Die Stellung der Ordensangehörigen im staatlichen Sozialversicherungs- und Vermögensrecht [1 ed.] 9783428484966, 9783428084968


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Die Stellung der Ordensangehörigen im staatlichen Sozialversicherungs- und Vermögensrecht [1 ed.]
 9783428484966, 9783428084968

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ANDREAS SAILER

Die Stellung der Ordensangehörigen im staatlichen Sozialversicherungs- und Vermögensrecht

Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Herausgegeben von Alexander Hollerbach · Josef Isensee · Joseph List) Wolfgang Losehelder ·Hans Maier · Paul Mikat · Wolfgang Rüfner

Band 26

Die Stellung der Ordensangehörigen im staatlichen Sozialversicherungsund Vermögensrecht Von

Andreas Sailer

Duncker & Humblot · Berlin

Schriftleitung der Reihe "Staatskirchenrechtliche Abhandlungen": Prof. Dr. Joseph List!, Lennestraße 15, D-53113 Bann

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Sailer, Andreas:

Die Stellung der Ordensangehörigen im staatlichen Sozialversicherungs- und Vermögensrecht I von Andreas Sailer. Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen ; Bd. 26) Zug!. : Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08496-9 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7247 ISBN 3-428-08496-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @

Gewidmet den Benediktinern derAbteiSt Stephan in Augsburg

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1995 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Die Untersuchung hat sich bemüht, einerseits die staatskirchenrechtliche Stellung der Ordensangehörigen in den fur sie besonders relevanten Bereichen des Sozialversicherungs-und Vermögensrechts wissenschaftlich aufzuarbeiten und die gerade dort vorzufindende Wechselwirkung von kanonischem und staatlichem Recht erkennbar werden zu lassen, andererseits Praktikern aus Staat und Kirche einen Kommentar an die Hand zu geben, der ihnen die Lösung ordensbezogener Rechtsfragen erleichtert. Danken möchte ich an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Alexander Hollerbach, fiir die wohlwollende Betreuung und Begleitung der Arbeit. Zu Dank verpflichtet bin ich auch dem Generalsekretär der Vereinigung Deutscher Ordensobern, P. Wolfgang Schurnacher O.Carm., fiir die Vermittlung zahlreicher sozialversicherungsrechtlicher Detailinformationen und seine ständige Gesprächsbereitschaft Mein Dank gilt ferner Frau Rechtsanwältin Dr. Evelyne Dominica Menges fiir die wertvollen Anregungen zur Konzeption der Arbeit, die kritische Kontrolle meiner kanonistischen Ausruhrungen und die Mühe des Korrekturlesens. Den Herausgebern der "Staatskirchenrechtlichen Abhandlungen", namentlich dem Schriftleiter, Herrn Prof. Dr. Joseph Listl, der diese Arbeit von Anfang an interessiert und fördernd begleitet hat, danke ich fiir die Aufnahme der Dissertation in diese Schriftenreihe. Verbunden bin ich Herrn Prof. Dr. h. c. Norbert Sirnon fiir die Aufnahme der Arbeit in das Verlagsprogramm des Hauses Duncker & Humblot sowie sein großes Entgegenkommen bei der Abwicklung der Drucklegung. München, im Oktober 1995

Andreas Sailer

Inhaltsveneichnis 1. Teil: Allgemeine Vorgaben

§ 1.

§ 2.

Einfohrung I Gegenstand der Untersuchung .. ....................... ............ ... 23

A.

Die weltliche Dimension des Ordenslebens ..................... ...... ....... 23

B.

Die Beschränkung der Untersuchung auf katholische Ordensangehörige .................................... .. ........ ............................ ...... ... 25

Der Begriff des Ordensangehörigen ............................... ............. ..... ... 27

A.

Vorgaben des kanonischen Rechts .... ......... ...................... ............ 27

I.

Die Angehörigen von Instituten des geweihten Lebens .. ........ 29 1. Die Angehörigen von Ordensinstituten ... .. ........ ......... ....... 31

2. Die Angehörigen von Säkularinstituten... ............ ... .... ....... 32 II. Die Angehörigen von Gesellschaften des apostolischen Lebens ..................................... .... ........................... .......... .... 33 III. Eremiten und Jungfrauen ................ ................................. ..... 35 B.

Terminologie der Konkordate ............. ................................... ... ... 38 I.

Reichskonkordat ....................... ... ... .. ....... ............................. 38

II. Länderkonkordate .................. ............................................... 42 C.

Terminologie des staatlichen Rechts ................................ ............ 46

I.

Verfassungsrecht. ...................... .. .............................. ........ .... 46 1. Bundesverfassungsrecht ............ ...... ...... ........ ... .... ........ ... .. 46 2. Landesverfassungsrecht ....... .... .......................... ............... 52

11. Einfaches Gesetzesrecht ............................. .... ......... .... .......... 55 1. Sozialversicherungsrecht ........ ... ......................... .......... .... 55 2. Strafrecht I Ordnungswidrigkeitenrecht ......... ................... 59 3. Wehrrecht ................................ ...... ......... .......... .......... ... ... 61 4. Gerichtsverfassungsrecht ...... ................... ......... ... ........... .. 64

10

Inhaltsverzeichnis

2. Teil: Die vermögensrechtliche Stellung der Ordensangehörigen im staatlichen Recht § 3.

Rechtshandlungen beim Erwerb der Ordensmitgliedschafl .................. 66

A.

Der stufenweise Erwerb der Ordensmitgliedschaft nach kanonischem Recht. ......................................... ...................................... 66 I.

Postulat ............... ............................ .......................... ...... ...... 67

li. Noviziat .............................................................. .................. 67 III. Zeit der Gelübdebindung ....................................................... 69 1. Arten der Profeß .............................................................. 69 2. Triennium .........................................................................70 3. Zeit der ewigen Profeß ...................................................... 71

§ 4.

B.

Übertragung der Vennögensverwaltung ............................... .. .. .... 72

C. D.

Testamentserrichtung .................................................................. 73 Vennögensverzicht ...................................................................... 75

Vermögensrechtliche Folgen der Profeßablegung ..................... .......... 79

A. B. C.

Abschluß des kanonischen Profeßvertrags ....................... ........ .. ... 79 Zivilrechtliche Ansprüche aus dem Profeßvertrag ........................ 80 Wirkungen der kirchenrechtlichen Folgen der Profeß im staatlichen Recht .................................................................... .. .......... 81 I.

Unterhaltsansprüche gegen Ordensangehörige .............. ........ 82

II. Schadensersatzansprüche von Ordensangehörigen gegen Dritte .................................................................... .. .............. 84 III. Tagessatzhöhe bei Geldstrafen .. .. .... ............ ...................... .. .. 85 IV. Präin.iensparen ...................................................................... 88 V. Rundfunkgebühren .............................. .............................. .... 89 § 5.

Ansprüche des Ordensangehörigen gegen die Ordensgemeinschaft bei Beendigung der Ordensmitgliedschafl ...... .................... .............. ... 94

A.

Fonneo desAusscheidensaus dem Ordensverband nach kanonischem Recht. .......................................... .............................. .... 94 I. Austritt und Entlassung ........ ................................................. 94 II. Exklaustration .... ................................................................... 97 III. Beurlaubung............ ... .......................................... ................. 98

Inhaltsverzeichnis

11

B.

Beendigung der Unterhaltsgewährung ............................ ............. 99

C.

Mögliche Rechtsgrundlagen fUr Ausgleichsansprüche ........... .... 100 I.

Bereicherungsrecht ................................. ........... ......... ........ 10 1

II. Gesellschaftsrecht ...................... .................. .......... .. ..... ...... 102

III. Schenkungsrecht .................................. ... , .................. ......... 104

IV. Arbeitsrecht ................................... ................... .. ........... ... .. 107 V. Wegfall der Geschäftsgrundlage ........... ............................... 109 D. Die Schlichtungsstelle der Deutschen Ordensobem-Vereinigungen.... ...................................................................... ........... . 110 § 6.

Urheber- und Werknutzungsrechte von Ordensangehörigen .... .......... 113 A.

Urheberrechte ........ ........................... ..................... ....... ... ... ....... 113

B.

Nutzungsrechte .... ..... .. ...................... ... ... ........................ .... ....... 115 I. Arten und Inhalt ............................ ... ............... .... ...... .. ... .... 115 II. Einräumung .. .............................. ...... .......................... .. ..... . 116

1. Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze .... .... ......... .. 116 2. Art und Weise ........... ..................... .......... .......... .. ........ ... 118 3. Umfang............................. .......... ..................... .... ........... l21

a) Während der Ordenszugehörigkeit geschaffene Werke........ ...................... ... ............................... ....... . l21 b) Art der Nutzungsrechte ............. ............ .......... ....... ... 122 c) Nutzungsarten .......................................... ............. .... 123 d) Später bekanntwerdende Nutzungsarten ....... .......... ... 127 4. Dauer........... ....................... .... ......................... .............. . 127 a) Zeitliche Beschränkung ................................. ... ... ... ... 127 b) Rückrufsrechte .................. ... ............................. ... ..... 128 c) Rückfall ................. ............. ........................ ... .... ..... ... 130 § 7.

Die Besteuerung der Ordensangehörigen ... ......... ............................. . 132

A.

Lohn- und Einkommensteuer ................. ................................ .... 132 I.

Einkünfte aus Einzeldienstverträgen ...... ......... .. ............ ..... . 132

1. Rechtslage nach staatlichem Steuerrecht.. ........... ...... ...... 132 2. Bewertung des staatlichen Steuerrechts aus kanonischer Sicht .......... .................................... ............ .................... 134

Inhaltsverzeiclmis

12

II. Einkünfte aus Gestellungsverträgen .. .................................. 137 l. Rechtsnatur, Zustandekonunen und Gestaltung der Gestellungsverträge ............. .... ........ .. ................................. . 137

2. Wandel der Rechtsprechung.............................. .............. l39 a) Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs........... ... .......... 139 b) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ......... ............. 143 3. Die Praxis der Finanzbehörden ........... ....... .. ................... 148 III. Schriftstellerhonorare ... .................... .. .................... .. ..... ... ... 149 IV. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung .......... .. .... ....... l5l B.

Erbschaft- und Schenkungsteuer.. ...... .......................... .............. 154

3. Teil: Die Sozialversicherung der Ordensangehörigen § 8.

Rentenversicherung............................................................. ...... ........ 156 A.

Verfassungsrechtliche Zulässigkeil ................. ............ ............... 156

I.

Eigene Angelegenheiten der Religions- und Ordensgemeinschaften ..... ...... ................................... .. ..... ....... ....... 156

II. Schranken des fiir alle geltenden Gesetzes ... .... .................... 161 8.

Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit .................... .. .. 163

I.

Versicherungspflicht ............................ ....................... ... ..... 164 l. Mitgliedschaft in einer geistlichen Genossenschaft .... .... . 165

2. Dienst fiir die Gemeinschaft .. .. .. .... .. ............ .. .... .. .. .. ...... .. 172 3. Einzeldienstverträge ................ .. ... .. .................... .. .. .. ...... 173 a) Das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis ... ... ........ .... ..... .. ...... ....... ... .... ... .... .. .......... .. 173 b) Konkurrenzverhältnis von§ I Satz 1 Nr. 1 und 4 SGB VI .. .... .............. .... .... .. ...................... .. .............. 174 4. Gestellungsverträge .. .. .......... ... ..... .. ........ .... ........ .. .... .. .... 176 5. Postulat und Noviziat als außerschulische Ausbildung .... 176 a) Qualifizierung nach kanonischem Recht.. .... .. .. .... .. .. .. 177 b) Qualifizierung als Berufsausbildung nach staatlichem Recht .. ...... .. .... ... .............. .. ................. .. .... ................ 178

Inhaltsverzeichnis

13

li. Versicherungsfreiheit ....................... .. ....................... ... ... .... 183 1. Satzungsmäßige Mitgliedschaft in einer geistlichen Genossenschaft ......................... .... ............................... ... 183 a) Qualifizierung nach kanonischem Recht.. ........ .... .. .... 184 b) Qualifizierung nach staatlichem Recht ............ ........ .. 185 c) Mangel der satzungsmäßigen Mitgliedschaft .. ...... .. ... 187 2. Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung ..... ....... ............................. .... ... .......... ............... .. 188 3. Sicherung der Gewährleistung .... ................................ .. .. 192 a) Das Solidarwerk der katholischen Orden Deutschlands .... .. .... ........................ .. .. ..................... ... ... .... ... . 193 b) Gewährleistungsentscheidung ................ ... ... ....... ..... .. 197 C. Nachversicherung .. ............................. .......... ..... .... ... ......... ...... .... . l98

I.

