen zu können. Fall 36: Mit antragsgemäß erlassenem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss waren Ansprüche des Schuldners gegen die drittschuldnerische Bank auf Auszahlung des Guthabens auf einem Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO gepfändet und überwiesen worden. Den Antrag des Gläubigers, eine Anordnung zu erlassen, der Schuldner habe an den Gläubiger die Nachweise herauszugeben, die zur Erhöhung der Pfändungsfreibeträge gem. § 850k Abs. 2, 5 S. 2 ZPO führen, hatte das Vollstreckungsgericht abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wurde vom Beschwerdegericht zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.
Der VII. Zivilsenat geht von § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO aus, der den Schuldner dazu verpflichtet, dem Gläubiger diejenigen Auskünfte zu erteilen, die zur Einziehung der gepfändeten Forderung nötig sind. Darüber hinaus hat er diejenigen Urkunden herauszugeben, die ihm über die Forderung vorliegen. Anders als der Arbeitgeber als Drittschuldner verfüge das kontoführende Institut bei der Pfändung vom Ar-
Mit Wirkung vom . . durch Gesetz vom . . (BGBl. I S. ) aufgehoben, so dass § InsO eingreift. BGH, Beschl. v. . . – VII ZB / – ZIP , .
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beitseinkommen nicht über Kenntnisse, aufgrund derer die pfandfreien bzw. der Umfang der pfändbaren Beträge ermittelt werden kann. Vielmehr müsse der Schuldner durch Bescheinigungen seines Arbeitgebers, der Familienkasse des Sozialleistungsträgers oder anderer Stellen (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) den Nachweis dafür erbringen, dass das Guthaben von der Pfändung nicht erfasst ist, wie der erkennende Senat feststellt. Um umgekehrt aus der Sicht des Gläubigers die Einziehung der auf dem Konto gebuchten Beträge betreiben zu können, bedarf der Gläubiger der Unterlagen, aus denen sich die Reichweite des Pfändungsschutzes des auf dem P-Konto gebuchten Betrages ergibt, so dass nach zutreffender Auffassung des VII. Zivilsenats die in § 850 k Abs. 5 S. 2 genannten Bescheinigungen unter die dem Gläubiger nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO herauszugebenden Unterlagen fallen. Daher könne der Gläubiger verlangen, dass die Verpflichtung des Schuldners zur Herausgabe der bei ihm vorhandenen Nachweise, aus denen sich der Umfang der Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto ergeben, in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgenommen wird. Dies könne – wie der Senat überzeugend ausführt – durch die Herausgabe von Kopien erfüllt werden.
16. Massezugehörigkeit (Pfändbarkeit) von Informationsrechten des GmbH-Gesellschafters Mit Beschluss vom Ende April 2013¹²⁰ hat der VII. Zivilsenat des BGH über die Pfändbarkeit des Auskunftsanspruchs eines GmbH-Gesellschafters nach § 51a GmbHG zu entscheiden gehabt. Fall 37: Auf Antrag der betreibenden Gläubigerin hatte das AG als Vollstreckungsgericht gegen den Schuldner einen Beschluss erlassen, mit dem dessen Geschäftsanteile an einer GmbH – der Drittschuldnerin – gepfändet wurden. Darüber hinaus wurden auch die Ansprüche auf Erteilung von Auskunft über die Angelegenheiten der Drittschuldner und Einsicht in deren Bücher und Schriften gem. § 51a GmbHG gepfändet.
Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die betreibende Gläubigerin die Wiederherstellung des durch das Beschwerdegericht aufgehobenen Beschlusses. Da Ansprüche nach § 51a GmbHG nicht übertragbar i.S.v. § 851 Abs. 1 ZPO sind, ist die Pfändung dieser Nebenrechte nach § 857 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Denn es handelt sich bei ihnen um Ausfluss der Gesellschafterstellung¹²¹, die von dieser untrennbar sind. Die Pfändung des Geschäftsanteils erfasst diese Ansprüche
BGH, Beschl. v. . . – VII ZB / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – II ZR / – ZIP , .
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nicht. Daher erstreckt sich die Pfändung des Gesellschaftsanteils als quasi – Hauptforderung – nicht gemäß §§ 412, 401 BGB zugleich auf das Nebenrecht aus § 51a GmbHG. Im Übrigen hat der erkennende Senat zutreffend ausgeführt, auch eine Anwendung des § 836 Abs. 3 ZPO komme nicht in Betracht, da diese Vorschrift auf die Auskunftserteilung und Herausgabe von solchen Urkunden, die sich in Besitz des Schuldners befinden, gerichtet sei.
17. Prozessführungsbefugnis nach § 93 InsO Das Kammergericht ¹²² hat darüber zu entscheiden gehabt, ob der in dem über das Vermögen des Rechtsnachfolgers einer Personengesellschaft eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter analog § 93 InsO dazu prozessführungsbefugt ist, Ansprüche eines Gläubigers der Gesellschaft gegen einen ausgeschiedenen persönlich haftenden Gesellschafter geltend zu machen. Fall 38: Die Klägerin hatte als Vermieterin die H. KG als Gewerbemieterin einer von ihr vermieteten Fläche klageweise in Anspruch genommen. Nach Auflösung der H KG und ihrer Löschung im Handelsregister wurde ihr Unternehmen von der Beklagten zu 1 unter deren Firma übernommen. Die Klägerin nahm die Beklagte zu 1 und den Komplementär der H KG in Anspruch. Über das Vermögen der Beklagten zu 1 und des Komplementärs der aufgelösten und gelöschten H KG ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Unter Berufung auf eine vorherrschende Meinung in der Kommentarliteratur hat das KG darauf erkannt, dass in dem über das Vermögen des Rechtsnachfolgers der Gesellschaft eröffneten Insolvenzverfahrens (wie das KG meint: analog) § 93 InsO die Ansprüche von Gläubigern der Gesellschaft auch gegen ausgeschiedene persönlich haftende Gesellschafter vom Insolvenzverwalter geltend zu machen seien.
18. Prozesskostenhilfe Die Prozessführung durch den Insolvenzverwalter ist kostenaufwendig und kann sehr häufig von der Masse nicht finanziert werden – weshalb der Insolvenzverwalter entweder eine Prozessfinanzierung oder Prozesskostenhilfe in Anspruch nimmt. Setzt er sich bei der Inanspruchnahme der ersten Alternative (allerdings zu
KG, Urt. v. . . – U / – ZIP , .
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Unrecht)¹²³ dem Vorwurf eines insolvenzzweckwidrigen Verhaltens aus, führt die Bemühung um Gewährung von Prozesskostenhilfe häufig zu riskanten Lagen, die eine Vereitelung der Rechtsverfolgung drohen eintreten zu lassen. Fall 39:¹²⁴ Nach Abweisung der vom Insolvenzverwalter der GmbH gegen den früheren Gesellschafter auf Zahlung eines restlichen Einlagebetrages in Höhe von EUR 13.000 erhobenen Klage, hatte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten nach Eingang des Urteils am 29.11. 2010 mit Schriftsatz vom 22.12. 2010, der am 27.12. 2010 beim Berufungsgericht einging, Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung beantragt. Das LG hatte wegen fehlender Erfolgsaussichten für die erste Instanz die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt. Erst auf die sofortige Beschwerde hin bewilligte das Berufungsgericht die Prozesskostenhilfe. In dem Schriftsatz vom 22. 12. 2010 wurde näher ausgeführt, dass sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Masse nichts gegenüber den Zuständen bei Klageerhebung geändert habe und auf welchen tatsächlichen Verhältnissen dies beruhe. Weiter war der Antragsschrift der ausformulierte Entwurf einer Berufung und Berufungsbegründung mit dem Entwurf eines Wiedereinsetzungsantrages beigefügt, wobei dieser Entwurf nicht unterschrieben war. Am 10. 5. 2011 wurde der Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussichten zurückgewiesen. Denn das Berufungsgericht war der Ansicht, die nach der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag eingelegte und begründete Berufung wäre als unzulässig zu verwerfen, da die am 31.1. 2011 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist verstrichen sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren. Denn die Versäumung von Berufungsfrist und Berufungsbegründungsfrist beruhe nicht auf dem Unvermögen des Klägers, die Kosten für die Durchführung der Berufung aus der Insolvenzmasse zu finanzieren, da der klagende Insolvenzverwalter selber Rechtsanwalt sei. Daher sei es ihm unschwer möglich gewesen, die von ihm angestrebte Berufung selbst einzulegen. Nachdem der Kläger sich hiergegen wandte und Antrag auf Wiedereinsetzung, der durch das Berufungsgericht zurückgewiesen wurde, gestellt hatte, legte er Rechtsbeschwerde ein.
Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde richtet sich nach den §§ 574 Abs. 1, S. 1, Nr. 1, 522 Abs. 1, S. 4, 238 Abs. 2, S. 1 ZPO. Der II. Zivilsenat des BGH hält die Entscheidung des Berufungsgerichts für rechtsfehlerhaft. Sie verletze den Anspruch des Klägers auf wirkungsvollen Rechtsschutz, der sich aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ableiten lasse. Das Berufungsgericht war der Ansicht, die Einlegung der Berufung und die Berufungsbegründung habe ohne weiteren Mehraufwand vorgenommen werden können. Allein dadurch, dass der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter die entsprechenden Schriftsätze unterschrieben hätte. Denn im Rahmen des Prozesskostenhilfeantrags waren Berufung und Berufungsbegründung bereits ausgearbeitet vorgelegt worden. Daher habe eine Kausalität der Mittellosigkeit der Schuldnerin dafür, dass die Berufung nicht eingereicht und deren Begründung nicht vorgelegt werden können, nicht Vgl. Böttger, Gewerbliche Prozessfinanzierung und Staatliche Prozesskostenhilfe, De Gruyter , S. ff; siehe auch: Fischer, Haftungsrisiken für Insolvenzverwalter bei unterlassener Inanspruchnahme gewerblicher Prozessfinanzierung, NZI , . BGH, Beschl. v. . . – II ZB / – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
vorgelegen. Der II. Zivilsenat hält diese Erwägungen des Berufungsgerichts zur Kausalität für die Versäumung der Frist zur Einlegung der Begründung der Berufung für unhaltbar. Zwar sei die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist versäumt worden. Allerdings sei die Fristversäumung i.S.v. § 233 ZPO entschuldigt, da der Kläger als Partei kraft Amtes den Prozessbevollmächtigten nicht mit der Einlegung und Begründung des Rechtsmittels zu beauftragen imstande war.¹²⁵ Da der Insolvenzverwalter, sofern er Rechtsanwalt ist, gegen die Masse einen Anspruch auf Vergütung seiner anwaltlichen Tätigkeit hat, sei es ihm nicht zuzumuten, für die Dauer des Bewilligungsverfahrens das Kostenrisiko wegen fristwahrender Handlungen zu tragen. Sofern der Antragsteller vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung des Prozesskostenantrags wegen fehlender Bedürftigkeit zu rechnen hat, sei daher die Versäumung der entsprechenden Rechtsmittelfristen entschuldigt, so dass er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangen könne. Dies aber sei hier der Fall, nachdem dem klagenden Insolvenzverwalter bereits für den ersten Rechtszug die Prozesskostenhilfe bewilligt worden war. Da er hinreichend dargetan hatte, dass sich die Vermögensverhältnisse der Masse nicht verändert hatten, musste er nicht damit rechnen, dass ihm die Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz versagt werden würde. Hätte der Kläger nach Zustellung des die Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz ablehnenden Beschlusses Berufung eingelegt, dieselbe begründet und Wiedereinsetzung wegen Fristversäumung beantragt, wäre also innerhalb der Antragsfrist die versäumte Prozesshandlung nachgeholt worden, dann könne – wie der II. Zivilsenat ausführt – Wiedereinsetzung auch ohne Antrag nach § 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO gewährt werden. Die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO beginnt mit Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gem. § 234 Abs. 2 ZPO.¹²⁶ Dabei ist der Partei, deren Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt wird, eine zusätzliche Überlegungszeit von 3 – 4 Tagen zuzugestehen, nach deren Verstreichen die Frist erst beginnt – und zwar unabhängig davon, ob die Prozesskostenhilfe wegen fehlender Mittellosigkeit oder fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung verneint worden ist.
Vgl. auch: BGH, Beschl. v. . . – XII ZB / – NJW-RR , . BGH, Beschl. v. . . – XII ZB / – NJW , .
III. Insolvenzmasse
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19. Erfolgsaussichten der Prozessführung des Insolvenzverwalters Der IX. Zivilsenat des BGH hat im Juni 2013¹²⁷ in einem Prozesskostenhilfeverfahren über die Erfolgsaussichten der von dem klagenden Insolvenzverwalter eingelegten Revision gegen die Abweisung seiner Klage aus § 93 InsO zur Geltendmachung der Haftung nach § 133 UmwG zu entscheiden gehabt. Dabei hat der IX. Zivilsenat zunächst einmal festgestellt, dass eine entsprechende Anwendung des § 93 InsO auf den Fall einer Haftung des an der Spaltung beteiligten Rechtsträger nach § 133 UmwG nicht in Betracht komme. Denn § 93 InsO stelle sich nur dort als sinnvoll dar, wo sich die Notwendigkeit ergebe, zu Gunsten bestimmter Gläubiger eine Sondermasse zu bilden. Dies aber sei ein Ausnahmefall der beschränkten Nachhaftung.¹²⁸ Da von vornherein nur die Gruppe der Gläubiger des übertragenen Rechtsträgers für die Haftung wegen einer Auf- oder Abspaltung oder Ausgliederung gem. § 123 UmwG nach § 133 UmwG in Betracht kommt, sei eine solche Ausnahmelage nicht gegeben. Da diese Frage ohne Schwierigkeiten beantwortet werden könne, komme auch deren Klärung im Prozesskostenhilfeverfahren in Betracht. Dies gelte indes nicht für schwierige ungeklärte Rechtsfragen, da sonst dem Unbemittelten die Möglichkeit einer prozessualen Klärung im Erkenntnisverfahren verweigert werden würde.
20. Rechtsweg für Anspruch des Insolvenzverwalters auf Einsicht von Akten der Verwaltung Während Anfechtungsklagen des Insolvenzverwalters gegen das Finanzamt oder Sozialversicherungsträger auf dem Zivilrechts-, und nicht etwa auf dem Verwaltungsgerichts- oder Sozialgerichtsrechtsweg zu verfolgen sind, ist für den Anspruch des Insolvenzverwalters auf Einsicht in die den Insolvenzschuldner betreffenden Vollstreckungsakten bei den Finanzbehörden der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, wie das BVerwG ¹²⁹ festgestellt hat.
BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , . So bereits: BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BVerwG, Beschl. v. . . – BVerwG B . – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
IV. Das Insolvenzgericht 1. Amtsermittlungspflichten bei der Flucht des Schuldners Die Abwicklung von Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen ruft in der Unternehmensinsolvenz regelmäßig nicht auftretende Probleme hervor. Während in der Unternehmensinsolvenz die Vertreter der schuldnerischen Gesellschaft nicht greifbar sein können, ist es in dem über das Vermögen natürlicher Personen eröffneten Insolvenzverfahren der Insolvenzschuldner selbst, der zu verschwinden neigt.¹³⁰ Über einen solchen Fall und dessen Rechtsfolgen hat der IX. Zivilsenat des BGH ¹³¹ zu entscheiden gehabt. Fall 40: Der Insolvenzschuldner hatte im Februar 2004 Insolvenzantrag und Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Zu diesem Zeitpunkt lebte er in B. Auf seinen Antrag hin wurde im Juli 2004 in Deutschland über sein Vermögen das Insolvenzverfahren unter Bestellung der Rechtsanwältin B. zur Insolvenzverwalterin eröffnet. Der Insolvenzschuldner aber war im Mai 2004 zur Arbeitsaufnahme nach Dubai umgezogen, ohne dabei eine ladungsfähige Anschrift zu hinterlassen. Die Insolvenzverwalterin brachte in der Folgezeit in Erfahrung, dass der Insolvenzschuldner über ein Postfach in Dubai und eine E-Mail-Anschrift verfüge. Immerhin kam es 2007 im Oktober zum Schlusstermin, in dem das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung ankündigte. Rechtsanwältin B. wurde zur Treuhänderin bestellt. Nachdem im November 2007 das Insolvenzverfahren aufgehoben worden war, forderte die Treuhänderin im Januar 2009 den Insolvenzschuldner mit einem Schreiben unter Fristsetzung zur Entrichtung der Mindestvergütung für das Jahr 2008 auf. Dieses Schreiben war an die Postfachanschrift in Dubai gerichtet. Es überrascht nicht, dass der Insolvenzschuldner hierauf nicht reagierte, wohl aber im Mai 2009 nach Deutschland zurückkehrte. Er war dort seit Mai 2009 in Nürnberg gemeldet, was er mittels E-Mail sowohl der Treuhänderin als auch dem Insolvenzgericht bekanntgab. Da die Treuhänderin aber eine andere E-Mail-Adresse hatte und auf dem Justizportal der Bayerischen Justiz eine falsche EMail-Adresse des Insolvenzgerichts angegeben war, kamen diese E-Mails nicht an. Da der Insolvenzschuldner auf die weiterhin an sein Postfach in Dubai gerichteten weiteren Schreiben nicht reagierte, wurde die Versagung der Restschuldbefreiung angedroht. Das entsprechende Schreiben des Insolvenzgerichts wurde mit dem Aufdruck zurückgesandt, das Postfach sei geschlossen worden. Das Insolvenzgericht machte dann den Beschluss über die Versagung der Restschuldbefreiung durch öffentliche Bekanntmachung nach § 8 Abs. 3 InsO bekannt. Hiergegen legte der Insolvenzschuldner unter vorsorglicher Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die sofortige Beschwerde und nach Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig die Rechtsbeschwerde zum BGH ein. Das Beschwerdegericht hatte die Unkenntnis des Schuldners von dem öffentlich bekanntgemachten Versagungsbeschluss als nicht unverschuldet qualifiziert, da er den Eingang seiner E-Mails bei den Adressaten hätte kontrollieren müssen. Er hätte als Verfahrens-
Hierzu eingehend: Streuber, Die Flucht des Schuldners und die Reaktionstechniken eines Gesamtvollstreckungsrechts: Der fallitus fugitivus als Rechtsproblem, de Gruyter . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – NZI , .
IV. Das Insolvenzgericht
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beteiligter die Obliegenheit gehabt, zeitnah Erkundigungen bei Treuhänderin oder Insolvenzgericht anzustellen.
Allerdings fragt sich der IX. Zivilsenat, ob nicht das Insolvenzgericht nach § 5 Abs. 1 InsO die Pflicht gehabt habe, den Aufenthalt des Schuldners, der Zustellungsadressat ist, von Amts wegen zu ermitteln. Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten, z.T. die Vorschrift des § 185 Nr. 1 ZPO entsprechend angewendet und z.T. die Pflicht des Insolvenzgerichts zur amtsfähigen Ermittlung auf zumutbare Nachforschungen beschränkt. Zumutbar sei es, aktuelle Auskünfte des Einwohnermelde- und Postamtes einzuholen, das am letzten bekannten Wohnort des Insolvenzschuldners zuständig war.¹³² Im Restschuldbefreiungsverfahren – und dort in der Wohlverhaltensperiode – sei aber, wie der IX. Zivilsenat in der vorliegenden Entscheidung überzeugend ausführt, auf die Obliegenheiten des Insolvenzschuldners im Verfahren abzustellen. Ihm drohe nämlich die Versagung der Restschuldbefreiung, wenn er Auskunftspflichten nicht nachkommt, wie sich aus § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ergibt.¹³³ Ein Versagungstatbestand wird danach insbesondere durch die „Flucht“ des Schuldners verwirklicht, die vorliegt, wenn er sich an einen unbekannten Ort im Ausland verfügt – jedenfalls dann, wenn dies über einen längeren Zeitraum zur Verletzung seiner Auskunftsund sonstigen Mitwirkungspflichten führt.¹³⁴ Die monatelange Nichtanzeige einer Wohnsitzverlegung, die unverzüglich (nach der Judikatur binnen etwa zweier Wochen, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO) anzuzeigen ist, stelle daher einen Grund dafür dar, dass die Restschuldbefreiung versagt wird.¹³⁵ In dem kostengünstig ausgestalteten Verfahren der Wohlverhaltensperiode solle nämlich die Überwachung des Insolvenzschuldners möglich sein, ohne dass der Treuhänder einen eigenen umfangreichen Untersuchungsaufwand betreiben muss. Komme der Insolvenzschuldner seinen Verfahrensobliegenheiten, insbesondere hinsichtlich der Auskünfte über seinen Wohnsitz und damit seiner zustellungsfähigen Anschrift, im eröffneten Verfahren und später in der Wohlverhaltensperiode in keiner Weise nach, löse dieses keine amtswegigen Ermittlungen des Insolvenzgerichts aus, da diese gerade durch die Erfüllung der Obliegenheiten „erspart“ werden sollen. In diesem Fall sei der Insolvenzschuldner nicht ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die Rechtsmittelfristen einzuhalten. Da das Insolvenzverfahren durch seinen Eigenantrag eingeleitet wurde, habe er damit rechnen müssen, dass er von im Verfahren zu fällenden Entscheidungen keine Kenntnis erlangen werde, wenn er
BGH, Beschl. v. . . – IXa ZB / – NJW , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – NZI , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZInsO , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZA / – NZI , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
seinen Verfahrensobliegenheiten nicht nachkommt. Daher waren die Voraussetzungen des § 233 ZPO, auf den § 4 InsO verweist, nicht erfüllt.
2. Überführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in Regelinsolvenzverfahren In der Vergangenheit hatte der IX. Zivilsenat des BGH ¹³⁶ darauf erkannt, dass ein Rechtsmittel gegen die Versagung der Anordnung der Eigenverwaltung nach § 34 Abs. 1 InsO deshalb nicht gegeben sei, weil ein entsprechendes Rechtsmittel in den §§ 270 ff. InsO nicht vorgesehen sei. Dagegen hatte u. a. Schilken ¹³⁷ darauf aufmerksam gemacht, dass es einen Unterschied mache, ob ein Verfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung oder ob ein sogenanntes Regelinsolvenzverfahren unter Einsetzung eines Insolvenzverwalters eröffnet werde. Nunmehr hat der Insolvenzrechtssenat des BGH über die sofortige Beschwerde eines Insolvenzschuldners zu entscheiden gehabt, der sich dagegen wandte, dass das Verbraucherinsolvenzverfahren, das auf seinen Antrag eröffnet worden war, in ein Regelinsolvenzverfahren überführt wurde.¹³⁸ Fall 41: Der Insolvenzschuldner hatte am 3. 3. 2009 beim AG Charlottenburg die Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens beantragt. Nach Bestellung eines Gutachters mit Beschluss vom 30. 3. 2009 nahm der Insolvenzschuldner am 16.4. 2009 seinen Eigenantrag zurück. Der Insolvenzschuldner hatte ebenfalls am 2. 3. 2009 Eigenantrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt, das mit Beschluss des AG Spandau vom 14.4. 2009 auch eröffnet wurde. Am 6. 5. 2009 hat ein Kreditinstitut, dem eine Forderung in Höhe von EUR 5.500 gegen den Insolvenzschuldner zustand, den Antrag gestellt, unter Verweisung an das für Regelinsolvenzverfahren zuständige AG Charlottenburg, das Verfahren in ein Regelinsolvenzverfahren überzuleiten. Diesen Antrag wies das AG Spandau zurück, wogegen sich das Kreditinstitut erfolgreich mit der sofortigen Beschwerde an das LG wandte, das das Verfahren ins Regelinsolvenzverfahren unter Verweisung an das AG Charlottenburg überleitete. Hiergegen wandte sich der Insolvenzschuldner mit der vom IX. Zivilsenat zu entscheidenden Rechtsbeschwerde.
Da § 304 Abs. 1 S. 1 InsO auf die allgemeinen Vorschriften verweist, greift gegen die Zurückweisung des Eigenantrages des Insolvenzschuldners im vereinfachten Verfahren § 34 Abs. 1 InsO.¹³⁹ Der IX. Zivilsenat meint weiter, dass das Insolvenzgericht an die vom Insolvenzschuldner gewählte Verfahrensart gebunden sei und deshalb das Verfahren nicht in einer anderen als der beantragten Verfah-
Im Fall Podstawski: BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . Jaeger/Henckel-Schilken, § InsO, Rn. . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZInsO , .
IV. Das Insolvenzgericht
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rensart eröffnen dürfe. Dies entspräche einer schon fast als herrschend zu bezeichnenden Meinung im Schrifttum. Daraus schließt der IX. Zivilsenat, gegen die Überleitung des Verbraucher- in ein Regelinsolvenzverfahren sei die sofortige Beschwerde eröffnet. Der IX. Zivilsenat sieht eine Beschwer des Insolvenzschuldners darin, dass das vereinfachte Kleininsolvenzverfahren ein kostensparendes Verfahren sei, da anstelle des Insolvenzverwalters gem. § 313 Abs. 1 S. 1 und 2 InsO ein Treuhänder zu bestellen sei. Daher bildeten Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren einander ausschließende, unterschiedlich strukturierte Verfahrensarten. Da die Bank als Gläubigerin ein Beschwerderecht gegen den die Überleitung des Verfahrens in ein Regelinsolvenzverfahren versagenden Beschluss des AG Spandau nicht hatte, war der landgerichtliche Überleitungsbeschluss rechtswidrig und ist vom BGH aufgehoben worden. Es stellt sich naturgemäß die Frage, ob diese Entscheidung die Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens überdauert.
3. Sonderinsolvenzverfahren bei vollbeendigter zweigliedriger KG Das KG ¹⁴⁰ hat über die Voraussetzungen zu entscheiden gehabt, unter denen über das Vermögen einer vollbeendeten zweigliedrigen KG, das nach Ausscheiden des Komplementärs dem Kommanditisten angewachsen war, ein Sonderinsolvenzverfahren eröffnet werden kann. Fall 42: In dem vom KG entschiedenen Fall ging es um die grundbuchrechtliche Frage, wie die Eröffnung des Sonderinsolvenzverfahrens grundbuchlich nachvollzogen werden konnte. Der Sperrvermerk ist, wie das KG ausführt, in das Grundbuch einzutragen, obwohl die vollbeendete KG noch im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen und eine Voreintragung ihres Rechtsnachfolgers nicht vollzogen worden ist.
Das KG sieht im Nachlassinsolvenzverfahren eine der Sach- und Interessenlage vergleichbare Konstellation. Der verbliebene Kommanditist habe nämlich wie der Erbe die Möglichkeit, seine Haftung auf das Vermögen zu beschränken, das im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auf ihn übergegangen ist. Aus § 39 Abs. 1 GBO ergäben sich keine anderen Anforderungen. Die Entscheidung verdient uneingeschränkte Zustimmung. Allerdings ist die insolvenzrechtliche Lage, die in derartigen Konstellationen eintritt, hoch komplex.¹⁴¹ Der II. Zivilsenat des BGH ¹⁴² hat vor einiger Zeit nach dem Tod des
KG, Beschl. v. . . – W / – ZIP , . M. Engeler, Die zweigliedrige Personengesellschaft in der Insolvenz, . BGH, Urt. v. . . – II ZR / – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
Komplementärs einer zweigliedrigen KG darauf erkannt, die KG werde in diesem Fall aufgelöst, ihr Vermögen wachse dem Kommanditisten zu, der die Gesamtrechtsnachfolge der KG antrete. Das entspricht der seit 1998 geltenden Neufassung der §§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 161 Abs. 2 HGB, wonach die KG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters nicht mehr aufgelöst wird. Da aber das geltende Recht eine Ein-Mann-Personenhandelsgesellschaft nicht kennt¹⁴³,wird mit dem Ausscheiden des Komplementärs die zweigliedrige KG gleichwohl nicht nur aufgelöst, sondern vollbeendet. Um die daraus folgenden Probleme für den Kommanditisten abzuschwächen wird in der Judikatur¹⁴⁴ die Auffassung vertreten, im Falle der Insolvenz der KG habe der Kommanditist die Möglichkeit, seine Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten auf das auf ihn übergegangene Vermögen der KG zu beschränken. Das LG Dresden ¹⁴⁵ hat in einer Beschwerdeentscheidung, gestützt auf diese Judikatur des II. Zivilsenats des BGH, die Eröffnung eines auf das übergegangene Vermögen beschränkten „Sonderinsolvenzverfahrens“ über den Kommanditisten für zulässig erachtet. Das AG Dresden hatte zuvor als Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der durch das Ausscheiden ihrer einzigen Komplementärin aufgelösten KG eröffnet. Hiergegen wandte sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde. Der antragstellende Gläubiger hatte seine Forderung im vorangegangenen Insolvenzeröffnungsverfahren glaubhaft gemacht. Im Übrigen hatte der Antragsteller seinen Antrag dahingehend klargestellt, dass ein Insolvenzverfahren nur bezogen auf die Vermögensmasse der früheren KG herbeigeführt werden solle. Das LG Dresden hat die Bezeichnung der Insolvenzschuldnerin „als Gesamtrechtsnachfolgerin der KG“ im Rubrum des Eröffnungsbeschlusses dahingehend verstanden, dass ein Sonderinsolvenzverfahren „eigener Art“ über das von der KG auf die Insolvenzschuldnerin übergegangene Vermögen eröffnet worden sei. In der Tat ist es richtig, dass Insolvenzverfahren grundsätzlich universell wirken, vgl. § 35 InsO, Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO. Sie erfassen grundsätzlich das gesamte der Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen eines Schuldners. Davon kennt das geltende Recht freilich Ausnahmen. So lassen es in Fällen grenzüberschreitender Insolvenzverfahren das geltende europäische ebenso wie das deutsche internationale Insolvenzrecht zu, ein auf das im Eröffnungsstaat belegene Vermögen territorial beschränktes Partikular- bzw. Sonderinsolvenzverfahren zu eröffnen, Art. 3 Abs. 3 EuInsVO, § 354 InsO. Solche gegenständlich beschränkten Insol BGH, Urt. v. . . – VIII ZR / – BGHZ , . BGH, Urt. v. . . – II ZR / – ZIP , ; Urt. v. . . – II ZR / – ZIP , . LG Dresden, Beschl. v. . . – T / – ZIP , .
IV. Das Insolvenzgericht
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venzverfahren sieht das geltende Recht – auch außerhalb des Bereichs des internationalen Insolvenzrechts – mit der Statuierung von Sonderinsolvenzverfahren in Fällen der Nachlassinsolvenz oder des Insolvenzverfahrens über das Gesamtgut vor. Das LG Dresden verweist weiter darauf, dass die Möglichkeit nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO zur Eröffnung eines Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ebenfalls eine Form des Sonderinsolvenzverfahrens von Gesetzes wegen darstellt. Nachdem der II. Zivilsenat des BGH ¹⁴⁶ entschieden hat, dass bei der zweigliedrigen KG das Ausscheiden des Komplementärs zu einer Gesamtrechtsnachfolge des Kommanditisten mit der Folge führt, dass der Kommanditist vorbehaltlich einer weitergehenden Haftung aus §§ 171 bzw. 25 HGB nur mit dem von der KG übernommenen Vermögen hafte, sieht es das LG Dresden zutreffend als „nicht sachgerecht“ an, bei erkannter Haftungsbeschränkung ein Universalinsolvenzverfahren mit formell unbeschränkter, materiell aber unzutreffender Beschlagnahmewirkung zu eröffnen und den Kommanditisten (Insolvenzschuldner) darauf zu verweisen, den Umfang der Beschlagnahme in einem streitigen Verfahren wieder einzuschränken. Denn dem Insolvenzschuldner könnte dann § 35 InsO bzw. die Bestandskraft der Eröffnung entgegengehalten werden. Im Übrigen stellt das LG Dresden zutreffend fest, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die KG ausscheidet, weil diese vollbeendet und ihr Vermögen dem Insolvenzschuldner angewachsen ist, § 11 Abs. 3 InsO. Freilich hat die InsO diesen Fall, der sich erst auf der Grundlage der Judikatur des II. Zivilsenats des BGH hat erkennen lassen, nicht geregelt. Ob die Folgerung des LG Dresden, hier liege eine „planwidrige Gesetzeslücke“ vor, methodisch zwingend ist, muss an dieser Stelle nicht erörtert werden. Damit wird jedenfalls aber ein Sonderinsolvenzverfahren über das auf den Kommanditisten übergegangene Vermögen der aufgelösten KG nicht ausgeschlossen, da die genannten Gesetzesregelungen solche Sonderinsolvenzverfahren in anderen Fällen vorsehen. Das LG Dresden scheint nun zu meinen, dass diese Regelungen – insbesondere die Regelung über das „Sonderinsolvenzverfahren“ über das Vermögen der GbR bzw. OHG und das Nachlassinsolvenzverfahren „entsprechend“ in dem vorliegenden Fall anzuwenden seien. Es ist selbstverständlich Aufgabe eines Landgerichts in seiner Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss „rechtsfortbildend“ tätig zu werden. Es ist indessen nicht zu erkennen, dass eine Reihe von praktischen Folgen der Judikatur des II. Zivilsenats des BGH schon heute absehbar sind: Ein ohne den beschränkenden Zusatz „als Gesamtrechtsnachfolger der KG“ rubrizierter gegen ihn erlassener Eröffnungsbeschluss kann vom Insolvenzschuldner erfolgreich mit der sofortigen Beschwerde
BGH, Urt. v. . . – II ZR / – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
bekämpft werden. Sowohl der BGH als auch das LG Dresden sind eine Antwort auf die Frage schuldig geblieben: wie denn ein solches Sonderinsolvenzverfahren vorzustellen und welche Voraussetzung insbesondere an die Haftungsbeschränkung zu stellen seien. Die von beiden Gerichten befürwortete „analoge“ Anwendung bestehender Vorschriften liegt nahe; was dies in concreto bedeutet, bleibt freilich dunkel. Betrachtet man den Sachverhalt der Dresdener Entscheidung, fällt auf, dass zwischen dem Anfall der Gesamtrechtsnachfolge und der Verfahrenseröffnung eine erheblicher Zeitspanne verstrichen war. Im Schrifttum ist kritisch bemerkt worden, hier liege eine „planwidrige Regelungslücke“ vor.¹⁴⁷ Das Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus einer GmbH & Co. KG mit nur einem Kommanditisten hat nach der Judikatur des II. Zivilsenats des BGH die liquidationslose Vollbeendigung der KG unter Gesamtrechtsnachfolge des Kommanditisten zur Folge. Der Kommanditist haftet danach für die Verbindlichkeiten der KG nur mit dem auf ihn übergegangenen Vermögen.¹⁴⁸
V. Vertragsbeziehungen des Insolvenzschuldners 1. Unwirksamkeit insolvenzbedingter Lösungsklauseln Energieversorger sind bekanntlich den Insolvenzen ihrer Kunden in besonderem Maße ausgesetzt – was nicht zuletzt mit Anschluss- und Benutzungszwängen sowie mit Kontrahierungszwängen aufgrund der Monopolstellung derartiger Unternehmen zu tun hat. Der IX. Zivilsenat des BGH ¹⁴⁹ hat nun darauf erkannt, dass § 119 InsO die Unwirksamkeit solcher Lösungsklauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren und Energie zur Folge habe, wenn diese Klauseln an den Insolvenzantrag oder die Insolvenzeröffnung anknüpfen. Fall 43: In den AGB eines Energielieferanten hieß es: „Der Vertrag endet auch ohne Kündigung automatisch, wenn der Kunden einen Insolvenzantrag stellt oder aufgrund eines Gläubigerantrags das vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet und eröffnet wird.“ In dem Eröffnungsverfahren über das Vermögen einer Schuldnerin stellte sich der Energielieferant daraufhin auf den Standpunkt, der Vertrag sei automatisch beendet.
Albertus/Fischer, Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters in der zweigliedrigen GmbH & Co. KG im Fall der sog. Simultaninsolvenz mit der Kommanditgesellschaft. ZInsO , , . BGH, Urt. v. . . – II ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
V. Vertragsbeziehungen des Insolvenzschuldners
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Allerdings ist für Energielieferungsverträge von einer im Schrifttum verbreitet vertretenen Meinung¹⁵⁰ argumentiert worden, § 119 InsO stehe einer insolvenzbedingten Lösungsklausel deshalb nicht entgegen, weil die Lösungsklauseln den Bestand des Vertrages betreffen, dessen Abwicklung im Sinne der Bestimmungen der §§ 103 – 118 InsO aber nicht erfasst sei. Der IX. Zivilsenat hat sich der Gegenansicht angeschlossen und § 119 für einschlägig erachtet, mit der Folge, das Lösungsklauseln in Energielieferungsverträgen unwirksam sind. Und um § 119 InsO in der Praxis nicht leerlaufen zu lassen, habe diese Vorschrift eine „Vorwirkung“. Er greife jedenfalls den Zeitraum, in dem wegen eines zulässigen Insolvenzantrags damit zu rechnen sei, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vertragspartners eröffnet werde.
2. Erfüllungsablehnung beim Grundstückskaufvertrag Mit Urteil von Anfang Februar 2013 hat der IX. Zivilsenat des BGH ¹⁵¹ zu der Frage zu entscheiden gehabt, wie ein Grundstückskaufvertrag, an dem der Insolvenzschuldner als Käufer beteiligt war, nach Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter und Aussonderung durch den Verkäufer rückabzuwickeln ist. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde, der hier vereinfacht wiedergegeben wird: Fall 44: Mit notariellem Vertrag vom 17.1. 2006 hatte die Schuldnerin von der späteren Beklagten ein Grundstück zum Preis von EUR 100.000 erworben. Die Insolvenzschuldnerin, zu deren Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden war, zahlte am 7. 8. 2006 an die spätere Beklagte einen Betrag von EUR 80.000 und bebaute das Grundstück. Der spätere Kläger, der in dem über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin am 17. 3. 2008 eröffneten Insolvenzverfahren zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, erklärte am 20. 8. 2008 die Ablehnung der Erfüllung des Kaufvertrages. Gegen Zahlung von EUR 25.000 wurde vom Kläger die Löschungsbewilligung wegen der Auflassungsvormerkung erklärt; die spätere Beklagte verkaufte im Übrigen das Grundstück an einen Dritten. Mit seiner Klage begehrt der Insolvenzverwalter Erstattung der von der Insolvenzschuldnerin geleisteten Anzahlung in Höhe von EUR 80.000. Wegen der zwischenzeitlich durch die Insolvenzschuldnerin vorgenommenen Bebauung macht er weiterhin den Ausgleich der Werterhöhung geltend, den das Grundstück erfahren hat.
Der BGH kommt auf seine frühere Rechtsprechung¹⁵² zurück, wonach ein Anspruch auf Rückzahlung der vom Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung erbrachten Teilleistungen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht begründet wird. Auch die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters führe
MünchKomm-Huber, § InsO, Rn. ff. BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
hierzu nicht. Denn weder die Eröffnung des Verfahrens noch die Erfüllungsablehnungserklärung des Insolvenzverwalters änderten etwas am Fortbestand des Vertragsverhältnisses. Dieses bliebe vielmehr in der Lage bestehen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegen hat, wie der BGH in seiner maßgeblichen Entscheidung aus dem Jahr 2002¹⁵³ ausgeführt hat. Der Rückzahlungsanspruch des klagenden Insolvenzverwalters konnte daher nicht auf ungerechtfertigte Bereicherung des beklagten Verkäufers gestützt werden. Das hat zur Folge, dass wegen des Fortbestandes des Vertragsverhältnisses die gegenseitigen Ansprüche fortbestehen. Dem Insolvenzschuldner (wenn man so will: im eröffneten Insolvenzverfahren der Masse) stand daher ein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks nach § 433 Abs. 1 BGB zu. Dabei handelte es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch, der aber nach Besitzübergang des Grundstücks auf den Insolvenzschuldner ein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 Abs. 1 S. 1 BGB begründet, wie der V. Zivilsenat des BGH entschieden hat,¹⁵⁴ woran der IX. Zivilsenat in der vorliegenden Entscheidung festhält. Dem Verkäufer indes stand demgegenüber ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zu. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Käufers bewirkt nun aber, dass mit der Verfahrenseröffnung der Verkäufer zwar seinen Kaufpreisanspruch nicht mehr durchsetzen kann, er aber die Aussonderung des Grundstücks zu betreiben instandgesetzt wird, was er im vorliegenden Fall mit der Löschung der Auflassungsvormerkung – die zu Gunsten des Käufers eingetragen war – und der Weiterveräußerung des Grundstücks verfolgte. Hierzu war der Verkäufer nach Judikatur des BGH ¹⁵⁵ auch berechtigt. Für diesen Fall aber wird das Recht des Insolvenzverwalters begründet, die Rückgewähr der erbrachten Teilleistungen des Schuldners vom Verkäufer zu verlangen. Der vom Verwalter für die Masse zu verfolgende Rückzahlungsanspruch steht indes – wie der erkennende Senat ausführt – in einer nach wie vor synallagmatischen Verbundenheit zu den Ansprüchen, die der Verkäufer geltend machen kann. Mit der Ablehnung der Erfüllung des gegenseitigen Vertrages durch den im über das Vermögen des Käufers eröffneten Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalter steht aber nach § 103 Abs. 2 InsO dem Verkäufer als anderem Teil ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Vertrages zu. Der IX. Zivilsenat geht wegen der von ihm angenommenen synallagmatischen Verknüpfung beider Ansprüche davon aus, dass es einer Aufrechnung der Ansprüche insoweit nicht bedarf und § 95 InsO folglich nicht zur Anwendung kommt, weil der Rückzah-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , , . BGH, Urt. v. . . – V ZR / – BGHZ , , . BGH, Urt. v. . . – XII ZR / – NJW-RR , .
V. Vertragsbeziehungen des Insolvenzschuldners
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lungsanspruch und der Schadenersatzanspruch Rechnungsposten bei der Ermittlung des Ersatzanspruchs seien. Zur Begründung stützt sich der IX. Zivilsenat auf eine frühere Entscheidung des BGH. ¹⁵⁶ In dieser Entscheidung aus dem Jahr 1977 ging es darum, dass der Konkursverwalter die Erfüllung eines Werkvertrages abgelehnt hatte, den der gemeinschuldnerische Bauunternehmer für den späteren Beklagten zu einem Festpreis vereinbart hatte. Der Konkursverwalter begehrte daraufhin die Zahlung noch nicht bezahlter Teilleistungen vom Beklagten, der die Arbeiten anderweitig zu Ende führen ließ und geltend machte, er habe mehr für die Durchführung der Arbeiten aufwenden müssen, als mit dem Gemeinschuldner vereinbart gewesen sei.
3. Reichweite der Kündigung von gewerblichen Mietverhältnissen In einem vom XII. Senat des BGH ¹⁵⁷ entschiedenen Fall ging es um die Reichweite der Kündigung von gewerblichen Mietverhältnissen nach § 109 Abs. 1 S. 1 InsO durch den Insolvenzverwalter, wenn das Mietverhältnis auch mit einem Mitmieter bestanden hat. Fall 45: Der Vermieter hatte dem Insolvenzschuldner gewerblich genutzte Räume vermietet. In diesen Mietvertrag trat der spätere Beklagte in der Folgezeit als weiterer Mieter ein. Über das Vermögen des zunächst alleine Anmietenden wurde später das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt, der das Mietverhältnis nach § 109 InsO kündigte. Da auch der weitere Mitmieter den Mietzins nicht entrichtete, machte der Vermieter diesem gegenüber von seinem Vermieterpfandrecht Gebrauch, verschaffte sich Zutritt zu den Räumlichkeiten und verwertete die dort vorgefundenen Gegenstände. Rückständige Miete für die Folgezeit machte der Vermieter dann mit seiner Klage gegen den Mitmieter geltend. In drei Instanzen ist er damit erfolglos geblieben.
Ein Mietzinsanspruch nach § 535 Abs. 2 BGB besteht deshalb nicht, weil der Insolvenzverwalter das Mietverhältnis gekündigt hatte. Denn das „Sonderkündigungsrecht“ des Insolvenzverwalters aus § 109 Abs. 1 S. 1 InsO greift auch bei einem Mietvertrag mit einer Mietermehrheit, in dem eine Kündigung des gesamten Mietvertrages nur von allen Mietern gemeinsam erklärt werden kann, weil sonst der Zweck der Vorschrift, die Masse vor einem weiteren Anwachsen von Verbindlichkeiten aufgrund eines laufenden Mietvertrags zu schützen, nicht erreicht würde. Wegen der Rechtsfolgen der Ausübung des Sonderkündigungsrechts schließt sich der XII. Zivilsenat der überwiegenden oberlandesgerichtlichen Ju-
BGH, Urt. v. . . – VII ZR / – BGHZ , . BGH, Urt. v. . . – XII ZR / – ZIP , .
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dikatur¹⁵⁸ an, nach der das Mietverhältnis mit einer Personenmehrheit auf der Mieterseite mit Wirkung für sämtliche Mieter beendet werde. Zur Begründung verweist der XII. Zivilsenat auf den Grundsatz der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses sowie auf die Unteilbarkeit der Verpflichtung des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung.
4. Private Krankenversicherungsverträge des Schuldners Die Krankenversicherung des Insolvenzschuldners weist in dem über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren eine Reihe von Besonderheiten aus. In der Judikatur¹⁵⁹ ist die Auffassung vertreten worden, auf den privaten Krankenversicherungsvertrag finde § 103 InsO keine Anwendung. Diese Auffassung beruht auf der Erwägung, dass der Insolvenzschuldner, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen aus dem privaten Krankenversicherungsvertrag einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für künftige ärztliche Behandlungsmaßnahmen hat, nicht Gefahr laufen darf, dass dieser Anspruch nach § 36 Abs. 1 InsO i.V.m. § 850b ZPO zur Masse gezogen werde. Denn dies würde darauf hinauslaufen, dass der Insolvenzschuldner, der ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt, nicht über Mittel verfügt, diese ärztliche Hilfe auch zu vergüten. Dem Insolvenzschuldner soll daher die Möglichkeit offengehalten werden, sich auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen in ärztliche Behandlung begeben zu können. Dies führt im Übrigen dazu, dass nach der zitierten Rechtsprechung die berechtigten Interessen der Gemeinschaft der Insolvenzgläubiger es erfordern, dass die Prämienforderungen des privaten Krankenversicherers nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherten aus Billigkeitsgründen nicht aus der Insolvenzmasse zu bedienen seien. Es wird also weder die Masse noch gar der Insolvenzverwalter in personam anstelle des Versicherungsnehmers Schuldner von Prämienforderungen. Diese Erwägungen sind nicht von der Hand zu weisen. Sie führten freilich dazu, dass der private Krankenversicherer eine von den Beschränkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erfasste Forderung gegen den insolventen Versicherungsnehmer geltend machen kann und hierbei durch § 87 InsO nicht an einer klagweisen Verfolgung gehindert wird. Das ist im Grunde genommen schon deshalb plausibel, weil der Versicherer, den die Pflicht OLG Hamburg, Urt. v. . . – U / – ZIP , ; OLG Celle, Urt. v. . . – U / – NJW , . LG Dortmund, Urt. v. . . – O / – RuS , ; AG Kiel, Urt. v. . . – C / – NZI , .
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zum Abschluss einer Krankenversicherung i.S.v. § 193 Abs. 3 S. 1 VVG trifft, nach dem Vertragsschluss diesen grundsätzlich nicht mehr kündigen kann, § 206 VVG. Die Kündigung des Krankenversicherungsvertrages ist erst möglich, wenn der Nachweis einer Anschlussversicherung bei dem privaten Vorversicherer vorgelegt wird.¹⁶⁰ Das OLG Frankfurt ¹⁶¹ hat in seinem Beschluss aus dem Sommer 2013 über einen Prozesskostenhilfeantrag einer versicherten Insolvenzschuldnerin Zweifel daran geäußert, ob diese (nachvollziehbare) Judikatur für alle Fallkonstellationen richtig sei. Der Insolvenzschuldnerin war seit Juni 2010 die Versicherung bei einem gesetzlichen Krankenversicherer bescheinigt worden. Die private Krankenversicherung als Vorversicherer machte nun mit ihrer vor dem LG Darmstadt erfolgreichen Klage gegen die Insolvenzschuldnerin aufgelaufene Prämienrückstände geltend. Das OLG Frankfurt hat, nachdem das LG Darmstadt der später mit Versäumnisurteil verurteilten Beklagten die Prozesskostenhilfe verweigert hatte, diesen Beschluss aufgehoben und Prozesskostenhilfe gewährt. Dies hat das OLG zutreffend darauf gestützt, dass es bei den im vorliegenden Fall zu entscheidenden Rechtsfragen um bislang nicht oder nicht hinreichend geklärte schwierige Rechtsfragen handele, so dass die Erfolgsaussichten für die von der Insolvenzschuldnerin angestrebte Rechtsverfolgung mit ihrem klagabweisenden Antrag nicht ohne weiteres zu verneinen seien. Das OLG meint nun, dass für den Fall der gleichzeitigen Versicherung der versicherungspflichtigen Insolvenzschuldnerin in einer privaten und in der gesetzlichen Krankenversicherung die Vorschrift des § 103 InsO zur Anwendung gelangen könne. Denn in diesem Fall sei der Zweck der §§ 193, 206 VVG, den insolvenzschuldnerischen Versicherungsnehmer zu schützen, bereits erreicht. Auch eine teleologische Reduktion des § 103 InsO komme hier nicht in Betracht. Denn lässt man die Zwecke, die in der Judikatur dazu geführt haben, den Krankenversicherungsvertrag nicht unter § 103 InsO zu subsumieren beiseite, ist nicht zu übersehen, dass dieser Vertrag den Charakter eines gegenseitigen Vertrages hat, was im Schrifttum auch anerkannt wird.¹⁶² An dieser Stelle allerdings wird die Argumentation des OLG Frankfurt ungenau. Es schreibt nämlich, dass der Versicherungsvertrag dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO unterfalle. Das ist nun nicht völlig von der Hand zu weisen.¹⁶³ Genauer gefasst führt die Anwendung des § 103 Abs. 1 InsO aber dazu, dass die betroffene private Krankenversicherung als Vorversicherer nur dann von der Pflicht zur Erfüllung der Prämienverbindlichkeiten nach Eröffnung des Insol
BGH, Urt. v .. . – IV ZR / – VersR , . OLG Frankfurt, Beschl. v. . . – W / – ZVI , . FK-InsO-Wegener, . Aufl. § InsO, Rn. . Dieses bejahend: BGH, Urt. v. . . – IV ZR / – ZIP , , Tz. .
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venzverfahrens auszugehen hat, wenn der Verwalter positiv die Erfüllung des Vertrages wählt. Ist dies nicht der Fall, so ruhen jedenfalls für die Zeit der Durchführung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers die Leistungspflichten.
5. Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO Über die Wirkung der Freigabe des zwischen dem Insolvenzschuldner als Mieter und dem Vermieter bestehenden Wohnraummietverhältnisses durch den Insolvenzverwalter besteht Streit. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO habe allein die Wirkung, dass für die nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten die Masse nicht mehr haftet. Das Mietverhältnis selbst aber sei „massebehaftet“ so dass der Insolvenzverwalter weiter die Rechtszuständigkeit für im Mietverhältnis begründete Ansprüche habe. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO schränke die Gestaltungsmöglichkeiten und die Rechtsmacht des Insolvenzverwalters aus § 80 Abs. 1 InsO nicht ein. Wäre dies in der Tat so, hätte der Vermieter für den Fall, dass nach Wirksamwerden der Enthaftungserklärung Vertragsverletzungen des Mieters vorliegen, aufgrund derer eine Vertragsfortsetzung für den Vermieter unzumutbar ist, dessen fristlose Kündigung gegenüber dem Insolvenzverwalter auszusprechen. Der VIII. Zivilsenat des BGH ¹⁶⁴ hat dagegen nun zutreffend darauf erkannt, dass der Mieter mit Wirksamwerden der Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Wohnung (das Wohnraummietverhältnis) zurückerhält. Daher ist eine Kündigung des Vermieters von diesem Zeitpunkt gegenüber dem Mieter auszusprechen. Fall 46: Der Insolvenzschuldner hatte bei Abschluss des Mietvertrages vom Vermieter eine formularmäßige sogenannte Vorvermieterbescheinigung vorgelegt bekommen, mit der der bisherige Vermieter bestätigen sollte, wie lange das Mietverhältnis gedauert und ob der Mieter die Kaution und die Miete pünktlich gezahlt habe. Der Mieter legte diese Bescheinigung vor. Später wurde über das Vermögen des Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet, in dem der Treuhänder die Freigabe des Mietverhältnisses erklärte. Danach kündigte der Vermieter dem Mieter gegenüber fristlos den Mietvertrag, da die Vorvermieterbescheinigung gefälscht war – nämlich alle Angaben vom Mieter ausgefüllt und frei erfunden waren. Namentlich hatte der Mieter weder unter der angegebenen Adresse gewohnt noch überhaupt mit dem genannten Vermieter einen Mietvertrag geschlossen.
BGH, Urt. v. . . – VIII ZR / – ZIP , .
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Auf die Räumungsklage des Vermieters berief sich der Insolvenzschuldner darauf, für das Mietverhältnis die Rechtszuständigkeit nicht zu haben. Dem ist der der VIII. Zivilsenat zutreffend entgegengetreten.
6. Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO (Nebenkosten) Der BGH ¹⁶⁵ hat darauf erkannt, dass der Mieter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Mietvertragsverhältnis und die sich hieraus zu seinen Gunsten ergebenden Zahlungsansprüche in dem über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren dann wieder erlangt, wenn der Insolvenzverwalter eine Enthaftungserklärung gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO wirksam abgibt. Guthaben aus Nebenkostenabrechnungen, die sich auf den Zeitpunkt nach Wirksamwerden der Enthaftungserklärung ergeben, können daher nicht mehr vom Insolvenzverwalter, sondern nur vom Insolvenzschuldner geltend gemacht werden.¹⁶⁶ Fall 47: In dem über das Vermögen des Schuldners am 11.8. 2009 eröffneten Insolvenzverfahren hatte die Treuhänderin mit Schreiben vom 26.8. 2009 an die beklagte Vermieterin die Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO abgegeben. Für den Abrechnungszeitraum 2010 begehrte sie später die Auszahlung eines Betriebskostenguthabens in Höhe von EUR 750. Dieses hatte die beklagte Vermieterin aber an den Schuldner ausgekehrt.
Der IX. Zivilsenat weist darauf hin, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des § 109 Abs. 1 S. 1 InsO nach Abgabe der Enthaftungserklärung die Ansprüche aus dem Mietverhältnis mit Wirkung für und gegen die Insolvenzmasse fortdauern, dass aber nach Ablauf der Kündigungsfrist die dann fällig werdenden Ansprüche im Insolvenzverfahren nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Hierdurch werde, wie der IX. Zivilsenat überzeugend ausgeführt, die Masse davon entlastet, Erklärungen des Vermieters entgegenzunehmen oder Prozesse, die der Insolvenzschuldner als Mieter gegen den Vermieter zu führen gedenkt, auf Kosten der Masse zu finanzieren. Daher werde für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist die Verbindung zur Masse in Ansehung des Mietverhältnisses vollständig gelöst. Insoweit werde aber auch der Vermieter geschützt, weil er wegen der ihm gegen den Insolvenzschuldner zustehenden Ansprüche dem Mieter gegenüber die Aufrechnung nach § 387 BGB erklären könne. Andernfalls würde die Enthaftungserklärung das Gegenseitigkeitsverhältnis der Ansprüche auflösen – was, wie der erkennende Senat ausführt – nicht gewollt sei. Der IX. Zivilsenat begründet dies mit einer Interpretation der Parallelnorm des § 35 Abs. 2 InsO, die bekanntlich der
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . Offen gelassen in BGH, Urt. v. . . – VIII ZR / – NJW , Tz. .
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Enthaftungserklärung nachgebildet worden sei. Sowohl mit der nach § 35 Abs. 2 InsO abzugebenden Freigabeerklärung, als auch mit der Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO sei eine klare Abgrenzung der Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus bestimmten Vertragsverhältnissen von der Masse bezweckt.¹⁶⁷ Da die Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO freigabeähnliche Wirkungen zeitigt, wird nach deren Abgabe die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Mietverhältnis auf den Insolvenzschuldner übergeleitet. Damit sind die Probleme des vorliegenden Falles aber erst geschaffen. Es stellt sich nämlich die Frage, ob das der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzschuldners unterliegende Nebenkostenguthaben nicht mehr vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann, da es ihm insoweit an der Prozessführungsbefugnis fehlt, wohl es aber als Neuerwerb nach § 35 Abs. 1 InsO in die Masse fällt. Dabei kommt es nicht primär darauf an, dass der Insolvenzschuldner nach Wirksamwerden der Enthaftungserklärung für die Forderungen, die der Vermieter aus dem Mietvertragsverhältnis hat, aus seinem beschlagfreien Vermögen einzutreten hat. Der BGH rekurriert hier zunächst einmal auf § 36 Abs. 1 InsO. Erstattungsansprüche aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Vermieters sind unpfändbar und unterfallen somit nicht dem Insolvenzbeschlag, wenn der Insolvenzschuldner Arbeitslosengeld II bezieht. Nun muss aber die Frage, wie es sich mit dem Beschlag von Neuerwerb in diesen Fällen verhält, über die Fälle des Arbeitslosengeldes II hinaus eine einheitliche Art der Behandlung gefunden werden. Auch hier verweist der IX. Zivilsenat wiederum auf die Parallelität der Enthaftungserklärung zur Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 InsO. Bei letzterer könnten die Altgläubiger nicht nach § 89 Abs. 1 InsO auf solche Forderungen des Insolvenzschuldners zugreifen, die dieser gegen Dritte nach Freigabe seiner selbständigen Tätigkeit erworben hat. Auch der Insolvenzverwalter könne insoweit keine Herausgabevollstreckung nach § 148 Abs. 2 InsO vornehmen. Für die Nebenkostenguthaben liege es nahe, hier eine Parallele zu ziehen. Der BGH weist darauf hin, dass bei Mietkautionen eine andere Betrachtung möglich sei. Denn eine Mietkaution ist nicht nach Wirksamwerden der Enthaftungserklärung, sondern regelmäßig vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht worden und könnte somit unter der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters verbleiben. Insgesamt erscheint die vorliegende Entscheidung im Ergebnis richtig. Sie steht freilich im Widerspruch zu der oben (Fall 27) behandelten Entscheidung des BGH. ¹⁶⁸ Die hier vorliegende Entscheidung zeigt, dass wegen der auf dem
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , (siehe Fn. ).
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„Zweitkonto“ gebuchten EUR 1.000 ein Nachtragsverteilungsverfahren nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Denn die Freigabe (Enthaftungserklärung) soll den Insolvenzschuldner nicht allein dazu berechtigen, die freigegebenen Mittel „durchzubringen“, sondern mit ihnen sinnvoll zu planen. Den Insolvenzschuldner dafür wie im Fall 27„zu bestrafen“ ist nicht allein sozialpolitisch verfehlt, sondern, wie vorliegender Fall zeigt, rechtsdogmatisch bedenklich.
7. Keine Billigkeitskontrolle der Kündigung nach § 113 InsO Das BAG ¹⁶⁹ hat darauf erkannt, dass die Kündigung des Insolvenzverwalters mit der Frist des § 113 S. 2 InsO keiner Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliegt. § 315 Abs. 3 BGB besagt, dass die getroffene Bestimmung, die nach billigem Ermessen erfolgt, für den anderen Teil nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht. Im anderen Fall wird die Bestimmung durch Urteile getroffen. Fall 48: Im vorliegenden Fall hatte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit der sich in Elternzeit befindenden Klägerin, die bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt gewesen war, mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende nach § 113 S. 2 InsO gekündigt. Der Insolvenzverwalter hatte die arbeitsvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende, nach der er gem. § 113 S. 1 InsO hätte kündigen können, nicht eingehalten. Hierdurch verlor die Klägerin die Möglichkeit, sich und ihre Kinder beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern. Die Klägerin vertrat die Auffassung, es handele sich bei der Entscheidung des Insolvenzverwalters, in der Frist des § 113 S. 2 InsO zu kündigen, um eine Bestimmung i.S.v. § 315 Abs. 3 BGB, die der Billigkeitskontrolle unterliege.
Dies haben die Arbeitsgerichte in allen Instanzen, schließlich auch das BAG, abgelehnt. Das BAG führt aus, es handele sich bei der Frist in § 113 S. 2 InsO um eine „eigene“ Kündigungsfrist als Höchstfrist. Dies sei der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers.¹⁷⁰ Die eigene, insolvenzrechtliche Kündigungsfrist des § 113 S. 2 beruhe auf einer gesetzlichen Spezialregelung und gehe allen längeren Kündigungsfristen vor.¹⁷¹ Der Ausgangspunkt des Klägers, der Insolvenzverwalter habe billiges Ermessen dabei walten zu lassen, wenn er die Entscheidung treffe, ob er von der Frist des § 113 S. 2 InsO Gebrauch macht. Dies sei nicht der Fall, da § 113 S. 2 InsO dem Insolvenzverwalter eine gesetzliche Kündigungsfrist zur Verfügung stelle, deren Einhaltung nicht in seinem Ermessen liege. Schließlich handele es sich bei der Kündigung nach § 113 S. 2 nicht etwa um ein einseitiges Leistungs BAG, Urt. v. . . – AZR / – ZIP , . BT-Drucks. /, S. ; vgl. auch: BAG, Urt. v. . . – AZR / – ZIP , . BAG, Urt. v. . . – AZR /- ZIP , .
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bestimmungsrecht, um das es sich in der Regelung des § 315 Abs. 1 BGB mit der Folge handelt, dass die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB eröffnet wäre. Das BAG unterlegt diese gesetzestechnischen Erwägungen mit einem Blick auf den insolvenzrechtlichen Sinn der Vorschrift des § 113 InsO, die angesichts des Umstandes, dass „in der Insolvenz Kündigungen oft Massenphänomene darstellen“, eine überschaubare und ohne Unsicherheit feststellbare Festlegung des Kündigungszeitpunktes leiste. Dies schließt es von vornherein aus, dem Insolvenzverwalter Billigkeitserwägungen zuzumuten, die im Falle der Kündigung eines jeden Arbeitnehmers in Ansehung der einzuhaltenden Kündigungsfristen anzustellen wären. Denn dies hätte zur Folge, dass in jedem Fall eine Billigkeitskontrolle der Wirksamkeit der Kündigung vorzuschalten wäre, was dem Interesse an der geordneten Abwicklung eines Insolvenzverfahrens evident widerstreiten würde. Dass der Insolvenzverwalter durch die Regelung des § 113 S. 2 InsO rechtlich nicht daran gehindert ist, mit einer längeren Frist als der gesetzlich geregelten, zu kündigen, wird vom BAG ausdrücklich anerkannt, das ohne hieraus den Schluss zu ziehen, dass dem Insolvenzverwalter hieraus eine Billigkeitsabwägung auferlegt wäre. Denn um die Masse nicht mit Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO zu belasten, habe er bereits aus haftungsrechtlichen Gründen im Regelfall von der Frist des § 113 S. 2 InsO Gebrauch zu machen. Anders wird dies nur dann sein, wenn die Masse aus der Einhaltung einer längeren Kündigungsfrist im Zweifel Vorteile ziehen könnte. Auch die Frage der Schlechterstellung des Arbeitnehmers bei der Einhaltung der kürzeren Frist des 113 S. 2 InsO, der damit seine Kinder nicht mehr pflichtversichern konnte, lässt das BAG zu Recht nicht durchschlagen, da der Schutz des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG sich nicht an den Arbeitgeber und hier den Insolvenzverwalter richtet, sondern ausschließlich an den Staat.
VI. Rechtsstellung des Insolvenzverwalters 1. Immissionsrechtliche Störereigenschaft des Insolvenzverwalters Der VGH Mannheim ¹⁷² hat darauf erkannt, dass im Falle der Fortführung des Betriebes des Insolvenzschuldners nach Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter aufgrund der diesem durch § 80 Abs. 1 InsO verliehenen Befugnis, im eigenen Namen (also als Partei kraft Amtes) zu handeln, der Insolvenzverwalter als „letzter Betreiber einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen
VGH Mannheim, Beschl. v. . . – S / – ZIP , .
VI. Rechtsstellung des Insolvenzverwalters
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Anlage“ anzusehen sei. Die Insolvenzmasse soll daher nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Masseverbindlichkeit die Pflicht zur ordnungsgemäßen Beseitigung von Abfällen gem. § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG treffen. Zeigt der Insolvenzverwalter in einem solchen Fall die Masseunzulänglichkeit an, stelle sich die Frage, wie die zuständige Behörde den polizeipflichtigen Insolvenzverwalter zur Erfüllung der immissionsschutzrechtlichen Nachsorgepflichten in Anspruch nehmen kann. Im Fall der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kommt nämlich § 210 InsO zum Zuge. Diese Vorschrift führt aber allein zu einem Vollstreckungsverbot. Es schließe die Inanspruchnahme durch Erlass eines Verwaltungsaktes auf Erfüllung der immissionsrechtlichen Pflichten nach Ansicht des VGH Mannheim nicht aus. Dieser Verwaltungsakt werde auf einer „Primärebene“ erlassen, betreffe also gleichsam die Titulierung der immissionsrechtlichen Pflicht. Deren Vollstreckung indessen werde von § 210 InsO und der insolvenzrechtlichen Rangfolge, die in § 209 Abs. 1 InsO geregelt wird, betroffen, da die Kosten einer etwaigen Ersatzvornahme nach Maßgabe dieser Rangordnung nur im Rahmen der vorhandenen Masse zu befriedigen sei. Für die Störereigenschaft des Insolvenzverwalters bleibe es unerheblich, ob eine Betriebsfortführung nur für kurze Zeit geschehen ist. ¹⁷³ Ebenso wie das BVerfG hält der VGH Mannheim die Freigabe von massezugehörigen Gegenständen grundsätzlich für zulässig und auch immissionsschutzrechtlich nicht für rechtsmissbräuchlich, da ihre Insolvenzzweckgemäßheit ausschlaggebend sei. Auch der VGH Mannheim geht davon aus, dass mit dem Zeitpunkt der Freigabeerklärung die ordnungsrechtlichen Pflichten auf den Insolvenzschuldner übergingen. Die Pflichten aus § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG beruhe aber nicht auf dem Eigentum, also dem Eigentum des Insolvenzschuldners, sondern auf der Sachherrschaft des Betreibers. Solange der Insolvenzverwalter daher die Betreibereigenschaft im immissionsschutzrechtlichen Sinn hat, sei eine (spätere) Freigabeerklärung im Hinblick auf seine Pflichtenstellung unerheblich.
2. Sachwalter als vorinsolvenzlicher Sanierungsberater In einem weite Wellen schlagenden Fall hat das AG Stendal ¹⁷⁴ in einem Eröffnungsbeschluss die Eigenverwaltung der schuldnerischen Gesellschaft angeordnet, der bemerkenswerterweise veröffentlicht worden ist. Es hat die Voraussetzung für die Anordnung der Eigenverwaltung als gegeben angesehen und einen Sachwalter unter Missachtung des Vorschlags aus der Beschlussfassung des
BVerfG, Urt. v. . . – C / – BVerfGE , . AG Stendal, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , .
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vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 56a Abs. 2 InsO bestellt. Denn es hielt den vorgeschlagenen Sachwalter nicht für geeignet, nach §§ 275 Abs. 1, 56 Abs. 1 S. 1 InsO unabhängig von Schuldnerin und Gläubigern seine Aufgaben wahrzunehmen. Denn der Vorgeschlagene habe mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin in mehreren Verfahren gemeinsam Unternehmenssanierungen durchgeführt und sei aufgrund der umfangreichen früheren Geschäftsbindungen, die der Vorgeschlagene eingeräumt aber nicht selbst angezeigt habe, verdächtig. Der Geschäftsführer der Schuldnerin sei unmittelbar vor der Insolvenzantragstellung auf Betreiben der D-Bank zum Sanierungsberater und Geschäftsführer der Schuldner bestellt worden.
3. Kein Auskunftsanspruch des Verwalters gegen den Notar bei Grundstücksverkehrsgeschäften des Schuldners Grundstücksgeschäfte des Insolvenzschuldners als Veräußerer eines in seinem Eigentum stehenden Grundstücks in der kritischen Zeit mit einem Erwerber, dem zur Sicherung seiner schuldrechtlichen Ansprüche auf Auflassung des Grundstücks eine Auflassungsvormerkung bestellt wird, rufen nicht unerhebliche Probleme hervor. Denn der Insolvenzverwalter stößt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht selten auf das Begehren des Erwerbers, den auflassungsgesicherten Grunderwerbsanspruch aus der Masse zu erfüllen, was § 106 InsO i.V.m. § 878 BGB bekanntlich sichert. Der Insolvenzverwalter kann in diesen Fällen selten nachvollziehen, ob derartige Veräußerungsvorgänge unter Bedingungen erfolgt sind, die Tatbestandsvoraussetzungen der Absichtsanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, kongruenter oder inkongruenter Befriedigung bzw. im Hinblick auf die Eintragung der Auflassungsvormerkung der Sicherung des Erwerbers, §§ 130, 131 InsO oder der Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO erfüllen. Das OLG Schleswig ¹⁷⁵ hat darauf erkannt, dass der Insolvenzverwalter über seinen Auskunftsanspruch gegen den Schuldner nach § 97 InsO genügend geschützt sei. Einen Auskunftsanspruch gegen den Notar habe er dagegen nicht. Ein solcher Anspruch folge auch nicht aus § 242 BGB. Fall 49: Der in dem über das Vermögen des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter klagte gegen den beklagten Notar auf Auskunft über die Urkundennummern von notariellen Urkunden, die der Notar unter Beteiligung des Schuldners handeln für sich als natürliche Person erstellt hat, um im Wege der Leistungsklage die Herausgabe von Ausfertigung sämtlicher Urkunden geltend machen zu können.
OLG Schleswig, Urt. v. . . – U / – ZIP , .
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Die Entscheidung des OLG Schleswig überzeugt nicht vollständig. Denn der Insolvenzverwalter findet in der Masse einen Anspruch des Schuldners gem. § 51 BUrkG auf Ausfertigung von Urkunden, Anfertigung von Kopien etc. gegen den Notar aus dem „Notariat“ – also der amtlichen Tätigkeit des Notars für und gegenüber dem Insolvenzschuldner vor. Ob es insoweit einer Mitwirkung des Insolvenzschuldner, die nach § 97 InsO gefordert und nach § 98 InsO erzwungen werden kann bedarf, ist mehr als zweifelhaft. Mit anderen Wort, der Notar ist regelmäßig der Masse gegenüber verpflichtet. Beruft sich der Insolvenzverwalter gegenüber dem Notar darauf, es befänden sich in der Masse Ansprüche, die aus § 51 BUrkG abgeleitet werden, und die er aber in Ermangelung einer genauen Bezeichnung der Urkunden nach der Urkundennummer nicht spezifizieren könne, gehört es zu den Amtspflichten des Notars, dem Beteiligten diese Spezifizierung zu ermöglichen. Das OLG Schleswig meint demgegenüber in der vorliegenden Entscheidung, aus der bestehenden Sonderverbindung zwischen dem Insolvenzschuldner (der Masse) und dem Notar könnten Auskunftsansprüche der Insolvenzmasse nicht zugerechnet werden. Es weicht damit von der Judikatur des OLG Dresden¹⁷⁶ ab.
