Die steuerrechtlichen Grundlagen der Rücklage für Ersatzbeschaffung: Eine Untersuchung zu Prinzipien des Besteuerungsaufschubs im Einkommensteuerrecht [1 ed.] 9783428521418, 9783428121410

Der Reichsfinanzhof hat in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts den einkommensteuerrechtlichen Begünstigungstatbesta

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German Pages 194 [195] Year 2006

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Die steuerrechtlichen Grundlagen der Rücklage für Ersatzbeschaffung: Eine Untersuchung zu Prinzipien des Besteuerungsaufschubs im Einkommensteuerrecht [1 ed.]
 9783428521418, 9783428121410

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HENDRIK MARCHAL

Die steuerrechtlichen Grundlagen der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 94

Die steuerrechtlichen Grundlagen der Rücklage für Ersatzbeschaffung Eine Untersuchung zu Prinzipien des Besteuerungsaufschubs im Einkommensteuerrecht

Von Hendrik Marchai

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Sommersemester 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 188 Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-12141-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die Arbeit hat dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin im Sommersemester 2005 als Dissertation vorgelegen. Sie wurde für die Veröffentlichung aktualisiert und befindet sich auf dem Stand Ende 2005. Ganz herzlich danke ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Markus Heintzen, für die hervorragende Betreuung. In ihm habe ich einen Doktorvater gefunden, den man jedem Doktoranden wünschen kann. Herrn Professor Dr. Thomas Stapperfend von der Humboldt-Universität zu Berlin habe ich zu danken für die Unterstützung der Themensuche und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Den Herausgebern der Schriften zum Steuerrecht, Herrn Professor Dr. Joachim Lang und Herrn Professor Dr. Jens Peter Meincke, gilt mein Dank für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe. Der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, Förderer und Ehemaligen der Freien Universität Berlin danke ich für einen großzügigen Druckkostenzuschuss. Von den Kollegen vom Lehrstuhl danke ich insbesondere Herrn Privatdozent Dr. Andreas Musil und Herrn Lutz Lammers für ihre fachlichen Ratschläge. Schließlich gilt mein herzlicher Dank meinen Eltern, Frau Dr. Jutta NiedersenMarchai und Herrn Professor Dr. Peter Marchai, sowie Frau Professor Dr. Jutta Wermke und Herrn Privatdozent Dr. Andreas von Arnauld für ihre Anteilnahme und Unterstützung. Berlin, im April 2006

Hendrik Marchai

Inhaltsverzeichnis Einleitung und Gang der Untersuchung

15

1. Kapitel Prinzipien des Besteuerungsaufschubs A. Der Besteuerungsaufschub in den zu untersuchenden Fällen I. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung

19 19 20

1. Der Besteuerungsaufschub durch die Rücklage für Ersatzbeschaffung

20

2. Die Entwicklung der Rechtsprechung

23

II. Die Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG

26

1. Der Besteuerungsaufschub durch die Reinvestitionsrücklage

26

2. Die gesetzgeberischen Motive für die Einführung von § 6b EStG

29

III. Der erfolgsneutrale Tausch

30

1. Handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung beim Tausch

30

2. Fälle des Besteuerungsaufschubs beim Tausch

33

3. Die Einführung des § 6 VI 1 EStG

34

B. Grundweitungen des geltenden Einkommensteuerrechts I. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip II. Keine Wertzuwachsbesteuerung im geltenden Einkommensteuerrecht C. Prinzipien der Gewinnrealisierung I. Gewinnrealisierung nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung

35 35 40 41

42

1. Die Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz

42

2. Die Kritik an der Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz

43

nsverzeichnis II. Gewinnverwirklichung durch steuerliche Ersatzrealisationstatbestände ΠΙ. Prinzipien der Gewinnrealisierung D. Gemeinsame Prinzipien des Besteuerungsaufschubs? I. Die Zweckbindung des Gewinns als verbindendes Prinzip II. Die Markteinkommenstheorie als Prinzip des Besteuerungsaufschubs

47 50 52 52 53

ΠΙ. Fehlender Mittelzufluss und Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven als gemeinsames Prinzip

57

1. Der Grundsatz der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven und des fehlenden Mittelzuflusses

58

2. Anwendungsbereich des Grundsatzes der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven und des fehlenden Mittelzuflusses

59

3. Übertragung des Prinzips der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven und des fehlenden Mittelzuflusses auf die zu untersuchenden Fälle

63

IV. Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form als Prinzip des Besteuerungsaufschubs

66

V. Unbilligkeit einer sofortigen Besteuerung als gemeinsames Prinzip VI. Ergebnisse

68 69

2. Kapitel Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

71

A. R 6.6 EStR als Grundlage der Rücklage für Ersatzbeschaffung

72

B. Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Gewohnheitsrecht

74

I. Die Zulässigkeit steuerlichen Gewohnheitsrechts

75

1. Meinungsstand in der Literatur

75

2. Die Sichtweise der Rechtsprechung

77

3. Stellungnahme

78

II. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung als begünstigendes Gewohnheitsrecht

79

1. Die Annahme von Gewohnheitsrecht durch die Rechtsprechung

79

2. Die Annahme von Gewohnheitsrecht durch die Literatur

81

nsverzeichnis

7

3. Die Einwände gegenüber der gewohnheitsrechtlichen Verfestigung

81

a) „Ungesetzlichkeit" der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs

81

b) Richterrecht als Grundlage von Gewohnheitsrecht

83

c) Gewohnheitsrechtliche Verfestigung allenfalls im Kernbereich

84

aa) Ständige Übung durch Anwendung von R 6.6 EStR

84

bb) Ständige Übung und Anerkennung derselben durch die Rechtsprechung

85

d) Die Rechtsprechung jenseits des Kernbereichs als Auslegung des gewohnheitsrechtlichen Kerns

87

e) Gewohnheitsrechtliche Übertragbarkeit stiller Reserven als Fremdkörper im geltenden Recht

88

ΠΙ. Zusammenfassung C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung I. Die Begründung des Besteuerungsaufschubs durch wirtschaftliche Beurteilung des Sachverhalts

88 89

89

1. Die Methode der wirtschaftlichen Beurteilung von Sachverhalten

89

2. Die Begründung der Rechtsprechung mit der wirtschaftlichen Beurteilung des Sachverhalts

90

a) Annahme von „Identität" zwischen ausgeschiedenem Wirtschaftsgut und Ersatzwirtschaftsgut

90

b) Bewertung der Ersatzforderung mit dem Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts

92

3. Ergebnis II. Die Begründung der Rechtsprechung mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise 1. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Steuerrecht

94

94 95

a) Grundlagen

95

b) Der Gesetzeszweck als Problem der wirtschaftlichen Betrachtungsweise

99

aa) Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Gesetzeszweck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise

100

bb) Auslegungszwecke jenseits des Leistungsfähigkeitsprinzips

102

c) Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung als Grenze der wirtschaftlichen Betrachtungsweise 103

nsverzeichnis

8

2. Die Begründung des Besteuerungsaufschubs beim Tausch mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Vorbild für die Rücklage für Ersatzbeschaffung

104

a) Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Grundlage für den Besteuerungsaufschub beim Tausch 105 aa) Die Sichtweise der Rechtsprechung

105

bb) Die Sichtweise in der Literatur

107

cc) Stellungnahme

108

b) Übertragbarkeit der Überlegungen zum Tausch auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung

109

aa) Wirtschaftliche Identität der Wirtschaftsgüter

109

bb) Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form

110

cc) Ergebnis

110

c) Folgerungen für die Rücklage für Ersatzbeschaffung aus der Einführung des §6 V I I EStG

111

3. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Grundlage der Rücklage für Ersatzbeschaffung

111

a) Der Zweck der Gewinnermittlungsvorschriften

112

b) Zum Vorliegen eines den Besteuerungsaufschub rechtfertigenden Prinzips

112

aa) Verneinung der Gewinnrealisierung mangels Gewinnrealisierungsabsicht

113

bb) Das Prinzip der Nichtbesteuerung nicht realisierter Gewinne

117

cc) Der Grundsatz der Irrelevanz einer formellen Vermögensmehrung und der Grundsatz der steuerlichen Irrelevanz von Buchgewinnen ... 117 dd) Die Markteinkommenstheorie als zugrunde liegendes Prinzip

121

ee) Rechtfertigung der Rechtsprechungsgrundsätze als Ausnahme von der zwingenden Gewinnrealisierung ohne zugrunde liegendes Prinzip 123 4. Zusammenfassung

124

III. Die Begründung der Rechtsprechung mit verfassungskonformer Auslegung der GewinnermittlungsVorschriften 125 1. Verfassungskonforme Auslegung anhand von Art. 14 GG

125

a) Die Bedeutung von Art. 14 GG für die Besteuerung

126

nsverzeichnis

9

b) Folgerungen für die Rücklage für Ersatzbeschaffung

129

c) Vergleich mit dem baurechtlichen Institut der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition

130

2. Verfassungskonforme Auslegung anhand von Art. 3 I G G

131

3. Ergebnis

134

IV. Ergebnisse D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung I. Die Zulässigkeit von Analogien im Steuerrecht

134 135 137

1. Grundlagen eines steuerrechtlichen Analogie Verbots

137

2. Die Zulässigkeit von Analogien zulasten des Steuerpflichtigen

139

a) Der Meinungsstand in der Literatur

139

b) Die Sichtweise der Rechtsprechung

141

c) Stellungnahme

143

3. Zulässigkeit einer Analogie zugunsten des Steuerpflichtigen

144

a) Lückenfüllung durch die Erweiterung eines bestehenden Ausnahmetatbestands 145 b) Lückenfüllung durch die Schaffung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestands 146 4. Zusammenfassung

147

II. Die Begründung der Rechtsprechung mit der Ausfüllung einer Regelungslücke 147 1. Ausfüllung einer offenen Regelungslücke

147

a) Zum Vorliegen einer planwidrigen Un Vollständigkeit

148

b) Zum Fehlen einer analog anwendbaren Vorschrift

151

2. Ausfüllung einer verdeckten Regelungslücke III. Ergebnisse E. Zur Problematik des Wahlrechts I. Steuerliche Wahlrechte als Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip II. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung als ungesetzliches Wahlrecht

152 154 155 156 157

nsverzeichnis F. Möglichkeiten von Billigkeitsmaßnahmen nach der Abgabenordnung

158

I. Lösung durch § 163 S. 1 AO

159

1. Persönliche Unbilligkeit

160

2. Sachliche Unbilligkeit

160

a) Der Begriff der sachlichen Unbilligkeit

160

b) Das Fehlen sachlicher Unbilligkeit in den Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung

161

II. Ergebnis

163

G. Ergebnisse

163

3. Kapitel Zur Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung A. Möglichkeiten der Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung I. Zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

166 166 166

II. Zum Standort einer gesetzlichen Regelung

168

ΠΙ. Zur Reichweite einer gesetzlichen Regelung

169

B. Ergebnisse

171

Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

172

Literaturverzeichnis

176

Sachverzeichnis

189

Abkürzungsverzeichnis a. Α.

andere(r) Ansicht

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift)

a.F.

alte Fassung

AO

Abgabenordnung

Art.

Artikel (Singular)

Artt.

Artikel (Plural)

AStG

Außensteuergesetz

BAGE

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BauGB

Baugesetzbuch

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

BB

Betriebsberater (Zeitschrift)

BBG

Bundesbeamtengesetz

Bd.

Band

BFH

Bundesfinanzhof

BFHE

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BGHSt BGHZ

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BMF

Bundesfinanzministerium

BR-Drucks.

Bundesratsdrucksache

BRRG

Beamtenrechtsrahmengesetz

BSGE

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundessozialgerichts

BStBl.

Bundessteuerblatt

BT-Drucks.

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

BVerwGE

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

12

Abkürzungsverzeichnis

ders.

derselbe

d. h.

das heißt

dies.

dieselbe

DStBl.

Deutsches Steuerblatt (Zeitschrift)

DSJG

Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift)

DVBL

Deutsches Verwaltungsblatt

EG

Europäische Gemeinschaft

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EGStPO

Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EGZPO

Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung

Einf.

Einführung

ESt

Einkommensteuer

EStDV

Einkommensteuer-Durchführungsverordnung

EStG

Einkommensteuergesetz

EStR

Einkommensteuer-Richtlinien

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f.

folgende (Singular)

ff.

folgende (Plural)

FGO

Finanzgerichtsordnung

Fn.

Fußnote

FR

Finanzrundschau (Zeitschrift)

FS

Festschrift

GewStG

Gewerbesteuergesetz

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHR

GmbH-Rundschau (Zeitschrift)

GS

Gedenkschrift

HGB

Handelsgesetzbuch

Hrsg.

Herausgeber(in)

Hs.

Halbsatz

HStR

Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland

HWStR

Handwörterbuch des Steuerrechts

i.S.v.

im Sinne von

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

Kap.

Kapitel

KStG

Körperschaftsteuergesetz

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis Nr.

Nummer

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NWB

Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift)

öEStG

österreichisches Einkommensteuergesetz

OFH

Oberster Finanzgerichtshof

RAO

Reichsabgabenordnung

RdNr.

Randnummer

RfE

Rücklage für Ersatzbeschaffung

RFH

Reichsfinanzhof

RFHE

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsfinanzhofs

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RM

Reichsmark

RStBl.

Reichssteuerblatt

S.

Satz oder Seite

sog.

sogenannt

Sp.

Spalte

StAnpG

Steueranpassungsgesetz

StbJb

Steuerberateijahrbuch

StbKongrRep

Steuerberaterkongress-Report

StKongrRep

Steuerkongress-Report

StRO

Steuerrechtsordnung

StuW

Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)

StVollzG

Strafvollzugsgesetz

u. a.

und andere

UmwStG

Umwandlungsteuergesetz

vgl.

vergleiche

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

WRV

Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Reichsverfassung) vom 11. 8. 1919

Ζ

Ziffer

ζ. B.

zum Beispiel

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

2 Marchai

13

Einleitung und Gang der Untersuchung Das Rechtsinstitut der Rücklage für Ersatzbeschaffung gestattet es dem Steuerpflichtigen, die stillen Reserven eines zwangsweise ausgeschiedenen Wirtschaftsguts auf ein Ersatzwirtschaftsgut zu übertragen. Hierdurch kommt es zu einem den Steuerpflichtigen begünstigenden Besteuerungsaufschub. 1 Der Begünstigungstatbestand der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entwickelt worden. 2 Eine ausdrückliche Regelung besteht im geltenden Recht nicht.3 Nach dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ist aber nicht nur für eine steuerliche Belastung, sondern auch für die Gewährung einer steuerlichen Begünstigung eine gesetzliche Grundlage erforderlich. 4 Aus diesem Grund stellt sich die Frage nach den steuerrechtlichen Grundlagen der Rücklage für Ersatzbeschaffung. Die Rechtsprechung sieht die Rücklage für Ersatzbeschaffung als gewohnheitsrechtlichen Begünstigungstatbestand an.5 Die gewohnheitsrechtliche Begründung eines steuerlichen Begünstigungstatbestands wirft nicht nur die Frage auf, ob diese Begründung überzeugend ist, sondern führt zu weiteren Problemen grundsätzlicher Art. Zum einen zu dem Problem, ob und in welchem Maße die Geltung von Gewohnheitsrecht im Steuerrecht anzuerkennen ist und zum anderen zu dem Problem, ob eine ständige Rechtsprechung die Grundlage von steuerlichem Gewohnheitsrecht bilden kann. Die Überzeugungskraft der gewohnheitsrechtlichen Begründung der Rechtsprechung zur Rücklage für Ersatzbeschaffung ist zu untersuchen, weil sie immer wieder angezweifelt worden ist. 6 Auch der Bundesfinanzhof hat zwischenzeitlich Zweifel an einer gewohnheitsrechtlichen Verfestigung der Rechtsprechungsgrundsätze geäußert.7 Diese Untersuchung soll aufzeigen, dass die gewohnheitsrechtliche Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht tragfähig ist. Wenn 1

Näher zur Übertragung der stillen Reserven und dem hieraus resultierenden Besteuerungsaufschub im 1. Kapitel unter Α. I. 1. 2 Zuerst RFH RStBl. 1930, 313, 314. 3 Der Begriff „Rücklage für Ersatzbeschaffung" wird in § 13a VI 1 Nr. 4 EStG verwendet, ohne dass deren tatbestandliche Voraussetzungen genannt werden. 4

Zum Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung im 2. Kapitel unter Β. I. 1. 5 Zuerst BFH BStBl. II 1973, 582, 584; ausführlich hierzu im 2. Kapitel unter Β. II. 1. 6 So Tipke DStJG Bd. 4 (1981), 1, 8; auch Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7, 17 ff.; in jüngerer Zeit insbesondere Ebling in: FS Moxter, S. 1005 ff., der die gewohnheitsrechtliche Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung allerdings zum Teil für tragfähig erachtet. 7 So BFH BStBl. II 1991, 222, 225 f. 2*

16

Einleitung und Gang der Untersuchung

aber die gewohnheitsrechtliche Begründung nicht tragfähig ist, ergibt sich das Problem, welche anderen Begründungen in Frage kommen. In Betracht kommt eine Begründung des Besteuerungsaufschubs sowohl durch die Auslegung8 des Einkommensteuergesetzes als auch durch die Ausfüllung einer einkommensteuerrechtlichen Regelungslücke9. Außerdem können die Rechtsprechungsgrundsätze möglicherweise auf die Billigkeitsvorschriften der Abgabenordnung gestützt werden. Eine Untersuchung der verschiedenen Begründungsansätze erfordert die Klärung von methodischen Vorfragen. Da zur Methodik der Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung im Steuerrecht bereits umfassende Arbeiten erschienen sind 10 , werden die methodischen Ausführungen knapp gehalten. Im Anschluss an die Untersuchung der verschiedenen Begründungsansätze soll der Frage nachgegangen werden, welchen Spielraum der Gesetzgeber bei einer gesetzlichen Regelung der Rücklage für Ersatzbeschaffung hat. Die Untersuchung der verschiedenen Begründungsansätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist eng verbunden mit der Fragestellung nach der Systematik des Besteuerungsaufschubs in den mit der Rücklage für Ersatzbeschaffüng vergleichbaren Fällen der Reinvestitionsrücklage gemäß § 6b EStG und des Tauschs vor der Einführung des § 6 V I 1 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000 /2002 1 1 , weil die Rechtsprechung zur Rücklage für Ersatzbeschaffung nur dann zutreffend gewürdigt werden kann, wenn die den anerkannten Aufschubtatbeständen zugrunde liegenden Prinzipien bekannt sind. 12 Denn die zugrunde liegende Prinzipien lassen sich sowohl für die Gesetzesauslegung als auch für die Rechtsfortbildung heranziehen.13 Tipke hat in seinem Referat zur Eröffnung der vierten Jahrestagung der Deutschen Steueijuristischen Gesellschaft bezweifelt, dass ein übergreifendes Prinzip existiert, welches dem Besteuerungsaufschub in den Fällen des Tauschs, der Reinvestitionsrücklage und der Rücklage für Ersatzbeschaffung zugrunde liegt. Die Fälle des Besteuerungsaufschubs trotz Gewinnrealisierung bildeten einen dogmatisch nicht bewältigten Problemkreis. 14 Dieser resultiert vorwiegend aus dem Umstand, dass die Rechtsprechung den Besteuerungsaufschub in den Fällen des Tauschs und der Rücklage für Ersatzbeschaffung jenseits einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage entwickelt hat. Eine gesetzliche Regelung besteht nur für die 8

Hierzu im 2. Kapitel unter C. Hierzu im 2. Kapitel unter D. 10 Ausführlich zur Rechtsfortbildung im Steuerrecht Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 25 ff. h BGBl. 1 1999, 402. 12 Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45,48. 9

13 Zur Bedeutung gesetzlicher Prinzipien bei der Auslegung und der Lückenfüllung Tipke/Kruse/Drüen § 4 RdNr. 289 ff.; Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 27 f.; Tipke StuW 1971, 2,5 f.; ders. StuW 1972, 264, 266 f.; auch Costede in: FS Felix, S. 17,20. 14 So Tipke DStJG Bd. 4 (1981), 1, 7.

Einleitung und Gang der Untersuchung

Reinvestitionsrücklage in § 6b EStG. Es fehlt in diesen Fällen damit an einem „äußeren" System, d. h. an einer übersichtlichen Ordnung und technischen Gliederung. 15 Es ist daher zu untersuchen, ob diese Fälle einem „inneren" System im Sinne einer teleologischen Ordnung allgemeiner Rechtsprinzipien 16 folgen. Auch wenn nach § 6 V I 1 EStG der Tausch seit dem 1.1. 1999 immer zu einer Gewinnrealisierung führt, sollen die zuvor anerkannten Fälle des Besteuerungsaufschubs beim Tausch in die Betrachtung einbezogen werden, weil nur so die Reinvestitionsrücklage und die Rücklage für Ersatzbeschaffung zutreffend gewürdigt werden und gemeinsame Prinzipien herausgearbeitet werden können. In der Rechtsprechung finden sich keine Versuche, ein diesen Fällen zugrunde liegendes System herauszuarbeiten. Die Rechtsprechung hat die Frage der Gewinnrealisierung von Fall zu Fall unter Würdigung der wirtschaftlichen Gesichtspunkte entschieden und keine übergreifenden Prinzipien herausgearbeitet. 17 In der Literatur sind Versuche der Systematisierung gemacht worden. Allerdings wird die Frage nach den diesen Fällen zugrunde liegenden Prinzipien uneinheitlich beantwortet. Es soll untersucht werden, ob die vorgeschlagenen Prinzipien zu einer Systematisierung der genannten Fälle des Besteuerungsaufschubs beitragen können. Die zugrunde liegenden Prinzipien sind auch für die Qualifizierung dieser Fälle des Besteuerungsaufschubs als echte oder unechte Steuervergünstigungen entscheidend. Steuervergünstigung ist ein Rechtssatz, der nicht auf einem steuerartbegründenden Prinzip beruht und die Rechtsfolge für bestimmte Steuerrechtssubjekte oder für bestimmte steuerbare Sachverhalte nicht oder nur eingeschränkt eintreten lässt.18 Im Gegensatz zu echten Steuervergünstigungen, welche materiell dem Subventionsrecht angehören und einzelne Steuerpflichtige privilegieren, engen unechte Steuervergünstigungen einen zu weit gefassten Grundtatbestand ein, um Lastengleichheit herzustellen. 19 Es geht im Folgenden nur um Prinzipien des Besteuerungsaufschubs bei der Übertragung stiller Reserven von einem ausgeschiedenen Wirtschaftsgut auf ein anderes Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen. Es wird dagegen nur kurz auf die Fälle des Besteuerungsaufschubs eingegangen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die stillen Reserven auf andere Steuerrechtssubjekte übergehen (sog. interpersonale Übertragung stiller Reserven). Nicht eingegangen wird auf die Regelung der Euroumrechnungsrücklage in § 6d EStG 20 , auf die Regelung der un15 Zur Definition des „äußeren" Systems Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 5 mit Nachweisen. 16

So die Definition bei Conans, Systemdenken, S. 156. 17 So schon RFH RStBl. 1940, 595, 596; zustimmend BFH BStBl. HI 1952, 208, 212; BStBl. ΙΠ 1962, 351, 352; BStBl. Π 1972,419,420 f. 18

So die Definition bei Lang, Systematisierung, S. 78. Zur Abgrenzung von echten und unechten Steuervergünstigungen Birk RdNr. 98 f.; Lang in: Tipke/Lang § 7 RdNr. 36 ff. 20 Hierzu Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 216. 19

18

Einleitung und Gang der Untersuchung

entgeltlichen Überlassung eines entnommenen Wirtschaftsguts zur Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke durch eine nach § 5 I Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in § 6 I Nr. 4 S. 4 ff. EStG 21 und auf die Regelung der Ansparrücklage in § 7g ΠΙ, V n EStG 22 . Die zur Rücklage für Ersatzbeschaffung bereits entstandenen Arbeiten von Burkert 23 und Hindringer 24 haben die aufgezeigten Fragestellungen nur teilweise bearbeitet. Beide Arbeiten stammen aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Burkert konnte den 1964 in das Einkommensteuergesetz eingefügten § 6b EStG noch nicht in seine Arbeit einbeziehen. Auch befassen sich beide Autoren nicht mit der Problematik der zugrunde liegenden Prinzipien. Weiterhin hat sich der Bundesfinanzhof erst nach Erscheinen beider Arbeiten auf den Standpunkt gestellt, es handele sich bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung um ein gewohnheitsrechtliches Rechtsinstitut. Schließlich hat die Rechtsprechung in den letzen Jahren bedeutsame Ausführungen gemacht, die zu würdigen sind. Dies gilt neben der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der letzten Jahre insbesondere für den zur Rücklage für Ersatzbeschaffung ergangenen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1988 25 .

21 Hierzu Kirchhof/Fischer § 6 RdNr. 163. 22 Hierzu Jakob § 4 RdNr. 675. 23 Übertragung stiller Reserven auf Ersatzwirtschaftsgüter, Köln 1962. 24 Abschnitt 35 der Einkommensteuer-Richtlinien 1966 im Verhältnis zum Bonner Grundgesetz, Augsburg 1968. 25 BVerfGBB 1988, 1716.

1. Kapitel

Prinzipien des Besteuerungsaufschubs Um die Frage nach den Prinzipien des Besteuerungsaufschubs beantworten zu können, soll zunächst dargestellt werden, in welchem Umfang nach der geltenden Rechtslage stille Reserven durch die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung und durch die Bildung einer Reinvestitionsrücklage übertragen werden können. Außerdem wird dargestellt, in welchen Fällen des Tauschs vor der Einführung des § 6 V I 1 EStG eine Übertragung stiller Reserven möglich war.

A· Der Besteuerungsaufschub in den zu untersuchenden Fällen In den drei Fällen des Besteuerungsaufschubs geht es um eine Übertragung stiller Reserven von einem Wirtschaftsgut auf ein anderes Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen. Durch die Übertragung stiller Reserven werden ein Gewinnausweis und eine sofortige Besteuerung vermieden. Stille Reserven sind der Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert eines Wirtschaftsguts und seinem Verkehrswert. Die Bildung von stillen Reserven folgt handelsrechtlich aus der Regelung des § 253 I 1 HGB und steuerrechtlich aus der Regelung des § 6 I Nr. 1 und Nr. 2 EStG, wonach Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu bewerten sind. Latente Wertsteigerungen werden bilanziell nicht berücksichtigt, so dass sich zwangsläufig stille Reserven bilden. Zur Bildung stiller Reserven kommt es aber auch durch erhöhte Absetzungen und inflationäre Erhöhungen des Preises für Wirtschaftsgüter. Die Bildung stiller Reserven stellt sich als Gewinnverwirklichungsaufschub aus Unsicherheitsgründen dar.1 Zu einer Besteuerung des Wertzuwachses kommt es nach dem Realisationsprinzip des § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB erst, wenn dieser durch einen Umsatzakt am Absatzmarkt realisiert worden ist. 2 Ein Umsatzakt am Absatzmarkt ist gegeben bei einer Veräußerung, einem Leistungstausch oder einem sonstigen Realisationsvorgang.3 Der Gewinn tritt in der Bilanz zum Vorschein, wenn das zunächst aktivierte Wirtschaftsgut ausgeschieden ist und an seiner Stelle ein anderes Wirtschaftsgut 1

So Lang, Bemessungsgrundlage, S. 351. Vgl. Baumbach /Uopi/ Merkt § 252 RdNr. 13; auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 171. 3 Vgl. Birk RdNr. 761; Knobbe-Keuk § 61 S. 244. 2

20

.

a

Prinzipien des Besteuerungsaufschubs

mit einem höheren Wert als dem Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts aktiviert wird. 4 In den zu behandelnden Fällen kommt es zunächst zu einer Gewinnrealisierung. Diese wird jedoch bilanziell aufgehoben, so dass der Gewinnausweis vermieden wird. Hierdurch kommt es zu einem Besteuerungsaufschub, weil eine Besteuerung der stillen Reserven erst dann erfolgt, wenn ein erneuter Realisationsvorgang gegeben ist, der nicht wiederum durch einen Begünstigungstatbestand aufgehoben wird. Auf welche Weise und in welchem Umfang bilanziell der Besteuerungsaufschub bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung und der Reinvestitionsrücklage erreicht wird und beim Tausch erreicht wurde, wird nachfolgend dargestellt.

I. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung 1. Der Besteuerungsaufschub durch die Rücklage für Ersatzbeschaffung Die derzeitige Rechtspraxis der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist an der Verwaltungsanweisung R 6.6 EStR5 ausgerichtet. Diese ist maßgeblich durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestimmt, weil die Finanzverwaltung Rechtsprechungsänderungen jeweils in diese Verwaltungsanweisung übernommen hat. Nach der aktuellen Fassung von R 6.6 EStR kann die Gewinnverwirklichung durch Aufdeckung stiller Reserven in bestimmten Fällen der Ersatzbeschaffung vermieden werden. Voraussetzung ist nach R 6.61 EStR, dass (1) ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, (2) innerhalb einer bestimmten Frist ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut (Ersatzwirtschaftsgut) angeschafft oder hergestellt wird, auf dessen Anschaffungsoder Herstellungskosten die aufgedeckten stillen Reserven übertragen werden, und (3) in dem handelsrechtlichen Jahresabschluss entsprechend verfahren wird. R 6.6 EStR I I - V I I geben anschließend wieder, wie entsprechend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Sichtweise der Finanzverwaltung die einzelnen Voraussetzungen zu verstehen sind. 4 Vgl. Kirchhof / Crezelius § 5 RdNr. 152. 5 Bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2004 war die inhaltsgleiche Verwaltungsanweisung R 35 EStR maßgeblich. Zum Veranlagungszeitraum 2005 erfolgte eine Neugliederung der Verwaltungsanweisung, die in BStBl. I 2005, Sondernummer 1 /2005, S. 3 ff. abgedruckt ist. Zu Motiven der Neugliederung vgl. BR-Drucks. 713/05,1 f.

Α. Der Besteuerungsaufschub in den zu untersuchenden Fällen

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Der Besteuerungsaufschub durch die Rücklage für Ersatzbeschaffung soll anhand eines Beispiels dargestellt werden: Der Steuerpflichtige betreibt einen Gewerbebetrieb und ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach §§ 5 I 1, 4 I 1 EStG. Er besitzt im Jahr Ol ein Gebäude, das Bestandteil seines Betriebvermögens ist. Das Gebäude wurde mit den Anschaffungskosten von 100.000 € aktiviert 6, der gemeine Wert beträgt allerdings 500.000 €. Im Jahr 02 brennt das Gebäude vollständig ab. Die Feuerversicherung des Steuerpflichtigen zahlt eine Entschädigung in Höhe von 500.000 € aus (Ersatzleistung). Dieser Betrag entspricht dem Betrag, der zur Wiedererrichtung des Gebäudes erforderlich ist. Der Steuerpflichtige lässt das Gebäude noch im selben Jahr wieder aufbauen. Bilanztechnisch wirken sich diese Vorgänge - isoliert von anderen Vorgängen betrachtet - wie folgt aus: Im Jahr 01 vor dem Brand und der Ersatzbeschaffung stand das Gebäude als Wirtschaftsgut des Anlagevermögens mit 100.000 € in der Bilanz. Nach der Vernichtung durch den Brand ist das Gebäude vollständig abzuschreiben. Die Forderung gegen die Versicherung, die Ersatzleistung und das später neu errichtete Gebäude sind zu aktivieren. Am Ende von Jahr 02 steht das neue Gebäude in der Bilanz. Das Gebäude ist mit den Anschaffungskosten in Höhe von 500.000 € anzusetzen. Bei dem Betriebsvermögensvergleich ergibt sich zwischen den beiden Wirtschaftsjahren ein Unterschiedsbetrag von 400.000 € und damit ein entsprechender Gewinn. Die stillen Reserven des abgebrannten Gebäudes in Höhe von 400.000 € werden durch diesen Vorgang aufgedeckt. Handelsrechtlich folgt die bilanzielle Gewinnrealisierung aus dem Realisationsprinzip gemäß § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB, welches aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes des § 5 11 EStG auch für das Einkommensteuerrecht gilt. Es gilt nicht nur für die Gewinnermittlung nach § § 4 1 1 , 5 1 1 EStG, sondern auch für die Gewinnermittlung nach § 4 I 1 EStG.7 Der nach dem Realisationsprinzip erforderliche Umsatzakt am Absatzmarkt liegt in dem Ausscheiden des ursprünglichen Wirtschaftsguts und dem Erhalt des an seine Stelle tretenden Wirtschaftsguts. Da dieses Wirtschaftsgut gemäß § 253 I 1 HGB bzw. § 6 I Nr. 1 und Nr. 2 EStG mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten ist, werden die stillen Reserven des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts aufgedeckt, weil die Anschaffungskosten für das Ersatzwirtschaftsgut dem gemeinen Wert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts regelmäßig entsprechen werden. Die ausgezahlte Ersatzleistung kann nicht als durchlaufender Posten i.S.v. § 4 Ι Π 2 EStG behandelt werden, der die gewinnerhöhende Wirkung der Ersatzleistung ausschließen würde. 8 Die Regelung des § 4 III 2 EStG gilt für die Gewinnermittlung 6

Zur selbständigen Bilanzierbarkeit von Gebäuden und Grundstücken vgl. nur Jakob § 4 RdNr. 738. 7 Zur Geltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im Rahmen von § 4 I 1 EStG Kirchhof / Crezelius § 5 RdNr. 1; Lang in: Tipke/Lang § 9 RdNr. 188. 8 Hierzu auch BFH BStBl. Π 1968, 738, 739 f.; BStBl. II 1982, 591 f. Vgl. auch BFH BStBl. ΙΠ 1961, 566 f. zur Annahme eines durchlaufenden Postens bei einem Sachverhalt, aufgrund dessen eine Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht gebildet werden durfte.

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durch Überschussrechnung, so dass sie bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nicht anwendbar ist. Zwar kann die Erfolgsneutralität von durchlaufenden Posten im Bereich der Gewinnermittlung nach § 4 1 1 EStG durch den Ansatz gleich hoher Wertzu- und Wertabgänge erreicht werden.9 Allerdings ist die Ersatzleistung schon begrifflich kein durchlaufender Posten, weil sie nicht im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt wird. Eine Besteuerung des realisierten Gewinns kann durch die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung vermieden werden. Wie die Übertragung der stillen Reserven bilanztechnisch erfolgt, hängt davon ab, ob das Ersatzwirtschaftsgut im Jahr des Ausscheidens des ursprünglichen Wirtschaftsguts angeschafft wird oder erst zu einem späteren Zeitpunkt. 10 Wird noch im Jahr des Ausscheidens des Wirtschaftsguts ein Ersatzwirtschaftsgut angeschafft, so werden die stillen Reserven des ursprünglichen Wirtschaftsguts durch eine Kürzung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsguts um den Differenzbetrag zwischen Entschädigungssumme und Buchwert des ursprünglichen Wirtschaftsguts übertragen. 11 Diese Kürzung wird nach § 254 S. 1 HGB vorgenommen. 12 Erfolgt die Anschaffung des Ersatzwirtschaftsguts erst in einem späteren Wirtschaftsjahr, so werden die stillen Reserven, soweit sie den Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts übersteigen, zwischenzeitlich erfolgsneutral in eine steuerfreie Rücklage eingestellt. Handelsbilanzrechtlich stellt die Rücklage einen Sonderposten mit Rücklageanteil gemäß § 247 III HGB dar. 13 Sonderposten mit Rücklageanteil sind Passivposten, die nach steuerlichen Vorschriften gebildet werden dürfen. Hierdurch wird ein Gewinnausweis durch Bilanzierung der Forderung gegen die Versicherung bzw. der Ersatzleistung vermieden. Der Sonderposten mit Rücklageanteil ist nach Durchführung der Ersatzbeschaffung aufzulösen. Der Buchwert des Ersatzwirtschaftsguts wird entsprechend verringert. 14 Die Übertragung bei Auflösung einer zunächst gebildeten Rücklage richtet sich gemäß § 247 I I I 2 HGB nach steuerrechtlichen Vorschriften, weil das Handelsrecht keine eigene Auflösungsregel zur Verfügung stellt. 15 Der Begriff der Rücklage für Ersatzbeschaffung umfasst demnach nicht nur die Übertragung stiller Reserven durch Bildung einer steuerfreien Rücklage, sondern 9 Vgl. BFH BStBl. II 1998, 161, 162. 10 Ausführlich hierzu Biergans S. 533 ff.; vgl. auch Tiedtke 380 ff.

S. 386 ff.; Wörner

RdNr.

h Vgl. Biergans S. 533; ebenso Winnefeld Kap. D RdNr. 2042. 12 Vgl. BilanzKomm/Ellrott/Aicher § 254 RdNr. 23; auch Kramer GmbHR 1988, 270, 271. u Vgl. BilanzKomm / Berger/GutiJce § 247 RdNr. 611. h Vgl. Biergans S. 533 f.; BilanzKomm ! Ellrott/Aicher RdNr. 2042. 15 Vgl. Kramer GmbHR 1988, 270, 277.

§ 254 RdNr. 23; Winnefeld

Kap. D

Α. Der Besteuerungsaufschub in den zu untersuchenden Fällen

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auch die Kürzung der Anschaffungskosten des Ersatzwirtschaftsguts, welches im Jahr des Ausscheidens des Wirtschaftsguts angeschafft wird. Wird das Ersatzwirtschaftsgut innerhalb der in R 6.6 EStR bestimmten Frist nicht angeschafft, ist die Rücklage aufzulösen. 16 Aufgrund der bilanziellen Einordnung als Sonderposten mit Rücklageanteil und damit als Passivposten führt die Auflösung der Rücklage für Ersatzbeschaffung zu einer Erhöhung des bilanziellen Gewinns.17 Aus dem umgekehrten Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 I 2 EStG folgt, dass auch in der Handelsbilanz ein entsprechender Sonderposten mit Rücklageanteil gebildet werden muss.18 Die Rücklage für Ersatzbeschaffung führt im Ergebnis nicht zu einem Steuerverzicht, sondern nur zu einer Steuerstundung durch den Aufschub der Besteuerung der stillen Reserven. Die stillen Reserven werden erst dann aufgedeckt und müssen erst versteuert werden, wenn der Steuerpflichtige mit dem Ersatzwirtschaftsgut einen Realisationstatbestand erfüllt und kein Tatbestand eingreift, der einen erneuten Besteuerungsaufschub ermöglicht. Auch wenn im Ergebnis das Realisationsprinzip außer Kraft gesetzt wird: Bilanztechnisch wird das Realisationsprinzip nicht eingeschränkt. Die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung setzt die Realisation der stillen Reserven voraus und macht den realisierten Gewinn zum Gegenstand der steuerlichen Begünstigung.19

2. Die Entwicklung der Rechtsprechung Die Rücklage für Ersatzbeschaffung ist durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu den sog. Brandentschädigungsfällen entwickelt worden. 20 Diese waren dadurch gekennzeichnet, dass ein im Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen stehendes Gebäude abbrannte und der Steuerpflichtige eine Entschädigung erhielt, deren Nennbetrag über dem Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts lag. 21 Der Reichsfinanzhof hatte in diesen Fällen zunächst eine Gewinnrealisierung entsprechend den gesetzlichen Gewinnermittlungsvorschriften bejaht. So hatte der Reichsfinanzhof in einem Urteil aus dem Jahr 1929 22 ausgeführt, dass der Unterschied zwischen Entschädigung und Buchwert einen realisierten Gewinn darstelle. Zwar sei nicht zu verkennen, dass die Besteuerung eine Härte bedeuten könne. Gleichwohl könnten wirtschaftliche Erwägungen nicht dazu führen, von Vgl. Biergans S. 537. 17 Vgl. BilanzKomm / Berger/Gutike

§ 247 RdNr. 601.

ι» Vgl. Wörner RdNr. 205 und 376. 19 Vgl. zur Rücklage nach § 6b EStG J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 185. 20 Vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung auch Hindringer, S. 7 ff. 21 Vgl. den oben unter 1. aufgeführten Beispielsfall. 22 RFHRStBl. 1929,311.

Abschnitt 35 EStR 1966,

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der durch das Gesetz zwingend vorgeschriebenen Art der Gewinnberechnung abzuweichen.23 Mit einem Urteil aus dem Jahr 1930 24 hat der Reichsfinanzhof die Rechtsprechung zur Rücklage für Ersatzbeschaffung begründet. Nach dem Abbrennen der Mühle des Steuerpflichtigen hatte das Finanzamt die Versicherungssumme - soweit sie den Buchwert der Mühle überstieg - der Besteuerung unterworfen. Der Reichsfinanzhof führte aus, dass die Besteuerung des zwangsweise realisierten Gewinns durch die Kürzung der Anschaffungskosten des Ersatzwirtschaftsguts um den Betrag, um den die Ersatzleistung den Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts überstiegen habe, vermieden werden könne. Soweit die Ersatzbeschaffung erst in einem späteren Wirtschaftsjahr erfolge, könne eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet werden, damit eine Besteuerung des Entschädigungsbetrags unterbleibe. 25 Der Reichsfinanzhof hat die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung in den folgenden Jahren erweitert. In einem Urteil des Jahres 1938 26 hat der Reichsfinanzhof ausgesprochen, dass die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung auch in den Fällen Anwendung finden müssten, in denen das Wirtschaftsgut durch Enteignung aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen ausscheide. Im selben Urteil hat der Reichsfinanzhof ausgeführt, dass auch bei einem Verkauf eines Wirtschaftsguts zur Vermeidung der Enteignung eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet werden könne. 27 Zu einer Erweiterung der Anwendungsfalle ist es in der Folgezeit nicht mehr gekommen. Auch der Bundesfinanzhof hat die Rücklage für Ersatzbeschaffung auf die Fälle beschränkt, in denen das Wirtschaftsgut infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs ausscheidet. Weitere Fälle sind nicht mehr anerkannt worden. Bis heute ist die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung nur in diesen Fällen zulässig.28 Ein Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aufgrund wirtschaftlicher Zwangslage ist nicht Anlass für die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung. Der Reichsfinanzhof hat es bereits in einem Urteil aus dem Jahr 1934 29 abgelehnt, die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung auch auf Fälle auszudehnen, in denen das Wirtschaftsgut aufgrund einer wirtschaftlichen Zwangslage aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen ausscheidet.30 23 Vgl. RFH RStBl. 1929, 311; vergleichbar schon RFH RStBl. 1929, 142; ebenso RFH RStBl. 1929,523. 24 RFH RStBl. 1930,313. 25 26 27 28 29

Vgl. RFH RStBl. 1930, 313, 314. RFH RStBl. 1938, 964. Vgl. RFH RStBl. 1938,964, 965. Vgl. die geltende Fassung von R 6.61 EStR. RFH RStBl. 1934, 1126.

Α. Der Besteuerungsaufschub in den zu untersuchenden Fällen

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Auch wenn bereits der Reichsfinanzhof die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung auf bestimmte Fälle des Ausscheidens des Wirtschaftsguts beschränkt hat, so hat er innerhalb dieser Fallgruppen die Möglichkeiten zur Bildung einer Rücklage erweitert. So hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, die sich zunächst auf das Ausscheiden von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens beschränkte, bald ausgesprochen, dass die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens beschränkt seien, sondern auch für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens Geltung beanspruchten.31 Außerdem hat der Reichsfinanzhof den Anwendungsbereich der Rücklage für Ersatzbeschaffung auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erweitert. 32 Der Bundesfinanzhof hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs wesentlich ergänzt und abgeändert. So hat der Bundesfinanzhof erstmals zugelassen, dass stille Reserven auch dann auf das Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden können, wenn die Ersatzbeschaffung vor der Aufdeckung der stillen Reserven erfolgt. 33 Demgegenüber waren die vom Reichsfinanzhof entschiedenen Fälle dadurch geprägt, dass die Ersatzbeschaffung zeitlich nach dem Ausscheiden des Wirtschaftsguts stattfand. 34 Weiterhin hat der Bundesfinanzhof erstmalig ausgesprochen, dass eine Übertragung der stillen Reserven des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts auf das Ersatzwirtschaftsgut nur anteilig zulässig sei, wenn für die Beschaffung des Ersatzwirtschaftsguts weniger aufgewendet werden musste, als durch das Ausscheiden des bisherigen Wirtschaftsguts erzielt wurde. 35 Auch hat der Bundesfinanzhof festgestellt, dass das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts durch Entnahme nicht dazu führe, dass eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet werden könne. 36 Auch hat er es abgelehnt, eine Übertragung stiller Reserven durch eine Rücklage für Ersatzbeschaffung zuzulassen, wenn das Ersatzwirtschaftsgut im Wege der Einlage in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gelangt ist. 37 Gerade in den letzten Jahren hat der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung ergänzt. So hat der Bundesfinanzhof im Jahr 1999 anerkannt, dass eine Rücklage für Ersatzbeschaffung fortgeführt werden könne, wenn der Steuerpflichtige von der Gewinnermittlung nach § 4 I EStG zur Gewinnermittlung nach § 4 III EStG über30 V g l . RFH RStBl. 1934, 1126, 1127; ebenso BFH BStBl. ΙΠ 1957, 195, 196; BStBl. ΙΠ 1964, 504, 506; BStBl. Π 1969, 381, 382 f.; BStBl. II 1971, 664, 667; BStBl. II 1975, 692, 694 f. 31 Vgl. RFH RStBl. 1938,915. 32 Vgl. RFH RStBl. 1940, 238.

33 Vgl. BFH BStBl. ΠΙ 1961, 1, 2; bestätigend BFH BStBl. II 2001, 830, 831 f. Bei § 6b EStG wird die Begünstigung einer Reinvestition, die der Veräußerung des Wirtschaftsguts vorausging, abgelehnt, vgl. hierzu BFH BStBl. II 1991, 222,224. 34 Vgl. die Sachverhalte von RFH RStBl. 1930, 313; RStBl. 1934, 432; RStBl. 1938, 915; RStBl. 1944, 619. 35 Vgl. BFH BStBl. II 1969, 310, 311. 36 Vgl. BFH BStBl. II 1973, 582, 584 f. 37 Vgl. BFH BStBl. II 1985, 250, 251 f.

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gehe.38 Im selben Jahr hat der Bundesfinanzhof anerkannt, dass eine Rücklage für Ersatzbeschaffung auch gebildet werden könne, wenn das Wirtschaftsgut infolge eines unverschuldeten Verkehrsunfalls aus dem Betriebsvermögen ausscheide.39 Ebenfalls im Jahr 1999 hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, dass die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung im Falle der Gewinnschätzung nach § 162 AO nicht zulässig sei. 40 Die Finanzverwaltung ist den Änderungen der Rechtsprechung durch Änderung von R 6.6 EStR nachgekommen und hat damit die Rechtspraxis wesentlich an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ausgerichtet.

II. Die Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG 1. Der Besteuerungsaufschub durch die Reinvestitionsrücklage Werden gewerbliche Betriebe modernisiert und umstrukturiert, so werden oftmals Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens verkauft und mit dem Veräußerungserlös neue Wirtschaftsgüter angeschafft. Wenn ein Wirtschaftsgut längere Zeit Teil des Betriebsvermögens war, haben sich vielfach in erheblichem Maße stille Reserven gebildet. Die stillen Reserven würden durch die Veräußerung des Wirtschaftsguts aufgedeckt werden und müssten versteuert werden. Die Besteuerung des Veräußerungserlöses erschwerte die Neuanschaffung, so dass der Unternehmer oftmals auf die Modernisierung und Umstrukturierung verzichten wird. Die Verhinderung von Veräußerungen durch die drohende Steuerbelastung wird als Sperreffekt bezeichnet.41 Die Regelung des § 6b EStG, die 1964 in das Einkommensteuergesetz eingefügt worden ist 4 2 , soll die steuerlichen Hemmnisse für derartige Veräußerungen abbauen. Nach § 6b I EStG können Steuerpflichtigen, die bestimmte Anlagegüter veräußern, von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestimmter Wirtschaftsgüter einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns abziehen. § 6b EStG gilt nur für Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 I 38 Vgl. BFH BStBl. Π 1999, 488, 490 f. Nach R 6.6 V EStR gelten die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung bei der Gewinnermittlung nach § 4 III EStG sinngemäß. Diese Praxis ist bislang noch nicht durch den Bundesfinanzhof bestätigt worden; vgl. Kanzler NWB 2000,2193, 2194. 39 Vgl. BFH BStBl. II 2001,130,131 f. 40 Vgl. BFH BStBl. II 1999, 602, 604. 41 Vgl. zum Ganzen Schön, Gewinnübertragungen nach § 6b EStG, S. 5 f.; Selbmann, Übertragung süller Reserven nach § 6b EStG, S. 21 ff.; zum Begriff des Sperreffekts 7. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 190. Zum Teil wird auch der Ausdruck „lock-in-Effekt" verwendet. 42 Durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Spar-Prämiengesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1964) (BGBl. 1 1964, 885).

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oder § 5 I EStG ermitteln (§ 6b IV 1 Nr. 1 EStG). Für Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 ΠΙ oder § 13a EStG ermitteln, gilt § 6c EStG. Erforderlich ist, dass es sich bei den angeschafften Wirtschaftsgütern um Grund und Boden, Aufwuchs von Grund und Boden mit dem dazugehörigen Grund und Boden oder um Gebäude handelt (§ 6b I 2 EStG). Diese Wirtschaftsgüter müssen im Jahr der Veräußerung oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr angeschafft oder hergestellt worden sein (§ 6b I 1 EStG). Das ausgeschiedene Wirtschaftsgut muss mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben (§ 6b IV 1 Nr. 2 EStG). Die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter müssen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören (§ 6b IV 1 Nr. 3 EStG). Nach § 6b X EStG können Steuerpflichtige, die keine Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen sind, Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bis zu einem Betrag von 500.000 € auf Anteile an Kapitalgesellschaften oder angeschaffte oder hergestellte abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter oder auf angeschaffte oder hergestellte Gebäude übertragen. Durch § 6b X EStG wird für Personenunternehmen ein Steuerausgleich für die Steuerfreiheit geschaffen, welche Kapitalgesellschaften nach § 8b I I KStG genießen.43 Soweit der Abzug nicht im Jahr der Anschaffung oder Herstellung vorgenommen wird, kann nach § 6b III 1 EStG eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. Diese ist gemäß § 6b III 5 EStG gewinnerhöhend aufzulösen, wenn das neue Wirtschaftsgut nicht innerhalb der in § 6b III 2, 3 EStG bestimmten Fristen angeschafft worden ist. Die Regelungstechnik ist damit die gleiche wie die der Rücklage für Ersatzbeschaffung. 44 Bilanztechnisch wird das Realisationsprinzip nach § 252 I Nr. 4 HS. 2 HGB durch § 6b EStG nicht eingeschränkt. Auch § 6b EStG setzt die Erzielung eines Veräußerungsgewinns voraus und macht den realisierten Gewinn zum Gegenstand der steuerlichen Begünstigung. In ihrer Wirkung allerdings setzt die Regelung des § 6b EStG das Realisationsprinzip außer Kraft. Durch § 6b EStG wird der Veräußerungsgewinn kompensiert und der Besteuerung in dem betreffenden Wirtschaftsjahr entzogen.45 Der Steuerpflichtige wird durch die Anwendung des § 6b EStG so gestellt, als befände sich das veräußerte Wirtschaftsgut nach wie vor unverändert in seinem Betriebsvermögen. 46 Zu berücksichtigen ist, dass es auch durch § 6b EStG nur zu einer Steuerstundung und nicht zu einem endgültigen Steuerausfall kommt. Denn die Besteuerung wird nachgeholt, wenn das neu angeschaffte Wirtschaftsgut veräußert wird. Ebenso wird die Besteuerung nachgeholt, wenn es zu keiner Reinvestition kommt und die « Vgl. Brandenberg DStZ 2002, 594, 597. 44 Vgl. BT-Drucks. 4/2400, 62. 45 Vgl. J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183,185. 46 Vgl. Schön, Gewinnübertragungen nach § 6b EStG, S. 10; Selbmann, Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG, S. 22.

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Rücklage nach § 6b III 5 EStG erfolgswirksam aufgelöst wird. In diesem Fall ist der Gewinn um einen Zinszuschlag zu erhöhen, der die Steuerstundung kompensieren soll (§ 6b V I I EStG). Es besteht die Möglichkeit, durch wiederholte Anwendung des § 6b EStG die Versteuerung der stillen Reserven bis zur Liquidation des Unternehmens aufzuschieben. In diesem Fall kommt es zu einem teilweisen Steuerausfall. Denn bei der Liquidation des Unternehmens greift § 34 I 1, I I Nr. 1 EStG ein, so dass der Veräußerungsgewinn nach § 16 III 1 EStG nur dem ermäßigten Steuersatz unterliegt47 Die Regelung des § 6b EStG ist immer wieder Kritik ausgesetzt gewesen. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde § 6b EStG anlässlich der Veräußerung von Daimler-Benz-Aktien durch den Flick-Konzern allgemein bekannt. Es entstand der Eindruck, § 6b EStG diene dazu, Steuergeschenke in Millionenhöhe an einige Großunternehmen zu verteilen. 48 Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum ist die Fähigkeit des § 6b EStG zur Beseitigung des Sperreffekts bezweifelt worden. Es ist ausgeführt worden, die Regelung des § 6b EStG schiebe den Veräußerungszeitpunkt bzw. den Ersatzzeitpunkt von Wirtschaftsgütern weiter hinaus, statt ihn vorzuverlegen. Dies gelte gerade in den Fällen, in denen eine Erleichterung der Veräußerung strukturpolitisch erwünscht wäre. 49 Der EuGH hat in den durch § 52 VIII EStG 1996 vorgesehenen Erweiterungen des § 6b EStG eine gemeinschaftsrechtlich unzulässige Beihilfe erblickt. 50 Bisweilen wurde die Streichung der Vorschrift empfohlen. 51 Der Gesetzgeber hat an § 6b EStG festgehalten 52, die Vorschrift aber im Laufe der Zeit mehrfach zum Teil einschneidend geändert. In jüngerer Zeit ist § 6b EStG insbesondere durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000 /2002 5 3 und durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts 54 geändert worden. 55 47 Vgl. / Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183,185. 48 Vgl. / Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183. 49 Näher Schneider DB 1969, 581, 585; kritisch auch J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183,

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so Vgl. EuGH BStBl. I I 2001,47 ff.; hierzu auch BMF BStBl. 12001,45. 51 So der Wissenschaftlichen Beirat des BMF, vgl. das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates, S. 21 ff.; das Gutachten der Steuerreformkommission 1971, S. 76 hat dagegen die Beibehaltung der Vorschrift empfohlen. 52 Hingegen wurde die französische Vorschrift, welche das Vorbild für § 6b EStG dargestellt hatte, bald wieder abgeschafft; näher J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183,186. 53 BGBl. 1 1999,402. 54 BGBl. I 2001, 3858. Die Orthographie des Gesetzgebers ist nicht einheitlich. Mal wird der Begriff „Unternehmenssteuerrecht" (in der Überschrift von BGBl. I 2001, 3858), mal der Begriff „Unternehmensteuerrecht" verwendet (in der Überschrift von BT-Drucks. 14/6882). Richtig dürfte der letztere Begriff sein.

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2. Die gesetzgeberischen Motive für die Einführung von § 6b EStG Die Gesetzesbegründung zu § 6b EStG nennt verschiedene Motive für die Einführung der Vorschrift: Die Vorschrift solle ökonomisch sinnvoll Anpassungsprozesse der Wirtschaft fördern, den Veräußerungsverkehr von Grundstücken, Beteiligungen und sonstigen Anlagegütern mit langfristiger Anlagedauer beleben und die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen verbessern. 56 Die Gesetzesbegründung führt weiter aus, Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens seien häufig mit Werten bilanziert, die wesentlich unter ihren Verkehrswerten lägen. Bei der Veräußerung derartiger Wirtschaftsgüter seien die realisierten stillen Reserven sofort und in voller Höhe zu versteuern. Dies führe zu einer Substanzbesteuerung des Anlagevermögens. Diese hemme oder verhindere die Veräußerung auch solcher Wirtschaftsgüter, die in den Unternehmen nicht mehr benötigt würden und deren Veräußerung betriebswirtschaftlich geboten oder volkswirtschaftlich wünschenswert sei. Die Regelung des § 6b EStG solle die steuerlichen Hindernisse für derartige Veräußerungen abbauen.57 Die Beschränkung auf bestimmte Anlagegüter begründet der Gesetzgeber mit dem Zweck des § 6b EStG, dem Betrieb Mittel zur Rationalisierung und Modernisierung zu erhalten, deren sofortiger Entzug den Steuerpflichtigen über die Gebühr belasten würde. Deshalb sei es geboten, die Regelung auf die Anlagegüter zu beschränkten, deren Buchwerte häufig hohe stille Reserven enthielten.58 § 6b EStG ist vom Gesetzgeber seit jeher als wirtschaftspolitische, echte Steuervergünstigung verstanden worden. 59 Der Gesetzgeber hat die Reinvestitionsrücklage nicht allgemein für Anlagegüter, sondern nur für solche Anlagegüter zugelassen, bei denen ihm die Marktanpassung, Rationalisierung oder Modernisierung als sinnvoll oder gar geboten erschien. 60 Deshalb bewertet der Gesetzgeber die Restriktion des 55 Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ist in § 6b X EStG die gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise gesetzlich niedergelegt worden, welche eine Meinung in der Literatur befürwortet hatte, vgl. Schön, Gewinnübertragungen nach § 6b EStG, S. 27 ff. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts wurde durch die Streichung des § 6b X EStG a.F. und die Streichung der Worte „des Betriebs des Steuerpflichtigen" in § 6b IV 1 Nr. 3 EStG dem Gesetz wieder die gesellschafterbezogene Betrachtungsweise zugrunde gelegt, vgl. hierzu die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/6882, 33; auch Schmidt / Glanegger § 6b RdNr. 3 ff. Kritisch zu diesem „Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln" Kanzler FR 2002, 117, 119 f. (mit Angaben zum militärgeschichtlichen Hintergrund dieser Wendung); kritisch auch Jachmann DStZ 2002, 203 ff. Zum ganzen Problem neuerdings Selbmann, Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG, Berlin 2003. 56 Vgl. BT-Drucks. 4/2400,46. 57 Vgl. BT-Drucks. 4/2400, 62. 58 Vgl. BT-Drucks. 4/2400, 63. 59 Vgl. BT-Drucks. 4/2400, 62 ff.; kritisch Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 215. 60 Hierauf weist Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 215 hin. 3 Marchai

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§ 6b EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000 /2002 6 1 als Abbau von Steuervergünstigungen zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage.62

ΠΙ. Der erfolgsneutrale Tausch Der Tausch wurde schon vor der Einführung des § 6 V I 1 EStG ganz überwiegend als Gewinnrealisierungstatbestand aufgefasst. Allerdings wurde in bestimmten Fällen eine Gewinnrealisierung abgelehnt. Rechtstechnisch wurde die Gewinnrealisierung dadurch vermieden, dass das erhaltene Wirtschaftsgut mit dem Buchwert des hingegebenen Wirtschaftsguts fortgeführt wurde. Seit dem Veranlagungszeitraum 1999 ist aufgrund der Einführung des § 6 V I 1 EStG ein Besteuerungsaufschub beim Tausch nicht mehr möglich. Nachfolgend wird dargestellt, in welchen Fällen eine Gewinnrealisierung beim Tausch verneint wurde. Es soll an dieser Stelle noch nicht untersucht werden, ob die Begründung des Besteuerungsaufschubs überzeugend war 63 , sondern es soll nur dargestellt werden, wann ein Besteuerungsaufschub beim Tausch zugelassen wurde.

1. Handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung beim Tausch Nach § 253 I 1 HGB sind Vermögensgegenstände höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Der in diesem Zusammenhang maßgebliche Begriff der Anschaffungskosten bezeichnet nach § 255 I 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Die gesetzliche Definition ist für die Frage, mit welchen Anschaffungskosten der beim Tausch erworbene Vermögensgegenstand anzusetzen ist, unergiebig, weil beim Tausch nicht eine bestimmte Geldsumme, sondern der hingegebene Vermögensgegenstand aufgewendet wird. 6 4 Deshalb stellt sich auch handelsrechtlich die Frage, mit welchen Anschaffungskosten der erworbene Vermögensgegenstand zu bewerten ist. Ursprünglich ging die herrschende handelsrechtliche Sichtweise davon aus, dass eine Gewinnrealisierung nicht stattfinde, weil ein derart realisierter Gewinn weder ausschüttungs- noch verteilungsfähig sei. 65 Unter dem Einfluss des Steuerrechts hat sich die herrschende handelsrechtliche Auffassung gewandelt. Man geht heute von einem Wahlrecht des Kaufmanns aus: Entweder setzt dieser als Anschaffungskosten für den erhaltenen Vermögensgegenstand den Buchwert des hingegebenen BGBl. 1 1999,402. 62 Vgl. BT-Drucks. 14/23, 173. 63

Hierzu ausführlich im 2. Kapitel unter C. II. 2. a). 64 Vgl. Wassermeyer DStJG Bd. 7 (1984), 169, 176 f. 65 Lüders, Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, S. 126 mit Nachweisen.

Α. Der Besteuerungsaufschub in den zu untersuchenden Fällen

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Vermögensgegenstandes an oder er setzt gewinnrealisierend dessen gemeinen Wert an. 66 Hieran hat sich auch durch die Einführung des § 6 V I 1 EStG nichts geändert. 67 Steuerrechtlich kommt es beim Tausch durch die Einführung § 6 V I 1 EStG stets zu einer Gewinnrealisierung. Trotz des Fehlens einer derartigen Regelung wurde bereits vor der Einführung des § 6 V I 1 EStG davon ausgegangen, dass der Tausch grundsätzlich einen Gewinnrealisierungstatbestand darstelle. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs war davon ausgegangen, dass beim Tausch als Anschaffungskosten für das erhaltene Wirtschaftsgut grundsätzlich der gemeine Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts anzusetzen sei. 68 Der Bundesfinanzhof war dieser Sichtweise durch Verweis auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs gefolgt. 69 Lüders hat nachgewiesen, dass der Verweis des Bundesfinanzhofs auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs auf einem Missverständnis beruhte. 70 Der Reichsfinanzhof hatte in seinem Urteil zur Behandlung des Tauschs aus dem Jahr 1925 71 ausgesprochen, eine Übertragung stiller Reserven auf das im Tauschwege erworbene Wirtschaftsgut sei nicht zulässig. Diese Entscheidung war zu § 33a EStG 1920 ergangen, der § 19 I I 2 EStG 1925 entsprach. 72 Nach dieser Vorschrift war eine Bewertung des erhaltenen Wirtschaftsguts mit seinem gemeinen Wert gesetzlich vorgeschrieben. Deshalb war eine gewinnneutrale Behandlung des Tauschgeschäfts nicht möglich. Der Verweis des Bundesfinanzhofs auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs war missverständlich, weil der Reichsfinanzhof angesichts der damaligen Rechtslage stets eine Gewinnrealisierung annehmen musste. Der Bundesfinanzhof konnte hingegen nicht auf eine Vorschrift zurückgreifen, welche in den Fällen des Tauschs stets einen Ansatz des Wirtschaftsguts mit dem gemeinen Wert und damit eine Gewinnrealisierung anordnete, weil seine Rechtsprechung zu § 61 Nr. 1 EStG erging. Auch der Verweis des Bundesfinanzhofs auf ein Urteil des Reichsfinanzhofs aus dem Jahr 1930 73 ging fehl, weil der Reichs66 Näher BeckBilKomm/EUrott/Schmidt-Wendt § 255 RdNr. 131 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 414 f.; Liiders, Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, S. 126; Schmidt/Glanegger § 6 RdNr. 124; für ein handelsrechtliches Wahlrecht auch Wassermeyer DStJG Bd. 7 (1984), 169,177; ablehnend dagegen Döllerer BB 1966,1405, 1406. 67 Vgl. BeckBilKomm /Ellrott/Schmidt-Wendt § 255 RdNr. 131 f. 68 Vgl. RFH RStBl. 1925,169; ebenso RFH RStBl. 1930, 363. 69 So BFH BStBl. ΙΠ 1955, 320; ebenso BFH BStBl. ΙΠ 1957, 195, 196; BStBl. ΙΠ 1960, 492,493. 70 Vgl. Liiders, Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, S. 136 ff. 71 RFH RStBl. 1925,169 (nur Leitsatz) = RFHE 17, 105. 72 § 19 II 2 EStG 1925 lautete: „Ist ein Anschaffungs- oder Herstellungspreis nicht gegeben, so gilt als solcher der Betrag, der für den Gegenstand im Zeitpunkt seines Erwerbes durch den Steuerpflichtigen unter gemeingewöhnlichen Verhältnissen hätte aufgewendet werden müssen." 73 Vgl. RFH RStBl. 1930, 363. 3*

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finanzhof in diesem Urteil nicht begründet hatte, dass es beim Tausch von Wirtschaftsgütern zu einer Gewinnrealisierung kommt. Vielmehr hatte der Reichsfinanzhof ausgeführt, dass die Besteuerung des Tauschgewinns vermieden werden könne, indem das erhaltene Wirtschaftsgut mit dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts bewertet werde. Dies führte zu einer Vermeidung der Besteuerung, wenn der Steuerpflichtige ein gutes Geschäft gemacht hatte. Weil es in diesem Urteil nicht um die Frage, ob eine Gewinnrealisierung vorlag, sondern nur um den Umfang der Gewinnrealisierung ging, konnte diesem Urteil keine Aussage zu der Frage entnommen werden, wann eine Ausnahme von einer Gewinnrealisierung angenommen werden musste.74 Die Behandlung des Tauschs als Gewinnrealisierungstatbestand durch den Bundesfinanzhof war dogmatisch nicht überzeugend, weil sie nicht hinreichend begründet war. Der Tausch war schon vor der Einführung des § 6 V I 1 EStG aufgrund seiner zivilrechtlichen Verwandtschaft zum Kauf (vgl. § 480 BGB) als Gewinnrealisierungstatbestand aufzufassen. Denn der Tausch ist Anschaffungs- und zugleich Veräußerungsgeschäft. 75 Da sich Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft nicht voneinander trennen lassen, war es angemessen, Kauf und Tausch gleichzustellen.76 Ein Ansatz des übertragenen Wirtschaftsguts mit dem Buchwert des hingegebenen Wirtschaftsguts hätte zu einer zufälligen Bewertung geführt. Auch wenn die Behandlung des Tauschs als Gewinnrealisierungstatbestand der ganz überwiegenden Ansicht entsprach, war die Berechnung des Tauschgewinns zweifelhaft und umstritten. Es wurde bereits vor der Einführung des § 6 V I 1 EStG überwiegend davon ausgegangen, dass beim Tausch eine Gewinnrealisierung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen Buchwert und gemeinem Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts eintrete. Dieser Berechnung des Tauschgewinns hat Lang entgegen gehalten, dass sie die richtige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtige. Die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen bestimme sich nicht nach dem Wert des weggegebenen Wirtschaftsguts, sondern nach dem Wert des empfangenen Wirtschaftsguts, weil sich der Vermögenszuwachs beim Steuerpflichtigen nur auf das hinzu erworbene Vermögen beziehe.77 Hiergegen sprach jedoch, dass auch bei einem Erwerb durch Kauf niemand auf die Idee kommt, es müsse die Bewertung des „Vermögenszuwachses" erfolgen und statt des gezahlten Kaufpreises müsse der Teilwert des angeschafften Wirtschaftsguts angesetzt werden. Die Lage, dass der Teil wert des eingetauschten Wirtschaftsguts über dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts liegt, entspricht genau der, dass beim Kauf der Käufer billig gekauft hat. Es muss mit der Besteuerung des beim billigen Tausch erzielten Vermögenszuwachses gewartet werden, 74

Vgl. Lüders, Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, S. 137 f. 75 Hierzu Donath/Zugmaier BB 1997,2401,2402. 76 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 416. 77 So Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 88 f.; ebenso ders,., Bemessungsgrundlage, S. 360.