Funktion ............ ..................... .. ... ....... ................... .. .... .... ... 198

II. Voraussetzungen ....................... .... ......................... .. ........ ... 199

l. Versicherungsfreiheit I Befreiung von der Versicherungspflicht .................................................................... 199 2. Ausscheiden ohne Versorgungsanspruch oder Versorgungsanwartschaft ... .................................. ......... ... ... ... ... 20 I a) Regelung des kanonischen Rechts...................... .... .... 201 b) Bewertung des staatlichen Rechts ............... .. .. ...... ..... 206 c) Verfassungsrechtliche Problematik ....... ..................... 208 3. Nichtvorliegen von Aufschubgründen .................. ....... .. .. 211 III. Durchführung und Wirkungen .......................... .... .. .. .... ...... 212 § 9.

Krankenversicherung ... ......................................... ....... ..... .......... .... .. 217 A.

Versicherungsfreiheit ... .................... .. .. .. .................. ................. 217 I.

Satzungsmäßige Mitgliedschaft ...... .. .................... ............. .. 217

II. Beschäftigung mit gemeinnützigen Tätigkeiten .............. ..... 219 III. Umfang von Unterhalt und Entgelt.. ....... ......................... .. .. 221 B.

Freiwillige Krankenversicherung ..................... .... .......... ............ 223

I.

Versicherungsfähiger Personenkreis ............ .. ........ .......... .... 223

II. Beitragshöhe ...... ... .................... ....... .................... ... ... ......... 224

14

Inhaltsverzeichnis

§ 10. Arbeitslosenversicherung .. .................................................. ..... ......... 227

A. Beitragsfreiheit ....... ............................................. .. .................... 227

B.

Bezug von Leistungen ................................................ ............... 229

§ 11. Unfallversicherung ...................................... ............................ ......... 232

A.

Versicherungsfreier Personenkreis ................. .. ....... ........ .......... . 23 2

B.

Ordensinterne Versorgung ... ....................... .. ............... ........ ...... 233

C.

Umfang der Versicherungsfreiheit.. ..... ............................. .. ....... 235

D.

Versorgung bei Ausscheiden aus der Ordensgemeinschaft ......... 236

§ 12. Pflegeversicherung ...... ....... .................. .... ... .... ..................... .... .. .. .... 237

A.

Versicherungspflicht. ... ..................... ................ .................. ... .... 23 7

B.

Leistungen .. ........... ............. ....... ........ ..................... ................... 239

4. Teil: Ergebnis A.

Das Spannungsverhältnis zwischen kirchlichem und staatlichem Recht ......... ... ...................................................... .......... . 242 I.

Trennung der beiden Rechtskreise ........................ ...... ......... 242

II. Mittelbare Auswirkungen des kirchlichen auf das staatliche Recht ...... ........................................................ ............ 243 III. Bezugnahmen des staatlichen auf das kirchliche Recht. ....... 245 B.

Die widersprüchliche Behandlung der Ordensangehörigen im staatlichen Recht .. ....... ... ................. ................. ...... ... ........ ... 246

I.

Vermögensrecht ........ .... ..... ..................... ... .................. ....... 246

li. Sozialversicherungsrecht ......... .... ..... ...................... ..... ... .... 247

Literaturverzeichnis ................................................................................. 250 Personenverzeichnis.................................................................................. 264 Sachwortverzeichnis................................................................................. 267

Abkürzungsverzeichnis a.A.

AAS ABI.

Abs. a.E. a.F.

AFG AfkKR

AG ALR

Alt. AnfG Anm. AO AP

Art. AT Aufl. AVG Az. Bad.-Württ. BAG BAGE BArbBl. Bay. I bay. BayK BayObLG BayV BayVerfGHE Bd. /Bde. Bearb. I bearb.

anderer Ansicht Acta Apostolicae Sedis Amtsblatt Absatz am Ende alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Archiv fiir katholisches Kirchenrecht Amtsgericht Allgemeines Landrecht fiir die preußischen Staaten v. 1.6.1794 Alternative Anfechtungsgesetz Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis. Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts (Losebl.) Artikel Allgemeiner Teil Auflage Angestelltenversicherungsgesetz Aktenzeichen Baden-Württemberg Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesarbeitsblatt Bayern I bayerisch Bayerisches Konkordat vom 29.3.1924 Bayerisches Oberstes Landesgericht Verfassung des Freistaates Bayern Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Band /Bände Bearbeiter I bearbeitet

16 Beiträge BEK BetrVG

BFH

BFHE

BG BGB BGBI. BGH BGHSt BGHZ BKGG BrbgV ER-Drucks. BReg. Breithaupt Brem. BremV BSG BSGE BSHG BStBI. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE

bzw. c.

can. cann. cc. CDU CIC

csu

d. DAK

Abkürzungsverzeichnis Die Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung Barmer Ersatzkasse Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Die Berufsgenossenschaft Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskindergeldgesetz Verfassung des Landes Brandenburg Drucksachen des Bundesrates Bundesregierung Sammlung von Entscheidungen aus dem Sozialrecht, begründet 1912 v. Hermann Breithaupt Bremen Verfassung der Freien und Hansestadt Bremen Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise canon canon canones canones Christlich Demokratische Union Codex Iuris Canonici Christlich Soziale Union der Deutsche Angestellten-Krankenkasse

Abkürzwtgsverzeichnis DAV DB DEK ders. d.h. Diss. DM DOK DRiG DRY DStZ

ebd.

EFG EGBGB Einl. ERAG/LAG

ErbStG ESt EStDV EStG etc.

EuM

e.V. f. I ff.

FDP

FG FGO FM

FR

GA GBI. geistl. gern. Gesamtkommentar GeschmMG GG 2 Sailer

17

Die Angestellten-Versicherung. Zeitschrift der Bundesanstalt fiir Arbeit DerBetrieb Die Ersatzkasse derselbe das heißt Dissertation Deutsche Mark Die Ortskrankenkasse Deutsches Richtergesetz Deutsche Rentenversicherung Deutsche Steuer-Zeitung ebenda Entscheidungen der Finanzgerichte Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einleitung Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte, hrsg. v. Hermann Dersch, Georg Flatow, Alfred Gerstel, Alfred Hueck und Hans Carl Nipperdey, Mannheim 1928-1944 Erbschaftsteuergesetz Einkommensteuer Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz et cetera Entscheidungen und Mitteilungen des Reichsversicherungsamtes eingetragener Verein folgende Freie Demokratische Partei Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzministerium Finanz-Rundschau fiir Einkommensteuer mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer Goltdammer' s Archiv fiir Strafrecht Gesetzblatt geistlich gemäß Gesamtkommentar Sozialversicherung Geschmacksmustergesetz Grundgesetz

18 GK-AFG GK- SGB V GK- SGB VI

GO

GRUR

GVBI.

GVG Hess. I hess. Hl. h.M. Hrsg. I hrsg. HS.

HzS

i.d.F. i.d.R. i.E. i.S.d. iur. i.V.m. JW

JZ

kan. Kap. kath. KDW KG KirchE

KK

KStG KUG

LAG LG LK LKrO Losebl. LSG

Abkünungsverzeichnis Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsförderungsgesetz Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch Gesetzliche Krankenversicherung Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung Gemeindeordnung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Hessen I hessisch Heilig(er) herrschende Meinung Herausgeber I herausgegeben Halbsatz Handbuch zum Sozialrecht in der Fassung in der Regel im Ergebnis im Sinne des I der juristisch in Verbindung mit Juristische Wochenschrift Juristenzeitung kanonisch I kanonistisch Kapitel katholisch Kriegsdienstverweigerungsverordnung Kammergericht Entscheidungen in Kirchensachen Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht Körperschaftsteuergesetz Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie v. 9.1. 1907 Landesarbeitsgericht Landgericht Leipziger Kommentar. Strafgesetzbuch Landkreisordnung Loseblattsammlung Landessozialgericht

Abkürzungsverzeichnis LUG masch. MDR

MK

Mot. MüKo m.w.N. n. Nieders. NiedersK

NJW

Nr. NRW n.v. NVwZ ÖAKR OFD OK OLG OLGZ OVA OVG OWiG PflVersG prVU RAG RdA Rdn. RFHE RGBI. RGSt RGZ Rh.-Pfalz RhPfV

RK

2•

19

Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst v. 19.1.1901 maschinenschriftlich Monatsschrift fiir Deutsches Recht Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches fiir das Deutsche Reich Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit weiteren Nachweisen numerus Niedersachsen Niedersächsisches Konkordat v. 26.2.1965 Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nordrhein-Westfalen nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift fiir Verwaltungsrecht Österreichisches Archiv fiir Kirchenrecht Oberfinanzdirektion Ordenskorrespondenz Oberlandesgericht I Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, hrsg. v. B. Mugdan und R. Falkmann, Leipzig Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Oberversicherungsamt Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz Pflege-Versicherungsgesetz Preußische Verfassungsurkunde v. 31.1.1850 Reichsarbeitsgericht Recht der Arbeit Randnummer(n) Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Verfassung fiir Rheinland-Pfalz Reichskonkordat v. 20.7.1933

20

RRG RStBI. RStV RT-Anl. RV RVO S.

s.

SaAnhV SaarlV SächsV Schl.-Holst SchlichtungsO Schulze SGBIV SGBV SGB Vl SGBXI s.o. sog. SozR SozR3 Sp. SPD

ssw

StEK StGB s.u.

Abkürzungsverzeichnis Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Renten-Refonngesetz 1992) v. 18.12. 1989 Reichssteuerblatt Rundfunkstaatsvertrag v. 31.8.1991 Verhandlungen des Reichstags. Anlagen zu den Stenographischen Berichten Die Rentenversicherung Reichsversicherungsordnung Seite(n) siehe Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt Verfassung des Saarlandes Verfassung des Freistaates Sachsen Schleswig-Holstein Schlichtungsordnung der Schlichtungsstelle der Deutschen Ordensobem-Vereinigungen Rechtsprechung zum Urheberrecht, Losebl., hrsg. v. Erich Schulze Sozialgesctzbuch, 4. Buch, Gemeinsame Vorschriften fiir die Sozialversicherung Sozialgesetzbuch, 5. Buch, Gesetzliche Krankenversicherung Sozialgesetzbuch, 6. Buch, Gesetzliche Rentenversicherung Sozialgesetzbuch, 11. Buch, Gesetzliche Pflegeversicherung siehe oben sogenannt Sozialrecht Bearbeitet von den Richtern des Bundessozialgerichts, 27 Bde., Losebl., 2. Folge (1974- 1989), Köln, Stand Dezember 1990 Sozialrecht Bearbeitet von den Richtern des Bundessozialgerichts, 13 Bde., Losebl., 3. Folge (ab 1990), Köln, Stand Juni 1995 Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Satzung des Solidarwerks der katholischen Orden Deutschlands in der Fassung vom 22.10.1993 Steuererlasse in Karteiform Strafgesetzbuch siehe unten

AbkünWlgsverzeichnis ThürV u.a. UrhG UStG UStR u.s.w. u.U. V.

VDO Verbandskommentar

Verf. VG VGH vgl.

vo

VSSR VStG VwGO

WM

WPflG

WRV

WzS z.B.

ZOG

ZevKR

ZfS

Ziff. ZIP zit.

