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German Pages 68 [72] Year 1935
Hamburger Rechtsstudien herausgegeben von Mitgliedern der Rechts- und Staatswissensdiaftlichen Fakultät der Hamburgischen Universität
Heft 24.
Von den „Hamburger Rechtsstudien" sind bisher erschienen:
Heft
i : Der Begriff des Versicherungsfalles in der Seeversicherung. Von Dr. F. Alexander Bene. Groß-Oktav. 75 Seiten. 1928. Ml 4.— Heft 2: Die Bedeutung des Interesses für die Veräußerung der versicherten Sache. Von Dr. Hermann Heinrich Elkan. Groß-Oktav. j8 Seiten. 1928. Ml 3.60 Heft 3: Aktiensonderdepot und Legitimationsübertragung. Von Dr. Günther Frohner. Groß-Oktav. 121 Seiten. 1929. Ml 6.30 Heft 4: Die Gewinnversicherung. Von Dr. Helmut Winkler. Groß-Oktav. 31 Seiten. 1930. Ml 1.80 Heft $: Der Konnossement-Teilschein. Von Dr. Heinz Behlert. Groß-Oktav. 79 Seiten. 1930. Ml 4.50 Heft 6: Die Order-Police. Von Dr. Alexander N. Tsirintanis. Groß-Oktav. 9 j Seiten. 1930. Ml 5.40 Heft 7: Reine Konnossemente gegen Revers. Von Dr. Robert Lion. GroßOktav. 78 Seiten. 1930. Ml 4.50 Heft 8: Versicherung für Rechnung wen es angeht. Von Dr. Helmuth Embden. Groß-Oktav. 39 Seiten. 1930. Ml 2.70 Heft 9: Die guten Sitten in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung nach dem Kriege. Von Dr. Fritz Oettinger. Groß-Oktav. 84 Seiten. 1931. Ml 4.50 Heft 10: Wandlung und Minderung bei einer Mehrheit von Käufern oder Verkäufern. Von Dr. Hans Wogatzki. Groß-Oktav. 1 1 5 Seiten. 1931. Ml 6 — Heft 1 1 : Das Versicherungs-Zertifikat. Von Dr. Rudolf Nothmann. GroßOktav. 96 Seiten. 1932. Ml 5.— Heft 12: Die Versicherung der Havariegrosse-Schäden. Von Dr. Hans Cramer. Groß-Oktav. $6 Seiten. 1932. Ml 3.— Heft 1 3 : Die Staatshaftung für den Hamburger Hafenlotsen. Von Dr. Erwin Mumssen. Groß-Oktav. 1 1 0 Seiten. 1932. Ml j.— Heft 14: Gleichberechtigung der Geschlechter im künftigen Elternrecht. Von Dr. Charlotte Cohn. Groß-Oktav. X I und 56 Seiten. 1932. Ml 3.J0 Heft 15: Die Speditionsversicherung in den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen. Von Dr. Willi Schiering. Groß-Oktav. 74 Seiten. 1932. Ml 4 — Heft 16: Quellenkritische Studien zur Bessergebotsklausel (in diem addictio) im römischen Kaufrecht. Von Dr. jur. Harald Sieg. Groß-Oktav. 43 Seiten. 1933. Ml 3.— Heft 17: Kostfrachtgeschäft und laufende Versicherung. Von Dr. jur. Detlev Himer. Groß-Oktav. 42 Seiten. 1933. Ml 3.— Heft 18: Acatholicus. Eine Untersuchung über die Stellung der Ungetauften und der Apostaten, Häretiker und Schismatiker sowie der sonstigen exkommunizierten Christen im geltenden kanonischen Recht. Von Dr. Walter Böhm. Groß-Oktav. $9 Seiten. 1933. Ml 3.— Heft 19: Beiträge zur Lehre von den subjektiven Anrechtselementen im Straf recht. Von Dr. Rudolf Sieverts. Groß-Oktav. 240 Seiten. 1934. Ml 10.— Heft 20: Die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers. Von Dr. Klaus Koops. Groß-Oktav. j2 Seiten. 1934. Ml 3.— Heft 2 1 : Das Zustandekommen des Versicherungsvertrages, eine rechtsvergleichende Darstellung. Von Dr. Heinz Hagemann. Groß - Oktav. 68 Seiten. 1934. Ml 4.— Heft 22: Grundsätze der versicherungsrechtlichen Vorteilsausgleichung. Von Dr. Günther Schultz. Groß-Oktav. 69 Seiten. 1934. Gew.: 100 g Ml 4.— Heft 23: Die Abtretung von Forderungen aus gegenseitigen Verträgen. Von Dr. Walter Brügmann. Groß-Oktav. X V I u. 1 1 0 Seiten. 1934. Gew.: 200 g Ml 5.—
Die Stellung des geschädigten Dritten in der Haftpflichtversicherung. von
Dr. Rolf Senger
Hamburg Friederichsen, de Gruyter & Co. G. m. b. H.
1934
Herrn Professor Dr. E. Bruck und seinem Assistenten, Herrn Dr. H. Möller, bin ich für die Anregung zur Bearbeitung des vorliegenden Themas und die Förderung der Arbeit dankbar.
Gedruckt bei Niemann & Moschinski, Hamburg 23.
Diese Arbeit wurde als juristische Dr.-Dissertation von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Hamburgischen Universität angenommen.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
§ i.
Der Gegenstand der Haftpflichtversicherung
7
§ 2. Die rechtliche Natur des Haftpflichtversicherungsanspruchs A . Allgemeines
10
I. Der Geldersatz im Versicherungsrecht und die Ausnahmen des § 49 V V G
10
II. Geld oder Befreiung als Gegenstand des H a f t pflichtversicherungsanspruchs
13
I I I . Der Rechtsschutz in der Haftpflichtversicherung
18
B. Besonderheiten
des Haftpflichtversicherungsanspruchs
I. Die Uebertragung des Befreiungsanspruchs .
.
II. Der Untergang des Befreiungsanspruchs . . . I I I . Der Erstattungsanspruch
19 19 27 38
§ 3. Die rechtliche Natur der Leistung des Versicherers .
40
A . Die Leistung des Versicherers an den Dritten .
40
B. Die Geldleistung an den Versicherungsnehmer .
48
§ 4. Die Stellung des Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers
49
§ j.
56
Die Haftpflichtversicherung in der Zukunft
7
§ 1. Der Gegenstand der Haftpflichtversicherung. Der § 149 V V G gibt der Haftpflichtversicherung ihre systematische Stellung. „Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat." Die Haftpflichtversicherung ist ein Zweig der Schadensversicherung. Das besondere Merkmal der Schadensversicherung besteht darin, daß der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalls verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer den durch den Versicherungsfall verursachten Vermögensschaden nach Maßgabe des Vertrages zu ersetzen (§ 1 I 1 V V G ) . Bei der Personenversicherung hingegen muß der Versicherer dem Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls den vereinbarten Betrag an Kapital oder Rente zahlen oder die sonst vereinbarte Leistung bewirken (§ 1 I 2 W G ) . Die Frage, ob die vom Gesetz gegebene systematische Einteilung der Versicherung sich rechtfertigen läßt oder nicht 1 , kann hier unerörtert bleiben. Die Einteilung beweist auf jeden Fall, daß die Charakterisierung der Haftpflichtversicherung als RechtsschutzVersicherung2 im Gesetz keine Stütze findet. Der zur Zeit des Erlasses des V V G herrschende Theorienstreit, ob die Haftpflichtversicherung als Schadens- oder Rechtsschutzversicherung anzusehen ist, ist damit ausdrücklich entschieden3. Für die Auffassung der Haftpflichtversicherung als Schadensversicherung spricht auch die geschichtliche Entwicklung. Ursprünglich verfolgte das Eintreten der Gesellschaft in den Prozeß des Versicherungsnehmers nur das eigene Interesse der Gesellschaft und nicht den Zweck, den Versicherungsnehmer rechtlich zu schützen. Die Gesellschaft wollte durch ihre Beteiligung am Prozeß erreichen, daß die Entschädigungspflicht des Versicherungsnehmers in möglichst niedrigen Grenzen gehalten wurde 4 . Endlich ist die Theorie von der Rechtsschutzversicherung deswegen nicht haltbar, weil nach dem geltenden Recht der Versidie*) Vgl. B r u c k Das Privatversicherungsrecht S. 62. ) Vgl. G e o r g i i Die Haftpflichtversicherung S. 24. ") Vgl. Die Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag S. 136. *) Vgl. F r e y t a g WuR 1 9 1 7 S. 2 1 2 f f . 2
8 rungsnehmer den Versicherer nicht zur Durchführung eines Prozesses zwingen kann 5 . Die Frage, welchen Gegenstand die HaftpfliditverSicherung habe, ist nicht immer in gleicher Weise beantwortet worden. Als man in der Schadensversicherung die Sache als versichert ansah, geriet man bei der Haftpflichtversicherung in Schwierigkeiten. Man gelangte zu dem Ergebnis, die Haftpflichtversicherung habe keinen Gegenstand 6 . Wie andere moderne Versicherungsgesetze hat auch das V V G das versicherte Interesse an die Stelle der versicherten Sache gesetzt 7 . Das versicherte Interesse ist die Beziehung, welche zwischen einer Person und einem Gut besteht und gegen bestimmte Gefahren versichert ist 8 . Sofern nicht der Fall der Fremdversicherung, d. h. der Versicherung fremder Interessen im eigenen Namen, vorliegt, handelt es sich nur um Beziehungen des Versicherungsnehmers zu einem Gut. Die Auffassung, bei der Haftpflichtversicherung verknüpfe kein direktes, sondern nur ein indirektes Vermögensinteresse den Versicherungsnehmer mit den gefährdeten Gütern 9 , ist abzulehnen. Ein indirektes Vermögensinteresse des Versicherungsnehmers an den Gütern des Verletzten gibt es nicht. Um ein Interesse des Verletzten handelt es sich nicht, weil die Haftpflichtversicherung keine Versicherung f ü r fremde Rechnung ist. Nach der Interessenlehre kann der Gegenstand, auf den sich das versicherte Interesse bezieht, eine einzelne Sache, ein Recht, eine Anwartschaft oder das ganze Vermögen des Versicherungsnehmers sein10. Die Haftpflichtversicherung schützt den Versicherungsnehmer gegen die Inanspruchnahme durch einen Dritten. Die gefährdete Wertbeziehung ist die Beziehung zu dem Vermögen des Versicherungsnehmers. Das Vermögen wird durch die Geltendmachung des Anspruchs nicht vermindert, sondern nur gefährdet oder belastet. Die Haftpflichtversicherung wird deshalb gekennzeichnet als die Versicherung gegen eine Belastung des Vermögens des Versicherungsnehmers mit einer Haftpflichtforderung des Dritten 1 1 . 6 ) Gegen die Rechtsschutztheorie haben sich viele Autoren ausgesprochen, vgl. B r u c k D a s Privatversicherungsrecht S. 7 6 ; F r e y t a g W u R 1 9 1 7 S. 2 1 2 bis 2 5 1 ; H a g e n in Ehrenbergs Handbuch II S. 2 7 3 ; H e r t z f e l d e r - K a t s c h Die Haftpflichtversicherung S. 2 4 ; K i r d i b e r g e r L Z 1 9 1 0 S. 5 1 2 ; M a n e s Versicherungslexikon S. 7 1 1 ; M e u r e t L Z 1 9 1 0 S. 6 3 ; W e r n e b u r g Z 1 9 1 j S. 624. 6 • ) V g l . H i e s t a n d Grundzüge der privaten Unfallversicherung mit Berücksichtigung der Haftpflichtversicherung S. 1 1 3 . 7 ) V g l . B r u c k Interesse S. 1 : „ D i e Seeversicherung ist seit uralten Zeiten von dem versicherten Interesse ausgegangen." Außer dem deutschen V V G auch die Versicherungsvertragsgesetze in der Schweiz, in Oesterreith, Dänemark, Schweden, N o r w e g e n und Frankreich. 8 ) V g l . B r u c k Das Privatversicherungsrecht S . 484. •) V g l . E h r e n b e r g Die Rückversicherung S . 6. 10 ) V g l . B r u c k Das Privatversicherungsrecht S. 4 7 7 . u ) Vgl. B r u c k D a s Privatversicherungsrecht S. 76, 477, Kommentar Bern. 5 zu § 1 ; F l e c h t h e i m L Z 1 9 0 8 S . 8 0 1 , 1 9 1 0 S . 896; Hiestand Grundzüge usw. S. 1 1 0 ; L e i b i A s s j h r b . 1 8 9 8 S . 1 2 5 — 1 5 9 ; R G j . 2. 09 R G Z 7 0 S. 2 J 7 , 5. 7. 09 R G Z 7 1 S . 3 6 3 , 2 1 . 1. 1 3 R G Z 81 S. 250.
9 D i e A u f f a s s u n g , nach welcher die Haftpflichtversicherung die Beziehung des Versicherungsnehmers zu seinem V e r m ö g e n schützt, geht d a v o n aus, daß der Gegenstand der Versicherung immer eine Wertbeziehung, ein Interesse ist, da die G e f a h r ein gefährdetes G u t voraussetze. E i n e G e f a h r braucht aber nicht unbedingt eine v o r handene Wertbeziehung zu beeinträchtigen; eine G e f a h r besteht auch, wenn g a r keine Wertbeziehung vorhanden ist, sondern vielmehr'befürchtet w e r d e n muß, daß eine neue Unwertbeziehung zur E n t stehung gelangt oder eine vorhandene unwertvoller w i r d 1 2 . Für den Versicherungsnehmer ist der Schaden bereits eingetreten, wenn ein Anspruch gegen ihn erhoben ist 1 3 ; in diesem Z e i t p u n k t hat der V e r sicherungsnehmer den D r i t t e n noch nicht befriedigt, d. h. einen V e r lust seines A k t i v v e r m ö g e n s noch nicht erlitten. D a h e r schützt die Haftpflichtversicherung den Versicherungsnehmer dagegen, daß eine Unwertbeziehung neu entsteht 1 4 . Dieser A u f f a s s u n g gebührt der V o r z u g , weil sie den Unterschied der Haftpflichtversicherung (und Rückversicherung) v o n den anderen Versicherungszweigen klarer hervortreten läßt. A l l e n Versicherungsarten ist gemeinsam, daß mit der G e f a h r verwirklichung f ü r die betroffene Person ein Schaden eintritt. Ist 12
) Vgl. M ö l l e r Z 1934 S. 16. ) Die Frage, in welchem Zeitpunkt der Versidierungsfall in der Haftpflichtversicherung eintritt, ist äußerst umstritten. Eine Auffassung sieht den Versidierungsfall bereits in dem Schadensereignis, obwohl mit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs ein Bedarf des Versicherungsnehmers noch nicht entstanden ist. Vgl. E h r e n b e r g Versicherungsrecht S. 292; H a g e n S. 272, 3 1 3 ; K r a m e r J R P V 1933 S. 129; M o l t Der Kreditversicherungsvertrag S. 38; ferner diejenigen, die nicht für notwendig halten, daß die Gefahrverwirklichung einen Bedarf auslöst: v. G i e r c k e J W 1926 S. 1668; S i l b e r s c h m i d t Der Versicherungsfall in der VeruntreuungsVersicherung S. 29 f f . ; V i d a l WuR 1928 S. 30 f f . ; W o l f f Mitteilungen 1919 S. 168. Die herrschende Ansicht, der vor allem die Praxis gefolgt ist, erblickt den Versicherungsfall in der Geltendmachung eines berechtigten oder unberechtigten Haftpflichtanspruchs des Geschädigten. Vgl. B r u c k das Privatversicherungsrecht S. 642, Kommentar Bern. 5 zu § 153; G e o r g i i Die Haftpflichtversicherung S. 19; v. G i e r c k e Z H R 60 S. 35; P e e f Der Versicherungsfall überhaupt und insbesondere in der Haftpflichtversicherung S. 63; R G 18. 6. 26 R G Z 114 S. 1 1 7 = J W 1927 S. 173 = J R P V 1926 S. 206 = HansRZ 1926 S. 596; R G 2$. 1 1 . 3 2 J R P V 1933 S. j. Eine Mittelmeinung behandelt bald den Eintritt der Haftpflichttatsache, bald die Anspruchserhebung als Versicherungsfall. Vgl. E h r e n b e r g Versicherungsrecht S. 178; E h r e n z w e i g Kommentar zum österreichischen V V G S. 345. In früheren Zeiten ist angenommen worden, daß der Versicherungsfall erst mit der rechtskräftigen Verurteilung des Versicherungsnehmers zur Leistung an den Dritten eingetreten sei. Vgl. R G 22. 1. 1881 R G Z 3 S. 24 f f . ; L e w i s Lehrbuch des Versicherungsrechts S. 261. Am weitesten ging die Auffassung, die behauptete, ein Versicherungsfall und damit die Leistungspflicht des Versicherers sei erst gegeben, wenn der Versicherungsnehmer seine Haftpflichtschuld durch Leistung an den Dritten erfüllt habe. Vgl. K ü b e l : Die Verhandlungen der Dresdener Bundeskommission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts über den Versicherungsvertrag, Zeitschrift für Versicherungsrecht 1868 S. 98. Wenn diese Auffassung auch nur für die Rückversicherung vertreten wurde, so mußte sie doch nach der damaligen Auffassung für alle Arten der Haftpflichtversicherung Anwendung finden ( L e w i s Lehrbuch des Versicherungsrechts S. 261). 14 ) Vgl. M ö l l e r Z 1934 S. 33. 13
10 der Schaden materieller Art, so kann er in einer Verminderung des Aktivvermögens (die rechtliche oder tatsächliche Beziehung zu einer Sache wird durch Feuer, Diebstahl, Hagel usw. zerstört, die Beziehung zu einer Forderung wird durch Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vernichtet, die Beziehung zu einem werdenden Gut, einer Anwartschaft, wird zerstört, indem durch Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen wird, durch Verwertung der versicherten Sache einen Gewinn zu erzielen) oder in einer Vermehrung des Passivvermögens bestehen (eine Schuld des Versicherungsnehmers, eine Unwertbeziehung, gelangt zur Entstehung). Diese grundlegende Unterscheidung wird verwischt, wenn man die Haftpflichtversicherung als eine Versicherung gegen eine Belastung des Vermögens schlechthin, d. h. der Aktiven und Passiven, betrachtet. Als Interesse am Vermögen kann nur eine Wertbeziehung, d. h. eine Beziehung zu einem Gut, angesehen werden. Lediglich die Aktiven können belastet werden, aber nicht die Passiven; letztere können nur selbst belasten. Sieht man in der Haftpflichtschuld eine Belastung des Aktivvermögens, so ergeben sich Schwierigkeiten, sobald der Versicherungsnehmer kein Aktivvermögen besitzt. Die Belastung des Aktivvermögens ist die Möglichkeit der Verminderung desselben. Diese Möglichkeit ist bei einem völligen Fehlen des Aktivvermögens nicht mehr vorhanden. Dann könnte nur das zukünftige Aktivvermögen belastet sein. Alsdann hätte man als Schaden die Möglichkeit der Verminderung von Vermögensstücken, die möglicherweise erworben werden. Meines Erachtens ist es einfacher und klarer, von einer Vermehrung des Passivvermögens zu sprechen. Es ist deshalb der Ansicht beizutreten, daß die Haftpflichtversicherung f ü r den Fall genommen wird, daß eine Schuld zur Entstehung gelangt 16 .
§ 2. Die rechtliche Natur des Haftpflichtversicherungsanspruchs. A. Allgemeines. I. D e r G e l d e r s a t z i m V e r s i c h e r u n g s r e c h t u n d d i e A u s n a h m e n d e s § 49 V V G . Der § 49 V V G bestimmt, daß der Versicherer den Schadensersatz in Geld zu leisten hat. Zu einer Naturalleistung ist der Versicherer nur verpflichtet, wenn sie vertraglich vereinbart ist. Von einer wirklichen Naturalrestitution, d. h. Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre (§ 249 1 BGB), kann im Versicherungsrecht regelmäßig nicht die Rede sein. Es ist nicht möglich, einen erlittenen Schaden ungeschehen zu machen. Ist ein Haus abgebrannt und durch ein neues, das dem alten völlig gleicht, ersetzt, so ist ein neuer Zustand ge15
) Vgl. M ö l l e r
J W 1934 S. 1076 ff.
10 der Schaden materieller Art, so kann er in einer Verminderung des Aktivvermögens (die rechtliche oder tatsächliche Beziehung zu einer Sache wird durch Feuer, Diebstahl, Hagel usw. zerstört, die Beziehung zu einer Forderung wird durch Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vernichtet, die Beziehung zu einem werdenden Gut, einer Anwartschaft, wird zerstört, indem durch Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen wird, durch Verwertung der versicherten Sache einen Gewinn zu erzielen) oder in einer Vermehrung des Passivvermögens bestehen (eine Schuld des Versicherungsnehmers, eine Unwertbeziehung, gelangt zur Entstehung). Diese grundlegende Unterscheidung wird verwischt, wenn man die Haftpflichtversicherung als eine Versicherung gegen eine Belastung des Vermögens schlechthin, d. h. der Aktiven und Passiven, betrachtet. Als Interesse am Vermögen kann nur eine Wertbeziehung, d. h. eine Beziehung zu einem Gut, angesehen werden. Lediglich die Aktiven können belastet werden, aber nicht die Passiven; letztere können nur selbst belasten. Sieht man in der Haftpflichtschuld eine Belastung des Aktivvermögens, so ergeben sich Schwierigkeiten, sobald der Versicherungsnehmer kein Aktivvermögen besitzt. Die Belastung des Aktivvermögens ist die Möglichkeit der Verminderung desselben. Diese Möglichkeit ist bei einem völligen Fehlen des Aktivvermögens nicht mehr vorhanden. Dann könnte nur das zukünftige Aktivvermögen belastet sein. Alsdann hätte man als Schaden die Möglichkeit der Verminderung von Vermögensstücken, die möglicherweise erworben werden. Meines Erachtens ist es einfacher und klarer, von einer Vermehrung des Passivvermögens zu sprechen. Es ist deshalb der Ansicht beizutreten, daß die Haftpflichtversicherung f ü r den Fall genommen wird, daß eine Schuld zur Entstehung gelangt 16 .
§ 2. Die rechtliche Natur des Haftpflichtversicherungsanspruchs. A. Allgemeines. I. D e r G e l d e r s a t z i m V e r s i c h e r u n g s r e c h t u n d d i e A u s n a h m e n d e s § 49 V V G . Der § 49 V V G bestimmt, daß der Versicherer den Schadensersatz in Geld zu leisten hat. Zu einer Naturalleistung ist der Versicherer nur verpflichtet, wenn sie vertraglich vereinbart ist. Von einer wirklichen Naturalrestitution, d. h. Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre (§ 249 1 BGB), kann im Versicherungsrecht regelmäßig nicht die Rede sein. Es ist nicht möglich, einen erlittenen Schaden ungeschehen zu machen. Ist ein Haus abgebrannt und durch ein neues, das dem alten völlig gleicht, ersetzt, so ist ein neuer Zustand ge15
) Vgl. M ö l l e r
J W 1934 S. 1076 ff.
11 schaffen, der sich von dem gedachten Zustand ohne Brand erheblich unterscheidet. In Wirklichkeit läßt sich genau der frühere Zustand überhaupt nicht herstellen. Im allgemeinen bürgerlichen Recht bedeutet der Grundsatz der Naturalrestitution die Anerkennung der Rechtspflicht eines möglichst vollkommenen Ausgleichs jedes Schadens. Während das gemeine Recht grundsätzlich nur den Vermögensschaden im Auge hatte, will das B G B mit dem Prinzip der Naturalrestitution die Lücke ausfüllen, die sich ergibt, wenn die Zurückführung des Schadens auf ein Geldinteresse unmöglich, aber Naturalersatz möglich ist. A . hat die Sache des B., die bisher grüne Farbe trug, rot angestrichen 18 . Eine derartige Bedeutung hat die Naturalleistung im Versicherungsrecht nicht. Die Aufgabe der Versicherung ist rein wirtschaftlicher Art. Der Versicherer ersetzt den durch den Versicherungsfall eingetretenen Schaden nur, soweit er in Geld schätzbar ist. Die Form des Schadensersatzes ist nach § 49 V V G für alle Versicherungszweige grundsätzlich die der Geldleistung an den Versicherungsnehmer. Von der Regel gibt es Ausnahmen nach zwei Richtungen: 1. statt der Geldleistung erbringt der Versicherer eine Leistung anderen Inhalts, er ersetzt die zerbrochene Glasscheibe durch eine neue; 2. der Versicherer leistet die Entschädigungssumme nicht an den Versicherungsnehmer, sondern an eine andere Person, z. B. an den Hypothekengläubiger (§§ 1 1 2 8 II, 1282 BGB). Diese Ausnahmen sind bedingt durch die besondere Interessenlage in einzelnen Versicherungszweigen. Im allgemeinen kann der Versicherungsnehmer das empfangene Geld nach seinem Belieben verwenden. Es ist allen Beteiligten (der Ausdruck ist hier im weitesten Sinne zu verstehen) gleichgültig, ob der Versicherungsnehmer das Geld zur Beschaffung eines neuen Gegenstandes an Stelle des zerstörten oder zur Bezahlung seiner Schulden verwendet. Bei den Ausnahmen jedoch kommt es darauf an, daß die Entschädigungssumme in dem Interesse eines Beteiligten verwendet wird. In der Glasversicherung hat der Versicherer in der Regel ein Wahlrecht zwischen der Geldleistung und der Sachleistung 17 . Die Gesellschaft liefert das in Betracht kommende Material aus eigenen Beständen; gleichzeitig verbleiben ihr die Bruchstücke. Es liegt hier im Interesse des Versicherers, daß der Versicherungsnehmer nicht einen Geldbetrag zu freier Verfügung erhält, sondern der Versicherer die Ersatzleistung so gestalten kann, wie es f ü r ihn am günstigsten ist. Eine ähnliche A r t der Schadensregulierung findet sich auch in der Fahrradversicherung 18 . Bei der Gebäudefeuerversicherung ist im Interesse der Sicherung des Realkredits der Versicherungsnehmer in der Verwendung der 18
) Vgl. S t a u d i n g e r Kommentar Vorbem. I zu §§ 2 4 9 — 2 5 $ . " ) Vgl. A b r a h a m Z V W 1 9 2 1 S. 503; B r u c k Kommentar Bern. 3 zu § 49. 18 ) Vgl. B r u c k Das Privatversicherungsrecht S. 407 Anm. 21 am Ende.