Α. Der Besteuerungsaufschub in den zu untersuchenden Fällen

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bis dieser Vermögenszuwachs tatsächlich realisiert wird. 7 8 Der Ansatz des erworbenen Wirtschaftsguts mit dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts war somit überzeugend. Der Gesetzgeber hat sich mit der Einführung des § 6 V I 1 EStG für diese Berechnung des beim Tausch realisierten Gewinns entschieden.

2. Fälle des Besteuerungsaufschubs beim Tausch Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat einen Besteuerungsaufschub beim Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften zugelassen.79 Beim Tausch von einzelnen Wirtschaftsgütern hat der Reichsfinanzhof einen Besteuerungsaufschub grundsätzlich abgelehnt.80 Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist dieser Sichtweise gefolgt. 81 Im Tauschgutachten82 zur Frage, ob der Tausch von Anteilsrechten an Kapitalgesellschaften eine Gewinnverwirklichung zur Folge hat, führte der Bundesfinanzhof aus, dass beim Tausch von Anteilsrechten an Kapitalgesellschaften eine Gewinnrealisierung zu verneinen sei, wenn die hingegebenen und eingetauschten Anteile wirtschaftlich identisch seien. Von der Rechtsprechung, wonach beim Tausch die Anschaffungskosten des erhaltenen Wirtschaftsguts mit dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts anzusetzen seien, könne grundsätzlich nicht abgewichen werden. 83 In späteren Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof wiederholt, bei einem Tausch stelle der gemeine Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts die Anschaffungskosten des erhaltenen Wirtschaftsguts dar. Bei einem freiwilligen Tausch könne allein im Ausnahmefall des Tauschs von Anteilen an Kapitalgesellschaften der Buchwert des eingetauschten Wirtschaftsguts als Anschaffungskosten für das erlangte Wirtschaftsgut angesetzt werden. 84 Die Finanzverwaltung hat die Grundsätze des Tauschgutachtens übernommen und kontinuierlich angewendet.85 Deshalb wurden die Grundsätze des Tauschgutachtens überwiegend als gewohnheitsrechtlich verfestigt angesehen.86 Die ge78 So Knobbe-Keuk § 6 Π S. 262. 79 Vgl. RFH RStBl. 1932,464,465; RStBl. 1935,155, 156; RStBl. 1940, 595,596. so Vgl. RFH RStBl. 1930, 363 f. si Vgl. BFH BStBl. ΙΠ 1955,320; BStBl. III 1957, 195, 196. 82 BFH BStBl. III 1959, 30. Die gutachterliche Tätigkeit des Bundesfinanzhofs erfolgte auf Grundlage von § 63 RAO, der 1963 durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Finanzverwaltung, der Reichsabgabenordnung und anderer Steuergesetze aufgehoben wurde (BGBl. 1 1963,197); vgl. hierzu Ebling in: FS Klein, S. 801, 806 f. 83 So BFH BStBl. ΠΙ 1959, 30, 32. 84 Vgl. BFH BStBl. ΙΠ 1966, 127, 128; auch BFH BStBl. II 1970, 743, 744 f.; BStBl. II 1980, 439,440 f.; BStBl. I I 1983, 303, 304; BStBl. Π 1992, 946, 947. 85 Vgl. zuletzt BMF BStBl. 1 1998, 163. 86 Vgl. BFH BStBl. II 1979, 412, 414; Knobbe-Keuk § 24 III S. 927; gegen die gewohnheitsrechtliche Begründung Ebling in: FS Klein, S. 801, 808 f.

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wohnheitsrechtliche Verfestigung der Grundsätze des Tauschgutachtens war allerdings zweifelhaft. 87 Hierauf ist später noch einzugehen.88

3. Die Einführung des § 6 V I 1 EStG Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000 /2002 8 9 ist die Regelung des § 6 V I 1 EStG mit Wirkung zum 1.1. 1999 eingeführt worden. Danach bemessen sich beim Tausch die Anschaffungskosten für das erhaltene Wirtschaftsgut nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts. 90 Eine erfolgsneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern nach Maßgabe des Tauschgutachtens des Bundesfinanzhofs ist nicht mehr möglich. 91 Die Gesetzesbegründung führt aus, für betriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen habe der Gesetzgeber mit dem Umwandlungs- und dem Umwandlungssteuergesetz ein umfängliches und ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung gestellt. Der Gesetzgeber habe gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass darüber hinaus weitere, gesetzlich nicht beschriebene Begünstigungen nicht gewollt seien. Der Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften stelle aus steuerlicher Sicht eine Veräußerung der hingegebenen und einen entgeltlichen Erwerb der erhaltenen Anteile und damit ein normales Umsatzgeschäft dar, wobei die aufgedeckten stillen Reserven zu versteuern seien. Die Grundsätze des Tauschgutachtens des Bundesfinanzhofs seien damit überholt. 92 Weiterhin führt die Gesetzesbegründung aus, man erwarte, dass die Änderung des § 6b EStG dazu führe, dass vermehrt die Grundsätze des sog. Tauschgutachtens des Bundesfinanzhofs angewendet würden. Da die Anwendung des Tauschgutachtens zu erheblichen Schwierigkeiten führe, weil das Merkmal der Funktionsgleichheit nicht genügend konkretisiert werden könne und kaum überprüfbar sei, solle mit Rücksicht auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ein erfolgsneutraler Tausch von Kapitalanteilen ausgeschlossen werden. Mit der Regelung werde klargestellt, dass die stillen Reserven in Höhe der Differenz zwischen dem gemeinen Wert und dem Buchwert des weggetauschten Wirtschaftsguts aufzudecken und zu versteuern seien.93 Die Einführung des § 6 V I 1 EStG hat eine jahrzehntelange Rechtsprechung beendet, die in ihrer Beschränkung auf den Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften fragwürdig geworden war. Nicht erledigt sind durch § 6 V I 1 EStG da87 Vgl. Wassermeyer DStJG Bd. 7 (1984), 169, 190. 88 Im 2. Kapitel unter C. Π. 2. a). 89 BGBl. 11999,402. 90 Eine inhaltlich identische Bewertungsvorschrift sah bereits § 28 I 3 des Entwurfs des dritten Steuerreformgesetzes 1974 vor, vgl. BT-Drucks. 7/1470, 27 f. 91 Vgl. Kirchhof / Gösch § 17 RdNr. 105. 92 Vgl. BT-Drucks. 14/23, 172. 93 Vgl. BT-Drucks. 14/23, 173.

Β. Grundwertungen des geltenden Einkommensteuerrechts

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gegen die Grundsätze über die Surrogation von Grundstücken im Umlegungsverfahren. 94

B. Grundwertungen des geltenden Einkommensteuerrechts Bevor auf die Prinzipien der Gewinnrealisierung und des Besteuerungsaufschubs in den zu untersuchenden Fällen eingegangen wird, sollen kurz die für die Gewinnrealisierung relevanten Grundwertungen des Einkommensteuerrechts aufgezeigt werden. Diese Grundwertungen sind für das Verständnis dieser Prinzipien der Gewinnrealisierung und des Besteuerungsaufschubs erforderlich, weil sich ihnen Aussagen für Umfang und Grenzen der Prinzipien entnehmen lassen.

I. Das Leistungsfahigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip Das geltende Einkommensteuerrecht ist am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtet. Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird allgemein als das Fundamentalprinzip gerechter Besteuerung angesehen. 95 Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt, dass die individuelle Steuerbelastung nach der Fähigkeit des Steuerpflichtigen bemessen wird, die Steuer aufzubringen 9 6 Steuerliche Leistungsfähigkeit ist demzufolge die Fähigkeit von Personen, Steuern aus dem gespeicherten Einkommen entsprechend der Höhe des disponiblen Einkommens zahlen zu können.97 Eine verfassungsrechtliche Verankerung, so wie sie Art. 134 WRV 9 8 vorsah, existiert im Grundgesetz nicht. 99 Dementsprechend wurde das Leistungsfähigkeits94 Vgl. Kirchhof / Fischer § 6 RdNr. 190; ebenso Schmidt/Glanegger § 6b RdNr. 66; zum erfolgsneutralen Austausch im Umlegungsverfahren BFH BStBl. II 1986, 711,712. 95 Vgl. Tipke StRO I, S. 469 ff.; Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 81; vgl. auch Gutachten der Steuerreformkommission 1971, S. 30 und 306; kritisch Tipke/Kruse/Drüen § 3 RdNr. 50a; Kruse in: FS Friauf, S. 797, 805 f.; vgl. auch die scharfe rechtspolitische Kritik von Leisner StuW 1983, 97 ff., der im Leistungsfähigkeitsprinzip ein ideologisches Instrument mit sozialistischer Zielrichtung sieht, das den Leistungswillen zerstöre, die Freiheit des einzelnen unzulässig beschneide, eine völlige Egalisierung und Nivellierung bewirke und schließlich als „Ausdruck einer echten Machtbrutalität" der Durchsetzung egalitär ausgerichteter Staatsgewalt diene; ablehnend Birk StuW 1983, 293 ff. 96 So Kirchhof StuW 1985, 319. 97 Vgl. Tipke StRO I, S. 481. 98 Art. 134 WRV lautete: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei." 99 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 97 ff.

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prinzip zunächst als ethisches Axiom angesehen.100 Später ist das Leistungsfähigkeitsprinzip auch verfassungsrechtlich begründet worden. Der Anknüpfungspunkt hierfür ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG. 1 0 1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt das Leistungsfahigkeitsprinzip nicht direkt aus Art. 3 IGG, sondern aus dem Prinzip der Steuergerechtigkeit. Allerdings soll das Prinzip der Steuergerechtigkeit unmittelbar aus Art. 3 I GG folgen. 102 Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Einkommensteuerrecht sind jedoch zurückhaltend geblieben. So hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die Besteuerung müsse an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit „ausgerichtet" werden, was „insbesondere" im Einkommensteuerrecht gelte, das auf die Leistungsfähigkeit hin „angelegt" sei. 103 Die Stellung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Fundamentalprinzip der Besteuerung ist insbesondere von Kruse angegriffen worden. 104 Das Leistungsfähigkeitsprinzip sei nur ein finanzwissenschaftliches Postulat, ein Argument, aber kein normativ geltender Rechtssatz.105 Die Befürworter des Gedankens einer normativen Geltung dieses Prinzips vertrauten blind auf dessen axiomatische Kraft und sähen sich der Notwendigkeit enthoben, die normative Grundlage nachzuweisen.106 Die Ableitung des Leistungsfähigkeitsprinzips aus dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit sei verfehlt. Die Steuergerechtigkeit könne nicht aus Art. 3 I GG abgeleitet werden, weil sie eine spezielle Ausprägung der Gerechtigkeitsidee darstelle. Die Gerechtigkeitsidee folge aber nicht aus Art. 3 I GG, vielmehr sei der allgemeine Gleichheitssatz eine Ableitung aus der Gerechtigkeitsidee. Wenn aber der Gleichheitssatz Folge der Gerechtigkeitsidee sei, könne aus Art. 3 I GG nicht die Steuergerechtigkeit abgeleitet werden. 107 Das Leistungsloo Vgl. Gassneri Lang S. 10 f.; so auch Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 155 f.; Leisner StuW 1983,97. ιοί Vgl. BVerfGE 47, 1, 29 ff.; BVerfGE 66, 214, 223; BVerfGE 67, 290, 297; Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 81; ebenso Hennrichs DStJG Bd. 24 (2001), 301, 308; Kirchhof StuW 1985,319, 323 f. 102 So schon BVerfGE 6, 55, 70 f.; ebenso BVerfGE 13, 181, 202; BVerfGE 13, 290, 298; BVerfGE 13, 331, 338; BVerfGE 23, 242, 253; BVerfGE 29, 327, 335; BVerfGE 36, 321, 330; BVerfGE 43, 108, 118; BVerfGE 47, 1, 29; BVerfGE 49, 343, 360; BVerfGE 50, 57, 94; BVerfGE 50, 386, 391; BVerfGE 61, 319, 343; BVerfGE 66, 214, 223 f.; BVerfGE 67, 290, 297; in einigen neueren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht allerdings das Leistungsfähigkeitsprinzip unmittelbar aus Art. 3 I GG abgeleitet, vgl. BVerfGE 81, 228, 236; auch BVerfGE 93,121,135. loa Vgl. BVerfGE 82, 60, 86; auch BVerfGE 107, 27, 47; so schon BVerfGE 61, 319, 343 f. 104 Vgl. Kruse § 2 ΙΠ S. 51; ders. DStJG Bd. 5 (1982), 71, 77 ff.; ders. StuW 1990, 322, 327 f.; Heintzen DStJG Bd. 28 (2005), 163, 174; Woerner DStJG Bd. 5 (1982), 23, 50; vgl. auch die scharfe rechtspolitische Kritik bei Leisner StuW 1983,97 ff. 105 So Kruse StuW 1990, 322, 327. 106 So Kruse §2 HIS. 51. 107 Vgl. Kruse StuW 1990, 322, 327; ebenso ders. in: FS Friauf, S. 793, 795; auch Tipke/ Kruse IDrüen § 3 RdNr. 42.

Β. Grundwertungen des geltenden Einkommensteuerrechts

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fähigkeitsprinzip sei auch deshalb kein Fundamentalprinzip, weil ein Fundamentalprinzip keinen drastisch beschränkten Anwendungsbereich vertrage. Das Leistungsfähigkeitsprinzip werde aber vom Bundesverfassungsgericht auf die Einkommensteuer beschränkt. 108 Schließlich wendet Kruse ein, das Leistungsfähigkeitsprinzip lasse nur wenige konkrete Schlussfolgerungen zu. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sage nichts darüber aus, worin sich die Leistungsfähigkeit äußere, mit welchen Maßstäben sie gemessen werde und welche Folgerungen aus der nachgewiesenen Leistungsfähigkeit gezogen werden müssten. 109 Trotz der dargestellten Einwände ist davon auszugehen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip das Fundamentalprinzip des geltenden Einkommensteuerrechts darstellt. Der Einwand, das Leistungsfähigkeitsprinzip habe einen beschränkten Anwendungsbereich, ist nicht zutreffend, weil das Bundesverfassungsgericht ihn in letzter Zeit nicht mehr auf das Einkommensteuerrecht beschränkt. 110 Zwar ist zuzugeben, dass sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip nur wenige konkrete Schlussfolgerungen ziehen lassen. Die Unbestimmtheit des Leistungsfähigkeitsprinzips spricht aber nicht gegen seine Stellung als Fundamentalprinzip, weil es möglich ist, das Leistungsfähigkeitsprinzip zu konkretisieren. 111 Das Leistungsfähigkeitsprinzip stellt den passenden Vergleichsmaßstab für die Anwendung des Gleichheitssatzes dar 1 1 2 und entspricht außerdem dem Rechtsbewusstsein der Gegenwart. 113 Dass das Leistungsfähigkeitsprinzip vom Gesetzgeber immer wieder durchbrochen wird, spricht nicht gegen die Existenz dieses Prinzips als solches.114 Es ist zu berücksichtigen, dass eine Anerkennung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Fundamentalprinzip der Besteuerung nicht dazu führt, dass der Gesetzgeber die Besteuerung stets am Leistungsfähigkeitsprinzip auszurichten hat. 108

Hierauf weist Kruse § 2 III S. 51 f. hin; vgl. zur Beschränkung der Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf die Einkommensteuer BVerfGE 61, 319, 344; BVerfGE 82,

60, 86.

109 Vgl. Kruse § 2 ΙΠ S. 52; auch ders. StuW 1980, 226, 232: „Der vermeintlich höchste Besteuerungsgrundsatz hat bisher nur eine tragfähige Begründung für den progressiven Einkommensteuertarif geliefert, die man heutigen Tages auch aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ableiten könnte." »ο So BVerfGE 93, 121, 135: „Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz [ . . . ] verlangt in ihrer bereichsspezifischen Anwendung auf das gegenwärtige Steuerrecht, dass jeder Inländer je nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird." m Vgl. Tipke StRO I, S. 492 ff.; auch Birk StuW 1983, 293, 297; Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 83; ders. DStJG Bd. 4 (1981), 45, 74. 112 So Tipke StRO I, S. 491; ebenso auch Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 161 ff.; Tipke / Kruse /Drüen § 3 RdNr. 43; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 99 f.; ders. DStJG Bd. 24 (2001), 49, 55. 113 So Tipke StRO I, S. 481 ff. 114 Vgl. Tipke StuW 1981,189,191.

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Das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, dass der Gesetzgeber bei der Erschließung von Einkunftsquellen einen weit reichenden Gestaltungsspielraum hat. 115 Will der Steuergesetzgeber eine bestimmte Steuerquelle erschließen, andere hingegen nicht, dann ist der allgemeine Gleichheitssatz solange nicht verletzt, wie die Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen, insbesondere finanzpolitischer, volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder steuertechnischer Natur beruht. 116 Der Gesetzgeber kann die Besteuerung an den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit anknüpfen, er muss dies aber nicht. Der Gesetzgeber kann frei entscheiden, solange er nicht die Grenzen des Willkürverbots überschreitet. Dementsprechend hat der Gesetzgeber nicht alle Sachverhalte, die Leistungsfähigkeit begründen, der Einkommensteuer unterworfen. 117 Allerdings hat sich der Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen in der Regel am Leistungsfähigkeitsprinzip orientiert. Um dem Leistungsfähigkeitsprinzip Aussagen für die Ausgestaltung der Besteuerung entnehmen zu können, muss auf dessen Konkretisierungen abgestellt werden. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird zunächst durch das Universalitätsprinzip und das Totalitätsprinzip konkretisiert. Das Universalitätsprinzip gebietet als subjektbezogenes Postulat die Besteuerung aller Bezieher von Einkommen. Das Totalitätsprinzip fordert als objektbezogenes Postulat die Besteuerung aller Einkommen. 118 Der Begriff des Einkommens als „Summe der Einkünfte" 119 wird im Bereich der Gewinneinkünfte durch die Reinvermögenszugangstheorie und die Markteinkommenstheorie konkretisiert. Den Überschusseinkünften liegt hingegen die von Fuisting begründete Quellentheorie zugrunde. Nach der Quellentheorie fließt das Einkommen aus einer Quelle. Vermögenszugänge, die der Veräußerung der Quelle entstammen, sind dagegen kein Einkommen. 120 Nach der durch von Schanz begründeten Reinvermögenszugangstheorie ist Einkommen der Zugang von Reinvermögen in einer Wirtschaft während einer gegebenen Periode. Nach der Reinvermögenszugangstheorie werden nicht nur Vermögenszugänge und Vermögensabgänge im juristischen Sinn einschließlich unrealisierter Wertsteigerungen und us Vgl. BVerfGE 49, 343, 360; BVerfGE 50, 386, 392; BVerfGE 74, 182, 200; BVerfGE 81,108,117; BVerfGE 83, 395,401; BVerfGE 84, 348, 359; BVerfGE 85, 238, 244; BVerfGE 93, 121,136; BVerfGE 99, 88, 95; BVerfGE 105, 17,46; BVerfGE 107, 27,47. 116 Vgl. BVerfGE 49, 360; BVerfGE 50, 386, 392; BVerfGE 65, 325, 354; BVerfGE 105, 17,46. in Vgl. Knobbe-Keuk in: FS 75 Jahre BFH-RFH, S. 303, 307. ne Zum Ganzen Lang DStJG Bd. 24 (2001), 49, 61. Genauer: Einkommen i.S.v. § 2 IV EStG ist der Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen. Gesamtbetrag der Einkünfte i.S.v. § 2 III EStG ist die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und den Abzug nach § 13 III EStG. 120 Vgl. Jakob § 1 RdNr. 2, der darauf hinweist, dass durch die Neufassung der §§ 17, 22 Nr. 2, 23 EStG seit 1999 verstärkt auf Reinvermögenszugänge zugegriffen wird. 119

Β. Grundwertungen des geltenden Einkommensteuerrechts

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Zuwendungen, sondern darüber hinaus auch private Nutzungen und Wertschöpfungen erfasst. Die Reinvermögenszugangstheorie würde deshalb dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit am besten entsprechen. 121 Allerdings ist die Reinvermögenszugangstheorie praktisch nicht durchführbar, weil sich nicht sämtliche Reinvermögenszuwächse erfassen lassen. 122 Aus diesem Grunde hat sich die Markteinkommenstheorie durchgesetzt. Im Gegensatz zur Reinvermögenszugangstheorie will die Markteinkommenstheorie lediglich das am Markt erwirtschaftete Einkommen besteuern. 123 Nach der Markteinkommenstheorie sind nur solche Einnahmen als Einkünfte anzusehen, welche durch die entgeltliche Verwertung von Leistungen am Markt erwirtschaftet worden sind. 124 Die Beschränkung des Einkommensobjekts auf das Markteinkommen wird als lediglich einfachgesetzlich und nicht verfassungsrechtlich vorgegeben angesehen.125 Eine einfachgesetzliche Anknüpfung kann in § 15 Π 1 EStG erblickt werden. 126 Als positivrechtlicher Anknüpfungspunkt wird auch § 21 EStG angesehen, wonach (nur) die Einkünfte der Besteuerung unterliegen, die der Steuerpflichtige erzielt. „Erzielt" soll in diesem Zusammenhang „erwirtschaftet" bedeuten.127 Die Beschränkung der Besteuerung auf erwirtschaftete Einkünfte wird auch aus § 4 I 1 EStG abgeleitet: Der Gewinnbegriff des § 4 I 1 EStG weist zwei Wesensmerkmale auf, die für die steuerrechtliche Gewinn- und Verlustrealisierung von grundlegender Bedeutung sind. Das erste Wesensmerkmal besteht darin, dass die Definition des Gewinns als Unterschiedsbetrag zweier Schlussbilanzvermögen alle Vermögensmehrungen und Vermögensminderungen innerhalb eines Wirtschaftsjahres erfasse. Diese vollständige Erfassung verwirklicht das Totalitätsprinzip im Sinne der Reinvermögenszugangstheorie. 128 Das zweite Wesensmerkmal des Gewinnbegriffs besteht darin, dass die Gewinndefinition des periodischen Reinvermögenszugangs auf den Gewinn oder Verlust begrenzt ist, der in einem Betrieb erwirtschaftet worden ist. Dies folgt daraus, dass das Gesetz in § 4 I 1 EStG den Gewinn um den Wert der Entnahmen vermehrt und um den Wert der Einlagen ver121 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 8 RdNr. 32. ι 2 2 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 8 RdNr. 33. Dementsprechend hat der Gesetzgeber des EStG 1925 die Reinvermögenszuwachstheorie zugunsten eines pragmatischen, enumerativen Kataloges verworfen und nur bestimmte Arten von Einkünften der Besteuerung unterworfen. 123 So Söhn in: FS Tipke, S. 343, 344; vgl. auch Lang DStJG Bd. 24 (2001), 49,118. 124 So zuerst Ruppe DStJG Bd. 1 (1978), 7, 16, der allerdings nicht den Begriff der Markteinkommenstheorie verwendet; diesen Begriff hat Lang in den juristischen Sprachgebrauch eingeführt, vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 53 ff.; auch ders. DStJG Bd. 24 (2001), 49, 118; Söhn in: FS Tipke, S. 343, 344 f. 125 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 15 und § 8 RdNr. 31; Söhn in: FS Tipke, S. 343, 349 ff.; für die verfassungsrechtliche Vorgabe einer Beschränkung des Einkommenssteuerobjekts auf das Markteinkommen dagegen Kirchhof DStJG Bd. 24 (2001), 1, 14 ff.; ebenso Kirchhof/Söhn/Mellinghoff/ders. § 2 A 363, 365; ders. in: HStR IV § 88 RdNr. 116 ff. 126 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 7. 127 Vgl. Pezzer DStJG Bd. 14 (1991), 3,14. 128 So Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 52.

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mindert. Das Gesetz rechnet die nicht erwirtschafteten Vermögenszuflüsse aus dem erwirtschafteten Gewinn oder Verlust heraus. 129 Mit der Markteinkommenstheorie werden Substanzsteuereffekte vermieden. Das realisierte Einkommen ist ein sicherer Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit. Im Gegensatz zur Reinvermögenszugangstheorie kann die Markteinkommenstheorie an Vorgänge am Markt anknüpfen, die sich leicht erfassen lassen. 130 Die Markteinkommenstheorie konkretisiert das Leistungsfähigkeitsprinzip mittels des Realisationsprinzips des § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB. 1 3 1 Das Realisationsprinzip stellt damit ein Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips dar. 132 Im geltenden Recht findet aufgrund des Realisationsprinzips und des Anschaffungswertprinzips des § 6 I Nr. 1 und 2 EStG grundsätzlich nur eine Besteuerung realisierter Gewinne statt.

II. Keine Wertzuwachsbesteuerung im geltenden Einkommensteuerrecht Eine Wertzuwachsbesteuerung findet im geltenden Einkommensteuerrecht nur in Ausnahmefällen statt. 133 Noch im EStG 1925 wurden Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens grundsätzlich mit dem gemeinen Wert bewertet. 134 Die Bewertung mit den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten wurde erst 1934 zum allgemeinen Prinzip. 135 Damit ging das Einkommensteuerrecht ursprünglich von einer Wertzuwachsbesteuerung aus, bei der bereits der nicht realisierte Vermögenszuwachs die Fähigkeit, Steuern zu zahlen, erhöhte und die Besteuerung auslöste. Die grundsätzliche Beschränkung des steuerlichen Zugriffs auf realisierte Gewinne wird verfassungsrechtlich mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 136 129 So Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 53; ebenso Knobbe-Keuk § 8 I S. 288: „Die auf Einlagen beruhende Vermögensmehrung ist nicht im Unternehmen erwirtschaftet, es handelt sich um Kapitalzufuhr, der Gewinn wird durch Einlagen also nicht berührt." 130 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 8 RdNr. 33. 13« So Pezzer DStJG Bd. 14 (1991), 3, 22; vgl. auch Knobbe-Keuk § 6 II S. 254 f. 132 Vgl. Tipke StRO ΠΙ, S. 1264. 133 So durch die Vorschriften der Entnahme- und Betriebsaufgabebewertung (§ 61 Nr. 4 S. 1 und § 16ΙΠ EStG). 134 Maßgeblich war die Bewertungsvorschrift des § 19 EStG. § 19 I 1 EStG 1925 lautete: „Für die einzelnen dem Betriebe gewidmeten Gegenstände ist für den Schluss des Steuerabschnitts (§12 Abs. 1, § 13) der gemeine Wert zugrunde zu legen." Allerdings bestand nach § 19 II 1 EStG 1925 die Möglichkeit, anstelle des gemeinen Werts den Anschaffungs- oder Herstellungspreis anzusetzen. 135 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 171 f. 136 Zu den normativen Grundlagen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von Arnauld JZ 2000, 276 ff.; zu einzelgrundrechtlichen Konkretisierungen Heintzen DVB1. 2004, 721, 723 ff.

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begründet: Es stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff dar, wenn der Steuerpflichtige gezwungen werden würde, mangels Realisierung von Gewinnen Wirtschaftsgüter zu veräußern oder zu beleihen. Eine Besteuerung des nicht realisierten Gewinns sei nur dann zulässig, wenn ansonsten die Gefahr eines endgültigen Steuerausfalls bestehe.137 Dagegen ist eingewendet worden, dass der fehlende Zufluss liquider Mittel nicht entscheidend sei, weil auch mit der Gewinnrealisierung nicht unbedingt eine Liquiditätsverbesserung eintrete und sich der Steuerpflichtige die zur Steuerzahlung erforderlichen Mittel auch durch Beleihung verschaffen könne. 1 3 8 Die grundsätzliche Problematik, ob eine Wertzuwachsbesteuerung gegenüber dem derzeitigen Konzept der Besteuerung nur des realisierten Reinvermögenszuwachses zu bevorzugen ist, soll hier nur angedeutet werden und es soll festgestellt werden, dass eine Wertzuwachsbesteuerung jedenfalls im geltenden Einkommensteuergesetz die Ausnahme darstellt. 139

C. Prinzipien der Gewinnrealisierung Die Frage nach den Prinzipien der Gewinnrealisierung stellt sich im Zusammenhang mit den Prinzipien des Besteuerungsaufschubs in den vorliegenden Fällen, weil die Fälle des Besteuerungsaufschubs Ausnahmen von der gesetzlichen Gewinnrealisierung darstellen. Prinzipien des Besteuerungsaufschubs können nur dann herausgearbeitet werden, wenn die der Gewinnrealisierung zugrunde liegenden Prinzipien bekannt sind. Die Frage nach den Prinzipien der Gewinnrealisierung stellt sich lediglich für die Gewinnermittlung durch Betriebs Vermögens vergleich nach § § 4 1 1 , 5 1 1 EStG. Die Gewinnermittlung durch Überschussrechnung nach § 4 I I I EStG folgt wie die Einkünfteermittlung bei den Überschusseinkünften grundsätzlich dem Zufluss- und dem Abflussprinzip nach § 11 I und II EStG. 140 Diese beiden Prinzipien werden jedoch an verschiedenen Stellen des Gesetzes durchbrochen. 141

ι " Vgl. Tipke DStJG Bd. 4 (1981), 1, 4 ff.; auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 173 f. 138 Vgl. J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 187 f. 139 Näher insbesondere Lang, Bemessungsgrundlage, S. 171 ff. 140 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 9 RdNr. 192 ff.; kritisch zu diesen Prinzipien Dusowski DStZ 2004, 716 ff.

141 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 9 RdNr. 195.

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I. Gewinnrealisierimg nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung 1. Die Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz Nach § 4 I 1 EStG, der durch Verweisung auch für die Gewinnermittlung nach § 5 I 1 EStG gilt, ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Was als Betriebsvermögen anzusetzen ist, richtet sich für Gewerbetreibende, die gesetzlich verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die dies ohne eine solche Verpflichtung tun, zunächst nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ( § 5 1 1 EStG). 142 Durch den Maßgeblichkeitsgrundsatz werden Handels- und Steuerbilanz miteinander verbunden. Neben dieser Verknüpfung sind beide Bilanzen auch durch § 140 AO miteinander verbunden. 143 Der Maßgeblichkeitsgrundsatz hat eine formelle und eine materielle Seite. Die materielle Maßgeblichkeit bedeutet, dass der Steuerpflichtige bei der steuerlichen Gewinnermittlung die abstrakten handelsrechtlichen Vorgaben zu befolgen hat. 1 4 4 Die materielle Maßgeblichkeit wird allerdings mit § 5 I I bis V I EStG durch steuerrechtliche Regelungen durchbrochen, soweit diese Regelungen nicht deckungsgleich mit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sind. 145 Die formelle Maßgeblichkeit besteht darin, dass der Steuerpflichtige nicht nur an die abstrakten handelsrechtlichen Vorgaben gebunden ist, sondern dass darüber hinaus auch der konkrete zulässigerweise gebildete handelsrechtliche Ansatz für die steuerrechtliche Gewinnermittlung maßgeblich ist. 1 4 6 Praktisch läuft dies darauf hinaus, dass Wahlrechte in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz einheitlich auszuüben sind. Die formelle Maßgeblichkeit war bis zur Einführung des § 5 I 2 EStG umstritten. Mit der Regelung der umgekehrten Maßgeblichkeit des § 5 I 2 EStG hat sich der Gesetzgeber für eine umfassende Maßgeblichkeit entschlossen.147 In den letzten Jahren wird die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zunehmend von steuerrechtlichen Vorschriften durchbrochen. 148 Es zeichnet sich deshalb ein 142 Zur Rechtsnatur der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung insbesondere Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, S. 100 ff., 187 ff.; auch Kirchhof / Crezelius § 5 RdNr. 39; Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 60. 143 Näher Icking, Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, S. 57 f. 1 44 Vgl. Knobbe-Keuk § 2 II S. 21. Vgl. Kirchhof / Crezelius § 5 RdNr. 21. 146 Vgl. Knobbe-Keuk § 2 II S. 22.

147 Vgl. Kirchhof / Crezelius § 5 RdNr. 22. 148 Vgl. nur die umfangreichen Änderungen des § 6 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BGBl. 1 1999, 402).

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Paradigmenwechsel zu einem von steuerspezifischen Prinzipien beherrschten Steuerbilanzrecht ab. Zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung i.S.v. § 243 I HGB gehören alle ungeschriebenen und alle kodifizierten materiellen Rechnungslegungsvorschriften über Handelsbilanzansätze, soweit sie für alle Kaufleute gelten. 149 Die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 I EStG zu berücksichtigen. 150 Aufgrund der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung wird die Ermittlung des Betriebsvermögens entscheidend durch das Vorsichtsprinzip des § 252 I Nr. 4 HGB bestimmt. Das Vorsichtsprinzip dient vorrangig dem Gläubigerschutz. Es soll verhindert werden, dass der Kaufmann seine Vermögenssituation günstiger darstellt, als sie es in Wirklichkeit ist. 1 5 1 Unterprinzipien des Vorsichtsprinzips sind das Imparitätsprinzip nach § 252 I Nr. 4 Hs. 1 HGB und das Realisationsprinzip nach § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB. Nach dem Imparitätsprinzip sind vorhersehbare, bis zum Abschlussstichtag entstandene und spätestens bis zum Tag der Bilanzerstellung bekannt gewordene Risiken und Verluste auch dann zu berücksichtigen, wenn sie noch nicht realisiert sind. 152 Dagegen darf ein Gewinn nach dem Realisationsprinzip erst dann ausgewiesen werden, wenn er realisiert, d. h. durch Umsatz verwirklicht ist. 1 5 3 Die bloße Wertsteigerung ruhender Vermögensgegenstände wird nicht erfasst. 154 Die Bewertung von Wirtschaftsgütern richtet sich nicht nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, weil diese Unterbewertungen zulassen (vgl. hierzu § 253 IV HGB), sondern nach den §§ 6, 7 EStG. 155 Nach § 61 Nr. 1 und 2 EStG sind Wirtschaftgüter mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.S.v. § 255 I und I I HGB anzusetzen. Eine höhere Bewertung als mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten würde dem Realisationsprinzip widersprechen. 156 2. Die Kritik an der Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz Die Ableitung der Steuerbilanz aus der Handelsbilanz wird kritisch gesehen. Ausgangspunkt der Kritik ist die Übernahme handelsrechtlicher Wahlrechte in die 149 Vgl. Kirchhof / Crezelius § 5 RdNr. 32. 150 Vgl. Kirchhof / Crezelius § 5 RdNr. 1; auch Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 16; Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45,61. 151 Vgl. Knobbe-Keuk § 3 III S. 47. 152 Vgl. Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 69. 153 Vgl. Knobbe-Keuk § 3 III S. 49. 154 Vgl. Costede StuW 1996, 19; Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 68. 155 Vgl. Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 130. 156 Vgl. Kirchhof / Fischer § 6 RdNr. 2.

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steuerliche Gewinnermittlung. Handelsrechtliche Bewertungswahlrechte gelten aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes des § 5 11 EStG auch für die steuerliche Gewinnermittlung. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1969 157 darauf hingewiesen, dass Bilanzierungswahlrechte im Steuerrecht schwerlich im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung nach Art. 3 I GG stünden. Da es dem Sinn und Zweck der steuerrechtlichen Gewinnermittlung entspreche, den vollen Gewinn zu erfassen, könne es nicht im Belieben des Kaufmanns stehen, sich durch Nichtaktivierung von Wirtschaftsgütern, die handelsrechtlich aktiviert werden dürften, oder durch den Ansatz eines Passivpostens, der handelsrechtlich nicht geboten sei, ärmer zu machen als er ist. 1 5 8 Deshalb führten handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte zu steuerrechtlichen Aktivierungsgeboten und handelsrechtliche Passi vierungswahlrechte zu steuerrechtlichen Passivierungsverboten. 159 Ausgehend von diesem Urteil ist die Frage aufgeworfen worden, ob die Handelsbilanz als Grundlage der Steuerbilanz tauglich sei oder ob nicht die Zielsetzungen beider Rechtsgebiete konträr seien. Gegen die aus der Handelsbilanz abgeleitete Steuerbilanz ist ausgeführt worden, sie verstoße durch die umfassende Möglichkeit zur Bildung und Auflösung stiller Reserven gegen den aus Art. 3 I GG folgenden Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Deshalb seien Handels- und Steuerbilanz inkompatibel. 160 Richtigerweise müsse das Leistungsfähigkeitsprinzip Vorrang vor dem Maßgeblichkeitsgrundsatz haben, der als Vereinfachungsmaßnahme lediglich ein rechtstechnisches Prinzip darstelle. 161 Problematisch an dieser Sichtweise ist zunächst, dass sich ein Vorrang des Leistungsfähigkeitsprinzips angesichts der geltenden Rechtslage nicht begründen lässt. 162 Aber auch inhaltlich ist diese Sichtweise nicht zutreffend. Richtigerweise ist davon auszugehen, dass die Zielsetzungen der Handelsbilanz und der Steuerbilanz dem Grunde nach kompatibel sind. Die handelsbilanzrechtlichen Vorschriften dienen dazu, den vorsichtig ermittelten verteilungsfahigen und ausschüttbaren Gewinn zu bestimmen. 163 Das Handelsbilanzrecht stellt sich damit als Kompromiss zwischen den Interessen der Unternehmensgläubiger an einer niedrigen 157 BFH BStBl. II 1969,291. 158 So BFH BStBl. I I 1969,291, 293. 159 Vgl. BFH BStBl. Π 1969, 291, 293 f.; kritisch Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 81; Gassneri Lang S. 82 ff.; Kruse StbJb 1976/77, 113, 127 f. 160 Vgl. Weber-Grellet DB 1994, 288, 289. 161 Vgl. Pezzer DStJG Bd. 14 (1991), 3, 18; kritisch hierzu Gassner/Lang S. 79 ff.; auch Kirchhof / Crezelius § 5 RdNr. 34; zum Verhältnis von Handels- und Steuerbilanz ausführlich Hennrichs StuW 1999, 138 ff.; ders. DStJG Bd. 24 (2001), 301 ff. 162 So Knobbe-Keuk § 2 II S. 27; Kruse in: FS Ritter, S. 413, 424 f.; so schon ders. StbJb 1976/77, 113, 128; für einen Vorrang des Leistungsfähigkeitsprinzips dagegen Weber-Grellet DB 1994, 288, 291; vergleichbar Bärenz, Einfluss des Gemeinschaftsrechts, S. 193 f., der eine verfassungskonforme Reduktion des Maßgeblichkeitsgrundsatzes befürwortet. 163 Vgl. Beisse StuW 1984, 1,4.

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Bewertung des Gesellschaftsvermögens und dem Interesse der Gesellschafter an einer Steigerung des ausschüttungsfähigen Gewinns dar. 164 Die Beschränkung des handelsrechtlichen Gewinns auf den Umsatzgewinn, also der Ausschluss von Reinvermögenszugängen anderer Art, berücksichtigt nicht nur die für die Ausschüttbarkeit wichtige Liquiditätskomponente, sondern beruht auf dem Gedanken, dass ein als entziehbar geltender Betrag besonders vorsichtig zu bestimmen ist. 1 6 5 Die handelsrechtliche Zielsetzung harmoniert prinzipiell mit der steuerrechtlichen Zielsetzung, das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen zu erfassen und der Besteuerung zu unterwerfen. 166 Allerdings ergeben sich auch Probleme aus den handelsrechtlichen Prinzipien. In diesem Zusammenhang geht es vor allem um das Vorsichtsprinzip mit seinen Unterprinzipien Realisationsprinzip und Imparitätsprinzip. Nachteil des Realisationsprinzips ist die umfassende Bildung stiller Reserven, wodurch die steuerliche Leistungsfähigkeit nur unvollständig erfasst wird. 1 6 7 Gleichwohl überzeugt das Realisationsprinzip auch steuerrechtlich, weil Zeitwerte oft nur schwer zu ermitteln sind und erst die Veräußerung am Markt den Wert eines Objekts bestätigt. 168 Das Realisationsprinzip gewährleistet, dass der Steuerpflichtige über aktuelle Liquidität zur Steuerzahlung verfügt. 169 Durch die Fortführung des Wirtschaftsguts zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten wird der Steuerpflichtige geschont. 170 Das Realisationsprinzip dient damit einer wirtschaftlich maßvollen Besteuerung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Problematischer ist die Vereinbarkeit des Imparitätsprinzips mit steuerrechtlichen Zielsetzungen. Gegen das Imparitätsprinzip spricht, dass es steuerrechtlich nicht einzusehen ist, warum nur Verluste zu antizipieren sind. Aktiv- und Passivseite der Bilanz müssten gleich behandelt werden. Das Steuerrecht kennt mit dem Verlustabzug nach § lOd EStG ein eigenes Institut der Verlustberücksichtigung. Allein Steuerpflichtigen, die bilanzieren, Rückstellungen und Teilwertabschreibungen zu gestatten, verschafft diesen in gleichheitswidriger Weise Liquiditäts- und Zins vorteile. 171 Für das Imparitätsprinzip spricht jedoch, dass es mit dem Anschaffungswertprinzip des § 253 I 1 HGB korreliert, welches durch § 6 I Nr. 1 und 2 EStG für das Einkommensteuergesetz übernommen worden ist. 1 7 2 Für das Imparitätsprinzip lässt sich weiterhin anführen, dass angesichts des Verhältnismäßigkeits164 Näher hierzu Schön StuW 1995, 366, 376. •65 Vgl. Moxter StuW 1989, 232, 236. 166 Vgl. Schön StuW 1995, 366, 375 f.; gegen die Vereinbarkeit von handelsrechtlichen Zielsetzungen mit steuerrechtlichen Zwecken Pezzer DStJG Bd. 14 (1991), 3, 17. 167 Vgl. Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 202. 168 Vgl. Hennrichs DStJG Bd. 24 (2001), 301, 318. 169

Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 173 f. 170 So Costede StuW 1996,19, 24. 171 Vgl. Hennrichs DStJG Bd. 24 (2001), 301, 318 mit Nachweisen. 172 Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 85. 4 Marchai

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grundsatzes bestehende Unsicherheiten zugunsten des Steuerpflichtigen ausschlagen müssen. Es ist im Zweifel für den Steuerpflichtigen anzunehmen, dass ein unsicherer Gewinn nicht gemacht, ein unsicherer Verlust aber eingetreten ist. 1 7 3 Die Zielsetzungen von Handels- und Steuerrecht sind folglich als kompatibel anzusehen. Die im vorliegenden Zusammenhang relevanten handelsrechtlichen Prinzipien widersprechen nicht der steuerlichen Zielsetzung. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die Einräumung von Wahlrechten auch mit dem handelsbilanzrechtlichen Objektivierungsgrundsatz grundsätzlich nicht vereinbar ist. Daher beruhen die meisten handelsbilanzrechtlichen Wahlrechte auf tatsächlichen Unsicherheiten über den Umfang des erzielten Gewinns. Die Ungewissheit über den verwirklichten Sachverhalt gebietet es angesichts von Art. 3 I GG, das Wahlrecht in die steuerliche Gewinnermittlung zu übernehmen, weil gerade nicht feststeht, was „gleich" oder „ungleich" ist. 1 7 4 Allerdings ist die Übernahme von handelsrechtlichen Wahlrechten, die dem Kaufmann aufgrund eines feststehenden Sachverhalts zustehen, in die Steuerbilanz nicht zulässig.175 Demnach können die Einwände gegen ein unter der Herrschaft des Maßgeblichkeitsgrundsatzes stehendes Steuerbilanzrecht die Erforderlichkeit eines eigenständigen Steuerbilanzrechts nicht begründen. Die Notwendigkeit eines eigenständigen Steuerbilanzrechts beruht auf anderen Gründen. Aufgrund der Transformation der Vierten EG-Richtlinie in deutsches Recht 176 kommt es zu teilweise sachfremden Einwirkungen auf das durch den Maßgeblichkeitsgrundsatz geprägte Steuerbilanzrecht. 177 Um diese Einflüsse zu vermeiden, wird die Kodifizierung eines eigenständigen Steuerbilanzrechts gefordert. 178 Dabei wird anerkannt, dass ein eigenständiges Steuerbilanzrecht im Ergebnis wenig anders aussehen würde als das unter der Herrschaft des Maßgeblichkeitsgrundsatzes stehende Steuerbilanzrecht. Auch in einem am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichteten eigenständigen Steuerbilanzrecht hätte neben „Wahrheit" und „Vollständigkeit" auch „Vorsicht" ihren Platz. Auch ein eigenständiges Steuerbilanzrecht müsste zukünftige Risiken angemessen berücksichtigen und die Besteuerung müsste auf realer Unternehmensliquidität basieren. 179 173 Zum Ganzen Hennrichs DStJG Bd. 24 (2001), 301,317 ff. mit Nachweisen; für die Vereinbarkeit des Imparitätsprinzip mit steuerrechtlichen Wertungen auch Gassner/Lang S. 100 f. 174 So Schön StuW 1995, 366, 376; vergleichbar Knobbe-Keuk § 2 II S. 23; vgl. auch Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 83 f., der handelsrechtliche Wahlrechte auch steuerrechtlich gelten lassen will, soweit sie Ausfluss ökonomisch notwendiger Ermessensspielräume oder sachgerechter Vereinfachung der Rechnungslegung sind; zustimmend Tipke StRO I, S. 518 f.; a.A. Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 202. 175 Näher Schön StuW 1995, 366, 376 f. 176 Durch das Bilanzrichtliniengesetz (BGBl. 1 1985, 2355). 177 Ausführlich zu dieser Problematik Bärenz, Einfluss des Gemeinschaftsrechts, S. 194 ff.; auch Kirchhof / Crezelius § 5 RdNr. 16 ff.; Hennrichs StuW 1999, 138, 148 ff. 178 Vgl. Weber-Grellet DStR 1998,1343 ff. 179 So Lang DStJG Bd. 24 (2001), 49, 114 f.; ausführlich Hennrichs DStJG Bd. 24 (2001), 301 ff. Vgl. auch Weber-Grellet DStR 1998, 1343, 1348 f., der eine Abschaffung des Bilanz-

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II. Gewinnverwirklichung durch steuerliche Ersatzrealisationstatbestände Das Prinzip, dass nur realisierte Gewinne der Besteuerung unterliegen, wird in bestimmten Fällen durchbrochen. Ein Gewinn ist auch dann auszuweisen, wenn es an einem Umsatzakt und folglich an einem handelsrechtlichen Gewinnausweis nach dem Realisationsprinzip fehlt. Dementsprechend werden diese Tatbestände als Ersatzrealisationstatbestände bezeichnet.180 Da sie keine handelsrechtlichen Entsprechungen haben, lassen sie sich nur steuersystematisch rechtfertigen. 181 Einkommensteuerrechtliche Anwendungsfälle sind die Entnahme (§§ 4 I 2, 6 I 1 Nr. 4 S. 1 EStG) und die Betriebsaufgabe (§§ 14, 14a III, 16 ΠΙ, 18 III EStG). 182 Die Ersatzrealisationstatbestände sind Konsequenz des Subjektsteuerprinzips. Nach dem Subjektsteuerprinzip muss der Gewinn als Teil des Einkommens von der Person besteuert werden, die ihn erwirtschaftet hat. 1 8 3 Die Ersatzrealisationstatbestände ordnen den Gewinnausweis in dem Zeitpunkt an, in dem das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen ausscheidet. Würde in diesem Zeitpunkt eine Besteuerung nicht stattfinden, würden die stillen Reserven der Besteuerung durch den deutschen Fiskus entgehen, weil der Wertzuwachs von Vermögensgegenständen im Privatvermögen nur in Ausnahmefallen besteuert wird (§§ 17, 22 Nr. 2, 23 EStG). 184 Die einkommensteuerrechtlichen Erweiterungen des Gewinnausweises sichern damit die Besteuerung der stillen Reserven vor dem Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus der steuerlichen Verstrickung. 185 steuerrechts und die Einführung einer Überschussrechnung als alleinige Gewinnermittlungsart fordert. 180 Anders dagegen die Terminologie von Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 18, der die Realisationstatbestände als R-l-Tatbestände und die Ersatzrealisationstatbestände als R-2Tatbestände bezeichnet; teilweise werden die Ersatzrealisationstatbestände auch als Entstrickungstatbestände bezeichnet, so von Costede StuW 1996,19, 21. 18» Vgl. Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 28; Costede StuW 1996,19, 20 f. 182 Weitere Ersatzrealisationstatbestände enthalten §§ 12, 13 VI KStG, § 21 II UmwStG und § 6 AStG. Seit dem Urteil des EuGH DB 2004, 686 (de Lasteyrie du Saillant) stellt sich insbesondere die Frage, ob auch die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG europarechtswidrig ist. Die EU-Kommission hat die Bundesregierung im Vorfeld eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EGV aufgefordert, § 6 AStG abzuschaffen. Hierzu Ismer ! Reimer I Rust EWS 2004, 207 ff. Auch die Wegzugsbesteuerung nach § 12 KStG ist durch dieses Urteil des EuGH zweifelhaft geworden; vgl. zum Ganzen J. Thiel DB 2004, 2603, 2608 f. 183 Vgl. K i r c h h o f / § 16 RdNr. 7; auch Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 14; anderes die Terminologie bei Lang in: Tipke/Lang § 9 RdNr. 22: Grundsatz der Individualbesteuerung. Ausführlich zum Inhalt dieses Grundsatzes Könemann, Individualbesteuerung, S. 33 ff. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt ist § 2 I 1 EStG, wonach der Einkommensteuer die Einkünfte unterliegen, die der Steuerpflichtige erzielt. 184 Vgl. Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 28 f. 185 Dementsprechend sieht die Rechtsprechung den Zweck des Entnahmetatbestands darin, die steuerliche Erfassung der stillen Reserven zu gewährleisten, vgl. BFH BStBl. III 4*

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Im Fall der Entnahme muss eine Besteuerung der stillen Reserven stattfinden, weil es für den Gewinn des Betriebs keinen Unterschied macht, ob der Inhaber einem Dritten oder sich selbst als Privatmann die Verfügungsmacht über die Gegenstände des Betriebsvermögens verschafft. 186 In beiden Fällen findet eine Besteuerung nicht mehr bei dem Steuerpflichtigen statt, der die stillen Reserven erwirtschaftet hat. Im Fall einer Betriebsaufgabe ist die Besteuerung der stillen Reserven ebenfalls dadurch gerechtfertigt, dass ansonsten eine Versteuerung der stillen Reserven, die der Betriebsinhaber erwirtschaftet hat, nicht mehr stattfinden würde. Außerdem ist davon auszugehen, dass auch bei einer Betriebsaufgabe die wesentlichen Anlagewerte zu Geld gemacht werden und nur geringfügige Objekte in das Privatvermögen überführt werden. 187 Den Ersatzrealisationstatbeständen liegt das Konzept einer Wertzuwachsbesteuerung zugrunde. Eine Wertzuwachsbesteuerung findet im geltenden Recht allerdings nur in den genannten Ausnahmefallen statt. 188 Die steuerlichen Ersatzrealisationstatbestände erweisen sich als problematisch, weil eine Fähigkeit zur Steuerzahlung unterstellt wird, die in Wirklichkeit nicht immer besteht. Der Steuerpflichtige wird durch die Besteuerung möglicherweise dazu gezwungen, Wirtschaftsgüter zu einem nicht angemessenen Preis zu veräußern, wodurch er zusätzlich zur Besteuerung belastet wird. 1 8 9 Die Ersatzrealisationstatbestände sind Konsequenz des Dualismus' von Betriebsvermögen und Privatvermögen. Solange dieser Dualismus existiert, sind die Ersatzrealisationstatbestände als notwendige Konsequenz der geltenden gesetzlichen Regelung gerechtfertigt. 190 Es ist immer wieder versucht worden, die Regelungen der Ersatzrealisationstatbestände als Ausdruck eines allgemeinen Entstrickungsgrundsatzes zu deuten. Immer dann, wenn die steuerliche Verstrickung eines Gegenstandes endet, wäre eine Gewinnrealisierung anzunehmen.191 So soll nach der Rechtsprechung 192 unter dem Gesichtspunkt eines allgemeinen Entstrickungsgrundsatzes eine Entnahme gegeben sein, wenn ein Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte verbracht wird und mit dem betreffenden ausländischen Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen worden ist, welches dem ausländischen Staat das

1967, 318, 320. Zur Verstrickung von Wirtschaftsgütern in die deutsche Besteuerung ausführlich Pach-Hanssenheimb, Verstrickung von Wirtschaftsgütern, Baden-Baden 1991. 186 Vgl. Knobbe-Keuk § 7 II S. 270; ebenso dies. DStR 1985,494. 187 Vgl. RFH RStBl. 1932, 624, 625 zu § 30 EStG 1925; hierauf verweisend Knobbe-Keuk § 7 U S. 270; kritisch Trzaskalik DStJG Bd. 4 (1981), 145, 153 ff. 188 Vgl. die Ausführungen oben Β. Π. 189 Vgl. die Ausführungen bei Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 66 f.; auch ders., Bemessungsgrundlage, S. 154. 190 Vgl. hierzu Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 67 f.; ebenso ders., Bemessungsgrundlage, S. 175. 191 Vgl. Knobbe-Keuk § 7 IV S. 277 f. 192 Vgl. BFH BStBl. Π 1972, 760, 761 f.

C. Prinzipien der Gewinnrealisierung

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Besteuerungsrecht zubilligt. 193 Diese Rechtsprechung wird allerdings von der Finanzverwaltung seit 1990 nicht mehr angewendet, sondern es besteht ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen zwischen einer sofortigen Besteuerung und einer Besteuerung in dem Zeitpunkt, in welchem das Wirtschaftsgut das ausländische Betriebsvermögen verlässt. 194 Eine Entnahme hat die Rechtsprechung auch dann angenommen, wenn der Steuerpflichtige ein Wirtschaftsgut aus seinem gewerblichen Betriebsvermögen in das Betriebsvermögen seines landwirtschaftlichen Betriebs überführt. 195 Maßgeblich für die Beurteilung, ob es sich bei einem Vorgang um eine Entnahme handelt, war für die Rechtsprechung, ob die steuerliche Erfassung stiller Reserven sichergestellt ist (sog. finaler Entnahmebegriff). Angesichts der Neuregelungen von § 6 ΠΙ und V EStG hat sich der finale Entnahmebegriff weitgehend erledigt, weil diesen Regelungen ein enger Betriebsbegriff zugrunde liegt und die Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven erst bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. 1 9 6 Ebenso wie bei der Entnahme hat die Rechtsprechung unter dem Gesichtpunkt der Entstrickung eine Betriebsaufgabe angenommen, wenn der Betrieb ins Ausland verlegt wird und nicht mehr der deutschen Besteuerung unterliegt. 197 Ein allgemeiner Entstrickungsgrundsatz, wonach ein Zugriff auf die stillen Reserven immer dann erfolgt, wenn diese ansonsten der Besteuerung entgehen würden, existiert im geltenden Recht nicht. 198 Zwar könnten die Ersatzrealisationstatbestände als Ausdruck eines derartigen ungeschriebenen Grundsatzes verstanden werden, gleichwohl ist es aufgrund des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht möglich, über die normierten Tatbestände hinausgehend stille Reserven zwangsweise zu realisieren, wenn es an der Erfüllung eines Realisationsoder Ersatzrealisationstatbestands fehlt. 199 Verlegt beispielsweise eine natürliche Person, die im Inland einen Gewerbebetrieb betreibt, ihren Wohnsitz ins Ausland, 193 Kritisch hierzu Hey in: Tipke/Lang § 9 RdNr. 234. >94 Näher BMF BStBl. I 1990, 72 f.; vgl. auch den Betriebstättenerlass des BFM BStBl. I 1999, 1076, 1086 f.; nach Cattelaens DB 1999, 1083 soll sich die sofortige Besteuerung aus § 6 V 1 EStG ergeben; kritisch hierzu Hey in: Tipke/Lang § 9 RdNr. 234. 195 Vgl. BFH BStBl. III 1967, 318, 320; ablehnend aber BFH BStBl. II 1989, 187, 188 f. 196 So Kirchhof / Crezelius § 4 RdNr. 93 f. 197 So BFH BStBl. II 1977, 283, 285; kritisch hierzu Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 72; hingegen führt der Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens allein nicht zu einer Aufgabe des sich im Ausland befindlichen Betriebs, vgl. BFH BStBl. II 1976, 246, 247. 198 Vgl. BFH BStBl. II 1972, 455, 457: „Es gibt auch keinen allgemeinen Grundsatz des Einkommensteuerrechts, nach dem die stillen Reserven eines Wirtschaftsguts dann aufzudecken sind, wenn das Wirtschaftsgut künftig nicht mehr in die Gewinnermittlung einzubeziehen ist." Zustimmend BFH BStBl. II 1976, 246,247 f.; BStBl. Π 1989, 187,189; zustimmend auch Knobbe-Keuk DStR 1985,494,495; Hey in: Tipke/Lang § 9 RdNr. 204. 199 Vgl. Tipke StuW 1972, 264, 269; kritisch auch Knobbe-Keuk § 7 IV S. 277 f.; Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45,71; Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 204; Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 180 f.; zum Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung im 2. Kapitel unter Β. I.

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so ist der Tatbestand der Betriebsaufgabe noch nicht erfüllt und eine Besteuerung findet nicht statt. 200 Im Bereich der nicht marktmäßig realisierten Wertzuwächse fehlen deshalb fundamentale Vorschriften, so dass sich schwer ausfüllbare Gesetzeslücken ergeben. 201 Derartige Lücken sind jedoch hinzunehmen, solange der Gesetzgeber keine diese Fallgestaltungen erfassenden Ersatzrealisationstatbestände oder eine allgemeine Entstrickungsklausel normiert. 202

I I I . Prinzipien der Gewinnrealisierung Der Bundesfinanzhof hat immer wieder betont, dass es keinen übergeordneten allgemeinen Tatbestand der Gewinnrealisierung gebe, sondern nur bestimmte Einzeltatbestände.203 Es existiert deshalb kein „äußeres" System der Gewinnrealisierung. 204 Es stellt sich aber die Frage, ob die Gewinnrealisierung einem „inneren" System folgt. „Inneres" System ist eine teleologische Ordnung allgemeiner Rechtsprinzipien. 205 Die Gewinnrealisierung folgte einem „inneren" System, wenn sich die Realisationstatbestände und die Ersatzrealisationstatbestände auf gemeinsame Rechtsprinzipien zurückführen ließen. Ob Realisationstatbestände und Ersatzrealisationstatbestände als Ausdruck eines gemeinsamen Prinzips verstanden werden können, ist zweifelhaft. Realisationstatbestände und Ersatzrealisationstatbestände werden herkömmlich als Regel und Ausnahme verstanden. Die Realisationstatbestände folgen dem handelsrechtlichen Realisationsprinzip. Die Ersatzrealisationstatbestände stellen sich als steuerrechtliche Ausnahmen des Realisationsprinzips dar. 206 Es stellt sich die Frage, ob das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht nur das Fundamentalprinzip des geltenden Einkommensteuerrechts darstellt, sondern ob es auch als übergreifendes Prinzip der Gewinnrealisierung durch Realisations- und Ersatzrealisationstatbestände verstanden werden kann. 200 Vgl. zu diesem Problemkreis BFH BStBl. Π 1977, 283, 287; BStBl. II 1978, 144, 147; auch Schmidt / Heinicke § 4 RdNr. 320. 201 Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 71. 202 Der Bericht der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts FR/Beilage zu Heft 11/2001, S. 12 fordert eine allgemeine Entstrickungsklausel. Das dem Bericht zugrunde liegende Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (BGBl. I 2001, 3858) hat eine derartige Entstrickungsklausel allerdings nicht verwirklicht. 203 Vgl. beispielsweise BFH BStBl. ΠΙ 1962, 351, 352 f.; BStBl. Π 1969, 381, 383; BStBl. II 1970, 743, 744. 204 Vgl. Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 17 f.; kritisch zum Wert eines „äußeren" Systems Canaris , Systemdenken, S. 19; hiergegen Lang, Systematisierung, S. 19 f. 205 Ausführlich Canaris , Systemdenken, S. 41 ff. 206 Vgl. Costede StuW 1996, 19, 21.

C. Prinzipien der Gewinnrealisierung

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Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit stellt an die steuerrechtliche Gewinn· und Verlustrechnung zwei grundsätzliche Anforderungen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip bezieht sich erstens auf die persönliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit; demnach verlangt es, dass die Einkünfte individuell ermittelt werden. Die zweite Anforderung enthält das Totalitätsprinzip, welches eine gleichmäßige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gewährleisten soll, indem alle Gewinne und Verluste in dem zu versteuernden Einkommen vollständig erfasst werden. 207 Das Totalitätsprinzip steht im Spannungsverhältnis zum Vorsichtsprinzip, welches durch das Realisations- und das Imparitätsprinzip konkretisiert wird. 2 0 8 Die Ersatzrealisationstatbestände stellen sich als Abwägung zwischen dem Totalitätsprinzip und der Markteinkommenstheorie dar. Dem Ziel der Markteinkommenstheorie, den Steuerpflichtigen maßvoll zu besteuern, wird grundsätzlich der Vorrang gegenüber dem Totalitätsprinzip eingeräumt. Allerdings greift das Totalitätsprinzip uneingeschränkt ein, wenn die Wirtschaftsgüter der steuerlichen Entstrickung zu entgehen drohen. 209 Da es im geltenden Recht an einem allgemeinen Entstrickungsgrundsatz fehlt 2 1 0 , ist der steuerliche Zugriff nur dann möglich, wenn ein Ersatzrealisationstatbestand existiert. Das Totalitätsprinzip rechtfertigt eine Besteuerung nur beim Vorliegen eines Ersatzrealisationstatbestands. Die Gewinnrealisierung wird demnach durch die beiden Unterprinzipien des Leistungsfähigkeitsprinzips, die Markteinkommenstheorie und das Totalitätsprinzip bestimmt. Hingegen ist das Leistungsfähigkeitsprinzip selbst nicht das zugrunde liegende Prinzip der Gewinnrealisierung. Denn wenn man steuerliche Leistungsfähigkeit als die Fähigkeit des Steuerpflichtigen versteht, Steuern aus dem gespeicherten Einkommen entsprechend der Höhe des disponiblen Einkommens zahlen zu können 211 , kann das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht als übergeordnetes Prinzip der Gewinnrealisierung verstanden werden. Denn in den Fällen der Ersatzrealisationstatbestände kommt es zu einer Gewinnrealisierung, obwohl dem Steuerpflichtigen kein liquider Gewinn zufließt. Dies aber ist mit dem dargestellten Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht vereinbar. 212 Folglich lassen sich Realisations- und Ersatzrealisationstatbestände nicht auf einen gemeinsamen Grundsatz zurückführen.