ZPO

21

Verfassung des Freistaates Thüringen unter anderem I unter anderen I und andere Uehebergesetz Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Rundschau und so weiter unter Umständen von /vom Vereinigung Deutscher Ordensobern Kommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, hrsg. v. Verband Deutscher Rentenversicherungsträger Verfasser Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Vierteljahresschrift fiir Sozialrecht Vermögensteuergesetz Verwaltungsgerichtsordnung Wertpapier-Mitteilungen Wehrpflichtgesetz Weimarer Reichsverfassung Wege zur Sozialversicherung zum Beispiel Zivildienstgesetz Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zentralblatt fiir Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung Ziffer Zeitschrift fiir Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozeßordnung

1. Teil: Allgemeine Vorgaben § I. Einrührung I Gegenstand der Untersuchung A. Die weltliche Dimension des Ordenslebens

Da sich das Ordensleben trotz seiner primär geistlichen Dimension im weltlichen Rechtskreis vollzieht, ist das staatliche Recht fiir die Ordensgemeinschaften und die Ordensangehörigen gleichermaßen, jedoch in unterschiedlichen Aspekten relevant. Für die Spezifika der Stellung der Ordensgemeinschaften im staatlichen Recht sind zunächst die zivilen Rechtsf•Jrmen bedeutsam, derer sich die Ordensgemeinschaften bedienen, um am weltlichen Rechtsverkehr teilnehmen zu können. Zivile Rechtsträger fiir die Ordensgemeinschaften sind überwiegend von ihnen gegründete eingetragene Vereine; Körperschaften des öffentlichen Rechts sind jene Ordensgemeinschaften, denen dieser Rechtsstatus von staatlicher Seite verliehen wurde; 1 daneben finden sich vereinzelt auch die Rechtsformen der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 2 Nach der staatlichen Rechtsform einer Ordensgemeinschaft bestimmt sich nicht nur, welche Organe fiir eine wirksame rechtsgeschäftliche Vertretung tätig werden müssen und wie sich die Besteuerung der Ordensgemeinschaft gestaltet; die Rechtsform entscheidet insbesondere auch darüber, wer fiir eingegangene Verbindlichkeiten haftet: der zivile Rechtsträger, die hinter ihm stehende, als nicht-rechtsfllhiger Verein verfaßte Ordensgemeinschaft,3 die handelnden Organe oder die einzelnen Ordensangehörigen je nach ihrer Be-

Zur Verleihung des Körperschaftsstatus vgl. zusammenfassend Listl, Ordensgemeinschaften, S. 847 ff. 2 Vgl. die Übersichten Ober die zivilen Rechtsfonnen der Ordensgemeinschaften bei Siepen, Vennögensrecht, S. 310 ff. und speziell filr Bayern beiHeimerVPree, Handbuch, S. 928 ff. 3 Zu beachten ist stets, daß die zivile Rechtsfonn - mit Ausnahme der Körperschaft des öffentlichen Rechts- mit der eigentlichen Ordensgemeinschaft nicht identisch ist; s.u. S. 102 f.

24

I. Teil: Allgemeine Vorgaben

teiligung an dem staatlichen Rechtsträger (Vereinsmitglied, Körperschaftsmitglied, Aktionär etc.). 4 Die einzelnen Ordensangehörigen hingegen haben vor allem im staatlichen Sozialversicherungs- und Vermögensrecht eine Rechtsstellung, die sich von der anderer Bürger unterscheidet. Im staatlichen Sozialversicherungsrecht ist dies darauf zurückzuführen, daß die Ordensangehörigen dort Gegenstand spezieller Regelungen sind, die den ordensinternen Sicherungsmechanismen fur die Altersversorgung und den Krankheitsfall Rechnung zu tragen versuchen. Im staatlichen Vermögensrecht weist die Stellung der Ordensangehörigen deshalb Besonderheiten auf, weil sich die vom kirchlichen Recht determinierten Gegebenheiten bei den Ordensangehörigen gerade in diesem Bereich deutlich von denen der übrigen Bürger abheben, jedoch speziell auf die Ordensmitglieder und die vermögensrelevanten Vorgänge im Ordensbereich zugeschnittene Normen fehlen. Das staatliche Recht erkennt gern. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV kirchliche Regelungen der "kircheneigenen Angelegenheiten" grundsätzlich an, begrenzt diese Anerkennung aber durch den Schrankenvorbehalt des "fur alle geltenden Gesetzes". Die zivilrechtliche Stellung eines Ordensangehörigen wird also unmittelbar weder von einem gegebenenfalls abgelegten Armutsgelübde noch von einer kirchenrechtlichen Besitzund Erwerbsunfähigkeit berührt. Gleichwohl bleibt die Frage offen, ob die vermögensrechtlichen Besonderheiten des kirchlichen Ordensrechts mittelbar Wirkungen und Folgen im staatlichen Rechtskreis entfalten. Die Untersuchung der Rechtsstellung der Ordensangehörigen im "staatlichen Vermögensrecht" hat deshalb alle jene Rechtsgebiete einzubeziehen, die sich im weitesten Sinne mit der Zuordnung von Geld und Gütern befassen. 5 Aus diesen Gebieten sind wiederum vor allem jene Punkte diskussionswürdig, die typische Konfliktbereiche zwischen der kirchlichen und der staatlichen Rechtsordnung berühren und bereits vielfach Gegenstand staatlicher Gerichtsentscheidungen gewesen sind. 6 Da in den judizierten Fällen jeweils dieselben Grundprobleme zutage getreten sind, lassen sich allgemeingültige Aussagen auch zu den Punkten treffen, mit denen sich die staatliche Rechtsprechung

4 Urteile staatlieheT Gerichte zu diesem Problemkreis fehlen vollstAndig. da Ordensgemeinschaften eingegangene Verbindlichkeiten stets rechtstreuund zuveTiissig erfiillen.

5

Zum Begrilf"Vmnögen" in rechtlieheT Hinsicht vgl. Rittner, Vmnögen, Sp. 687 ff.

6 Siehe unten S. 81 ff., 113 lf. und 132 lf Die in den vor 1983 ergangenen Urteilen staatlicher Gerichte zur Diskussion stehenden kanonischen Normen waren im CIC/1917 enthalten. Aus Gründen der Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit bezieht die vorliegende Arbeit jedoch auch die Erwlgungen und Ergebnisse der Alteren staatlichen Rechtsprechung auf die Vorschriften des CIC/1983, soweit sie der truheren Regelung des CIC/1917 entsprechen.

§ 1. Einfllhnmg

25

noch nicht befaßt hat. Originär zivilrechtlich ist daneben die Frage zu beurteilen, ob Ordensangehörigen Unterhalts- und Abfindungsansprüche zustehen, wenn sie aus ihrer Ordensgemeinschaft ausscheiden.7 B. Die Beschränkung der Untersuchung auf katholische Ordensangehörige Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist - beschränkt auf bestimmte Bereiche - die staatskirchenrechtliche Stellung der "Ordensangehörigen". Im abendländisch-christlich geprägten deutschen Rechtskreis sind dies jene Personen, die sich einer rechtJich verfaßten und der kirchlichen Struktur integrierten Gemeinschaft (Ordensgemeinschaft) angeschlossen haben, um in Bindung an diese Gemeinschaft eine besondere Form der Nachfolge Jesu zu leben.8 Sowohl im katholischen als auch im evangelischen Bereich finden sich unterschiedlichste Formen von Ordensgemeinschaften und religiösen Kommunitäten.9 Da jedoch der weitaus überwiegende Teil der Ordensleute in Deutschland katholischen Ordensgemeinschaften angehört, 10 kann das Ordensleben als typisch katholisches Phänomen bezeichnet werden. 11 Die Verschiedenheit dieser Ordensgemeinschaften der katholischen Kirche erfordert, die Untersuchung der staatskirchenrechtlichen Stellung ihrer Angehörigen zunächst der Frage zu widmen, welche Personen bezeichnet werden, wenn in staatlichen Vorschriften oder in Konkordaten von "Ordensangehörigen" die Rede ist. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf die katholischen Ordensangehörigen aber nicht nur wegen ihrer quantitativen Dominanz, die dazu gefiihrt hat, daß Entscheidungen staatlicher Gerichte zu sozialversicherungsund vermögensrechtlichen Fragen der Ordensmitgliedschaft fast durchwegs katholische Ordensangehörige betrafen. Eine allgemeingültige Erörterung des Verhältnisses von kirchlichem und staatlichem Recht im Vermögensbereich, insbesondere der Auswirkungen innerkirchlicher Regelungen im staatlichen Rechtskreis, wird vielmehr erst dadurch möglich, daß in der katholischen Kir-

7

Siehe unten S. 94 ff

Die Angehörigen nicht-christlicher religiöser Lebensverbände (buddhistische Mönche etc.) können zwar im weitesten Sinne als Ordensangehörige bezeichnet werden, bleiben aber vorliegend außer Betracht, weil sie in Deutschland nur eine unbedeutende Rolle spielen. 9 Vgl. Frank, Orden und Kongregationen, Sp. 892 ff; Scheuermann, Orden, Sp. 2333 ff.; Reimer, Bruderschaften, Sp. 285 ff. 10

Statistische Angaben finden sich bei Schlief, Organisationsstruktur, S. 381 f.

II

Frank, Orden und Kongregationen, Sp. 893.

26

I. Teil: Allgemeine Vorgaben

ehe - anders als in den evangelischen Kirchen - die Rechtsvorgänge im Ordensbereich primär universalkirchlich kodifiziert sind und lediglich sekundär durch das Eigenrecht der unterschiedlichen Ordensgemeinschaften konkretisiert und ausgestaltet werden. Dennoch sind Bestimmungen staatlicher Gesetzgeber, Aussagen der staatlichen Rechtsprechung und die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung gleichermaßen auf evangelische Ordensangehörige anwendbar, soweit sie eine den katholischen Ordensangehörigen vergleichbare Lebensführung aufweisen. Da sich Ordensangehörige dadurch definieren, daß sie einer Ordensgemeinschaft zugehören, bezeichnet der Begriff der "Ordensmitglieder" in der vorliegenden Untersuchung denselben Personenkreis wie der Begriff der "Ordensangehörigen". Gleichennaßen werden die Begriffe "Ordensgemeinschaft", "(Ordens-) Verband" und "(Ordens-) Institut" synonym verwandt, weil sie jeweils die Ebene der Ordensstruktur bezeichnen, der ein Ordensangehöriger unmittelbar eingeordnet ist; dies kann -je nach Art und Struktur des Ordensverbandes - ein Einzelkloster oder eine Ordensprovinz sein. Zuletzt darf in einer wissenschaftlichen Untersuchung heute nicht der Hinweis fehlen, daß der Begriff "Ordensangehöriger" gleichermaßen männliche wie weibliche Ordensmitglieder bezeichnet. 12

12 Auch im kanonischen Recht gilt gern. c. 606 bzw. c. 732 i.V.m. c. 606 CIC, daß die Vonchriften des Ordensrechts in rechtlich gleicher Weise !Ur beide Geschlechter gelten, soweit sich aus dem Textzusanunenhang oder der Natur der Sache nichts anderes ergibt.