4. Reichweite des § 160 InsO Eine der weitreichenden Änderungen, die Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens¹⁷⁷ nach sich gezogen hat, ist die Möglichkeit des schriftlichen Verfahrens, § 5 Abs. 2 InsO. Wie und unter welchen Voraussetzungen in dem schriftlichen Verfahren die Entscheidungen vorbereitet und getroffen werden können, die für den Berichtstermin vorgesehen sind, ist freilich klärungsbedürftig. Mit seiner Entscheidung aus dem Mai 2013¹⁷⁸ hat der IX. Zivilsenat des BGH hierzu zu entscheiden gehabt. Fall 50: Das Insolvenzgericht hatte über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren antragsgemäß eröffnet, einen Insolvenzverwalter bestellt und weiter im Eröffnungsbeschluss angeordnet, dass das Verfahren schriftlich durchzuführen sei und eine Gläubigerversammlung vorerst nicht einberufen werde. Weiter wurde ein Stichtag festgesetzt, der dem Berichts- und Prüfungstermin entsprechen sollte. Bis dahin sollten die Gläubiger sich zur Person des Insolvenzverwalters und zur Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens, namentlich zu bedeutsamen Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters i.S.v, § 160 InsO äußern. Es erfolgten Forderungsanmeldungen in Höhe von EUR 380.000. Der spätere Rechtsbeschwerdeführer hatte Forderungen in Höhe von EUR 38.000 angemeldet und beantragt noch vor dem festgesetzten
OLG Dresden, Beschl. v. . . − W / – NJW RR , , . BGBl I , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
Stichtag, im Rahmen der schriftlichen Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter abzuwählen. Er schlug vor, eine bestimmte andere Person zum Verwalter zu wählen.Weiter erklärte er, der Verkauf des Warenlagers als Ganzes, den der Insolvenzverwalter beabsichtigte, solle nicht genehmigt werden. Denn der Insolvenzverwalter verhalte sich bei der Verwertung des Umlaufvermögens der Insolvenzschuldnerin sachwidrig.
Zu Recht führt der IX. Zivilsenat des BGH aus, dass wegen der begehrten Entscheidung über die Masseverwertung die Rechtsbeschwerde unstatthaft war, weil gegen Entscheidungen im Zusammenhang der Zustimmung der Gläubigerversammlung zu Rechtshandlungen gem. § 160 InsO eine Beschwerdemöglichkeit bereits durch das Gesetz nicht vorgesehen sei. Allerdings bestand die Möglichkeit, das Rechtsmittel umzudeuten und in dem Begehren einen Antrag auf Einberufung einer Gläubigerversammlung nach § 75 Abs. 1 InsO zu sehen. Gegen die Versagung der Einberufung der Gläubigerversammlung steht dem Antragsteller nach § 75 Abs. 3 InsO ein Rechtsmittel zu Gebote, allerdings unter der Voraussetzung, dass das Einberufungsquorum nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 erfüllt ist, was hier nicht der Fall war. Einer solchen Umdeutung war der Antrag des Rechtsbeschwerdeführers wegen Abwahl des vom Insolvenzgericht bestellten und Neuwahl eines anderen Insolvenzverwalters nicht zugänglich. Denn er hatte ausgeführt, der neue Insolvenzverwalter sei im Rahmen der schriftlichen Gläubigerversammlung zu wählen. Damit war die Einberufung einer Gläubigerversammlung nach § 75 InsO gerade nicht gewollt. Der IX. Zivilsenat argumentiert nun damit, durch die mit der Durchführung des schriftlichen Verfahrens verbundene Verfahrensvereinfachung dürften den Gläubigern die ihnen im Berichtstermin zustehenden verfahrensrechtlichen Befugnisse des § 57 S. 1 InsO nicht entzogen werden. Da diese Vorschrift jedem Insolvenzgläubiger ein Recht einräume, die Neuwahl einer anderen Person als Insolvenzverwalter zu beantragen, ohne dass dies von Quoren abhängig ist, müsse das im schriftlichen Verfahren vorgehende Insolvenzgericht die Voraussetzung für eine schriftlichen Abstimmung schaffen. Erst dort komme es dann auf die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger an. Die damit verbundenen verfahrensrechtlichen Positionen dürfen durch die Anordnung des schriftlichen Verfahrens nicht beschnitten werden. Der IX. Zivilsenat beruft sich dabei auf seine Judikatur zu der Möglichkeit, bei Abhaltung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen, § 290 Abs. 1 InsO.¹⁷⁹ Daher bedarf es, um die Wahl eines neuen Insolvenzverwalters nach § 57 InsO durchzuführen, nicht der Einberufung einer Gläubigerversammlung.
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – WM , , ; Beschl. v. . . – IX ZB / – WM , .
VI. Rechtsstellung des Insolvenzverwalters
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5. Untreue des Insolvenzverwalters Das LG Deggendorf ¹⁸⁰ hat darauf erkannt, dass im Falle besonders schwerwiegender; insbesondere strafrechtlich relevanter Pflichtenverstöße; wie namentlich der Untreue des Insolvenzverwalters durch ungenehmigte Vorschussentnahmen, der Vergütungsanspruch aus §§ 63, 65 InsO verwirkt werden könne. Das Gericht verweist hier auf die wohl gefestigte Judikatur des IX. Zivilsenats des BGH, nach der die Versagung der Vergütung des Insolvenzverwalters in entsprechender Anwendung des Grundgedanken des § 654 BGB bei gewichtigen, vorsätzlichen oder zumindest leichtfertigen Pflichtenverstößen in Betracht kommt.¹⁸¹
6. Berufsrecht des Insolvenzverwalters Der IX. Zivilsenat des BGH ¹⁸² hat als Anwaltsgerichtshof darauf erkannt, die Grundrechte auf Gleichbehandlung und auf Berufsfreiheit einer juristischen Person würden nicht dadurch beschränkt, dass das Amt des Insolvenzverwalters auf natürliche Personen beschränkt sei. Fall 51: Antragstellerin war eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für Insolvenzverwaltung mit 35 Standorten und 300 Mitarbeitern im Bundesgebiet. 42 Berufsträger werden von dieser Gesellschaft beschäftigt, die ausschließlich auf dem Gebiet der Insolvenz- und Zwangsverwaltung tätig sind. Die Gesellschaft stellte den Antrag auf Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter, der vom AG abgelehnt wurde, wogegen sich die Gesellschaft nach § 23 EGGVG beim OLG erfolglos wandte.
Der IX. Zivilsenat begründet seine Entscheidung damit, dass, wie das BVerfG ¹⁸³ bereits entschieden hat, das Amt des Insolvenzverwalters höchstpersönlicher Natur und nicht auf einen anderen übertragbar sei. Der Insolvenzverwalter könne zwar Mitarbeiter befassen, müsse aber insolvenzverfahrensspezifische Handlungen – wie die Führung eines Anfechtungsprozesses, die Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses, die Wahrnehmung von Berichtspflichten gegenüber dem Insolvenzgericht, der Gläubigerversammlung und dem Gläubigerausschuss sowie die Pflicht zur Erstellung des Insolvenzplans – höchstpersönlich erfüllen. Denn in der Person des Insolvenzverwalters fokussiere sich das
LG Deggendorf, Beschl. v. . . – T / – ZIP , . BGH, Beschl. . . – IX ZB /, Tz. ; Beschl. v. . . – IX ZB / – NZI , . BGH, Beschl. v. . . – IX AR (VZ) / – ZIP , . BVerfG, Beschl v. . . – BvR / – ZIP , , Rz. .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
Vertrauen, das in ihn gelegt wird. Demgegenüber ließen – wie der IX. Zivilsenat überzeugend ausführt – juristische Personen die für eine Amtsstabilität unabdingbare Gewähr vermissen, da die von einer juristischen Person wahrgenommene Insolvenzverwaltung weitgehend anonymisiert würde. Dies soll hinreichender Rechtfertigungsgrund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung sein. Juristische Personen handeln nämlich über ihre Organe, die abberufen werden können, was die Kontinuität der Insolvenzverwaltung aufheben würde. Die durch die juristische Personenbildung bewirkte Haftungsbeschränkung würde der persönlichen Verantwortung, die vom Insolvenzgesetzgeber dem Insolvenzverwalter auferlegt wird (§ 60 Abs. 1 S. 1 InsO) zuwiderlaufen. Dies würde auch durch eine entsprechende Haftpflichtversicherung nicht abgefedert werden können.
7. Antrag auf Aufhebung der Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters Der IX. Zivilsenat des BGH ¹⁸⁴ hat über den Antrag eines Insolvenzverwalters zu entscheiden gehabt, mit dem er vom Insolvenzgericht die Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung über die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters begehrt. Fall 52: Die Gläubigerversammlung war auf Antrag mehrerer Gläubiger vom Insolvenzgericht terminiert worden, um über die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters abzustimmen. Dieser sollte gegen den Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Ersatz eines Gesamtschadens geltend machen. Der Beschluss wurde von den anwesenden Gläubigern einstimmig gefasst. Hiergegen richtete sich der Antrag des Insolvenzverwalters nach § 78 Abs. 1 InsO.
Der BGH hat den Antrag für unberechtigt angesehen. Der Insolvenzverwalter sei nicht antragsbefugt, § 78 Abs. 1 InsO sei teleologisch einschränkend auszulegen. Zwar sei (derzeit) die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters noch nicht in der InsO geregelt, aber es sei davon auszugehen, dass Sonderinsolvenzverwalter zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter bestellt werden könnten, wie der BGH in seiner früheren Judikatur bereits erkannt hat. Es gäbe ein Interesse der Verfahrensbeteiligten daran, dass die fraglichen Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter durch einen neuen Insolvenzverwalter oder einen Sonderinsolvenzverwalter geprüft und geltend gemacht werden könnten, um dem Insolvenzverfahren eine zügige und störungsfreie Abwicklung zu gewähren. In den Fällen des § 78 Abs. 1 InsO gehe es nun darum, dass der Insolvenzverwalter eine den Quoteninteressen der Gläubiger abträgliche Entscheidung der Gläubi BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
VI. Rechtsstellung des Insolvenzverwalters
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gerversammlung aufzuheben anregt. Dies aber sei hier nicht der Fall, denn es gehe hier allein darum, dass im Interesse der Masse mögliche Schadenersatzansprüche geprüft würden. Das gemeinsame Quoteninteresse der Gläubiger wird hierdurch aber nicht verletzt, sondern im Gegenteil gefördert. Daher sei das Antragsrecht in derartigen Fällen nicht gegeben. Nun ist der Sonderinsolvenzverwalter als Aufsichtsorgan nicht gesetzlich vorgesehen, wenngleich er mittlerweile „gewohnheitsrechtlich“ anerkannt ist.¹⁸⁵ Wenn der Sonderinsolvenzverwalter im Rahmen des Konzerninsolvenzrecht gesetzlich geregelt sein wird, ohne dass der Gesetzgeber dies zum Anlass nimmt, den Sonderinsolvenzverwalter als Aufsichtsinstrument zu regeln, wird sich diese Frage erneut stellen.
8. Bindung des Insolvenzverwalters an Satzungsänderungen Das KG ¹⁸⁶ hat über die Bindung des Insolvenzverwalters an Satzungsänderungen der von ihm verwalteten gGmbH i. L. zu entscheiden gehabt. Fall 53: Der spätere Liquidator hatte in seiner damaligen Eigenschaft als Geschäftsführer eines eingetragenen Vereins die Insolvenzschuldnerin, eine gGmbH, gegründet. Etwa sechs Jahren nach Eintragung der gemeinnützigen GmbH in das Handelsregister wurde durch das AG Charlottenburg das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen unter Bestellung eines Insolvenzverwalters eröffnet. Später bestellte die Gesellschafterversammlung den Gründer und Geschäftsführer zum Liquidator der gGmbH, der mit notarieller Urkunde verschiedene Satzungsänderungen, die auf der Gesellschafterversammlung beschlossen worden waren, zur Eintragung in das Handelsregister anmeldete. Infolgedessen wurden alle Satzungsbestimmungen gestrichen, die Regelung zur Gemeinnützigkeit der schuldnerischen GmbH enthielten. Hierzu wurde der Insolvenzverwalter gehört, ob Bedenken gegen die Eintragung der angemeldeten Gesellschaftsvertragsänderungen bestünden, woraufhin dieser erklärte, dass „diesseits keine Bedenken gegen die Eintragung der angemeldeten Gesellschaftsvertragsänderungen bestehen“. Die beantragten Eintragungen wurden daraufhin durch das Registergericht vorgenommen. Der Insolvenzverwalter beantragte später die Löschung der erfolgten Eintragungen der Satzung. Denn die schuldnerische GmbH habe dadurch rückwirkend für die letzten zehn Jahre ihre steuerliche Privilegierung verloren. Dies wurde vom AG Charlottenburg zurückgewiesen.
Das KG hat die gegen die Entscheidung des AG Charlottenburg gerichtete Beschwerde des Insolvenzverwalters für zulässig erachtet. Die Beschwerdebefugnis des Insolvenzverwalters folgert das KG aus § 59 Abs. 1 FamFG, da die Eintragung in das Recht des Insolvenzverwalters eingreife. Dabei folge die Beschwerdebefugnis
LSZ-Rechel, InsO, .Aufl., § Rn. . KG, Beschl. v. . . – W / – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
aber nicht daraus, dass der Insolvenzverwalter formell beschwert war, weil er nicht berechtigt war, mit einem Antrag nach § 23 Abs. 1 FamFG die Löschung der vom AG Charlottenburg vorgenommenen Eintragungen zu betreiben. Vielmehr sei sein Antrag als Anregung gem. § 24 Abs. 1 FamFG anzusehen. Die Beschwerdebefugnis folge daher nicht aus § 23 Abs. 2 FamFG. Allerdings wurde die Firma der Insolvenzschuldnerin geändert, die als Vermögenswert in die Insolvenzmasse fällt.¹⁸⁷ Daher sei nach Ansicht des KG die Änderung der Firma der Insolvenzschuldnerin ohne Zustimmung ihres Verwalters rechtlich nicht möglich.¹⁸⁸ Daraus folgt, dass bereits der beurkundende Notar den Insolvenzverwalter befragen und das Registergericht eine Zwischenverfügung treffen muss.
9. Kanzleiabwickler und Insolvenzverwalter im Rechtsanwalts-Insolvenzverfahren Das OLG Naumburg ¹⁸⁹ hat darüber zu entscheiden gehabt, wer zur Geltendmachung von Gebührenforderungen eines insolventen Rechtsanwalts zuständig ist, für dessen Kanzlei ein Abwickler von der Kammer eingesetzt, nun aber mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch ein Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Zutreffend führt das OLG Naumburg aus, der Kanzleiabwickler habe die laufenden Mandate des früheren Rechtsanwalts weiter zu bearbeiten und abzuschließen. Hierzu zählt auch die Verwaltung der Abwicklungskonten. Die Geltendmachung von Forderungen, die dem Insolvenzbeschlag unterfallen (§§ 35 Abs. 1, 80 Abs. 1 InsO), liege aber allein beim Insolvenzverwalter, solange dieser die Forderungen nicht freigegeben hat. Allerdings hat der BGH ¹⁹⁰ darauf erkannt, dass der Abwickler das vorhandene Barvermögen in Besitz zu nehmen habe, um daraus die Kosten für die vorläufige Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs bestreiten zu können. Hierzu seien auch eingehende Gebühren zu zählen. Erst mit Ende der Abwicklung wäre der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach § 53 Abs. 9 BRAO, § 667 BGB fällig. Dies bestätigt, dass der Abwickler aber gerade nicht zur Geltendmachung der ausstehenden Gebührenforderungen sondern lediglich zur Verwaltung des existierenden Barvermögens berechtigt ist.
BGH, Urt. v. . . – II ZR / – ZIP , . OLG Köln, Beschl. v. . . – Wx / – ZIP , . OLG Naumburg, Urt. v. . . – U / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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10. Pflicht des Insolvenzverwalters zur zinsgünstigen Anlegung von Geldern Der BGH ¹⁹¹ hat darauf erkannt, dass nach Lage des Falles eine schadenersatzbewerte Pflicht des Insolvenzverwalters gegenüber den Insolvenzgläubigern und dem Schuldner besteht, solche Gelder, die bis zur endgültigen Verteilung der Masse nicht benötigt werden, sicher und zinsgünstig anzulegen. Fall 54: In dem vom BGH entschiedenen Rechtsstreit klagte der Insolvenzschuldner, der Inhaber eines Vermessungsbüros war, gegen den in dem über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalter. Dieser hatte im eröffneten Insolvenzverfahren Beträge zwischen EUR 19.000 und EUR 100.000 mit einem Zinssatz von 0,25 % jährlich auf ein Giro-Anderkonto angelegt. Nach mit Zustimmung der Gläubiger vorgenommener Einstellung des Insolvenzverfahrens im März 2011 zahlte der spätere Beklagte an den Kläger zunächst EUR 34.000 von diesen Beträgen aus. Nach Festsetzung der Verwaltervergütung auf EUR 40.000 überwies der Beklagte dann weitere EUR 21.000 an den Kläger. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Verzugszinsen, beginnend mit dem auf die Einstellung des Insolvenzverfahrens folgenden Tag, in Anspruch. Nachdem das Landgericht dem Kläger Verzugszinsen für die letzten zwei Monate vor Auszahlung des Restbetrages zuerkannt und die Klage wegen entgangenen Zinsgewinns im Übrigen abgewiesen hatte, ging das OLG auf Berufung des Klägers davon aus, dass ein weitergehender Zahlungsverzug des Beklagten zwar nicht vorliege, aber ein Schadensersatzanspruch wegen einer zinsungünstigen Anlage der in der Masse befindlichen Gelder anzunehmen sei, sowohl für die Dauer des Insolvenzverfahrens als auch für die sich anschließende Zeit bis zum Eintritt des Zahlungsverzuges.
Vom Schutzbereich der Pflicht des Insolvenzverwalters das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu bewahren und ordnungsgemäß zu verwalten, sind sowohl die Insolvenzgläubiger als auch der Insolvenzschuldner erfasst. Letzterer habe ein rechtlich geschütztes Interesse daran, den Umfang seiner Nachhaftung gem. § 201 Abs. 1 InsO gering zu halten oder gar einen Überschuss zu erzielen, wie der BGH überzeugend ausführt. Daher gehöre es grundsätzlich zu den Masseverwaltungs- und Masseerhaltungspflichten des Insolvenzverwalters, zur Insolvenzmasse gehörende Gelder möglichst zinsgünstig anzulegen. Dabei komme es nicht darauf an, ob diese Gelder ursprünglich in der Masse vorhanden waren oder durch den Erwerb von Neuvermögen oder durch Verwertungshandlungen nach § 149 InsO erzielt worden sind. In der Insolvenzordnung finden sich hierzu allerdings keine expliziten Regelungen bis auf die Bestimmung des § 149 Abs. 1 S. 1 InsO, demzufolge der Gläubigerausschuss bindend bestimmen kann, bei welcher Stelle und zu welchen Bedingungen Geld angelegt werden soll. Dies kann für den Fall, dass ein Gläubigerausschuss nicht bestellt ist, das Insolvenzgericht anordnen, § 149 Abs. 1 S. 2 InsO. Der BGH geht nun davon aus, dass die Regelung des § 149
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
InsO keine Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Pflicht des Insolvenzverwalters, massezugehöriges Geld zinsgünstig anzulegen, bedeute. Dabei versucht der IX. Zivilsenat, die konkreten verfahrensrechtlichen und durch die Insolvenz geschaffenen tatsächlichen Bedingungen, unter denen der Insolvenzverwalter tätig wird, zu berücksichtigen. Zunächst einmal sei der Ausgangspunkt die Vorschrift des § 148 Abs. 1 InsO, nach der der Insolvenzverwalter das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz zu nehmen – also seiner Verwaltung zu unterwerfen hat. Die Verpflichtung zu einer zinsgünstigen Anlage folge dabei aus dem Leitbild des ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters, wie der BGH durchaus überzeugend ausführt. Dabei müsse dem Insolvenzverwalter freilich zunächst einmal eine Einarbeitungszeit eingeräumt werden. Dies führt den erkennenden Senat dazu, auszuführen, den späteren Insolvenzverwalter treffe eine „Anlagepflicht“ im Zeitraum vor Ablauf von sechs Wochen gerechnet von der Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Denn in diesem Fall habe er von dem Vorhandensein von Mitteln Kenntnis erlangt. Die Anlagepflicht bestehe nach Ansicht des BGH dann nicht, wenn der damit verbundene Aufwand angesichts des zu erzielenden Ertrags nicht zu rechtfertigen sei. Hierbei sei im Regelfall auf die Zinserträge abzustellen, die bei einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitut (was sich aus § 109 Abs. 1 S. 2 ZPO ergibt) auf einem Tagesgeldkonto zu erzielen seien, wobei dem Insolvenzverwalter nicht zuzumuten sei, etwa durch Benutzung von elektronischen Medien besonders günstige Angebote zu ermitteln und wahrzunehmen. Er sei berechtigt, bestehende eigene Geschäftsbeziehungen zu Kreditinstituten zu nutzen. Das liegt auf der Hand. Denn in der Tat muss der Insolvenzverwalter darauf abstellen, dass die Gelder durch Einlagensicherungssysteme gedeckt sind und dem Zugriff seiner eigenen Gläubiger entzogen sind, was nur bei Sonder- oder Anderkonten der Fall ist. Nun fragt sich, ob der Insolvenzverwalter tatsächlich in größerem Umfang Gelder ohne Zinserträge auf Konten buchen darf, ohne dass hierfür wegen absehbar zu bedienender Masseverbindlichkeiten ein Anlass besteht. Es spricht viel dafür, dass in Niedrigzinsphasen eine verstärkte Pflicht zu alsbaldigen Abschlagsverteilungen besteht.
11. Anspruch nach § 166 HGB in der Insolvenz der Gesellschaft § 166 Abs. 1 HGB gibt dem Kommanditisten das Recht, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen. Nach § 166 Abs. 3 HGB kann der Kommanditist jederzeit beantragen, dass das Registergericht bei Vorliegen wichtiger Gründe die Mitteilung einer Bilanz und eines Jahresabschlusses oder sonstiger Aufklärungen sowie die Vorlegung der Bücher und Papiere anordnet. Hat das Registergericht auf
VI. Rechtsstellung des Insolvenzverwalters
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der Grundlage des § 166 Abs. 3 HGB die Verpflichtung zur Vorlage der entsprechenden Unterlagen angeordnet und wird diese nicht erfüllt, kann gegen den Verpflichteten durch Beschluss nach § 35 Abs. 1 S. 1 FamFG Zwangsgeld festgesetzt werden. Auf die Entscheidung nach § 35 FamFG sind nach § 95 FamFG die Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden. Das KG ¹⁹² hat darüber zu entscheiden gehabt, wie das außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten in der Insolvenz der KG durchzusetzen ist. Fall 55: Das LG Berlin hatte auf Antrag des Kommanditisten dem Komplementär die Befugnis, bis zur Entscheidung über die Hauptsache die Geschäfte der KG alleine zu führen, entzogen. Auf weiteren Antrag des Kommanditisten ordnete das AG Charlottenburg an, dass die KG bei Vermeidung eines vom Gericht gegen den Komplementär festzusetzenden Zwangsgeldes dem Kommanditisten Summen- und Saldenlisten und andere Unterlagen vorzulegen habe. Da der Kommanditist die fraglichen Unterlagen von der KG nicht vorgelegt erhielt, wurde auf seinen Antrag am 16.11. 2012 gegen den Komplementär Zwangsgeld in Höhe von EUR 7.000 festgesetzt. Später wurde am 1.10. 2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet.
Nach der Judikatur des BGH hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Unterbrechung des dortigen Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht zur Folge.¹⁹³ Denn in dem Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 166 HGB, § 35 FamFG i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG geht es um eine Zwangsvollstreckung wegen nicht vertretbarer Handlungen gem. § 888 ZPO, die sich gegen das Gesellschaftsorgan (hier: den gesetzlichen Vertreter der KG) wegen gesellschaftsrechtlicher Verpflichtungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter (Kommanditisten) richtet. Diese Zwangsvollstreckungsmaßnahme werden von der Regelung des § 89 Abs. 1 InsO nicht erfasst. Das KG lässt es dahingestellt sein, ob der Kommanditist im vorliegenden Fall ein Rechtsschutzbedürfnis hat. In der Tat ist dem Komplementär ja die Alleingeschäftsführungsbefugnis entzogen und auf den Komplementär und den Kommanditisten gemeinsam übertragen worden, so dass nicht recht einzusehen ist, wie die titulierte Auskunftspflicht vom Komplementär hätte allein erfüllt werden können, was allerdings vom KG mit Verweis auf die Rechtskraft des Titels nach § 166 HGB zurückgewiesen wird. Da aber die Auskunftspflicht bei der Gesellschaft und nicht in der Person des gesetzlichen Vertreters verwirklicht wird, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG nicht mehr die Geschäfte der Gesellschaft führt, und zudem mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft allein der Verfügung des Insolvenzverwalters unterliegen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO), hat sich die Rechtsdurchsetzung gegen den
KG, Beschl. v. . . – W / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – V ZB /, Tz. .
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Insolvenzverwalter zu richten. ¹⁹⁴ Ob das so stimmt, mag man in Erinnerung an Friedrich Webers ¹⁹⁵ Unterscheidung von Verdrängungsbereich und konkursfreien Bereich bezweifeln.
VII. Schadenersatzforderungen der Masse wegen schädigenden Verhaltens Dritter im Vorfeld des Insolvenzverfahrens 1. Verjährung des Anspruch aus existenzvernichtenden Eingriff Fall 65: In dem vom II. Zivilsenat des BGH ¹⁹⁶ entschiedenen Fall ging es um die Klage des Insolvenzverwalters der insolvenzschuldnerischen GmbH. Der Beklagte war Alleingesellschafter der PPM, der Mehrheitsgesellschafterin und Lieferantin der Insolvenzschuldnerin. Geschäftsführer der PPM und der Insolvenzschuldnerin waren ein und dieselbe Person. Im Oktober 2001 war die Insolvenzschuldnerin überschuldet. Am 7.1. 2001 veräußerte der beklagte Alleingesellschafter der PPM die Anteile der PPM an der Insolvenzschuldnerin an die C-GmbH für EUR 5. Deren Geschäftsführer beschloss am 12.10. 2001 die Liquidation der Insolvenzschuldnerin. Nach Abberufung des bisherigen Geschäftsführers bestellte er sich zum Liquidator. Mit Kaufvertrag vom 16.10. 2001 erwarb die PPM von der Insolvenzschuldnerin Waren im Wert der offenen Forderungen, die der PPM gegen die Insolvenzschuldnerin in Höhe von EUR 1,2 Mio. zustanden. Die Warenbestände der Insolvenzschuldnerin waren der Hausbank zur Sicherung übereignet, die nun am 24.10. 2001 die Geschäftsbeziehung zur Insolvenzschuldnerin kündigte. Auf den Eigenantrag vom 27.12. 2001 wurde das Insolvenzverfahren am 1. 3. 2002 unter Bestellung des gegen die PPM am 2. 5. 2002 Klage erhebenden Insolvenzverwalters eröffnet. Dieser begehrte von der PPM aus dem Kaufvertrag vom 16.10. 2001 Kaufpreiszahlung, wozu die PPM durch Urteil vom 5. 5. 2004 verurteilt wurde, da die kreditierte Kaufpreisforderung als Eigenkapital und die Aufrechnung als unwirksam zu werten sei. Die Verurteilung führte zur Insolvenz der PPM, so dass für die Masse nur EUR 170.000 aus dem erstrittenen Titel erlangt werden konnten. Am 29.9. 2008 wurden der Alleingesellschafter der PPM und der Geschäftsführer der C-GmbH wegen Anstiftung zur Untreue bzw. wegen Untreue strafrechtlich verurteilt. Am 11.9. 2009 erhob der Insolvenzverwalter der schuldnerischen GmbH Klage gegen den Beklagten auf Zahlung von EUR 5,3 Mio.. Das Verhalten im Oktober 2001 habe zur Kreditkündigung durch die Hausbank und damit zur Insolvenz der Insolvenzschuldnerin geführt. Der Beklagte habe um den Vermögenszustand der Insolvenzschuldnerin gewusst. Landgericht und OLG wiesen die Klage wegen Verjährungseintritt ab. Spätestens aufgrund des Urteils vom 5.5. 2004 habe der klagende Insolvenzverwalter die Kenntnisse gehabt, die zur Erhebung der Klage erforderlich gewesen seien.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. . . – W / – ZIP , . Weber, Die Funktionsteilung zwischen Konkursverwalter und Gesellschaftsorganen im Konkurs der Kapitalgesellschaft, KTS , ff. BGH, Urt. v. . . – II ZR / – ZIP , .
VII. Schadenersatzforderungen der Masse wegen schädigenden Verhaltens Dritter
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Dagegen hat der II. Zivilsenat des BGH überzeugend darauf abgestellt, dass die Verurteilung der PPM zur Zahlung des Kaufpreises aus dem Kaufvertrag vom 16.10. 2001 mit Urteil vom 5.5. 2004 dem klagenden Insolvenzverwalter noch keine Kenntnis davon hat verschaffen können, dass der beklagte Alleingesellschafter der PPM durch den Abschluss des Kaufvertrages in existenzvernichtender Weise in den Bestand der Insolvenzschuldnerin eingegriffen hatte. Der Lauf der Verjährung für einen Anspruch nach § 826 BGB, sedes materiae der Existenzvernichtungshaftung, richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des BGB, also nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Hiernach wird der Lauf der Verjährungsfrist aber auch dadurch in Gang gesetzt, dass der Kläger grob fahrlässig in Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen gewesen ist. Dies liegt vor, wenn die den Anspruch begründenden Umstände sich dem Gläubiger „förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat“.¹⁹⁷ Insoweit führt der II. Zivilsenat überzeugend aus, dass allein der Verkauf des Warenbestandes für sich genommen einen existenzvernichtenden Eingriff in den Bestand der Schuldnerin durch die PPM noch nicht bedeutet habe, und dass hieraus nicht zu schließen wäre, dass der Beklagte an einem solchen Eingriff beteiligt war. Denn ein mit dem Verkauf des Warenbestandes verbundener Entzug des Vermögens der Insolvenzschuldnerin habe nur unter der Voraussetzung einen existenzvernichtenden Charakter, dass keine gleichwertige Gegenleistung vereinbart wurde.¹⁹⁸ In dem hier vom BGH entschiedenen Fall lag aber ein Verkauf unter Wert nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht vor, so dass allein in dem Kaufvertrag noch kein Vermögensentzug zu sehen ist. Dies sei aber auch dann nicht der Fall, wenn durch einen derartigen Vertrag eine Aufrechnungslage geschaffen wird. Denn im Allgemeinen kann die Aufrechnung zur Tilgung von Forderungen der Insolvenzschuldnerin führen. Wird indes durch den Vertragsschluss eine Aufrechnungslage geschaffen, die die Tilgung von wertlosen bzw. eigenkapitalersetzenden Gegenforderungen nach der Lieferung zur Folge hat, wie hier geschehen, sei dies anders zu beurteilen: Dann könne in dem Vertragsschluss ein existenzvernichtender Eingriff gesehen werden. Voraussetzung sei aber dafür, wie der II. Zivilsenat ausführt, dass bereits beim Vertragsschluss die Aufrechnung mit den nicht mehr werthaltigen Gegenforderungen beabsichtigt war.
BGH, Urt. v. . . – III ZR / – BGHZ , . BGH, Urt. v. . . – II ZR / – BGHZ , (Trihotel).
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
2. Hinweispflicht des Steuerberaters wegen Insolvenzgefahr Der IX. Zivilsenat des BGH ¹⁹⁹ hat darauf erkannt, dass den Steuerberater im Rahmen eines allgemeinen Beratungsmandats nicht die drittschützende Pflicht trifft, auf eine Insolvenzgefahr hinzuweisen. Fall 66. Der im über das Vermögen der C-GmbH eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter verklagte den langjährigen Steuerberater der Insolvenzschuldnerin. Seit dem Jahr 2005 befand sich die Insolvenzschuldnerin in der Krise. Ihr Geschäftsführer B gewährte zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ein Darlehen über EUR 80.000. Im Dezember 2005 teilte er dies dem Steuerberater mit, der ihm den Rat gab, wegen des Rückzahlungsanspruchs einen Rangrücktritt zu erklären. Dies geschah in einer Besprechung zwischen dem Geschäftsführer und dem Steuerberater Ende Januar 2006. Zwischen diesem Tag und dem 1.9. 2006 hatte der Geschäftsführer Tilgungsleistungen auf sein Darlehen vom Geschäftskonto der Schuldnerin über insgesamt EUR 265.000 vorgenommen. Deren Erstattung an die Insolvenzmasse begehrte der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Verfahrens vom Geschäftsführer. Hierüber kam es zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Geschäftsführer zu einem Vergleichsschluss, in dem letzterer seine Ansprüche gegen den späteren beklagten Steuerberater an den Kläger abtrat. Unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens des Geschäftsführers nahm darauf der klagende Insolvenzverwalter den beklagten Steuerberater in Höhe von EUR 132.600 auf Schadenersatz aus abgetretenem Recht in Anspruch.
Der IX. Zivilsenat hat zunächst die Pflichten des Steuerberaters näher gefasst, die im Dauermandat auf die pflichtgemäße Erledigung des ihm erteilten Auftrags unter Berücksichtigung steuerrechtlicher Fragen bezogen sind, wobei den Steuerberater vertragliche Nebenpflichten gem. § 242 BGB treffen. Aufgrund derer hat der Steuerberater den Mandanten vor Schaden zu bewahren und ihn auf offenkundige Fehlentscheidungen hinzuweisen.²⁰⁰ Der Senat meint aber, es gehöre nicht zu den Pflichten des Steuerberaters, den Geschäftsführer darauf hinzuweisen, dass er bei Eintritt der Insolvenzreife gem. § 15a InsO zur Stellung eines Eigenantrages für die Gesellschaft verpflichtet sei. Der IX. Zivilsenat lehnt daher es ab, Hinweis und Warnpflichten bei möglicher Insolvenzreife in den Kreis der Pflichten des Steuerberaters im Rahmen eines allgemeinen Steuerberatungsmandats einzubeziehen, weil dies komplexe Prüfungen, insbesondere im Hinblick auf eine Überschuldung der Gesellschaft, erforderlich mache, die den Umfang der durch das Allgemeinmandat gebotenen Tätigkeit überschreiten würden. In einem früheren Urteil²⁰¹ hatte der BGH seinerzeit eine Haftung des Steuerberaters an-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – WM , , . BGH, Urt. v. . . – IVa ZR / – GmbHR , .
VII. Schadenersatzforderungen der Masse wegen schädigenden Verhaltens Dritter
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genommen, allerdings nicht wegen fehlerhafter Beratung, sondern weil der Steuerberater die Bilanz falsch erstellt hatte. Der IX. Zivilsenat lehnt aber die Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten des Steuerberaters nicht generell ab. Denn das Steuerberatungsmandat für die Gesellschaft berühre bestimmungsgemäß das schutzwürdige Interesse der Gesellschaft als Gläubigerin des Vertrages an der Einbeziehung des Geschäftsführers als Dritten in den Schutzbereich des Vertrages, dessen Haftungsrisiko von der ordentlichen Erfüllung des Vertrages zwischen Steuerberater und Gesellschaft erkennbar berührt wird.²⁰²
3. Haftung und Parteieigenschaft bei Ausgliederung Das BAG ²⁰³ hat folgenden Fall zu entscheiden gehabt: Fall 67: Der Arbeitgeber hatte das von ihm unter der Firma A.E.K. betriebene Unternehmen in die neu gegründete O-GmbH ausgegliedert und alle Aktiva und Passiva des Unternehmens auf diese übertragen. Die beim einzelkaufmännischen Unternehmen bestehenden Arbeitsverhältnisse gingen auf die neu gegründete Gesellschaft über. Gepfändet durch die spätere Klägerin waren aber Ansprüche des Schuldners gegen die A.E.K., Inh. A. Gegen den Beklagten als Inhaber der A.E.K. war die Klage der Klägerin gerichtet.
Das BAG hat darauf erkannt, dass die Ausgliederung nicht zu einem Parteiwechsel kraft Gesetzes auf die O-GmbH führe. Denn der Beklagte haftet gem. §§ 156 f. UmwG im Außenverhältnis für die übertragenen Verbindlichkeiten zwischen den einzelkaufmännischen Firmen im Wege der Mithaftung weiter; hierzu gehören die pfändbaren Teile des verschleierten Arbeitseinkommens. Diese gesamthänderische Mithaftung des Beklagten wird nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der Übertragung von Vermögensteilen im Rahmen einer Spaltung nach § 123 UmwG um eine Form der partiellen Gesamtrechtsnachfolge handelt.²⁰⁴ Nach alledem hätte die O-GmbH allein durch einen gewillkürten Parteiwechsel, Parteierweiterung oder Streitverkündung in den Prozess einbezogen werden können. Daraus folgt aber für die Lohn- und Gehaltspfändung, dass nur für den Zeitraum bis zur Spaltung die gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten reicht, da danach die O-GmbH Arbeitgeberin wurde.
BGH, Urt.v. . . – X ZR / – BGHZ , ; Urt. v. . . – III ZR / – ZIP , ; Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BAG, Urt. v. . . – AZR / – ZIP , . BAG, Urt. v. . . – AZR / – BeckRS , .
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B. Eröffnetes Insolvenzverfahren
4. Anforderungen an den Sachverhaltsvortrag bei schadenersatzrechtlicher Inanspruchnahme eines Steuerberaters Der IX. Zivilsenat des BGH ²⁰⁵ hat über den Fall der schadenersatzrechtlichen Inanspruchnahme des Steuerberaters einer GmbH zu entscheiden gehabt, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Der Steuerberater hatte im Jahresabschluss der Insolvenzschuldnerin einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag aufgedeckt, aber die Bemerkung gemacht, eine Überschuldung sei bilanzieller Natur, da Rangrücktrittserklärungen vorlägen und der Gesellschaft aufgrund des hohen Anteils an Stammkunden ein hoher Firmenwert innewohne. Damit hatte der Steuerberater seine Pflichten verletzt. Es war aber nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass diese Pflichtverletzung auch zu einer Schadenersatzpflicht führte, da es um die hypothetische Entscheidung der Geschäftsführer der GmbH bei vertragsgerechten Verhalten des Steuerberaters ging. Der Geschäftsführer der GmbH ist dann zu der inneren Tatsache, wie er sich bei vertragsgerechter Beratung verhalten hätte, zu vernehmen, § 287 Abs. 1 S. 3 ZPO.²⁰⁶
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – WM , , .
C. Rechtsstellung der Gläubiger I. Organe der verfassten Gläubigerautonomie 1. Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses Mit einer Entscheidung aus dem März 2013²⁰⁷ hat der IX. Zivilsenat des BGH die Haftung des Gläubigerausschusses wegen unzureichender Überwachung des Insolvenzverwalters näher gefasst. Dabei ging es um die Überwachung der Geldtransfers, die ein Insolvenzverwalter in strafbarer Weise von den in verschiedenen Verfahren geführten Massesonderkonten auf ein „Poolkonto“ vorgenommen hatte. Der IX. Zivilsenat hält daran fest,²⁰⁸ dass ein prima-facie-Beweis dafür spricht, dass der Insolvenzverwalter, der durch die Mitglieder des Gläubigerausschusses sorgfältig überwacht wird, es nicht wagt, durch strafbare Handlungen Untreue an dem Vermögen, das als Insolvenzmasse beschlagnahmt und seiner Verwaltung anvertraut ist, zu begehen. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses müssen daher, um ihre Pflicht zur Überwachung der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ordnungsgemäß zu erfüllen, die Führung des Hinterlegungskontos nach § 149 Abs. 1 InsO überwachen und es unterbinden, dass der Insolvenzverwalter die Massekonten „abräumt“ und die Gelder auf einem Konto „poolt“. Dabei ist bemerkenswert, dass der IX. Zivilsenat die Masse auch dann durch Veruntreuungen des Insolvenzverwalters im Wege der rechtswidrigen Einrichtung von Poolkonten geschädigt sieht, wenn ein Mitzeichnungsvorbehalt nach § 149 Abs. 2 InsO a.F. vorgelegen und bei Übertragungen die Bank nicht mit befreiender Wirkung geleistet hat. Denn wenn die Bank sich streitig stellt – was sie jederzeit kann – ist der Erfüllungsanspruch mangelbehaftet. Denn wie der IX. Zivilsenat in unter Rückgriff auf eine frühere Judikatur des BGH ²⁰⁹ ausführt, ist der bestrittene Erfüllungsanspruch mit dem unbestrittenen Anspruch auf Auszahlung des zuvor bestehenden Guthabens nicht gleichwertig.²¹⁰
BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – VII ZR / – BGHZ , , ; Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , , . BGH, Urt. v. . . – VI ZR / – WM , . So bereits: RG, Urt. v. . . – VI / – RGZ , , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
2. Unverhältnismäßigkeit der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses Das AG Hamburg ²¹¹ hat trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 22a Abs. 1 InsO die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses als unverhältnismäßig qualifiziert und verworfen. Es geht dabei davon aus, bei einer Teileinstellung des Geschäftsbetriebs der Antragstellerin seien selbst dann, wenn der Geschäftsbetrieb nicht vollständig eingestellt, aber zu erwarten sei, dass die Bilanzsumme des Umsatzes in Zukunft reduziert werde, nicht die gesetzlichen Voraussetzungen zugrunde zu legen, sondern eine Prognose über die Fortentwicklung anzustellen und auf der Basis dieser Prognose nach § 22a Abs. 3, 2. Var. InsO zu entscheiden.
II. Insolvenzforderungen 1. Insolvenzrechtlicher Rang sogenannter atypisch stiller Gesellschafter Aus den unterschiedlichsten steuerrechtlichen Gründen ist die Beteiligung an den Handelsgeschäften einer Gesellschaft als stiller Gesellschafter attraktiv. Der IX. Zivilsenat des BGH ²¹² hat über den insolvenzrechtlichen Rang sogenannter atypisch stiller Gesellschafter zu entscheiden gehabt. Dem nachfolgend zu erörternden Urteil lag ein Sachverhalt zugrunde, der hier vereinfacht wiedergegeben wird. Fall 68: Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem über das Vermögen einer GmbH & Co. KG am 1. 3. 2009 auf Eigenantrag aus dem Dezember 2008 eröffneten Insolvenzverfahren. Die Klägerin hatte im November 2007 aufgrund Vertrages über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft mit Wirkung zum 1.1. 2008 für vier Jahre sich an dem Handelsgewerbe der Insolvenzschuldnerin mit einer mit 7 % zu verzinsenden und unter Einbezug der Zinszahlung in monatlichen Beträgen zurückzuführenden Einlage in Höhe von 750.000 Euro beteiligt. Von dem Jahresüberschuss sollte die Klägerin weiter einen Gewinnanteil in Höhe von 15 % erhalten und ihre Verlustbeteiligung war auf die Höhe der Einlage begrenzt. Weiter sollte sich die Klägerin wie die Gesellschafterin einer oHG von den Angelegenheiten der späteren Insolvenzschuldnerin unterrichten und namentlich alle Bücher, Unterlagen und Betriebsprüfungsberichte einsehen können. Das Auseinandersetzungsguthaben wurde dadurch gesichert, dass die Insolvenzschuldnerin sämtliche Kundenforderungen an die spätere Klägerin abgetreten hatte. Nach Antragstellung kündigte die Klägerin ihre stille Beteiligung, meldete den Auseinandersetzungsanspruch zur Insolvenztabelle an und begehrte abgesonderte Befriedigung aus der Sicherungszession. Der Beklagte bestritt die Forde-
AG Hamburg, Beschl. v. . . – c IN / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
II. Insolvenzforderungen
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rungsanmeldung dem Range nach und vertrat die Auffassung, die Klägerin sei zur abgesonderten Befriedigung nicht berechtigt.
Der IX. Zivilsenat hat die nach Unterliegen in beiden Tatsacheninstanzen von der Klägerin verfolgte Revision für unbegründet erachtet. Dabei hat der IX. Zivilsenat es abgelehnt, den Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO über die Fälle der von § 39 Abs. 5 InsO erfassten Kleinbeteiligung nicht geschäftsführender Gesellschafter hinaus auch auf atypische stille Gesellschafter als „außenstehende Dritte“ zu erstrecken. Denn das Kleinbeteiligungsprivileg des § 39 Abs. 5 InsO könne – wie nach dem vor dem MoMiG geltenden Recht – auch auf Dritte übertragen werden, deren Forderungen aus Rechtshandlungen herrühren, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. Anderes ergebe sich auch nicht aus § 44 a InsO. Der atypisch stille Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, so führt der IX. Zivilsenat aus, entspreche wirtschaftlich dem Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens, sofern eine Gesamtbetrachtung seiner Rechtsstellung ergebe, dass diese aufgrund der zugrundeliegenden Vertragsgestaltung der Stellung eines Kommanditisten im Innenverhältnis weitgehend angenähert ist. Dies war wegen der hier vorliegenden Kontrollrechte der Fall. Ja, die Klägerin stand – wegen der festen Verzinsung seiner Einlage und der Begrenzung der Verlustbeteiligung – sogar besser als ein Kommanditist dar. Auf das Absonderungsrecht konnte sich die Klägerin nicht berufen, da dieses nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar war.
2. Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer aus einem Sanierungstarifvertrag als Insolvenzforderungen Das BAG ²¹³ hat darauf erkannt, dass Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer, die aus einem Sanierungstarifvertrag resultieren, der Mehrarbeit ohne Entgeltausgleich, verbunden mit einer Rückfallklausel bei Scheitern der Sanierungsbemühungen vorsieht, Insolvenzforderungen sind. Denn es handelt sich dabei nicht um Verbindlichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss, § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Var. InsO. Eine Rückfallklausel in einem Sanierungstarifvertrag vermag hieran nichts zu ändern.
BAG, Urt. v. . . – AZR / – ZIP , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
3. Kostenerstattungsanspruch Wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen ein Rechtsstreit gegen den Insolvenzschuldner geführt, dann handelt sich bei dem Anspruch des klagenden Gläubigers auf Erstattung der Kosten, nicht um eine Insolvenzforderung, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und zur Tabelle anzumelden ist, sondern um eine neue Forderung, die gegen den Insolvenzschuldner geltend zu machen ist. Der IX. Zivilsenat des BGH ²¹⁴ hat dabei darauf erkannt, dass dies davon unabhängig ist, ob der Insolvenzschuldner zusätzlich zu dem Klagegrund, auf den die Klage gestützt worden ist, aus einem vor Insolvenzeröffnung verwirklichten Schuldgrund materiell-rechtlich zur Kostenerstattung verpflichtet ist. Fall 69: Nach dem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin am 11. 2. 2011 eröffnet worden war, hatte die Klägerin im August 2011 wegen einer Kaufpreisforderung von EUR 10.670,– für eine im Jahre 2009 erfolgte Warenlieferung an die Insolvenzschuldnerin gegen diese Klage erhoben. Mit Versäumnisurteil vom 15.9. 2011 wurde die Insolvenzschuldnerin zur Zahlung verurteilt und zugleich festgestellt, dass der Klageforderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB zugrunde liegt. Die von der Insolvenzschuldnerin aufgrund des Rechtsstreits der Klägerin zu erstattenden Kosten i.H.v. EUR 112,– zuzüglich Zinsen wurden mit Beschluss vom 14.10. 2011 festgesetzt. Hieraus betrieb die Klägerin die Zwangsvollstreckung. Der beauftragte Gerichtsvollzieher hielt nun die Zwangsvollstreckung nach § 89 InsO für unzulässig.
Der IX. Zivilsenat hat in seiner Entscheidung darauf erkannt, dass das Vollstreckungsverbot gem. § 89 InsO nur die titulierte Hauptforderung erfasse, nicht dagegen die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsanspruch verbiete, weil es sich insoweit um einen Forderungsteil handele, wegen derer die Klägerin eine so genannte Neugläubigerin sei. Denn der schuldrechtliche Anspruch, auf den die Zwangsvollstreckung wegen der Prozesskosten gegründet ist, sei im Unterschied zu den Schadenersatzansprüchen, die Hauptsache der Klage waren, zwar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und damit Insolvenzforderung. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch, der mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss tituliert wird, sei aber in seinem Entstehungsgrund insofern von den in der Hauptsache titulierten Ansprüchen unterschieden, als der Kostenerstattungsanspruch verschuldensunabhängig eine Veranlassungshaftung wegen der aus dem Prozessrechtsverhältnis folgenden Aufwendungen zum Gegenstand hat. Wird der Prozess vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen, handele es sich daher ebenfalls um eine Insolvenzforderung die gleichsam vor
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
II. Insolvenzforderungen
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Eröffnung des Insolvenzverfahrens „angelegt“ worden ist.²¹⁵ Dies entspricht der Judikatur des IX. Zivilsenats zur Frage, ob ein Kostenerstattungsanspruch Alt- oder Neumasseverbindlichkeit i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO ist. Hier wird nämlich darauf abgestellt, ob der Erstattungsanspruch durch Klageerhebung vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet wurde oder erst danach.²¹⁶ Wird daher die Klage gegen den Schuldner erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen erhoben, handelt es sich um eine neue Verbindlichkeit, die von der Sperre des § 89 Abs. 1 InsO nicht erfasst wird.
4. Forderung eines Anlegers in der Insolvenz des Unternehmens Mit seiner Entscheidung aus dem April 2014 hat der IX. Zivilsenat des BGH ²¹⁷ darüber zu entscheiden gehabt, wie die Forderung eines Anlegers in der Insolvenz des Unternehmens, an dem der Anleger Beteiligungen gezeichnet und das in Form eines „Schneeballsystem“ operiert hatte, zu berechnen sei. Fall 70: Im Fall der Phoenix GmbH hatte die spätere Klägerin Einlagen in Höhe von EUR 15.300 gezeichnet. Ihr waren in der Folgezeit insgesamt EUR 12.800 ausgezahlt worden. In dem über das Vermögen der Phoenix GmbH eröffneten Insolvenzverfahren meldete die spätere Klägerin EUR 17.300 zur Tabelle an, woraufhin der Insolvenzverwalter die Forderung bestritt. Später machte die Klägerin die Differenz geltend zwischen der erbrachten Einlage und der Auszahlung, mithin einen Betrag in Höhe von EUR 2.500, den sie zur Tabelle festzustellen begehrte. Der Insolvenzverwalter trat dem mit dem Vortrag entgegen, die klagende Anlegerin habe sich die vertraglich vereinbarte Verwaltungsprovisionen sowie Handelsverluste von anteilig EUR 3.000 anrechnen zu lassen und habe daher mit der Auszahlung bereits mehr erhalten, als sie verlangen könne.
Dem ist der IX. Zivilsenat nicht gefolgt. In der Tat hatte die Insolvenzschuldnerin nach ihren AGB einen Anspruch i.H.v. 5 % von dem Anlagebetrag als Verwaltungsgebühr, die monatlich zu entrichten gewesen wäre. Zudem sollte eine Verrechnung mit Verlusten erfolgen. Der BGH geht aber davon aus, dass dieser Vergütungsanspruch, der sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Insolvenzschuldnerin und Anleger ergibt, gem. § 654 BGB verwirkt sein kann, wenn sich der Dienstleistende, also die Insolvenzschuldnerin, in schwerwiegender Weise einer Verletzung der sich aus dem Rechtsverhältnis ergebenden besonderen Treuepflicht schuldig gemacht hat. Im Falle eines Schneeballsystems, mit dem die Insolvenzschuldnerin operiert hatte, würden die hohen Verluste BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , , ; Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
verschleiert. Dies sei ausreichend dafür, von einer Verwirkung der schuldnerischen Vergütungsansprüche nach § 654 BGB auszugehen. Die dagegen gerichteten Argumente der Revision des Insolvenzverwalters hat der IX. Zivilsenat nicht greifen lassen. Im Wesentlichen hatte der Insolvenzverwalter vorgetragen, es werde durch die Berücksichtigung der Einlageforderung des Anlegers eine Solidarhaftung aller Anleger durch die Absenkung der restriktiven Quote realisiert. Der IX. Zivilsenat hält aber gerade das für die Aufgabe des über das Vermögen des schneeballsystembetreibenden Dienstleistungsunternehmens eröffneten Insolvenzverfahrens.
III. Masseverbindlichkeiten 1. Kostenfestsetzungsverfahren bei Masseunzulänglichkeit Hat der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt, stellt sich die Frage, wie sich dies im Kostenfestsetzungsverfahren gegen „die Masse“ auswirkt. In seinem Beschluss vom 1.7. 2013 hat das LG Aachen ²¹⁸ darauf erkannt, dass ein Kostenfestsetzungsbeschluss als Vollstreckungstitel gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes jedenfalls dann nicht mehr erlassen werden könne, wenn der Kostenerstattungsanspruch als Altmasseverbindlichkeit zu qualifizieren ist. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch entstehe, wie das LG Aachen ausführt, durch den Erlass einer vollstreckbaren Kostengrundentscheidung bereits mit Eintritt der Rechtshängigkeit. Deshalb handele es sich um eine Altmasseverbindlichkeit i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO.
2. Keine Masseverbindlichkeit der Kraftfahrzeugsteuer Der BFH ²¹⁹ hat darauf erkannt, dass die Kraftfahrzeugsteuer keine Masseverbindlichkeit darstellt, wenn das Fahrzeug als Zubehör einer Immobilie von der Zwangsverwaltung erfasst ist.
LG Aachen, Beschl. v. . . – O / – ZInsO , . BFH, Urt. v. . . – II R / – ZIP , .
IV. Aus- und Absonderung
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3. Gleichrangigkeit von Gerichtskosten und Insolvenzverwaltervergütung bei Masseunzulänglichkeit Bei Masseunzulänglichkeit nehmen Gerichtskosten und Insolvenzverwaltervergütung den 1. Rang nach § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO ein. In welchem Verhältnis sie zueinander zu befriedigen sind, hat der IX. Zivilsenat des BGH ²²⁰ zu entscheiden gehabt. Er hat dabei darauf erkannt, dass wegen des gesetzlichen Gleichrangs von Gerichtskosten und Insolvenzverwaltervergütung in dem Fall, in dem die Insolvenzmasse bei gewährter Kostenstundung nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, diese nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen und damit auf die Verwaltervergütung und die Gerichtskosten eine gleich zu bemessende Quote entfalle. Bleibt dabei dann ein offener Betrag der Verwaltervergütung, dann solle nach den Grundsätzen seines weiteren Beschlusses vom 7. 2. 2013²²¹ ein darüber hinausgehender Anspruch gegen die Staatskasse nicht gegeben sein.
IV. Aus- und Absonderung 1. Anmeldung von Ansprüchen und § 1179a Abs. 1 S. 1 und S. 3 BGB § 106 Abs. 1 S. 1 InsO bestimmt, dass schuldrechtliche Ansprüche, die im Insolvenzverfahren zur Tabelle nach §§ 38, 87, 174 InsO anzumelden wären, insolvenzfest sind, wenn zu ihrer Sicherung eine Vormerkung eingetragen worden ist. Der V. Zivilsenat des BGH ²²² hat § 106 Abs. 1 S. 1 InsO in einer „wertenden Betrachtung“ auch für den Anspruch aus § 1179a Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 3 BGB unter der Voraussetzung für anwendbar erachtet, dass der vor- oder gleichrangige Grundpfandrechtsgläubiger auf sein Recht erst nach erfolgter Versteigerung des Grundstücks- und Verteilungsverfahren verzichtet. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde, der hier vereinfacht wiedergegeben wird: Fall 71: Über das Vermögen des Grundeigentümers war am 9. 5. 2006 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Auf dem Grundstück des Insolvenzschuldners lastete eine erstrangige Grundschuld zu Gunsten der Volksbank D sowie eine zweit- und drittrangige Grundschuld zu Gunsten der Sparkasse. Die Zweckerklärung der zweit- und drittrangigen Grundschulden aus dem Januar 2004 enthielt eine Abtretung des „auch zukünftigen oder bedingten Anspruchs des Sicherungsgebers auf Rückgewähr aller vor- oder gleichrangigen Grundschulden (Anspruch auf Übertragung oder
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , , siehe hierzu: Fn. ■. BGH, Urt. v. . . – V ZR / – ZIP , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
Löschung oder Verzicht sowie Zuteilung des Versteigerungserlöses“ an die Sparkasse. Am 6. 2. 2006 erklärte die Volksbank die Kündigung des gesicherten Darlehens, das daraufhin vom Insolvenzschuldner getilgt wurde. Am 16. 5. 2006, also sieben Tage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners, zeigte die Sparkasse die Abtretung der Rückgewähransprüche gegenüber der Volksbank an. Der im über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter focht sowohl die Kündigung als auch die Abtretung an. Nach etwas über zwei Jahren wurde das Grundstück versteigert. Danach verzichtete die Volksbank auf das Grundpfandrecht und vom Versteigerungserlös wurden EUR 27.000 an die Insolvenzmasse auf das Massekonto des Insolvenzverwalters ausgekehrt. Die Sparkasse erhob später Klage gegen den Insolvenzverwalter auf Zahlung dieses Betrages.
Vor dem Berufungsgericht²²³ blieb die klagende Sparkasse erfolglos. Das Berufungsgericht führte aus, der Anspruch nach § 1179a Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 1192 Abs. 1 BGB sei erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Einem Erwerb dieses Anspruchs durch die klagende Sparkasse habe deshalb § 91 Abs. 1 InsO entgegengestanden, der den Erwerb von Rechten an der Insolvenzmasse nach Verfahrenseröffnung ausschließt. Auch sei der Erwerb des künftigen Anspruchs nicht insolvenzfest erfolgt, weil keine Vormerkung eingetragen gewesen wäre, denn sonst hätte der Insolvenzschuldner nicht selbst oder im Zusammenwirken mit Dritten darüber bestimmt, dass dieser Anspruch entsteht. Es sei für den Erwerb des Anspruchs aus § 1179a Abs. 1 S. 3 BGB noch kein sicherer „Rechtsboden gelegt worden“. Vielmehr sei die zwischen der Volksbank und dem Insolvenzschuldner getroffene Sicherungsabrede noch erweiterbar gewesen. Denn die Grundschuld der Volksbank hätte auch der Absicherung zukünftiger Ansprüche gedient. Im vorliegenden Fall kommt aber der Anspruch nach § 1179a Abs. 1 S. 1 BGB auf Löschung der Grundschuld der Volksbank, die den Rechten der klagenden Sparkasse im Rang vorging, deshalb nicht mehr in Betracht, da die Grundschuld nicht mehr nach §§ 1168 Abs. 1, 1192 Abs. 1 BGB in eine Eigentümergrundschuld umgewandelt worden sei. Denn die Volksbank erklärte erst nach der Erteilung des Zuschlags ihren Verzicht. Nach § 91 Abs. 1 ZVG hat der Zuschlag aber das Erlöschen der Grundschuld zur Folge. Der V. Zivilsenat des BGH meint dagegen, dass sich die erloschenen Rechte und die sich auf sie beziehenden, früheren Rechtsbeziehungen an dem Versteigerungserlös fortsetzen würden. Denn der Versteigerungserlös sei im Wege gesetzlicher Surrogation an die Stelle des Grundstücks getreten.²²⁴ Auch die Art des neuen Gegenstandes – des Versteigerungserlöses – schließe eine solche Surrogation ebenso wenig aus, wie die Tatsache, dass die „gesetzliche Surrogation“ erst
OLG Hamm, Urt. v. . . – I- U / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – V ZR / – WM , f.; Urt. v. . . – V ZR / – NJW , , .
IV. Aus- und Absonderung
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nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Grundeigentümers eingetreten ist; § 91 Abs. 1 InsO hindere diese nicht. Dies begründet der V. Zivilsenat – nicht ohne Überzeugungskraft – aus der Entstehungsgeschichte des § 1179a BGB. Dieser erübrige die vor seinem Inkrafttreten üblicherweise zur Sicherung des Löschungsanspruchs bestellte Vormerkung. Zwar konnte auch nach § 1179 BGB a.F. nur der vertragliche Anspruch auf Löschung eines dem Eigentümer anfallenden Grundpfandrechts durch eine Vormerkung im Grundbuch gesichert werden; der Anspruch nach § 1179a Abs. 1 S. 3 BGB bedürfe, wie der V. Zivilsenat ausführt, dieser Sicherung für seine Insolvenzfestigkeit indes nicht. Denn er verschaffe dem begünstigten Gläubiger unabhängig von der Eintragung einer Vormerkung, ein Befriedigungsrecht, wie es § 106 Abs. 1 S. 1 InsO sichere. Dies gilt nach der Judikatur des V. Zivilsenats auch, soweit der Anspruch zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht entstanden ist. Denn insoweit ist nach § 106 Abs. 1 InsO auch der künftig entstehende Anspruch vormerkungs- und damit sicherungsfähig mit der Folge, dass er auch dann insolvenzfest ist, wenn er erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht. Der IX. Zivilsenat des BGH hat in verschiedenen Entscheidungen²²⁵ zu dem in Ansehung der Rechte an dem Versteigerungserlös beim ersten Verteilungsverfahren erklärten Verzicht des Gläubigers auf sein vorrangiges Grundpfandrecht eine Rechtsauffassung vertreten, von der der V. Zivilsenat mit der vorliegenden Entscheidung abweicht. Er hat indes, wie der V. Zivilsenat in der vorliegenden Entscheidung darstellt, erklärt, hieran nicht mehr festzuhalten.
2. Löschung einer Sicherungshypothek – insolvenzrechtliche Rückschlagsperre Der V. Zivilsenat des BGH hat die Voraussetzungen für die Löschung einer Zwangssicherungshypothek gem. § 867 ZPO näher bestimmt, die von einer insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre erfasst ist.²²⁶ Der Entscheidung lag folgender, vereinfacht wiedergegebener Sachverhalt zugrunde: Fall 72: Der in dem am 9. 3. 2011 über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter beantragte die Löschung einer Zwangssicherungshypothek, deren Eintragung in das Grundbuch zur Belastung eines Grundstücks des Insolvenzschuldners im Zeitraum des § 88 InsO bewirkt worden war. Das Grundbuchamt hatte mit
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , , f.; Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , , . BGH, Beschl. v. . . – V ZB / – ZIP , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
Zwischenverfügung dem Insolvenzverwalter aufgegeben, die Löschungsbewilligung des Gläubigers sowie die Zustimmung des Eigentümers zu den Löschungen in grundbuchmäßiger Form vorzulegen.
Das grundbuchverfahrensrechtliche Problem des Falles liegt darin, dass die sogenannte Rückschlagsperre des § 88 InsO „automatisch“ wirkt. Anders als ein Anfechtungsurteil über den Erwerb von Zwangssicherungshypotheken in dem kritischen Zeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 InsO, bedarf es im Falle des § 88 InsO keines weiteren Rechtsaktes – mit der Folge, dass für das Grundbuchverfahren zunächst einmal keine Urkunde vorliegt, aus der sich die Unrichtigkeit des Grundbuches ergibt. Der V. Zivilsenat des BGH hat zunächst einmal überzeugend ausgeführt, dass im Falle der von einer Rückschlagsperre des § 88 InsO erfassten Zwangssicherungshypothek es zu deren Löschung der Bewilligung des Gläubigers im Grundbuch nicht bedarf, da die Rückschlagsperre die absolute, d. h. gegenüber jedermann wirkende Unwirksamkeit des Rechtserwerbs mit der Folge des Erlöschens der Hypothek bewirkt.²²⁷ Diese Rechtsfolge vermag die Bewilligung des Gläubigers nicht zu berühren. Würde der Insolvenzverwalter daher das Grundstück freigeben solange die Zwangssicherungshypothek noch im Grundbuch eingetragen ist, könnte diese wiederum neu entstehen. Sie würde dann aber einen veränderten Rang einnehmen.²²⁸ Daher bedürfe es zur Beseitigung der durch das Erlöschen der Zwangssicherungshypothek zunächst bewirkten Unrichtigkeit des Grundbuchs keiner Bewilligung des Gläubigers nach § 19 GBO.Vielmehr genüge es, dass die Unrichtigkeit des Grundbuchs nach § 22 GBO nachgewiesen wird.²²⁹ Damit ist dem Insolvenzverwalter aber nicht viel geholfen. Denn der V. Zivilsenat führt aus, dieser könne den Unrichtigkeitsnachweis entweder durch Klage nach § 894 ZPO auf Erteilung der Löschungsbewilligung oder nach § 22 Abs. 1 GBO führen. Im letzteren Falle bedürfe es zwar keiner Löschungsbewilligung des Gläubigers, jedoch des Unrichtigkeitsnachweises mit den in § 29 GBO als Beweismittel zugelassenen Urkunden. Denn wegen der spezifischen Wirkungsweise des § 88 InsO kann der Insolvenzverwalter in der Tat den Unrichtigkeitsnachweis nach Meinung des V. Zivilsenats nicht führen. Hierfür müsste er nämlich öffentliche Urkunden vorlegen können. Im vorliegenden Fall hatte der Insolvenzverwalter eine Bescheinigung des Insolvenzgerichts vorgelegt, in der mitgeteilt wurde, unter wel-
BGH, Urt.v. . . – IX ZR / – BGHZ , , ; Urt.v. . . – IX ZR / – BGHZ , , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , , . Der V. Zivilsenat beruft sich insoweit auf OLG Köln, Beschl.v. . . – Wx / – ZIP , , und des OLG München, Beschl.v. . . – Wx / – ZIP , , .
IV. Aus- und Absonderung
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chem Datum der Eröffnungsantrag eingegangen war. Dies hält der V. Zivilsenat nicht für ausreichend, um im Grundbuchverfahren den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs führen zu können. Allerdings hat das Insolvenzgericht mit seiner Bescheinigung eine Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO erstellt. Dabei aber habe es, wie der V. Zivilsenat meint, seine ihm zugewiesenen Befugnisse überschritten, da es nicht die Aufgabe habe, gegenüber dem Grundbuchamt das Eingangsdatum des Insolvenzantrages zu bescheinigen. Dies ergibt sich nach der Argumentation des V. Zivilsenates aus einem Vergleich zum Anfechtungsprozess, in dem es ebenfalls zur Berechnung der Fristen der Kongruenz– oder der Inkongruenzanfechtung auf das Eingangsdatum des ersten zulässigen und begründeten Antrages ankommen kann. Dies festzustellen sei, anders als es in der Reformdiskussion der 80er Jahre erörtert worden war, nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, sondern Angelegenheit des Prozessgerichts, das über die Anfechtungsklage zu entscheiden hat.²³⁰ Richtig erfreulich ist diese Entscheidung nicht, sie ist aber richtig. Dem Insolvenzverwalter bleibt also nichts anderes als die Klage nach § 894 BGB, wenn nicht der Gläubiger freiwillig die Löschung der Zwangssicherungshypothek formgerecht bewilligt.
3. Erteilung einer auf § 166 Abs. 2 InsO gestützten Einziehungsermächtigung an Dritte Der IX. Zivilsenat des BGH ²³¹ hat darauf erkannt, dass die Regelung des § 166 Abs. 2 InsO den Insolvenzverwalter auch ermächtige, sicherungshalber abgetretene Forderungen dadurch zu verwerten, dass er Dritten eine Einziehungsermächtigung erteilt. Dies folgert der erkennende Senat aus § 168 Abs.1 InsO. Denn diese Vorschrift erlaube es dem Insolvenzverwalter sicherungshalber abgetretene Forderungen zu verkaufen. Da § 168 Abs. 3 S. 2 InsO die Möglichkeit eröffnet, eine „kostensparende“ Verwertung zu wählen, hat der Insolvenzverwalter z. B. in Fällen, in denen die sicherungsabgetretene Forderung gegen den Drittschuldner aufwendig prozessual durchgesetzt werden müsste, entweder ein Factoring vorzunehmen oder einem Dritten die rechtsgeschäftliche Einziehungsermächtigung zu erteilen.
RegE zu § InsO, BT-Drucks. /, S. , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
4. Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs auf insolvenzfeste Anlage der Barkaution Mit Urteil aus dem Dezember 2012²³² hat der IX. Zivilsenat des BGH darüber zu entscheiden gehabt, ob dem Mieter an Mietzinszahlungen, die vor Insolvenz des Vermieters fällig geworden sind, ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs auf insolvenzfeste Anlage der Barkaution zusteht. Fall 73: Die Insolvenzschuldnerin hatte eine Werkhalle an die Beklagte auf unbestimmte Dauer vermietet und sich verpflichtet, die von der Mieterin zu gezahlte Barkaution in Höhe von EUR 1.500 auf einem auf dem Namen der Beklagten lautenden Sonderkonto zu verwahren. Der in dem über das vom Vermögen der Schuldnerin eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter begehrte die Zahlung der offenstehenden Mietzinszahlung, wogegen die Beklagte wegen der Vereinnahmung der Barkaution und der unterlassenen Einzahlung auf das Sonderkonto ein Zurückbehaltungsrecht geltend machte.
Der IX. Zivilsenat hat zutreffend darauf erkannt, dass das Recht der beklagten Mieterin auf Einzahlung der Barkaution auf ein Sonderkonto nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur rückständigen Miete stehe, sodass dieser ein Recht aus § 320 BGB nicht zustünde. Allerdings könne der Mieter bei Verletzung der Anlagepflicht durch den Vermieter ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB ausüben, das indessen im Insolvenzverfahren keine Wirkung entfaltet. Die Gegenmeinung Marotzkes ²³³ hat der IX. Zivilsenat mit Blick auf § 51 Nr. 2, 3 InsO abgelehnt. Der IX. Zivilsenat führt insoweit nur ergänzend aus, dass die nichtvollzogene Treuhandabrede nicht etwa ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO begründe, sondern allenfalls einer zur Tabelle anzumeldende Schadenersatzforderung auslöse.
5. Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB durch den Insolvenzschuldner Der V. Zivilsenat des BGH ²³⁴ hat zur Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB durch den Insolvenzschuldner folgenden, hier vereinfacht wiedergegebenen Sachverhalts entschieden. Fall 74: Der spätere Insolvenzschuldner hatte mit der klagenden Stadt einen nicht im Grundbuch vollzogenen Erbbauvertrag geschlossen. Er begann nach Inbesitznahme des Grundstücks mit dem Bau eines Einfamilienhauses, das allerdings im Rohbauzustand steckenblieb und den Erbbauzins,
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . Marotzke, Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht, . Aufl. Rn. . ff.; . ff. BGH, Urt. v. . . – V ZR / – ZIP , .