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Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45,46 f. Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 74 f. Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 95. Vgl. oben unter II.

211 So Tipke StRO I, S. 481; auch Kirchhof StuW 1985, 319, 321. 212 Vgl. Costede StuW 1996, 19, 23; dies wird auch von Lang, Bemessungsgrundlage, S. 155 gesehen: „Dieses Element einer strengen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wird erheblich dadurch abgeschwächt, dass Entnahme-/Betriebsaufgabetatbestand als Ersatztatbestände der Gewinnrealisierung praktiziert werden."

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Prinzipien des Besteuengsaufschubs

D. Gemeinsame Prinzipien des Besteuerungsaufschubs? In den hier zu behandelnden Fällen entsteht nach den Gewinnermittlungsvorschriften zunächst ein steuerbarer Gewinn. Die Tatbestände, welche in den vorliegenden Fällen einen Besteuerungsaufschub gewähren, sind steuerliche Tatbestände, so dass sich aus den handelsrechtlichen Prinzipien der Gewinnermittlung keine Aussagen entnehmen lassen. Es muss deshalb nach steuerrechtlichen Prinzipien gesucht werden, die in der Lage sind, Ausnahmen von der handelsrechtlichen Gewinnrealisierung zu statuieren. In der Ermöglichung der Übertragung der stillen Reserven kann das zugrunde liegende Prinzip nicht erblickt werden. Die Übertragung der stillen Reserven ist nur die Regelungstechnik, nicht aber das zugrunde liegende Prinzip. 213

I. Die Zweckbindung des Gewinns als verbindendes Prinzip Möglicherweise lässt sich mit der Zweckbindung des realisierten Gewinns ein Prinzip des Besteuerungsaufschubs begründen. Dieses Prinzip würde besagen, dass die Besteuerung eines realisierten Gewinns immer dann zu unterbleiben habe, wenn durch eine Besteuerung die Erfüllung des Zwecks gefährdet oder unmöglich gemacht werden würde. 214 Dem vergleichbar hat Tipke ausgeführt, es sei vertretbar, reinvestierte Gewinne nicht als Einkommen anzusehen, weil sie zur Lebensführung nicht zur Verfügung stünden.215 Zu berücksichtigen ist, dass diejenigen Vorschriften, die einen Besteuerungsaufschub gewähren, eine bestimmte Verwendung des realisierten Gewinns zur Voraussetzung des Begünstigungstatbestands machen. So ist der Besteuerungsaufschub im Anwendungsbereich von § 6b EStG davon abhängig, dass der Steuerpflichtige den realisierten Gewinn für den Erwerb bestimmter Wirtschaftsgüter verwendet. Auch der Besteuerungsaufschub der Rücklage für Ersatzbeschaffung hängt davon ab, dass der Gewinn für die Beschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts verwendet wird. Die Frage, ob sich mit der Zweckbindung der zugeflossenen Mittel ein Besteuerungsaufschub rechtfertigen lässt, ist zu verneinen. Für die Fälle des Tauschs ist der Gedanke der Zweckbindung nicht passend, weil es nicht zu einem Zufluss liquider Mittel beim Steuerpflichtigen kommt. Aber auch für die Rücklage für 213

Vgl. Schön, Gewinnübertragungen nach § 6b EStG, S. 8 f. Vgl. Weibel, Ersatzbeschaffung in der Schweiz, S. 49 ff., 53 zum schweizerischen Schrifttum, wo die wirtschaftlich freie Verfügbarkeit als Voraussetzung für die Besteuerung angesehen wird. 215 Vgl. Tipke DStJG Bd. 4 (1981), 1, 9; hiergegen J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 204. 214

D. Gemeinsame Prinzipien des Besteuerungsaufschubs?

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Ersatzbeschaffung und die Reinvestitionsrücklage ist die Zweckbindung des realisierten Gewinns nicht der verbindende Gesichtspunkt. Der Bundesfinanzhof hat ausgeführt, die Kürzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsguts bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung könne nicht damit begründet werden, dass zweckbestimmte Betriebseinnahmen steuerlich so behandelt werden müssten, dass sie in jedem Fall zur Erfüllung ihres Zwecks ausreichten. Ein solcher Rechtssatz sei dem Einkommensteuerrecht fremd. 216 Ein Grundsatz, wonach zweckbestimmte Betriebseinnahmen steuerlich so behandelt werden müssen, dass sie in jedem Fall zur Erfüllung ihres Zwecks ausreichen, muss mit dem Bundesfinanzhof verneint werden. Die Zweckbindung ist lediglich Voraussetzung für den Besteuerungsaufschub bei der Reinvestitionsrücklage und bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung. Sie ist nicht der Grund für die Gewährung eines Besteuerungsaufschubs. Gegen die Annahme, dass die Zweckbindung den maßgeblichen Grund für den Besteuerungsaufschub darstelle, spricht entscheidend, dass § 6b EStG auf bestimmte Wirtschaftsgüter beschränkt ist. Die in betriebsnotwendiges Anlagevermögen investierten normalen Umsatzgewinne werden dagegen nicht von der Besteuerung freigestellt, obwohl sie dem Steuerpflichtigen nicht frei zu Verfügung stehen.217 Würde man annehmen, dass der Besteuerungsaufschub sich aufgrund der Zweckbindung ergibt, würde dies zu einer erheblichen Ausweitung der Fälle führen, in denen eine Besteuerung des realisierten Gewinns aufgeschoben werden müsste. 218 Dies wäre aber mit der Beschränkung des Besteuerungsaufschubs bei Reinvestition in bestimmte Wirtschaftsgüter in § 6b EStG nicht vereinbar. Es muss demnach davon ausgegangen werden, dass den Fällen des Besteuerungsaufschubs nicht das Prinzip zugrunde liegt, dass zweckgebundene Gewinne nicht der Besteuerung unterliegen. Die Zweckbindung des realisierten Gewinns ist kein verbindendes Prinzip des Besteuerungsaufschubs.

II. Die Markteinkommenstheorie als Prinzip des Besteuerungsaufschubs Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob sich die anerkannten Fälle des Besteuerungsaufschubs nicht bereits aus einem an der Markteinkommenstheorie ausgerichteten Begriff des Einkommens ergeben. 219 Würde man davon ausgehen, dass in den hier behandelten Fällen kein erwirtschafteter Gewinn im Sinne der Markteinkommenstheorie gegeben wäre, so würde die Regelung des § 6b EStG keine 216 Vgl. BFH BStBl. III 1961,566 f.; bestätigend BFH BStBl. Π 1969, 381, 382. 217 Vgl. J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 204. 218 Vgl. Cagianut/Höhn DStJG Bd. 4 (1981), 269, 272, für das schweizerische Recht mit Nachweisen; kritisch auch Weibel, Ersatzbeschaffung in der Schweiz, S. 54 ff. 219 Vgl. Tipke DStJG Bd. 4 (1981), 1, 9.

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Subventionsvorschrift darstellen, sondern wäre die logische Konsequenz eines am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichteten Einkommensbegriffs. 220 Lang hat ausgeführt, dem Besteuerungsaufschub beim Tausch, bei der Reinvestitionsrücklage und der Rücklage für Ersatzbeschaffung liege die Markteinkommenstheorie zugrunde, wonach nur erwirtschaftete Einkünfte zu versteuern seien. 2 2 1 Ein Erwirtschaften im Sinne der Markteinkommenstheorie verneint Lang in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs, weil es an dem für das Erwirtschaften erforderlichen subjektiven Element der Planung durch den Steuerpflichtigen fehle. 222 In den Anwendungsfällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung würden außerdem durch eine Besteuerung die Erwerbsgrundlagen partiell entzogen werden, weshalb das Gebot einer maßvollen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit die Übertragung der stillen Reserven gebiete. In den Fällen des Tauschs und der Reinvestitionsrücklage wird daneben der Gedanke der Umstrukturierung des Vermögens herangezogen, um das fehlende Erwirtschaften des Gewinns zu begründen. Lang führt aus, die anerkannten Fälle des Besteuerungsaufschubs seien dadurch gekennzeichnet, dass das Vermögen lediglich umstrukturiert werde. Deshalb dürfe es nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven kommen. 223 Eine Besteuerung würde in diesen Fällen die Umstrukturierung stören oder sogar verhindern. Würden betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter durch gleichartige, die gleiche betriebliche Funktion erfüllende Wirtschaftsgüter ersetzt, so dienten die Veräußerungen nicht dem Zweck, Gewinne zu erwirtschaften, sondern es sollten die Bedingungen für das Erwirtschaften verbessert werden. 224 Der Gedanke, dass Umstrukturierungen steuerneutral möglich sein sollen, wird vor allem für Umstrukturierungen des Anlagevermögens vorgebracht. So wird ausgeführt, dass das gesamte Anlagevermögen als Festwert oder eiserner Bestand angesehen werden müsse, innerhalb dessen zwar Vermögensumschichtungen durch Veräußerung erfolgten, diese jedoch als bloße Zwischenbewegungen nicht erfolgswirksam werden würden. 225 Auch die Gesetzesbegründung zu § 6b EStG führt aus, eine Besteuerung von Veräußerungsgewinnen würde zu einer Substanzbesteuerung des Anlagevermögens führen, welches „seinem Wesen nach" nicht zur Gewinnerzielung durch Veräußerung bestimmt sei. 226 220 Vgl. Tipke DSUG Bd. 4 (1981), 1, 9, 221 So Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 89 ff. 222 Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 93 f. 223 Vgl. Lang. DStJG Bd. 4 (1981), 45, 90 (für den Tausch), 94 (für die Reinvestitionsrücklage); ebenso Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 211; vgl. auch Vodrazka StuW 1975, 317, 320; für das schweizerische Recht Cagianut/Höhn DStJG Bd. 4 (1981), 269, 272 f., die den Begriff der Reorganisation verwenden. 224 Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 93 f.; auch Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 211. 225 So Vodrazka StuW 1975, 317, 320; auch Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 202. 226 Vgl. BT-Drucks. 4/2400, 62.

D. Gemeinsame Prinzipien des Besteuerungsaufschubs?

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Die Fälle des § 6b EStG stellten sich nach dem Ausgeführten als Fälle der Umstrukturierung dar, weil die Veräußerung nicht das Ziel verfolgt, Gewinne zu erwirtschaften, sondern die Bedingungen für das Erwirtschaften zu verbessern. 227 Dem entspricht, dass der Zweck des § 6b EStG darin erblickt wird, Umstrukturierungen steuerlich zu schonen.228 Beim Tausch sei ein erwirtschafteter Gewinn trotz eines freiwilligen Umsatzakts dann nicht gegeben, wenn die Umstände ergäben, dass der Steuerpflichtige sein Unternehmen lediglich umstrukturieren wolle. Eine bloße Umstrukturierung sei dann gegeben, wenn die Tauschgüter wirtschaftlich identisch seien. Ergebe sich kein wesentlicher Differenzbetrag, so könne man annehmen, dass der Unternehmer keinen Gewinn habe erwirtschaften wollen. 229 Allerdings könne der Tausch nicht generell als erfolgsneutraler Anschaffungsakt qualifiziert werden, weil sich ansonsten eine Gewinnrealisierungslücke ergeben würde, die alsbald einen schwunghaften Tauschhandel, insbesondere von Gütern des Umlaufvermögens, zur Folge hätte. Die entstehende Gewinnrealisierungslücke stünde mit dem Konzept des Leistungsfähigkeitsprinzips und des Totalitätsprinzips, wonach ein erwirtschafteter Reinvermögenszuwachs zu besteuern sei, nicht in Einklang. 230 In der übrigen Literatur wird ferner der Vergleich zur Vermögensumschichtung im Privatvermögen gezogen, die - abgesehen von den Ausnahmen der Spekulationsgeschäfte innerhalb der Spekulationsfristen (hierzu §§22 Nr. 2, 23 EStG) und der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung (hierzu § 17 EStG) - steuerfrei bleibe. Ebenso müssten Vermögensumschichtungen im Betriebsvermögen generell steuerfrei möglich sein. 231 Richtigerweise ist das durch die Markteinkommenstheorie konkretisierte Leistungsfähigkeitsprinzip nicht in der Lage, das gemeinsame Prinzip der hier behandelten Fälle des Besteuerungsaufschubs darzustellen. Problematisch ist an der Begründung des Besteuerungsaufschubs mit der Markteinkommenstheorie, dass kein einheitlicher Gesichtspunkt benannt wird, aufgrund dessen der Besteuerungsaufschub möglich sein soll. Ein Erwirtschaften im Sinne einer planmäßigen Gewinnrealisierung könnte nur in den Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung verneint werden. Auf die Fälle des Tauschs und der Reinvestitionsrücklage passt der Gedanke des fehlenden Erwirtschaftens nicht, weil durch das Umsatzgeschäft regelmäßig ein Gewinn erzielt 227 So Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 94. 228 Vgl. Schön, Gewinnübertragungen nach § 6b EStG, S. 9. 229 So Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 91. 230 Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 91; ders., Bemessungsgrundlage, S. 416; hingegen hat Lüders, Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, S. 139 zutreffend ausgeführt, die Zunahme der Bedeutung von Tauschgeschäften sei als Konsequenz der erfolgsneutralen Behandlung des Tauschs hinzunehmen, solange der Gesetzgeber die Rechtslage nicht ändere. Mit der Einführung des § 6 VI 1 EStG ist dies geschehen. 231 So Vodrazka

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werden soll. Deshalb muss der Gedanke der Umstrukturierung herangezogen werden, um ein Erwirtschaften verneinen zu können. Der Gedanke der Umstrukturierung passt allerdings nicht zur Rücklage für Ersatzbeschaffung, weil es an dem subjektiven Element der Planung, welches jede Umstrukturierung aufweist, vollständig fehlt. Der Gedanke, dass eine Umstrukturierung steuerlich irrelevant ist, wenn sie sich auf das Anlagevermögen bezieht, kann allerdings nicht als übergeordneter Gesichtspunkt angesehen werden. Die von § 6b EStG begünstigten Wirtschaftsgüter müssen zwar aufgrund der Regelung des § 6b IV Nr. 2 EStG zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehören. Allerdings ist die Regelung des § 6b EStG auf bestimmte Anlagegüter beschränkt und bezieht nicht das gesamte Anlagevermögen des Steuerpflichtigen ein. Es kann nicht erklärt werden, warum die Regelung des § 6b EStG auf bestimmte Anlagegüter beschränkt ist, wenn man einer allgemeinen Erfolgsneutralität von Umstrukturierungsmaßnahmen ausgeht. 232 Die Beschränkung auf einzelne Anlagegüter lässt sich nur dann erklären, wenn man davon ausgeht, dass § 6b EStG eine wirtschaftspolitisch motivierte Subventionsvorschrift bezüglich bestimmter Wirtschaftsgüter ist 2 3 3 , nicht aber Ausdruck einer allgemeinen Begünstigung der Umstrukturierung des Anlagevermögens. Der Gedanke einer Privilegierung der Umstrukturierung des Anlagevermögens steht mit der Rücklage für Ersatzbeschaffung im Widerspruch, weil anerkannt ist, dass eine Rücklage für Ersatzbeschaffung auch dann gebildet werden kann, wenn es sich bei dem ausgeschiedenen Wirtschaftsgut um ein Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens gehandelt hat. 2 3 4 Auch ein weiterer Begriff der Umstrukturierung, der auch die Umstrukturierung des Umlaufvermögens umfasst, kann nicht den übergeordneten Gesichtspunkt darstellen, weil hiergegen ebenfalls die Beschränkungen des § 6b EStG auf bestimmte Wirtschaftsgüter und die Beschränkung des Besteuerungsaufschubs beim Tausch auf die Fälle des Tauschs von Anteilen von Kapitalgesellschaften sprechen. Von dem Prinzip, dass eine Gewinnrealisierung zu verneinen ist, wenn das Geschäft dazu dient, die Bedingungen des Erwirtschaftens zu verbessern, konnte bereits vor der Einführung des § 6 V I 1 EStG nicht ausgegangen werden, weil der Gedanke der Umstrukturierung nicht nur für den Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften entsprechend den Aussagen des Tauschgutachtens passend gewesen wäre, sondern auch in den Fällen des Tauschs von sonstigen Wirtschaftsgütern 232

Auch Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 94 geht davon aus, dass auf Beschränkungen, wie sie in § 6b EStG vorgesehen sind, nicht verzichtet werden kann. Allerdings führt Lang nicht aus, wie sich Beschränkungen des § 6b EStG mit dem Prinzip, dass Umstrukturierungen des Vermögens steuemeutral möglich sein sollen, vereinbaren lassen. 233 Hiervon geht die Gesetzesbegründung aus, vgl. BT-Drucks. 4/2400, 46. Ebenso auch die Begründung zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BGBl. I 1999, 402), vgl. BT-Drucks. 14/23,173. 234 Zuerst RFH RStBl. 1938,915.

D. Gemeinsame Prinzipien des Besteuerungsaufschubs?

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Geltung beansprucht hätte. Heute jedenfalls ist für einen derartigen Grundsatz die Grundlage entfallen, weil die Regelung des § 6 V I 1 EStG mit einem derartigen Grundsatz unvereinbar wäre. Denn obwohl es eine Reihe von Tauschvorgängen gibt, die sich als bloße Vermögensumschichtung darstellten, weil die Wirtschaftsgüter als identisch anzusehen sind, kommt es nunmehr stets zu einer Besteuerung des Gewinns nach § 6 V I 1 EStG. Der Einwand, Umstrukturierungen des Betriebsvermögens müssten wie Umstrukturierungen im Privatvermögen steuerneutral möglich sein, kann allenfalls als rechtspolitisches Desiderat verstanden werden. Denn eine Gleichbehandlung von Umstrukturierungen ist nicht möglich, weil das geltende Recht Privatvermögen und Betriebsvermögen voneinander trennt und Umstrukturierungen des Betriebsvermögens beim Vorliegen eines Realisationstatbestands eine Besteuerung auslösen, die jenseits einer gesetzlichen Regelung nicht durch Verweis auf die Steuerneutralität von Umstrukturierungen des Privatvermögens verneint werden kann. Einer Zusammenfassung der hier zu behandelnden Fälle des Besteuerungsaufschubs unter dem mittels der Markteinkommenstheorie konkretisierten Leistungsfähigkeitsprinzip ist schließlich entgegen zu halten, dass die Markteinkommenstheorie davon ausgeht, dass das handelsrechtliche Realisationsprinzip die Markteinkommenstheorie konkretisiert. 235 Wenn aber das Realisationsprinzip die Markteinkommenstheorie konkretisiert, kann die Markteinkommenstheorie nicht das zugrunde liegende Prinzip für Ausnahmen vom Realisationsprinzip darstellen. Folglich ist die Markteinkommenstheorie nicht geeignet, den übergeordneten Gesichtspunkt für die Fälle des Besteuerungsaufschubs darzustellen.

ΙΠ. Fehlender Mittelzufluss und Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven als gemeinsames Prinzip Es ist in der Literatur die Ansicht vertreten worden, die Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven und der fehlende Mittelzufluss stellten das Prinzip dar, welches den hier zu behandelnden Fällen zugrunde liege. Eine Übertragung stiller Reserven könne dort zugelassen werden, wo die spätere Besteuerung der stillen Reserven bei demselben Steuersubjekt oder bei dessen Rechtsnachfolger sichergestellt sei und dem Steuerpflichtigen keine liquiden Mittel zuflössen. 236 Neben dem Gedanken der Sicherstellung der späteren Besteuerung stiller Reserven wird der Gedanke angeführt, dass realisierte Gewinne nicht besteuert werden sollen, 235 Vgl. Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 202. 236 So Albach StbJb 1970/71, 287, 306 ff.; Costede StuW 1996, 19, 24 für § 6b EStG; vgl. auch Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 40, der daneben den Gedanken des Obermaßverbots betont; auch von Wallis FR 1974, 517, 518. Ähnlich auch der Bericht der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts FR/Beilage zu Heft 11/2001, S. 12.

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wenn sie dem Steuerpflichtigen nicht liquide zur Verfügung stehen, weil ihm keine Mittel zufließen. 237 Würde man den Gesichtspunkt der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven verallgemeinern, würde dies zu einem umgekehrten Entstrickungsgrundsatz führen: Eine Besteuerung wäre danach trotz Erfüllung eines Realisierungstatbestands solange zu verneinen, als eine Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist. 2 3 8 Ein allgemeiner Entstrickungsgrundsatz besagte demgegenüber, dass eine Besteuerung stiller Reserven auch ohne das Vorliegen eines Realisationstatbestands stattfinden muss, wenn die Besteuerung stiller Reserven nicht mehr gesichert ist. Ein allgemeiner Entstrickungsgrundsatz wäre die Ausnahme von dem Grundsatz, dass nur realisierte Gewinne zu besteuern sind. Ein umgekehrter Entstrickungsgrundsatz, wonach die Besteuerung dann unterbleiben kann, wenn die Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist, würde das Realisationsprinzip in umgekehrte Weise durchbrechen.

1. Der Grundsatz der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven und des fehlenden Mittelzuflusses Aus den Gewinnermittlungsvorschriften folgt zunächst der Grundsatz, dass die von einem bestimmten Steuersubjekt zulasten seines Gewinns gebildeten stillen Reserven zu irgendeiner Zeit von demselben Steuersubjekt versteuert werden müssen und nicht auf ein anderes Steuersubjekt übertragen werden dürfen. 239 Dieser Grundsatz ist Konsequenz des Subjektsteuerprinzips, wonach jede Person die von ihr erzielten Einkünfte zu versteuern hat. Dementsprechend ist eine interpersonale Übertragung stiller Reserven grundsätzlich ausgeschlossen.240 Von dem Grundsatz, dass die stillen Reserven bei dem Steuerpflichtigen zu versteuern sind, in dessen Betriebsvermögen sie sich gebildet haben, werden jedoch Ausnahmen gemacht, wenn die künftige Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist. 2 4 1 Eine Besteuerung der stillen Reserven bei dem Steuerpflichtigen, der sie erwirtschaftet hat, ist nicht erforderlich. Allein aus der Tatsache, dass stille Reserven auf einen anderen Steuerpflichtigen übertragen werden, kann ein Zwang zur Auflösung stiller Reserven nicht abgeleitet werden. 242 Die künftige Besteue237 Vgl. Knobbe-Keuk DStR 1985,494,495. 238 Vgl. Jakob § 4 RdNr. 830, der außerdem verlangt, dass der Unternehmer sein Engagement in Bezug auf das Wirtschaftsgut lediglich in einer gewandelten rechtlichen Umgebung fortsetzt. Zu einem Prinzip der Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form nachfolgend unter IV. 239 Vgl. BFH BStBl. ΠΙ 1962, 351, 353; zustimmend Luckey StuW 1979,129,141. 240 Vgl. Jachmann DStZ 2002, 203, 206. 241 Vgl. BFH BStBl. ΠΙ 1962, 351, 353. 242 Vgl. Luckey StuW 1979, 129, 141.

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rung der stillen Reserven ist dann gewährleistet, wenn die stillen Reserven im Bereich der Steuerart verbleiben, zu deren Lasten sie gebildet wurden. 243 Mit dem Prinzip der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven korrespondiert das Prinzip der Buchwertfortführung. Danach kann von einer Gewinnrealisierung trotz Erfüllung eines Realisationstatbestands abgesehen und können Buchwerte steuerneutral weitergeführt werden, solange die stillen Reserven steuerlich erfasst bleiben. 244 Die Buchwertfortführung ist allerdings nicht der maßgebliche Grund für einen Besteuerungsaufschub, sondern lediglich die bilanzielle Methode. 2 4 5 Durch die Buchwertfortführung wird die künftige Besteuerung stiller Reserven gewährleistet, weil bei einer späteren Veräußerung die stillen Reserven aufgedeckt werden und der Besteuerung unterliegen. 246

2. Anwendungsbereich des Grundsatzes der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven und des fehlenden Mittelzuflusses Gesetzliche Anwendungsfälle des Prinzips der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven und des fehlenden Mittelzuflusses sind die Fälle der Umstrukturierung durch Übertragung von Wirtschaftsgütern auf andere Steuerrechtssubjekte (sog. interpersonale Übertragung stiller Reserven). 247 Hierunter fallen die im Umwandlungssteuerrecht geregelten Fällen der Verschmelzung (§§ 3 ff. UmwStG), der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 UmwStG) oder in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG). 248 Im Einkommensteuerrecht fallen hierunter die Fälle der unentgeltlichen Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen gemäß § 6 ΠΙ EStG, die Fälle der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen (Sonder-)Betriebsvermögen der Mitunternehmer und dem Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft nach § 6 V EStG und die Realteilung nach § 16 III 2 ff. EStG. 249 Auch die Begründung einer echten Betriebsaufspaltung und das Wahlrecht bei einer Betriebsverpachtung fallen hierunter. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung in bestimmen Fällen der Entnahme durch Reduktion des Entnahmetatbestands des § 6 I Nr. 4 EStG dem Gedanken der Sicher243 Vgl. Luckey StuW 1979, 129, 143; auch Cattelaens DB 1999, 1083. 244 Vgl. Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 203. 245 So Luckey StuW 1979, 129, 138 f. und 144; anders aber Knobbe-Keuk StuW 1973, 74, 77 (zur Realteilung): „ . . . der Buchwertfortführung kommt darüber hinaus eine grundlegende materielle Bedeutung zu."; kritisch hierzu Trzaskalik DStJG Bd. 4 (1981), 145, 157 f. (in Fn. 40). 246 Vgl. Luckey StuW 1979,129,139. 247 Vgl. Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 220; auch Knobbe-Keuk DStR 1985,494,495. 248 Zu den Umwandlungsfällen näher Hey in: Tipke/Lang § 18 RdNr. 452 ff. 249 Vgl. Knobbe-Keuk DStR 1985,494,495.

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Stellung der Besteuerung stiller Reserven und des fehlenden Mittelzuflusses Rechnung getragen. Nach § 6 III EStG müssen bei unentgeltlicher Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben oder Anteilen eines Mitunternehmers auf eine natürliche Person durch Schenkung und Erbschaft Buchwerte fortgeführt werden. 250 In § 6 I I I EStG ist der frühere § 7 EStDV gesetzlich niedergelegt worden. § 6 III EStG verdankt seine Existenz der am entgeltlichen Geschäft ausgerichteten Interpretation des Gewinnbegriffs und der Prinzipien der Gewinnrealisierung: Solange dem Steuerpflichtigen eine Wertsteigerung nicht in Form liquider Mittel zur Verfügung steht, soll eine Besteuerung nicht stattfinden. 251 Die erfolgsneutrale Behandlung dieser Übertragungsvorgänge wird damit begründet, dass bei einer unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern eine Wertaufdeckung nicht stattfinde. 252 Entscheidend ist in den Fällen des § 6 I I I EStG der fehlende Zufluss liquider Mittel beim Steuerpflichtigen. Der Gesichtspunkt der Sicherung der späteren Besteuerung stiller Reserven spielt eine untergeordnete Rolle, auch wenn die spätere Besteuerung durch die Buchwertfortführung gewährleistet ist. Die Regelung des § 6 V EStG ist von dem Gedanken der Sicherung der Besteuerung stiller Reserven und des fehlenden Mittelzuflusses geprägt. 253 Die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven ist nach § 6 V 1 EStG Voraussetzung für den Ansatz des übertragenen Wirtschaftsguts zu Buchwerten. Durch § 6 V EStG wird die erfolgsneutrale Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern zwischen verschiedenen (Sonder-)Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zu Buchwerten ermöglicht. Das Wahlrecht, welches es nach der früheren Rechtslage gab, existiert nicht mehr. 254 Von § 6 V EStG sind nur solche Fälle erfasst, in denen die Übertragung des Wirtschaftsguts unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt. § 6 V 1 und 2 EStG bezieht sich auf eine Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen verschiedenen (Sonder-)Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen und regelt damit Selbstverständliches, weil es bereits an einem Realisationstatbestand fehlt. 255 § 6 V 3 EStG regelt verschiedene Übertragungen von Wirtschaftsgütern zwischen dem (Sonder-)Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen und dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft bzw. dem Sonder250 Zweifelhaft ist, ob unter § 6 III EStG auch die unentgeltliche Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Anteilen an Mitunternehmerschaften auf eine Kapitalgesellschaft fallt; ablehnend Brandenberg DStZ 2002, 511, 513. 251 Vgl. Trzaskalik DStJG Bd. 4 (1981), 145, 146. 252 Vgl. Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 220 f.; auch Trzaskalik DStJG Bd. 4 (1981), 145, 146 f. 253 Ausführlich zu dieser Vorschrift Kirchhof/ Fischer § 6 RdNr. 185 ff. 254 Vgl. Groh DB 2004, 1403 ff. zu Möglichkeiten der Teilwertübertragung auf Grundlage der derzeitigen Rechtslage. 255 Vgl. Kirchhof//?ei/? § 6 RdNr. 186.

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betriebsvermögen der Mitunternehmer. 256 Durch § 6 V 3 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000 /2002 2 5 7 wurde der sog. Mitunternehmererlass 258 aufgehoben und damit die steuerneutrale Fortführung eines Wirtschaftsguts zu Buchwerten unmöglich gemacht. Dies entsprach der konsequenten Umsetzung des Subjektsteuerprinzips in der Weise, dass die stillen Reserven bei demjenigen Steuerpflichtigen zu versteuern sind, bei dem sie entstanden sind. 259 Diese Rechtslage bestand allerdings nur vom 1.1. 1999 bis zum 31. 12. 2000. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts 260 wurde die alte Rechtslage wieder hergestellt, so dass ab dem 1. 1. 2001 steuerneutrale Übertragungen von Wirtschaftsgütern entsprechend dem Mitunternehmererlass, nunmehr allerdings in gesetzlicher Form, wieder möglich sind. 261 Die richterrechtlich 262 entwickelte erfolgsneutrale Realteilung nach § 16 III 2 ff. EStG ist auch durch den Gedanken des fehlenden Zuflusses liquider Mittel und den Gedanken der Sicherung der Besteuerung stiller Reserven geprägt. 263 Die Buchweitfortführung wird nach § 16 III 2 EStG ausdrücklich von der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven abhängig gemacht. Eine gesetzliche Definition der Realteilung existiert nicht. 2 6 4 Eine Realteilung ist die Auflösung einer Mitunternehmerschaft und die Aufteilung des gesamten bisherigen Betriebsvermögens der Mitunternehmerschaft auf die bisherigen Mitunternehmer. 265 Nach § 16 ΠΙ 2 EStG sind Buchwerte fortzuführen, das frühere Wahlrecht, die stillen Reserven aufzudecken oder das Wirtschaftgut mit den Buchwerten weiterzuführen, existiert nicht mehr. Auch bei der Begründung einer echten Betriebsaufspaltung wird von einer Gewinnrealisierung abgesehen. Die Betriebsaufspaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass ein wirtschaftlich einheitlich auftretendes Unternehmen in doppelter Rechtsform auftritt. Das Besitzunternehmen hält das Anlagevermögen und vermietet oder verpachtet dieses an das Betriebsunternehmen. Das Betriebsunternehmen hält das Umlaufvermögen und führt fortan die Geschäfte. In der Regel handelt das Betriebsunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft und das Besitzunternehmen handelt in der Form eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft. Die Betriebsaufspaltung führt dazu, dass die Einnahmen des Besitz256 257 258 259 260

Vgl. hierzu Brandenberg DStZ 2002, 551, 555 ff. BGBl. 1 1999,402. BStBl. 1 1978, 8. Vgl. Jachmann DStZ 2002, 203, 206 (in Fn. 30). BGBl. 12001, 3858.

261 Vgl. Kirchhof/Fischer § 6 RdNr. 187 f.; Jachmann DStZ 2002, 203, 206 ff. 262 So zuerst BFH BStBl. ΙΠ 1952, 183, 184; auch BFH BStBl. ΠΙ 1962, 513, 514; BStBl. II 1972,419,420 f.; BStBl. II 1982,456,457 f.; BStBl. II 1992, 385, 386. 263 Vgl. zur Realteilung bei der derzeit geltenden Rechtslage Brandenberg DStZ 2002, 594,595 f.; Musil DB 2005, 1291 ff. 264 Vgl. Hey in: Tipke/Lang § 18 RdNr. 93. 265 Vgl. Kirchhof/Reiß § 16 RdNr. 340. 5 Marchai

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Unternehmens gewerblich qualifiziert werden, obwohl es sich der Sache nach um Einkünfte aus Vermietung oder Verpachtung handelt. 266 Bei einer echten Betriebsaufspaltung wird der bestehende Betrieb nachträglich in ein Betriebsunternehmen und ein Besitzunternehmen aufgespaltet. Eine unechte Betriebsaufspaltung ist hingegen gegeben, wenn die unternehmerische Tätigkeit von Anfang an auf ein Betriebs- und ein Besitzunternehmen übertragen wird. Hier kommt es nicht zu einer Übertragung von Wirtschaftsgütern, so dass sich die Frage der Gewinnrealisierung nicht stellt. Die erfolgsneutrale Übertragung der Wirtschaftsgüter auf das Besitzunternehmen erfolgt bei der echten Betriebsaufspaltung durch Einzelrechtsübertragung oder nach dem Umwandlungsgesetz, insbesondere durch Spaltung oder Verschmelzung.267 Auch das durch die Rechtsprechung 268 entwickelte Wahlrecht bei einer Betriebsverpachtung beruht auf dem Gedanken der Sicherstellung der späteren Besteuerung stiller Reserven. Verpachtet der Steuerpflichtige seinen Betrieb, so kann er wählen, ob die Verpachtung eine Betriebsaufgabe oder eine Betriebsunterbrechung sein soll. Im ersteren Fall muss der Steuerpflichtige gemäß § 16 ΙΠ 1 EStG den Aufgabegewinn versteuern und erzielt künftig Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 I 1 Nr. 1, Nr. 2 EStG. Im letzteren Fall werden die stillen Reserven nicht aufgedeckt. Der Steuerpflichtige erzielt während der Betriebsunterbrechung weiterhin gewerbliche Einkünfte. Zu einer Aufdeckung der stillen Reserven kommt es nicht. Auch der Besteuerungsaufschub bei der Betriebsunterbrechung beruht auf dem Gedanken, dass die spätere Besteuerung stiller Reserven gesichert ist. Denn solange die Möglichkeit besteht, dass der Steuerpflichtige den Betrieb wieder aufnimmt und fortführt, können die stillen Reserven bei ihm erfasst werden. Auch der Gedanke des fehlenden Mittelzuflusses spielt eine Rolle, weil dem Steuerpflichtigen trotz zwischenzeitlichen Übergangs der stillen Reserven keine liquiden Mittel zufließen. 269 Neben diesen Fällen hat die Rechtsprechung trotz Eingreifens eines Ersatzrealisationstatbestands eine Gewinnrealisierung aufgeschoben, wenn die spätere Besteuerung stiller Reserven gesichert war und dem Steuerpflichtigen keine liquiden Mittel zur Steuerzahlung zuflössen. So hat der Bundesfinanzhof Härten des Entnahmetatbestands durch teleologische Reduktion abgemildert. Auf die gewinner266 Grundlegend BFH BStBl. II 1972, 63, 64; zu den Rechtsfolgen einer Betriebsaufspaltung Hey in: Tipke/Lang § 18 RdNr. 309 ff.; Kirchhof/Reiß § 15 RdNr. 75 ff. Zur Frage der Erstreckung der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 GewStG auf das Besitzunternehmen BFH BStBl. II 2004, 607, 611 ff.; hierzu Drüen GmbHR 2005, 69, 71 ff. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Betriebsaufspaltung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, vgl. BVerfGE 25, 28, 34 ff. sowie BVerfG NJW 2004, 2513 f. 267 Näher hierzu Kirchhof/ Reiß § 15 RdNr. 111. 268 Vgl. insbesondere das Urteil des Großen Senats BFH BStBl. III 1964, 124 ff. mit Nachweisen der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs. 269 Vgl. nur Birk RdNr. 654.

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höhende Rechtsfolge der Entnahme kann verzichtet werden, wenn die spätere Besteuerung der stillen Reserven des entnommenen Wirtschaftsguts weiterhin gewährleistet ist. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut in einen Betrieb desselben Steuerpflichtigen mit derselben Gewinnermittlungsart überführt. Der Buchwert des Wirtschaftsguts wird in dem anderen Betrieb fortgeführt, so dass die spätere Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist. 2 7 0 Dieser Fall wird nunmehr durch die Regelung des § 6 V 1 EStG erfasst. Die Überführung eines Wirtschaftsguts von einem Betrieb des Steuerpflichtigen in einen anderen Einzelbetrieb desselben Steuerpflichtigen stellt zwar eine Entnahme dar, allerdings zwingt nunmehr § 6 V 1 EStG zur Fortführung der Buchwerte, so dass die stillen Reserven des Wirtschaftsguts nicht aufgedeckt werden. 271 Auch eine Betriebsaufgabe wird von der Rechtsprechung bei einem mit einem Wechsel der Einkunftsart verbundenen Strukturwandel verneint, solange die Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist. Auch in diesem Fall fehlt es an einem Mittelzufluss beim Steuerpflichtigen. 272 Diese Rechtsprechung ist zu Recht angegriffen worden. Eine teleologische Reduktion des Entnahmetatbestands und des Betriebsaufgabetatbestands setzt einen entsprechenden Gesetzeszweck bzw. ein entsprechendes gesetzliches Prinzip voraus. Ein derartiges Prinzip besteht im Bereich der nicht marktmäßig realisierten Gewinne nicht, weil der Gesetzgeber sich noch nicht auf bestimmte Prinzipien der Wertzuwachsbesteuerung festgelegt hat. 2 7 3 Die Fälle, in denen eine Fortführung eines Wirtschaftsguts zum Buchwert zulässig ist, sind jeweils gesetzlich normiert. Für die Fälle der interpersonalen Übertragung von Wirtschaftsgütern existiert im geltenden Recht kein Grundsatz der Buchwertfortführung. 274 Erforderlich ist jeweils eine gesetzliche Regelung.275 3. Übertragung des Prinzips der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven und des fehlenden Mittelzuflusses auf die zu untersuchenden Fälle Zum Teil wird angenommen, auch die Übertragung stiller Reserven von einem ausgeschiedenen Wirtschaftsgut auf ein anderes Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen folge dem Prinzip, dass der Fiskus mit der Besteuerung zu warten habe, 270 Vgl. BFH BStBl. Π 1972, 903, 904; hierzu Knobbe-Keuk § 7 ΠΙ S. 273 ff. 271 Vgl. Kirchhof /Crezelius § 4 RdNr. 94. 272 Vgl. BFH BStBl. II 1975,168,170 ff.; BStBl. II 1987,342,343; BStBl. II 1993,36,39 f. Zweifelhaft ist, ob der Übergang zur Liebhaberei zur Betriebsaufgabe führt. Verneinend BFH BStBl. Π 1982,381,383 f.; BStBl. II 2002,809,810; bejahend Kirchhof/Reiß § 16 RdNr. 313. 273 Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 71 zur Reduktion des Entnahmetatbestands. 274 Vgl. umfassend hierzu Troost, Buchwertfortführung, S. 229 ff. 275 Vgl. auch BFH BStBl. ΠΙ 1962, 351, 353: „Ein solcher Verzicht bedarf vielmehr einer ausdrücklichen Regelung." 5*

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solange er die stillen Reserven noch erfassen könne, und dem Steuerpflichtigen keine liquiden Mittel zuflössen. 276 Richtigerweise lässt sich die Übertragung stiller Reserven von einem ausgeschiedenen Wirtschaftsgut auf ein anderes Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen nicht mit diesem Gedanken begründen. Der Gedanke der Buchwertfortführung ist nicht weiterführend, weil die Buchwertfortführung nur die Technik ist, die Übertragung stiller Reserven auf ein anderes Steuerrechtssubjekt zu ermöglichen. Außerdem findet eine Buchwertfortführung in den vorliegenden Fällen nur beim Tausch statt. In den Fällen der Reinvestitionsrücklage und der Rücklage für Ersatzbeschaffung wird die Übertragung der stillen Reserven nicht durch Buchwertfortführung bewerkstelligt, sondern durch die Kürzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsguts bzw. durch die Bildung einer steuerfreien Rücklage. Allerdings stellt sich die Frage, ob der Gedanke der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven auch für die Übertragung stiller Reserven von einem ausgeschiedenen Wirtschaftsgut auf ein neues Wirtschaftsgut zutreffend ist. Wenn die künftige Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist, besteht nach dem Prinzip der Sicherstellung der späteren Besteuerung stiller Reserven kein Zwang zur Gewinnrealisierung. 277 Die Besteuerung stiller Reserven ist dann gesichert, wenn die stillen Reserven im Bereich der Steuerart verbleiben, zu deren Lasten sie gebildet wurden. 278 Die Besteuerung der stillen Reserven in derselben Steuerart, zu deren Lasten sie gebildet wurde, ist bei einer Übertragung stiller Reserven von einem ausgeschiedenen Wirtschaftsgut auf ein anderes Wirtschaftsgut stets gegeben, weil die stillen Reserven in dem neuen Wirtschaftsgut und damit im Bereich der einkommensteuerrechtlichen Verstrickung verbleiben. Darüber hinaus können die stillen Reserven auch in Zukunft bei dem Steuerpflichtigen erfasst werden, der sie gebildet hat. Gleichwohl ist die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven nicht das zugrunde liegende Prinzip, weil in vielen Fällen trotz der gesicherten Besteuerung der stillen Reserven eine Besteuerung stattfindet. 279 Insbesondere die Behandlung des Tauschs spricht gegen diese Annahme. Der Tausch stellt seit der Einführung des § 6 V I 1 EStG stets einen Gewinnrealisierungstatbestand dar, obwohl die Besteuerung der stillen Reserven des hingegebenen Wirtschaftsguts gesichert wäre, wenn man deren Übertragung auf das erhaltene Wirtschaftsgut zulassen würde, weil die stillen Reserven in der gleichen Steuerart verbleiben und derselbe Steuer276 So von Wallis FR 1974, 517, 518; dagegen Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 40, der den Grund für die verschiedenen Fälle des Besteuerungsaufschubs in der Sicherstellung der späteren Besteuerung stiller Reserven und im Übermaßverbot sieht; vgl. auch Costede StuW 1996, 19, 24. 277 Vgl. BFH BStBl. III 1962, 351, 353. 278 Vgl. Luckey StuW 1979,129,143; vgl. auch BFH BStBl, m 1962, 351, 352. 279 Im Ergebnis auch Luckey StuW 1979, 129, 142.

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Pflichtige, der sie gebildet hat, die stillen Reserven im Zeitpunkt des Ausscheidens des erhaltenen Wirtschaftsguts zu versteuern hat. Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, den Tausch als zwingenden Gewinnrealisierungstatbestand auszugestalten. Auch die Regelung des § 6b EStG spricht gegen einen derartigen Grundsatz. 280 In den Fällen der Reinvestitionsrücklage ist eine spätere Besteuerung der stillen Reserven gesichert, weil das neu angeschaffte Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen verbleibt. Nach dem dargestellten Prinzip der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven wäre in allen Fällen, in denen der Steuerpflichtige - außerhalb von § 6b EStG - Veräußerungsgewinne reinvestiert, ein Aufschub der Besteuerung gerechtfertigt. Denn auch in diesen Fällen wäre die Besteuerung der stillen Reserven des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts bei dem Steuerpflichtigen, der sie gebildet hat, gesichert, wenn man die Bildung einer steuerfreien Rücklage zulassen würde. Allerdings ist die Regelung des § 6b EStG auf bestimmte Anlagegüter beschränkt. Wenn ein umgekehrter Entstrickungsgrundsatz tatsächlich existierte, wäre eine derartige Beschränkung auf bestimmte Anlagegüter nicht zu rechtfertigen. Insbesondere wäre eine weitere Beschränkung der Anlagegüter, bei denen eine Reinvestitionsrücklage gebildet werden kann, so wie dies durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000 /2002 2 8 1 erfolgt ist, nicht mit einem derartigen Grundsatz vereinbar. Auch der Gesichtpunkt des fehlenden Mittelzuflusses ist nicht weiterführend. Zwar fließen dem Steuerpflichtigen beim Tausch keine liquiden Mittel zu. Aus diesem Grunde verneinte eine frühere handelsrechtliche Sichtweise die Gewinnrealisierung beim Tausch. 282 Allerdings fließt in den Fällen der Reinvestitionsrücklage und der Rücklage für Ersatzbeschaffung dem Steuerpflichtigen ein liquider Gewinn zu. 2 8 3 Dieser ist zwar für die Beschaffung des neuen Wirtschaftsguts gebunden. Es ist jedoch festgestellt worden, dass die Zweckbindung des realisierten Gewinns nicht dazu führt, dass dieser so zu behandeln ist, dass er für die Erfüllung des Zweckes in jedem Fall ausreicht. 284 Es muss davon ausgegangen werden, dass ein Grundsatz, wonach eine Gewinnrealisierung nicht erfolgt, wenn keine Mittel zufließen und eine spätere Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist, im Bereich der Übertragung stiller Reserven von einem Wirtschaftsgut auf ein anderes Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen nicht existiert. Auch die Rechtsprechung hat ausgeführt, dass es keinen Grundsatz gebe, wonach die Gewinnrealisierung immer dann hinausgeschoben 280 in diese Richtung auch Bordewin/Brandt §§ 4 - 5 RdNr. 1260. 281 BGBl. 1 1999,402; vgl. auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/23,173 f. 282 Vgl. Lüders, Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, S. 126 mit Nachweisen. 283 Vgl. die Ausführungen zur Rücklage für Ersatzbeschaffung von Lang, Bemessungsgrundlage, S. 352: „Das durch die Entschädigung erhöhte Bankgutachten bzw. der Kassenbestand weisen einen sicheren Gewinn aus." 284 Vgl. oben unter I.

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werden könne, wenn die spätere Besteuerung stiller Reserven gesichert sei. 285 Geregelt sind vielmehr nur Einzelfälle, für die es einer ausdrücklichen steuergesetzlichen Grundlage bedarf. 286 Der Grundsatz der Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven und das Prinzip des fehlenden Mittelzuflusses können folglich nur für die Fälle der interpersonalen Übertragung von Wirtschaftsgütern Geltung beanspruchen. Für die Fälle der Übertragung stiller Reserven eines Wirtschaftsguts auf ein Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen, der die stillen Reserven erwirtschaftet hat, gibt dieses Prinzip im Ergebnis nichts her.

IV. Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form als Prinzip des Besteuerungsaufschubs Als Prinzip des Besteuerungsaufschubs wird weiterhin die Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form angeführt. Dieses besagt, dass eine Besteuerung stiller Reserven nicht erfolgt, wenn das unternehmerische Engagement in veränderter, aber wirtschaftlich gleichwertiger und gleichartiger Form fortgesetzt wird. 2 8 7 Das Prinzip der Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form liegt zunächst den im Umwandlungssteuergesetz geregelten Fällen zugrunde. 288 Vor der Kodifizierung des Umwandlungssteuergesetzes im Jahr 1976 289 hat die Rechtsprechung dieses Prinzip herangezogen, um eine Gewinnrealisierung bei Umwandlungen verneinen zu können. 290 Die Rechtsprechung hat auf dieses Prinzip auch im Zusammenhang mit dem Tausch hingewiesen. So hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zum Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften die Fortführung des unternehmerischen Engagements in anderer Form als zugrunde liegenden Gesichtspunkt angeführt. 291 Vergleichbar sind die Ausführungen des Bundesfinanzhofs im Tauschgutachten. Der Bundesfinanzhof führt aus, es könne sein, dass die eingetauschten Anteile die gleiche betriebliche Funktion erfüllten oder bei wirtschaftlicher Betrachtung die gleichen Wirtschaftsgüter repräsentierten. Deshalb könne eine nur formale Änderung der Beteiligung am Betriebsvermögen vorliegen. 292 Auch hat der Bundes285 Vgl. BFH BStBl. Π 1979,412,413 f.; BStBl. II 1985, 250, 252. 286 Vgl. BFH BStBl. III 1962, 351, 353. 287 Vgl. BFH BStBl. Π 1977, 283, 286. 288 Vgl. BFH BStBl. Π 1977, 283, 286; vgl. auch Luckey StuW 1979, 129,141 ff. 289 Durch das Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform als Teil des Einführungsgesetzes zum Körperschaftsteuerreformgesetz (BGBl. 1 1976, 2641). 290 Vgl. insbesondere RFH RStBl. 1933, 999, 1002; RStBl. 1934, 838 f.; BFH BStBl. ΙΠ 1959, 289 f.; BStBl. III 1960, 403, 404; BStBl. III 1965, 640, 642; zu dieser Rechtsprechung Knobbe-Keuk in: FS 75 Jahre RFH-BFH, S. 303, 316 ff. 291 Vgl. RFH RStBl. 1935,155, 156. 292 Vgl. BFH BStBl. ΠΙ 1959, 30, 32.

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finanzhof im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zur Rücklage für Ersatzbeschaffung ausgeführt, die in dem durch höhere Gewalt ausgeschiedenen Wirtschaftsgut vorhandenen stillen Reserven würden in dem wirtschaftlich an seine Stelle tretenden Ersatzwirtschaftsgut weitergeführt. 293 Die Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form ist nicht das Prinzip, welches die hier zugrunde liegenden Fälle miteinander verbindet. Es ist zu berücksichtigen, dass der Bundesfinanzhof sich bereits im Tauschgutachten von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, wonach beim Tausch der Gesichtspunkt der Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form den Besteuerungsaufschub begründet, distanziert hat. Der Bundesfinanzhof hat dort ausgeführt, dass nur in den Fällen des Tauschs von Anteilen an Kapitalgesellschaften eine Fortführung des unternehmerischen Engagements und damit ein Aufschub der Besteuerung angenommen werden könne. 294 Luckey hat ausgeführt, dass der Gedanke der Fortführung des unternehmerischen Engagements in anderer Form nur für die Übertragung stiller Reserven einer Sachgesamtheit auf ein anderes Rechtssubjekt passend sei. Für die Übertragung der stillen Reserven eines einzelnen Wirtschaftsguts passe der Gedanke nicht, weil an ein einzelnes Wirtschaftsgut kein unternehmerisches Engagement geknüpft werden könne. 295 Dieser Einwand ist nicht überzeugend, weil ohne weiteres Fälle denkbar sind, in denen eine Unternehmung ihr unternehmerisches Engagement an ein einzelnes Wirtschaftsgut knüpft. Der Gedanke der Fortführung des unternehmerischen Engagements in anderer Form ist demnach nicht von vornherein für die Übertragung stiller Reserven unpassend. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Fortführungsgedanke im geltenden Recht vor allem für den Bereich der Übertragung von Sachgesamtheiten Niederschlag gefunden hat. Im Bereich der Übertragung stiller Reserven auf ein anderes Wirtschaftsgut ist der Gesetzgeber bislang zurückhaltend gewesen.296 Dementsprechend ist die Existenz eines derartigen Prinzips zu verneinen.

293 Vgl. BFH BStBl. III 1957, 261, 262. 294 Vgl. BFH BStBl. III 1959, 30, 33 mit Verweis auf BFH BStBl. III 1957, 195, 196, wonach beim Tausch grundsätzlich eine Gewinnrealisierung eintritt. 295 So Luckey StuW 1979, 129, 142 und 147. Auch Beisse StuW 1981, 1, 11 begründet die Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht mit der Fortführung des unternehmerischen Engagements in anderer Form, sondern lässt hierunter Rechtsinstitute wie das Wahlrecht im Falle einer Betriebsverpachtung fallen. 296 Kritisch hierzu Trzaskalik DStJG Bd. 4 (1981), 145, 161: „Ist man äußerst kleinlich, wenn stille Reserven von einem Wirtschaftsgut auf ein anderes verlagert werden sollen, kann man nicht bei Betriebsübertragungen großzügig sein." Vgl. auch BFH BStBl. II 1972, 419, 421 f.: „Die Übertragung stiller Reserven auf andere Wirtschaftsgüter [ . . . ] ist nach dem EStG grundsätzlich nicht möglich."

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Prinzipien des Besteuerungsaufschubs

V. Unbilligkeit einer sofortigen Besteuerung als gemeinsames Prinzip Es stellt sich die Frage, ob hinter dem Besteuerungsaufschub bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung und auch bei der Reinvestitionsrücklage letztlich Billigkeitserwägungen stehen. Dies ist in der Literatur so vertreten worden. 297 Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist bisweilen als Billigkeitsentscheidung eingeordnet worden. 298 Billigkeit ist die Gerechtigkeit des Einzelfalls. 299 Billigkeitsmaßnahmen sollen die Gerechtigkeit im Einzelfall verwirklichen. Der Besteuerungsaufschub der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist hiernach als Billigkeitsmaßnahme einzuordnen. Denn es erscheint als unbillig, dass es dem von höherer Gewalt oder behördlichem Eingriff betroffenen Steuerpflichtigen eine Ersatzbeschaffung dadurch unmöglich gemacht wird, dass die für die Ersatzbeschaffung vorgesehene Ersatzleistung besteuert wird. 3 0 0 Durch die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung wird dem Steuerpflichtigen die Ersatzbeschaffung ermöglicht, ohne dass die Ersatzbeschaffung durch eine Besteuerung gefährdet wird. Schwieriger ist die Einordnung der Reinvestitionsrücklage als Billigkeitsmaßnahme. Für die Einordnung als Billigkeitsmaßnahme könnte die gleiche Regelungstechnik von Reinvestitionsrücklage und Rücklage für Ersatzbeschaffung sprechen. Es ist ausgeführt worden, der Besteuerungsaufschub durch § 6b EStG sei die konsequente Fortführung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu den Brandschadensfällen. 301 Aus den Überlegungen zu den Brandentschädigungsfällen lässt sich für § 6b EStG richtigerweise nichts herleiten, weil § 6b EStG Gewinne begünstigt, die auf einer freiwilligen Veräußerung beruhen und nicht auf höherer Ge297

So ausdrücklich Wassermeyer BB 1994, 1, 6; in diese Richtung auch Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 23, der von „Rechtswohltaten" spricht. Für die Reinvestitionsrücklage vergleichbar auch Schmidt /Glanegger § 6b RdNr. 107. 298 Vgl. Wassermeyer, Diskussionsbeitrag, StbJb 1992/93, 316 f.: „In Wirklichkeit hat der BFH 1958 eine Billigkeitsentscheidung getroffen, für die damals vernünftige Gründe gesprochen haben mögen. Damals gab es noch kein Umwandlungssteuergesetz." 299 Vgl. Tipke/Kruse/Loose § 227 RdNr. 3; Seer in: Tipke/Lang § 21 RdNr. 329; umfassend zu Maßnahmen aufgrund des Billigkeitsgedankens im öffentlichen Recht Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 19 ff. 300 Vgl. bereits RFH RStBl. 1929, 142; RStBl. 1929, 311; RStBl. 1929, 523. Vgl. auch das Leiturteil des Reichsfinanzhofs RStBl. 1930, 313, 314: „Der erkennende Senat hat bisher stets angenommen, dass ein derartiger Gewinn steuerpflichtig sei, ohne zu verkennen, dass die Besteuerung desselben unbillig sein könne." Den Billigkeitscharakter der Rücklage für Ersatzbeschaffung betont auch der Bundesfinanzhof, vgl. BFH BStBl. II 1985, 250, 251; BStBl. Π 2001, 130, 132 und BStBl. Π 2004, 766, 767. Vgl. auch Ebling in: FS Moxter, S. 1005, 1020; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 352. Die Unbilligkeit einer sofortigen Besteuerung hat schon Becker StuW 1940, 67, 70 treffend beschrieben: „Das wäre reiner Hohn gewesen." 301 So Eckhardt BB 1964, 1267, 1268; hierauf verweisend Vodrazka

StuW 1975, 317, 320.

D. Gemeinsame Prinzipien des Besteuerungsaufschubs?

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wait oder auf einem behördlichen Eingriff. 302 Aus der gleichen Regelungstechnik lassen sich keine Schlussfolgerungen auf die Motivation des Gesetzgebers ziehen. Das Ziel der Gesetzesbegründung, die steuerlichen Hindernisse für Wirtschaftsgüter abzubauen, welche hohe stille Reserven gespeichert haben 303 , spricht zwar zunächst ebenfalls für eine Billigkeitsregelung. Allein die Versteuerung hoher stiller Reserven kann nicht als Unbilligkeit angesehen werden, weil die stillen Reserven durch die Veräußerung des Wirtschaftsguts realisiert werden und dem Steuerpflichtigen als liquider Gewinn zufließen, so dass er in der Lage ist, die Steuern zu zahlen. Die Regelung der Reinvestitionsrücklage muss vielmehr als wirtschaftspolitisch motivierte Vorschrift angesehen werden. Durch § 6b EStG sollten Wirtschaftsgüter begünstigt werden, bei denen häufig hohe stille Reserven enthalten sind. Das Ziel der Regelung ist vor allem die Beseitigung des Sperreffekts. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus, durch § 6b EStG sollten ökonomisch sinnvolle Anpassungen der Wirtschaft an strukturelle Veränderungen erleichtert werden und die steuerlichen Hemmnisse für Veräußerungen, welche diesen Anpassungen dienten, abgebaut werden. 304 Die Zielsetzung der Vorschrift ist damit eine wirtschaftspolitische. 305 Auch der erfolgsneutrale Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften kann nicht als Billigkeitsmaßnahme eingeordnet werden. Denn dem Tauschgutachten lag das Prinzip der Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form zugrunde. Dieses Prinzip beruht aber nicht auf Billigkeitsgründen, sondern auf dem Gedanken, dass unternehmerische Umstrukturierungen nicht durch Besteuerung verhindert werden sollen. 306 Die erfolgsneutrale Behandlung des Tauschs von Anteilen an Kapitalgesellschaften kann daher ebenfalls nicht als Billigkeitsmaßnahme angesehen werden. Dementsprechend lässt sich nur die Rücklage für Ersatzbeschaffung als Billigkeitsmaßnahme einordnen. Damit kann festgestellt werden, dass auch die Unbilligkeit einer sofortigen Besteuerung nicht das zugrunde liegende Prinzip der hier zu untersuchenden Fälle ist.

VI. Ergebnisse Die Fälle, in denen das Einkommensteuerrecht die Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven eines Wirtschaftsguts auf ein anderes Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen einräumt, können nicht als Ausdruck eines gemeinsamen Prin302 303 304 305 306

Vgl. J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 192. Vgl. BT-Drucks. 4/2400, 62. Vgl. BT-Drucks. 4/2400,46 und 62 f. Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 357. Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 357 f.

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Prinzipien des Besteuerungsaufschubs

zips verstanden werden. Dies galt bereits vor den Änderungen, welche das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 im Bereich der GewinnermittlungsVorschriften mit sich gebracht hat. Die vorgeschlagenen Prinzipien erweisen sich seit den Einschränkungen des § 6b EStG und der Einführung des § 6 V I 1 EStG erst recht als nicht verbindend. Die Rechtsprechung zum erfolgsneutralen Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften war ein Relikt aus der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, welches einen Einzelfall betraf und schon vor der Einführung von § 6 V I 1 EStG seine Berechtigung verloren hatte. Die Fälle des Besteuerungsaufschubs bei der Reinvestitionsrücklage und der Rücklage für Ersatzbeschaffung sind Konsequenz aus der Überlegung von Gesetzgeber und Gerichten, dass ein realisierter Gewinn nicht besteuert werden soll, weil er für einen Zweck vorgesehen ist, dessen Erfüllung nicht durch die Besteuerung erschwert oder verhindert werden soll. So soll weder die Ersatzbeschaffung für das durch höhere Gewalt oder behördlichen Eingriff ausgeschiedene Wirtschaftsgut noch soll die Reinvestition in neue Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens behindert werden. Die Zweckbindung ist allerdings nicht in der Lage, das übergreifende Prinzip zu bilden. Damit stellen sich die untersuchten Fälle des Besteuerungsaufschubs als unsystematische Ausnahmen von dem Grundsatz der Besteuerung realisierter Gewinne dar. Während die Reinvestitionsrücklage und die Rechtsprechung zum Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften wirtschaftspolitisch motiviert sind, war die Rechtsprechung zur Rücklage für Ersatzbeschaffung von der Erwägung geprägt, die als zu weitgehend empfundene Gewinnrealisierung in bestimmten Fällen einzuschränken. Deshalb ist die Rücklage für Ersatzbeschaffung als unechte Steuervergünstigung zu qualifizieren. Die Reinvestitionsrücklage muss dagegen als echte, wirtschaftspolitische Steuervergünstigung eingeordnet werden. Die erfolgsneutrale Behandlung des Tauschs von Anteilen an Kapitalgesellschaften war ebenfalls als echte Steuervergünstigung zu qualifizieren, die allerdings gleichheitswidrig war. Deshalb ist die Einführung des § 6 V I 1 EStG zu begrüßen. Im geltenden Einkommensteuerrecht findet ein Besteuerungsaufschub bei der Übertragung stiller Reserven von einem Wirtschaftsgut des Steuerpflichtigen auf ein anderes Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen nur noch durch die Rücklage für Ersatzbeschaffung und die Reinvestitionsrücklage statt. Beide folgen unterschiedlichen Erwägungen: Die Rücklage für Ersatzbeschaffung stellt eine Billigkeitsmaßnahme dar, die Reinvestitionsrücklage stellt eine wirtschaftspolitische Maßnahme dar.

2. Kapitel

Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung Die Frage nach der rechtlichen Begründung des Besteuerungsaufschubs bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung resultiert zum einen aus der Gewinnrealisierung in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs und zum anderen dem Fehlen eines gesetzlichen Tatbestands, der eine Übertragung der stillen Reserven des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts auf das Ersatzwirtschaftsgut zuließe. Dementsprechend hat die Rechtsprechung die Rücklage für Ersatzbeschaffung ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung entwickelt. Dabei hat die Rechtsprechung die rechtliche Begründung seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts immer wieder verändert. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hatte die Rücklage für Ersatzbeschaffung mit einer Auslegung der Gewinnermittlungsvorschriften anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründet.1 Der Bundesfinanzhof ist dieser Begründung in den 50er und 60er Jahren gefolgt. 2 Später hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, es handele sich bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung um Rechtsfortbildung durch Ausfüllung einer einkommensteuerrechtlichen Regelungslücke.3 Seit den 70er Jahren hat der Bundesfinanzhof angenommen, es handele sich bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung um einen gewohnheitsrechtlichen Tatbestand.4 Diese Sichtweise hat der Bundesfinanzhof seitdem beibehalten.5 Die Frage nach der rechtlichen Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist von Bedeutung, weil nur beim Vorliegen von Gewohnheitsrecht die Gerichte an die Rechtsprechungsgrundsätze gebunden sind, denn Gewohnheitsrecht steht geschriebenem Recht gleich.6 Sind die Rechtsprechungsgrundsätze dagegen als Richterrecht anzusehen, besteht eine derartige Bindungswirkung nicht, weil die Urteile der Steuergerichte nur die am Rechtsstreit Beteiligten binden (§ 110 I FGO) und einer allgemeinen Verbindlichkeit von Richterrecht der Grundsatz der ι 2 3 4

Vgl. nur RFH RStBl. 1930, 313, 314 und zuletzt RFH RStBl. 1944, 619. Vgl. nur BFH BStBl. ΙΠ 1957, 386, 387; BStBl. III 1961, 1, 2. Vgl. BFH BStBl. Π 1969, 310, 311. So zuerst BFH BStBl. Π 1973, 582, 584.