12 Versicherungssumme beschränkt. Ist eine Wiederherstellungsklausel vorhanden, so kann der Versicherungsnehmer die Leistung des Versicherers nur dann verlangen, wenn die Verwendung des Geldes zur Wiederherstellung des Gebäudes gesichert ist (§ 97 V V G ) . Diese Klausel soll verhindern, daß der Versicherungsnehmer hinter dem Rücken des Realgläubigers die Geldleistung als Ersatz des verpfändeten Gebäudes in Empfang nimmt und zu anderen Zwecken als zur Wiederherstellung des Gebäudes verwendet (§ 1 1 3 0 BGB). Zahlt der Versicherer an den Versicherungsnehmer, ohne daß die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes sichergestellt ist und ohne fristgemäße Anzeige an den Realgläubiger, so wird er zwar dem Versicherungsnehmer gegenüber, nicht aber dem Realgläubiger gegenüber leistungsfrei (§ 99 V V G ) . Audi wenn keine Wiederaufbauklausel vereinbart ist, wird der Realgläubiger in der Feuerversicherung weitgehend geschützt. Die Reallast, Hypothek, Grund- oder Rentenschuld an dem versicherten Grundstück erstreckt sich kraft Gesetzes auf die Versicherungssumme (§ 1 1 2 7 I BGB). Das Pfandrecht an der Versicherungsforderung schützt den Realgläubiger vor der Aufhebung des Versicherungsanspruchs zu seinem Nachteil (§ 1 2 7 6 B G B ) . Ein Erlaß- oder Stundungsvertrag ist dem Realgläubiger gegenüber unwirksam. Der Schutz des Realgläubigers erschöpft sich nicht in dem Pfandrecht. Wenn der Gegenstand der Haftung, die Forderung des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer, infolge eines bestimmten Verhaltens des Versicherungsnehmers untergeht (der Versicherungsnehmer führt den Versicherungsfall herbei) oder verwirkt wird (der Versicherungsnehmer verletzt schuldhaft eine Obliegenheit), dann tritt an die Stelle der pfandweisen Haftung des Versicherungsanspruchs nach § 1 0 1 V V G ein selbständiger, unmittelbarer Anspruch des Realgläubigers auf die Versicherungssumme 19 . Das Recht stammt zwar aus dem Versicherungsvertrag, kann aber vom Versicherungsnehmer nicht beseitigt werden. Setzen der Versicherer und der Versicherungsnehmer die Versicherungssumme herab oder ist der Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechtbar, so bleibt der Versicherer dem Realgläubiger zur Leistung im bisherigen Umfang verpflichtet (§ 100 V V G ) . Beim Lebensversicherungsvertrag liegt es im Interesse des Versicherungsnehmers, den wirtschaftlichen Wert, den die Versicherungsforderung verkörpert, einer bestimmten Person zuwenden zu können. H a t der Versicherungsnehmer von dieser Befugnis, einen Bezugsberechtigten zu bezeichnen, Gebrauch gemacht, dann zahlt der Versicherer die Versicherungssumme nicht an den Versicherungsnehmer und im Fall der Todesfallversicherung nicht an dessen Erben, sondern an den Bezugsberechtigten. Die Bezugsberechtigung kann eine widerruf liehe (§§ 166—168 V V G ) oder eine unwiderrufliche sein ( § 1 5 I 3 AllgTodesfallVersbdg.). " ) Vgl. R G recht S. 7 4 7 .
5. 7. 1 9 2 1 R G Z
1 0 2 S. 3 5 0 ; B r u c k
Das Privatversicherungs-
13 Der widerruflich Bezugsberechtigte hat vor dem Eintritt des Versicherungsfalls nur eine Anwartschaft. Nicht der Bezugsberechtigte, sondern der Versicherungsnehmer hat die Verfügungsmacht über die Forderung. Der Versicherungsnehmer kann die Bezeichnung widerrufen, die Forderung abtreten und verpfänden. Mit dem Eintritt des Versicherungsfalls erwirbt der Bezugsberechtigte einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer (§ 330 1 BGB). Alle Einreden aus dem Versicherungsvertrag stehen dem Versicherer auch gegenüber dem Bezugsberechtigten zu (§ 334 BGB). Der Versicherer kann demgemäß wegen Verletzung einer Obliegenheit leistungsfrei werden, unter Umständen das Zurückbehaltungsrecht ausüben oder eine völlige oder teilweise Aufhebung des Versicherungsvertrages dem Bezugsberechtigten entgegenhalten. Der unwiderruflich Bezugsberechtigte erwirbt sofort einen Anspruch gegen den Versicherer, wenn er bezeichnet ist (§ 328 BGB). Der Versicherungsnehmer kann die Versicherungsforderung weder abtreten, noch verpfänden, noch die Bezugsberechtigung ändern. Er hat gegen den Versicherer nur einen Anspruch auf Leistung an den unwiderruflich Bezugsberechtigten. Trotzdem bleibt der Versicherungsnehmer Vertragsgegner des Versicherers. Eine Anfechtung oder ein Rücktritt gegenüber dem Versicherungsnehmer wirkt auch gegenüber dem Bezugsberechtigten. Zur Entgegennahme der Rückvergütung oder Vorauszahlung ist nur der unwiderruflich Bezugsberechtigte befugt.
II. G e l d o d e r B e f r e i u n g a l s G e g e n s t a n d d e s pflichtversicherungsanspruchs.
Haft-
Auf die Frage, ob in der HaftpflichtverSicherung an der allgemeinen Regel der Geldleistung an den Versicherungsnehmer festzuhalten ist, gibt das V V G keine klare Antwort. Nach dem Wortlaut des § 149 V V G müßte man sich f ü r eine Geldleistung entscheiden, denn danach „ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser . . . an einen Dritten zu bewirken hat". Auch in der Bestimmung des § 156 1 V V G ist von einer „dem Versicherungsnehmer gebührenden Entschädigung" die Rede. Die Ausdrucksweise des Gesetzes ist aus der geschichtlichen Entwicklung der Haftpflichtversicherung durchaus erklärlich. Die H a f t pflichtversicherung ist in Deutschland erst mit dem Erlaß des sogenannten Reichshaftpflichtgesetzes (Gesetz betreffend die Verbindlichkeiten zum Schadensersatz für die bei dem Betrieb von Eisenbahnen, Bergwerken usw. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen) vom 7. Juni 1 8 7 1 zu größerer Bedeutung gelangt 20 . 20 ) Der Ursprung der Haftpflichtversicherung liegt sehr weit zurück. Seit uralten Zeiten hat der Seeversicherer dem versicherten Reeder den sog. mittelbaren Kollisionsschaden vergütet; vgl. § 1 2 9 V V G , § 820 N r . 7 H G B , § 7 8 A D S . Ueber die ersten Spuren der Haftpflichtversicherung vgl. M a n e s Die Haftpflichtversicherung S. 7 f f .
14 Die Unternehmer, die eine Haftpflichtversicherung abschlössen, verfolgten dabei lediglich ihre egoistischen Interessen, geradeso wie wenn jemand seine Wertsachen gegen Diebstahl versichert. Die Versicherungsnehmer wollten verhindern, daß ihr eigenes Vermögen infolge der Inanspruchnahme durch einen Geschädigten vermindert würde. Die Unternehmer schlössen also den Vertrag nicht, damit der Dritte gewiß sein Geld bekomme 2 1 . Dem Versicherer war es gleichgültig, ob der Versicherungsnehmer das Geld zur Befriedigung des Dritten oder zur Zahlung einer anderen Schuld verwendete. Auch die Rücksicht auf das Allgemeininteresse erforderte keine Abweichung von der Regel der Geldleistung an den Versicherungsnehmer. Denn zunächst traf die Haftpflicht in erster Linie Unternehmer von Eisenbahn-, Bergwerks- und Fabrikbetrieben, also zumeist zahlungsfähige Personen. Bei den meisten Versicherungsnehmern wäre der Geschädigte auch ohne Haftpflichtversicherung zu seinem Gelde gekommen. Im L a u f e der Zeit kam es aber immer häufiger vor, daß Personen haftpflichtig wurden, welche die Schadensersatzansprüche aus ihrem Vermögen nicht mehr befriedigen konnten. Dann war die Haftpflichtversicherungsforderung o f t der einzige Vermögensgegenstand, aus dem der Geschädigte sich befriedigen konnte. Der Dritte ist von dem Schadensereignis in der Regel am härtesten betroffen. Der Haftpflichtfall verursacht für den Versicherungsnehmer nur die Verpflichtung zum Schadensersatz, der Dritte ist aber möglicherweise an seiner Arbeitskraft oder an seiner Gesundheit zeitlebens geschädigt. Wenn nun der Dritte nicht einmal seinen Sdhadensersatzanspruch gegen den Haftpflichtigen durchsetzen kann, obwohl dieser gegen Haftpflicht versichert ist, so ist dieser Zustand vom Standpunkt des Allgemeininteresses aus untragbar. Alle Versicherungsvertragsgesetze Mittel-, N o r d - und Westeuropas haben deshalb Bestimmungen aufgenommen, die dem Dritten Schutz gewähren 2 2 . Die Haftpflichtversicherung soll sich für den Versicherungsnehmer nicht als ein gewinnbringendes Geschäft auswirken. Gleichzeitig ist nach Möglichkeit dem Dritten die Schadensersatzforderung zu garantieren. Damit wird die Haftpflichtversicherung herausgehoben aus der Gruppe von Verträgen, die nur egoistische Interessen verfolgen. Die Haftpflichtversicherung bekommt einen erheblichen sozialen Wert. Welche hervorragende Bedeutung der Haftpflichtversicherung gerade im öffentlichen Interesse zukommt, beweist der Zwang zum Abschluß eines Haftpflichtversicherungsvertrages f ü r Autohalter in vielen Ländern 2 3 . 21 ) V g l . G e o r g i i Die Haftpflichtversicherung S . 93. " ) O e s t e r r e i c h : V V G 2 3 . 1 2 . 1 9 1 7 §§ 1 2 7 , 1 2 8 ; S c h w e i z : W G 2. 4. 1908 A r t . 60; D ä n e m a r k : V V G §§ 9 5 , 9 6 ; S c h w e d e n : VVG 8. 4. 1 9 2 7 §§ 9 j , 9 6 ; N o r w e g e n : V V G 30. 6. 1 9 3 0 §§ 95, 9 6 ; Frankr e i c h : V V G 1 7 . 7. 1 9 3 0 A r t . 5 7 ; E n g l a n d : T h i r d Parties (Right against Insurers) A c t 1 9 3 0 Section 38. 23 ) In Deutschland besteht kein allgemeiner Versicherungszwang, wohl aber ist in einzelnen Ländern die obligatorische Versicherung für bestimmte, öffentliche Fuhrwerksunternehmungen vorgeschrieben, z. B. in P r e u ß e n für Kraftdroschken durch eine Verordnung vom 2 7 . 7. 1 9 2 7 ; in O e s t e r r e i c h ist ein allgemeiner Versicherungszwang f ü r K r a f t f a h r z e u g e durch das Kraftfahrgesetz v o m 20. 12. 1929
15 Bei der Ausarbeitung des deutschen V V G ist der Umstand nicht ohne Einfluß geblieben, „daß die Versicherung zu dem Zweck genommen ist, die Mittel f ü r die Befriedigung des Dritten zu beschaffen, und daß dieser ein erhebliches Interesse an dem Bestehen der Versicherung besitzt" 24 . Da ohnehin häufig die Entschädigungsfrage durch Verhandlungen zwischen dem Versicherer und dem Dritten erledigt wird, berechtigt der § 156 V V G den Versicherer, „die dem Versicherungsnehmer gebührende Entschädigung, soweit der Versicherungsnehmer dem Dritten zur Leistung verpflichtet ist", diesem zu entrichten. Der Versicherer ist hierzu verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer es verlangt. Ferner gewährt § 1 5 7 V V G dem Dritten wegen seiner Haftpflichtforderung im Konkurs des Versicherungsnehmers ein Absonderungsrecht an dessen Versicherungsforderung. Der dem Dritten gewährte Schutz erscheint auf den ersten Blick von geringem Umfang. Die Tragweite dieser Vorschriften wird aber deutlich, wenn die Frage beantwortet werden soll, ob der H a f t pflichtversicherer die Pflicht hat, dem Versicherungsnehmer den Schadensersatz in Geld zu leisten. Die Frage ist kurz nach Erlaß des Gesetzes häufig bejaht worden mit dem Hinweis darauf, das Gesetz enthalte in diesem Punkte keine ausdrückliche Abweichung von dem bisher geltenden Recht 25 . Das ist jedoch unzutreffend. Erhebt der Versicherungsnehmer gegen den Versicherer einen Geldanspruch, so kann der Versicherer sich auf seine Befugnis, den Dritten zu befriedigen, berufen und braucht dem Begehren des Versicherungsnehmers nicht Folge zu leisten. Der Versicherungsnehmer ist nicht in der Lage, dem Versicherer das Recht der Leistung an den Dritten zu entziehen und eine Geldleistung an sich zu erzwingen. Wenn der Versicherungsnehmer den Schadensersatz in Geld nicht erzwingen kann, so liegt aber auch kein Grund zu der Annahme vor, daß der Versicherer eine Geldleistung schuldet. Vielmehr zwingt der § 156 V V G zu der Erkenntnis, daß lediglich eine Leistung des Versicherers an den Verletzten erzwingbar und geschuldet ist, demgemäß f ü r die Haftpflichtversicherung eine Ausnahme von der Regel der Geldleistung an den Versicherungsnehmer gilt. Nach dem Gesetz hat es den Anschein, als ob der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Leistung eines bestimmten Geldbetrages an den Dritten ginge, wie z. B. in der Lebensversicherung bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung 28 . Dagegen spricht, daß der Versicherungsnehmer kein Interesse an der Befriedigung des Dritten in einer bestimmten Weise, etwa durch Geldzahlung, hat. Es kommt f ü r und die K r a f t f a h r V O v o m 1 2 . 5. 1 9 3 0 eingeführt; ebenso in der S c h w e i z durch Ges. vom I J . 3. 1 9 3 2 ; ferner D ä n e m a r k Ges. vom 6. 5. 1 9 2 1 ; S c h w e d e n Ges. vom 10. j . 1 9 2 9 ; N o r w e g e n Ges. v o m 1. 10. 1 9 2 7 (bereits im J a h r e 1 9 1 2 eingeführt); E n g l a n d R o a d T r a f f i c A c t v o m 4. 1 2 . 1 9 3 0 . " ) V g l . die Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes über den V e r sicherungsvertrag S . 1 4 2 . 25 ) Vgl. K i r c h b e r g e r LZ 1 9 1 0 S. 5 8 8 ; M e u r e t L Z 1908 S. 900; S e u f f e r t L Z 1909 S . 1 0 5 ; W e r n e b u r g Z V R 1 9 1 5 S . 620. 2e ) V g l . oben S. 1 1 Punkt 2 .
16 den Versicherungsnehmer vielmehr nur darauf an, daß er von seiner Haftpflichtschuld befreit wird. Ob der Erfolg durch Geldzahlung, Hingabe an Erfüllungsstatt, Aufrechnung, Hinterlegung, Schuldübernahme, Vergleich oder Erlaß herbeigeführt wird, ist für den Versicherungsnehmer gleichgültig. Der Versicherungsnehmer hat gegen den Versicherer einen Anspruch auf Befreiung von der Haftpflichtschuld27. In der Haftpflichtversicherung handelt es sich um eine solche Ausnahme vom § 49 V V G , bei welcher der Versicherer an den Versicherungsnehmer anstatt der Geldleistung eine Leistung anderen Inhalts bewirkt 28 . Die Leistung des Versicherers besteht in der Befreiung von der Haftpflichtschuld. Die Geldleistung an den Versicherungsnehmer unterbleibt nicht im Interesse des Versicherers 20 , sondern im Interesse des Geschädigten, der aus sozialen Gesichtspunkten des Schutzes bedarf. Der Befreiungsanspruch entspricht vollkommen dem Bedürfnis des Versicherungsnehmers. Er sichert ihm die Freihaltung von Haftpflichtansprüchen. Ein Geldanspruch wäre nicht geeignet, dem Interesse des Versicherungsnehmers im vollen Umfang gerecht zu werden. Auf der einen Seite geht er über das Interesse des Versicherungsnehmers hinaus. D a ungewiß ist, ob der Anspruch zu einer Verminderung des Aktivvermögens führt, würde eine Geldleistung mehr sein als der dem Versicherungsnehmer tatsächlich entstandene Schaden; so könnte der Versicherungsnehmer im Fall der Geldleistung beim Wegfall der Schuld (etwa durch Verjährung) einen unberechtigten Gewinn behalten. Der Geldanspruch würde aber auf der anderen Seite dem Interesse des Versicherungsnehmers nicht genügen; denn dieser Anspruch könnte infolge der Zugriffsmöglichkeit anderer Gläubiger zu der Entlastung des Versicherungsnehmers von der Haftpflichtschuld — was gerade durch den Versicherungsvertrag erstrebt wurde — nicht führen 30 . Der Befreiungsanspruch allein ist der Interessenlage des Versicherungsnehmers in der Haftpflichtversicherung angemessen. Eine andere Frage ist, ob der Versicherer das Recht hat, an den Versicherungsnehmer zu zahlen, so daß der Versicherungsnehmer in Annahmeverzug gerät, wenn er die Geldleistung ablehnt. Obwohl die Frage selten eine praktische Bedeutung hat, weil der Versicherer in weitaus den meisten Fällen direkt an den Verletzten zahlt, ist die Frage meines Erachtens zu bejahen. H a t der Versicherer, bevor der Versicherungsnehmer das Verlangen gemäß § 1 5 6 3 V V G stellt, das Recht, aber nicht die Pflicht, an den Dritten zu leisten, so muß der Versicherer auch etwas anderes tun können, um sich von seiner Leistungspflicht zu befreien. Der Versicherer kann auch an den Ver27 ) V g l . B r u c k Das Privatversicherungsrecht S. 76; F l e d i t h e i m LZ 1908 S. 801, 1 9 1 0 S. 896; H e r r Z 1 9 1 6 S. 6 1 1 ; L e i b i Assjhrb. 1898 S. 125 ff.; R G j. 2. 1909 R G Z 70 S. 2 5 7 ; 2. 7. 1909 R G Z 7 1 S. 3 6 3 ; 28. 1. 1 9 1 3 R G Z 81 S. 250, 7. 2. 1 9 1 4 R G Z 86 S. 1. 28 ) Vgl. oben S. 1 1 Punkt 1. 2e ) So in der Glasvcrsicherung, vgl. oben S. 1 1 . 30 ) Vgl. R G 5. 2. 1909 R G Z 70 S. 2 5 7 ; F l e c h t h e i m L Z 1908 S. 801 ff.
17 Sicherungsnehmer zahlen, jedoch nur bis der Versicherungsnehmer das Verlangen der Zahlung an den Dritten gestellt hat. V o r Ausübung des Verlangens kann der Versicherungsnehmer die Annahme der Zahlung des Versicherers nicht verweigern. Der Versicherungsnehmer darf nicht einmal das Verlangen stellen, wenn der Versicherer bereits Vorkehrungen zur Leistung an den Versicherungsnehmer getroffen hat 3 1 . Das Recht auf Zahlung an den Versicherungsnehmer wird zum Teil geleugnet32. Aus dem Gesetz, das die Regel der Geldzahlung an den Versicherungsnehmer aufstellt (§ 49 V V G ) , kann eine Begründung dafür nicht entnommen werden. Es ist demnach anzunehmen, daß der Versicherer, bevor er zur Leistung an den Dritten ver pflichtet wird, nach § 156 3 V V G , berechtigt ist, den Versicherungsnehmer zu befreien oder an ihn zu zahlen 33 . Die ausländischen Rechte haben den Begriff des Befreiungsansprudis nicht in der Weise herausgearbeitet wie das deutsche Recht34. Der Grund dafür ist meines Erachtens darin zu suchen, daß keine Notwendigkeit f ü r eine derartige Konstruktion besteht. Denn die meisten ausländischen Rechtsordnungen verhindern nicht nur, daß der Versicherungsnehmer den Versicherer zu einer Geldzahlung an sich veranlassen kann, sondern verbieten überhaupt dem Versicherer jegliche Geldzahlung an den Versicherungsnehmer. 1. Das österreichische (§ 1 2 7 I) und schweizerische (Art. 60) Versicherungsvertragsgesetz gewähren dem Dritten ein Pfandrecht an der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers. Damit wird eine Geldzahlung des Versicherers an den Versicherungsnehmer mit Wirkung gegen den Dritten unmöglich gemacht. Der Versicherungsnehmer kann nur Zahlung an sich verlangen, wenn die Befriedigung des Dritten sichergestellt ist 35 . 2. Nach dänischem Recht hat der Versicherungsnehmer keine Gelegenheit, den Versicherungsanspruch f ü r sich geltend zu machen, da der Dritte mit der Feststellung des Haftpflichtanspruchs in die Redite des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer eintritt (§ 95 I D W G ) . Jede Vereinbarung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer nach dem Unfall, wodurch die Rechte des Geschädigten eingeschränkt werden oder verloren gehen (Erlaß, Vergleich, Annahme der Geldzahlung), ist diesem gegenüber unwirksam (S 96 D W G ) . 3. In Schweden ist der Versicherungsnehmer zur Erhebung der Entschädigungssumme nur insoweit berechtigt, als er den Geschädigten befriedigt oder dieser in die Zahlung an den Versicherungsnehmer eingewilligt hat (§ 95 I SchwedVVG). 31
) V g l . B r u c k Kommentar Bern. 1 4 zu § 1 5 6 . ) V g l . F l e c h t h e i m L Z 1908 S. 801 f f . ) V g l . H e r r Z 1 9 1 6 S. 6 1 1 ; M ö l l e r J W 1 9 3 4 S. 1 0 7 6 ; S c h n e i d e r L Z 1 9 1 2 S. 26 f f . ; S d i ü n e m a n n H a n s R Z 1 9 2 3 S. ¿ 3 7 f f . 34 ) V g l . jedoch R o e 1 1 i Kommentar zum schweizerischen Bundesgesetz über den Versidierungsvertrag Bern. 24 zu A r t . 59. 35 ) V g l . E h r e n z w e i g Die Rechtsordnung der Vertragsversicherung ( K o m mentar) Bern. 1 zu § 1 2 7 ; R o e l l i Kommentar Bern. 1 zu A r t . 60. 32 33
18 4. Der § 95 I I des norwegischen V V G macht den Versicherer haftbar, wenn die Entschädigung an den Versicherungsnehmer ausbezahlt wird, bevor dieser nachweist, daß der Dritte Deckung für seinen Anspruch erhalten hat. 5. Nach französischem Recht (Art. 53 F V V G ) ist der Versicherer ersatzpflichtig für jeden Schaden, der f ü r den Verletzten dadurdi entsteht, daß die Geldzahlung nicht an ihn, sondern an eine andere Person geleistet wird. 6. Im englischen Recht erwirbt der Geschädigte weder ein Recht gegen den Versicherer, noch ein Pfandrecht an der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers 36 . Es kann deshalb angenommen werden, daß der Versicherer nicht nur eine Geldleistung an den Versicherungsnehmer bewirken kann, sondern sogar dazu verpflichtet ist. III. D e r R e c h t s s c h u t z in d e r H a f t p f l i c h t v e r s i c h e r u n g . Aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag erwirbt der Versicherungsnehmer nicht lediglich einen Anspruch auf Befreiung von der Haftpflichtschuld. Der Befreiungsanspruch setzt voraus, daß der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt hat oder daß der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist (§ 154 I 1 V V G ) . Vorher hat bereits der Versicherer den Versicherungsnehmer gegen den Angriff des Dritten durch Gewährung von Rechtsschutz zu unterstützen (§ 150 VVG) 37 . Die Leistung des Versicherers besteht in dem Ersatz der Kosten, die durch die Verteidigung gegen den von einem Dritten geltend gemachten Anspruch entstehen. Feiner hat der Versicherer auf Verlangen des Versicherungsnehmers unter Umständen eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zwecks Abwendung der Vollstreckung in das Vermögen des Versicherungsnehmers zu bewirken (§ i j o III VVG). Im deutschen Recht kann die Haftpflichtversicherung nicht in erster Linie als Rechtsschutzversicherung aufgefaßt werden 38 . Es kann aber in dem Rechtsschutz auch kein selbständiger Gegenstand der Haftpflichtversicherung erblickt werden, der etwa gleichberechtigt neben der Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche steht. Vielmehr zeigt der § 150 V V G , daß der Rechtsschutz nach den Grundsätzen über die Schadensabwendung und -minderung zu behandeln ist (§§ 62, 63 VVG) 3 8 a- Daß der Versicherer die Kosten nur trägt, insoweit sie der Versicherungsnehmer den Umständen nach für geboten halten durfte, ergibt sich schon aus der allgemeinen Regel des se
) V g l . W e i f o r d T h e L a w relating to Accident Insurance S. 4 5 1 . ) Anders in der Rückversicherung; der Rückversicherer gewährt dem Erstversicherten niemals Rechtsschutz. V g l . B r u ck Das Privatversicherungsrecht S 77 A n m . 5 1 ; H e r r m a n n s d o r f e r Wesen und Behandlung der Rückversicherung S. 3 9 ; R i t t e r Kommentar S. 1 6 1 . 38 ) V g l . oben S. 7 f f . 38 a) V g l . B r u c k Das Privatversicherungsrecht S . 3 4 9 ; H a g e n in Ehrenbergs Handbuch II S. 294. 37
19 § 63 I i W G und hätte für die Haftpflichtversicherung nicht besonders hervorgehoben zu werden brauchen (§ 150 I V V G ) . Es ist nicht erforderlich, daß die Aufwendung Erfolg gehabt hat; der H a f t pflichtversicherer hat die Prozeßkosten zu tragen, gleichgültig ob der Anspruch des Dritten begründet oder unbegründet ist. Soweit der Haftpflichtversicherer Rechtsschutz gewährt, insbesondere durch Uebernahme der Prozeßführung oder Vorschuß der Kosten, dient die Haftpflichtversicherung fast ausschließlich dem eigenen Interesse des Versicherungsnehmers. Dem Versicherungsnehmer, der in der Prozeßführung meist unerfahren ist, wird ein beträchtlicher A u f w a n d an Geld, Zeit und Arbeitskraft erspart. Der Dritte erlangt durch die Rechtsschutzgewährung des Versicherers einen Vorteil, insofern er im Fall seines Obsiegens immer seine Prozeßkosten bekommt, auch wenn der Versicherungsnehmer zahlungsunfähig sein sollte. Der Vorteil ist jedoch geringfügig im Vergleich zu der Erschwerung der Prozeßführung f ü r den Dritten durch das Eintreten des Versicherers. Der Versicherer besitzt eine viel größere Gewandtheit und Erfahrung in Haftpflichtprozessen als der Versicherungsnehmer. Er wird daher unbegründete Ansprüche niemals befriedigen und es in jedem Zweifelsfall auf einen Prozeß ankommen lassen. Der Versicherer darf — anders als ein Privatmann — nur berechtigte Ansprüche befriedigen. Die Rücksicht auf die Gefahrengemeinschaft, das ist die Zusammenfassung gleichartiger Gefahrslagen30, erfordert, daß keine unbegründeten Ansprüche befriedigt werden, weil sonst die begründeten Ansprüche anderer Versicherungsnehmer gefährdet würden. Die Gewährung des Rechtsschutzes durch den Haftpflichtversicherer geschieht zum Vorteil des Versicherungsnehmers. Der Angriff des Dritten soll zurückgeschlagen werden. Die Tätigkeit des Versicherers richtet sich gegen die Tendenz des Verletzten, einen möglichst hohen Schadensersatz zu erhalten. Erst bei der Befreiung des Versicherungsnehmers von der Haftpflichtschuld, die durch Anerkenntnis, Vergleich oder Urteil festgestellt ist, tritt das Interesse des Dritten in den Vordergrund. B. Besonderheiten des Haftpflichtversicherungsanspruchs. I. D i e U e b e r t r a g u n g d e s
Befreiungsanspruchs40.