IV. Aus- und Absonderung
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den er zahlen sollte, entrichtete er nicht. Die Stadt setzt darauf eine Frist zur Nachzahlung des rückständigen Entgelts und trat, nachdem diese Frist ohne Zahlung des Insolvenzschuldners verstrichen war, vom Erbbaurechtsvertrag zurück und klagte gegen den Insolvenzschuldner auf Herausgabe des Grundstücks. Nach Rechtshängigkeit wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnet. Der Insolvenzverwalter teilte der Klägerin mit, keinen Besitz an dem Erbbaugrundstück auszuüben, woraufhin sie den Rechtsstreit wieder aufnahm. Der beklagte Insolvenzschuldner strebte die Verurteilung Zug um Zug gegen Ersatz seiner Aufwendungen für den Bau an.
Das Berufungsgericht hatte den Streitwert nach § 41 Abs. 2 GKG nach dem einjährigen Nutzungsentgelt für das Grundstück auf EUR 4.300 festgesetzt. Daraufhin verzichtete es gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO auf die Wiedergabe des Parteivorbringens; das Berufungsurteil enthielt keine tatsächlichen Feststellungen. Der erkennende Senat hat das Berufungsurteil wegen des Fehlens tatsächlicher Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen, da es aufgrund einzelner Sachverhaltselemente, die sich den Gründen entnehmen ließen, nicht auf den entscheidungserheblichen Sachverhalt insgesamt schließen konnte.²³⁵ Ein Verzicht auf einen Sachverhalt darf das Urteil nämlich nur dann enthalten, wenn es durch ein Rechtsmittel nicht mehr angegriffen werden kann und sich das Berufungsgericht hiervon von Amts wegen vergewissert hat.²³⁶ Im vorliegenden Fall waren aber der Wert des herauszugebenden Grundstücks mit EUR 107.000 sowie das Leistungsverweigerungsrecht für die baulichen Aufwendungen mit EUR 78.000 anzusetzen. Für die Nichtzulassungsbeschwerde gegen oberlandesgerichtliche Urteile liegt aber nach § 26 Nr. 8 EGZPO die Wertgrenze bei EUR 20.000, sodass im vorliegenden Fall jedenfalls die Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsmittel gegen das oberlandesgerichtliche Urteil zulässig war. In der Sache hat der V. Zivilsenat gesehen, dass es sich bei dem Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen wegen des Rohbaus, der auf dem herauszugebenden Grundstück errichtet worden war, um eine zur Insolvenzmasse gehörende Forderung handelt. Da mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verwaltungsund Verfügungsrecht über die Gegenstände der Insolvenzmasse gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht, ist allein dieser dazu „aktiv legitimiert“, eine solche massezugehörende Forderung im Wege von Klage oder Widerklage gegen den Drittschuldner geltend zu machen. Der Insolvenzschuldner ist nur unter der Voraussetzung prozessführungsbefugt, dass der Insolvenzverwalter
BGH, Beschl. v. . . – VI ZR / – NJW-RR , . BGH, Urt. v. . . – V ZR / – NJW RR , , ; Urt. v. . . – VI ZR / – BGHZ , , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
ihn zur Geltendmachung der massezugehörigen Forderung ermächtigt.²³⁷ In dem vom V. Zivilsenat zu entscheidenden Fall hatte der Insolvenzverwalter den Insolvenzschuldner freilich nicht zur Geltendmachung der Forderung auf Abgeltung der Aufwendungen bei der Errichtung des Rohbaus ermächtigt. Der V. Zivilsenat geht aber davon aus, dass es im Rahmen der Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB nicht darauf ankomme, ob der sich auf § 320 BGB berufende Insolvenzschuldner hierzu durch den Insolvenzverwalter ermächtigt worden ist. Der Senat verweist dabei auf die vergleichbare Situation bei einer Abtretung des Anspruchs auf die Gegenleistung. Der Zedent verliere in diesem Fall nämlich ebenfalls sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht. Gleichwohl werde sein durch § 320 BGB geschütztes Interesse, die Leistung verweigern zu dürfen, solange der andere Teil seinen vertraglichen Leistungspflichten nicht nachkommt, geschützt, auch ohne dass es eine Ermächtigung zur Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrecht durch den Zessionar bedürfe.²³⁸ Im Zusammenhang mit der Einzelzwangsvollstreckung beruft sich der V. Zivilsenat dabei darauf, auch hier dürfe der Schuldner nach Pfändung des Anspruchs auf die Gegenleistung das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB dann ausüben, wenn er die Bewirkung der Gegenleistung an den Vollstreckungsgläubiger erreichen will. Würde man bei Zession bzw. Pfändung des Anspruchs auf die Gegenleistung anders entscheiden, würde dem Drittschuldner die Möglichkeit eröffnet, seinen Anspruch gegen den Schuldner zu titulieren, ohne die Gegenleistung erbringen zu müssen. Das aber liefe den Interessen der Gläubiger des das Leistungsverweigerungsrecht beanspruchenden Schuldners entgegen.²³⁹ Mit erfrischender Präzision vollzieht der erkennende V. Zivilsenat nun die insolvenzrechtliche Lage nach. Der den Prozess aufnehmende Kläger mache hier ein Aussonderungsrecht an dem massefremden Grundstück geltend (§ 47 i.V.m. § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Hätte der Insolvenzverwalter das Aussonderungsgut in Besitz genommen, wäre er als Beklagter in der Lage gewesen, durch die Geltendmachung des massezugehörigen Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB – so der V. Zivilsenat wörtlich – „Druck auf den Gläubiger“ auszuüben, „seine Gegenleistung in die ‚Masse‘ zu erbringen“. Nach Freigabe des Grundstücks an den Schuldner kann der Insolvenzverwalter dies freilich nicht mehr. Wohl aber kann der Insolvenzschuldner diesen „Druck“ realisieren, soweit er den Anspruch auf die Gegenleistung einredeweise geltend macht.
BGH, Urt.v. . . – VII ZR / – BGHZ , , ; Urt.v. . . – III ZR / – BGHZ , , . BGH, Urt. v. . . – VII ZR / – NJW-RR , , . Der V. Zivilsenat zitiert OLG Braunschweig, JR , , .
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6. Einziehung einer verpfändeten Forderung bei nichtfälliger Hauptforderung § 166 Abs. 2 InsO sieht bekanntlich vor, dass der Insolvenzverwalter des sicherungsgebenden Insolvenzschuldners zur Einziehung sicherungszedierter Forderungen befugt ist. Ist indessen eine Forderung verpfändet, liegt das Einziehungsrecht in Ermangelung der Voraussetzungen des § 166 Abs. 2 InsO nicht beim Insolvenzverwalter des Pfandgebers (Pfandschuldners), sondern nur unter den Voraussetzungen der Pfandreife bei dem pfandnehmenden Gläubiger. Der Pfandgläubiger aber ist gemäß § 1282 Abs. 1 BGB nur unter der Voraussetzung zur Einziehung der gepfändeten Forderung befugt, wenn nach § 1228 Abs. 2 BGB Pfandreife eingetreten ist. Der IX. Zivilsenat des BGH hat in einer solchen Konstellation über die Einziehung einer verpfändeten Forderung bei nichtfälliger Hauptforderung zu entscheiden gehabt.²⁴⁰ Fall 75: Dem geschäftsführenden Gesellschafter der späteren insolvenzschuldnerischen GmbH war eine Pensionszusage erteilt worden, in der ihm versprochen wurde, mit Eintritt seines 60. Geburtstages – November 2006 – monatlich eine Ruhegeldzahlung in Höhe von EUR 1.000 zu erbringen. Zu Besicherung der Pensionszusage war eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen worden und die hieraus folgenden Ansprüche an den Geschäftsführer verpfändet worden. Später wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 2.4. 2008 überwies die Versicherung den versicherten Betrag an den Insolvenzverwalter, nachdem der Versicherungsvertrag am 1.12. 2006 geendet hatte. Auf dessen Auszahlung nahm der frühere Gesellschaftergeschäftsführer den Insolvenzverwalter in Anspruch.
Der IX. Zivilsenat des BGH hat nun festgestellt, dass mangels Fälligkeit der gesicherten Hauptforderung ein Einzugsrecht des gesicherten Pfandgläubigers nicht bestanden habe. Der Insolvenzverwalter sei zur Einziehung der fällig gewordenen verpfändeten Forderung zwar nicht nach § 166 Abs. 2 InsO, wohl aber in entsprechender Anwendung aus § 173 Abs. 2 S. 2 InsO berechtigt gewesen. Denn in Ermangelung einer Einzugsbefugnis des Pfandgläubigers aus § 1282 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1228 Abs. 2 BGB sei der Insolvenzverwalter in dem über das Vermögen des Pfandschuldners eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter für die Entgegennahme von Beträgen aus der Vereinnahmung einer pfandrechtsbehafteten Forderung rechtszuständig gewesen. Der Pfandgläubiger konnte nämlich nur soweit einziehen, als er Befriedigung aus der verpfändeten Forderung verlangen konnte. Das war aber nur pro rata temporis mit jedem Monat in Höhe seines Pensionsanspruchs von EUR 1.000 möglich. Der Insolvenzverwalter habe die Pflicht, in dem über das Vermögen des Pfandschuldners eröffneten Insolvenzverfahren die Pfandgläubiger wie andere Absonderungsberechtigte in ihren
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
Rechten zu wahren und zu schützen. Da er besondere Amtspflichten gegenüber den Absonderungsberechtigten habe, habe es der Pfandgläubiger – so der BGH – hinzunehmen, dass der Versicherer der verpfändeten Rückdeckungsversicherung den fällig gewordenen Betrag an den Insolvenzverwalter auszahlt. Denn der Versicherer hat das Recht, nicht pro rata temporis, sondern nur mit einem ihre Kosten niedrig haltenden Gesamtbetrag in Anspruch genommen zu werden. Der Insolvenzverwalter habe daher nach Ansicht des IX. Zivilsenats in entsprechender Anwendung des § 170 Abs. 1 S. 2 InsO die aus seiner Amtsstellung folgende Pflicht, die verpfändete Forderung einzuziehen. Hierfür sei er mit einem Zuschlag auf seine Vergütung zu entlohnen, § 3 Nr. 1a InsVV.Wenn das aber der Fall ist, muss es eine kostenmäßige Kompensation der Masse geben, die der BGH in den Fällen der von ihm angedachten entsprechenden Anwendung des § 173 Abs. 2 S. 2 InsO aus einer entsprechenden Anwendung des § 170 Abs. 1 S. 1 InsO mit der Folge gewinnt, dass die Kosten der Feststellung und der Verwertung nach § 171 InsO von dem an den Pfandgläubiger auszukehrenden Erlös in Abzug zu bringen sind. Denn der Aufwand in diesen Fällen entspricht dem Aufwand, der vom Insolvenzverwalter in Wahrnehmung seiner Einziehungsaufgabe nach § 166 Abs. 2 InsO betrieben wird.
7. Voraussetzungen einer Sicherungsübereignung Die Sicherungsübereignung beweglicher Sachen vollzieht sich bekanntlich rechtstechnisch in der Form des § 930 BGB. Betrachtet man diesen Vorgang allein bürgerlich-rechtlich, so stellt man den Erwerb von Volleigentum durch den Sicherungseigentümer nach § 930 BGB fest. Dem Sicherungseigentümer steht dann dinglich eine überschießende Kompetenz an der Sache zu, die im Innenverhältnis zum Sicherungsgeber, der das Eigentum an der Sache zu verlieren scheint, durch die Sicherungsabrede beschränkt wird. Insolvenzrechtlich betrachtet sieht dies anders aus. Denn seit 100 Jahren ist in der Judikatur anerkannt, dass der Sicherungsnehmer mit dem Sicherungseigentum ein besitzloses Pfandrecht erwirbt, während der Sicherungsgeber die Sache weiter in seinem Haftungsverband behält. Dem wird nach § 166 Abs. 1 InsO i.V.m. § 51 Nr. 1 InsO sowohl für die Insolvenz des Sicherungsgebers als auch für die Insolvenz des Sicherungsnehmers Rechnung getragen. Damit ergibt sich – allerdings nur vordergründig – ein Widerspruch zwischen bürgerlich-rechtlichen und insolvenzrechtlichen Maßstäben, nach denen das Sicherungseigentum qualifiziert und behandelt wird – je nachdem, ob dies außerhalb oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Das
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OLG Hamm ²⁴¹ hat einen Fall zu behandeln gehabt, der die vordergründige Widersprüchlichkeit der Maßstäbe und Kriterien deutlich werden lässt. Fall 76: Der spätere Insolvenzschuldner ist der Vater des späteren Beklagten. Drei Jahre vor Eröffnung des über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffneten Insolvenzverfahrens erwarb dieser von einem Autohaus einen Pkw. Zur Finanzierung wurde ein Darlehensvertrag zwischen dem späteren Insolvenzschuldner und einem Kreditinstitut abgeschlossen. Zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs übertrug der Insolvenzschuldner das Eigentum am Pkw nach § 930 BGB auf die darlehensgebende Bank. Der Pkw war auf den Insolvenzschuldner zugelassen. Allerdings wurde das Fahrzeug ausschließlich durch seinen Sohn – den späteren Beklagten – genutzt, wie sich aus der Kfz-Versicherung ergab. Dieser zahlte auch die Darlehensraten, Versicherungsprämien, Kraftfahrzeugsteuern und andere Unterhaltungskosten. Nach Eigenantrag des Insolvenzschuldners bestellte das zuständige Insolvenzgericht zunächst einen vorläufigen Insolvenzverwalter und eröffnete später am 6.6. 2012 das Insolvenzverfahren. Zuvor, im April 2012, hatte die finanzierende Bank, nach Zahlung der letzten Darlehensrate durch den Beklagten, die Zulassungsbescheinigung an den Insolvenzschuldner übersandt. Der Insolvenzschuldner händigte die Bescheinigung dem Beklagten aus, von dem der Insolvenzverwalter die Herausgabe des Fahrzeuges begehrte.
Damit stellt sich die Frage, wie die dingliche Rechtslage in Bezug auf den Pkw zu beurteilen ist. Der Insolvenzschuldner habe vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Anwartschaftsrecht auf Rückübertragung des Eigentums an dem Pkw gegen die sicherungsnehmende Bank erworben, wie das OLG Hamm den zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber vereinbarten Sicherungsbedingungen entnahm. Mit Zahlung der letzten Rate sei die aufschiebende Bedingung eingetreten, aufgrund derer der Rückerwerb des (lastenfreien) Eigentums an dem Pkw erfolgte. Das OLG Hamm meint nun aber, das Anwartschaftsrecht auf Rückerwerb des Eigentums am Pkw, das dem Insolvenzschuldner zugestanden habe, sei bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs des Pkw vom Insolvenzschuldner auf seinen Sohn und späteren Beklagten übertragen worden. Daher sei – wie das OLG Hamm wörtlich ausführt – „mit Zahlung der letzten Finanzierungsrate …, das Anwartschaftsrecht schließlich in den Händen des Beklagten zum Vorrecht erstarkt und dieser [sei] damit Eigentümer des Pkw geworden“. Dies folgert das OLG Hamm daraus, dass das Anwartschaftsrecht nach den §§ 929 ff. BGB analog und nicht nach §§ 398, 413 BGB übertragen werde.²⁴² Dies sei mit der Übergabe des Fahrzeugs vom späteren Insolvenzschuldner auf seinen Sohn, den späteren Beklagten, erfolgt. Darin liege eine konkludente Vereinbarung zwischen dem Insolvenzschuldner und dem Beklagten über die Übertragung der dem Insolvenzschuldner zustehenden Rechte am Pkw auf den Beklagten. In der Tat hatten die Beteiligten die Gestaltung so
OLG Hamm, Urt. v. . . – U / – ZInsO , . BGH, Urt. v. . . – X ZR / – NJW , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
gewählt, damit der Insolvenzschuldner einen Rabatt zu Gunsten des Beklagten in Anspruch nehmen konnte. Die Sachlage wäre anders zu beurteilen gewesen, hätte der Beklagte die Mittel zur Ablösung des Darlehens zunächst an den Insolvenzschuldner als Darlehensnehmer gezahlt und hätte dieser dann die Mittel weitergereicht. Dann wäre die Ablösung des Darlehens mit Mitteln des Insolvenzschuldners erfolgt. Ist der wirtschaftlich den Darlehensvertrag erfüllende Dritte (hier: der später beklagte Sohn des Insolvenzschuldners) vom Zeitpunkt des mit der Sicherungsübereignung zu finanzierenden Erwerbs der Sache unmittelbarer Besitzer, dann entbehrt es nicht der Überzeugungskraft, wenn das OLG Hamm die Ansicht vertritt, dass unabhängig von den rechtlichen Wertungen des Vorgangs durch die Beteiligten die Einräumung einer dinglichen Rechtsposition gewollt gewesen war. Um in den Genuss des Rabatts zu gelangen, habe hier der Insolvenzschuldner eine treuhänderische Rechtsposition für den Beklagten als Dritten gehalten. Dies rechtfertige es, in dem über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffneten Insolvenzverfahren dem Beklagten die Position eines Aussonderungsberechtigten einzuräumen.
8. Vorrecht der WEG-Gemeinschaft nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat in der Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums eines Wohnungseigentümers nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ein begrenztes Vorrecht. Streitig ist, welchen Charakter dieses Vorrecht und welche Reichweite es in dem über das Vermögen des Wohnungseigentümers eröffneten Insolvenzverfahren hat. Nach einer verbreiteten Meinung soll auch ohne Eintragung der von § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG erfasste Anspruch wegen Hausgeldrückständen des Voreigentümers eine dingliche Haftung des Wohnungseigentums begründet sein.²⁴³ Hiergegen ist vertreten worden, § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG schaffe keine Rechtsgrundlage für ein dingliches Recht, sondern begründe gem. § 49 InsO nur ein Absonderungsrecht in dem über das Vermögen des Voreigentümers eröffneten Insolvenzverfahren, da es ein begrenztes Vorrecht in der Zwangsversteigerung gewährleiste. Der V. Zivilsenat des BGH ²⁴⁴ hat nunmehr über die Frage im Zusammenhang²⁴⁵ der Klage einer Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Eigentümer der Wohnung des Insolvenzschuldners, der diese von dessen Insolvenzverwalter erworben hatte, zu entscheiden. LG Berlin, Urt. v. . . – S / WEG – ZWE , ; LG Heilbronn, Beschl. v. . . − T / Hn – ZWE , . BGH, Urt. v. . . – V ZR / – ZIP , . Jennißen/Kemm, NZM , ; Kesseler, NJW , , .
IV. Aus- und Absonderung
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Fall 77: Der Voreigentümer, der Insolvenzschuldner, hatte Hausgeldrückstände in Höhe von EUR 1.700 nicht bezahlt. Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft hatte sich die Rechtsansicht zu Eigen gemacht, das Wohnungseigentum hafte auch nach dem Erwerb durch den neuen Eigentümer dinglich für die offenen Forderungen. Das LG Landau ²⁴⁶ hatte als Vorinstanz die Ansicht geäußert, dass Absonderungsrecht gehe wegen der vom Vorrecht des § 10 Abs.1 Nr. 2 ZVG erfassten Hausgeldforderungen mit dem Erwerb des Wohnungseigentums vom Insolvenzverwalter unter. Es setze sich im Wege dinglicher Surrogation am Veräußerungserlös fort.
Der V. Zivilsenat, der die Frage nach dem dinglichen Charakter des Vorrechts des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG bis dahin offengelassen hatte,²⁴⁷ hat nunmehr ausdrücklich die dingliche Wirkung des Vorrechts gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG verneint.Weder der freihändige Erwerb vom Insolvenzverwalter im über das Vermögen des Wohnungseigentümers eröffneten Insolvenzverfahren noch der Erwerb außerhalb von Insolvenz und Zwangsversteigerung begründe eine dingliche Haftung aus dem Vorrecht des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG. Dabei stützt sich der V. Zivilsenat zum einen auf ein „historisches“ Argument, wenn er ausführt, ein neues dingliches Recht habe mit § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG nicht eingeführt werden sollen. Dies untermauert der V. Zivilsenat mit systematischen Erwägungen. Danach habe § 10 ZVG nicht die Funktion, dingliche Rechte zu begründen, sondern zu regeln, welche – schuldrechtlichen und dinglichen – Ansprüche in der Zwangsversteigerung ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück gewähren und welche Reihenfolge sie den mit der Vorschrift eingeführten Rangklassen einnehmen. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG allein eine Änderung des Zwangsversteigerungsverfahrens herbeiführen. Dabei sei eine Ausgestaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft als dinglich berechtigte Gläubigerin nicht erwogen worden. Der Senat rundet diese Überlegungen durch eine teleologische Auslegung der Norm ab, die eine dingliche Haftung nicht begründen könne. Nun wollte der Gesetzgeber in der Tat, wie der V. Zivilsenat überzeugend ausführt, die übrigen Wohnungseigentümer gegenüber den Grundpfandgläubigern wegen ihrer Forderungen auf rückständiges Hausgeld privilegieren, um den Werterhalt der Anlage insgesamt sicherzustellen.²⁴⁸ Hierzu wäre die dinglich Haftung bei Hausgeldrückständen das gewiss sinnvolle Instrument gewesen, das aber vom Gesetzgeber nicht gewählt worden ist, da er allein die Bevorrechtigung der Hausgeldansprüche im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens geregelt hat. Eine richterliche Rechtsfortbildung zur Umgestaltung der verfahrensrechtlichen Norm des § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG zur dinglichen Haftungsnorm scheitere nach zutreffender Ansicht des V. Zivilsenats an dem numerus clausus der Sachenrechte.
LG Landau, Urt. v. . . – S / – ZWE , . BGH, Urt. v. . . – V ZR / – BGHZ , . BT-Drucks. / S. f.
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
Die gegen den Voreigentümer gerichtete Beschlagnahme im Rahmen einer Zwangsversteigerung, die gem. § 49 InsO aus in dem über das Vermögen des Voreigentümers eröffneten Insolvenzverfahren möglich ist, vermag folglich nach zutreffender Ansicht des V. Zivilsenats nicht, eine „bleibende dingliche Last entstehen (zu) lassen“. Für die Haftung des Vermögens des Erwerbers bedarf es eines Duldungstitels zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft, der durch die Beschlagnahme nach §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1 ZVG vollstreckt wird. In dem über das Vermögen des Wohnungseigentümers eröffneten Insolvenzverfahren begründe § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG im Zusammenhang des § 49 InsO dagegen ein insolvenzrechtliches Absonderungsrecht, wie der IX. Zivilsenat des BGH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat.²⁴⁹ Der V. Zivilsenat führt nun aus, dass diese Judikatur zu seiner Entscheidung nicht im Widerspruch stehe, da der IX. Zivilsenat sich mit der Frage einer dinglichen Haftung außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht auseinanderzusetzen hatte. Offengelassen habe der IX. Zivilsenat insoweit, ob und in welchem Umfang das Absonderungsrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft bei einer freihändigen Veräußerung durch den Insolvenzverwalter abzugelten sei.²⁵⁰
9. Haftung des Zessionars für nicht abgeführte Umsatzsteuer Der BFH ²⁵¹ hat in Auslegung der § 13c UStG, § 251 AO und Art. 205 MwStSystRL. zur Haftung des Zessionars für die im Abtretungsbetrag enthaltene Umsatzsteuer in der Insolvenz des Zedenten zu entscheiden gehabt. Fall 78: Die spätere Insolvenzschuldnerin hatte ihre künftigen Ansprüche aus der Veräußerung ihres Fuhrparks an die darlehensgebende Sparkasse zur Sicherung abgetreten. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen veräußerte die Insolvenzschuldnern im Rahmen der Aufgabe ihres Geschäftsbetriebs den Fuhrpark. Sie meldete die Umsatzsteuer aus der Fahrzeugveräußerung an, ohne aber die danach geschuldete Umsatzsteuer zu entrichten. In dem über ihr Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren wurde ein Insolvenzverwalter bestellt, der die Sicherungsabtretungsvereinbarung nach §§ 129, 131 InsO anfocht. Hierüber kam es zu einem Vergleich mit der später klagenden Sparkasse, in dem diese den Anfechtungsanspruch anerkannte und sich zur Zahlung von EUR 300.000 in die Insolvenzmasse und zum Verzicht auf die Anmeldung weiterer Ansprüche zur Insolvenztabelle erklärte. Im Gegenzug verzichtete der Insolvenzverwalter auf die Geltendmachung weitergehender Ansprüche, wohl wegen der auf die Abtretung hin er-
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – NJW RR , >Tz.; Urt. v. . . – IX ZR / – NJW , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , zu § Abs. Nr. ZVG. BFH, Urt. v. . . – V R / – ZIP , .
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folgten Zahlungen der Insolvenzschuldnerin, und stellte die klagende Sparkasse von sämtlichen Ansprüchen der Finanzverwaltung aus dem abgabenrechtlichen Haftungsverhältnis frei.
EU-umsatzsteuerrechtlich ist es den Mitgliedstaaten möglich, die Haftung einer anderen als der steuerpflichtigen Person für die steuerpflichtige Leistung anzuordnen, was in § 13c UStG in Gestalt der gesetzlichen Anordnung einer Garantiehaftung für die Durchsetzbarkeit fremder Steuerschulden geschehen ist. Hieraus folgert der V. Senat des BFH, dass der Zessionar für die im Abtretungsbetrag enthaltene Umsatzsteuer in der Insolvenz des Zedenten haften kann. In dem zu entscheidenden Fall war freilich offen, ob sich der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid durch den Umsatzsteuerjahresbescheid erledigt hatte.
10. Konsignationslagerverträge Um den Konsequenzen zu entgegen, die sich aus §§ 166 ff., 170 InsO für den Lieferanten beim verlängerten Eigentumsvorbehalt aus dessen Qualifikation als funktionales Sicherungseigentum daraus ergeben, dass bei einer Verwertung durch den Insolvenzverwalter im Rahmen einer Betriebsfortführung der Vorbehaltslieferant sein vorbehaltenes Eigentum an der gelieferten Ware verliert und Sicherungszessionar der vom Vorbehaltskäufer beim Weiterverkauf erworbenen Forderungen wird, schließen Eigentumsvorbehaltsverkäufer mit ihren Abnehmern nicht selten sogenannte Konsignationslagerverträge, aufgrund derer der Lieferant bei seinem Abnehmer Ware lagert. Dem Abnehmer wird die Befugnis eingeräumt, bei Bedarf dem Konsignationslager Ware zu entnehmen. Wird über das Vermögen des Abnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet und führt der Insolvenzverwalter den Betrieb fort, stellt sich die Frage, wie die Ausübung der Befugnis des Insolvenzschuldners zur Warenentnahme durch den Insolvenzverwalter rechtlich zu würdigen ist. Hierüber hat der IX. Zivilsenat des BGH ²⁵² über folgenden Sachverhalt zu entscheiden gehabt. Fall 79: Die schuldnerische GmbH hatte Spritzgussteile aus Kunststoffgranulat hergestellt, das ihr von der späteren Klägerin in ein auf dem Betriebsgelände der Insolvenzschuldnerin unterhaltenes Konsignationslager geliefert wurde, aus dem die Insolvenzschuldnerin bei Bedarf Kunststoffgranulat entnahm. Die hergestellten Spritzgussteile verkaufte die Insolvenzschuldnerin an die Klägerin, die die Ausschussware vermahlte und wieder zu Kunststoffgranulat weiterverarbeitete. Zwischen den Parteien war vereinbart, dass das Material bis zur Entnahme aus dem Lager im Eigentum der Klägerin verbleiben sollte und der Insolvenzschuldnerin aufgrund von an die Klägerin erteilten Verbrauchsmeldungen in Rechnung gestellt werden sollte. Nach Eröffnung des
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
Insolvenzverfahrens hatte der mit der Klage in Anspruch genommene Insolvenzverwalter weitere Spritzgussteile für die Klägerin gefertigt, bis er den Betrieb einstellte und Masseunzulänglichkeit anzeigte. Die Insolvenzschuldnerin hatte nach den vertraglichen Abreden auch für Fehlmengen gehaftet, die sich aus einer Differenz von mitgeteilten Entnahmen und tatsächlichem Bestand ergaben.
Mit ihrer Klage forderte die Klägerin vom Insolvenzverwalter die Bezahlung von nicht verarbeiteten, aber auch nicht angegebenen Fehlmengen in Höhe von EUR 92.000 als Masseverbindlichkeit; über diesen Betrag nahm sie den Insolvenzverwalter auf Schadenersatz nach § 61 InsO in Anspruch. Der Konsignationslagervertrag ist ein gegenseitiger Vertrag gem. § 103 InsO. Dessen Erfüllung wird von dem das Schuldnerunternehmen fortführenden Insolvenzverwalter dadurch gewählt, dass er in Kenntnis des Vertrages weiterhin Material entnimmt und verarbeitet. Denn die von ihm veranlasste Entnahme hat die Qualität einer entsprechenden rechtsgeschäftlichen Erfüllungswahl. Zweifel daran könnten aber deshalb bestehen, weil der Insolvenzverwalter die Wahl der Erfüllung des Vertrages durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ausübt. Der IX. Zivilsenat führt nun zutreffend aus, dass das Gesetz hierfür eine bestimmte Form nicht vorschreibt, so dass die Erfüllungswahl durch schlüssiges Verhalten erklärt werden kann. Ein solches ist nicht ohne weiteres gegeben, wenn der Insolvenzverwalter z. B. Vorbehaltsware weiterveräußert, da der Weiterveräußerung kein typischer Erklärungswert gegenüber dem Vorbehaltslieferanten zukommt.²⁵³ Im vorliegenden Fall hatte das Berufungsgericht festgestellt, dass der Insolvenzverwalter zwei Wochen nach Verfahrenseröffnung gegenüber der Klägerin von einer „programmgemäßen Fortführung“ der Geschäfte der Insolvenzschuldnerin geschrieben hatte, woraus das Berufungsgericht auf eine schlüssige Willenserklärung des Insolvenzverwalters durch die Entnahme der Kunststoffgranulate aus dem Lager geschlossen hatte. Da der Insolvenzverwalter diese Entnahme über 10 Monate fortgesetzt hatte und sich noch in dem hierüber geführten Rechtsstreit auf den Grundsatz pacta sunt servanda berufen hatte, sah der BGH keinen Anlass, die Auslegung durch das Berufungsgericht in Zweifel zu ziehen. Jede Entnahme von Material brachte daher einen Kaufvertrag hierüber zustande. Die damit begründeten Kaufpreisansprüche waren als Masseverbindlichkeit zu erfüllen. Um sich von der Schadenersatzpflicht nach § 61 InsO zu exkulpieren, hätte der Insolvenzverwalter darlegen müssen, dass er zu jedem Zeitpunkt des Entstehens eines Kaufpreisanspruchs davon hatte ausgehen können, dass eine zu dessen Erfüllung ausreichende Masse vorhanden war. Dies war hier nicht geschehen.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – WM , .
IV. Aus- und Absonderung
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11. Raumsicherungsvertrag Zu den wichtigsten Fragen eines jeden Unternehmensinsolvenzverfahrens gehört die Behandlung der an Gegenständen des Schuldnervermögens bestellten Kreditsicherheiten. Werden dem Gläubiger Mobiliarsicherheiten bestellt, nimmt er in dem über das Vermögen des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren nach den §§ 50, 51 InsO als Absonderungsberechtigter mit der Folge teil, dass er die Herausgabe des Sicherungsgutes nicht mehr verlangen kann (§ 166 Abs. 1 InsO), sondern einen Anspruch auf bevorrechtigte Auskehr des Erlöses unter Abzug von Verfahrenskostenbeiträgen hat.²⁵⁴ Fall 80: Die klagende Bank und Sicherungsnehmerin hatte im September 2006 mit der schuldnerischen Sicherungsgeberin einen Raumsicherungsübertragungsvertrag geschlossen, um ihre Ansprüche aus der Geschäftsverbindung mit der Sicherungsgeberin zu sichern. Der Raumsicherungsvertrag sollte alle Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertigen Erzeugnisse, unfertigen Leistungen sowie die fertigen Erzeugnisse und Waren als Sicherungsgut erfassen, die sich im Sicherungsraum befinden bzw. während der Dauer der Geschäftsverbindung dorthin verbracht werden. Die Räumlichkeiten, die in einer als Anlage zum Sicherungsvertrag beigefügten Grundrisszeichnung markiert waren, wurden vom Jahr 2011 an von der Sicherungsgeberin nicht mehr angemietet.Weiterhin war vorgesehen, dass nur Eigentum der schuldnerischen Sicherungsgeberin in den fraglichen Sicherungsraum eingebracht werden sollte. Um unter Eigentumsvorbehalt an sie gelieferten Waren mit zu erfassen, übertrug die Klägerin das jeweilige Anwartschaftsrecht auf den Eigentumserwerb schon im Voraus mit der Sicherungsabrede auf die klagende Sicherungsnehmerin. Der Sachverhalt wird weiter dadurch kompliziert, dass eine Z GmbH & Co. KG bei der Sicherungsgeberin im Zeitraum nach 2007 ein Auslieferungslager unterhielt. Ende Februar 2011 wurden vom Insolvenzgericht unter Bestellung des späteren Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter vorläufige Anordnungen getroffen. Der Beklagte teilte der Klägerin seine Auffassung mit, dass der Raumsicherungsvertrag nicht wirksam sei. Am 1.4. 2011 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Klägerin teilte nach § 28 Abs. 2 InsO ihre Sicherungsrechte mit und meldete ihre Forderungen an. Sie forderte den Beklagten zur Auskehr bereits erzielter Erlöse auf. Im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung waren u. a. im Warenbestand befindliche Naturdärme, die verderblich waren, veräußert worden, um deren Untergang und Wertverlust zu vermeiden.
Der beklagte Insolvenzverwalter verteidigte sich gegenüber der klagenden Bank u. a. damit, dass der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz verletzt sei, weil die Sicherungsabrede den sachrechtlich nicht hinreichend bestimmten Begriff des Umlaufvermögens (§ 266 Abs. 2 Buchst. B HGB) gebrauche und nicht auf konkrete Sachen Bezug nehme. Demgegenüber hat das LG Bielefeld überzeugend ausgeführt, dass es genüge, wenn auf eine Skizze der Räumlichkeiten, in die Waren, die zur Sicherung übereignet werden sollen, eingebracht werden, Bezug genommen
LG Bielefeld, Urt. v. . . – O / – ZInsO , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
wird. Die Einbringung schuldnerfremder Waren in die fraglichen Räume könne die Bestimmtheit der Übereignungsvereinbarung nicht beeinflussen, wie das LG Bielefeld unter Bezugnahme auf die von Ganter vertretene Auffassung²⁵⁵ ausführt. Es käme nämlich allein auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht auf die Einbringung von Dritteigentum an. Das nun ist aber zweifelhaft. Zwar sei es der hinreichenden Bestimmung des Sicherungsgutes nicht abträglich, wenn der in § 266 Abs. 2 B Nr. I Nr. 1– 3 HGB genannte Begriff „Vorräte“ benutzt wurde, wie das LG Bielefeld überzeugend ausführt. Demgegenüber begegnet es Zweifeln, wenn das LG Bielefeld meint, dass die Einbringung von Dritteigentum der Z GmbH & Co. KG keine Zweifel an der Bestimmtheit der Raumsicherungsabrede, genauer der Bestimmbarkeit des Sicherungsgutes, auslösen kann. Allerdings hatte der Insolvenzverwalter nicht substantiiert vorgetragen, wo die Waren der Z GmbH & Co. KG aufgrund der Kooperation mit der Insolvenzschuldnerin eingelagert worden waren. Hätte er substanziiert vortragen können, dass dies in den von der Raumsicherungsabrede erfassten Räumen geschehen war, hätte die Klägerin geltend machen müssen, welche Gegenstände im Eigentum der Insolvenzschuldnerin standen und ihr daher hätten sicherungsübereignet werden können und welche Gegenstände als im Dritteigentum stehend nicht von der Übereignung erfasst wurden. Dies war aber hier nicht der Fall. Allerdings hat der BGH ²⁵⁶ einen Sicherungsübereignungsvertrag deshalb für unwirksam erachtet, weil sämtliche Vorräte sicherungsübereignet und die Forderungen aus einem Weiterverkauf sicherungszediert worden waren. Es sei – so führte der BGH in der zitierten Entscheidung aus – bei dem schuldnerischen Maschinenbauunternehmen nicht für jeden, der die Parteiabreden in dem für den Eigentumsübergang vereinbarten Zeitraum kennt, ohne weiteres ersichtlich, was denn die sicherungsübereigneten Sachen seien. Denn der Begriff der „Vorräte“ könne für einen Lagerbestand oder eine Rücklage i.S. einer Reserve, handelsrechtlich aber als Teil auf der Aktivseite der Bilanz zu verzeichnenden Umlaufvermögens verstanden werden. Damit lasse sich aber eine Beziehung zu bestimmten und damit sachenrechtlich zur Bestimmbarkeit erforderlichen Sachen nicht heranziehen. Im vorliegenden Fall war aber durch die Sicherungsraumbezeichnung hinreichend umschrieben, welche Sachen denn von der Sicherungsübereignung erfasst seien sollten. Dass sie mit dem Begriff der Vorräte beschrieben waren, ist dabei unschädlich. Der beklagte Insolvenzverwalter hat der klagenden Sicherungsnehmerin auch keine Gelegenheit gegeben, sich nach § 168 Abs. 1 S. 2 InsO zu äußern und auf eine
MünchKomm-Ganter, § InsO, Rn. . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Rz..
IV. Aus- und Absonderung
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bessere Verwertungsmöglichkeit hinzuweisen, da die Wirksamkeit der Sicherungsabrede ja bestritten worden ist. Das LG Bielefeld schließt sich nun einer Literaturmeinung²⁵⁷ an, nach der ein Verstoß gegen § 168 Abs. 1 InsO den Verlust der Kostenbeiträge aus §§ 170, 171 InsO zur Folge habe. Diese Auffassung ist indes abzulehnen. Denn die Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 168 InsO ist nach dem Gesetz, dass der Sicherungsnehmer so zu stellen sei, als habe er die Gelegenheit zur besseren Verwertung wahrnehmen können, nicht etwa, dass die Masse die Verwertungskosten zu tragen habe, während der Sicherungsnehmer in den ungekürzten Genuss des Erlöses kommt.
12. Auskehr des Verwertungserlöses nach § 170 InsO Das OLG Karlsruhe ²⁵⁸ hat darüber zu entscheiden gehabt, ob der Insolvenzverwalter bei der Auskehr des Verwertungserlöses für Gegenstände, die dem Vermieterpfandrecht unterliegen, ein Tilgungsbestimmungsrecht nach §§ 366, 367 BGB habe. Fall 81: Die spätere insolvenzschuldnerische GmbH hatte von der Klägerin Gewerbeflächen zu einem Mietzins von monatlich EUR 62.000 angemietet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin waren die Flächen weiter genutzt worden. Hierfür begehrt die klagende Vermieterin vom beklagten Insolvenzverwalter Mietzins in Höhe von EUR 290.000 nach § 55 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter verwertete das Anlage- und Umlaufvermögen der Insolvenzschuldnerin, das dem Vermieterpfandrecht der Klägerin unterlag, und traf die Bestimmung, dass der an die Klägerin ausgekehrte Verwertungserlös die offene Mietzinsforderung als Masseverbindlichkeit tilgen solle.
Das OLG Dresden ²⁵⁹ hatte eine solche Tilgungsbestimmung für wirksam gehalten. Das OLG Karlsruhe hat sich dem nicht angeschlossen, sondern auf § 50 InsO verwiesen. Danach ist die Verwertungsabrechnung zunächst zur Tilgung durch das Absonderungsrecht gesicherte Insolvenzforderung vorzunehmen. Erst später können offenstehende Masseverbindlichkeiten getilgt werden. Das Leistungsbestimmungsrecht nach § 366 BGB stehe dem Schuldner, wie der BGH bereits entschieden habe,²⁶⁰ nicht zu.²⁶¹ Dies entspricht der bisherigen Judikatur des BGH²⁶².
MünchKomm-Tetzlaff, § InsO, Rn. . OLG Karlsruhe, Urt.v. . . – U / – ZIP , ; bestätigt durch: BGH, Urt.v. . . – IX ZR / – ZIP , . OLG Dresden, Urt.v. . . – U / – ZIP , mit Anm. Mitlehner, EWiR , . BGH, Urt. v. . . – XI ZR / – ZIP , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
Was kann der Insolvenzverwalter in solchen Fällen tun? Es bleibt ihm nichts übrig, als sich mit dem Vermieter auf eine abweichende Tilgungsreihenfolge zu einigen.
13. Eigentumsvorbehalt als Aussonderungsrecht Das Recht des Eigentumsvorbehalts im Insolvenzverfahren ist alles andere als einfach. Der IX. Zivilsenat des BGH hat über das Aussonderungsrecht des Factors am übergeleiteten Vorbehaltseigentum in der Insolvenz des Forderungsschuldners zu entscheiden gehabt.²⁶³ Fall 82: Die Klägerin und eine Lieferantin hatten im Jahr 2002 einen Vertrag über den Ankauf von Forderungen (einen Factoringvertrag) geschlossen, mit dem sich die Klägerin zum laufenden Ankauf aller bestehenden und künftigen Forderungen der Lieferantin aus Kaufverträgen verpflichtete, die die Lieferantin mit den mit ihr vertraglich verbundenen Händlern schloss. Die Klägerin trug das Delkredere-Risiko und die Lieferantin garantierte ihre Berechtigung an den Forderungen und deren Einrede- und Einwendungsfreiheit. Der Kaufpreis entsprach dem Bruttobetrag von Forderungen; der Klägerin stand eine Verwaltungsgebühr, die in Abzug gebracht wurde, zu. Mit den Händlern, die die Lieferantin belieferte, bestanden Händlerverträge über die Lieferung von PKW. Darin behielt sich die Lieferantin das Eigentum an den gelieferten Fahrzeugen bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vor. Dieser Händlervertrag sollte für den Fall des Zahlungsverzugs, der Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Händlers beendet werden. In diesem Fall berechtigten die Vertragsabreden die Lieferantin oder das Finanzierungsinstitut dazu, die Vertragsware von dem Händler heraus zu verlangen. Über das Vermögen des Vertragshändlers A wurde unter Bestellung der Beklagten als Insolvenzverwalterin das Insolvenzverfahren eröffnet. Bereits im Eröffnungsverfahren, in dem die Beklagte als vorläufige Insolvenzverwalterin eingesetzt worden war,verlangte die spätere Klägerin die Herausgabe von zehn Neu- und Vorführwagen. Klägerin und Beklagte einigten sich darauf, dass die PKW an die Beklagte herauszugeben waren und diese sie veräußern solle. Über die Frage, ob die Klägerin in dem über das Vermögen der Vertragshändlerin eröffneten Insolvenzverfahren aus- oder absonderungsberechtigt war, führten die Parteien einen Rechtsstreit. Von dessen Ausgang sollte abhängig sein, ob die Klägerin 4 % Feststellungskosten, 2,5 % Verwertungskosten und 19 % Umsatzsteuer zahlen solle. Nach Verwertung der Fahrzeuge zahlte die Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zunächst einmal EUR 33.000 an die Beklagte, deren Rückzahlung sie später begehrt.
Der IX. Zivilsenat geht davon aus, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 1.Var. BGB zustehe. Er begründet dies damit, die Lieferantin sei zunächst Vorbehaltseigentümerin nach §§ 929 S. 1, 931 so bereits: Cranshaw, Juris PR InsR / Anm. , in seiner krit. Besprechung der Entscheidung des OLG Dresden. BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
IV. Aus- und Absonderung
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BGB gewesen. Dieses Vorbehaltseigentum habe sie durch dingliche Einigung und Abtretung ihres Herausgabeanspruchs auf die Klägerin übertragen. Dieser Herausgabeanspruch resultiere aus § 346 BGB i.V.m. § 449 Abs. 2 BGB aufgrund des ausgeübten Rücktrittsrechts. Das Eigentum sei weiterhin „Vorbehaltseigentum“. Dies führt der BGH darauf zurück, dass die Händler als Vorbehaltskäufer ein Recht zum Besitz gemäß § 986 Abs. 2 BGB gegenüber der Klägerin als neuem Eigentümer aus dem Kaufvertrag hätten geltend machen können. Das ist nachvollziehbar. An die Stelle des Besitzüberganges tritt hier die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den Vorbehaltskäufer als Besitzer. An dieser Stelle ist zu bedenken, dass der vom BGH zu beurteilende Fall unproblematisch war, weil die Sachen, über die die Verfügung getroffen wurde, (im sachenrechtlichen Sinne) bestimmt waren. Nun könnte man indes davon ausgehen, dass hier der klagende Factor die Investitionen des abnehmenden Vertragshändlers finanziert und damit der Erwerb der PKW eine Kreditsicherheitsfunktion hat. In dem vorliegenden Fall lag indes ein echter Factoringvertrag vor. Der Factor erwarb vom Lieferanten die Kaufpreisforderung gegen den Vorbehaltskäufer. Damit stellt sich in der Tat die Frage, ob nicht beim Factoringvertrag vor dem Erwerb des Eigentumsvorbehaltsgutes durch den finanziellen Factor der Eigentumsvorbehalt einen Bedeutungswandel erfährt, wie der BGH ²⁶⁴ zu Bedenken gibt. So ist im Falle der Verlängerung und der Erweiterung des Eigentumsvorbehalts der Vorbehaltseigentümer in dem über das Vermögen des Vorbehaltskäufers eröffneten Insolvenzverfahren nicht als Aus- sondern nach § 51 Nr. 1 InsO als Absonderungsberechtigter zu behandeln. Dies sei aber im Falle des Factoringvertrages anders zu sehen, meint der IX. Zivilsenat, da es sich hier nicht um einen Darlehensvertrag, sondern um einen Kaufvertrag über Rechte nach § 453 BGB handele. Dies aber betrifft das Verhältnis zwischen Factor und Lieferanten. Entscheidend kommt es aber darauf an, dass durch die Zahlung des Factors an die Lieferantin die Kaufpreisforderung nach § 398 BGB auf den Factor übergegangen und nicht etwa durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist.
So im Fall BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
V. Aufrechnung 1. Aufrechnung von Forderungen gegen den insolventen Vertragshändler mit Ausgleichsansprüchen nach § 89b HGB Der IX. Zivilsenat des BGH ²⁶⁵ hat zur insolvenzrechtlichen Beschränkung der Aufrechnung eines Unternehmers mit vorinsolvenzlich begründeten Forderungen gegen den nach insolvenzbedingter Kündigung entstandenen Ausgleichsanspruch seines Vertragshändlers zu entscheiden gehabt. Fall 83: Am 1.12. 2007 wurde über das Vermögen der GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren eröffnet und der spätere Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte hatte den mit der Insolvenzschuldnerin bestehenden Vertragshändlervertrag nach Stellung des Eigenantrags am 4. 10. 2007 am 12.10. 2007 gekündigt. Der Masse steht ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich entsprechend § 89b HGB zu, der nach Grund und Höhe außer Streit steht und vom klagenden Insolvenzverwalter geltend gemacht wird. In der Tat zahlte die Beklagte EUR 46.000 an den klagenden Insolvenzverwalter und erklärte über den Restbetrag in Höhe von EUR 83.000 die Aufrechnung mit Ansprüchen, die gleichfalls nach Grund und Höhe unstreitig sind und vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Vertragshändlerin entstanden waren. Der Kläger machte mit seiner Klage diesen Restbetrag geltend.
Der IX. Zivilsenat des BGH hatte in einer früheren Entscheidung über die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde²⁶⁶ die Kündigung des Händlervertrages nicht als eine Rechtshandlung qualifiziert, die mit der Insolvenzanfechtung bekämpft werden könne. Denn die Kündigung solle die Gläubiger nicht benachteiligen, sondern führe erst zur Entstehung und Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs. Gegen diese Entscheidung hat das OLG Braunschweig ²⁶⁷ als Berufungsgericht eingewandt, dass sie nichts zur Anfechtbarkeit der Herstellung der Aufrechnungslage aussage. Diese führe zur Unwirksamkeit der Aufrechnung, so dass die Forderungen, die ohne die Anfechtung durch Aufrechnung erloschen wären, fortbestehen und der Insolvenzverwalter die Forderung der Masse gegen den Gläubiger durchsetzen könne. In seiner Revisionsentscheidung hat der IX. Zivilsenat die von der Beklagten erklärte Aufrechnung für insolvenzrechtlich unwirksam erachtet und dies auf § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO gestützt. Denn die Aufrechnungslage beruhe auf der Kündigung der Beklagten gegenüber dem Vertragshändler, die den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zur Entstehung kommen lasse. Bei der Kündigung handele es sich – wie
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZR /. OLG Braunschweig, Urt. v. . . – U / – ZIP , .
V. Aufrechnung
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der IX. Zivilsenat erinnert – um eine Rechtshandlung, die auch, weil sie die Aufrechnungslage erst schafft, eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger bewirkt. Die Aufrechnung führe freilich zu einem Erlöschen des zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruchs und vermindere damit die Passivmasse in dem über das Vermögen der Vertragshändlerin eröffneten Insolvenzverfahren. Unbeachtlich sei dabei, dass die zur Aufrechnungslage führende Kündigung des Vertragshändlervertrages zugleich rechtliche Vorteile und einen wirtschaftlichen Vorteil für die Masse nach sich ziehe. Im Rückgriff auf seine mit der Bierbrauentscheidung²⁶⁸ ins Bewusstsein gerückten Judikatur, nach der eine Saldierung von Nachteilen, die der Masse aus der angefochtenen Rechtshandlung erwachsen, mit Vorteilen nicht erfolgt, sieht der IX. Zivilsenat im vorliegenden Urteil folgerichtig eine Gläubigerbenachteiligung als gegeben an. Dass die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochene Kündigung angefochten werden kann und insoweit (anfechtungsrechtlich) nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam ist, steht, wie der IX. Zivilsenat überzeugend ausführt, nicht in einem Wertungswiderspruch zu § 95 Abs. 1 InsO. Danach kann nämlich ein Insolvenzgläubiger die Aufrechnung auch mit einer Forderung insolvenzfest erklären, die im Zeitpunkt der Eröffnung aufschiebend bedingt oder noch nicht fällig ist. Und im vorliegenden Fall war der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers mit Abschluss des Vertragshändlervertrages angelegt. Da aber der Vertragshändlervertrag als Dauerschuldverhältnis nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO, unter den der IX. Zivilsenat diesen Vertrag fasst, mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbesteht, hätte die Kündigung mit der Folge der Auslösung des Anspruchs nach § 89 b HGB ebenfalls erst im eröffneten Insolvenzverfahren erklärt werden müssen, so dass die Voraussetzungen des § 95 InsO nicht erfüllt gewesen wären. Schließlich stellt sich die Frage, ob die Insolvenzanfechtung der Kündigung des Vertragshändlervertrages ihre Rechtsfolgen beseitigt. Dies ist aber, wie im vorliegenden Urteil nachvollziehbar ausgeführt wird, gem. § 143 Abs. 1 InsO nicht der Fall. Denn die Insolvenzanfechtung hat zur Rechtsfolge, dass das zur Insolvenzmasse zurückzugewähren ist, was aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist. Hier hat die Kündigung als anfechtbare Rechtshandlung durch die Auslösung des gesetzlichen Anspruchs nach § 89b HGB erst die Aufrechnungslage hergestellt, so dass sich der Anspruch nach § 143 Abs. 1 InsO nur auf die Rückgewähr desjenigen, was damit der Masse verloren gegangen ist, erstreckt.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – NZI , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
2. Aufrechnung von rückständigen Gehaltsansprüchen des Geschäftsführers gegen dessen Inanspruchnahme aus § 64 S. 1 GmbHG Der II. Zivilsenat des BGH ²⁶⁹ hat darauf erkannt, dass in dem über das Vermögen der GmbH eröffneten Insolvenzverfahren der Geschäftsführer gegen einen gegen ihn gerichteten Anspruch nach § 64 S. 1 GmbHG nicht mit rückständigen Gehaltsansprüchen aufrechnen kann, wenn die Aufrechnungslage anfechtbar erworben wurde. Fall 84: Der in dem über das Vermögen der schuldnerischen GmbH eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter nahm nun den Beklagten, der bis zur Antragstellung Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin war, auf Zahlung in Anspruch. Es geht dabei um die Erstattung von Zahlungen im Zeitraum nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Insolvenzschuldnerin. Der Beklagte rechnete mit rückständigen Gehaltsforderungen auf, die durch Urteil zur Tabelle festgestellt worden waren.
Nun lag eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetretene Aufrechnungslage vor, denn die Lohn- und Gehaltsansprüche waren zu diesem Zeitpunkt fällig gewesen. Gleiches galt für den Anspruch nach § 64 S. 1 GmbHG. Der II. Zivilsenat meint nun aber, die Aufrechnungslage sei durch den Beklagten in anfechtbarer Art und Weise herbeigeführt worden, so dass sie nicht den Schutz des § 94 InsO genieße. Der II. Zivilsenat begründet dies aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn er qualifiziert die Zahlungen, die der Geschäftsführer in der Krise der Insolvenzschuldnerin geleistet hatte, als Rechtshandlung im Sinne von § 129 InsO. Es handele sich nämlich um ein von dem Willen des Geschäftsführers getragenes Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöse und das Vermögen der Schuldnerin zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändere.²⁷⁰ Nun hat der IX. Zivilsenat des BGH darauf erkannt, dass es anfechtungsrechtlich nicht darauf ankomme, ob die rechtliche Wirkung der anfechtbaren Rechtshandlung auf dem Willen des Handelnden beruhe oder kraft Gesetzes eintrete.²⁷¹ In diesem vom IX. Zivilsenat entschiedenen Fall ging es aber darum, dass der beklagte Anfechtungsgegner die Aufrechnungslage durch Kündigung eines Vertragshändlervertrages, die die Wirkung des § 89b HGB auslöste, herbeigeführt hatte. Dieser Fallkonstellation setzt der II. Zivilsenat des BGH die von ihm zu entscheidende deshalb gleich, weil der Geschäftsführer erst wegen der rechtswidrigen Zahlungen die Möglichkeit zur Aufrechnung hatte, durch die der Gläubigergesamtheit der Anspruch nach § 64 S. 1
BGH, Urt. v. . . – II ZR / – ZIP , . St Rspr., BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz. ; Urt. v. . . – IX ZR /, Rz. ; Urt. v. . . – IX ZR / – NZI , , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz. (Fall )
V. Aufrechnung
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GmbHG entzogen wurde. Da der Geschäftsführer ohne die Aufrechnung seinen Gehaltsanspruch nur als Insolvenzforderung hätte geltend machen können, führte die Herstellung der Aufrechnungslage zu einer inkongruenten Deckung.
3. Aufrechnung des Insolvenzverwalters mit massezugehöriger Forderung gegen Insolvenzforderung Noch zur Konkursordnung hat der BGH ²⁷² darauf erkannt, dass der Insolvenzverwalter gegen eine Insolvenzforderung nicht mit einer zur Masse gehörenden Forderung aufrechnen dürfe. Denn eine solche Aufrechnung führt durch das Erlöschen beider Forderungen zur Befriedigung des Insolvenzgläubigers. Maßnahmen des Insolvenzverwalters, die zu einer Befriedigung des Insolvenzgläubigers führen, stellen sich aber im Allgemeinen als konkurszweckwidrig dar, weil sie den insolvenzrechtlichen Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung verletzen. Konkurszweckwidrige Handlungen sind im Sinne eines ultra vires nichtig, da sie von der Verwaltung-und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht gedeckt sind. Der IX. Zivilsenat des BGH ²⁷³ ist in seiner Entscheidung über folgenden Sachverhalt von dieser Judikatur nunmehr ausdrücklich abgewichen. Fall 85: Der spätere Kläger war Insolvenzverwalter in dem über das Vermögen der T GmbH eröffneten Insolvenzverfahren. Der T-GmbH stand eine Forderung zu, die gegen die D GmbH gerichtet war, zu der sie in ständiger Geschäftsbeziehung gestanden hatte. Auch über das Vermögen der D-GmbH war das Insolvenzverfahren eröffnet und der spätere Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Insolvenzverwalter der D-GmbH meldete im Verfahren T GmbH eine Forderung i.H.v. EUR 1,947 Mio. zur Tabelle an, die auch festgestellt wurde. Später rechnete dann der Kläger gegen die festgestellte Forderung mit der zur Masse in dem über das Vermögen der T GmbH eröffneten Insolvenzverfahren gehörenden Forderung i.H.v. EUR 1,957 Mio. auf. Er forderte den Insolvenzverwalter der D-GmbH auf, auf die festgestellte Forderung zu verzichten. Dies lehnte der Insolvenzverwalter der D-GmbH ab, worauf hin der Kläger Vollstreckungsgegenklage mit dem Antrag erhob, wegen der nach Feststellung zur Tabelle erfolgten Aufrechnung eingetretenen Tilgung der Forderung die Zwangsvollstreckung aus der Insolvenztabelle für unzulässig zu erklären. In den Instanzen erfolglos geblieben, scheiterte auch die zugelassene Revision.
Der BGH hat sich mit drei Fragenkreisen auseinanderzusetzen gehabt, nämlich der Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage, mit der (grundsätzlichen) Insolvenzzweckwidrigkeit der Aufrechnung massezugehöriger Forderungen gegen Insolvenzforderungen, wie er in seiner früheren Judikatur behauptet hatte, und der Frage, ob im konkreten Fall die Vollstreckungsgegenklage wegen einer erst nach
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
Feststellung der Gegenforderung zur Tabelle erfolgten Aufrechnung noch zulässig sei. Die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Vollstreckungsgegenklage gegen die Eintragung einer Insolvenzforderung in die Tabelle hat der IX. Zivilsenat mit überzeugenden Argumenten bejaht. Denn die Eintragung in die Insolvenztabelle hat die Wirkung, dass die festgestellte Forderung nach Betrag und Rang der Anmeldung tituliert wird und somit wie ein rechtskräftiges (Leistung‐) Urteil sowohl gegenüber allen Insolvenzgläubigern als auch dem Insolvenzverwalter wirkt. Dieser hat den Insolvenzgläubiger, dessen Forderung festgestellt und tituliert ist, aus der Teilungsmasse zu befriedigen. Es liegt auf der Hand, dass der Insolvenzverwalter, der die Aufrechnung gegen die festgestellte Forderung erklärt, deren Erlöschen mit der Vollstreckungsgegenklage feststellen lassen können muss und folglich – prozessual – auch ein hierauf gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis hat. Unter Aufgabe der früheren Judikatur ist der IX. Zivilsenat nunmehr davon ausgegangen, die Leistung, die von der T-GmbH auf die Forderung der D-GmbH zu erbringen war, habe auch erbracht werden können, obwohl über das Vermögen der T-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Gleiches gelte für die Gegenforderung, da es in Ansehung des § 387 BGB allein darauf ankomme, dass Forderung und Gegenforderung entstanden, fällig oder vorzeitig erfüllbar gewesen sind. Daher habe ein Gegenseitigkeitsverhältnis vorgelegen, aufgrund dessen die Aufrechnungslage des § 387 BGB bestanden habe. Allein darauf aber komme es zur Beurteilung der Frage an, ob eine Erfüllung hier zulässig sei. Der IX. Zivilsenat bezeichnet dies mit Eckhard ²⁷⁴ als ein „rein zeitliches Verständnis“. Der BGH hat nun aber früher dieses Verständnis deshalb nicht geteilt, weil die Aufrechnungserklärung des Konkursverwalters zur Befriedigung des Insolvenzgläubigers mit seiner Gegenforderung führe; dies widerspreche dem Grundsatz der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger. Dieses Argument lässt der BGH nunmehr nicht mehr gelten. Er führt nämlich aus, dass der zur Aufrechnung gestellten massezugehörigen (Haupt) Forderung des schuldnerischen Unternehmens, für das der aufrechnende Insolvenzverwalter die Verwaltung- und Verfügungsbefugnis wahrnimmt, – wie im vorliegenden Fall – die Werthaltigkeit fehlen könne. Ist nämlich zu erwarten, dass auf die massezugehörige Forderung in dem über das Vermögen des Insolvenzgläubigers der Gegenforderung eröffneten Insolvenzverfahren keine oder eine nur äußerst geringe Quote entfällt, während in dem Verfahren, dass der aufrechnende Insolvenzverwalter abzuwickeln hat, mit einer erheblichen Quote zu rechnen ist, dann würde
Eckhardt, Zur Aufrechnungsbefugnis des Konkursverwalters, ZIP , , .
V. Aufrechnung
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die Ansicht des BGH aus den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts dazu führen, dass der Ausschluss der Aufrechnungserklärung die Masse in dem Insolvenzverfahren, die der Aufrechnende zu verwalten hat, belastet wird, ohne dass umgekehrt die Anmeldung und Feststellung der massezugehörigen Forderung in dem anderen Verfahren zu einer Massenmehrung führt. Die Aufrechnung entspricht insofern wirtschaftlich den Interessen der Gläubiger in dem der Hauptforderung – hier: über das Vermögen der T GmbH. Der BGH führt deshalb aus, es könne nicht allgemein für alle Fälle behauptet werden, dass die vom Insolvenzverwalter mit einer massezugehörigen Forderung gegen eine Insolvenzforderung erklärte Aufrechnung insolvenzzweckwidrig und daher unwirksam sei. Sondern es müsse in jedem Einzelfall festgestellt werden, ob denn eine solche Aufrechnungserklärung die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigt oder nicht. Dann aber könne sich die Aufrechnungserklärung nicht generell als insolvenzzweckwidrig, sondern nur als im Einzelfall möglicherweise masseschädigend mit der Konsequenz darstellen, dass der Insolvenzverwalter bei der vorzunehmenden Prüfung, ob die Aufrechnung erklärt werden solle oder nicht, die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und folglich schadenersatzpflichtig ist. Das erscheint soweit zunächst als nachvollziehbar. Gleichwohl hat der BGH mit seiner Abkehr von einer normativ-verallgemeinernden Betrachtung hin zu einer Einzelfallerwägung verfahrensrechtliche Fragen ausgeblendet, die in seiner früheren Judikatur noch einbezogen und berücksichtigt worden waren: Der BGH hatte nämlich in seiner früheren Judikatur auch darauf verwiesen, durch die Aufrechnungserklärung werde den übrigen Konkursgläubigern das Recht genommen, der Forderung des Inhabers der Gegenforderung im Prüfungstermin zu widersprechen. Wegen dieser verwirklichten Beschneidung der verfahrensrechtlichen Befugnisse der übrigen Konkursgläubiger hatte der BGH damals auf die Insolvenzzweckwidrigkeit der Aufrechnung geschlossen. Daher ist der nunmehr durch den IX. Zivilsenat vollzogenen Wende entgegenzuhalten, dass seine auf wirtschaftliche Erwägungen gegründete Argumentation vor dem Hintergrund der damit verbundenen Einschränkung verfahrensrechtlicher Befugnisse der übrigen Insolvenzgläubiger an den Grundfesten seiner eigenen Prämissen²⁷⁵ über die Struktur des Feststellungsverfahrens der §§ 176 ff. InsO rüttelt. Nun kann man gegen diese Art einer auf verfahrensrechtliche Argumente gestützten Kritik versuchen, sich auf den Standpunkt zu stellen, dass das Bestreiten von Insolvenzgläubigern im Prüfungstermin rechtstatsächlich einen Ausnahmefall darstellt. Das mag nun eine quaestio facti sein. Tragfähiger wäre eine Argumentation, die darauf verweist, dass ein den gemeinsamen In-
Seit SKLM: BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – NZI , .
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
teressen der Insolvenzgläubiger widerstreitendes Bestreiten durch einen Insolvenzgläubiger – anders als Beschlüsse der Gläubigerversammlung – einer Korrektur (vgl. § 78 Abs. 1 InsO) nicht zugänglich sind und folglich die vom BGH vorgeschlagene Interpretation richtig sei. Freilich: Auch wenn etwas dafür spricht, dass dies in die richtige Richtung gehen kann, bleibt doch die stark am Einzelfall orientierte Betrachtungsweise bedenklich. In dem vom IX. Zivilsenat zu entscheidenden Fall hat er die Aufrechnung zwar grundsätzlich für zulässig erachtet, die an sich zulässige Vollstreckungsgegenklage aber an § 767 Abs. 2 ZPO scheitern lassen. Denn die Frage stellt sich, ob die auf Aufrechnung gestützte Vollstreckungsgegenklage im vorliegenden Fall präkludiert war. Dabei greift der IX. Zivilsenat auf eine gefestigte Judikatur²⁷⁶ zurück, nach der es nicht auf den Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts, also auch nicht auf die Erklärung der Aufrechnung, sondern auf den Eintritt der Aufrechnungslage ankomme. Dem ist in der Literatur²⁷⁷ entgegengehalten worden, die Präklusion des Aufrechnungsrechts mit einer massezugehörigen Forderung gegen eine Insolvenzforderung betreffe nicht allein das Verhältnis zwischen dem aufrechnenden Insolvenzverwalter und dem Aufrechnungsgegner, sondern zugleich die Rechte der anderen Insolvenzgläubiger. Dagegen meint der BGH, dass die Präklusionsnorm des § 767 Abs. 2 der ZPO in diesem Fall zur Anwendung kommen müsse, da das Forderungsfeststellungsverfahren nach §§ 178 ff. InsO die Funktion verfolge, zügig Klarheit über die Rechtslage zu schaffen und hierzu eben einen Titel zu produzieren.
VI. Verteilungsverfahren 1. Nachweis rechtzeitiger Klageerhebung Mit Beschluss aus dem September 2012 hat der IX. Zivilsenat des BGH²⁷⁸ über die Anforderungen zu entscheiden gehabt, die an den Nachweis der rechtzeitigen Klageerhebung durch den Gläubiger einer bestrittenen Forderung nach §§ 189, 193 InsO zu stellen sind, damit diese bei der Verteilung der Insolvenzmasse berücksichtigt werden kann. Der Entscheidung lag ein, im Folgenden vereinfacht wiedergegebener Sachverhalt zugrunde:
BGH, Urt. v. . . – VII ZR / – BGHZ , , ; Urt. v. . . – IX ZR / , WM , . Statt vieler: Jaeger/Windel, § InsO, Rn. . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
VI. Verteilungsverfahren
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Fall 86: Der Insolvenzverwalter hatte in einem Insolvenzverfahren die von einer Gläubigerin angemeldete Forderung bestritten. Nachdem das Insolvenzgericht die Zustimmung zur Schlussverteilung am 13.12. 2010 beschlossen und dies am 15.12. 2010 im Internet veröffentlicht hatte und das Verteilungsverzeichnis auf der Geschäftsstelle niedergelegt war, teilte der Prozessbevollmächtigte der Gläubigerin am 23.12. 2010 (das Verfahren war im Jahr 2003 eröffnet worden) dem Insolvenzverwalter per Telefax mit, er habe an diesem Tage beim LG Osnabrück eine Klage eingereicht, die er in Abschrift beifügte. Die Klage wurde dem Insolvenzverwalter am 10.1. 2011 zugestellt. Im Schlusstermin am 16. 2. 2011 erhob die Gläubigerin gegen das Verteilungsverzeichnis Einwendungen – der Insolvenzverwalter hatte sich geweigert, die Forderung der Gläubigerin in die Tabelle aufzunehmen, weil diese nicht rechtzeitig den Nachweis der Feststellungsklage ihm gegenüber geführt habe. Dem schloss sich das Insolvenzgericht an.
Der IX. Zivilsenat des BGH hat die Rechtsbeschwerde als zulässig angesehen, weil sie eine Frage grundsätzlicher Bedeutung beträfe. Es hat indes die Einwendungen der Gläubigerin für unbegründet erachtet. Fraglich ist, wie der Gläubiger den Nachweis der Klageerhebung rechtzeitig i.S.v. § 189 Abs. 1 InsO zu führen hat, um zu vermeiden, dass seine Forderung bei der Verteilung nach § 189 Abs. 3 InsO unberücksichtigt bleibt. Der IX. Zivilsenat lässt es dabei nicht genügen, dass dem Insolvenzverwalter, unter Mitteilung bei welchem Gericht Klage erhoben worden ist, die Klageschrift übersandt wird. Vielmehr meint der IX. Zivilsenat, es müsse der Nachweis geführt werden, dass die Klage beim Prozessgericht auch tatsächlich eingegangen ist. Dies könne in jeder zulässigen Form geschehen. Der Nachweis durch eine öffentliche Urkunde sei nicht erforderlich, sondern können geführt werden, durch Vorlage einer schriftlichen Eingangsbestätigung des Prozessgerichts in der Kopie der Klage mit dem Eingangsstempel des Gerichts. Es könnten aber auch eidesstattliche oder ausdrückliche anwaltliche Versicherungen der persönlichen Abgabe der Klageschrift genügen. Jedenfalls müsse dem Insolvenzverwalter aber sicher erkennbar sein, dass die Klage innerhalb der Ausschlussfrist dergestalt beim Prozessgericht eingegangen sein, dass ihre Zustellung erfolgen wird. Die Zustellung erfolgt indes nur, wenn der Vorschuss eingezahlt worden ist. Auch dies sei innerhalb der Frist nachzuweisen, wie der BGH ausführt. Allein das Telefax des Prozessbevollmächtigten habe daher den Anforderungen des § 189 Abs. 1 InsO nicht genügen können.
2. Bekanntgabe des Verteilungsverzeichnisses Das Verteilungsverfahren am Ende des eröffneten Insolvenzverfahrens gehört nicht wirklich zu den Bereichen des Insolvenzrechts, die die Gemüter nachhaltig erregen, sondern führt eher ein stiefmütterliches Dasein. Der IX. Zivilsenat des
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C. Rechtsstellung der Gläubiger
BGH ²⁷⁹ hat nunmehr über die Voraussetzungen der öffentlichen Bekanntgabe des Verteilungsverzeichnisses zu entscheiden gehabt. Das Verfahren der Bekanntgabe des Verteilungsverzeichnisses erfolge, wie der IX. Zivilsenat zutreffend der Gesetzeslage entnimmt, zweistufig. Zunächst einmal werde nach § 188 S. 3 Hs. 1 InsO die Summe der Forderungen und der Betrag, der für die Verteilung aus der Insolvenzmasse (Barmasse) zur Verteilung verfügbar ist, vom Insolvenzverwalter dem Gericht angezeigt. Diese Summe, sowie den für die Verteilung verfügbaren Betrag, habe dann das Insolvenzgericht öffentlich bekanntzumachen. Das Insolvenzgericht kann nicht etwa die Bekanntgabe gem. § 188 InsO delegieren und dem Insolvenzverwalter auferlegen. Vielmehr handelt es sich um eine eigene gerichtliche Aufgabe. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte aber in der Tat nicht das Insolvenzgericht, sondern nach dem Wortlaut der Veröffentlichung der Insolvenzverwalter die Bekanntgabe vorgenommen; das Insolvenzgericht war nicht als Urheber der Veröffentlichung ausgewiesen. Es fehlte somit an einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe. Die Fristen des § 189 Abs. 3 InsO werden damit nicht in Lauf gesetzt.