5 Vgl. zuletzt BFH BStBl. II 2004, 766, 767. 6 Vgl. Hübschmann/Hepp/Spitäler!Birk§ 4RdNr. 143.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Gewaltenteilung nach Art. 20 I I I GG entgegensteht.7 Richterrecht steht insoweit Gesetzesrecht nicht gleich.8 Allerdings kommt Richterrecht eine erhebliche faktische BindungsWirkung zu. Da die Finanzverwaltung die wichtigsten Urteile des Bundesfinanzhofs in die Steuerrichtlinien aufnimmt, erhalten die Richtlinien eine große Breitenwirkung. 9 Die Urteile der Finanzgerichte bilden für die Steuerpflichtigen und ihre Steuerberater eine wichtige Vertrauens- und Planungsbasis.10 Sie konstituieren zusammen mit den VerwaltungsVorschriften die Rechtslage.11 Ein Abweichungsverbot der Gerichte von einer ständigen Rechtsprechung besteht allerdings nicht. 12

A. R 6.6 EStR als Grundlage der Rücklage für Ersatzbeschaffung Es soll vor der Untersuchung der verschiedenen rechtlichen Begründungen der Rücklage für Ersatzbeschaffung geklärt werden, welche Bedeutung den Verwaltungsanweisungen der R 6.6 EStR zukommt, in den die Finanzverwaltung die Grundsätze der Rechtsprechung seit den 30er Jahren zusammengefasst hat. Insbesondere stellt sich die Frage, welche Art von rechtlicher Verbindlichkeit R 6.6 EStR zukommt. Die Verwaltungsanweisungen in R 6.6 EStR sind Verwaltungsvorschriften. Verwaltungsvorschriften sind Anweisungen der übergeordneten Behörde an die nachgeordneten Behörden. Sie binden die nachgeordneten Behörden und Bediensteten 7

So die ganz herrschende Meinung, vgl. Tipke StRO ΙΠ, S. 1178; auch Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 599 ff. mit Nachweisen; dagegen geht Kruse, Richterrecht als Rechtsquelle, S. 6 f. von einer normativen Geltung des Richterrechts aus, die er mit der Berechtigung des Richters zur Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln begründet; allerdings soll der Richter berechtigt sein, das von ihm geschaffene Recht wieder aufzuheben, vgl. Kruse, Richterrecht als Rechtsquelle, S. 15 f.; hingegen geht Leisner, Bindung der Finanzverwaltung, S. 82 ff. von einer Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung aus; kritisch hierzu Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 612 ff. 8 Ob Richterrecht eine Rechtsquelle darstellt, ist eine vorwiegend terminologische Frage. Versteht man unter Rechtsquelle alles, was Erkenntnisgrund für Recht ist, kann man Richterrecht als Rechtsquelle einordnen. Geht man allerdings davon aus, dass Rechtsquelle diejenigen Anordnungen meint, welche für alle Bürger verbindlich sind, kann man Richterrecht nicht als Rechtsquelle einordnen, weil hierunter nur Rechtsnormen und Gewohnheitsrecht fallen; vgl. Tipke StRO ΠΙ, S. 1178 f.; anders Esser in: FS von Hippel, S. 95, 118, für den Richterrecht „Teil des Gesetzesrechts" ist; kritisch hierzu Kruse, Richterrecht als Rechtsquelle, S. 4 f. 9 So Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 27. 10

Zur Rechtsprechung als Grundlage der Steuerplanung ausführlich Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 598 ff. " So StRO III, S. 1179 f. 12 Ausführlich Hübschmann /Hepp/ Spitäler /Birk § 4 RdNr. 182 ff.; ebenso im Ergebnis Kruse, Richterrecht als Rechtsquelle, S. 15 f.

A. R 6.6 EStR als Grundlage der Rücklage für Ersatzbeschaffung

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kraft ihrer Gehorsamspflicht (vgl. § 55 S. 2 BBG, § 37 S. 2 BRRG). Damit besitzen sie im Innenbereich der Verwaltung rechtliche Verbindlichkeit. 13 Problematisch ist dagegen die Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften. 14 Die Frage der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften ist differenziert zu beantworten, weil unter dem Begriff der Verwaltungsvorschriften heterogene Vorschriften zusammengefasst werden. 15 Zu unterscheiden sind vor allem ermessenslenkende, normkonkretisierende und norminterpretierende Verwaltungsvorschriften. 16 Norminterpretierende VerwaltungsVorschriften wie die Einkommensteuerrichtlinien enthalten die Verwaltungsauffassung über gesetztes Recht. 17 R 6.6 EStR enthält die Auffassung der Finanzverwaltung darüber, in welchen Fällen der Steuerpflichtige zur Kürzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. zur Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung berechtigt ist. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften haben keine unmittelbare Bindungswirkung im Außenverhältnis. Zwar ist die Norminterpretation ein notwendiger Bestandteil des Gesetzesvollzugs durch die Finanzverwaltung. Allerdings sind die Gerichte an die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung nicht gebunden, weil die Auslegung von Gesetzen zu den ureigenen Aufgaben des Richters gehört und dieser den Einzelfall letztverbindlich entscheidet. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften haben die gleiche Bedeutung wie Ausführungen in der Fachliteratur. 18 Deshalb ist eine unmittelbare Bindungswirkung norminterpretierender Verwaltungsvorschriften im Außenverhältnis zu verneinen. Dementsprechend hat auch der Bundesfinanzhof in einem Urteil aus dem Jahr 1969 eine Bindungswirkung der damaligen Richtlinie 35 EStR im Außenverhältnis abgelehnt und ausgeführt, durch diese Verwaltungsanweisung solle nur eine gleichmäßige Rechtsanwendung erreicht werden, nicht aber eine Bindung im Sinne einer Rechtsverordnung. 19 Auch eine mittelbare Außenwirkung von norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften kann nicht angenommen werden. Es ist zwar anerkannt, dass Verwaltungsvorschriften aufgrund von Art. 3 I GG in Verbindung mit einer ständigen Verwaltungspraxis mittelbare Außenwirkung erlangen können.20 Die Begründung 13 Vgl. Ossenbühl in: HStR ΠΙ § 65 RdNr. 36; auch Erichsen in: FS Kruse, S. 39, 49 f.; Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 25; Tipke StRO III, S. 1165. 14

Sehr kritisch hierzu Leisner, Verwaltungs Vorschriften als Nebengesetze, S. 22 ff. 15 Ausführlich Ossenbühl in: HStR III § 65 RdNr. 35. 16

Vgl. Erichsen in: FS Kruse, S. 39, 42. Daneben gibt es typisierende Verwaltungsvorschriften, Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung und Verwaltungsvorschriften zur Zuständigkeit und zum Verfahren. π Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 23. is Vgl. Tipkef Kruse/Drüen § 4 RdNr. 84; Ossenbühl in: HStR ΙΠ § 65 RdNr. 56 f.; auch Leisner, Verwaltungsvorschriften als Nebengesetze, S. 46 f. 19 Vgl. BFH BStBl. II 1969, 310, 312. 20 Näher Ossenbühl in: HStR III § 65 RdNr. 44 ff.; auch Erichsen in: FS Kruse, S. 39, 56 ff.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

einer mittelbaren Außenwirkung ist jedoch bei norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften nicht möglich. Denn entweder ist die Auslegung des Gesetzes durch die Verwaltung richtig, dann bedarf es eines Rückgriffs auf den allgemeinen Gleichheitssatz nicht mehr. Oder aber die Auslegung durch die Verwaltung ist unrichtig, dann würde eine Anwendung des Art. 3 I GG den Vorrang des Gesetzes nach Art. 20 ΠΙ GG aushebeln. Durch norminterpretierende Verwaltungsvorschriften kann keine rechtmäßige Verwaltungspraxis geschaffen werden, die nicht bereits im geltenden Recht angelegt ist. 21 Demnach ist es nicht möglich, in R 6.6 EStR die rechtliche Grundlage für die Rücklage für Ersatzbeschaffung zu erblicken. Sie kann nur die Auffassung der Finanzverwaltung wiedergeben. Ob die Finanzverwaltung in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs im Einklang mit dem Einkommensteuerrecht einen Besteuerungsaufschub gewählt, wird nachfolgend geklärt.

B. Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Gewohnheitsrecht Die Rechtsprechungsgrundsätze zur Rücklage für Ersatzbeschaffung werden heute überwiegend als Gewohnheitsrecht angesehen.22 Gewohnheitsrecht sind ungesetzte Rechtsnormen, die sich durch langandauernde und ständige Übung gebildet haben und von dem allgemeinen Rechtsbewusstsein bestätigt worden sind. 23 Die Übung muss so lange bestanden haben, dass sich die allgemeine Rechtsüberzeugung gebildet hat, die Übung sei rechtens. 24 Die Übung muss als Rechtssatz formulierbar sein und durch Richterspruch durchgesetzt sein. 25 21 Vgl. Erichsen in: FS Kruse, S. 39, 51; vgl. auch Tipke / Kruse/Drüen § 4 RdNr. 84; vgl. auch BFH BStBl. II 1975, 795, 796. 22 So BFH BStBl. Π 1973, 582, 584; ebenso BFH BStBl. II 1979, 412, 414; BStBl. Π 1983, 371, 372; BStBl. II 1984, 277, 279; BStBl. II 1985, 250, 251; BStBl. Π 1988, 330, 331; BStBl. II 2004, 766, 767; für lediglich teilweise gewohnheitsrechtliche Verfestigung dagegen BFH BStBl. Π 1991, 222, 225 f.; für die umfassende Annahme von Gewohnheitsrecht Bordewin/Brandt § § 4 - 5 RdNr. 1260, die zur Begründung auch auf die Erwähnung der Rücklage für Ersatzbeschaffung in § 13 VI 1 Nr. 4 EStG verweisen; Kirchhof / Söhn / Meilinghoff/Mathiak § 5 RdNr. A 167; Schmidt/Weber-Grellet § 5 RdNr. 502; so auch Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 23; Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 27; Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 93; Winnefeld Kap. D RdNr. 2035 a; für nur teilweise Annahme von Gewohnheitsrecht Ebling in: FS Moxter, S. 1005, 1020 f.; ähnlich Mathiak DStR 1989, 661, 665. 23 So Kruse StuW 1959, 209, 222; ebenso Tipke/Kruse /Drüen § 4 RdNr. 100; diese Definition entspricht dem überwiegend verwendeten engeren Begriff. Nach dem weiteren Begriffsverständnis sind auch allgemeine Rechtsgrundsätze als Gewohnheitsrecht anzusehen; vgl. näher Hübschmann /Hepp/ Spitaler /Birk § 4 RdNr. 142. 24 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 12.

Β. Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Gewohnheitsrecht

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Gewohnheitsrecht ist jenseits des Steuerrechts als innerstaatliche Rechtsquelle anerkannt. 26 Für die Geltung von Gewohnheitsrecht wird auf Art. 20 III GG verwiesen, wonach die Staatsgewalt an Gesetz und Recht gebunden ist. Die Frage, ob Gewohnheitsrecht unter den Begriff „Gesetz" oder „Recht" fällt, ist akademischer Art, weil die Bindung der Staatsgewalt an Gewohnheitsrecht deutscher Verfassungstradition entspricht und vom Grundgesetz nicht in Frage gestellt werden sollte. In seiner Rechtswirkung ist Gewohnheitsrecht geschriebenem Recht gleichrangig. 27 Der Rang des Gewohnheitsrechts bestimmt sich nach der Ebene, auf der es entstanden ist. Bezieht sich Gewohnheitsrecht auf einen Gegenstand der Verfassung, liegt Verfassungsgewohnheitsrecht vor; bezieht es sich auf einen Gegenstand eines Gesetzes, so hat es den Rang eines Gesetzes. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die Bedeutung von Gewohnheitsrecht aufgrund des zunehmenden Wertepluralismus ' abnimmt, weil das Erfordernis der allgemeinen Überzeugung von der Richtigkeit einer bestimmten Rechtspraxis in immer weniger Fällen gegeben sein wird. Die realen Bedingungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht sind weitgehend entfallen. 28 Es soll geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen Gewohnheitsrecht im Steuerrecht anzuerkennen ist und ob die Annahme einer gewohnheitsrechtlichen Verfestigung der Rechtsprechungsgrundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung zutreffend ist.

I. Die Zulässigkeit steuerlichen Gewohnheitsrechts 1. Meinungsstand in der Literatur Zum Teil wird die Geltung von Gewohnheitsrecht im Bereich des Steuerrechts befürwortet. Nach Kruse folgt aus § 4 AO, dass die Geltung von Gewohnheitsrecht auch im Steuerrecht anzuerkennen sei. 29 Da gleichlautende Vorschriften wie § 2 EGBGB, § 12 EGZPO und § 7 EGStPO so ausgelegt würden, dass Gewohnheitsrecht umfasst sei, dürfe für § 4 AO nichts anderes gelten. Zwar werde gegen die Geltung von Gewohnheitsrecht der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung angeführt, wonach Steueransprüche nur durch die Erfüllung gesetzlicher 25 Vgl. Hübschmann / Hepp / Spitaler /Birk § 4 RdNr. 145. Zum Erfordernis der richterlichen Anerkennung der Übung näher Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 54 f. mit weiteren Nachweisen. 26 Vgl. beispielsweise BVerfGE 22, 114, 121; BGHZ 9, 339, 345; BGHSt 2, 150, 153; BAGE 2, 58, 64; BSGE 29, 44, 55; BVerwGE 2, 22, 24. Einen historischen Überblick zur praktischen Bedeutung von Gewohnheitsrecht gibt Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 14 ff. 27 Vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler/Zftrfc § 4 RdNr. 142. 28 So Hübschmann/Hepp/Spitaler/Birk§ 4 RdNr. 147.

29 Vgl. Kruse StuW 1959, 209, 222 f.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Steuertatbestände begründet werden können. Jedoch sei dieser Grundsatz im Gegensatz zu dem strafrechtlichen Prinzip des nulla poena sine lege aus Art. 103 Π GG verfassungsrechtlich nicht ausdrücklich normiert. Aus dem Prinzip des nulla poena sine lege folge ein Verbot von Gewohnheitsrecht zu Lasten des Täters. Die Möglichkeit von sonstigem Gewohnheitsrecht sei im Strafrecht nicht ausgeschlossen.30 Soweit der Grundsatz des nulla poena sine lege auch im Strafrecht nicht vollständig gelte, könne daraus der Schluss gezogen werden, dass der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung jedenfalls nicht weiter reiche. 31 Daraus folge, dass nur die Bildung von Gewohnheitsrecht zulasten des Steuerpflichtigen ausgeschlossen sei. 32 Nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur ist steuerliches Gewohnheitsrecht insgesamt abzulehnen.33 Die Bedenken gegen die Geltung von Gewohnheitsrecht im Steuerrecht folgen daraus, dass Gewohnheitsrecht Recht nicht hoheitlichen Ursprungs ist. 3 4 Für ein Verbot steuerlichen Gewohnheitsrechts wird vor allem das Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung angeführt. 35 Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ist in §§ 3 I, 38 AO niedergelegt. Diesen Vorschriften kommt nur deklaratorische Bedeutung zu. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung folgt aus dem Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes aus Art. 20 III GG. Der allgemeine Gesetzesvorbehalt wird für das Steuerrecht durch Artt. 2 I, 14 I 2, m 2 GG ergänzt. 36 Der Grundsatz der Tatbestandmäßigkeit der Besteuerung hat jedoch keinen über den Vorbehalt des Gesetzes hinausgehenden Regelungsgehalt, sondern ist lediglich als dessen steuerrechtliche Konkretisierung anzusehen.37 Der Vorbehalt des Gesetzes in seiner klassischen Form wird zumeist auf belastende Hoheitsakte beschränkt, allerdings kann sich der Steuervorteil des einen als

30 Vgl. hierzu Schönke / Schröder / Eser § 1 RdNr. 10. 31 So Kruse StuW 1959, 209, 229. 32 So Kruse § 2 ΙΠ S. 58; ders., StuW 1959, 209, 226; so wohl auch Vogel in: GS Martens, S. 265, 271. 33 Vgl. Kirchhof in: HWStR S. 686; Herrmann / Heuer/Raupach /Ruppe Einf. ESt RdNr. 606; ebenso Hindringer, Abschnitt 35 EStR 1966, S. 85. 34 Vgl. Herrmann / Heuer / Raupach / Ruppe Einf. ESt RdNr. 606. 35 Daneben wird Art. 105 GG angeführt, vgl. Tipke StRO I, S. 129, der diese Sichtweise nicht näher begründet. Richtigerweise stellt Art. 105 GG eine reine Kompetenznorm dar, der keine materiellen Aussagen zu entnehmen sind. Außerdem wird ausgeführt, dass grundsätzliche und langfristig wirksame Inhalte des Steuerrechts schon deshalb der Entscheidung des Gesetzgebers bedürften, weil sie den Staatshaushalt veränderten, vgl. Kirchhof in: HWStR S. 686; ähnlich Hindringer, Abschnitt 35 EStR 1966, S. 89 ff. 36 Vgl. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 92 f.; Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 152 ff.; Tipke StRO I, S. 125 ff. Dagegen befürwortet Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 93 ff. eine Ableitung des steuerlichen Gesetzesvorbehalts aus einer Analogie zu Art. 110 Π 1 GG; ablehnend Hübschmann /Hepp/ Spitäler /Birk § 4 RdNr. 661. 37 Vgl. nur Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 589.

Β. Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Gewohnheitsrecht

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wirtschaftlicher Nachteil eines anderen Steuerpflichtigen auswirken. 38 Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung verlangt deshalb, dass sich sowohl der Tatbestand als auch die Rechtsfolge einer Steuer aus dem Gesetz ergeben. Steuersubjekt, Steuerobjekt, Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz müssen sich aus einem formellen Gesetz ergeben. 39 Aus dem Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung werden unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Einigkeit besteht darüber, dass sich jedenfalls neue steuerbegründende Tatbestände nicht aus Gewohnheitsrecht ergeben können. 40 Zum Teil wird von einer eingeschränkten Zulässigkeit steuerlichen Gewohnheitsrechts ausgegangen. So geht Tipke davon aus, dass sich steuerliches Gewohnheitsrecht zur Ausfüllung von Gesetzeslücken bilden dürfe und in diesem Bereich auch einen Steueranspruch des Staats begründen könne. 41 Die Steuerfolge werde auf die Wertentscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zurückgeführt, weil es bei der Ausfüllung von Lücken auf die dem Gesetz zugrunde liegenden Weitungen ankommt. 42

2. Die Sichtweise der Rechtsprechung Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat sich unterschiedlich geäußert 43 In einem Urteil aus dem Jahr 1959 hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, so wenig wie eine Steuerpflicht als Gewohnheitsrecht denkbar sei, so wenig sei eine Steuerbefreiung entgegen dem gesetzten Recht als Gewohnheitsrecht möglich. 44 Damit hat der Bundesfinanzhof ein generelles Verbot von Gewohnheitsrecht im Steuerrecht ausgesprochen. In späteren Urteilen hat der Bundesfinanzhof die Frage, ob Gewohnheitsrecht im Steuerrecht anzuerkennen ist, dahinstehen lassen, weil er die Voraussetzungen für die Bildung von Gewohnheitsrecht im konkreten Fall verneint h a t 4 5 Der Bundesfinanzhof hat als gewohnheitsrechtliche Ausnahmevorschrift ins38

So Papier, Gesetzes vorbehalte, S. 117. 39 Vgl. Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 117 ff.; Tipke StRO I, S. 129. 40 Vgl. Tipke StRO I, S. 129. Vgl. Tipke StRO ΙΠ, S. 1156. 42 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 13; auch Hübschmann/Hepp/Spitaler/Birk § 4 RdNr. 155; Tipke StRO III, S. 1156. 43 Vgl. aus der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die Entscheidung zum sog. Gottespfennig RFH RStBl. 1936, 903, 904 f., die die Geltung von steuerbegründendem Gewohnheitsrecht aufgrund der vollständigen Überleitung der Steuerhoheit auf das Reich ablehnt. Daneben stellt der Reichsfinanzhof auf § 1 I StAnpG 1934 ab, wonach sich die Auslegung von Gesetzen und die Beurteilung von Sachverhalten an der nationalsozialistischen Weltanschauung auszurichten hatte. 44 Vgl. BFH BStBl. ΙΠ 1959, 176, 177. 45 Vgl. BFH BStBl. III 1959, 336; BStBl. ΠΙ 1963, 534, 535; BStBl. Π 1980, 244, 245; BStBl. II 1984, 277, 278; BStBl. Π 1984, 751, 764.

6 Marchai

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

besondere die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung anerkannt. In den Urteilen zur Rücklage für Ersatzbeschaffung hat der Bundesfinanzhof die Möglichkeit der Bildung von steuerlichem Gewohnheitsrecht vorausgesetzt, ohne sich mit der Frage seiner Zulässigkeit auseinanderzusetzen.46 Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Nichtannahmebeschluss aus dem Jahr 1988 ausgeführt, die Entstehung von Gewohnheitsrecht sei im Steuerrecht von Verfassungs wegen nicht von vornherein ausgeschlossen.47 Die Grenzen der Anerkennung von Gewohnheitsrecht hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung nicht aufgezeigt, allerdings hat es angedeutet, dass auch die Entstehung von begünstigendem Gewohnheitsrecht Beschränkungen unterliege. 48

3. Stellungnahme Es trifft zu, dass steuerbegründendes Gewohnheitsrecht in Konflikt mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gerät und deshalb im Bereich des Steuerrechts als unzulässig erachtet werden muss. Die Begründung einer Zulässigkeit steuerlichen Gewohnheitsrechts mit dem Begriff „jede Rechtsnorm", der in anderen Rechtsgebieten Gewohnheitsrechtsrecht umfasst, ist nicht überzeugend, weil der Begriff „jede Rechtsnorm" im Steuerrecht anders verstanden werden kann als in anderen Rechtsgebieten (sog. Relativität der Rechtsbegriffe). Zu berücksichtigen ist ferner, dass steuerbegründendes Gewohnheitsrecht keine praktische Relevanz hat, weil es an der allgemeinen Überzeugung von der Rechtmäßigkeit einer steuerbegründenden Übung meist fehlen wird. 49 Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass demgegenüber steuerentlastendes Gewohnheitsrecht generell zulässig ist. Der Verweis auf die Geltung von begünstigendem Gewohnheitsrecht im Strafrecht führt nicht weiter, weil das Steuerrecht von anderen Sachgesetzlichkeiten beherrscht wird als das Strafrecht. Da Art. 103 II GG nicht für das Steuerrecht gilt, lassen sich hieraus keine Rückschlüsse ziehen. Auch begünstigendes Gewohnheitsrecht ist nicht mit dem Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung vereinbar, weil eine Begünstigung die Grundrechte der Nichtbegünstigten betrifft. 50 Dementsprechend müsste man die Geltung von Gewohnheitsrecht im Steuerrecht generell ablehnen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Konflikt mit dem Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht gegeben ist, wenn es sich um lediglich 46 Vgl. beispielsweise BFH BStBl. Π 1969, 310, 312; BStBl. Π 1975, 692, 695; BStBl. Π 1988, 330, 331; BStBl. Π 2004, 766, 767. 47 Vgl. BVerfG BB 1988, 1716 zur Rücklage für Ersatzbeschaffung. 48 Vgl. BVerfG BB 1988,1716: „Das Ausgangsverfahren nötigt allerdings nicht, die Grenzen - auch im steuerbegünstigenden Bereich - aufzuzeigen." 49 Hierauf weist Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 53 f. hin. 50 So Kirchhof in: HWStR S. 686.

Β. Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Gewohnheitsrecht

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gesetzesergänzendes Gewohnheitsrecht handelt. Bedenken gegen gesetzesergänzendes Gewohnheitsrecht bestehen nicht, weil hierbei noch eine Anknüpfung an Wertentscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers besteht. Bedenken bestehen aber gegen die Zulässigkeit von gesetzesderogierendem steuerrechtlichem Gewohnheitsrecht. Diese sind jedenfalls dann berechtigt, wenn die Übung maßgeblich von den Finanzbehörden als den Organen der vollziehenden Gewalt beeinflusst worden ist. 51 Eine langjährige Übung in der Überzeugung, dass sie dem gesetzten Recht entspricht, die aber mit dem gesetzten Recht nicht im Einklang steht, kann nicht zur Begründung von Gewohnheitsrecht führen, auch wenn sie für den Steuerpflichtigen begünstigend ist. 52 Folglich ist nur gesetzesergänzendes, begünstigendes Gewohnheitsrecht als zulässig anzusehen.53 Eine zulässige Gesetzesauslegung oder eine zulässige Ausfüllung einer gesetzlichen Regelungslücke zugunsten des Steuerpflichtigen kann zu Gewohnheitsrecht erstarken. 54

Π. Die Rücklage für Ersatzbeschaffimg als begünstigendes Gewohnheitsrecht 1. Die Annahme von Gewohnheitsrecht durch die Rechtsprechung Der Bundesfinanzhof hat in seiner Rechtsprechung die Rücklage für Ersatzbeschaffung überwiegend mit Gewohnheitsrecht erklärt. In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte der Bundesfinanzhof in Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs noch die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Grundlage der Rücklage für Ersatzbeschaffung angesehen.55 In einer Entscheidung aus dem Jahr 1973 56 hat der Bundesfinanzhof dann unter Hinweis auf den Kommentar von Littmann 57 und die Dissertation von Burkert 58 ausgeführt, die Grundsätze der mittlerweile über vierzigjährigen Rechtsprechung seien Gewohnheitsrecht. Ausgangspunkt sei die als unbefriedigend empfundene steuerliche Behandlung von Brandentschädigungen gewesen, die bei rein dogmatischer Beurteilung zur Aufdeckung stiller Reserven und insoweit zu einer Gewinnverwirklichung ge51 Vgl. Hübschmann/ Hepp / Spitaler/Birk § 4 RdNr. 155. 52 So BFH BStBl. ΠΙ 1959, 176, 177; BStBl. III 1959, 336. 53 So Tipke StRO III, S. 1156; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Birk § 4 RdNr. 155; ähnlich Kirchhof in: HWStR S. 686: Nur gesetzesverdeutlichendes Gewohnheitsrecht zulässig; anders Tipke / Kruse / Drüen § 4 RdNr. 100, die von der Existenz von gesetzesderogierendem Gewohnheitsrecht ausgehen; ebenso Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 602. 54 Ähnlich Kirchhof in: HWStR S. 686. 55 Vgl. BFH BStBl. IU 1957, 386, 387; BStBl. ΙΠ 1961, 1, 2; auch BFH BStBl. II 1970, 743, 744. 56 BFH BStBl. Π 1973, 582. 57 Littmann § 6 RdNr. 561. 58 Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 27. 6*

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

führt hätte. 59 Eine nähere Begründung der gewohnheitsrechtlichen Verfestigung der Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof in dieser Entscheidung nicht angeführt. 60 Auch später hat er sich mit dem Hinweis auf Gewohnheitsrecht begnügt.61 Der Bundesfinanzhof hat in neueren Urteilen nicht immer Gewohnheitsrecht als Rechtsgrundlage der Rücklage für Ersatzbeschaffung genannt, sondern die Rechtsgrundlage offen gelassen. So hat insbesondere der IV. Senat des Bundesfinanzhofs die Anwendungsfälle der Rücklage für Ersatzbeschaffung als „von der Rechtsprechung entwickelte und von der Finanzverwaltung übernommene Grundsätze" bezeichnet.62 Mit dem Bezug auf die „von der Rechtsprechung entwickelten und von der Finanzverwaltung übernommenen Grundsätze" war kein ausdrückliches Abrücken von der gewohnheitsrechtlichen Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung durch die Rechtsprechung verbunden, denn der IV. Senat hat von einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesfinanzhofs nach § 11 FGO abgesehen. Diese Sichtweise hat sich bei den anderen Senaten des Bundesfinanzhofs nicht durchgesetzt. In einem Urteil aus dem Jahr 2004 hat der II. Senat des Bundesfinanzhofs wiederum ausgeführt, es handele sich bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung um ein gewohnheitsrechtliches Rechtsinstitut.63 Eine umfassende gewohnheitsrechtliche Verfestigung der Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof bisweilen bezweifelt. In einem Urteil aus dem Jahr 1990 64 hat der X. Senat des Bundesfinanzhofs ausgeführt, er nehme nicht an, dass die Rechtsprechungsgrundsätze, so wie sie in R 6.6 EStR niedergelegt seien, umfassend gewohnheitsrechtlich verfestigt seien. Dieser Annahme stehe entgegen, dass die Rechtsprechung und die Finanzverwaltung weitere Fälle der Rücklage für Ersatzbeschaffung anerkannt hätten. Gewohnheitsrecht habe sich nur in einem Kernbereich entwickelt. 65

59 Vgl. BFH BStBl. II 1973, 582,584. 60 Auch Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 27 begründet die Entstehung von Gewohnheitsrecht knapp: „Die durchweg als sachgemäß anerkannte Entscheidung, in den Brandschadens- und Enteignungsfällen die Steuerpflichtigkeit der aufgelösten stillen Reserven zu verneinen, sofern sie auf Ersatzwirtschaftsgüter übertragen werden, wird seit nunmehr 30 Jahren ständig judiziert. Mag auch die Rechtsfindung zunächst bedenklich gewesen sein, so hat sie sich inzwischen gewohnheitsrechtlich verfestigt. Sie ist heute als geltendes Recht anzusehen." 61 So beispielsweise BFH BStBl. II 1979, 412, 414; BStBl. II 1983, 371, 372; BStBl. Π 1984, 277, 279; BStBl. Π 1985, 250,251; BStBl. Π 1988, 330, 331; BStBl. II 1999, 217, 219; BStBl. Π 2004, 766,767. 62 So BFH BStBl. II 1999, 488, 489 f.; ebenso BFH BStBl. II 1999, 561, 562; BStBl. Π 1999, 602, 603 f.; BStBl. II 2001, 130; BStBl. II 2004, 421, 422; auch der XI. Senat hat sich dieser Formulierung bedient, vgl. BFH BStBl. II 2001, 830, 831.

63 Vgl. BFH BStBl. II 2004, 766, 767. 64 BFH BStBl. Π 1991,222. 65 BFH BStBl. Π 1991, 222, 225 f.

Β. Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Gewohnheitsrecht

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2. Die Annahme von Gewohnheitsrecht durch die Literatur In der Literatur wird mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs überwiegend von einer umfassenden gewohnheitsrechtlichen Verfestigung der Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung ausgegangen.66 Dabei wird die Annahme von Gewohnheitsrecht nicht begründet, sondern es wird auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs verwiesen, die die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung für Gewohnheitsrecht erklärt haben. Teilweise wird dagegen eine differenzierende Sichtweise eingenommen. So geht Ebling davon aus, dass zwar hinsichtlich der Rechtsgrundlage der Rücklage für Ersatzbeschaffung Mängel bestünden; allerdings sei davon auszugehen, dass sich inzwischen - wenn auch in begrenztem Umfang - Gewohnheitsrecht gebildet habe.67 Da es aber an einer kontinuierlichen Rechtsprechung fehle, habe sich Gewohnheitsrecht nur in einem Kernbereich gebildet. Es sei davon auszugehen, dass sich ein gewohnheitsrechtlicher Rechtssatz insoweit gebildet habe, als dass beim Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet werden könne. 68

3. Die Einwände gegenüber der gewohnheitsrechtlichen Verfestigung Die Annahme einer umfassenden gewohnheitsrechtlichen Verfestigung der Rechtsprechungsgrundsätze zur Rücklage für Ersatzbeschaffung ist nicht überzeugend, weil ihr durchgreifende Bedenken entgegenstehen. a) „ Ungesetzlichkeit " der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs Nach Tipke ist die dogmatische Erklärung der Rücklage für Ersatzbeschaffung als gewohnheitsrechtliches Rechtsinstitut ein unbefriedigender Behelf. Die Begründung, es handele sich bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung um Gewohnheitsrecht, könne nicht überzeugen. Am Anfang des Gewohnheitsrechts habe die Rechtsprechung gestanden. Diese müsste anfangs ungesetzlich gewesen sein, da sich aus dem Wortlaut der Gewinnermittlungsvorschriften eindeutig eine Gewinnrealisierung ergebe und die Rechtsprechung eine allgemeine Billigkeitsermächtigung nicht habe.69 66 So Blümich/Ehmcke § 6 RdNr. 980; Bordewin/Brandt §§ 4 - 5 RdNr. 1260; Herrmann / Heuer/ Raupach /Loose § 5 RdNr. 580; Kirchhof/Söhn/ Meilinghoff/Atefc/öfc § 5 RdNr. A 167; Schmidt/ Weber-Grellet § 5 RdNr. 502; so auch Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 23; Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 27; Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 93; Winnefeld Kap. D RdNr. 2035 a. 67 So Ebling in: FS Moxter, S. 1005, 1020. 68 Vgl. Ebling in: FS Moxter, S. 1005,1021; so schon Mathiak DStR 1989, 661,665 f. 69 Vgl. Tipke DStJG Bd. 4 (1981), 1, 7 f.; ders., Steuergerechtigkeit, S. 83; hierauf verweisend Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 48; von Wallis DStZ 1981, 487,489.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Der Reichsfinanzhof hat die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung durch Auslegung des Gesetzes abgeleitet.70 Es wird noch dargestellt werden, dass die Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht durch Auslegung des Einkommensteuergesetzes hergeleitet werden können.71 Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs war deshalb zunächst ungesetzlich, weil die Gerichte nicht berechtigt sind, von sich aus eine Steuerbefreiung zu gewähren. 72 Dieser Befund hat jedoch nicht automatisch zur Konsequenz, dass eine gewohnheitsrechtliche Verfestigung der Rechtsprechungsgrundsätze abgelehnt werden muss. Vielmehr stellt sich die Frage, ob sich Gewohnheitsrecht auch aufgrund einer Rechtsauffassung, die in Widerspruch zu geschriebenem Recht steht, bilden kann. Zum Teil wird dies bejaht. 73 Da Gewohnheitsrecht dem geschriebenen Recht gleich stehe, könne es auch geltendes geschriebenes Recht abändern. 74 Maßgeblich für die Entstehung von Gewohnheitsrecht sei stets die allgemeine Rechtsüberzeugung von der Richtigkeit der Praxis. 75 Gegen die Bildung von Gewohnheitsrecht gegen Gesetz spricht allerdings, dass die Entstehungsvoraussetzung der allgemeinen Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Übung nicht gegeben sein wird. Gewohnheitsrecht kann nur entstehen, wenn die Praxis als rechtmäßig angesehen wird; dies ist aber dann nicht der Fall, wenn die Übung dem geschriebenen Recht zuwider läuft. 76 Es ist bereits dargestellt worden 77 , dass nur gesetzesergänzendes, begünstigendes Gewohnheitsrecht mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung vereinbar ist. Die Bildung von Gewohnheitsrecht gegen das Gesetz aufgrund einer ständigen Rechtsprechung oder durch Verwaltungsübung verstößt gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung.78 Eine Steuerbefreiung entgegen dem gesetzten Recht ist nicht möglich. 79 Insbesondere kann eine Steuerbefreiung aufgrund einer falschen Gesetzesinterpretation nicht Grundlage von Gewohnheitsrecht sein. 80 70 Vgl. zuletzt RFH RStBl. 1944, 619. 71

Nachfolgend unter C. 72 Vgl. nur BFH BStBl. II 1970,440,441. 73 So Kruse StuW 1959, 209, 233, 239 ff.; ebenso Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 602; Tipkt!KruseIDrüen § 4 RdNr. 100; Herrmann/Heuer/Raupach/Loose § 5 RdNr. 580 (zur Rücklage für Ersatzbeschaffung); allgemein Larenz, Methodenlehre, S. 433 und ders. NJW 1951, 497 f.; auch BVerfGE 9, 213, 221; BVerwGE 8, 317, 321; BGHZ 1, 369, 378 f. Diese Problematik wird auch im Völkerrecht intensiv diskutiert, vgl. Verdross / Simma §§ 573 ff. 74 So Kruse StuW 1959, 209, 239. 75 So Kruse StuW 1959, 209, 233. 76 Vgl. BFH BStBl. III 1954, 28, 29; hierzu Hübschmann /Hepp/ Spitäler /Birk § 4 RdNr. 155. 77 Oben unter I. 3. 78 Vgl. Hübschmann/Hepp/Spitäler//?*>£ § 4 RdNr. 155. 79 So BFH BStBl. III 1959,176, 177; hierzu von Wallis DStZ 1981,487,489. so Vgl. BFH BStBl. II 1978, 678, 679.

Β. Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Gewohnheitsrecht

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Da die Rechtsprechungsgrundsätze nicht mit der Auslegung des Gesetzes begründet werden können, beruhen sie auf einer falschen Gesetzesinterpretation. 81 Daher muss davon ausgegangen werden, dass die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung insgesamt nicht als Gewohnheitsrecht erklärt werden können. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Rücklage für Ersatzbeschaffung steht ohne rechtliche Begründung im Raum, es sei denn, es kommt eine andere dogmatische Erklärung in Betracht. 82 Dass auch andere dogmatische Begründungen der Rechtsprechungsgrundsätze zur Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht überzeugend sind, wird nachfolgend aufgezeigt werden. 83

b) Richterrecht als Grundlage von Gewohnheitsrecht Weiterhin spricht gegen eine gewohnheitsrechtliche Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung, dass es zweifelhaft ist, ob eine gerichtliche Gesetzesinterpretation den Charakter von Gewohnheitsrecht annehmen kann. 84 Teilweise wird davon ausgegangen, dass Richterrecht nicht die Grundlage von Gewohnheitsrecht sein könne. 85 Die Anerkennung von Richterrecht als Grundlage von Gewohnheitsrecht würde dazu führen, dass es unzulässig wäre, von einer einmal eingeübten Rechtsprechung wieder abzugehen.86 Bisweilen wird es auch als unzulässig erachtet, eine bislang im Wege der Auslegung begründete Rechtsprechung nunmehr auf Gewohnheitsrecht zu stützen. Die Rechtsprechung werde in diesem Fall nicht fortgeführt, sondern ihr werde die bisherige Legitimationsgrundlage entzogen.87 Richtigerweise ist die Möglichkeit der Verfestigung von Richterrecht zu Gewohnheitsrecht zu bejahen. Eine ständige Rechtsprechung kann zur Grundlage von Gewohnheitsrecht werden, allerdings ist neben der ständigen Rechtsprechung auch die allgemeine Rechtsüberzeugung von der Rechtmäßigkeit der Übung erforderlich. 88 Die Entstehung von Gewohnheitsrecht auf dem Wege einer Koinzidenz von 81

Ausführlich unter C. S2 Vgl. von Wallis DStZ 1981,487,489. 83 Vgl. unter C., D. und F. 84 Es geht insoweit nicht um das bereits erwähnte Problem der allgemeinen Verbindlichkeit von Richterrecht; vgl. hierzu Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 599 ff.; TipkeIKruse! Drüen § 4 RdNr. 110 ff.; Kruse, Richterrecht als Rechtsquelle, S. 3 ff.; Leisner, Bindung der Finanzverwaltung, S. 41 ff.; Tipke StRO III, S. 1178 f. es So Tipke StRO I, S. 129 f.; ebenso wohl Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7,18. 86 Vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 503; Esser in: FS von Hippel, S. 95, 121 f.; ders., Vorverständnis und Methoden wähl, S. 195 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 603 f.; Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7, 17 f.; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 52 f. 87 So zur Rücklage für Ersatzbeschaffung und zum Tauschgutachten des Bundesfinanzhofs Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7, 17 f. 88 Zur Entstehung von Gewohnheitsrecht aufgrund einer ständigen Rechtsprechung BVerfGE 22, 114, 121 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 602 ff.; auch Larenz, Methodenlehre, S. 433.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Rechtsübung und juristischer Handhabung ist nicht ausgeschlossen.89 Die Kritik richtet sich nur gegen die Begründung von Gewohnheitsrecht allein auf Grundlage der Rechtsprechung.90 Es ist damit als zulässig zu erachten, dass die Rechtsprechung eine eigene Rechtsprechung für Gewohnheitsrecht erklärt, wenn sich eine allgemeine Übung und eine entsprechende Rechtsüberzeugung gebildet haben. Es ist schwer vorstellbar, wie Gewohnheitsrecht anders entstehen soll als unter dem nicht nur maßgeblichen, sondern entscheidenden Einfluss der Judikative.91 Allerdings ist die Rechtsprechung nicht berechtigt, die eigene Rechtsprechung zu Gewohnheitsrecht zu erklären, wenn es an einer allgemeinen Übung und einer entsprechenden Rechtsüberzeugung fehlt.

c) Gewohnheitsrechtliche

Verfestigung

allenfalls im Kernbereich

Unabhängig von der Tatsache, dass eine gewohnheitsrechtliche Verfestigung der Rechtsprechungsgrundsätze abzulehnen ist, weil es sich um unzulässiges gesetzesänderndes Gewohnheitsrecht handelte, könnte sich Gewohnheitsrecht allenfalls in einem Kernbereich gebildet haben, weil es an der für eine umfassende gewohnheitsrechtliche Verfestigung erforderlichen ständigen Übung fehlt. Eine ständige Übung scheint zunächst gegeben zu sein, weil die Finanzverwaltung die Rechtsprechungsgrundsätze in R 6.6 EStR übernommen und angewendet hat, wodurch sich eine kontinuierliche Rechtspraxis gebildet hat. Gleichwohl bestehen an dem Vorliegen einer für die umfassende Entstehung von Gewohnheitsrecht erforderlichen Übung der Rechtsprechungsgrundsätze durchgreifende Bedenken.

aa) Ständige Übung durch Anwendung von R 6.6 EStR Es stellt sich die Frage ob allein die stetige Anwendung der maßgeblichen Richtlinie zu der erforderlichen ständigen Übung führen kann. Der Bundesfinanzhof hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahr 1969 92 hierzu geäußert. Es ging im Streitfall um die Frage, ob eine vollständige Übertragung der stillen Reserven auf das Ersatzwirtschaftsgut möglich ist, wenn für die Anschaffung des Ersatzwirtschaftsguts weniger aufgewendet werden musste als anlässlich des Ausscheidens des bisherigen Wirtschaftsguts erzielt wurde. Dies ließ R 6.6 EStR in ihrer damaligen Fassung zu. Der Bundesfinanzhof hat eine vollständige Übertragung der stillen Reserven auf das Ersatzwirtschaftsgut abgelehnt. Es bestehe kein Gewohnheitsrecht aufgrund der ständigen Anwendung der Richtlinie. Abgesehen von den erheblichen 89 So auch Hübschmann / Hepp / Spitäler/Birk § 4 RdNr. 148. 90

Vgl. Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 195; wohl auch Leisner, Bindung der Finanzverwaltung, S. 46 ff. 91 So zutreffend Leisner, Bindung der Finanzverwaltung, S. 47; auch Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 602 f. 92 BFH BStBl. Π 1969, 310.

Β. Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Gewohnheitsrecht

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Bedenken, die grundsätzlich gegen die Annahme eines durch langjährige Verwaltungsübung begründeten Gewohnheitsrechts im Bereich des Steuerrechts bestünden, sei der Senat der Auffassung, dass sich Gewohnheitsrecht im vorliegenden Fall nicht gebildet habe. Gewohnheitsrecht könne sich nur durch fortwährende allgemeine und gleichmäßige, aus Rechtsüberzeugung erfolgende praktische Übung entwickeln. Voraussetzung sei, dass die Rechtsprechung sich mit der betreffenden Rechtsfrage befasst habe und die Rechtsüberzeugung der Verwaltung geteilt habe. Eine solche Entwicklung sei aber nicht zu erkennen. Insbesondere habe sich hinsichtlich der im Streitfall zu entscheidenden Frage keine allgemeine Rechtsüberzeugung gebildet.93 Dementsprechend können nur die Rechtsprechungsgrundsätze Grundlage einer ständigen Übung sein. Die Rechtsprechungsgrundsätze können sich in Verbindung mit einer entsprechenden Praxis gewohnheitsrechtlich verfestigen. Erkenntnisgrund für Gewohnheitsrecht ist nicht die Verwaltungspraxis, sondern deren Anerkennung durch die Gerichte. 94

bb) Ständige Übung und Anerkennung derselben durch die Rechtsprechung Es stellt sich die Frage, ob sich aufgrund der bisherigen Rechtsprechung eine ständige Übung gebildet hat, die zu einer umfassenden gewohnheitsrechtlichen Verfestigung geführt hat. Dies ist zu verneinen, weil zwischen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis keine Kongruenz besteht. So hat sich der Bundesfinanzhof wiederholt in Widerspruch zur Praxis der Finanzverwaltung gesetzt.95 Auch besteht innerhalb der Rechtsprechung nicht die für die umfassende Entstehung erforderliche Kontinuität. 96 Die Rechtsprechung war bisweilen widersprüchlich. 97 So hat der Bundesfinanzhof die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung für die Fälle verneint, in denen das Wirtschaftsgut infolge eines Materialoder Konstruktionsfehlers oder eines Bedienungsfehlers aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und der Steuerpflichtige eine Entschädigung von der Versicherung erhält. 98 Andererseits hat der Bundesfinanzhof eine Rücklage für Ersatz93 So BFH BStBl. Π 1969,310,312. 94 Vgl. auch Kirchhof in: HWStR S. 686; ähnlich schon RFHE 33, 57, 61. 95 Beispielsweise erklärt BFH BStBl. II 1999, 602, 604 im Gegensatz zur damaligen Fassung von R 35 EStR die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung bei Gewinnschätzung für unzulässig; vgl. hierzu Kanzler NWB 2000, 2193. Die Möglichkeit der Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung bejahend dagegen Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 69. 96 Hierauf weist Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7, 19 hin; vgl. auch BFH BStBl. II 1969, 310,312. 97 Hierauf weist Ebling in: FS Moxter, S. 1005, 1014 hin. 98 Vgl. BFH BStBl. II 1975,692, 695.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

beschaffung für den Fall zugelassen, dass der Bauhaftpflichtversicherer eine Entschädigung wegen des Abrisses des Gebäudes aufgrund von Baumängeln zahlt." Welche Unterschiede zwischen diesen beiden Fallkonstellationen bestehen sollen, ist nicht erkennbar. Außerdem hat der Bundesfinanzhof die Voraussetzungen, unter denen er die Rücklage für Ersatzbeschaffung anerkennt, gegenüber der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ausdrücklich modifiziert 100 und der Rücklagenproblematik immer wieder neue Aspekte abgewonnen101. Man kann nicht davon ausgehen, dass die fortentwickelten Rechtsprechungsgrundsätze jeweils gewohnheitsrechtlich erstarkt sind. Die Veränderung von Gewohnheitsrecht kann nicht durch eine erstmalige Gerichtsentscheidung ohne Feststellung einer entsprechenden Rechtspraxis bewirkt werden. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsprechungsgrundsätze vollständig Gewohnheitsrecht geworden sind. 102 Gewohnheitsrecht könnte allenfalls in einem Kernbereich angenommen werden. Dieser Kernbereich würde lediglich das Recht des Steuerpflichtigen umfassen, in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs entweder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsguts zu kürzen oder eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung zu bilden. 103 Darüber hinaus könnte kein Gewohnheitsrecht angenommen werden. 104

99 Vgl. BFH BStBl. II 1988, 330, 332. 100 So BFH BStBl. III 1961, 1, 2, worin die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung auch dann zugelassen wird, wenn die Ersatzbeschaffung vor der Aufdeckung der stillen Reserven liegt; vgl. auch BFH BStBl. II 1969, 310, 312 zur Frage der anteiligen Übertragung stiller Reserven, wenn die Ersatzbeschaffungskosten geringer sind als der anlässlich des Ausscheidens realisierte Gewinn. ιοί So BFH BStBl. II 1999,488,490 zur Anerkennung der Fortführung einer bereits gebildeten Rücklage für Ersatzbeschaffung beim Übergang von der Gewinnermittlung nach § 4 I EStG zur Gewinnermittlung nach § 4 ΙΠ EStG. 102 So von Wallis DStZ 1984, 343, 348 f.; ebenso Mathiak StuW 1983, 262, 269; Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7, 19; auch Ebling in: FS Moxter, S. 1005, 1020 f.; vgl. auch BFH BStBl. II 1991, 222, 226: „Es gibt keinen durchgängigen Gewinnrealisierungszwang für sämtliche Veräußerungsvorgänge, der, wie der IV. Senat in BFHE 116, 122, 126, BStBl. II 1975, 692, 695 anzunehmen scheint, durch RfE-Gewohnheitsrecht derogiert werden würde. RfE-Gewohnheitsrecht kann sich allenfalls in dem Umfang gebildet haben, in dem die wichtigsten Auslegungsergebnisse der RFH- und BFH-Rechtsprechung (einschließlich der Zubilligung eines Wahlrechts) zu einer allgemeinen Rechtsüberzeugung geführt haben." '03 Zur Problematik des Wahlrechts unter E. 104 So Ebling in: FS Moxter, S. 1005, 1021; auch Mathiak DStR 1989, 661, 665 f.

Β. Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Gewohnheitsrecht

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d) Die Rechtsprechung jenseits des Kernbereichs als Auslegung des gewohnheitsrechtlichen Kerns Es stellt sich die Folgefrage, ob man den Teil der Rechtsprechung, welcher den angeblichen gewohnheitsrechtlichen Kernbereich überschreitet, als Auslegung von Gewohnheitsrecht verstehen kann. Dies kann für Einzelfragen bejaht werden. Beispielhaft ist der Begriff der,»höheren Gewalt", der nicht vollständig geklärt ist und dessen Verständnis von der Rechtsprechung immer wieder verändert worden ist. 1 0 5 Im Übrigen sind bei einer Fortentwicklung der Rechtsprechungsgrundsätze die Grenzen der Auslegung überschritten worden, so dass die Rechtsprechung nicht mehr als Auslegung des gewohnheitsrechtlichen Kerns darstellt. 106 Außerdem geriete eine Fortentwicklung der Rechtsprechungsgrundsätze in Konflikt mit den gesetzlichen Gewinnermittlungsvorschriften, die einen Gewinnausweis verlangen. Der Bundesfinanzhof hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 ausgeführt, allein der Gesetzgeber sei zur Ausweitung des Ausnahmetatbestands der Rücklage für Ersatzbeschaffung befugt, der von der Rechtsprechung zu einer Zeit geschaffen wurde, zu der es eine Regelung wie die des § 6b EStG zur Reinvestitionsrücklage noch nicht gab. Demgegenüber erfordere der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, dass die Rechtsprechung an den allgemeinen, in § 4 I EStG zum Ausdruck kommenden Gewinnrealisierungstatbeständen festhalte. 107 Es ist zwar zutreffend, dass Gewohnheitsrecht nicht ohne weiteres geändert werden kann. Die Beschränkung auf die Fortbildung von Gewohnheitsrecht durch den Gesetzgeber ist dagegen nicht zutreffend. Vielmehr kann Gewohnheitsrecht grundsätzlich sowohl durch ein Gesetz als auch durch entgegenstehendes Gewohnheitsrecht geändert werden. 108 Allerdings ist dem Bundesfinanzhof zuzustimmen, dass 105 Beispielsweise die Anerkennung eines Ausscheidens aufgrund von höherer Gewalt bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall durch BFH BStBl. Π 2001, 130, 131 f. Zur Problematik der Bestimmung des Begriffs der höheren Gewalt schon Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 33 ff.; auch Knobbe-Keuk § 6 II S. 260 f.; Herrmann /Heuer/ Raupach (Loose § 5 RdNr. 585. 106 Vgl. von Wallis DStZ 1984, 343, 348 f., der als Beispiel die Anerkennung von Fällen, in denen der Steuerpflichtige Leistungen aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung erhalten hat, bringt. Dies hatte die Rechtsprechung stets abgelehnt (so BStBl. II 1982, 591,592; vgl. auch BFH BStBl. II 1968, 737, 738 f., wo die Möglichkeit der Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung gar nicht erst erwogen wird). Dagegen hat BFH BStBl. II 1983, 371, 372 f. auch diese Fälle in den Anwendungsbereich der Rücklage für Ersatzbeschaffung einbezogen.

107 So BFH BStBl. Π 1999, 488, 490; zustimmend Kanzler FR 1999, 852; anders BFH BStBl. II 1991, 222, 226: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass außerhalb dieses Kernbereichs vergleichbare weitere Fälle durch Restriktion des Gewinnrealisierungstatbestands im Wege der Rechtsfortbildung der Rücklage für Ersatzbeschaffung unterstellt werden." Kritisch hierzu Ebling in: FS Moxter, S. 1005, 1021. los Vgl. Hübschmann / Hepp / Spitäler / Birk § 4 RdNr. 145 und 159; auch Raisch ZHR 150 (1986), 117,120.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

eine Fortentwicklung der Rücklage für Ersatzbeschaffung in Konflikt mit den gesetzlichen Gewinnermittlungsvorschriften gerät, welche eine Gewinnrealisierung zwingend vorschreiben. Der Gesetzgeber hat Ausnahmen von der Gewinnrealisierung normiert. Deshalb ist es nicht möglich, die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung durch Fortentwicklung des gewohnheitsrechtlichen Kerns zu erweitern. Folglich kann die über einen Kernbereich hinausgehende Rechtsprechung nicht mit der Auslegung von Gewohnheitsrecht begründet werden.

e) Gewohnheitsrechtliche Übertragbarkeit stiller Reserven als Fremdkörper im geltenden Recht Schließlich ist zu berücksichtigen, dass eine gewohnheitsrechtliche Übertragbarkeit stiller Reserven im geltenden Recht einen Fremdkörper darstellt. Im geltenden Recht besteht die Tendenz, Ausnahmetatbestände entweder ausdrücklich zu normieren oder abzuschaffen. So ist durch den im Jahr 1964 eingefügten § 6b EStG die Übertragung stiller Reserven durch die Reinvestitionsrücklage gesetzlich geregelt worden. Mit der Einführung des § 6 V I 1 EStG ist dem allgemein als Gewohnheitsrecht angesehenen steuerneutralen Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften die Grundlage entzogen worden. Man muss aus diesem Grund davon ausgehen, dass Gewohnheitsrecht heute nicht mehr in der Lage ist, einen Begünstigungstatbestand zu statuieren. 109

HI. Zusammenfassung Die Rücklage für Ersatzbeschaffung lässt sich nicht mit Gewohnheitsrecht begründen. Die Rechtsprechung stellt eine zweifelhafte Rechtsfortbildung dar, weil sie gegen den Wortlaut des Gesetzes entwickelt worden ist. Da im geltenden Recht nur gesetzesergänzendes, begünstigendes Gewohnheitsrecht zulässig ist, konnte diese Rechtsfortbildung insgesamt nicht zu Gewohnheitsrecht erstarken. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Rechtsprechung als zulässige Rechtsfortbildung darstellt, kann eine umfassende gewohnheitsrechtliche Verfestigung der Rechtsprechungsgrundsätze nicht angenommen werden, weil es für die umfassende Bildung von Gewohnheitsrecht an der notwendigen ständigen Übung fehlt. Es ist auch nicht möglich, die Rechtsprechung, soweit sie nicht in diesen Kernbereich fallt, als Auslegung von Gewohnheitsrecht zu verstehen. Folglich muss die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung mit Gewohnheitsrecht abgelehnt werden.

109 Vgl. Kirchhof in: HWStR S. 686.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung Da sich die Rechtsprechungsgrundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht mit Gewohnheitsrecht begründen lassen, stellt sich die Frage, ob sie eine zulässige Auslegung des Einkommensteuergesetzes darstellen. Die Auslegung des Gesetzes ist zur Rechtsfortbildung im weiteren Sinn zu zählen, weil jede streitentscheidende Interpretation des Gesetzes auch ein Stück Fortbildung des Gesetzes hervorbringt. 110 Die Auslegung des Gesetzes als Rechtsfortbildung im weiteren Sinn ist von der Rechtsfortbildung im engeren Sinn abzugrenzen, zu der die Füllung gesetzlicher Lücken und die Gesetzesberichtigung zählen. 111 Bei der Auslegung des Gesetzes entnimmt der Rechtsanwender die Rechtsfolge dem Gesetz, so dass sich unter dem Gesichtspunkt der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und der Gesetzesbindung keine Bedenken ergeben. Dementsprechend ist die Grenze der Auslegung der äußerste Wortsinn einer Vorschrift. 112

I. Die Begründung des Besteuerungsaufschubs durch wirtschaftliche Beurteilung des Sachverhalts 1. Die Methode der wirtschaftlichen Beurteilung von Sachverhalten Die Methode der wirtschaftlichen Beurteilung von Sachverhalten war bis 1977 in § 1 III StAnpG 1934 niedergelegt. Diese Vorschrift ist mittlerweile aufgehoben; die Methode der Sachverhaltsbeurteilung als solche ist jedoch noch zulässig und erforderlich, weil sie notwendige Voraussetzung für die Subsumtion ist, die sich nicht als logisches Schlussverfahren darstellt, sondern als schrittweise Annäherung von Sachverhalt und Rechtssatz. Die Sachverhaltsqualifikation und Auslegung sind einander gleichwertige, notwendigerweise zusammengehörende Teile des Verstehensprozesses.113 Voneinander abzugrenzen sind zulässige Sachverhaltsqualifikation und unzulässige Sachverhaltsfiktion. Bei der Sachverhaltsqualifikation geht es darum, alle in Bezug auf die anzuwendende Vorschrift unwesentlichen Teile auszugrenzen und damit den Kern des Sachverhalts herauszuarbeiten, der unter einen gesetzlichen Tatbestand subsumiert werden kann. Hingegen wird bei der Sachverhaltsfiktion der Sachverhalt für Zwecke der Besteuerung anders angesehen, als er sich in Wirkno Vgl. Lang in: FS Höhn, S. 159, 163. m Ausführlich Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 44 ff. 112 Vgl. nur Tipke StRO ΠΙ, S. 1271 f.; näher Woerner DStJG Bd. 5 (1982), S. 23, 39 ff. 113 Vgl. Kruse § 6 I V S. 132 f.; auch Beisse StuW 1981, 1, 11; Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 86. Kritisch aber J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 191: „Fehlmethode der Sachverhaltsbeurteilung"; auch R. Thiel StbJb 1963/64,161,183 ff.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

lichkeit abgespielt hat; er wird nicht mehr beurteilt, sondern es wird für das Steuerrecht ein nicht gegebener Sachverhalt fingiert und damit für die zu treffende Entscheidung subsumtionsreif gemacht. 114 Die Sachverhaltsfiktion weist methodische Parallelen zum Analogieschluss auf. Allerdings ist der Ansatzpunkt von Sachverhaltsfiktion und Analogie unterschiedlich: Bei einem Analogieschluss prüft der Rechtsanwender, ob der vorliegende Sachverhalt, wenn schon nicht vom Wortlaut, so doch von dem Sinn und Zweck des Gesetzes erfasst wird. Bei der Sachverhaltsfiktion geht es hingegen darum, den nicht unter das Gesetz passenden Sachverhalt als unter das Gesetz passend zu fingieren. Die unterschiedliche Technik darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass in beiden Fällen ein Konflikt mit dem Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung besteht.115 Eine Sachverhaltsfiktion ist unter dem Gesichtspunkt des Prinzips der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nur dann als zulässig zu erachten, wenn die Voraussetzungen des § 42 AO oder die Voraussetzungen für einen Analogieschluss gegeben sind. 116

2. Die Begründung der Rechtsprechung mit der wirtschaftlichen Beurteilung des Sachverhalts Die Rechtsprechungsgrundsätze sind auf unterschiedliche Weise mit der wirtschaftlichen Sachverhaltsbeurteilung begründet worden.

a) Annahme von „Identität " zwischen ausgeschiedenem Wirtschaftsgut und Ersatzwirtschafts

gut

Der Reichsfinanzhof hatte in seinem Leiturteil 117 zur Rücklage für Ersatzbeschaffung das Ersatzwirtschaftsgut als „in gewissem Grade identisch" mit dem ausgeschiedenen Wirtschafsgut angesehen und auch aus diesem Grunde die Realisierung eines Gewinns abgelehnt. Zu diesem Ergebnis kam der Reichsfinanzhof, indem er die einzelnen Vorgänge - Verlust durch Vernichtung, Erwachsen eines Anspruchs auf die Ersatzleistung, Verwendung der Ersatzleistung zur Ersatzbeschaffung - zusammenfasste und die Hilfsfunktion der Entschädigungsleistung betonte. 118 Voraussetzung der Identität der Wirtschaftsgüter war, dass das Ersatz114

Vgl. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 89. H5 Vgl. Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 199. 116 Vgl. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 91; auch Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 199 f. 117 RFH RStBl. 1930,313.

us Vgl. RFH RStBl. 1930, 313, 314; vergleichbare Argumentation bei RFH StuW 1934, 1535, 1536 und BFH BStBl. III 1957, 261,262.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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wirtschaftsgut wirtschaftlich dieselbe oder eine entsprechende Aufgabe wie das ausgeschiedene Wirtschaftsgut erfüllt. Es genügte, dass der Ersatzgegenstand seiner Art nach bestimmt war, wirtschaftlich die Funktion des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts im Rahmen des Betriebs zu übernehmen. 119 Der Reichsfinanzhof hat in späteren Urteilen allerdings nicht mehr den Gedanken der Identität der Wirtschaftsgüter angeführt, sondern die mangelnde Freiwilligkeit der Realisierung als Geltungsgrund des Besteuerungsaufschubs betont. 120 Die Betrachtung von ausgeschiedenem Wirtschaftsgut und Ersatzwirtschaftsgut stellt methodisch eine wirtschaftliche Sachverhaltsqualifikation dar. 121 Der Gedanke der wirtschaftlichen Identität von ausgeschiedenem Wirtschaftsgut und Ersatzwirtschaftsgut ist allerdings nicht tragfähig, weil nach dem Tauschgutachten des Bundesfinanzhofs 122 die wirtschaftliche Identität zwar in der Lage war, einen Besteuerungsaufschub zu rechtfertigen, aber die Art-, Wert- und Funktionsgleichheit der Wirtschaftsgüter voraussetzte. 123 Für die Rücklage für Ersatzbeschaffung ist Art-, Wert- und Funktionsgleichheit der Wirtschaftsgüter nicht erforderlich. Es ist anerkannt, dass der Ersatzgegenstand den neuesten technischen Anforderungen angepasst werden darf. Von Artgleichheit von ausgeschiedenem Wirtschaftschaftsgut und Ersatzwirtschaftsgut im Sinne des Tauschgutachtens kann dann nicht mehr die Rede sein. 124 Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass sich die wirtschaftliche Identität beim Tausch vor allem in der Gleichwertigkeit der beiden Wirtschaftsgüter äußerte. 125 Die Gleichwertigkeit von ausgeschiedenem Wirtschaftsgut und Ersatzwirtschaftsgut ist nicht Voraussetzung für die Bildung der Rücklage für Ersatzbeschaffung. Liegen die Anschaffungskosten für das Ersatzwirtschaftsgut über der vom Steuerpflichtigen erhaltenen Ersatzleistung, können gleichwohl die stillen Reserven des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts in vollem Umfang auf das Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden. 126 Von Gleichwertigkeit von ausgeschiedenem Wirtschaftsgut und Ersatzwirtschaftsgut kann in diesem Fall nicht ausgegangen werden. Es ist für die Rücklage für Ersatzbeschaffung ausreichend, dass das Ersatzwirtschaftsgut funktionsgleich ist und funktionsgleich verwendet wird. 1 2 7 Auf die Π9 Vgl. RFH RStBl. 1930, 313, 314; hierauf verweisend BFH BStBl. III 1957, 261, 262. 120 So insbesondere RFH RStBl. 1934, 1126, 1127; RFH StuW 1935, 1280, 1281; zuletzt RFH RStBl. 1944,619. 121 Vgl. J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 191. 122 BFH BStBl. III 1959,30. 123 Näher hierzu nachfolgend unter II. 2. a) aa). 124 Vgl. Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 18. 125 Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 91. 126 Vgl. Herrmann / Heuer/ Raupach /Loose § 5 RdNr. 597; hegen hingegen die Anschaffungskosten für das Ersatzwirtschaftsgut unter dem Betrag der Ersatzleistung, können die stillen Reserven auch nur teilweise auf das Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden, vgl. hierzu BFH BStBl. II 1969, 310, 311 f.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Artgleichheit und die Wertgleichheit der Wirtschaftsgüter kommt es nicht an. Folglich muss davon ausgegangen werden, dass ausgeschiedenes Wirtschaftsgut und Ersatzwirtschaftsgut nicht im Sinne des Tauschgutachtens wirtschaftlich identisch sind. Weiterhin ist durch die Einführung des § 6 V I 1 EStG dem Tauschgutachten des Bundesfinanzhofs die Grundlage entzogen worden, so dass der Gedanke der wirtschaftlichen Identität von Wirtschaftsgütern nicht mehr einem Aufschub der Gewinnrealisierung begründen kann. Man muss deshalb davon ausgehen, dass der Begriff der wirtschaftlichen Identität auch nicht geeignet ist, den Besteuerungsaufschub bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung zu rechtfertigen. b) Bewertung der Ersatzforderung mit dem Buchwert des aus geschiedenen Wirtschafts guts Ein Ansatz der Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung durch wirtschaftliche Sachverhaltsqualifikation besteht darin, die Ersatzforderung bzw. den Ersatzgegenstand mit dem Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts zu bewerten und damit eine Realisierung der stillen Reserven zu vermeiden. Meincke hält es für möglich, den Verlust des Wirtschaftsguts als das Ereignis anzusehen, das die Wertangabe und damit den Kostenumfang anlässlich der Anschaffung der Ersatzforderung bestimme. Die Ersatzforderung sei nach § 6 I Nr. 2 S. 1 EStG mit den Anschaffungskosten zu bilanzieren. Da auch der Reichsfinanzhof in seinem Leiturteil bemerkt habe, dass der durch den Brand eingetretene Verlust „ [ . . . ] nicht höher sein [könne; Anmerkung des Verfassers] als der Betrag, mit dem die abgebrannten Gegenstände in der [ . . . ] Bilanz zu Buch standen" 128 , komme eine entsprechende Anschaffungskosten-Bewertung für die Ersatzforderung in Betracht. 129 Um Missverständnisse zu vermeiden, müsse die Ersatzforderung wie üblich zum Nennwert bilanziert werden und zugleich ein Passivposten in Höhe der Differenz zwischen Nennwert der Forderung und den durch den Buchwert des untergegangenen Wirtschaftsguts bestimmten Anschaffungskosten für das Ersatzwirtschaftsgut gebildet werden. 130 Allerdings stelle sich die Frage, ob die Ersatzforderung tatsächlich auf den Buchwert des untergegangenen Wirtschaftsguts begrenzt werden könne und ob nicht neben dem Buchwert auch die Prämienzahlungen als Kostenfaktor für den Erwerb des Versicherungsanspruchs berücksichtigt werden müssten. 131 Weiterhin sei fraglich, ob sich die Beurteilung der Rücklage als Wertberichtigungsposten in das Bilanzrecht einfüge. 132 127

Vgl. BFH BStBl. II 1961, 1, 2, wonach es nur darauf ankommt, dass das Ersatzwirtschaftsgut „im wesentlichen die gleiche Funktion" wie das ausgeschiedene Wirtschaftsgut hat. Zum Erfordernis der funktionsgleichen Nutzung BFH BStBl. II 1999,488,490. 128 So RFH RStBl. 1930,313,314. 129 So Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7, 21 f. 130 Vgl. Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7, 22. 131 Hierauf weist Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7,22 selbst hin. 132 Vgl. Bedenken bei Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7, 22.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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Der Vorgänger des Bundesfinanzhofs, der Oberste Finanzgerichtshof, hatte 1948 eine ähnliche Sichtweise vertreten. Er hatte ausgeführt, die Rücklage für Ersatzbeschaffung gehöre nicht zum Eigenkapital, sondern sie stelle einen Wertberichtigungsposten zu dem sich auf der Aktivseite befindlichen Bilanzposten der Ersatzforderung dar. 133 Diese Sichtweise hat auch der Bundesfinanzhof in einem Urteil aus dem Jahr 1952 vertreten. 134 Der Einordnung der Rücklage für Ersatzbeschaffung als Wertberichtigungsposten durch den Obersten Finanzgerichtshof hat Littmann schon 1949 widersprochen und auf die Schwierigkeiten für den Fall hingewiesen, dass die Versicherungssumme ausgezahlt wird und von dem ausgezahlten Betrag beispielsweise Waren oder Maschinen angeschafft werden. In diesem Fall sei der Aktivposten, auf den sich der Wertberichtigungsposten beziehen solle, nicht mehr einwandfrei identifizierbar. 135 Littmann geht davon aus, dass es sich bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung um einen Teil des Eigenkapitals handelt. Seiner Ansicht nach ist dieser Teil des Eigenkapitals aber zweckgebunden und eine erfolgsneutrale Behandlung dieses Gewinnanteils ist mit der auflösenden Bedingung der Ersatzbeschaffung verbunden. 136 Mathiak schließt sich der Kritik von Littmann an. Er führt aus, die Höhe der Rücklage sei nicht nur von der Entschädigung, sondern auch von dem bisherigen Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts abhängig. Eine Bewertung der Ersatzforderung mit dem Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts sei nicht möglich. Eine Deutung der Rücklage als Wertberichtigungsposten sei nicht möglich, weil ein Wertberichtigungsposten mit der Erfüllung der Entschädigung wegfallen müsste. Hierdurch würde aber die Übertragung der stillen Reserven auf das anzuschaffende Ersatzwirtschaftsgut unmöglich gemacht. 137 Der Einordnung der Rücklage für Ersatzbeschaffung als Teil des Eigenkapitals - wie Littmann sie vorgeschlagen hatte - ist der Gesetzgeber gefolgt. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung stellt handelsrechtlich einen Sonderposten mit Rücklageanteil nach § 247 I I I HGB dar. Dieser wird nach § 266 III HGB als Teil des Eigenkapitals in der Bilanz ausgewiesen, wenn es sich um ein Unternehmen handelt, welches an die Gliederungsvorschriften der §§ 266 ff. HGB gebunden ist. Allerdings wird der Sonderposten mit Rücklageanteil auch bei Unternehmen, die hieran nicht gebunden sind, in der Regel als Teil des Eigenkapitals angezeigt.138 Neben den in der Literatur vorgebrachten Einwänden erscheint die Sichtweise von Meincke deshalb fragwürdig, weil nicht dargelegt wird, aus welchem Grund die Ersatzforderung mit dem Buchwert des untergegangenen Wirtschaftsguts ange133 134 135 136

Vgl. OFH RFHE 54, 250, 251; ebenso OFH RFHE 54, 312, 313 f. Vgl. BFH BStBl. III 1953,5. Vgl. Littmann StuW 1949,537, 539. So Littmann StuW 1949, 537, 539.