§ 2. Der Begriff des Ordensangehörigen A. Vorgaben des kanonischen Rechts Das kanonische Recht definiert weder den Begriff des "Ordensangehörigen" noch den der "Ordensgemeinschaft". Es kennt vielmehr unterschiedliche Typen geistlicher Verbände, deren jeweils spezifische Art und Prägung sie sosehr voneinander abhebt, daß sie nicht unter einem einheitlichen Oberbegriff zusammengefaßt werden. Angehörige dieser Ordensverbände im weitesten Sinne sind jene Personen, die nach kodikarischem Recht und dem kanonischen Satzungsrecht der einzelnen Gemeinschaft in sie aufgenommen wurden. Das kanonische Recht unterscheidet die Ordensangehörigen dabei inhaltlich und sprachlich danach, ob sie sich noch auf die Gelübdeablegung vorbereiten bzw. in der einfuhrenden Probezeit befinden oder hereits auf Zeit bzw. für immer an ihre Ordensgemeinschaft gebunden haben. Bei der Untersuchung, welche Personen nach kanonischem Recht als Ordensangehörige zu qualifizieren sind, ist deshalb einerseits "horizontal" nach der Art des kanonischen Verbandes zu differenzieren, in dem sie leben, 1 anderseits "vertikal" nach dem Stadium der Ordenszugehörigkeit Das kanonische Ordensrecht 2 ist in Buch II, Teil III des CIC kodifiziert und trägt den Titel: "Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens". Dieser Teil III ist wiederum unterteilt in eine Sektion I (Institute des geweihten Lebens) und eine Sektion II (Gesellschaften des apostolischen Lebens). Die systematische Einordnung des Ordensrechts in Buch II (Volk Gottes) als Teil III - nach Teil I (Die Gläubigen) und Teil II (Hierarchische Verfassung der Kirche)- läßt erkennen, welchen Platz die Ordensgemeinschaften nach dem Verständnis des CIC im Gesamtaufbau der Kirche einnehmen: Sie heben sich von den Gläubigen (Kleriker und Laien) ab und sind dem hierarchischen Aufbau der Kirche nicht eingegliedert.3 Dies

Zum Begriff des "kanonischen Lcbensverbandes" siehe Aymans, Konsoziatives Element, S. 337(Anm.l),341. 2

Zum Begriff des "0rdensr!%:hts" vgl. Pnmetshofer, Ordensr!%:ht, S. 20.

3 Grundlegend Aymans, Konsoziatives Element, S. 340 f, 356 f.; vgl. auch Schlief, Organisationsstruktur, S. 378.

28

l. Teil: Allgemeine Vorgaben

geht auch aus c. 207 § 2 CIC hervor, wonach es in den Gruppen der Kleriker und der Laien Gläubige gibt, die sich durch das von der Kirche anerkannte und geordnete Bekenntnis zu den evangelischen Räten durch Gelübde oder andere heilige Bindungen, je in ihrer besonderen Weise, Gott weihen und der Heilssendung der Kirche dienen; auch wenn deren Stand nicht zur hierarchischen Struktur der Kirche gehört, ist er dennoch fiir ihr Leben und ihre Heiligkeit bedeutsam. Dabei gilt es zu betonen, daß es sich bei dem "Ordensstand" i.S.d. c. 574 § 1 CIC in bezug auf die göttliche hierarchische Verfassung der Kirche nicht um einen Zwischenstand zwischen dem der Kleriker und dem der Laien handelt, sondern daß aus beiden Gruppen Menschen berufen werden, durch die Verpflichtung auf die evangelischen Räte eine besondere Form der Nachfolge Jesu zu leben. 4 Diese Aussage ergänzt c. 588 CIC durch die Unterscheidung von klerikalen und Iaikaien Instituten. 5 Da die Ordensgemeinschaften gern. c. 578 CIC auf einen bestimmten Stifterwillen zurückgehen, eine spezifische Zielsetzung haben und gern. c. 574 § 2 CIC eine besondere Berufung ihrer Angehörigen zum Ordensleben voraussetzen, nehmen sie einen bestimmten Ausschnitt aus der Gesamtsendung der Kirche wahr, umfassen diese Geo;amtsendung aber niemals insgesarnt. 6 Sie bilden somit keine verfassungsrechtliche, sondern eine vereinigungsrechtliche Struktur in der Kirche. 7 Die Ausgliederung der Ordensgemeinschaften aus dem hierarchischen Aufbau der Kirche führt dazu, daß ihnen gern. c. 586 § I bzw. c. 732 i. V.m. c. 586 § I CIC eine gebührende Autonomie ihres Lebens, insbesondere hinsichtlich ihrer Leitung, zuerkannt wird, kraft derer sie in der Kirche ihre eigene Ordnung haben und ihr Erbgut im Sinne des c. 578 CIC (Stifterwille und die von der zuständigen kirchlichen Autorität anerkannten Ziele in bezug auf Natur, Zielsetzung, Geist und Anlage des Instituts sowie dessen gesunde Überlieferungen) unversehrt bewahren können. 8 Andererseits unterstehen die Institute des geweihten Lebens gern. c. 590 § 1 CIC ebenso wie die Gesellschaften des apostolischen Lebens gern. c. 732 i.V.m. c. 590 § I CIC, weil sie in besonderer Weise dem Dienst fiir Gott und die ganze Kirche gewidmet sind,

4

Apostolische Konstitution "Lumen gentium" v. 21.11.1964, Ziff. 43 Abs. 2, AAS 57 (1965),

5, 50; vgl. zum Stand des geweihten Lebens Dammertz, Institute, S. 258 ff.

Zur Frage, ob c. 588 § I CIC Raum läßt fiir sog. "indifferente" Institute vgl. Henseler, Ordensrecht, c. 588, Rdn. 5. 6

Aymans, Kirchliches Verfassung.o;recht, S. 91 f.

7

Müller, Lebensgemeinschaften, S. 485; Primetshofer, Ordensrecht, S. 22 f. Vgl. Berzdorf, Autonomie und Exemtion, S. 88 ff.

§ 2. Begriff des Ordensangehörigen

29

aus einem eigenen Grunde (peculiari ratione) ihrer höchsten Autorität; 9 die Mitglieder aller Institute sind gern. c. 590 § 2 CIC gehalten, dem Papst als ihrem höchsten Oberen auch kraft der heiligen Gehorsamsbindung Folge zu leisten. Innerhalb dieses Rahmens stehen die Ordensgemeinschaften in bezug auf die interne Leitung und Rechtsordnung unbeschadet der ihnen gern. c. 586 § 1 CIC gewährten Autonomie unter der Aufsicht der zuständigen übergeordneten Autorität. 10 Dies ist bei Instituten päpstlichen Rechts gern. c. 593 CIC unmittelbar und ausschließlich der Apostolische Stuhl, bei Instituten diözesanen Rechts gern. c. 594 CIC der Diözesanbischof. 11 Im CIC/1917 fand sich das Ordensrecht im Buch II (De personis) als Teil II. Obwohl dessen Überschrift "De religiosis" vermuten läßt, daß das Ordensrecht dem individuell personenrechtlichen Konzept des zweiten Buches folgt, enthält der Teil II in Wirklichkeit ein klösterliches Verbandsrecht; hierauf weisen auch die Überschriften der neun Titel dieses Buchteils hin, von denen nur zwei das Wort "religiosus" enthalten, während die anderen sieben von der "religio" sprechen. 12 Eine vergleichbare Konzeption liegt auch dem CIC/1983 zugrunde, in dem sowohl aus der Gesamtüberschrift zum Ordensrecht ("Institute des geweihten Lebens u.nd Gesellschaften des apostolischen Lebens") als auch aus den Überschriften zu den einzelnen Sektionen und Titeln hervorgeht, daß das kanonische Recht primär die Ordensinstitute im Blick hat. Anknüpfungspunkt des Ordensrechts im CIC/1917 wie im CIC/1983 sind somit nicht die Ordensangehörigen, sondern die Ordensverbände. I. Die Angehörigen von Instituten des geweihten Lebens

Der überwiegende Teil der ordensrechtlichen Normen des CIC/1983 betriffi die Institute des geweihten Lebens und ihre Angehörigen. Institute des ge-

9 Damit betont c. 590 § I CIC, daß sich diese Untem.ellung von der (einfachen) Unterstellung anderer kirchlicher Einrichtungen, Verbände und Institutionen untcncheidet; vgl. Hemeler, Ordensrecht, c. 590, Rdn. 2.

10

Aymans, Kirchliches Verfassungsrecht, S. 92.

11 Ein Institut des geweihten Lebens wird gern. c. 589 CIC als Institut päpstlichen Rechts bezeichnet, wenn es vom Apostolischen Stuhl enichret oder von ihm durch rormliches Dekret anerkannt wurde, als diözesanen Rechts dagegen. wenn es vom Diözesanbischof enichret ist, aber kein Allerkennungsdekret vom Apostolischen Stuhl erhalten hat. Dieselbe Unterscheidung gilt Ober c. 732 CIC auch fllr die Gesellschaften des apostolischen Lebens. Vgl. Pnmelshofer, Ordensrecht, S. 34 f Zur Untcncheidung zwischen klerikalen und Iaikaien Instituten des geweihten Lebens vgl. c. 588 §§ 2 und 3 CIC sowie Hense/er, Ordensrecht, c. 588, Rdn. I ff. 12

Aymans, Kirchliches Verfassungsrecht, S. 87 (

30

l. Teil: Allgemeine Vorgaben

weihten Lebens (instituta vitae consecratae) sind gern. c. 573 § 2 CIC von der zuständigen Autorität der Kirche kanonisch errichtete Verbände, in denen Gläubige in freier Entscheidung das durch die Profeß der evangelischen Räte geweihte Leben gern. c. 573 § 1 CIC übernehmen; das Bekenntnis zu den evangelischen Räten der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams kann nach den eigenen Satzungen der Institute durch Gelübde oder andere heilige Bindungen erfolgen. Jene Personen, die sich in solchen Instituten zu den evangelischen Räten bekennen, bilden gern. c. 574 § 1 CIC den Stand des geweihten Lebens (status vitae consecratae), also den "Ordensstand" im eigentlichen Sinn. 13 Zu den Instituten des geweihten Lebens zählen einerseits die Ordensinstitute gern. c. 607 § 2 CIC, anderseits die Säkularinstitute gern. c. 710 CIC. Den speziell die Ordensinstitute (Titel 11, cc. 607 - 709 CIC) und die Säkularinstitute (Titel III, cc. 710 - 730 CIC) betreffenden Vorschriften sind in Titel I (cc. 573 - 606 CIC) die "gemeinsamen Nonnen für alle Institute des geweihten Lebens" vorangestellt. Angehörige der Institute des geweihten Lebens sind zunächst die Personen, die gern. c. 654 CIC Profeß abgelegt oder gern. c. 723 § 1 CIC die drei durch eine heilige Bindung bekräftigten evangelischen Räte auf sich genommen haben; 14 durch die Gelübdeablegung werden sie dem Institut gern. c. 654 bzw. c. 723 § 2 CIC eingegliedert. Obwohl c. 574 § 1 CIC zum "Ordensstand" nur jene Personen zählt, die sich in Instituten des geweihten Lebens zu den evangelischen Räten bekennen (profitentur), 15 also nur die Professen bzw. die durch ein Versprechen oder einen Eid an die evangelischen Räte gebundenen Ordensmitglieder, sind auch Postulanten und Novizen als Ordensangehörige anzusehen, da sie in die Ordensgemeinschaft aufgenommen wurden und sich unter voller Eingliederung in die ihrem Institut eigene Lebensweise konkret auf die Gelübdeablegung vorbereiten. 16

13

Vgl. Dammertz, Institute, S. 259 lf.

14 In can. 488 n. 7 CIC/1917 war dieser Personenkreis definiert und differenziert: "Religiosen" waren jene Personen. die in irgendeinem klösterlichen Verband (religio) Gelübde abgelegt hatten, Mitglieder von Kongregationen waren "Religiosen einfacher Gelübde" bzw. "Schwestern" (sorores), Angehörige von Orden "Regularen" bzw. "Nonnen" (moniales). Vgl. Morsdorf, Lehrbuch I, S. 491; Jone, Gesetzbuch I, S. 435 f. 15 Auch gern. can. 487 CIC/ 1917 ·der Eingang~>norm des Ordensrechts ·war fllr die Zugehörigkeit zum Ordensstand (status religiosus) das Ablegen von Gelübden (vota) erforderlich. 16

Siehe unten S. 166 ff. und 183 ff.