3. Voraussetzungen einer Nachtragsverteilung Die Voraussetzungen der Anordnung einer Nachtragsverteilung gem. § 203 InsO sind teilweise unklar, obwohl die Vorschrift des § 203 InsO der viel älteren und länger praktizierten, konkursrechtlichen Nachtragsverteilung des § 166 KO nachgebildet ist. Der BGH hatte sich in einem Wiedereinsetzungsbeschluss²⁸⁰ damit auseinanderzusetzen, ob die Anordnung einer Nachtragsverteilung auch dann zulässig sei, wenn sie im Anschluss an eine Einstellung des Insolvenzverfahrens aufgrund Fehlens einer die Verfahrenskosten deckenden Masse erfolgt sei. Fall 87: In dem über das Vermögen der Schuldnerin am 18.6. 2002 eröffneten Insolvenzverfahren zeigte der zum Insolvenzverwalter bestellte Beteiligte des späteren Nachtragsverteilungsverfahrens am 8.8. 2002 Masseunzulänglichkeit an. Am 4.7. 2006 erließ das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters einen Beschluss, mit dem sämtliche sich aus einer titulierten Forderung gegen einen der beiden Geschäftsführer der Schuldnerin folgende Forderungen einer Nachtragsverteilung vorbehalten blieben. Am 6.7. 2007 erfolgte Verfahrenseinstellung wegen Massearmut. Im Jahr 2012 sollte der früheren Insolvenzmasse ein Betrag von 3.500 Euro als Gegenleistung für die Erteilung einer Löschungsbewilligung gezahlt werden, die wegen einer auf dem Grundstück des Geschäftsführers eingetragenen Zwangssicherungshypothek abgegeben werden sollte. Der vormalige Insolvenzverwalter beantragte deswegen am 19.12. 2012 die Nachtragsver-
BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
VI. Verteilungsverfahren
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teilung. Nach Zurückweisung des Antrags durch das Insolvenzgericht mit Beschluss v. 4. 3. 2013 und erfolgloser sofortiger Beschwerde hat der Insolvenzverwalter die Rechtsbeschwerde eingelegt.
§ 211 Abs. 3 InsO sieht vor, dass eine Nachtragsverteilung bei Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO angeordnet werden kann. Dieses soll nach Literaturmeinung²⁸¹ nicht bei der Einstellung wegen Massearmut greifen, da in dem Verfahren, in dem eine Kostendeckung nicht gegeben sei, eine Begründung neuer Rechte durch den Vorbehalt einer Nachtragsverteilung nicht in Betracht komme. Dies hielt der IX. Zivilsenat für unzutreffend. Er will vielmehr § 211 Abs. 3 S. 2 InsO sowie § 203 Abs. 3 InsO in dem Falle der Einstellung wegen Massearmut entsprechend anwenden. Dabei legte der IX. Zivilsenat die Vorschrift des § 211 Abs. 3 InsO weit über dessen Wortlaut hinaus aus und wendet diese auf die Einstellung nach § 207 InsO an, weil in diesem Fall ein praktisches Bedürfnis für die Zulassung der Nachtragsverteilung ebenso gegeben sei, wie bei dem nachträglichen Auffinden von Massegegenständen, wenn bereits bekannte Forderungen später realisiert würden. Dem stehe nach Ansicht des IX. Zivilsenats nicht entgegen, dass die Aufgaben des Insolvenzverwalters bei der Einstellung mangels kostendeckender Masse nach § 207 Abs. 3 InsO beschränkt seien. Es sei nicht erheblich, dass – anders als nach § 208 Abs. 3 InsO – eine Masseverwertung nicht mehr in Betracht kommt, wenn eine Massearmutslage zur Einstellung geführt habe. Denn in Ansehung von später aufgefundenen Gegenständen der Insolvenzmasse oder realisierten Forderungen greife dieser Unterschied nicht, um zu rechtfertigen, dass eine Nachtragsverteilung nicht mehr vorzunehmen ist. Dies gelte zumal in Fällen, in denen der Insolvenzbeschlag, wie bei dem Vorbehalt der Nachtragsverteilung, fortdauert.²⁸² Ob dabei wegen anfänglich fehlender kostendeckender Masse das Verfahren nicht hätte zur Eröffnung gebracht werden dürfen, spiele insoweit – wie der IX. Zivilsenat zutreffend ausführt – keine Rolle. Denn ausschlaggebend für die Frage, ob ein Beschlag von Vermögen vorgelegen habe oder nicht, sei, dass überhaupt das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
HK-Landfermann, § InsO, Rn. ; Jaeger/Windel, § InsO, Rn. ; MünchKommHefermehl, § InsO, Rn. . BGH, Urt. v. . . – VI ZR / – NJW , .
D. Insolvenzanfechtung I. Ausgewählte Fragestellungen 1. Durchführung des Anfechtungsanspruch auf Rückübertragung eines Erbbaurechts Der I. Senat des KG hat über die Frage zu entscheiden gehabt, wie der Anfechtungsanspruch, der auf Rückübertragung eines Erbbaurechts gerichtet ist, durchzuführen sei.²⁸³ Dem Beschluss lag folgender, hier vereinfacht wiedergegebener Sachverhalt zugrunde: Fall 88: Durch rechtskräftiges Urteil des LG Berlin aus dem März 2009 war der im Erbbaugrundbuch eingetragene Beklagte verurteilt worden, das Erbbaurecht an die Insolvenzschuldnerin zurück aufzulassen und die Eintragung der Insolvenzschuldnerin als Erbbauberechtigte im Erbbaugrundbuch zu bewilligen. Dem lag die Insolvenzanfechtung der Übertragung des Erbbaurechts durch die Insolvenzschuldnerin auf den Beklagten des Anfechtungsprozesses zugrunde. Der Insolvenzverwalter stellte dann beim Grundbuchamt unter Vorlage der vollstreckbaren Urteilsausfertigung einen Antrag auf Vornahme der Eintragung nach § 894 ZPO, der zu einem Hinweis des Grundbuchamtes führte, die beantragte Eintragung setze die Einigungserklärung des Erwerbes in beurkundeter Form gem. §§ 20, 29 GBO voraus. Weiter sei zur Eigentumsumschreibung die Zustimmung des Eigentümers und die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes erforderlich. Das Grundbuchamt setzte eine Frist von 2 Monaten. Gegen diese Beanstandungen des Grundbuchamtes wandte sich der Insolvenzverwalter. Seiner Beschwerde gegen die Zwischenverfügung half das Grundbuchamt nicht ab.
Zunächst hat das KG ausgeführt, dass der Insolvenzverwalter wegen des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf ihn nach § 80 Abs. 1 InsO im Grundbuchverfahren gem. § 13 Abs. 1 GBO antrags- und damit nach § 71 Abs. 1 GBO beschwerdeberechtigt sei. Das KG meint nun, dass die Rückauflassung und Wiedereintragung des Eigentums – in diesem Fall der Insolvenzschuldnerin – im Grundbuch durch die Insolvenzanfechtung unberührt bleibt. Denn die Anfechtung habe keine dinglichen Wirkungen, sondern löse nur einen schuldrechtlichen Anspruch des Anfechtungsgläubigers bzw. des Insolvenzverwalters gegen den Anfechtungsgegner aus. Dieser sei darauf gerichtet, das anfechtbar Erworbene zur Insolvenzmasse zurück zu gewähren. Es meint aber die Auflassungserklärung des im Grundbuch eingetragenen Grundstückseigentümers werde durch die Rechtskraft des Anfechtungsurteils nach § 894 ZPO fingiert. Diese Erklärung müsse aber vom Insolvenzschuldner in notariell beurkundeter Form angenommen werden,
KG, Beschl. v. . . – W / – ZIP , .
I. Ausgewählte Fragestellungen
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wobei sich das KG auf frühere Judikatur des OLG Celle ²⁸⁴ und des Bayer. OLG ²⁸⁵ beruft. Auch sei eine Zustimmung des eingetragenen Anfechtungsgegners zur Eintragung der Insolvenzschuldnerin nicht erforderlich, da kein Veräußerungstatbestand i.S.v. § 5 Abs. 1 ErbbauRG vorliege. Denn die Rückübertragung nach Ausübung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts begründe keinen Schutz der Interessen des Grundstückseigentümers.
2. Übergang des Anfechtungsrechts des Gläubigers auf den Insolvenzverwalter Der BFH ²⁸⁶ hat darauf erkannt, dass die „Anfechtungskompetenz“ aus §§ 4, 11 AnfG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Anfechtungsgegners auf den Insolvenzverwalter übergeht. Fall 89: Gegen die spätere Revisionsklägerin und Gegnerin der Gläubigeranfechtung war vom Finanzamt ein Duldungsbescheid nach § 191 AO i.V.m. § 4 AnfG erlassen worden, den aufzuheben die spätere Revisionsklägerin nach erfolglosem Vorverfahren mit ihrer Klage beantragte. Im Verlauf dieses finanzgerichtlichen Rechtsstreits wurde über das Vermögen des (Steuer)-Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und die Steuerforderung vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldet. Das Klageverfahren gegen das Finanzamt nahm der Insolvenzverwalter nach § 17 Abs. 1 S. 2 AnfG mit dem Antrag auf, die Revisionsklägerin zu verpflichten, das anfechtbar Erlangte an die Insolvenzmasse zu zahlen.
Der BFH führt aus, dass im Unterschied zum vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahren, in dem nach § 313 Abs. 2 InsO a.F. der bisherige Gläubiger weiterhin für die Verfolgung der Anfechtungsansprüche zuständig blieb, dagegen im Regelinsolvenzverfahren der Insolvenzverwalter nach § 16 Abs. 1 S. 1 AnfG die Rechtsmacht hat, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen. Daher übernehme der Insolvenzverwalter in dem Anfechtungsrechtsstreit vor dem Finanzgericht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rolle des Anspruchsstellers bzw. Klägers, der den Insolvenzanfechtungsanspruch verfolgt. Der BFH stellt klar, dass der Insolvenzverwalter nicht in die Beteiligtenstellung des Finanzamts eintrete, weil die Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs durch Duldungsbescheid nach § 191 AO als hoheitliche Maßnahme dem Finanzamt vorbehalten sei.
OLG Celle, Beschl. v. .. – Wx / – DNotZ , , . BayOLG, Beschl. v. . . – Z / – RPfleger , . BFH, Urt. v. . . – VII R / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
Diese Entscheidung ist aus verschiedenen Gründen sonderbar und bedenklich. Denn wäre sie richtig, würde mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners nicht nur für den finanzgerichtlichen Rechtsstreit ein Wechsel der Parteirollen stattfinden, da der bisherige Kläger im abgabenrechtlichen Duldungsverfahren zum mit dem Insolvenzanfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters konfrontierten Beklagten würde, sondern auch einer weiteren Auflösung der Rechtswegeordnung Vorschub geleistet werden.
3. Abtretung von Anfechtungsansprüchen Bekanntlich hat der BGH den Anfechtungsanspruch in seiner jüngeren Judikatur²⁸⁷ als abtretbar angesehen und damit eine langjährige Diskussion beendet. Diese Judikatur wird mit einer Entscheidung vom Anfang Januar 2013²⁸⁸ zur Frage der Abtretung eines streitigen Rückgewähranspruchs, der aus einer Insolvenzanfechtung folgt, abgerundet. Fall 90: Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Komplementär-GmbH hatte einen Anfechtungsanspruch gegen den Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin an den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG, dem späteren Kläger, abgetreten.
Der IX. Zivilsenat des BGH führt nun aus, dass derartige Abtretungen nicht ipso iure insolvenzzweckwidrig seien. In diesem Zusammenhang hat der IX. Zivilsenat ein klärendes Wort zu den Rechtsfolgen der Insolvenzzweckwidrigkeit gesprochen. Unter Berufung auf die Judikatur seit dem Reichsgericht²⁸⁹ stellt der IX. Zivilsenat fest, dass insolvenzzweckwidrige Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters unwirksam seien und die Masse nicht verpflichteten. Der erkennende Senat hat diese ipso iure Nichtigkeit auf solche Fälle begrenzt, in denen der Insolvenzverwalter durch die Überschreitung der ihm eingeräumten Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über die Masse für den anderen Teil erkennbar seine Vertretungsmacht missbraucht. Der Geschäftspartner muss aufgrund der Umstände des Einzelfalles ohne Weiteres Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens haben. Die Fälle in denen dies so ist,
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . RG, Urt.v. . . – V / – RGZ , , ; Urt.v. . . – I / – RGZ , , ; Urt.v. . . – I / – RGZ , , f.; in neuerer Zeit: BGH, Urt.v. . . – IX ZR / – BGHZ , , ; Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
I. Ausgewählte Fragestellungen
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liegen unmittelbar auf der Hand und sind in der reichsgerichtlichen Judikatur²⁹⁰ sowie in der Judikatur des BGH ²⁹¹ konturiert worden. Nun ist es eine façon de parler, ob man bei der Insolvenzzweckwidrigkeit einer Maßnahme ansetzen will und diese abgrenzt von allein zweifelhaften, aber in der Fachkompetenz des Insolvenzverwalters liegenden oder aber von den evident mit der Funktionsweise des Insolvenzverfahrens nicht vereinbaren Handlungen, oder einen „weiten“ Missbrauchsbegriff durch im Vertretungsrecht gewonnene Kriterien anzuwenden versucht. Es liegt auf der Hand, dass der Anfechtungsanspruch als Vermögenswert der Insolvenzmasse nur unter der Voraussetzung abgetreten werden kann, dass der Anfechtungsanspruch wirtschaftlich uneinbringlich ist oder eine angemessene Erlösbeteiligung der vom zedierenden Insolvenzverwalter verwalteten Insolvenzmasse vereinbart wird.
4. Maßgeblicher Zeitpunkt bei der Anfechtung der Lastschriftbuchung Der IX. Zivilsenat des BGH ²⁹² hat darüber zu entscheiden gehabt, wann der für die Insolvenzanfechtung einer Lastschriftbuchung im Abbuchungsauftragsverfahren maßgebliche Zeitpunkt eintritt. Dem lag folgender, hier vereinfacht wiedergegebener Sachverhalt zugrunde: Fall 91: Die spätere Insolvenzschuldnerin hatte eine große Anzahl von Fahrzeugen bei der späteren Beklagten geleast. In dem am 1.4. 2008 geschlossenen Leasingvertrag wurde eine Sonderzahlung in Höhe von EUR 28.000 vereinbart, die zum 2.4. 2008 fällig werden sollte, woraufhin die Beklagte am Fälligkeitstag wegen eines der Bank der Insolvenzschuldnerin erteilten Abbuchungsauftrags die Abbuchung des entsprechenden Betrages vom Konto der Insolvenzschuldnerin veranlasste. Am gleichen Tage wurden, da die Insolvenzschuldnerin Autovermietungen im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems betrieb, deren Geschäftsräume von der Staatsanwaltschaft durchsucht und der Geschäftsführer in Haft genommen. Nach Eigenantrag vom 14.4. 2008 wurde am 13. 5. 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der der Insolvenzschuldnerin eröffnet. Der in diesem bestellte Insolvenzverwalter nahm die Leasinggeberin mit einer Insolvenzanfechtungsklage auf Rückzahlung der EUR 28.000 nebst Zinsen in Anspruch. Das Berufungsgericht hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO lägen deshalb nicht vor, weil es nicht darauf ankomme, ob der Geschäftsführer der Beklagten am 2.4. 2008 über die Durchsuchung der Geschäftsräume der Schuldnerin informiert worden sei. Denn die Abbuchung sei schon zuvor veranlasst worden.
RG, Urt.v. . . – III / – RGZ , (Schenkungen aus der Masse); Urt.v. . . – V / – RGZ , (Anerkennung nicht bestehender Aus- und Absonderungsrechte). BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , : Entgeltliche Ablösung einer offensichtlich wertlosen Grundschuld. BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
Dem ist der IX. Zivilsenat unter Rückgriff auf seine bisherige Judikatur²⁹³ entgegengetreten. Denn erst mit der Einlösung der Lastschrift durch die Schuldnerbank endet die Befugnis des Schuldners, den Widerruf seines Abbuchungsauftrags zu erklären. Maßgeblich ist daher nach § 140 InsO der Tag der Belastung des Schuldnerkontos, im vorliegenden Fall der 2.4. 2008. Der IX. Zivilsenat hat folgerichtig zur weiteren Feststellung die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
5. Wissenszurechnung bei der Insolvenzanfechtung Mit einem Beschluss aus der Mitte Februar 2013²⁹⁴ hat der IX. Zivilsenat des BGH seine Judikatur zur Wissenszurechnung in anfechtungsrechtlichen Verhältnissen weiter ausgebaut. Fall 92: Die spätere beklagte Sozialversicherung bediente sich des zuständigen Hauptzollamts bei der Vollstreckung ihrer Beitragsforderungen gegen die spätere Schuldnerin, die damit ab Mai 2007 in Rückstand geraten war. Die Schuldnerin übergab zum Ausgleich von Sozialversicherungsbeiträgen für September 2007 dem Vollziehungsbeamten des Hauptzollamts im Dezember 2007 einen vordatierten Scheck über rd. EUR 34.000, der bei Fälligkeit nicht eingelöst wurde. Den Betrag überwies die Schuldnerin dann aber am 11.1. und am 18.1. 2008 in zwei gleichen Teilbeträgen. Dieser Vorgang wiederholte sich später noch einmal im Februar und März 2008. Ende Mai 2008 stellte die Schuldnerin Eigenantrag, woraufhin über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren am 1.7. 2008 eröffnet und der spätere Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt wurde.
Der IX. Zivilsenat führt aus, § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 252 AO fingierten hinsichtlich des zu vollstreckenden Anspruchs die Gläubigerstellung der mit der Vollstreckung beauftragten Vollstreckungsbehörde. Damit sei zwar kein materieller Forderungsübergang auf die Vollstreckungsbehörde verbunden, wegen des Erwerbs der Pfändungspfandrechte an beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie an Forderungen durch die als Gläubigerin fingierte Körperschaft Hauptzollamt wird aber der „eigentliche“ Gläubiger als befriedigt angesehen. Kenntnisse des Sachbearbeiters des Hauptzollamts seien diesem im Übrigen entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen – was der IX. Zivilsenat „ohne Weiteres“ mit Blick auf die überwiegende Literatur und Judikatur feststellt. Anders als der Gerichtsvollzieher, der allen Beteiligten des Zwangsvollstreckungsverfahrens als Beamter gegenüberstehe und daher nicht Vertreter des Gläubigers bei der für diesen durchgeführten Pfändung sei, rücke daher die ersuchte Vollstreckungsbehörde in die
BGH, Urt. v. . . – IX ZR /, ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
I. Ausgewählte Fragestellungen
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Gläubigerstellung der vollstreckenden Behörde ein. Der „beauftragte“ Gerichtsvollzieher stelle sich als neutrale Behörde dar, demgegenüber die ersuchte Behörde anstelle des Gläubigers für diesen tätig werde und insbesondere auch Kenntnisse für diesen im Rahmen der Zwangsvollstreckung sammele. Es liege daher bei den Behörden, dafür zu sorgen, dass interbehördlich erlangte Kenntnisse weitergegeben werden – wie der IX. Zivilsenat bereits im Jahr 2011²⁹⁵ entschieden hatte. Zu einer „Wissensaufspaltung“ könne es daher normativ nicht kommen.
6. Anfechtungsrecht im Zweitverfahren bei Verfristung oder Verjährung des Anfechtungsanspruchs im Erstverfahren Mit Urteil vom April 2013²⁹⁶ hat der IX. Zivilsenat des BGH darüber zu entscheiden gehabt, ob der Insolvenzverwalter in einem Zweitverfahren ein Anfechtungsrecht hat, obwohl in einem Erstverfahren Verfristung oder Verjährung der Anfechtung eingetreten war. Fall 93: Mit Urkunde vom 22.4.1996 hatte der Insolvenzschuldner, ein Einzelunternehmer, sein Einfamilienhaus an seine beiden Kinder verschenkt. Diese wurden am 10.10.1996 als Miteigentümer je zur ideellen Hälfte in das Grundbuch eingetragen. Ein im Mai 1998 über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnetes Gesamtvollstreckungsverfahren war im Dezember 2003 eingestellt worden, nachdem der Erlös verteilt worden war. Am 13.6. 2005 wurde über das Vermögen des Insolvenzschuldners auf Eigenantrag hin das Insolvenzverfahren eröffnet und der spätere Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt, der gegenüber den Kindern die Grundstücksübertragung durch den Insolvenzschuldner anfocht. Das OLG hat die Anfechtungsklage auf die Berufung der erstinstanzlich antragsgemäß verurteilten mit der Klage in Anspruch genommenen Kinder abgewiesen. Das OLG hat die Revision zugelassen.
Die Anfechtung des Gesamtvollstreckungsverwalters war nach § 10 Abs. 2 GesO verfristet. Der IX. Zivilsenat stellt nun auf das Verhältnis zwischen Insolvenzanfechtung und Gläubigeranfechtung nach dem AnfG ab. Unter Geltung der KO hatte das RG ²⁹⁷ darauf erkannt, dass die Ausschlussfrist nach § 41 Abs. 1 S. 1 KO dem Gegner in der später nach Einstellung des Konkurses geltend gemachten Gläubigeranfechtung keine Einrede gem. § 13 Abs. 4 S. 1 AnfG in der i. d. F. von 1879 gewähre. Hieran wird heute unter der Geltung des § 18 Abs. 1 AnfG festgehalten. Die Verjährung des Anfechtungsrechts des Insolvenzverwalters im früheren In-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . RG, Urt. v. . . – VII / – RGZ , , ff.
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solvenz-, Konkurs- oder Gesamtvollstreckungsverfahren kann gegenüber einer Anfechtung im Zweitverfahren nicht eingeredet werden, es sei denn, die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners dauerte vom Erstverfahren bis zur Eröffnung des Zweitverfahrens fort.
7. Rentenversicherungsverträge für Arbeitnehmer Durch den Arbeitgeber zu Gunsten von Arbeitnehmern abgeschlossene Rentenversicherungsverträge lösen eine Reihe von insolvenzrechtlichen Problemen aus. Mit einer Entscheidung vom Anfang des Jahres 2014²⁹⁸ hat der IV. Zivilsenat des BGH zur Frage der insolvenzrechtlichen Auswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers auf ein „widerrufliches Bezugsrecht mit Vorbehalt“ eines zu Gunsten des Arbeitnehmers vom insolventen Arbeitgeber geschlossenen Rentenversicherungsvertrages zu entscheiden gehabt. Fall 94: Über das Vermögen der A. KG war am 17. 5. 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zwischen dem 1.4. 2007 und dem 1. 2. 2008 hatte die spätere Insolvenzschuldnerin im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages für ihren Arbeitnehmer einen Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen, in dem ein „unwiderrufliches Bezugsrecht mit Vorbehalt“ vereinbart worden war. Der in dem über das Vermögen der A. KG eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter begehrte die Auszahlung des Rückkaufswertes der Versicherung. Wegen der Klausel zum Bezugsrecht sei davon auszugehen, dass der Vorbehalt nicht in solchen Fällen greife, in denen der Arbeitnehmer insolvenzbedingt ausscheide.
Der BGH fragt nun zutreffend danach, ob die Rechte aus den Versicherungsverträgen zum Vermögen des Arbeitnehmers gehören oder der Masse zustehen. Solange die tatbestandlichen Voraussetzungen des vereinbarten Vorbehalts nicht erfüllt sind, stehe, wie der IV. Senat bereits in vorangegangenen Entscheidungen erkannt hat,²⁹⁹ das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht einem uneingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht gleich, da es wirtschaftlich und rechtlich keine Unterschiede aufwirft. Der IV. Zivilsenat fragt hier danach, ob der Vorbehalt dahingehend auszulegen sei, dass Fälle insolvenzbedingter Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfasst würden. Da der Wortlaut nicht auf den Beendigungsgrund abstellt, schließe der Vorbehalt zum Widerruf nach Auffassung des IV. Zivilsenats Fälle insolvenzbedingter Beendigung ohne weiteres ein. Allerdings beschränkt der Senat seine Auslegung hierauf nicht. Der Wortlaut einer vertrag-
BGH, Urt. v. . . – IV ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IV ZR / – ZIP , ; Urt. v. . . – IV ZR / – ZIP ,.
I. Ausgewählte Fragestellungen
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lichen Regelung und die Interessenlage der Vertragsparteien seien nämlich zwei streng voneinander zu unterscheidende Auslegungskriterien.
8. Deckungsanfechtung ist zulässige Inhalts-und Schrankenbestimmung des Eigentums Das BAG ³⁰⁰ hat darauf erkannt, die Deckungsanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Fall 95: In dem insolvenzschuldnerischen Unternehmen war der spätere Beklagte als Kraftfahrer und Bauwerker beschäftigt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin begehrte der Insolvenzverwalter die Rückzahlung an den Beklagten gezahlten Lohn und Gehalts. Dieses war unter einem Rückstand von mindestens 2– 3 Monaten von der Insolvenzschuldnerin gezahlt worden. Der Insolvenzverwalter ist mit seiner Klage vor dem BAG erfolgreich gewesen. Die Klage war auf Rückzahlung solcher Lohn- und Gehaltszahlung gerichtet gewesen, die nach Stellung des Insolvenzantrags vom Schuldner an den Beklagten erbracht worden waren.
Das BAG betont, dass grundsätzlich auch Lohn- und Gehaltsansprüche der Insolvenzanfechtung unterliegen. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes sei davon nicht berührt. Denn die Inkongruenzanfechtung sei jedenfalls eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Auch sei das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nicht berührt. Der Anfechtungsanspruch gegen den Arbeitnehmer richte sich bereicherungsrechtlich auf das, was zuvor aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners an den Arbeitnehmer geflossen ist. Daraus folgert das BAG, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich nur den erhaltenen Nettolohn zurückzuzahlen habe.
9. Anfechtung von Rechtshandlungen des eigenverwaltenden Schuldners Das Recht der Eigenverwaltung ist positivrechtlich durch den Gesetzgeber seit mittlerweile 15 Jahren geregelt. Mit den Regelungen des ESUG ist das Eigenverwaltungsverfahren vor etwa drei Jahren hoffähig gemacht worden. Seine Einzelheiten sind indes nach wie vor hoch streitig. Unter welchen Voraussetzungen Rechtshandlungen des Schuldners angefochten werden können, wenn das Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO eingeleitet worden ist und später unter BAG, Urt. v. . . – AZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
Anordnung der Eigenverwaltung das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wird, lässt sich allein durch die Lektüre des Gesetzestextes nicht beantworten, wie die Entscheidung des OLG Dresden ³⁰¹ deutlich macht. Fall 96: Die S. AG hatte mit Schreiben vom 27. 2. 2013 beim AG Leipzig – Insolvenzgericht – beantragt, über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung zu eröffnen. Weiter wurde beantragt, einen vorläufigen Sachwalter zu bestellen und eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans zu bestimmen. Der vorläufige Sachwalter zeigte mit Schreiben vom 13. 3. 2013 dem Insolvenzgericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin an. Mit Beschluss vom 30.4. 2013 wurde unter Anordnung der Eigenverwaltung der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der spätere Kläger zum Sachwalter bestellt. Am 6.6. 2013 wurde der von den Gläubigern angenommene Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt und am 1.7. 2013 das Insolvenzverfahren aufgehoben. Der Sachwalter war durch den Insolvenzplan ermächtigt, Anfechtungsansprüche gegen den beklagten Sozialversicherungsträger in Höhe von EUR 37.000 sowie weiteren EUR 35.000 geltend zu machen.
Das OLG Dresden meint zutreffend, mit der Aufhebung der Eigenverwaltung sei die Prozessführungsbefugnis an die eigenverwaltende Schuldnerin zurückgefallen. War der Sachwalter im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren nach § 280 InsO („Nur der Sachwalter kann Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 anfechten.“) anspruchsberechtigt gewesen, so bliebe er nach Verfahrensaufhebung im Rahmen der Planermächtigung nach § 259 Abs. 3 InsO als gewillkürter Prozessstandschafter prozessführungsbefugt. Denn nach der eindeutigen Gesetzeslage (§§ 129 Abs. 1, 280 InsO) entstehen die Anfechtungsansprüche nicht in der Person des eigenverwaltenden Schuldners sondern in der des Sachwalters, als funktionales Äquivalent zum Insolvenzverwalter. Nicht anders ist dies nach § 259 InsO zu beurteilen, wenn der Sachwalter – wie im Regelinsolvenzverfahren der Insolvenzverwalter – durch rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan zur Führung der zuvor rechtshängig gemachten Insolvenzanfechtungsprozesse ermächtigt ist. Zutreffend führt das OLG Dresden aus, dass das Rechtsschutzbedürfnis durch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht entfallen ist. Da der zur Abführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen verpflichtete Unternehmer keine anfechtungsrechtlich relevante Gegenleistung von dem Gesamtsozialversicherungsträger erhält,wie der BGH entschieden hat³⁰², konnte sich der Anfechtungsgegner auch nicht auf § 142 InsO berufen. Das OLG Dresden lässt es dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall ein Verfahren nach § 270a InsO oder ein Schutzschirmverfahren nach 270b Abs. 1 InsO vorlag. Überzeugend führt
OLG Dresden, Urt. v. . . – U / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , ; Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
I. Ausgewählte Fragestellungen
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es aus, es komme allein darauf an, dass ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vom Schuldner gestellt worden ist, um die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO zu erfüllen. Im vorliegenden Fall hatte das Insolvenzgericht weder den Schuldner noch den vorläufigen Sachwalter zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt. Daher geht das OLG Dresden davon aus, dass über § 55 Abs. 2 InsO i.V.m. § 270b Abs. 3 S. 2 InsO kein Tatbestand gegeben sei, aus dem sich ableiten lasse, dass wegen der insolvenzgerichtlichen Ermächtigung zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten deren Insolvenzanfechtung ausgeschlossen sein könne. Dabei lehnt das OLG Dresden die Judikatur des AG Montabaur ³⁰³ und des LG Dresden ³⁰⁴ ab, die davon ausgehen, dass der Schuldner im Eröffnungsverfahren nach 270a Abs. 1 InsO generell Masseverbindlichkeiten zu begründen rechtlich in der Lage sei.
10. Ist die Anfechtbarkeit von Zahlungen, die der Schuldner im Schutzschirmverfahren vorgenommen hat, davon abhängig, dass keine Ermächtigung nach § 270b Abs. 3 InsO vorliegt? Das LG Köln ³⁰⁵ hat zur Voraussetzung für die Befugnis des Insolvenzschuldners, Masseverbindlichkeiten im Schutzschirmverfahren zu begründen, zu entscheiden gehabt. Seinem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Fall 97: In einem Schutzschirmverfahren im Bezirk des Insolvenzgerichts Osnabrück hatte die Schuldnerin keinen Antrag nach § 270b Abs. 3 InsO gestellt. Noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens leistete die Schuldnerin 5 Zahlungen an die später im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren vom Sachwalter in Anspruch genommene Sozialversicherungsträgerin in einem Gesamtbetrag von EUR 109.000.
Das LG Köln qualifiziert die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge im Vorfeld der Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens als Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO, zu deren Anfechtung der Sachwalter nach § 280 InsO aktivlegitimiert ist. Die Zahlung habe die beklagte Sozialversicherungsträgerin als Insolvenzgläubigerin befriedigt, da diese keine Massegläubigerin gewesen sei. Denn der Schuldnerin sei keine Ermächtigung nach § 270b Abs. 3 InsO zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Wege von Global- oder Einzelermächtigungen erteilt worden. Interessant ist nun an dieser Entscheidung, dass das LG Köln meint,
AG Montabaur, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , . LG Dresden, Urt. v. . . – O / – ZInsO , , . LG Köln, Urt. v. . . – O / – ZIP , ; bestätigt durch: OLG Köln, Hinweisbeschl. v. . . – U / – ZIP , .
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dass im Falle einer derartigen Ermächtigung § 55 Abs. 2 InsO zur entsprechenden Anwendung gelange. Der Schuldner könne dann „praktisch in die Stellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters einrücken und Masseverbindlichkeiten begründen“. Ist dies nicht der Fall, ist der vom Schuldner vor Verfahrenseröffnung befriedigte Gläubiger als Insolvenzgläubiger zu qualifizieren. Lag aber eine Ermächtigung nach § 270b Abs. 3 InsO vor, liege keine Befriedigung eines Insolvenzgläubigers vor, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 130 ff. InsO nicht gegeben seien. Diese Entscheidung scheint aber die Systematik sowohl der §§ 130, 131 InsO als auch des § 270b Abs. 3 InsO im Zusammenspiel mit § 55 Abs. 2 InsO zu verkennen. Denn die Ermächtigung des vorläufig eigenverwaltenden Schuldners nach § 270b Abs. 3 InsO hat allein die Funktion, dass der Schuldner, ohne einen Eingehungsbetrug zu begehen, den Gläubigern im Vorfeld der Eröffnung des Insolvenzverfahrens versprechen kann, ihre Forderungen werden im eröffneten Insolvenzverfahren befriedigt. Ob vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Befriedigungshandlungen dagegen anfechtbar sind, liegt zu beeinflussen weder in der Befugnis des Insolvenzschuldners noch in der des Insolvenzgerichts. § 280 InsO macht vielmehr deutlich, dass es der Sachwalter ist, der über die Anfechtung zu entscheiden hat. Daher stellt sich die Frage, ob der vorläufige Sachwalter für den Fall seiner Bestellung als Sachwalter im eröffneten Verfahren, bereits im Schutzschirmverfahren über die erst mit der Verfahrenseröffnung relevante Frage der Anfechtbarkeit von Schuldnerhandlungen wirksam Erklärung gegenüber dem Gläubiger abgeben kann. Dies dürfte angesichts der Rechtsstellung des vorläufigen Sachwalters zu verneinen sein.
II. Gläubigerbenachteiligung 1. Bewirkung der Überweisung als Rechtshandlung Bekanntlich ist die Gläubigerbenachteiligung, die den § 129 Abs. 1 InsO zur Grundnorm des Anfechtungsrechts macht, eine hochproblematische Kategorie. Der IX. Zivilsenat des BGH argumentiert nämlich regelmäßig damit, die Gläubigerbenachteiligung sei nach wirtschaftlichen Maßstäben zu bestimmen – was aber regelmäßig auf komplexe rechtliche Erwägungen verweist. In seinem Urteil vom November 2012³⁰⁶ hat der IX. Zivilsenat sich mit der Überweisung eines Kontoguthabens an den Gläubiger auseinanderzusetzen, das dieser außerhalb des
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
II. Gläubigerbenachteiligung
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Dreimonatszeitraums gepfändet hatte. Bewirkt der Insolvenzschuldner die Überweisung seines Bankkontos an den Gläubiger zur Befriedigung dessen Forderung, stellt dies eine Rechtshandlung dar. Dies gilt auch – wie der IX. Zivilsenat überzeugend ausführt – für den Fall, dass das Konto zuvor vom Gläubiger gepfändet worden ist und die Möglichkeit der Überweisung allein auf einer entsprechenden Abrede beruht. Denn der Insolvenzschuldner wird durch die Pfändung des Kontos nicht zur Überweisung gezwungen, da der Gläubiger auch auf andere Art und Weise auf das Konto Zugriff nehmen kann. Im vorliegenden Fall hatte der Insolvenzverwalter aber nicht die Pfändung des Kontos, sondern die vom Insolvenzschuldner vorgenommene Überweisung angefochten. Er hatte ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben seien. Allgemeine Voraussetzung – auch für die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO – ist aber, dass die Rechtshandlung des Insolvenzschuldners gläubigerbenachteiligende Wirkungen zeitigt. Denn die Forderungspfändung war in Ermangelung einer Rechtshandlung des Schuldners nach § 133 Abs. 1 InsO nicht anfechtbar. Da der Pfändungspfandgläubiger durch die Überweisung nur das erhalten hat, was ihm aufgrund der Pfändung des Kontos zustand, liegt eine Gläubigerbenachteiligung nicht vor. Denn in dem über das Vermögen des Pfändungsschuldners eröffneten Insolvenzverfahren konnte der Pfändungspfandgläubiger nach § 50 Abs. 1 InsO die abgesonderte Befriedigung im Umfang seines Pfändungspfandrechts aus dem Konto suchen. Da die Pfändung selbst außerhalb der Anfechtungsfristen vorgenommen worden war und das Pfändungspfandrecht mithin anfechtungsfest erlangt wurde, ist eine Gläubigerbenachteiligung in der späteren Überweisung nicht zu sehen.
2. Gläubigerbenachteiligung durch Abtretung künftiger Ruhegehaltsansprüche Mit Urteil vom Dezember 2012³⁰⁷ hat der IX. Zivilsenat des BGH über die Frage der Gläubigerbenachteiligung durch Abtretung künftiger Ruhegeldansprüche zu entscheiden gehabt, wobei der ihm vorliegende Sachverhalt über die insolvenzanfechtungsrechtliche Frage hinaus eine Reihe von international-rechtlichen Problemfeldern angeschnitten hat. Fall 98: Der Schuldner war Notar. Gegen die Notarkasse München standen ihm Ansprüche auf Ruhegehalt als Notar a.D. zu, die er im Rahmen der rechtlichen Abtretbarkeit am 20. 8.1998 zur Sicherung künftiger Unterhaltsansprüche an seine Ehefrau schriftlich abgetreten hat; vorsorglich wurde diese Abtretung schriftlich wiederholt und am 2.10.1998 notariell beglaubigt. Am 19. 3.1999
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
wurden wegen des Verdachts auf Untreue und Falschbeurkundung die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners durchsucht. Er unterzeichnete daraufhin am 23. 3.1999 eine Erklärung, der Sicherungsfall wegen aller zu Gunsten der Ehefrau vorgenommenen Sicherungsabtretungen und Sicherungsübereignungen sei nunmehr eingetreten. Später am 24.12.1999 wurde diese Erklärung von beiden Eheleuten schriftlich „als Vollabtretung“ bestätigt. Knapp ein Jahr darauf wurde am 29. 11. 2000 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt, woraufhin am 18.5. 2001 der Eröffnungsbeschluss erlassen und der spätere Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt wurde. Der Insolvenzverwalter verlangt von der Ehefrau des Schuldners klageweise die Rückabtretung der Ansprüche auf Ruhegehalt als Notar a.D. bzw. auf Ersatzruhegehalt. Die Ehefrau ist in Italien wohnhaft, wo ihr im Jahr 2003 die Klage des Insolvenzverwalters zugestellt wurde.
Das Insolvenzverfahren war über das Vermögen des Schuldners vor Inkrafttreten der EuInsVO eröffnet worden, weshalb deren Regelungen über die internationale Zuständigkeit nicht zur Anwendung kamen. Da es sich bei einem Insolvenzanfechtungsrechtsstreit um eine Angelegenheit handelt, die nach Art. 1 Abs. 2 lit. b. EuGVVO von deren Anwendung ausgeschlossen sind („Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“)³⁰⁸, hatten die deutschen Gerichte hier auf autonome Regelungen des deutschen Zivilprozessrechts über die internationale Zuständigkeit zurückzugreifen. Diese folgte hier aus § 23 S. 1 ZPO, da sich die an die beklagte Ehefrau abgetretenen Ruhegehaltsansprüche gegen einen in Deutschland befindlichen inländischen Drittschuldner richteten und deshalb als inländisches Vermögen zu qualifizieren waren. Dies deckt sich im Übrigen mit Art. 4 Abs. 2 lit. m EuInsVO. Damit stellten sich zwei weitere Fragen. Nämlich, ob die Anfechtung der Sicherungsabtretung der Ansprüche deshalb möglich war, weil diese Ansprüche Teil der Insolvenzmasse hätten sein können und die Abtretung damit die Gläubiger des insolventen Notars benachteiligen könnte, und welches Recht für die Abtretung zur Anwendung gelangt. Die mögliche Zugehörigkeit der Ruhegehaltsansprüche zur Masse in dem über das Vermögen des Notars eröffneten Insolvenzverfahren richtet sich nach deutschem Recht. Die Pfändbarkeit als Frage der Zwangsvollstreckung richtet sich nämlich nach dem Recht des Belegenheitsorts des Vermögensgegenstandes – mithin nach deutschem Recht. Auch das deutsche Recht ist auf die Frage anzuwenden, ob eine Abtretung möglich war. Insoweit kam § 114 Abs. 1 a.F. zur Anwendung. Hier lag freilich nicht allein eine Sicherungsabtretung, sondern eine Vollabtretung der Ruhegehaltsansprüche vor. Insofern knüpft der BGH an seine frühere Rechtsprechung³⁰⁹ an, nach der die objektive Gläubiger-
EuGH, Urt.v. . . – RsC-/ (Gourdain/Nadler) – RIW , , ; Urt.v. . . – RsC-/ (Deko Marty Belgium) – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz. .
II. Gläubigerbenachteiligung
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benachteiligung in einem derartigen Fall darin zu sehen ist, dass der „Vermögenskern“ der dem Vermögen des Sicherungszedenten nach der Sicherungszession des Vermögensgegenstandes verblieben ist, durch die Vollabtretung an den Zessionar entzogen wird.
3. Benachteiligung nicht nachrangiger Gläubiger erforderlich Mit dem vorliegenden Beschluss hat der IX. Zivilsenat des BGH ³¹⁰ überzeugend darauf erkannt, dass es für die Frage, ob eine für die Insolvenzanfechtung erforderliche Gläubigerbenachteiligung vorliegt, darauf ankommt, ob die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger i.S.d. § 38 InsO durch die Rechtshandlung benachteiligt werden. In dem vom BGH entschiedenen Fall war die Forderung eines nicht nachrangigen Insolvenzgläubigers besichert worden. Die Insolvenzmasse reichte aber zur Befriedigung der Insolvenzforderungen aus. Lediglich nachrangige Forderungen fielen aus. Ausschlaggebend für den Begriff der Gläubigerbenachteiligung ist, wie der IX. Zivilsenat feststellt, allein die Frage, ob nicht nachrangige Insolvenzgläubiger benachteiligt werden.
4. Gläubigerbenachteiligende Leistungen von Konto des Vaters Die Gläubigerbenachteiligung bedarf der näheren Bestimmung.³¹¹ Fall 99: Bei Jahresanfang 2008 verfügte der Schuldner nicht mehr über liquide Mittel zur Begleichung seiner Steuerverbindlichkeiten gegenüber dem Freistaat Sachsen. Ende Januar 2009 waren seine Verbindlichkeiten auf über EUR 33.000 aufgelaufen und er teilte dem später beklagten Freistaat mit, zur Zahlung außerstande zu sein. Forderungen gegen Drittschuldner hatte der Schuldner im Einverständnis mit seinem Vater über dessen Konto eingezogen. Für dieses Konto war der Schuldner bevollmächtigt, Überweisungen vorzunehmen. So veranlasste der Schuldner von dem Konto seines Vaters im August 2009 Zahlungen über einen Betrag von EUR 500 sowie EUR 250 und im November 2009 noch einmal in Höhe von EUR 250 an den beklagten Freistaat. Der Insolvenzverwalter machte die Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO erfolgreich geltend. Die dagegen eingelegte Revision des Freistaats blieb erfolglos.
Der IX. Zivilsenat des BGH folgert die Gläubigerbenachteiligung durch die vorgenommenen Zahlungen daraus, dass die Gutschriften auf dem Konto des Vaters als Treugut des Insolvenzschuldners zu werten seien, so dass durch die Bewirkung
BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
von Überweisungen zulasten dieses Treuguts das haftende Vermögen verkürzt worden sei. Da der Freistaat als Anfechtungsgegner über die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners unterrichtet war, hätten sich die insoweit zweifellos inkongruenten Leistungen als Beweisanzeichen sowohl für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch dessen Kenntnis beim Gläubiger dargestellt. In dieser Entscheidung weist der IX. Zivilsenat darauf hin, es dürfe keine Überspannung der Anforderungen an die subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO Raum greifen. Es genüge die allgemeine Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners beim Anfechtungsgegner. Nicht erforderlich sei dagegen, dass der Anfechtungsgegner alle Umstände kenne, aus denen sich dieser Vorsatz ergebe. Im vorliegenden Fall habe sich der beklagte Freistaat „nicht der Kenntnis verschließen“ können, die Zahlungen seien mit Benachteiligungsvorsatz erfolgt. Dem stehe nicht entgegen, dass die Überweisungen vom Konto des Vaters des Insolvenzschuldners vorgenommen worden waren.Wäre das Konto nicht durch als Treugut zu wertende Zahlungen aufgefüllt gewesen, käme auch einer Anweisung auf Schuld in Betracht. In dem Forderungsverlust liegt nun die Gläubigerbenachteiligung. Wäre dies nicht der Fall, käme eine Anweisung auf Kredit infrage. Dann wäre wegen des bloßen Gläubigeraustausches eine Gläubigerbenachteiligung nicht gegeben.³¹² Nun liegen hier in der Tat mögliche Sachverhaltsalternativen vor, die ggfls. eine Gläubigerbenachteiligung ausschließen – und damit zugleich den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon. Hier schreibt nun der IX. Zivilsenat, selbst ein „geschäftlich Ungewandter, über den konkreten Zahlungsfluss nicht näher unterrichteter Anfechtungsgegner“ werde im Regelfall davon ausgehen, dass eine Zahlung, die er von einem Dritten erlangt, bzw. die vom Konto eines Dritten ausgeführt wird, nicht einem „uneigennützigen Dazwischentreten des Dritten“ zu verdanken sei, sondern dass hinter ihr eine benachteiligende Rechtshandlung des Insolvenzschuldners stehe. Das aber ist doch sehr die Frage. Denn was ein geschäftlich unerfahrener Anfechtungsgegner oder gar der Freistaat Sachsen glaubt, wenn Überweisungen nicht vom Schuldnerkonto, sondern vom Konto eines Dritten erfolgen, und der Anfechtungsgegner gar nicht wissen kann, aus welchen Zahlungsflüssen dieses Konto gespeist worden ist, wäre die entgegengesetzte Unterstellung nicht weniger plausibel. Der IX. Zivilsenat meint nun, für seine Schlussfolgerungen sprächen die in den Überweisungen enthaltenen Zahlungszwecke, nämlich die Tilgung der Steuerverbindlichkeit des Insolvenzschuldners. Daher hätten den Insolvenzschuldner begünstigende Drittleistungen eines Verwandten ferngelegen. Ob dies gerade im Hinblick auf Verwandte eine zutreffende
BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
II. Gläubigerbenachteiligung
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Art der Bewertung des Sachverhalts ist, begegnet Zweifeln. Allerdings kann man sich Parallelfälle vorstellen, in denen z. B. der Geschäftsführer des insolventen Unternehmens von einem Konto, das jedenfalls nicht eindeutig dem schuldnerischen Unternehmen zuzuordnen ist, Überweisungen wegen ausstehender Sozialversicherungsbeiträge oder Steuerschulden vornimmt.
5. Anfechtung der Befriedigung aus abgetretener Forderung Mit Urteil aus Dezember 2013 hat der IX. Zivilsenat des BGH ³¹³ über die anfechtungsrechtliche Behandlung einer Befriedigung zu entscheiden gehabt, die der Gläubiger aus einer ihm vom Schuldner abgetretenen Forderung erlangt hat. Fall 100: Die spätere Insolvenzschuldnerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, hatte eine Erdbeerplantage betrieben. Diese lag auf vom späteren beklagten Anfechtungsgegner mit einer 20jährigen Laufzeit – beginnend mit dem 1.11.1998 – gepachteten Flächen. Im ersten Quartal 2002 gewährte der spätere Beklagte, aufgrund eines mit beiden Gesellschaftern der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Darlehensvertrages, ein Darlehen über 230.000 Euro ausschließlich für betriebliche Zwecke. Im Mai 2007 wurde zwischen der Insolvenzschuldnerin, ihren Gesellschaftern und dem Beklagten ein Zahlungsplan vereinbart, da mittlerweile sowohl auf den Darlehensals auch auf den Pachtvertrag erhebliche Zahlungsrückstände aufgelaufen waren. Nach dem Zahlungsplan sollten zunächst die Darlehensschulden abgetragen werden. Auch aus diesem Zahlungsplan ergaben sich noch im Jahr 2007 Rückstände in Höhe von EUR 88.000. Im Januar 2008 kündigte der Beklagte beide Verträge und berief sich auf sein Pfandrecht aus dem Landpachtvertrag. Für den Zeitraum zwischen dem 11.3. und 20.7. 2008 schlossen der Beklagte und die Insolvenzschuldnerin dann einen sogenannten Saisonpachtvertrag. In diesem wurde u. a. geregelt, dass die Erlöse aus der Erdbeerernte der Schuldnerin zustehen sollten, diese sich aber verpflichtete, die Abnehmerin der Erdbeeren, die L. eG anzuhalten, an 11 Abrechnungsterminen jeweils EUR 10.900 direkt an den Beklagten auszuzahlen. Dies Vereinbarung wurde unter der Überschrift „Abtretung Erlöse Erdbeerernte“ gefasst. Weiter wurde die Anrechnung auf die rückständige Darlehensschuld vereinbart. In der Tat erhielt der Beklagte EUR 23.000 aus dem Verkauf der Erdbeeren. Gegenüber der späteren Anfechtungsklage verteidigte er sich damit, eine Gläubigerbenachteiligung habe in der Befriedigung aus abgetretenen Forderungen gegen die L. eG schon deshalb nicht vorgelegen, weil ihm als Verpächter des Grundstücks ein insolvenzfestes Absonderungsrecht zugestanden habe.
In der Tat ist die Ablösung eines insolvenzfest begründeten Absonderungsrechts durch Zahlung nicht gläubigerbenachteiligend, weil die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger hierdurch nicht beeinträchtigt werden.³¹⁴ In der Tat stand dem Verpächter wegen seines Anspruchs auf Pachtzinszahlung das Ver-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
pächterpfandrecht aus § 592 BGB als Absonderungsrecht gem. § 50 Abs. 1 InsO zu. Vom Verpächterpfandrecht ist aber, wie der BGH bereits zum Vermieterpfandrecht entschieden hat und der erkennende Senat auf das Verpächterpfandrecht erstreckt, der Anspruch auf Rückerstattung eines vom Vermieter dem Mieter zur Durchführung einer vertraglich übernommenen Umbauverpflichtung gewährten Darlehens auch dann nicht erfasst, wenn der Darlehensvertrag in die über den Mietvertrag errichtete Urkunde aufgenommen worden ist.³¹⁵ Unabhängig davon, ob das Verpächterpfandrecht an den veräußerten Erdbeeren deshalb erloschen war, weil diese geerntet und zum Zweck der Veräußerung von den gepachteten Flächen mit Wissen und Wollen des beklagten Verpächters entfernt worden waren, konnte der primär aus dem abgetretenen Erlösanspruch zurückzuführende Darlehensanspruch des Beklagten durch das Verpächterpfandrecht nicht gesichert worden sein. Daher lag in der Abtretung des der Insolvenzschuldnerin gegen die L. eG zustehenden Erlösanspruchs jedenfalls eine Gläubigerbenachteiligung, da diese Abtretung die Aktivmasse minderte. Damit stellt sich dem IX. Zivilsenat die Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen einer Absichtsanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO. Für den Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners als dolus eventualis (als billigende Inkaufnahme der Benachteiligung seiner Gläubiger) und Kenntnis des Gläubigers von diesem Vorsatz, greift als Beweisanzeichen, dass die angefochtene Leistung eine inkongruente Deckung i.S.v. § 131 Abs. 1 InsO darstellt. Damit stellt sich die Frage, wie die Abtretung des Erlösanspruchs zur Tilgung der Darlehensforderung des Beklagten gegen die Insolvenzschuldnerin rechtlich einzuordnen war. Hier erfolgte zwar keine Leistung durch die Abtretung, da der Anfechtungsgegner und Gläubiger sich erst aus der abgetretenen Forderung befriedigen sollte. Überzeugend führt der IX. Zivilsenat aber aus, es sei hier die Auslegungsregel des § 364 Abs. 2 BGB zur Anwendung zu bringen, da der Gläubiger jedenfalls nicht bereit gewesen sei, das Bonitätsrisiko gem. § 365 BGB zu tragen. Die Abtretung stellt sich in diesem Fall also als erfüllungshalber dar. Bei dieser Abtretung erfüllungshalber handele es sich aber um eine inkongruente Deckung, weil der Anfechtungsgegner darauf keinen Anspruch hatte. Nach den Zahlungsrückständen der Insolvenzschuldnerin hätte der beklagte Verpächter auch Zweifel an der Liquidität der Insolvenzschuldnerin haben müssen.
BGH, Urt. v. . . – VIII ZR / – BGHZ , .
II. Gläubigerbenachteiligung
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6. Insolvenzanfechtung der Direktzahlung des Bauherrn an den Lieferanten In dem zwischen Bauunternehmer und seinem Lieferanten bestehenden Vertragsverhältnis werden die Kaufpreisforderungen des Lieferanten vom Bauunternehmer als Schuldner grundsätzlich kongruent befriedigt. So jedenfalls glaubte man bis zu der Entscheidung des BGH ³¹⁶ aus Mitte Juli 2014. Dort hat der IX. Zivilsenat die Frage nach der Kongruenz einer vom insolventen Bauunternehmer veranlassten Direktzahlung des Bauherrn an einen Lieferanten neu bewertet. Fall 101: In ständiger Geschäftsbeziehung hatte die – später beklagte – Lieferantin die schuldnerische GmbH für deren Bauvorhaben mit Fenstern und Türen beliefert. Vom Oktober 2010 an liefen erhebliche Zahlungsrückstände auf. Ratenzahlungsvereinbarungen wurden von der Schuldnerin nicht eingehalten und versprochene Sicherheiten von ihr nicht erbracht. Im Februar 2011 war ein Zahlungsrückstand von EUR 98.000 aufgelaufen. Daraufhin trafen die Schuldnerin und die Lieferantin mit den Bauherren S und A eine Abrede des Inhalts, dass die Bauherren die Kaufpreise für die von der Schuldnerin einzubauenden,von der Lieferantin gelieferten Fenster und Türen direkt an die Lieferantin zahlten. Daraufhin sollten dann die Werkteile an die Baustellen ausgeliefert werden. Ende März 2011 zahlten daraufhin der Bauherr A einen Betrag von EUR 20.000 und der Bauherr S. einen Betrag von EUR 14.000 an die Lieferantin, die sodann die bestellten Fenster und Türen auslieferte. Am 12.4. 2011 stellte die Schuldnerin Eigenantrag. Mit Beschluss aus dem Juli 2011 wurde dann das Insolvenzverfahren eröffnet und der spätere Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Dieser forderte von der beklagten Lieferantin die Direktzahlungen der beiden Bauherren im Wege der Insolvenzanfechtung zurück.
Der IX. Zivilsenat setzt sich zunächst mit der Frage auseinander, ob die Zahlungen der Bauherrn an die beklagte Lieferantin überhaupt eine Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 Abs. 1 InsO bewirkt hätten. Daran könnte man dann zweifeln, wenn die Insolvenzmasse (das Schuldnervermögen) auf die Zahlungen der Bauherren keinen Anspruch mehr gehabt hatte. Das wäre der Fall gewesen, wenn der zwischen den Bauherren und der Insolvenzschuldnerin bestehende Werkvertrag gekündigt wurde, was nach § 649 BGB i.V.m. § 8 Abs. 1 VOB/B ohne Einhaltung einer Frist oder ohne einer besonderen Begründung möglich gewesen wäre. Der BGH lehnt es aber ab, in der dreiseitigen Vereinbarung zwischen der Insolvenzschuldnerin, der beklagten Lieferantin und den beiden Bauherren eine solche Teilkündigung zu sehen – zumal in diesem Fall der ausstehende Werklohn in voller Höhe zu zahlen gewesen wäre. Vielmehr sieht der BGH in der Abrede zwischen den drei Beteiligten die Erklärung der Bauherren, auf Weisung der Insolvenzschuldnerin deren noch offene Werklohnforderung in Höhe des Kaufpreises für die Türen und Fenster vor Fälligkeit durch Direktzahlung an die beklagte Lieferantin erfüllen zu wollen. Durch diese Anweisung auf Schuld seien die zum BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
Vermögen der Insolvenzschuldnerin gehörenden Werklohnforderungen gegen die beiden Bauherren zum Erlöschen gebracht worden, § 362 Abs. 1 BGB.³¹⁷ Die Werklohnforderungen waren nicht wirtschaftlich wertlos. Da ihre Durchsetzbarkeit gegenüber den Bauherren hier außer Frage stand, habe eine Gläubigerbenachteiligung vorgelegen. Die Frage, ob ein Leistungsverweigerungsrecht der Bauherren vorlag, das die Insolvenzschuldnerin außer Stande gesetzt hätte, Türen und Fenster einzubauen, sei, wie der erkennende Senat überzeugend ausführt, ein für die Beurteilung der Gläubigerbenachteiligung irrelevanter, rein hypothetischer Kausalverlauf, der daher in die Betrachtung nicht einzubeziehen sei.³¹⁸ An der objektiven Gläubigerbenachteiligung fehle es im vorliegenden Fall auch nicht etwa deshalb, weil der beklagten Lieferantin an den Werklohnforderungen der Insolvenzschuldnerin gegen die Bauherren aufgrund eines vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalt ein Absonderungsrecht zugestanden hätte. Dies setzte aber die Auslieferung der Türen und Fenster an die Insolvenzschuldnerin voraus, die hier zu dem fraglichen Zeitpunkt aber noch nicht erfolgt war. Der BGH lässt aber im vorliegenden Fall die Insolvenzanfechtung daran scheitern, dass die Direktzahlungen der Bauherren an die Lieferantin kongruent gewesen seien. Allerdings ist in der bisherigen Judikatur des IX. Zivilsenats eine solche Direktzahlung auf Anweisung des Insolvenzschuldners als inkongruente Deckung qualifiziert worden.³¹⁹ Der erkennende Senat erinnert daran, dass die typische Suspektlage in diesen Fällen darin bestehe, dass die Anweisung des Insolvenzschuldners in aller Regel an eine Liquiditätslage anknüpft. Hier habe aber eine inzwischen Bauherren, Insolvenzschuldnerin und beklagter Lieferantin in dreiseitigen Verträgen geschlossene Kongruenzvereinbarung (sic!) für Direktzahlungen vorgelegen. Es kann nun allerdings grundsätzlich eine derartige Kongruenzvereinbarung selber anfechtbar sein.³²⁰ Dies aber lehnt der IX. Zivilsenat ab, weil die Kongruenzvereinbarung selbst keine Deckungshandlung im Sinne der §§ 130, 131 InsO sei (welche Folgen dies für die aufrechnungsrechtliche Behandlung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO haben kann, ist hier dahingestellt zu lassen). Der IX. Zivilsenat geht davon aus, die Vertragsparteien könnten den Inhalt ihrer Vereinbarungen abändern. Wenn dies geschehe, bevor die erste Leistung eines Vertragsteils erbracht worden ist, gefährde die Abänderung der Vereinbarungen den Charakter der Bardeckung nicht. Nach den §§ 132, 142 InsO werde damit eine abändernde Kongruenzvereinbarung, die ein Bargeschäft erst ermög-
BGH, Urt. v. . . – IX / – ZIP , , Tz. . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz. . BGH, Beschl.v. . . – IX ZR / – ZInsO , ; Urt.v. . . – IX ZR / – ZIP , ; Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz. . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
III. Inkongruenz – und Kongruenzanfechtung
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licht, der Deckungsanfechtung entzogen. Denn die Insolvenzschuldnerin sollte eine gleichwertige Gegenleistung durch die beklagte Lieferantin für die durch die Direktzahlung der Bauherrn bewirkten Leistungen an die Beklagte in einem engen zeitlichen Zusammenhang erhalten, wie der erkennende Senat ausführt, da die Türen und Fenster an die Insolvenzschuldnerin ausgeliefert werden sollten. Damit liege ein Fall des §§ 142 InsO vor. Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 132 InsO sei auch deshalb nicht gegeben, weil die Vertragsänderung die Werklohnforderungen erst werthaltig machten. Die Direktzahlungen der Bauherrn selbst hält der BGH nicht nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO und § 132 Abs. 1 InsO für anfechtbar. Das ergibt sich nach den Prämissen des IX. Zivilsenats – insoweit folgerichtig – allein schon daraus, dass er die Kongruenzvereinbarung nach § 142 InsO nicht für anfechtbar hält und daraus folgt, dass § 142 InsO auch auf die Direktzahlungen als Bargeschäft anwendbar ist. Die Absichtsanfechtung der Direktzahlungen der Bauherrn an die beklagte Lieferantin nach § 133 Abs. 1 InsO läßt der IX. Zivilsenat daran scheitern, dass ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht gegeben sei wenn der Insolvenzschuldner in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine kongruente Leistung für die von ihm empfangene Gegenleistung erbringt. Wenn diese für die Fortführung des eigenen Unternehmens nötig ist und den Gläubigern im Allgemeinen nutzt, könne der subjektive Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO entfallen. Dies sei insbesondere der Fall, wenn ein Leistungsaustausch „ähnlich einem Bargeschäft“ stattfinde.
III. Inkongruenz – und Kongruenzanfechtung 1. AGB und Lastschrifteinzug Mit Urteil aus dem Dezember 2012³²¹ hat der IX. Zivilsenat des BGH darauf erkannt, dass eine allgemeine Geschäftsbedingung, die die Tilgung eines der Händlereinkaufsfinanzierung dienenden Darlehens einer inländischen Bank im Wege des Lastschrifteinzugs im Abbuchungsauftragsverfahren vorsieht, AGB-rechtlich Bestand hat und nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Hieraus ergeben sich,wie das Urteil des IX. Zivilsenats zeigt, anfechtungsrechtliche Konsequenzen. Der BGH hat über folgenden Sachverhalt zu entscheiden gehabt. Fall 102: Auf Eigenantrag vom 21.9. 2009 war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin am 1.1. 2010 eröffnet worden. Am 29.6. 2009, am 9.7. 2009 und am 14. 8. 2009 hatte die
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D. Insolvenzanfechtung
die Einkäufe der Schuldnerin finanzierende Beklagte mit Lastschrifteinzug Beträge eingezogen. Zu diesem Zeitpunkt war die Schuldnerin bereits zahlungsunfähig i.S.v. § 17 InsO.
Der IX. Zivilsenat sieht die Abbuchungen im Rahmen des Lastschriftverfahrens nicht als inkongruent geleistete Zahlungen nach § 131 InsO an. Denn das Abbuchungsauftragsverfahren sei in unternehmerischen Geschäftsbeziehungen verkehrsüblich. Eine Anfechtung nach § 131 InsO komme daher nicht in Betracht.
2. Werthaltigmachen von Werklohnansprüchen Nach der Rechtsprechung des BGH ³²² ist im Falle einer Globalsicherungszession das Werthaltigmachen der konkreten sicherungszedierten Forderung der Kongruenzanfechtung unterworfen. Die seinerzeit entwickelten Grundsätze hat der IX. Zivilsenat des BGH ³²³ nunmehr auf die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts nach § 140 Abs. 1 InsO im Zusammenhang mit der Begründung der Aufrechnungslage nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO übertragen. Fall 103: Die Insolvenzschuldnerin und die spätere Beklagte hatten sich Mitte 2008 vertraglich darauf geeinigt, dass die Beklagte für die im Bereich der Außenwerbung tätige Schuldnerin Akquisitionsleistungen erbringen sollte, aufgrund derer die Schuldnerin Werbung an Baugerüsten erstellen sollte. Im Februar des jeweiligen Folgejahres sollte auf Grundlage des Umsatzes der von der Beklagten an die Schuldnerin vermittelten Geschäfte der Beklagten eine Vergütung ausgezahlt werden. Mitte Februar 2009 wurde die Schuldnerin von der Beklagten mit der Herstellung eines Riesenposters beauftragt. Dieses sollte im Mai und Juni 2009 ausgehängt werden, was auch geschah. Der Beklagten wurde von der Schuldnerin daraufhin am 4. 5. 2009 ein Betrag von 28.000 Euro in Rechnung gestellt. Für die Vermittlungstätigkeit im Jahr 2008 erhielt die Beklagte eine Gutschrift in Höhe von 16.500 Euro. Nach Eigenantrag vom 19. 5. 2009 wurde am 1.8. 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der vom Insolvenzgericht bestellte Insolvenzverwalter machte nach Erklärung der Aufrechnung durch die Beklagte den offenen Restbetrag geltend.
Der BGH führt aus, die Aufrechnungslage sei in anfechtbarer Art und Weise entstanden, was die erklärte Aufrechnung im eröffneten Insolvenzverfahren unwirksam macht. Als „rechtserheblicher Realakt“ ist nämlich das Werthaltigmachen der Werklohnforderung der Schuldnerin selbständig der Anfechtung unterworfen.³²⁴ Dies konnte aber frühestens mit Erreichen des vertraglich vereinbarten Werbezeitraums – also unter Einbeziehung des Juni 2009 – der Fall sein.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR /, BGHZ , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , Tz. .
IV. Schenkungsanfechtung
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3. Inkongruenzanfechtung bei Androhung der Fremdantragsstellung Fall 104: Der spätere Anfechtungsgegner hatte die Schuldnerin mit den Worten gemahnt: „Mein Mandant kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass …. (die Schuldnerin) nicht in der Lage ist, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen (wofür in der Tat einiges spricht). Sollte sich dieser Verdacht erhärten und wir keinen Zahlungseingang innerhalb der vorgegebenen Frist verzeichnen können, so behalten wir uns ausdrücklich vor, Insolvenzantrag zu stellen.“ Tags darauf wurde der eingeforderte Betrag einschl. Zinsen und Anwaltskosten in Höhe von EUR 11.500 von der Schuldnerin gezahlt. 9 Wochen später wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der in diesem bestellte Insolvenzverwalter erklärte die Anfechtung der Zahlung.
Der IX. Zivilsenat des BGH ³²⁵ hat hier die Ansicht der Berufungsinstanz, es liege eine Inkongruenzanfechtung vor, weil zwar der Insolvenzantrag nicht gestellt aber doch jedenfalls angedroht wurde, bestätigt. Dies sei – wie der IX. Zivilsenat ausführt – jedenfalls dann der Fall, wenn der Gläubiger nicht bloß unverbindlich auf ein mögliches Insolvenzverfahren hingewiesen hat, sondern die Drohung mit der Insolvenzantragstellung als Instrument verwendet, seine Ansprüche durchzusetzen³²⁶. Lässt der Gläubiger jedenfalls zwischen den Zeilen seiner Mahnschreiben erkennen, dass er plant, beim Verstreichenlassen der Zahlungsfrist durch den Schuldner einen Insolvenzantrag zu stellen, so ist damit nach Auffassung des IX. Zivilsenats die Grenze zur Druckausübung mit der Folge überschritten, dass die dann erfolgte Zahlung als inkongruent anzusehen ist.
IV. Schenkungsanfechtung 1. Relevanter Zeitpunkt bei der Schenkungsanfechtung bei unwiderruflichem Bezugsrecht aus Lebensversicherung Mit Urteil aus dem September 2012³²⁷ hat der IX. Zivilsenat des BGH zu dem relevanten Zeitpunkt nach § 140 Abs. 1, 3 InsO bei der Schenkungsanfechtung bei unwiderruflichen Bezugsrecht aus einer Lebensversicherung zu Gunsten des Ehegatten zu entscheiden gehabt. Fall 105: Der Erblasser hatte 4 Lebensversicherungen abgeschlossen, auf die nach seinem Tod von den Versicherern insgesamt EUR 415.000 an die Witwe, mit der er in dritter Ehe verheiratet gewesen war, ausgezahlt wurden. Über den Nachlass war das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , ; ebenso bereits: Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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und ein Insolvenzverwalter bestellt worden, der das Bezugsrecht der Witwe aus den Lebensversicherungsverträgen gem. § 134 InsO anfocht. Das unwiderrufliche Bezugsrecht der Witwe war im Jahr 1991 begründet, das Insolvenzverfahren im Dezember 2009 eröffnete worden.
Der IX. Zivilsenat stellt fest, dass die Versicherungssumme durch eine unentgeltliche Leistung des Erblassers erlangt worden sei und daher grundsätzlich ein Fall des § 134 InsO vorläge. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift setze aber voraus, dass die anfechtbare Rechtshandlung – das unentgeltliche Rechtsgeschäft, die Schenkung – im Zeitraum von 4 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der hier im Februar 2009 gestellt worden war, liegt. Dies verweist auf die Vorschrift des § 140 Abs. 1 InsO, die bestimmt, dass derjenige Zeitpunkt anfechtungsrechtlich maßgeblich ist, zu dem die rechtlichen Wirkungen der anzufechtenden Rechtshandlung eintreten. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag werden im Falle widerruflicher Bezeichnungen des Bezugsberechtigten von diesem erst mit dem Todesfall der versicherten Person erlangt, da der Bezugsberechtigte bis dahin keine gesicherte Rechtsstellung innehat. Die Benennung im Lebensversicherungsvertrag räumt ihm allein – wie der IX. Zivilsenat zutreffend feststellt – eine tatsächliche Erwerbshoffnung ein.³²⁸ Es bleibt in diesem Fall beim Versicherungsnehmer ob, wann und unter welchen Voraussetzungen das Recht auf den anderen übergehen soll. Handelt es sich um einen dergestalt geteilten Lebensversicherungsvertrag, dass der Versicherte im Erlebensfall als Versicherungsnehmer die Leistung erlangt, während der begünstigte Dritte die Leistung im Versterbensfall erhalten soll, ist dies nicht anders. Wird der Begünstigte unwiderruflich benannt, dann wird der Begünstigte bereits mit der Einsetzung bedacht.³²⁹ Diese ist mit anderen Worten die Rechtshandlung, deren Zeitpunkt nach § 140 Abs. 1 InsO als maßgebend für die Beurteilung des § 134 InsO anzusehen ist.