137 Vgl. Mathiak DStR 1989, 661, 666. 138 Vgl. Mündt DStR 1993, 1794, 1795; zur handelsrechtlichen Einordnung als Teil des Eigenkapitals auch Birk RdNr. 791. 7 Marchai

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

setzt werden soll. Der Verweis auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ist als dogmatischer Ansatzpunkt nicht ausreichend. Eine Bewertung der Ersatzforderung mit dem Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts kann nicht mehr als Sachverhaltsqualifikation angesehen werden, sondern stellt sich als Sachverhaltsfiktion dar. Sie kann nur überzeugen, wenn die Voraussetzungen für einen Analogieschluss vorliegen. Diese sind jedoch in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs nicht gegeben.139

3. Ergebnis Eine Herleitung der Rechtsprechungsgrundsätze durch Sachverhaltsqualifikation ist nicht möglich. Es ist weder möglich, das ausgeschiedene Wirtschaftsgut und das Ersatzwirtschaftsgut als identisch anzusehen, noch ist es möglich, die Ersatzforderung gegen die Versicherung bzw. gegen den Staat oder den Ersatzgegenstand mit dem Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts anzusetzen.

II. Die Begründung der Rechtsprechung mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung sind von der Rechtsprechung auch durch Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ermittelt worden. 140 Die Literatur ist dem später gefolgt. 141 Ansatzpunkt dieser Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist das handelsrechtliche Realisationsprinzips. 142 Nach § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB werden nur realisierte Gewinne besteuert. 143 Der Begriff der Gewinnrealisierung des § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB ist nach § 5 I 1 EStG auch für die Gewinnermittlung bei Gewerbetreibenden maßgeblich. Dasselbe gilt für die Gewinnermittlung nach § 4 I 1 EStG. 144 Es ist zu klären, ob das Realisationsprinzip so ausgelegt werden kann, dass in den Fällen des Ausscheides eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt 139

Hierzu nachfolgend unter D. II. 140 Vgl. RFH RStBl. 1944, 619 f.; BFH BStBl. ΙΠ 1952, 208, 212; BStBl. ΠΙ 1957, 261, 262; BStBl. ΠΙ 1957, 386, 387; BStBl. ΠΙ1961, 1, 2. 141 So ζ. B. Knobbe-Keuk § 6 II S. 259 ff. 142 Vgl. Kanzler NWB 2000, 2193, 2196, der allerdings von einer teleologischen Reduktion ausgeht; allgemein zur Auslegung des Realisationsprinzips Moxter StuW 1989, 232, 240. 143 Ausnahmen von diesem Prinzip werden durch Ersatzrealisationstatbestände statuiert; hierzu oben 1. Kapitel C. Π. 144 Zur Geltung der Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung im Rahmen von § 4 I 1 EStG Kirchhof / Crezelius § 5 RdNr. 1.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs eine Gewinnrealisierung zu verneinen ist. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist eine Methode der teleologischen Auslegung. 145 Sie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.146 Die teleologische Auslegung ist die für das Auslegungsergebnis entscheidende Methode. Die grammatische, die systematische und die historische Auslegungsmethode sind dagegen nur Hilfsmittel, um den Gesetzeszweck herauszuarbeiten. 147 Der Grund für diese Einteilung liegt darin, dass Gesetze Zweckschöpfungen und Gesetzesworte nur Mittel zum Zweck sind. 148 Ebenso ist zu bedenken, dass bereits die Antwort auf die Frage nach dem Wortsinn unsicher ist und auf den Verständniszusammenhang verweist, in welchem sie gestellt wird. 1 4 9 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass es kaum vorkommen wird, dass die eine Methode auf einen anderen Zweck als die andere Methode hindeutet. 150 Dementsprechend wird im Folgenden von der teleologischen Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgegangen und werden die anderen Auslegungsmethoden nur hilfsweise herangezogen.

1. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Steuerrecht a) Grundlagen Die wirtschaftliche Betrachtungsweise war ausdrücklich in § 4 RAO 1919 (entspricht § 9 RAO 1931), später in § 1 II, III StAnpG 1934 niedergelegt, letztere Vorschrift wurde 1977 aufgehoben. 151 In der Abgabenordnung 1977 fehlt eine ent145 Vgl. Beisse StuW 1981,1, 2 ff.; Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 77 ff. 146 Vgl. hierzu BVerfGE 13, 318, 328 f.; BVerfGE 15, 328, 333; BVerfGE 18, 224, 234 f.; BVerfGE 19, 38, 48; BVerfGE 22, 156, 160 f.; BVerfGE 24, 174, 180 f.; BVerfGE 25, 28, 35 f.; BVerfGE 26, 327, 335 f.; auch Kobor, Auslegung des Erbschaftsteuergesetz, S. 42 f. 147 So Tipke in: FS von Wallis, S. 133, 135; ebenso ders. StRO III, S. 1239 ff.; auch Birk StuW 1990, 300, 302; Costede in: FS Felix, S. 17, 18; Lang in: FS Höhn, S. 159, 173; ablehnend dagegen Kruse § 1 Π S. 25 f.: „Es ist immer wieder versucht worden, die einzelnen Auslegungskriterien in eine bestimmte Rangordnung zu bringen. Bislang einmalig ist jedoch der Versuch, drei dieser Auslegungskriterien allein in den Dienst des vierten zu stellen."; kritisch auch Höhn in: FS Tipke, S. 213, 220; vermittelnd Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 137: „Methodensynkretismus mit Schwerpunkt auf teleologischer Auslegung"; für das Zivilrecht: von Staudinger/ Coing / Honseil Einl zum BGB RdNr. 153, der von einem „Primat der teleologischen Methode" spricht; anders dagegen Larenz, Methodenlehre, S. 343 ff.: „... leitende Gesichtspunkte, denen ein unterschiedliches Gewicht zukommt." 148 So Tipke StRO III, S. 1239. 149 So Birk StuW 1990, 300, 302. 150 So Tipke StRO III, S. 1271. 151 Kritisch zu § 1 II StAnpG 1934 Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 215: „Diese Vorschrift beinhaltet entweder ein selbstverständliches Gebot teleologischer Gesetzesinterpretation und ist dann gänzlich überflüssig, oder ihr kommt eine eigenständige Bedeutung in dem Sinn zu, dass sie die normanwendenden Organe ermächtigt, die Gesetzesteleologie ungeachtet des 7"

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

sprechende Vorschrift, allerdings hat sich der Sache nach nichts geändert, insbesondere behält die gesamte einschlägige Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise ihre Bedeutung.152 Kernanliegen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist es, den wirtschaftlichen Sinn der Steuergesetze für die RechtsanWendung fruchtbar zu machen. 153 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist eine rechtliche Betrachtungsweise und nicht etwa eine wirtschaftswissenschaftliche Betrachtungsweise. 154 Sie darf auch nicht mit der dynamischen Bilanzauffassung 155 gleichgesetzt werden. 156 Allerdings hatte der Bundesfinanzhof in der Zeit, in der er eine dynamische Bilanzauffassung vertreten hatte, die wirtschaftliche und die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise gleichgesetzt.157 Die Gleichsetzung von wirtschaftlicher Betrachtungsweise und betriebswirtschaftlicher Methode ist durch die im Rahmen der Aktiengesetzreform 1965 158 eingefügten Bilanzrechtsnormen überholt, weil diese Normen erkennbar von einer statischen Bilanzauffassung 159 ausgehen.160 Dementsprechend hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch für das Steuerrecht die rechtliche Betrachtungsweise die maßgebliche ist und dass betriebswirtschaftlich geprägte bilanztheoretische Vorstellungen nur zu berücksichtigen sind, soweit sie im Gesetz ihren Niederschlag gefunden haben. 161 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise hat ihre Hauptbedeutung dort, wo das Steuerrecht nicht eigenständige Begriffe verwendet, sondern sich zivilrechtlicher Begriffe bedient. Soweit die Steuergesetze zivilrechtliche Begriffe verwenden (ζ. B. Eigentum), muss die Frage beantwortet werden, ob die Begriffe im zivilGesetzeswortlauts zu berücksichtigen und im Wortsinn eindeutige und deshalb nicht mehr auslegungsfähige (normative) Tatbestandsmerkmale nur als symptomatisch-indizielle Umschreibungen steuerlicher Wirtschaftsbegriffe zu verstehen." 152 Vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 7/4292, 15 f.; auch Beisse StuW 1981, 1 f.; Urbas, Wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 189 f. 153 Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 195; ders. StuW 1981,117, 120. 154 Vgl. BVerfG BStBl. II 1992, 212, 214; vgl. auch BFH BStBl. ΙΠ 1965, 261, 262; auch Beisse StuW 1981, 1, 3 f.; Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 195 f.; Moxter StuW 1989,232; Woerner FR 1992,226, 228; ders. in: GS Knobbe-Keuk, S. 967,970; anders RFH RStBl. 1940, 595, 596: „Nun ist aber in der Rechtsprechung des RFH die früher für maßgeblich gehaltene bürgerlich-rechtliche Betrachtung immer mehr zurückgetreten und hat einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung Platz gemacht." 155 Nach der dynamischen Bilanzauffassung ist es Aufgabe der Bilanz, die sich im Betrieb abspielenden Vermögensbewegungen darzustellen, vgl. näher Knobbe-Keuk § 1 S. 14 ff. 156 Vgl. Moxter StuW 1989, 232, 237. 157 Hierauf weist Beisse StuW 1981, 1, 3 hin. 158 Durch das Aktiengesetz (BGBl. 1 1965, 1089). 159 Nach der statischen Bilanzauffassung ist es Aufgabe der Bilanz, die Vermögenslage eines Betriebs zu einem bestimmten Zeitpunkt darzustellen; vgl. näher Knobbe-Keuk § 1 S. 13. 160 Vgl. Beisse StuW 1981, 1, 3. 161 Vgl. Knobbe-Keuk § 1 S. 16; als Beispiel für dynamische „Niederschläge" seien die Rechnungsabgrenzungsposten nach § 250 HGB und § 5 V EStG genannt.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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rechtlichen Sinn zu verstehen oder ob sie wirtschaftlich zu beurteilen sind. Weder eine freie Betrachtungsweise noch eine zivilrechtshörige Auslegung führen zu richtigen Ergebnissen. Es gibt auch keine Prävalenz des Zivilrechts. 162 Vielmehr sind Zivilrecht und Steuerrecht nebengeordnete, gleichrangige Rechtsgebiete, die denselben Sachverhalt aus einer anderen Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten beurteilen. Die Parteien können zwar einen Sachverhalt vertraglich gestalten, nicht aber die steuerrechtlichen Folgen bestimmen, die das Steuerrecht an die vorgegebene Gestaltung knüpft. Insoweit gilt eine Vorherigkeit für die Anwendung des Zivilrechts, jedoch nicht ein Vorrang. 163 Deckt sich die zivilrechtliche Qualifikation des Sachverhalts mit der Teleologie des Steuerrechts, so ist Zivilrecht maßgeblich; führt dagegen die teleologische Auslegung des Gesetzes zu einem vom Zivilrecht abweichenden steuerrechtlichen Begriff, so ist der zivilrechtliche Begriff wirtschaftlich-teleologisch zu interpretieren. 164 Durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann es zu einem unterschiedlichen Verständnis gleicher Begriffe kommen (sog. Relativität der Rechtsbegriffe). 165 Handelt es sich dagegen um Begriffe, die zwar auch im Zivilrecht und anderen Rechtsgebieten gebräuchlich sind, jedoch keine ausdrückliche Verweisung auf zivilrechtliche und andere nichtsteuerrechtliche Institutionen implizieren, ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise ohne weiteres zugrunde zu legen. 166 Dies gilt besonders für Begriffe des zum öffentlichen Recht gehörenden Bilanzrechts. 167 Hier hat die wirtschaftliche Betrachtungsweise einen wichtigen Anwendungsbereich, weil der Normzweck der Bilanzrechtsvorschriften ein wirtschaftlicher ist. 1 6 8 Zweifelhaft sind die Gründe, die im Steuerrecht eine Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise fordern. Zur Rechtfertigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise wird auf den aus Art. 3 I GG folgenden Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung hingewiesen; eine Verschiebung wirtschaftlicher Vorgänge aus technischen Gründen dürfe nicht bewirken, wirtschaftlich gleichartige Vorgänge steuerrechtlich verschieden zu behandeln.169 Zwar ist zuzugeben, dass vordergründig eine Überschneidung von wirtschaftlicher Betrachtungsweise und allgemeinem Gleichheitssatz besteht, weil aufgrund 162 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 80; ebenso Lehner in: FS Tipke, S. 237, 239; Schulze-Osterloh AcP 190(1990), 139,153. 163 So BVerfG BStBl. Π 1992, 212, 213; kritisch hierzu Meincke StuW 1992,188, 190. 164 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 80. 165 Zur Relativität von zivil- und steuerrechtlichen Begriffen BVerfG BStBl. II 1992, 212, 213 f.; auch Kruse § 1 II S. 20 ff. 166 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 81; auch Beisse StuW 1981, 1, 2. 167 Ausführlich zur öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts Icking, Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, S. 166 ff. Zur öffentlich-rechtlichen Natur des Steuerbilanzrechts ders., Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, S. 416 f. 168 Vgl. Moxter StuW 1989, 232 ff.; auch Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 81. 169 Vgl. Nachweise bei Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 197.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zivilrechtlich unterschiedlich gestaltete Sachverhalte steuerrechtlich gleichbehandelt werden. Allerdings verlangt der Gleichheitssatz die Beachtung verschiedenartig gestalteter tatsächlicher Voraussetzungen, die durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise gerade vernachlässigt werden sollen. Eine pauschale Einebnung der unterschiedlichen Sachverhaltselemente widerspricht vielmehr dem Gleichheitssatz.170 Gegen eine Begründung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise mit dem Gleichheitssatz spricht außerdem, dass der Richter unter Berufung auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung den Gesetzeswortlaut missachten könnte. 1 7 1 Der Richter ist aber nicht berechtigt, dem Gleichheitssatz entgegen dem erkennbaren Normzweck und über den möglichen Wortsinn von Normbegriffen hinausgreifend Rechnung zu tragen. 172 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann demnach nicht auf das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gestützt werden. Zum Teil wird die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip gefolgert. Da die Steuergesetze wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voraussetzten, müsse der Steuertatbestand auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgelegt werden. 173 Richtig verstanden sei die wirtschaftliche Betrachtungsweise nichts weiter als der Reflex des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. 174 Es erscheint zweifelhaft, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Lage ist, eine bestimmte Art der Auslegung im Steuerrecht zu gebieten. Das Leistungsfahigkeitsprinzip selbst gibt eine bestimmte Art der Auslegung nicht vor. Zwar sind Steuertatbestände wirtschaftlich auszulegen. Allerdings folgt dies nicht aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip, welches lediglich bestimmt, dass der Steuerpflichtige Steuern nur entsprechend seiner Fähigkeit zur Zahlung von Steuern aus dem gespeicherten Einkommen zu entrichten hat. 1 7 5 Richtigerweise wird man deshalb davon ausgehen müssen, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise die bloße Konsequenz daraus ist, dass die Steuertatbestände wirtschaftliche Vorgänge erfassen, ohne dabei die Regelungszwecke der Vorschriften anderer Rechtsgebiete, insbesondere des Privatrechts, zu berücksichtigen. 176

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So die Argumentation bei Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 208 f. Vgl. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsan Wendung, S. 202 f. 172 So Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 200 f.; auch Tipke, StRO ΙΠ, S. 1291 f. 171

™ Vgl. Beisse StuW 1981,1, 3. 174 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 27. »75 Vgl. Tipke StRO I, S. 480. 176 So Kruse § 1 Π S. 24.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

b) Der Gesetzeszweck als Problem der wirtschaftlichen

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Betrachtungsweise

Der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist vorgeworfen worden, dass auf sie gestützte Begründungen immer weniger überzeugten. 177 Es sei der Rechtsprechung nicht gelungen, die wirtschaftliche Betrachtungsweise methodisch aufzuschlüsseln.178 Es bestehe die Gefahr, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise durch die Vermischung mit Gesetzesteleologie und dem Grundsatz von Treu und Glauben zu einem Billigkeitsinstrument der Rechtsprechung verkümmere. 179 Die Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist nur dann überzeugend, wenn der Zweck der angewendeten Norm herausgearbeitet wird und sich die Auslegung daran orientiert. Statt von Zweck des Gesetzes wird auch von gesetzlichen Prinzipien oder Sachgesetzlichkeiten gesprochen. 180 Bei Sozialzwecknormen ist der Sozialzweck für die Auslegung maßgeblich. Bei Fiskalzwecknormen ist die Bestimmung des Gesetzeszwecks dagegen schwierig. Dies liegt daran, dass es keine Sachgesetzlichkeit der Steueranknüpfung gibt: Es gibt keine Sachverhalte, welche ihrer Natur nach besteuert werden müssten.181 Zu berücksichtigen ist, dass ein konditionales Programm besteht: Der Steueranspruch entsteht, wenn der Steuertatbestand erfüllt ist. Die in anderen Rechtsgebieten geläufigen und ergiebigen teleologischen Argumente geben für die Auslegung und Ergänzung des Steuertatbestands zunächst nichts her. 182 Den Fiskalzwecknormen liegt zunächst nur der Zweck der Einnahmenerzielung für den Staat zugrunde. Der Zweck, den staatlichen Haushalt mit den erforderlichen Mitteln auszustatten, gibt der Steuerbelastung weder Anknüpfungspunkte noch zieht er ihr Grenzen. 183 Da das Aufkommen der Steuern in den allgemeinen Haushalt fließt, kann der Steuer kein bestimmter Ausgabenzweck zugeordnet werden, so dass eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit zwischen Eingriff und gesetzlichem Ziel nicht möglich ist. 1 8 4 Der Fiskalzweck stellt keine norm- bzw. adressatenspezifisch unterscheidbare Vorgabe für eine teleologische Auslegung dar, weil sonst stets diejenige Auslegung richtig wäre, die zu einer möglichst hohen Steuereinnahme führt. 185 Der Zweck der Steuergesetze kann auch aus einem anderen Grund nicht mit dem Zweck der Steuer, Einnahmen zu erzielen, gleichgesetzt werden. Die Absicht, Einnahmen zur erzielen, ist lediglich das Motiv für die Schaffung von Steuergesetzen, 177 So Kruse § 6 I V S. 143. 178 Vgl. Kruse § 6 I V S. 142. 1 79 Vgl. hierzu Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 200. 180 Hierzu Tipke StRO I, S. 68. 181 Vgl. nur Tipke/ Kruse/Driien § 3 RdNr. 45. 182 Vgl. Kruse § 1 II S. 26 f. 183 Vgl. Tipke / Kruse /Drüen § 3 RdNr. 45. 184 Vgl. Vogel in: GS Martens, S. 265, 270; ebenso Beyer, Freiheitsrechte als Kontrollmaßstab, S. 241; Kruse § 1 II S. 26. 185 Vgl. Lehner in: FS Tipke, S. 237, 240.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

die Steueransprüche begründen, nicht aber der Zweck. 1 8 6 Für die Auslegung lassen sich keine Argumente gewinnen, wenn man den Zweck der Steuergesetze so versteht, dass sie das Ziel haben, dem Staat Einnahmen zu verschaffen. 187 Allerdings ist die fehlende Sachgesetzgesetzlichkeit der Steueranknüpfung von Sachgesetzlichkeiten der Steuerausgestaltung zu unterscheiden. 188 Da der Gesetzgeber verpflichtet ist, nach der Auswahl des Steuergegenstandes die getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen 189 , können sich aus der gesetzgeberischen Entscheidung über die Auswahl des Steuergegenstandes Sachgesetzlichkeiten ergeben.

aa) Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Gesetzeszweck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Es stellt sich die Frage, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip der Besteuerung die dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegende Sachgesetzlichkeit darstellt. Wäre dies der Fall, so wäre das Leistungsfähigkeitsprinzip bei der Auslegung stets zu beachten. Nach Tipke ist das Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip der Besteuerung auch als Auslegungsprinzip heranzuziehen. Tipke hat damit die wirtschaftliche Betrachtungsweise mit dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verbunden. 190 Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass Fiskalzwecknormen zwei Zweckrichtungen haben: Erstens den Zweck, den öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen die benötigten Einnahmen zu verschaffen. Zweitens den Zweck, die Gesamtlast sachgerecht auf die Bürger zu verteilen. Aus dem ersten Zweck lässt sich nach Tipke wenig folgern. 191 Deshalb sei auf den zweiten Zweck, die gerechte Verteilung der Steuerlast auf die Bürger, abzustellen. Der Maßstab für die teleologische Auslegung stelle das Lastenverteilungsprogramm des Gesetzes dar, das eine das innere System konstituierende Wertungsteleologie enthalte. Das Fundamentalprinzip dieser Wertungsteleologie stelle das Leistungsfahigkeitsprinzip dar. Allerdings dürfe nicht jede Auslegung sofort auf das Fundamentalprinzip dieser Wertungsteleologie, auf das Leistungsfähigkeitsprinzip, zurückgreifen. 192 Das Leistungsfahigkeitsprinzip und seine Subprinzipien seien jedoch bei der Gesetzesanwendung aufgrund des Gleichheitssatzes stets zu '86 So Kruse § 1 Π S. 25; ebenso Woerner in: GS Knobbe-Keuk S. 967, 969 f. 187 Vgl. Schulze-Osterloh AcP 190 (1990), 139, 155. 188 Vgl. Tipke / Kruse / Drüen § 3 RdNr. 46. 189 Vgl. nur BVerfGE 84, 239, 273; BVerfGE 99, 88, 95; BVerfGE 107, 27, 37. 190 Vgl. Tipke StRO I, S. 491: „Das methodische Pendant zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist die „wirtschaftliche Betrachtungsweise"." 191 Vgl. Tipke StRO ΙΠ, S. 1262. 192 So Tipke StRO ΙΠ, S. 1263.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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berücksichtigen. 193 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise sei ein Reflex auf die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. 194 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise diene der gleichmäßigen Erfassung gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und damit dem Gleichheitssatz.195 Auf diese Weise könne verhindert werden, dass unter dem Deckmantel einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise „Gefühlsjurisprudenz" betrieben werde. 196 Die Verknüpfung von wirtschaftlicher Betrachtungsweise und dem Leistungsfähigkeitsprinzip ist jedoch kritisiert worden. Es ist ausgeführt worden, für den Gesetzgeber reiche der Hinweis auf den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, weil er eine politische Entscheidung treffe, die mit Evidenzformeln, zeitbezogenen Gerechtigkeitskonventionen und anderen politisch konsensfähigen Argumenten begründet werden könne. 197 Das Leistungsfähigkeitsprinzip stelle nur den verfassungsrechtlichen Rahmen dar, der für den Gesetzgeber verbindlich sei. 198 Dagegen könne der Rechtsanwender keine konkreten Belastungsentscheidungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgern. 199 Das Leistungsfähigkeitsprinzip sei viel zu unbestimmt, um daraus konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen. 200 Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sage nichts darüber aus, worin sich die Leistungsfähigkeit äußere, mit welchen Maßstäben sie gemessen werde und welche Folgerungen aus der nachgewiesenen Leistungsfähigkeit gezogen werden müssten.201 Gegen die Annahme, durch die Zugrundelegung des Leistungsfähigkeitsprinzips als allgemeinen Gesetzeszweck werde „Gefühljurisprudenz" verhindert, ist ausgeführt worden, dass die vermeintlich axiomatische Geltung des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ebenso zu „freischwebenden" Begründungen auffordere. 202 Die Qualifizierung des Leistungsfähigkeitsprinzips als maßgebender Zweck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei aus einem weiteren Grund problematisch: Das Leistungsfähigkeitsprinzip sei ein Verfassungsprinzip und konkurriere mit anderen Verfassungsprinzipien, so beispielsweise mit dem Demokratieprinzip und dem Prinzip der Gewaltenteilung. Die Einordnung des Leistungsfähigkeitsprinzips 193 Vgl. Tipke StRO ΠΙ, S. 1264. 194 Vgl. Tipke StRO ΠΙ, S. 1309; ebenso Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 27. 195 So Tipke StRO ΙΠ, S. 1309. 196 So Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 27; ebenso auch Tipke StRO ΙΠ, S. 1291. 197 So Kruse StuW 1990, 322, 328. 198 Vgl. Höhn in: FS Tipke, S. 213, 232. 199 Vgl. Kruse StuW 1990, 322, 328; ders. § 2 ΠΙ S. 53; auch Höhn in: FS Tipke, S. 213, 232. 200 Vgl. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 198 f.; Kruse § 2 ΠΙ S. 52; kritisch auch Tipke/KruseIDrüen § 3 RdNr. 43. 201 Vgl. Tipke/Kruse/Drüen § 4 RdNr. 277; so auch Kruse § 2 Ι Π S. 51 f. 202 So Kruse § 6 I V S. 142 (in Fn. 197).

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

als Zweck der teleologischen Auslegung könne dazu führen, dass anderen fundamentalen Besteuerungsprinzipien nicht mehr hinreichend Rechnung getragen werde. Denn die anderen verfassungsrechtlichen Prinzipien stünden einer extensiven teleologischen Auslegung oftmals entgegen. So könne der Begründung einer extensiven Auslegung der Steuerpflicht mit dem Erfordernis der rechtsgleichen Besteuerung entgegengehalten werden, eine Erweiterung der Steuerpflichten sei dem Gesetzgeber vorbehalten. 203 Es erscheint angemessen, einen vermittelnden Standpunkt einzunehmen. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip können angesichts seiner Vieldeutigkeit keine konkreten Ergebnisse entnommen werden. Es muss auf die Konkretisierungen des Leistungsfähigkeitsprinzips abgestellt werden und gefragt werden, ob seinen Subprinzipien konkrete Schlussfolgerungen entnommen werden können. Das Leistungsfähigkeitsprinzip selbst kann hingegen nicht als maßgebliches Prinzip der teleologischen Auslegung fungieren. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht derart mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise verbunden werden kann, dass es den Zweck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise darstellt.

bb) Auslegungszwecke jenseits des Leistungsfahigkeitsprinzips Wenn sich das Leistungsfähigkeitsprinzip als Zweck der wirtschaftlichen Auslegung als untauglich erweist, stellt sich die Frage, welche Gesetzeszwecke neben den Subprinzipien des Leistungsfähigkeitsprinzips in Betracht kommen. Als Zweck des Steuertatbestands wird die Abgrenzung von Steuerpflicht und Steuerfreiheit angesehen.204 Negativ ausgedrückt soll es Zweck der Besteuerungstatbestände sein, die nicht steuerbaren Lebenssachverhalte aus dem Steuerrecht auszugrenzen. 205 Allein daraus kann aber für die Auslegung nichts gewonnen werden, weil der nur in der Ausgrenzung bestehende Zweck weder für noch gegen die Steuerpflicht spricht. Für die Auslegung ist erforderlich, dass die entsprechende Norm über den Zweck der Abgrenzung von steuerbaren und nicht steuerbaren Sachverhalten hinaus einen Zweck enthält. 206 Bei der Rechtsanwendung ist deshalb zu fragen, warum und nach welchem Plan der Gesetzgeber bestimmte Sachverhalte für besteuerungswürdig gehalten und für steuerbar erklärt hat. 2 0 7 Dementsprechend muss die Auslegung an den Sinnzusammenhang der einzelnen Normen anknüpfen und hieraus Zwecke im engeren Sinne ableiten, aus denen sich der Inhalt der Vorschriften erschließen lässt. 208 203 Vgl. Höhn in: FS Tipke, S. 213, 231 und 234. 204 Vgl. Höhn in: FS Tipke, S. 213, 227 und 232. 205 Vgl. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 129; Höhn in: FS Tipke, S. 213, 222; auch Urbas, Wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 86. 206 Vgl. Höhn in: FS Tipke, S. 213, 222. 207 Vgl. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtswendung, S. 129; vergleichbar Woerner in: GS Knobbe-Keuk, S. 967, 970.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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Bei der Suche nach dem teleologischen Konzept einer Norm sind die gesetzlichen Prinzipien herauszuarbeiten, die der betreffenden Norm zugrunde liegen. Anhand der herausgearbeiteten Prinzipien hat sich die Auslegung der Norm zu orientieren. Zwecke im engeren Sinn lassen sich beispielsweise aus den §§ 14, 16, 18 ΠΙ EStG ableiten. Diese Normen haben den Zweck, die angesammelten stillen Reserven zu erfassen und in Verbindung mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 II Nr. 1 EStG eine Überprogression zu vermeiden. 209 Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass Regelungen, die einen besonderen Zweck verfolgen, nur die Regelungen ergänzen, denen an Stelle eines Zweckprogramms nur die Absicht der Erzielung von Einnahmen ( § 3 1 1 AO) zugrunde liegt. 2 1 0 Es besteht damit die Möglichkeit, Fiskalzwecknormen bestimmte Zwecke und Prinzipien zuzuordnen, die für die teleologische Auslegung nutzbar gemacht werden können.

c) Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung als Grenze der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Die wirtschaftliche Betrachtungsweise steht in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. Denn es besteht die Gefahr, dass unter Rückgriff auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise die Bindung des Richters an das Gesetz vernachlässigt wird. 2 1 1 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann nicht dazu genutzt werden, die der Rechtsprechung durch das Vorbehaltsprinzip des Art. 20 ΠΙ GG gezogenen Grenzen zu überschreiten. 212 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann nicht dazu dienen, ein vom möglichen Wortsinn des Gesetzes nicht gedecktes Ergebnis zu rechtfertigen, auch wenn dies wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Sie rechtfertigt es nicht, den Sachverhalt rein wirtschaftlich und ohne Rücksicht auf den gesetzlichen Tatbestand zu qualifizieren. 213 Es ist zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise eine Auslegungsmethode ist. Die Auslegung des Gesetzes und auch die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung ist auch im Steuerrecht zulässig und geboten (vgl. nur § 11 IV FGO). Es ist allerdings zweifelhaft, wann bei Zugrundelegung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise noch Gesetzesauslegung betrieben wird und wann die Anwen208 Vgl. Schulze-Osterloh AcP 190 (1990), 139, 155. 209 Vgl. Kruse § 1 II S. 27; auch Woerner in: GS Knobbe-Keuk, S. 967,970. 210 So Kruse § 1 Π S. 27 f. 2Ji Vgl. FriaufOStJG Bd. 5 (1982), 53, 62. 212 Vgl. BVerfGE 13, 318, 329: darf die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht dazu verleiten, die rechtliche Methode durch außerrechtliche Gesichtspunkte und Begriffe aufzulösen (Bühler/Strickrodt a. a. O. S. 158/159)." Ähnlich BVerfG BStBl. II 1992, 212, 214. Auch Crezelius, Steuerrechtliche RechtsanWendung, S. 95; ebenso Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 215. 213 Vgl. Tipke / Kruse / Drüen § 4 RdNr. 334.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

dung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in Konflikt mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gerät. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1991 ausgeführt, die Auslegung von Gesetzen und die Fortbildung des Rechts gehörten zu den anerkannten Aufgaben und Befugnissen der Gerichte. Es sei allerdings erforderlich, sie gegenüber einer dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gesetzeskorrektur abzugrenzen. Die vom Verfassungsrecht gezogene Grenze der richterlichen Rechtsfortbildung verlaufe im allgemeinen dort, wo die Gerichte ohne das Vorhandensein einer sich aus Systematik und Sinn des Gesetzes ergebenden Lücke allein unter Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien, die konkrete rechtliche Ableitungen nicht zuließen, oder aus rechtspolitischen Erwägungen neue Regeln oder Rechtsinstitute schafften. 214 Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erging zu einer Entscheidung, in der das Gesetz zulasten des Steuerpflichtigen ausgelegt worden war. Die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts müssen jedoch auch für die Auslegung zugunsten des Steuerpflichtigen gelten. 215 Die auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise gestützte Begründung eines Rechtsinstituts kann überzeugen, wenn einem gesetzlichen Prinzip zur Geltung verholfen wird. Bei diesem Verständnis von der Reichweite der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ergeben sich unter dem Gesichtspunkt der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung bezüglich einer richterlichen Rechtsfortbildung zugunsten des Steuerpflichtigen keine Bedenken.

2. Die Begründung des Besteuerungsaufschubs beim Tausch mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Vorbild für die Rücklage für Ersatzbeschaffung Ein dogmatischer Ansatz der Rücklage für Ersatzbeschaffung bestand vor der Einführung des § 6 V I 1 EStG darin, die Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs mit anschließender Ersatzbeschaffung als „Zwangstausch" aufzufassen und damit eine Parallele zu den Fällen des Tauschs zu ziehen, in denen die Rechtsprechung die Gewinnrealisierung verneint hatte. 216 Es war möglich, diese Parallele zu ziehen, wenn dem Aufschub der Besteuerung in Fällen des Tauschs und den Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung die gleichen rechtlichen Wertungen zugrunde lagen. Es soll nachfolgend untersucht werden, ob die wirtschaftliche Betrachtungsweise in der Lage war, den Aufschub der Besteuerung in diesen Fällen des Tauschs schlüssig zu begründen und ob der Besteuerungsaufschub der Rücklage für Ersatzbeschaffung als Parallele zum Besteuerungsaufschub beim Tausch aufgefasst werden konnte. 214 So BVerfG BStBl. Π 1992, 212, 213. 215 Vgl. auch Müller-Franken DStZ 2004, 606, 610 f. 216 So Wetter DStBl. 1930, 233, 246 f.; vgl. hierzu auch R. Thiel DB 1958, 1431,1433.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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a) Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Grundlage für den Besteuerungsaufschub beim Tausch aa) Die Sichtweise der Rechtsprechung Der Reichsfinanzhof ist in seiner Rechtsprechung davon ausgegangen, dass beim Tausch grundsätzlich eine Gewinnrealisierung eintrete. 217 Der Reichsfinanzhof hat allerdings beim Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften eine Übertragung stiller Reserven durch Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zugelassen. In einem Urteil aus dem Jahr 1934 218 hat der Reichsfinanzhof ausgeführt, eine Realisierung stiller Reserven könne nicht angenommen werden, wenn eine GmbH von einer Aktiengesellschaft übernommen werde und eine Anteilseignerin an Stelle der bisherigen Anteile Aktien der übernehmenden Aktiengesellschaft erhalte. Betrachte man den Umtausch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, so könne die Anteilseignerin sich in einem gewissen Grade auch als Besitzerin der früheren Stammanteile betrachten. Ihre früheren GmbH-Anteile arbeiteten in veränderter Rechtsform wirtschaftlich in ihrer ursprünglichen Bedeutung weiter. Daher sei eine Gewinnverwirklichung durch den Umtausch zu verneinen. 219 Dem vergleichbar hat der Reichsfinanzhof in einer Entscheidung aus dem Jahr 1940 220 ausgeführt, eine Gewinnrealisierung sei bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu verneinen, wenn die eingetauschten Anteile an einer Kapitalgesellschaft nach ihrem Wert und nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gleich221

wertig seien. Allerdings hat der Reichsfinanzhof angedeutet, dass diese Rechtsprechung nicht auf den Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften beschränkt sei. So hat der Reichsfinanzhof - allerdings lediglich in einem obiter dictum - ausgeführt, es könne in bestimmten Fällen des Tauschs die Auffassung vertreten werden, dass eine Realisierung stiller Reserven nicht stattfinde und daher ein Ansatz des erhaltenen Wirtschaftsguts mit dem Buchwert des hingegebenen Wirtschaftsguts möglich sei. 2 2 2 Ein solcher Fall sei etwa dann gegeben, wenn ein im Betrieb noch brauchbarer Gegenstand gegen einen anderen Betriebsgegenstand eingetauscht werde, der im Betrieb die gleiche Funktion zu erfüllen habe. 223 Der Bundesfinanzhof ist davon ausgegangen, dass der Tausch grundsätzlich nicht anders als der Kauf zu behandeln sei und daher einen Gewinnrealisierungs217 V g l . RFH RStBl. 1925, 169 (nur LS) = RFHE 17, 105; ebenso RFH RStBl. 1930, 363. 218 RFH RStBl. 1935, 155. 219 So RFH RStBl. 1935,155,156; vergleichbar RFH RStBl. 1932,464,465. 220 RFH RStBl. 1940, 595.

221 So RFH RStBl. 1940, 595, 596. 222 Vgl. RFH RStBl. 1930, 363 f. 223 So RFH RStBl. 1930, 363; interessant ist, dass diese Entscheidung vom VI. Senat gefällt wurde, der am gleichen Tag (am 2. April 1930) das Leiturteil zur Rücklage für Ersatzbeschaffung gefällt hat (RStBl. 1930, 313).

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

tatbestand darstelle. Zur Begründung hat der Bundesfinanzhof auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs verwiesen. 224 Dass dieser Verweis auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs nicht sachgerecht war, ist bereits ausgeführt worden. 225 Der Bundesfinanzhof hat später ebenfalls Ausnahmen von dem Grundsatz der Gewinnrealisierung beim Tausch gemacht. Im Tauschgutachten226 zur Frage, ob der Tausch von Anteilsrechten an Kapitalgesellschaften eine Gewinnverwirklichung zur Folge hat, führte der Bundesfinanzhof aus, dass Anteilsrechte an Kapitalgesellschaften nach § 6 I Nr. 1 und Nr. 2 EStG grundsätzlich mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten anzusetzen seien. Wenn die Gegenleistung nicht wie beim Kauf in Geld, sondern in anderen Wirtschaftsgütern bestehe, fehle es an einer wirtschaftlich vernünftigen Begründung dafür, dass die Gegenleistung und damit der Ansatz der Anschaffungskosten nicht mit dem tatsächlichen Wert, sondern nach dem mehr oder weniger zufälligen Buchwert des hingegebenen Wirtschaftsguts bemessen werden solle. Als Anschaffungskosten sei der gemeine Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts anzusetzen.227 Allerdings könne die im Steuerrecht gebotene wirtschaftliche Betrachtung bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise zu dem Ergebnis führen, dass beim Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerlich kein Anschaffungsgeschäft und kein Tauschvertrag vorliege, weil die hingegebenen und eingetauschten Anteile wirtschaftlich identisch seien. Wirtschaftliche Identität bzw. „Nämlichkeit" der Tauschobjekte erfordere Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit der Anteile. 228 Eine allgemeinverbindliche Formel lasse sich allerdings nicht finden, es sei stets eine Berücksichtigung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich. 229 Gleichwertigkeit sei gegeben, wenn die gemeinen Werte von hingegebenen und eingetauschten Anteilen sich in etwa entsprächen. Dagegen ließen sich die Begriffe Gleichartigkeit und Funktionsgleichheit nicht juristisch formulieren. Die Funktionsgleichheit könne zu bejahen sein, wenn die eingetauschten Anteile die gleiche betriebliche Funktion erfüllten oder bei wirtschaftlicher Betrachtung die gleichen Wirtschaftgüter repräsentierten und deshalb nur eine formale Änderung einer Beteiligung am Betriebsvermögen vorliege. 230 Außerdem hat der Bundesfinanzhof ausgesprochen, dass die Grundsätze dieses Gutachtens nicht auf andere Vorgänge übertragbar seien. 231 In späteren Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, bei einem Tausch sei als Anschaffungskosten für das erhaltene Wirtschaftsgut der gemeine 224 So BFH BStBl. ΙΠ 1955, 320; ebenso BFH BStBl. ΠΙ 1957, 195, 196. 225 Vgl. oben 1. Kapitel unter A. III. 1. 226 BFH BStBl. III 1959,30. 227 228 229 230

So BFH BStBl. III 1959, 30, 32. So BFH BStBl. III 1959, 30, 32. Vgl. BFH BStBl. III 1959, 30, 32. Vgl. BFH BStBl. ΠΙ 1959, 30, 32 f.

231 So BFH BStBl. ΙΠ 1959, 30, 32.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts maßgeblich. Bei einem freiwilligen Tausch könne allein im Ausnahmefall des Tauschs von Anteilen an Kapitalgesellschaften der Buchwert des eingetauschten Wirtschaftsguts als Anschaffungskosten für das erlangte Wirtschaftsgut angesetzt werden. 232 Die Grundsätze des Tauschgutachtens wurden von der Rechtsprechung als gewohnheitsrechtlich verfestigt angesehen.233

bb) Die Sichtweise in der Literatur Die überwiegende Ansicht in der Literatur ging mit Hinweis auf die Rechtsprechung davon aus, dass die zivilrechtliche Einordnung von Kauf und Tausch dazu führe, dass diese gleich zu behandeln seien und folglich in Tauschfällen grundsätzlich eine Gewinnrealisierung anzunehmen sei. 234 Nach einigen Stimmen in der Literatur war in allen Fällen des Tauschs ein Aufschub der Besteuerung anzunehmen. Lüders begründete den generellen Besteuerungsaufschub beim Tausch mit einer teleologischen Reduktion des Anschaffungswertprinzips des § 6 I Nr. 1 EStG. Danach wird das Anschaffungswertprinzip auf die Bewertung derjenigen Vermögensgegenstände beschränkt, die in Geld ausgedrückt sind. 235 Verbreiteter war die Ansicht, die den Aufschub der Besteuerung in Tauschfällen mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründete. 236 Sie erachtete das Tauschgutachten als in der Begründung richtig, hielt es aber für geboten, dessen Grundsätze auch auf andere Fälle des Tauschs auszudehnen. Die Grundsätze des Tauschgutachtens seien auf andere Tauschvorgänge übertragbar, so dass eine Gewinnverwirklichung beim Tausch immer dann zu verneinen sei, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise wegen der Wert-, Art- und Funktionsgleichheit der getauschten Gegenstände die „Nämlichkeit" angenommen werden könne. 237 Für eine Verallgemeinerung der Grundsätze des Tauschgutachtens spreche, dass wirtschaftlich sinnvolle Vorgänge nicht erschwert werden sollten, wenn die spätere Erfassung der stillen Reserven gesichert sei. Deshalb müsste auch in anderen Fällen eine Übertragung stiller Reserven möglich sein. 238 232 Vgl. BFH BStBl. ΠΙ 1966, 127, 128; auch BFH BStBl. Π 1970, 743, 744; BStBl. II 1980, 439, 440 f.; BStBl. II 1983, 303, 304; BStBl. U 1992, 946, 947. 233 Vgl. BFH BStBl. Π 1979,412,414; zustimmend Knobbe-Keuk § 24 m S. 927; kritisch Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 48; gegen die Annahme von Gewohnheitsrecht auch Ebling in: FS Klein, S. 801, 808 f. 234 Vgl. Knobbe-Keuk § 5 IV S. 167 und § 6 I S. 262 mit Nachweisen; auch Donath/Zugmaier BB 1997, 2401, 2402; anders Wassermeyer DStJG Bd. 7 (1984), 169, 172 ff., der die Gewinnrealisierung beim Tausch mit einer entsprechenden Anwendung von § 8 II EStG begründet; nach Lüders, Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, S. 138 läuft dies auf eine unzulässige Analogie hinaus. 235 Vgl. Lüders, Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, S. 128 f., auch S. 139. 236 Kritisch hierzu Lüders, Zeitpunkt der Gewinnrealisierung, S. 132 f. 237 So Knobbe-Keuk § 6 Π S. 263. 238 Vgl. von Wallis FR 1974, 517, 518.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Teilweise wurde die Ansicht vertreten, die Grundsätze des Tauschgutachtens hätten sich durch die Einführung des § 6b EStG erledigt. 239 Für diese Sichtweise ließ sich anführen, dass die Einführung des § 6b EStG durch die Beschränkung der Grundsätze des Tauschgutachtens provoziert worden war, weil sich nur durch eine gesetzliche Regelung die vom Tauschgutachten nicht erfassten Fälle erfolgsneutral behandeln ließen. 240 Auch sprach hierfür, dass die von § 6b EStG geregelten Fälle Ähnlichkeiten mit dem Tausch von Wirtschaftsgütern aufweisen: Die durch § 6b EStG begünstigten Vorgänge sind tauschähnlich, weil die Auswechselung der Wirtschaftsgüter nur durch den Verkauf des einen Wirtschaftsguts und den Erwerb des anderen Wirtschaftsguts getrennt ist. Es könnte ebenso ein direkter Austausch der Wirtschaftsgüter stattfinden. Begünstigt ist durch § 6b EStG aber nur der Verkauf von Wirtschaftsgütern mit anschließender Reinvestition, nicht aber der Tausch. Gleichwohl konnte nicht davon ausgegangen werden, das Tauschgutachten habe sich durch § 6b EStG erledigt. Denn das Tauschgutachten war auf den Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften beschränkt, so dass § 6b EStG und das Tauschgutachten keinen gemeinsamen Anwendungsbereich hatten. Deshalb war die Ansicht, das Tauschgutachten habe sich durch die Einführung von § 6b EStG erledigt, nicht zutreffend. cc) Stellungnahme Die Annahme der Erfolgsneutralität des Tauschs von Anteilen an Kapitalgesellschaften war nicht überzeugend. Denn der Ausnahmetatbestand hätte weiter gefasst werden müssen, als das Tauschgutachten dies getan hat. Die Beschränkung des Tauschgutachtens auf den Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften war unzutreffend, weil die Bevorzugung des Tauschs von Anteilen an Kapitalgesellschaften einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG darstellte. 241 Es lässt sich kein sachlicher Grund finden, der eine steuerliche Besserstellung des Tauschs von Anteilen an Kapitalgesellschaften rechtfertigt. Zwischen dem Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften und anderen Wirtschaftsgütern bestehen auch nicht Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. 242 Allerdings war es auch nicht möglich, die Grundsätze des Tauschgutachtens auf andere Tauschvorgänge auszudehnen. Zum einen war die Begründung des Besteuerungsaufschubs anhand des Begriffs der wirtschaftlichen Identität der Tauschgüter fragwürdig, weil er nur schwer hinreichend bestimmt werden konnte und 239 in diese Richtung Tipke DStJG Bd. 4 (1981), 1, 8; für eine Erledigung des Tauschgutachtens ausdrücklich Wassermeyer BB 1994, 1, 6, der dies allerdings mit § 20 V I UmwStG a.F. begründet; ebenso ders., Diskussionsbeitrag, StbJb 1992/93, 316 f. 240 So Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13, 23. 241 So Tipke DStJG Bd. 4 (1981), 1, 7; auch Wassermeyer DStJG Bd. 7 (1984), 169, 190 f. 242 Vgl. z u r Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nach der sog. neuen Formel BVerfGE 55, 72, 88.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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damit Probleme bereitete. 243 Zum anderen wäre eine Ausdehnung der Grundsätze des Tauschgutachtens mit den Gewinnermittlungsvorschriften nicht vereinbar gewesen, aus denen sich im Falle des Tauschs von Wirtschaftsgütern eine Gewinnrealisierung ergibt. Aber auch die gewohnheitsrechtliche Begründung der Grundsätze des Tauschgutachtens war nicht überzeugend. Die Beschränkung des Besteuerungsaufschubs auf den Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften stellte eine gleichheitswidrige Begünstigung dar. Da sich begünstigendes Gewohnheitsrecht im Steuerrecht aber nur im Einklang mit dem geltenden Recht entwickeln kann 2 4 4 , war eine Verfestigung der Grundsätze des Tauschgutachtens zu Gewohnheitsrecht nicht möglich. 245 b) Übertragbarkeit der Überlegungen zum Tausch auf die Rücklage fur Ersatzbeschaffung Eine Übertragung der Begründung des Besteuerungsaufschubs beim Tausch auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung war möglich, wenn beiden Ausnahmen von der Gewinnrealisierung die gleichen Erwägungen zugrunde lagen. In beiden Fällen ist der Besteuerungsaufschub mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründet worden. Zweifelhaft ist, ob in beiden Fällen der Ansatzpunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise derselbe war. Als die beim Tausch zugrunde liegenden maßgeblichen Gesichtspunkte für die Ausnahme von der Gewinnrealisierung wurden die wirtschaftliche Identität der Wirtschaftsgüter 246 und die Fortführung des unternehmerischen Engagements in anderer Form angeführt. 247 aa) Wirtschaftliche Identität der Wirtschaftsgüter Der Gedanke der wirtschaftlichen Identität der Wirtschaftsgüter nach Maßgabe des Tauschgutachtens ist für die Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht passend. Zunächst ist der Begriff der wirtschaftlichen Identität auch bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung zu unscharf und wenig praktikabel. Außerdem ist der im 243 Vgl. R. Thiel DB 1958, 1431, 1432; gegen den Begriff der wirtschaftlichen Identität treffend auch Wassermeyer DStJG Bd. 7 (1984), 169, 191. Wassermeyer bringt das Beispiel, dass ein Kaufmann ein bestimmtes Wirtschaftsgut zu einem bestimmten Preis verkauft, um es nur wenige Tage später zum selben Preis wieder zurückzukaufen. In diesem Fall könne man an der wirtschaftlichen Identität des Wirtschaftsguts keinen Zweifel haben. Gleichwohl führe der erste Verkauf zu einer Gewinnrealisierung. Deshalb könne es für die Gewinnrealisierung auf die wirtschaftliche Identität nicht ankommen. 244

Vgl. die Ausführungen oben unter Β. I. 3. 245 Im Ergebnis ebenso Ebling in: FS Klein, S. 801, 808 f.; allerdings verneint dieser Gewohnheitsrecht aufgrund des Fehlens einer kontinuierlichen und bindenden Rechtsprechung. 246 So BFH BStBl. III 1959, 30, 32. 247 So RFH RStBl. 1935,155,156. 8 Marchai

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Tauschgutachten verwendete Begriff der wirtschaftlichen Identität für die Rücklage für Ersatzbeschaffung zu eng. Denn es wird im Rahmen der Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht verlangt, dass das Ersatzwirtschaftsgut art- und wertgleich mit dem ausgeschiedenen Wirtschaftsgut ist. Ausreichend sind die Funktionsgleichheit der Wirtschaftsgüter und die funktionsgleiche Nutzung des Ersatzwirtschaftsguts. Folglich kann der Gedanke der Identität der Wirtschaftsgüter nicht auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung übertragen werden.

bb) Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form Die Rechtsprechung hatte in Fällen des Tauschs eine Gewinnrealisierung mit der Argumentation verneint, die im Zuge des Tauschs erhaltenen Gegenstände arbeiteten in veränderter Form wirtschaftlich in ihrer ursprünglichen Bedeutung weiter. Zu berücksichtigen ist, dass die Rechtsprechung den Gesichtspunkt der Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form lediglich für den Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften betont hat. 2 4 8 Der Gedanke der Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form passt auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht, weil die Rücklage für Ersatzbeschaffung dem von höherer Gewalt oder einem behördlichen Eingriff betroffenen Steuerpflichtigen die Belastung durch die Steuerzahlung ersparen will. Es geht darum, den Steuerpflichtigen in einer Notsituation zu begünstigen, damit diesem nicht durch die steuerliche Belastung die Fortsetzung der unternehmerischen Tätigkeit unmöglich gemacht wird. Auch wenn die Rücklage für Ersatzbeschaffung im Ergebnis eine Fortsetzung der unternehmerischen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ermöglicht, ist der Auslöser des Besteuerungsaufschubs die Zwangslage des Steuerpflichtigen und nicht die Privilegierung der Fortsetzung eines unternehmerischen Engagements. Aus diesem Grund ist die Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form nicht der bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung leitende Gesichtspunkt.249

cc) Ergebnis Der erfolgneutralen Behandlung des Tauschs und der Rücklage für Ersatzbeschaffung lag jeweils die wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde. Der Ansatzpunkt für die erfolgsneutrale Behandlung war jedoch jeweils ein anderer. Dementsprechend konnten die Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs nicht als erfolgsneutraler „Zwangstausch" angesehen werden. 248 So RFH RStBl. 1932,464,465; RStBl. 1935, 155,156. 249 Vgl. die Ausführungen im 1. Kapitel unter D. IV.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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c) Folgerungen für die Rücklage für Ersatzbeschaffung aus der Einführung des § 6 VI 1 EStG Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000 /2002 2 5 0 ist die Regelung des § 6 V I 1 EStG eingeführt worden. Danach bemessen sich beim Tausch die Anschaffungskosten für das erhaltene Wirtschaftsgut nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts. Mit § 6 V I 1 EStG ist denjenigen Ansichten die Grundlage entzogen worden, die aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine Gewinnrealisierung in den Fällen des Tauschs verneinten. Es stellt sich die Frage, ob aus der Einführung des § 6 V I 1 EStG Schlussfolgerungen für die Rücklage für Ersatzbeschaffung gezogen werden müssen. Zunächst ist festzustellen, dass sich die Regelung des § 6 V I 1 EStG nur auf die Fälle des Tauschs bezieht. Allerdings wurden beide Fälle des Besteuerungsaufschubs zunächst mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und später mit Gewohnheitsrecht begründet, so dass der Schluss möglich erscheint, nunmehr hätte sich auch die Rücklage für Ersatzbeschaffung erledigt. 251 Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Zwischen den Fällen des Tauschs und den Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung besteht ein fundamentaler Unterschied: Das Ausscheiden des Wirtschaftsguts erfolgt beim Tausch freiwillig, bei den anerkannten Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung dagegen unfreiwillig. Es ist gezeigt worden, dass die Begründung des Besteuerungsaufschubs beim Tausch mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung übertragbar war. Jedenfalls ist dem Vergleich von Tausch und „Zwangstausch" mit der Einführung des § 6 V I 1 EStG endgültig die dogmatische Grundlage entzogen worden.

3. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Grundlage der Rücklage für Ersatzbeschaffung Die Rechtsprechung ist lange Zeit davon ausgegangen, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise die rechtliche Grundlage der Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung darstelle. 252 Diese Rechtsprechung wäre überzeugend, wenn ein gesetzlicher Zweck bzw. ein gesetzliches Prinzip existierte, welcher bzw. welches im Falle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs einen Besteuerungsaufschub rechtfertigen würde. Allein die Berufung auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann den Besteuerungsaufschub nicht rechtfertigen, denn diese ist nur eine juristische Methode, aber noch kein substantielles Prinzip. 253 250 BGBl. 1 1999,402. 251 Vgl. den Hinweis hierauf bei Kirchhof / Fischer § 6 RdNr. 190. 252 s o RFH RStBl. 1930, 313, 314; RFH StuW 1935, 1280, 1281; ebenso BFH BStBl. III 1952, 208, 212; BStBl. III 1957, 261, 262; BStBl. III 1957, 386, 387; BStBl. III 1961, 1, 2; BStBl. II 1970, 743, 744. 8*

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2. Kap. : Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

a) Der Zweck der Gewinnermittlungsvorschriften Die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung stellen eine steuerrechtliche Ausnahme vom handelsrechtlichen Realisationsprinzip des § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB dar. Das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip des § 2521 Nr. 4 Hs. 1 HGB stellen die Fundamentalprinzipien der Gewinnermittlung dar. Die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften dienen dazu, den „vorsichtig ermittelten, verteilungsfähigen und ausschüttbaren Gewinn" zu bestimmen. 254 Die Beschränkung des handelsrechtlichen Gewinns auf den Umsatzgewinn, also der Ausschluss von Reinvermögenszugängen anderer Art, berücksichtigt nicht nur die für die Ausschüttbarkeit wichtige Liquiditätskomponente, sondern beruht auf dem Gedanken, dass ein als entziehbar geltender Betrag besonders vorsichtig zu bestimmen ist. 2 5 5 Der handelsrechtliche Zweck der Gewinnermittlungsvorschriften ist für die Gewinnung der Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung jedoch nicht weiterführend. Mit dem handelsrechtlichen Zweck der Gewinnermittlungsvorschriften kann ein Besteuerungsaufschub nicht gerechtfertigt werden, weil ein Umsatzakt gegeben ist, aufgrund dessen dem Steuerpflichtigen liquide Mittel zufließen, so dass ein Gewinn gegeben ist. Dieser Gewinn kann auch ausgeschüttet werden, weil der Steuerpflichtige nicht verpflichtet ist, den Entschädigungsbetrag für die Ersatzbeschaffung zu verwenden. Auch der von der Rechtsprechung angeführte steuerrechtliche Zweck der Gewinnermittlungsvorschriften, den „wirklichen" oder „vollen Gewinn" zu ermitteln 2 5 6 , ist für die Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs nicht weiterführend, weil sich aus den Gewinnermittlungsvorschriften eindeutig ein Gewinn ergibt und dem Steuerpflichtigen auch Mittel zufließen. 257

b) Zum Vorliegen eines den Besteuerungsaufschub rechtfertigenden Prinzips Es ist dargestellt worden, dass der Besteuerungsaufschub bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung, bei der Reinvestitionsrücklage gemäß § 6b EStG und beim Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften vor der Einführung des § 6 V I 1 253 Allgemein zur Begründung eines Besteuerungsaufschubs Beisse DStJG Bd. 4 (1981), 13,40. 254 Vgl. Beisse StuW 1984, 1,4. 2 55 Vgl. Moxter StuW 1989, 232, 236. 256 Zu diesem Zweck BFH BStBl. Π 1969, 291, 293; kritisch hierzu Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 149 ff.; Gassneri Lang S. 79 ff.; Hennrichs StuW 1999, 138, 145; Kruse in: FS Ritter, S. 413,424. 257 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 352: „Das durch die Entschädigung erhöhte Bankguthaben bzw. der Kassenbestand weisen einen sicheren Gewinn aus."

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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ESG keinem gemeinsamen Prinzip folgt. 2 5 8 Demzufolge ist es nicht möglich, die Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf ein diesen drei Fällen zugrunde liegendes Prinzip zu stützen und hiermit den Besteuerungsaufschub der Rücklage für Ersatzbeschaffung zu begründen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob darüber hinaus gesetzliche Prinzipien existieren, die in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs einen Besteuerungsaufschub gebieten, so dass die Rücklage für Ersatzbeschaffung mit der Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründet werden könnte. aa) Verneinung der Gewinnrealisierung mangels Gewinnrealisierungsabsicht Die Gewinnrealisierung könnte bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise verneint werden, wenn im geltenden Recht ein Prinzip bestünde, nach dem die Gewinnrealisierung nur dann zu bejahen ist, wenn das Wirtschaftsgut mit dem Willen des Steuerpflichtigen aus dem Betriebsvermögen ausscheidet. Der Begriff der Gewinnrealisierungsabsicht ist von dem Begriff der Gewinnerzielungsabsicht abzugrenzen. Die Absicht des Steuerpflichtigen, einen Gewinn zu erzielen, ist nach § 15 I I 1 EStG Voraussetzung für die Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb. Im Bereich der übrigen Einkunftsarten wird verlangt, dass der Steuerpflichtige mit Einkünfteerzielungsabsicht handelt. Die Gewinnerzielungsabsicht bzw. die Einkünfteerzielungsabsicht hat die Funktion, die Einkommenserzielungssphäre von der für die Einkommensteuer irrelevanten Einkommensverwendungssphäre abzugrenzen. 259 Gewinnerzielungsabsicht i.S.v. § 15 I I 1 EStG ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns.260 Im Gegensatz dazu geht es bei der Gewinnrealisierungsabsicht bei der Gewinnermittlung um die Frage, ob eine Gewinnrealisierung auch dann angenommen werden kann, wenn der Umsatzakt gegen den Willen des Steuerpflichtigen erfolgt. Es ist problematisch, den Eintritt von Besteuerungsfolgen von der Erfüllung subjektiver Tatbestandsmerkmale abhängig zu machen, denn im Steuerrecht geht es nicht um Vorsatz und Schuld. 261 Schwierig ist stets die Nachweisbarkeit subjektiver Faktoren. Um dieses Problem zu umgehen, wird versucht, die subjektiven Tatbestandselemente zu objektivieren, um sie praktikabel zu machen. Zur Objektivierung gehört die Trennung von Tatfrage und Rechtsfrage. Die Frage, ob ein 258 im i. Kapitel unter D. VI. 259 Vgl. nur Kirchhof/Reiß § 15 RdNr. 34. 260 So BFH BStBl. II 1984, 751, 766; auch Kirchhof//toj3 § 15 RdNr. 38; Herrmann/ Heuer/Raupach/Stapperfend § 15 RdNr. 1045; kritisch Seeger in: FS Schmidt, S. 37 ff. 261 So Weber-Grellet S. 38.