Wenn der Versicherungsnehmer vom Haftpflichtversicherer auch keine Geldzahlung verlangen kann, so könnte er seinen Anspruch vielleicht auf eine beliebige Person übertragen, um auf diese Weise einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Haftpflichtversicherung zu erlangen. Dann würde der Geschädigte häufig nicht zu seinem Geld kommen können. ™) V g l . B r u ck Das Privatversicherungsrecht S. 406. ,0 ) Bei der Annahme eines Geldanspruchs des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer bietet die Uebertragung keine Schwierigkeiten. V g l . K i r ch b e r g e r L Z 1 9 1 0 S. 588 f f .
20 Unbestreitbar kann der Befreiungsanspruch nicht in der Weise abgetreten werden, daß ein Zessionar vom Versicherer Befreiung von seiner (des Zessionars) Schuld gegenüber seinem Gläubiger Y . verlangen könnte. Selbst wenn die Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Dritten X . und die Schuld des Zessionars gegenüber dem Gläubiger Y . gleichartig, also beides Haftpflichtschulden in gleicher Höhe, wären, wäre eine solche Abtretung unzulässig. Dasselbe muß sogar f ü r den Fall gelten, daß Versicherungsnehmer und Zessionar demselben Dritten X . denselben Geldbetrag schulden. Immer würde durch die Abtretung der Befreiungsanspruch in seinem Inhalt geändert (§ 399 B G B ) ; denn der Befreiungsanspruch richtet sich auf eine Individualleistung. E r wird seinem Inhalt nach durch die Schuld individualisiert, von welcher der Gläubiger zu befreien ist 41 . Eine Uebertragung des Befreiungsanspruchs ohne Inhaltsänderung ist demnach nur möglich, wenn gleichzeitig vom Zessionar die Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Dritten übernommen wird 4 2 . In einem solchen Fall — etwa bei der Uebernahme eines Handelsgeschäfts — würde der Zessionar die Befreiung von der von ihm übernommenen Haftpflichtschuld verlangen. Die Uebertragung des Befreiungsanspruchs auf den geschädigten Dritten mit gleichzeitiger Schuldübernahme würde nicht zum Ziele führen, denn dadurch würde die Haftpflichtschuld erlöschen und infolgedessen der Befreiungsanspruch untergehen. Eine Abtretung ist aber in der Weise möglich, daß der Versicherer, obwohl ihm der Zessionar als Kläger gegenübersteht, nach wie vor nur verpflichtet ist, den Versicherungsnehmer von seiner Haftpflichtschuld zu befreien. Dieser Uebertragung der Ausübung nach (Legitimationszession) steht der § 399 B G B nicht entgegen. Diese Vorschrift verlangt nur, daß der Leistungsinhalt unverändert bleibt. Bei der Uebertragung der Ausübung nach handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Zession, bei der nur das Leistungsobjekt unverändert bleibt (A. schuldet dem B. 100 Mark, nach der Uebertragung der Forderung an C. schuldet A. dem C. den gleichen Betrag), sondern um eine solche, bei der die Leistung in Objekt und Empfänger unverändert bleibt (A. schuldet dem B. 100 Mark, nach der Legitimationsabtretung an C. ist A . dem C. gegenüber verpflichtet, an B. 100 Mark zu zahlen). Das bedeutet f ü r den Befreiungsanspruch, daß der Zessionar die Befreiung des Versicherungsnehmers von der Haftpflichtschuld verlangt. Empfänger der Leistung (Befreiung) ist der Versicherungsnehmer geblieben, denn er wird befreit. Die Legitimationszession wird allgemein f ü r den Befreiungsanspruch und im besonderen auch f ü r den Haftpflichtversicherungsanspruch zugelassen 43 . Dagegen vertritt das R G die Auffassung 44 , die Abtretung sei unzulässig, weil sich der Anspruch in einen solchen auf "42) Vgl. F l e c h t h e i m LZ 1908 S. 801 ff.; L e h m a n n LZ 1933 S. 1231 ff. ) Vgl. H e 1 b i g LZ 1913 S. 34 ff.; L e h m a n n LZ 1933 S. 1231 ff. *») Vgl. F l e c h t h e i m LZ 1908 S. 801 ff., 1910 S. 896 ff., Lehmann LZ 1933 S. 1231; P l a n c k Kommentar Bern. 1 a zu § 399. " ) RG 23. j. 11 JW 1911 S. 711.
21 Leistung zugunsten eines Dritten verwandelt. Man muß jedoch zwischen Anspruchs- und Leistungsinhalt unterscheiden. "Was der Versicherer zu leisten hat, ist dasselbe geblieben, nämlich Befreiung des Versicherungsnehmers, und das ist entscheidend. Wer berechtigt ist, den Anspruch zu erheben und die Klage durchzuführen, ist f ü r den Leistungsinhalt unerheblich. Die Legitimationszession ist einerseits mehr als eine Inkassovollmacht, denn der Versicherungsnehmer verliert dadurch das Recht, von dem Versicherer die Befreiung zu verlangen. Ein Widerruf wie bei der Vollmacht ist unmöglich 45 . Auf der anderen Seite ist die Wirkung der Legitimationszession geringer als bei der fiduziarischen Abtretung. Diese enthält eine volle Rechtsübertragung zu einem wirtschaftlichen Zweck, der diese Rechtsübertragung nicht fordert. Die volle Rechtsübertragung des Befreiungsanspruchs ist aber nur in Ausnahmefällen, verbunden mit einer Schuldübernahme, möglich. Die Abtretung des Befreiungsanspruchs der Ausübung nach ist also eine Zwischenstufe zwischen der fiduziarischen Abtretung und der Inkassovollmacht46. In demselben Umfang wie die Legitimationsabtretung ist auch die Legitimationsverpfändung möglich (§ 1274 I I BGB). Eine Pfändung und Ueberweisung zur Einziehung ist insoweit zulässig, als der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterliegt (§§ 857 I, 851 ZPO). Was bei dem Befreiungsanspruch der geschuldete Gegenstand ist, ist bestritten. Der Befreiungsanspruch wird individualisiert durch eine bestimmte Schuld; der Versicherungsnehmer verlangt Befreiung von seiner Haftpflichtschuld. Die vom Versicherer zu erbringende Leistung ist eine Individualleistung. Wenn überhaupt von einem geschuldeten Gegenstand bei dem Befreiungsanspruch die Rede sein kann, so ist es die Befreiung von einer bestimmten Schuld47. Nach einer anderen Auffassung ist geschuldet derjenige Gegenstand der Güterwelt, den der Schuldner zu erbringen hat, um den Leistungserfolg herbeizuführen 48 . Da der Versicherer die Befreiung auf verschiedenen Wegen erreichen kann, also wenn er will, durch Geldzahlung an den Dritten, ist Geld der einzig geschuldete Gegenstand, sobald der Versicherer eine dahingehende Wahlerklärung abgegeben hat. Diese Anschauung wird dem Wesen des Befreiungsanspruchs nicht gerecht. Der Zweck jeder Schuld ist die Herbeiführung eines Leistungserfolgs. Bei dem Befreiungsanspruch besteht der Leistungserfolg nicht lediglich in einem Bekommen des Dritten. Der Versicherer schuldet nicht nur einen Geldbetrag an den Dritten, wie z. B. in der Lebensversicherung, wenn der Versicherungsnehmer die Zahlung der Rückvergütung an den unwiderruflich Bezugsberechtigten verlangt 49 ; Der Leistungserfolg des Befreiungsanspruchs besteht 4r
') ") ") 48 ) *•)
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Fl echt heim LZ 1908 S. 801. B e s e l e r ArchivZivPr. 110 S. 114 ff. F l e c h t h e i m LZ 1908 S. 8oi ff. L e h m a n n JRPV 1933 S. 130. oben S. 12 f.
22 vielmehr in einem Bekommen des Versicherungsnehmers, der Befreiung von der Haftpflichtschuld. Der Versicherungsnehmer hat ein egoistisches Interesse an der Erfüllung des Befreiungsanspruchs, denn er wird von seiner Schuld befreit 50 . Ist daher die Befreiung der geschuldete Gegenstand, so kann nur die Ausübung des Befreiungsanspruchs gepfändet werden (§§ 857 I, 8JI Z P O ) . Der Erfolg wäre, daß der Pfändungsgläubiger nunmehr die Befreiung seines Schuldners, des Versicherungsnehmers, von der Haftpflichtschuld verlangen könnte. Im allgemeinen wird eine solche Pfändung für den Pfändungsgläubiger wenig N u t z e n haben, denn die Befreiung seines Schuldners hat für ihn kein Interesse. Immerhin könnte der Gläubiger des Versicherungsnehmers darauf hoffen, daß der Versicherer durch einen Vergleich bewogen wird, anstatt den Versicherungsnehmer zu befreien, an den Pfändungsgläubiger des Versicherungsnehmers eine Geldleistung zu bewirken. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen einer V o l l - und einer bloßen Legitimationsübertragung. Bei der Vollübertragung wird bei gleichbleibendem Leistungsobjekt der Zessionar Leistungsempfänger (B. hat gegen A . eine Forderung auf 100 Mark, B. tritt die Forderung an C . ab, C . ist Empfänger der 100 Mark), bei der Legitimationsübertragung hingegen bleibt Leistungsempfänger der Zedent (bei Uebertragung der Ausübung nach kann C . nur von A . die Zahlung an B. verlangen; B. bleibt Empfänger der 100 Mark). Würde der Legitimationspfändungsgläubiger mit dem Versicherer eine Leistung an Erfüllungsstatt, d. h. Leistung an sich selbst, vereinbaren, so würde er sich an Stelle des Zedenten (Versicherungsnehmers) zum Leistungsempfänger machen. Darin läge aber eine Ueberschreitung der Befugnisse des Legitimationspfändungsgläubigers. W e r einen Anspruch nur ausüben darf, kann ihn geltend machen und seine Befugnis weiterübertragen, aber nicht den Leistungsempfänger verändern, weil es im Begriff der Legitimationsübertragung liegt, daß der Zedent Leistungsempfänger bleibt. Der Pfändungsgläubiger des Befreiungsanspruchs ist zur Annahme an Erfüllungsstatt nicht befugt 5 1 . Da sich von der Legitimationspfändung ein Ueberschuß über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erwarten läßt, hat die Pfändung gemäß § 803 II Z P O zu unterbleiben. A u f Grund allgemeiner N o r m e n ergibt sich für das deutsche Recht, daß der Versicherungsanspruch dem Zugriff eines beliebigen Gläubigers des Versicherungsnehmers entzogen ist. Dies Ergebnis ist für den Geschädigten sehr wichtig, denn ehe er einen vollstreckbaren Titel gegen der Haftpflichtigen erlangt hat, vergeht Zeit, und leicht könnten andere Gläubiger dem Geschädigten mit der Pfändung zuvorkommen. 60) Der hier gemachte Unterschied ist keineswegs gekünstelt, sondern ist dem geltenden Recht auch in anderer Form bekannt. Bei der Forderung auf Auszahlung eines Gelddarlehens schuldet der zur Auszahlung des Darlehens Verpflichtete nicht nur das Geld, sondern vor allem den Abschluß des Darlehensvertrages. Vgl. S t a u d i n g e r Kommentar Bern, z a zu § 387. 61 ) Ebenso aber ohne Begründung F 1 e ch t h e i m L Z 1908 S. 801 ff.
23 Auch nach den Rechtsordnungen anderer Länder ist die Abtretung und Pfändung des Versicherungsanspruchs an und durch vierte Personen zum Schaden des Verletzten unzulässig. 1) Nach dem österreichischen V V G ist der Versicherungsanspruch als Geldanspruch anzusehen 52 . Weil aber der Dritte an der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers ein gesetzliches Pfandrecht besitzt (§ 1 2 7 I Ö V V G ) , welches notwendig das älteste Pfandrecht ist 53 , kann aus der Abtretbarkeit und Pfändbarkeit des Versicherungsanspruchs f ü r den Dritten kein Schaden entstehen. Wenn tatsächlich der Anspruch abgetreten oder ein anderer Gläubiger dem Dritten bei der Pfändung zuvorgekommen ist, dann kann der Versicherer dem anderen Gläubiger wegen des gesetzlichen Pfandrechts nicht mit befreiender Wirkung zahlen (§ 1 2 7 I I Ö V V G ) . 2) In der Schweiz folgert man die Unübertragbarkeit des Versicherungsanspruchs auf eine vierte Person wie im deutschen Recht aus der besonderen Natur des Befreiungsanspruchs 54 . 3) Das norwegische V V G bestimmt im § 96 ausdrücklich, daß der Anspruch des Versicherungsnehmers gegenüber der Gesellschaft nicht Gegenstand einer Rechtsverfolgung zwecks Deckung eines anderen Anspruchs als des Entschädigungsanspruchs des Dritten sein kann, solange der Dritte f ü r seinen Anspruch keine Deckung erhalten hat. 4) Nach Art. 53 des französischen V V G ist der Versicherer haftbar, wenn die geschuldete Summe an einen anderen als den Geschädigten ausgezahlt wird, solange der Geschädigte nicht befriedigt ist. Durch die Haftung des Versicherers f ü r die Folgen einer den Dritten schädigenden Handlung wird zwar die Uebertragung des Versicherungsanspruchs nicht unmöglich gemacht, doch kann ein Schaden für den Dritten daraus nicht entstehen. 5) Das dänische, schwedische und englische Recht enthalten kein ausdrückliches Verbot der Uebertragung des Versicherungsanspruchs. Daraus ist nicht ohne weiteres zu schließen, daß diese Rechtsordnungen die Uebertragung des Versicherungsanspruchs unbeschränkt zulassen. Meines Erachtens kann ein richtiges Ergebnis nur aus der Betrachtung des einzelnen Gesetzes gewonnen werden. Wenn nach § 95 I des dänischen V V G der Geschädigte mit der Feststellung des Haftpflichtanspruchs die Rechte des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer erwirbt und nach dem Schadensereignis keine Vereinbarungen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer getroffen werden dürfen, die das Recht des Geschädigten einschränken oder aufheben (§ 96 D W G ) , so kann daraus geschlossen 52 ) § 27 Ö V V G gewährt dem Versicherer das Recht der Aufrechnung mit seiner Prämienforderung gegen den Anspruch des Versicherungsnehmers aus der Haftpflichtversicherung. D e r § 1 4 3 8 A B G B verlangt die Gleichartigkeit als Voraussetzung der Aufrechnung. Daraus kann entnommen werden, daß der Anspruch des Versicherungsnehmers als Geldanspruch zu behandeln ist. Ferner nimmt § 1 2 7 II Ö V V G an, daß der Anspruch von einer vierten Person gepfändet werden könnte, was bei der Annahme eines Befreiungsanspruchs unmöglich wäre. M ) V g l . E h r e n z w e i g Kommentar Bern. 2 zu § 1 2 7 . 51 ) V g l . R o e 1 1 i Kommentar Bern. 24 zu A r t . 59.
24 werden, daß dem Dritten die Schadensersatzforderung soweit wie möglich garantiert werden soll. Der Zweck des Gesetzes würde vereitelt werden, wenn die Möglichkeit bestünde, den Anspruch vor Feststellung der Haftpflichtschuld zum Schaden des Dritten auf eine vierte Person zu übertragen. Im schwedischen Recht, sind ebenfalls Vereinbarungen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer über den Umfang der Leistungspflicht zum Schaden des Verletzten unzulässig (§ 96 SchwedVVG). Die Schadenssumme darf der Versicherungsnehmer erst erheben, wenn der Dritte befriedigt ist oder darin eingewilligt hat (§ 95 I Schwed. VVG). Es darf dem Versicherungsnehmer nicht freistehen, zu seinem Vorteil dem Geschädigten sein Recht vorzuenthalten55. Könnte der Versicherungsanspruch auf einen beliebigen Gläubiger des Versicherungsnehmers übertragen werden, so würde die Haftpflichtversicherung für den Versicherungsnehmer letzten Endes ein gewinnbringendes Geschäft werden können. Das aber will das Gesetz vermeiden 50 . Im schwedischen Recht ist die Uebertragung des Versicherungsanspruchs auf eine beliebige Person f ü r unzulässig zu halten. Für das englische Recht kann ein derartiger Schluß nicht gezogen werden. Hier ist der dem Dritten eingeräumte Schutz zu gering, als daß die Uebertragung des Versicherungsanspruchs als unstatthaft erscheinen könnte. Außer dem Vorrecht beim Vermögensverfall des Versicherungsnehmers 57 wird dem Geschädigten nur auf Grund des Gesetzes über den Straßenverkehr eine Vorzugsstellung eingeräumt. Der Uebertragung des Versicherungsanspruchs auf eine vierte Person steht meines Erachtens nach englischem Recht kein Hindernis entgegen. Während die Uebertragung des Befreiungsanspruchs der Ausübung nach einer vierten Person im deutschen Recht keinen Vorteil bringt, ist sie f ü r den Geschädigten von großem Nutzen. Hier bewirkt die Legitimationsübertragung, daß der Dritte, und nur dieser, den Versicherungsanspruch geltend machen kann. Sein Anspruch hat zum Gegenstand die Befreiung des Versicherungsnehmers von der Haftpflichtschuld durch irgendeine Leistung an ihn (den Dritten), da er ja gleichzeitig Zessionar, Pfandgläubiger bzw. Pfändungsgläubiger und der zu befriedigende Gläubiger ist. Die Befreiung des Versicherungsnehmers ist möglich durch Bewirkung der vom Versicherungsnehmer geschuldeten Geldleistung oder durch Abschluß eines Vertrages mit dem Geschädigten (Vergleich, Erlaß, Schuldübernahme). In seiner Eigenschaft als Haftpfliditgläubiger kann der Dritte jede Befreiungshandlung des Versicherers mit Ausnahme der Geldzahlung zurückweisen. Es würde ohne Bedenken angängig sein, wenn der Dritte auf Befreiung des 5S ) V g l . Die Begründung zum E n t w u r f eines schwedischen Gesetzes über den Versicherungsvertrag S. 1 6 1 . 5 ") V g l . A n m . 55. 67 ) V g l . T h i r d Parties (Right against Insurers) A c t 1 9 3 0 (20 & 2 1 , Geo. V., Ch. 2$).
25 Versicherungsnehmers klagt, gleichzeitig dem Versicherer aber mitteilt, da er auch Haftpflichtgläubiger sei, dulde er keine andere Befreiung außer der Zahlung. Es entspricht der Oekonomie des Rechts, wenn man dem Dritten nach Erwerb des Versicherungsansprudis einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Versicherer einräumt58. Durch die Legitimationsübertragung an den Dritten ist im Ergebnis also an die Stelle der Verbindlichkeit zur Befreiung von einer Schuld die Verpflichtung zu deren Erfüllung getreten. Es ist bestritten, ob die Umwandlung des Befreiungsanspruchs in der Hand des Versicherungsnehmers in einen Zahlungsanspruch in der Hand des Dritten als eine Veränderung des Leistungsinhalts im Sinne des § 399 BGB anzusehen ist 50 . Es ist davon auszugehen, daß die Legitimationsübertragung als solche der gleiche Rechtsvorgang ist, ob sie an den Dritten oder an einen beliebigen anderen Gläubiger geschieht. Empfänger der Befreiung, des Gegenstandes der Leistung, bleibt in allen Fällen der Versicherungsnehmer. Es liegt aber im Wesen der Befreiung, daß sie ohne Zustimmung des zu befriedigenden Gläubigers nur durch Zahlung an diesen erfolgen kann; denn jeder anderen Art der Befreiung (z. B. dem Abschluß eines Vergleichs-, Erlaß- und Schuldübernahmevertrages) kann der Dritte widersprechen. In dieser Hinsicht ändert die Abtretung nichts. Die Möglichkeit, auf Zahlung zu klagen, ergibt sich f ü r den Dritten in erster Linie daraus, daß er in seiner Stellung als Gläubiger nur eine Zahlung anzunehmen braucht. Aus der Abtretung ergibt sich in erster Linie, daß er überhaupt klagen kann. Die Legitimationsabtretung an den Dritten verstößt nicht gegen die Vorschrift des § 399 B G B . Der Zahlungsanspruch des Dritten gegen den Versicherer unterscheidet sich von anderen Geldansprüchen nicht. Ist der Geldanspruch des Dritten einmal gültig entstanden, so kann er dem Dritten nicht wieder entzogen werden. Insbesondere kann auch nicht der Versicherungsnehmer diese Forderung dadurch hinfällig machen, daß er dem Versicherer die Befreiung erläßt, einen Vergleich abschließt oder eine Leistung an Erfüllungsstatt annimmt. Ein derartiger Vertrag zu Lasten Dritter ist mit der geltenden Rechtsordnung nicht vereinbar. Dieses Ergebnis, zu welchem man schon auf Grund allgemeiner Erwägungen gelangen muß, entspricht auch den Normen des V V G . Ohne Bedenken ist dem Dritten, auf den der Versicherungsanspruch der Ausübung nach übertragen worden ist, das Recht zuzubilligen, das Verlangen der Zahlung an den Dritten nach § 156 3 V V G zu stellen. Hierdurch verliert der Versicherer die Befugnis, an den Versicherungsnehmer zu zahlen. Man wird ohne Zwang annehmen dürfen, daß in jedem Zahlungsbegehren des Dritten gegenüber dem Versicherer ein solches Verlangen liegt, so daß auch aus diesem Grunde der Versicherer nicht mehr zur Leistung an den Versiche58
) Vgl. F l e di t h e i m L Z 1 9 1 0 S. 896. ) Das R G hält die Abtretung für gültig, vgl. R G 22. 12. 14 S. 474; 10. j. 28 J W 1928 S. 2S58; a.A. R e i c h e l L Z 1 9 1 1 S. 406. 58
Recht 1 9 1 5
26 rungsnehmer befugt ist. Nach der Uebertragung des Befreiungsanspruchs auf den Dritten ist nur dieser zum Abschluß eines Vergleichs oder zur Annahme an Erfüllungsstatt befugt 60 . Die Uebertragung des Befreiungsanspruchs auf den Gläubiger des zu befreienden Schuldners ist ein eigenartiger Rechtsvorgang. V o r der Uebertragung ist der Versicherungsnehmer klageberechtigt. Der Leistungserfolg der Befreiungsforderung besteht in einem Bekommen des Versicherungsnehmers. Gleichzeitig ist auch der Dritte Zuwendungsempfänger, denn der Versicherer leistet an den Dritten eine Geldzahlung, um die Haftpflichtforderung zu beseitigen. Nach der Uebertragung des Befreiungsanspruchs auf den Dritten wird dieser klageberechtigt, während der Leistungserfolg des Anspruchs derselbe bleibt. Durch die Zahlung des Versicherers an den Dritten wird auch nach der Uebertragung noch der Versicherungsnehmer befreit, und der Dritte erhält eine Zuwendung. Die Uebertragung des Befreiungsanspruchs auf den Dritten erzeugt f ü r diesen einen Geldanspruch gegen den Versicherer. Nach der Uebertragung des Befreiungsanspruchs kann der Dritte aus seiner Stellung als Empfänger der Geldleistung nicht mehr verdrängt werden, denn der Versicherungsnehmer ist nicht mehr zur Annahme an Erfüllungsstatt befugt. Die Legitimationsübertragung des Befreiungsanspruchs auf den Dritten gewährt diesem mehr als die Ausübung des Anspruchs; sie hat materielle Rechtswirkungen. Kann die Uebertragung des Befreiungsanspruchs überhaupt noch als eine Legitimationsübertragung bezeichnet werden? Das R G verneint diese Frage stillschweigend; denn es behandelt diesen Fall als eine gewöhnliche Abtretung, bei welcher der Befreiungsanspruch sich in der Hand des Dritten in einen Zahlungsanspruch verwandelt 6 1 . Diese Auffassung läßt unberücksichtigt, daß nach wie vor der Versicherungsnehmer befreit wird. Eine Vollübertragung würde einen Befreiungsanspruch des neuen Gläubigers zur Folge haben oder bei Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch gegen den § 399 B G B verstoßen. Es muß also daran festgehalten werden, daß auch die Uebertragung des Befreiungsanspruchs auf den Dritten keine Vollübertragung, sondern nur eine Legitimationsübertragung darstellt. Die Legitimationsübertragung erfolgt wie die gewöhnliche Abtretung im Zweifel zahlungshalber und nicht an Zahlungsstatt. Durch die Abtretung erlischt grundsätzlich die Haftpflichtschuld nicht. Der Dritte verlangt Befreiung des Versicherungsnehmers von der H a f t pflichtschuld. Daß die Abtretung dieselbe Wirkung habe, wie wenn der Versicherer mit Zustimmung des Dritten die Schuld des Versicherungsnehmers an dessen Stelle übernommen hat, kann deshalb nur 60 ) Bei der A n n a h m e an Erfüllungsstatt oder dem Abschluß eines Vergleichs seitens des Dritten kann es sich auch um Rechtsgeschäfte hinsichtlich der H a f t pflichtforderung handeln. N i m m t der Dritte z. B. anstatt G e l d Aktien, so w i r d der Haftpflichtanspruch, nicht etwa der Befreiungsansprudi, durch Annahme an Erfüllungsstatt getilgt. Diese Befugnis hat mit der Legitimationszession nichts zu tun; sie folgt aus der Stellung des Dritten als Haftpflichtgläubiger. 61 ) V e r g l . R G 28. 1. 1 3 R G Z 81 S. 2 5 0 f f .
27 dann angenommen werden, wenn die Abtretung ausdrücklich an Zahlungsstatt erfolgt ist 02 , oder der Dritte bei der Abtretung auf seine Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer verzichtet hat 63 . Der Versicherungsanspruch bedeutet in der Hand des Dritten eine Verschlechterung der Stellung des Versicherers hinsichtlich der Beweisführung. Der Versicherungsnehmer kann im Prozeß zwischen dem Dritten und dem Versicherer als Zeuge auftreten. Dann besteht die Gefahr, daß der Versicherungsnehmer den Dritten begünstigt. Außerdem wird der Versicherungsnehmer durch die Zession dem Zessionar auskunftspflichtig gemäß § 402 B G B ; dadurch wird der Gesellschaft die Abwehr des Haftpflichtanspruchs erheblich erschwert. Durch Vereinbarung wird versucht, eine derartige Entwicklung zu vermeiden. Gemäß den §§ 399, 1274 I I B G B ist ein vertraglicher Ausschluß der Abtretung und auch der Verpfändung möglich. So verbieten die Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen in § 8 I I I die Uebertragung der Versicherungsansprüche vor ihrer endgültigen Feststellung ohne Zustimmung des Versicherers. Auf eine vor dem genannten Zeitpunkt erfolgte Pfändung und Ueberweisung der Ansprüche auf den Dritten hat das Uebertragungsverbot keine Wirkung (§ 851 I I ZPO). Die Abtretung des Versicherungsanspruchs an den Geschädigten ist auch nach dem schweizerischen V V G möglich, obwohl es sich um einen Befreiungsanspruch handelt 64 . Soweit die Rechtsordnungen den Versicherungsanspruch als Geldanspruch auffassen (Oesterreich, Schweden, Norwegen, England), steht der Uebertragung auf den Verletzten nichts im "Wege65. II. D e r
Untergang
des
Befreiungsanspruchs.