§ 2. Begriff des Ordensangehörigen

31

1. Die Angehörigen von Ordensinstituten C. 607 § 2 CIC definiert die Ordensinstitute (instituta religiosa) als Vereinigungen, in denen die Mitglieder nach dem Eigenrecht öffentliche Gelübde ablegen, seien es ewige oder nach Ablauf der Zeit zu erneuernde zeitliche, und ein brüderliches Leben in Gemeinschaft fiihren. 17 Unscharf und irrefuhrend ist die Übersetzung der "instituta religiosa" mit der Bezeichnung "Ordensinstitute". Sie fuhrt zwangsläufig zu einer Assoziation der "Orden" nach früherem Recht, unter denen gern. can. 488 n. 2, 1. HS. CIC/1917 nur jene Gemeinschaften zu verstehen waren, in denen feierliche Gelübde abgelegt werden. Orden sind u.a. die Benediktiner (Ordo Sancti Benedicti), die Franziskaner (Ordo Fratrum Minorum) und die Dominikaner (Ordo Fratrum Praedicatorum}. Ihnen gegenübergestellt waren die "Kongregationen", in denen gern. can. 488 n. 2, 4. HS. CIC/1917 nur einfache Gelübde abgelegt werden, seien es ewige oder zeitliche. 18 Kongregationen sind u.a. die Redemptoristen (Congregatio Sanctissimi Redemptoris), die Salesianer Don Boscos (Societas Salesiana Sancti Johannis Bosco), die Englischen Fräulein (Institutum Beatae Mariae Virginis) und die Salvatorianerinnen (Societas Divini Salvatoris). Die Unterscheidung in Orden und Kongregationen findet sich im CIC/1983 nicht mehr. C. 1192 § 2 CIC differenziert zwar noch zwischen feierlichen und einfachen Gelübden, doch haben beide Formen weitgehend dieselben Rechts· wirkungen. 19 Davon abgesehen ist in c. 607 § 2 nur von öffentlichen Gelüb· den, seien es ewige oder zeitliche, die Rede. Sowohl die in Orden als auch die in Kongregationen abgelegten Gelübde sind öffentliche Gelübde; sie zeichnen sich gern. c. 1192 § 1 CIC dadurch aus, daß sie im Namen der Kirche von einem rechtmäßigen Oberen entgegengenommen werden. Unter den Begriff der "instituta religiosa" bzw. der "Ordensinstitute" fallen demnach neben den Or-

17 Dem "institutum religiosum" des CIC/1983 entsprach die "religio" des CIC/ 1917, die in can. 488 n. I definiert war als eine von der rechtmäßigen kirchlichen Autorit1t gutgeheißene Vereinigung (societ.as), deren Mitglieder nach Maßgabe ihrer eigenen Verbandsvcrt"assung Offentliehe (amtliche) Gelübde, seien es ewige oder zeitliche, die nach Ablauf der Zeit zu erneuern sind, ablegen und so nach der evangelischen Vollkommenheit streben. Das Erfordernis des filr den Ordensstand (status religiosus) signifikanten gemeinschaftlichen Lebens (in communi vivendi modus) war in can. 487 festgelegt. Vgl. zu den Arten kirchlicher VerbAnde nach dem CIC/ 1917 M6rsdorf, Lehrbuch I, S. 489 f. und Koeniger/Giese, GrundzOge, S. 117 lf. 18 Feierliche Gelübde sind stets ewige Gelübde; einfache Gelübde kOMen ewige oder zeitliche Gelübde sein. Vgl. M6rsdorf, Lehrbuch I, S. 488. Zu den verschiedenen Arten der Gelübde s.u. S. 69f. 19 Der Untenchicd zwischen feierlicher und einfacher Profeß ist nur noch filr die Gestaltung des Armutsgelübdes nach Eigenrecht sowie dessen Rechtsfolgen relevant (c. 668 §§ 4 und 5 CIC); s.u. S. 69.

32

l. Teil: Allgerneine Vorgaben

den im eigentlichen Sinn auch die Kongregationen. Deshalb wäre es zutreffender, auch in der deutschen Übersetzung des CIC den Begriff "Religioseninstitute" zu verwenden. 20 Die Einfuhrung des Oberbegriffs der "Ordensinstitute" ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß das Annuario Pontificio 21 ebenso wie die Sehemalismen der Diözesen 22 die Orden und Kongregationen getrennt aufführen. 2. Die Angehörigen von Säkularinstituten Säkularinstitute (instituta saecularia) sind gern. c. 710 CIC Institute des geweihten Lebens, in welchen in der Welt lebende Gläubige nach Vollkommenheit der Liebe streben und sich bemühen, zur Heiligung der Welt, vor allem von innen her, beizutragen. 23 Der CIC/1917 enthielt noch keine die Säkularinstitute betreffenden Vorschriften, weil die kirchenamtliche Anerkennung der Säkularinstitute erst durch die Apostolische Konstitution "Provida Mater Ecclesia" v. 2.2.1947 24 erfolgte. Säkularinstitute sind u.a. die Schönstatt-Patres, die Schönstälter Marienschwestern und die Gemeinschaft Unserer Lieben Frau vom Wege. Von den Ordensinstituten unt(:rscheiden sich die Säkularinstitute dadurch, daß ihre Angehörigen in der Regel nicht in einer (klösterlichen) Gemeinschaft leben, sondern gern. c. 714 CIC ein Leben unter den gewöhnlichen Bedingungen der Welt fiihren. 25 Mit den Ordensinstituten gemeinsam haben die Säkularinstitute hingegen die Verpflichtung auf die drei evangelischen Räte, auch wenn diese Bindung nicht durch eine Profeß gern. c. 654 CIC erfolgt, sondern

20

Vgl. zu den terminologischen Schwierigkeiten Müller, Lebensgemeinschaften, S. 482 f.

21

Annuario Pontificio 199.5, S. 1367 ff.

22

Vgl. exemplarisch Schematismus der Erzdiözese München und Freising 1994, S. 897 ff.

23 Während die Säkularinstitute das Leben in der Welt auszeichnet, ist es bei den Ordensinstituten gern. c. 607 § 3 CIC die Trennung von der Welt. 24 AAS 39 (1947), 114 ff. Vgl. auch die Empfehlung und Belobigung der Säkularinstitute im Motuproprio "Primo feliciter" v. 12.3.1948, AAS 40 (1948), 283 ff. und die Instruktion der Religiosenkongregation "Cum Sanctissimus" v. 19.3.1948, AAS 40 (1948), 293 ff. Vgl. Weigand, Säkularinstitute, S. .511 ff. und Hofmeister, Rechtsverhältnisse der weltlichen Institute, S. 110 ff. 25 C. 714 CIC prtzisiert des weiteren, daß die Mitglieder eines Säkularinstituts das Leben unter den gewöhnlichen Bedingungen der Welt gerniß den Konstitutionen entweder allein oder jeder in seiner Familie oder in einer Gruppe brüderlichen Lebens zu fUhren haben. Da auch Säkularinstitute mit gemeinsamem, beinahe klösterlichem Leben existieren, ergeben sich schwierige Grenzziehungen zu den Ordensinstituten und den Gesellschaften des apostolischen Lebens. Vgl. Henseler, Ordensrecht, c. 710, Rdn. .5; Müller, Lebensgemeinschaften, S. 482 (Anm. 38).

§ 2. Begriff des Ordensangehörigen

33

durch eine Weihe, ein Versprechen oder einen Eid; 26 c. 712 CIC überläßt es den Konstitutionen, durch welche Form heiliger Bindungen (vincula sacra) 27 die evangelischen Räte übernommen werden und welche Verpflichtungen diese Bindungen entstehen lassen. 28 Die Gelübde, Versprechen oder anderen Bindungen, durch die sich die Mitglieder von Säkularinstituten zur Befolgung der evangelischen Räte verpflichten, sind keine öffentlichen Gelübde i.S.d. c. 1192 § 1 CIC, obwohl sie im Namen der Kirche von einem rechtmäßigen Oberen entgegengenommen werden. 29 Angehörige von Säkularinstituten sind sowohl die bereits durch die Weihe, den Eid oder eine andere Form des Versprechens zeitlich oder ewig an die evangelischen Räte gebundenen Mitglieder, als auch die gern. c. 720 CIC zur Probezeit zugelassenen Personen (ad probationem admissi). Daneben gibt es Mitglieder von Säkularinstituten in einem weiteren Sinn (Förderer der Gemeinschaft), die auch verheiratet sein können, aber nicht im Sinne von c. 710 CIC an die Gemeinschaft gebunden sind und keine eigentlichen Mitgliedschaftsrechte und -pflichten haben. 3° C. 725 CIC bezeichnet sie als durch irgendeine in den Konstitutionen festgelegte Bindung assoziierte Gläubige, die gemäß dem Geist des Instituts nach evangelischer Vollkommenheit streben und an dessen Sendung teilhaben sollen. Im Gegensatz zu den Mitgliedern i.S.v. c. 710 CIC sind sie nicht im eigentlichen Sinne Angehörige des Säkularinstituts und deshalb keine Ordensangehörigen. II. Die Angehörigen von Gesellschaften des apostolischen Lebens

Neben den Instituten des geweihten Lebens gibt es die Gesellschaften des apostolischen Lebens (societates vitae apostolicae), deren Mitglieder gern. c. 731 § 1 CIC ohne Ordensgelübde das der Gesellschaft eigene apostolische Ziel verfolgen, ein brüderliches Leben in Gemeinschaft führen und gemäß der

26 Art. 111 § 2 n. I der Apostolischen Konstitution "Provida Mater Ecclesia" v. 2.2.1947, AAS 39 (1947), 114, 121. Vgl. Mörsdorf, Lehrbuch I, S. 555 f. 27

C. 573 § 2 CIC spricht von "vota aut alia sacra ligamina".

28

Vgl. Henseler, Ordensrecht, c. 712, Rdn. 4.

Anderer Ansicht ist Weigand, Säkularinstitute, S. 514, der die Bindungen als "öffentliche" einschltzt, obwohl sich viele Säkularinstitute wegen der "öffentlichen Gelübde" in den Ordensinstituten weigern, ihre Gelübde oder sonstigen Bindungen so zu qualifizieren. Für die von Weigand vertretene Ansicht spricht aber auch, daß c. 1088 CIC das Ehehindernis der Gelübdebindung ausdrücklich auf jene öffentlichen (und ewigen) Gelübde beschränkt, die in einem Ordensinstitut abgelegt wurden. Diese Eingrenzung wlre überflüssig, wenn es bei Säkularinstituten bereits an der "Öffentlichkeit" der Gelübdebindung fehlen würde. Dieser Auffassung ist auch Henseler, Ordensrecht, c. 712, Rdn. 3. 29

30 3 Sailer

Morsdorf, Lehrbuch I, S. 556; We1gand, Säkularinstitute, S. 519.