StuW 1999, 311, 314; auch Burkert,

Übertragung stiller Reserven,

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

bestimmter Sachverhalt den Tatbestand einer Norm erfüllt, ist allein eine Frage der Rechtsanwendung und hat nichts mit der vorgelagerten Tatsachenfeststellung zu tun. 2 6 2 Die Trennung von Tat- und Rechtsfrage ist bei den Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht problematisch, weil durch das Vorliegen höherer Gewalt oder eines (drohenden) behördlichen Eingriffs eindeutig feststellbar ist, dass die Gewinnrealisierung gegen den Willen des Steuerpflichtigen stattgefunden hat. 263 Dementsprechend liegt die Problematik der Gewinnrealisierungsabsicht nicht in der Nachweisbarkeit, sondern in der Frage, welche Rechtsfolgen sich aus dem Fehlen der Gewinnrealisierungsabsicht ergeben. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und später des Bundesfinanzhofs hat ausgeführt, eine Gewinnrealisierung müsse verneint werden, wenn die Gewinnrealisierung gegen den Willen des Steuerpflichtigen eingetreten sei. So hat der Reichsfinanzhof bereits in seinem Leiturteil zur Rücklage für Ersatzbeschaffung diese Sichtweise anklingen lassen und ausgeführt, der Steuerpflichtige denke nicht daran, die stillen Reserven zu realisieren. 264 Allerdings war der fehlende Realisationswille des Steuerpflichtigen in dem Leiturteil nicht der ausschlaggebende Grund, eine Realisation des Gewinns zu verneinen, sondern die Betrachtung von ausgeschiedenem Wirtschaftsgut und Ersatzwirtschaftsgut als identisch. 265 In nachfolgenden Urteilen hat der Reichsfinanzhof erklärt, ausschlagend für die Übertragung der stillen Reserven auf das Ersatzwirtschaftsgut sei, dass der Steuerpflichtige keine freiwillige Realisation herbeigeführt habe, sondern durch eine Zwangslage dazu gebracht worden sei. 2 6 6 Auch der Bundesfinanzhof hat zunächst ausgeführt, eine Gewinnrealisierung sei immer dann zu verneinen, wenn das Wirtschaftsgut gegen den Willen des Steuerpflichtigen aus dem Betriebsvermögen ausscheide.267 Im Tauschgutachten268 hat der Bundesfinanzhof es abgelehnt, das Fehlen der Gewinnrealisierungsabsicht als Grund für die Verneinung der Gewinnrealisierung anzusehen. Es komme für die Frage der Gewinnrealisierung auf den Willen des Steuerpflichtigen nicht an, weil ein solcher Wille nicht feststellbar sei und von dem Steuerpflichtigen nicht erwartet werden könne, dass, wenn von seinem Willen eine steuerliche Belastung abhänge, er einen dahingehenden Willen äußere. 269 262 Vgl. Weber-Grellet 263

StuW 1999, 311, 314.

Bei einem drohenden behördlichen Eingriff verlangt die Rechtsprechung, dass dieser das Hauptmotiv für die Veräußerung war (vgl. BFH BStBl. II 1976, 186, 187 f.). 264 So RFH RStBl. 1930, 313, 314. 265 Vgl. RFH RStBl. 1930, 313, 314. 266 RFH StuW 1935, 1280, 1281; ebenso auch RFH RStBl. 1938, 915; RStBl. 1944, 619, 620. 267 Vgl. BFH BStBl. ΠΙ 1952, 208, 211 f. 268 BFH BStBl. III 1959, 30. 269 Vgl. BFH BStBl. ΠΙ 1959, 30, 33.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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In nachfolgenden Urteilen zur Rücklage für Ersatzbeschaffung hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, es existiere kein allgemeiner Grundsatz, dass eine Gewinnrealisierung eine Gewinnrealisierungsabsicht des Steuerpflichtigen voraussetze, oder dass eine Gewinnrealisierung jedenfalls dann allgemein nicht eintrete, wenn ein Wirtschaftsgut ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen aus dem Betriebsvermögen ausscheide. Die Annahme eines derartigen Grundsatzes sei mit den Vorschriften zur Gewinnermittlung nicht vereinbar. Deshalb sei die Rücklage für Ersatzbeschaffung auf die gewohnheitsrechtlich verfestigten Fälle des Ausscheidens infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs beschränkt. 270 Auch in der Literatur ist angeführt worden, aufgrund des Fehlens der Gewinnrealisierungsabsicht müsse eine Gewinnrealisierung verneint werden. 271 Diese Sichtweise ist kritisiert worden. So ist in Anlehnung an die Aussagen des Bundesfinanzhofs im Tauschgutachten ausgeführt worden, dass nicht erwartet werden könne, dass der Steuerpflichtige den Willen zur steuerlichen Belastung äußere. 272 Die Frage, ob beim Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts eine Gewinnrealisierung eintrete oder nicht, sei keine Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage. Dagegen sei die Frage, ob eine Gewinnverwirklichungsabsicht des Steuerpflichtigen gegeben ist, eine Tatfrage. Für die Beantwortung der Rechtsfrage komme es nach der gesetzlichen Regelung auf die Tatfrage nicht an. 2 7 3 Demgemäß sei ein Fehlen der Gewinnverwirklichungsabsicht unbeachtlich. Auch ist darauf hingewiesen worden, dass sich steuerliche Leistungsfähigkeit willentlich und unwillentlich einstellen könne. Auf eine Realisierungsabsicht komme es deshalb nicht an. 2 7 4 Weiterhin ist ausgeführt worden, es mache es einen erheblichen Unterschied, ob man die Realisation von einem positiv darauf abzielenden Willen abhängig macht oder ob man die Realisation verneine, wenn aus objektiven Merkmalen auf den fehlenden Realisationswillen zu schließen ist. 2 7 5 Wenn der Reichsfinanzhof auf das Fehlen des Realisationswillens abgestellt habe, so habe er damit nicht gemeint, dass ein nachweisbarer Wille vorhanden sein müsse, sondern dass sich die Vermögensumschichtung gegen den Willen des Steuerpflichtigen vollzogen habe und deshalb die Gewinnrealisierung zu verneinen sei. 276 Die Unfreiwilligkeit der Veräußerung sei nicht die Negation einer Veräußerungsabsicht. Ihr fehle vielmehr das finale Element. 277 270 Vgl. BFH BStBl. Π 1975, 692, 695; ebenso BFH BStBl. II 1979,412,414. 271 So Vodrazka StuW 1975, 317, 319 f. 272 So/. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 192. 273 So R. Thiel DB 1958, 1431, 1432. 274 Vgl. hierzu Tipke DStJG Bd. 4 (1981), 1, 8; ebenso Herrmann / Heuer/ Raupach /Loose § 5 RdNr. 580. 275 Vgl. Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 15. 276 Vgl./. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 192. 277 Vgl. Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 38; Hindringer, Abschnitt 35 EStR 1966, S. 28.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Die Aussagen des Bundesfinanzhofs im Tauschgutachten zur Bedeutung des Willens des Steuerpflichtigen sind für die Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht von Bedeutung. Zwar ist zutreffend, dass von dem Steuerpflichtigen nicht erwartet werden kann, dass er den Willen zur steuerlichen Belastung äußert, wenn von diesem der Eintritt von Besteuerungsfolgen abhängt. Das Kriterium des willentlichen Ausscheidens hat aber nur in den Fällen Bedeutung, in denen das Wirtschaftsgut mit dem Willen des Steuerpflichtigen aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, aber trotzdem keine Gewinnrealisierungsabsicht besteht. Eine solche Konstellation war insbesondere beim Tausch gegeben. In diesen Fällen schied das Wirtschaftsgut willentlich aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen aus, gleichwohl beabsichtigte der Steuerpflichtige nicht, einen Gewinn zu realisieren. Bis zum Tauschgutachten des Bundesfinanzhofs wurde in diesen Fällen eine Gewinnrealisierung verneint. 278 Die Überlegungen des Bundesfinanzhofs im Tauschgutachten sind auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht übertragbar, weil das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs sowohl ohne den Willen des Steuerpflichtigen als auch ohne Gewinnrealisierungsabsicht erfolgt. In den Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung fehlt es bereits an einer willentlichen Vermögensumschichtung. Dies könnte zu dem Schluss führen, dass in den Fällen, in denen die Vermögensumschichtung ohne den Willen des Steuerpflichtigen erfolgt, ein Besteuerungsaufschub durch die Bildung einer steuerfreien Rücklage erfolgen müsse. Im geltenden Einkommensteuerrecht besteht jedoch nicht der Grundsatz, dass eine Gewinnrealisierung immer dann zu verneinen ist, wenn dem Steuerpflichtigen die Gewinnrealisierungsabsicht fehlte. Gegen die Annahme eines derartigen Grundsatzes spricht vor allem, dass dies zu einer Erweiterung der Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung führen würde. Die Annahme, beim Fehlen des willentlichen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts müsse die Gewinnrealisierung verneint werden, hätte die Konsequenz, dass die Beschränkung der Rücklage für Ersatzbeschaffung auf die Fälle des Ausscheidens durch höhere Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs nicht möglich wäre. Es müsste davon ausgegangen werden, dass die Bildung einer steuerfreien Rücklage immer dann zulässig ist, wenn ein Wirtschaftsgut ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen ausscheidet. Insbesondere wäre es zulässig, nach dem Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen infolge einer wirtschaftlichen Zwangslage eine Rücklage für Ersatzbeschaffung zu bilden. Eine derartige Reichweite des Anwendungsbereichs der Rücklage für Ersatzbeschaffung hat die Rechtsprechung aber ausdrücklich abgelehnt.279 Dementsprechend lässt sich die derzeitige Rechtspraxis nicht mit einem Fehlen der Gewinnrealisierungsabsicht des Steuerpflichtigen begründen. 280 278 Vgl. BFH BStBl. III 1952, 208, 211. 279 Vgl. BFH BStBl. Π 1975, 692, 695. 280 So auch Tipke DStJG Bd. 4 (1981), 1, 8; ebenso J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 192.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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bb) Das Prinzip der Nichtbesteuerung nicht realisierter Gewinne Der Reichsfinanzhof hatte in seinem Leiturteil zunächst auf einen Grundsatz der Nichtbesteuerung nicht realisierter Gewinne abgestellt und hat deshalb eine Gewinnrealisierung verneint. 281 Es stellt sich die Frage, ob hierin ein allgemeines Prinzip der Gewinnrealisierung gesehen werden kann. Der Reichsfinanzhof hatte ausgeführt, das Einkommensteuergesetz werde vom Grundsatz der Nichtbesteuerung nicht realisierter Gewinne beherrscht. 282 Dieser Grundsatz ergibt sich aus dem Realisationsprinzip des § 2521 Nr. 4 Hs. 2 HGB, wonach ein Gewinn nur dann zu berücksichtigen ist, wenn er am Abschlussstichtag realisiert ist. Schlussfolgerungen lassen sich hieraus nicht ziehen, weil die Rücklage für Ersatzbeschaffung eine Ausnahme von der Gewinnrealisierung darstellt. Die Annahme, die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung beruhten auf einem Grundsatz der Nichtbesteuerung nicht realisierter Gewinne, verkennt, dass die Rechtsprechungsgrundsätze nicht Ausdruck eines Grundsatzes sind, sondern vielmehr die Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein realisierter Gewinn zu versteuern ist. Eine Realisation ist aufgrund der gesetzlichen Vorschriften auch beim Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegeben. Bezeichnend ist ferner, dass auch der Reichsfinanzhof in späteren Urteilen nicht mehr auf diesen Grundsatz abgestellt hat. Das Prinzip der Nichtbesteuerung nicht realisierter Gewinne ist somit kein tragfähiges Prinzip für die Begründung des Besteuerungsaufschubs.

cc) Der Grundsatz der Irrelevanz einer formellen Vermögensmehrung und der Grundsatz der steuerlichen Irrelevanz von Buchgewinnen Vergleichbar mit den Ausführungen des Reichsfinanzhofs ist in der Literatur angefühlt worden, in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs komme es zu einer einkommensteuerrechtlich irrelevanten formellen Vermögensmehrung. Ein inhaltlich identischer Ansatz besteht darin, den zwangsweise realisierten Gewinn als steuerlich irrelevanten Buchgewinn zu qualifizieren. So ist Knobbe-Keuk davon ausgegangen, die Rücklage für Ersatzbeschaffung finde ihre Grundlage in einer dem Einkommen als wirtschaftlicher Größe Rechnung tragenden Anwendung der Gewinnermittlungsvorschriften. 283 Es ergebe sich schon aus dem Begriff des Einkommens als wirtschaftlicher Größe, dass ein 281 Vgl. RFH RStBl. 1930, 313, 314. 282 So RFH RStBl. 1930, 313,314; auch Hindringen Abschnitt 35 EStR 1966, S. 32 f. 283 Vgl. Knobbe-Keuk StuW 1976,43, 49 f.; ebenso dies. § 6 II S. 260 und dies, in: FS 75 Jahre RFH-BFH, S. 303, 314 f.; vergleichbar von Wallis DStZ 1984, 343, 349; so schon R. Thiel StKongrRep 1968, 273,278.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Gewinn nicht realisiert worden sei. Die sich aus der Bilanz ergebende Vermögensvermehrung sei einkommensteuerrechtlich irrelevant, wenn für den Steuerpflichtigen alles beim Alten geblieben sei, es sich also um eine nur formelle Vermögensmehrung handele. 284 Es bestehe der Grundsatz, dass eine Gewinnrealisierung ausgeschlossen sei, wenn die sich aus der Bilanz ergebende Vermögensmehrung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich nichts bedeute, weil es sich nur um eine formelle Vermögensmehrung handele. 285 Zwar sei davon auszugehen, dass das Ergebnis der Gewinnermittlung im Normalfall den Steuerpflichtigen tatsächlich auch berühre und ihm deshalb als positives oder negatives Einkommen zuzurechnen sei. In einigen Situationen allerdings verbiete die Macht der Wirklichkeit, das Ergebnis der Gewinnermittlung als eine für die an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierte Einkommensbesteuerung brauchbare Größe zu akzeptieren. Ein solcher Fall sei insbesondere beim Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegeben.286 Dieser Ansatz geht auf Enno Becker zurück, der ausgeführt hatte, wirtschaftlich belanglose Vorgänge müssten auch einkommensteuerrechtlich irrelevant sein. Ein solcher wirtschaftlich belangloser Vorgang sei gegeben, wenn ein Wirtschaftsgut durch einen anderen Gegenstand ersetzt werde, der diesen letzteren vertrete. 287 Folgt man diesen Ansätzen, so muss man eine Übertragung auch in anderen Fällen zulassen, insbesondere beim Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge einer wirtschaftlichen Zwangslage. Eine Beschränkung auf die von der Rechtsprechung zugelassenen Fälle der Übertragung stiller Reserven auf Ersatzwirtschaftsgüter ist dann nicht vertretbar. 288 Als weiterer Anwendungsfall für die Irrelevanz einer lediglich formellen Vermögensmehrung bzw. eines bloßen Buchgewinns ist die steuerneutrale Behandlung von Sanierungsgewinnen angesehen worden. 289 Werden einem Not leidenden Unternehmen Schulden erlassen, so weist der Betriebsvermögensvergleich einen Gewinn in entsprechender Höhe aus. Die Besteuerung dieses Buchgewinns erscheint unbillig, weil der zu sanierende Schuldner regelmäßig die Mittel zur Bezahlung der Steuern nicht selbst aufbringen kann und die Gläubiger ihrerseits kaum bereit sein werden, dem Schuldner über den Schuldenerlass hinaus noch etwas positiv zuzuwenden. Diese Überlegungen veranlassten den Reichsfinanzhof, Sanierungs284 So Knobbe-Keuk StuW 1976,43,49 f. 285 So Knobbe-Keuk StuW 1976, 43, 50; dies. § 6 II S. 256; dies. in: FS 75 Jahre RFHBFH, S. 303,314. 286 Vgl. Knobbe-Keuk StuW 1976, 43, 50; dies. § 6 Π S. 259 f. 287 Vgl. Becken Grundlagen, § 236 und § 328; ders. StuW 1930, 429, 439; ähnlich ders. StuW 1940, 67, 70. 288 So konsequent Knobbe-Keuk StuW 1976,43, 50. 289 So Becker, Grundlagen, § 234; ders. StuW 1940, 67, 69; ebenso Knobbe-Keuk in: FS 75 Jahre RFH-BFH, S. 303, 310 f.; von Wallis DStZ 1981,487, 488.

C. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Auslegung

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gewinne mit der Begründung einkommensteuerfrei zu stellen, es handele sich um einen betriebsfremden Vorgang. 290 Auch wurde der Zweck der Sanierung in den Vordergrund gestellt, die zur Weiterführung des Betriebes notwendigen Mittel dem Betrieb ohne Wegsteuerung eines Teils durch die Einkommensteuer zu belassen.291 Der Schuldner erlange eine formelle Vermögensmehrung als Ergebnis von Vereinbarungen anderer Personen, demnach infolge eines außerhalb des Unternehmens liegenden Vorgangs. 292 Der Bundesfinanzhof hat die Grundsätze des Reichsfinanzhofs zur steuerneutralen Behandlung von Sanierungsgewinnen übernommen 293 und sie später als Gewohnheitsrecht bezeichnet.294 Crezelius hat die Rechtsprechung zum Sanierungsgewinn angegriffen und ausgeführt, es handele sich nicht mehr um die Auslegung des Gesetzes, sondern um Rechtsfortbildung contra legem, die allein aus Billigkeitsgründen erfolge. Die wahren Gründe für die Rechtsprechung seien außersteuerrechtliche und wirtschaftspolitischer Art. 2 9 5 Hingegen hat Knobbe-Keuk ausgeführt, der Gedanke, dass nur formelle Vermögensmehrungen nicht der Einkommensbesteuerung unterliegen, trage der Tatsache Rechnung, dass das Einkommen in erster Linie ein wirtschaftlicher Begriff sei. Der Buchgewinn infolge des Schuldenerlasses bedeute kein Einkommen, weil wirtschaftlich alles beim Alten geblieben sei. 2 9 6 Ob die Rechtsprechung eine Rechtsfortbildung contra legem darstellte, kann dahingestellt bleiben. Denn mit dem Körperschaftsteuerreformgesetz 1976 297 ist § 3 Nr. 66 EStG a.F. eingeführt worden, der die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen gesetzlich regelte. 298 Die Einführung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. ist von Knobbe-Keuk kritisiert worden. Die gesetzliche Regelung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen habe die dogmatische Begründung verschüttet. Die Steuerneutralität von Sanierungsgewinnen beruhe wie die Rücklage für Ersatzbeschaffung auf der Auslegung des Gewinnbegriffs. 299 Deshalb sei es verfehlt, dass die Nichtbesteuerung des Sanierungsgewinns den Charakter einer positivistischen, mehr oder weniger willkürlichen Ausnahmebestimmung angenommen habe. 300 290 291 292 293 294

Vgl. RFHE 21, 263, 265. Vgl. RFH RStBl. 1932,160, 161. Vgl. RFHE 21, 263, 265. Vgl. BFH BStBl. III 1961, 516; BStBl. ΠΙ 1964,122, 123. So BFH BStBl. II 1969, 102,103.

295 So die Kritik bei Crezelius, Steuerrechtliche RechtsanWendung, S. 168. 296 Vgl. Knobbe-Keuk in: FS 75 Jahre RFH-BFH, S. 303, 310 f. 297 BGBl. 1 1976, 2597; vgl. auch die Begründung in BT-Drucks. 7/1470,243. 298 Ausführlich zu § 3 Nr. 66 EStG a.F. Bachem, Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen nach § 3 Nr. 66 EStG, S. 130 ff. 299 Vgl. Knobbe-Keuk in: FS 75 Jahre RFH-BFH, S. 303, 314 f.; ebenso bereits Becker, Grundlagen, § 234 und ders. StuW 1940, 67, 69. 300 So Knobbe-Keuk in: FS 75 Jahre RFH-BFH, S. 303, 315.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

§ 3 Nr. 66 EStG a.F. ist vom Gesetzgeber ab dem Veranlagungszeitraum 1998 aufgehoben worden. 301 An § 3 Nr. 66 EStG a.F. ist kritisiert worden, dass durch die Vorschrift eine doppelte Verlustberücksichtigung ermöglicht werde. 302 Seit 1998 praktiziert die Finanzverwaltung einen Erlass der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer auf Sanierungsgewinne nach §§ 163, 222, 227 AO, weil die Besteuerung von Sanierungsgewinnen in einem Zielkonflikt mit der neuen Insolvenzordnung steht. 303 Die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen wird mittlerweile nicht mehr auf der Ebene der Gewinnermittlung, sondern auf den Ebenen der Steuerfestsetzung und der Steuererhebung erreicht. Dementsprechend wird auf der Ebene der Gewinnermittlung davon ausgegangen, dass ein Gewinn verwirklicht ist, auch wenn er sich aus der Sicht des Steuerpflichtigen als lediglich formelle Vermögensmehrung darstellt. Dementsprechend muss davon ausgegangen werden, dass die These von der Irrelevanz einer lediglich formellen Vermögensmehrung für die Behandlung des Sanierungsgewinns überholt ist. Durch die Behandlung des Sanierungsgewinns als steuerpflichtigen Gewinn und die Erzielung der Steuerneutralität auf den Ebenen der Steuerfestsetzung und der Steuererhebung fehlt der Begründung der These vom Vorliegen einer lediglich formellen Vermögensmehrung bzw. eines Buchgewinns ein wichtiger Anwendungsfall. Allerdings ist die Annahme einer formellen Vermögensmehrung bzw. eines Buchgewinns für die Fälle des zwangsweisen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts ohnehin nicht passend. Der zwangsweise aufgedeckte Gewinn bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung kann nicht als Buchgewinn oder formelle Vermögensmehrung angesehen werden, weil es im Gegensatz zu den Fällen des Sanierungsgewinns zu einem Zufluss liquider Mittel beim Steuerpflichtigen kommt. Es bleibt für den Steuerpflichtigen nicht alles beim Alten. Vielmehr finden tief greifende Vermögensbewegungen statt. 304 Die Begriffe der formellen Vermögensmehrung und des Buchgewinns können nicht erklären, aus welchem Grund eine bilanzielle Gewinnrealisierung steuerlich unbeachtlich sein soll. Die Begriffe verschleiern vielmehr die Wertungen, die hinter den Fällen des Besteuerungsaufschubs stehen: Der Sanierungsgewinn wird steuerneutral behandelt, weil es beim Steuerpflichtigen nicht zu einem Zufluss liquider Mittel kommt. Der infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs realisierte Gewinn wird steuerneutral behandelt, 301 Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (BGBl. I 1997, 2590). 302 Aus diesem Grunde für die Abschaffung von § 3 Nr. 66 EStG a.F. plädierend Groh DB 1996, 1890, 1892; hiergegen aber Dziadkowski DB 1997, 447, 448 f.; vgl. auch Hölzle FR 2004, 1193, 1204. 303 Vgl. BMF BStBl. I 2003, 240, sog. Sanierungserlass; kritisch zu dieser Lösung angesichts des Fehlens der „sachlichen" Unbilligkeit Kanzler FR 2003, 480. Vgl. zu § 3 Nr. 66 a.F. noch BFH BStBl. Π 2004,9 f. 304 Vgl. Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 17; ebenso J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183,192.

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damit die Ersatzbeschaffung nicht vereitelt wird. Die Qualifizierung des zwangsweise aufgedeckten Gewinns als unbeachtlicher Vermögenszuwachs beruht damit auf dem Gedanken der Steuerfreiheit von zweckgebundenen Gewinnen. Hieraus folgt aber nicht die steuerneutrale Behandlung, weil im geltenden Recht kein übergreifender Grundsatz existiert, dass zweckgebundene Betriebseinnahmen steuerlich immer so zu behandeln sind, dass sie zur Erfüllung des Zwecks ausreichen. 305 Außerdem sind die Begriffe der formellen Vermögensmehrung und des Buchgewinns unscharf, so dass sie nicht sonderlich gut handhabbar sind. 306 Eine lediglich formelle Vermögensmehrung bzw. einen Buchgewinn könnte ebenso in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts aufgrund einer wirtschaftlichen Zwangslage angenommen werden. 307 Da aber die Rechtsprechung die wirtschaftliche Zwangslage nicht als Grund für die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung anerkennt 308, können die Gewinnermittlungsvorschriften nicht dergestalt ausgelegt werden, dass in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts durch Zwang eine Gewinnrealisierung zu verneinen ist. Dementsprechend muss davon ausgegangen werden, dass ein allgemeiner Grundsatz, wonach eine lediglich formelle Vermögensmehrung bzw. ein Buchgewinn nicht zu einer Gewinnrealisierung führt, im geltenden Einkommensteuerrecht nicht existiert. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung kann hiermit nicht begründet werden. dd) Die Markteinkommenstheorie als zugrunde liegendes Prinzip Nach Ansicht von Lang bildet die Markteinkommenstheorie als Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips das dogmatische Gerüst für die Rücklage für Ersatzbeschaffung. 309 Nach der Markteinkommenstheorie fallen nur diejenigen Einnahmen, welche durch eine Erwerbstätigkeit mit der Absicht, einen Gewinn oder Überschuss von Einnahmen über Aufwendungen zu erzielen, erwirtschaftet worden sind, unter den Begriff des Einkommens. 310 In den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs liege kein planmäßig erwirtschafteter Gewinn vor. 3 1 1 305

siehe oben 1. Kapitel unter D. I. 306 Eine ähnliche Problematik stellt sich bei der Unterscheidung von echten (guten) und unechten (schlechten) Verlusten; hierzu Heintzen in: FS Schirmer, S. 165,167; vgl. auch ders. DStJG Bd. 28 (2005), 163,165. 307 in diese Richtung auch Herrmann /Heuer/ Raupach ! Loose § 5 RdNr. 580. 308 Vgl. BFH BStBl. III 1964, 504, 506; BStBl. II 1969, 381, 382 f.; BStBl. II 1971, 664, 667; BStBl. II 1975,692,695 f. 309 Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45,93 f. 310 Vgl. Lang DStJG Bd. 24 (2001), 49, 118. 3Π Vgl. Beisse StuW 1981 1, 10 f.; ebenso ders., Diskussionsbeitrag, DStJG Bd. 4 (1981), 138; auch Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 93; beide nehmen an, dass mittlerweile Gewohnheitsrecht entstanden ist.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Erhalte der Steuerpflichtige eine Entschädigung für planwidrige Eingriffe in das Betriebsvermögen, so solle er mit den Mitteln den früheren Zustand seines Betriebsvermögens wiederherstellen können. Das Element der Markteinkommenstheorie, stille Reserven nur dann der Einkommensteuer zu unterwerfen, wenn sie im Rahmen der Gewinnerzielungsabsicht planmäßig erwirtschaftet worden sind, verhüte die Besteuerung der Substanz des Betriebsvermögens. 312 Weiterhin betont Lang, dass die Rechtsprechung zum Aufschub der Gewinnrealisierung von dem Anliegen geprägt sei, die Gewinnversteuerung wirtschaftlich vernünftig anzusetzen, und zwar in dem Sinne, dass die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen schonend behandelt werde. Der Steuerpflichtige solle nicht von wirtschaftlich unangemessenen Folgen einer Aufdeckung stiller Reserven getroffen sein. Diese Rechtsprechung durchsetze die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit mit dem Element einer wirtschaftlich maßvollen Besteuerung. 313 Die Begründung der Rechtsprechung zur Rücklage für Ersatzbeschaffung mit der Markteinkommenstheorie ist nicht überzeugend. Ihr ist entgegen zu halten, dass sie davon ausgeht, dass das handelsrechtliche Realisationsprinzip die Markteinkommenstheorie konkretisiert. 314 Wenn das Realisationsprinzip die Markteinkommenstheorie konkretisiert, kann die Markteinkommenstheorie aber nicht herangezogen werden, um Ausnahmen vom Realisationsprinzip zu begründen. Außerdem spricht gegen die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung mit dem durch die Markteinkommenstheorie konkretisierten Leistungsfähigkeitsprinzip, dass die Beschränkung der Einkünfte auf am Markt erzielte Einnahmen im geltenden Recht nicht durchgehend verwirklicht ist. Gewinne können auch ohne Zutun des Steuerpflichtigen und außerhalb des Rahmens seiner eigentlichen wirtschaftlichen Betätigung entstehen.315 Die Markteinkommenstheorie soll die Besteuerung der Vermögenssubstanz verhindern. Deshalb verlangt sie, dass der Wert eines Vermögensgegenstandes durch Umsatzakt am Absatzmarkt realisiert wurde und dem Steuerpflichtigen ein liquider Gewinn zufließt. Steuerliche Leistungsfähigkeit setzt demgemäß grundsätzlich Liquidität voraus. Beim Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs fließt dem Steuerpflichtigen die Ersatzleistung zu. Deshalb müsste entsprechend der Markteinkommenstheorie die Ersatzleistung als liquider Gewinn angesehen und versteuert werden. Allerdings ist der zwangsweise realisierte Gewinn für die Ersatzbeschaffung vorgesehen, so dass er dem Steuerpflichtigen nicht frei zur Verfügung steht. Der Besteuerungsaufschub könnte mit der Markteinkommenstheorie gerechtfertigt werden, wenn der Gewinn aufgrund der Zweckbindung als nicht liquider Gewinn 312 Vgl. Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 94; auch Hey. in: Tipke/Lang § 18 RdNr. 211. 313 So Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45,48 f. 314 Vgl. nur Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 202. 315 Vgl. Herrmann /Heuer/ Raupach /Loose § 5 RdNr. 580; ähnliche Argumentation bei Ebling in: FS Moxter, S. 1005, 1017.

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anzusehen wäre. Allein die Zweckbindung liefert nicht die Begründung für den Besteuerungsaufschub, weil im geltenden Recht kein Grundsatz besteht, dass zweckgebundene Betriebseinnahmen steuerlich stets so zu behandeln sind, dass die Zweckerreichung möglich wird. 3 1 6 Es muss davon ausgegangen werden, dass auch nach den Maßstäben der Markteinkommenstheorie ein liquider Gewinn gegeben ist. Die These, es handele sich bei den aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs offen gelegten stillen Reserven nicht um einen „erwirtschafteten Gewinn", mag dem Rechtsgefühl entsprechen. Sie hat gleichwohl im Wortlaut der Gewinnermittlungsvorschriften keinen Niederschlag gefunden. Außerdem besteht die Gefahr, dass im Sinne der Markteinkommenstheorie „erwirtschafteter Gewinn" verneint wird, weil es an einem planvollen Vorgehen des Steuerpflichtigen fehlt, wenn ein Wirtschaftsgut zwangsweise aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen ausscheidet. Damit würde wiederum ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal abgestellt, auf welches im geltenden Recht nicht ankommt. Gegen den Wortlaut der Gewinnermittlungsvorschriften lässt sich eine Gewinnrealisierung nicht verneinen, weil eine Gesetzeskorrektur anhand des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht zulässig ist. 3 1 7 Mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip lassen sich außerdem dogmatische Detailfragen des geltenden Rechts nicht lösen. 318 Folglich kann die Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht durch Auslegung der Gewinnermittlungsvorschriften anhand des durch die Markteinkommenstheorie konkretisierten Leistungsfähigkeitsprinzips begründet werden.

ee) Rechtfertigung der Rechtsprechungsgrundsätze als Ausnahme von der zwingenden Gewinnrealisierung ohne zugrunde liegendes Prinzip Der Bundesfinanzhof hat die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründet, bevor er Gewohnheitsrecht als dogmatische Grundlage seiner Rechtsprechung angesehen hat. 3 1 9 Der Bundesfinanzhof hat ausgeführt, dass der Begriff der Gewinnverwirklichung ein wirtschaftlicher Begriff sei. 3 2 0 Allerdings hat er auch ausgeführt, es existiere kein übergesetzlicher Grundsatz der Gewinnrealisierung, sondern die Frage der Gewinnrealisierung sei anhand von §§ 4 ff. EStG zu entscheiden. Ergebe sich hiernach 316

Vgl. die Ausführungen im 1. Kapitel unter D. I. 317 Vgl. Kruse in: FS Friauf, S. 793, 806; auch Müller-Franken DStZ 2004, 606,608 f. 318 So allgemein Knobbe-Keuk § 7 IS. 269; zustimmend Costede StuW 1996, 19, 23; ähnlich auch Kruse in: FS Friauf, S. 793, 806. 319 So ζ. B. BFH BStBl, m 1952, 208, 210 ff.; BStBl. ΠΙ 1964, 240, 241; BStBl. Π 1970, 743, 744. 320 Vgl. BFH BStBl. III 1952, 208, 210 ff.; BStBl. III 1964, 240, 241.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

eine Gewinnrealisierung, könne diese nicht unter Berufung auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise durch Anerkennung eines übergeordneten Grundsatzes der Gewinnrealisierung beseitigt werden. 321 Gleichwohl gebe es Fälle, in denen die Rechtsprechung schon des Reichsfinanzhofs, ihm folgend der Bundesfinanzhof, in bestimmten Fällen aus wirtschaftlichen Gründen von der Annahme einer Gewinnverwirklichung abgesehen habe. 322 Die Sichtweise des Bundesfinanzhofs ist widersprüchlich. Wenn die Auffassung des Bundesfinanzhofs, es existiere kein übergeordneter Grundsatz der Gewinnverwirklichung, richtig ist, so fehlt die Grundlage dafür, den in den Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung sich ergebenden Gewinn von der Besteuerung auszunehmen. Eine Rechtsfortbildung durch den Richter kommt nur in Frage, wenn eine Regelung im Hinblick auf übergeordnete Wertungen zu Wertungswidersprüchen führt. Wenn aber der Bundesfinanzhof einen übergeordneten Grundsatz der Gewinnverwirklichung verneint, so kann auch die Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründet werden. 323 Es ist davon auszugehen, dass - wie der Bundesfinanzhof angenommen hat - kein übergeordneter Grundsatz der Gewinnrealisierung existiert, sondern dass sich die Frage der Gewinnrealisierung stets nach den §§ 4 ff. EStG richtet.324 Ausnahmen hiervon müssen sich aus dem Gesetz selbst ergeben. Die Rechtsprechung ist nicht berechtigt, von sich aus durch Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Ausnahmen zu schaffen.

4. Zusammenfassung Aus dem Zweck der Gewinnermittlungsvorschriften ergibt sich keine Ausnahme von der Besteuerung des durch das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs realisierten Gewinns. Angesichts des Fehlens eines den Gewinnermittlungsvorschriften zugrunde liegenden Prinzips, welches einen Besteuerungsaufschub in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts durch höhere Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs rechtfertigen könnte, besteht keine Möglichkeit, die Rechtsprechungsgrundsätze mit der Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu begründen.

321 322 323 324

So BFH BStBl. II 1970,743, 744 unter Berufung auf BFH BStBl. II 1969, 381, 383. Vgl. BFH BStBl. Π 1970, 743, 744. So von Wallis FR 1974, 517. Verneinend auch Luckey, StuW 1979,129, 142 und 147 f.

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III. Die Begründung der Rechtsprechung mit verfassungskonformer Auslegung der Gewinnermittlungsvorschriften Es besteht weiterhin die Möglichkeit, die Grundsätze der Rechtsprechung durch verfassungskonforme Auslegung zu begründen. In Betracht kommt eine verfassungskonforme Auslegung anhand von Art. 14 GG und anhand von Art. 3 I GG. Es soll dabei jeweils zweistufig vorgegangen werden. Zunächst ist zu klären, ob die genannten Artikel eine bestimmte Ausgestaltung der Besteuerung gebieten. Anschließend stellt sich die methodologische Frage, ob es möglich ist, die verfassungsrechtlichen Anforderungen durch verfassungskonforme Auslegung umzusetzen.

1. Verfassungskonforme Auslegung anhand von A r t 14 GG Die Rücklage für Ersatzbeschaffung verhindert, dass die Ersatzleistung besteuert wird. Eine Besteuerung des zwangsweise realisierten Gewinns könnte dazu führen, dass die Beschaffung eines gleichartigen Ersatzwirtschaftsguts (teilweise) unmöglich werden würde. Denn es muss davon ausgegangen werden, dass die Ersatzleistung, welche der Steuerpflichtige von der Versicherung (in den Fällen des Ausscheidens infolge höherer Gewalt), vom Erwerber (in den Fällen des Ausscheidens zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs) oder vom Staat (in den Fällen des Ausscheidens infolge eines behördlichen Eingriffs) erhält, regelmäßig so bemessen ist, dass sie zur Ersatzbeschaffung gerade ausreichend ist. Würde durch die Besteuerung eine Ersatzbeschaffung (teilweise) unmöglich werden, so würde die Besteuerung zu einem (teilweisen) Entzug der Erwerbsgrundlagen führen. 325 Es ist zweifelhaft, ob Art. 14 GG den Erhalt der Erwerbsgrundlagen gebietet. Wäre dies zu bejahen, so wäre auch der Besteuerungsaufschub der Rücklage für Ersatzbeschaffung aufgrund von Art. 14 GG geboten. Die Bedeutung der Eigentumsgarantie für die Ausgestaltung der Besteuerung ist seit langem umstritten. 326 Diese Problematik soll nur kurz angedeutet werden, um Schlussfolgerungen für die Rücklage für Ersatzbeschaffung aufzeigen zu können. 327

325 Vgl. Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 211; in diese Richtung schon Burkert, gung stiller Reserven, S. 23 und 25; vgl. auch BFH BStBl. II 1973, 582, 584. 326 Vgl. nur Tipke StRO I, S. 437 ff. mit zahlreichen Nachweisen.

Übertra-

327 Nachfolgend werden angesichts ihrer Bedeutung für die Diskussion um die verfassungsrechtlichen Grenzen der Besteuerung nur die traditionelle Sichtweise und das Schutzkonzept von Kirchhof dargestellt. Verwiesen sei noch auf die Ansätze von von Arnim VVDStRL Bd. 39 (1981), 286 ff. (zustimmend Beyer, Freiheitsrechte als Kontrollmaßstab, S. 75 ff., 164 ff.) und von Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 153 ff. 9 Marchai

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a) Die Bedeutung von Art. 14 GG für die Besteuerung Art. 14 I 1 GG gewährleistet das Eigentum und Erbrecht. Das Schutzobjekt Eigentum ist verfassungsrechtlich allerdings nicht definiert. 328 Der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums kommt nach dem Bundesverfassungsgericht die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und dem Einzelnen damit eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen. 329 Die traditionelle Sichtweise in verfassungsrechtlicher Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass Art. 14 I 1 GG grundsätzlich nur einzelne Eigentumspositionen schützt. 330 Nicht vom Schutz des Art. 14 I 1 GG umfasst ist das Vermögen als Summe der Eigentumspositionen. Die Auferlegung von Geldleistungspflichten, insbesondere einer Steuer, führt zur Belastung des Vermögens, weil der Betroffene aus seinem Vermögen diese Pflicht zu erfüllen hat. Die Auferlegung einer Geldleistungspflicht greift nicht in bestimmte Eigentumspositionen ein. Dementsprechend geht die traditionelle Auffassung davon aus, dass die Auferlegung einer Geldleistungspflicht keinen Eingriff in Art. 14 I 1 GG darstellt. 331 Ein Eingriff und zugleich eine Verletzung von Art. 14 I 1 GG ist hiernach erst dann gegeben, wenn die Geldleistungspflicht den Betroffenen übermäßig belastet und die Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt (sog. Erdrosselungswirkung). 332 Eine konfiskatorische oder erdrosselnde Wirkung durch die Auferlegung einer Geldleistungspflicht ist gegeben, wenn die Geldleistungspflicht den Steuerpflichtigen übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt. 333 Nach der traditionellen Sichtweise ist die Belastung mit einer Steuer deshalb an Art. 2 I GG zu messen. Der Schutz durch Art. 2 I GG ist jedoch eher formaler Natur, weil die Vereinbarkeit mit den inhaltlichen Aussagen des Freiheitsrechts nur geprüft wird, soweit die jeweilige Steuer lenkend wirkt. 3 3 4 Dementsprechend wird in dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG die wesentliche Grenze der Besteuerung erblickt. 335 328 Vgl. Hübschmann/Hepp/ Spitaler/Birk § 4 RdNr. 580. 329 Vgl. nur BVerfGE 24, 367, 389; zahlreiche Nachweise bei Hübschmann /Hepp /Spitäler I Birk § 4 RdNr. 580. 330 Vgl. nur BVerfGE 4, 7, 17; BVerfGE 19, 253, 267 f. 331 Vgl. ausführliche Darstellung bei Beyer, Freiheitsrechte als Kontrollmaßstab, S. 36 ff. 332 Zu der problematischen Konstruktion, dass erst die erdrosselnde Wirkung den Tatbestand von Art. 14 GG eröffnet, dann aber sogleich eine Verletzung von Art. 14 GG bedeuten soll, Beyer, Freiheitsrechte als Kontrollmaßstab, S. 37 f. mit Nachweisen. Dagegen geht beispielsweise Hübschmann /Hepp/ Spitaler /Birk § 4 RdNr. 584 davon aus, dass die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten zwar in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fällt, der Abwehranspruch aber solange keinen Erfolg verspricht, bis eine gewisse Intensität der Beeinträchtigung erreicht ist. 333 Vgl. nur BVerfGE 19, 253, 268 mit Nachweisen. 334 Näher Vogel in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht Π, S. 527, 536. 335 Vgl. Beyer, Freiheitsrechte als Kontrollmaßstab, S. 38 f.

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Nach dem von Kirchhof entwickelten Schutzkonzept schützt Art. 14 GG selbst vor einer übermäßigen Besteuerung. Art. 14 GG entfalte eine unterschiedliche Schutzintensität, je nachdem, ob die Besteuerung an das Innehaben von Eigentum oder an den Gebrauch anknüpfe. Für den Gebrauch ordne Art. 14 Π 2 GG eine zusätzliche, d. h. über Art. 14 I I 1 GG hinausgehende Sozialpflichtigkeit an. Dies gelte nicht nur für die Verwendung von Eigentum am Güter- und Dienstleistungsmarkt, sondern auch für die Erzielung von Ertrag. In der Erwerbsphase sei der steuerliche Zugriff am ehesten möglich, weil der Arbeits- bzw. Finanzmarkt viel zum Erfolg beitrüge. 336 Die Belastungsobergrenze liege allerdings nach Art. 14 I I 2 GG bei einer hälftigen Teilung. 337 Hingegen soll die Innehabung von konsolidiertem Vermögen, insbesondere von bereits versteuerten Erträgen, besonderem Schutz durch Art. 1411 GG unterliegen. Steuern auf den Vermögensbestand seien nur zulässig in Form der die Privatnützigkeit wahrenden Steuern auf den Sollertrag, die keinen Entzug der Vermögenssubstanz bewirkten. Deshalb müsse ertragsunfähiges Vermögen von der Besteuerung ausgenommen werden. 338 Mit dem Vermögensteuerbeschluss 339 aus dem Jahr 1995 übernahm der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts das Schutzkonzept seines Berichtserstatters Kirchhof. 340 Im Vermögensteuerbeschluss führte das Bundesverfassungsgericht aus, es verstoße gegen Art. 3 I GG, wenn Grundbesitz und sonstiges Vermögen mit demselben Steuersatz belastet würden, obwohl Grundbesitz mit Einheitswerten aus dem Jahr 1964 bewertet werde, hingegen sonstiges Vermögen mit Gegenwartswerten bewertet werde. 341 Im am gleichen Tag ergangenen Erbschaftsteuerbeschluss stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass auch die Einheitsbewertung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen im Rahmen der Erbschaftsteuer gegen Art. 3 I GG verstoße. 342 Das Bundesverfassungsgericht führte im Vermögenssteuerbeschluss weiterhin aus, dass das Eigentum nur so weit durch steuerliche Belastung beschränkt werden dürfe, dass dem Steuerpflichtigen ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen Vermögenswerten Rechtspositionen erhalten werde. 343 Die Zuordnung der Vermögenswerten Rechtsposition zum Eigentümer und die Substanz des Eigentums müssten gewahrt werden. Unter den Bedingungen des gegenwärtigen Steuerrechts sei für die ergänzende Besteuerung des mehrfach vorbelasteten Vermögens nur 336 337 338 339 340

Vgl. Kirchhof VVDStRL Bd. 39 (1981), 213, 270 f. Vgl. Kirchhof VVDStRL Bd. 39 (1981), 213, 271 f. Vgl. Kirchhof WDStRL Bd. 39 (1981), 213, 273 ff. BVerfGE 93, 121. Vgl. aber bereits die Ausführungen in BVerfGE 87, 153,169.

341 Vgl. BVerfGE 93, 121, 122. 342 Vgl BVerfGE 93,165, 166. 343 So BVerfGE 93, 121,137 unter Verweis auf BVerfGE 87, 153,169. *

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

noch ein enger Spielraum. Die Vermögenssteuer dürfe nur so bemessen werden, dass sie in ihrem Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die Substanz des Vermögens unberührt lasse und aus den üblicherweise zu erwartenden Erträgen bezahlt werden könne. Anderenfalls führte eine Vermögensbesteuerung zu einer schrittweisen Konfiskation, die den Steuerpflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde. 344 Schließlich führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass nach Art. 14 I 2 GG der Eigentumsgebrauch zugleich dem privaten Nutzen und dem Wohl der Allgemeinheit diene. Deshalb dürfe die Vermögenssteuer zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrjages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibe und dabei insgesamt auch Belastungsergebnisse vermeide, die einer vom Gleichheitssatz gebotenen Lastenverteilung nach Maßgabe finanzieller Leistungsfähigkeit zuwiderliefen (sog. Halbteilungsgrundsatz). 345 Die Ausführungen des Zweiten Senats, welche im Rahmen eines obiter dictum ergingen, haben eine lebhafte Diskussion ausgelöst.346 Während die Befürworter der Entscheidung eine Steuer- und Eigentumswende gekommen sahen 347 , warfen die Kritiker dem Zweiten Senat insbesondere einen Übergriff in den Kompetenzbereich des Gesetzesgebers und fehlendes judicial self-restraint vor. 3 4 8 Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat sich der Sichtweise des Zweiten Senats nicht angeschlossen.349 Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts nicht gefolgt, zum einen, weil der Bundesfinanzhof eine Bindungswirkung des Beschlusses nach § 3 1 1 und I I BVerfGG abgelehnt hat 3 5 0 , zum anderen, weil er die Ausführungen des Zweiten Senats für unzutreffend hält. 3 5 1

344 Vgl. BVerfGE 93, 121, 137. 345 Vgl. BVerfGE 93, 121, 138. 346 Vgl. nur Arndt/Schumacher DStR 1995, 1813 ff.; Bull NJW 1996, 281 ff.; Englisch StuW 2003, 237 ff.; Flume DB 1995, 1779 f.; Lang NJW 2000, 457 ff.; Tipke in: FS Ritter, S. 587 ff.; Vogel NJW 1996, 1257 ff.; Weber-Grellet BB 1996, 1415 ff.; Wieland DStJG Bd. 24 (2001), 29 ff. 347 So Leisner NJW 1995, 2591 ff. 348 So bereits Böckenförde in seinem Sondervotum BVerfGE 93, 149, 151. 349 Vgl. BVerfGE 95, 267, 300 f.; BVerfGE 96, 375, 397; auch BVerfGE 97, 332, 349. 350 Zum Problem der Reichweite der Bindungswirkung Beyer, Freiheitsrechte als Kontrollmaßstab, S. 66 ff. mit Nachweisen; Papier in: FS Vogel, S. 117,127 f. 351 Vgl. BFH BStBl. II 1999, 771, 772 ff.; hierzu Fischer FR 1999, 1292 ff.; Lang NJW 2000,457 ff.

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b) Folgerungen für die Rücklage für Ersatzbeschaffung Für die Ausgestaltung der Besteuerung in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs lassen sich weder aus der traditionellen Sichtweise noch aus dem Konzept von Kirchhof Schlussfolgerungen ziehen. Auf der Grundlage des traditionellen Verständnisses folgt aus Art. 14 GG für die Besteuerung lediglich, dass sie nicht erdrosselnd wirken darf. Die erdrosselnde Wirkung einer Besteuerung kann jedoch nur anhand einer Betrachtung der Gesamtbelastung festgestellt werden. 352 Eine erdrosselnde Besteuerung ist bei einer Besteuerung des durch Zwang realisierten Gewinns daher selbst dann nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige gezwungen ist, einen Teil der Ersatzleistung für die Steuerzahlung zu verwenden, weil die Belastung mit der Steuerpflicht sich immer noch auf das Vermögen und nicht auf konkrete Vermögenspositionen bezieht. 353 Nur in den Fällen, in denen das zwangsweise ausgeschiedene Wirtschaftsgut die einzige Erwerbsgrundlage darstellt und durch die Besteuerung des für die Wiederbeschaffung vorgesehenen Geldbetrages eine Ersatzbeschaffung unmöglich wird, kann eine erdrosselnde Wirkung der Besteuerung in Betracht kommen. In der Regel wird diese Grenze nicht überschritten werden, so dass sich bei diesem Verständnis von Art. 14 GG keine allgemeinen Anforderungen an die Ausgestaltung der Besteuerung ergeben. Auch auf der Grundlage des Schutzkonzepts von Kirchhof lässt sich mit dem sog. Halbteilungsgrundsatz allenfalls ein Maßstab für die steuerliche Gesamtbelastung ableiten. Aussagen über das Steuerobjekt und die Bemessungsgrundlage lassen sich hieraus nicht ableiten. Auch unter dem Gesichtspunkt der abgestuften Schutzintensität lassen sich keine Schlussfolgerungen ziehen. Das durch höhere Gewalt oder einen behördlichen Eingriff ausgeschiedene Wirtschaftsgut ist Teil des Betriebsvermögens des Steuerpflichtigen, und damit nicht Teil des ruhenden Vermögens. Nur dieser Teil des Vermögens genießt nach dem Konzept von Kirchhof steuerlichen Bestandsschutz.354 Deshalb genießt es auch nach dem Konzept von Kirchhof keinen erhöhten Schutz vor der Besteuerung, sondern nur den Schutz aufgrund des Halbteilungsgrundsatzes. Dementsprechend gibt Art. 14 GG für die Begründung des Besteuerungsaufschubs beim Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs nichts her.

352 Hierzu auch BVerfGE 87, 153, 169. 353 In diese Richtung auch Hindringer, Abschnitt 35 EStR 1966, S. 64 f. 354 Zum Schutz des Eigentumsbestands Kirchhof VVDStRL Bd. 39 (1981), 213,273 ff.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

c) Vergleich mit dem baurechtlichen Institut der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition Es stellt sich die Frage, ob sich die zu der baurechtlichen Rechtsfigur der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition entwickelten Überlegungen aus Art. 14 GG auf die Fälle der Rücklage für Ersatzbeschaffung übertragen lassen. Der typische Anwendungsfall der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition und der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist identisch. Ein Gebäude des Bauherrn/Steuerpflichtigen wird infolge eines Brandes vernichtet. Der Bauherr/Steuerpflichtige will das Gebäude wieder aufbauen. Im Bereich des Baurechts verbietet die inzwischen veränderte baurechtliche Situation eine Wiedererrichtung des Gebäudes; im Bereich des Steuerrechts gefährdet eine Besteuerung der Ersatzleistung den Wiederaufbau. Die eigentumskräftig verfestigte Anspruchsposition ist durch unmittelbaren Rückgriff auf Art. 14 GG entwickelt worden. Die baurechtlich eingeräumte Befugnis zur baulichen Nutzung des Grundeigentums genießt den Grundrechtsschutz des Art. 14 I GG. In ihren Bestand kann nur nach Art. 14 I 2, III GG eingegriffen werden. Daher kann eine rechtmäßig errichtete bauliche Anlage nicht allein deshalb beseitigt werden, weil sie zwischenzeitlich geändertem Planungsrecht widerspricht (sog. passiver Bestandschutz). Daneben hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts es anerkannt, dass bauliche Maßnahmen zum Erhalt und zur zeitgemäßen Nutzung einer rechtmäßig errichteten baulichen Anlage auch dann zulässig sind, wenn sie im Widerspruch zum einfachgesetzlichen Planungsrecht stehen (sog. aktiver Bestandsschutz).355 Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat darüber hinaus die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben unter dem Gesichtspunkt der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition bejaht. Typisch für diese Rechtsprechung ist der Fall, dass eine im Einklang mit dem seinerzeit geltenden Bauplanungsrecht errichtete bauliche Anlage abbrennt und der Wiederaufbau gegen die aktuelle baurechtliche Situation verstößt. 356 Unter dem Gesichtspunkt einer eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition hat das Bundesverwaltungsgericht die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bejaht. Eine eigentumskräftig verfestigte Anspruchsposition setzte voraus, dass irgendwann ein Anspruch auf die Zulassung der Bebauung entstanden sei und dass dieser Anspruch nach Art. 14 I GG gegen eine entschädigungslose Entziehung geschützt, d. h. Eigentum i.S.v. Art. 14 GG geworden sei. 357 Die Rechtsprechung hat die Figur der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition mittlerweile aufgegeben, weil der Gesetzgeber die Fallgruppen, für die dieser Anspruch gedacht war, inzwischen normiert hat. Dies gilt insbesondere für den Fall des Wiederaufbaus nach 355 Vgl. Schmidt-Aßmann / Krebs Kap. 4 RdNr. 138. 356 Vgl. den BVerwGE 47, 126 zugrunde liegenden Fall. 357 Vgl. BVerwGE 26, 111, 117 f.

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Brandzerstörung (vgl. § 35 IV 1 Nr. 3 BauGB). Über die normierten Fälle hinaus bestehen keine Ansprüche. 358 Eine Übertragung der Grundsätze der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung scheidet aus verschiedenen Gründen aus. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass Art. 14 GG das Recht des Eigentümers schützt, sein Grundstück im Rahmen der geltenden Gesetze zu bebauen. Insoweit schützt Art. 14 GG in diesem Bereich eine konkrete Rechtsposition. Unter dem Gesichtspunkt der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition wird diese Rechtsposition erweitert, indem die einstige baurechtliche Situation für maßgeblich erachtet wird und nicht die aktuelle baurechtliche Situation. Im Steuerrecht gewährleistet Art. 14 GG hingegen nicht den Bestand des Betriebsvermögens. Das einzelne Wirtschaftsgut ist als Teil des Betriebsvermögens und damit als Teil des Vermögens als Ganzes gerade nicht geschützt. Allenfalls kann man auf der Grundlage der dargestellten Schutzkonzepte Belastungsobergrenzen festlegen. Diese führen jedoch nicht zu einem „steuerrechtlichen Eigentumsschutz" für einzelne Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens. Zu berücksichtigen ist ferner, dass es für die Bejahung einer eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition auf das Alter der ursprünglichen Anlage ankam und darauf, dass sich eine bestimmte Bebauung des betreffenden Grundstücks der Verkehrsauffassung gerade aufdrängte. 359 Solche sich aus der Flächenbezogenheit des Bauplanungsrechts ergebenden Erwägungen spielen im Einkommensteuerrecht keine Rolle und können daher nicht übertragen werden. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die Fälle der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition mittlerweile normiert sind und darüber hinaus für einen Rückgriff auf Art. 14 GG kein Raum mehr bleibt. Demgemäß erweist sich auch eine Parallele zu der baurechtlichen Rechtsfigur der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition als nicht weiterführend. Art. 14 GG gebietet in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs keinen Besteuerungsaufschub, der durch verfassungskonforme Auslegung der Gewinnermittlungsvorschriften erreicht werden könnte.

2. Verfassungskonforme Auslegung anhand von Art. 3 1 GG Eine verfassungskonforme Auslegung kommt unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 I GG zunächst zur Vermeidung von Systembrüchen in Betracht. 360 Systemkonformität und der allgemeine Gleichheitssatz hängen eng miteinander zusammen. Der Gesetzgeber hat zwar bei der Ausgestaltung der Steuer einen weiten 358 Vgl. BVerwGE 85, 289, 294; ebenso BVerwG BayVBl. 1991, 180, 182; auch BVerwGE 106, 228, 234. 359 Vgl. BVerwGE 47, 126, 131. 360 Sog. systemkonforme Auslegung, vgl. Tipke StRO III, S. 1257.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Gestaltungsspielraum. Allerdings hat er die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen.361 Verstößt er gegen das von ihm aufgestellte System, so indiziert dies eine Gleichheitssatzverletzung. 362 Bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist eine verfassungskonforme Auslegung anhand von Art. 3 I GG zur Erzielung von Systemkonformität nicht geboten. Denn es ist dargestellt worden, dass die Einräumung eines Besteuerungsaufschubs bei der Übertragung stiller Reserven eines Wirtschaftsguts auf ein anderes Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen keinem inneren System folgt. 3 6 3 Demgemäß kann Art. 3 I GG nicht zur Vermeidung von Systembrüchen herangezogen werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob Art. 3 I GG jenseits der Vermeidung von Systembrüchen eine verfassungskonforme Auslegung der Gewinnermittlungsvorschriften gebietet. Thiel hat ausgeführt aus, der Aufschub der Besteuerung der Rücklage für Ersatzbeschaffung werde durch den allgemeinen Gleichheitssatz gerechtfertigt. Da der Steuerpflichtige wegen des Realisationsprinzips den Zeitpunkt der Besteuerung prinzipiell selbst bestimmen könne, sei es ungerecht, die Besteuerung bei demjenigen vorzuziehen, der das steuerliche Gestaltungsprivileg infolge höherer Gewalt oder durch einen behördlichen Eingriff einbüße. 364 Dem vergleichbar hatte schon Enno Becker in Bezug auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung ausgesprochen, das Gebot der Gleichheit der Besteuerung verbiete es, die Steuerpflichtigen, die von einem Unglücksfall betroffen worden seien, anderes zu behandeln als Steuerpflichtige, in deren Betrieben ein Unglücksfall nicht vorgekommen sei. 365 Die Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Art. 3 I GG stellt nicht wie die Begründung mit dem durch die Markteinkommenstheorie konkretisierten Leistungsfähigkeitsprinzip darauf ab, dass der Steuerpflichtige die Ersatzleistung nicht planmäßig durch Umsatzakt erwirtschaftet habe, sondern es wird der Vergleich zwischen dem Steuerpflichtigen, dessen Wirtschaftsgut zwangsweise aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, und dem Steuerpflichtigen, der sein Wirtschaftsgut freiwillig aus dem Betriebsvermögen ausscheiden lässt, gezogen. Nur ersterer verliert das steuerliche Gestaltungsprivileg und wird durch die nicht vorhergesehene steuerliche Belastung schlechter gestellt. Dabei handelt es sich in beiden Fällen um Steuerpflichtige, bei denen ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausscheidet. Es liegt damit eine relevante ungleiche steuerliche Behandlung vor. 361 Zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers BVerfGE 49, 343, 360; BVerfGE 50, 386, 392; BVerfGE 74,182, 200; BVerfGE 81,108,117; BVerfGE 83, 395,401; BVerfGE 84, 239, 271; BVerfGE 84, 348, 359; BVerfGE 85, 238, 244; BVerfGE 93, 121, 136; BVerfGE 99, 88, 95; BVerfGE 105, 17,46; BVerfGE 107, 27,47. 362 Vgl. Tipke StRO III, S. 1257. 363 Vgl. die Ausführungen im 1. Kapitel unter D. VI. 364 So J. Thiel DStJG Bd. 4 (1981), 183, 192. 365 Vgl. Becker StuW 1930,429, 439.

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Grund für die unterschiedliche steuerliche Behandlung ist allein der Umstand, dass bei einem der beiden Steuerpflichtigen das Wirtschaftsgut durch Zwang von außen ausscheidet und der andere das Wirtschaftsgut freiwillig veräußert. Dies aber ist schon kein sachlicher Grund im Sinne der sog. Willkürformel 366 , der eine Ungleichbehandlung des Steuerpflichtigen, dessen Wirtschaftsgut infolge von Zwang aus seinem Betriebsvermögen ausscheidet, rechtfertigen könnte. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung beider Fälle ist ebenso willkürlich wie das Ereignis höherer Gewalt, welches ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen ausscheiden lässt. Demnach dürfen beider Fälle nicht unterschiedlich behandelt werden, sondern müssen gleich behandelt werden. 367 Aus dem Gebot zur Gleichbehandlung folgt allerdings nicht sogleich das Gebot einer verfassungskonformen Auslegung der Gewinnermittlungsvorschriften. Denn die Grenze der verfassungskonformen Auslegung stellt bei Fiskalzwecknormen der Wortlaut des Gesetzes dar. 368 Es ist nicht zulässig, durch Auslegung dem Gleichheitssatz entgegen dem erkennbaren Normzweck und über den möglichen Wortsinn von Normbegriffen hinausgreifend Rechnung zu tragen. 369 Nach dem Wortlaut der Gewinnermittlungsvorschriften ergibt sich beim zwangsweisen Ausscheiden eines Wirtschaftsguts eine Gewinnrealisierung, die sich auch nicht durch eine Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beseitigen lässt, weil keine gesetzlichen Prinzipien ersichtlich sind, die einen Besteuerungsaufschub gebieten. Auch ist zu berücksichtigen, dass eine verfassungskonforme Auslegung nur dann in Betracht kommt, wenn eine Rechtsnorm nach den üblichen Auslegungsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen, während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis 366 Hierzu BVerfGE 3, 58, 135; BVerfGE 9, 232, 244; BVerfGE 18, 38, 46; BVerfGE 37, 104, 113 f.; BVerfGE 42, 64, 72; BVerfGE 49, 280, 283; BVerfGE 54, 11, 26. Mittlerweile legt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts einen strengeren Prüfungsmaßstab an. Nach der sog. neuen Formel ist der Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird als eine andere Gruppe, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten; vgl. BVerfGE 55,72, 88; BVerfGE 60,123,133 f.; BVerfGE 66, 234, 242; BVerfGE 70, 230, 239 f.; BVerfGE 74, 9, 24; BVerfGE 81, 228, 236; BVerfGE 88, 87, 96 f. Ausführlich zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Tipke StRO I, S. 295 ff. 367 Vgl. BVerfGE 18, 38, 46: „Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln." 368 Vgl. BVerfGE 18, 97, 111; vgl. auch Birk StuW 1990, 300, 303 f.; Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 273 f.; Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 74; Müller-Franken DStZ 2004, 606, 611. Zur unterschiedlichen verfassungskonformen Auslegung von Fiskalzwecknormen und Sozialzwecknormen Birk StuW 1990, 300, 304 f.; auch Tipke / Kruse / Drüen § 4 RdNr. 239. 369 So Tipke StRO III, S. 1291 f.; ähnlich Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 203.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

führen. 370 Im Falle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs kommt es eindeutig zu einer Gewinnrealisierung, so dass nicht verschiedene Auslegungsvarianten möglich sind. Aus diesem Grund kommt eine verfassungskonforme Auslegung nicht in Betracht. 3. Ergebnis Die Rücklage für Ersatzbeschaffung kann nicht durch verfassungskonforme Auslegung der Gewinnermittlungsvorschriften begründet werden. Weder aufgrund von Art. 14 GG noch aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 31 GG ist ein Besteuerungsaufschub beim Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs geboten.