Der Befreiungsanspruch und der Haftpflichtanspruch sind in bestimmter Weise voneinander abhängig. Immer hat der Untergang des Haftpflichtanspruchs auch den Untergang oder die Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Erstattungsanspruch zur Folge 66 . "Wenn der Dritte keinen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer mehr hat, kann der Versicherungsnehmer nicht mehr befreit werden. Der Befreiungsanspruch kann aber auch aus Gründen untergehen, die nicht mit der Haftpflichtschuld zusammenhängen. Der Versicherer wird bei schuldhafter Verletzung einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer von seiner Verpflichtung zur Befreiung des Versicherungsnehmers frei. Man kann das Verhältnis vom Befreiungsanspruch zum Haftpflichtanspruch folgendermaßen kennzeichnen: 62
) Ueber die Abtretung an Zahlungsstatt vgl. unten S . 29 f f . ) V g l . R G 1 2 . 1. 2 6 V A 1 9 2 7 S. 2 6 $ N r . 1 6 2 4 ; a . A . B r u c k Das P r i v a t versicherungsrecht S. 7 2 j , wonach jede Abtretung die Wirkung einer privativen Schuldübernahme haben soll. " ) V g l . R o e 1 1 i Kommentar Bern. 28 zu A r t . 60. 65 ) V g l . E h r e n z w e i g Kommentar Bern. 4 zu § 1 2 7 ; Begründung zum Entwurf eines S c h w e d W G S. 1 6 1 . 68 ) V g l . oben S. 38 f f . ,s
28 kein Befreiungsanspruch nach "Wegfall der Haftpflichtschuld, wohl aber unter Umständen Haftpflichtansprüche nach Wegfall des Befreiungsanspruchs. Für den Dritten ist der letztere Fall gefährlich; denn bei Vermögenslosigkeit des Haftpflichtigen bekommt er keinen Ersatz des erlittenen Schadens, obwohl ein Versicherungsansprudi des Haftpflichtigen vorhanden war. Im Normalfall wird der Befreiungsanspruch durch eine Tätigkeit des Versicherers getilgt. Von den Befreiungsmöglichkeiten durdi eine Zuwendung des Versicherers an den Dritten spielt die Geldzahlung praktisch die größte Rolle. Zur Geldzahlung bedarf der Versicherer nicht der Zustimmung des Dritten. Ebensowenig bedarf es der Zustimmung des Geschädigten, wenn der Versicherer ihn mittels Aufrechnung befriedigen kann. Die Voraussetzungen des § 387 B G B liegen aber nicht ohne weiteres vor, wenn dem Versicherer eine Forderung gegenüber dem Dritten zusteht. Aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag erwirbt der Dritte keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer, so daß es an dem Erfordernis der Gegenseitigkeit fehlen würde 07 . Eine Aufrechnung mit einer Forderung des Versicherers gegen den Dritten wäre unbedenklich dann zulässig, wenn der Dritte infolge Abtretung oder Pfändung und Ueberweisung des Versicherungsanspruchs einen Zahlungsanspruch gegen den Versicherer erlangt hat. Wenn der Versicherer eine Forderung gegen den Dritten hat, kann er die Aufrechnung nicht erzwingen. Denn die Begründung eines Anspruchs des Dritten gegen den Versicherer kann nicht gegen den Willen des Berechtigten geschehen. Eine Uebernahme der Haftpflichtschuld durch den Versicherer bedarf der Zustimmung des Dritten ( § 4 1 5 B G B ) . Ein unmittelbarer Anspruch des Dritten gegen den Versicherer, der durch einen echten Vertrag zugunsten Dritter entstanden ist, kann von dem Dritten zurückgewiesen werden (§333 BGB). Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß der Versicherer den Dritten mit dessen Einwilligung durch Hingabe an Erfüllungsstatt befriedigen kann. Auch die Uebernahme der Haftpflichtschuld durch den Versicherer führt zur Befreiung des Versicherungsnehmers. Die Schuldübernahme kann entweder durch Vertrag zwischen dem Versicherer und dem Dritten (§ 4 1 4 B G B ) oder durch Vertrag zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer mit Zustimmung des Dritten herbeigeführt werden ( § 4 1 5 B G B ) . Endlich wäre es möglich, daß der Dritte sich durch Verhandlungen mit dem Versicherer zu einem Vergleich oder sogar Erlaß bewegen läßt. In diesem Fall würde der Befreiungsanspruch teilweise oder ganz durch Zweckerreichung erlöschen88. 67 ) V g l . oben S . 40 f f . In den Ländern, deren Gesetze dem Dritten einen solchen Anspruch gewähren, steht der Aufrechnung kein Bedenken entgegen. Vgl. das schweizerische Gesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr v. 15. 3.32 A r t . 49 I ; dänisches V V G § 9$ I ; französisches V V G v . 1 7 . 7. 30 A r t . $ 7 ; schwedisches Gesetz über Autohaftpflichtversicherung v . 10. 5. 29 A r t . 3. i8 ) V g l . P 1 a n ck Kommentar Bern. 1 b zu § 3 2 9 .
29 Wenn die Voraussetzungen der Hinterlegung (§ 372 B G B ) vorliegen, kann der Versicherer auch auf diese Weise den Versicherungsnehmer von dem Haftpflichtanspruch freistellen. Geht der Haftpflichtanspruch infolge einer Tätigkeit des Versicherers gegenüber dem Dritten unter (Zahlung, Hingabe an E r f ü l lungsstatt usw.), so erlischt damit gleichzeitig der Befreiungsanspruch. Der Versicherer hat die sich aus dem Vertrage ergebende Pflicht erfüllt. Anders ist die Rechtslage, wenn der Versicherungsnehmer den Dritten aus seinen eigenen Mitteln befriedigt 69 . Dann kann der Versicherer die geschuldete Befreiung nicht mehr bewirken, da der Versicherungsnehmer sich bereits selbst befreit hat. Doch kann nicht davon die Rede sein, daß der Versicherer jetzt von seiner Verpflichtung zur Leistung frei wäre 70 . Das würde eine durch nichts gerechtfertigte Bereicherung des Versicherers bedeuten. Durch die Zahlung ist dem Versicherungsnehmer ein Vermögensverlust entstanden, zu dessen Ersatz der Versicherer verpflichtet ist. Mit der Befriedigung des Dritten durch den Versicherungsnehmer verwandelt sich der Befreiungsanspruch in einen Erstattungsanspruch. Es kann ganz allgemein der Satz aufgestellt werden, daß jeder Untergangsgrund der Haftpflichtschuld, welcher mit einem Vermögensverlust des Versicherungsnehmers verbunden ist, nicht den Untergang des Versicherungsanspruchs zur Folge hat, sondern einen Erstattungsanspruch des Versicherungsnehmers auslöst 71 . Dieselben Rechtswirkungen wie die Geldzahlung des Versicherungsnehmers an den Dritten erzeugen auch die Zahlungssurrogate, wie z. B. Aufrechnung und Hingabe an Erfüllungsstatt. Die Aufrechnung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Dritten weist keinerlei rechtliche Besonderheiten auf. Erforderlich ist nur, daß der Versicherungsnehmer einen fälligen Geldanspruch gegen den Dritten besitzt. Gibt der Versicherungsnehmer beliebige Vermögensteile — etwa Aktien oder Wechsel — dem Dritten an Erfüllungsstatt, so kann nicht zweifelhaft sein, daß ein Erstattungsanspruch des Versicherungsnehmers entsteht. Z w e i f e l h a f t wird indessen die Rechtslage, wenn der Versicherungsnehmer dem Dritten gerade den Befreiungsanspruch an Zahlungsstatt abtritt. Durch die datio in solutum erlischt die Haftpflichtschuld. Nimmt man das nicht an, so kann keine Abtretung an Zahlungsstatt, sondern nur eine solche zahlungshalber vorliegen. Mit dem Erlöschen der Haftpflichtschuld hört auch der Befreiungsanspruch als solcher zu bestehen auf. Da aber der Untergang der Haftpflichtschuld den Verlust eines Vermögensaktivums des Versicherungsnehmers, nämlich des Befreiungsanspruchs, zur Folge hat, muß angenommen werden, daß ein Erstattungsanspruch entsteht. "•) Eine Befriedigung des Dritten v o r Feststellung der Haftpflichtschuld braucht der Versicherer nur gegen sich gelten zu lassen, wenn der Versicherungsnehmer sie nicht ohne Unbilligkeit verweigern konnte (§ j I V A l l g H a f t p f l i d i t Versbdg.). 7 °) Vgl. unten. S. 38 f f . 71 ) V g l . v. T u h r actio de in rem verso S. 9 1 .
30 Würde der Erstattungsanspruch nach Abtretung des Befreiungsanspruchs dem Versicherungsnehmer zustehen, so würde die Abtretung f ü r den Dritten einen unhaltbaren Zustand herbeiführen. Es ist dem Zweck der Abtretung an Zahlungsstatt zu entnehmen, daß nicht nur der Versicherungsanspruch der Ausübung nach übertragen werden sollte; vielmehr enthält die Abtretung an Zahlungsstatt zugleich die volle Uebertragung des Erstattungsanspruchs, der mit dem Erlöschen der Haftpflichtschuld entsteht. Auf etwas anderes kann sich der Dritte gar nicht einlassen, wenn er sich bewußt ist, daß er nach der Annahme an Zahlungsstatt keine Ansprüche mehr gegen den Versicherungsnehmer hat, hinsichtlich deren die Befreiung durch den Versicherer verlangt werden kann. Etwas anderes kann auch der Versicherungsnehmer, sofern er redlich ist, nicht gemeint haben. Würde er den Erstattungsanspruch nach der Abtretung verwirklichen, so würde er einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil auf Kosten des Dritten erlangen. Diese Konstruktion, wonach die Abtretung an Zahlungsstatt zugleich die Abtretung des künftigen Erstattungsanspruchs enthält, erscheint einfacher und dem Wesen des Befreiungsanspruchs entsprechender als eine andere Auffassung, die früher vertreten wurde". Hiernach soll die datio in solutum bei der Abtretung des Befreiungsanspruchs an den zu befriedigenden Gläubiger nicht die gewöhnliche Wirkung des Erlöschens der Haftpflichtforderung, sondern nur die eines pactum de non petendo in perpetuum haben. Um einen Untergang des Befreiungsanspruchs, verbunden mit einem Vermögensnachteil des Versicherungsnehmers, handelt es sich auch, wenn eine Vereinigung des Versicherungsnehmers mit dem Dritten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge eintritt. In diesem Fall bleibt der Anspruch gegen den Versicherer unberührt 73 . Eine analoge Anwendung des § 1 5 6 3 V V G soll ergeben, daß der Anspruch, der bisher in der Befreiungsform bestand, sich mit der Vereinigung des Versicherungsnehmers mit dem Dritten in einen Zahlungsanspruch umwandelt 74 . Es bedarf jedoch gar nicht der Heranziehung dieser Vorschrift, denn f ü r jeden Fall der Vereinigung des Befreiungsberechtigten mit dem dritten Gläubiger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ergibt sich die Umwandlung des Befreiungsanspruchs schon aus allgemeinen Gesichtspunkten. Beerbt der Dritte den Versicherungsnehmer oder umgekehrt der Versicherungsnehmer den Dritten, so erlischt die Haftpflichtschuld durch Konfusion. Durch den gleichzeitigen Wegfall des Befreiungsanspruchs erleidet der Rechtsnachfolger einen Verlust. Hätte der Versicherungsnehmer die Haftpflichtschuld vor der Konfusion bezahlt, so hätte der Versicherungsnehmer — wenn er der Rechtsnachfolger ist — in seinem eigenen Vermögen, oder der Dritte — wenn dieser der Rechtsnachfolger ist — iin der Erbschaft einen Erstattungsanspruch gegen den Versicherer 72 ) 1923 S. ") 71 )
Vgl. v. T u h r actio de in rem verso S. 1 1 9 ; S c h ü n e m a n n HansRZ 637 f f . Vgl. K G 5. 3. 24 J R P V 1925 S. 275 f f . Vgl. P f e i f f e r Bern, zu dem Urteil des K G j. 3. 24 J R P V 1925 S. 275.
31 vorgefunden. Damit durch die Vereinigung keine unbegründete Bereicherung des Versicherers eintritt, muß auch in diesem Fall dem Rechtsnachfolger ein Erstattungsanspruch gewährt werden. Grundsätzlich wirkt jeder zwischen dem Versicherungsnehmer oder dem Dritten abgeschlossene Erlaß oder Vergleich, wenn er überhaupt für den Versicherer verbindlich ist, auch zugunsten des Versicherers. Denn für den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ist die Höhe der Leistung maßgebend, die der Versicherungsnehmer gegenüber dem Dritten zu bewirken hat (§ 149 V V G ) . H a t der Versicherer bereits die Entschädigung bezahlt, so kann er diese zurückverlangen, wenn der Dritte dem Versicherungsnehmer die Schuld erläßt75. Die Vermehrung des Passivvermögens ist durch den Erlaß rückgängig gemacht worden. Und darüber hinaus hat der Versicherungsnehmer keine Ansprüche. Es kann jedoch auch nach der Willenseinigung des Dritten mit dem Versicherungsnehmer der Erlaß nur den Zweck haben, den Versicherungsnehmer zu bereichern. Ein Erlaß der Haftpflichtschuld schenkungshalber kommt daher nur dem Versicherungsnehmer zugute; seine Wirksamkeit kann auf das Verhältnis zum Versicherer nicht ausgedehnt werden 76 . Der Versicherungsnehmer hat einen Erstattungsanspruch, wie wenn er den Dritten durch Zahlung befriedigt hätte. Der Versicherungsnehmer hat auch dann einen Erstattungsanspruch, wenn eine vierte Person den Haftpflichtanspruch zum Erlöschen bringt, um dem Versicherungsnehmer eine Zuwendung zu machen. Ebenso wie der Versicherer, der mit dem Dritten in keinerlei rechtlichen Beziehungen steht, diesen befriedigen kann, kann auch eine vierte Person, etwa ein Angehöriger des Versicherungsnehmers, an den Dritten nach § 267 B G B leisten. An sich würde durch den Untergang des Haftpflichtanspruchs auch der Befreiungsanspruch gegen den Versicherer zum Erlösdien gebracht werden. Da die Zuwendung an den Geschädigten zwecks Herabminderung des Schadens jedoch lediglich zugunsten des Versicherungsnehmers erfolgte, bleibt die Leistungspflicht des Versicherers unberührt. Dem Versicherungsnehmer gebührt ein Erstattungsanspruch 77 . Ein Erstattungsanspruch entsteht nicht, wenn eine vierte Person den Geschädigten befriedigt und sich den Haftpflichtanspruch abtreten läßt. Dann bleibt der Versicherer zur Befreiung des Versicherungsnehmers verpflichtet. Zahlt eine vierte Person an den Dritten, um dem Versicherer einen Vorteil zuzuwenden, so geht der Befreiungsanspruch unter. Schließlich kann der Versicherungsanspruch auch erlöschen infolge der Untätigkeit des Dritten. Mit der Verjährung des Haftpflichtanspruchs geht der Befreiungsanspruch unter. Dabei muß unterschieden werden, in welcher Weise der Haftpflichtanspruch festgestellt ist (denn vorher hat ja der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Befreiung von der Haftpflichtschuld, sondern höchstens einen n
) Vgl. B r u ck Kommentar Bcm. 3 zu § 154. ) Vgl. H a g e n in Ehrenbergs Handbuch II S. 3 1 8 . " ) Vgl. R G 28. 4. n V A 1 9 1 1 S. 109 Nr. 628. 7e
32 Anspruch auf Uebernahme der Prozeßführung und Ersatz der Prozeßkosten usw.). Ist der HaftpfLichtanspruch durch ein rechtskräftiges Urteil, rechtsgeschäftliches Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt, so beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre (§§ 2 1 8 I 1, 195 BGB). Der Haftpflichtanspruch kann aber auch durch ein Verhalten des Versicherungsnehmers dem Dritten gegenüber anerkannt werden, aus welchem sich das Bewußtsein des Versicherungsnehmers von dem Bestehen des Haftpflichtanspruchs ergibt (§ 208 BGB). Dann wird die Verjährung nur unterbrochen. Die Verjährungsfrist beträgt für Ansprüche auf Grund des Haftpflichtgesetzes zwei Jahre ( § 8 1 HpflG), f ü r Ansprüche aus unerlaubter Handlung drei Jahre (§ 852 BGB). Weigert sich der Dritte dauernd, die Leistung des Versicherers entgegenzunehmen, so gerät er nicht nur in Annahmeverzug gegenüber dem Versicherungsnehmer, sondern macht auch die Befreiung unmöglich. Dann erlischt der Befreiungsanspruch wegen nachfolgender, nicht zu vertretender Unmöglichkeit. Im Gegensatz zu der Untergangsmöglichkeit des Befreiungsanspruchs durch Beseitigung der Haftpflichtschuld, also durch Befreiung, stehen die Möglichkeiten des Untergangs ohne Eintritt der Befreiung. In diesen Fällen zeigt sich besonders, wie unvollkommen das deutsche Recht den Geschädigten schützt. Aus den verschiedensten Gründen kann der Versicherer leistungsfrei werden, obwohl der Dritte weder befriedigt ist, noch die Möglichkeit hat, jemals zu seinem Gelde zu kommen, weil der Versicherungsnehmer kein pfändbares Vermögen hat. Es ergibt sich dann der unerfreuliche Zustand, daß der Geschädigte das Nachsehen hat, obwohl der Haftpflichtige gegen Haftpflicht versichert ist. Die Fälle, in denen der Versicherungsanspruch trotz Fortbestands der Haftpflichtschuld untergeht, zerfallen in zwei Gruppen: 1. Der Versicherungsnehmer verfügt über seinen Anspruch zum Nachteil des Dritten (Erlaß, Vergleich usw.). 2. Der Versicherungsanspruch fällt auf Grund eines bestimmten Verhaltens des Versicherungsnehmers fort, ohne daß dessen Absicht auf diesen Erfolg gerichtet ist (Verletzung einer Obliegenheit, Herbeiführung des Versicherungsfalls usw.). Die Uebertragung und Belastung des Befreiungsanspruchs unterliegt auf Grund allgemeiner Vorschriften gewissen Beschränkungen, die sich f ü r den Dritten günstig auswirken. Der Versicherungsnehmer kann jedoch andere Verfügungen, z. B. Rechtsgeschäfte, die den Befreiungsanspruch aufheben oder inhaltlich verändern, nach seinem freien Belieben vornehmen 78 . Nach geltendem deutschen Recht steht dem Erlaß des Befreiungsanspruchs keine Vorschrift entgegen. Dasselbe gilt von einem Vergleich über den Versicherungsanspruch. Ein Vertrag, durch welchen der Versicherungsnehmer auf seinen Befreiungsanspruch gegen Zahlung eines erheblichen Geldbetrages verzichtet, enthält keinen 78 ) Eine derartige V e r f ü g u n g des Versicherungsnehmers über die Entschädigungsforderung in der Feuerversicherung hätte dem Realgläubiger gegenüber keine Wirkung. V g l . oben S. 1 1 f .
33 Verstoß gegen die guten Sitten 79 . Die Anfechtung einer solchen Rechtshandlung nach § 3 des Anfechtungsgesetzes setzt die schwer nachweisbare Benachteiligungsabsicht auf seiten des Versicherungsnehmers voraus. Eine derartige Absicht nur auf Seiten des Versicherers berechtigt den Dritten noch nicht zur Anfechtung 80 . Der Versicherer kann, anstatt den Dritten zu befriedigen, an den Versicherungsnehmer selbst die Entschädigungssumme auszahlen. Dann ist der Befreiungsanspruch durch eine datio in solutum erloschen81. Wendet der Versicherungsnehmer das Empfangene nicht dem Dritten zu, so ist der Haftpflichtanspruch des Dritten unter Umständen schwer oder überhaupt nicht realisierbar. Der Versicherer kann gegen den Befreiungsanspruch nicht mit einem Geldanspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer aufrechnen, weil die Forderungen nicht gleichartig sind 82 . D a Gegenstand des Befreiungsanspruchs nicht Geld ist, ist die Aufrechnung gegen den Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers nicht möglich. Trotzdem kann der Versicherer sich durch Aufrechnung von seiner Vertragspflicht befreien, da er das Recht hat, statt der Befreiung dem Versicherungsnehmer eine Geldleistung zu erbringen 83 . Andernfalls könnte der Versicherer dieselbe Geldleistung, die er an den Versicherungsnehmer bewirkt, in demselben Zeitpunkt auf Grund seines Anspruchs vom Versicherungsnehmer zurückverlangen. Dieses Ergebnis wäre unbillig und unzweckmäßig. Deshalb wird ganz allgemein dem Schuldner das Recht der Aufrechnung gewährt, wenn nicht die geschuldete, sondern nur die fakultative Leistung zur Aufrechnung geeignet ist84. Der Versicherungsnehmer seinerseits kann aber gegen den Willen des Versicherers nicht aufrechnen, sonst würde er auf diese Weise die Möglichkeit haben, die Geldleistung zu erlangen und das Recht des Versicherers auf Leistung an den Dritten zu zerstören 85 . Die Fälle der Verfügung des Versicherungsnehmers über seinen Anspruch zum Schaden des Dritten stimmen alle darin überein, daß dazu die Mitwirkung des Versicherers erforderlich ist. N u r durch Vereinbarung des Versicherers mit dem Versicherungsnehmer ist ein Erlaß- oder Vergleichsvertrag hinsichtlich des Befreiungsanspruchs möglich; der Versicherer kann die Geldzahlung an den Versicherungsnehmer bewirken (der Versicherungsnehmer könnte sie nicht verlangen); der Versicherer kann mit einer Geldforderung gegen den 79
) Vgl. O L G Düsseldorf 24. 1 1 . 3 2 J R P V 1 9 3 3 S. 226. ) Vgl. P e t e r s e n H a n s R Z 1 9 1 8 S . 2 1 8 f f . ) Vgl. oben A n m . 7 8 . 92 ) Vgl. F l e c h t h e i m L Z 1 9 1 0 S . 896; B r u c k Kommentar Bern. 3 zu § 156; a.A. L e h m a n n L Z 1 9 3 3 S . 1 2 3 1 f f . ; hinsichtlich der Prämie E h r e n b e r g Z V W 1 9 2 7 S. $ 5 3 . 83 ) Vgl. oben S. 1 6 f. 84 ) Vgl. E n n e c c e r u s § 2 9 3 I I i b ; S t a u d i n g e r Kommentar Bern. I 1 zu § 387. 85 ) Zu demselben Ergebnis, aber mit anderer Begründung, gelangt L e h m a n n J R P V 1 9 3 3 S. 1 3 0 . Auch bei Annahme einer Wahlschuld mit Wahlrecht des Versicherers (so M ö l l e r J W 1 9 3 4 S. 1 0 7 6 ) würde sich nichts Abweichendes ergeben. 80 81
34 Versicherungsnehmer aufrechnen (der Versicherungsnehmer kann mit dem Befreiungsanspruch nicht aufrechnen). Würden sich die Versicherer der sozialen Aufgabe der Haftpflichtversicherung bewußt sein, so würden sie jedes Zusammenwirken mit dem Versicherungsnehmer zum Schaden des Dritten ablehnen. Allerdings würde dem Versicherer dann häufig ein erheblicher Vorteil (etwa bei einem günstigen Vergleich mit dem Versicherungsnehmer) entgehen. Immerhin muß festgestellt werden, daß es vom sozialen Standpunkt aus wenig wünschenswert ist, wenn der Versicherer auf Kosten des Verletzten Geschäfte macht 86 . Der Versicherungsanspruch kann auf Grund eines bestimmten Verhaltens des Versicherungsnehmers wegfallen, ohne daß dessen Absicht auf diesen Erfolg gerichtet ist. Täuscht der Versicherungsnehmer den Versicherer arglistig, so kann der Versicherer gemäß §§ 123 B G B , 22 V V G den Vertrag anfechten. Bleibt der Versicherer mit einer Folgeprämie im Rückstand, so kann der Versicherer durch Mahnung und Kündigung das Versicherungsverhältnis aufheben (§ 39 V V G ) . Verletzt der Versicherungsnehmer schuldhaft eine Obliegenheit, dann kann der Versicherer von seiner Verpflichtung zur Leistung frei werden (§ 6 V V G ) . Führt der Versicherungsnehmer das Schadensereignis vorsätzlich und widerrechtlich herbei, so haftet der Versicherer nicht (§ 152 V V G ) . Alle diese Einwendungen aus dem Versicherungsvertrage, welche der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer hat, sind auch gegen den Dritten, auf den der Versicherungsanspruch durch Abtretung oder Pfändung übergegangen ist, zulässig (§§ 404, 412 B G B ) 8 7 . V o r allem bei der Verletzung von Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls zeigt sich deutlich, wie gefährdet die Lage des Dritten ist. Zeigt der Versicherungsnehmer aus irgendeinem Grunde dem Versicherer den Eintritt des Versicherungsfalls nicht an, so ist der Dritte außerstande, gegen den Versicherer vorzugehen. Eine Pfändung des Befreiungsanspruchs wäre zwecklos, weil der Versicherungsnehmer den Anspruch durch sein Verhalten verwirkt hat. Wenn der Dritte den Versicherer rechtzeitig von dem Prozeß mit dem Versicherungsnehmer benachrichtigt, so ist der Versicherer in der Lage, seine eigenen Interessen zu wahren. Die Erfüllung seiner Vertragspflicht würde für den Versicherer unter diesen Umständen keine H ä r t e bedeuten. Das R G hat den Versuch gemacht, dem Dritten zu helfen, indem es sich auf den Standpunkt stellte, eine grobfahrlässige Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Versicherungsnehmer sei nicht erwiesen, wenn er gewußt hat, daß der Versicherer in anderer Weise über den U n f a l l unterrichtet worden ist und sich geweigert hat, weitere Aufklärung durch eine für den Versicherungsnehmer handelnde Person entgegenzunehmen 88 . Dieses Urteil ist ver80 ) I n a n d e r e n S t a a t e n sind d e r a r t i g e V e r e i n b a r u n g e n zwischen Versicherer und V e r s i c h e r u n g s n e h m e r d e m D r i t t e n gegenüber u n w i r k s a m ; v g l . unten S. 35 ff. " ) A n d e r s ist die S t e l l u n g des R e a l g l ä u b i g e r s , dessen Anspruch gegen den Feuerversicherer v o n d e m V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g losgelöst ist. V g l . oben S. 11 f. a8) Vgl. R G 2 2 . 3. 3 2 P r a x i s des V R 1 9 3 2 S . 50.