34

I. Teil: Allgemeine Vorgaben

eigenen Lebensordnung durch Befolgung der Konstitutionen nach Vollkommenheit der Liebe streben. Gesellschaften des apostolischen Lebens sind u.a. die Palottiner (Societas Apostolatus Catholici), die Weißen Väter (Patres Albi) und die Blauen Schwestern von der Hl. Elisabeth. Im CIC/1917 (cann. 673 - 681) wurden die Gesellschaften des apostolischen Lebens noch als "Gesellschaften des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde" (societates in communi viventium sine votis) bezeichnet. Dieser Begriff kennzeichnet die Gesellschaften des apostolischen Lebens treffender als die neue Bezeichung gern. c. 731 § 1 CIC, weil er den entscheidenden Unterschied zu den anderen Verbänden benennt; das Charakteristikum des "Apostolats" im neuen Begriff fuhrt zu der irrigen Annahme, nur die Gesellschaften des apostolischen Lebens würden einer apostolischen Tätigkeit nachgehen. Durch das Apostolat zeichnen sich jedoch auch zahlreiche Ordensinstitute (vgl. cc. 673 - 683 CIC) und die Säkularinstitute (vgl. cc. 713 und 719 § I CIC) aus. 31 Die Gesellschaften des apostolischen Lebens verbindet mit den Ordensinstituten, daß sie wie jene eine gemeinschaftliche (klösterliche) Lebensweise vorsehen; sie unterscheiden sich aber von jenen dadurch, daß ihre Mitglieder keine Gelübde ablegen. Diesen Unterschied bewertet das kanonische Recht höher als die Gemeinsamkeit eines Kommunitätslebens, indem unter dem Oberbegriff der Institute des geweihten Lebens die eine Gelübdeablegung vorsehenden Ordensinstitute und Säkularinstitute zusammengefaßt sind, die Gesellschaften des apostolischen Lebens aber, von diesen Formen des Ordenslebens abgegrenzt, in einer eigenen Sektion behandelt werden. Diese Systematik des CIC überrascht deshalb, weil die Bindung der einzelnen Mitglieder der Institute des geweihten Lebens an die evangelischen Räte zumal diese Bindung bei den Säkulariositulen auch in Gestalt eines Versprechens, eines Eides oder einer Weihe erfolgen kann - rechtlich und tatsächlich bei weitem weniger prägend ist als das religiöse Gemeinschaftsleben. 32 In dieser Hinsicht stehen die Gesellschaften des apostolischen Lebens den Ordensinstituten sehr viel näher als die Säkularinstitute.33 Abgesehen davon gibt es gern. c. 731 § 2 CIC unter den Gesellschaften des apostolischen Lebens auch solche, in denen die Mitglieder durch irgendeine in den Konstitutionen festge-

31

Henseler, Ordensrecht, c. 731, Rdn. 1.

32

So auchMörsdorf, Lehrbuch I, S. 554.

33

Aymans, Kirchliches Verfassungsrecht, S. 91 (Arun. 36).

§ 2. BegritT des Ordensangehörigen

35

legte Bindung die evangelischen Räte übernehmen. Sie gehören im eigentlichen Sinne zu den Instituten des geweihten Lebens.34 Die Gesellschaften des apostolischen Lebens ohne Gelübde oder gelübdeähnliche Bindung kennen lediglich einen Aufnahmeakt (Einschreibung in das Mitgliederregister, Versprechen, Eid), der nicht unmittelbar auf die Übernahme der evangelischen Räte zielt. Andererseits gehört die Befolgung der evangelischen Räte zu der in den Satzungen eingehend geregelten und kirchlich anerkannten Existenz- und Wirkweise dieser Institute. Indem sich die Mitglieder bei ihrer Inkorporation der durch die Konstitutionen geregelten gemeinsamen Lebensordnung unterstellen (cc. 731 § 1, 737 CIC), verpflichten sie sich implizit auch zur Befolgung der evangelischen Räte. 35 Beweis fiir die nicht gelungene systematische Ordnung des Ordensrechts des CIC sind auch die zahlreichen Blockverweise in den Vorschriften über die Gesellschaften des apostolischen Lebens; 36 sie lassen erkennen, daß nicht nur fast alle Allgemeinnormen fiir die Institute des geweihten Lebens, sondern ebenso zahlreiche Einzelbestimmungen des Religiosenrechts auch fiir die Gesellschaften des apostolischen Lebens gelten. 37 Angehörige von Gesellschaften des apostolischen Lebens sind all jene Personen, die gern. c. 732 i.V.m. c. 597, c. 735 § 2 i.V.m. cc. 642 - 645 und c. 735 § 1 CIC i.V.m. der Satzung in sie aufgenommen wurden, also alle Mitglieder, obwohl sie nicht zum Stand des geweihten Lebens ("Ordensstand" im eigentlichen Sinn) gern. c. 574 § I CIC gehören. l/1. Eremiten und Jungfrauen Unter den "gemeinsamen Normen fur alle Institute des geweihten Lebens" finden sich auch jene über die Eremiten (c. 603 CIC) und die Jungfrauen (c. 604 § 1 CIC). Damit betritt der CIC Neuland, obwohl es sich bei der ere-

34

Henseler, Ordensrecht, c. 731, Rdn. 2.

35

Die Vermeidung des Begriffs der evangelischen Rate ist dadurch zu eridaren, daß bei vielen Verbanden in der Gründungszeit ein kirchlich approbiertes Gemeinschaftsleben auf der Grundlage der Räte nur mit eigentlichen OrdensgelObden in Frage kam und noch lange nach dem Zweiten Vatikanum hinreichender Anlaß zu der Befiirchtung bestand, das Bekenntnis zu den Räten habe notwendigerweise die Auferlegung ordensmäßiger Vollzugsweisen zur Folge. Vgl. Socha, Gesellschaften des apostolischen Lebens, S. 520. 36 Um eine Egalisierung der Ordensgemeinschaften zu verhindern, wurde in cc. 732 und 734 CIC die salvatorische Klausel hinzugeftlgt, wonach die eigene Natur bzw. Eigenart einer jeden Gesellschaft zu wahren ist. Vgl. Henseler, Ordensrecht, c. 732, Rdn. 4 und c. 734, Rdn. 2. 37 Aymans, Kirchliches Verfassungsrecht, S. 91 (Arun. 36) empfiehlt deshalb, die Sektion II ganz aufZugeben und die Besonderheiten der Gesellschaften des apostolischen Lebens nach den Ordensinstituten und vor den Sakularinstituten zu behandeln.

36

I. Teil: Allgemeine Vorgaben

mitischen und jungfräulichen Lebensweise um älteste kirchliche Lebensformen handelt. 38 Gern. c. 603 § 1 CIC anerkennt die Kirche außer den Instituten des geweihten Lebens auch das eremitische oder anachoretische Leben, in dem Gläubige durch strengere Trennung von der Welt, in der Stille der Einsamkeit, durch ständiges Beten und Büßen ihr Leben dem Lob Gottes und dem Heil der Welt weihen. Als im geweihten Leben Gott hingegeben wird der Eremit vom Recht gern. c. 603 § 2 CIC anerkannt, wenn er, bekräftigt durch ein Gelübde oder durch eine andere heilige Bindung, sich auf die drei evangelischen Räte öffentlich in die Hand des Diözesanbischofs verpflichtet hat und unter seiner Leitung die ihm eigentümliche Lebensweise wahrt. 39 Eremiten sind, da sie keiner Gemeinschaft angehören, keine Ordensangehörigen.40 Das kanonische Recht stellt jedoch klar, daß ihre Lebensfiihrung mit Gelübdebindung als "geweihtes Leben" anerkannt wird und sie deshalb zum "Stand des geweihten Lebens" gern. c. 574 § 1 CIC gehören. 41 Nach kanonischem Recht ist wesentliches Merkmal fur die Zugehörigkeit zum Ordensstand gern. c. 574 § 1 CIC die Gelübdebindung. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Eremiten nicht von den meisten Angehörigen von Säkularinstituten, die ebenfalls Gelübde ablegen und alleine leben. Deshalb ist es geboten, die Eremiten nicht nur zum Stand des geweihten Lebens gern. c. 574 § 1 CIC zu zählen, sondern den Ordensangehörigen gleichzustellen und die auf Ordensangehörige zugeschnittenen Normen des kirchlichen und des staatlichen Rechts gegebenenfalls auf sie analog anzuwenden. Außer diesen Formen des geweihten Lebens gibt es gern. c. 604 § 1 CIC den Stand der Jungfrauen (hisce vitae consecratae formis accedit ordo virginum), die zum Ausdruck ihres heiligen Vorhabens, Christus in besonders enger Weise nachzufolgen, vom Diözesanbischof nach gebilligtem liturgischen Ritus Gott geweiht, Christus, dem Sohn Gottes, mystisch anverlobt und fiir den Dienst der Kirche bestimmt werden. Gern. c. 604 § 2 CIC können die Jungfrauen Vereinigungen bilden, um ihr Vorhaben treuer zu halten und den ihrem Stande entsprechenden Dienst ftir die Kirche durch die gegenseitige Unterstützung zu steigern.

38

Hense/er, Ordensrecht, c. 603, Rdn. I.

39

Eine Mischform zwischen eremitischer und zönobitischer Lebensweise stellt das Leben der Kartäuser dar, vgl. Henseler, Ordensrecht, c. 603, Rdn. 4.

40 Anders verbält es sich mit Ordensangehörigen, die innerbalb ihres Verbandes als Eremiten leben; vgl. Dammertz, Institute, S. 262. 41

Henseler, Ordensrecht, c. 604, Rdn. I.

§ 2. Begriff des Ordensangehörigen

37

Die mißverständliche Formulierung von c. 604 § l CIC wirft die Frage auf, ob die Jungfrauen wie die Eremiten zum Stand des geweihten Lebens (c. 574 CIC) gehören. Das "accedit" könnte so verstanden werden, daß zu den (bisher genannten) Formen des geweihten Lebens noch eine weitere hinzutritt, die ebenfalls eine Form des geweihten Lebens ist. Das Verb "accedere" findet auch in c. 731 § 1 CIC Verwendung, wonach zu den Instituten des geweihten Lebens die Gesellschaften des apostolischen Lebens hinzukommen (accedunt); dort ist aber klar, daß die Gesellschaften des apostolischen Lebens - wie schon die Überschrift zum gesamten Ordensrecht ausweist - nicht zu den Instituten des geweihten Lebens gehören, obwohl sie ihnen nahestehen. 42 Der Kontext von c. 604 § 1 CIC unterscheidet sich jedoch von dem in c. 731 § 1 CIC insofern, als der Stand der Jungfrauen nicht zu den Instituten, sondern zu den Formen des geweihten Lebens hinzutritt. Das "hisce" könnte deshalb so zu verstehen sein, daß zu diesen (schon genannten) Formen, nämlich den Instituten des geweihten Lebens und den Eremiten, noch eine weitere hinzukommt. Für diese Interpretation von c. 604 § l CIC spricht neben der Überschrift des Titel I ("Gemeinsame Normen fiir alle Institute des geweihten Lebens") auch die Anordnung des unmittelbar folgenden c. 605 Satz l CIC, daß die Anerkennung neuer Formen des geweihten Lebens ausschließlich dem apostolischen Stuhl vorbehalten ist. Die Gesetzessystematik legt die Vermutung nahe, daß vor dem Verweis auf neue, künftig entstehende Formen des geweihten Lebens und deren kirchenamtliche Anerkennung erst alle bereits bestehenden Formen behandelt werden. Würden die Jungfrauen nicht zum Stand des geweihten Lebens gerechnet, hätte die sie betreffende Norm nach cc. 605 und 606 CIC eingeordnet werden müssen. Andererseits fehlt den Jungfrauen gern. c. 604 § l CIC das fur den Ordensstand gern. c. 574 § 1 CIC entscheidende Merkmal: die Verpflichtung auf die drei evangelischen Räte. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, sie zum Stand des geweihten Lebens zu zählen; ihr Stand ist jenem ähnlich, aber nicht gleichgestellt.43 Das "hisce" in c. 604 § l CIC ist deshalb so zu verstehen, daß neben diesen (schon genannten) Formen des geweihten Lebens noch eine weitere existiert, die nicht dazugehört. Die Jungfrauen i.S.d. c. 604 § l CIC sind deshalb keine Ordensangehörigen, auch nicht im weitesten Sinn; ebensowenig können Vorschriften des kanonischen und des staatlichen Rechts, die Rechtsverhältnisse der Ordensangehörigen regeln, auf sie analog angewandt werden.

42 43

Henseler, Ordensrecht, c. 604, Rdn. 2.

So Ruf, Recht der katholischen Kirche, S. 157 und Dammertz, Institute, S. 262, der die Jungfrauen selbst dann nicht zu den Mitgliedern des geweihten Lebens zählt, wenn sie sich gern. c. 604 § 2 CIC zu Gemeinschaften zusammenschließen. Anderer Ansicht sind Henseler, Ordensrecht, c. 604, Rdn. I und Prtmetshofer, Ordensrecht, S. 26.