IV. Ergebnisse Die Rechtsprechungsgrundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung können nicht mit der Auslegung der Gewinnermittlungsvorschriften begründet werden. Insbesondere ist eine Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht geeignet, den Besteuerungsaufschub zu rechtfertigen, weil sie sich über den klaren Wortlaut des Gesetzes hinwegsetzte. Ebenso scheidet eine verfassungskonforme Auslegung der Gewinnermittlungsvorschriften aus. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zur Rücklage für Ersatzbeschaffung war deutlich vom Ergebnis bestimmt und in erheblichem Umfang von Billigkeitserwägungen geprägt. 371 Dies lag auch daran, dass zur Zeit der Begründung der Rechtsprechung keine gesetzliche Billigkeitsmaßnahme existierte, mit der die Fälle zu bewältigen gewesen wären. Es existierte lediglich § 56 EStG 1925, der aufgrund der Beschränkung auf Steuerpflichtige mit einem Einkommen bis zu 30.000 RM nur bedingt Abhilfe schaffen konnte. 372 Deshalb wurde vom Reichs370

Vgl. Tipke / Kruse /Drüen § 4 RdNr. 238; auch Bettermann, Verfassungskonforme Auslegung, S. 19. 371 So Ebling in: FS Moxter, S. 1005,1016 ff. 372 Hierauf weist Ebling in: FS Moxter, S. 1005, 1016 hin. § 56 I EStG 1925 lautete: „Bei der Veranlagung können besondere wirtschaftliche Verhältnisse, die die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigen, durch Ermäßigung oder Erlass der Einkommensteuer berücksichtigt werden, wenn das Einkommen 30.000 RM nicht übersteigt. Als Verhältnisse dieser Art gelten insbesondere außergewöhnliche Belastungen durch Unterhalt oder Erziehung einschließlich Berufsausbildung der Kinder, durch gesetzliche oder sittliche Verpflichtung zum Unterhalte mittelloser Angehöriger, auch wenn sie nicht zur Haushaltung des Steuerpflichtigen zählen, durch Krankheit, Körperverletzung, Verschuldung, Unglücksfälle (darunter auch außerordentliche Ernte- und Hochwasserschäden) oder durch besondere Aufwendungen im Haushalt, die durch Erwerbstätigkeit einer Witwe mit minderjährigen Kindern veranlasst worden sind. Eine Ermäßigung oder ein Erlass der Einkommensteuer kann auch dann eintreten, wenn der Steuerpflichtige in dem vorangegangenen Steuerabschnitte

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung

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finanzhof die wirtschaftliche Betrachtungsweise herangezogen, um das als richtig erkannte Ergebnis begründen zu können. Die Entwicklung der Rücklage für Ersatzbeschaffung fiel in die erste Entwicklungsphase373 der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die von einem sehr freien Verständnis der wirtschaftlichen Betrachtungsweise geprägt war. Zwar ist anzuerkennen, dass in diese erste Phase bedeutende rechtsschöpferische Leistungen fallen. 374 Ein derart freies Verständnis der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist mit der Bindung des Richters an das Gesetz und mit den grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalten nicht vereinbar. 375 Dass die steuerrechtliche Dogmatik zu Beginn der 30er Jahre noch nicht so entwickelt war, ändert nichts an dem Befund, dass sich die Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise als dogmatisch nicht überzeugende Vermischung von vermeintlicher Gesetzesteleologie und dem Grundsatz von Treu und Glauben darstellt. 376

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung Nachdem dargestellt worden ist, dass sich die Rechtsprechung nicht mit der Auslegung des Einkommensteuergesetzes begründen lässt, ist zu klären, ob als rechtliche Grundlage der Rechtsprechungsgrundsätze die Ausfüllung einer einkommensteuerrechtlichen Regelungslücke angesehen werden kann. Eine Lücke ist die planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes.377 Anhand des Merkmals der Unvollständigkeit wird die Grenze zwischen Auslegung und kein Einkommen bezogen und den Lebensunterhalt im Wesentlichen aus seinem Vermögen, insbesondere aus Ersparnissen, gedeckt hat." Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat vor dem Leiturteil zur Rücklage für Ersatzbeschaffung (RStBl. 1930, 313) versucht, die Brandentschädigungsfälle mit der Vorschrift des § 56 EStG 1925 zu bewältigen. So hat beispielsweise RFH RStBl. 1929, 313 nach Bejahung eines steuerbaren Gewinns den Rechtsstreit an das Finanzgericht zurückverwiesen, damit es eine Anwendung von § 56 EStG 1925 klären konnte. 373 Vgl. Beisse StuW 1981, 1, 4 f., der drei Entwicklungsphasen herausarbeitet: Erste Phase 1918 bis ca. 1955; zweite Phase ca. 1955 bis 1965; dritte Phase seit 1965. 374 So beispielsweise die körperschaftsteuerliche Organschaft, vgl. RFHE 31, 297; hierzu Knobbe-Keuk in: FS 75 Jahre RFH-BFH, S. 303, 315 f. 375 Allgemein Crezelius StuW 1981, 117, 120. 376 im Ergebnis ähnlich Hindringer, Abschnitt 35 EStR 1966, S. 66 f.; verständnisvoller dagegen Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 27: „Mit einem rohen Rechtsstoff muss der Richter aber notwendig freier umgehen als mit einem verfeinerten Normensystem." Die Gefahr einer Vermischung von Dogmatik und Rechtsgefühl hatte schon Becker StuW 1940, 67, 69 gesehen: „Hinzu kommt - und das macht die Sache steuerrechtlich besonderes anziehend - , dass oft mehr gefühlsmäßige Werte einschlagen, [...]." 377 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 373; Tipke StRO III, S. 1297.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Lückenfüllung gezogen, und durch das Merkmal der Planwidrigkeit wird die Lückenfüllung von der Gesetzeskorrektur abgegrenzt. 378 Die Ausfüllung von Lücken im Gesetz ist Rechtsfortbildung im engeren Sinn. Bei ihr kann dem Wortlaut unmittelbar keine Entscheidung entnommen werden, obwohl der fragliche Lebenssachverhalt einer Entscheidung bedarf. Die Ausfüllung einer Gesetzeslücke ist nur zulässig, wenn das Schweigen des Gesetzes nicht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruht, denn in diesem Fall ist ein rechtsfreier Raum gegeben, den der Rechtsanwender nicht ausfüllen darf. 379 Es ist zwischen echten und unechten Lücken und innerhalb letzterer zwischen offenen und verdeckten Regelungslücken zu unterscheiden. Eine echte Lücke ist gegeben, wenn das Gesetz ausdrückliche Bestimmungen enthält, welche jedoch unvollständig und ohne ergänzende Rechtsetzung nicht anwendbar sind. 380 Eine unechte Lücke ist gegeben, wenn die ratio legis in Verbindung mit dem Gleichheitssatz die Erstreckung der Rechtsfolge auch auf den nicht geregelten Fall verlangt. 381 Die unechten Lücken sind als offene und verdeckte Lücken denkbar. Eine offene Regelungslücke ist gegeben, wenn der mögliche Wortsinn einer Vorschrift hinter deren Normsinn zurückbleibt. Im Falle einer offenen Regelungslücke ist diese im Wege des Analogieschlusses oder durch teleologische Extension zu schließen.382 Beim Analogieschluss sind Gesetzesanalogie und Rechtsanalogie zu unterscheiden. Bei der Gesetzesanalogie wird eine einzelne Regelung in Übereinstimmung mit ihrer ratio auf einen ähnlichen Fall erstreckt. Bei der Rechtsanalogie wird das aus mehreren Normen induktiv gewonnene Prinzip auf den nicht geregelten, aber nach der rechtlichen Wertung gleich gelagerten Fall angewendet.383 Eine verdeckte Regelungslücke ist gegeben, wenn der mögliche Wortsinn über den Normsinn hinausgeht, so ζ. B. weil eine vom Sinn her gebotene Einschränkung im Gesetz unterblieben ist. Eine verdeckte Regelungslücke ist im Wege der teleologischen Reduktion zu schließen.384 Die Abgrenzung zwischen Lückenfüllung und Auslegung wird anhand des möglichen Wortsinns einer Vorschrift vorgenommen. 385 Durch diese Grenzziehung wird dem Rechtsanwender ein unbequemer, aber fruchtbarer Denkzwang auferlegt: Es muss das Vorliegen einer Lücke im Gesetz dargetan und Rechenschaft darüber 378 Vgl. Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 46. 379 Ausführlich Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 45 ff. 380 Vgl. Herrmann /Heuer/ Raupach /Ruppe Einf. ESt RdNr. 661, der als Beispiel einen gesetzlichen Zinssatz nennt, dessen Höhe im Gesetz nicht angegeben ist. 381 Vgl. Herrmann / Heuer / Raupach /Ruppe Einf. ESt RdNr. 661. 382 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 381 ff.; ebenso Woerner FR 1992, 226,229. 383 Vgl. nur Herrmann / Heuer / Raupach /Ruppe Einf. ESt RdNr. 661. 384 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 67; Larenz, Methodenlehre, S. 391 ff.; Woerner FR 1992,226, 229. 385 Ganz herrschende Meinung, statt aller Tipke StRO III, S. 1271 f.

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung

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abgelegt werden, mittels welcher Methoden die Lücke geschlossen wird. 3 8 6 Für die Ausfüllung von Lücken ist die gesetzliche Teleologie bzw. das normkonzipierende Prinzip maßgeblich. Dieses wird zur Geltung gebracht, indem es über das mögliche Wortverständnis des Gesetzes hinaus in der vom Gesetz eingeschlagenen Richtung weitergeführt oder zu Ende geführt wird. 3 8 7

I. Die Zulässigkeit von Analogien im Steuerrecht 1. Grundlagen eines steuerrechtlichen Analogieverbots Die Frage, inwieweit Analogien im Steuerrecht zulässig sind, ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Diese Frage ist keine Methodenfrage, sondern eine verfassungsrechtliche Frage. 388 Als Grundlage eines Analogieverbots kommt nur der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung in Betracht. Die Ableitung eines steuerlichen Analogieverbots aus dem Vergleich mit dem strafrechtlichen Analogie verbot des Art. 103 I I GG scheitert daran, dass es im Steuerrecht „nur" um Geld geht, im Gegensatz zum Strafrecht, welches intensiv in Persönlichkeitsrechte eingreift. 389 Außerdem würde ein steuerrechtliches Analogieverbot selbst mit einer Analogie - nämlich zu Art. 103 I I GG - begründet werden; dies aber wäre ein „logisches Monstrum" 390 . Auch aus dem Grundsatz der Gesetzes- oder Tatbestandsbestimmtheit lässt sich ein Analogieverbot nicht überzeugend ableiten. 391 Das Bestimmtheitsgebot ergibt sich aus den aus Art. 20 III GG ableitbaren Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit. 392 Es verlangt, dass Bürger nur mit Maßnahmen der Organe der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung belastet werden, wenn diese durch den möglichen Wortsinn einer gesetzlichen Bestimmung legitimiert sind. 393 Im Steuerrecht müssen die steuerbegründenden Tatbestände nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so bestimmt sein, dass der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuer vorausberechnen kann. 394 Eine derartige Bestimmtheit der gesetzlichen Regelungen kann realistischerweise nicht verlangt werden, 386 So Woerner FR 1992, 226, 229; ders. in: GS Knobbe-Keuk, S. 967, 982. 387 Vgl. nur Herrmann / Heuer / Raupach / Ruppe Einf. ESt RdNr. 661. 388 So Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 171 ff.; Tipke StRO I, S. 198; auch Crezelius StuW 1981, 117,118. 389 Vgl. Herzog StbKongrRep 1994, 23, 25. 390 So Herzog StbJb 1985 / 86, 29,44. 391 So aber Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 178 f., der daneben den Grundsatz des Vertrauensschutzes heranzieht. 392 Vgl. Lang in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 167. 393 Vgl. Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 535. 394 Vgl. BVerfGE 19, 253, 267; BVerfGE 49, 343, 362; BVerfGE 73, 388, 400; kritisch hierzu Stapperfend DStJG Bd. 24 (2001), 329, 371.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

da anderenfalls viele Vorschriften des geltenden Steuerrechts verfassungswidrig wären. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht bislang noch keine steuergesetzliche Vorschrift wegen tatbestandlicher Unbestimmtheit für verfassungswidrig erklärt. 395 Angesichts der vagen Aussagen des Bestimmtheitsgebots für die Ausgestaltung der Steuernormen erscheint es nicht angemessen, aus diesem ein Analogieverbot abzuleiten.396 Ausgangspunkt der Bedenken gegen die Zulässigkeit von Analogien ist daher der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. 397 Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung folgt aus dem Prinzips des Vorbehalts des Gesetzes aus Art. 20 III GG und aus Artt. 2 I, 14 I 2, III 2 GG. Das Tatbestandsmäßigkeitsprinzip hat eine demokratische und eine rechtsstaatliche Wurzel. Die demokratische Komponente besagt, dass das Volk, vertreten durch das Parlament, selbst bestimmen soll, mit welchen Steuern es sich belasten will. Die rechtsstaatliche Komponente beinhaltet die Gewährleistung der Rechtssicherheit. 3 9 8 Die Ableitung eines Analogieverbots aus der demokratischen Komponente des Tatbestandsmäßigkeitsprinzips ist nicht möglich. Eine Ableitung aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 I GG ist nicht möglich, weil der Begriff der Demokratie innerhalb des Grundgesetzes konkretisiert wird und vorrangig auf die spezielleren Grundsätze abzustellen ist, bevor auf den allgemeinen Grundsatz zurückgegriffen wird. 3 9 9 Eine speziellere Ausprägung stellt Art. 20 Π 1 GG dar. Allerdings lässt sich auch aus dem Prinzip der demokratischen Legitimation des Art. 20 I I 1 GG ein Analogieverbot nicht ableiten. 400 Denn zur Schließung offener wie auch verdeckter Regelungslücken bedarf es einer Bestimmung des Gesetzeszwecks.401 Dieser ist durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst festgelegt worden. 402 Die normanwendenden Organe treffen bei der Schließung gesetzlicher Lücken keine eigenen, neuen Wertentscheidungen, sondern vollziehen diejenigen des demokratischen Normurhebers über den nach den eigenen Zielen und Zwecken des Gesetzes zu eng und lückenhaft geratenen Wortlaut hinaus 4 0 3 395 Hierauf weist Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 567 hin. 396 Vgl. auch Tipke StRO I, S. 203. 397 Vgl. Kruse § 2 ΙΠ S. 61. 398 Vgl. Tipke StuW 1972, 264, 265. 399 Vgl. hierzu Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 480 f. mit Nachweisen. 400 So Tanzer StuW 1981, 201, 209 f.; Tipke DStJG Bd. 5 (1982), 1, 11; ebenso auch Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 520 ff. 401 Hierauf weist Tanzer StuW 1981, 201, 209 hin. 402 Zweifelhaft ist allerdings, ob es darauf ankommt, was der Normgeber im Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes mit diesem bezweckte, oder ob auch ein davon unabhängiger objektiver Zweck zu berücksichtigen ist. Vgl. hierzu BVerfGE 1, 299, 312; auch Kobor, Auslegung des Erbschaftsteuergesetz, S. 28 f.; Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 62 f. 403 So Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 176; ebenso Crezelius, anwendung, S. 362; Tipke StuW 1972, 264, 269.

Steuerrechtliche Rechts-

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung

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Problematischer ist der rechtsstaatliche Aspekt des Gesetzlichkeitsprinzips. Es kommt zu einem Konflikt zwischen formaler Rechtsstaatlichkeit und materialer Rechtsstaatlichkeit.404 Formaler Rechtsstaatlichkeit entspricht die Annahme, eine Analogie zulasten des Bürgers sei unzulässig. Materialer Rechtsstaatlichkeit entspricht die Zulässigkeit der Analogie durch konsequentes Weiterdenken von gesetzlichen Prinzipien. Die Vertreter eines Analogieverbots bestreiten die Existenz analogiefähiger steuerrechtlicher Prinzipien. Die Frage der Zulässigkeit von Analogien hängt dementsprechend entscheidend von der Existenz analogiefähiger Prinzipien im Steuerrecht ab, weil nur bei Bejahung dieser Prinzipien Analogieschlüsse möglich sind. Bei der Frage nach der Zulässigkeit von Analogien im Steuerrecht ist zwischen der Lückenfüllung zugunsten und zulasten des Steuerpflichtigen zu differenzieren. 405 Für die vorliegende Untersuchung interessiert zwar vorwiegend die Zulässigkeit begünstigender Analogien. Gleichwohl ist die Frage der Zulässigkeit belastender Analogien darzustellen, weil sich hieraus Schlussfolgerungen für begünstigende Analogien ergeben.

2. Die Zulässigkeit von Analogien zulasten des Steuerpflichtigen a) Der Meinungsstand in der Literatur In der Literatur wird eine Analogie zulasten des Steuerpflichtigen teilweise abgelehnt. Zur Begründung wird angeführt, das Steuerrecht sei seiner Natur nach positivistisch. Eine allgemeine Sachlogik der Steueranknüpfung existiere nicht. 4 0 6 Den anspruchsbegründenden Normen des Steuerrechts liege kein regelungsbedürftiger Sachverhalt zugrunde. 407 Regelungsbedürftig sei nicht der der Besteuerung unterworfene Sachverhalt als solcher, sondern die Deckung des staatlichen Finanzbedarfs; dafür gebe aber der einzelne Sachverhalt so gut wie nichts her. 408 Im Steuerrecht werde an den Tatbestand nur eine Leistungspflicht geknüpft, die mit dem Tatbestand selber nichts zu tun habe, sondern nur von dem Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen dem Steuerpflichtigen auferlegt werde, bei dem sich der Tatbestand verwirkliche. Die Bestimmung des Steuertatbestands sei hinsichtlich des Ob und des Wie der Begründung der Leistungspflicht eine positivistische Ent404 Vgl. Tipke StRO I, S. 199. 405

Unbedenklich ist die analoge Anwendung von Verfahrensvorschriften, vgl. Tipke StRO I, S. 190 m.w.N; zur Zulässigkeit einer „zweischneidigen" Lückenfüllung näher Beisse StuW 1981, 1, 9 f. und ders. DStJG Bd. 4 (1981), 13, 41; auch BFH BStBl. ΙΠ 1968, 650, 651; kritisch Crezelius StuW 1981,117,118 (in Fn. 17). 406 Vgl. Kruse BB 1985, 1077,1082. 407 So Flume StbJb 1985/86, 277, 279; auch Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 128. 408 Vgl. Kruse BB 1985, 1077,1082; ebenso ders. § 2 III S. 47.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Scheidung. Diese stehe dem Gesetzgeber zu. 4 0 9 Wo das Gesetz schweige, gebe es auch keine Besteuerung 4 1 0 Kruse hat gegen die Zulässigkeit von Analogien ausgeführt, an dem Befund, dass das Steuerrecht aus dem Diktum des Gesetzgebers lebe, lasse sich auch dadurch nichts ändern, dass man aus dem geltenden Recht einzelne Prinzipien ableite und zu einem System zusammenfüge, anhand dessen die gesetzliche Regelung auf ihre Systemgerechtigkeit und Vollständigkeit hin überprüft werden könne. Da in fast jedem Gesetz verschiedene Prinzipien angelegt seien, müssten diese gewichtet werden. Die Gewichtung dieser Prinzipien werde dann vom Rechtsgefühl bestimmt. Der Rechtsanwender meine, dem geltenden Recht auf der Spur zu sein, in Wirklichkeit verfolge er sein eigenes Rechtsideal.411 Die Begründung der Lückenfüllung anhand von Systemüberlegungen hält Kruse für nicht tragfähig. Systemwidrigkeiten verstießen für sich genommen nicht gegen den Gleichheitssatz; sachlich begründete Systembrüche seien zulässig. Deshalb seien die Systemüberlegungen für den Rechtsanwender nur insoweit relevant, als sie ihm Verstöße gegen den Gleichheitssatz anzeigten. Sie könnten aber keine über den möglichen Wortsinn hinausgehende Regelung rechtfertigen. 412 Speziell der Analogieschluss scheitere am Fehlen steuerrechtlich relevanter Sachgesetzlichkeiten; der Analogieschluss setzte solche Sachgesetzlichkeiten aber notwendig voraus. Das Steuerrecht unterscheide sich von den anderen Rechtsgebieten gerade dadurch, dass es, soweit es um die Steueranknüpfung gehe, solche Sachgesetzlichkeiten nicht sicher erkennen lasse. Auf diesem Mangel an nachweisbaren Sachgesetzlichkeiten beruhe nicht nur die Notwendigkeit der primären Entscheidung des Gesetzgebers über die Steuerwürdigkeit der einzelnen Sachverhalte, sondern auch das Verbot der steuerbegründenden Analogie. 413 Entgegen den dargestellten Einwänden wird die Zulässigkeit von Analogien zulasten des Steuerpflichtigen in der Literatur überwiegend bejaht. 414 Die Lückenausfüllung durch Analogie entspreche dem Demokratieprinzip; sie verwirkliche den sprachlich unvollkommen zum Ausdruck gebrachten Willen des demokratischen Gesetzgebers. Der lückenausfüllende Rechtsanwender bestreite dem Gesetzgeber nicht seine Kompetenz, verdränge ihn nicht unter Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip, sondern handele „nachbessernd" im Sinne der Intention des Gesetzgebers. 415 Gegen den Einwand, es handele sich bei der Auferlegung 409 So Flume StbJb 1985 / 86,277, 280. 410 So Flume StbJb 1985/86, 277, 296. 411 Vgl. Argumentation bei Kruse BB 1985,1077, 1082 f. 412 Vgl. Kruse BB 1985, 1077, 1083. 413 Vgl. Kruse § 2 III S. 61. 414 Vgl. Herzog StbKongrRep 1994, 23, 25; Tanzer StuW 1981, 201, 216 ff.; Tipke StuW 1981, 189 ff.; ders. DStJG Bd. 5 (1982), 1, 11; ders. StRO I, S. 177 ff.; Woerner in: GS Knobbe-Keuk, S. 967, 976 f. 415 So Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 59.

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung

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einer Steuerpflicht um eine rein positivistische Entscheidung, wird ausgeführt, dass er dierichterrechtsfreundlichen Tendenzen des Grundgesetzes nicht berücksichtigt. Materielle Verfassungsnormen wirkten sich funktionsrechtlich zwangsläufig zugunsten der Rechtsprechung aus. 416 Gegen den Vorwurf der Prinzipienlosigkeit des Steuerrechts wird ausgeführt, dass es eine Reihe anerkannter und systembildender Prinzipien im geltenden Einkommensteuerrecht gebe, die analogiefähig seien. 417 b) Die Sichtweise der Rechtsprechung Der Reichsfinanzhof hat die Zulässigkeit von Analogien - auch zulasten des Steuerpflichtigen - bejaht. Allerdings hat der Reichsfinanzhof ausgeführt, dass die Grenze der zulässigen Rechtsfortbildung dort verlaufe, wo der Richter nicht mehr das geltende Recht durch Ausfüllung von Lücken ergänze, sondern materiell abändere. 418 Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat die Zulässigkeit der steuerbegründenden oder steuerverschärfenden Analogie überwiegend verneint 4 1 9 Allerdings hat der Bundesfinanzhof in einigen Entscheidungen die Zulässigkeit der Schließung verdeckter und offener Regelungslücken bejaht. 420 Darüber hinaus hat die Rechtsprechung in vielen Fällen gesetzliche Lücken geschlossen, ohne die methodische Zulässigkeit dieses Vorgehens zu problematisieren. 421 Im Jahr 1964 hatte der Bundesfinanzhof eine verdeckte Regelungslücke durch teleologische Reduktion zulasten des Steuerpflichtigen geschlossen.422 Hierbei hatte der Bundesfinanzhof ausgeführt, dass die Steuergerichte nach dem ihnen in Art. 20 ΙΠ GG erteilten verfassungsmäßigen Auftrag Lücken, die bei der Auslegung eines Steuergesetzes hervortreten, so auszufüllen hätten, wie der Gesetzgeber unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs des Gesetzes und seines sonst erkennbaren Willens die Frage wahrscheinlich geregelt hätte 4 2 3 Zwar komme dem Wortlaut des Gesetzes im Steuerrecht erhöhte Bedeutung zu, so dass bei der Auslegung entgegen dem Gesetzeswortlaut zuungunsten der Steuerpflichtigen besonders zurückhaltend zu verfahren sei. Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung des Gesetzes sei jedoch dann geboten, wenn die Auslegung nach dem 416 So Weber-Grellet DStR 1991, 438, 443. 417 So Tipke StRO I, S. 197 mit Beispielen. 418 Vgl. nur RFHE 6, 292, 298 f. 419 Vgl. nur BFH BStBl. II 1968, 650, 651; BStBl. Π 1969, 550, 552; BStBl. Π 1972, 455, 457; BStBl. II 1978, 346, 347; BStBl. II 1980, 119, 120; BStBl. Π 1982, 618, 619; BStBl. Π 1999, 832, 834; umfassender Nachweis der Rechtsprechung bei Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 126 ff. 420 Nachweise bei Tipke StRO I, S. 181 f. 421 Zu solchen „verkappten Analogien" Crezelius StuW 1981, 117 ff. 422 BFH BStBl. III 1964, 188, 189. 423 So BFH BStBl. III 1964,188,189 f. 10 Marchai

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Wortlaut offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers widerspreche, erkennbar zu einem sinnwidrigen Ergebnis führe und allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze eine befriedigende Lösung ermöglichten. 424 In einem Urteil aus dem Jahr 1983 425 hat der IV. Senat des Bundesfinanzhofs eine offene Regelungslücke durch Analogie zulasten des Steuerpflichtigen geschlossen. Der IV. Senat hat in dem Urteil ausgeführt, ein Analogieverbot bestehe im Steuerrecht ebenso wenig wie im übrigen Verwaltungsrecht. Zwar sei es einem Gericht nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung verwehrt, Recht zu setzen. Neben der Auslegung des Gesetzes sei es auch Aufgabe der Gerichte, ungewollte Unvollständigkeiten des Gesetzes durch Schließung der Lücken zu beheben. Da die bloßen Gesetzeswortlaute das teleologische Konzept eines Gesetzes nicht selten nur bruchstückhaft oder lückenhaft zum Ausdruck brächten, liege die Vervollkommnung des unvollständigen Gesetzestexts zu einem stimmigen Konzept im Auftrag der Rechtsanwendung.426 Dieses Urteil ist vereinzelt geblieben. Es hat sich kein weiterer Senat des Bundesfinanzhofs diese Sichtweise zueigen gemacht. 427 Ebenso hat kein Senat ein Verbot steuerbegründender oder steuerverschärfender Analogie statuiert. Folglich ist die Frage, ob die Analogie zulasten des Steuerpflichtigen zulässig ist, offen geblieben. 428 Da die Frage nach dem Analogieverbot keine methodische, sondern eine verfassungsrechtliche ist, kommt der Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts besondere Bedeutung zu. In einem Urteil aus dem Jahr 1962 429 hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „... kann es unter dem Verfassungsprinzip des Rechtsstaats bedenklich sein, wenn der Steuertatbestand vom Richter neu geschaffen oder ausgeweitet wird; denn das Steuerrecht wird von der Idee der „primären Entscheidung des Gesetzgebers über die Steuerwürdigkeit bestimmter generell bezeichneter Sachverhalte" getragen und lebt dementsprechend „aus dem Diktum des Gesetzgebers" (Bühler/Strickrodt, Steuerrecht, 3. Aufl. S. 658)."

In einem Beschluss aus dem Jahr 1988 430 hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und die Befugnis zur Rechtsfortbildung gehören zu den anerkannten Aufgaben der Rechtsprechung (vgl. § 11 Abs. 4 FGO; BVerfGE 424 So BFH BStBl. III 1964, 188,190. 425 BFH BStBl. II 1984,221. 426 So BFH BStBl. II 1984, 221, 224. 427 Vgl. Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 173 f.; BFH BStBl. Π 1984, 316 stimmt BFH BStBl. II 1984, 221 zu, verneint aber im konkreten Fall das Vorliegen einer Lücke; gleiche Begründung bei BFH BStBl. II 1990,423,425. 4 28 So Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 22 und 173 f.; auch Hübschmann/Hepp/ Spitaler/5/rfc § 4 RdNr. 691. 429 BVerfGE 13, 318, 328. 430 BVerfG BB 1988, 1716.

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung

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13, 153 [164]; 69, 188 [204]; 71, 354 [362]). Die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung sind dann überschritten, wenn Steuertatbestände ausgeweitet oder gar erst neu geschaffen werden (vgl. BVerfGE 13, 318 [328 f.]; 21,1 [4]; 69, 188 [203 f.])."

Diese Aussagen lassen darauf schließen, dass das Bundesverfassungsgericht von einem Verbot der Analogie zulasten des Steuerpflichtigen ausgeht. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht sich in einer Entscheidung aus dem Jahr 1992 431 gegen ein Verbot der Analogie zulasten des Steuerpflichtigen ausgesprochen: „Die Auslegung von Gesetzen und die Fortbildung des Rechts gehören zu den anerkannten Aufgaben und Befugnissen der Gerichte (vgl. BVerfGE 34, 269 [287 f.]; 49, 304 [318 f.]; 71, 354 [362 f.]). Es ist allerdings erforderlich, sie gegenüber einer dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gesetzeskorrektur abzugrenzen. Die vom Verfassungsrecht gezogene Grenze der Auslegung und der Rechtsfortbildung verläuft im allgemeinen dort, wo die Gerichte ohne das Vorhandensein einer sich aus Systematik und Sinn des Gesetzes ergebenden Lücke allein unter Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien, die konkrete rechtliche Ableitungen nicht zulassen, oder aus rechtspolitischen Erwägungen neue Regeln oder Rechtsinstitute schaffen (vgl. BVerfGE 34,269 [290]; 65, 182 [194])."

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Urteil deutlich zwischen Auslegung und Lückenfüllung unterschieden. Damit wird die Integration der Methodenlehre von Larenz in das Steuerrecht bestätigt. 432 Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Entscheidung die Zulässigkeit der Lückenfüllung im Steuerrecht anerkannt. Eine Beschränkung auf Lückenausfüllungen nur zugunsten des Steuerpflichtigen ist dabei nicht erkennbar. 433 An eine zulässige Lückenfüllung stellt das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen, so dass Zurückhaltung bei der Lückenfüllung zulasten des Steuerpflichtigen geboten ist. 4 3 4 Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat überwiegend Zustimmung erfahren. 435

c) Stellungnahme Ein Verbot von Analogien zulasten Steuerpflichtigen kann nicht damit begründet werden, dass es im Steuerrecht an gesetzlichen Prinzipien fehlt. Denn es gibt eine Reihe von steuerrechtlichen Prinzipien, welche analogiefähig sind. 436 Es ist der 431 BVerfG BStBl. II 1992, 212, 213. 432 Vgl. hierzu auch Woerner DStJG Bd. 5 (1982), 23, 26 ff. 433 Vgl. Woerner in: GS Knobbe-Keuk, S. 967, 983; die steuerbegründende und steuerschärfende Analogie generell ablehnend BVerfG NJW 1985, 1891; kritisch hierzu Woerner FR 1992, 226, 232; vergleichbar BVerfG NJW 1996, 3146: Analogieverbot bei hoheitlichen Eingriffen (zur analogen Anwendung von § 121 V StVollzG a.F.); hierzu Konzak NVwZ 1997, 872 f. 434 So Woerner FR 1992, 226, 232. 435 So Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 611; Hübschmann / Hepp / Spitaler / Birk § 4 RdNr. 693; Woerner FR 1992, 226, 232; ders. in: GS Knobbe-Keuk, S. 967, 983; kritisch dagegen Meincke StuW 1992, 188, 190. 436 Übersicht bei Tipke StRO I, S. 504. 10*

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu folgen, weil hierdurch der richterlichen Rechtsfortbildung hinreichend Raum gelassen wird und zugleich den Anforderungen des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung genüge getan wird. Die Analogie zulasten des Steuerpflichtigen kann als zulässig erachtet werden, wenn sie anhand von gesetzlichen Prinzipien begründet werden kann.

3. Zulässigkeit einer Analogie zugunsten des Steuerpflichtigen Die Frage, ob die Analogie zugunsten des Steuerpflichtigen zulässig ist, ist ebenfalls umstritten geblieben. 437 Stellt man für diese Frage nur auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Rechtssicherheitsprinzip ab, so ist die Zulässigkeit von Analogien zugunsten des Steuerpflichtigen zu bejahen, weil eine unerwartete Entlastung die Rechtssicherheit nicht tangiert. Aus dem Demokratieprinzip lässt sich ein Analogieverbot nicht ableiten, weil sowohl bei einem Analogieschluss als auch bei der teleologischen Reduktion keine neuen Wertentscheidungen getroffen werden, sondern die Wertentscheidungen des Gesetzgebers vollzogen werden. 438 Von verfassungsrechtlicher Seite bestehen demnach bedeutend weniger Bedenken gegen Analogien zugunsten des Steuerpflichtigen als zulasten des Steuerpflichtigen. Die Analogie zugunsten des Steuerpflichtigen wird dementsprechend überwiegend für zulässig erachtet. 439 Insbesondere die Autoren, die eine Analogie zulasten des Steuerpflichtigen ablehnen, bejahen die Zulässigkeit einer Analogie zugunsten des Steuerpflichtigen. 440 Eine Beschränkung der Zulässigkeit auf Analogien zugunsten des Steuerpflichtigen wird bisweilen für schizophren gehalten. 441 Dagegen wird von den Befürwortern der Beschränkung der Zulässigkeit von Analogien auf solche zugunsten des Steuerpflichtigen betont, dass nur der staatliche Steuereingriff in die Rechte des Bürgers voraussehbar und messbar sein müsse. Das vom Steuerpflichtigen nicht kalkulierte Steuergeschenk werfe keine Kalkulation über den Haufen und bringe kein Unternehmen in Schwierigkeiten. 442 Nur einer richterlichen Rechtsfortbildung zulasten des Steuerpflichtigen müssten Grenzen gesetzt werden. 443 Die 437 So Tipke StRO I, S. 190. 438 Vgl. Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 176 ff., der eine Ableitung des Analogieverbots aus dem Demokratieprinzip ablehnt und daher nur die Zulässigkeit einer Analogie zulasten des Steuerpflichtigen verneint; vgl. auch Tipke StRO I, S. 190. 439 So Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 214 f.; so auch Kruse DStJG Bd. 5 (1982), 71, 83; ablehnend dagegen Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 367. 440 So ζ. B. Kruse § 2 III S. 60 (in Fn. 292). 441 So Tipke StuW 1981, 189, 196; hiergegen Kruse DStJG Bd. 5 (1982), 71, 83: „Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf schizophrenen Denkens bereichert die Diskussion um eine persönliche Note. Er trifft die Sache aber nicht." 442 So Pelka DStJG Bd. 5 (1982), 209, 224.

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung

145

im Gesetz niedergelegten Sachgesetzlichkeiten könnten durch einen Analogieschluss voll zur Geltung gebracht werden, wenn sich diese zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkten. 444 Es ist davon auszugehen, dass die Anforderungen an eine Lückenfüllung zugunsten des Steuerpflichtigen mit denen an eine Lückenfüllung zulasten des Steuerpflichtigen identisch sind. 445 Denn der Gesetzesvorbehalt gebietet in beiden Fällen, dass sich der Rechtsanwender an die gesetzgeberischen Wertentscheidungen hält. Eine Analogie zugunsten des Steuerpflichtigen ist folglich zulässig, wenn es konkrete gesetzliche Prinzipien gibt, anhand derer die Rechtsfortbildung begründet werden kann. Bei der Analogie zugunsten des Steuerpflichtigen ist zu unterscheiden zwischen zwei Möglichkeiten der Lückenfüllung: Zum einen ist es möglich, den Anwendungsbereich bestehender Ausnahmetatbestände durch Analogie auszuweiten. Zum anderen besteht die Möglichkeit, einen neuen Ausnahmetatbestand zu schaffen.

a) Lückenfüllung durch die Erweiterung bestehenden Ausnahmetatbestands

eines

Die Zulässigkeit einer Analogie durch Ausweitung eines bestehenden Ausnahmetatbestands wird ganz überwiegend bejaht. Der Satz „singularia non sunt extendenda" ist insoweit nicht richtig.446 Ausnahmevorschriften sind auch nicht stets eng auszulegen.447 Allerdings ist es den Gerichten auch nicht verwehrt, gesetzliche Ausnahmevorschriften restriktiv auszulegen.448 Richtigerweise sind Ausnahmevorschriften unter sinnvoller Würdigung des mit ihnen verfolgten Zweckes auszulegen. 449 Lässt sich aus der Ausnahmevorschrift ein allgemeines Prinzip ableiten, so können hiernach andere, nicht unter die Vorschrift fallende Fälle entschieden werden. 450 Lässt sich wegen der speziellen Tatbestandsmerkmale der 443 So Knobbe-Keuk in: FS 75 Jahre RFH-BFH, S. 303, 308; nur die Analogie zugunsten des Steuerpflichtigen bejahend auch Beisse StuW 1981, 1, 9; Kruse § 2 ΙΠ S. 60 (in Fn. 292); ders. DStJG Bd. 5 (1982), 71, 83; Pelka DStJG Bd. 5 (1982), 209, 223 ff. 444 Vgl. die Antwort von Knobbe-Keuk in: 75 Jahre RFH-BFH, S. 303, 308 (in Fn. 27) auf die Frage von Woerner FR 1992, 226, 230. 445 So auch Müller-Franken DStZ 2004, 606, 610 f. 446 So Tipktl Kruse/Drüen § 4 RdNr. 364; ausführlich Muscheler in: FS Tipke, S. 135 ff.; anders aber BFH BStBl. Π 1987, 259, 260 für die im konkreten Fall anwendbare Vorschrift. 447 Vgl. Tipke StRO III, S. 1269; auch Urbas, Wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 84; so schon RFHE 8,134, 135. 448 Vgl. BVerfGE 71, 354, 363. 449 So BFH BStBl. II 1970, 440, 441; ebenso BFH BStBl. II 1970, 600, 601; BStBl. II 1978, 82, 83; BStBl. Π 1984, 194, 196; BStBl. Π 1984, 659, 660; BStBl. II 1995, 338, 339 f.; auch Flume StbJb 1985/86, 277, 298. 450 Vgl. Flume StbJb 1985/86, 277, 298 f.; ebenso Knobbe-Keuk in: FS 75 Jahre RFHBFH, S. 303, 308.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Ausnahmevorschrift kein allgemeines Prinzip ableiten, scheidet eine Rechtsfortbildung, insbesondere eine Analogie, aus. 451

b) Lückenfiillung durch die Schaffung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestands Zweifelhaft ist, ob die Rechtsprechung und die Verwaltung zur Schaffung eines im Gesetz nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestands berechtigt sind. Zu berücksichtigen ist, dass es - anders als bei der analogen Anwendung eines Ausnahmetatbestands - an einer gesetzgeberischen Entscheidung fehlt. Nach der Rechtsprechung ist die Schaffung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Begünstigungstatbestands möglich. Zwar seien weder die Gerichte noch die Verwaltung befugt, im Gesetz nicht vorgesehene Befreiungstatbestände zu schaffen. 452 Die Schaffung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestands aber sei möglich, wenn aus dem Gesetz heraus belegt werden könne, dass der Gesetzgeber den zur Entscheidung stehenden Lebenssachverhalt habe begünstigen wollen. 453 In der Literatur wird zum Teil eine derartige Begünstigung für unzulässig gehalten. Flume lehnt die Begünstigung eines Steuerpflichtigen durch die Schaffung eines Ausnahmetatbestands angesichts der positivistischen Natur des Steuerrechts ab. Wie von der Rechtsprechung keine Steuertatbestände geschaffen oder verschärft werden könnten, gelte ebenso, dass der Richter auch zugunsten des Steuerpflichtigen nicht berechtigt sei, von der Entscheidung des Gesetzes abzuweichen. Der Richter habe auch zugunsten des Steuerpflichtigen keine Änderungsbefugnis. 4 5 4 Eine Analogie zugunsten des Steuerpflichtigen komme nur in Hinblick auf bestehende Ausnahmevorschriften in Betracht. 455 Angesichts der vom Bundesverfassungsgericht gezogenen Grenzen der Rechtsfortbildung im Steuerrecht ist hingegen davon auszugehen, dass die Rechtsprechung auch zur Schaffung von im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen Befreiungstatbeständen berechtigt ist, wenn sich aus dem Gesetz Prinzipien ergeben, welche einen derartigen Tatbestand rechtfertigen können. Methodisch hat dies im Wege der teleologischen Reduktion zu erfolgen.

451 So Tipke / Kruse / Driien § 4 RdNr. 364; auch Woerner, Diskussionsbeitrag, DStJG Bd. 5 (1982), 148 f. 452 Vgl. BFH BStBl. II 1970,440,441; BStBl. II 1978, 82, 83; BStBl. II 1984, 659, 660. 453 Vgl. BFH BStBl. Π 1970, 600, 601; BStBl. U 1978, 82, 83. 454 Vgl. Flume StbJb 1985/86, 277, 297 f. 455 Vgl. Flume StbJb 1985/86, 277, 298 f.

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung

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4. Zusammenfassung Richterliche Rechtsfortbildung durch Ausfüllung gesetzlicher Lücken ist auch im Steuerrecht als zulässig anzusehen. Allerdings sind wegen der grundsätzlich positivistischen Natur des Steuerrechts hohe Anforderungen an eine zulässige Lückenfüllung zu stellen. Entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist erforderlich, dass sich aus dem Gesetz selbst Prinzipien ergeben, anhand derer konkrete rechtliche Ableitungen möglich sind. Auf die Unterscheidung von Lückenfüllung zugunsten des Steuerpflichtigen und Lückenfüllung zulasten des Steuerpflichtigen kommt es nicht an, weil die Anforderungen an eine zulässige Rechtsfortbildung gleich sind. 456

II. Die Begründung der Rechtsprechung mit der Ausfüllung einer Regelungslücke Es stellt sich die Frage, ob die Rechtsprechungsgrundsätze zur Rücklage für Ersatzbeschaffung als Ausfüllung einer einkommensteuerrechtlichen Regelungslücke verstanden werden können. Dies ist in der Literatur bisweilen so vertreten worden. 457 Auch der Bundesfinanzhof ist in einem Urteil aus dem Jahr 1969 davon ausgegangen, dass es sich bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung um eine zulässige Rechtsfortbildung praeter legem, also um die Schließung einer einkommensteuerrechtlichen Regelungslücke handele. 458

1. Ausfüllung einer offenen Regelungslücke Fraglich ist, ob in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs eine offene Regelungslücke vorhanden ist, die im Wege des Analogieschlusses oder der teleologischen Extension zu schließen ist. In Betracht kommt sowohl eine offene Lücke praeter legem als auch eine offene Lücke intra legem. Eine offene Lücke praeter legem ist anzunehmen, wenn der Gesetzgeber einen bestimmten Plan gehabt hatte, diesen aber unvollständig ausgeführt hat. Zur Schließung kommt die analoge Anwendung anderer Vorschriften in Betracht. Eine offene Lücke intra legem entsteht durch Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe und sonstige Ausdrücke, die mehr oder minder vage sind. Die offene Lücke intra legem wird durch Auslegung geschlossen.459 456 So auch Müller-Franken DStZ 2004, 606, 610 f. 457 So insbesondere R. Thiel StbJb 1963/64, 161, 176. 458 Vgl. BFH BStBl. Π 1969, 310, 311. 459 Zur Unterscheidung von offenen Lücken praeter und intra legem Tipke StRO III, S. 1298.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Eine offene Lücke intra legem kann in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts aufgrund von höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs nicht angenommen werden. Die Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes stellen hinreichend konkretisierte Vorschriften dar. Zwar handelt es sich bei den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung um unbestimmte Rechtsbegriffe. 460 Allerdings gilt dies nicht für die kodifizierten Grundsätze wie das vorliegend relevante Realisationsprinzip nach § 2521 Nr. 4 Hs. 2 HGB. Ob eine offene Lücke praeter legem gegeben ist, ist bei dem Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs zweifelhaft. Der Reichsfinanzhof ist nicht von einer gesetzlichen Lücke ausgegangen, sondern hat die Rechtsprechungsgrundsätze durch Auslegung des Einkommensteuergesetzes gewonnen.461 Dieser Sichtweise ist der Bundesfinanzhof zunächst gefolgt. 462 Erst später hat der Bundesfinanzhof ausgesprochen, dass es sich bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung um eine Rechtsfortbildung praeter legem handelt 4 6 3 Wenn der Reichsfinanzhof seine Rechtsprechung mit der Auslegung des Gesetzes begründete, ist zweifelhaft, ob nachträglich angenommen werden kann, es handele sich bei dieser Rechtsprechung um Rechtsfortbildung praeter legem. 464 Diese Frage ist jedoch zu bejahen, weil die Abgrenzung von Auslegung und Analogie ohnehin nicht immer zweifelsfrei zu treffen ist und die Übergänge fließend sind. 465

a) Zum Vorliegen einer planwidrigen

Unvollständigkeit

Das Vorliegen einer Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit ist überaus zweifelhaft. Gegen eine Lücke spricht zunächst, dass sich in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs aus den Gewinnermittlungsvorschriften eindeutig ein Gewinn ergibt. Der Bundesfinanzhof hat ausgeführt, ein sich nach §§ 4 ff. EStG ergebender Gewinn könne nicht unter Berufung auf einen übergeordneten Grundsatz der Gewinnrealisierung beseitigt werden. Es sei Sache des Gesetzgebers, von der sich aus §§ 4 ff. EStG ergebenden Gewinnrealisierung Ausnahmen zu statuieren, was durch die Schaffung des § 6b EStG bestätigt 460 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 378 f.; Urbas, Wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 197. 461 Vgl. das Leiturteil des Reichsfinanzhofs RStBl. 1930, 313, 314; zuletzt RFH RStBl. 1944, 619. 462 So ζ. B. BFH BStBl. III 1957, 386, 387. 463 So BFH BStBl. II 1969, 310, 311. 464 Vgl. zu dieser Problematik Ebling in: FS Moxter, S. 1005,1018. 465 Zur Wesensgleichheit von Auslegung und Lückenfüllung Larenz, Methodenlehre, S. 366 ff.; ebenso Lang in: FS Höhn, S. 159, 179.

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung

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werde. 466 Hieraus folgt, dass die Regelung der Fälle des Besteuerungsaufschubs im Einkommensteuergesetz als abschließend angesehen werden muss, so dass die Annahme einer gesetzlichen Unvollständigkeit nicht möglich ist. Selbst wenn man eine Unvollständigkeit bejaht, stellt sich die Frage, ob diese auch planwidrig ist. Die Existenz des § 6b EStG spricht zunächst für die Annahme einer planwidrigen Unvollständigkeit. Denn während die Fälle des Besteuerungsaufschubs bei der Reinvestition in bestimmte Wirtschaftsgüter gesetzlich geregelt sind, fehlt es für die Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs an einer gesetzlichen Regelung. Gegen die Planwidrigkeit des Fehlens einer gesetzlichen Regelung spricht entscheidend, dass sich aus der Entstehungsgeschichte des im Jahr 1964 eingefügten § 6b EStG ergibt, dass sich der Gesetzgeber bewusst war, dass er auch die Rücklage für Ersatzbeschaffung hätte gesetzlich regeln können. Die Gesetzesbegründung zu § 6b EStG führt aus, man lehne sich an die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Behandlung von Gewinnen an, die entstünden, wenn ein Wirtschaftsgut infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheide. 467 Eine gesetzliche Regelung der Rücklage für Ersatzbeschaffung hat der Gesetzgeber aber nicht für erforderlich gehalten. Zur Zeit der Einfügung des § 6b EStG begründete die Rechtsprechung die Rücklage für Ersatzbeschaffung noch durch Auslegung mittels der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Es ist davon ausgehen, dass der Gesetzgeber der Ansicht war, dass damit eine hinreichende dogmatische Begründung bestehe und eine gesetzliche Regelung nicht erforderlich sei. Für die Annahme einer planwidrigen Unvollständigkeit könnte dagegen der Umstand sprechen, dass der Entwurf des dritten Steuerreformgesetzes 1974 in § 19 EStG eine Regelung der Rücklage für Ersatzbeschaffung vorsah. 468 Die Gesetzes466 Vgl. BFH BStBl. Π 1969, 381, 383. 467 So BT-Drucks. 4/2400, 62. 468 Vgl. BT-Drucks. 7/1470, 24. § 19 des Entwurfs lautet: „(1) Scheidet ein Wirtschaftsgut durch höhere Gewalt oder durch behördlichen Eingriff oder durch Veräußerung zur Vermeidung eines solchen Eingriffs aus dem Betrieb aus, so können die in seinem Buchwert enthaltenen stillen Reserven im Wirtschaftsjahr des Ausscheidens auf ein in diesem Wirtschaftsjahr angeschafftes oder hergestelltes Ersatz wirtschaftsgut übertragen werden. Buchwert ist der Wert, mit dem das ausgeschiedene Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Ausscheidens in einer Steuerbilanz des Steuerpflichtigen auszuweisen wäre. Stille Reserven sind der Betrag, um den eine wegen des Ausscheidens des Wirtschaftsguts gewährte Entschädigung oder der Veräußerungspreis nach Abzug der mit dem Ausscheiden oder der Veräußerung im Zusammenhang stehenden Aufwendungen den Buchwert übersteigt. Ersatzwirtschaftsgut ist ein Wirtschaftsgut, das wirtschaftlich dieselbe oder eine entsprechende Aufgabe erfüllt wie das ausgeschiedene Wirtschaftsgut. § 18 Abs. 4 Satz 1 und 2 gilt sinngemäß. (2) Hat ein Steuerpflichtiger stille Reserven im Wirtschaftsjahr des Ausscheidens des Wirtschaftsguts nicht oder nicht in voller Höhe übertragen, so kann er in diesem Wirtschaftsjahr

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

begriindung führt aus, die gesetzliche Regelung entspreche der Regelung in § 35 EStR. Eine gesetzliche Niederlegung erscheine aus rechtsstaatlichen Gründen geboten. 469 Es ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzesentwurf niemals Gesetz geworden ist. Es erscheint verfehlt, aus einem Gesetzesentwurf den Schluss zu ziehen, dass eine planwidrige Unvollständigkeit vorliegt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine planwidrige Unvollständigkeit gegeben ist, wird man diese wohl kaum auf die Fälle beschränken können, in denen das Wirtschaftsgut infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs ausscheidet, sondern müsste auch andere Fälle einer vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussten Zwangslage mit umfassen. 470 Eine derartige Einbeziehung anderer Fälle hat die Rechtsprechung jedoch abgelehnt, insbesondere hat der Bundesfinanzhof einen Grundsatz abgelehnt, wonach eine Gewinnrealisierung dann allgemein nicht eintritt, wenn ein Wirtschaftsgut gegen oder ohne den Willen des Steuerpflichtigen aus dem Betriebsvermögen ausscheidet.471 Das Vorliegen einer offenen Lücke ist daher zweifelhaft. Mit Sicherheit lässt sich eine Lücke nur in einem Vorschriftensystem feststellen, nicht hingegen in einem Sammelsurium systematisch ungeordneter Vorschriften. 472 Da sich die Fälle des Besteuerungsaufschubs nicht auf gemeinsame Prinzipien zurückführen lassen, muss das geltende Recht als unsystematisch angesehen werden, so dass eine Lücke nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass keine Regelungslücke gegeben ist.

eine Rücklage bis zur Höhe der nicht übertragenen stillen Reserven bilden. Die Rücklage kann in den folgenden zwei Wirtschaftsjahren auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden, das in diesen Wirtschaftsjahren angeschafft oder fertig gestellt worden ist. § 18 Abs. 4 Satz 1 und 2 gilt sinngemäß. Die Übertragung ist nur im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Fertigstellung des Ersatzwirtschaftsgutes zulässig. Ist das Ersatzwirtschaftsgut ein Gebäude oder ein Schiff, so verlängert sich in Satz 2 die Frist von zwei auf vier Jahre, wenn mit der Herstellung des Gebäudes oder Schiffs spätestens bis zum Ablauf des auf das Wirtschaftsjahr des Ausscheidens folgenden zweiten Wirtschaftsjahrs begonnen worden ist. § 18 Abs. 5 Satz 5 gilt sinngemäß. Soweit eine Rücklage nicht bis zum Ablauf der in den Sätzen 2 und 5 bezeichneten Wirtschaftsjahre übertragen worden ist, ist sie mit Ablauf dieser Wirtschaftsjahre aufzulösen. (3) Voraussetzung für die Anwendung der Absätze 1 und 2 ist, dass 1. der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wird, 2. das ausgeschiedene Wirtschaftsgut und das Ersatzwirtschaftsgut zu einem inländischen Betrieb des Steuerpflichtigen gehört hat oder gehört und, soweit es sich um unbewegliche Wirtschaftsgüter handelt, im Inland belegen ist, 3. die Übertragung der stillen Reserven nach Absatz 1 und die Bildung und Auflösung der Rücklage nach Absatz 2 in der Buchführung verfolgt werden können." 469 Vgl. BT-Drucks. 7/1470, 251. 470 So Ebling in: FS Moxter, S. 1005,1019. 471 Vgl. BFH BStBl. Π 1975, 692, 694 f. 472 So Tipke StRO ΙΠ, S. 1299.

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung

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b) Zum Fehlen einer analog anwendbaren Vorschrift Die dogmatische Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung mit der Ausfüllung einer offenen Regelunglücke ist auch deshalb nicht überzeugend, weil es an einer Vorschrift fehlt, die auf die Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs angewendet werden könnte. Eine steuerneutrale Behandlung des zwangsweise realisierten Gewinns ließe sich beispielsweise erreichen, wenn man die Ersatzleistung, soweit sie den Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts übersteigt, als steuerfreie Einnahme i.S.v. § 3 EStG behandelte. Eine Gesamtanalogie zu § 3 EStG muss daran scheitern, dass die einzelnen sachlichen Steuerbefreiungen dieser Vorschrift keinen Prinzipien folgen, die eine analoge Anwendung der Vorschrift rechtfertigen könnte. 473 Weiterhin kommt eine analoge Anwendung der Regelung des § 6b EStG in Betracht. § 6b EStG existierte zur Zeit der Begründung der Rechtsprechung zur Rücklage für Ersatzbeschaffung noch nicht. 474 Sie wurde erst 1964 eingeführt 475 Es ist zweifelhaft, ob es möglich ist, eine erst nachträglich eingefügte Vorschrift zur Begründung eines bereits entstandenen Rechtsinstituts heranzuziehen. Diese Frage braucht jedoch nicht beantwortet zu werden. Denn die Regelung des § 6b EStG erweist sich als nicht passend. So werden durch § 6b EStG nur Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens begünstigt, während auch beim zwangsweisen Ausscheiden eines Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet werden kann. 476 Auch die Regelung des § 6b IV 1 Nr. 2 EStG, wonach nur diejenigen veräußerten Wirtschaftsgüter begünstigt sind, welche mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen gehört haben, passt nicht zur Rücklage für Ersatzbeschaffung. Denn die Regelung will eine Privilegie473 Zur fehlenden Systematik des § 3 EStG Kirchhof/ von Beckerath § 3 RdNr. 1: „§ 3 fehlt allerdings jegliche sachliche Ordnung und die Reihenfolge der getroffenen Einzelregelungen ist zufällig."; vgl. auch Schmidt /Heinicke § 3 „Vorbemerkung". 474 Es war im Jahr 1933 eine dem § 6b EStG vergleichbare Vorschrift eingeführt worden, die allerdings zum 1.1. 1935 befristet war. Nach Abschnitt II des Gesetzes zur Verminderung der Arbeitslosigkeit (RGBl. 1933, 323) konnten die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für bestimmte Anlagegüter abgezogen werden, wenn der neue Gegenstand ein bisher dem Betrieb dienendes gleichartiges Wirtschaftsgut ersetzte, dieser Gegenstand ein nach dem 30. 6. 1933 und vor dem 1.1. 1935 angeschafftes oder hergestelltes inländisches Erzeugnis war und sichergestellt war, dass die Verwendung des neuen Gegenstandes nicht zu einer Minderbeschäftigung von Arbeitnehmern im Betrieb des Steuerpflichtigen führt (vgl. RGBl. 1933, 323, 324). Zur Zeit der Geltung dieser Vorschrift wäre eine analoge Anwendung auf die Fälle des zwangsweisen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts in Betracht gekommen. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift wurde von den Gerichten nicht in Betracht gezogen, sicherlich nicht nur aufgrund der befristeten Geltungszeit der Vorschrift. 475 Durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Spar-Prämiengesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1964) (BGBl. 1 1964, 885). 476 So zuerst RFH RStBl. 1938,915.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

rung von Spekulationsgewinnen verhindern. Solche können aber beim zwangsweisen Ausscheiden eines Wirtschaftsguts nicht entstehen.477 Weiterhin spricht gegen eine analoge Anwendung, dass § 6b EStG vom Gesetzgeber seit jeher als echte, wirtschaftspolitische Steuervergünstigung verstanden worden i s t 4 7 8 Wirtschaftspolitische Überlegungen liegen der Rücklage für Ersatzbeschaffung dagegen nicht zugrunde. Abgesehen von der identischen Regelungstechnik beruhen die Reinvestitionsrücklage und die Rücklage für Ersatzbeschaffung auch nicht auf gemeinsamen Erwägungen. § 6b EStG dient dem Strukturwandel. 479 Der Gesetzgeber hat dementsprechend die Reinvestitionsrücklage nicht allgemein für Anlagegüter, sondern nur für solche Anlagegüter zugelassen, bei denen ihm die Marktanpassung, Rationalisierung oder Modernisierung als sinnvoll oder gar geboten erschien. 480 Die Rechtsprechung hat dagegen die Rücklage für Ersatzbeschaffung als Billigkeitsregelung geschaffen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es zu einer Gewinnrealisierung aufgrund einer vom Steuerpflichtigen unverschuldeten Zwangslage gekommen ist. Der Gesichtspunkt der Billigkeit spielt bei der Regelung des § 6b EStG allenfalls eine untergeordnete Rolle. 4 8 1 Eine analoge Anwendung von § 6b EStG auf die Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs ist nicht möglich. 482

2. Ausfüllung einer verdeckten Regelungslücke Als weitere dogmatische Grundlage für die Rechtsprechung kommt die Ausfüllung einer verdeckten Regelungslücke in Betracht. Der methodische Ansatzpunkt wäre hierbei der Gleiche wie bei der Herleitung der Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung durch Auslegung aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise: Ansatzpunkt wäre das handelsrechtliche Realisationsprinzip, welches teleologisch reduziert werden würde 4 8 3 Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Nichtannahmebeschluss aus dem Jahr 1988 ausgesprochen, dass es sich bei den Grundsätzen der Rücklage für Er477 Zutreffend Hindringer, Abschnitt 35 EStR 1966, S. 51 f. 478 Vgl. BT-Drucks. 4/2400, 62 ff. 479 Vgl. Kanzler FR 1999, 852. 480 Hierauf weist Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 215 hin; vgl. auch BFH BStBl. Π 1991, 222, 224: „Eine entsprechende Anwendung des § 6b EStG scheidet aus, weil die Vorschrift genau geregelte Tatbestände von der Gewinnrealisierung ausnimmt." 481 Anders aber Schmidt /Glanegger § 6b RdNr. 107. 482 in diese Richtung auch BFH BStBl. II 1999,488,490. 483 So BVerfG BB 1988, 1716; auch BFH BStBl. II 1991, 222, 226; für eine teleologische Reduktion auch Ebling in: FS Klein, S. 801, 812; Kanzler NWB 2000, 2193, 2196.

D. Die Rechtsprechungsgrundsätze als zulässige Lückenfüllung

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satzbeschaffung letztlich um eine teleologische Reduktion des Realisationsprinzips handele. Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass die Rechtsprechung und die Verwaltung mit der Rücklage für Ersatzbeschaffung keinen neuen Eingriffstatbestand geschaffen haben, sondern dass es sich um eine den Steuerpflichtigen begünstigende Ausnahme von den gesetzlichen Vorschriften handele, die an sich zu einer Gewinnverwirklichung führen würden. Deshalb seien die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung eingehalten worden. 484 Der Gedanke, dass die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung die Ausfüllung einer verdeckten Regelungslücke darstellen, ist auch in der Literatur vertreten worden. So führt Thiel aus, die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung bildeten keine Billigkeitsmaßnahme, sondern füllten eine verdeckte Regelungslücke aus. Es führe kein Weg an der Feststellung vorbei, dass eine den Wortsinn der einkommensteuerrechtlichen Tatbestände nicht überschreitende Gesetzesauslegung den Gewinn der Einkommensteuer unterwerfen müsse. Das Rechtsinstitut der Rücklage für Ersatzbeschaffung stelle deshalb keine die Kompetenz der Gerichtsbarkeit überschreitende Billigkeitsmaßnahme dar, sondern die legitime Ausfüllung einer verdeckten einkommensteuerrechtlichen Regelungslücke.485 Problematisch an dieser Sichtweise ist zunächst, dass das Vorliegen einer verdeckten Lücke von Thiel nicht hinreichend dargelegt worden ist. 4 8 6 Die bloße Behauptung einer Lücke reicht nicht aus. 487 Gegen die Annahme einer verdeckten Regelungslücke spricht ferner, dass der Reichsfinanzhof ausdrücklich als dogmatische Begründung für seine Entscheidung die wirtschaftliche Betrachtungsweise angeführt hat. 488 Der Bundesfinanzhof hat sich dieser Begründung später angeschlossen.489 Es stellt sich das Problem, ob angenommen werden kann, es liege in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs eine nachträgliche Lücke vor, die nunmehr geschlossen wird. Dies muss bejaht werden, da sich Entscheidungen von der Rechtsprechung oftmals mit der Auslegung des Gesetzes begründet worden sind, obwohl es sich der Sache nach um die Ausfüllung von Regelungslücken gehandelt hat. 4 9 0 Auch die Zulässigkeit einer Auswechselung der dogmatischen Begründung muss angesichts der gleichen Anforderungen an Auslegung und Lückenfüllung bejaht werden. 491 484 Vgl. BVerfG BB 1988, 1716.

485 So R. Thiel StbJb 1963/64, 161, 176. 486 So auch Hindringer, Abschnitt 35 EStR 1966, S. 66. 487 Vgl. allgemein Tipke in: FS von Wallis, S. 133, 140. 488 Vgl. nur RFH RStBl. 1930,313, 314; RStBl. 1944, 619. 489 So beispielsweise BFH BStBl. III 1957, 261, 262; BStBl. HI 1957, 386, 387; vgl. hierzu Ebling in: FS Moxter, S. 1005,1018. 490 Kritisch zu derartigen „verkappten Analogien" Crezelius StuW 1981, 117 ff. 491 Kritisch zur Auswechselung der dogmatischen Grundlage der Rücklage für Ersatzbeschaffung Meincke DStJG Bd. 7 (1984), 7, 18.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Das Hauptproblem an der Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung mit der Ausfüllung einer verdeckten Regelungslücke ist ebenso wie bei der Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung mit der Auslegung mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Suche nach einem gesetzlichen Prinzip, welchem durch teleologische Reduktion zur Geltung verholfen werden könnte. Zu berücksichtigen ist, dass sich das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 1991 492 zu den Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung geäußert hat. Nach dieser Entscheidung ist eine dem Gesetzgeber vorbehaltene Gesetzeskorrektur dann gegeben, wenn die Gerichte ohne das Vorhandensein einer sich aus Systematik und Sinn des Gesetzes ergebenden Lücke allein unter Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien, die konkrete rechtliche Ableitungen nicht zulassen, oder aus rechtspolitischen Erwägungen neue Regeln oder Rechtsinstitute schaffen 4 9 3 Die Anforderungen in dieser Entscheidung an eine zulässige Rechtsfortbildung gehen über die in dem Beschluss zur Rücklage für Ersatzbeschaffung aus dem Jahr 1988 494 statuierten Anforderungen hinaus. Angesichts des Fehlens eines gesetzlichen Prinzips, welches den Besteuerungsaufschub rechtfertigen könnte, erweist sich die Annahme, die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung stellten die Ausfüllung einer verdeckten einkommensteuerrechtlichen Regelungslücke dar, als nicht überzeugend. 495

I I I . Ergebnisse Die Rechtsprechungsgrundsätze können methodisch nicht durch eine Rechtsfortbildung praeter legem erklärt werden. Sowohl die Schließung einer offenen als auch einer verdeckten Regelungslücke ist nicht möglich, weil es dafür an den erforderlichen Voraussetzungen fehlt. Da die Rechtsprechungsgrundsätze im geltenden Recht keine rechtliche Grundlage haben, könnten sie allenfalls als Rechtsfortbildung gegen das Gesetz erklärt werden. Eine derartige Rechtsfortbildung gegen das Gesetz ist allerdings nur in Ausnahmefallen zulässig, wenn besondere, im Sinnganzen der Rechtsordnung gelegene Gründe dies rechtfertigen. 496 Ein solcher Ausnahmefall kann bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht angenommen werden. Einer Deutung der Rück492 BVerfG BStBl. II 1992, 212. 493 So BVerfG BStBl. Π 1992, 212, 213. 494 BVerfG BB 1988,1716. 495 Vgl. allgemein zur Problematik der teleologischen Reduktion der Gewinnermittlungsvorschriften Lang DStJG Bd. 4 (1981), 45, 96: „Die Praxis ringt aber mit einem beachtlichen Defizit positiver Rechtsgrundlagen, das mit der Methode der teleologischen Reduktion nur behelfsmäßig überbrückt wird." 496 Vgl. ausführlich Larenz, Methodenlehre, S. 414, 428; auch Barth, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 46 f.

E. Zur Problematik des Wahlrechts

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läge für Ersatzbeschaffung als zulässige Rechtsfortbildung contra legem steht entgegen, dass die Anforderungen des Vorbehaltsprinzips an eine zulässige Rechtsfortbildung gerade im Bereich des Steuerrechts besonders hoch sind. Denn es ist ausgeführt worden, dass die Gerichte nicht berechtigt sind, von sich aus einen gesetzlich nicht geregelten Besteuerungsaufschub zu gewähren. Dementsprechend kann es erst recht nicht als nicht zulässig erachtet werden, wenn die Gerichte gegen den Wortlaut des Gesetzes einen Besteuerungsaufschub gewähren.