2. Anfechtbarkeit von Prämienzahlungen auf eine sicherungshalber abgetretene Lebensversicherung Der BGH hat mit einem Ende 2012 erlassenen Urteil³³⁰ über die Reichweite der Anfechtbarkeit von Prämienzahlungen auf eine sicherungshalber abgetretene Lebensversicherung entschieden und dabei die Voraussetzungen der Schenkungsanfechtung gem. § 134 InsO näher bestimmt.
so bereits: BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
IV. Schenkungsanfechtung
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Fall 106: Die später beklagte B-Bank hatte dem Autohaus N-GmbH Mitte 1998 eine Kreditzusage gegeben und verschiedene Darlehen gewährt, um Verbindlichkeiten abzulösen. Anfang April 2009 wurde über das Vermögen der N-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Da die Darlehensverträge die Besicherung der Darlehensforderung der Bank vorsahen, hatte der geschäftsführende Gesellschafter der GmbH seine Kapitallebensversicherung an die B-Bank zur Sicherheit abgetreten. Dies geschah im September bzw. Dezember 1998 unter Anzeige der Abtretung gegenüber dem Versicherer. Vom 1.4. 2005 an zahlte der Versicherungsnehmer dann Versicherungsprämien in Höhe von EUR 22.000 an den Versicherer. Am 2.4. 2009 wurde das Insolvenzverfahren über die NGmbH eröffnet. Zuvor war der Geschäftsführer und Gesellschafter verstorben. Über sein Vermögen war am 25. 8. 2009 das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet worden. Der Nachlassinsolvenzverwalter begehrte von der sicherungsnehmenden B-Bank Zahlung von EUR 22.000. Der Rückkaufswert und die beitragsfreie Versicherungssumme hatten sich durch die Prämienzahlungen erhöht.
In einem derartigen Fall ist grundsätzlich die Prämienzahlung anfechtbar. Indem nämlich der Versicherungsnehmer seinen Zahlungspflichten aus dem Versicherungsvertrag gegenüber dem Versicherungsunternehmen nachkommt, wird dadurch zugleich eine Leistung an den Sicherungsnehmer in der Weise erbracht, dass dessen Sicherheit an Wert angereichert und damit durch den Abfluss von Liquidität die künftige Insolvenzmasse geschmälert wird. Dies erfolgt, wie der IX. Zivilsenat zutreffend ausführt, in einem derartigen Fall dadurch, dass dem Sicherungszessionar eine mittelbare Zuwendung zufließt, da der Versicherer, demgegenüber sich der Versicherungsnehmer die Leistungen an den Zessionar durch seine Beitragsleistung „erkauft“, als Leistungsmittler eingeschaltet wird. Insofern kann eine Leistung i.S.v. § 134 InsO mit der Folge vorliegen, dass eine Schenkungsanfechtung in Betracht kommt. Der IX. Zivilsenat führt dazu aus, dies sei schon deshalb geboten, weil der Leistungsbegriff bei der Schenkungsanfechtung weit zu fassen sei. Die (mittelbare) Erhöhung des Rückkaufswertes und der Erhalt der Todesfallleistung der Versicherung durch die Prämienzahlungen stellten ein Werthaltigmachen einer abgetretenen Forderung dar, das gesondert als Rechtshandlung i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO anfechtbar sei, wie bereits in der Entscheidung vom 29.11. 2007³³¹ erkannt wurde. Damit war indes allein die Anwendbarkeit des § 134 InsO allgemein festgestellt. Die Unentgeltlichkeit der gewährten Sicherung liegt aber nur unter der Voraussetzung vor, dass der Sicherungsnehmer keine Gegenleistung erbringt. Dies ist aber dann der Fall, wenn er für die Zuwendung des Schuldners weder an diesen, noch an einen Dritten eine Gegenleistung erbringt.³³² Für die Erbringung der ausgleichenden Leistung an einen Dritten bedarf es keiner vertraglichen Verpflichtung des Sicherungsnehmers
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , , ff.; Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , ; Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
gegenüber dem Sicherungsgeber. Ebenso ist unerheblich, ob der sicherungszedierende Schuldner ein eigenes Interesse an der Leistungserbringung hat.³³³ Der BGH konkretisiert diese von ihm in seiner früheren Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze nun: Stellt die Gewährung der Sicherheit eine Nachsicherung des bereits ausgereichten Darlehens dar, wäre das bereits ausgereichte Darlehen naturgemäß keine Gegenleistung, die eine Anwendung des § 134 InsO ausschließen würde. Anders verhält es sich dagegen, wenn entweder die Ausreichung des Darlehens durch die sicherungsnehmende Bank „zumindest Zug um Zug gegen die Hereinnahme der vom Erblasser gestellten Sicherheit“ erfolgte. In einem derartigen Fall stellt sich die Sicherungsgewährung nicht als unentgeltlich dar. Es liegt auf der Hand, dass dies erst recht so zu sehen ist, wenn das Darlehen nachträglich ausgereicht wird. Ist daher die vom Schuldner als Dritten bestellte Sicherheit vor oder spätestens Zug um Zug mit der Auszahlung der Darlehensvaluta der darlehensgebenden Bank eingeräumt worden, ist sie als entgeltlich zu behandeln. Da es sich bei der zeitlichen Reihenfolge, in der die verschiedenen Rechtsakte – Sicherheitengewährung durch den sicherungsgebenden Schuldner als Dritten und Ausreichung der Darlehensvaluta – als Tatbestandsvoraussetzungen der Schenkungsanfechtung darstellen, für die der Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast trägt, hat er entsprechend vorzutragen.
3. Schenkungsanfechtung der Ausschüttung von Scheingewinnen Scheidet ein Anleger aus einem Kapitalanlageunternehmen aus, hat er einen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben. Wird über das Vermögen des Kapitalanlageunternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich die Frage, ob Auszahlungen auf Auseinandersetzungsansprüche der Insolvenzanfechtung unterliegen. In derartigen Konstellationen kommt es insbesondere darauf an, ob eine Anfechtung der Zahlung als unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO in Betracht kommt.³³⁴ Fall 107: In dem vom BGH entschiedenen Fall, hatte die später Beklagte als Anlegerin eines Kapitalanlageunternehmens eine Einlage in Höhe von EUR 74.000 erbracht und darauf monatliche Auszahlungen in Höhe von insgesamt EUR 20.000 sowie nach Kündigung der Beteiligung eine Zahlung in Höhe von EUR 63.000 erhalten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kapitalanlageunternehmens begehrte der Insolvenzverwalter die Rückzahlung dieses Betrages. Das Kapitalanlageunternehmen hatte keine Erträge mehr erwirtschaftet, sondern
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz. . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
V. Vorsatzanfechtung
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Auszahlungen dadurch ermöglicht, dass von neuen Anlegern erbrachte Einlagen zur Zahlung an die bisherigen Anleger verwendet wurden.
In derartigen Schneeballsystemen werden Scheingewinne erzielt, die Auszahlungen ermöglichen. Grundsätzlich sind die Auszahlungen von Scheingewinnen durch Ausschüttung auf die Einlagen insolvenzrechtlich anfechtbar.³³⁵ Nun erfolgen regelmäßig Ausschüttungen zunächst auf die Scheingewinne. Danach erst auf Einlagen, die geleistet worden sind.³³⁶ Damit stellt sich aber die Frage, wie die Rückzahlung der geleisteten Einlage anfechtungsrechtlich zu behandeln ist. Wird bei einem solchen Schneeballsystem das Auseinandersetzungsguthaben aufgrund einer Abfindungsbilanz festgestellt, ist der Anspruch des ausscheidenden Anlegers jedenfalls nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, da die Abfindungszahlung jedenfalls dann nicht unentgeltlich i.S.v. § 134 Abs. 1 InsO ist, wenn sich ein Gewinnverteilungsschlüssel zwischen dem ausgeschiedenen und den übrigen Gesellschaftern ergibt, aus dem ein fiktiver Liquidationsüberschuss zu ermitteln ist. Ist dies nicht der Fall, sind gar die Geschäftsunterlagen – wie bei solchen Modellen nicht unüblich – manipuliert, gilt aber etwas anderes. Selbst dann, wenn sich der Jahresabschluss als Schuldanerkenntnis darstellt oder als Form eines Vergleichs zwischen Schuldner und dem Abfindungsgläubiger, stellt sich das vergleichsweise Nachgeben als Teil einer unentgeltlichen Leistung dar, wie der BGH überzeugend ausführt.
V. Vorsatzanfechtung 1. Eigene Rechtshandlung des Schuldners bei Hingabe von Geldern, die er vor dem Gerichtsvollzieher verborgen hatte Mit seinem Urteil vom Ende Oktober 2012 hat der IX. Zivilsenat des BGH ³³⁷ seine Judikatur zu der Auslegung des § 133 Abs. 1 InsO fortgeschrieben. Fall 108: Auf Eigenantrag vom 3.11. 2009 wurde über das Vermögen des Schuldners unter Bestellung des späteren Klägers zum Insolvenzverwalter am 12.11. 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 7.11. 2005 hatte die beklagte Krankenkasse wegen offener Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 2.900 Insolvenzantrag gestellt. Hierüber scheint dann in der Folgezeit eine Entscheidung des Insolvenzgerichts nicht ergangen zu sein. Denn bis zum 7.6. 2006 waren
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , ; Urt. v. . . – IX ZR / – NZI , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – NZI , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
Rückstände von insgesamt EUR 9.400 aufgelaufen, die der Schuldner entrichtete. Woraufhin die Krankenkasse am darauffolgenden 8.6. 2006 ihren Eröffnungsantrag für erledigt erklärte. Danach, vom 19.1. 2007 bis zum 19.12. 2008, leistete der Schuldner dann Beitragszahlungen in Höhe von EUR 13.000 an die Krankenkasse. Mit 21 Einzelzahlungen, die zwischen EUR 150,00 und EUR 1.000,00 betrugen. Diese Zahlungen erfolgten bar gegenüber Vollzugsbeamten der Krankenkasse. Die Anfechtungsklage des Verwalters blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Mit seiner Revision ist er durchgedrungen.
In Übereinstimmung mit seiner ständigen Rechtsprechung hat der IX. Zivilsenat zunächst einmal festgestellt, dass die Zahlungen durch den Schuldner mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen wurden. Weil sie zur Abwendung des drohenden Insolvenzverfahrens geleistet wurden, waren sie auch inkongruent. Diese Inkongruenz der Zahlungen stellt das Beweiszeichen für die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes beim Anfechtungsgegner dar. Dieser hatte auch Anlass an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu zweifeln. Hier war der Schuldner erst sieben Monate nach der Stellung des Insolvenzantrags in der Lage, den Gläubiger zu befriedigen. In diesem Zeitraum waren weitere Rückstände aufgelaufen. Auch in der Zeit danach bediente sich der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Forderungen eines Vollstreckungsbeamten. Nun wären die nach dem 7.6. 2006 durch die Anfechtungsgegnerin vollstreckungsweise erlangten Barzahlungen insoweit nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, als nach der Judikatur des BGH derartige Zahlungen an einen Vollstreckungsbeamten nicht auf einer freien Willensentscheidung des Schuldners beruhen und sich daher nicht als (anfechtbare) Rechtshandlungen darstellen. Hier gab der Schuldner aber Gelder hin, die er dem Zugriff des Vollstreckungsbeamten verborgen hatte. Diese dem Vollstreckungsbeamten offenzulegen beruhte nun nicht auf der Vollstreckungshandlung, sondern auf einer freien Willensentschließung des Schuldners.
2. Anfechtung von Zahlungen an den Steuerberater wegen laufender Buchhaltungs- und Kontierungsarbeiten Ein typischer Anfechtungsfall liegt vor, wenn der spätere Insolvenzschuldner an seinen Steuerberater Honorare vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gezahlt hat. Hierüber hat der IX. Zivilsenat des BGH ³³⁸ zu entscheiden gehabt. Fall 109: Der Beklagte betreute seit längerer Zeit als Steuerberater die Insolvenzschuldnerin, für die er auch die laufende Buchführungs- und Kontierungsarbeiten erledigte. Dies geschah auch im
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
V. Vorsatzanfechtung
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Zeitraum von Januar bis April 2007. Die Insolvenzschuldnerin glich die in den jeweiligen Folgemonaten ausgestellten Rechnungen mit Teilbeträgen am 18. 2. 2008 und dem 12.6. 2008 aus. Am 4.9. 2008 stellte die Insolvenzschuldnerin Eigenantrag,woraufhin das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen im November 2008 eröffnet wurde. Der in dem Verfahren bestellte Insolvenzverwalter focht die genannten Zahlungen an.
Der IX. Zivilsenat behandelt – trotz des Zeitraums, den die Insolvenzschuldnerin mit der Leistung der Zahlung verstreichen ließ – die Zahlung an den Steuerberater als kongruente Leistung i.S.v. § 130 InsO. Da diese Zahlungen außerhalb des Dreimonatszeitraums des § 130 Abs. 1 InsO erfolgt sind, kommt allein eine Absichtsanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO in Betracht. Hier kommt es darauf an, wer den Beweis für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners zu führen hat. Nach § 130 Abs. 3 InsO kommt es zu einer Beweislastumkehr für sogenannte nahestehende Personen i.S.v. § 138 InsO. Steuerberater können nahestehende Personen nach § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO dann sein, wenn sie aufgrund dienstvertraglicher Verbindungen zum Insolvenzschuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten und auf diese Weise einen besondere Informationsvorsprung erhalten, den sonst nur ein mit der Aufgabe befasster leitender Angestellter des Insolvenzschuldners hätte. Werden freilich im normalen Geschäftsgang nur bestimmte Tatsachen mitgeteilt und andere bestimmte Tatsachen vorenthalten, liegt kein Näheverhältnis vor, das nach § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO klassifiziert werden kann. Aber selbst wenn dies der Fall ist und der Steuerberater eine entsprechende Insiderstellung erlangt hat, kann diese Stellung durch Änderung des Dienstvertrages oder durch Kündigung beendet werden.
3. Vorsatzanfechtung wegen zur gesetzlichen Krankenversicherung vom Arbeitgeber als Leistungsmittler abgeführter Beiträge Der IX. Zivilsenat des BGH ³³⁹ hat über die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung in dem über das Vermögen des Arbeitgebers eröffneten Insolvenzverfahren wegen der Beiträge freiwillig versicherter Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber als Leistungsmittler zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt hatte, zu entscheiden gehabt. Fall 110: Bei der Insolvenzschuldnerin waren Arbeitnehmer beschäftigt, von denen sich einige freiwillig bei der gesetzlichen Krankenkasse versichert hatten, deren Beiträge unmittelbar von der späteren Insolvenzschuldnerin an die Beklagte entrichtet wurden, und zwar zusammen mit den
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D. Insolvenzanfechtung
Beiträgen für die bei ihr pflichtversichert beschäftigten Arbeitnehmer. Nachdem die Insolvenzschuldnerin ihre Beitragszahlungen im November 2004 eingestellt hatte, stellte die Krankenkasse im Dezember 2005 Fremdantrag, der die Insolvenzschuldnerin dazu veranlasste, sowohl die rückständigen gesetzlichen Beiträge als auch EUR 6.500 für die freiwillig Versicherten an die Krankenkasse zu zahlen. Diese erklärte die Erledigung ihres Insolvenzantrags, indes stellte eine andere gesetzliche Krankenkasse am 5.4. 2006 einen weiteren Eröffnungsantrag, der unter Bestellung des späteren Klägers zum Insolvenzverwalter zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 2. 5. 2006 führte. Die erste Krankenkasse gewährte die Beiträge der pflichtversicherten Beschäftigungen an die Insolvenzmasse zurück, lehnte aber die Rückgewähr der Beiträge für freiwillig Versicherte ab. Die Klage des Insolvenzverwalters war in allen Instanzen erfolgreich.
Der IX. Zivilsenat des BGH hat darauf erkannt, dass die Tilgung einer fremden Schuld durch den Leistungsmittler, über den später das Insolvenzverfahren eröffnet wird, wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Insolvenzgläubiger angefochten werden kann – vorausgesetzt, dem Forderungsgläubiger ist dieser Vorsatz bekannt. Fraglich ist freilich, welches Schicksal die Forderung des Anfechtungsgegners gegen den eigentlichen Leistungsschuldner hat. Handelt es sich wie in diesen Fällen um ein Dreipersonenverhältnis, dann ist der Leistungsschuldner mit dem Insolvenzschuldner, dessen Insolvenzverwalter die Anfechtung betreibt, nicht identisch. Gleichwohl soll – wie der IX. Zivilsenat ausführt – die Forderung des Gläubigers gegen den Leistungsschuldner wieder aufleben. Dagegen wurde in der Judikatur des früheren Konkurssenats³⁴⁰ zu § 39 KO das Bedenken geäußert, es bestehe die Möglichkeit, dass im Deckungsverhältnis die Leistung des Arbeitgebers unanfechtbar oder nicht mehr anfechtbar sein könne. Damit stehe aber die erlangte Beitragsfreiheit der Arbeitnehmer unter dem Insolvenzrisiko des Leistungsmittlers. Der IX. Zivilsenat ist auf diese Problematik eingegangen. Bei der Vorsatzanfechtung sei aber zu berücksichtigen, dass der freiwillig versicherte Arbeitnehmer bewusst ein vermeidbares insolvenzrechtliches Risiko eingeht, wenn er die Abführung der von ihm als freiwillig Versicherter geschuldeten Beiträge seinem Arbeitgeber überlässt. Somit sei der Arbeitnehmer nicht schutzwürdig.
4. Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners Fall 111:³⁴¹ Anleger, die von der so genannten Göttinger Gruppe (Securenta Göttinger AG) betrogen worden waren, klagten auf Schadenersatz, noch vor der über das Vermögen der Schuldnerin erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie ließen sich dabei durch Anwälte vertreten, die
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sich ständig mit den Umständen, unter denen Anleger durch die Göttinger Gruppe geschädigt worden waren, befassten. Auf der Internetseite dieser Rechtsanwälte war denn auch ständig über die Lage der späteren Insolvenzschuldnerin Mitteilungen gemacht worden. Die Klagen waren dann durch Vergleichsschlüsse erledigt worden, aufgrund derer auch Zahlungen an die Gläubiger erfolgt waren.
Nach der Judikatur des BGH lag hier ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners vor, da ihm bei dem Vergleichsschluss seine Zahlungsunfähigkeit bekannt war.³⁴² Der BGH hat nun im vorliegenden Urteil festgehalten, dass dies auch auf solche Fälle anzuwenden ist, in denen eine kongruente Leistung angefochten wird, weil der Schuldner auch dann die Benachteiligung der Gläubiger in Kauf nimmt. Voraussetzung der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO ist aber weiter die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Vorsatz des Insolvenzschuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen. Bekanntlich setzt dies voraus, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners und die Benachteiligung der Gläubiger durch die Rechtshandlung kannte. Ob dies tatsächlich der Fall war, unterliegt der tatrichterlichen Feststellung. Hierbei hat der Tatrichter im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung zu prüfen und dabei das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme zu berücksichtigen. Der IX. Zivilsenat meint insoweit, dass eine Gesamtwürdigung von Beweiszeichen vorzunehmen sei. Hier lag jedenfalls das durch die Internetveröffentlichungen der Anwälte der klagenden Gläubiger bekundete Wissen über den Stand der Göttinger Gruppe vor, das den klagenden Gläubigern zuzurechnen sei. Zwar hatten die Anwälte vorgetragen, ihre zunächst auf ihren Internetseiten dokumentierte Kenntnis einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin werde von ihnen nicht aufrechterhalten. Ein solcher, wie der BGH ausdrücklich schreibt, „Gesinnungswandel“ des Gegners sei aber nach der Judikatur des Senats³⁴³ nur dann zu beachten, wenn die Umstände nicht mehr gegeben sind, auf denen die ursprüngliche Kenntnis beruhte, was hier allerdings von den Anwälten der Gläubiger schon deshalb nicht vorgetragen werden konnte, weil dies ihre eigene Rechtsposition gegenüber den Initiatoren der Göttinger Gruppe unterminiert hätte.
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5. Vorsatzanfechtung gegenüber dem Leistungsmittler Der IX. Zivilsenat des BGH ³⁴⁴ hat über die Frage zu entscheiden gehabt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit gegenüber einem Leistungsmittler die Vorsatzanfechtung der Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger Erfolg hat. Dem lag folgender vereinfacht wiedergegebener Sachverhalt zugrunde: Fall 112: Das Konto des Schuldners bei der späteren Klägerin wies drei Monate vor Eingang des Insolvenzantrags bei einem ungekündigten Kontokorrentkredit von EUR 20.000 einen Sollstand in Höhe von EUR 18.700 auf. Am 18.12. 2009 wurde der Insolvenzantrag gestellt. Zu diesem Zeitpunkt wies das Konto ein Soll von EUR 18.000 auf, nachdem in der kritischen Zeit Zahlungseingänge über insgesamt EUR 145.0000 erfolgt waren, über die der Schuldner hatte weitgehend verfügen dürfen. Zur Sicherung ihrer Ansprüche gegen den Schuldner war eine Kapitallebensversicherung des Schuldners an die Bank sicherungshalber abgetreten worden, die einen Rückkaufswert von EUR 197.000 aufwies. Damit wurden weitere Darlehensforderungen der Klägerin gegen den Schuldner gesichert. Die Lebensversicherung zahlte den Rückkaufwert der Lebensversicherung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den späteren Beklagten als Insolvenzverwalter aus. Nach Einbehalt des Feststellungskostenanteils zahlte der Insolvenzverwalter EUR 152.000 an die spätere Klägerin aus, deren unstreitige offene Restforderung unter Einschluss von Zinsen zusammen EUR 31.000 betrug, den sie mit der Klage gegen den Beklagten geltend machte, der seinerseits Widerklage unter Berufung auf erklärte Widersprüche gegen die Ausführung von Lastschriften und der Anfechtung der Verrechnung von Zahlungseingängen auf dem Girokonto erhob.
Der BGH hat die Anfechtung des Insolvenzverwalters durchgreifen lassen. Er geht zunächst einmal davon aus, dass seine Judikatur Bestand hat, wonach die Herstellung der Aufrechnungslage im ungekündigten Kontokorrentverhältnis als kongruente Erfüllung der Kontokorrentabrede mit der Folge zu behandeln sei, dass bei Gestattung der Verfügung über die Liquidität auf dem Konto eine im Übrigen vorgenommene Aufrechnung der Bank sich als Bargeschäft nach § 142 InsO darstellt. Die Rückführung des ausgereichten Dispositionskredits durch ein Übersteigen der Summe der in das Kontokorrent eingestellten Einzahlungen gegenüber den fremdnützigen Auszahlungen stellt dann den einzigen Rahmen der Anfechtbarkeit dar.³⁴⁵ Solche Verrechnungen, bei denen nach den vorgenannten Voraussetzungen der Bargeschäftseinwand durchgreift, können aber nach § 133 Abs. 1 InsO der Vorsatzanfechtung unterliegen. Im Verhältnis zwischen dem Schuldner und der Bank, die ihm im Rahmen eines ungekündigten Kontokorrents die Verfügung über eingegangene Beträge zu Gunsten Dritter gestattet, sollen nach dem hier zu besprechenden Urteil die Grundsätze greifen, die vom IX. Zivilsenat
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des BGH ³⁴⁶ zu dem Verhältnis zwischen uneigennützigen Treuhändern bei der vereinbarungsgemäßen Weiterleitung von ihm überlassenen Geldbeträgen an bestimmte Gläubiger entwickelt worden sind. Ausgangspunkt der Überlegungen des IX. Zivilsenats ist es dabei, dass die Überweisungen, die der Schuldner in kritischer Zeit von seinem Konto zu Gunsten Dritter vornimmt, eine objektive Gläubigerbenachteiligung bewirken, da mit ihnen ein Vermögensabfluss verbunden ist und somit die Aktivmasse verkürzt wird. Nun geschieht dies freilich im Rahmen eines dem Schuldner eingeräumten Dispositionskredits, so dass der Gedanke nicht fernliegt, dass durch die Überweisungen in der kritischen Zeit unter den oben dargelegten Voraussetzungen allein zwar die Leistungsempfänger befriedigt, damit aber in gleichem Umfang eine Forderung der Bank begründet mithin ein Gläubigeraustausch vorgenommen wird – was zu einer Gläubigerbenachteiligung nicht führen würde. Der IX. Zivilsenat des BGH hatte aber in ständiger Judikatur darauf erkannt, dass verschiedene Rechtshandlungen, die für sich Wirkungen entfalten, anfechtungsrechtlich getrennt zu behandeln sind.³⁴⁷ Auch an diesem Grundsatz hält der IX Zivilsenat in der vorliegenden Entscheidung fest. Dabei führt er wörtlich aus: „Der Zahlungsmittler ist nicht schutzwürdig, wenn er sich infolge seiner Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners die in der Zahlung an Dritte liegende Gläubigerbenachteiligung zurechnen lassen muss.“ Dieser Gedanke erlaubt es dem IX. Zivilsenat, die Anfechtung gegenüber der Bank nicht daran scheitern zu lassen, dass ggfls. auch die Zahlungen anfechtbar sein können, die an die Leistungsempfänger erfolgt sind. Der Leistungsmittler werde nämlich, wenn er in Kenntnis der Liquiditätslage des Bankkunden Überweisungsaufträge ausführt, durch die Ausführung eines vorsätzlich Gläubiger benachteiligenden Zahlungsauftrages nicht entlastet. Das führt freilich nicht dazu, dass sowohl von der Bank als auch den Leistungsempfängern im Wege der Insolvenzanfechtung die erbrachten Leistungen zurückverlangt werden könnten, vielmehr besteht, wie der BGH ³⁴⁸ ausgeführt hat, ggfls. zwischen dem Leistungsempfänger und der die gläubigerbenachteiligende Überweisung ausführenden Bank ein Gesamtschuldverhältnis, innerhalb dessen die Bank im Verhältnis zum Leistungsempfänger einen Gesamtschuldnerausgleich herbeiführen kann. Da der Schuldner wusste, dass sein Vermögen nicht ausreichen werde, sämtliche Gläubiger gleichermaßen zu befriedigen, hat er mit dem von § 133 Abs. 1 InsO geforderten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt, da er im Übrigen BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , ; Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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nicht in dem Bewusstsein gehandelt hat, durch alsbaldig ihm zu gewährende, weitere Kredite seine Liquiditätslage verbessern zu können. Mit Urteil v. 10.1. 2013³⁴⁹ hatte der IX. Zivilsenat im Übrigen darauf erkannt, dass diese zu § 133 Abs. 1 InsO entwickelten Grundsätze auch für den Fall gelten, dass eine kongruente Leistung angefochten wird, woran der IX. Zivilsenat in dem vorliegenden Urteil festhält.
6. Vorsatzanfechtung gegen Versicherungsmakler als zweitem Leistungsmittler Mit Beschluss vom Ende April 2013 hat der IX. Zivilsenat des BGH ³⁵⁰ über eine Vorsatzanfechtung gegenüber einem Versicherungsmakler als zweiten Leistungsmittler zu entscheiden gehabt. Fall 113: Die vom im über das Vermögen der schuldnerischen GmbH eröffneten Insolvenzverfahren eingesetzten Insolvenzverwalter auf Rückzahlung von Versicherungsprämien verklagte Versicherungsmaklerin hatte der Insolvenzschuldnerin für ihre Fahrzeuge Versicherungsverträge vermittelt. Um die Versicherungsprämien nicht vierteljährlich, sondern monatlich zahlen zu können, traf die Insolvenzschuldnerin seinerzeit mit der beklagten Versicherungsmaklerin eine Abrede, dass die anteiligen Versicherungsprämien von der Beklagten monatlich vom Konto der Insolvenzschuldnerin eingezogen und quartalsweise an die Versicherung weitergeleitet werden sollten. Der spätere Kläger genehmigte als vorläufiger Insolvenzverwalter gegenüber der Schuldnerbank die Einziehung der Versicherungsprämien für die Monate Juli, August und September, die im Lastschriftverfahren vom Konto der Insolvenzschuldnerin abgebucht worden waren. Der Eigenantrag der Insolvenzschuldnerin war am 9.11. 2007 gestellt worden. Die Beklagte leitete am 17.12. 2007 die Versicherungsprämien an den Versicherer weiter.
Die Deckungsanfechtung (§ 130 InsO) lag hier ihren Voraussetzungen nach nicht vor. Denn eine mittelbar über die beklagte Versicherungsmaklerin als Dritte bewirkte Zuwendung führt zu einer (in diesem Fall kongruenten) Leistung an den Empfänger, sofern es sich erkennbar für diesen um eine Leistung des Schuldners handelt. Eine Inkongruenzanfechtung gegen die Beklagte kam insoweit nicht in Betracht, da diese in dem über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffneten Insolvenzverfahren keine eigenen durchsetzbaren Ansprüche gehabt hätte.³⁵¹ Der IX. Zivilsenat meint aber, dass die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO vorgelegen haben. Die Genehmigung der Lastschriftabbuchungen erfolgte auf dem Briefpapier des Insolvenzverwalters und trug neben seiner Unterschrift unter
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , (siehe FN ). BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , , Tz. .
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Angabe, dass er vorläufiger Insolvenzverwalter sei, die Unterschrift des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin sowie deren Firmendaten. In dem Genehmigungsschreiben sieht der IX. Zivilsenat die anfechtbare Rechtshandlung der Insolvenzschuldnerin. Denn diese handelt, wenn auch nach § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2.Var. InsO mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Fraglich ist freilich, ob die Genehmigung auch gläubigerbenachteiligend war. Dies bejaht der IX. Zivilsenat, da die Insolvenzschuldnerin nach der Genehmigung der Lastschriftabbuchung zwar einen Herausgabeanspruch gegen die Beklagte nach §§ 675, 667 BGB gehabt habe, dies sei aber keine gleichwertige Gegenleistung für die abgeflossenen Zahlungsmittel. Da die Insolvenzschuldnerin ihre Zahlungsunfähigkeit kannte, liegt darin im Übrigen ein starkes Beweisanzeichen für ihren Benachteiligungsvorsatz.³⁵² Die anfechtungsgegnerische Beklagte hatte im Zeitpunkt der Genehmigung der Lastschriften bereits Kenntnis vom Insolvenzantrag der Insolvenzschuldnerin, wie das Berufungsgericht festgestellt hatte, so dass grundsätzlich von einer Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes bei der Anfechtungsgegnerin auszugehen wäre.³⁵³ Dagegen hat der IX. Zivilsenat bereits früher darauf erkannt,³⁵⁴ dass bei einem als bloße Zahlstelle des Schuldners in technischer Funktion beim Zahlungsvorgang tätigen Anfechtungsgegner auch bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht auf Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners geschlossen werden könne. Dies gilt insbesondere, wenn der Leistungsmittler in seiner Funktion zur Durchführung vom Schuldner veranlasster Zahlungsaufträge gesetzlich verpflichtet ist. Dies ist insbesondere bei Zahlungsdienstleistern i.S.v. § 675o Abs. 2 BGB der Fall. Als Zahlungsdienstleister im Sinne der zitierten Vorschrift war die anfechtungsgegnerische Beklagte im vorliegenden Fall aber nicht zu qualifizieren. An dieser Stelle vollzieht der IX. Zivilsenat eine argumentative Wendung, in dem er ausführt, die Beklagte als Vermittlerin der Versicherungsverträge habe im Hinblick auf die Abwicklung der Zahlungen der Versicherungsbeiträge „offensichtlich auch eigene Interessen, jedenfalls aber Interessen der Schuldnerin“ verfolgt.Weiter behauptet der IX. Zivilsenat, was er durch die Erörterung der Voraussetzungen der Vermutung der Kenntnis der Anfechtungsgegnerin von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht erst belegen wollte. Er schreibt nämlich, „im anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigung wusste die Beklagte nicht nur vom Insolvenzantrag, sondern auch von der durch die Genehmigung der Abbuchung eintretende Gläubigerbenachteiligung. Die
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , ; Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR /, ZIP , ; Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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Beklagte kannte auch die näheren Umstände“. Denn ihr war bekannt, dass die zu befriedigende Forderung der Versicherung nicht insolvenzfest gesichert war. Zudem habe die Beklagte einen erheblichen eigenen Handlungsspielraum in Anspruch genommen, zumal sie das eingezogene Geld nicht aussonderungsfähig angelegt hat. Die Beklagte hat wirksam verfügt, § 81 InsO. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens war zwar das Auftragsverhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten gem. §§ 115, 116 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen. Aber die Beklagte war Vollrechtsinhaberin hinsichtlich des von ihr eingezogenen Geldes geworden. Nun ist man recht erstaunt. Denn aus der Sicht des Versicherungsmaklers lag schließlich Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Rechtshandlung der Insolvenzschuldnerin vor – was nach der Judikatur des BGH im Übrigen Vertrauensschutztatbestände auszulösen geeignet ist. Dies soll aber hier nicht greifen, da die Insolvenzschuldnerin gegenüber der Bank, die ihrerseits als Zahlungsmittlerin eingeschaltet war, die Genehmigung der Abbuchung erteilte. Auf der Linie des Bierbrauurteils des IX. Zivilsenats³⁵⁵, liegt es, dass der Senat ausführt, es sei unerheblich, ob bei Nichtzahlung der Versicherungsprämien die Versicherung die Versicherungsverträge gekündigt hätte – denn insoweit handelt es sich um einen hypothetischen Kausalverlauf, der im Übrigen nicht zu einer Vorteilsanrechnung führen würde.
7. Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners Die Judikatur des IX. Zivilsenats des BGH zur Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Rahmen der Absichtsanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO ist in sich stimmig. Mit seiner Entscheidung aus September 2013³⁵⁶ setzte der IX. Zivilsenat diese Judikatur fort. Fall 114: Die Sozialversicherungsträgerin hatte wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge erfolglos die Zwangsvollstreckung in ein schuldnerisches Konto bei der D-AG betrieben. Da Zahlungen nicht erfolgten, stellte die Sozialversicherungsträgerin am 19.9. 2008 Fremdantrag gegen die Insolvenzschuldnerin. Nachdem am 30.9. 2008 auf dem schuldnerischen Konto bei der D-AG eine Einzahlung gutgeschrieben worden war, führte die D-AG am 1.10. 2008 einen Überweisungsantrag wegen rückständiger Beiträge in Höhe von EUR 830 an die Sozialversicherungsträgerin aus, die daraufhin ihren Insolvenzantrag am 6.10. 2008 für erledigt erklärte. Am 15.7. 2009 wurde ein erneuter Antrag gestellt, auf den hin am 26.1. 2010 über das Vermögen der In-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – NZI , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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solvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren unter Bestellung des späteren Klägers als Insolvenzverwalter eröffnet wurde, der die an die Sozialversicherungsträgerin bewirkte Zahlung anfocht.
Der IX. Zivilsenat führt aus, dass von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und von der Kenntnis des Gläubigers von diesem Benachteiligungsvorsatz auszugehen sei, wenn beide Teile über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unterrichtet sind. Denn in diesem Fall weiß der Schuldner, dass er nicht sämtliche Gläubiger befriedigen kann. Dem Gläubiger indes sei bekannt, dass die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereitelt oder doch erschwert wird, sobald an ihn die Leistung erbracht wird.³⁵⁷ Dies stehe dem „Beweiszeichen“ inkongruenter Deckung gleich. Das Wissen des Schuldners um die Benachteiligungseignung seiner Rechtshandlung und die Kenntnis des Gläubigers davon, verhalten sich, wie der BGH schon sehr früh entschieden hat,³⁵⁸ spiegelbildlich. Vor diesem Hintergrund könne nur dann davon ausgegangen werden, dass dem Gläubiger die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners fehle, wenn, wie der IX. Zivilsenat hier ausführt, ein besonders gelagerter Ausnahmefall vorliegt. Das sei dann der Fall, wenn – wie der erkennende Senat überzeugend ausführt – der Anfechtungsgegner zwar den maßgeblichen Geschehensablauf „im Ansatz“ kennt, aber eine Kenntnis i.S.v. § 133 Abs. 1 S. 2 InsO deshalb nicht anzunehmen sei, weil der Anfechtungsgegner ein berechtigtes Vertrauen auf einen ihm mitgeteilten Zahlungsweg setzen durfte. In diesem Fall könne er bei unvoreingenommener Betrachtung zuverlässig ausschließen, dass eine Gläubigerbenachteiligung durch den Schuldner vorgenommen wurde. Für eine solche Interpretation aber sei hier – wie der IX. Zivilsenat zutreffend ausführt – kein Raum gewesen.
8. Einschränkung von Inkongruenz als Beweiszeichen Der BGH hat die Inkongruenz der Befriedigung des Anfechtungsgegners als Beweisanzeichen für die Kenntnis des Gläubigers vom Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners im Rahmen der Absichtsanfechtung bestimmt.³⁵⁹ Mit seiner neueren Entscheidung vom 7.11. 2013³⁶⁰ versucht der IX. Zivilsenat durch eine Gesamtwürdigung der Umstände des Falles näher zu bestimmen, wann
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , (siehe FN ). BGH, Urt. v. . . – V ZR / – WM , , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Rz. . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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das Vorliegen von Inkongruenz tatsächlich die Eignung hat, ein konkretes Beweiszeichen zu sein. Dabei schränkt er die Indizwirkung der Inkongruenz ein, so dass der Insolvenzverwalter zukünftig die Erfolgsaussichten seiner Insolvenzanfechtungsklage nicht mehr zuverlässig abschätzen kann.³⁶¹ Fall 115: In dem vom IX. Zivilsenat entschiedenen Sachverhalt focht der in dem über das Vermögen der schuldnerischen GmbH und Co. KG eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter die Bestellung einer Grundschuld am Grundvermögen der Insolvenzschuldnerin zu Gunsten ihres bisherigen Gesellschafters und Geschäftsführers an, die etwa drei Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen erfolgt war. Anlass war die Übertragung der Gesellschaftsanteile des Gesellschaftergeschäftsführers auf einige Erwerber. Mit der Grundschuld in Höhe von EUR 500.000 sollten Pensionszusagen der Insolvenzschuldnerin an den Gesellschaftergeschäftsführer über monatlich EUR 3.000 gesichert werden, die bereits 15 Jahre vorher erteilt und drei Jahre später durch Verpfändung von der Insolvenzschuldnerin zustehenden Versicherungen an den Gesellschaftergeschäftsführer besichert worden waren. Der Insolvenzverwalter begehrte die Verurteilung des Gesellschaftergeschäftsführers zur Übertragung der Grundschuld an ihn.
Eine Anfechtung der nachträglichen Besicherung der Pensionsverpflichtung der Insolvenzschuldnerin nach § 134 Abs. 1 InsO kam mangels einer unentgeltlichen Leistung nicht in Betracht. Der BGH hat hier aber auch eine Vorsatzanfechtung scheitern lassen, weil aufgrund einer Gesamtwürdigung, die der Tatrichter gem. § 286 ZPO vorzunehmen habe, das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen nicht festgestellt werden konnte. Denn die nachträgliche Besicherung der Pensionszusage durch die Insolvenzschuldnerin mit Grundschuldbestellung drei Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei zwar inkongruent gewesen, weil diese Sicherheitenbestellung erst nach Entstehen der Verbindlichkeit erfolgte und nicht geschuldet war. Auch liege es auf der Hand, dass die Bestellung dinglicher Sicherheiten in aller Regel erfolge, um den Gläubiger durch das aus dem Grundpfandrecht fließende Vorzugsrecht im Insolvenzfall des Schuldners besserzustellen und dadurch die anderen Gläubiger zu benachteiligen. Dies allein sieht der IX. Zivilsenat für eine Kenntnis des Gläubigers von einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners i.S.v. § 133 Abs. 1 InsO nicht als genügend an.³⁶² Der BGH geht nun aber davon aus, dass auch bei einer inkongruenten Sicherheitengewährung nur dann die Inkongruenz ein Beweisanzeichen für die Kenntnis des Gläubigers von einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners sein könne, wenn sie Zweifel an der Liquidität der Schuldnerin hervorzurufen geeignet
Zur kritischen Würdigung der insolvenzanfechtungsrechtlichen „Gesamtbetrachtung“ als methodischem Schritt: Smid, Im Focus: Beraterhaftung Teil , ZInsO , , ff. Vgl. insoweit aber: BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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gewesen war. Beweiszeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und für die Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz soll die inkongruente Deckung nämlich auch nach der bisherigen Judikatur³⁶³ nur unter der Voraussetzung sein, dass aus der Sicht des Empfängers Anlass zu der Annahme einer materiellen Insolvenz des Schuldners vorlag. Der BGH meint, die inkongruente Deckung sei ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz, weil die mit ihr verbundene Begünstigung (Gewährung einer Leistung, die nicht so, nicht zu diesem Zeitpunkt) geschuldet ist, suspekt sei. Denn der Empfänger müsse darüber stutzig werden, dass Schuldner, die üblicherweise nur das zu leisten bereit sind, was sie hier und jetzt in dieser Weise schulden, auf einmal eine Leistung erbringen, die jedenfalls in dieser Form nicht geschuldet ist. Werden auf diese Art und Weise ernsthafte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ausgelöst, führt dies zu „Gegenmaßnahmen gut informierter und durchsetzungskräftiger Gläubiger“. Nun ist es das gewesen, was der Insolvenzverwalter im vorliegenden Fall wohl vorgetragen hat. Der IX. Zivilsenat meint aber, eine zweifelhafte Liquiditätslage sei im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen. Nach den tatrichterlichen Feststellungen habe es zwar in der zurückliegenden Vergangenheit eine Krise bei der Insolvenzschuldnerin gegeben, diese sei aber überwunden worden und zum Zeitpunkt der Eintragung der Grundschuld habe es keine „greifbaren Anhaltspunkte für Zweifel an der Liquidität der Schuldnerin“ gegeben. Das Unternehmen sei schuldenfrei an die Erwerber übergeben worden. Daher sei die Inkongruenz der Deckung kein ausreichendes Beweiszeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin gewesen. Denn es habe an einer „finanziell beengten Lage“ – so der IX. Zivilsenat wörtlich – gefehlt. Etwas anderes will der IX. Zivilsenat auch nicht daraus folgern, dass mit der Grundschuldbestellung für den Insolvenzfall von der Insolvenzschuldnerin dem Anfechtungsgegner ein Sondervorteil gezielt gewährt worden sei. Auch hieraus sei ein Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin und die Kenntnis beim Anfechtungsgegner nicht möglich. Anders wäre es vielmehr, wenn die Nachteile aus der Bestellung des Grundpfandrechts für das Schuldnervermögen erst im Insolvenzfall begründet wären. Denn eine solche gezielt Gewährung eines Sondervorteils, der erst im Insolvenzfall greife, führe zur Schmälerung der Rechte der anderen Gläubiger. Daraus sei dann auf einen entsprechenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zu schließen. Dieses sieht der BGH im Anschluss an frühere Judikatur zu Konkursrechtsfällen in Gestaltungen gegeben, in denen Sicherungen aufschiebend bedingt gerade für den Fall der Insolvenz des
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Schuldners bestellt wurden.³⁶⁴ Hier war allerdings das Grundpfandrecht sofort wirksam und unbedingt bestellt worden. Pfandrechte, nicht zuletzt Grundpfandrechte dienen aber immer dazu, bei Zahlungsschwierigkeiten des Sicherungsgebers eine Absicherung des Grundpfandgläubigers zu verwirklichen und damit den übrigen Gläubigern Nachteile zu bereiten. Hieraus aber – und insofern überzeugt die vorliegende Entscheidung durchaus – kann nicht auf einen im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO relevanten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Würde man anders argumentieren, wären Sicherheiten, die im Zeitraum von 10 Jahren vor Antragstellung bestellt worden sind, sämtlich anfechtbar, was nicht nur ernsthafte aber fehlgeschlagene Sanierungsversuche³⁶⁵ ausschließen würde, sondern ein ordentliches Kreditgeschäft durch die Vereitelung von Sicherheitenbestellung ernsthaft gefährden würde. In der Sache überzeugt die vorliegende Entscheidung durchaus. Die vom IX. Zivilsenat angestellte Gesamtschau hat der Insolvenzverwalter bei seiner Anfechtungsklage zu antizipieren.
9. Einschränkung von Inkongruenz als Beweisanzeichen (2) In der Auslegung des § 133 Abs. 1 InsO spielt die Frage des Beweises der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners, die als dolus eventualis verstanden werden kann, sowie deren Kenntnis beim Anfechtungsgegner eine zentrale Rolle. Der BGH hat in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang bei Inkongruenz der Leistung des Schuldners ein konkretes Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners gesehen. Insbesondere Sozialversicherungsträger hat dies nicht unerheblich getroffen. Es nimmt daher kein Wunder, dass der BGH die eigene Rechtsprechung und damit die Tatbestandsvoraussetzungen der Absichtsanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO näher konturiert.³⁶⁶ Fall 116: Vom Februar bis Dezember 2006 hatte die Schuldnerin Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von zusammen rd. EUR 15.500 an die beklagte Sozialversicherungsträgerin entrichtet, die später von dem im auf Eigenantrag der Schuldnerin von Februar 2007 eröffneten Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalter klageweise in Anspruch genommen wurde. Die Zahlungen erfolgten in Größenordnungen von monatlich zwischen EUR 1.300 bis EUR 2.300 einschließlich angefallener Säumniszuschläge und Mahngebühren und jeweils 3 – 4 Wochen nach Fälligkeit. Der
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , ; Urt. v. . . – IX ZR / – WM , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , (siehe auch Fall ). BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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Sozialversicherungsträger hatte weder mit der Zwangsvollstreckung noch gar mit der Stellung eines Eröffnungsantrages gedroht, um die jeweiligen Zahlungen zu erzwingen.
Der BGH folgt dem OLG Koblenz als Berufungsgericht in dessen Würdigung dieses Sachverhaltes, dass die bloße Inkongruenz der Zahlungen wegen ihrer Verspätung nicht als Beweisanzeichen für eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht und deren Kenntnis bei der Gläubigerin hinreichen. Der IX. Zivilsenat diskutiert nun darüber, ob und wieweit der Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, mit Benachteiligungsvorsatz handelt. Dies sei der Fall, weil er weiß, dass er außerstande ist, sämtliche Gläubiger aus seinem Vermögen zu befriedigen. Die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners lasse auf seine Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz schließen. Dies ist insbesondere auch dann der Fall, wenn der Gläubiger die Zahlungseinstellung kennt, da hieraus auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu schließen sei. Allein die Verspätung der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen immerhin um fast einen Monat über 11 Monate hinweg lasse auf eine Kenntnis der Beklagten von der Liquiditätslage der Insolvenzschuldnerin nicht schließen. Dieser Schluss sei erst nach mehrmonatiger Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge zu ziehen.³⁶⁷ Das lag hier erkennbar nicht vor. Es geht aber auch gar nicht um die Kenntnis von der Liquiditätslage der Insolvenzschuldnerin, sondern darum, ob in der Gestaltung des Falles die Inkongruenz, die bei der verspäteten Leistung allemal vorliegt, als Beweisanzeichen für eine solche Kenntnis zu sehen sei. Da fortlaufend die Beitragsforderungen – einschließlich Säumniszuschlägen und Mahngebühren – von der Insolvenzschuldnerin vollständig erfüllt wurden, sei hieraus nicht zwingend darauf zu schließen, dass die Insolvenzschuldnerin gegenüber anderen Gläubigern ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllt habe oder erfüllen werde. Die vorliegende Entscheidung ist ebenso wie die Entscheidung vom gleichen Tage³⁶⁸ der Sache nach überzeugend. Die Argumentation mit der Liquiditätslage der Insolvenzschuldnerin ist dabei nicht vollständig tragfähig, da auch die drohende Zahlungsunfähigkeit anfechtungsrechtlich nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO relevant wäre. Es ist aber darauf aufmerksam zu machen, dass die Sachverhalte anders zu beurteilen gewesen wären,wenn der Anfechtungsgegner den Zahlungen durch den Schuldner durch Insolvenzanträge buchstäblich Druck gemacht hätte. Denn in der Stellung des Insolvenzantrags liegt die inzidente Behauptung des Fremdantrag stellenden Gläubigers, es liege ein Eröffnungsgrund vor. Denn es ist
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , ; Urt. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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nicht zu erwarten, dass der Insolvenzantragsteller von vornherein einen unzulässigen Antrag stellt (arg. ex § 14 Abs. 1 InsO). Es wird zwar derzeit insolvenzantragstellenden Sozialversicherungsträgern der Rat erteilt, im Falle der Erledigung des Insolvenzantrages darauf hinzuwirken, dass der vorläufige Insolvenzverwalter als Sachverständiger das Nichtvorliegen eines Eröffnungsgrundes bescheinigt, um für Folgeverfahren die Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO auszuschließen. Dergleichen wäre bei der Konstellation des Sachverhaltes der besprochenen Entscheidung allerdings nicht möglich gewesen.
10. Benachteiligungsabsicht bei Gläubigeranfechtung Mit Urteil aus dem Juli 2014 hat der IX. Zivilsenat des BGH ³⁶⁹ über die Frage entschieden, wann nach § 3 Abs. 1 S. 1 AnfG eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung bei Rechtsgeschäften unter Angehörigen im Rahmen der Gläubigeranfechtung vorliegt. Dabei ging es um folgenden Sachverhalt: Fall 117 Der Kläger hatte gegen den Schuldner Zahlungstitel aus einem Urteil und vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschlüssen erwirkt und aus diesen vergeblich die Zwangsvollstreckung betrieben. Der Schuldner hatte sein Wohnungseigentum an einer Eigentumswohnung auf die Beklagte übertragen. Diese übernahm dabei noch valutierende Grundpfandrechte und räumte dem Schuldner ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht ein. Dabei wurde die Überlassung des Wohnrechts an Dritte nicht gestattet; die Belastung der Immobilie war an die vorige Zustimmung des Schuldners geknüpft. Der Kläger begehrte von der Beklagten die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum.
Einen der Titel hatte der Gläubiger erst im Restitutionsverfahren erstritten. Die Restitutionsklage war erfolgreich darauf gegründet worden, dass der Schuldner die Aussage des maßgeblichen Zeugen durch Nötigung und Körperverletzung erzwungen hatte. Da die Überlassung des Wohnrechts an Dritte nicht gestattet worden war, war die Zwangsvollstreckung in das Wohnungsrecht gemäß § 857 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen.³⁷⁰ Eine Gläubigerbenachteiligung lag vor, weil den Gläubigern kein Ausgleich am haftenden Schuldnervermögen durch eine Gegenleistung der Beklagten verschafft worden war. Mangels Inkongruenz konnte in diesem Fall die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners nicht bereits daraus geschlossen werden, dass die Leistungshandlung nicht in der Weise oder nicht zu dem Zeitpunkt, in der sie zu er-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
V. Vorsatzanfechtung
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bringen war, vorgenommen wurde. Denn die Übertragung des Eigentums ergab sich aus der Verpflichtung, die der Schuldner in der notariellen Vereinbarung, die der Übertragung des Wohnungseigentums zugrunde gelegen hatte, eingegangen war. Neben der Inkongruenz des Deckungsgeschäfts kann aber der für die Feststellung der inneren Tatsache des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners erforderliche indizielle Eintritt einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung und das besondere Ausmaß der Beeinträchtigung Bedeutung haben, wie der BGH bereits früher festgestellt hat.³⁷¹ Ein solches Beweisanzeichen, das durch ein Naheverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Begünstigten noch verstärkt wird, hat der erkennende Senat darin gesehen, dass der Schuldner gleichsam sein letztes Hemd hergebe, nämlich sein letztes werthaltiges Grundstück auf einen Dritten übertrage. In diesem Zusammenhang, so führt der IX. Zivilsenat aus, sei der gesamte rechtsgeschäftliche Vorgang zu betrachten, der sich aus dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft einerseits und dem dinglichen Erfüllungsgeschäft andererseits zusammensetzt.³⁷² Wenn das Eigentum an der Wohnung zu Gunsten der Mutter des Schuldners nicht durch gleichwertige Gegenleistung ausgeglichen wurde, nahm der Schuldner zumindest billigend in Kauf, dass sich die Zugriffsmöglichkeiten seiner Gläubiger objektiv verschlechterten. Dies zumal der Schuldner, wie der IX. Zivilsenat überzeugend ausführt, aufgrund der Vertragsausgestaltung den Vermögenswert verschieben konnte, ohne auf die Nutzung der Eigentumswohnung verzichten zu müssen. Indizielle Wirkung hat in diesem Zusammenhang nach Feststellung des BGH „das besondere Ausmaß der Gläubigerbenachteiligung“. Der arbeitslose Schuldner verfügte über kein pfändbares Einkommen und im Übrigen auch über keine weiteren bedeutsamen Vermögenswerte neben dem Grundstück. Da der Schuldner zum Zeitpunkt des Grundstücksübertragungsvertrages damit rechnen musste, dass er in dem Restitutionsstreit unterliegen werde, stellte sich das Verschieben des Grundstücks schon deshalb als billigende Inkaufnahme der Benachteiligung seiner Gläubiger, insbesondere des klagenden Zwangsvollstreckungsgläubigers, dar. Denn der Schuldner musste mit dem Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit für den Fall rechnen, dass er in dem Restitutionsstreit unterliegen werde. Die anfechtungsgegnerische Beklagte hatte auch Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, da angesichts der ihr bekannten Tatsachen aus ihrer Sicht kein anderer Schluss möglich war, als der, dass dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit drohe.³⁷³ Die Kenntnis des Anfechtungsgeg-
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , Tz. .
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D. Insolvenzanfechtung
ners von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners führe dazu, dass seine Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird.
VI. Anfechtung gegenüber Gesellschaftern und diesen Gleichgestellten 1. Abtretung der Darlehensforderung eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft Mit Urteil vom Ende Februar 2013³⁷⁴ hat der IX. Zivilsenat des BGH über einen Sachverhalt zu entscheiden gehabt, in dem es um die Abtretung der Darlehensforderung eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft ging. Fall 118: Die E KG hatte die E GmbH als Komplementärin und die U GmbH als einzige Kommanditistin. Alleingesellschafterin der U GmbH und der E GmbH war die spätere Beklagte, eine AG. Auf Eigenantrag der E KG wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte hatte sich ein Dreivierteljahr vor der Stellung des Eigenantrags durch die schuldnerische E KG verpflichtet, dieser ein Darlehen über EUR 500.000 zu gewähren und zahlte die Darlehensvaluta an die Insolvenzschuldnerin aus. Fünf Monate vor Eigenantragstellung verkaufte die Beklagte dann ihre gegen die E KG gerichtete Darlehensforderung zum Preis von EUR 375.000 an die C und trat an diese die Darlehensforderung ab.Vertraglich wurden Gewährleistungsansprüche wegen Einbringlichkeit und Höhe der Forderung, Ansprüche aus Anfechtung und Verschulden bei Vertragsschluss ausgeschlossen. Unverzüglich nach der Abtretung unterrichtete die C die Insolvenzschuldnerin schriftlich hiervon. Zwei Monate vor Eigenantragstellung trat die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs ein. Die Insolvenzschuldnerin überwies Kapital und Zinsen in Höhe von EUR 530.000 auf das Konto der C. Der in dem über das Vermögen der E KG eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter verklagte die AG auf Erstattung des Betrages von EUR 530.000. In der Berufungsinstanz wurde seine Klage abgewiesen.
Die Vorschrift des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gibt dem Insolvenzverwalter für die Masse einen Anfechtungsanspruch wegen der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen im Zeitraum von einem Jahr vor Antragstellung. Diese mit dem MoMiG neugefasste Regelung setzt nicht voraus, dass das Darlehen einen kapitalersetzenden Charakter hat oder dass eine Gesellschaftskrise vorliegen muss.³⁷⁵ Die Anfechtung erstreckt sich auf die Rückgewähr eines Darlehens i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und „gleichgestellter Forderungen“, d. h. solchen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. Dabei handelt es sich, wie der IX. Zivilsenat unter
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BT-Ds. /, S. , ; BGH, Urt. v. . . – ZR / – ZIP , (siehe Fall ).
VI. Anfechtung gegenüber Gesellschaftern und diesen Gleichgestellten
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Rückgriff auf die zum Eigenkapitalersatzrecht entwickelten Kriterien bereits früher entschieden hat³⁷⁶, auch um Drittforderungen. Um eine solche Darlehensforderung eines Dritten handelt es sich hier. Denn die vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommene AG war nicht Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin. Der IX. Zivilsenat stellt aber zutreffend fest, dass die AG als Alleingesellschafterin von Komplementärinnen und Kommanditisten einem Gesellschafter der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft gleichstünde. Denn die AG war als Gesellschaftergesellschafter wegen ihrer qualifizierten Anteilsmehrheit dazu in der Lage, einen beherrschenden Einfluss auf die Insolvenzschuldnerin auszuüben. Allerdings hatte die beklagte AG ihre Darlehensforderung zediert. Hieraus wird in der Literatur³⁷⁷ die Ansicht vertreten, die Abtretung der Darlehensforderung führe dazu, dass auch innerhalb der Frist des § 35 Abs. 1 Nr. 2 InsO ein Nachrang nicht (mehr) bestehe. Wäre dies richtig, könnte durch die Zession allerdings § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unterlaufen werden, was missbräuchlichen Umgehungen des Gesetzes Tür und Tor öffnen würde. Richtig ist dagegen, auf § 404 BGB zu verweisen. Der Zessionar erwirbt die Forderung in dem Zustand, in dem sie sich befindet.³⁷⁸ Fraglich ist dann freilich, gegen wen sich der Anfechtungsanspruch richtet. In der Tat wird die Leistung vom Insolvenzschuldner an den Zessionar erbracht. Geht man allein danach, wird aber übersehen, dass durch die Zession der Gesellschafter seiner Finanzierungsverantwortung nicht enthoben wird. Der IX. Zivilsenat folgt daher einer in der Literatur verbreiteten Auffassung, wonach aus der Zession des Forderungsanspruchs eine Fortdauer der Haftung des Gesellschaftergesellschafters herrührt, die gesamtschuldnerisch gegen diejenige des Zessionars tritt. Auf Rückgriffansprüche und das Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar komme es insoweit nicht an.
2. Anfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO Mit seiner Entscheidung aus dem Juli 2013³⁷⁹ hat der IX. Zivilsenat des BGH die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO näher gefasst.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , . Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, . Aufl., Anh. § Rn. ; HambKomm-InsO/ Lüdtke, . Aufl. § Rn. . Vgl. bereits: Haas, Das neue Kapitalersatzrecht nach dem RegE-MoMiG, ZInsO , , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
Fall 119: Der spätere Beklagte zu 2 war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der insolvenzschuldnerischen GmbH, über deren Vermögen am 1.10. 2009 auf deren Eigenantrag vom 6.6. 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der spätere Kläger als Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Der Beklagte zu 2 und dessen Bruder als Gesellschafter der Komplementär GmbH waren als Kommanditisten je zur Hälfte an einer GmbH & Co. KG (der späteren Beklagten zu 1) beteiligt, die vom Jahr 2001 an der schuldnerischen GmbH mehrere Darlehen, zuletzt über EUR 100.000, gewährten. Zur Besicherung der Darlehensforderung trat die spätere Insolvenzschuldnerin am 15.7. 2004 der GmbH & Co. KG eine gegen eine dritte GmbH bestehende Forderung in Höhe von EUR 130.000 im Rang vor der verbleibenden Restforderung ab. Die Insolvenzschuldnerin schloss mit der Drittschuldnerin am 29.6. 2007 einen gerichtlichen Vergleich, woraufhin die Drittschuldnerin an die Beklagte zu 1 (die GmbH & Co. KG) einen Betrag von EUR 41.000 zahlte. Der Beklagte zu 2 hatte für die spätere Insolvenzschuldnerin am 13. 3. 2007 die eidesstattliche Versicherung abgegeben, da diese seit dem Jahr 2003 mindestens finanziell überschuldet war. Der klagende Insolvenzverwalter stützt sein Begehren gegen die beklagte GmbH & Co. KG auf Insolvenzanfechtung. Der Beklagte zu 2 wird nach § 43 Abs. 2 GmbHG auf Erstattung des fraglichen Betrages in Anspruch genommen; dieser erhebt die Einrede der Verjährung. Mit seiner Klage hatte der Insolvenzverwalter nur gegen die GmbH & Co. KG als Beklagte zu 1 Erfolg; die Klage gegen den Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin als Beklagter zu 2 wurde abgewiesen. Auf seine Berufung hin ist die Klage vom OLG Köln insgesamt abgewiesen worden. Mit seiner Revision hat der Insolvenzverwalter wegen seiner gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage Erfolg gehabt.
Der IX. Zivilsenat des BGH geht davon aus, die Voraussetzungen des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien im vorliegenden Fall erfüllt. Allerdings hatte die als Beklagte zu 1 in Anspruch genommene GmbH & Co. KG die Befriedigung ihrer Darlehensforderung aus der sicherungszedierten Forderung nicht innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erhalten. Im Schrifttum³⁸⁰ ist dagegen die Auffassung vertreten worden, dass wegen der in der Verwertung einer Sicherung liegenden Befriedigung allein eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Betracht käme. Das ist insoweit nicht ganz fernliegend, weil die Sicherung in Ansehung der Befriedigung der Forderung des Gläubigers eine bloße Vorstufe darstellt. Daraus wird geschlossen, das § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Verhältnis zu § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Sperrwirkung entfalte. Dann aber ist eine Anfechtung ausgeschlossen, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Sicherungsnehmer außerhalb der Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine Befriedigung aus der Verwertung bzw. der Einziehung des Sicherungsrecht oder der sicherungszedierten Forderung erlangt hat. Demgegenüber beruft sich der IX. Zivilsenat auf allgemeine anfechtungsrechtlich Strukturprinzipien und stellt darauf ab, dass die gläubigerbenachteiligenden Folgen einer jeden Rechtshandlung selbständig zu überprüfen sind, wobei eine wirtschaftliche
Siehe nur: Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, . Aufl., , Anh. § Rn. ; Spliedt, MoMiG in der Insolvenz – ein Sanierungsversuch, ZIP , .
VI. Anfechtung gegenüber Gesellschaftern und diesen Gleichgestellten
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Betrachtungsweise zugrunde zu legen sei.³⁸¹ Ausschlaggebend ist, dass jede einzelne Rechtshandlung, die der Insolvenzanfechtung unterliegt, ein eigenes selbständiges Rückgewährschuldverhältnis begründet. Wegen der sich daraus ergebenden Beurteilung der anfechtungsrechtlichen Struktur einer jeden einzelnen Handlung, sind die Gewährung einer Sicherung, die § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO behandelt, und die Gewährung einer Befriedigung, die § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unterfällt, isoliert zu betrachten. Dabei ist die Beurteilung des Fristlaufs für die Anfechtung in Bezug auf jede Handlung isoliert zu betrachten. Der IX. Zivilsenat lehnt es daher ab, einen Satz aufzustellen, wonach mehrere von einer Rechtshandlung verursachte Wirkung nur insgesamt oder gar nicht anfechtbar seien. Ein solcher Satz sei auch dann nicht zu bejahen, wenn Folgen einer Rechtshandlung angefochten würden, die im Kausalverlauf ferner liegen als nähere unanfechtbare Folgen.³⁸² Soll daher – wie im vorliegenden Fall – eine Sicherung angefochten werden, die innerhalb von 10 Jahren vor Antragstellung gewährt worden ist, dann steht dieser Anfechtung der Sicherungsgewährung nicht entgegen, dass später aus der Verwertung des Sicherungsguts eine Befriedigung außerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfolgt ist. Ist allerdings eine Sicherung, die zur Sicherung einer Verbindlichkeit gewährt worden ist, unanfechtbar – etwa wegen Fristablaufs – dann liegt eine Gläubigerbenachteiligung nicht vor, wenn der Sicherungsnehmer aufgrund der Verwertung des Sicherungsgutes Befriedigung erlangt hat.³⁸³ Dies ist im Falle des § 135 aber nur unter der Voraussetzung gegeben, dass der Sicherungsnehmer (Gesellschafter) länger als 10 Jahr vor Antragstellung eine dann unanfechtbare Sicherung erlangt hat. Dies ist aber nicht bereits deshalb der Fall, weil die Befriedigung aus der Verwertung des Sicherungsgutes unanfechtbar wäre. Denn diese lässt die Gläubigerbenachteiligung unberührt, die mit der Hingabe der Sicherheit verbunden ist. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Sicherung in jeder Hinsicht unanfechtbar ist. Demgegenüber kann nicht gesagt werden, dass durch die Befriedigung aus der Verwertung des Sicherungsgutes der Masse Vorteile dadurch entständen, dass die Passivmasse vermindert wäre. Denn damit wäre eine Vorteilsausgleichung verbunden, die im Insolvenzanfechtungsrecht, wie das Bierbrauurteil³⁸⁴ zeigt, nicht möglich ist. Der IX. Zivilsenat greift insoweit darauf zurück, dass diese Erwägungen auch aus einer unterschiedlichen tatbestandlichen Erfassung von Sicherung und Befriedigung in der gesetzlichen Regelung der Deckungsanfechtung seinen Grund findet. Der IX. Zivilsenat stellt klar, dass die damit verbundene Beschränkung des Bestandes vom
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , . So bereits: BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – NZI , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – BGHZ , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – NZI , .
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finanzierenden Gesellschafter hingegebenen Gesellschaftssicherheiten aus der bevorzugten Lage des Gesellschafters gewährleistet sei. Allerdings fragt sich, ob die beklagte GmbH & Co. KG als Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin i.S.v. § 135 Abs. 1 InsO anzusehen ist. Der Senat hält in diesem Zusammenhang an seinem Grundsatz fest, als von § 135 Abs. 1 InsO erfasste Finanzierungshilfe Dritter sei auch anzusehen, wenn der Dritte aufgrund einer „wirtschaftlichen Betrachtung“, aufgrund horizontaler oder vertikaler Verbindung einem Gesellschafter gleichsteht,³⁸⁵ was bei einer Beteiligung von mehr als 50 % oder bei alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführerstellung gegeben sein kann. Damit überträgt der IX. Zivilsenat die zum alten Recht vor dem MoMiG aufgestellten Grundsätze auf die Auslegung des § 135 Abs. 1 InsO.
3. Gesellschafterdarlehen Der BGH ³⁸⁶ hat zur Auslegung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in folgender Lage zu entscheiden gehabt: Fall 120: Der Gesellschafter hatte der späteren insolvenzschuldnerischen Gesellschaft zwei Einzeldarlehen gewährt, die in keinem engen zeitlichen Zusammenhang standen und deren sachlicher Zusammenhang ebenfalls nicht zu erkennen war. Sie dienten der Überbrückung von Zahlungsengpässen – also der Bereitstellung allgemeiner Liquidität der Insolvenzschuldnerin. Der Gesellschafter wurde von dem über das Vermögen der Gesellschaft eröffneten Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalter nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf Rückzahlung der Beträge, die von der Insolvenzschuldnerin an ihn zum Zwecke der Tilgung der Darlehen gezahlt worden waren, in Anspruch genommen und wandte hiergegen ein, es habe sich bei den gewährten Darlehensvaluten um Zahlungen im Rahmen eines Kontokorrents mit vereinbarter Kreditobergrenze gehandelt. Eine Gläubigerbenachteiligung habe bei der Kreditrückführung nicht vorgelegen, weil die Leistungen der Insolvenzschuldnerin an ihn als Gläubiger in unmittelbarem rechtlichen Zusammenhang mit der eingeräumten Möglichkeit, neuen Kredit zu ziehen, gestanden hätten. Die Grundsätze des BGH zum Kontokorrentkredit³⁸⁷ seien hier daher anzuwenden.
Dem hat sich der BGH nicht angeschlossen. Liegen einander nicht ablösende Staffelkredite, mit denen jeweils nur vorübergehend benötigte Liquidität in einem engen zeitlichen Zusammenhang von Zahlung und Rückzahlung gewährt werden, vor, dann sei ein Kontokorrent nicht anzunehmen.
BGH, Urt. v. . . – II ZR / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , ; Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
VI. Anfechtung gegenüber Gesellschaftern und diesen Gleichgestellten
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4. „Stehengelassene“ Gehaltsforderungen des Arbeitnehmers als Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin Das BAG ³⁸⁸ hat darüber zu entscheiden gehabt, welchen Rang die Forderungen eines Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt in der über das Vermögen der Arbeitgebergesellschaft eröffneten Insolvenzverfahren einnehmen, wenn der Arbeitnehmer die Forderungen über einen längeren Zeitraum „stehengelassen hat“ und Gesellschafter der Arbeitgeberin ist. Fall 121: Bis zum 30.9. 2009 war der spätere Kläger bei der A GmbH als Kfz-Meister beschäftigt. Neben zwei weiteren Gesellschaftern war er mit einem Drittel des Stammkapitals, EUR 10.000, nicht geschäftsführender Gesellschafter der Schuldnerin. Anfang des Jahres 2009 ging der Kläger für die schuldnerische Gesellschaft eine Bürgschaft ein. Aufgrund ordentlicher Kündigung der Schuldnerin endete das Arbeitsverhältnis, was Kläger und Schuldnerin durch gerichtlichen Vergleich unstreitig gestellt hatten. Mit seiner Klage, die am 28.12. 2009 beim Arbeitsgericht eingegangen und der Schuldnerin am 5.1. 2010 zugestellt worden war, machte der Kläger Arbeitsentgelt und noch abzuführende Steuern von insgesamt EUR 52.615,74 für den Zeitraum vom 1.1. 2006 bis zum 30.9. 2009 geltend. Der Höhe nach ist dieser Betrag unstreitig. Am 2.6. 2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren unter Bestellung des späteren Beklagten zum Insolvenzverwalter eröffnet. Eine Aufforderung nach § 174 Abs. 3 S. 1 InsO, nachrangige Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden, erließ das Insolvenzgericht nicht.
Das BAG geht davon aus, die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt seien nicht als Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5,Var. 1 InsO zu qualifizieren, da es an einer ausdrücklichen oder konkludenten Darlehensvereinbarung nach § 488 Abs. 1 BGB fehle. Das Stehenlassen der Forderung auf Arbeitsentgelt sei aber eine Rechtshandlung, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspreche, so dass § 39 Abs. 1 Nr. 5, 2. Var. InsO zur Anwendung gelange. Da eine besondere Aufforderung des Insolvenzgerichts nach § 174 Abs. 3 S. 1 InsO, diese nachrangige Forderung zur Tabelle anzumelden, nicht ergangen sei, sei die Forderungsanmeldung unzulässig und die zuletzt vom Kläger, durch Umstellung seines Leistungs- in einen Feststellungsantrag nach § 179 Abs. 1 InsO erhobene Insolvenzfeststellungsklage unbegründet. Eine Rechtshandlung sei jedes von einem Willen getragene Handeln vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens das eine rechtliche Wirkung auslöst, führt das BAG im Anschluss an den BGH ³⁸⁹ aus. Ein „normaler“ Gläubiger hätte in der Lage, in der sich der Kläger befand, nicht solange mit der Geltendmachung seiner Vergütungsansprüche gegen seinen Arbeitnehmer zugewartet. Dies lasse nur den Schluss zu, dass die Forderungen, wie in einem Fall einer Darlehensgewährung,
BAG, Urt. v. . . – AZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
stehengelassen worden sein, da das Verhalten des Klägers als Arbeitnehmer vom verkehrsüblichen Verhalten eines Arbeitsnehmers abgewichen sei.³⁹⁰ Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus einem Grundrecht auf menschenwürdiges Existenzminimum, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG abzuleiten sei. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 2.Var. InsO hält das BAG mit guten Gründen nicht für geboten, da es dem klagenden Arbeitnehmer möglich gewesen sei, vor Insolvenzeröffnung, anstelle der von ihm gewährten Stundung, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um seine Forderungen durchzusetzen. Wegen seiner Beteiligung zu einem Drittel am Haftkapital der Insolvenzschuldnerin unterfalle der Kläger auch nicht dem Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO.