38

I. Teil: Allgemeine Vorgaben

B. Terminologie der Konkordate

1. Reichskonkordat Die staatskirchenrechtliche Stellung der Ordensgemeinschaften und Ordensangehörigen wird maßgeblich von den Bestimmungen des Reichskonkordats v. 20.7.1933 gestaltet. 44 Art. 13 RK ordnet an, daß die Orden und religiösen Genossenschaften die Rechtsfähigkeit für den staatlichen Bereich nach den allgemeinen Vorschriften des staatlichen Rechts behalten bzw. erlangen. Sie bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie solche bisher waren; den anderen können die gleichen Rechte nach Maßgabe des für alle geltenden Gesetzes gewährt werden. 45 Auch Art. 15 Abs. 1 RK, der den Ordensverbänden Gründungs- und Niederlassungsfreiheil gewährleistet und ihre apostolische und caritative Tätigkeit schützt, verwendet die Begriffe "Orden und religiöse Genossenschaften". 46 Art. 25 Abs. 2 RK, der die privaten Ordensschulen betrifft, spricht hingegen von "Orden und religiösen Kongregationen", wohingegen bereits in Art. 25 Abs. 2 RK (Zulassung zum Lehramt) wieder von "Angehörigen von Orden oder religiösen Genossenschaften" die Rede ist. 47 Im Gegensatz zur deutschen Konkordatsversion zeichnet sich die italienische durch eine einheitliche Terminologie aus. Dort ist durchgängig von "gli Ordini e le Congregazioni religiose" die Rede. Obwohl Art. 34 RK ausdrücklich anordnet, daß der deutsche und der italienische Vertragstext gleiche Geltung haben, ist davon auszugehen, daß die deutsche Konkordatsversion auch bei Verwendung der Begriffe "Orden und religiöse Genossenschaften" nichts anderes bezeichnen wollte als "Orden und religiöse Kongregationen".48 Zum Zeitpunkt des Konkordatsabschlusses galt noch der CIC/1917, der in seinen ordensrechtlichen Bestimmungen zwischen "Orden" im eigentlichen Sinne (ordines) gern. can. 488 n. 2, l. HS. und den "Kongregationen" (congregationes) gern. can. 488 n. 2, 4. HS. unterschied. Aus diesem Grund läge es nahe, unter die Begriffe "Orden und religiöse Genossenschaften" - womit die

44

Text bei List/, Konkorda~ I, S. 34 ff

45

Diese Gewährleistung ist deshalb gegenstandslos, weil keine Vorschriften zum Erwerb des Körperschaftsstatus fllr Ordensgemeinschaften existieren; vgl. Fr•esenhahn, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S . .566, .569. Dieser Auffassung widerspricht jedoch die Rechtspraxis in Bayern; vgl. hierzu List/, Ordensgcmeinschaften, S. 849 f 46

Zur Terminologie der Konkordatsentwürfe vgl. Faber, Ordensleute, S. 27.

47

Das Schlußprotokoll zu Art. 24 RK (Text bei List/, Konkorda~ I, S . .5.5, .58) erwähnt die "Orden und Kongregationen". 48

Vgl. dazu auch Art. 33 Abs. I RK.

§ 2. Begriff des Ordensangehörigen

39

"Ordini e Congregazioni religiose" gemeint sind - nur die "Orden" und "Kongregationen" des kanonischen Rechts zu subsumieren. Säkularinstitute und Gesellschaften des apostolischen Lebens würden in diesem Fall von Art. 13, 15 und 25 RK nicht erfaßt.49 Gegen eine diese beiden Formen des Ordenslebens ausschließende Auslegung der Begriffe spricht aber der Briefwechsel zwischen der Apostolischen Nuntiatur in Bayern und dem Bay. Ministerpräsidenten aus dem Jahre 1923. 50 Darin äußert der Hl. Stuhl den Wunsch, es mögen im bayerischen Konkordat unter dem Begriff "Orden und religiöse Kongregationen" auch die "ordensähnlichen Gemeinschaften" verstanden werden, was die Einbeziehung der Gesellschaften ohne Gelübde des alten Rechts in den Geltungsbereich der Konkordatsbestimmungen bedeutet. Gegen diesen Wunsch hat die staatliche Seite keine Einwände erhoben. 51 Obwohl diese Frage in den Verhandlungen zum RK nicht angesprochen wurde, kann davon ausgegangen werden, daß die Vertragspartocr dort den gleichen Kreis von Ordensgemeinschaften berücksichtigt wissen wollten. 52 Die Säkularinstitute wurden erst durch die Konstitution "Provida Mater Ecclesia" v. 2.2.1947 kirchenamtlich anerkannt, 53 also lange nach Abschluß des Konkordats. Die fehlende Erwähnung der Säkularinstitute in den Konkordatsvorschriften ist deshalb kein Indiz dafür, das RK habe sie dauerhaft aus seinem Anwendungsbereich ausklammern wollen. Zudem hat eine vom Reichsinnenministerium in den Jahren 1924 und 1926 ausdrücklich gewünschte Beschränkung des Art. 6 RK auf die Mitglieder nur solcher Orden und Kongregationen, die satzungsgemäß zum gemeinsamen Leben verpflichtet sind, keinen Eingang in die Endfassung des Reichskonkordats gefunden. 54

49

So Schuller, Verhältnis von Kirche und Staat., S. 375 (Arun. 94).

50

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Akten des Staatsministeriums des Äußeren, Az.. 104495, Blatt 69 V. SI Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Akten des Staatsministeriums des Äußeren, Az.. 104495, Blatt 61 V. 52

Faber, Ordensleute, S. 27 [

53 AAS 39 (1947), 114 ff.; Vgl . auch Motuproprio "Primo feliciter" v. 12.3. 1948 Ober die Belobigung und Anerkennung der Sikularinstitute, AAS 40 (1948), 283 ff. und die Instruktion der Religiosenkongregation "Cum Sanctissimus" v. 19.3.1948, AAS 40 (1948), 293 ff. 54 Dies lndert jedoch nichts daran, daß Angehörige von Säkularinstituten wegen der N ichterftlllung der übrigen in Art. 6 RK genannten Tatbestandsvoraussetzungen ohnehin nicht in den Genuß der dort genannten Befreiungen kommen. Der personelle Anwendungsbereich des Art. 6 RK bitte sich demnach auch dann nicht verkleinert, wenn Art. 6 RK die vom Reichsinnenministerium vorgeschlagene Fassung erhalten hltte. Der Formulierungsvorschlag könnte deshalb nur zu Klarstellungszwcclcen erfolgt sein, ohne die Ausgrenzung der Angehörigen von Säkularinstituten an allen anderen Stellen

40

I. Teil: Allgemeine Vorgaben

Auch aus den übereinstimmenden Verbalnoten der Apostolischen Nuntiatur und des Deutschen Auswärtigen Amtes v. 22.2.1966 über die Auslegung von Art. 15 Abs. 2 Satz l RK geht hervor, daß die Säkularinstitute in die Bestimmungen des RK einbezogen sein sollen. 55 Aus diesem Grund ist es geboten, auch die Säkularinstitute und Gesellschaften des apostolischen Lebens unter den Begriff der "Orden und religiösen Genossenschaften" einzureihen, um ihnen die Gewährleistungen der Art. 13, 15 und 25 RK zugute kommen zu lassen. 56 Ähnliche Auslegungsschwierigkeiten ergeben sich dort, wo das Reichskonkordat von "Ordensleuten" spricht. Gern. Art. 6 RK sind Ordensleute frei von der Verpflichtung zur Übernahme öffentlicher Ämter und solcher Obliegenheiten, die nach den Vorschriften des kanonischen Rechts mit dem Ordensstande nicht vereinbar sind; dies gilt insbesondere von dem Amt eines Schöffen, eines Geschworenen, eines Mitglieds der Steuerausschüsse oder der Finanzgerichte.57 Art. 10 RK schützt das Ordensgewand (abito religioso) gegen den Gebrauch durch Laien oder unbefugte Ordenspersonen; Art. 32 RK betrifft die Mitgliedschaft von Ordensleuten in politischen Parteien. Die italienische Version bezeichnet die Ordensleute in den genannten Artikeln stets als "religiosi", was die Vermutung der Bezugnahme auf das kanonische Recht begründet. Dort waren im CIC/1917 gern. can. 488 n. 7 jene Personen als "religiosi" definiert, die in einem Orden oder in einer Kongregation Gelübde abgelegt haben. Angehörige von Säkularinstituten und Gesellschaften des apostolischen Lebens wären bei dieser Interpretation keine "Ordensleute" i.S.d. Reichskonkordats. Gegen ein ausschließlich an der kanonischen Terminologie orientiertes Begriffsverständnis spricht aber, daß auch das Reichskonkordat sich nicht überall streng am kanonischen Recht orientiert hat. Art. 10 RK schützt das Ordensgewand dagegen, von Laien (secolari) getragen zu werden, ohne dem Umstand Rechnung zu tragen, daß jeder nicht geweihte Ordensangehörige zum kanonischen Stand der Laien gehört. C. 588 § I CIC/1983 wiederholt ausdrücklich,

des RK zu intendieren, an denen von "Ordensleuten" die Rede ist. Vgl. Faber, Ordensleute, S. 28, 279 f. m.w.N. 55

AtkKR 135 (1966), 259 f.; Faber, Ordensleute, S. 28.

So auch He1merVPree/Primetshofer, Handbuch, Rdn. 51695. Eine Einbeziehung von Säkularinstituten und Gesellschaften des apostolischen Lebens postulieren auch VolVSt6rle, Handbuch, S. 394 mit dem Argument, die Gleichstellung mit den Orden und Kongregationen sei aus Gründen der Parität in Verbindung mit dem heutigen staatskirchenrechtlichen Verständnis von Staat und Kirche in seiner Gesamtheit geboten. 56

51 Vgl. § 34 Abs. I Nr. 6 GVG und § 23 Abs. 1 Nr. I VwGO; Hollerbach, Verfassungsrechtlicher Schutz, S. 570 f.

§ 2. Begriff des Ordensangehörigen

41

was sich bereits aus c. 207 CIC ergibt: Der Stand des geweihten Lebens (status vitae consecratae) ist seiner Natur nach weder klerikal noch laikal. 58 Für eine Interpretation von Art. 10 RK in dem Sinne, daß auch der Habit von Mitgliedern der Gesellschaften des apostolischen Lebens und der Säkularinstitute geschützt ist, spricht der Umstand, daß das staatliche Recht das Ordenskleid als Ausdruck der Zugehörigkeit zum Ordensstand betrachtet und aus diesem Grund seinem Schutz unterstellt. Ordensgewand i.S.d. Art. 10 RK ist deshalb das spezifische Gewand all jener ·Ordensangehörigen im weitesten Sinn, deren Gemeinschaften nach ihrem kanonischen Satzungsrecht ein Ordenskleid vorsehen. Das Tragen eines Ordenskleides (habitum) ist gern. c. 669 § 1 CIC nur den Mitgliedern der Orden und Kongregationen (religiosi) vorgeschrieben, doch sehen zahlreiche Gesellschaften des apostolischen Lebens und ebenso einige Säkularinstitute ein Ordensgewand vor. Deshalb sind auch sie als "Ordensleute" i.S.d. Art. 10 RK zu qualifizieren. Anders ist Art. 6 RK zu interpretieren. Mitglieder von Säkularinstituten sind zwar- ebenso wie in Art. 13, 15 und 25 RK- "Ordensleute", doch haben sie gern. c. 714 CIC ein Leben unter den gewöhnlichen Bedingungen der Welt zu führen. Die Übernahme öffentlicher Ämter, insbesondere des Amtes eines Schöffen, eines Geschworenen oder eines Mitglieds der Steuerausschüsse oder der Finanzgerichte ist deshalb durchaus nach den Vorschriften des kanonischen Rechts mit ihrem "Ordensstande" vereinbar. Ein Verbot, öffentliche Ämter anzunehmen, die eine Teilhabe an der Ausübung weltlicher Gewalt mit sich bringen, besteht hingegen gern. c. 672 i.V.m. c. 285 § 3 CIC für Mitglieder von Instituten des geweihten Lebens (Orden und Kongregationen), gern. c. 739 i.V.m. c. 285 § 3 CIC aber auch für Mitglieder von Gesellschaften des apostolischen Lebens. Deshalb unterfallen sie, anders als die Angehörigen von Säkularinstituten, Art. 6 RK ebenso wie die Angehörigen von Orden und Kongregationen. Gleiches gilt für die Interpretation des Begriffs der "Ordensleute" in Art. 32 RK, wonach sich der Hl. Stuhl zum Erlaß von Bestimmungen verpflichtet hat, die für die Ordensleute die Mitgliedschaft in politischen Parteien und die Tätigkeit für solche Parteien ausschließen. Ein entsprechendes Verbot richtet sich gern. c. 672 i. V.m. c. 287 § 2 CIC an die Mitglieder von Orden und Kongregationen, gern. c. 739 i. V.m. c. 287 § 2 CIC aber auch an Mitglieder von Gesellschaften des apostolischen Lebens. Mitgliedern von Säkularinstituten hingegen, die nach der Eigenart ihrer Institute ein weltliches Leben führen, ist

58 Die aktuelle kanonische Rechtslage unleßcheidet sich nicht von der, die zum Zeitpunkt des Konkordatsabschlusses galt; auch aus can. 488 n. 7 CIC/ 1917 ergibt sich, daß Ordensleute Kleriker oder Laien sein können. Zur Frage, ob der Ordensstand als dritter kanonischer Stand angesehen werden kann, vgl. Hilling, Kirchliche SUindelehre, S. 496 ff. undAymans, Konsoziatives Element, S. 338.