35 sdiiedentlich angegriffen worden 8 0 . D a s Ergebnis aber ist billig, zumal nach den allgemeinen Regeln die Obliegenheiten v o n jedermann erfüllt werden können 90 . Die behandelten Fälle des Erlöschens des Befreiungsanspruchs zeigen, wie häufig im deutschen Recht der Geschädigte trotz V o r handenseins eines Haftpflichtversicherungsanspruchs leer ausgehen kann. Gerade in dieser Hinsicht haben andere Länder den Schutz des Dritten bedeutend weiter ausgebaut. 1. Das österreichische V V G schützt den Dritten durch ein P f a n d recht an der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers (§ 127 I Ö V V G ) dagegen, daß der Versicherungsnehmer über seinen Anspruch zum Schaden des Dritten v e r f ü g t . Ein Erlaß- oder V e r gleichsvertrag zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer mit Wirkung gegen den Dritten ist ausgeschlossen. Der Versicherer w i r d durch die Zahlung an den Versicherungsnehmer nur befreit, sofern die Befriedigung des Dritten gesichert ist, anderenfalls kann der Dritte den Versicherer durch die Einleitung der Zwangsvollstreckung in die Entschädigungsforderung nochmals in Anspruch nehmen 9 1 . Die Aufrechnung gegen den Entschädigungsanspruch des V e r sicherungsnehmers mit einem Anspruch des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer ist dem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn die Forderung des Versicherers v o r dem Eintritt des Haftpflichtfalls entstanden ist. D a das gesetzliche Pfandrecht des Dritten im Zeitpunkt des Eintritts der Haftpflichttatsache entsteht 02 , und gegen eine pfandbelastete Forderung nicht zum Nachteil des Pfandgläubigers aufgerechnet werden kann, ist die Aufrechnung unzulässig, wenn der Versicherer die Forderung gegen den Versicherungsnehmer erst nach Eintritt der Haftpflichttatsache erworben hat. Diese Unterscheidung ist mehrfach angegriffen worden 9 3 , doch w i r d dem Ergebnis zugestimmt, weil das Pfandrecht dem Dritten einen zu geringen Schutz gewährt. Vor allem ist der Dritte schutzlos, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit verletzt oder den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. D a s Pfandrecht belastet die Entschädigungsforderung nur, soweit sie dem Versicherungsnehmer selbst zusteht. Alle Verwirkungsklauseln, Risikobeschränkungen und Abzugsrechte muß der Dritte sich gegenüber gelten lassen. 2. Nach Art. 60 des schweizerischen V V G erwirbt der Geschädigte ebenfalls ein Pfandrecht an dem Anspruch des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag. A l l e Verfügungen des Versicherungsnehmers über seinen Anspruch durch Erlaß, Vergleich s
' ) Vgl. T u dl m a n n L Z 1 9 3 3 S. 3 4 5 f f . Vgl. B r u ck Kommentar Bern. 6 zu § 6. " ) Vgl. E h r e n z w e i g Kommentar Bern. 1 zu § 1 2 8 . " ) Vgl. E h r e n z w e i g Bern. 1 zu § 1 2 7 ; a.A. R o e l l i Kommentar Bern. 14 zu Art. 60: nach schweizerischem Recht soll das Pfandrecht erst mit der Erhebung des Haftpflichtanspruchs entstehen, da vorher ein Anspruch des Versicherungsnehmers nicht vorhanden ist. e3 ) Vgl. B a u e r r e i s VersArch. 1 9 3 4 S. 849 f f . ; H e l l e r VersArch. 1 9 3 4 S. 6J7 f f .
36 oder Entgegennahme der Zahlung sind wie im österreichischen Recht dem Dritten gegenüber unwirksam. Ferner ist auch die Aufrechnung mit einer Forderung des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer gegen den Befreiungsanspruch grundsätzlich unzulässig 94 . Möglich ist jedoch die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, die aus dem Versicherungsverhältnis stammt, z. B. mit einer ausstehenden Prämienforderung 95 . Darüber hinaus ist der Versicherer für jede Handlung verantwortlich, durch die er den Dritten in seinem Recht verkürzt (Art. 6o I I SchweizVVG). Beeinträchtigt der Versicherer das Pfandrecht des Dritten in irgendeiner Weise, z. B. zahlt er an den Versicherungsnehmer auf Grund einer Quittung des Dritten, von der er annehmen muß, daß sie gefälscht ist, so erwirbt der Geschädigte gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch. Diese allgemeine Schutzbestimmung und das Pfandrecht schützen den Dritten nicht in jedem Fall. Alle dem Versicherer aus dem Versicherungsvertrage zustehenden Einreden gegen die Ersatzforderung sind auch dem Pfandgläubiger gegenüber zulässig. Dazu gehören insbesondere die Verwirkung des Versicherungsanspruchs durch Verletzung von Obliegenheiten aus dem Vertrag oder durch Nichtbezahlung der Prämie 96 . Unter allen Umständen wird der Dritte jedoch in der K r a f t fahrzeughaftpflichtversicherung geschützt. Das Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr vom I J . 3. 1932 (MFG), das einen Versicherungszwang einführt, gewährt dem Dritten ein unmittelbares Forderungsrecht gegen den Versicherer (Art. 49 M F G ) . Dem Geschädigten kann keine Einrede aus dem Versicherungsvertrag oder dem Gesetz entgegengehalten werden, welche die Deckung des Schadens schmälern oder aufheben würde (Art. 50 I M F G ) , höchstens hat der Versicherer ein Rückgriffsrecht gegen den Versicherungsnehmer (Art. 50 I I M F G ) . Wenn der Versicherungsnehmer das Schadensereignis vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeiführt, die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt, eine wesentliche Gefahrerhöhung vornimmt, gegen seine Verpflichtungen im Schadensfall verstößt, so bleibt die Pflicht des Versicherers, den Geschädigten zu befriedigen, unberührt. Dabei ist gleichgültig, ob die Einrede vor oder nach dem Schadensereignis entstanden ist97. Wohl aber kann sich der Versicherer dem Dritten gegenüber darauf berufen, daß der Vertrag mangels Konsens nicht zustande gekommen ist98. Durch die Verhinderung jeder Verfügung des Versicherungsnehmers über den Anspruch und durch den Ausschluß sämtlicher Einreden aus dem Vertrag gegenüber dem Anspruch des Geschädigten wird diesem in jedem Fall der Ersatz des erlittenen Schadens garantiert. M
) V g l . R o e 1 1 i Kommentar Bern. 2 7 zu A r t . 60. ) V g l . R o e 1 1 i Kommentar Bern. 29 zu A r t . 60. — Ebenso wird die A u f redinungsfrage in der deutschen Spedition';Versicherung behandelt. V g l . unten S . 61. 86 ) V g l . R o e 1 1 i Kommentar Bern. 9 zu A r t . 60. 87 ) Anders das französische Recht, vgl. unten S. 3 7 . 98 ) V g l . S t i e f e l - K ö n i g - M a r t i n o l i Autohaftpflichtversidherung Bern. 2 zu § 20 A l l g V e r s b d g . e5
37 3. Im dänischen Recht ist der Dritte zwar vor jeder Verfügung des Versicherungsnehmers über den Anspruch durch Aufrechnung, Erlaß, Vergleich usw. geschützt — der § 96 D W G verbietet ausdrücklich derartige Rechtsgeschäfte zum Nachteil des Dritten —, doch kann ihm eine Verletzung von Obliegenheiten oder die Herbeiführung des Versicherungsfalls seitens des Versicherungsnehmers entgegengehalten werden. 4. Nach den Vorschriften des schwedischen V V G haftet der Versicherer dafür, daß die Entschädigungssumme dem Dritten zufließt. H a t der Versicherer an den Versicherungsnehmer gezahlt, ohne daß der Dritte Ersatz erhalten oder der Zahlung zugestimmt hat, und kann der Dritte vom Versicherungsnehmer den ihm zustehenden Schadensersatz nicht erlangen, so muß der Versicherer ihm das Fehlende ersetzen (§ 9 ; I I SchwedVVG). Soweit es sich um eine Zwangshaftpflichtversicherung für K r a f t fahrzeuge handelt, wird dem Dritten durch das Gesetz vom 10. Mai 1929 der Schadensersatz unter allen Umständen sichergestellt. Der Geschädigte hat einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer, und jede A r t von vertraglichen Einwendungen gegen den Anspruch ist ausgeschlossen (Art. 3 des Gesetzes vom 10. Mai 1929). Nach diesem Gesetz genießt der Dritte einen ebenso umfangreichen Schutz wie nach dem schweizerischen M F G . j . Das V V G Norwegens stimmt in seinen Grundgedanken völlig mit dem Schwedens überein. Der Versicherer ist dem Dritten dafür haftbar, daß die Entschädigung an den Versicherungsnehmer erst dann ausbezahlt wird, wenn der Nachweis der Deckung für den Haftpflichtanspruch geführt ist. Eine Haftung besteht jedoch nicht, wenn die Deckung durch eine gefälschte Quittung nachgewiesen wurde ( § 9 5 I I N V V G ) . Ein ausdrückliches Verbot eines Erlaß- oder Vergleichsvertrages enthält das norwegische Gesetz jedoch nicht. Meines Erachtens muß man solche Verträge trotzdem f ü r unzulässig halten, weil dadurch die dem Versicherer auferlegte gesetzliche H a f tung wertlos würde. Soweit der Versicherungsnehmer seinen Anspruch verwirkt hat, ist ein Schutz des Dritten nicht anzunehmen. 6. In Frankreich kann der Versicherungsnehmer die Stellung des Dritten nicht durch eine Verfügung über seinen Anspruch beeinträchtigen, weil der Versicherer die geschuldete Summe nur an den Dritten auszahlen darf und dieser einen selbständigen Anspruch gegen den Versicherer erwirbt (Art. 53 F V V G ) 9 0 . Hinsichtlich der Einreden, die dem Versicherer zustehen (z. B. wegen Verletzung von Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer), ist zu unterscheiden, ob sie vor oder nach dem Schadensereignis entstanden sind 100 . D a der Dritte mit dem Unfall einen selbständigen Anspruch gegen den Versicherer erwirbt, können dem Dritten Einwendungen, die nach dem Schadensereignis entstehen, nicht entgegengehalten werden. Der Versicherer ist dem Dritten gegenüber leistungspflichtig, obwohl der ,9 i0
) Vgl. C a p i t a n t Revue Générale des Assurances Terrestres 1930 S. 781. °) A.A. P i c a r d Revue Générale 1930 S. 1.
38 Versicherungsnehmer seinen Anspruch z. B. durch Unterlassen der Schadensanzeige verwirkt hat. 7. Das englische Recht kennt grundsätzlich keinen Schutz des Dritten gegen eine Verfügung über den Versicherungsanspruch oder eine Verwirkung des Anspruchs seitens des Versicherungsnehmers 10 '. Nur in der Zwangshaftpflichtversicherung f ü r Kraftfahrzeuge sind die Einreden ausgeschlossen, welche f ü r den Versicherer aus Handlungen oder Unterlassungen des Versicherungsnehmers nach Eintritt des Haftpflichtfalles entstehen (Road T r a f f i c Act Sect. 38). Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht oder erkennt er die Haftpflicht an, ohne daß er dem Versicherer gegenüber dazu berechtigt ist, so bleibt der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber zur Befriedigung des Dritten verpflichtet, hat jedoch das Recht, in Höhe des geleisteten Betrages beim Versicherungsnehmer Regreß zu nehmen 102 .
III.
Der
Erstattungsanspruch.
Der Versicherungsanspruch dient zum Ersatz des Schadens, der dem Versicherungsnehmer durch den Eintritt des Versicherungsfalls entstanden ist. Zahlt der Versicherungsnehmer an den Dritten, so ist zwar die Vermehrung des Passivvermögens, welche durch den Befreiungsanspruch beseitigt werden sollte, nicht mehr vorhanden, aber durch die Zahlung des Versicherungsnehmers ist ein neuer Schaden entstanden: das Aktivvermögen des Versicherungsnehmers ist vermindert. Der neue Schaden ist nicht unmittelbar durch den Versicherungsfall hervorgerufen, er steht jedoch damit in unlöslichem Zusammenhang. Die Erhebung des Haftpflichtanspruchs hat sich zunächst nur auf das Passivvermögen ausgewirkt, dann aber den Versicherungsnehmer veranlaßt, eine Verminderung des Aktivvermögens vorzunehmen. Der Versicherer ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer von der Haftpflichtschuld zu befreien, damit dessen Aktivvermögen nicht im Wege der Zwangsvollstreckung vermindert wird. H a t die Vermehrung des Passivvermögens, wie in diesem Fall, zu einem Verlust des Aktivvermögens geführt, den der Versicherungsnehmer sich selbst zugefügt hat, so muß der Versicherer den Verlust gleichfalls ersetzen. Befreit der Versicherungsnehmer sich selbst, so geht der Befreiungsanspruch nicht unter — so daß der Versicherer leistungsfrei würde —, sondern verwandelt sich in einen Erstattungsansprudi. Die Pflicht, den Verlust des Aktivvermögens zu ersetzen, ergibt sich f ü r den Versicherer aus dem Versicherungsvertrag. Der Erstattungsanspruch ist kein neuentstandener Anspruch, der dem Versicherungsnehmer erst durch die Zahlung an den Dritten erwachsen ist, er datiert vielmehr vom Beginn der Versicherung an. Die A u f fassung, der Versicherungsnehmer erfülle eine dem Versicherer ob101 ,02
) Vgl. W e l f o r d The Law relating to Accident Insurance S. 453. ) Vgl. G i l b e r t Motor Insurance S. 101 f f .
39 liegende Leistung, wenn er sich selbst befreit, und erwürbe dadurch einen Geschäftsführungsanspruch gegen den Versicherer 1 0 3 , kann f ü r das deutsche Recht nicht anerkannt werden. Der § 1 5 4 I V V G sagt ausdrücklich: „ D e r Versicherer hat die Entschädigung binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an zu entrichten, in welchem der Dritte v o n dem Versicherungsnehmer befriedigt worden ist "104. Die Feststellung des Ursprungs des Erstattungsanspruchs ist von Bedeutung f ü r seine Eigenschaft als Konkursforderung im K o n k u i s des Versicherers. Ist der Versicherungsfall nach Konkurseröffnung, aber v o r Ablauf der Monatsfrist eingetreten, so hat der Versicherungsnehmer, wenn er den Dritten befriedigt, eine Masseforderung (§§ 1 3 V V G , J 9 N r . 2 K O ) . W e n n dagegen der Versicherungsfall schon v o r der Konkurseröffnung eingetreten ist, so ist es gleichgültig, ob der Versicherungsnehmer den Dritten vor oder nach Eintritt der Konkurseröffnung befriedigt hat; der Versicherungsnehmer hat dann eine vorbereditigte Konkursforderung (§ 80 V A G ) 1 0 5 . Ob der § 80 V A G f ü r die Haftpflichtversicherung gilt, ist jedoch f r a g lich. Nach der A u f f a s s u n g des Reichsaufsichtsamts wird die H a f t pflichtversicherung, wenn der Versicherer Renten zu zahlen hat oder die Versicherung auf Lebenszeit abgeschlossen wird, „nach A r t der Lebensversicherung" betrieben (§ 12 V A G ) 1 0 6 . Demgemäß könnte der Versicherungsnehmer nach § 77 I I I V A G den Betrag fordern, der als rechnungsmäßige Deckungsrücklage zur Zeit der Konkurseröffnung auf sie entfällt. D e r Versicherungsnehmer hätte ein Recht auf bevorzugte Befriedigung aus den Gegenständen, die als Bestände des Deckungsstocks in das Verzeichnis eingetragen sind (§§ 66 I I I , 77 I V V A G ) . O b durch die entsprechende A n w e n d u n g der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 12 V A G ein Konkursrecht geschaffen werden kann, erscheint sehr z w e i f e l h a f t , da auch im W G die Haftpflichtversicherung nicht der Lebens-, U n f a l l - und Krankenversicherung gleichgestellt, sondern als Schadensversicherung behandelt wird 1 0 7 . Nachdem der § 80 V A G die vorhandene L ü c k e des Gesetzes ausgefüllt hat, ist meines Erachtens kein G r u n d vorhanden, ein derartiges Vorrecht auf den Prämienreservefonds zu konstruieren. D e r Erstattungsanspruch unterliegt der allgemeinen Regel des § 49 V V G ; er geht auf Geldersatz 1 0 8 . ) Vgl. R o e 11 i Kommentar Bern. 28 zu Art. 59. ) Ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 BGB) ist ausgeschlossen, weil der Versicherungsnehmer nicht mit dem Bewußtsein und Willen handelt, für den Versicherer tätig zu sein, wenn er seinen Haftpflichtgläubiger befriedigt. Vgl. RGKommentar Bern. 2 zu § 677. " » ) Vgl. R G 17. 3- 1933 R G Z M i S. 57l o e ) Vgl. V A 1904 S. 1 1 3 , 1905 S. 82, 1906 S. 27; Könige-Petersen Kommentar Anm. 1 zu § 12. 1 0 7 ) Vgl. B r u c k Kommentar Bern. 17 zu § 13; Könige-Petersen Bern. 1 zu § 12. ms) Vgl. H a g e n in Ehrenbergs Handbuch II S. 324; M ö l l e r J W 1934 S. 1076 f f . 103 1M
40 In welcher Weise der Versicherungsnehmer den Geldanspruch verwendet, ob er ihn an eine beliebige Person abtritt oder sich die Entschädigungssumme auszahlen läßt, ist f ü r den Versicherer und auch für den bereits befriedigten Dritten gleichgültig. Einer Pfändung des Ersattungsanspruchs durch einen beliebigen Gläubiger des Versicherungsnehmers steht nichts im Wege 109 .
§ 3. Die rechtliche Natur der Leistung des Versicherers. A. Die Leistung des Versicherers an den Dritten. Das Recht des Versicherers zur Leistung an den Dritten ist als Fall einer gesetzlich geregelten adiectitio solutionis causa im Interesse des Versicherers bezeichnet worden 1 1 0 . Man hat im besonderen durch diese Annahme zu erklären versucht, daß der Dritte aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag keine Rechte erwirbt. Es sprechen verschiedene Gründe gegen diese Auffassung. Ein solutionis causa adiectus ist gegeben, wenn die Stipulation lautet: mihi aut Titio decem dare spondesne? spondeo 1 1 1 . Danach wäre der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer oder dem Dritten eine Geldsumme zu leisten. Davon kann nicht die Rede sein. Der Versicherer schuldet dem Versicherungsnehmer die Befreiung. Die Befreiung des Versicherungsnehmers ist gleichzeitig eine andersgeartete Leistung an den Dritten. Ihm leistet der Versicherer keine Befreiung, somit kann der Dritte kein adiectus sein. Die Frage, ob der Dritte ein Recht erwirbt, beantwortet sich nach anderen Gesichtspunkten. Mit der Feststellung, daß der Dritte an sich in keiner Rechtsbeziehung zum Versicherer steht 112 , ist in diesem Zusammenhang nichts gewonnen. Um zur Annahme eines unmittelbaren Anspruchs des Dritten gegen den Versicherer zu gelangen, läge die Konstruktion eines echten Vertrages zugunsten Dritter am nächsten. Und gerade hierfür ist der unmittelbare Rechtserwerb durch einen am Vertrage Unbeteiligten charakteristisch (§ 328 BGB). Die Ansicht, daß der Haftpflichtversicherungsvertrag nach geltendem Recht eine Versicherung f ü r fremde Rechnung darstellt, wird jedoch nicht vertreten. Entscheidend dafür, ob der Geschädigte einen unmittelbaren Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer erwirbt oder nicht, sind nach § 328 II B G B die Umstände und insbesondere der Zweck des Vertrages. Demnach ist auf den Parteiwillen abzustellen. Da die Parteien nichts ausdrücklich bestimmt haben, ist maßgebend, was nach der Auffassung des Verkehrs- und Rechtslebens als der Zweck 109
) Vgl. R G 5. 2. 09 R G Z 70 S. 2 5 7 f f . ) Vgl. H a g e n in Ehrenbergs Handbuch S. 324 f f . ; S c h n e i d e r LZ 1 9 1 2 S. 16 f f . ; S c h m i d t m ü l l e r L Z 1 9 1 3 S. 928. lu ) V g l . S o h m Institutionen des römischen Privatrechts S. 414. lls ) Vgl. Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag S. 166. 110
40 In welcher Weise der Versicherungsnehmer den Geldanspruch verwendet, ob er ihn an eine beliebige Person abtritt oder sich die Entschädigungssumme auszahlen läßt, ist f ü r den Versicherer und auch für den bereits befriedigten Dritten gleichgültig. Einer Pfändung des Ersattungsanspruchs durch einen beliebigen Gläubiger des Versicherungsnehmers steht nichts im Wege 109 .
§ 3. Die rechtliche Natur der Leistung des Versicherers. A. Die Leistung des Versicherers an den Dritten. Das Recht des Versicherers zur Leistung an den Dritten ist als Fall einer gesetzlich geregelten adiectitio solutionis causa im Interesse des Versicherers bezeichnet worden 1 1 0 . Man hat im besonderen durch diese Annahme zu erklären versucht, daß der Dritte aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag keine Rechte erwirbt. Es sprechen verschiedene Gründe gegen diese Auffassung. Ein solutionis causa adiectus ist gegeben, wenn die Stipulation lautet: mihi aut Titio decem dare spondesne? spondeo 1 1 1 . Danach wäre der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer oder dem Dritten eine Geldsumme zu leisten. Davon kann nicht die Rede sein. Der Versicherer schuldet dem Versicherungsnehmer die Befreiung. Die Befreiung des Versicherungsnehmers ist gleichzeitig eine andersgeartete Leistung an den Dritten. Ihm leistet der Versicherer keine Befreiung, somit kann der Dritte kein adiectus sein. Die Frage, ob der Dritte ein Recht erwirbt, beantwortet sich nach anderen Gesichtspunkten. Mit der Feststellung, daß der Dritte an sich in keiner Rechtsbeziehung zum Versicherer steht 112 , ist in diesem Zusammenhang nichts gewonnen. Um zur Annahme eines unmittelbaren Anspruchs des Dritten gegen den Versicherer zu gelangen, läge die Konstruktion eines echten Vertrages zugunsten Dritter am nächsten. Und gerade hierfür ist der unmittelbare Rechtserwerb durch einen am Vertrage Unbeteiligten charakteristisch (§ 328 BGB). Die Ansicht, daß der Haftpflichtversicherungsvertrag nach geltendem Recht eine Versicherung f ü r fremde Rechnung darstellt, wird jedoch nicht vertreten. Entscheidend dafür, ob der Geschädigte einen unmittelbaren Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer erwirbt oder nicht, sind nach § 328 II B G B die Umstände und insbesondere der Zweck des Vertrages. Demnach ist auf den Parteiwillen abzustellen. Da die Parteien nichts ausdrücklich bestimmt haben, ist maßgebend, was nach der Auffassung des Verkehrs- und Rechtslebens als der Zweck 109
) Vgl. R G 5. 2. 09 R G Z 70 S. 2 5 7 f f . ) Vgl. H a g e n in Ehrenbergs Handbuch S. 324 f f . ; S c h n e i d e r LZ 1 9 1 2 S. 16 f f . ; S c h m i d t m ü l l e r L Z 1 9 1 3 S. 928. lu ) V g l . S o h m Institutionen des römischen Privatrechts S. 414. lls ) Vgl. Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag S. 166. 110
41 eines solchen Versicherungsvertrages erscheint. Daß der einzelne Versicherungsnehmer durch ein egoistisches Motiv zum Abschluß des Vertrages bewogen wird, steht zwar der Annahme eines echten Vertrages zugunsten Dritter nicht entgegen. Auf der anderen Seite läßt aber auch die Tatsache, daß die Haftpflichtversicherung dem Dritten wirtschaftlich zugute kommt, keinen Schluß auf den Rechtserwerb des Dritten zu. Denn es besteht keine gesetzliche Vermutung, wonach jeder Vertrag, der im Interesse eines Dritten abgeschlossen ist, ein echter Vertrag zugunsten eines Dritten wäre 1 1 3 . Der Erwerb eines unmittelbaren Anspruchs gegen den Versicherer durch den Dritten würde die Interessen des Versicherungsnehmers nicht schädigen, unter Umständen ihnen sogar förderlich sein, denn dem Versicherungsnehmer wird Zeit und Mühe erspart. Anders steht es jedoch mit dem Versicherer. Der Anspruch des Geschädigten gegen den Versicherer verschlechtert dessen Lage im Prozeß. Die Frage der Haftpflicht würde in dem Prozeß zwisdien dem Dritten und dem Versicherer aufgerollt, und der Versicherungsnehmer könnte Zeuge sein. Daß dem Versicherer eine solche Rechtslage unerwünscht ist, beweist das übliche pactum de non cedendo hinsichtlich des Versicherungsanspruchs. Ein Rechtserwerb des Dritten kann also nicht von beiden Parteien beim Vertragsabschluß gewollt sein. Das aufgeführte Bedenken hat jedoch keine Bedeutung, wenn der Dritte, wie behauptet wird, einen Anspruch gegen den Versicherer erst mit dem Verlangen des Versicherungsnehmers gemäß § 156 3 V V G erwirbt 1 1 4 . Hier ist die Rechtslage insofern anders, als in dem Zeitpunkt, w o der Versicherungsnehmer das Verlangen stellen und den Versicherer zur Leistung an den Dritten verpflichten kann, der Haftpflichtanspruch bereits durch Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt sein muß 1 1 5 . Denn vorher ist der Versicherer nicht zur Leistung, also auch nicht zur Befriedigung des Dritten, verpflichtet (§§ 154 I, I J 6 V V G ) . Trotzdem ist der Rechtserwerb des Dritten abzulehnen. Der f ü r den Dritten entstehende Anspruch könnte nur ein Geldanspruch sein, neben welchem der Befreiungsanspruch fortbestünde. Der Versicherer wäre verpflichtet, den Versicherungsnehmer von der Haftpflichtschuld zu befreien und überdies dem Dritten einen direkten Leistungsanspruch gegen sich einzuräumen. Die Haftpflichtversicherung würde zu kennzeichnen sein als eine Kombination von Erfüllungsübernahme und kumulativer Schuldübernahme, denn es ist kein Grund vorhanden, den Untergang des Haftpflichtanspruchs des Dritten gegen den Versicherungsnehmer anzunehmen. Dann könnte die Haftpflichtversicherung gleichzeitig aufgefaßt werden als eine Versicherung f ü r Rechnung des unbekann113 ) V g l . S t a u d i n g e r Kommentar Bern. I 2 b zu § 3 2 8 ; a . A . H e 1 1 w i g Verträge auf Leistung an Dritte S. 1 5 1 . " ' ) V g l . B r u ck Das Privatversicherungsrecht S. 464 f f . , Kommentar Bern. 1 5 zu § 1 56; S d i ü n e m a n n H a n s R Z 1 9 2 3 S. 6 3 7 f f . ; O L G K ö l n 1 2 . 1. 28 J W 1928 S. 1 4 1 7 . m ) Im dänischen Recht erwirbt der Dritte mit der Feststellung der H a f t pflichtschuld einen Anspruch gegen den Versicherer.