VII. Bargeschäft 1. Haftung des Sanierers und Bargeschäft Das LG Berlin ³⁹¹ hat das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO auf Fälle angewendet, in denen Gegenstand eines vorinsolvenzlichen Beratungsvertrages die Prüfung des Bestehens einer Insolvenzantragspflicht war, in deren Folge zeitnah der Insolvenzantrag anwaltlich vorbereitet und gestellt wurde. Fall 122: Der Beratungsauftrag war am 28.6. 2010 erteilt worden. Der Steuerberater hatte der Schuldnerin die Einholung professionellen Rats empfohlen. Der Beratungsvertrag umfasste die Beratung, ob eine Insolvenzantragspflicht bereits bestand und welche Handlungsalternativen bestünden. Am 29.6. 2010 wurde der vereinbarte Vorschuss von EUR 17.850 gezahlt.Vom 28.6. 2010 bis 14.7. 2010 wurden Beratungsleistungen für die Schuldnerin erbracht und dann am 9.7. 2010 und 30.7. 2010 in Rechnung gestellt. Am 14.7. 2010 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt.
2. Bargeschäft und Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers Der BGH ³⁹² hat darauf erkannte dass im Falle der Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers Lohnzahlungen des insolventen Arbeitgebers das Bargeschäftspri-
OLG Schleswig, Hinweisbeschl. v. . . – U / – ZIP , . LG Berlin, Urt. v. . . – O / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
VIII. Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit
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vileg des § 142 InsO genießen, sofern die Lohnzahlung binnen 30 Tagen nach Fälligkeit bewirkt werden Fall 123: Der vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommene Beklagte war am Stammkapital der schuldnerischen GmbH i.H.v. EUR 25.000 mit einem Geschäftsanteil von EUR 8.250 beteiligt und hatte als kaufmännischen Leiter für den Unternehmensbereich Kontovollmacht. Sein am zehnten Tag des Folgemonats fälliges Gehalt betrug EUR 5.500. Nach nicht vollständiger Entrichtung des Gehalts für die Monate November und Dezember 2010 wurde dem Beklagten von der Schuldnerin am 5.1. 2011 ein Betrag i.H.v. EUR 2.000 überwiesen. Diesen Betrag hat der Insolvenzverwalter mit der Anfechtungsklage begehrt.
Der IX. Zivilsenat geht davon aus, dass die Zahlung des Teilbetrages von EUR 2.000 für den Monat Dezember 2010 von der Parteivereinbarung gedeckt sei und damit als kongruente Leistung eine Bardeckung darstelle, da der Leistung der Insolvenzschuldnerin eine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstehe und somit für die spätere Masse wirtschaftliche Neutralität³⁹³ gegeben sei. Denn der Beklagte habe während des abgelaufenen Monats Arbeitstätigkeiten erbracht und damit die von der Insolvenzschuldnerin erbrachte Zahlung ausgeglichen. Da der unschädliche Zeitraum bei der Vermögensumschichtung nach § 142 InsO sich nicht allgemein festlegen lasse, musste sich der BGH mit der Judikatur des BAG zur verzögerten Zahlung der Vergütung auseinandersetzen³⁹⁴, die er – nachvollziehbar – anfechtungsrechtlich kritisiert.
VIII. Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit 1. Retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit: Ratenzahlungsplan Ein Urteil des OLG Saarbrücken aus dem Juli 2012³⁹⁵ macht deutlich, dass die Maßstäbe der retrograden Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 InsO noch nicht endgültig definiert sind und stets neue Probleme in den Blick treten. Fall 124: Die Insolvenzschuldnerin war ein Bauunternehmen, dessen Steuerrückstände sich auf EUR 22.000 beliefen. Deswegen schlossen sie und das Finanzamt eine Ratenzahlungsvereinbarung aufgrund derer die Insolvenzschuldnerin vom Februar bis April 2008 insgesamt EUR 15.000 zahlte.Vom 19.6. 2008 bis zum 15.7. 2008 wurden weitere Zahlungen auf rückständige Steuern über insgesamt EUR 7.200 geleistet, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , , Tz. . BAG, Urt. v. . . – AZR / – ZIP , . OLG Saarbrücken, Urt. v. . . – U / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
Insolvenzschuldnerin vom Finanzamt dem klagenden Insolvenzverwalter zur Masse zurückerstattet wurden. Das Insolvenzverfahren wurde auf Eigenantrag der Insolvenzschuldnerin am 6.11. 2008 eröffnet.
Bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin hat das OLG Saarbrücken trotz der Ratenzahlungsvereinbarung die offenen Steuerforderungen als fällige Forderungen i.S.v. § 17 Abs. 2 InsO zugrunde gelegt. Allerdings hatte die Ratenzahlung die Fälligkeit der Gesamtforderung in der Weise, wie es das OLG ausdrückt, „suspendiert“, dass Zahlung nach Maßgabe des Ratenplans zu leisten war. Das OLG sieht hier aber eine „Besonderheit“. Denn die Ratenabrede sei als Ergebnis der bereits vorher vorliegenden Zahlungsunfähigkeit aus Unvermögen abgeschlossen worden, die uneingeschränkt fällige Steuerschuld zu begleichen. Daher meint das OLG, es sei auf den Zeitpunkt vor Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung abzustellen, da nur so die Gleichbehandlung der Gläubiger erreicht werden könne. Andernfalls werde nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einem Gläubiger die Möglichkeit eröffnet, durch Ratenzahlungsvereinbarungen die ratierliche Leistung insolvenzfest zu behalten. Dies stehe dem vom BGH aufgestellten Grundsatz entgegen,³⁹⁶ dass die einmal eingetretene Zahlungsunfähigkeit nur durch eine allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen überwunden werde. Gerade dies geschehe indes durch Ratenzahlungsvereinbarung nicht. Diese Überlegungen sind durchaus vertretbar, können aber im Ergebnis keine Zustimmung finden. Denn wäre nämlich die Entscheidung des OLG Saarbrücken richtig, dann würde eine außergerichtliche Sanierung des Schuldners gerade durch Stundungs- und Ratenzahlungspläne ernsthaft behindert. Das OLG hat freilich die Absichtsanfechtung daran scheitern lassen, dass das anfechtungsgegnerische Finanzamt keine Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Insolvenzschuldnerin gehabt habe. Denn ein Insolvenzschuldner handle dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund realistischer Vorstellungen zu der Überzeugung kommen könne, dass er in der Lage sei, seine Gläubiger in absehbarer Zeit zu befriedigen. Dies sei der Fall, wenn er mit einer alsbaldigen Überwindung der Krise rechnen könne.³⁹⁷ Da dem Finanzamt von der Insolvenzschuldnerin mitgeteilt worden war, einen größeren Auftrag mit einem Volumen von EUR 250.000 erhalten zu haben, sei dies im vorliegenden Fall gegeben.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
VIII. Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit
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2. Retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit: Stundung Die Stundung führt zu komplexen Problemen bei der Beurteilung, ob ein Schuldner zahlungsunfähig ist oder nicht. In seinem Urteil vom Ende November 2012³⁹⁸ hat der IX. Zivilsenat des BGH über die Frage zu entscheiden gehabt, in wieweit bei der Prüfung und Feststellung der Zahlungsunfähigkeit die Prolongation von Darlehen zu berücksichtigen ist. Fall 125: Der späteren Insolvenzschuldnerin war von dem beklagten Kreditinstitut S im Dezember 2001 ein Darlehen gewährt worden, das am 30.12. 2002 zurückzuzahlen war. Ebenfalls bei der S wurde für die Insolvenzschuldnerin ein Kontokorrentkonto geführt. Das Darlehen belief sich über EUR 5,3 Mio., die Kreditlinie auf dem Kontokorrentkonto auf EUR 1,75 Mio. Nach einem Gespräch bekundete die S gegenüber der Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 27.12. 2002 ihre Bereitschaft, den fälligen Kredit um drei Monate zu prolongieren. Ende Mai 2003 zahlte die Insolvenzschuldnerin EUR 100.000, Ende April EUR 38.000 und Mitte Mai EUR 25.000 an die S. Auf Eigenantrag vom 26.9. 2003 wurde Anfang Dezember das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet. Der im Verfahren bestellte Insolvenzverwalter begehrt von S die Erstattung der geleisteten Zahlungen.
Auch in dem vorliegenden Fall geht es um die retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit. Die angefochtenen Zahlungen waren nach Ablauf der Prolongation des Darlehens erbracht worden. Der BGH meint nun, dass die Gläubigerin S. die Leistung nicht etwa dadurch gestundet habe, dass sie die Restdarlehensforderung nicht ernsthaft eingefordert habe. Denn in dem vorliegenden Fall sei die Leistung nach dem Kalender bestimmt gewesen. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB sähe vor, dass für diesen Fall der Schuldner auch ohne Mahnung in Verzug gerät. Hieraus folgert der IX. Zivilsenat, dass es einer Mahnung des Schuldners oder eines anders gearteten besonderen Zahlungsverlangens des Gläubigers nicht bedarf, damit der Schuldner die Leistung erbringt. Nach dem Ablauf der Prolongationsfrist habe es daher keiner weiteren Handlung der Gläubigerin bedurft.
3. Retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit Mit seiner „Nikolaus“-Entscheidung aus Dezember 2012³⁹⁹ hat der IX. Zivilsenat des BGH die darlegungs- und beweisrechtlichen Fragen näher bestimmt, die sich bei der retrograden Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, namentlich im Zusammenhang mit der Absichtsanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO ergeben.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
Fall 126: Die schuldnerische GmbH, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren im September 2005 auf Antrag Ende Juli 2005 eröffnet wurde, hatte im Jahr 2003 einen erheblichen Teil ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten nicht zum Fälligkeitszeitpunkt bezahlt. Mit der Beklagten, ihrer Lieferantin, stand sie in laufender Geschäftsverbindung. Bis zum Jahresende 2003 lief ein Zahlungsrückstand von EUR 270.000 auf. Darauf richtete die Lieferantin neben dem für laufende Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin bereits bestehenden Konto ein weiteres Konto für deren Altverbindlichkeiten ein. Zum Ende Februar 2004 belief sich dessen Saldo auf EUR 376.500. Dieser sollte nach einer Vereinbarung zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Lieferantin in einer Reihe von Teilbeträgen und einem höheren Schlussbetrag getilgt werden, was aber nur teilweise gelang. Auch später kam es dazu, dass Lastschriften nicht eingelöst und Ratenzahlungen, die zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Lieferantin vereinbart wurden, nicht erbracht wurden. Der in dem über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter forderte die Rückzahlung der geleisteten Tilgungsraten im Wege der insolvenzrechtlichen Anfechtung. Das OLG hatte der Anfechtungsklage des Insolvenzverwalters teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Hiergegen richtete sich die Revision des Insolvenzverwalters.
Überzeugend hat der BGH der Revision mit der Erwägung stattgegeben, dass die Insolvenzschuldnerin die Zahlungen in dem Zeitraum vor der Dreimonatsfrist der §§ 130, 131 InsO mit Benachteiligungsvorsatz erbracht hatte. Im Rahmen der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Rechtshandlungen verweist der IX. Zivilsenat darauf, dass zur Prüfung des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes im Eröffnungsverfahren regelmäßig anhand eines Liquiditätsstatus (der erkennende Senat spricht im vorliegenden Urteil von einer Liquiditätsbilanz, die nach seiner eigenen Judikatur aber nicht zwingend erforderlich sei) festgestellt werden kann, ob eine nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners von 10 % und mehr besteht. Die retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit im Insolvenzanfechtungsprozess kann sich – wie der IX. Zivilsenat ausführt – auf andere Kriterien stützen. Das ist für den klagenden Insolvenzverwalter deshalb außerordentlich wichtig, weil die Erstellung eines Liquiditätsstatus zeitpunktbezogen auf den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum der Rechtshandlung nicht selten mit erheblichen Aufwendungen verbunden wäre. Gerade für die retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit spielt die Feststellung der Zahlungseinstellung des Schuldners nach alledem eine nicht unerhebliche Rolle, weil sich aus dieser die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO ergibt. Unter der Zahlungseinstellung ist das Verhalten des Schuldners zu verstehen, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er zur Begleichung seiner Zahlungsverpflichtungen nicht (mehr) in der Lage ist.⁴⁰⁰ Dabei kann bereits die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit dokumentieren, dass eine Zahlungseinstellung vorliegt,wenn diese einen erheblichen Teil der Verbindlichkeiten BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
VIII. Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit
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ausmacht. Denn bereits deren Nichtzahlung genügt, um die Zahlungseinstellung nachzuweisen. Für den Lieferanten war erkennbar, dass die Insolvenzschuldnerin aufgrund der zögerlichen bzw. überhaupt nicht erfolgenden Zahlungen seit Anfang 2004 ihre Zahlungen i.S.v. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO eingestellt hatte. Nun lag hier aber eine Ratenzahlungsvereinbarung zwischen der vom Insolvenzverwalter beklagten Lieferantin und der Insolvenzschuldnerin vor. Diese Vereinbarung hat aber die Zahlungseinstellung des Schuldners nicht beseitigt. Denn die Insolvenzschuldnerin war nach den vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Feststellungen auch in der Folgezeit nicht in der Lage, die Restforderungen der Beklagten zu begleichen. Auch in diesem Zeitraum lag keine bloße Zahlungsstockung vor, wie der IX. Zivilsenat zutreffend ausführt.Von Interesse ist nun, dass die Zahlungseinstellung vom Schuldner nur durch Aufnahme der Zahlungen beseitigt werden kann. Nun bedarf es aber der Kenntnis des Anfechtungsgegners von den objektiven Voraussetzungen der Anfechtung – also der Zahlungsunfähigkeit aufgrund Zahlungseinstellung. Der IX. Zivilsenat führt insoweit aus, dass eine bloße Änderung der Beurteilung der vorliegenden Tatsachen durch den Anfechtungsgegner (ein „Gesinnungswandel“) nicht dazu führe, dass die zuvor bestehende Kenntnis von dem Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beseitigen würde. Die subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen lägen in dem Zeitraum dagegen nicht mehr vor, wenn der Anfechtungsgegner seine vorige Kenntnis aufgrund von ihm bekannten Umständen, aus denen auf eine Wiederaufnahme der Zahlungen und eine Herstellung der Zahlungsfähigkeit geschlossen werden kann, gewonnen habe. Diese Tatsachen müssen vorgetragen werden.
4. Retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit (2) Mit Urteil aus dem Juli 2013 hat der IX. Zivilsenat des BGH ⁴⁰¹ über die retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit⁴⁰² im Rahmen der Feststellung der Zahlungseinstellung aufgrund von Indizien zu entscheiden gehabt. Fall 127: Über das Vermögen der Schuldnerin, die eine Großbäckerei mit mehreren Filialen und Verkaufsstellen betrieb, war auf Antrag eines Sozialversicherungsträgers vom 5.4. 2005 am 1.9. 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der spätere Kläger als Insolvenzverwalter bestellt worden. Bereits mehr als ein Jahr vor Insolvenzeröffnung waren Zahlungsrückstände gegenüber
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . Hierzu jüngst: Pabst, Materielle Insolvenz – Die retrograde Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, Frankfurt, .
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D. Insolvenzanfechtung
Sozialversicherungsträger und Energieversorgungsunternehmen und anderen Gläubigern aufgelaufen. Die spätere Beklagte, der Energielieferer, hatte im Zeitraum vom 26.1. 2005 bis zum 12.7. 2005 durch Barzahlung und Überweisung insgesamt EUR 54.000 von der Insolvenzschuldnerin erhalten. Die auf Zahlung dieses Betrages aus dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung erhobene Insolvenzanfechtungsklage war vor dem LG erfolglos geblieben; das Berufungsgericht hat die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Mit seiner Revision hatte der klagende Insolvenzverwalter Erfolg.
Das Berufungsgericht war der Ansicht, der Kläger habe die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der angefochtenen Handlung nicht dargelegt. Der IX. Zivilsenat führt aus, die Zahlungsunfähigkeit könne durch Aufstellung einer Liquiditätsbilanz nachgewiesen werden, was dann nicht erforderlich sei, wenn auf andere Weise festgestellt werden kann, dass der Insolvenzschuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte. Dies sei namentlich dann der Fall, wenn die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Zahlungseinstellung gem. § 17 Abs. 1 S. 2 InsO eingreife. Dabei handele es sich nach der zutreffenden Darlegung des BGH um ein „nach außen hervortretendes Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen“.⁴⁰³ Der IX. Zivilsenat fordert hier eine „Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen“. Im vorliegenden Fall habe die Insolvenzschuldnerin einen Forderungsrückstand „vor sich hergeschoben und demzufolge ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operiert“. Wenn immer wieder sich erneuernde Forderungsrückstände vorliegen, könne nicht darauf geschlossen werden, dass ein wesentlicher Teil der Verbindlichkeiten nicht betroffen sei. Im Übrigen ist die vorliegende Entscheidung im Hinblick auf die Anforderungen von hohem Interesse, die der IX. Zivilsenat an die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners stellte. Es sei bei natürlicher Betrachtungsweise aus den dem Gläubiger bekannten Tatsachen und dem Verhalten des Insolvenzschuldners ein zutreffender Schluss zu ziehen, dass der Insolvenzschuldner wesentliche Teile – also 10 % oder mehr – seiner ernsthaft angeforderten Verbindlichkeiten im Zeitraum der nächsten drei Wochen nicht werde tilgen können. Es genüge die Kenntnis des Gläubigers von den Tatsachen, aus denen sich die Zahlungseinstellung ergibt. Auch insoweit sei eine Gesamtwürdigung vorzunehmen.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
IX. Prozessuale Fragen im Anfechtungsrecht
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IX. Prozessuale Fragen im Anfechtungsrecht 1. Rechtsweg für Anfechtungsklagen Das OLG Frankfurt/M. ⁴⁰⁴ hat die Auffassung vertreten, dass für Insolvenzanfechtungsklagen mit dem Ziel der Rückgewähr von Beiträgen, die die Beklagte als Sozialversicherungsträgerin i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG von der Insolvenzschuldnerin als Arbeitgeberin erlangt hat, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sei.
2. Gegner der Deckungsanfechtung Der BGH ⁴⁰⁵ hat die Frage zu entscheiden gehabt, wem gegenüber der Insolvenzverwalter die Deckungsanfechtung vornehmen kann, wenn der Insolvenzschuldner im Guthabenabrechnungsverfahren an die Betreiberin des Systems zur Erhebung der Lkw-Maut Zahlungen erbracht hatte. Fall 128: Der Schuldner war Inhaber eines Transportunternehmens. Über sein Vermögen war auf Antrag einer Gläubigerin vom 5.12. 2005 mit Beschluss vom 15. 3. 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die spätere Beklagte betreibt ein Guthabenabrechnungsverfahren zur Abrechnung der Mautgebühren der Lkw-Maut im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland. Seit Ende 2003 nahm der Schuldner bei der Beklagten an diesem Guthabenabrechnungsverfahren teil. Hierzu musste er auf einem Konto bei der Beklagten ein Guthaben unterhalten.Von diesem Konto wurden laufend die aufgrund mautpflichtiger Fahrten angefallenen Beträge abgebucht. Seit August 2005 wurden die Sozialversicherungsbeiträge vom Schuldner nicht mehr abgeführt, weshalb die Sozialversicherungsträger fortlaufend die Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen betrieben. Der Insolvenzverwalter verlangte von der Beklagten die Rückzahlung von EUR 56.000 im Wege der Insolvenzanfechtung. Die Beklagte verteidigte sich dagegen mit dem Argument, nicht die richtige Beklagte zu sein.Vielmehr sei das Bundesamt für Güterverkehr passiv legitimiert.
Der IX. Zivilsenat stellt fest, dass mit der Einzahlung der streitgegenständlichen Beträge auf das Guthabenkonto vom Insolvenzschuldner freiwillig Zahlungen vorgenommen worden seien, auf die die Beklagte keinen Anspruch hatte – sie also noch nicht als Insolvenzgläubigerin anzusehen sei. Mit der „Einbuchung des Schuldners“, mit der die Deckung der von ihm zu zahlenden Maut vorgenommen wurde, erfolgte eine Zahlung zur Deckung der Entgeltforderung der Beklagten. Die Erhebung der Maut sei vom Bundesamt für Güterverkehr nach § 4 Abs. 2 S. 1 und 2
OLG Frankfurt/M., Beschl. v. . . – W / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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D. Insolvenzanfechtung
ABMG (nunmehr § 4 Abs. 3 S. 1 und 2 BFStrMG) der Beklagten als privatem Unternehmer übertragen worden. Dabei sei die Beklagte kein beliehener Unternehmer, da sie die Maut nicht in eigenem Namen hoheitlich festzusetzen befugt ist, sondern nur damit beauftragt war, an der Erhebung der Maut mitzuwirken. Soweit der Mautschuldner einem derartigen Betreiber die Zahlung entrichten darf (und muss), ist er von der Verpflichtung zur Zahlung der Maut an das Bundesamt befreit. Damit sei Gläubiger der Mautzahlung ausschließlich die Beklagte.
E. Insolvenzplan I. Ausgewählte Fragestellungen 1. Fortdauer der Bürgenhaftung nach Bestätigung eines Insolvenzplans Das OLG Dresden hat darauf erkannt, dass Bürgen keine Beteiligten des Insolvenzplans und des Verfahrens, in dem der Insolvenzplan beschlossen und bestätigt wird, seien. Im Insolvenzplan könne daher eine Freistellung des Bürgens mit der Folge, dass die Bürgschaftsverpflichtung beendet werde, nicht erfolgen. Auch wenn gegen den Insolvenzschuldner gerichtete, durch Bürgschaft gesicherte Forderungen durch den Insolvenzplan aufgehoben oder reduziert würden (§ 224 InsO), bestünden diese Forderungen als erfüllbare jedoch nicht erzwingbare Naturalobligationen mit der Folge der Fortdauer der Bürgenhaftung fort.⁴⁰⁶ Fall 129: Der Kläger war gegenüber der A Bank AG eine Höchstbetragsbürgschaft in Höhe von EUR 200.000 für Verbindlichkeiten der B GmbH eingegangen. Die A Bank AG hatte ihn in Höhe von EUR 100.000 gerichtlich in Anspruch genommen. Der Beklagte hatte für die Firma B einen Insolvenzplan ausgearbeitet und den Kläger, bei dem es sich um den Geschäftsführer und Gesellschafter der B GmbH handelt, gegenüber der A Bank AG als Gläubigerin der B GmbH anwaltlich vertreten. Mit seiner Klage nahm der Kläger den Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch, weil der Beklagte nicht dafür Sorge getragen habe, dass er, der Kläger, von Bürgschaftsverbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Insolvenzplanverfahren befreit werde.
Das OLG Dresden hat seine Entscheidung, dem Kläger stehe ein Schadenersatzanspruch nicht zu, im Wesentlichen auf die Regelung des § 254 Abs. 2 InsO gegründet. Dieser habe sich an § 193 KO orientiert sowie an § 82 VglO.⁴⁰⁷ Wie nach altem Recht des Vergleichs- und Zwangsvergleichs sollen danach die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen durch den Erlass von Insolvenzforderungen im Insolvenzplan nicht berührt werden. Dabei wendet sich das OLG Dresden gegen Auffassungen, wonach der Plan abweichende Regelungen vorsehen könne.
OLG Dresden, Urt. v. . . – U / – ZIP , . Begr. RegE, BT-Drucks. /, S. zu § RegE-InsO.
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E. Insolvenzplan
2. Erklärungen nach § 230 InsO Nach § 230 Abs. 3 InsO sollen Personen, die eine persönliche Haftung bei Fortsetzung der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft übernehmen, eine entsprechende Erklärung abgeben, die zum Insolvenzplan zu nehmen ist. Dies ist der Fall, wenn der insolvenzschuldnerische Unternehmensträger eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine KGaA ist. Eine oHG, die KG, die Partnerschaftsgesellschaft, die GbR, die Partenreederei oder die EWIV werden von dieser Regelung erfasst. Andere juristische Personen fallen dagegen – wie das LG Potsdam festgestellt hat⁴⁰⁸ – nicht unter § 230 Abs. 1 S. 2 InsO. In dem Fall eines Insolvenzplans im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines eingetragenen Vereins bedarf es deshalb nicht der Zustimmung des Vereins oder seiner Mitglieder, die nach § 230 Abs. 1 S. 2 InsO zum Insolvenzplan zu nehmen wäre. Dies begründet das LG Potsdam mit der Vorschrift des § 42 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach kann die Mitgliederversammlung die Fortsetzung des Vereins erst dann beschließen, wenn der Insolvenzplan, der den Fortbestand des Vereins vorsieht, bestätigt und das über das Vermögen des Vereins eröffnete Insolvenzverfahren aufgehoben worden ist.
3. Vergleichsrechnung und Zurückweisung des Insolvenzplans nach § 231 InsO Das AG Hamburg ⁴⁰⁹ hat darauf erkannt, dass ein Insolvenzplan nach § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO keine Aussicht auf Bestätigung durch das Gericht habe, wenn für die notwendige Vergleichsrechnung die „Ist“-Masse nicht vollständig dargelegt worden ist. Denn es solle ermöglicht werden, die Insolvenzmasse und die daraus folgende Quotenerwartung mit der Planquotenerwartung zu vergleichen. Gemeint zu sein scheint nicht die „Ist-“, sondern die „Soll“-Masse, also diejenige Masse, die der Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegt. Weshalb Gegenstände, an denen namentlich Aussonderungsrechte Dritter bestehen und die zur „Ist“-Masse zu zählen sind, in die Vergleichsrechnung nach dem Plan in dessen bewertenden Teil (§ 220 Abs. 2 InsO) einbezogen werden sollten, ist dagegen nicht ersichtlich. In dem vom AG Hamburg zu beurteilenden Plan war allerdings nach Mitteilung des Gerichts eine Bewertung deshalb nicht möglich, weil der den Plan vorlegende Insolvenzschuldner Vermögenswerte nicht
LG Potsdam, Beschl. v. . . – T / – ZIP , . AG Hamburg, Beschl. v. . . – c IN / – ZIP , .
II. Prozessführungsbefugnis nach planbedingter Verfahrensaufhebung
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substantiiert bewertet oder substantiiert vorgetragen hatte. Eine Vergleichsrechnung war schon deshalb in dem vorliegenden Fall nicht möglich. Weiter sei es erforderlich, im darstellenden Teil des Insolvenzplans (§ 220 Abs. 2 InsO) substantiiert auszuführen, welche Auswirkungen die Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens auf den Erhalt bzw. die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens haben würde. Das AG Hamburg meint weiter, wegen der Gefahr, dass nach Planaufstellung noch eine Anfechtungsklage eingereicht und zugestellt wird – somit im Sinne der Judikatur des BGH rechtshängig wird – liege eine Schlechterstellung des Anfechtungsgegners gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren schon deshalb vor, weil der Anfechtungsgegner es versäumen könne, seine nach § 143 Abs. 1 InsO wieder aufgelebte Forderung zur Tabelle anzumelden. Dies sind aber hypothetische Verläufe, die nicht berücksichtigt werden dürfen. Denn im Zeitpunkt der Planvorlage steht noch nicht fest, ob und in welcher Höhe der Anfechtungsklage Erfolg beschieden ist und der ausgeurteilte Anfechtungsanspruch vom Anfechtungsgegner erfüllt wird. Denn erst im Umfang der Erfüllung des Anfechtungsanspruchs lebt die ursprüngliche Forderung nach § 143 Abs. 1 InsO wieder auf. Schließlich ist ein Schutzbedürfnis des Anfechtungsgegners nicht zu erkennen, vermag dieser doch seine nach Rückgewähr des anfechtbar Erlangten wieder entstehende Forderung als aufschiebend bedingte Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden.⁴¹⁰
II. Prozessführungsbefugnis nach planbedingter Verfahrensaufhebung 1. Befugnis des Planüberwachers zur Führung von Anfechtungsprozessen Das Insolvenzgericht hebt nach Bestätigung des von den Gläubigerin angenommen Insolvenzplans das Insolvenzverfahren auf, wenn die Masseverbindlichkeiten beglichen bzw. deren Begleichung in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise sichergestellt worden ist (§ 258 InsO). Im Rahmen der darauffolgenden Planüberwachung kann der frühere Insolvenzverwalter als Sachwalter bestellt werden – namentlich um Anfechtungsklagen weiter zu verfolgen. Um die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wegen Anfechtungsprozessen zu begründen, bedarf es, wie der IX. Zivilsenat des
Uhlenbruck-Hirte/Ede, . Aufl., § InsO, Rn. .
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E. Insolvenzplan
BGH nunmehr entschieden hat⁴¹¹, keiner Individualisierung der fortzuführenden Anfechtungsstreitigkeiten. Soweit im vorliegenden Fall die Rechtsbeschwerde gerügt hat, im Insolvenzplan sei die Ermächtigung des Sachwalters zur Führung von Anfechtungsprozessen auf bestimmte Anfechtungsprozesse beschränkt worden, hat der IX. Zivilsenat diese Rechtsbeschwerde nicht als zulässig angesehen. Insofern stellt sich die vorliegende Entscheidung als ein obiter dictum dar. Der IX. Zivilsenat meint nämlich, dass es sachgerecht sein kann, wegen der zu berücksichtigenden Prozessrisiken und Erfolgsaussichten die Prozessführungsbefugnis des Verwalters auf bestimmte Anfechtungsklagen zu begrenzen. Der in der Vergangenheit häufiger aufgetretene umgekehrte Fall, dass der Insolvenzverwalter durch den Insolvenzplan ermächtigt wird, auch andere Prozesse zu führen und gar Vermögensverwaltungsaufgaben anderer Art und Weise wahrzunehmen, wird von dieser Entscheidung nicht berührt. Im Gegenteil, sie lässt erkennen, dass der IX. Zivilsenat zu einer strikten Beschränkung der Prozessführungsbefugnis des früheren Insolvenzverwalters in der Planübergangsphase auf den gesetzlich genannten Fall tendiert.
2. Rechtshängigkeit von Forderungen, die der bisherige Verwalter nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Planbestätigung noch prozessual verfolgen soll Aus der Lektüre des § 261 Abs. 2, 3 ZPO glaubt man wissen zu können, dass unter Rechtshängigkeit die dem Beklagten zugestellte Klage zu verstehen sei. Anhängig dagegen sind – legt man allgemeine Darstellungen des Zivilprozessrechts in der Lehrbuchliteratur und den Kommentaren zugrunde – solche Klagen, die bei dem Gericht eingereicht worden sind. Der IX. Zivilsenat des BGH ⁴¹² hat nun darüber zu entscheiden gehabt, unter welchen Voraussetzungen der Insolvenzverwalter, dessen Amt nach Bestätigung des Insolvenzplanes und der Aufhebung des Verfahrens endet, für Anfechtungsprozesse prozessführungsbefugt ist. Fall 130: Der über das Vermögen der P-GmbH & Co. KG am 1.1. 2010 bestellte Insolvenzverwalter hatte am 28.5. 2010 gegen die Beklagte Zahlungsklage über einen Betrag von EUR 126.000 erhoben. Die mit der schuldnerischen GmbH & Co. KG in ständiger Geschäftsbeziehung befindliche Beklagte hatte am 3.12. 2009, also in Monatsfrist vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, gegen Kaufpreisforderungen der Schuldnerin in Höhe von EUR 126.000 mit Provisionsforderungen in entsprechender Höhe aufgerechnet. Nach Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubigergruppen beschloss das Insolvenzgericht am 5.7. 2010 die Aufhebung des Verfahrens mit Wirkung
BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
II. Prozessführungsbefugnis nach planbedingter Verfahrensaufhebung
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zum 3.7. 2010. Der Insolvenzplan sah vor, dass der Insolvenzverwalter zur Fortführung solcher Rechtsstreitigkeiten auch nach Aufhebung des Verfahrens befugt sein solle, die eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand haben.
Das Amt des Insolvenzverwalters endet mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Da nur der Insolvenzverwalter – im Rahmen der Eigenverwaltung der Sachwalter (§ 280 InsO) – zur Insolvenzanfechtung befugt ist (§ 129 Abs. 1 InsO), endet diese Rechtsmacht mit seiner allgemeinen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gem. § 80 Abs. 1 InsO über die beschlagnahmte Masse nach Aufhebung des Insolvenzbeschlages. Dann ist der vormalige Insolvenzverwalter für allgemeine Zahlungsklagen nicht mehr rechtszuständig. Hier lag freilich eine Zahlungsklage vor, die der Sache nach die Insolvenzanfechtung zum Gegenstand hatte, da anfechtungsrechtliche Gesichtspunkte die Beurteilung der Wirksamkeit der Verrechnung durch den Beklagten betrafen. Nach § 259 Abs. 3 S. 1 InsO kann der Insolvenzplan vorsehen, dass der Insolvenzverwalter einen zum Zeitpunkt der Aufhebung des Insolvenzverfahrens anhängigen Anfechtungsrechtsstreit fortzuführen ermächtigt wird. Das Gesetz sieht damit einen besonderen Fall gewillkürter Prozessstandschaft vor. Der Insolvenzplan kann eine Befriedigung der Gläubiger aus solchen Beträgen vorsehen, die aus anhängigen Anfechtungsprozessen, die vom Insolvenzverwalter nach Aufhebung des Verfahrens fortgeführt werden, zur Verteilung zur Verfügung stehen. Obwohl § 259 Abs. 3 InsO,wie der IX. Zivilsenat ausdrücklich ausführt, den Gläubigern die Entscheidungsbefugnis darüber einräumt, die Prozessführungsbefugnis des Verwalters für schwebende Insolvenzanfechtungsprozesse über die Dauer des Insolvenzverfahrens hinaus aufrechtzuerhalten, hat er dies im vorliegenden Fall nicht für erfüllt angesehen. Vielmehr führt er unter Rückgriff auf seine Judikatur⁴¹³ aus, neue, erst später anhängig zu machende Anfechtungsklagen könnten nicht von dieser Ermächtigung erfasst werden. Hier – in dem vom BGH entschiedenen Fall – soll ein anhängiger Rechtsstreit i.S.v. § 259 Abs. 3 S. 1 InsO nicht vorgelegen haben, weil die Anfechtungsklage nur eingereicht, aber noch nicht zugestellt worden sei. Die Zustellung erfolgte nämlich erst am 22.7. 2010 mithin 19 Tage nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Damit habe aber Rechtshängigkeit nicht mehr während der Dauer über das Vermögen der schuldnerischen GmbH eröffneten Insolvenzverfahrens begründet werden können. Der IX. Zivilsenat geht nun davon aus, dass ein anhängiger Rechtsstreit i.S.v. § 259 Abs. 3 S. 1 InsO nicht bereits die anhängig gemachte Klage sei. Der Begriff Rechtsstreit in Verbindung mit dem Wort anhängig verweise vielmehr darauf, dass es sich nicht allein um die Klage handele, die beim Gericht eingereicht sei, sondern um ein rechtshängiges Verfahren, dass es also auf die Zustellung an den Beklagten BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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E. Insolvenzplan
ankomme. Das ist natürlich für die Verfahrensbeteiligten ein Wort. In der Tat ist – argumentiert man begrifflich – die anhängige Klage noch kein Rechtsstreit, der rechtshängig ist. Ob ein anhängiger Rechtsstreit, der im Übrigen in § 261 ZPO nicht begrifflich vorkommt, zwingend auf die Rechtshängigkeit im Sinne dieser zivilprozessualen Vorschrift schließen lassen muss, mag man bezweifeln. Der IX. Zivilsenat ist aber weit davon entfernt, hier allein begrifflich zu argumentieren. Betrachtet man nun § 259 Abs. 3 S. 1 InsO, wird die Entscheidung des BGH verständlicher. Denn sie wehrt sich gegen alle Anfänge einer Überdehnung der Ermächtigung des bisherigen Insolvenzverwalters zur Prozessführung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Gleichwohl ist nicht ganz zu verstehen, weshalb die bereits anhängig gemachte Klage substanziell etwas anderes als der rechtshängige Rechtsstreit ist. Sieht man nämlich die Gründe, die für die Regelung des § 259 Abs. 3 InsO sprechen, erscheint es wenig sachgerecht, dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit der Fortführung einer anhängig gemachten Anfechtungsklage zu verwehren. Denn für das bestätigende Insolvenzgericht ist ebenso wie für die Gläubiger, die über den Insolvenzplan abgestimmt und ihn angenommen haben, und nicht zuletzt auch für den klagenden Insolvenzverwalter kaum absehbar, ob die Anfechtungsklage in time zugestellt wird. Mehr noch. Eine Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit all den komplizierten Folgen, wie die Neufinanzierung der Betriebsfortführung, von den Zufälligkeiten der im Amtsbetrieb durchzuführenden Zustellung der Klagschrift abhängig zu machen, scheint nicht wirklich sinnvoll zu sein. Der IX. Zivilsenat hat sich jedoch nicht auf eine im schlechten Sinne begriffsjuristische Art der Argumentation verlegt. Vielmehr basiert seine Art der Entscheidung hier auf dem Versuch einer Harmonisierung der Auslegung des § 259 Abs. 3 InsO mit § 240 ZPO. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei bewirkt nach der Judikatur des Senats⁴¹⁴ die Unterbrechung des Prozesses nur, wenn er aufgrund der Zustellung der Klagschrift i.S.v. §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO rechtshängig geworden ist. Setzt die Unterbrechung des Prozesses nach § 240 ZPO dessen Rechtshängigkeit voraus, scheint die Auslegung der Begriffe anhängiger Rechtsstreit in § 259 Abs. 3 InsO nichts anderes als den Gleichklang der Vorschriften herbeizuführen. Der erkennende Senat meint weiter, dieses Verständnis von anhängig i.S.v. Rechtshängigkeit liege auch §§ 85, 86 InsO zugrunde, was allerdings in diesen Vorschriften deshalb naheliegt, weil sie unmittelbar auf § 240 ZPO verweisen. Allerdings geht der IX. Zivilsenat nicht allein von der Rechtshängigkeit des Anfechtungsrechtsstreits, sondern von der Klageerhebung aus. Er führt nämlich aus, die Aufhebung des über das Vermögen des Schuldners eröffneten Insol-
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
II. Prozessführungsbefugnis nach planbedingter Verfahrensaufhebung
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venzverfahrens sei mit der Beschlussfassung des Insolvenzgerichts am 5.7. 2012 wirksam geworden und, so der Senat wörtlich, damit vor Klageerhebung. Damit wird ein weiterer „Begriff“ eingeführt. Betrachtet man das Zivilprozessrechtsverhältnis als ein Verhältnis nicht allein zwischen den beiden Parteien, sondern zieht seine „publizistische Seite“, nämlich das Verhältnis jeder Partei zum Gericht, mit in die Betrachtung ein, dann wird deutlich, dass sich die Klageerhebung (das Rechtsmittel des Klägers) an das Gericht richtet – was mit dem Begriff der Anhängigkeit zum Ausdruck kommt. Dies braucht hier alles nicht weiter ausgeführt zu werden. Es bestehen Zweifel daran, ob die vorliegende Entscheidung zivilprozessual zwingend ist. Aus der Sicht der Gläubiger, deren Rechtsdurchsetzungschancen durch einen Insolvenzplan verbessert werden sollen, ist die Entscheidung betrüblich. Dem Anfechtungsgegner verschafft sie einen Prozesssieg, der unverdient erscheint. Der erkennende Senat meint weiter, § 167 ZPO komme hier nicht zur Anwendung. Diese Vorschrift besagt, dass wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 BGB gehemmt werden soll, diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH keine rein zeitliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen. Diese Verzögerungen können von den Parteien nicht beeinflusst werden, da die Zustellung von Amts wegen geschieht, so dass die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes zu bewahren sind.⁴¹⁵ Der BGH hat daher darauf erkannt, dass es deshalb keine absolute zeitliche Grenze gibt, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als „demnächst“ anzusehen ist.⁴¹⁶ Dies gilt auch dann, wenn es – wie hier – zu mehrmonatigen Verzögerungen kommt.⁴¹⁷ Denn Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, muss sich der Kläger grundsätzlich nicht zurechnen lassen.⁴¹⁸ Allerdings geht der BGH in ständiger Rechtsprechung auch davon aus, dass einer Partei solche nicht nur geringfügigen Verzögerungen zuzurechnen sind, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können.⁴¹⁹ Hat die Partei alle von ihr geforderten Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße Klagzustellung erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvor-
BGH, Urt. v. . . – V ZR / – NJW , ; Urt.v. . . – VIII ZR / – BGHZ , , f. BGH, Urt. v. . . – IV ZR / – NJW , . BGH, Urt. v. . . – IV ZR / – VersR , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – NJW-RR , . BGH, Urt. v. . . – V ZR /.
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E. Insolvenzplan
schuss eingezahlt, so sind sie und ihr Prozessbevollmächtigter im Weiteren nicht mehr gehalten, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfragen auf die beschleunigte Zustellung hinzuwirken.⁴²⁰
3. Prozessführungsbefugnis des planüberwachenden Sachwalters Die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters, der die Planüberwachung nach Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens durchzuführen und zur Führung von Insolvenzanfechtungen durch den Plan ermächtigt ist, ruft Fragen hervor.⁴²¹ Fall 131: Mitte Dezember 2009 war unter Bestellung der späteren Klägerin zur Insolvenzverwalterin das Insolvenzverfahren über das Vermögen der schuldnerischen GmbH eröffnet worden. Die Klägerin machte Anfechtungsansprüche gegen den Beklagten geltend, der für die Schuldnerin tätig gewesen war. Die Klage war am 7.5. 2010 eingereicht und am 26. 5. 2010 zugestellt worden. Die Schuldnerin hatte am 23.4. 2010 einen am 7. 5. 2010 beschlossenen und mit amtsgerichtlichem Beschluss vom selben Tag bestätigten Insolvenzplan vorgelegt, in dem zwei Massen gebildet wurden, nämlich eine Masse 1, aus der eine kurzfristige Befriedigung der plangemäß festgesetzten Gläubigerforderungen vorgenommen werden sollte – bestehend aus der Differenz zwischen näher bezeichneten Aktiva und Passiva. Im Übrigen fand sich im Insolvenzplan der Passus, dass die Insolvenzverwalterin alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten nach § 259 Abs. 3 InsO weiterführen sollte. Die unter einer neuen Firma handelnde Schuldnerin stellte am 17.10. 2010 Eigenantrag, auf den hin am 1. 2. 2011 ein neues Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und wiederum die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt wurde.Vor dem LG hatte die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage Erfolg, diese wurde aber auf Berufung des Beklagten vom Berufungsgericht abgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung der Entscheidung und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
In der Zusammenfassung des Plans war als maßgebliches Datum für die Einreichung der Klagen der 7. 5. 2010 genannt worden. Das Insolvenzverfahren war am 21.6. 2010 aufgehoben worden. Die im Insolvenzplan getroffenen Regelungen waren damit aber in sich widersprüchlich, da zum einen auf die zum 30.4. anhängig gemachten Verfahren, zum anderen eine allgemeine; über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinaus für anhängig gemachte Anfechtungsprozesse geltende Prozessführungsbefugnis der bisherigen Verwalterin geregelt worden war. Schließlich fand sich ein Widerspruch der Planregelungen zu der Zusammenfassung des Plans. Bei einem Widerspruch zwischen Planzusammenfassung und Planinhalt geht der BGH davon aus, dass es auf den Inhalt des Plans an-
BGH, Urt. v. . . – IV ZR / – NJW , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
II. Prozessführungsbefugnis nach planbedingter Verfahrensaufhebung
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kommt. Denn nicht die Zusammenfassung sondern der Plan wird nach § 248 InsO vom Insolvenzgericht bestätigt. Der von der Insolvenzverwalterin rechtshängig gemachte Anfechtungsrechtsstreit wurde durch die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens nach § 240 unterbrochen. Denn das zweite Insolvenzverfahren hatte eine Masse, die von dem Rechtsstreit betroffen wurde. Nun ist allerdings nach dem formellen Parteibegriff die Vorschrift des § 240 ZPO nicht anwendbar, weil die aufgrund ihrer Rechtsmacht aus § 259 Abs. 3 InsO klagende Insolvenzverwalterin des ersten Insolvenzverfahrens als Sachwalterin aufgrund des dort verabschiedeten und bestätigten Insolvenzplans Partei des Prozesses war. § 240 ZPO setzt aber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der prozessierenden Prozesspartei voraus, was hier also nicht der Fall war. Der IX. Zivilsenat geht davon aus, dass § 240 ZPO auf den vorliegenden Fall der gewillkürten Prozessstandschaft der Klägerin als Insolvenzverwalterin im ersten Insolvenzverfahren anzuwenden sei. Diese gewillkürte Prozessstandschaft beruhe nun auf dem Insolvenzplan, nicht aber auf einer Auftragserteilung durch den Schuldner. Daher komme die Prozessstandschaft nicht nach §§ 115, 116 InsO durch die zweite Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zum Erlöschen. Der Rechtsstreit muss schon deshalb unterbrochen werden, weil die Kosten der Rechtsverfolgung in den Anfechtungsprozessen von der Schuldnerin zu zahlen waren. Das ergibt sich daraus, dass nach den Regelungen des Insolvenzplans, von den aus den Anfechtungen erzielten Erlösen die etwaigen Kosten der Rechtsverfolgung abzuziehen gewesen wären. In Ermangelung von Rückstellungen hierfür waren diese Kosten ggfls. Insolvenzforderungen in dem zweiten Verfahren. Die Insolvenzgläubiger, die Ansprüche aus dem Plan hatten, werden aber nicht mehr auf diese Ansprüche verwiesen, sondern können mit ihren Insolvenzforderungen am zweiten Insolvenzverfahren im vollen Betrag teilnehmen, soweit sie aufgrund des Planes nicht Erfüllung erlangt haben. Nach § 255 Abs. 2 InsO werden Stundung oder Teilerlasse nach dem Insolvenzplan im ersten Verfahren für alle Gläubiger hinfällig. Sowohl die „Altgläubiger“ im Erstverfahren als auch die zwischenzeitlich hinzugetretenen Neugläubiger werden gleichbehandelt. Deshalb erachtet der BGH eine gesonderte Abwicklung der Anfechtungsansprüche, die im Erstverfahren anhängig gemacht wurden und für die die gewillkürte Prozessstandschaft der dort bestellten Insolvenzverwalterin begründet worden war, gegenüber den möglicherweise später entstandenen Insolvenzanfechtungsansprüchen für nicht sachgerecht. Denn es fehle – anders als in Fällen des §§ 92, 93 InsO – an getrennten Vermögens- bzw. Insolvenzmassen. Der BGH konzediert freilich, dass, wenn der Anfechtungsgegner das anfechtbar Erlangte bereits im ersten Verfahren zurückgezahlt hatte, ein neuer Anspruch aus dem Vorgang gegen den Anfechtungsgegner auf Rückgewähr zur Masse im zweiten Insolvenzverfahren nicht mehr begründet
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E. Insolvenzplan
sei.⁴²² Die Unterbrechung des anhängigen Anfechtungsanspruchs nach § 240 ZPO habe nun die Funktion, dass der Insolvenzverwalter im zweiten Verfahren die Aufnahme des Prozesses nach § 85 InsO prüfen kann. Denn er müsse die Frage stellen und beantworten, ob er zu Lasten der Masse des zweiten Insolvenzverfahrens diese Prozesse fortführen will. Liegt – wie im vorliegenden Fall – eine solche Erklärung vor, ist der Prozess nach § 85 InsO aufgenommen.
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
F. Eigenverwaltung I. Eröffnungsverfahren 1. Veröffentlichungen von Anordnungen gem. § 270b InsO Das AG Göttingen ⁴²³ hat darauf erkannt, dass es im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts stehe, Anordnungen im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO i.V.m. § 23 InsO öffentlich bekannt zu machen.
2. Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung Die Anordnung der Eigenverwaltung ist nach § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu versagen, wenn sie Nachteile für die Gläubiger nach sich zieht. In der Vergangenheit hat sich die Frage gestellt, wie die Nachteiligkeit der Anordnung der Eigenverwaltung von dem Gericht festzustellen bzw. Tatsachen zu ermitteln seien, aus denen auf die Nachteiligkeit der Anordnung gefolgert werden kann und muss. Dies hat das AG Köln ⁴²⁴ in einem Fall angenommen, in dem Gläubiger ihre fehlende Bereitschaft als Lieferanten, Waren- oder Geldkreditgeber an einer kooperativen Sanierung teilzunehmen und einen Sanierungsbeitrag zu leisten oder die Belieferung des Schuldners aufrechtzuerhalten, vor dem Insolvenzantrag signalisiert oder gar Schutzschriften vorgelegt hatten. In dem vom AG Köln zu behandelnden Fall war zwar von der Schuldnerin mit den wesentlichen Gläubigern ein Maßnahmenprogramm in Form eines Sanierungskonzepts und eines Sanierungseckpunktepapiers für die von ihr vorgesehene außergerichtliche Sanierung aufgestellt worden, die aber nicht zustande kam. Daraufhin sprach sich die größte Gläubigerin mit zwei Schriftsätzen gegen die Anordnung der Eigenverwaltung wegen des Scheiterns der außergerichtlichen Sanierung aus. Weitere maßgebliche Gläubiger erklärten sich schriftsätzlich und per E-Mail in dieser Richtung.
AG Göttingen, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , ; siehe hierzu auch: Horstkotte, Öffentliche Bekanntmachung der vorläufigen Sachwalterschaft nach ESUG durch das Insolvenzgericht?, ZInsO , . AG Köln, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , .
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F. Eigenverwaltung
3. Zeitpunkt der Nachteilsprognose bei Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung In dem Leitsatz, den das AG Hamburg in seiner Entscheidung vom 18.12. 2013⁴²⁵ formuliert hat, wird eine einschränkende Auslegung der §§ 270a, 270 ff. InsO dergestalt zugrunde gelegt, dass das Eigenverwaltungsverfahren nur für geeignete Ausnahmefälle vorgesehen sei. Diese seien gegeben, wenn vorbereitete Anträge vorlägen, ohne dass eine „Nachteilsprognose zum Eröffnungszeitpunkt“ vorliege. Diese Nachteilsprognose habe das Insolvenzgericht spätestens mit dem Eröffnungsbeschluss „nach freiem Ermessen“ zu treffen. Daraus folgerte das AG Hamburg, das Eigenverwaltungsverfahren sei nur bei Betriebsfortführungsverfahren mit konkreter Sanierungsaussicht sinnvoll. Das ist in seiner Allgemeinheit mehr als zweifelhaft, aber in dem vom AG Hamburg zu entscheidenden Fall im Ergebnis nachvollziehbar. Fall 132: Die schuldnerische Gesellschaft betreute 34 geschlossene Fonds in mehreren Branchen. Über das Vermögen der Alleingesellschafterin der Schuldnerin war ebenfalls durch das AG Hamburg das Insolvenzverfahren eröffnet worden, nachdem Ende Oktober 2013 die vorläufige starke Insolvenzverwaltung angeordnet worden war. Dies war geschehen, weil die Alleingesellschafterin der Alleingesellschafterin der Schuldnerin, die W. KG, allein von einer natürlichen Person geführt und liquiditätsmäßig ausgestattet wurde. Gegen diesen Hintermann waren staatsanwaltliche Ermittlungen wegen Untreue eingeleitet worden, denen der Vorwurf zugrunde lag, in Millionenhöhe den Fonds Gelder entzogen zu haben. Diese Fonds wurden von der Schuldnerin verwaltet. Der „Hintermann“ wurde, wie dem Insolvenzgericht aus der Presse bekannt, bereits Ende September 2013 in Untersuchungshaft genommen.
Zunächst bestehen nicht nur keine Bedenken, sondern es gehört nach dem Verweis in § 4 InsO auf die ZPO und somit auch auf die Regelung des § 291 ZPO, zu einer ordnungsgemäßen Handlungsweise des Insolvenzgerichts, dass es bei seiner Entscheidung notorische Tatsachen als bewiesen zugrunde legt. Sind bereits in der Presse die Vorgänge um den Hintermann der Schuldnerin bekannt geworden, begründet dieses die Gerichtsnotorität von Tatsachen, die in Bezug auf die für die Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung relevante Frage, ob diese Nachteile für die Gläubiger nach sich zieht, erheblich sind. Zu Recht hat das AG Hamburg in diesem Fall nicht etwa einen Sachverständigen bestellt, sondern sich auf das eigene Wissen des Gerichts gestützt. Denn es liegt auf der Hand, dass der gegen den Hintermann der Schuldnerin erhobene Verdacht einen Umstand umschließt, aus dem darauf geschlossen werden kann, dass die Anordnung der Eigenverwaltung für die Gläubiger der Schuldnerin nachteilig ist. Denn der Vorwurf,
AG Hamburg, Beschl. v. . . – c IN / – ZIP , .
I. Eröffnungsverfahren
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wie das AG Hamburg in den Gründen seiner Entscheidung ausführt, bezog sich auf widerrechtliche Entnahmen aus den von der Schuldnerin verwalteten Fonds. Die Mitarbeiter der Muttergesellschaft, über die nun in der Tat das Insolvenzverfahren als „Regelinsolvenzverfahren“ unter Bestellung eines Insolvenzverwalters eröffnet worden ist, hatten im Wesentlichen auch für die Schuldnerin gearbeitet, wie das Insolvenzgericht aus dem im Verfahren der Muttergesellschaft erstellten Gutachten wusste. Auch insoweit lag Gerichtsnotorität i.S.v. § 291 ZPO vor, die dem Insolvenzgericht Tatsachen bekannt machte, die es im Antragsverfahren gegen die Schuldnerin zu verwerten hatte. Das AG Hamburg führt nun aus, es sei erforderlich, aufgrund der „Gesamtgeschichte“ die verschiedenen Unternehmen als Unternehmensgruppe zu behandeln, weshalb es auf den Regierungsentwurf zum Konzerninsolvenz verwies. Ob dies nun erforderlich ist oder nicht, mag hier dahingestellt bleiben. Es sind jedenfalls für die Insolvenzschuldnerin, über deren Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung das Gericht zu entscheiden hatte, deren Verflechtung und das Schicksal der Unternehmen, die auf die Geschäftspolitik der Insolvenzschuldnerin entscheidenden Einfluss nehmen, als Umstände in die Entscheidung einzubeziehen, die über die Nachteiligkeit der Anordnung der Eigenverwaltung Aussagen zu treffen geeignet sind. Es bestehen weiter keine Bedenken dagegen, dass das AG Hamburg strafrechtliche Ermittlungen gegen den Schuldner bzw. seine Gesellschafter und/oder Geschäftsführer für geeignet hält, eine Gläubigergefährdungsprognose des Gerichts zu tragen. Auch die noch im Amt befindliche Geschäftsführung hatte aufgrund des Gutachtens des vorläufigen Sachwalters „als belastet zu gelten“. Im Übrigen war nicht klar, ob gegen die weiteren, operativ tätigen Altgeschäftsführer der Insolvenzschuldnerin staatsanwaltlich ermittelt wurde. Darüber hinaus war das Geschäft der Insolvenzschuldnerin – nämlich die Initiierung von Fonds – zum Erliegen gekommen. Auch während der vorläufigen Eigenverwaltung war eine Stabilisierung der Geschäftstätigkeit durch die Fortführung von Asset-Management-Verträgen nicht gelungen, da die beteiligten Banken sich dem entgegengestellt hatten. Mit diesen sachverhaltsbezogenen Erwägungen hätte nun das Insolvenzgericht seine Entscheidung begründen können. Es hat sich aber veranlasst gesehen, folgende, gleichsam verallgemeinernde Normsätze zu formulieren: 1. Das Eigenverwaltungsverfahren sei „keine regelhafte Form des Regelinsolvenzverfahrens“ – was auf einen bemerkenswerten Pleonasmus hinausläuft. Gemeint ist, es sei nur für geeignete Ausnahmefälle gedacht. 2. Nur bei konkreter Sanierungsaussicht in Fällen der Betriebsfortführung sei das Eigenverwaltungsverfahren sinnvoll. 3. Das Insolvenzgericht habe in freiem Ermessen eine Prognoseentscheidung zu treffen.
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4.
F. Eigenverwaltung
Es bestehe kein Anspruch auf Anordnung der Eigenverwaltung.
So zutreffend die Entscheidung des AG Hamburg im konkreten Fall ist, so sehr setzt sich das Gericht der Kritik aus, indem es seine Rolle, die ihm sowohl in der Organisation des Instanzenzuges als auch im System der Gewaltenteilung zukommt, überzieht. Dem als kleinen Gesetzgeber auftretenden Insolvenzrichter entgeht, dass es Fallgestaltungen geben kann, in denen die Anordnung der Eigenverwaltung auch in einem Liquidationsverfahren sinnvoll sein kann. Man denke an single-asset-real-estate-cases, in denen der Eigentümer der Immobilie eine Baugenehmigung hält, die wegen Änderung der baurechtlichen Vorschriften nicht mehr erteilt werden würde. Hier kann es einen Sinn haben, den Schuldner im Rahmen der Eigenverwaltung Gebrauch von der Baugenehmigung machen zu lassen, denn die Baugenehmigung wird ad personam und nicht losgelöst von der Person des Bauherrn objektbezogen erteilt. Es mag insoweit noch weitere Fallgestaltungen geben, in denen für Liquidationsverfahren (schließlich ist anerkannt, dass es auch Liquidationspläne gibt, die ein die Eigenverwaltung beantragender Schuldner freilich vorlegen müsste, um Bedenken gegen die Anordnung der Eigenverwaltung zu begegnen). Das AG Hamburg nahm solche Konstellationen nicht in den Blick. Ihm ist insoweit kein Vorwurf zu machen. Es ist schließlich ein Amtsgericht, das über konkrete Fälle zu entscheiden hat. Umso betrüblicher ist es, dass seine richtige Entscheidung durch fehlerhafte Abstraktionen der Kritik ausgesetzt ist. Ebenso zweifelhaft ist die Behauptung, das Gericht habe eine „freie Ermessensentscheidung“ über die anzustellende Gefährdungsprognose zu fällen. Denn das AG Hamburg hält bereits geringe Zweifel für genügend, um den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung zurückweisen zu können. Dies jedoch dürfte mit dem Zweck des Eigenverwaltungsverfahrens, die Reorganisation von Schuldnerunternehmen, aber auch die optimale Verwertung der Masse, die – wie gezeigt – in bestimmten Konstellationen den Einsatz des Schuldners erforderlich macht, zu ermöglichen, nicht vereinbar sein. Anstelle der doch eher spekulativen „Normsätze“, die das AG Hamburg aufstellt, empfiehlt es sich, den Zusammenhang zwischen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung und prepackaged-plan⁴²⁶ in den Blick zu nehmen, denn der vom Schuldner vorgelegte prepackaged-plan zeigt, ob der Schuldner allein „weiter wurschteln“ oder eine konkrete Konzeption zur Abwicklung des Verfahrens vorlegt.
Smid/Wehdeking, Soll die Anordnung der Eigenverwaltung voraussetzen, dass der Schuldner dem Insolvenzgericht einen „pre-packaged“ Insolvenzplan vorlegt? ZInsO , .
I. Eröffnungsverfahren
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Schließlich ist es zweifelhaft, ob nicht in der Tat ein Anspruch auf Eigenverwaltung besteht. Dies wird zwar in der Literatur abgelehnt. Man bedenke aber, dass gegenüber der Abwicklung des Verfahrens unter Bestellung eines Insolvenzverwalters sich die Anordnung der Eigenverwaltung als die weniger weitreichend in die Rechte des Schuldners eingreifende Form der Abwicklung des Verfahrens darstellt.⁴²⁷ Das AG Hamburg zitierte Literaturstimmen, die ausführen, die Anordnung der Eigenverwaltung sei restriktiv zu handhaben. Auch das ist wiederum zu abstrakt, als dass man hieraus einen allgemein gültigen Satz formulieren könnte. Richtig ist, dass die Anordnung der Eigenverwaltung rechtmäßig zu handhaben ist.
4. Wohl vorbereitete Insolvenzanträge Die Entscheidung des AG Hamburg vom 18.12. 2013⁴²⁸ ist mit dem Beschluss vom 19.12. 2013, in dem das Gericht genau die im Schrifttum⁴²⁹ entwickelten Maßstäbe aufzugreifen scheint, fortgeführt worden.⁴³⁰ Denn das AG Hamburg formuliert in dem zweiten Fall wiederum leitsatzartig, dass die Anordnung des Eigenverwaltungsverfahrens „wohl vorbereitete“ Insolvenzanträge voraussetze, in dem die Geschäftsleitung deutlich zu machen habe, dass sie den speziellen rechtlichen Anforderungen, die sich im Insolvenzverfahren stellen, gewachsen sei. Es sei die Kenntnis zum Führen von Tabelle und Massenverzeichnis, zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger und zur regelrechten Begründung von Masseverbindlichkeiten darzulegen. In seiner sehr kurz gefassten Entscheidung wies das AG Hamburg darauf hin, dass die Geschäftsleitung auf Befragen der Geschäftsstelle angegeben habe, vorgerichtlich nicht insolvenzrechtlich beraten worden zu sein. Im Übrigen findet sich, im zweiten Absatz der Gründe, der Textbaustein aus dem Beschluss vom Vortag, in dem darauf verwiesen wird, das Eigenverwaltungsverfahren sei keine regelhafte Form des Regelinsolvenzverfahrens sowie als dritter Absatz der Baustein über die freie Prognoseentscheidung. Man fragt sich in der Tat, ob eine vorgerichtliche insolvenzrechtliche Beratung zwingend erforderlich ist, um Bedenken an einer Gläubigergefährdungsmöglichkeit der Anordnung der Eigenverwaltung auszuschließen. In dem vom AG Hamburg entschiedenen Fall beruhte der geringe Zweifel des Insolvenzgerichts,
Wehdeking, Masseverwaltung des insolventen Schuldners, , . AG Hamburg, Beschl. v. . . – c IN / – ZIP , . Wehdeking, Masseverwaltung des insolventen Schuldners, , . AG Hamburg, Beschl. v. . . – c IN / – ZIP , .
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F. Eigenverwaltung
aufgrund dessen es seine freie Prognoseentscheidung fällte, auf Äußerungen des Geschäftsführers, der durch die Geschäftsstelle befragt worden war. Nun kann man sich solche Fälle natürlich vorstellen. Es ist aber darauf zu verweisen, dass nach der Judikatur des II. Zivilsenats des BGH der Geschäftsführer einer GmbH in jeder Lage der Entwicklung der Gesellschaft sich ständig über den Liquiditätsstatus und eine mögliche Überschuldung zu unterrichten und für den Fall, dass er hierzu nicht in der Lage ist, Rat einzuholen hat. Gleichwohl liegen die Entscheidungen, die die Geschäftsführung insbesondere im Hinblick auf eine Eigenantragstellung zu treffen hat, nicht etwa in der Hand von Beratern, sondern in der Hand der Geschäftsführung selbst. Daher ist die Frage, ob ein Geschäftsführer, der schließlich auch Liquidator der Gesellschaft sein wird, einen Eigenantrag mit Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung stellen kann oder nicht, nicht einfach daraus zu beantworten, dass der Geschäftsführer einen externen Rat nicht in Anspruch genommen hat. Man denke etwa an einen vorgebildeten Geschäftsführer, den es schließlich auch gibt, oder den über langjährige Erfahrungen verfügenden sorgfältigen und gewissenhaften Geschäftsführer. Das Insolvenzverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung ist keine Sinekure von Beratern.⁴³¹ Es müsste daher ein Parallellauf zu den Maßstäben gefunden werden, die von der Judikatur an die Beraterhaftung angelegt werden. Ob im Übrigen der Geschäftsführer der Schuldnerin seine Kenntnis zum Führen von Tabellen und Masseverzeichnissen, zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger und zur regelgerechten Begründung von Masseverbindlichkeiten darzulegen hat, ist ebenfalls zweifelhaft. Ebenso wie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Geschäftsführer sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Anordnung der Eigenverwaltung über den Liquiditätsstatus der Gesellschaft ständig Rechenschaft abzulegen. Insoweit verändert sich die Rechtslage für ihn in der Tat nicht. Auch diese Entscheidung kennzeichnet sich dadurch, dass sich das Insolvenzgericht zu falschen, quasi-legislatorischen Verallgemeinerungen versteigt. Im Unterschied zu der Entscheidung vom Vortag lässt sich allerdings aus dem in den Gründen nur rudimentär dargestellten Sachverhalt nicht ableiten, ob tatsächlich eine Gläubigergefährdung vorlag. Dass das Insolvenzgericht insoweit auf eine Anhörung des Geschäftsführers verzichtete und diese seiner Geschäftsstelle überlassen hatte, ist verfahrensrechtlich zu beanstanden. Denn die Aufgaben im Eröffnungsverfahren, zu denen die Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit von Anträgen zählt, liegen nicht in der funktionalen Zuständigkeit der Geschäftsstelle, sondern in der des Insolvenzrichters.
Smid, Im Focus: Beraterhaftung – Teil , ZInsO , ff.
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5. Gesellschafterkonflikte in der Eigenverwaltung Suhrkamp ist überall – wird der Leser der Entscheidung des AG Mannheim ⁴³² aus dem Februar 2014 auszurufen geneigt sein. Fall 132: Das AG Mannheim hat den von einem Mehrheitsgesellschafter-Mitgeschäftsführer einer Arbeitnehmerüberlassungs-GmbH gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der mit einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung sowie der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270a InsO verbunden war, für zulässig erachtet, ihn aber als unbegründet zurückgewiesen. Denn der Mehrheitsgesellschafter-Mitgeschäftsführer hatte den Antrag bereits am Vortag der Einladung zu einer Gesellschafterversammlung gestellt, auf der über den gestellten Insolvenzantrag gesprochen und im Übrigen über die Aufkündigung des Anstellungsverhältnisses des Minderheitengesellschafters und Geschäftsführers entschieden werden sollte. In dem vom AG Mannheim entschiedenen Fall lag drohende Zahlungsunfähigkeit der schuldnerischen Gesellschaft vor. Nachdem das AG Mannheim darauf hingewiesen hatte, dass es wegen der bestehenden Uneinigkeit innerhalb der Geschäftsleitung Bedenken gegen die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung habe und eine 7-tägige Frist zur Rücknahme des Eröffnungsantrags gesetzt hatte, zeigte der Minderheitengesellschafter seine anwaltliche Vertretung an und der antragstellende Mehrheitsgesellschafter-Mitgeschäftsführer bat das Gericht, seine Entscheidung zu überdenken. Der gegenwärtige Liquiditätsengpass erfordere die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; wegen der Mehrheitsverhältnisse sei ein den Insolvenzantrag stützender Beschluss zu erwarten und im Übrigen hätten die Gläubiger deshalb Nachteile nicht zu befürchten, weil deren vollständige Befriedigung zu erwarten sei. Am Folgetag meldete sich der anwaltliche Vertreter des Minderheitengesellschafters und regte an, einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen, dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen werden sollte. Bei sachgerechter Führung sei die Schuldnerin sanierungsfähig. Es müsse verhindert werden, dass der Mehrheitsgesellschafter die 100 %-ige Tochter der schuldnerischen Gesellschaft aus der Muttergesellschaft herauslöse; der Mehrheitsgesellschafter sei Geschäftsführer dieser Tochtergesellschaft.
In Anlehnung an die „Suhrkamp“-Judikatur des OLG Frankfurt ⁴³³ führt das AG Mannheim in seinem wohlbegründeten Beschluss aus, gesellschaftsrechtlich sei zwar dem Geschäftsführer die Stellung eines Insolvenzantrags wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gegen den Willen der Gesellschafter untersagt. Hier habe ein entsprechender Gesellschafterbeschluss auch nicht vorgelegen. Dies wirke sich aber auf die Antragsbefugnis nach § 18 Abs. 3 InsO nicht aus. Denn diese sei in der Weise an die gesellschaftsrechtliche Vertretungsbefugnis gekoppelt, dass der im Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers beruhende Mangel nicht die Antragsbefugnis aushebele. Weiter führt das AG Mannheim aus, der gestellte Antrag sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Denn die Verweigerung der Mitwirkung an
AG Mannheim, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , . OLG Frankfurt, Beschl. v. . . − U / – ZIP , .
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F. Eigenverwaltung
einer Sanierung durch den Minderheitengesellschafter lasse dessen Schutzbedürftigkeit als zweifelhaft erscheinen. Den somit zulässigen Antrag hat das AG Mannheim indes für unbegründet gehalten. Dabei seien nicht allein die wirtschaftlichen Ergebnisse des Regelinsolvenzverfahrens unter Bestellung eines Insolvenzverwalters auf der einen Seite und des Insolvenzverfahrens unter Anordnung der Eigenverwaltung auf der anderen Seite zu betrachten, sondern darüber hinaus habe das Gericht die Geeignetheit des Schuldners, die mit der Anordnung der Eigenverwaltung von ihm wahrzunehmenden Masseverwaltungsaufgaben im Befriedigungsinteresse der Gläubiger zu erfüllen, in seine Beurteilung einzubeziehen. Im Falle der Uneinigkeit der beiden Gesellschaftergeschäftsführer liege ein Indiz dafür vor, dass die ordentliche Wahrnehmung der Eigenverwaltungsaufgaben nicht gewährleistet sei. Ebenso wie das AG Hamburg ⁴³⁴ hat das AG Mannheim aus dem Umstand, dass eine hinreichende Gläubigerliste i.S.v. § 13 Abs. 1 S. 3 InsO nicht vorgelegen habe, den Schluss gezogen, dass der Antrag im vorliegenden Fall nicht „wohl vorbereitet“ war, ohne sich dabei diesem Kriterium des AG Hamburg ausdrücklich anschließen zu wollen. Es sei weiter nachteilig, dass die Gesellschafterversammlung verspätet einberufen worden sei. Darin sei ein kurzsichtiges unternehmerisches Handeln zu sehen. Dies ist für den vorliegenden Fall nachzuvollziehen. Beide Gesellschaftergeschäftsführer waren alleinvertretungsberechtigt, was im Falle der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung und im eröffneten Verfahren der Eigenverwaltung zu widerstreitenden Geschäftsführungsmaßnahmen hätte führen können, die sich unzweifelhaft für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens unter den schwierigen Bedingungen – die Beschlagnahme des Vermögens nach § 35 Abs. 1 InsO und die sich aus § 1 S. 1 InsO ergebenden Anforderungen – als besonders problematisch erweisen würden. Demgegenüber könne auch nicht darauf verwiesen werden, dass § 276a InsO es der Gesellschafterversammlung erlaubt, den, die oder einzelne gesetzliche Vertreter (organschaftliche Vertreter) der schuldnerischen Gesellschaft abzuberufen. Dies nicht deshalb, weil die Gesellschafterversammlung als Gesellschaftsorgan zur Abberufung von organschaftlichen Vertretern der Zustimmung des Sachwalters (und a majore ad minus, im Eröffnungsverfahren ggfls. des vorläufigen Sachwalters) bedarf. Hierauf komme es nicht an, sondern darauf, dass überhaupt in der vorliegenden Situation derartige Konflikte geradezu vorprogrammiert wären. Es lag daher nicht nur nahe, sondern entsprach dem geltenden Recht, dass das AG Mannheim die Rücknahme des Eröffnungsantrages den Be-
AG Hamburg, Beschl. v. . . – c IN / – ZIP , (siehe FN ).