E. Z u r Problematik des Wahlrechts Die Rechtsprechung billigt dem Steuerpflichtigen zu, über die Kürzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. über die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung frei zu entscheiden. Damit wird dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt. Das Wahlrecht der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist ein rein steuerrechtliches Wahlrecht. Ein handelsrechtliches Bewertungswahlrecht besteht nicht. Denn in den Fällen des zwangsweisen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts kommt es aufgrund des Realisationsprinzips zwingend zu einer handelsrechtlichen Gewinnrealisierung. Ein steuerliches Wahlrecht ist gegeben, wenn die Subsumtion unter den steuergesetzlichen Tatbestand nicht zwingend zu einer bestimmten Rechtsfolge führt, sondern vielmehr der Steuerpflichtige die Wahl hat, zu entscheiden, welche von mehreren möglichen Rechtsfolgen eintreten sollen. 497 Steuerrechtliche Wahlrechte beruhen auf unterschiedlichen gesetzgeberischen Motiven. Ein Teil der Wahlrechte hat rein praktische Gründe, so beispielsweise das Wahlrecht des Freiberuflers, sich zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 I EStG und § 4 ΙΠ EStG zu entscheiden. Ein Teil der Wahlrechte soll eine Übermaßbesteuerung verhindern; zu diesen Wahlrechten gehören die Geltendmachung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen. Der größte Teil der Wahlrechte hat Subventionscharakter, so insbesondere die erhöhten Sonderabschreibungen. 498 Die steuerrechtlichen Wahlrechte sind von der planvollen Sachverhaltsgestaltung durch den Steuerpflichtigen abzugrenzen. 499 Die planvolle Sachverhaltsgestaltung bezieht sich im Gegensatz zum steuerlichen Wahlrecht auf einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt. Sie ist vom Steuerrecht grundsätzlich anzuerkennen. 500 Anders ist es, wenn sich die Sachverhaltsgestaltung als missbräuchliche 497 Vgl. Birk NJW 1984, 1325; auch Weber-Grellet DStR 1992,1417,1418. 498 Vgl. Kruse § 6 III S. 127 f.; Weber-Grellet StbJb 1994/95, 97, 106; zur Systematisierung von steuerrechtlichen Wahlrechten aus betriebswirtschaftlicher Sicht Michels, Steuerliche Wahlrechte, S. 69 ff.; Rose StbJb 1979/80,49, 57 ff. 499 Zur Abgrenzung Belser, Steuerliche Wahlrechte, S. 10 ff.; Rose StbJb 1979 / 80,49,53 f. 500 Vgl. Birk NJW 1984, 1325; Kruse § 6 V S. 144. Der Reichsfinanzhof hatte im berühmt-berüchtigten Pfennig-Urteil (RFHE 38, 44, 47 f.) die planvolle Sachverhaltsgestaltung

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

Umgehung des Steuertatbestands darstellt. In diesem Fall greift die Regelung des § 42 AO ein, nach welcher der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer angemessenen Gestaltung entstanden wäre. 501 Die Einräumung eines steuerlichen Wahlrechts durch die Rechtsprechung wirft zwei Fragen auf: Zum einen stellt sich die Frage, ob es mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar ist, wenn dem Steuerpflichtigen ein steuerliches Wahlrecht eingeräumt wird. Die Problematik der Geltung handelsrechtlicher Wahlrechte im Steuerrecht aufgrund von § 5 I 1 EStG 5 0 2 stellt sich bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung hingegen nicht, weil kein handelsrechtliches Wahlrecht existiert. Zum anderen ist zu klären, ob die Rechtsprechung berechtigt ist, die Rechtsfolgen durch ein Wahlrecht zur Disposition des Steuerpflichtigen zu stellen.

I. Steuerliche Wahlrechte als Verstoß gegen das Leistungsfahigkeitsprinzip Die Einräumung von steuerrechtlichen Wahlrechten wird zum Teil als Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip angesehen. Wenn zwei Steuerpflichtige den gleichen Sachverhalt verwirklichten, aber das Wahlrecht unterschiedlich ausübten, führe dies zu einer unterschiedlichen Belastung, obwohl in der Person der beiden Steuerpflichtigen die gleiche steuerliche Leistungsfähigkeit gegeben sei. Der Steuerpflichtige trete an die Stelle des Gesetzgebers. Dass beide Steuerpflichtigen das Wahlrecht hätten, genüge dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht, weil die unterschiedliche Ausübung des Wahlrechts zu unterschiedlichen Belastungen führen könne. Deshalb entsprächen steuerrechtliche Rechtsfolgenwahlrechte grundsätzlich nicht dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. 503 Die Einräumung eines Wahlrechts bedürfe deshalb der Rechtfertigung. 504 Weniger problematisch sei hingegen das steuerliche Wahlrecht, eine (echte) Steuervergünstigung zu nutzen. Steuervergünstigungswahlrechte berechdes Steuerpflichtigen nicht anerkannt. In dem dort entschiedenen Fall hatten Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Steuerersparnis einen Lohn vereinbart und praktiziert, der genau einen Pfennig unter dem Betrag lag, der die nächste Progressionsstufe ausgelöst hätte. Der Reichsfinanzhof führte aus, nach § 1 I StAnpG 1934 sei die Herabsetzung bedeutungslos, weil sie von der Volksauffassung als „Verstoß gegen die öffentlich-rechtliche Treuverpflichtung aller Volksgenossen" angesehen werde. soi Vgl. Birk NJW 1984, 1325. 502 Hierzu im 1. Kapitel unter C. I. 2. 503 Vgl. bereits den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs BFH BStBl. II 1969, 291, 293, der auf Art. 3 I GG abstellt. Zur Begründung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Tipke StRO I, S. 515 ff.; auch Belser, Steuerrechtliche Wahlrechte, S. 86 ff.; Hey in: Tipke/Lang § 17 RdNr. 81; für eine Abschaffung gesetzlicher Wahlrechte de lege ferenda Pezzer DStJG Bd. 14 (1991), 3, 26; gegen eine generelle Wahlrechtsfeindlichkeit des Steuerrechts Gassner /Lang S. 82 f. 504 So Tipke StRO I, S. 517.

E. Zur Problematik des Wahlrechts

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tigten den Steuerpflichtigen, von einer Steuervergünstigung Gebrauch oder nicht Gebrauch zu machen. Es sei selbstverständlich, dass eine Steuervergünstigung dem Steuerpflichtigen nicht aufgezwungen werde. 505 Bei der Frage der Zulässigkeit der steuerrechtlichen Wahlrechte ist zu berücksichtigen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip im geltenden Recht nicht konsequent verwirklicht ist und Ausnahmen von diesem Prinzip gerechtfertigt werden können. In vielen Fällen kann die Einräumung eines steuerrechtlichen Rechtsfolgenwahlrechts durch ein gegenläufiges Prinzip gerechtfertigt werden. So hat der Gesetzgeber Wahlrechte oftmals aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit eingeräumt. Insbesondere dann, wenn nicht sicher ist, ob der steuergesetzliche Tatbestand die individuelle Leistungsfähigkeit zutreffend widerspiegelt, ist das Wahlrecht ein gesetzestechnischer Kunstgriff, um einen Fehler bei der tatbestandlichen Erfassung auf der Rechtsfolgenseite zu korrigieren. Auch können verfassungsrechtliche Bedenken durch die Einräumung eines Wahlrechts ausgeräumt werden, wenn der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit offeriert, verfassungswidrige Belastungswirkungen durch Wahl einer anderen Rechtsfolge zu vermeiden. 506 Das Wahlrecht der Rücklage für Ersatzbeschaffung kann mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG gerechtfertigt werden. 507 Schon aus dieser Überlegung heraus kann das Wahlrecht im Falle des zwangsweisen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen als zulässig erachtet werden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Rücklage für Ersatzbeschaffung eine unechte Steuervergünstigung darstellt. Es erscheint auch bei unechten Steuervergünstigungen unangemessen, dem Steuerpflichtigen eine Begünstigung aufzudrängen, so dass das Wahlrecht insoweit gerechtfertigt ist.

II. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung als ungesetzliches Wahlrecht Das Wahlrecht der Rücklage für Ersatzbeschaffung wirft Probleme des Gesetzesvorbehalts auf, weil es von der Rechtsprechung entwickelt wurde und aufgrund einer Verwaltungsanweisung gewährt wird. Der Gesetzesvorbehalt bezieht sich nicht nur auf Steueransprüche des Staats, sondern auch auf Begünstigungstatbestände. Da Rechtsfolgenwahlrechte sich je nach der Entscheidung des Steuerpflichtigen belastend wie auch begünstigend auswirken können, gebietet der Gesetzesvorbehalt, dass steuerrechtliche Wahlrechte gesetzlich normiert sind. 508 Des505 Vgl. Tipke StRO I, S. 517. 506 So die Argumentation bei Birk NJW 1984, 1325, 1327, der als Beispiel das richterrechtlich eingeführte Wahlrecht bei der Betriebsverpachtung anführt. 507 So bereits oben C. III. 2. 508 Ebenso Βeis er, Steuerrechtliche Wahlrechte, S. 52. 11 Marchai

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

halb ist es nicht zulässig, dass ein Wahlrecht im Wege der Rechtsanwendung eingeräumt wird, wenn das Gesetz ein Rechtsfolgen Wahlrecht nicht einräumt. 509 Zwar ist es mit dem steuerlichen Tatbestandsprinzip vereinbar, dass in den dargestellten Grenzen das Steuerrecht fortgebildet wird. In diesem Rahmen kann auch die Einräumung von Wahlrechten als zulässig angesehen werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass sich die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht im Wege der Rechtsfortbildung begründen lässt. Aus diesem Grunde ist das gesetzlich nicht geregelte Wahlrecht der Rücklage für Ersatzbeschaffung bedenklich. 510

F. Möglichkeiten von Billigkeitsmaßnahmen nach der Abgabenordnung Da sich im Einkommensteuergesetz keine rechtlichen Grundlagen für die Rücklage für Ersatzbeschaffung finden, stellt sich die Frage, ob die Besteuerung der Ersatzleistung in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs möglicherweise auch dadurch vermieden werden kann, dass die Finanzverwaltung eine Billigkeitsmaßnahme nach der Abgabenordnung ergreift. Für den Reichsfinanzhof bestand die Möglichkeit, das gewollte Ergebnis durch eine Billigkeitsmaßnahme erreichen zu können, nicht. Im Jahr 1930 bestand lediglich die Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme nach § 56 EStG 1925. Wegen der in der Regelung vorgeschriebenen Einkommensgrenzen war nur beschränkt Abhilfe möglich. 511 In der Abgabenordnung 1977 existieren in den §§ 163, 222 und 227 verschiedene Billigkeitsvorschriften. Es stellt sich die Frage, ob auf der Ebene der Steuerfestsetzung oder der Steuererhebung eine befriedigende Lösung gefunden werden kann. Eine Lösung mittels dieser Vorschriften erscheint nahe liegend, weil anerkannt ist, dass in den Fällen, in denen nach R 6.6 EStR eine Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht gebildet werden darf, die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung im Wege einer Billigkeitsmaßnahme gestattet werden kann, wenn deren Voraussetzungen gegeben sind. 512 509 So Herrmann / Heuer / Raupach / Ruppe Einf. ESt RdNr. 722. 510 So auch Tipke StRO I, S. 519 f. (Fn. 117). 511 Vgl. hierzu Ebling in: FS Moxter, S. 1005, 1008 (in Fn. 5) und 1016. Vgl. bereits oben unter C. IV. 512 Vgl. Herrmann /Heuer/ Raupach I Loose § 5 RdNr. 576; so auch Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 86 f.; vgl. auch BFH BStBl. II 1999, 602, 604, wo das Gericht nach Feststellung der Unzulässigkeit der Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung den Rechtsstreit zurückverweist, damit das Finanzgericht klären kann, ob die Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gegeben sind. So bereits BFH BStBl. II 1971, 664, 667. Vgl. auch Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 50: „In diesem Zusammenhang kann man nur wünschen, dass dieser königliche Paragraf des Steuerrechts [gemeint ist § 131 RAO; Anmerkung des Verfassers] noch stärker als bisher in das Bewusstsein der

F. Möglichkeiten von Billigkeitsmaßnahmen nach der Abgabenordnung

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Außerdem werden seit dem Wegfall der gesetzlichen Regelung zur Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns in § 3 Nr. 66 EStG a.F. die im Wesentlichen gleichen Ergebnisse durch Anwendung der §§ 163, 227 AO erzielt. 513 Sowohl die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen als auch der Besteuerungsaufschub durch die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung ist mit dem Gedanken der Unbeachtlichkeit einer sog. formellen Vermögensmehrung begründet worden. 514 Angesichts der vergleichbaren Begründung beider Ausnahmetatbestände soll der Frage nachgegangen werden, ob auch die Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs mit diesen Vorschriften bewältigt werden können. Von den Erlass Vorschriften der §§ 163, 227 AO kommt nur § 163 S. 1 AO in Betracht. § 227 AO betrifft den Erlass einer bereits entstandenen Steuer im Erhebungsverfahren. Da die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung bereits die Entstehung eines steuerbaren Gewinns verhindert, kann nur eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO Grundlage für den Besteuerungsaufschub sein 515 , auch wenn die inhaltlichen Voraussetzungen von § 163 S. 1 und § 227 AO dieselben sind. 516 Eine Begründung des Besteuerungsaufschubs mit § 222 AO ist nicht möglich, weil durch diese Vorschrift nur die Stundung eines bereits entstandenen Steueranspruchs erreicht werden kann. Die Kürzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsguts bzw. die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung, welche den entstandenen Gewinn neutralisiert und Entstehung eines Steueranspruchs verhindert, kann mittels § 222 AO nicht begründet werden.

L Lösung durch § 163 S. 1 AO Tatbestandliche Voraussetzung des § 163 S. 1 AO ist, dass die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist. Unbilligkeit ist gegeben bei persönlicher oder sachlicher Unbilligkeit. 517 Beamtenschaft tritt." Bei § 6b EStG wird hingegen die Möglichkeit von Billigkeitsmaßnahmen beim Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen verneint, vgl. Schmidt /Glane gger § 6b RdNr. 107. 513 Hierzu BMF BStBl. I 2003, 240. Zu Möglichkeiten von Billigkeitsmaßnahmen bei Sanierungsgewinnen vor der Abschaffung von § 3 Nr. 66 EStG a.F. Bachem, Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen nach § 3 Nr. 66 EStG, S. 91 ff. 514 Vgl. oben unter C. U. 3. b) cc); auch Knobbe-Keuk in: FS 75 Jahre RFH-BFH, S. 303, 314 f. 515 Vgl. BFH BStBl. II 1999, 602, 604: „Ob die Voraussetzungen für eine solche abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auch im Streitfall gegeben sind, kann der Senat [ . . . ] nicht entscheiden." 516 Vgl. Tipke/KruselLoose § 163 RdNr. 1; Seer in: Tipke/Lang § 21 RdNr. 295; Tipke StRO I, S. 520 f. 5Π Vgl. nur Seer in: Tipke/Lang § 21 RdNr. 333. 11*

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

1. Persönliche Unbilligkeit Persönliche Unbilligkeit erfordert Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit. Erlassbedürftigkeit ist gegeben, wenn ohne eine Billigkeitsmaßnahme die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre. Erlassunwürdigkeit ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige die mangelnde Leistungsfähigkeit selbst schuldhaft herbeigeführt hat oder durch sein Verhalten eindeutig gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat. 5 1 8 Gesichtspunkte der persönlichen Unbilligkeit werden beim zwangsweisen Ausscheiden eines Wirtschaftsguts regelmäßig keine Rolle spielen, weil das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs nicht immer dazu führen wird, dass die Erlasswürdigkeit des Steuerpflichtigen gegeben ist. Eine allgemeine Lösung der Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs ist unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Unbilligkeit nicht möglich.

2. Sachliche Unbilligkeit a) Der Begriff der sachlichen Unbilligkeit Nach der Rechtsprechung ist sachliche Unbilligkeit gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigen Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. 519 Sachliche Unbilligkeit soll auch gegeben sein, wenn angenommen werden kann, dass eine Besteuerung dem Zweck des Gesetzes und den Wertungen des Gesetzgebers widerspricht. 520 § 163 S. 1 AO kann allerdings eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift nicht ersetzen. 521 Deshalb ist ein Erlass nicht zulässig, wenn Umstände gegeben sind, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands einer Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat. 5 2 2 Diese Bestimmung der sachlichen Unbilligkeit ist in der Literatur kritisiert worden. Sie stehe auf dem Boden einer überholten subjektiven Auslegungstheorie und zwinge zu rational nicht nachvollziehbaren Spekulationen über den vermeintlichen Willen des Gesetzgebers.523 Anerkannt sei, dass für Gesetzesinterpretation und 518 Vgl. Seer in: Tipke/Lang § 21 RdNr. 339 f. 519 Vgl. BFH BStBl. III 1958, 248, 250; BStBl. IU 1959,11, 13; BStBl. II 1973, 271, 272; zustimmend Hindringer, Abschnitt 35 EStR 1966, S. 102 f. 520 Vgl. BFH BStBl. Π 1991, 906, 907; BStBl. II 1995, 8, 9 f.; BStBl. II 1996, 503, 504; BStBl. II 1997,716,717. 521 Vgl. BFH BStBl. III 1963, 150,151. 522 Vgl. BFH BStBl. Π 1972, 649 f.; BStBl. Π 1996, 503, 504; BStBl. Π 1997, 716,717. 523 So Tipke I Kruse/Loose § 227 RdNr. 41; kritisch auch Hübschmann/Hepp/Spitäler/ von Groll § 227 RdNr. 127; Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 169.

F. Möglichkeiten von Billigkeitsmaßnahmen nach der Abgabenordnung

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Billigkeitsentscheidungen im Ansatz dieselben Maßstäbe gelten müssen. Da die Rechtsprechung für die Auslegung auf das objektive Gesetzesverständnis abstell e 5 2 4 , müsse auch für die Bestimmung des Anwendungsbereichs von Billigkeitsmaßnahmen auf den Gesetzeszweck, den normativen Gesetzessinn, den im Gesetz angedeuteten Willen des Gesetzesgebers oder den objektiv erkennbaren Gesetzesplan abgestellt werden. 525 Sachliche Unbilligkeit sei dann gegeben, wenn die Einziehung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis den Geboten der Gleichheit und des Vertrauensschutzes, den Grundsätzen von Treu und Glauben, dem Erfordernis der Zumutbarkeit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde. 526

b) Das Fehlen sachlicher Unbilligkeit in den Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung Geht man für die Bestimmung der sachlichen Unbilligkeit in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt von dem Begriff der Rechtsprechung aus, so kommen Zweifel auf, ob sachliche Unbilligkeit bejaht werden kann. Zweifelhaft ist, ob angenommen werden kann, es handele sich um vom Gesetzgeber nicht erkannte Fälle, die er bei Kenntnis im Sinne der Billigkeitsregel geregelt hätte. Denn der Gesetzgeber hat anlässlich der Einführung der Regelung des § 6b EStG im Jahr 1964 und anlässlich des Entwurfs des dritten Steuerreformgesetzes 1974 zu erkennen gegeben, dass er sich der Problematik des zwangsweisen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts bewusst ist. Allerdings hat es der Gesetzgeber bis heute nicht für erforderlich erachtet, eine gesetzliche Regelung zu erlassen, weil er mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur Gewohnheitsrecht als Rechtsgrundlage angesehen hat. Deshalb könnte man auf Grundlage des von der Rechtsprechung verwendeten Begriffs zu dem Ergebnis kommen, dass sachliche Unbilligkeit nicht gegeben ist. 5 2 7 Diese Sichtweise ist jedoch nicht angemessen. Denn der Gesetzgeber konnte in der Vergangenheit davon ausgehen, dass es sich bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung um Gewohnheitsrecht handele, weil die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur stets hiervon ausgegangen ist. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Härten, die sich aus der Besteuerung eines zwangsweise realisierten Gewinns ergeben, bewusst in Kauf genommen hat. Dementsprechend kann man auf der Grundlage des von der Rechtsprechung über524 Vgl. nur BVerfGE 1, 299, 312: „Maßgeblich für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist."; kritisch Lang in: Tipke/Lang § 5 RdNr. 63. 525 So die Argumentation bei Hübschmann/Hepp/Spitäler/ von Groll § 227 RdNr. 127. 526 So Tipke /Kruse/Loose § 227 RdNr. 42; ebenso Kruse § 9 I V S. 197. 527 So Hindringer, Abschnitt 35 EStR 1966, S. 102 f.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

wiegend verwendeten Begriffs der sachlichen Unbilligkeit davon ausgehen, dass Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 S. 1 AO möglich sind. Auch auf der Grundlage des von dem in der Literatur vorwiegend verwendeten Begriffs kann man sachliche Unbilligkeit der Steuerfestsetzung in den Fällen des zwangsweisen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts bejahen. So kommt sachliche Unbilligkeit zunächst unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsverstoßes in Betracht. Es ist dargestellt worden, dass es einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG darstellt, wenn derjenige Steuerpflichtige, der von höherer Gewalt oder einem behördlichen Eingriff betroffen ist, das steuerliche Gestaltungsprivileg verliert, während der Steuerpflichtige, der nicht von höherer Gewalt oder einem behördlichen Eingriff betroffen ist, das steuerliche Gestaltungsprivileg behält. 528 Auch unter dem Aspekt von Treu und Glauben kommt sachliche Unbilligkeit in Betracht. Denn der Steuerpflichtige wird es als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ansehen, wenn durch eine Besteuerung der Ersatzleistung eine Ersatzbeschaffung unmöglich gemacht wird. Möglich erscheint schließlich die sachliche Unbilligkeit aufgrund von Zweckverfehlung der gesetzlichen Vorschriften. Denn es ist nicht Zweck der Gewinnermittlungsvorschriften, die Ersatzbeschaffung durch Besteuerung der Ersatzleistung zu gefährden. Es ist ferner nicht Zweck der Gewinnermittlungsvorschriften, eine Besteuerung der Erwerbsgrundlagen herbeizuführen. Im Fall der Besteuerung der Ersatzleistung würden die Erwerbsgrundlagen partiell entzogen. Voraussetzung für sachliche Unbilligkeit infolge von Zweckverfehlung ist, dass der Tatbestand nicht bereits im Wege der teleologischen Reduktion eingeschränkt werden kann. Es ist bereits festgestellt worden, dass die Grundsätze der Rechtsprechung nicht im Wege der teleologischen Auslegung oder Reduktion gewonnen werden. Dementsprechend müsste sachliche Unbilligkeit in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt angenommen werden, so dass ein Erlass der Steuerschuld nach § 163 S. 1 AO möglich ist. Auf der Grundlage der in Rechtsprechung und Literatur verwendeten Begriffe könnte man sachliche Unbilligkeit der Steuerfestsetzung in den Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung bejahen. Gleichwohl ist sachliche Unbilligkeit im Ergebnis abzulehnen. Denn durch eine Anwendung der Billigkeitsvorschriften dürfen Schwächen der gesetzlichen Regelung nicht ausgeglichen werden. 529 Mit §163 AO soll nur in atypischen Einzelfällen von einem ungewollten Überhang gesetzlich schematisierender Belastung befreit werden. 530 Der Billigkeitsgedanke kann nur in Ausnahmefallen zur Anwendung der § 163 S. 1 AO führen. 531 Er ist nicht dazu geeignet, Ausnahmen von den Gewinnermittlungsvorschriften ge528 Siehe oben unter C. ΠΙ. 2. 529 Vgl. Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 27; allgemein Hübschmann/ Hepp /Spitäler/ von Groll § 227 RdNr. 128; ebenso wohl Isensee in: FS Flume, S. 129,140. 530 Vgl. BVerfGE 48, 102, 116; auch Seer in: Tipke/Lang § 21 RdNr. 329 f. 531 So Lang, Bemessungsgrundlage, S. 352.

G. Ergebnisse

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nerell zu rechtfertigen, auch wenn diese Ausnahmen ihrerseits auf Billigkeitsgründen beruhen. Durch eine Lösung der Fälle der Rücklage für Ersatzbeschaffung durch eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 S. 1 AO würde generell in den Fällen des zwangsweisen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts eine Gewinnrealisierung verneint werden. Die Anwendungsfälle der Rücklage für Ersatzbeschaffung stellen aber keine atypischen Einzelfälle dar, sondern häufig auftretende Konstellationen, so dass eine Anwendung des § 163 S. 1 AO nicht gerechtfertigt ist. Folglich kann die Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht mit § 163 S. 1 AO begründet werden. Auch die folgende Überlegung spricht gegen eine Begründung mit § 163 S. 1 AO: Durch eine Lösung der Anwendungsfälle der Rücklage für Ersatzbeschaffung durch § 163 S. 1 AO würde man einen Teil der gerichtlichen Kontrolle aufgeben, weil die Regelung des § 163 S. 1 AO von der Rechtsprechung als nach § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbare, einheitliche Ermessensvorschrift angesehen wird. 5 3 2 Wenn bereits die Einräumung eines Vergünstigungstatbestands durch die Rechtsprechung bedenklich ist, muss erst recht die Einräumung einer Vergünstigung durch die Finanzverwaltung mit nur eingeschränkter finanzgerichtlicher Überprüfbarkeit abgelehnt werden.

II. Ergebnis Die derzeitige Rechtsprechung zur Rücklage für Ersatzbeschaffung kann nicht auf § 163 S. 1 AO gestützt werden, weil die Unbilligkeit der Steuerfestsetzung verneint werden muss. Eine rechtliche Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung mit § 163 S. 1 AO ist auch deshalb abzulehnen, weil sie zu einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit dieses Begünstigungstatbestands führte.

G. Ergebnisse Es hat sich gezeigt, dass die Rechtsprechungsgrundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung jenseits einer ausdrücklichen Regelung im geltenden Recht keine Grundlage finden, weil sie sich weder durch Auslegung des Gesetzes noch mit der Ausfüllung einer Regelungslücke noch durch eine Rechtsfindung contra legem begründen lassen. Eine gesetzlich nicht begründbare Steuervergünstigung dürfen 532

Vgl. hierzu insbesondere die Entscheidung des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu § 131 I RAO 1931, BStBl. II 1972, 603, 607 f. Kritisch hierzu Hübschmann/Hepp/Spitaler/Birk § 5 RdNr. 93; Tipkt! Kruse § 5 RdNr. 27; ders. § 9 IV S. 196 f.; allerdings hat der Bundesfinanzhof an dieser Sichtweise festgehalten, vgl. nur BFH BStBl. II 1988,139, 140; BStBl. II 1991, 572, 573; BStBl. II 1997, 781, 782.

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2. Kap.: Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung

aber weder Verwaltung noch die Gerichte gewähren, weil hierdurch die Grenzen der Rechtfortbildung überschritten werden. 533 Auch wenn der Reichsfinanzhof die Rücklage für Ersatzbeschaffung anhand der damaligen Fassung des Einkommensteuergesetzes entwickelt hat, welches keine echten Steuervergünstigungen wie die des § 6b EStG kannte, war die Begründung des Reichsfinanzhofs nicht überzeugend, weil der Reichsfinanzhof unter dem Deckmantel der wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine Billigkeitsentscheidung getroffen hat, die bereits damals nicht mit dem gesetzlichen Wortlaut der Gewinnermittlungsvorschriften vereinbar war. Die Rechtsprechungsgrundsätze stellen sich damit nicht mehr als gesetzesergänzendes Richterrecht, sondern als gesetzesänderndes Richterrecht dar. Die Grundsätze der Rechtsprechung konnten aus diesem Grund nicht zu Gewohnheitsrecht erstarken, weil sich nur gesetzesergänzendes, begünstigendes Gewohnheitsrecht, nicht aber gesetzesänderndes Gewohnheitsrecht bilden kann. Demnach gibt es im geltenden Recht keine rechtliche Grundlage für die Rechtsprechungsgrundsätze zur Rücklage für Ersatzbeschaffung. Zwar ist eine Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ein Wirtschaftsgut freiwillig veräußern, und Steuerpflichtigen, bei denen ein Wirtschaftsgut infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG geboten. Es ist jedoch nicht möglich, dem Gleichheitssatz im Rahmen des geltenden Rechts Wirkung zu verschaffen. Deshalb müsste man zu dem Ergebnis kommen, dass die derzeitige Rechtslage teilweise verfassungswidrig ist. Allerdings wird durch die derzeitige Rechtspraxis den Steuerpflichtigen ein Besteuerungsaufschub gewährt, so dass es nicht zu gleichheitswidrigen Belastungen kommt. Gleichwohl fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage, so dass sich die derzeitige Rechtspraxis als zumindest verfassungsrechtlich bedenklich darstellt. Auch muss es als unbefriedigend angesehen werden, dass die derzeitige Rechtspraxis gerichtlich nicht überprüfbar ist. Denn die durch R 6.6 EStR Begünstigten sind nicht klagebefugt. Diejenigen Steuerpflichtigen, welche nicht durch R 6.6 EStR begünstigt werden, sind ebenfalls nicht klagebefugt, weil sie mit einer Klage die nicht angestrebte Begünstigung, sondern allenfalls den völligen Wegfall der Begünstigung erreichen können. 534 Aus diesen Gründen ist eine gesetzliche Regelung der Rücklage für Ersatzbeschaffung erforderlich, um der derzeitigen Rechtspraxis eine rechtliche Grundlage zu verschaffen. Für die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung spricht 533 Vgl. Tipke StRO I, S. 519 f.; ebenso Lang, Bemessungsgrundlage, S. 352 f.; vgl. auch ders. in: Tipke/Lang § 4 RdNr. 160, der in Bezug auf die Gewährung ungesetzlicher Steuervergünstigungen von einer „offenen Flanke des Rechtsstaates" spricht. 534 Vgl. die Begründung des Nichtannahmebeschlusses in BVerfG BB 1988, 1716.

G. Ergebnisse

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weiterhin, dass sich die Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung immer mehr als Fremdkörper im geltenden Einkommensteuerrecht darstellen. Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit gesetzlich nicht geregelte, aber durch die Rechtsprechung entwickelte Fälle des Besteuerungsaufschubs gesetzlichen Regelungen unterworfen 535 bzw. durch gesetzliche Regelungen abgeschafft 536. Es ist davon auszugehen, dass nur noch in gesetzlich normierten Fällen eine Ausnahme von der Gewinnrealisierung stattfinden kann. Es ist daher Aufgabe des Gesetzgebers, Ausnahmen von der sich aus den §§ 4 ff. EStG ergebenden Gewinnrealisierung zu statuieren. 537 Es ist deshalb eine gesetzliche Niederlegung der Rechtsprechungsgrundsätze zur Rücklage für Ersatzbeschaffung erforderlich. 538

535 Vgl. die Regelung der Realteilung in § 16 Π Ι 2 ff. EStG. 536 Vgl. die Regelung des § 6 V I 1 EStG. 537 So bereits BFH BStBl. II 1969, 381, 383, wonach dieses Ergebnis durch den neu geschaffenen § 6b EStG bestätigt wird; vgl. schon BFH BStBl. ΠΙ 1962, 351, 353: „Ein solcher Verzicht [auf die Gewinnrealisierung; Anmerkung des Verfassers] bedarf vielmehr einer ausdrücklichen steuergesetzlichen Grundlage." Vgl. auch BFH BStBl. Π 1970, 743, 744. 538 in diese Richtung bereits Lang, Bemessungsgrundlage, S. 353; auch Kanzler NWB 2000, 2193, 2196 und ders. FR 2002,117,127.

3. Kapitel

Zur Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung Es soll nunmehr der Frage nachgegangen werden, welchen Spielraum der Gesetzgeber bei einer Regelung der Rücklage für Ersatzbeschaffung hat. Es ist dargestellt worden, dass es einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG darstellt, wenn derjenige steuerlich schlechter gestellt wird, der das steuerliche Gestaltungsprivileg infolge höherer Gewalt oder aufgrund eines behördlichen Eingriffs einbüßt, als derjenige, der ein Wirtschaftsgut freiwillig veräußert und die steuerliche Dispositionsmöglichkeit behält.1 Hieraus ergibt sich die Forderung an den Gesetzgeber, für eine wesentliche Gleichbehandlung beider Fallgruppen zu sorgen. Dass bereits heute in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs ein Besteuerungsaufschub gewährt wird, ändert nichts daran, dass die derzeitige Rechtspraxis aufgrund des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage verfassungsrechtlich bedenklich ist und eine gesetzliche Regelung erforderlich ist.

A. Möglichkeiten der Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung I. Zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Bei der Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum.2 Der Gesetzgeber kann zum einen eine gesetzliche Regelung erlassen, die die derzeitige Rechtspraxis gesetzlich fixiert. Eine derartige Regelung sah § 19 des Entwurfs des dritten Steuerreformgesetzes aus dem Jahr 1974 vor. 3 Eine vergleichbare Regelung ist in § 16 V des sog. Kölner Entwurfs eines Einkommensteuergesetzes enthalten.4 Allerdings bestehen angesichts des ι Im 2. Kapitel unter C. III. 2. 2 Zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers BVerfGE 49, 343, 360; BVerfGE 50, 386, 392; BVerfGE 74, 182, 200; BVerfGE 81,108, 117; BVerfGE 83, 395,401; BVerfGE 84, 239, 271; BVerfGE 84, 348, 359; BVerfGE 85, 238, 244; BVerfGE 93, 121, 136; BVerfGE 99, 88, 95; BVerfGE 105, 17,46; BVerfGE 107, 27, 47. 3 Vgl. BT-Drucks. 7/1470, 24. Hierzu bereits im 2. Kapitel unter D. U. 1. a). 4

§ 16 V des Kölner Entwurfs lautet: „Scheiden Anlagegüter infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus dem

Α. Möglichkeiten der Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung

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Gestaltungsspielraums des Gesetzesgebers auch andere Möglichkeiten. Es ist de lege ferenda auch möglich, die Übertragung stiller Reserven eines Wirtschaftsguts auf ein anders Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen in einem umfassenderen Maß zu gestatten. So sieht beispielsweise § 159 I V 5 des Entwurfs eines Steuergesetzbuchs für die osteuropäischen Staaten von Lang aus dem Jahr 1993 eine derartige Regelung vor. 6 Eine solche Regelung würde in weitem Maße die steuerneutrale Übertragung stiller Reserven ermöglichen. Sie wäre die Kodifizierung eines umgekehrten Entstrickungsgrundsatzes und müsste unter systematischen Gesichtspunkten begrüßt werden. Allerdings ist aufgrund der hierdurch zu erwartenden Steuermindereinnahmen mit der Einführung einer solchen Regelung nicht zu rechnen. Eine steuerneutrale Übertragung stiller Reserven von einem zwangsweise ausgeschiedenen Wirtschaftsgut auf ein neues Wirtschaftsgut wäre auch dann möglich, wenn man de lege ferenda im Betrieb reinvestierte Bezüge nicht der Besteuerung unterwirft, sondern als Einkünfte nur Ausschüttungen und Entnahmen qualifiziert. 7 Ein derartiges Besteuerungskonzept würde sämtliche Fälle der Auswechselung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens steuerneutral ermöglichen und würde ebenfalls zu einem umgekehrten Entstrickungsgrundsatz führen. Es soll nachfolgend dargestellt werden, wie eine Regelung aussehen könnte, die die derzeitige Rechtspraxis aufnimmt und ohne einen Systemwechsel in das derzeit geltende Einkommensteuergesetz eingefügt werden könnte. Erwerbsvermögen aus, so können der Buchwert, die Entschädigung oder der Veräußerungspreis ohne Ansatz eines Gewinns oder Verlusts auf den Wert eines fünktionsgleichen Ersatzanlageguts übertragen werden, wenn das Ersatzwirtschaftsgut innerhalb angemessener Frist angeschafft oder hergestellt wird. Bis zur Anschaffung oder Herstellung des Ersatzanlageguts bleibt das ausgeschiedene Anlagegut in dem Anlageverzeichnis ausgewiesen. Im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Ersatzanlageguts tritt dieses an die Stelle des ausgeschiedenen Anlageguts; dabei sind der Buchwert des ausgeschiedenen Anlageguts, die Entschädigung sowie die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzanlageguts mit einem zusammengefassten Wert anzusetzen, der die Besteuerung der stillen Reserven sicherstellt. Wird das Ersatzanlagegut nicht innerhalb angemessener Frist angeschafft oder hergestellt, so ist der Ansatz eines Gewinns oder Verlusts im Kalenderjahr des Fristablaufs nachzuholen; dabei gilt ein Zeitraum von zwei Jahren in jedem Falle als angemessen." Vgl. Lang u. a.y Kölner Entwurf, S. 8 und S. 90 zur Begründung. 5

§ 159 IV des Entwurfs eines Steuergesetzbuchs für die osteuropäischen Staaten lautet: „Werden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens durch gleichartige Wirtschaftsgüter ersetzt, die die gleiche betriebliche Funktion erfüllen, so können die stillen Reserven auf das Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden, wenn die Versteuerung der stillen Reserven gesichert ist. Wird die Ersatzbeschaffung nicht im gleichen Ermittlungszeitraum vorgenommen, so darf eine Gewinn mindernde Rücklage im Umfang der durch Veräußerung oder in anderer Weise realisierten stillen Reserven gebildet werden. Diese Rücklage ist erfolgswirksam aufzulösen, wenn das Ersatzwirtschaftsgut nicht in angemessener Frist angeschafft oder hergestellt wird." 6 Zur Begründung Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs, S. 185. 7 So der Reformentwurf von Mitschke, wonach Einkünfte aus Unternehmen nur Entnahmen oder Ausschüttungen sind (vgl. § 6 IIa des Entwurfs). Zur Begründung Mitschke, Erneuerung, S. 7 ff., 47 ff. Kritisch hierzu Stappeifend FR 2005, 74, 81.

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r Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung

II. Zum Standort einer gesetzlichen Regelung Es stellt sich zunächst die Frage, an welcher Stelle i m Gesetz eine Regelung der Rücklage für Ersatzbeschaffung eingefügt werden sollte. I n Betracht kommt angesichts der identischen Regelungstechnik eine Regelung innerhalb von § 6b EStG. Eine derartige Zusammenfassung beider Rücklagen enthält beispielsweise § 12 öEStG. I n den Absätzen I bis I V enthält § 12 öEStG eine der Regelung des § 6b EStG i m Wesentlichen entsprechende Regelung. 8 I n Absatz V werden die Anwendungsfälle der Rücklage für Ersatzbeschaffung in den Geltungsbereich der Begünstigungsvorschrift einbezogen. 9 Gegen eine Regelung der Rücklage für Ersatzbeschaffung zusammen mit der Reinvestitionsrücklage spricht, dass § 6b EStG eine wirtschaftspolitische, echte 8 Allerdings geht die Regelung des § 12 ÖEStG hinsichtlich der begünstigten Wirtschaftsgüter über § 6b EStG hinaus. § 121 bis IV ÖEStG lautet: „(1) Natürliche Personen können stille Reserven (Abs. 2), die bei der Veräußerung von Anlagevermögen aufgedeckt werden, von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten [ . . . ] des im Wirtschaftsjahr der Veräußerung angeschafften oder hergestellten Anlagevermögens absetzen. (2) Stille Reserven sind der Unterschiedsbetrag zwischen den Veräußerungserlösen und den Buchwerten der veräußerten Wirtschaftsgüter. (3) Eine Übertragung ist nur zulässig, wenn 1. das veräußerte Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sieben Jahre zum Anlagevermögen dieses Betriebes gehört hat und 2. das Wirtschaftsgut, auf das stille Reserven übertragen werden sollen, in einer inländischen Betriebsstätte verwendet wird; [ . . . ] . Die in Ζ 1 genannte Frist beträgt 15 Jahre für Grundstücke oder Gebäude, auf die stille Reserven übertragen worden sind, und für Gebäude, die [ . . . ] beschleunigt abgeschrieben worden sind. (4) Eine Übertragung ist nur zulässig auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten [ . . . ] von 1. körperlichen Wirtschaftsgütern, wenn auch die stillen Reserven aus der Veräußerung von körperlichen Wirtschaftsgütern stammen, 2. unkörperlichen Wirtschaftsgütern, wenn auch die stillen Reserven aus der Veräußerung von unkörperlichen Wirtschaftsgütern stammen. Die Übertragung stiller Reserven auf die Anschaffungskosten von Grund und Boden ist nur zulässig, wenn der Gewinn nach § 5 ermittelt wird und wenn auch die stillen Reserven aus der Veräußerung von Grund und Boden stammen. Die Übertragung stiller Reserven auf die Anschaffungskosten von (Teil-) Betrieben, Beteiligungen an Personengesellschaften und von Finanzanlagen sowie die Übertragung stiller Reserven, die aus der Veräußerung von (Teil-)Betrieben oder von Beteiligungen an Personengesellschaften stammen, ist nicht zulässig." 9 § 12 V öEStG lautet: „Die Abs. 1 bis 4 gelten auch, wenn Anlagevermögen infolge höherer Gewalt, durch behördlichen Eingriff oder zur Vermeidung eines solchen nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffes aus dem Betriebsvermögen ausscheidet. Die Fristen des Abs. 3 gelten jedoch nicht." Die Regelung des § 12 V öEStG kann allerdings keine Vorbildfunktion für das deutsche Recht beanspruchen, weil sie die Fälle des zwangsweisen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens nicht erfasst. In diesen Fällen ist aber ebenfalls ein Besteuerungsaufschub geboten; so bereits RFH RStBl. 1938, 915.

Α. Möglichkeiten der Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung

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Steuervergünstigung darstellt, hingegen die Rücklage für Ersatzbeschaffung eine auf Billigkeitserwägungen beruhende unechte Steuervergünstigung ist. Eine zusammenfassende Regelung würde den unterschiedlichen Charakter der beiden Rücklagen verschleiern. Auch besteht die Gefahr, dass der Gesetzgeber im Zuge des Abbaus echter Steuervergünstigungen eine zusammenfassende Regelung abschaffen könnte. Aus diesem Grund erscheint eine eigenständige Regelung der Rücklage für Ersatzbeschaffung angemessen.

ΙΠ. Zur Reichweite einer gesetzlichen Regelung Angesichts der dargestellten Regelungsmöglichkeiten stellt sich die Frage, welche Vorgaben sich aus Art. 3 I GG für die Reichweite einer gesetzlichen Regelung ergeben. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes auch die Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge einer wirtschaftlichen Zwangslage in den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Regelung einbezogen werden müssen. Eine Erstreckung der Grundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung auf diese Fälle hat die Rechtsprechung immer abgelehnt. In dem einem Urteil des Reichsfinanzhofs aus dem Jahr 1934 10 zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Steuerpflichtige aufgrund einer wirtschaftlichen Zwangslage den zu seinem Betrieb gehörenden Grundbesitz veräußert und den Betrieb verlegt. Die bei der Veräußerung realisierten stillen Reserven wollte der Steuerpflichtige nach den Grundsätzen der Brandentschädigungsfälle auf die Wirtschaftsgüter des neuen Betriebes übertragen. Dies lehnte der Reichsfinanzhof ab. Zur Begründung führte der Reichsfinanzhof aus, es sei nicht zu rechtfertigen, die Realisierung stiller Reserven bei freiwilliger Verlegung eines Betriebs infolge wirtschaftlicher Gründe ebenso wie bei einer Realisierung durch höhere Gewalt zu behandeln. In den Brandentschädigungsfällen sei keine Realisierung von stillen Reserven angenommen worden, soweit durch die Zahlung der Versicherungssumme und den Wiederaufbau lediglich die Wirkungen höherer Gewalt ausgeglichen würden; dieser Gesichtspunkt falle fort, wenn der Betrieb aus geschäftlichen Gründen verlegt werde. 11 Der Bundesfinanzhof hat es ebenfalls abgelehnt, die Rechtsprechungsgrundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung auf die Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts aufgrund einer wirtschaftlichen Zwangslage auszudehnen.12 Der Bundesfinanzhof hat ausgeführt, es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die die Auflösung der stillen Reserven herbeiführenden Veräußerungen auf einem freiwilligen Entschluss des Steuerpflichtigen zurückgingen. Aus welchen betriebs10 RFH RStBl. 1934, 1126. h Vgl. RFH RStBl. 1934,1126, 1127. 12 So BFH BStBl. III 1957, 195, 196; BStBl. ΠΙ 1964, 504, 506; BStBl. II 1969, 381, 382 f.; BStBl. Π 1971, 664, 667; BStBl. II 1975, 692, 695 f.

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r Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung

wirtschaftlichen Erwägungen der Steuerpflichtige sich habe gezwungen gesehen, könne dahin gestellt bleiben, da es ihm freigestanden habe, die Veräußerung des Wirtschaftsguts zu unterlassen.13 Nur in den Fällen, in denen das Wirtschaftsgut durch höhere Gewalt oder durch einen behördlichen Eingriff ausscheide, werde der Zwang zur Gewinnrealisierung als unbillig empfunden. Nur hier bestehe die Empfindung, dass ein Steuerpflichtiger, der von einem ohnehin harten Schicksalsschlag heimgesucht werde, wenigstens von den damit an sich verbundenen steuerlichen Belastungen verschont bleiben solle. Einer vergleichbaren emotionalen Wertung seien nur andere Elementarereignisse und allenfalls Diebstahl zugänglich.14 Eine Einbeziehung der Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge einer wirtschaftlichen Zwangslage ist nicht aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG geboten. Denn es besteht zwischen den Fällen der wirtschaftlichen Zwangslage und den Fällen der durch höhere Gewalt oder einen behördlichen Eingriff ausgelösten Zwangslage der entscheidende Unterschied, dass es nur in den letzteren Fällen vollständig an einem freiwilligen Entschluss des Steuerpflichtigen zur Veräußerung fehlt. In den Fällen der wirtschaftlichen Zwangslage kann hingegen ein Rest an Freiwilligkeit stets bejaht werden. Außerdem wird das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aufgrund einer wirtschaftlichen Zwangslage oftmals entscheidend durch ein Verhalten des Steuerpflichtigen (mit-) verursacht worden sein. Demgegenüber kann in den anerkannten Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung die Ursache für das Ausscheiden des Wirtschaftsguts isoliert werden. 15 Beim Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aufgrund einer wirtschaftlichen Zwangslage wird oftmals ein Ursachenbündel vorliegen. Dass in diesen Fällen eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns stets unbillig ist, muss bezweifelt werden. Die dargestellten Unterschiede sind von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine steuerrechtliche Ungleichbehandlung rechtfertigen. Deshalb ist eine Einbeziehung der Fälle wirtschaftlicher Zwangslagen nicht geboten.16 Allerdings ist es dem Gesetzgeber freigestellt, die Fälle der wirtschaftlichen Zwangslage in den Geltungsbereich einer gesetzlichen Regelung einzubeziehen. Wenn der Gesetzgeber es für erforderlich hält, den Steuerpflichtigen auch in einer wirtschaftlichen Zwangslage zu begünstigen, so kann er eine derartige Begünstigung gesetzlich normieren. Die Entscheidung hierüber ist eine rechtspolitische Entscheidung. Dem Gesetzgeber steht es angesichts des ihm zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraumes frei, die Fälle zu normieren, in denen er einen Besteuerungsaufschub gewährt. Es ist deshalb auch möglich, dass der Gesetzgeber diese Fälle nicht einbezieht, weil er wirtschaftliche Zwangslagen als Konsequenz 13 Vgl. die Argumentation bei BFH BStBl. ΠΙ 1964, 504, 506. 14 Vgl. die Argumentation bei BFH BStBl. II 1975, 692,695 f. ι 5 Dementsprechend verlangt die Rechtsprechung, dass bei dem Ausscheiden eines Wirtschaftsguts zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs letzterer das Hauptmotiv für die Veräußerung war; vgl. BFH BStBl. II 1976,186, 187 f. 16

Im Ergebnis so auch Burkert, Übertragung stiller Reserven, S. 49 f.

. Ergebnisse

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des unternehmerischen Risikos ansieht, für welches der Steuerpflichtige allein einstehen muss.

B. Ergebnisse Der Gesetzgeber hat bei einer gesetzlichen Regelung der Rücklage für Ersatzbeschaffung einen weiten Gestaltungsspielraum. Er muss angesichts von Art. 3 I GG dafür sorgen, dass die Fälle des zwangsweisen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens und die Fälle des freiwilligen Ausscheidens hinsichtlich des Besteuerungszeitpunkts gleich behandelt werden. Der Gesetzgeber kann bei einer gesetzlichen Regelung der Rücklage für Ersatzbeschaffung die Fälle der wirtschaftlichen Zwangslage einbeziehen oder von einer Einbeziehung absehen.

Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit 1. Es ist untersucht worden, ob der von Rechtsprechung und Finanzverwaltung praktizierte Besteuerungsaufschub der Rücklage für Ersatzbeschaffung jenseits einer ausdrücklichen Regelung im geltenden Recht eine rechtliche Grundlage findet. Neben einer gewohnheitsrechtlichen Begründung kam in Betracht, die Rücklage für Ersatzbeschaffung als richterliche Rechtsfortbildung aufzufassen. Angesichts der Bedeutung gesetzlicher Prinzipien für die Rechtsfortbildung war zunächst zu untersuchen, ob den mit der Rücklage für Ersatzbeschaffung vergleichbaren Besteuerungsaufschubtatbeständen gemeinsame Grundsätze zugrunde liegen. 2. Im geltenden Einkommensteuerrecht existieren keine gemeinsamen Prinzipien, welche den Fällen der erfolgsneutralen Übertragung stiller Reserven von einem Wirtschaftsgut auf ein anderes Wirtschaftsgut desselben Steuerpflichtigen zugrunde liegen. Demnach existiert auch kein „inneres" System des Besteuerungsaufschubs in den untersuchten Fällen. 3. So ist die Zweckbindung des realisierten Gewinns bei der Reinvestitionsrücklage und der Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht der maßgebliche Grund für den Besteuerungsaufschub, weil im geltenden Einkommensteuerrecht nicht der Grundsatz existiert, dass zweckgebundene Einnahmen steuerrechtlich so zu behandeln sind, dass sie zur Erfüllung des Zweckes stets ausreichen. 4. Auch im durch die Markteinkommenstheorie konkretisierten Leistungsfähigkeitsprinzip kann nicht das den untersuchten Fällen zugrunde liegende Prinzip erblickt werden. Zum einen ist es nicht möglich, nach Maßgabe der Markteinkommenstheorie in den drei untersuchten Fällen eine Gewinnverwirklichung zu verneinen. Ein am Markt erwirtschafteter Gewinn könnte allenfalls in den der Rücklage für Ersatzbeschaffung zugrunde liegenden Fällen verneint werden. In den Fällen der Reinvestitionsrücklage und des erfolgsneutralen Tauschs von Anteilen an Kapitalgesellschaften kann ein erwirtschafteter Gewinn nur durch eine Qualifizierung des Umsatzakts als Umstrukturierungsmaßnahme verneint werden. Der Gedanke der Umstrukturierung ist jedoch für die Rücklage für Ersatzbeschaffung unpassend. Zum anderen sind die hier untersuchten Fälle Ausnahmen vom handelsrechtlichen Realisationsprinzip. Die Markteinkommenstheorie wird durch das handelsrechtliche Realisationsprinzip konkretisiert. Sie kann daher nicht das den Ausnahmefällen zugrunde liegende Prinzip bilden. 5. Die Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven und der fehlende Mittelzufluss stellen die den Fällen betrieblicher und unternehmerischer Umstrukturierungen zugrunde liegenden Prinzipien dar. Sie sind jedoch nicht in der Lage,

Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

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den Besteuerungsaufschub der Reinvestitionsrücklage, der Rücklage für Ersatzbeschaffung und des Tauschgutachtens zu begründen. Ebenso wenig trägt der Gedanke, durch die Übertragung stiller Reserven werde das begonnene unternehmerische Engagement fortgeführt. 6. Der Besteuerungsaufschub der Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG stellt eine wirtschaftspolitische, echte Steuervergünstigung dar. Der Besteuerungsaufschub nach Maßgabe des Tauschgutachtens des Bundesfinanzhofs war als Maßnahme zur Ermöglichung unternehmerischer Umstrukturierungen zu verstehen und musste ebenfalls als echte, allerdings gleichheitswidrige Steuervergünstigung qualifiziert werden. Hingegen ist der Besteuerungsaufschub bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung eine unechte Steuervergünstigung, die durch Billigkeitsgesichtspunkte motiviert ist. 7. Die Rechtsprechungsgrundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung finden im geltenden Einkommensteuerrecht keine rechtliche Grundlage. Sie können weder mit Gewohnheitsrecht noch mit Gesetzesauslegung noch mit der Ausfüllung einer einkommensteuerrechtlichen Regelungslücke begründet werden. 8. Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung mit Gewohnheitsrecht ist nicht überzeugend, weil sich im Steuerrecht nur gesetzesergänzendes, nicht aber gesetzesänderndes, begünstigendes Gewohnheitsrecht bilden kann. Die Rechtsprechungsgrundsätze der Rücklage für Ersatzbeschaffung stehen zu dem Wortlaut der Gewinnermittlungsvorschriften in Widerspruch, so dass sie nicht als Gesetzesergänzung verstanden werden können. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich im Steuerrecht auch gesetzesänderndes Gewohnheitsrecht bilden kann, ist die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung mit Gewohnheitsrecht nicht überzeugend, weil sich aufgrund der fehlenden kontinuierlichen Rechtspraxis allenfalls im Kern Gewohnheitsrecht gebildet haben kann. 9. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die über den Kernbereich hinausgehende Rechtsprechung mit der Auslegung von Gewohnheitsrecht begründen lässt. Denn die Rechtsprechung stellt sich nicht mehr als bloße Auslegung des gewohnheitsrechtlichen Kerns dar, sondern als dessen Fortbildung. Eine Fortbildung von Gewohnheitsrecht ist zwar grundsätzlich sowohl durch die Rechtspraxis als auch durch den Gesetzgeber möglich. Bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist jedoch eine Fortbildung nicht durch die Rechtspraxis möglich, weil sie im Widerspruch zu den bestehenden Gewinnermittlungsvorschriften steht. 10. Die Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze durch eine wirtschaftliche Qualifikation des Sachverhalts ist nicht überzeugend. Es ist weder möglich, die Gewinnrealisierung wegen der Identität von ausgeschiedenem Wirtschaftsgut und Ersatzwirtschaftsgut zu verneinen, noch ist es möglich, die Gewinnrealisierung aufgrund einer Bewertung der Ersatzleistung mit dem Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts zu verneinen. 12 Marchai

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Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

11. Aus der erfolgsneutralen Behandlung bestimmter Fälle des Tauschs vor der Einführung des § 6 V I 1 EStG lassen sich für die Fälle der Rücklage für Ersatzbeschaffung keine Rückschlüsse ziehen. Der erfolgsneutralen Behandlung des Tauschs von Anteilen an Kapitalgesellschaften lagen andere Erwägungen zugrunde als der Rücklage für Ersatzbeschaffung. 12. Die Begründung der Rechtsprechung mit der Auslegung des Einkommensteuergesetzes anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist ebenfalls nicht überzeugend. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise stellt eine Methode der teleologischen Auslegung dar. Sie könnte zur Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze herangezogen werden, wenn im geltenden Einkommensteuerrecht ein Gesetzeszweck oder ein entsprechendes gesetzliches Prinzip existierte, welcher bzw. welches in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs einen Aufschub der Besteuerung gebieten würde. Da aufgezeigt worden ist, dass die Rücklage für Ersatzbeschaffung sowie die beiden mit ihr vergleichbaren Besteuerungsaufschubtatbestände nicht als Ausdruck eines gemeinsamen Prinzips verstanden werden können, musste nach einem anderen Prinzip gesucht werden, um die Rücklage für Ersatzbeschaffung mit der Auslegung anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu begründen. Ein derartiges Prinzip existiert jedoch nicht. Weder das Fehlen der Gewinnrealisierungsabsicht noch das durch die Markteinkommenstheorie konkretisierte Leistungsfähigkeitsprinzip gebieten in den Fällen der Rücklage für Ersatzbeschaffung einen Aufschub der Besteuerung. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der zwangsweise realisierte Gewinn eine bloße formelle Vermögensmehrung oder einen für die Gewinnermittlung unbeachtlichen Buchgewinn darstellt. Schließlich ist auch die verfassungskonforme Auslegung nicht in der Lage, die Rechtsprechungsgrundsätze zu begründen. 13. Auch mit der Ausfüllung einer einkommensteuerrechtlichen Regelungslücke lässt sich der Besteuerungsaufschub der Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht begründen. Zwar ist auch im Steuerrecht eine Ausfüllung gesetzlicher Lücken in engen Grenzen möglich. Die Begründung der Rechtsprechungsgrundsätze mit der Schließung einer offenen Regelunglücke scheitert jedoch am Fehlen einer ausfüllungsbedürftigen Lücke und einer entsprechend anwendbaren Vorschrift. Die Begründung der Rücklage für Ersatzbeschaffung mit der Schließung einer verdeckten Regelungslücke scheitert - wie auch die Begründung der Rechtsprechung mit der Auslegung des Gesetzes anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise - am Fehlen eines gesetzlichen Prinzips, welchem durch teleologische Reduktion der Gewinnermittlungsvorschriften zur Geltung verholfen werden könnte. 14. Die Rechtsprechungsgrundsätze lassen sich schließlich nicht auf § 163 S. 1 AO stützen. Zum einen kann das Tatbestandsmerkmal der Unbilligkeit bei einem zwangsweisen Ausscheiden eines Wirtschaftsguts nicht bejaht werden. Zum anderen erweist sich die Vorschrift des § 163 S. 1 AO als nicht praktikabel, weil auf ihrer Grundlage getroffene Entscheidungen gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden können.

Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

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15. Ausnahmen von der Gewinnrealisierung muss der Gesetzgeber selbst festlegen. Weder die Gerichte noch die Verwaltung sind berechtigt, Ausnahmen von der gesetzlich angeordneten Gewinnrealisierung zu statuieren. Gerade angesichts der Einschränkung des § 6b EStG und der Einführung des § 6 V I 1 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 muss davon ausgegangen werden, dass die Fälle, in denen eine Ausnahme von der gesetzlichen Gewinnrealisierung gegeben ist, abschließend normiert sind. Darüber hinaus ist für einen gesetzlich nicht geregelten Besteuerungsaufschub aus Billigkeitsgründen kein Raum. 16. Die Einräumung eines Besteuerungsaufschubs in den Fällen des Ausscheidens eines Wirtschaftsgutes infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs ist aufgrund von Art. 3 I GG geboten. Zwischen einem Steuerpflichtigen, der selbst über den Zeitpunkt der Realisierung stiller Reserven entscheiden kann, und einem Steuerpflichtigen, bei dem die stillen Reserven infolge von Zwang aufgedeckt werden, bestehen nicht Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine ungleiche steuerrechtliche Behandlung rechtfertigen könnten. 17. Angesichts dieser Ergebnisse muss der Gesetzgeber die Rücklage für Ersatzbeschaffung im Einkommensteuergesetz regeln, um der derzeitigen Rechtspraxis eine rechtliche Grundlage zu verschaffen. Dabei müssen von einer gesetzlichen Regelung die bislang anerkannten Fälle des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs umfasst sein. Hingegen ist eine Einbeziehung des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts infolge einer wirtschaftlichen Zwangslage nicht geboten. Der Gesetzgeber kann sich aber angesichts des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums für eine Einbeziehung dieser Fälle entscheiden.

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averzeichnis Abflussprinzip 41 Analogie - Gesetzesanalogie 136 - Rechtsanalogie 136 - zugunsten des Steuerpflichtigen 144 ff. - zulasten des Steuerpflichtigen 139 ff. Analogieverbot 137 ff. Anschaffungskosten 19, 21, 30, 40, 43, 45, 92, 106, 111 Auslegungsmethoden 95 Besteuerungsaufschub 19 f., 52 Betriebsaufgabe 47 ff., 63 Betriebsaufspaltung 61 f. Betriebsverpachtung 62 Bestandsschutz 130 f. Bilanzauffassungen 96 Billigkeitsmaßnahme 68 f., 158 ff. Brandentschädigungsfälle 23, 68 f. Buchgewinn 117 ff. Buchwert 19 f., 22 ff., 30, 33, 59 ff., 92 ff., 105 ff. Buchwertfortführung 59 ff. Demokratieprinzip 138, 140 f., 144 durchlaufender Posten 21 f. Eigentumsgarantie 125 ff. Eigentumskräftig verfestigte Anspruchsposition 130 f. Einlage 25 Entnahme 25,47 ff., 62 f. Entstrickungsgrundsatz - allgemeiner 48 f., 51, 58 - umgekehrter 58, 65, 167 Ersatzleistung 21 f., 24 Ersatzrealisationstatbestand 47 ff. Ersatzwirtschaftsgut 21 f., 24 f., 90 ff., 110 Finanzverwaltung 20, 26,49, 72 ff., 84, 120, 163 13 Marchai

formelle Vermögensmehrung 117 ff. Fortführung des unternehmerischen Engagements in veränderter Form 66 f., 110 Gemeiner Wert 21, 31 ff., 106 f. Gesetzeszweck - von Fiskalzwecknormen 99 ff. - von Sozialzwecknormen 99 Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers 38, 131 f., 166 ff. Gewinnerzielungsabsicht 113 Gewinnrealisierung 17, 20, 23, 30 ff., 41 ff., 50 ff., 94,123 f. Gewinnrealisierungsabsicht 113 ff. Gewinnschätzung 26 Gewohnheitsrecht 71, 74 ff. Gleichheitssatz, allgemeiner 36 ff., 73 f., 97 f., 108, 131 ff., 157, 162, 164, 166, 169 ff. Gleichmäßigkeit der Besteuerung 44, 97 f., 156 Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 42 f. Halbteilungsgrundsatz 128 f. Handelsbilanz 42 ff. Herstellungskosten 19, 21, 30, 40, 43, 45, 106 Imparitätsprinzip 43,45, 51, 112 Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus 25 Leistungsfähigkeitsprinzip 35 ff., 44 ff., 50 f., 98,121 ff., 156 f. Lücke - offene 136,142 - verdeckte 136,141 Lückenfüllung - bei offenen Lücken 136,147 ff. - bei verdeckten Lücken 136, 152 ff.

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averzeichnis

Markteinkommenstheorie 38 ff., 51, 53 ff., 121 ff. Maßgeblichkeitsgrundsatz 21,42,44,46 - umgekehrter 23,42 Mitunternehmererlass 61 Quellentheorie 38 Realisationsprinzip 19 f., 21, 27, 40, 43, 45, 50 f., 57 f., 94,112,117,122,148 Realisationstatbestand 23, 50 Realteilung 61 Rechtsfortbildung 89, 103 f., 136 Rechtsstaatlichkeit 138 f. Reinvermögenszugangstheorie 38 f. Reinvestitionsrücklage 26 ff., 52 f., 56,151 f., 168 f. Richterrecht 71 f., 83 f. Rücklage für Ersatzbeschaffung 20 ff., 79 ff., 89 ff., 147 ff.

Tausch 30 ff., 104 ff. Tauschgutachten 33 f., 66 f., 106 ff., 114 ff. Totalitätsprinzip 38 f., 51

69, 91 f.,

Unbilligkeit, - persönliche 160 - sachliche 160 ff. Universalitätsprinzip 38 verfassungskonforme Auslegung 125 f. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 40 f., 45 f. Verstrickung 47 f. Verwaltungsvorschriften 72 ff. Vorbehalt des Gesetzes 76 f., 103, 138, 157 f. Vorrang des Gesetzes 74 Vorsichtsprinzip 43,45, 51

Sachverhaltsfiktion 89 f., 94 Sachverhaltsgestaltung 155 f. Sanierungsgewinn 118 ff., 159 Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven 57 ff. Sonderposten mit Rücklageanteil 22 f., 93 Sperreffekt 26, 28, 69 Steuerbilanz 42 ff. Steuergerechtigkeit 36 Steuerstundung 23, 27 Steuervergünstigung 17, 29 f., 70, 156 f., 163 f., 168 f. stille Reserven 19, 26, 29 Subjektsteuerprinzip 47, 58, 61 Substanzbesteuerung 29, 54

Wahlrecht, - handelsrechtliches 43 f., 46, 155 f. - steuerrechtliches 155 ff. Wechsel der Gewinnermittlungsart 25 f. Wertberichtigungsposten 92 f. Wertzuwachsbesteuerung 40 f., 48, 63 wirtschaftliche Betrachtungsweise 94 ff., 105 ff., 111 ff. wirtschaftliche Beurteilung von Sachverhalten 89 ff. wirtschaftliche Identität von Wirtschaftsgütern 90 ff., 106 ff., 109 ff. wirtschaftliche Zwangslage 24, 116, 121, 169 ff. Wirtschaftsgüter - des Anlagevermögens 25, 29, 56 - des Umlaufvermögens 25,56

Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung 15, 49, 76 ff., 90, 103 f., 137 ff.

Zuflussprinzip 41 Zweckbindung des Gewinns 52 f.