42 ten Dritten, sofern dessen Anspruch berechtigt und vom Versicherungsnehmer das Verlangen gestellt ist 1 1 6 . Möglich wäre eine derartige Konstruktion. Abgesehen davon, daß sie weit über die Grenzen der Haftpflichtversicherung hinausführen würde 1 1 7 , sind aber ihre Konsequenzen von den Vertragsparteien nicht gewollt. Der Versicherungsnehmer wird kaum wollen, daß der Dritte zwei Ansprüche, einen gegen ihn (Versicherungsnehmer) und einen gegen den Versicherer haben soll. Keineswegs will aber der Versicherer aus dem Versicherungsvertrage zwei Gläubiger haben. Die Konstruktion eines echten Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 B G B ) ist daher für das deutsche Recht abzulehnen 117 a. Der Haftpflichtversicherungsvertrag ist anzusehen als unechter oder ermächtigender Vertrag zugunsten eines Dritten. Da sich der Versicherer zur Befriedigung des Haftpflichtgläubigers verpflichtet, ohne die Schuld zu übernehmen, stellt die Haftpflichtversicherung eine Erfüllungsübernahme im Sinne des § 329 B G B dar 1 1 8 . Der einzige Rechtsgrund f ü r die Leistung des Versicherers an den Dritten ist der Haftpflichtversicherungsvertrag. Der Versicherer leistet dem Dritten nur auf Grund seiner Verpflichtung gegenüber dem Versicherungsnehmer. Der Dritte kann weder auf Leistung an sich, noch auf Befreiung des Versicherungsnehmers von der Haftpflichtschuld klagen. Nicht einmal eine Feststellungsklage des Dritten gegen den Versicherer, daß dieser verpflichtet sei, den Versicherungsnehmer zu befreien, ist zulässig 119 . Der Dritte ist nur Leistungs-, nicht Rechtsempfänger. Letztere Funktion übt der Versicherungsnehmer aus. Die Annahme der Erfüllungsübernahme bestätigt eine Reihe von Ergebnissen, die schon durch andere Erwägungen gewonnen wurden. Die Vermehrung des Passivvermögens ist durch die Befreiung des Versicherungsnehmers zu beseitigen. Die Erfüllungsübernahme ist Befreiungsübernahme 120 . Der Haftpflichtversicherungsvertrag ist für das Verhältnis des Dritten zum Versicherungsnehmer unerheblich. Auch bei der Erfüllungsübernahme bleibt der Urschuldner und nur dieser der Schuldner. Die Konstruktion des Haftpflichtversicherungsvertrages führt auf der anderen Seite zu neuen Erkenntnissen, die durchaus dem Wesen der Haftpflichtversicherung entsprechen. Die Stellung des zahlenden Versicherers zum Haftpflichtgläubiger bestimmt sich nach § 267 B G B . Der Versicherer leistet an den Dritten im eigenen 116
) S o M ö l l e r J W 1 9 3 4 S. 1 0 7 6 f f . ) Vgl. Anm. 116. a ) V g l . R G $. 2. 09 R G Z 7 0 S . 2 5 7 ; O L G München 9. 1 1 . 31 HansRGZ A 1 9 3 2 S. 2 7 . 118 ) V g l . H e i b i g L Z 1 9 1 3 S . 34 f f . 119 ) V g l . O L G H a m b u r g 1 2 . 3. 09 V A 1 9 0 9 S. 93 N r . 4 8 1 ; R G 22. 9. 33 R G Z 1 4 1 S. 4 1 0 f f . 12 ° ) Anstatt der Bezeichnung „Erfüllungsübernahme" dürfte treffender der Ausdruck „Befreiungsübernahme" sein, denn die Erfüllungsübernahme geht auf Befreiung des Urschuldners und weiter nichts. V g l . R e i dl e 1 Schuldmitübernahme S. 3 1 5 . 117 117
43 Namen, nicht als Vertreter des Versicherungsnehmers 121 . Es kann deshalb im Innenverhältnis kein Auftrag bestehen. Der Versicherer befriedigt den Dritten nicht als Beauftragter des Versicherungsnehmers122. Es wäre verfehlt, etwaige Rückgriffsrechte des Versicherers dem Versicherungsnehmer gegenüber aus Auftragsgrundsätzen herzuleiten. H a t der Versicherer an den Dritten geleistet und erweist sich später der Haftpflichtanspruch als unbegründet, so kann der Versicherer die Leistung nur vom „Haftpflichtgläubiger" zurückverlangen nach Maßgabe der §§ 8 1 2 — 8 1 5 B G B . Vom Versicherungsnehmer kann er nichts verlangen, da dieser durch die Leistung an den Nichtgläubiger nichts erlangt hat. Erweist sich nach der Zahlung der Befreiungsanspruch als unbegründet, dann ist trotzdem der Versicherungsnehmer befreit. Ein Anspruch des Versicherers gegen den Dritten besteht nicht. Der Versicherer hat keine Nichtschuld, sondern die Haftpflichtschuld des Versicherungsnehmers erfüllt. Ein Bereicherungsanspruch ist nur gegen den Versicherungsnehmer gegeben 123 . Ein wesentlicher Unterschied besteht aber zwischen der Leistung des Versicherers an den Dritten nach § 1 5 6 1 V V G und einer gewöhnlichen Leistung nach § 267 B G B . Der Dritte hat niemals, auch nicht bei Widerspruch des Versicherungsnehmers, die Befugnis, die Zahlung des Versicherers abzulehnen 124 . Dies ergibt sich aus dem Recht des Versicherers, an den Dritten zu leisten (§ 156 1 V V G ) . Diese Befugnis kann nicht einmal durch den Versicherungsnehmer beseitigt werden. Verweigert der Dritte die Annahme der Zahlung des Versicherers, so gerät er dem Versicherungsnehmer gegenüber in Annahmeverzug 125 . Ebenso umstritten wie die Frage, ob der Erfüllungsübernehmer im eigenen Namen leistet, ist die Frage, ob der Dritte die Leistung des Uebernehmers im eigenen Namen 1 2 0 oder als Empfangsbevollmächtigter des Versicherungsnehmers annimmt 127 . Wenn der Dritte die Geldzahlung des Versicherers entgegennimmt und der Versicherungsanspruch auf diese Weise erlischt, so scheint der Dritte über den Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers zu verfügen. Würde der Dritte eine Verfügung über den Versicherungsanspruch vornehmen, so müßte er als Empfangsbevollmächtigter des Versicherungsnehmers angesehen werden. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Dritte nimmt nicht als Empfangsbevollmächtigter des Versicherungsnehmers die Befreiung entgegen; denn die Leistung des Versicherers m
) V g l . P 1 a n ck Kommentar Bern. 5 zu § 2 6 7 . ) A . A . F r e u d e n s t e i n A s s j h r b . 20 S . 1 0 0 ; 1913 S. 928. 1!S
123
Schmidtmüller
LZ
) V g l . S t a u d i n g e r Kommentar Bern. I zu § 2 6 7 . ) V g l . B r u c k K o m m e n t a r Bern. 1 1 zu § 1 5 6 ; a . A . für das österreichische Recht E h r e n z w e i g Kommentar Bern. 1 zu § 1 2 8 . 125 ) V g l . B r u ck Das Privatversicherungsrecht S. 464. 12e ) So die H . M . ; vgl. S t a u d i n g e r Kommentar Vorbem. II zu §§ 328 ff.'; P 1 a n ck Kommentar Vorbem. I V 1 zu § 328 f f . 127 ) V g l . H e l l w i g Verträge auf Leistung an Dritte S. 93 f f . ; v. T u h r KritVJSchr. 43 S. 4 5 2 f f . 121
44 an den Dritten ist eine Geldleistung, die Leistung an den Versicherungsnehmer ist aber Schuldbefreiung. N u r bei inhaltsgleicher Leistung könnte von einer Empfangsbevollmächtigung die Rede sein. Der Dritte verfügt durch die Annahme der Zahlung nicht über den Befreiungsanspruch. Man muß annehmen, daß dieser seinem Inhalt nach so beschaffen ist, daß er ohne Annahme seitens des Befreiungsgläubigers (Versicherungsnehmers), also auch ohne Verfügung über den Anspruch, erfüllt werden kann 1 2 8 . Mit der Bewirkung der Geldzahlung an den Dritten tritt ein doppelter Rechtserfolg ein. Die Haftpflichtforderung des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer erlischt, ohne daß es der Mitwirkung des Versicherungsnehmers bedarf. Es handelt sich um eine Verfügung zugunsten eines Dritten (Versicherungsnehmers) durch den Versicherer 129 . Gleichzeitig ist die Befreiung des Versicherungsnehmers eingetreten. Somit ist die Zahlung an den Dritten zugleich Leistung an den Versicherungsnehmer. Eine Handlung enthält zwei dem Gegenstand nach verschiedene Leistungen. Der Versicherungsnehmer kann ein berechtigtes Interesse daran haben, nicht durch den Versicherer befreit zu werden, sondern selbst den Dritten zu befriedigen. Möglicherweise steht ihm eine zur Aufrechnung gegen den Dritten geeignete Forderung zu. Der Versicherer seinerseits hat gemäß § 156 V V G das Recht, auch ohne Verlangen des Versicherungsnehmers an den Dritten zu leisten. Um den Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls seine Aufrechnungsmöglichkeit zur Geltung zu bringen, verpflichtet § 156 2 V V G den Versicherer 130 , dem Versicherungsnehmer die bevorstehende Zahlung an den Dritten mitzuteilen 131 . Zahlt der Versicherer an den Dritten, obwohl der Versicherungsnehmer widersprochen hat, so ist die Zahlung an den Dritten trotzdem gültig und befreit den Versicherungsnehmer (§ 267 BGB) 1 3 2 . Die Vermehrung des Passivvermögens ist beseitigt, ohne daß der Haftpflichtanspruch das Aktivvermögen jemals vermindert hätte. Der Schaden, der dem Versicherungsnehmer durch den Verlust der Aufrechnungsmöglichkeit entstanden ist, ist keine Folge des Versicherungsfalls, er rührt vielmehr aus der Vertragsverletzung seitens des Versicherers her. Der Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers ist keine Abwandlung des Befreiungsanspruchs, sondern ein neuer Anspruch, der sich aus allgemeinen Vertragsgrundsätzen ergibt (S 276 B G B ) . 128 128
) V g l . P l a n c k Kommentar Vorbem. I V
1 zu § 3 2 8 f f .
) V g l . K l u c k h o h n Verfügungen zugunsten Dritter S. 4 1 . 13 ° ) Die Mittcilungspflidit ist eine Rechtspflicht, da der Versicherer nur Rechtsverbindlidikeiten und niemals Obliegenheiten zu erfüllen hat. V g l . B r u ck Z V W 1 9 2 7 S. 1 2 ; a . A . R i t t e r Kommentar S . 2 9 1 ; S c h ü n e m a n n H a n s R Z 1923 S. 624. 131 ) V g l . Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag S. 1 4 2 . 13 ») V g l . F l e d i t h e i m L Z 1 9 1 0 S. 896 f f . ; a . A . M e u r e t L Z 1908 S. 900 f f .
45 Aus der Pflicht des Versicherers, dem Versicherungsnehmer die bevorstehende Zahlung mitzuteilen, ergibt sich also f ü r den Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit, den Befreiungsanspruch in einen Geldanspruch zu verwandeln. Die einzige Rechtsfolge der Unterlassung der Mitteilung oder der Zahlung trotz "Widerspruchs ist die Schadenersatzpflicht des Versicherers. Anders ist die Rechtslage, wenn die Aufrechnung bereits erklärt war oder der Versicherungsnehmer den Dritten bereits auf eine andere Weise befriedigt hatte. Beachtet der Versicherer dann den Widerspruch nicht oder zahlt er an den Dritten ohne Mitteilung an den Versicherungsnehmer, so tut er dies auf seine eigene Gefahr. Der bereits erworbene Erstattungsanspruch wird durch die Zahlung des Versicherers an den Dritten nicht berührt. Eine Schadensersatzpflicht des Versicherers erübrigt sich in diesem Falle. Obwohl viele ausländische Versicherungsvertragsgesetze dem Dritten einen umfassenderen Schutz gewähren (z. B. durch ein Pfandrecht), kann von dem Erwerb eines unmittelbaren Anspruchs des Dritten gegen den Versicherer nur ausnahmsweise die Rede sein. Die Annahme eines echten Vertrages zugunsten Dritter wird in der Regel abgelehnt. 1. Das Pfandrecht an der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers nach § 1 2 7 des österreichischen V V G berechtigt den Geschädigten nicht zum unmittelbaren Vorgehen gegen den Versicherer. Zwischen dem Dritten und dem Versicherer bestehen keine rechtlichen Beziehungen 133 . Deshalb ist eine Klage des Dritten auf Feststellung des Bestehens der Entsdiädigungsforderung des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer unzulässig. Der Geschädigte kann — wie jeder andere Gläubiger des Versicherungsnehmers — den Versicherer erst in Anspruch nehmen, wenn ihm die Entschädigungsforderung exekutiv zur Einziehung überwiesen ist (§ 308 der Exekutionsordnung) 134 . 2. Nach schweizerischem Recht ist die direkte Zahlung an den Geschädigten zunächst nur eine Befugnis des Versicherers (Art. 60 I 2 Schweiz V V G ) . Eine Pflicht zur Zahlung entsteht erst, wenn der Versicherungsnehmer selbst sie verlangt. Diese Pflicht besteht aber nur dem Versicherungsnehmer gegenüber. D a die Haftpflichtversicherung das Interesse des Haftpflichtigen sichert und nicht das Interesse des geschädigten Dritten, hat dieser niemals einen selbständigen Anspruch gegen den Versicherer 135 . Die Konstruktion des Haftpflichtversicherungsvertrages als echten Vertrages zugunsten Dritter wird auch f ü r das schweizerische Recht abgelehnt. Der Versicherungsnehmer ist und bleibt Gläubiger des Ersatzanspruchs. Der Geschädigte kann gegen den Versicherer weder auf Bewirkung der Ersatzleistung nodi auf Feststellung der Verpflichtung gegenüber dem Versicherungsnehmer klagen. Der Verletzte kann den Versicherer nur belangen, wenn der 133
) Vgl. E h r e n z w e i g Kommentar Bern. 1 zu § 128. ) Vgl. E h r e n z w e i g Kommentar Bern. 4 zu § 127. las) Vgl. R o e l l i Kommentar Bern. 31 zu Art. 60.
131
46 Ersatzanspruch auf ihn durch Zession oder Pfändung übertragen worden ist oder der Versicherungsnehmer sich in Konkurs befindet. Ausnahmsweise erwirbt der Geschädigte nach dem Art. 49 MFG neben dem gesetzlichen Pfandrecht einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer. Dieses Forderungsrecht besteht im Rahmen der vertraglichen Versicherungssumme und entsteht im Augenblick des Unfalles. Der Geschädigte hat die Wahl, ob er die Haftpflichtforderung einklagen und dann sein Pfandrecht geltend machen oder direkt gegen den Versicherer vorgehen will 1 3 6 . Das unmittelbare Forderungsrecht ist durch den Ausschluß sämtlicher Einreden von dem vertraglichen Anspruch des Versicherungsnehmers losgelöst. Man hat davon gesprochen, daß in diesem Falle der Grundsatz nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet durchbrochen sei 137 . Dadurch wird die rechtliche Natur des unmittelbaren Anspruchs nicht erklärt. Man muß sich damit begnügen festzustellen, daß der Anspruch des Dritten, obwohl er aus dem Versicherungsvertrag stammt, keinen Versicherungsanspruch, sondern einen gesetzlichen Anspruch darstellt 138 . 3. Gemäß § 95 I des dänischen V V G tritt der Geschädigte mit der Feststellung der Haftpflichtschuld in die Rechte des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer ein. Der Rechtsübergang bedarf keiner besonderen Erklärung des Versicherungsnehmers; er vollzieht sich k r a f t Gesetzes. Soweit der Versicherer dem Versicherungsnehmer Einwendungen aus dem Vertrage entgegenhalten kann, kann er sie auch dem Dritten gegenüber als Rechtsnachfolger des Versicherungsnehmers geltend machen. Der Zeitpunkt der Feststellung der Haftpflichtschuld erscheint f ü r den Rechtsübergang auf den Dritten sehr günstig gewählt. Denn vorher bezweckt die Haftpflichtversicherung ausschließlich den Vorteil des Versicherungsnehmers (Abwehr der Ansprüche des Dritten). Mit der Feststellung der Haftpflichtschuld hört die Gefahr des betrügerischen Zusammenwirkens zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Dritten auf, und das direkte Forderungsrecht des Dritten belastet den Versicherer nicht übermäßig. Der Rechtsübergang garantiert, daß der Zweck der Haftpflichtversicherung, die Bereitstellung der Mittel f ü r die Befriedigung des Dritten, erreicht wird. Das dänische Recht ist meines Erachtens in diesem Punkt vorbildlich. 4. Das schwedische V V G gewährt dem Dritten im allgemeinen keinen selbständigen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer. Nur nach voraufgegangener Pfändung kann der Dritte gegen den Versicherer klagen. In der Zwangshaftpflichtversicherung f ü r Kraftfahrzeuge jedoch erwirbt der Dritte wie nach dem schweizerischen MFG einen gesetzlichen Anspruch gegen den Versicherer (Art. 3 des Gesetzes vom 10. 5. 29). Für den Anspruch des Geschädigten gilt das136 ) Vgl. S t i e f e l - K ö n i g - M a r t i n o l i Autohaftpflichtversicherung Bern. 1 zu § 20. 137 ) Vgl. Anm. 136. 13S ) Ueber die Rechtsnatur des Anspruchs des Realgläubigers gegen den Feuerversidierer vgl. unten S. 59 f.
47 selbe wie im schweizerischen Recht für den Anspruch auf Grund des MFG. Das Forderungsrecht des Verletzten wird von den vertraglichen Einreden nicht berührt. 5. Das V V G Norwegens kennt einen Anspruch des Dritten gegen den Versicherer nur im Fall des Konkurses des Versicherungsnehmers. Grundsätzlich erlangt also auch hier nur der Versicherungsnehmer einen Anspruch gegen den Versicherer. 6. Die Erkenntnis der Notwendigkeit, den Dritten zu schützen, hat im französischen Recht ganz allgemein einen so starken Ausdruck gefunden, wie sonst nur in Spezialgesetzen über die Zwangsversicherung von Kraftfahrzeugen. Das unmittelbare Klagerecht des Dritten gegen den Versicherer (action directe) bestand ursprünglich nur auf Grund einzelner Sondernormen. Das Gesetz vom 28. j . 13 gewährte den Forderungen, die gegen haftpflichtige Arbeitgeber nach den Haftpflichtgesetzen entstanden sind, ein Vorzugsrecht. Gleichzeitig fügte das Gesetz hinzu, daß eine Zahlung an den Versicherungsnehmer den Versicherer nicht befreit, sofern die privilegierten Geschädigten nicht befriedigt sind. Daraus hat die Praxis und ein Teil der Wissenschaft ein direktes Klagerecht des Geschädigten abgeleitet139. Diese Grundsätze wurden durch das V V G vom 13. 4. 30 (Art. 37, 53) auf die gesamte Haftpflichtversicherung übertragen. Der Versicherer kann die Entschädigungssumme vor Befriedigung des Dritten nur an diesen auszahlen und haftet für die Folgen jeder Handlung, die den Dritten schädigt. Der Dritte hat also im Bereich der ganzen Haftpflichtversicherung ein direktes Klagerecht gegen den Versicherer, ohne daß ihm eine Vertragsklausel entgegenstehen könnte140. N u r Einwendungen, die vor dem Haftpflichtfall entstanden sind, können dem Geschädigten gegenüber geltend gemacht werden 141 . Die Natur und die juristische Konstruktion der action directe sind umstritten 142 . Die Praxis begnügt sich mit der Feststellung eines gesetzlichen Anspruchs 143 . In der Theorie wird versucht, Aehnlichkeiten mit anderen derartigen unmittelbaren Klagen oder mit dem Recht der Anweisung festzustellen, doch bleibt dabei vieles Wesentliche (z. B. das Abschneiden der Einreden, die nach Eintritt des H a f t pflichtfalles entstanden sind) unerklärt 144 . 7. Im englischen Recht erwirbt der Geschädigte weder auf Grund allgemeiner Rechtsnormen, noch auf Grund der Road Traffic Act einen Anspruch gegen den Versicherer. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers 145 . la ") Dies ist nicht unbestritten geblieben, vgl. P i c a r d Revue Générale 1930 S. 1 f f . M0 ) Vgl. C a p i t a n t Revue Générale 1930 S. 787. 141 ) Vgl. oben S. 37. li2 ) Vgl. P i c a r d Revue Générale 1933 S. 725—742. 143 ) Vgl. Tribunal de la Seine 4. 3. 24, auszugsweise abgedruckt bei P i c a r d Revue Générale 1930 S. 1 f f . Ui ) Vgl. P i c a r d Revue Générale 1930 S. 1 f f . 145 ) Vgl. unten S. 55 f f .
48 B. Die Geldleistung an den Versicherungsnehmer. Nach deutschem Recht kann der Versicherer, bevor der Versicherungsnehmer das Verlangen der Zahlung an den Dritten stellt, anstatt den Versicherungsnehmer zu befreien, auch an diesen eine Geldleistung bewirken. Die Zahl der Fälle, in denen die Schadensregulierung auf diese Weise erfolgt, ist verschwindend gering im Verhältnis zur Regel der Zahlung an den Dritten. Der ordentliche Versicherer wird sich vor der Zahlung an den Versicherungsnehmer eine Quittung oder Zustimmungserklärung des Geschädigten vorlegen lassen. Immerhin ist ein Zusammenwirken des Versicherers mit dem Versicherungsnehmer zum Schaden des Dritten möglich. Zur klaren Erkenntnis der Berechtigung des Versicherers, dem Versicherungsnehmer entweder Befreiung oder Geld zu leisten, ist es notwendig, dieses Rechtsverhältnis in bürgerlichrechtliche Begriffe einzuordnen. Die Entscheidung, ob eine Wahlschuld mit Schuldnerwahlrecht (§§ 262 ff. BGB) 1 4 U oder ein Schuldverhältnis mit Ersetzungsbefugnis des Schuldners (facultas alternativa) vorliegt, ist wesentlich wegen der Folgerungen, die daraus gezogen werden können. Bei der Wahlschuld werden mehrere Leistungen in der Weise geschuldet, daß nur die eine oder die andere zu bewirken ist (§ 262 B G B ) ; dagegen ist die facultas alternativa des Schuldners die Befugnis, statt der geschuldeten eine bestimmte, nicht geschuldete Leistung zu erbringen und sich dadurch von seiner Verbindlichkeit zu befreien. Während die Wahlschuld eine Schuld mit unbestimmtem Leistungsgegenstand (Befreiung oder Geld) ist, ist bei der Ersetzungsbefugnis nicht die eine oder die andere Leistung geschuldet, sondern schlechthin nur die eine (Befreiung), aber der Schuldner hat das Recht, sich durch eine andere (Zahlung an den Versicherungsnehmer) zu befreien. Es ist bereits aus der Unerzwingbarkeit der Zahlung an den Versicherungsnehmer geschlossen worden, daß diese Leistung nicht geschuldet ist. Dann ist aber f ü r die Annahme einer Wahlschuld kein Raum. Nimmt man an, der Versicherer schulde lediglich Befreiung 1 ", so kann es sich nur um den Fall einer Ersetzungsbefugnis zugunsten des Versicherers handeln. Auch andere Erwägungen bestätigen das gefundene Ergebnis. Die beiden Schuldverhältnisse dienen gänzlich verschiedenen wirtschaftlichen Zwecken. Der Wahlschuld wohnt ein sog. „Versicherungscharakter" inne 148 . Die Ungewißheit der Leistung bei der Wahlschuld gibt dem Gläubiger einen Schutz gegen die Unmöglichkeit der einzelnen Leistung; denn nach § 265 B G B beschränkt sich bei Unmöglichkeit einer Leistung das Schuldverhältnis auf die übrige Leistung. Bei der Ersetzungsbefugnis dagegen erlisdit mit der Unmöglichkeit der Hauptleistung die ganze Schuld. Das würde im Falle 1M 147
S. 2 $7. 14s
) Vgl. M ö l l e r J W 1934 S. 1076 f f . ) So das R G in gleichbleibender Rechtsprechung, vgl. R G 5. 2. 09 RGZ 70 ) Vgl. G e r n s h e i m Die Ersetzungsbefugnis S. 66.
49 der Wahlschuld bedeuten: bei Annahmeverweigerung seitens des Dritten, also bei Unmöglichkeit der Befreiung, würde sich die Schuld des Versicherers auf eine Geldzahlungspflicht an den Versicherungsnehmer konzentrieren. Dies Ergebnis ist f ü r die Haftpflichtversicherung unmöglich. Die einzig denkbare Lösung, nämlich Untergang des Befreiungsanspruchs, gewährt die Annahme einer Ersetzungsbeiugnis; denn es muß dem Versicherer zugute kommen, wenn der Dritte sich dauernd weigert, die Leistung entgegenzunehmen. Es kann keinem Bedenken unterliegen, daß der Versicherungsnehmer auch vor Stellung des Verlangens berechtigt ist, gegen den Versicherer auf Befreiung zu klagen. Daran würde sich bei der Annahme einer Ersetzungsbefugnis nichts ändern. Der Versicherungsnehmer kann auf die geschuldete Leistung klagen 149 . Dagegen müßte bei der Wahlschuld des Versicherers der Klageantrag alternativ gestellt werden. Hinsichtlich der Uebertragbarkeit des Befreiungsanspruchs wird durch die Annahme der Ersetzungsbefugnis nichts geändert. Da die Hauptleistung die Befreiung ist, ist f ü r die Uebertragung an vierte Personen grundsätzlich kein Raum, denn eine Forderung auf die Geldleistung besteht nicht 150 . Die Ersetzungshefugnis des Versicherers erlischt einmal, was selbstverständlich ist, mit dem Untergang des Versicherungsanspruchs. Die facultas alternativa geht aber auch dann unter, wenn der Befreiungsanspruch sich in einen Erstattungsanspruch umwandelt. Hat der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt, dann schuldet der Versicherer eine Geldleistung; f ü r eine Ersetzungsbefugnis ist kein Raum vorhanden. Schließlich hört das Recht des Versicherers, an den Versicherungsnehmer zu leisten, nach § 1 5 6 3 V V G dann auf, wenn der Versicherungsnehmer das Verlangen der Zahlung an den Dritten stellt. Nunmehr kann der Versicherungsnehmer den Geldersatz ablehnen, ohne in Annahmeverzug zu geraten.