I. Eröffnungsverfahren
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teiligten nahelegte und – nachdem dies nicht geschehen war – die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung abgelehnt hat.
6. Ungenügender Eigenantrag Das AG Hamburg ⁴³⁵ judiziert in Insolvenzsachen in einem der größeren Amtsgerichtsbezirke Deutschlands, was es bis zu einem gewissen Grade verständlich erscheinen lässt, dass in diesem Gericht eine Tendenz besteht, Entscheidungen grundsätzlicher Art zu fällen. So formuliert das AG Hamburg wie ein höchstes Bundesgericht Leitsätze, die es zur Orientierung der Rechtspraxis seinen Entscheidungen voranstellt. Unter Bedingungen der Streichung des § 7 InsO a.F. ist damit durchaus eine problematische Tendenz verbunden, da die Judikatur eines Partikulargerichts bundesweite Geltung beanspruchen kann, ohne dass es einer höchstrichterlichen Kontrolle unterliegt. Das ist insbesondere im Verfahren der Eigenverwaltung, die jedenfalls in Teilen der Richterschaft des Gerichts nach deren eigenen Bekundungen mit Skepsis gesehen wird, durchaus nicht unproblematisch. Die vorliegende Entscheidung ist ungewöhnlich und widerspricht überkommenen Gepflogenheiten, wenn sich das entscheidende Gericht ausdrücklich dazu genötigt fühlte, darauf hinzuweisen, dass der vorläufige Sachwalter bestellt worden war, als sich der „ordentliche Vorsitzende“ im Urlaub befand und ein Stellvertreter zur Entscheidung berufen war. Fall 133: Der Antrag auf Eigenverwaltung war vom Gericht abgelehnt worden, weil „bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt von Nachteilen“ gesprochen haben soll, die sich aus einer aus konkreten Umständen abgeleiteten negativen Prognose ergaben. Die Schuldnerin hatte Eigenantrag unter Beantragung der Anordnung vorläufiger Eigenverwaltung nach § 270a InsO und der Anordnung der Eigenverwaltung gestellt. Nach Angaben des Sachverhalts fehlten im Eigenantrag Angaben zu den Gläubigerin der Gruppe Arbeitnehmer und Kleingläubiger, die vom Gericht nicht aufgefunden werden konnten. Was das im Einzelnen heißt, lässt sich aus dem mitgeteilten Sachverhalt nicht entnehmen. Nachdem der vorläufige Sachwalter sich in einem Zwischenbericht skeptisch über die Möglichkeiten einer vorläufigen Eigenverwaltung geäußert hatte, ordnete das Insolvenzgericht die vorläufige Insolvenzverwaltung unter Bestellung des vorläufigen Sachwalters zum vorläufigen Insolvenzverwalter an. Der „ordentliche Vorsitzenden“, wie es im Beschluss heißt (gewöhnlich ist nach dem Gerichtsverfassungsrecht davon auszugehen, dass auch der urlaubsbedingte Stellvertreter ein ordentlicher Vorsitzender ist und es ist zu hoffen, dass dies an allen Amtsgerichten so zu sehen ist), lehnte nach Urlaubsrückkehr die Anordnung der Eigenverwaltung ab.
AG Hamburg, Beschl. v. . . – c IN / – NZI , .
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F. Eigenverwaltung
Die Entscheidung, ob Umstände bekannt seien, die erwarten lassen, dass die Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen werde, sei – wie das AG Hamburg in der vorliegenden Entscheidung unter Rückgriff auf seine frühere Judikatur⁴³⁶ ausführt – eine „freie Prognoseentscheidung“. Aus den Gesetzesmotiven des ESUG folgert das AG Hamburg, dass beim Erlass des Eröffnungsbeschlusses das Insolvenzgericht „eine Nachteilserwartungsprüfung“ durchzuführen habe, die sei nur an einer Wahrscheinlichkeitsschwelle auszurichten. Es solle ein einfaches Durchwinken von Eigenverwaltungsanträgen vermieden werden. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt von Nachteilen habe daher zur Ablehnung der Eigenverwaltung zu führen. Nun hat Rattunde in einem von Hamburger Juristen herausgegebenen Betriebsfortführungshandbuch⁴³⁷ überzeugend ausgeführt, der böse Schein genüge nicht, um die Anordnung der Eigenverwaltung abzulehnen. Werde aber bereits der Insolvenzantrag nicht in zulässiger Weise gestellt, sondern erst durch Nachreichen von Gläubigerlisten konkretisiert (was durchaus zu den Regelfällen gehört), sei nach Ansicht des AG Hamburg wegen schlechter Vorbereitung des Eigenverwaltungsantrags ein Nachteilskriterium gegeben. Im vorliegenden Fall hatte nun zudem der vorläufige Sachwalter ausgeführt, der Geschäftsführer der Schuldnerin habe ein eigenes Interesse an deren Reorganisation – was bei Gesellschafter-Geschäftsführern wegen des ökonomischen Interesses an einer Reorganisation ja in aller Regel der Fall sein wird. Hier berief sich das AG Hamburg auf Rattunde in dem zitierten Hamburger Betriebsfortführungshandbuch⁴³⁸, dass die Nachteilsprüfung bei den einzelnen Organmitgliedern oder dem Management anknüpfe, und folgerte daraus, dass bei einem eigenen Interesse des Schuldnerorgans eine sachgerechte Amtsführung ausgeschlossen sei. Hierbei stützte sich das AG Hamburg nun auf den BGH ⁴³⁹, der aber zum Insolvenzverwalter und nicht zum Vertretungsorgan des eigenverwaltenden Schuldners entschieden hatte. Das AG Hamburg führt nun allen Ernstes aus, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin als deren Organ, das die Eigenverwaltung vorzunehmen habe, ausgeschlossen sei, weil er als Gesellschafter einer von ihm „anderweit innegehaltenen Gesellschaft, die zugleich wiederum Hauptgläubigerin der hiesigen Gesellschaft“ sei, wirtschaftlich an der Reorganisation interessiert sei. In Situationen verschachtelter Gesellschaften, führt dies regelmäßig dazu, dass eine Eigenverwaltung gerade dort nicht durchgeführt werden kann, wo sie wirtschaftlich sinnvoll ist. Nun mag sich dies
AG Hamburg, Beschl. v. . . – c IN / – ZIP , (Fn. ■); Beschl. v. . . – c IN / – ZIP , (Fn. ). Rattunde, in: Borchert/Frindt, Betriebsfortführung, . Aufl. Rn. . Rattunde, a.a.O., Rn. . BGH, Beschl. v. . . , − IX ZB / – ZInsO , .
I. Eröffnungsverfahren
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aus Umständen ergeben, die das erkennende Gericht zu kennen glaubte; sie sind der vorliegenden Entscheidung indes nicht zu entnehmen. Versucht ein Gericht, Leitsatzentscheidungen zu erlassen, sollte es den Sachverhalt entsprechend ausarbeiten. Kurz: Die vorliegende Entscheidung ist außergewöhnlich bedenklich. Sie widerspricht den Intentionen des Gesetzgebers, die dieser mit der Entscheidung im ESUG verbunden hat.
7. Antrag nach § 270b InsO Das AG Ludwigshafen ⁴⁴⁰ hat darauf erkannt, dass der Antrag auf Anordnung eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO zurückzuweisen sei, wenn vor der Entscheidung des Gerichts über den Antrag die Zahlungsunfähigkeit eintritt. Damit hat das AG Ludwigshafen Auffassungen zurückgewiesen, nach denen es auf den Zeitpunkt der Antragstellung als maßgeblichen Zeitpunkt ankommt.⁴⁴¹ Damit ist zwar die Planbarkeit des Verfahrens für den Schuldner gewährleistet. Es würde aber für das Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO von der allgemeinen prozessualen Struktur eine Ausnahme gemacht, dass die Voraussetzungen der Sachentscheidung noch zu dem Zeitpunkt vorliegen müssen, zu der die Sachentscheidung gefällt wird.
8. Keine Beschwerdebefugnis des Insolvenzschuldners gegen Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung Das LG Stendal ⁴⁴² hat darauf erkannt, dass dem Insolvenzschuldner gegen die Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung keine Beschwerdebefugnis zusteht. Fall 134: In einem Verfahren, in dem die Eigenverwaltung des Schuldners angeordnet worden war,⁴⁴³ hatte das AG einen Sonderverwalter bestellt, der die Aufgabe hatte, Schadenersatzansprüche der Schuldnerin gegen den vorläufigen Sachwalter, die Geschäftsführer und den Darlehensgeber eines Massekredits wegen einer möglicherweise pflichtwidrigen Personenbindung des Massedarlehens (sog. Change-of-Control-Klausel) nachzugehen und diese Schadenersatzansprüche ggfls. geltend zu machen. Gegen diesen Beschluss legte die Schuldnerin die sofortige Beschwerde ein, die sie nach Hinweisbeschluss des Gerichts als Erinnerung bewertet wissen wollte.
AG Ludwigshafen, Beschl. v. . . – f IN / Ft – ZIP , . Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Ringstmeier, . Aufl., , § b InsO, Rn. . LG Stendal, Beschl. v. . . – T / – ZIP , . AG Stendal, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , (siehe Fn. ■).
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F. Eigenverwaltung
Das LG Stendal hat nun darauf erkannt, gegen die Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung und die Bestellung des Sonderinsolvenzverwalters sei die sofortige Beschwerde nicht statthaft, da § 56 InsO eine Anfechtung dieser Entscheidung nicht vorsehe und deshalb nach § 6 Abs. 1 InsO ein Rechtsmittel nicht eröffnet sei. Eine „teleologische Reduzierung“ des § 6 Abs. 1 InsO, wie sie in der Literatur vertreten wird,⁴⁴⁴ hält die Kammer des LG Stendal nicht für richtig. Die Sonderinsolvenzverwaltung sei ein Instrument insolvenzgerichtlicher Aufsicht. Der Gesetzgeber habe für die Aufsichtsmaßnahmen nach §§ 58 Abs. 2 S. 3, 59 Abs. 2 InsO ausdrücklich ein Rechtsmittel vorgesehen, nicht aber für die Sonderinsolvenzverwaltung, so dass insoweit ein Rechtsmittel auch nicht im Wege der Gesetzesauslegung eröffnet werden könne. Zutreffend sieht das LG Stendal, dass der BGH mit der Judikatur zur offenkundigen und greifbaren Gesetzeswidrigkeit schon vor 11 Jahren gebrochen habe.⁴⁴⁵ Es verkennt indes zweierlei. Zum einen ist in der Literatur⁴⁴⁶ die Sonderinsolvenzverwaltung als insolvenzgerichtliches Aufsichtsinstrument einer nachvollziehbaren Kritik ausgesetzt worden. Selbst wenn man dieser Kritik nicht folgt, bleibt doch bestehen, dass das Gesetz eine Sonderinsolvenzverwaltung nicht (ausdrücklich) vorsieht. Legt man nun die Grundsätze des Sachverständigenbeschlusses des BGH zugrunde⁴⁴⁷, dann würde Folgendes gelten: Die Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung belastet durch die damit verbundenen Kosten die Masse. Da im Falle der Eigenverwaltung des Schuldners die Masse der Verwaltungsbefugnis des Schuldners unterworfen ist, stellt sich die Frage, wie eine solche Belastung der Masse verfahrensrechtlich zu beurteilen ist, wenn das Gesetz hierfür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage nicht vorsieht. Selbst wenn man die getroffene Anordnung für zulässig erachtet, kann definitiv im Gesetz ein Rechtsmittel nicht vorgesehen sein, da das Gesetz die Anordnung selbst nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat deshalb keine Entscheidung darüber getroffen, dass ein Rechtsmittel gegen die Anordnung der Sonderverwaltung nicht vorgesehen sei.Wenn dies aber der Fall ist, stellt sich die Anordnung der Sonderverwaltung in dem als administratives Gerichtshandeln zu qualifizierenden Verfahren als hoheitlicher Akt dar, der grundrechtsrelevante Auswirkungen hat, nämlich im Hinblick auf das als Masse beschlagnahmte Schuldnervermögen (Art. 14 Abs. 1 GG). Art. 19 Abs. 4 GG sieht nun vor, dass gegen Akte der öffentlichen Gewalt der
Römermann/Praß, Rechtsschutz bei Ablehnung eines vorläufigen Gläubigerausschusses, ZInsO , ; Horstkotte, Effektiver Rechtsschutz im Verfahren über die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses, ZInsO , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – BGHZ , . Rechel, Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Insolvenzverwalter, De Gruyter , S. . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
II. Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten
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Rechtsweg eröffnet ist. Hieraus – nicht etwa aus greifbarer Gesetzeswidrigkeit – wäre die sofortige Beschwerdebefugnis des Schuldners abzuleiten. Es wird abzuwarten sein, ob der IX. Zivilsenat des BGH in dieser Sache eine konsistente Fortsetzung seiner mit dem Sachverständigenbeschluss eingeleiteten Judikatur vorsieht.
II. Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten 1. Keine Rechtsbeschwerde gegen die Versagung einer beantragten Ermächtigung Mit seinem Beschluss von Anfang Februar 2013⁴⁴⁸ hat sich der IX. Zivilsenat des BGH gegen die Beschwerdeentscheidung des LG Fulda in Sachen der Ablehnung der Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren durch das AG Fulda ⁴⁴⁹ kurz nach Inkrafttreten des ESUG gewandt.⁴⁵⁰ Fall 135: Der Sachverhalt, über den der BGH zu entscheiden hatte, ist bekannt: Nachdem die schuldnerische Gesellschaft am 3. 3. 2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und die Anordnung der Eigenverwaltung beantragt hatte, wurde vom Insolvenzgericht am 5. 3. 2012 ein vorläufiger Sachwalter bestellt und von der Schuldnerin am 8. 3. 2012 beantragt, sie zu ermächtigen, mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters einen Massekredit zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes aufzunehmen.
Die vorliegende Entscheidung darf nicht missverstanden werden.⁴⁵¹ Denn der IX. Zivilsenat hat mit Blick auf § 6 InsO die Rechtsbeschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung für unstatthaft erachtet. Das Gesetz sehe kein Rechtsmittel gegen die Versagung einer Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren vor, so dass § 6 InsO zum Zuge komme, wonach der Rechtsmittelweg nicht eröffnet und im Übrigen auch die Rechtsbeschwerde nicht statthaft ist.⁴⁵² Allerdings sieht § 21 Abs. 1 S. 2
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . AG Fulda, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , . Zu dem Problemkreis: Smid/Oppermann, Ermächtigung des Schuldners zur Aufnahme eines Massekredits zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes im Verfahren nach § a InsO, ZInsO , . Diesen Eindruck weckt die Besprechung der Entscheidung durch Römermann, Gesetzgeber, rette Dein ESUG!, ZInsO , . BGH, Beschl.v. . . – IX ZB / – BGHZ , , ; Beschl.v. . . – VIII ZB / – NJW-RR , ; Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
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F. Eigenverwaltung
InsO ein Rechtsmittel gegen vorläufige Anordnungen des Insolvenzgerichts vor. Hierauf hat sich das LG Fulda auch gestützt, als es das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde für statthaft erachtet hat. Der IX. Zivilsenat des BGH hält aber § 21 Abs. 1 S. 2 InsO nicht für anwendbar. Er sieht wohl in den §§ 270a, 270b InsO Spezialvorschriften gegenüber den allgemeinen Regelungen der §§ 21 ff. InsO. Jedenfalls im rechtsmittelrechtlichen Bereich führt der IX. Zivilsenat aus, dass die §§ 270a, 270b InsO insgesamt keine Rechtsmittel gegen die im Rahmen des Eröffnungs- oder des Schutzschirmverfahrens getroffenen Entscheidungen des Insolvenzgerichts vorsähen. Dies habe seine Ratio in der besonderen Eilbedürftigkeit der in dieser Verfahrenskonstellation zu treffenden Entscheidungen. Es ist gewiss nicht zwingend, in dieser Weise zu argumentieren. Nicht zu verkennen ist indes, dass der Gesetzgeber des ESUG mit Blick auf einen rechtspolitischen Zeitgeist die Zulassung von Rechtsmitteln gegen die Versagung der Anordnung der Eigenverwaltung nicht vorsehen wollte. Dass die Entscheidung nach § 270b Abs. 3 InsO ebenfalls nicht rechtsmittelbewährt ausgestaltet ist, gibt der verfahrensrechtlichen Argumentation des BGH in dieser Sache eine nicht zu leugnende Überzeugungskraft. Ja man kann in der Formulierung des erkennenden Senats, „dass die Frage der Zulässigkeit und Ausgestaltung der beantragten Ermächtigung einheitlich geklärt werden sollte, (…) nicht zur Statthaftigkeit der im Gesetz nicht vorgesehenen sofortigen Beschwerde“ führe, eine verhaltene Skepsis gegenüber der gesetzlichen Ausgestaltung des Rechtsmittelrechts in diesen Fragen erahnen. Nun findet sich in dem Beschluss des IX. Zivilsenats allerdings noch ein weiterer Satz. „Ein Antrag auf Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten“, so heißt es dort, „ist in § 270a InsO ebenso wenig wie eine sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Ermächtigung vorgesehen.“ Dieser Satz nimmt nun das Schrifttum⁴⁵³ zum Anlass zur Kritik. Es könne nämlich aus diesem Satz der Schluss gezogen werden, dass eine gesetzliche Grundlage für die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren unter vorläufiger Eigenverwaltung nicht gegeben sei. Das mag nun so sein, wir werden es aber nie erfahren. Man sollte doch nüchtern mit der vorliegenden Entscheidung umgehen. Und diese Nüchternheit lässt einen zunächst einmal bei verfahrensrechtlichen Betrachtungen anzusetzen und danach fragen, welches nun denn die tragenden Gründe der vorliegenden Entscheidung sind und um welche Art von Entscheidung es sich hier eigentlich handelt. Dabei tritt in den Blick, dass der BGH eine verfahrensrechtliche Entscheidung über die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gefällt hat. Eine verfahrensrechtliche Entscheidung ist ex definitione keine Entscheidung in der Sache selbst. Damit ist der Leser zunächst
Pleister/Tholen, Anmerkung zu BGH, Beschl. v. . . , ZIP , .
II. Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten
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einmal des Umstandes versichert, dass der BGH sich in dem vorliegenden Beschluss jedenfalls nicht dagegen ausgesprochen hat, dass im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO überhaupt Ermächtigungen – sei es des Schuldners, sei es des vorläufigen Sachwalters – zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ausgesprochen werden können. Hat der BGH daher in der Sache nicht entschieden, stellt sich die Frage, ob die vorliegende Entscheidung im Übrigen die Rechtsanwendung bei der Auslegung des § 270a InsO beeinflussen kann. Das wäre nur unter der Voraussetzung der Fall (wenn überhaupt), dass es sich bei dem zitierten Satz um eine Äußerung handelt, die gemeinhin als obiter dictum verstanden wird.⁴⁵⁴ Unter einem obiter dictum versteht man die Äußerung eines Gerichts, namentlich eines Obergerichts, dass angelegentlich einer Entscheidung, in der es zu einer im Übrigen virulenten Sachfrage zu entscheiden nicht in der Lage ist, weil seine Zuständigkeit nicht gegeben oder die Statthaftigkeit seiner Anrufung nicht vorliegt, gleichwohl bekunden will, wie es hinfort die Sachfrage im Falle einer zulässigen Befassung mit ihr zu entscheiden gedenkt. Derartige obiter dicta können in der Tat den Rechtssuchenden helfen und die Untergerichte davon abhalten, in einer Art und Weise zu entscheiden, die geradezu zwangsläufig zur Rechtsmitteleinlegung führen muss. Wenn in der Literatur⁴⁵⁵ Befürchtungen geäußert werden, dass der vorliegende Beschluss auf die Auslegung des § 270a InsO Einfluss nehmen kann, so scheint damit angesprochen werden zu sollen, dass in dem zitierten Satz ein obiter dictum des IX. Zivilsenats zu sehen sei. Aus der zitierten Formulierung des IX. Zivilsenates lässt sich dies aber nicht entnehmen. Denn die Äußerung, in § 270a InsO sei ein Antrag auf Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht vorgesehen, steht in Zusammenhang zu dem im gleichen Atemzug formulierten rechtsmittelrechtlichen Problem. Der Satz sagt nämlich, versteht man ihn aus seinem vernünftigen Zusammenhang heraus, völlig zutreffend, dass, nachdem § 6 InsO die sofortige Beschwerde für die Fälle vorsieht, in denen das Gesetz sie gegen konkrete gerichtliche Entscheidung explizit vorsieht, dass eine im Gesetz nicht explizit vorgesehene Entscheidung denknotwendig nicht rechtsmittelrechtlich i.S.v. § 6 InsO ausgestattet sein kann. Ob dagegen eine in § 270a InsO nicht ausdrücklich vorgesehene Entscheidung über die Ermächtigung des Schuldners (oder ggfls. des Sachwalters) zur Begründung von Masseverbindlichkeiten gefällt werden kann oder nicht, ob die Rechtsansicht des AG Fulda und des LG Fulda zutreffend ist, hat der BGH mit dem kurzen Satz keineswegs entschieden.
Zu der verfahrensrechtlichen Figur des obiter dictum:. Lilie, Obiter dictum und Divergenzausgleich im Strafrecht, Heymann . Pleister/Tholen, Anmerkung zu BGH, Beschl. v. . . , ZIP , .
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F. Eigenverwaltung
Dass es sich hier nicht um ein obiter dictum handelt, ergibt sich aber noch aus einer weiteren Erwägung. Wenn nämlich ein obiter dictum Selbstbindung des Gerichts bedeutet, dann ist doch nicht zu verkennen, dass eine Selbstbindung nach der eigenen Vorstellung des BGH im vorliegenden Fall gar nicht in Betracht kommen kann. Denn der IX. Zivilsenat wird in Ermangelung der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Versagung der Ermächtigung des Schuldners (oder des vorläufigen Sachwalters) zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht mehr in die Lage kommen, diese Frage zu beurteilen. Und dass der IX. Zivilsenat von seiner rechtsmittelrechtlichen Beurteilung der Sachlage künftig abweichen und sofortige Beschwerden gegen die Versagung einer derartigen Ermächtigung für statthaft erachten wird, ist weder nach Lage der Dinge noch nach der Kontinuität der bisherigen Judikatur des IX. Zivilsenats zum insolvenzrechtlichen Rechtsmittelrecht in irgendeiner Weise zu erwarten. Handelt es sich aber nicht um ein obiter dictum, dann sind die Äußerungen des IX. Zivilsenats im vorliegenden Beschluss nicht geeignet, Klarheit über die Auslegung des § 270a InsO herbeizuführen. Wenn darüber hinaus im Schrifttum⁴⁵⁶ befürchtet wird, der Beschluss sei geeignet, Argumente dafür bereitzustellen, dass die vorläufige Eigenverwaltung bei einem zahlungsunfähigen Schuldner unzulässig sei, dann ist diese Besorgnis doch weit überdehnt. Der vorliegende Beschluss lässt aber auch in keiner seiner Äußerungen etwas Derartiges erkennen. Auch insofern wäre es hilfreich, wenn sich die am Insolvenzrecht Interessierten wieder allgemeinen rechtsmethodischen Grundstrukturen zuwenden würden. Das würde nämlich den Blick dafür öffnen, dass Gerichte keine Institutionen sind, die allgemeine „Weisungen“ für die Auslegung des geltenden Rechts formulieren. Vielmehr entscheiden sie im Einzelfall. Und eine solche Entscheidung im Einzelfall konnte nun einmal aufgrund der verfahrensrechtlichen Prämissen des BGH hier in der Sache nicht gefällt werden. Eine rechtsmetaphysische Erforschung des Willens oder der Neigungen des Fachsenats in einer bestimmten Rechtsfrage, gehört daher allein dem Gebiete der Spekulation an.
Pleister/Tholen, Anmerkung zu BGH, Beschl. v. . . , ZIP , .
II. Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten
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2. An den Schuldner während der vorläufigen Eigenverwaltung erbrachte Dienstleistungen Das OLG Naumburg ⁴⁵⁷ hat im Streit eines Klägers, der Dienstleistungen an ein schuldnerisches Unternehmen in der Phase der vorläufigen Eigenverwaltung (im Eröffnungsverfahren) erbracht hatte, zu entscheiden und dabei auszulegen gehabt, ob diese Dienstleistungen unter die Ermächtigung zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten zu fassen waren, die der Schuldnerin durch das Insolvenzgericht nach § 270b Abs. 3 InsO erteilt worden war. Fall 136: Die dem Schuldner im Fall des OLG Naumburg erteilte Ermächtigung schloss neben der Eingehung von Masseverbindlichkeiten zur Insolvenzgeldvorfinanzierung und der Begründung von Massedarlehen, die Ermächtigung zur Begründung von Verbindlichkeiten aus Lieferantenverbindlichkeiten „für Lieferungen“ ein. Das Landgericht hatte diese Ermächtigung so ausgelegt, dass sie auch die Erbringung von Reinigungsleistungen umfasse, die als Masseverbindlichkeiten nach § 270b Abs. 3 InsO i.V.m. § 55 Abs. 2 InsO zu qualifizieren seien. Die Beklagte hatte sich dagegen gewendet und geltend gemacht, sie habe eine Massebegründungskompetenz wegen der Forderungen der Klägerin nicht gehabt. Diese seien daher als Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO zu qualifizieren, deren Zahlung die Klägerin aus der Masse nicht vorab zu begehren, sondern zur Tabelle anzumelden habe.
Das OLG Naumburg führt eingehend aus, dass die Beklagte die Möglichkeit gehabt habe, entweder eine Globalermächtigung zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten oder auch sogenannte Gruppenermächtigungen zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten aus einer bestimmten Art von Geschäften zu beantragen. Eine solche Gruppenermächtigung liege hier vor. Unerheblich sei dabei, ob die Leistungen von Lieferanten oder Dienstleistern für die Masse erforderlich gewesen seien oder nicht. Die Entscheidung des OLG Naumburg verdient nicht nur Zustimmung, sie ist geradezu selbstverständlich. Der vorliegende Fall ruft allerdings doch die Frage hervor, wie es zu einem solchen Rechtsstreit kommen konnte. Natürlich hatte der Schuldner (der schuldnerische Unternehmensträger), an den die Befugnis zur Verwaltung der Insolvenzmasse durch die Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270 Abs. 1 InsO übertragen worden war, die Prozessführungsbefugnis – was sich allein schon daraus ergibt, dass die Prozessführungsbefugnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom schuldnerischen Unternehmensträger auf den schuldnerischen Unternehmensträger als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten übergeht.⁴⁵⁸ Der OLG Naumburg, Urt. v. . . – U / – ZIP , ; ebenfalls das „DailyCer“Eigenverwaltungsverfahren betreffend: OLG Dresden, Urt. v. . . – U / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – V ZB / – ZIP , , Tz. .
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F. Eigenverwaltung
Rechtsstreit war aber im vorliegenden Fall so offensichtlich unbegründet, dass sich die Frage stellt, ob und in welchem Umfang sich hieraus Haftungslagen ergeben. Dies war nicht Gegenstand des vom OLG Naumburg zu entscheidenden Rechtsstreits. Nicht vollständig ausdiskutiert ist zurzeit, wie die Haftung der verschiedenen vom Schuldner bei der Eigenverwaltung in Anspruch genommenen Berater zu sehen ist.⁴⁵⁹ Im vorliegenden Fall liegt es nahe, dass sowohl Lieferungen als auch Leistungen unter die Gruppenermächtigung fielen, so dass sich die Frage der Haftung des Prozessbevollmächtigten des Schuldners für die Kosten aus Gründen der Pflichtverletzung des Mandatsvertrages stellt. Nach einer sich verbreitenden Auffassung gehört es in den Aufgabenbereich des Sachwalters, diese Schadenersatzansprüche aus § 280 BGB geltend zu machen.
3. Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren Fall 137: Der Schuldner hatte Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, die Anordnung der Eigenverwaltung beantragt und weiter Antrag nach § 270b InsO unter Vorlage einer den Anforderungen des § 270b Abs. 1 S. 3 InsO genügenden Bescheinigung gestellt. Dem hatte das Insolvenzgericht unter Fristsetzung zur Vorlage eines Insolvenzplans binnen drei Monaten unter Bestellung eines vorläufigen Sachwalters entsprochen. Der Schuldner hatte weiter einen Antrag nach § 270b Abs. 3 InsO gestellt, ihn zu ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zum einen zum Zwecke der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes für den Monat April 2014 in Höhe von bis zu EUR 260.000, zum anderen für Lieferungen und Leistungen sowie Miet- und Pachtverhältnisse nach einer beigefügten Liste in Höhe von bis zu EUR 313.740 zu begründen.
Das AG Ludwigshafen ⁴⁶⁰ entsprach dem Antrag zu 1, wies aber den Antrag zu 2 zurück. Diese Entscheidung ist aus verschiedenen Gründen interessant. Sie zeigt zum einen, dass Anträge nach § 270b InsO gestellt werden, weil die Handelnden befürchten, dass im Falle der Stellung eines Antrags nach § 270a InsO eine Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht erlangt werden könne. Zum anderen ist die Reichweite der Aufgaben des vorläufigen Sachwalters allgemein dunkel. Der vorläufige Sachwalter hat die Aufgabe, die Geschäftsführung des Schuldners in Ansehung der Prüfung des weiteren Vorliegens der Vor Im vom OLG Dresden, Urt. v. . . – U / – ZIP , , zu entscheidenden Fall, machte der vorläufige Sachwalter ein Rechtsanwaltshonorar – neben seiner Sachwaltervergütung – für der Schuldnerin im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung erbrachte Beratungsleistungen als Masseverbindlichkeit geltend. Dessen Beauftragung durch die Schuldnerin im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung sieht das OLG Dresden als insolvenzzweckwidrig und deshalb unwirksam an. AG Ludwigshafen, Beschl. v. . . – f IN / – ZIP , .
II. Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten
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aussetzungen des § 270b InsO und der künftigen Anordnung eines unter Anordnung der Eigenverwaltung zu eröffnenden Insolvenzverfahrens zu prüfen. An die Stelle dieser Prüfung durch den vorläufigen Sachwalter tritt aber häufig weder eine Sachprüfung durch das Insolvenzgericht noch eine entsprechende Prüfung durch den vorläufigen Sachwalter, dessen heftig reduzierte Vergütung nach außen hin den Anschein erweckt, als habe er gar keine Aufgaben zu erfüllen. Im vorliegenden Fall hatte der Schuldner zur Begründung seines Antrags nach § 270b Abs. 3 InsO vorgetragen, er könne voraussichtlich innerhalb der gesetzten Frist den Insolvenzplan nicht vorlegen. Das AG Ludwigshafen führt nun zu Recht aus, die Grundsätze, die von der Judikatur zur Einzelermächtigung eines vorläufigen Zustimmungsverwalters entwickelt wurden, seien auf die Anordnung einer Globalermächtigung nach § 270b Abs. 3 InsO nicht anwendbar. Denn der Gesetzgeber habe bewusst § 270b Abs. 3 InsO so formuliert, dass das Insolvenzgericht dem Antrag zu entsprechen habe, was aus dem Wortlaut „hat … anzuordnen“ zu folgern sei. Das Insolvenzgericht habe daher eine materielle Prüfung des Antrags nach § 270b Abs. 3 InsO nicht vorzunehmen. Ob das so richtig ist mag bezweifelt werden. Es verlagert jedenfalls die Prüfungsaufgabe vom Insolvenzgericht auf den vorläufigen Sachwalter, der für den Fall, dass Masseverbindlichkeiten in unangemessener Weise begründet werden, nicht allein eine Überwachungsfunktion, sondern ggfls. darauf hinzuwirken hat, dass die Begründung von Masseverbindlichkeiten unterbleibt. Demgegenüber ist es nachvollziehbar, wenn das AG Ludwigshafen in Anlehnung an das LG Dresden ⁴⁶¹ und das AG Köln ⁴⁶² davon ausging, dass die Ermächtigung zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten auch auf einzelne Masseverbindlichkeiten beschränkt werden kann, weil – a maiore ad minus – die Befugnis zur Globalermächtigung zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten, die zur Einzelermächtigung einschließt. Der vom Schuldner im vorliegenden Fall gestellt Antrag zu 1, zur Ermächtigung der Eingehung von Masseverbindlichkeiten zur Finanzierung des Insolvenzgeldes, war nach Ansicht des AG Ludwigshafen denn auch formell in Ordnung, da er insoweit hinreichend bestimmt gewesen sei, weil der im Antrag genannte Gläubiger individualisierbar und die Verbindlichkeit eindeutig bezeichnet gewesen sei. Den Antrag zu 2 wies das Gericht demgegenüber ab,weil nicht klar abgrenzbar gewesen sei, wer denn die Gläubiger der zu begründenden Masseverbindlichkeiten sein sollte. Auf der beigefügten Liste waren zwar die Gläubiger, nicht aber
LG Dresden, Urt. v. . . – O / – ZIP , , ; aufgehoben durch: OLG Dresden, Urt. v. . . – U / – ZIP , . AG Köln, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , .
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F. Eigenverwaltung
deren Anschriften angegeben. Außerdem seien die Leistungen unter Bezeichnungen wie „Leasing-Kfz“ oder „Strom/Gas/Wasser“ bezeichnet, was eine Individualisierung der Verbindlichkeiten nicht ermöglicht habe. Nimmt man nun aber den Schluss a maiore ad minus ernst, stellt sich die Frage, ob in einem derartigen Fall nicht der Schuldner darauf hinzuweisen wäre (§ 4 InsO i.V.m. § 139 ZPO), einen Antrag auf Globalermächtigung zu stellen. Damit wäre er dann vollkommen frei, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Denkt man an den Schutz der Insolvenzgläubiger im eröffneten Insolvenzverfahren, davor, dass die Masse durch die Begründung von Masseverbindlichkeiten ausgehöhlt wird, stellt sich die Frage, ob der hier vorliegende Antrag nach den im mitgeteilten Sachverhalt dargestellten Kriterien gleichwohl ausreichend gewesen wäre. Wäre nämlich aus dem Eigenverwaltungs- in ein Regelinsolvenzverfahren überzugehen gewesen oder hätte der Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren die Tätigkeit des eigenverwaltenden Schuldners zu überwachen gehabt, wäre die zugrunde zu legende Liste ausreichend gewesen, um zu prüfen, ob in der Tat an die Gläubiger bspw. Leasinggebühren zu bezahlen gewesen wären. Aber auch im Weiteren begegnet die Entscheidung des AG Ludwigshafen durchaus Bedenken. Teilt nämlich der Schuldner von vornherein mit, einen Insolvenzplan nicht in der gesetzlichen Frist ausarbeiten zu können, liegt eine Situation wie in dem bekannten „Dura“-Verfahren vor.⁴⁶³ Die hier vorliegenden Probleme resultieren daraus, dass trotz der insoweit eindeutigen Entscheidung des BGH, mit der der IX. Zivilsenat gerade nicht erklärt hat, dass im Verfahren nach § 270a InsO eine Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht erteilt werden kann,⁴⁶⁴ eine Vielzahl von Gerichten immer noch § 270a InsO fehlerhaft auslegt und eine Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten verweigert.Vorliegend gab es die Voraussetzungen für die Anordnung eines Schutzschirmverfahrens also nicht.
III. Eigenverwaltung und Prozessführung 1. Aufnahme von Rechtsstreitigkeiten durch eigenverwaltenden Schuldner Der Schuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung eröffnet worden ist, kann einen insolvenzbedingt unter-
Smid/Oppermann, Ermächtigung des Schuldners zur Aufnahme eines Massekredits zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes im Verfahren nach § a InsO, ZInsO , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , (Fn. ).
III. Eigenverwaltung und Prozessführung
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brochenen Rechtsstreit wieder aufnehmen, da er die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über die Insolvenzmasse hat.⁴⁶⁵
2. § 270a InsO führt noch nicht zur Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO Fall 137: Die Schuldnerin wurde vom Kläger aus einem im Jahr 2009 geschlossenen Vertrag auf Zahlung in Anspruch genommen. Später wurde auf ihren Antrag nach § 270a InsO ein vorläufiger Sachwalter bestellt.
Das LG Freiburg ⁴⁶⁶ geht davon aus, dass die Einsetzung eines vorläufigen Sachwalters nach § 270a InsO noch nicht zur Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO führt. Zwar erkannte der BGH darauf, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Anordnung der Eigenverwaltung des Schuldners die Verfahrensunterbrechung eintritt.⁴⁶⁷ Im Eröffnungsverfahren dagegen kann die Unterbrechung des Prozesses nach § 240 S. 2 ZPO nur unter der Voraussetzung greifen, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögens nach § 22 Abs. 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist. Ist dies dagegen nicht der Fall kommt es nicht zur Verfahrensunterbrechung. In dem Fall des § 270a InsO sieht das LG Freiburg folgerichtig keine Voraussetzungen für den Vorgriff auf die Wirkungen eines eröffneten Insolvenzverfahrens.
3. Eigenverwaltung und PKH Das LAG Stuttgart ⁴⁶⁸ hat den Antrag eines eigenverwaltenden Schuldners auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO zurückgewiesen. Zwar sei der eigenverwaltende Schuldner Amtswalter in eigenen Angelegenheiten, dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Gegenstände der Insolvenzmasse (sein unter Insolvenzbeschlag stehendes Vermögen) durch Hoheitsakt übertragen wurde. Parteien kraft Amtes seien aber Personen, die als Partei fremde Interessen zu vertreten und nicht mit ihrem eigenen Vermögen für die Kosten des Rechtstreits aufzukommen hätten. Im Falle der Eigenverwaltung sei dies anders, da der Schuldner im Arbeitsgerichtsprozess als Arbeitgeber nicht allein Masseverwaltungsaufgaben wahrnehme, sondern eigene Interessen verfolge. Das ist
BFH, Urt. v. . . – V R / – ZIP , . LG Freiburg, Urt. v. . . – O / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – V ZB / – ZIP , . LAG Stuttgart, Beschl. v. . . – TaBV / – ZIP , .
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F. Eigenverwaltung
nun nicht wirklich überzeugend: Das LAG scheint zu glauben, der eigenverwaltende Schuldner handele in seinem Interesse, was nur insoweit stimmt, als der Schuldner sich reorganisieren und seine Verbindlichkeiten minimieren will. Als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten handelt er aber im Interesse der Gläubiger, denn auch im Verfahren der Eigenverwaltung gilt § 1 Abs. 1 InsO!
G. Restschuldbefreiung I. Anmeldung von Deliktsforderungen Forderungen, die auf dem Rechtsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhen, werden durch § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Meldet ein Insolvenzgläubiger in dem über das Vermögen einer natürlichen Person eröffneten Insolvenzverfahren seine Forderung unter Angabe des Rechtsgrundes, dass diese auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe, an, wird der Schuldner, der das Bestehen der Forderung als aus einem anderen Rechtsgrunde begründet nicht bestreitet, nicht selten seinen Widerspruch nach § 178 Abs. 2 S.2 InsO auf die Behauptung beschränken, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe. In einem solchen Fall wird die im Übrigen ordnungsgemäß angemeldete Forderung zur Tabelle festgestellt und das Bestreiten des Deliktscharakters durch den Schuldner nach § 178 Abs. 2 S.2 InsO in die Tabelle eingetragen. Der BGH ⁴⁶⁹ hat in einem derartigen Fall darüber zu entscheiden gehabt, ob der Insolvenzgläubiger die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung bei Widerspruch des Insolvenzschuldners nur gegen den Schuldgrund begehren kann. Der IX. Zivilsenat vertrat die Ansicht, dass wegen der Wirkung der Eintragung der angemeldeten Forderung in die Tabelle gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern nach § 178 Abs. 3 InsO, mit der die Forderung wie durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt wird,⁴⁷⁰ der Gläubiger nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nach § 201 Abs. 2 InsO die Befugnis hat, sich eine vollstreckbare Ausfertigung der Tabelle erteilen zu lassen. Denn der Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht entgegen, wie sich aus § 178 Abs. 1 S.2 InsO ergibt. Allerdings hat der Insolvenzschuldner ein Interesse daran, dass nur berechtigte Insolvenzgläubiger aufgrund des Tabelleneintrages der angemeldeten Forderungen an der Verteilung im Insolvenzverfahren teilnehmen, um eine höhere persönliche Nachhaftung gegenüber den berechtigten Insolvenzgläubigern auszuschließen. Der BGH ging davon aus, dass dieses Interesse ausschließlich vom Insolvenzverwalter und den übrigen Insolvenzgläubigern wahrgenommen wird, der Insolvenzschuldner insoweit keine verfahrensrechtliche Befugnis habe, dieses Interesse zu verfolgen.⁴⁷¹
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , Tz. .
224
G. Restschuldbefreiung
Ob zum Zeitpunkt der Erteilung des vollstreckbaren Auszugs aus der Tabelle nach § 201 S. 1 InsO die Restschuldbefreiung überhaupt erteilt wird, steht im Übrigen zu diesem Zeitpunkt noch dahin. Daher kann der Gläubiger die Erteilung eines Tabellenauszugs beantragen. Der Widerspruch, den der Insolvenzschuldner erhoben hat, ist dann die alleinige Grundlage dafür, dass dieser sich gegen die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO wehren kann. Im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage wird dann, wie der IX. Zivilsenat ausführt, festgestellt, ob der Anspruch, den der Gläubiger mit der Zwangsvollstreckung durchzusetzen versucht, auf dem Rechtsgrund der vorsätzlichen begangenen unerlaubten Handlung beruht und damit von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist.
II. Ankündigung der Restschuldbefreiung Die Ankündigung der Restschuldbefreiung ruft in dem über das Vermögen natürlicher Personen eröffneten Insolvenzverfahren noch einmal mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Konfliktpotenzial auf. Fall 139: In dem vom LG Mainz ⁴⁷² entschiedenen Fall hatte der Rechtspfleger nach Bestimmung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren unter Einräumung der Möglichkeit der Gläubiger, Gründe für die Versagung der Restschuldbefreiung vorzubringen, dann das über das Vermögen des Schuldners eröffnete Insolvenzverfahren aufgehoben. Eine Schlussverteilung kam mangels Masse nicht zustande. Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung waren nicht gestellt worden. 11 Tage nach dem Aufhebungsbeschluss und der Ankündigung der Restschuldbefreiung wurde von einem Gläubiger befristete Erinnerung gegen den Beschluss des Rechtspflegers eingelegt. Weiter begehrte der Gläubiger mit seinem Antrag die Versagung der Restschuldbefreiung, wenigstens aber die Rücknahme der Ankündigung der Restschuldbefreiung. Dies begründete der Gläubiger damit, der Schuldner habe vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige bzw. unvollständige Angaben in dem von ihm vorgelegten Forderungsverzeichnis gemacht, insbesondere des Gläubigers Forderung aus einem Vollstreckungsbescheid nicht angegeben. Auf Vorlage der Akten half der zuständige Insolvenzrichter dem Rechtsmittel des Gläubigers nicht ab und legte das Verfahren dem LG vor.
Das LG Mainz ging davon aus, dass diese Vorlage nicht zulässig sei. Gegen die Aufhebung des Insolvenzverfahrens und die Ankündigung der Restschuldbefreiung sei die Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG zulässig, da es sich dabei um Entscheidungen im Zuständigkeitsbereich des Rechtspflegers handelt. In Ermangelung einer gesetzlichen Zulassung sei die sofortige Beschwerde unzulässig (§ 6 Abs. 1 InsO). Nach § 291 InsO wird die Restschuldbefreiung ange LG Mainz, Beschl. v. . . – T / – BeckRS , .
II. Ankündigung der Restschuldbefreiung
225
kündigt. Auch im Restschuldbefreiungsverfahren sind Entscheidungen im Insolvenzverfahren dem Rechtspfleger übertragen; denn sie ergehen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch wenn dieses aufgehoben worden ist. Beantragt ein Insolvenzgläubiger, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt werde, wird durch den entsprechenden Beschluss in das verfahrensrechtliche Recht des Insolvenzschuldners, die Restschuldbefreiung zu erlangen (arg. ex § 1 S. 2 InsO), eingegriffen, weshalb § 289 Abs. 1 InsO bestimmt, dass die Entscheidung hierüber dem Richter vorbehalten ist. In dem vom LG Mainz entschiedenen Fall hatte aber keiner der Insolvenzgläubiger einen entsprechenden Antrag gestellt, dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung zu versagen (in der Entscheidung des LG Mainz heißt es missverständlich: „Antrag auf Restschuldbefreiung“). Die Ankündigung nach § 291 InsO bleibt eine Entscheidung, die der Rechtspfleger zu fällen hat, wie sich aus § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG ergibt. Das statthafte Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist die sofortige Erinnerung, der vom Rechtspfleger nach § 11 Abs. 2 S. 5 RPflG abgeholfen werden kann. Hilft der Rechtspfleger nicht ab, entscheidet der Insolvenzrichter nach § 11 Abs. 2 S. 6 RPflG abschließend. Zu einer Vorlage ans Beschwerdegericht kann es folglich nicht kommen.
H. Vergütungsrecht I. Ausgewählte Fragestellungen 1. Vergütung der Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschusses In dem Verfahren Bohlen und Doyen hatte auf Anregung des vorläufigen Insolvenzverwalters das Insolvenzgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss, bestehend aus sechs Mitgliedern, bestellt. Auf Antrag des Insolvenzverwalters sollte eine angemessene Entschädigung der Mitglieder des Gläubigerausschusses im prozentualen Verhältnis zur Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters festgesetzt werden, was zur Festsetzung einer Vergütung in Höhe von EUR 400.000 für jedes Gläubigerausschussmitglied führte. Das LG Aurich ⁴⁷³ hat im Beschwerdeverfahren festgestellt, dass der Insolvenzverwalter nicht kraft seines Amtes das Recht hat, Vergütungsanträge für die Mitglieder des Gläubigerausschusses zu stellen. Im vorliegenden Fall sei der Antrag aber deshalb wirksam, weil er von den Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses darum „gebeten“ worden war. Somit habe er in Vollmacht der Mitglieder gehandelt. Nun ist ein Gruppenantrag der Mitglieder des Gläubigerausschusses unzulässig. Aber auch darum handelte es sich hier nicht,weil der Insolvenzverwalter die Festsetzung einer angemessenen Entschädigung, die sich am prozentualen Verhältnis zur Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters orientieren sollte, beantragt hatte. Damit war eine Vergütung für jedes einzelne Mitglied des vorläufigen Gläubigerausschusses in der entsprechend zu ermittelnden Höhe beantragt worden. Die Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses erfolgt allerdings nach Zeitaufwand und Umfang ihrer jeweiligen Tätigkeit. Das LG Aurich orientiert sich nun im Hinblick auf die Höhe der Vergütung an § 17 InsVV, wonach regelmäßig die Vergütung zwischen EUR 35,– und EUR 95,– je Stunde festzusetzen ist.
2. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters Das AG Essen ⁴⁷⁴ hat § 12 InsVV analog angewendet, um die Regelvergütung des vorläufigen Sachwalters nach §§ 270b Abs. 2, 270a Abs. 1, 274 Abs. 1, 63, 65 InsO
LG Aurich, Beschl. v. . . – T / – ZIP , ; siehe hierzu auch: Zimmer, Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses, ZIP , . AG Essen, Beschl.v. . . – IN / – NZI , ; bestätigt durch Beschl.v. . . – IN / – ZIP , .
I. Ausgewählte Fragestellungen
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bestimmen zu können. In der Tat fehlt es an einer Regelung des Gesetzgebers für die Vergütung des vorläufigen Sachwalters, da die §§ 63 – 65 InsO eine entsprechende Regelung nicht treffen. Legt man die Judikatur des BGH ⁴⁷⁵ zur Berechnungsgrundlage der Vergütung des vorläufigen Verwalters zugrunde, stellt sich die Frage, ob dann der vorläufige Sachwalter überhaupt einen Anspruch auf Vergütung hat. Denn man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass der vorläufige Sachwalter nur unter der Voraussetzung aus der Masse vergütet und damit die den Gläubigern zur Verfügung stehende Teilungsmasse vermindert werden kann, wenn dies in Ausübung der gesetzlichen Ermächtigung in der InsVVgeregelt ist. Hierauf könnte man kommen, wenn man den § 12 InsVV mit den §§ 2, 3 InsVV in Beziehung setzt und in Ermangelung einer dem § 11 InsVV entsprechenden Vorschrift die das Eigentum der Gläubiger beeinträchtigenden Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Sachwalters anzweifelt. In der Praxis der Insolvenzgerichte hat man diesen Schluss nicht gezogen. Das AG Göttingen ⁴⁷⁶ sieht den vorläufigen Sachwalter als eine besondere Form des Sachwalters an und zieht daraus den Schluss, es sei im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht zwischen Eröffnungsund eröffneten Verfahren zu unterscheiden. Unterschieden sei durch Zu- und Abschläge Rechnung zu tragen. Das lässt sich hören. Denn es stellt sich in der Tat die Frage, wo denn angesichts der Ausgestaltung der Stellung des Sachwalters im eröffneten Verfahren der substantielle Unterschied zu seiner Tätigkeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu sehen sei. Legt man § 12 InsVV in dieser Weise aus, kann wohl auch den etwaig auftretenden verfassungsrechtlichen Bedenken hinreichend Rechnung getragen werden. Das AG Köln ⁴⁷⁷ und das LG Bonn ⁴⁷⁸ beschränken dagegen die Regelvergütung des vorläufigen Sachwalters entsprechend § 11 InsVV auf 25 % der Regelvergütung des Sachwalters – also rechnerisch auf 15 % der Regelvergütung nach § 2 InsVV. Dies sei – so das AG Essen – systemgerecht, weil ansonsten der vorläufige Sachwalter wie ein im eröffneten Verfahren tätiger Sachwalter besoldet und damit eine Besserstellung gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet werde. Dem stehe entgegen, dass der Gesetzgeber dem vorläufigen Sachwalter „lediglich einen Bruchteil derjenigen Aufgaben zugewiesen habe, die ein vorläufiger Insolvenzverwalter zu erfüllen hat“. Das ist doch nun erheblichen Bedenken ausgesetzt. Denn der vorläufige Sachwalter hat ein erhebliches Haf-
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , ; Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . AG Göttingen, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , . AG Köln, Beschl. v. . . – IN / – ZIP , . LG Bonn, Beschl. v. . . – T / – ZIP , .
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H. Vergütungsrecht
tungsrisiko zu tragen. Denn er hat in jeder Phase des Eröffnungsverfahrens zu überwachen, dass aus der vorläufigen Eigenverwaltung keine Nachteile für die Gläubiger erwachsen, und ggfls. darauf hinzuwirken, dass das Gericht die vorläufige Insolvenzverwaltung anordnet und damit der Eigenverwaltung des Schuldners ein Ende bereitet. Die vorliegende „15 %-Judikatur“ wird den Haftungslagen und den Aufgaben des vorläufigen Sachwalters – man bedenke § 270b Abs. 3 und Abs. 4 InsO – nicht gerecht; sie begegnet daher vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG ernsthaften grundrechtlichen Bedenken.
3. Verzinsung des Erstattungsanspruchs nach Aufhebung des Vergütungsbeschlusses Der BGH ⁴⁷⁹ hatte über die Verzinsung des Anspruchs auf Erstattung der Insolvenzverwaltervergütung nach rechtskräftiger Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses zu entscheiden gehabt und darauf erkannt, dass der zu erstattende Betrag ab dessen Entnahme durch den Insolvenzverwalter aus der Masse zu verzinsen sei. In einer früheren Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2005⁴⁸⁰ wurde nicht über die Verzinsungspflicht entschieden. Fall 140: Der spätere Beklagte wurde im September 2000 zum vorläufigen Insolvenzverwalter und Ende Oktober des Jahres 2000 dann zum Insolvenzverwalter in dem über das Vermögen der S GmbH & Co. KG eröffneten Insolvenzverfahren bestellt. Für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter setzte das Insolvenzgericht Ende 2000 antragsgemäß eine Vergütung i.H.v. DM 164.000 fest. Anfang 2001 und vor Rechtskraft des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses entnahm der Verwalter den festgesetzten Betrag der Insolvenzmasse und zeigte dann Masseunzulänglichkeit an. Später im Jahr 2006 hob der BGH den Vergütungsfestsetzungsbeschluss auf die Rechtsbeschwerde eines Gläubigers auf. Das Insolvenzgericht stellte später fest, der Verwalter habe jegliche Entgeltansprüche verwirkt und wies seine Vergütungsanträge zurück. Über die Beschwerde, die der Verwalter dagegen eingelegt hat, ist bis heute noch nicht entschieden worden. Im August 2010 wurde der Verwalter durch das Insolvenzgericht aus dem Amt entlassen und ein neuer Insolvenzverwalter bestellt. Dieser nahm seinen Amtsvorgänger auf Rückzahlung der entnommenen Vergütung zuzüglich Zinsen in Anspruch.
Der BGH geht davon aus, dass der Anspruch auf Rückzahlung der entnommenen Vergütung nicht erst mit Eintritt des Verzuges, der im August 2010 mit Geltendmachung der Ansprüche durch den Nachfolgeverwalter eingetreten war, sondern bereits mit der Entnahme der Vergütung zu verzinsen sei. Dies gebiete der Schutz
BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
II. Berechnungsgrundlage der Vergütung
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der Masse und ergebe sich nicht unmittelbar aus der Insolvenzordnung, sondern sei auf die Vorschriften der § 717 Abs. 2 S. 2 2. Hs, Abs. 3 S. 4 2. Halbsatz ZPO zu stützen. Nur die entsprechende Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO führe zu einer gerechten Risikoverteilung. Denn der Insolvenzverwalter müsse sich über die Risiken im Klaren sein, die er eingeht, wenn er die Vergütung entnimmt bevor der Festsetzungsbeschluss rechtskräftig ist. Dies sei auch nicht unbillig, da der Insolvenzverwalter warten könne, bis die Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses eingetreten sei. Da der Insolvenzverwalter nur die gesetzlichen Rechtshängigkeitszinsen schulde, sei auch der Zinssatz nicht übermäßig belastend – was in der gegenwärtigen allgemeinen Zinssituation allerdings wenig überzeugend ist.
4. Keine Rückwirkung der Änderung der Vergütungsvorschriften Das LG Frankfurt/M. ⁴⁸¹ erkannte darauf, dass die neu eingeführten Vorschriften für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters⁴⁸² nur auf Verfahren anwendbar seien, bei denen der Antrag ab dem 19.7. 2013 einging. Das LG erachtet eine rückwirkende oder entsprechende Anwendung der Neuregelung auf Altfälle für rechtlich nicht möglich.
II. Berechnungsgrundlage der Vergütung 1. Einbeziehung des Wertes sicherungszedierter Forderungen in die Berechnungsgrundlage Mit seinem Beschluss vom 7. 2. 2013⁴⁸³ hat der IX. Zivilsenat des BGH seine Judikatur zu § 11 Abs. 1 S. 4 InsVV sowie §§ 63 Abs. 1, 65 InsO für solche Fälle ausgebaut, in denen Forderungen infolge einer Sicherungszession mit einem Absonderungsrecht wertausschöpfend belastet sind. Fall 141: Der Insolvenzverwalter hatte in die Berechnungsgrundlage seiner Vergütung die Rückkaufswerte zweier Lebensversicherungen einbezogen, die der Schuldner an das Land NordrheinWestfalen sicherungshalber abgetreten hatte. Eine Befassung des Insolvenzverwalters in erheb-
LG Frankfurt/M., Beschl. v. . . – – T / – ZIP , ; a.A.: Keller, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in den vor dem . . beantragten Insolvenzeröffnungsverfahren, NZI , . Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. . . , BGBl. I , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
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H. Vergütungsrecht
lichem Umgang mit den Absonderungsrechten gem. § 51 Nr. 1 InsO aufgrund der Sicherungszession lagen nach den vom BGH seiner Entscheidung zugrunde zu legenden Feststellungen nicht vor. Allerdings hat der Insolvenzverwalter vorgetragen, die Absonderungsrechte seien anfechtbar gewesen. Er bezog deshalb die mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände bei der Bemessung der Berechnungsgrundlage für seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter ein.
Wie bereits in seinen Entscheidungen zu der Frage, ob grundpfandrechtsbelastete Grundstücke ihren Wert nach in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters einzubeziehen sind, wenn das Sicherungsrecht den Wert des Grundstücks ausschöpft, bedürfte es auch im vorliegenden Fall keiner weiteren Ausführung des erkennenden Senates. Denn er konnte „aus bereitestem Grunde“ entscheiden: die fehlende erhebliche Befassung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit dem Vermögensgegenstand, an dem Absonderungsrechte bestehen, – hier den Lebensversicherungsverträgen – ließ bereits eine Entscheidung zu. Denn in diesen Fällen ist schon nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 InsO der Vermögensgegenstand nicht in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen. Wie bereits in seinen beiden Entscheidungen vom 15.11. 2012⁴⁸⁴ hat der IX. Zivilsenat nunmehr auch in Bezug auf die Sicherungszession die Fassung des § 11 Abs. 1 S. 4 InsVV als mit der Ermächtigungsgrundlage des §§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1, 65 InsO für unvereinbar erklärt, soweit die Einbeziehung von wertausschöpfend mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen unter der Voraussetzung erheblicher Befassung in die Grundlage der Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters angeordnet wird. Im vorliegenden Beschluss spricht der IX. Zivilsenat im Übrigen eine Selbstverständlichkeit aus, wenn er ausführt, dass die Anfechtbarkeit der Bestellung eines Absonderungsrechts für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters außerhalb der Betrachtung zu bleiben hat. Denn die Anfechtbarkeit berührt die Berechnungsgrundlage der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters insofern nicht, als sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Wert des vom vorläufigen Insolvenzverwalters zu sichernden Vermögens unberührt lässt. Der Anfechtungsanspruch als ein Vermögensgegenstand der Masse entsteht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Erst im eröffneten Insolvenzverfahren kommt also eine wertmäßige Berücksichtigung dieses Anspruchs überhaupt in Betracht. Allerdings führt der IX. Zivilsenat weiter aus, ein nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO vom Insolvenzgericht im Hinblick auf die sicherungszedierten Forderungen angeordnetes Einziehungsrecht des vorläufigen Insolvenzverwalters, könne zu einer Erhöhung des gesicherten Vermögens führen. Dies sei allerdings allein im Umfang
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , ; Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
II. Berechnungsgrundlage der Vergütung
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der nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 3 InsO gem. § 171 InsO für die spätere Insolvenzmasse zu vereinnahmenden Feststellungs- und Verwertungspauschalen der Fall. Nur für den Fall, dass der vorläufige Insolvenzverwalter daher von seiner Einziehungsermächtigung Gebrauch macht, wird das von ihm gesicherte (und insoweit auch verwaltete) Vermögen des Schuldners in Höhe der einbehaltenen Beträge oder des Anspruchs auf die Pauschalen vermehrt, was eine erhöhende Wirkung auf die Berechnungsgrundlage haben würde. Macht der vorläufige Insolvenzverwalter – wie im vorliegenden Fall – dagegen von seinem Einziehungsrecht keinen Gebrauch, soll es nach Ansicht des IX. Zivilsenats dabei bleiben, dass die durch Sicherungsabtretung wertausschöpfend belasteten Forderungen nicht zu einer Erhöhung der Berechnungsgrundlage des vorläufigen Insolvenzverwalters führen.
2. Vergütung und Nachtragsverteilung Die Entscheidung des BGH vom 19.12. 2013⁴⁸⁵ ist bemerkenswert, da sie die Grenze zwischen Schlussrechnung, Schlusstermin und Schlussverteilung auf der einen Seite und Nachtragsverteilung in vergütungsrechtlicher Hinsicht betrifft. Fall 142: In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte das Insolvenzgericht auf einer Berechnungsgrundlage von EUR 10.000 die Vergütung des Insolvenzverwalters unter Berücksichtigung von Zuschlägen festgesetzt. Wenig später fand der Schlusstermin statt. Danach kam es nicht zu einer Schlussverteilung, weil der Insolvenzverwalter Steuererstattungen abwartete. Zudem wurden erst jetzt bekannt gewordene Nachzahlungen des Insolvenzschuldners auf die pfändbaren Anteile seines Einkommens vom Insolvenzverwalter und als Neuerwerb die pfändbaren Anteile des laufenden Einkommens zur Masse eingezogen. Über vier Jahre nach dem Schlusstermin und fünf Jahre nach der Vergütungsfestsetzung beantragte er die Festsetzung einer weiteren Vergütung. Das Insolvenzgericht setzte dann eine Vergütung für die Nachtragsverteilung nach § 6 InsVV unter gleichzeitiger Anordnung der Nachtragsverteilung bezüglich der nach dem Schlusstermin realisierten noch zu erwartenden Masse fest.
Der IX. Zivilsenat bestätigte diese insolvenzgerichtliche Entscheidung nicht. Zwar erkannte er in einer früheren Entscheidung⁴⁸⁶ darauf, dass ein Zweitverfahren über die Festsetzung der Verwaltervergütung dann nicht mehr zulässig sei, wenn die Festsetzung der Verwaltervergütung nicht auf facta supervenientia, d. h. auf Umstände gestützt wird, die bereits im Erstverfahren hätten geltend gemacht werden können. Im Übrigen aber nehmen die Berechnungsgrundlage und der
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
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H. Vergütungsrecht
Vergütungssatz als Vorfragen der Festsetzung der Verwaltervergütung nicht an der Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses teil. Ergeben sich aber – wie in dem hier zu entscheidenden Fall –nach Einreichung der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters Massezuflüsse, die nicht sicher zu erwarten waren, sind dieses neue Tatsachen. Insoweit ist ein ergänzender Vergütungsfestsetzungsbeschluss zulässig.⁴⁸⁷ Der IX. Zivilsenat stützt diese Erwägung auf § 63 Abs. 1 S. 2 InsO, der bestimmt, dass die Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens berechnet wird.⁴⁸⁸ Nach Vollzug der Schlussverteilung ist eine Insolvenzmasse freilich nicht mehr vorhanden. Diese aber bildet grundsätzlich die Teilungsmasse. Die Schlussrechnung hat allerdings ex ante den Zeitpunkt der Beendigung des Insolvenzverfahrens zugrunde zu legen.⁴⁸⁹ Soweit spätere Massezuflüsse schon mit Sicherheit bei Einreichung der Schlussrechnung feststehen, sind diese in die Berechnungsgrundlage der festzusetzenden Vergütung einzubeziehen. Nichts anderes gilt, wenn die Schlussverteilung nicht stattgefunden, sich aber nach dem Schlusstermin Massezuflüsse ergeben. In diesem Fall ist, wie der erkennende Senat zutreffend feststellt, für eine Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 InsO kein Raum. Die Nachtragsverteilung wird aber nach dem Wortlaut dieser Vorschrift in der Tat bei Massezuflüssen „ab dem Schlusstermin“ vorgenommen. Dies ist aber nur dann erforderlich, wenn und soweit bereits die Schlussverteilung vollzogen ist.
III. Gründe für Vergütungsabschläge und -zuschläge 1. Zuschlag zum Degressionsausgleich Mit Beschluss aus November 2012⁴⁹⁰ hat der IX. Zivilsenat des BGH zum Zuschlag nach § 3 Abs. 1 lit. c. InsVV, der die Degression der Regelsätze bei der Bemessung der Insolvenzverwaltervergütung ausgleichen soll, zu entscheiden gehabt. Fall 143: Der Insolvenzverwalter hat die Regelvergütung des EUR 250.000 Berechnungsgrundlage überschreitenden Mehrbetrages in Anlehnung an die zwischenzeitlich aufgegebene Auffassung von Haarmeyer, Wutzke und Förster mit einem Durchschnittsprozentsatz von 11,2 % berechnet.
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . hierzu: BGH, Beschl.v. . . – IX ZB / – ZIP , ; Beschl.v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
III. Gründe für Vergütungsabschläge und -zuschläge
233
Der BGH lehnt eine derartige pauschale Erhöhung des Regelsatzes nach § 2 Abs. 1 InsVV ab. Da es sich auch bei § 3 Abs. 1 lit. c InsVV um einen Zuschlag handele, beziehe sich dieser Zuschlag auf die konkreten Umstände des zu beurteilenden Falles. Da die Degression bei höheren Degressionsstufen, insbesondere ab EUR 250.000, dazu führe, dass Massemehrungen durch den Regelsatz geringer vergütet werden, als in niedrigen Degressionsstufen, werde damit der gleiche Arbeitsaufwand schlechter bezahlt. Dies sei nach Ansicht des IX. Zivilsenats der Grund für die Degressionstatbestände. Es soll daher sowohl der real gestiegene oder gefallene Arbeitsaufwand als auch eine Massemehrung, die in dem EUR 250.000 übersteigenden Mehrbetrag zum Ausdruck kommt, in concreto berücksichtigt werden. Dabei seien aber stets in einer Gesamtwürdigung alle im Übrigen zu gewährenden Zuschläge zu berücksichtigen.
2. Erstattung des Sach- und Personalaufwandes für Zustellungen Mit Beschluss vom 21. 3. 2013⁴⁹¹ hat der IX. Zivilsenat des BGH seine restriktive Judikatur⁴⁹² zur Erstattung des Sach- und Personalaufwandes für die Zustellungen, die dem Insolvenzverwalter nach § 8 Abs. 3 InsO übertragen worden sind, aufgegeben und darauf erkannt, dass dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder für den Fall, dass ihm regelmäßig nach § 8 Abs. 3 InsO das Zustellungswesen übertragen worden ist, der Sach- und Personalaufwand für jede Zustellung zu ersetzen ist, wobei außerhalb der sonstigen Zuschlagstatbestände des § 3 InsVV die Höhe der Vergütung pro Zustellung durch einen am tatsächlichen Aufwand zu schätzenden angemessenen Betrag zu bemessen ist. Fall 144: In einem Verbraucherinsolvenzverfahren war der spätere Beschwerdeführer zum Treuhänder bestellt worden. Schließlich beantragte der Treuhänder die Festsetzung einer Vergütung von EUR 5.700,– bei einer Teilungsmasse von EUR 35,12. 9 Gläubiger hatten Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet. Hieraus berechnete er eine Regelvergütung von EUR 1.200,–. Für 104 Zustellungen des Eröffnungsbeschlusses beantragte er eine Vergütung von EUR 20,– und bei der Anberaumung des Prüfungstermins eine Vergütung von EUR 10 je Gläubiger. Danach begehrte er als pauschalen Auslagenersatz nach § 8 Abs. 3 InsVV einen Betrag von EUR 1.060,– sowie die Sachauslagen für die Zustellung von insgesamt EUR 210,– zzgl. Umsatzsteuer. Das Insolvenzgericht setzte die Vergütung auf insgesamt EUR 2.600,– fest und erachtete dabei neben einem Auslagenersatz von EUR 459,– noch weitere EUR 330,– für die Zustellungen als angemessen.
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
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H. Vergütungsrecht
Die vorinstanzlichen Entscheidungen haben insgesamt rechtliche Bedenken hervorgerufen, da – wie der IX. Zivilsenat zutreffend ausführt – bei 9 Gläubigern nach § 13 Abs. 1 S. 2 – 4 InsVV a.F. die Vergütung für die ersten 5 Gläubiger EUR 600,– sowie für die angefangenen nächsten 5 Gläubiger zusätzlich EUR 150,–, mithin insgesamt EUR 750,–, und nicht die antragsgemäß durch die Vorinstanzen festgesetzten EUR 1.200,– ausmacht. Den Senat haben die Ungereimtheiten – sowohl im Vergütungsantrag als auch in den Vergütungsbeschlüssen – indes nicht daran gehindert, seine Auffassung über die Vergütung des durch die Übertragung des Zustellungswesens ausgelösten Mehraufwandes aufzugeben. Denn dabei handelt es sich um die Übertragung eines an sich in die Sphäre der Gerichte fallenden Aufgabenbereiches. Da der Staat die Erledigung öffentlicher Aufgaben an Staatsbürger nicht ohne angemessene Vergütung delegieren darf, hat der IX. Zivilsenat darauf aufmerksam gemacht, dass ein Personalaufwand zwischen EUR 2,70⁴⁹³ und EUR 2,80⁴⁹⁴ für eine Zustellung als vertretbar angesehen wird. Künftig sei aus Vereinfachungsgründen die Bemessung des Zuschlags im Falle der Übertragung des Zustellungswesens in einer Weise vorzunehmen, dass der erforderliche Personal- und Sachaufwand getrennt oder gemeinsam in einem Betrag bei der Vergütung zur Erstattung festzusetzen sei.
3. Korrektur „zu hoher“ Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters Die Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung setzt, wie der BGH in verschiedenen Zusammenhängen betonte, eine Gesamtschau der Umstände, die vergütungskonstituierende Tatbestände begründen, voraus. Vergütungserhöhende und vergütungskürzende Umstände sind dabei in der anzustellenden Gesamtschau in Bezug zu setzen. Die Gesamtschau wird nun teilweise als ein Instrument gesehen, die für die unterschiedlichen Etappen des Insolvenzverfahrens – das Insolvenzantrags- oder Eröffnungsverfahren auf der einen und das eröffnete Insolvenzverfahren auf der anderen Seite – festzusetzenden Vergütungen miteinander in Beziehung zu setzen. Denn so sehr sich Insolvenzantragsverfahren und eröffnetes Insolvenzverfahren in Ansehung der Tätigkeiten von vorläufigem Insolvenzverwalter und Insolvenzverwalter unterscheiden, ist doch davon auszugehen, dass sich beide Etappen aufeinander beziehen. Dies wird daran deutlich, dass z. B. der vorläufige Insolvenzverwalter Zuschlagsfaktoren zu seiner Vergütung in Ansatz bringen kann, weil er als vorläufiger Verwalter im Insolvenzantragsverfahren eine
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , , Tz. . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – WM , , Tz. .