§ 4. Die Stellung des Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers. Die einzige Vorschrift des deutschen V V G , die eindeutig den Schutz des Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers bezweckt, ist der § 157 V V G . Die Bestimmung gewährt dem Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers wegen seiner Haftpflichtforderung ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers. Wäre der § 157 V V G nicht vorhanden, so würde der Dritte aus der Konkursmasse des Versicherungsnehmers nur eine Konkursdividende erhalten, denn Haftpflichtansprüche genießen im Konkurs keinerlei Bevorzugung. Der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gehört zum Vermögen des ' " ) Vgl. S o e r g e 1 Kommentar Bern. 5 zu § 262. ,M ) Vgl. F a l k m a n n Recht 1 9 1 1 S. 1 f f .
49 der Wahlschuld bedeuten: bei Annahmeverweigerung seitens des Dritten, also bei Unmöglichkeit der Befreiung, würde sich die Schuld des Versicherers auf eine Geldzahlungspflicht an den Versicherungsnehmer konzentrieren. Dies Ergebnis ist f ü r die Haftpflichtversicherung unmöglich. Die einzig denkbare Lösung, nämlich Untergang des Befreiungsanspruchs, gewährt die Annahme einer Ersetzungsbeiugnis; denn es muß dem Versicherer zugute kommen, wenn der Dritte sich dauernd weigert, die Leistung entgegenzunehmen. Es kann keinem Bedenken unterliegen, daß der Versicherungsnehmer auch vor Stellung des Verlangens berechtigt ist, gegen den Versicherer auf Befreiung zu klagen. Daran würde sich bei der Annahme einer Ersetzungsbefugnis nichts ändern. Der Versicherungsnehmer kann auf die geschuldete Leistung klagen 149 . Dagegen müßte bei der Wahlschuld des Versicherers der Klageantrag alternativ gestellt werden. Hinsichtlich der Uebertragbarkeit des Befreiungsanspruchs wird durch die Annahme der Ersetzungsbefugnis nichts geändert. Da die Hauptleistung die Befreiung ist, ist f ü r die Uebertragung an vierte Personen grundsätzlich kein Raum, denn eine Forderung auf die Geldleistung besteht nicht 150 . Die Ersetzungshefugnis des Versicherers erlischt einmal, was selbstverständlich ist, mit dem Untergang des Versicherungsanspruchs. Die facultas alternativa geht aber auch dann unter, wenn der Befreiungsanspruch sich in einen Erstattungsanspruch umwandelt. Hat der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt, dann schuldet der Versicherer eine Geldleistung; f ü r eine Ersetzungsbefugnis ist kein Raum vorhanden. Schließlich hört das Recht des Versicherers, an den Versicherungsnehmer zu leisten, nach § 1 5 6 3 V V G dann auf, wenn der Versicherungsnehmer das Verlangen der Zahlung an den Dritten stellt. Nunmehr kann der Versicherungsnehmer den Geldersatz ablehnen, ohne in Annahmeverzug zu geraten.
§ 4. Die Stellung des Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers. Die einzige Vorschrift des deutschen V V G , die eindeutig den Schutz des Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers bezweckt, ist der § 157 V V G . Die Bestimmung gewährt dem Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers wegen seiner Haftpflichtforderung ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers. Wäre der § 157 V V G nicht vorhanden, so würde der Dritte aus der Konkursmasse des Versicherungsnehmers nur eine Konkursdividende erhalten, denn Haftpflichtansprüche genießen im Konkurs keinerlei Bevorzugung. Der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gehört zum Vermögen des ' " ) Vgl. S o e r g e 1 Kommentar Bern. 5 zu § 262. ,M ) Vgl. F a l k m a n n Recht 1 9 1 1 S. 1 f f .
50 Gemeinschuldners und fällt in die Konkursmasse 161 . Würde der Versicherer die Ersatzleistung in die Konkursmasse zahlen, so würde den übrigen Konkursgläubigern ein Vorteil zufallen, der nicht für sie bestimmt ist. Auf der anderen Seite würde aber der Dritte, für dessen Befriedigung die Mittel durch die Versicherung bereitgestellt sind, verkürzt werden 1 5 2 . Das Absonderungsrecht des § 1 5 7 W G weicht in mehrfacher Hinsicht von den anderen in der K O behandelten Absonderungsrechten ab. Das Absonderungsrecht des Geschädigten beruht nicht auf einer Berechtigung, die außerhalb des Konkurses besteht. Daraus ergeben sich Schwierigkeiten f ü r die Ausgestaltung und besonders die Geltendmachung des Absonderungsrechts, welches im V V G nicht näher geregelt ist. Das R G ist der Auffassung: wenn der Dritte den Versicherungsanspruch pfänden und sich überweisen läßt, so erreicht er damit den wirtschaftlichen Erfolg, den der Haftpflichtversicherungsvertrag bezweckt 152 ». Ein Pfandrecht des Dritten an dem Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer schadet den Interessen der Vertragsparteien nicht,, begünstigt aber den Dritten in einem sozial durdiaus erwünschten Maße"' 3 . Der § 1 5 7 V V G will den Dritten begünstigen. Es liegt nahe, für die Ausübung des Absonderungsrechts nach § 1 5 7 V V G die Regeln über die Ausübung^ des Pfandrechts zur analogen Anwendung heranzuziehen 1 ". Die entsprechende Anwendung des § 1282 B G B ergibt die Berechtigung des Dritten zur unmittelbaren Einziehung des seinem Schuldner zustehenden Versicherungsanspruchs, soweit die Haftpflichtforderung fällig geworden ist. Daß sich der Befreiungsansprudi in der H a n d des Dritten in einen Zahlungsanspruch umwandelt, ist keine besondere Folge des Konkurses, sondern ergibt sich aus der Stellung des Dritten als Haftpflichtgläubiger 166 . Seine Stellung ist infolge der analogen Anwendung der Vorschriften gleich der des Pfandgläubigers. Das Absonderungsrecht des § 157 V V G ist demnach aufzufassen als die nur im Konkurs vorhandene Auswirkung eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Pfandrechts des Dritten an dem Anspruch des Versicherungsnehmers. Die Ausübung des Absonderungsrechts erfolgt, analog der Ausübung des Pfandrechts, außerhalb des Konkurses. Die Voraussetzung f ü r ein unmittelbares Vorgehen des Dritten gegen den Versicherer ist die Fälligkeit des Versicherungs- und auch des Haftpflichtansprudis (§ 1282 BGB). Der Befreiungsanspruch wird nach § 154 V V G fällig mit der Feststellung des Haftpflichtanspruchs durch rechtskräftiges 161 ) Vgl. B r u ck Das Privatversicherungsrecht S. 702; F l e c h t h e i m LZ 1908 S. 801 ff.; P e t e r s e n HansRZ 1918 S. 218 ff. 152 ) Vgl. Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag S. 154. 1M a) Vgl. R G 28. 1. 13 R G Z 81 S. 250. 16s ) Vgl. §§ 127 I Ö V V G ; Art. 60 I SchweizVVG. ' " ) Vgl. RG 2i. 6. 18 R G Z 93 S. 209. 1M ) Vgl. oben S. 24 ff.
51 Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich 156 . In der Mehrzahl der Fälle ist der Dritte im Konkurs geradeso wie in jedem anderen Fall gezwungen, zunächst seine Haftpflichtforderung einzuklagen. Der Konkursverwalter, gegen den die Klage zu richten ist, hat wenig Interesse an der Führung dieses Rechtsstreits; denn obwohl ihm durch die Kosten keine Nachteile erwachsen — sie werden vom Versicherer getragen —, kommt in keinem Fall f ü r die Konkursmasse ein Vorteil dabei heraus. Der Konkursverwalter hat aber ein erhebliches Interesse an der Befriedigung des Dritten durch den Versicherer, denn der Geschädigte kann sonst seine Forderung im Konkurse geltend machen. Deshalb ist der Konkursverwalter befugt, aber nicht verpflichtet, dem Dritten durch eigenes Vorgehen gegen den Versicherer zu H i l f e zu kommen 157 . Nach der Auffassung des R G steht in diesem Falle auch dem Konkursverwalter ein Zahlungsanspruch gegen den Versicherer zu, da angenommen wird, der Konkurs wandle den Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um. Danach bestünde dem Versicherer gegenüber eine Gesamtgläubigerschaft: sowohl der Dritte als auch der Konkursverwalter könnten Leistung des Gesamtbetrages verlangen. Im Innenverhältnis wäre jedoch der Konkursverwalter verpflichtet, dem Dritten das Erlangte insoweit herauszugeben, als der Haftpflichtanspruch besteht. Ein zwingender Grund f ü r diese A u f fassung ist nicht vorhanden. Es ist nicht ersichtlich, warum die Konkursgläubiger einen Vorteil haben sollen, wenn der Dritte nach Feststellung der Entschädigungspflicht des Versicherers seinen Anspruch nicht geltend macht. Es kann deshalb dabei bleiben, daß der Versicherer der Konkursmasse gegenüber zur Befreiung verpflichtet ist 159 . Er kann sich auch jetzt durch eine Geldleistung befreien. Die Zahlung muß dann jedoch an die Konkursmasse geschehen (§ 8 KO). Die Entstehungszeit des Absonderungsrechts nach § 157 V V G liegt später als bei den übrigen Absonderungsrechten. Im allgemeinen hat der Absonderungsberechtigte bereits vor Konkurseröffnung einen Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung aus einem bestimmten Massegegenstand. Der Pfandgläubiger übt sein Recht nach der Konkurseröffnung in derselben Weise aus wie vorher, d. h. durch Zwangsversteigerung, Pfandverkauf usw. Der maßgebende Zeitpunkt für den Erwerb des Konkursvorrechts liegt im Erwerb des materiellen Rechts (z. B. des Pfandrechts). Der geschädigte Dritte dagegen hat vor der Konkurseröffnung kein Recht an der Versicherungsforderung. V o r Konkurseröffnung hat der Dritte auch keinen aufschiebend bedingten Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung. Das Absonderungsrecht des § 1 5 7 V V G setzt voraus 1. das Bestehen eines Versicherungsanspruchs des Haftpflichtigen und 2. die Konkurs159 ) Ein Anerkenntnis braucht der Versicherer nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn der Versicherungsnehmer die Anerkennung nicht ohne offenbare U n billigkeit verweigern konnte (§ j I V AllgHaftpflichtVersbdg.). 157 ) V g l . R G 11. 6. 18 R G Z 93 S . 209. 15S ) Ebenso R o e 1 1 i Kommentar Bern. 20 zu A r t . 60 für das schweizerische Recht.
52 eröffnung über das Vermögen des Versicherungsnehmers. Das Absonderungsrecht entsteht erst mit der Konkurseröffnung 1 5 8 . Die Frage, ob das Absonderungsrecht mit der Beendigung des Konkurses untergeht, war früher heftig umstritten 160 . Ebenso wie bei der Uebertragung des Versicherungsanspruchs auf den Dritten dessen Anspruch gegen den Versicherer rechtliche Selbständigkeit besitzt, ist auch der einmal entstandene Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung in seinem Bestehen unabhängig von der Dauer des Konkursverfahrens. Audi nach Beendigung des Konkurses kann der Dritte vom Versicherer die volle Befriedigung seines Haftpflichtanspruchs verlangen. Dasselbe gilt f ü r den Fall der Aufhebung des Konkursverfahrens wegen Zwangsvergleichs 161 . Die Stellung des Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers ist eine verschiedene, je nachdem ob der Versicherungsfall vor oder nach Konkurseröffnung eingetreten ist und ob der Versicherer vor oder nach der Konkurseröffnung gezahlt hat. Ist der Versicherungsfall vor Konkurseröffnung eingetreten und hat der Versicherer bereits vor Konkurseröffnung an den Versicherungsnehmer gezahlt, so hat der Dritte nur eine gewöhnliche Konkursforderung. Wenn nicht die Möglichkeit besteht, die Leistung nach den allgemeinen Grundsätzen anzufechten, so ist der Versicherungsanspruch untergegangen und ein Gegenstand f ü r das Absonderungsrecht nicht mehr vorhanden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die gezahlte Entschädigungssumme noch ganz oder teilweise in der Konkursmasse vorhanden ist, denn von einer rechtlosen Bereicherung der Konkursmasse kann nicht die Rede sein. Der Versicherer hatte das Recht, seine Schuld durch Zahlung an den Versicherungsnehmer zu tilgen 162 . Ist der Versicherungsfall vor Konkurseröffnung eingetreten und zahlt der Versicherer nach der Konkurseröffnung, so sind drei Möglichkeiten zu unterscheiden: i . Der Versicherer zahlt an die Masse. Dann wird der Versicherer frei, und der Dritte erhält einen Anspuch gegen den Konkursverwalter auf Zahlung seiner Forderung aus dem Erlangten (§ 1 2 7 K O ) , d. h. einen Masseanspuch 163 . 15e ) Vgl. K a r p f L Z 1924 S. 804; O L G Karlsruhe H a n s R G Z 1931 S. 664. Dagegen legt B r u ck Das Privatversidierungsrecht S. 702 entscheidendes Gewicht auf die Entstehung des Gegenstandes der abgesonderten Befriedigung und läßt demgemäß das Absonderungsredit des Dritten bereits mit Abschluß des Versicherungsvertrages entstehen. 16 °) Bejaht wurde die Frage insbesondere von S c h m i d t m ü l l e r L Z 1913 S. 928; S e u f f e r t L Z 1909 S. 97 f f . ; K i r d i b e r g e r L Z 1910 S. $08; S c h n e i d e r L Z 1 9 1 2 S. 26 f f . A . A . K a r p f L Z 1 9 1 0 S. 508; Sdiünem a n n HansRZ 1923 S. 637 f f . lel ) Vgl. R G 12. 12. 32 R G Z 1 3 5 S. 295. 162 ) Vgl. B r u ck Das Privatversidierungsrecht S. 703 f f . ; H a g e n in Ehrenbergs Handbuch II S. 3 2 7 ; K a r p f L Z 1924 S. 804. 163 ) Vgl. B r u dt Das Privatversicherungsrecht S. 702 f f . A.A. S c h ü n e m a n n L Z 1924 S. 25 f f . : das Absondcrungsrecht des Dritten bleibt bestehen; der Versicherer verletzt dieses Recht und haftet dem Dritten aus § 823 BGB. Der Konkursverwalter haftet dem Dritten persönlich, außerdem ist die Forderung des Dritten aus der Masse zu befriedigen.
53 2. Der Versicherer zahlt an den Versicherungsnehmer. Der Versicherer wird nur insoweit befreit, als das Geleistete in die Konkursmasse gelangt ist (§ 8 K O ) . Im anderen Falle gehört der Versicherungsanspruch weiterhin zur Konkursmasse, und das Absonderungsrecht des Dritten bleibt bestehen. 3. Der Versicherer zahlt an den Dritten. Der Versicherungsanspruch sowie das an ihm bestehende Absonderungsrecht des Dritten erlöschen. Der Versicherer wird frei. Auch während des Konkurses kann der Versicherer nach § 1 5 6 V V G an den Dritten leisten 164 . Hat der Versicherungsnehmer vor Konkurseröffnung den Dritten befriedigt, so entsteht kein Absonderungsrecht. H a t der Versicherungsnehmer oder der Konkursverwalter den Dritten nach Konkurseröffnung befriedigt, so erlischt das Absonderungsrecht des Dritten. Der Erstattungsanspruch gehört zur Konkursmasse, gleichgültig ob der Dritte befriedigt wurde vor oder nach Konkurseröffnung, durch den Konkursverwalter aus der Masse oder durch den Versicherungsnehmer aus seinem konkursfreien Vermögen. Auch im letzteren Falle gehört der Erstattungsanspruch nicht etwa zum konkursfreien Vermögen des Versicherungsnehmers 165 . Der Befreiungsanspruch war ein Bestandteil der Konkursmasse. Die Befriedigung des Dritten durch den Versicherungsnehmer bringt das Absonderungsrecht des Dritten zum Erlösdien und verwandelt den Befreiungsanspruch in einen Erstattungsanspruch. Die Zugehörigkeit des Versicherungsanspruchs zur Konkursmasse wird dadurch nicht berührt 166 . Ist der Versicherungsfall während des Konkursverfahrens eingetreten, so hat der Dritte ebenfalls ein Absonderungsrecht 167 . Dagegen wird geltend gemacht 1 " 8 , aus einem Haftpflichtfall nach der Konkurseröffnung könne der Dritte nur einen Anspruch gegen den Gemeinschuldner, nicht aber eine Konkursforderung erwerben; außerdem habe die Masse keine Ersatzforderung, an der ein Absonderungsrecht entstehen könnte. Letzteres ist nicht zutreffend, denn der Versicherungsnehmer erwirbt den Versicherungsanspruch bereits mit Abschluß des Versicherungsvertrages. Der Anspruch besitzt bereits rechtliche Existenz und gehört trotz seiner mangelnden Konkretisierung bereits zum Vermögen des Versicherungsnehmers 168 . Da der Versicherungsanspruch ein Bestandteil der Konkursmasse ist, gleichgültig ob der Versicherungsfall vor oder nach Konkurseröffnung eingetreten ist, so muß auch § 1 5 7 W G in beiden Fällen eingreifen. 16:
) V g l . oben A n m . 1 5 8 ; a . A . B r u c k Das Privatversicherungsrecht S. 464. ) V g l . K i r c h b e r g e r L Z 1 9 1 0 S. 5 8 3 ; a.A. F l e c h t h e i m L Z 1908 S. 8 1 7 ; S c h ü n e m a n n L Z 1 9 2 3 S. 4 4 5 ; S e u f f e r t L Z 1909 S. 108. I69 ) Eine ungerechtfertigte Bereicherung der Konkursmasse auf Kosten des konkursfreien Vermögens ist in der Zahlung an den Dritten nicht zu erblicken. A u s dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne A u f t r a g erwirbt der Versicherungsnehmer keinen Anspruch; denn bei der Befriedigung des Dritten führt er kein Geschäft für die Konkursmasse. 167 ) So die h. M . ; vgl. B r u c k Das Privatversicherungsrecht S. 7 0 2 f f . ; K a r p f L Z 1 9 2 4 S. 804. 165
1M ) V g l . M e u r e t L Z 1 9 1 2 S. 5 9 ; S c h ü n e m a n n S e u f f e r t L Z 1909 S. 107. le9 ) V g l . B r u ck Das Privatversicherungsrecht S . 702.
LZ
1923
S. 4 4 5 ;
54 Das erfordert auch der Zweck dieser Schutzbestimmung. Anderenfalls würde dem Dritten sein Vorzugsrecht unverständlicherweise dann entgehen, wenn sich der Versicherungsnehmer zur Zeit des Haftpflichtschadens zufällig im Konkurs befindet 170 . Die Konkursgläubiger würden einen Vorteil von dem Haftpflichtfall während des Konkurses haben. Das ist nicht der Wille des Gesetzes. Der § 157 V V G ist als lex specialis anzusehen gegenüber § 15 K O , wonach grundsätzlich Absonderungsrechte nach Konkurseröffnung nicht mehr entstehen können. Umstritten ist die Entstehung des Absonderungsrechts, wenn der Versicherungsfall während des Konkurses durch eine Handlung herbeigeführt wird, f ü r die der Konkursverwalter verantwortlich ist. Der Anspruch des Dritten ist in einem solchen Fall eine Masseschuld ( § 5 9 K O ) . Daraus kann nicht gefolgert werden, daß für den Masseansprudi ein Absonderungsrecht nicht geschaffen zu werden braucht171. Masseschuld und Absonderungsrecht sind begrifflich sehr wohl nebeneinander denkbar. Es gibt Fälle, wo es höchst ¡bedeutsam ist, ob der Dritte neben dem Masseanspruch ein Absonderungsrecht hat oder nicht; denn Absonderungsrechte gehen den Masseansprüchen bei unzulänglicher Konkursmasse vor. Da keine Veranlassung besteht, den Schutz des § 1 5 7 V V G zuungunsten des Dritten zu vermindern, ist an der Entstehung des Absonderungsrechts auch in diesem Fall festzuhalten 172 . N u r dann gehört der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer nicht zur Konkursmasse, wenn der Versicherungsfall nach Konkurseröffnung eingetreten ist und die Tatsache, für die der Versicherungsnehmer dem Dritten verantwortlich ist, in den dem Gemeinschuldner überlassenen Bereich eigener Tätigkeit gehört. Hier kann der Dritte notwendigerweise kein Absonderungsrecht besitzen; er hat aber auch weder eine Konkursforderung, noch einen Masseanspruch, sondern nur einen gewöhnlichen Haftpflichtanspruch gegen den Versicherungsnehmer 173 . Im Konkurs des Versicherungsnehmers tritt die Schutzbedürftigkeit des geschädigten Dritten besonders deutlich hervor. Deshalb ist die Stellung des Dritten in diesem Fall durch die Gesetze vieler Länder besonders eingehend geregelt. 1. Obwohl im österreichischen Recht das Pfandrecht dem Geschädigten im Konkurs des Versicherungsnehmers einen ausreichenden Schutz gewährt, ist in § 127 I I Ö V V G ausdrücklich ausgesprochen, daß das Pfandrecht gegen die Konkursmasse des Versicherungsnehmers geltend gemadit werden könne. Diese Vorschrift besagt etwas Selbstverständliches 174 . Aber gerade dadurch wird deutlich, wieviel Wert auf die Sicherung des Dritten in diesem Fall gelegt wird. Die Entschädigungsforderung ist im Konkurs des Versidie170
) Vgl. K a r p f L Z 1924 S. 804. ) Vgl. M e u r e t L Z 1 9 1 0 S. 63 f f . ; S c h ü n e m a n n S e u f f e r t L Z 1909 S. 97 f f . 172 ) Vgl. K a r p f L Z 1924 S. 804. 173 ) Vgl. B r u ck Das Privatversicherungsrecht S. 703. 174 ) Vgl. E h r e n z w e i g Kommentar Bern. 4 zu § 127. 171
L Z 1923 S. 445;
05 rungsnehmers als eine Sondermasse zu behandeln, aus welcher der Dritte zuerst zu befriedigen ist (§§ n I, 48, 49 II Ö K O ) . Dasselbe gilt von einer bereits in die Masse geflossenen Entschädigungsleistung175. 2. Das schweizerische V V G enthält keine besonderen Bestimmungen über die Stellung des Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers, da das Pfandrecht (Art. 60 SchweizVVG) den Geschädigten, soweit dies erforderlich ist, schützt. Der Versicherer kann entweder an die Konkursmasse zu Händen des Dritten oder direkt an den Dritten zahlen; eine Absonderung — wie nach deutschem Recht — findet bei pfandbelasteten Forderungen nicht statt 176 . 3. Audi im dänischen Recht erübrigen sich besondere SdiutzVorschriften für den Fall, daß der Versicherungsnehmer in Konkurs gerät. Es besteht keine Veranlassung anzunehmen, daß im Falle der Konkurseröffnung eine Abweichung von der Regel des § 95 I D W G gilt, d. h. daß der Dritte mit der Feststellung der Haftpflichtschuld in die Rechte des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer eintritt. Mit dem Sinn des dänischen V V G , welches den Dritten so weitgehend schützt, wäre es nicht vereinbar, wenn die Konkursgläubiger vom Haftpflichtfall einen Vorteil hätten und der Dritte unbefriedigt bliebe. Es ist deshalb anzunehmen, daß auch im Konkurs des Versicherungsnehmers der Dritte einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer erwirbt, soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen. 4. Nach § 95 I I I des schwedischen V V G hat der Geschädigte im Konkurs des Versicherungsnehmers ein Recht darauf, die Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer auf sich übertragen zu lassen, sofern er nicht aus der Konkursmasse befriedigt wurde. 5. Eine ähnliche Regelung enthält das V V G Norwegens. Nur besitzt hier der geschädigte Dritte einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer sich im Konkurs oder in Vergleichsverhandlungen befindet und der Geschädigte noch nicht in anderer Weise befriedigt ist (§ 95 I I I N V V G ) . 6. Nach französischem Recht bedarf es keines besonderen Schutzes des Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers, da das unmittelbare Klagereiht des Dritten, wenn es einmal entstanden ist, von dem Anspruch des Versicherungsnehmers völlig losgelöst ist. 7. In England ist eigens ein Gesetz zum Schutz des Dritten bei Vermögensverfall des Versicherungsnehmers geschaffen worden. V o r Erlaß der Third Parties (Rights against Insurers) Act von 1930 hatten die übrigen Gläubiger des Versicherungsnehmers von dem Haftpflichtfall einen Vorteil, während der Geschädigte sich mit einer geringen Konkursdividende begnügen mußte 177 . Auf Grund des Gesetzes tritt nunmehr der Geschädigte in die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers ein, sobald dieser zahlungsunfähig wird. Der Versicherer haftet dann dem Dritten in demselben Umfang, wie er 175 178 177
) Vgl. A n m . 1 7 4 . ) V g l . R o e 1 1 i Kommentar Bern. 20 zu A r t . 60. ) Vgl. W e l f o r d T h e L a w relating to Accident Insurance S. 4 5 3 .
56 dem Versicherungsnehmer gehaftet hätte. Dabei ist es unwesentlich, ob die Haftpflichttatsache sich vor oder nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers ereignet hat. Das Recht des Dritten gegen den Versicherer kann durch Abmachungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer nicht beseitigt werden. Um dem Dritten die wirksame Verfolgung seines Rechts zu ermöglichen, legt das Gesetz dem Versicherer eine Auskunftspflicht gegenüber dem Dritten auf. Der Geschädigte kann infolge einer Eigenart des englischen Rechts seiner Ansprüche gegen den Versicherer verlustig gehen, wenn sein Haftpflichtanspruch sich auf eine unerlaubte Handlung des Versicherungsnehmers gründet und dieser vor Feststellung der Haftpflichtschuld stirbt. Nach dem Grundsatz actio personalis moritur cum persona erlischt die Haftpflicht des Versicherungsnehmers für persönliche Verletzungen des Dritten mit dem Tode des Versicherungsnehmers. Wenn die Schuld des Versicherungsnehmers nicht festgestellt ist, besteht auch kein Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer, welcher auf den Dritten übergehen könnte. Soweit es sich jedoch um einen Vermögensschaden des Dritten handelt, kann das Vermögen des Versicherungsnehmers auch nach dessen Tod herangezogen werden, und sofern kein Vermögen vorhanden ist, erwirbt der Dritte einen Anspruch gegen den Versicherer 178 .