III. Gründe für Vergütungsabschläge und -zuschläge
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übertragende Sanierung vorbereitet hatte, die dann wenige Tage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens notariell beurkundet wird, die er nicht noch einmal als Insolvenzverwalter in Ansatz zu bringen berechtigt ist. Der Beschluss des IX. Zivilsenats des BGH aus Oktober 2013⁴⁹⁵ setzte sich nun mit einer etwas anderen Fragestellung auseinander. Dort ging es um die Frage, ob sich eine als zu hoch festgesetzt erscheinende Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters dadurch korrigiert werden könne, indem sie gleichsam als Kürzungsargument nach § 3 Abs. 2 InsVV bei der Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters ins Feld geführt wird. Fall 145: Der Insolvenzverwalter war aus wichtigem Grund entlassen und ein neuer Insolvenzverwalter bestellt worden, der sich später gegen die Festsetzung der Vergütung des früheren Insolvenzverwalters wandte. Denn der frühere Insolvenzverwalter hatte als Sachverständiger eine Vergütung von etwas über EUR 1.000 Euro erhalten. Für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter wurden rechtskräftig etwa EUR 198.000 festgesetzt. Der frühere Insolvenzverwalter beantragte für seine Verwaltertätigkeit bis zur Amtsenthebung eine Vergütung von EUR 255.000. Das Insolvenzgericht setzte dann die Vergütung auf EUR 206.000 fest, wogegen sich der Nachfolgeverwalter wandte, was zu einer Festsetzung der Vergütung durch das Beschwerdegericht auf 0, unter Festsetzung von Auslagen zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von zusammen EUR 10.500, führte.
Es verstößt nach zutreffender Auffassung des BGH gegen § 3 Abs. 2 InsVV,wenn ein sehr hoher Abschlag mit der Begründe festgesetzt wird, die Vergütung der Tätigkeit als vorläufiger Verwalter sei weit überhöht festgesetzt worden. Denn soweit die Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Verwalter rechtskräftig festgesetzt worden ist, kann eine Änderung nicht mehr erfolgen. Das ist zutreffend, da die Vergütung jeweils als vorläufiger Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren und als Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren eine Tätigkeitsvergütung ist. Wird daher die eine Tätigkeit zu hoch vergütet, führt dies nicht zu einer Kürzung der festzusetzenden Vergütung für die geleistete Tätigkeit im anderen Verfahrensabschnitt. Allerdings ist in Ansatz zu bringen, ob eine Tätigkeit im Eröffnungsverfahren bereits abgeschlossen wurde und daher im eröffneten Verfahren nicht mehr vorgenommen werden kann – also hierfür eine Vergütung im eröffneten Verfahren nicht mehr festzusetzen ist. Denn § 3 Abs. 2 lit a) InsVV sieht vor, dass ein Abschlag von der Vergütung des Insolvenzverwalters vorzunehmen ist, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt war, was allerdings nach Ansicht des BGH regelmäßig nicht über 5 – 20 % Abschlagshöhe hinausgehen kann. Richtig ist indes, dass durch die Gesamtschau eine Doppelberücksichtigung von Tätigkeiten auszuschließen ist, was allein durch § 3 Abs. 2 lit. a InsVV nicht gewährleistet ist.
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
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H. Vergütungsrecht
IV. Rechtsmittel gegen Vergütungsfestsetzung 1. Voraussetzung der sofortigen Beschwerde des Schuldners Voraussetzung der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist, dass diese fristgerecht erhoben worden ist. Zu der Vergütungsfestsetzung muss der Schuldner grundsätzlich gehört werden. Auch wenn dies vor der Festsetzung nicht erfolgt ist, kommt es für den Fristlauf auf die öffentliche Bekanntmachung im Internet an, wie der IX. Zivilsenat des BGH ⁴⁹⁶ entschieden hat.
2. Beschwerdebefugnis des Masseschuldners gegen die Festsetzung der Verwaltervergütung Ende des Jahres 2012 hat der BGH ⁴⁹⁷ zur Beschwerdebefugnis eines Dritten, der sich gegenüber der Masse verpflichtet hatte, für die Kosten des Insolvenzverfahrens einzustehen, gegen die Festsetzung der Verwaltervergütung zu entscheiden gehabt. Fall 146: Verschiedene Kunden der Schuldnerin hatten mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine Fortführungsvereinbarung geschlossen. Darin übernahm u. a. die spätere Beteiligte und Beschwerdeführerin die Verpflichtung, neben anderen Verfahrenskosten die Vergütung des vorläufigen und des endgültigen Insolvenzverwalters anteilig zu tragen, sofern der im Rahmen einer übertragenden Sanierung der freien Masse zufließende Kaufpreisanteil diese nicht decken würde. Dies ergab zu Ungunsten der beteiligten Beschwerdeführerin eine Quote von 30 %. Später wurde die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters festgesetzt, gegen die sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde wandte.
Der IX. Zivilsenat meint nun, dass entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten aus § 64 Abs. 3 S. 1 InsO zu folgern sei, der insoweit eine planwidrige Regelungslücke aufweise. Er sei analog anzuwenden, damit im Falle der Masseunzulänglichkeit den Massegläubigern die Beschwerdebefugnis zustehe. Es genüge nicht, den Masseschuldner auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, um eine zu hohe Vergütung zu kompensieren. Denn die Vergütungsfestsetzung erfolgt im Vergütungsverfahren des Insolvenzgerichts, § 64 InsO. Da der Verwalter hier einen Titel erlangt bzw. der Umfang seiner Berechti-
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
V. Uneinbringlichkeit der Vergütung
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gung festgestellt wird, ist es angemessen, mit dem BGH zu einer erweiternden Auslegung des § 64 Abs. 3 InsO zu gelangen.
V. Uneinbringlichkeit der Vergütung 1. Risiko der Uneinbringlichkeit seiner Vergütung beim vorläufigen Insolvenzverwalter Mit einem Beschluss von Anfang Februar 2013⁴⁹⁸ setzt der IX. Zivilsenat des BGH seine rigide Judikatur zur Verwaltervergütung fort, allerdings in einem nachvollziehbaren Fall der Erstattung der Vergütung des Insolvenzverwalters zu Lasten der Staatskasten bei Verfahrenskostenstundung. Fall 147: Hier ging es darum, dass die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in Höhe eines die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV a.F. übersteigenden Betrages von EUR 41.000 aus der in Höhe von EUR 1.700 noch vorhandenen Masse nicht gedeckt werden konnte. Der vorläufige Insolvenzverwalter hatte EUR 1.150 für die Erstattung des Gutachtens aus der Landeskasse erhalten. Dem lag zugrunde, dass die Verfahrenskostenstundung bewilligt worden war und der später zum Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren bestellte Vergütungsantragssteller in seinem Schlussbericht eine Masse von EUR 158.000 sowie Masseschulden von EUR 334.000 angab. Für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter beantragte er die Festsetzung von EUR 180.000, für die als vorläufiger Verwalter eine Vergütung von EUR 41.000, die auch antragsgemäß festgesetzt wurde. Der Antrag auf Festsetzung gegen die Landeskasse wurde vom Insolvenzgericht indes abgelehnt. Die Verfahrenskostenstundung für die Vergütung und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt nach § 4a InsO i.V.m. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter.
Bislang war streitig, welchen Umfang die Einstandspflicht des Staates hat. In der beschwerdegerichtlichen Judikatur wurde z.T. ein Erstattungsanspruch in voller Höhe der Vergütung befürwortet. Bereits früher hatte der IX. Zivilsenat – freilich in Verfahren über das Vermögen juristischer Personen – darauf erkannt, dass das Risiko der Uneinbringlichkeit seiner Vergütung beim vorläufigen Insolvenzverwalter liege.⁴⁹⁹ Bei völlig mittellosen Personen – so führt der IX. Zivilsenat aus – erhält der vorläufige Insolvenzverwalter bei der Verfahrenskostenstundung die Mindestvergütung von EUR 500,00 zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer. Im vorliegenden Fall waren die vor dem 1.1. 2004 geltenden Vorschriften anzuwenden. Der IX. Zivilsenat nimmt freilich diese Entscheidung zum Anlass, eingehend auszuführen, dass ihm Fälle bekannt geworden seien, in denen in die Berechnungs-
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , , siehe auch Fn. ■. BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – BGHZ , , .
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H. Vergütungsrecht
grundlage der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters Eingang gefunden habe, was nicht Gegenstand der Masse im eröffneten Verfahren hätte werden können. Im Übrigen seien Massen durch die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgedünnt worden. Es könne nicht angehen, dass aus der Staatskasse erhebliche Summen zur Verfügung gestellt werden müssten, um bei einer insuffizienten Masse Vergütungsansprüche des vorläufigen Insolvenzverwalters zu befriedigen. Denn dies sei vom Zweck der Regelung über die Verfahrenskostenstundung nicht getragen.
2. Treuhändervergütung bei unterbliebener Entscheidung über Verfahrenskostenstundung Mit Beschluss vom 7. 2. 2013⁵⁰⁰ hat der IX. Zivilsenat des BGH über die Voraussetzungen des sekundären Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters gegen die Staatskasse zu entscheiden gehabt. Fall 148: Das zuständige Insolvenzgericht hatte auf Antrag des Schuldners für das Eröffnungsverfahren und das Hauptverfahren die Verfahrenskosten gestundet und mit Eröffnung des Hauptverfahrens den Insolvenzverwalter bestellt. Eineinhalb Jahre später hob es das Verfahren nach Ankündigung der Restschuldbefreiung unter Bestellung des bisherigen Insolvenzverwalters als Treuhänder auf.Über den bereits mit Eigenantrag gestellten Antrag des Schuldners, ihm für das Restschuldbefreiungsverfahren Verfahrenskostenstundung zu gewähren, entschied das Insolvenzgericht nicht. Für das erste Jahr seiner Tätigkeit in der Wohlverhaltensperiode entnahm der Treuhänder die Mindestvergütung als Vorschuss der Masse und kehrte deren verbleibenden Rest zur Deckung der übrigen Verfahrenskosten an die Gerichtskasse aus. Für das zweite Jahr erfolgte keine Zahlung der Mindestvergütung des Treuhänders durch den Schuldner, da dieser keine Einnahmen erzielte, woraufhin der Treuhänder anregte, über den Stundungsantrag zu entscheiden oder dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, sollte die Stundung nicht gewährt werden. Nachdem das Insolvenzgericht den Schuldner erfolglos zur Zahlung der Mindestvergütung aufgefordert hatte, wies es den Antrag auf Verfahrenskostenstundung zurück, da der Schuldner entsprechende Nachweise über seine Einkommenslage nicht erbracht hatte. Die Restschuldbefreiung wurde mit rechtskräftigem Beschluss versagt. Der Treuhänder begehrte einen offenen Restbetrag auf seine Vergütung aus der Staatskasse zu zahlen.
Grundsätzlich wird die Vergütung des Treuhänders nach § 14 InsVV i.V.m. § 293 Abs. 1 InsO aus den Beträgen gezahlt, die beim Treuhänder aufgrund der Abtretung nach § 287 Abs. 2 InsO eingehen. Erzielt der Schuldner keine Einkünfte, aus denen sich abgetretene Beträge ansammeln, trifft ihn nach § 298 Abs. 1 InsO die Pflicht zur Zahlung der Mindestvergütung aus Beträgen, die der Abtretung nicht
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
V. Uneinbringlichkeit der Vergütung
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unterliegen. § 298 Abs. 1 S. 2 InsO trägt dem Umstand Rechnung, dass dies dem Schuldner in aller Regel nicht möglich sein wird, weshalb auf § 4 a InsO verwiesen wird. Der Schuldner kann auch für die Wohlverhaltensperiode die Verfahrenskostenstundung beantragen und gewährt bekommen. Dem Treuhänder steht insofern eine Mindestvergütung zu, wegen derer sein Anspruch sich nach § 63 Abs. 2 InsO gegen die Staatskasse richtet. Im vorliegenden Fall war aber die Stundung von Anfang an nicht gewährt worden. Für diesen Fall weiß der Treuhänder, der das Amt übernimmt, dass ihm ein Anspruch wegen seiner Vergütung gegen die Staatskasse nicht zusteht. Der IX. Zivilsenat führt überzeugend aus, dass sich dieser Fall von dem unterscheidet, in dem eine Verfahrenskostenstundung zwar zunächst für den jeweiligen Verfahrensabschnitt gewährt, aber später die Stundung wieder aufgehoben wurde. Dieser Fall ist gesetzlich nicht geregelt worden. Der IX. Zivilsenat hat aber früher⁵⁰¹ hier die Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz des Treuhänders als gegeben angesehen. Der Treuhänder (im Hauptverfahren: der Insolvenzverwalter) hat es nämlich nicht in der Hand, ob die Stundung fortdauert, oder ob die Stundung aufgehoben wird. Daher wird der einmal durch Gewährung der Stundung begründete Anspruch gegen die Staatskasse nicht durch deren spätere Aufhebung wieder beseitigt. Im vorliegenden Fall war nun aber nicht über die Stundung der Verfahrenskosten des Restschuldbefreiungsverfahrens (der Wohlverhaltensperiode) entschieden worden und der BGH ⁵⁰² hat darauf erkannt, dass die verspätete Entscheidung über die Verfahrenskostenstundung den Schuldner nicht benachteiligen darf. Der Treuhänder oder Insolvenzverwalter kann hieraus aber keine Rechte herleiten. Denn in Ermangelung eines Beschlusses ist – auch wenn dieser Beschluss im Sinne einer Gewährung der Verfahrenskostenstundung hätte gefällt werden müssen – jedenfalls aber ein schutzwürdiges Vertrauen des Treuhänders oder Insolvenzverwalters nicht begründet worden. Die Entscheidung überzeugt.
3. Subsidiärhaftung des Staates für die Verfahrenskosten Der IX. Zivilsenat des BGH hat seine Judikatur zur Subsidiärhaftung des Staates für die Vergütung des Insolvenzverwalters im Rahmen der Verfahrenskostenstundung nach § 4a InsO i.V.m. § 63 Abs. 2 InsO näher ausgestaltet. Grundsätzlich gilt, dass
BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZInsO , ; Beschl. v. . . – IX ZB / – ZVI , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZVI , , Tz. .
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H. Vergütungsrecht
die Subsidiärhaftung der Staatskasse für den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters dann nicht greift, wenn dem Schuldner eine Kostenstundung für den konkreten Verfahrensabschnitt nicht gewährt wird. § 63 Abs. 2 InsO beschränkt den Direktanspruch des Insolvenzverwalters gegen die Staatskasse auf den Fall der tatsächlich erteilten Kostenstundung. Die Frage einer Ausfallhaftung des Staates war unter Geltung der KO umstritten⁵⁰³ und wurde auch nach Inkrafttreten der InsO kontrovers gesehen.⁵⁰⁴ Der BGH ⁵⁰⁵ hat sich im Jahre 2004 gegen eine Ausfallhaftung des Staates ausgesprochen,weil zum einen das Risiko, seine Tätigkeit nicht vergütet zu erhalten, nur einen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters beträfe und der vorläufige Insolvenzverwalter aufgrund seiner Tätigkeit einen Einblick in die Liquiditätslage des Schuldners erhalte, die es ihm erlaube, rechtzeitig die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht mit der Folge zu empfehlen, dass er nicht übermäßig in Anspruch genommen werde. Dabei hat sich der IX. Zivilsenat auf das Gesetzgebungsverfahren zu Beginn der 90-iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gestützt, in dem die Bundesregierung gegenüber dem Bundesrat⁵⁰⁶ Überlegungen zugunsten einer staatlichen Ausfallhaftung mit dem Argument zurückgewiesen hatte, dass es gerechtfertigt sei, den vorläufigen Insolvenzverwalter ein begrenztes Ausfallrisiko tragen zu lassen, weil es zu seinen Pflichten gehört, darauf zu achten, dass im Eröffnungsverfahren nicht zu Lasten der übrigen Beteiligten „weitergewirtschaftet“ wird und dadurch Kosten entstehen, obwohl die Abweisung mangels Masse im konkreten Fall sich als geboten erweist. Der BGH hat in dem Zusammenhang ausgeführt, der vorläufige Insolvenzverwalter werde zwar vom Insolvenzgericht bestellt, er erbringe aber für den Staat weder Dienste noch Werkleistungen, so dass eine entsprechende Anwendung der §§ 675, 612, 632 BGB⁵⁰⁷ nicht in Betracht komme. Dies betrifft freilich allein das fiskalische Verhältnis zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem ihm beauftragenden Insolvenzgericht. In der Ausfallhaftungs-Entscheidung des BGH ⁵⁰⁸ findet sich freilich bereits ein Hinweis darauf, es sei nicht von einer Bejahend: LG Mosbach, Beschl. v. . . – T / – ZIP , ; LG Stuttgart, Beschl.v. . . – T / – ZIP , , ; LG Offenburg, Beschl.v. . . – T / – ZIP , ; Eickmann, Die Vergütung des nach § KO bestellten Sequesters, ZIP , f; verneinend: BGH, Urt. v. . . – III ZR /, ZIP , . Für eine Ausfallhaftung des Staates: Eickmann, InsVV . Aufl., Vor § Rn. ff; Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. § InsVV, S. ff; verneinend: LG Fulda, Beschl. v. . . – T / – NZI , , HK-Kirchhof, . Aufl., § InsO, Rn. . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , . BT-Drucks. / S. . LG Mosbach, Beschl. v. . . – T / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , , .
V. Uneinbringlichkeit der Vergütung
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„Zweithaftung“ des antragstellenden Gläubigers⁵⁰⁹ auszugehen, weil die Vergütung nicht zu den nach § 50 Abs. 1 Satz 2 GKG erstattungsfähigen und im Falle der Unzulässigkeit oder Unbegründetheit seines Fremdantrages vom Gläubiger zu tragenden Auslagen gehöre. Allerdings hat der Gesetzgeber den Fall nicht geregelt, in dem die Verfahrenskostenstundung dem Insolvenzschuldner zunächst gewährt worden ist, später aber wieder entzogen wird. Der BGH spricht in einer Entscheidung vom 8. 5. 2014⁵¹⁰ davon, hier liege eine planwidrige Regelungslücke vor, die es erfordere, über den geregelten Sachverhalt hinauszugehen. Diejenigen Tätigkeiten, die der Insolvenzverwalter vor der Aufhebung der Stundung erbracht hat, sollen aufgrund eines Vertrauensschutztatbestandes, den die zunächst erfolgte Stundungsgewährung für den Insolvenzverwalter bewirkt, von der Staatskasse getragen werden. Das geschützte Vertrauen bestehe so lange bis der Insolvenzverwalter von der Aufhebung der Stundung in Kenntnis gesetzt oder ihm diese auf andere Art und Weise bekannt geworden ist. Dies überzeugt.
A.A. LG Münster, Beschl. v. . . – T / – ZIP , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
I. Internationales Insolvenzrecht I. Zuständigkeitsfragen 1. Der Begriff der Niederlassung nach Art. 2 lit. h EuInsVO Die Neigung der deutschen Gerichte, die Anforderungen großzügig auszulegen, die Art. 2 lit. h EuInsVO an das Vorliegen einer Niederlassung im europäisch-insolvenzrechtlichen Sinne als Voraussetzung für die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in Deutschland stellt, hat sich im bekannten Beschluss des LG Kiel ⁵¹¹ dokumentiert. Der IX. Zivilsenat des BGH ⁵¹² ist diesen Tendenzen – nicht zuletzt auch wegen des Gebots europäisch-autonomer Auslegung des Art. 2 lit. h EuInsVO – zu Recht entgegengetreten und hat seine Judikatur zu den Voraussetzungen der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in Deutschland mit dem vorliegenden Beschluss aus dem Juli 2012 verfestigt. Die Gerichte sind nicht selten bestrebt, im Falle der Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens über das Vermögen einer schuldnerischen Gesellschaft durch Gerichte eines anderen EUMitgliedsstaates im Inland „wenigstens“ ein Partikularinsolvenzverfahren zu eröffnen – was nach der EuInsVO (Art. 2 lit. h EuInsVO) neben dem Vorhandensein von Vermögen eine nach außen hin wahrnehmbare wirtschaftliche Tätigkeit voraussetzt. Diese Tätigkeit muss durch „Personal“ erbracht werden. Fall 149: Der IX. Zivilsenat hat über einen Fall zu entscheiden gehabt, in dem eine spanische Sociedat responsablidat limitata im Handelsregister von Palma de Mallorca eingetragen war. Für sie war zugleich im deutschen Handelsregister in Gütersloh eine Zweigniederlassung eingetragen. Ein Gläubiger beantragte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim deutschen Insolvenzgericht.
Der IX. Zivilsenat ließ die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte daran scheitern, dass der Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses der Insolvenzschuldnerin am satzungsgemäßen Sitz gelegen habe. Auch ein inländisches Partikularinsolvenzverfahren nach Art. 3 Abs. 2 und Abs. 4 EuInsVO sei nicht zulässig, da auch insoweit die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht gegeben sei. Denn neben dem Vermögensgegenstand – einer Immobilie – habe dessen Verwaltung nur durch den Geschäftsführer der spanischen Gesellschaft stattgefunden. Der IX. Zivilsenat schließt sich insofern der Judikatur des
LG Kiel, Beschl. v. . . – T / – DZWIR , . BGH, Beschl. v. . . – IX ZB / – ZIP , .
I. Zuständigkeitsfragen
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OLG Wien ⁵¹³ das darauf erkannt hat, die eigene Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin, die zwangsläufig im Fall juristischer Personen nur durch ihr Organ erfolgen könne, genüge nicht, um von dem Einsatz von Personal i.S.v. Art. 2 lit. h EuInsVO ausgehen zu können. Auch Fremdpersonal, wie das Personal eines Steuerberaters, der für Jahresabschlüsse und Steuererklärungen eingesetzt war, könne nicht als Personal im Sinne dieser Vorschrift nach der überzeugenden Auffassung des BGH angesehen werden, da insoweit kein dauerhafter Einsatz dieses Personals im Zusammenhang der Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin vorliege. Der BGH bejaht aber die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO. Zwar habe die Schuldnergesellschaft ihre Tätigkeit in Deutschland vor der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt, sie war aber hier noch nicht im Handelsregister gelöscht.
2. Internationale Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte Das BAG ⁵¹⁴ hat über die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters eines Unternehmens, über dessen Vermögen durch den High Court of Justice London das Administrationsverfahren als Hauptinsolvenzverfahren unter Bestellung von vier „Joint Administrators“ eröffnet worden war, zu entscheiden gehabt. Fall 150: Die Joint Administrators waren ermächtigt, gemeinschaftlich oder jeder für sich einzeln das verwaltete Unternehmen in Rechtsstreitigkeiten zu vertreten und Kündigungen auszusprechen. Der im Administrationsverfahren befindliche Unternehmensträger, dessen satzungsgemäßer Sitz sich ausweislich des Handelsregisters in Frankfurt/M. befand, vereinbarte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 125 InsO. In diesem Interessenausgleich war in der Namensliste der Name des Klägers unter der Gruppe der am wenigsten schutzwürdigen Arbeitnehmer, denen folglich gekündigt wurde, vorgesehen. Die Kündigung wurde von einem Administrator ausgesprochen.
Das BAG bejahte die internationale Zuständigkeit der deutschen (Arbeits‐)Gerichte aus Art. 19 Nr. 1 i.V.m. Art. 60 Abs.1 lit. a EuGVVO, da die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hatte. Demgegenüber sieht das BAG mit nachvollziehbaren Erwägungen in dem arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren kein Annex-
OLG Wien, Beschl. v. . . – R /w – NZI , , . BAG, Urt. v. . . – AZR / – ZIP , .
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I. Internationales Insolvenzrecht
Verfahren, für das die Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zu bejahen wäre⁵¹⁵. Denn Kündigungsschutzverfahren hätten – wie das BAG überzeugend ausführt – nicht den spezifischen Insolvenzbezug, der den für eine Anwendung des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO erforderlichen engen Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren begründen würde. Ein solcher Bezug ergebe sich nicht allein aus den §§ 113, 125 InsO. Denn allein der Interessenausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO und die kurze Sonderkündigungsfrist des § 113 InsO würden einen solchen engen Zusammenhang nicht herstellen. Der Kündigungsschutzkläger hatte sich im Übrigen darauf berufen, der Interessenausgleich sei nicht rechtmäßig zustande gekommen, weil dieser mit dem beklagten Unternehmen ausgehandelt sei. Der § 125 InsO setze aber voraus, dass ein Insolvenzverwalter beteiligt sei. Dem ist das BAG mit überzeugenden Argumenten, die es auf Art. 10 EuInsVO stützt, entgegengetreten. Denn in dem in London eröffneten grenzüberschreitenden Hauptinsolvenzverfahren kommt aufgrund der Regelung des Art. 10 EuInsVO wegen der in Deutschland bestehenden Arbeitsverhältnisse deutsches Arbeitsrecht und damit auch deutsches Insolvenzarbeitsrecht zur Anwendung. Da aber die in England bestellten Administrators, die dort insolvenzrechtlichen zuständigen „Insolvenzorgane“ sind, sei § 125 InsO nach zutreffender Auffassung des BAG unionsrechtskonform auszulegen. Daher komme es darauf an, dass der Administrator für den Insolvenzschuldner nach Maßgabe des englischen Insolvenzrechts handelt. Ist dies der Fall, sei er als Insolvenzverwalter i.S.v. § 125 InsO anzusehen und habe folglich die Rechtsmacht, einen Interessenausgleich mit Namensliste auszuhandeln und abzuschließen.
3. Internationale Zuständigkeit für Insolvenzanfechtungsklagen Mit ihrem Schlussantrag vom 10.9. 2013 hat die GA Eleonore Sharpston⁵¹⁶ im Verfahren „Schmid“ eine Entscheidung nahegelegt, Art. 3 Abs. 1 EuInsVO dahingehend auszulegen, dass für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen Wohnsitz oder satzungsgemäßen Sitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats hat, die Gerichte des Mitgliedstaates international zuständig seien, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
Zu den Voraussetzungen: EuGH, Urt.v. . . – Rs C-/ (Deko Marty Belgium) – ZIP , ; Urt. v. . . – Rs C-/ (Lietuvos Auk‘sèiausiasis Teismas (Litauen)) – ZIP , . EuGH GA (Generalanwältin Eleonore Sharpston), Schlussanträge v. . . – Rs C / – ZIP , ; bestätigt durch: EuGH, Urt. v. . . – Rs C-/ – ZIP , .
I. Zuständigkeitsfragen
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Fall 151: Der in dem am 4. 5. 2007 über das Vermögen von Frau Aletta Zimmermann eröffneten Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter Ralf Schmid erhob zur Anfechtung eines zwischen der Schuldnerin und ihrer Stiefmutter, Frau Lilly Hertel, geschlossenen Rechtsgeschäfts die Anfechtungsklage. Die Frau Hertel wohnte in der Schweiz – einen weiteren Auslandsbezug auf einen anderen Unionsmitgliedstaates Deutschland gab es nicht. Die Vorinstanzen hatten die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen. Der mit der Revision angerufene BGH setzte das Verfahren aus und ersuchte um eine Vorabentscheidung des EuGH. ⁵¹⁷
Die Generalanwältin Eleonor Sharpston hat als Vorfrage der zu beantwortenden Frage erörtert, ob bei einem Auslandsbezug lediglich von einem Mitgliedstaat zu einem Drittstaat die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem die Schuldnerin den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen hat, für das Insolvenzverfahren aufgrund Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zuständig sind. Wäre dies nicht der Fall, wäre aufgrund des nationalen Insolvenzrechts des betreffenden Mitgliedstaats nach dem internationalen Privatrecht über die Zuständigkeit zu entscheiden. Dabei geht die GA davon aus, dass mit dem Inkrafttreten der EuInsVO deren Regelungen nicht nur an die Stelle aller nationalen Vorschriften, sondern auch aller bilateralen Übereinkünfte, deren Parteien die Mitgliedstaaten waren, über internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren getreten seien. Dabei bliebe für die Frage, welches Gericht für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig ist, der Wohnsitz eines potenziellen Gegners einer Anfechtungsklage ohne Bedeutung. Der Nachweis eines grenzüberschreitenden Bezugs zwischen mindestens zwei Mitgliedstaaten sei daher keine notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Verordnung. Vor diesem Hintergrund geht die GA davon aus, dass das nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zuständige Gericht befugt sei, über eine Anfechtungsklage des Verwalters zu entscheiden, die gegen einen Anfechtungsgegner mit Wohnsitz in einem Drittstaat gerichtet ist, weil dies aus der Einheitlichkeit und der Universalität des Insolvenzverfahrens folge. Demgegenüber hatte die deutsche Regierung in ihrer Stellungnahme darauf verwiesen, die Rechtstellung des Anfechtungsgegners werde, wenn er der Klage in einem für ihn fremden Land entgegentreten müsse, geschwächt, was von der EuInsVO nicht getragen sei. Die GA hat demgegenüber für ausschlaggebend gehalten, dass die EuInsVO für die Bestimmung des Anfechtungsgerichtsstands allein auf den Ort des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen des Schuldners abstelle. Denn das Insolvenzanfechtungsverfahren sei ein Annexverfahren, dessen internationale Zuständigkeit dem des Insolvenzverfahrens folge. Der Anfechtungsgegner werde hinreichend dadurch geschützt, dass
BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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I. Internationales Insolvenzrecht
eine automatische Anerkennung und Vollstreckung des auf die Anfechtungsklage erwirkten Urteils nicht gegeben sei.
II. Internationale Geltung der Verfahrenseröffnung 1. Voraussetzung der europäisch-internationalen Anerkennung von Insolvenzverfahren in einem Mitgliedsstaat In seinem Urteil hat der EuGH ⁵¹⁸ über die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 EuInsVO zu entscheiden gehabt. Dem lag folgender, hier vereinfacht wiedergegebener Sachverhalt zugrunde. Fall 152: Die Erste Bank Hungary Nyrt stritt sich mit dem ungarischen Staat, der BCL Trading, und der ERSTE Befektetési Zrt (ERSTE Bank). Dem lag zugrunde, dass im Mai 1998 von der Postabank és Takarékpénztár rt der BCL Trading ein Akkreditiv gewährt worden war, das diese in der Folgezeit an mehrere Banken abtrat. Die Postabank weigerte sich, den Akkreditivbetrag an die betreffenden Banken auszuzahlen, die auf Zahlung der abgetretenen Forderungen Klage erhoben. Die BCL Trading hatte für den Fall, dass die Akkreditive fällig werden und die Postabank entsprechende Zahlungen zu leisten habe, die in ihrem Eigentum stehenden Anteile an der Postabank als Sicherheit gestellt. Ein halbes Jahr darauf, am 5.12. 2003, wurde über das Vermögen der BCL Trading, die ihren Sitz in Wien hat, ein Insolvenzverfahren eröffnet. Das Legfelsöbb Birôsâg – das zuständige ungarische Gericht – erließ am 6.12. 2005 eine Entscheidung folgenden Inhalts: der ungarische Staat, der an der Postabank Anteile hält, aufgrund derer er einen bestimmenden Einfluss auf das Institut ausüben konnte und damit nach ungarischem Recht der Verpflichtung unterworfen war, sei verpflichtet, die von Kleinaktionären zum Verkauf angebotenen Anteile an der Postabank zu erwerben. Dieses Urteil führte der ungarische Staat dann aus und erwarb die Anteile zu dem vom Gericht festgelegten Preis unter Hinterlegung des Geldbetrages beim Gericht. Mit der später erhobenen Klage der ERSTE Bank, die Rechtsnachfolger der Postabank war, und die vor dem Fövarosi Birôsâg (dem Gericht Budapest) erhoben wurde, begehrte die ERSTE Bank die Feststellung des Bestehens eines Pfandrechts an dem gerichtlich hinterlegten Geldbetrag und beantragte die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in Ungarn gegen die BCL Trading, da diese dort eine Niederlassung habe und in Österreich bereits ein Insolvenzverfahren gegen sie eröffnet worden sei. Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens wurden zwar vom Legfelsöbb Birôsâg bejaht, der Antrag aber zurückgewiesen, denn die ERSTE Bank habe nicht nachgewiesen, dass der Schuldner eine Niederlassung in Ungarn habe. Später entschied dann das Fövarosi Birôsâg, die gegen die BCL Trading anhängig gemachte Klage sei unzulässig, da nach der österreichischen Konkursordnung, die damals noch galt, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der BCL Trading eine Leistungsklage unzulässig sei. Diese Entscheidung wurde durch das Berufungsgericht Budapest – Fövarosi Ítélőtábla gestützt auf Art. 4 Abs. 1 EuInsVO bestätigt. Das Legfelsöbb Birôsâg hat die Angelegenheit dem EuGH vorgelegt mit der Frage, ob Art. 5 Abs. 1 EuInsVO dahin auszulegen sei, dass er auf einen Zivilrechtsstreit
EuGH, Urt. v. . . – Rs C-/ – ZIP , .
II. Internationale Geltung der Verfahrenseröffnung
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über das Bestehen eines dinglichen Sicherungsrechts Anwendung findet, wenn sich die Vermögensgegenstände, die Gegenstand dieses Rechts sind, in einem Staat befinden, der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat noch nicht Mitglied der Union war, wohl aber zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage, mit der das betreffende Gerichtsverfahren eingeleitet wurde.
Der EuGH sagt, mit dem Beitritt Ungarns zur EU am 1. 5. 2004 seien die ungarischen Gerichte verpflichtet gewesen, die Eröffnung des Verfahrens durch die österreichischen Gerichte anzuerkennen. Dingliche Rechte an Vermögensgegenständen, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befinden, werden von der Eröffnung des Verfahrens nach Art. 5 Abs. 1 EuInsVO, wie der EuGH in der vorliegenden Entscheidung ausführt, nicht berührt. Es greift insoweit eine vom Recht des Eröffnungsstaats abweichende Sonderanknüpfung, wie die Erwägungsgründe 11 und 25 der EuInsVO zeigen. Abweichend von der Regel des Rechts des Eröffnungsstaates erlaubt daher Art. 5 Abs. 1 EuInsVO, auf das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an bestimmten dem Schuldner gehörenden Vermögensgegenstände das Recht des Mitgliedstaates anzuwenden, in dessen Gebiet sich der fragliche Vermögensgegenstand befindet.
2. Feststellung der Unterbrechungswirkung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein ausländisches Gericht Mit einem Zwischenurteil hat das OLG Frankfurt ⁵¹⁹ darauf erkannt, dass die Unterbrechungswirkung bei Insolvenzeröffnung durch ein ausländisches Gericht durch Zwischenurteil festgestellt werden könne. Fall 153: Die Kläger verfolgen mit ihrer Klage die Feststellung von Beschlüssen einer Versammlung der Gläubiger einer von der Beklagten gegebenen Schuldverschreibung. Während des Berufungsverfahrens wurde von einem insoweit zuständigen, niederländischen Gericht ein einstweiliger Zahlungsaufschub und das Faillissement angeordnet. Die Beklagte beantragte die Feststellung der Unterbrechung des Rechtsstreits.
Zutreffend führt das OLG Frankfurt aus, der Antrag auf Feststellung der Prozessbeendigung sei kein Sachantrag, sondern ein Prozessantrag, mit dem die Feststellung einer bestimmten Prozesslage begehrt wird. Daher führe der prozessuale Feststellungsantrag auch nicht zu einer Klagänderung nach § 253 ZPO; es handele sich auch nicht um eine per se als sachdienlich zu behandelnde Umstellung des Klagantrags i.S.v. § 264 ZPO. Denn mit dem Antrag auf Feststellung der prozes OLG Frankfurt, Zwischenurt. v. . . – U / – ZInsO , .
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I. Internationales Insolvenzrecht
sualen Lage im Zwischenfeststellungsstreit werde allein die Fortdauer oder die Voraussetzung der Sachurteilsvoraussetzungen geklärt. Wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochen worden ist, sind die Sachurteilsvoraussetzungen nicht mehr gegeben. Dies kann daher Gegenstand eines Zwischenstreits sein. Im vorliegenden Fall stellt sich das Faillissement niederländischen Rechts als ein Insolvenzverfahren im Sinne der EuInsVO dar, wie sich aus Art. 2 lit. a EuInsVO i.V.m. Anhang A zur EuInsVO ergibt. Die EuInsVO ist auf den vorliegenden Fall auch anwendbar, da die Vereinigten Niederlande Mitglied der EU sind und anders als im Fall des Königreichs Dänemark ein Vorbehalt wegen des Inkrafttretens der EuInsVO nicht vorgenommen worden ist. Die Unterbrechungswirkung des § 240 Abs. 1 ZPO ergibt sich in diesem Fall aus Art. 15 EuInsVO. Danach kommt es für die Wirkungen eines ausländischen – hier in den Vereinigten Niederlanden eröffneten – Insolvenzverfahrens in weiteren EU-Mitgliedstaaten, in denen die EuInsVO als unmittelbar geltendes Recht zu beachten ist, auf das Recht des Gerichtsstaates (lex fori processus) an. Grob rechtsfehlerhaft und – angesichts der im Übrigen überzeugenden Entscheidung – betrüblich ist es, dass das OLG Frankfurt meint, eine Unterbrechung des Rechtsstreits sei im vorliegenden Fall nach § 240 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 352 InsO eingetreten. Denn das deutsche autonome internationale Insolvenzrecht, wie es die InsO regelt, kommt dann nicht zur Anwendung, wenn – wie in dem vorliegenden Fall – die EuInsVO anzuwenden ist. Versöhnlich stimmt demgegenüber, dass das OLG Frankfurt sich den – leider immer noch in der Praxis anzutreffenden – Lockrufen widersetzt hat, dem in den Vereinigten Niederlanden eröffneten Insolvenzverfahren die europäische Anerkennung zu versagen. Zutreffend führt das OLG Frankfurt aus, dass Art. 16 Abs. 1 EuInsVO auch dann anzuwenden sei, wenn nach Auffassung der deutschen Rechtsanwender eine Zuständigkeit des ausländischen Gerichts zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO nicht bestanden habe. Denn Art. 16 EuInsVO greife den Grundsatz europäischen Vertrauens auf und habe sich für die automatische europäische Anerkennung von Hauptinsolvenzverfahren, die in anderen Mitgliedstaaten eröffnet worden sind, in den übrigen Mitgliedstaaten entschieden. Eine Grenze bildet allein der inländische ordre public, die allein durch eine fehlerhafte Anwendung des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO (bzw. einer aus deutscher Sicht fehlerhafte Anwendung) nicht überschritten wird.
II. Internationale Geltung der Verfahrenseröffnung
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3. Reichweite des Art. 24 EuInsVO In dem Verfahren Grontimmo⁵²⁰ hat die Generalanwältin Juliane Kokott ihre Rechtsansicht zur Auslegung des Art. 24 EuInsVO vorgetragen. Fall 154: Über das Vermögen der Grontimmo war ein Insolvenzverfahren in Luxemburg eröffnet worden. Ein in Belgien sitzender Drittschuldner hatte danach zwar nicht an Grontimmo, aber auf vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer von Grontimmo erteilten Weisung auf von dieser ausgestellte Schecks an Kostner, einen Dritten, Auszahlungen vorgenommen. Der Konkursverwalter nahm die drittschuldnerische Bank auf Zahlung in Anspruch, wogegen sie sich vor dem Tribunal de Commerce de Brusseles auf Art. 24 EuInsVO berief.
Die Vorschrift des Art. 24 EuInsVO trägt dem Umstand Rechnung, dass in Ermangelung eines europäischen Insolvenzregisters die in den anderen Mitgliedsstaaten automatisch anzuerkennende Eröffnung eines Konkurs- oder Insolvenzverfahrens Wirkungen entfaltet, ohne dass sich der Rechtsverkehr hierauf immer einzustellen in der Lage wäre. Namentlich Drittschuldner sind rein faktisch, wie die Generalanwältin ausführt, daran gehindert, sich Kenntnis von der Verfahrenseröffnung zu verschaffen. Die Generalanwältin hat daher vorgeschlagen, den Anwendungsbereich des Art. 24 EuInsVO so zu verstehen, dass neben einer unmittelbaren Zahlung des Drittschuldners an den Insolvenzschuldner oder neben der unmittelbaren Zuwendung eines anderen Vermögenswertes an den Insolvenzschuldner auch solche Zuwendungen zu fassen seien, die der Drittschuldner auf Weisung des Insolvenzschuldners und für dessen Rechnung an Dritte erbringt. Dies leitet die Generalanwältin zum einen aus dem Wortlaut der Vorschrift ab, die in der englischen, französischen, spanischen und italienischen Fassung von einer „Erfüllung zu Gunsten des Schuldners“ spricht. Zutreffend erörtert die Generalanwältin dann die deutsche Fassung des Art. 24 EuInsVO, in der davon die Rede ist, „wer an einen Schuldner leistet“. Der enge Wortlaut der deutschen Fassung scheint nicht die Reichweite der zitierten Fassungen der anderen EU-Mitgliedstaaten aufzuweisen. Allerdings sieht die Generalanwältin, dass eine Leistung an den Schuldner auch dann vorliegt, wenn die Zuwendung in Bezug auf ein bestimmtes Schuldverhältnis an einen Dritten auf Weisung des Insolvenzschuldners erfolgt. Da im vorliegenden Fall die drittschuldnerische Bank eine vertragliche Pflicht gegenüber Grontimmo traf, auf deren Weisung Guthabenbeträge an Dritte auszuzahlen oder zu Lasten des Kontos Schecks auszustellen oder einzulösen waren, liegt ein solcher Fall nach richtiger Ansicht vor. Zutreffend rundet die Generalanwältin ihre grammatische Interpretation durch eine teleologische
EuGH GA (Generalanwältin Juliane Kokott), Schlussantrag v. . . – AsC-/ (Tribunal de Commerce de Brusseles-Belgien) – ZIP , .
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I. Internationales Insolvenzrecht
Auslegung der Vorschrift des Art. 24 EuInsVO ab. Dabei sieht sie, dass der gutgläubige Dritte schutzbedürftig ist. In der Tat ist kein Grund dafür zu erkennen, weshalb das Kreditinstitut, das Guthabenbeträge in Unkenntnis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden an einen Dritten auszahlt, gegenüber Fallkonstellationen schlechter gestellt werden soll, in denen die Auszahlung unmittelbar an den Insolvenzschuldner erfolgt, wie die Generalanwältin überzeugend ausführt. Die Kommission hat sich freilich dahingehend geäußert, dass diese Auslegung des Art. 24 EuInsVO zu einer Verringerung von Insolvenzmassen führe. Zu Recht lässt sich die Generalanwältin auf diese Bedenken nicht ein. Denn der materiell-rechtliche Gerechtigkeitsgehalt insolvenzrechtlicher Normen ist nicht an einem abstrakten Schutz der haftenden Masse zu orientieren. Denn die haftende Masse reicht nur soweit, wie sich nicht aus anderen Richtigkeitserwägungen etwas anderes ergibt.
4. Befreiende Leistung an den Schuldner nach Art. 24 EuInsVO Der EuGH ⁵²¹ hat über die Auslegung des Art. 24 Abs. 1 EuInsVO zu entscheiden gehabt. Fall 155: Über Grontimmo, eine Bauträgergesellschaft mit Sitz in Antwerpen, wurde beim Tribunal de commerce de Brüssel am 11.5. 2006 beantragt, das Konkursverfahren zu eröffnen. Am 22. und am 24. 5. 2006 wurden von zwei Schuldnergesellschaften von Grontimmo zu deren Gunsten zwei Schecks in einem Gesamtwert von EUR 1,4 Mio. ausgestellt. Am 29. 5. 2006 traten die Direktoren von Grontimmo zurück. Die Jahreshauptversammlung nahm dies an und ernannte neue Direktoren, die ihren Wohnsitz in Südafrika hatten. Noch am selben Tag – nämlich dem 29.6. 2006 – erwarb die schuldnerische Gesellschaft von der am 29.3. 2006 gegründeten Kostner Development Inc. mit Sitz in Panama eine Kaufoption in Höhe von EUR 1,4 Mio. Am 31.5. und am 22.6. 2006 eröffnete die schuldnerische Gesellschaft bei der Dexia Banque International à Luxemburg zwei Konten. Zunächst wurde auf dem ersten Konto der Gesamtwert von EUR 1,4 Mio. aus den dort eingereichten Schecks gutgeschrieben und sodann auf das zweite Konto überwiesen. Am 2.6. 2006 wurde der Dexia Banque International à Luxemburg von den neuen Direktoren von Grontimmo der schriftliche Auftrag erteilt, einen Bankscheck in Höhe von EUR 1,4 Mio. zu Gunsten von Kostner auszustellen. Am 4.7. 2006 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Grontimmo eröffnet und 10 Tage später das Eröffnungsdekret im Moniteur belge, nicht aber im Journal officiel du Grand-Duché de Luxembourg veröffentlicht. Der in Auftrag gegebene Scheck für Kostner wurde von der Dexia Banque International à Luxemburg am 5.7. 2006 ausgestellt. Der Konkursverwalter der Grontimmo verlangte am 21.9. 2006 von der Dexia Banque International à Luxemburg die sofortige Rückzahlung des Betrages. Eine gütliche Wiedereinziehung war nicht erfolgreich.
EuGH, Urt. v. . . – Rs C-/ (Tribunal de commerce de Brüssel – Belgien) – ZIP , .
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Nach Art. 24 Abs. 1 EuInsVO wird der Drittschuldner, der in einem Mitgliedstaat an einen Insolvenzschuldner leistet, über dessen Vermögen in einem anderen Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, befreit, wenn ihm die Eröffnung des Verfahrens nicht bekannt war. Der EuGH meint nun, nach dem Wortlaut der Vorschrift sei, da von der Leistung an eine Person die Rede sei, nicht die Leistung im Auftrag dieser Person an ihre Gläubiger gemeint. Denn es sei in der spanischen Fassung „a favor de“, in der englischen „for the benefit of“, in der italienischen „a favore del“, in der niederländischen „ten voordelen van“ und in der portugiesischen Fassung „a favor de“ formuliert. In der deutschen Fassung sei im 30. Erwägungsgrund davon die Rede, zum Schutz solcher Personen, die eine Zahlung an den Schuldner leisten. Vergleichbare Formulierungen fänden sich nach Ansicht des EuGH in der englischen und in der schwedischen Fassung. Es sei daher – lege man den Wortlaut zugrunde – in Art. 24 Abs. 1 EuInsVO allein die Leistung (unmittelbar) an den Insolvenzschuldner gemeint. Geschützt seien daher die Personen, die entweder unmittelbar oder mittelbar gutgläubig an den Insolvenzschuldner leisten. Empfänger der Leistung sei im vorliegenden Fall indes nicht der Insolvenzschuldner. Und zwar auch dann nicht, wenn die Bank eine eigene vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Insolvenzschuldner erfüllt habe. Denn Art. 24 Abs. 1 EuInsVO rechtfertige es nicht, dass die Masse um Vermögensgegenstände verringert werde, die der Insolvenzschuldner seinen Gläubigern schulde. Denn ansonsten könne eine Verlagerung von Vermögensgegenständen aus der Masse auf diese Gläubiger vorgenommen werden.
5. Insolvenzanfechtung, Art. 13 EuInsVO Der BGH ⁵²² hat dem EuGH Vorlagefragen zur Anwendung des Art. 13 EuInsVO vorgelegt. Fall 156: Auf den Eigenantrag vom 13.4. 2008 hatte das AG Ravensburg am 4. 8. 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der österreichischen A-GmbH mit Sitz in Bregenz eröffnet. Gegen die insolvenzschuldnerische Gesellschaft hatte der spätere Beklagte wegen Nichterfüllung eines Pkw-Kaufvertrages am 17. 3. 2008 beim Bezirksgericht Bregenz einen vollstreckbaren Zahlungsbefehl über rd. EUR 9.600 erwirkt. Hieraus bewilligte das Bezirksgericht Bregenz als Vollstreckungsgericht am 20. 5. 2008 die Fahrnis- und Forderungsexekution, mit der drei Konten der Schuldnerin bei der S.F. als Drittschuldnerin gepfändet wurden, die am 17. 3. 2009 an den späteren Beklagten zahlte. Der Insolvenzverwalter der A-GmbH hatte zuvor erklärt, keine Gegenrechte geltend zu machen, sich jedoch eine Insolvenzanfechtung vorzubehalten. 10 Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH erklärte der Insolvenzverwalter
BGH, Beschl. v. . . – IX ZR / – ZIP , .
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dann die Anfechtung bezüglich der Fahrnis- und Forderungsexekution und der Auszahlung. Am 23.10. 2009 wurde die Klage auf Rückgewähr des vereinnahmten Betrages gegen den Beklagten zugestellt. Dieser verteidigte sich damit, nach österreichischem Insolvenzanfechtungsrecht sei die Insolvenzanfechtung ausgeschlossen, denn die Anfechtungsklage sei nicht binnen eines Jahres nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben worden.
Nach Art. 4 Abs. 2 lit. n) EuInsVO betreffen die Wirkungen des Insolvenzverfahrens, die sich nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO nach dem lex fori concursus richten, die Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relative Unwirksamkeit von gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen. Hiervon macht Art. 13 EuInsVO dann eine Ausnahmen, wenn die durch eine gläubigerbenachteiligende Handlung begünstigte Person nachweist, dass diese Handlung dem Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staats der Verfahrenseröffnung unterworfen ist und dass nach dieser lex causae die Handlung in keiner Weise angreifbar ist. Eine Anfechtung der Auszahlung des gepfändeten Kontoguthabens kam nach dem grundsätzlich im vorliegenden Fall anwendbaren deutschen Insolvenzrecht (Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 lit. m) EuInsVO) nicht in Betracht, da § 129 Abs. 1 InsO die Anfechtung allein solcher Rechtshandlungen vorsieht, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und ein Fall des § 147 InsO nicht vorlag.
6. Gelöschte vermögenslose Limited Der Umgang mit der Limited englischen Rechts im deutschen zivilgerichtlichen Verfahren ist nicht immer ganz einfach. Insbesondere der Verlust der Parteifähigkeit einer vermögenslosen Limited, die im englischen Gesellschaftsregister gelöscht worden ist, ruft Schwierigkeiten hervor. Fall 157: In dem vom KG ⁵²³ entschiedenen Fall hatte die Klägerin, eine Limited nach englischem Recht, Berufung gegen ein Urteil eingelegt, mit dem sie in einem Rechtsstreit mit dem Beklagten unterlegen war. Das KG hatte die Berufung als unzulässig verworfen, da die klagende Limited ihre Parteifähigkeit verloren habe.
Zutreffend führt das KG dabei aus, dass die Parteifähigkeit nach § 56 ZPO von Amts wegen auch in der Berufungsinstanz zu prüfen und das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen war, weil sie bei Einlegung des Rechtsmittels nicht mehr vorlag.⁵²⁴ Maßgeblich sei das Recht Großbritanniens. Denn der Umfang und der Fortbestand der Rechtsfähigkeit der Limited bestimmt sich nach dem Personal-
KG, Beschl. v. . . – U / – ZIP , . BGH, Urt. v. . . – V ZR / – BGHZ , .
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statut, das sich nach dem Recht des Gründungsstaates richtet, auch wenn die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nicht mehr im Gebiet des Gründungsstaats hat.⁵²⁵ Die Löschung im englischen Gesellschaftsregister, die konstitutive Wirkung hat, führte dazu, dass die Limited als solche aufgelöst wurde und zu existieren aufgehört hatte. Nun wird die Auffassung vertreten, dass bei Löschung und Auflösung der Limited in England, diese unter der Voraussetzung, dass sie in Deutschland noch Vermögen besitzt, in Deutschland als Restgesellschaft fortbesteht. Denn ihr Vermögen könnte sonst keinem Rechtsträger zugeordnet werden und wäre im Inland herrenlos. Denn von der Dissolution der Limited in England wird nach englischem Recht im Wege der legal occupation nach Sec. 654 CA 1985 nur das Vermögen der Gesellschaft erfasst, das sich in England befindet. Dieses Vermögen geht dann auf die englische Krone über. Auslandsvermögen betrifft dies aber nicht. Der mit der Annahme einer Limited rechtsgesellschaftlich gewollte Schutz der inländischen Gläubiger greift indes.
BGH, Urt. v. . . – VII ZR / – ZIP , .
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Gericht
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AG Essen AG Göttingen AG Göttingen AG Hamburg AG Hamburg AG Hamburg AG Hamburg AG Hamburg AG Köln AG Köln AG Ludwigshafen AG Ludwigshafen AG Mannheim AG Stendal AG Bremen BAG BAG BAG BAG BAG BAG BFH BFH BFH BFH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH BGH
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Sachregister Absonderung 103 Absonderungsstreit 28 Abspaltung 63 Abtretung – Anfechtungsansprüche 136 – künftige Forderung 20, 22, 122 – Gesellschafterdarlehen 175 f. – Löschunganspruch gem. § 1179a BGB 103 f. – Rentenansprüche 54 f., 145 f. – Steuerhaftung 116 Administrationsverfahren 243 Akkreditiv 246 Altverbindlichkeiten 6 f., 186 Amtsermittlung 64 Amtspflicht 83, 112 Anfechtung 6 – 8, 12, 30, 124, 134, 137, 139 – 141, 143 – 146, 149, 154 f., 158, 160, 162 – 165, 170, 176 – 179, 186 f., 199, 212, 245, 252 – Direktzahlung 7, 151 – 153 – Verzicht 7, 104 f., 109, 116, 127, 175 Anfechtungsrecht 135, 139, 144, 189 – Abtretung 136 Angehörige 174 Anhängigkeit 197 Arbeitnehmer 9, 46, 57, 80, 99, 140 f., 161 f., 181 f., 209, 243 Arbeitseinkommen 44, 46 f., 56 – 59, 95 – verschleiertes 57 f. Arrest 40 – 43 – dinglich 40, 42 – strafprozessual 40 Aufrechnung 72, 77, 92 f., 124 – 130, 154, 164 Ausgliederung 63, 95 Auskunftsanspruch 59, 82 Auskunftspflicht 65, 91 Aussonderung 30, 71 f. Aussonderungsstreit 28 Bargeschäft 10, 152 f., 164, 182 Baugeld 40 Baugenehmigung 204
Bauhandwerker 40 Bekanntgabe 131 f. Benachteiligungsvorsatz 13 f., 148, 150, 160, 162 f., 167 – 169, 171, 173, 175 f., 184, 186 Berater 48 f., 206, 218 Beraterhaftung 170, 206 Beratungsleistung 48 f., 95 f., 182, 205, 218 Berufsfreiheit 85 Berufsrecht 85 Berufsunfähigkeitsrente 54 f. Beschwerde 1 f., 15 f., 26, 31, 47, 56, 58, 61, 64, 66 – 69, 87, 133 f., 211 f., 214 – 216, 224, 228, 236 – gegen die Eröffnung 15 f. Betriebsfortführung 81, 117, 196, 203, 210 Billigkeitskontrolle 79 f. Bürge 191 Bürgenhaftung 191 Bürgschaft 19, 181, 191 Darlehensgeber 15, 113, 211 Darlehensnehmer 113 f. Dauerschuldverhältnis 125 Deckungsanfechtung 7, 141, 153, 166, 179, 188 f. Degressionsausgleich 232 Deliktsforderung 223 – Widerspruch 16, 25 – 27, 29, 78, 112, 116, 198, 223 f. Dienstleistung 21, 48, 217 Drittschuldner 5, 34, 57 – 59, 107, 109 f., 146 f., 249, 251 eidesstattliche Versicherung 29, 178 Eigengeld 55 – 57 Eigentumsvorbehalt 7, 117, 119, 122 f., 152 Eigenverwaltung 66, 81, 141 f., 195, 201 – 214, 216 – 222, 227 f. – Anordnung 3 f., 6, 16, 23, 42 f., 48, 54 – 56, 58, 66, 81, 84, 117, 119, 132, 142, 201 – 214, 217 – 221, 227, 231 – Nachteilsprognose 202 Einziehungsermächtigung 107, 231
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Sachregister
Energielieferungsvertrag 70 f. Enthaftungserklärung 76 – 79 Erbbaurecht 134 Erbschaft 39, 67 – Ausschlagung 39 – Pflichtteil 39 Erbvertrag 38 f. Erfüllungsablehnung 33, 71 Erfüllungswahl 118 Eröffnungsverfahren 1 – 3, 6, 8, 10, 15 – 17, 48, 51, 70, 122, 143, 186, 201, 206, 208, 214, 217 f., 221, 228, 234 f., 238, 240 – Eröffnungsbeschluss, Beschwerde 15 f. ESUG 141, 201, 210 f., 213 f. EuInsVO 30, 68, 146, 242 – 252 EWIV 192 Existenzvernichtender Eingriff 93 – Existenzvernichtender Eingriff 31 f., 93 Factoring 107 Finanzierungsleasing 22, 51, 220 Fonds 34, 202 f. Forderung 1, 5, 10 f., 13, 15, 18 – 22, 25 – 28, 31 – 36, 43 f., 48 f., 51, 53 f., 56, 58, 66, 68, 74, 78, 83, 88, 92 f., 99 – 101, 107, 109 – 112, 115, 117, 119 f., 122, 124 f., 127 – 133, 138, 144 f., 147, 149 f., 154, 157, 160, 162, 165, 168, 176 – 178, 181 f., 184, 191, 193 f., 217, 223 f., 229 – 231, 233, 246 – betagte 22 – Stehenlassen 181 Fortführungsvereinbarung 236 GbR 69, 192 Gehaltsforderung 126, 181 Gehaltspfändung 55, 95 Generalunternehmer 40 Gerichtsstandbestimmung 1 Gerichtsstandsbestimmung 24 f. Gesamtrechtsnachfolge 67 – 70, 95 Geschäftsführer 7 f., 29, 31, 42 f., 82, 87, 92, 94 – 96, 111, 126 f., 132, 137, 149, 157, 167, 170, 178, 191, 203, 206 f., 210 f., 218, 242 Geschäftssitz 1
Gesellschaft 2, 25, 32 f., 41, 43, 50, 60, 64, 69, 81, 85, 90 f., 94 – 96, 98, 149, 176 f., 180 f., 192, 202, 206 – 208, 210, 213, 242, 250 f., 253 Gesellschafter 2, 18, 32, 43, 59 – 61, 68, 70, 91, 99, 111, 136, 149, 157, 159, 170, 176 – 181, 191, 203, 207, 210 Gesellschafterdarlehen 99, 176, 180 f. Gesellschafterversammlung 1, 87, 207 f. Gesellschaftssitz 2 Gewaltenteilung 204 Gläubigerausschuss 82, 85, 89, 97 f., 212, 226 Gläubigerautonomie 97 Gläubigerbenachteiligung 9, 125, 144 f., 147 – 153, 165, 167, 169, 174 f., 179 f. Gläubigerversammlung 52, 83 – 87, 130 GmbH & Co. KG 30, 70, 98 f., 119 f., 124, 178, 180, 194, 228 Grundbuch 47, 67, 105 – 108, 134, 139 Grundbuchverfahren 106 f., 134 Grundschuld 103 f., 137, 170 f. Handelsregister 1, 29, 60, 87, 242 f. Hausgeld 56 f., 115 Höchstbetragsbürgschaft 191 Informationsrecht 59, 91 Inkongruenz 153, 160, 169 – 175 – Beweiszeichen 160, 163, 169 – 171 Insolvenzantrag 14, 23, 64, 70 f., 107, 141, 155, 159 f., 162, 164, 167 f., 173 f., 182, 201, 207, 210, 234 – Eigenantrag 1, 7, 44, 48, 65 f., 92, 94, 98, 113, 124, 137 – 139, 151, 153 f., 159, 161, 166, 172, 176, 178, 184 f., 198, 206, 209, 218, 238, 251 – Fremdantrag 1, 11, 38, 162, 168, 173, 241 – Pflicht 53, 65, 74 f., 81, 85, 89 f., 94 – 97, 111 f., 238, 240, 249 Insolvenzbeschlag 2, 21, 40, 42, 45, 48 – 50, 53 – 57, 78, 88, 133, 195, 221 Insolvenzeröffnungsgrund 11 Insolvenzforderung 4, 6, 18, 36, 98 – 100, 121, 127 – 130, 147, 181, 191, 199, 217 – Anmeldung 26 f., 35, 103, 116, 128 f., 223
Sachregister
Insolvenzgeld 8, 213, 218 – 220 – Vorfinanzierung 8, 213, 218, 220 Insolvenzplan 14, 52, 79, 85, 142, 191 – 199, 204, 218 – 220 – Planquote 192 f. – Überwachung 65, 97 – Vergleichsrechnung 192 f. – Zurückweisung 66, 124, 133, 192 Insolvenzrichter 204, 206, 224 f. Insolvenztabelle 4, 25 – 28, 35 f., 98, 100 f., 103, 108, 116, 126 – 128, 131, 135, 181, 193, 205 f., 217, 223 f., 233 – vollsteckbarer Auszug 223 f. Insolvenzvermerk 47 Insolvenzverwalter 1, 3, 5 – 10, 12, 15 – 18, 20 f., 23, 25 f., 28 – 39, 41 – 45, 48 – 54, 57, 60 – 63, 66 f., 71 – 94, 97 f., 101 f., 104 – 122, 124, 126 – 142, 144 – 147, 151, 154 – 156, 158 f., 161 f., 164, 166 – 172, 174, 176 – 178, 180 f., 183 – 189, 192 – 196, 200, 203, 205, 207 – 210, 212, 221, 223, 226 – 241, 244 f., 251 – vorläufiger 166 f., 227 f., 230, 235 Insolvenzverwaltervergütung 103, 228, 232, 234 Jahresabschluss 90, 96, 159 Joint Administrator 243 Kaution 76 KGaA 192 Kleinbeteiligtenprivileg 182 Kleinbeteiligungsprivileg 99 Kommanditgesellschaft 70 – Kommanditgesellschaft 60, 67 – 70, 87 f., 91, 134 – 136, 140, 170, 176, 192, 202, 252, 257 Kommanditist 67 – 70, 90 f., 99, 177 f. Komplementär 60, 67 – 70, 91, 136, 178 Kongruenz 107, 151 Konsignationslagervertrag 117 f. Konto 3 f., 9, 12, 44, 59, 97, 137, 145, 147 – 149, 164 – 166, 168, 176, 186, 189, 249 f. – Eigengeldkonto 56 – Hausgeldkonto 56 – Pfändungsschutzkonto 58 f. Konvaleszenz 20 f.
261
Konzerninsolvenz 203 Kostenfestsetzungsbeschluss 100, 102 Kraftfahrzeugsteuer 102, 113 Krankenversicherung 11, 74 f., 79, 161 Lastschrift 138, 164, 167, 186 Lebensversicherung 37, 54, 155 f., 164, 229 Leistungsmittler 157, 161 f., 164 – 167 Leistungsverweigerungsrecht 108 – 110, 152 Limited 252 f. Liquidation 92 Liquidationsverfahren 204 Liquiditätsprognose 13 f. Liquiditätsstatus 186, 188, 206 LKW-Maut 189 Lösungsklausel 70 f. Mahnbescheid 16 Mahnverfahren 35 f. Massearmut 132 f. Massekredit 9, 211, 213, 217, 220 Massenverzeichnis 205 Masseunzulänglichkeit 81, 101 – 103, 118, 132 f., 228, 236 Masseverbindlichkeiten 9 f., 80, 90, 102, 121, 143 f., 193, 205 f., 213 – 220 – Begründung 7, 9 f., 28, 61 f., 73 f., 133, 137, 143, 151, 154, 205 f., 213 – 220 – Einzelermächtigung 9, 17, 143, 219 – Globalermächtigung 217, 219 f. Mehrarbeit 45 f., 99 Mehrheitsgesellschafter 207 Mietkaution 78 Mietvertrag 22, 73 f., 76 – 78, 108, 150 Mindestvergütung 64, 237 – 239 Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit 2 Mitwirkungspflicht 65 Nachlass 38 f., 155 Nachlassinsolvenzverfahren 67, 69, 155, 157 Nachsicherung 158 Nachtragsverteilung 44, 132 f., 231 f. Näheverhältnis 161 Naturalobligation 191 Nebenrecht 59 f. Neuerwerb 21, 37, 44 f., 51, 54, 78, 231 Nichtzulassungsbeschwerde 25 f., 109, 124
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Sachregister
Niederlassung 246 Notar 45, 47, 82 f., 88, 145 f. Offenbarungsversicherung oHG 69, 98, 192
29
Pachtvertrag 51, 149 Partenreederei 192 Partikularinsolvenzverfahren 242 Partnerschaftsgesellschaft 192 Patentnichtigkeitsverfahren 29 Personengesellschaft 60, 67 Pfändung 12, 14, 23, 57 – 60, 110, 138, 145 Pfändungsschutz 40, 44, 46 f., 53, 56, 59 Prolongation 185 Provisionsforderung 194 Prozessführungsbefugnis 16 f., 20, 36, 60, 78, 142, 193 – 195, 198, 217 – des Insolvenzschuldners 20 – des Insolvenzverwalters 35, 193, 198 – des Sachwalters 141 f., 193 f., 189 f. Prozesskosten 100 Prozesskostenhilfe 30 – 32, 34, 60 – 62, 75, 221 Prozessstandschaft 199 – gewillkürte 142, 195, 199 Quotenerwartung
192
Rangrücktritt 31, 94 Ratenzahlungsvereinbarung 151, 183 f., 187 Raumsicherungsvertrag 119 Rechtshängigkeit 102, 109, 194 – 196 Rechtskraft 2, 41, 55, 91, 134, 228 f., 232 – Durchbrechung 2, 8 Rechtsschutzbedürfnis 91, 128, 142 Rentenversicherung 18 – Bezugsrecht 140, 155 f. Restitutionsverfahren 174 Restschuldbefreiung 44, 64 f., 84, 223 – 225, 238 – Ankündigung 224 f., 238 – Versagung 64 – 66, 84 f., 213 f., 216, 224 Rückfallklausel 99 Rückgewinnungshilfe 40 – 42 Rückschlagsperre 105 f.
Sachverständiger 174, 235 Sachwalter 81 f., 142 – 144, 193 – 195, 198, 203, 208 – 211, 213, 215 f., 218 – 221, 226 – 228 – vorläufiger 213, 221 Sanierung 52, 201, 208, 235 f. – außergerichtliche 184, 201 Sanierungsberatung 182 Sanierungskonzept 201 Sanierungstarifvertrag 99 Scheck 138, 249 f. Schenkungsanfechtung 82, 155 – 158 Schiedsabrede 32 – 35 Schlussverteilung 131, 224, 231 f. Schneeballsystem 101, 137, 159 Schutzschirmverfahren 12, 14, 141 – 144, 201, 211, 214, 220 Schutzschrift 201 Sekundärinsolvenzverfahren 242, 246 Sicherungshypothek 23, 41, 105 Sicherungsübereignung 18, 112, 114, 120, 146 Sicherungszession 18, 20 f., 98, 147, 229 f. Sitz 1, 24, 242 – 244, 246, 250 f. Sitzverlegung 1, 64 Sonderinsolvenzverfahren 67 – 70 Sonderinsolvenzverwalter 86 f., 212 Sondermasse 63 Sozialversicherung 138 Steuerberater 94 – 96, 160 f., 182, 243 Steuerforderung 12 – 14, 135, 184 stiller Gesellschafter 98 Störer 80 f. Stundung 12 f., 182, 184 f., 199, 238 f., 241 Surrogation 104, 115 Teilaufnahme 26 f. Teilungsversteigerungsverfahren Treugut 147 f.
23
Überschuldung 1, 31, 94, 96, 126, 206 Überweisung 3 f., 23, 144 f., 147 – 149, 165, 188 Umsatzsteuer 116 f., 122, 233, 235, 237 unerlaubte Handlung 100, 223 f. Unterbrechungswirkung 16, 29, 247 f. Unternehmensgruppe 203
Sachregister
Untreue 43, 85, 92, 97, 146, 202 Urkunde 37 f., 58, 60, 82 f., 87, 106 f., 131, 139, 150 Verbraucherinsolvenz 66 f., 135 Verfahrenskostenstundung 237 – 239, 241 Verfassungsbeschwerde 50 Verfügungsbefugnis 6, 19, 21, 36, 49, 76 – 78, 127 f., 134, 136, 195, 207, 221 Verfügungsverbot 3, 16, 26 Vergütung 57, 62, 85, 112, 154, 183, 219, 226 – 241 – Abschläge 227 – Antrag 1, 11 f., 20, 23, 26, 28, 31 f., 37, 42, 45 – 47, 50, 58 f., 61 f., 64, 66, 68, 75, 84 – 86, 88, 91, 107, 127, 132 – 135, 143, 146, 156, 160, 168, 174, 182, 186 f., 189, 197, 202 – 204, 206 – 209, 211, 214 f., 218 – 221, 224 – 226, 229, 237 f., 243, 246 f. – Berechnung 107, 229 f. – Berechnungsgrundlage 227, 229 – 232, 238 – Festsetzungsbeschluss 228 f., 232 – Regelsatz 233 – Subsidiärhaftung der Staatskasse 240 – Uneinbringlichkeit 237 – Zuschläge 231 – 233 Verjährung 30 – 32, 92 f., 139, 178, 197 – Hemmung 30 f. Vermieterpfandrecht 73, 121, 150 Verpächterpfandrecht 150 Verrechnung 101, 164, 195 Versicherungsmakler 166, 168 Verteilungsverfahren 103, 105, 130 f. Verteilungsverzeichnis 131 Verwertungspauschale 231 Vollstreckungsverbot 81, 100 Vorababtretung 20 f. Vorleistungspflicht 182
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Vormerkung 103 – 105 Vorrecht 42, 113 – 115 Vorsatzanfechtung 14 f., 31, 159, 161 f., 164, 166, 170 WEG 114 – 116 Wiedereinsetzung 35, 37, 61 f., 64 Wissenszurechnung 138 Wohlverhaltensperiode 65, 238 f. Wohnrecht 174 Wohnsitzverlegung 65 Wohnungseigentum 114 f., 174 f. Zahlungseinstellung 13, 173, 186 – 188 – Kenntnis des Gläubigers 150, 169 – 171, 188 Zahlungsunfähigkeit 1, 11 – 15, 94, 122, 126, 140, 142, 148, 163, 167, 169, 173, 175 f., 183 – 188, 207, 211 – Beseitigung 11, 81, 106 – drohende 1, 12 – 15, 160, 173, 176, 207 – retrograde Ermittlung 183, 185 – 187 Zurückbehaltungsrecht 108 Zuschlag 104, 112, 232 – 234 Zuständigkeit 1 f., 24 f., 206, 215, 244 f., 248 – internationale 146, 242 – 245 Zustellung 15, 31, 36 f., 62, 131, 195 – 198, 233 f. Zustimmung 3, 5 – 8, 20, 67, 84, 88 f., 106, 131, 134 f., 167 f., 174, 184, 192, 208, 213, 217 Zustimmungsvorbehalt 3 – 5 Zwangsversteigerung 24, 114 – 116 Zwangsvollstreckung 36, 68, 91, 100, 127, 139, 146, 168, 173 f., 189, 224 Zweitabtretung 18 Zweitverfahren 139 f., 231