§ 5. Die Haftpflichtversicherung in der Zukunft. Die Stellung des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung ist im deutschen Recht im Verhältnis zu den anderen behandelten Rechten nicht sehr günstig. Mit dem Schutz des Dritten vor der Uebertragung des Versicherungsansprudis auf eine vierte Person durch allgemeine Rechtsnormen (§ 399 B G B ) und mit der Gewährung des Absonderungsrechts im Konkurs des Versicherungsnehmers durch § 1 5 7 V V G erschöpft sich nach dem geltenden Recht die besondere Stellung des Dritten in der Haftpflichtversicherung. Würde man den Dritten als einen nur wirtschaftlich Begünstigten ansehen, so wäre dies nicht gerechtfertigt. Seine Stellung ragt darüber hinaus. Man könnte den Dritten in der Haftpflichtversicherung vielleicht als einen „mittelbar Berechtigten" bezeichnen. Er erwirbt Ansprüche gegen den Versicherer nicht ohne weiteres, sondern nur auf Grund weiterer Rechtsakte (Abtretung, Pfändung oder im Konkurs des Versicherungsnehmers, d. h. mittelbar). Diese Stellung kann aber nicht jeder beliebige Gläubiger des Versicherungsnehmers erwerben; andere Gläubiger können gegen den Versicherer keine Ansprüche erlangen, d. h. keine Berechtigten werden. Insofern ist der Ausdruck „mittelbar Berechtigter" f ü r den Dritten nicht ungerechtfertigt. 178
) Vgl. W e i f o r d The Law relating to Accident Insurance S. 453.
56 dem Versicherungsnehmer gehaftet hätte. Dabei ist es unwesentlich, ob die Haftpflichttatsache sich vor oder nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers ereignet hat. Das Recht des Dritten gegen den Versicherer kann durch Abmachungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer nicht beseitigt werden. Um dem Dritten die wirksame Verfolgung seines Rechts zu ermöglichen, legt das Gesetz dem Versicherer eine Auskunftspflicht gegenüber dem Dritten auf. Der Geschädigte kann infolge einer Eigenart des englischen Rechts seiner Ansprüche gegen den Versicherer verlustig gehen, wenn sein Haftpflichtanspruch sich auf eine unerlaubte Handlung des Versicherungsnehmers gründet und dieser vor Feststellung der Haftpflichtschuld stirbt. Nach dem Grundsatz actio personalis moritur cum persona erlischt die Haftpflicht des Versicherungsnehmers für persönliche Verletzungen des Dritten mit dem Tode des Versicherungsnehmers. Wenn die Schuld des Versicherungsnehmers nicht festgestellt ist, besteht auch kein Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer, welcher auf den Dritten übergehen könnte. Soweit es sich jedoch um einen Vermögensschaden des Dritten handelt, kann das Vermögen des Versicherungsnehmers auch nach dessen Tod herangezogen werden, und sofern kein Vermögen vorhanden ist, erwirbt der Dritte einen Anspruch gegen den Versicherer 178 .
§ 5. Die Haftpflichtversicherung in der Zukunft. Die Stellung des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung ist im deutschen Recht im Verhältnis zu den anderen behandelten Rechten nicht sehr günstig. Mit dem Schutz des Dritten vor der Uebertragung des Versicherungsansprudis auf eine vierte Person durch allgemeine Rechtsnormen (§ 399 B G B ) und mit der Gewährung des Absonderungsrechts im Konkurs des Versicherungsnehmers durch § 1 5 7 V V G erschöpft sich nach dem geltenden Recht die besondere Stellung des Dritten in der Haftpflichtversicherung. Würde man den Dritten als einen nur wirtschaftlich Begünstigten ansehen, so wäre dies nicht gerechtfertigt. Seine Stellung ragt darüber hinaus. Man könnte den Dritten in der Haftpflichtversicherung vielleicht als einen „mittelbar Berechtigten" bezeichnen. Er erwirbt Ansprüche gegen den Versicherer nicht ohne weiteres, sondern nur auf Grund weiterer Rechtsakte (Abtretung, Pfändung oder im Konkurs des Versicherungsnehmers, d. h. mittelbar). Diese Stellung kann aber nicht jeder beliebige Gläubiger des Versicherungsnehmers erwerben; andere Gläubiger können gegen den Versicherer keine Ansprüche erlangen, d. h. keine Berechtigten werden. Insofern ist der Ausdruck „mittelbar Berechtigter" f ü r den Dritten nicht ungerechtfertigt. 178
) Vgl. W e i f o r d The Law relating to Accident Insurance S. 453.
57 Der dem Dritten gewährte Schutz ist nicht ausreichend, da der Versicherungsnehmer die Möglichkeit hat, über den Anspruch zu seinem persönlichen Vorteil zu verfügen (Erlaß, Annahme der Zahlung usw.) oder durch ein sonstiges Verhalten (Verletzung einer Obliegenheit) dem Geschädigten den Ersatz seines Schadens zu entziehen. Die Haftpflichtversicherung der Zukunft wird auch in Deutschland versuchen müssen, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und den Schutz des Dritten möglichst vollkommen zu machen. Der Schutz des Geschädigten kann nicht f ü r alle Zweige der Haftpflichtversicherung in derselben A r t und "Weise ausgestaltet werden. Es muß vielmehr danach unterschieden werden, in welchem Maße der Geschädigte des Schutzes bedarf. Der Betrieb von gewissen Anlagen und Maschinen stellt eine derartige Gefahr f ü r das Leben und die Gesundheit anderer dar, daß es im Interesse der Allgemeinheit liegt, wenn das Recht der gefährdeten Personen auf Schadensersatz unter allen Umständen sichergestellt wird. In solchen Fällen wird man ohne einen Versicherungszwang nicht auskommen können. Was nützt es den Dritten, wenn ein strenges Haftpflichtrecht besteht und wenn ihm Rechte aus dem Versicherungsvertrag des Haftpflichtigen durch das Gesetz eingeräumt werden, der Haftpflichtige aber nicht versichert ist. Solange es ein Glücksfall ist, wenn der in Anspruch Genommene gegen Haftpflicht versichert ist, kann von einer wirksamen Sicherung des Schadensersatzes nicht die Rede sein. Die erste Voraussetzung f ü r einen umfassenden Schutz des Geschädigten ist das Inkraftsein eines Versicherungsvertrages für jeden möglichen Fall einer Schädigung. Es braucht sich nicht unbedingt um eine Haftpflichtversicherung zu handeln, wie die öffentlichrechtliche Gewerbeunfallversicherung zugunsten der Angestellten, Arbeiter, Gehilfen, Gesellen und Lehrlinge beweist (§§ 537 ff. R V O ) . Das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Ersatzansprüche der Arbeitnehmer in den gefährdeten Betrieben ist so stark, daß der Abschluß einer Unfallversicherung zugunsten der Arbeitnehmer nicht dem Willen des einzelnen Unternehmers überlassen werden darf. Die Arbeitnehmer der versicherungspflichtigen Betriebe erwerben bei einem Betriebsunfall einen Anspruch gegen die in Betracht kommende Beruf sgenossenschaft 179 . Ebenso wie der Schutz der verletzten Arbeitnehmer der Zweck der öffentlichen Unfallversicherung ist, so ist der Schutz des Geschädigten der Zweck der Gesetze und Verordnungen, welche in den verschiedenen Ländern die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge einführten. Es zeigte sich, daß f ü r die Autohaftpflichtversicherung mit dem Versicherungszwang allein nicht auszukommen war, um zu gewährleisten, daß bei jedem Unfall eine Forderung des Verletzten gegen ,79 ) Man hat denselben W e g audi zur größeren Sicherung der beim Betrieb von Kraftfahrzeugen Verunglückten gehen wollen und deshalb den Vorschlag gemacht, eine Zwangsgenossenschaft der K r a f t f a h r e r nach Vorbild der Unfallberufsgenossensdiaften zu bilden. V g l . die Verhandlungen des 26. deutschen Juristentages, Sitzung vom 1 1 . 9. 02 in Berlin, Bd. I I I S . 1 6 3 — 2 0 7 .
58 einen Versicherer vorhanden ist. Es sind Vorschriften hinsichtlich des Uebergangs der Versicherung auf den Erwerber des veräußerten Kraftfahrzeugs notwendig (Art. 48 I I des schweizerischen MFG). Ein Versicherungsschutz muß auch dann vorhanden sein, wenn durdi den unbefugten Gebrauch eines Kraftfahrzeugs ein Unfall entsteht, f ü r den der versicherte Autohalter nicht verantwortlich ist (Art. 55 I MFG) 1 8 0 . Eine letzte Lücke wird beseitigt durch eine Vorschrift des schwedischen Rechts, wonach eine Gesamthaftung aller an der Autoversicherung beteiligten Versicherer besteht, wenn das schädigende Fahrzeug nicht festgestellt werden kann (Art. 21 des Gesetzes vom 10. j . 1 9 2 9 ) 1 " Der Erfolg der Zwangsversicherung kann, wie die Beispiele Norwegens und Englands zeigen, auch durch den Zwang zur Stellung einer Sicherheit zugunsten des künftigen Geschädigten erreicht werden (Norwegisches Gesetz vom 22. 5. 30; Road T r a f f i c Act Sect. 35 und 37). Trotz des Zwangs zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung bleibt der Schutz des Dritten von zweifelhaftem Wert, solange der abgeschlossene Versicherungsvertrag nur nach den Normen des heute geltenden privaten Versicherungsrechts beurteilt wird 1 8 2 . Die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Verletzung einer Obliegenheit, Herbeiführung des Schadensereignisses oder bei arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer und der Untergang des Versicherungsanspruchs durch Erlaß, Annahme der Zahlung durch den Versicherungsnehmer oder durch Ausübung der Aufrechnung seitens des Versicherers sind unvereinbar mit einer völligen Sicherstellung des Dritten. Im Bereich der Zwangshaftpflichtversicherung muß daher in diesen Fällen der Versicherer zur Befriedigung des Dritten verpflichtet bleiben 183 . Es erhebt sich die Frage, ob die unbedingte Pflicht des Versicherers zur Leistung an den Dritten auch f ü r die Haftpflichtversicherung da zu übernehmen ist, w o kein Versicherungszwang am Platze ist 184 . Ohne Versicherungszwang wird es immer die Möglichkeit geben, daß der Geschädigte mit seinem Haftpflichtanspruch ausfällt, wenn der Haftpflichtige vermögenslos und eine Haftpflichtver180 ) Zugunsten der Personen, die durch einen derartigen U n f a l l verletzt werden, schließt der schweizerische Staat selbst eine Versicherung ab, deren Kosten aus dem Benzinzoll bestritten werden. A r t . 5$ V M F G . 1S1 ) Die Versicherungsgesellschaften sind verpflichtet, den Verletzten so zu entschädigen, wie wenn sie selbst die Versicherer wären. Die entstehende Haftung w i r d auf die Gesellschaften nach Maßgabe der Prämieneingänge aus dem Kraftfahrzeugversicherungsgeschäft im Vorjahre aufgeteilt ( A r t . 2 1 I I I ) . Eine Verantwortlichkeit f ü r denjenigen, welcher die Zwangsversicherung unterlassen hat, besteht jedoch nicht (Art. 2 1 II). 182
) V g l . B a u e r r e i s V e r s A r d i . 1 9 3 4 S . 849 f f . ) Ebenso die Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem Realgläubiger in der Gebäudefeuerversicherung. lsl ) A n sich läßt sich der Bereich der Zwangsversicherung sehr weit ausdehnen. Eine Ausdehnung auf alle Haftpflichtgefahren w i r d indessen praktisch unmöglich sein; man denke z. B. an die Möglichkeit, als Privatmann — abgesehen von der beruflichen Tätigkeit — haftpflichtig zu werden (Nachlässigkeit beim Hantieren mit Feuer und Licht). 183
59 Sicherung nicht abgeschlossen ist. Es fragt sich aber, ob diese Möglichkeit noch eine weitere Möglichkeit rechtfertigt, nämlich daß der Geschädigte leer ausgeht, obwohl der Verantwortliche eine H a f t pflichtversicherung abgeschlossen hat. Darüber kann man sehr wohl verschiedener Meinung sein. Im geltenden deutschen Recht herrscht die Auffassung, es sei nicht sittenwidrig, wenn der Versicherungsnehmer zu seinem Vorteil, aber zum Nachteil des Dritten über den Versicherungsanspruch verfügt 185 . Dagegen ist in den skandinavischen Rechten die Auffassung durchgedrungen, d a ß . d e r Versicherungsnehmer zwar auf keinen Fall einen Vorteil aus der Haftpflichtversicherung haben soll, daß aber Einreden des Versicherers aus dem Vertrag (z. B. wegen Verletzung einer Obliegenheit) dem Dritten entgegengehalten werden können 186 . Im französischen Recht ist man bereits so weit gegangen, auch die Einreden, sofern sie nach Eintritt des Schadensereignisses entstanden sind, dem Dritten gegenüber f ü r wirkungslos zu erklären 187 . Meines Erachtens wird der heutige deutsche Standpunkt der sozialen Aufgabe der Haftpflichtversicherung nicht gerecht. Wenn als Zweck der Haftpflichtversicherung die Bereitstellung der Mittel für die Befriedigung des Dritten anzusehen ist188, so muß auch ein Weg gefunden werden, die Befriedigung des Dritten zu gewährleisten. Es kann nicht genügen, Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Versicherungsanspruch unmöglich zu machen. Zwar ist es notwendig, daß der Versicherer Garantien gegen Verletzung von Obliegenheiten, Herbeiführung des Versicherungsfalls, böswilliges oder betrügerisches Verhalten des Versicherungsnehmers hat. D a ß die Folgen eines derartigen Verhaltens meist den Geschädigten im Ergebnis treffen müssen, ist aber keineswegs erforderlich. Eine Regreßpflicht gegenüber dem Versicherer würde den Versicherungsnehmer von der Verletzung seiner Verhaltenspflichten ebenso abhalten wie die Verwirkung des Versicherungsanspruchs. Für den Geschädigten wäre dadurch häufig sehr viel gewonnen. Die praktische Durchführung eines derart weitgehenden Schutzes des Dritten ist auf verschiedenartigen "Wegen möglich. "Wenn der Geschädigte ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung des Versicherungsnehmers erhält, so darf man nicht wie das österreichische und schweizerische V V G auf halbem Wege stehenbleiben, so daß der Dritte nur vor Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Versicherungsanspruch durch positive Handlungen geschützt ist180. Die Stellung des Geschädigten könnte vielmehr der des Realgläubigers in der Feuerversicherung angeglichen werden. Der Realgläubiger hat ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung des Versicherungsnehmers. Soweit das Pfandrecht keinen Schutz gewährt, hat der Realgläubiger einen unmittelbaren Anspruch gegen I85
) V g l . O L G Düsseldorf 24. 1 1 . 3 2 J R P V 1 9 3 3 S. 226. ) V g l . oben S. 3 7 f f . ) V g l . oben S. 3 7 . 1RS ) V g l . Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes über rungsvertrag S. 1 6 4 . 189 ) V g l . oben S . 3 5 f f . 188 187
den Versiche-
60 den Versicherer, auf den der Versicherungsnehmer nicht einwirken kann 190 . Das Pfandrecht allein schützt den Dritten nicht ausreichend. W o das Pfandrecht versagt, muß ein unmittelbarer Anspruch gegen den Versicherer geschaffen werden. Es wäre deshalb einfacher, dem Dritten ohne weiteres einen Anspruch gegen den Versicherer zu geben. Der direkte Anspruch braucht nicht mit dem Schadensereignis zu entstehen 191 . Soll dem Versicherungsnehmer die Gewährung des Rechtsschutzes durch den Versicherer erhalten bleiben, so erscheint es am zweckmäßigsten, wenn der Dritte den Anspruch erst mit der Feststellung der Haftpflichtschuld erlangt 192 . Die rechtliche Konstruktion eines unmittelbaren Anspruchs des Dritten gegen den Versicherer ist nach dem geltenden Recht durch die Annahme eines echten Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 BGB) möglich 103 . Dann kann jedoch der Versicherer dem Geschädigten alle Einwendungen aus dem Versicherungsvertrag entgegenhalten (§ 334 BGB). Sofern die Einwendungen k r a f t Gesetzes ausgeschlossen sind, ist eine rechtliche Konstruktion nach dem geltenden Recht nicht möglich, und man wird sich wie in anderen derartigen Fällen mit der Feststellung eines gesetzlichen Anspruchs begnügen müssen 194 . Auch wenn der Dritte einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer erwirbt, so wäre die Haftpflichtversicherung damit noch nicht notwendig teilweise eine Versicherung f ü r fremde Rechnung 195 . Obgleich zwischen dem Interesse des Versicherungsnehmers und dem des Geschädigten unterschieden werden kann, gibt es doch nur eine Versicherungsforderung, welche dem Versicherungsnehmer zusteht. Die Forderung des Geschädigten gegen den Versicherer erwächst aus dem von dem Versicherer mit dem Versicherungsnehmer abgeschlossenen Versicherungsvertrag, doch ist sie weder eine Versicherungsforderung, noch mit ihr identisch, denn das Recht des Geschädigten beruht nicht auf dem Versicherungsvertrag, sondern auf einer Vorschrift des positiven Rechts 196 . Die Grundlage des Anspruchs des Geschädigten liegt somit im Gebiet des bürgerlichen Rechts. J "°) Es besteht kein Bedenken, die Grundsätze über die Stellung des Realgläubigers in der Feuerversicherung auf den Geschädigten in der Haftpflichtversicherung zu übertragen. Auch im österreichischen Redit ist anerkannt, daß es sich in beiden Fällen um denselben Rechtsgedanken handelt. Die Anwendung einer Vorschrift über das Pfandrecht des Hypothekengläubigers auf das gesetzliche Pfandrecht im Falle der Haftpflichtversicherung erscheint als durchaus angemessen; O L G Wien Veröffentlichungen des Bundesministeriums 1 9 2 8 S. 7 2 f f . 191 ) S o im französischen Recht, vgl. oben S . 4 7 . 192 ) S o im dänischen Recht, vgl. oben S . 4 6 f . 193 ) V g l . oben S . 1 2 f f . die Stellung des unwiderruflich und widerruflich Bezugsberechtigten in der Lebensversicherung. 191 ) V g l . über den Anspruch des Hypothekengläubigers gegen den Feuerversicherer R G 5. 7. 2 1 R G Z 1 0 2 S. 3 5 0 ; ferner über den unmittelbaren Anspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer im schweizerischen Recht S t i e f e l K ö n i g - M a r t i n o l i Autohaftpflichtversicherung Bern. 1 zu § 2 0 ; im französischen Recht P i c a r d Revue Générale 1 9 3 0 S. 1 f f . 195 ) V g l . M ö l l e r J W 1 9 3 4 S. 1 0 7 6 f f . 196 ) Vgl. K i s c h W u R 1 9 1 8 S. 23.
61 Zweifellos ist es denkbar, die Haftpflichtversicherung als Versicherung für fremde Rechnung, d. h. für Rechnung des unbekannten Geschädigten, aufzubauen. Die herkömmliche Versicherung f ü r fremde Rechnung (ein Personenbeförderangsunternehmen versichert seine Fahrgäste gegen Unfall) würde für den Haftpflichtigen als Versicherungsnehmer erhebliche Mängel aufweisen, denn sie schützt den Dritten nur gegen vertraglich bestimmte Gefahren. Das bedeutet, daß Schäden, gegen die keine Versicherung genommen ist, dem H a f t pflichtigen zur Last fallen, soweit er dafür ersatzpflichtig ist, während andererseits Schäden gedeckt werden, für die der Versicherungsnehmer nicht verantwortlich ist. Die Mängel können behoben werden, indem man die der Speditionsversicherung zugrundeliegende rechtliche Konstruktion auf die Haftpflichtversicherung überträgt 197 . Die Speditionsversicherung ist eine Versicherung des Auftraggebers gegen Schäden, die durch Fehler des Spediteurs bei der Ausführung eines Verkehrsvertrages eintreten können198. Die Versicherung wird vom Spediteur für Rechnung des Auftraggebers abgeschlossen1"9. Für die Haftpflichtversicherung ist vor allem zu verwerten, daß die Beziehung des Auftraggebers nicht von vornherein feststeht. Es kann sich um eine Beziehung zu einem Gut (das Speditionsgut, eine Forderung oder eine Anwartschaft werden zerstört) oder um eine Unwertbeziehung handeln (eine Schuld des Auftraggebers entsteht). Erst im Augenblick der Gefahr wird die Beziehung bestimmt, vorher ist sie nur bestimmbar. Ebenso ist die vom Versicherer übernommene Gefahr nicht bestimmt, vielmehr ersetzt der Speditionsversicherer jeden Schaden, der durch einen Spediteurfehler verursacht wird. Auf Grund dieser Konstruktion würde die Haftpflichtversicherung zu einer vom Versicherungsnehmer für Rechnung des Geschädigten abgeschlossenen Versicherung gegen Schäden, die durch ein Ereignis entstehen, f ü r welches der Versicherungsnehmer haftpflichtig ist. Es kann entweder eine Wertbeziehung des Dritten beeinträchtigt (ein Kleidungsstück des Dritten wird vernichtet) oder eine Unwertbeziehung entstanden sein (der Dritte ist an seiner Gesundheit geschädigt)200. Nicht nur die Grundgedanken der Speditionsversicherung können auf die Haftpflichtversicherung übertragen werden, sondern auch die besonderen Regeln (z. B. hinsichtlich der Verfügung über den Ver" " ) Vgl. M ö l l e r 188
JW
1 9 3 4 S. 1 0 7 6 f f .
) V g l . S ch i e r i n g Die Speditionsversicherung in den A D S B . Hamburger Rechtsstudien H e f t 1 5 S. 30. 199 ) Die Speditionsversicherung ist keine Haftpflichtversicherung (a.A. B r u ck J W 1 9 2 7 S. 2 7 8 6 , jetzt aber auch anderer Meinung, vgl. Kommentar Vorbem. 4 zu §§ 7 4 — 8 0 ) , da die Beziehungen des Auftraggebers und nicht die des Spediteurs versichert sind; denn der Spediteur ist infolge seiner Haftungsbeschränkung dem Auftraggeber nicht ersatzpflichtig. 20 °) Es handelt sich im letzten Fall um eine immaterielle Unwertbeziehung, vgl. M ö l l e r Z V W 1 9 3 4 S. 18 f f .
sicherungsanspruch, der Herbeiführung des Versicherungsfalls und der Verletzung von Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer). Der Auftraggeber ist nicht nur Träger der Rechte, sondern audi allein verfügungsberechtigt. Der Spediteur als Versicherungsnehmer hat keinerlei Verfügungsrecht, denn nach § 9 I V S V S hat die Auszahlung der Schadenssumme an den Versicherten oder dessen Auftraggeber zu erfolgen. Anders ist die Rechtslage in der Versicherung f ü r fremde Rechnung. Z w a r stehen hier die Vertragsansprüche dem Versicherten zu, doch kann grundsätzlich der Versicherungsnehmer darüber verfügen; eine Ausnahme gilt nur, wenn der Versicherte im Besitz des Versicherungsscheins ist (§ 75 V V G ) . In der Speditionsversicherung findet der Grundsatz der Fremdversicherung, daß der Versicherungsfall weder vom Versicherungsnehmer, noch vom Versicherten herbeigeführt werden darf 2 0 1 , keine Anwendung. Der Auftraggeber soll ja gerade gegen schuldhafte Handlungen des Versicherungsnehmers (Spediteurs) geschützt werden 202 . N u r bei Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Auftraggeber ist daher der Versicherer leistungsfrei. Hinsichtlich der Aufrechnung gilt in der SpeditionsVersicherung der § 78 V V G . Mit Forderungen gegen den Versicherungsnehmer kann der Versicherer nur soweit aufrechnen, als sie auf der für den Versicherten genommenen Versicherung beruhen, d. h. nur mit der Prämienforderung aus dem einzelnen Versicherungsvertrag. Mit Forderungen gegen den Versicherten kann der Speditionsversicherer unbeschränkt aufredinen. Zur Schadensanzeige ist bei der Speditionsversicherung der Versicherte verpflichtet, während der Versicherungsnehmer nur dazu berechtigt ist 203 . Bei der Versicherung f ü r fremde Rechnung dagegen sind beide dazu verpflichtet 204 . Abwendungs- und minderungspflichtig nach § 62 V V G ist sowohl der Versicherungsnehmer als auch der Versicherte. Die Folgen der Verletzung dieser Obliegenheit sind f ü r den Auftraggeber andere als f ü r den Spediteur. "Während bei einer Verletzung durch den Versicherten der Versicherer leistungsfrei wird, bleibt bei einer Verletzung durch den Versicherungsnehmer der Versicherer dem Versicherten zur Leistung verpflichtet und erlangt lediglich einen Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer 206 . Mit H i l f e der Konstruktion, die der Speditionsversicherung zugrunde liegt, läßt sich also eine einwandfreie Grundlage für die Rechtsstellung des Dritten schaffen, wie sie die Rücksicht auf das Allgemeininteresse fordert. Wichtiger jedoch als die Fragen der Kon201
) ) ) 20i ) 205 ) JOi 203
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
B r u ck Kommentar Bern. 7 zu § 67. S di i e r i n g Die Speditionsversicherung S . 3 3 . S di i e r i n g Die Speditionsversicherung S. 60. B r u c k Kommentar Bern. 4 zu § 3 3 . S c h i e r i n g Die Speditionsversicherung S. 63.
63 struktion ist meines Erachtens die Erkenntnis, daß etwas getan werden muß, um den Dritten mehr als bisher zu schützen. Daß das Verlangen nach einem Schutz des Dritten vor Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Anspruch und vor Verwirkungen der Versicherungsforderung nicht übertrieben und sehr wohl praktisch durchsetzbar ist, beweist das Beispiel anderer Länder. Nicht nur die Veränderung äußerer Umstände (etwa Vermehrung der Unfälle oder der ergebnislosen Inanspruchnahme von vermögenslosen Haftpflichtigen), sondern vor allem das Bewußtsein der sozialen Verantwortlichkeit erfordert eine Aenderung des heutigen Zustandes.
64
Verzeichnis des benutzten Schrifttums.
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Abkürzungen. ADSp.
Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen
AllgHaftpflichtVersbdg.
Allgemeine Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherung ( V A 1930 S. 148). Archiv f ü r civilistische Praxis, Tübingen. Assekuranz-Jahrbuch, Wien. Bürgerliches Gesetzbuch. Hanseatische Rechts-Zeitschrift, MannheimHamburg-Berlin-Leipzig. Juristische Rundschau für die Privatversicherung, Berlin. Juristische Wochenschrift, Berlin. Kammergericht. Konkursordnung. Kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, München-Berlin-Leipzig. Leipziger Zeitschrift f ü r Deutsches Recht, München-Berlin-Leipzig. Oberlandesgericht. Das Recht, Rundschau f ü r den Deutschen Juristenstand, Hannover. Reichsgericht. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, Leipzig. Reichsversicherungsordnung. Veröffentlichungen des Reichsauf sichtsamts für Privatversicherung, Berlin. Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen. Das Versicherungsarchiv, Wien. Gesetz über den Versicherungsvertrag. Wirtschaft und Recht der Versicherung, bis 1924 Beiheft zu den Mitteilungen für die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten, Berlin. Zeitschrift f ü r die gesamte Versicherungswissenschaft, Berlin. Zeitschrift f ü r das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht, Stuttgart. Zivilprozeßordnung. Zeitschrift f ü r Versicherungswesen, Berlin.
ArchCivPr. AssJhrb. BGB HansRZ JRPV JW KG KO KritVjhrsschr. LZ OLG Recht RG RGZ RVO VA VAG VersArch. VVG WuR
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