42

l. Teil: Allgemeine Vorgaben

die Tätigkeit in und für Parteien nicht untersagt. Der Begriff der "Ordensleute" in Art. 32 RK ist demnach so zu verstehen, daß er die Mitglieder von Säkularinstituten nicht erfaßt. 59 Einfacher gestaltet sich die Interpretation von Art. 15 Abs. 2 RK, wonach geistliche Ordensobere,60 die innerhalb des Deutschen Reiches ihren Amtssitz haben, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen müssen. Provinz- und Ordensoberen (Superiori provinciali e generali), deren Amtssitz außerhalb des deutschen Reichsgebietes liegt, steht, auch wenn sie anderer Staatsangehörigkeit sind, das Visitationsrecht bezüglich ihrer in Deutschland gelegenen Niederlassungen zu. In übereinstimmenden Verbalnoten v. 22.2.1966 61 haben sich die Apostolische Nuntiatur in Deutschland und das Deutsche Auswärtige Amt darauf verständigt, unter dem Begriff des "Geistlichen Ordensobern" in Art. 15 Abs. 2 Satz 1 RK folgende Obere zu verstehen: den Abtprimas; den Abt, der an der Spitze einer monastischen Kongregation steht; den Abt eines selbständigen Klosters, auch wenn es zu einer monastischen Kongregation gehört; ferner den obersten Leiter einer Ordensgenossenschaft; 62 den Provinzial; endlich alle anderen, die eine ähnliche Gewalt wie die der Provinziale haben. Dasselbe gelte für die entsprechenden Obern der Säkularinstitute.

JJ. Länderkonkordate Während sich im Preußischen Konkordat v. 14.6.1929 63 keine Bestimmungen zu Ordensgemeinschaften und Ordensangehörigen finden, ist im Bayerischen Konkordat v. 29.3.1924 64 - anders als im Reichskonkordat- einheitlich von "Orden und (religiösen) Kongregationen" die Rede, wenn die Ordensgemeinschaften und ihre Angehörigen Regelungsgegenstand sind. So gewährleistet Art. 2 Abs. 1 BayK, daß Orden und religiöse Kongregationen den kanonischen Bestimmungen gemäß frei gegründet werden können. Sie

59

Die Verpflichtung des Hl. Stuhls stand unter dem im Schlußprotokoll zu Art. 32 RK (fext bei

L1Srl, Konkordate I, S . .5.5, .59 f) vereinbarten Vorbehalt, daß vom Deutschen Reich bezüglich der nichtkatholischen Konfessionen gleiche Regelungen veranlaßt werden. Da das Deutsche Reich jedo; ein "Anwartschaftsrecht" hingegen liegt dann vor, wenn sich die Stellung des Anwartschaftsinhabers so verdichtet. daß bereits ein Anspruch auf Erstarken der Anwartschaft zum Vollrecht flir den Erwerber besteht. falls ein gewisses Ereignis eintritt. Ebenso Med1cus, Bürgerliches Recht. Rdn. 456. Vgl. BGHZ 45, 186, 189; 49, 197, 201; BGH NJW 35 (1983), 1639, 1640. Nach Med1cus, Bürgerliches Recht. Rdn. 487 ist der Übergang von der "Anwartschaft" zum "Anwartschaftsrecht" fließend, die gegenseitige Abgrenzung der beiden Begriffe mithin Geschrnacksfrage. 132 Anderer Ansicht ist GK-SGB VI/Boecken, § 5, Rdn. 103. 133

BSGE 50, 289,293 ~ Soz R 2200 § 1232 RVO Nr. 9, 15, 19.

134 Hanste~n/Schäfer, Ordensrecht. S. 147; Hegemann, Kranken- und Altersversorgung, S. 341.

190

3. Teil: Sozialversichenmg der Ordensangehörigen

Eine derartige Versorgungsanwartschaft gibt es nach kanonischem Recht fiir Novizen und Postulanten nicht. Gern. c. 653 CIC kann ein Novize jederzeit entlassen bzw. nach dem Noviziat nicht zur Profeßablegung zugelassen werden, ohne daß ein (gerechter) Grund hierfur vorliegen müßte. 135 Eine Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfahigkeit und im Alter haben gern. c. 689 §§ l und 2 CIC aber auch die zeitlichen Professen nicht: Ein Ordensangehöriger mit zeitlicher Profeß kann nach Ablauf der Profeßzeit aus gerechtem Grund von der weiteren Profeßablegung ausgeschlossen werden, insbesondere dann, wenn er physisch oder psychisch erkrankt ist. 136 Mit dem Ausscheiden nach der zeitlichen Profeß erlischt aber der aus dem Profeßvertrag resultierende Unterhalts- und Versorgungsanspruch. Eine Anwartschaft auf Versorgung läge bei einem zeitlichen Professen nur dann vor, wenn er eine Anwartschaft auf Ablegung der ewigen Profeß hätte, aus der dann der Anspruch gegen die Gemeinschaft auf Versorgung resultiert. Eine solche Anwartschaft auf Ablegung der ewigen Profeß wird jedoch durch c. 689 §§ 1 und 2 CIC gerade verhindert. Zeitliche Professen haben also hinsichtlich des Versorgungsanspruchs keine derart gesicherte Rechtsposition, daß von einer "Anwartschaft" gesprochen werden könnte. Eine rechtlich begründete Aussicht auf den Erwerb eines Versorgungsanspruchs besteht nämlich nur dann, wenn der Erwerb des "Vollrechts" nur noch von weiteren Tatbestandsvoraussetzungen abhängt, deren Eintritt durch Rechtshandlungen des "Schuldners" nicht mehr vereitelt werden kann. 137 Selbst wenn aber der zeitliche Professe alles seinerseits Erforderliche tut, um den Vollerwerb des Versorgungsanspruchs herbeizufiihren, scheitert dieser Erwerb dann, wenn er erkrankt und die Ordensgemeinschaft deshalb gern. c. 689 § 2 CIC die Möglichkeit hat, ihn nach Profeßablauf zu entlassen. Eine Erkrankung kann ihm aber nicht als Verschulden angelastet werden. Die Versorgung scheitert deshalb am Eintritt gcnau desjenigen Risikofalles, gegen den sie versichern soll. Genau genommen dürfte deshalb den zeitlichen Professen keine Versicherungsfreiheit gern. § 5 Abs. I Satz 1 Nr. 3 SGB VI gewährt werden. Als Ergebnis ist daher fcstzuhaltcn, daß über eine Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung allein die Ordensmitglieder verfugen, die ewige Gelübde abgelegt haben. Allein ihnen ist der Erwerb eines Versorgungsanspruchs gewährleistet. Mit dieser Gewährleistung verbindet sich

135 Gem. can. 571 §I CIC/1917 war noch das Vorliegen eines gerechten Grundes erforderlich. 136 Kriti~h dazu Henseler, Ordensrecht, c. 689 Rdn. I. Nach der Regelung des C1C/ 1917 war es genau umgekehrt; vgl. Storr, Sozialversicherung, 30 f 137 Vgl. BGHZ 54, 186, 189; 49, 197, 201; BHG NJW 35 (1983), 1639, 1640.

§ 8. Rentenversichenmg

191

gleichzeitig das Erfordernis, daß die Ordensgemeinschaft selbst bei Eintritt des Versorgungsfalles die Versorgung gewährt, wobei diese Voraussetzung auch erfüllt ist, wenn die Versorgungsleistungen von einer Versorgungseinrichtung erbracht werden, die von der Ordensgemeinschaft finanziert wird. 138 Die Versorgung braucht - anders als bei § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht das Niveau einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen zu haben. Dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht wird dadurch Rechnung getragen, daß die Anwartschaft (nur) "die in der Gemeinschaft übliche Versorgung" gewährleisten muß. 139 Mit dieser gegenüber § 5 Abs. l Satz l Nr. l und 2 SGB VI geringeren Anforderung an die Qualität der Versorgung wird berücksichtigt, daß die Gemeinschaften in der Regel Versorgungen gewähren, die nach Art und Umfang nicht beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprechen. 140 Ausreichend ist, daß es sich überhaupt um eine Versorgung, d.h. eine Sicherstellung der Lebensfuhrung des Ordensmitglieds im Falle einer Minderung der Erwerbsfähigkeit und im Alter handelt und diese der Höhe nach der in der jeweiligen Gemeinschaft unter Berücksichtigung des Armutsgelübdes regelmäßig gewährten Versorgung entspricht. Allerdings darf die Versorgung ein bestimmtes Mindestniveau nicht unterschreiten. Die gewährleistete Versorgung muß zumindest sicherstellen, daß das Verbandsmitglied nach Eintritt einer Minderung der Erwerbsfahigkeit und im Alter nicht auf Leistungen Dritter oder der Allgemeinheit angewiesen ist. 141 Ob dies der Fall ist, muß unter Heranziehung sozialhilferechtlicher Grundsätze (§§ 11 ff. BSHG) festgestellt werden, wobei wiederum die Besonderheiten der jeweiligen Gemeinschaft zu berücksichtigen sind. Eine ausreichende Versorgung wäre analog §§ 11 Abs. 1 Satz I, I2 Abs. 1 BSHG gewährleistet, wenn dem Ordensangehörigen der notwendige Lebensunterhalt gewährt wird, der insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Heizung und die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens umfaßt. 142 Die "in der Gemeinschaft übliche Versorgung" muß gern. § 5 Abs. I Satz I Nr. 3 SGB VI nur die Versorgung des Ordensmitglieds im Falle verminderter

138 Vgl. Clausmg, Versicherungsfreiheit, S. 503, 505. 139 GK-SGB VVBoecken, § 5, Rdn. 95; Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992, BT-Drucks. 11/4124, 151.

140 Wären diese Grundsätze zum Maßstab auch filr die Versorgung der Ordensangehörigen gemacht worden, so kirnen die wenigsten Ordensangehörigen in den Genuß der Versicherungsfreiheit; vgl. GK-SGB VVBoecken, § 5, Rdn. 104. 141 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992, BT-Drucks. 1114124, 151. 142

KK!Funk, § 5 SGB VI, Rdn. 50.

192

3. Teil: Sozialversichenmg der Ordensangehörigen

Erwerbsfähigkeit und im Alter gewährleisten. Die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ist somit nicht erforderlich. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß Ordensangehörige - anders, als der in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI genannte Personenkreis - nach ihrem Selbstverständnis keine versorgungsberechtigten Hinterbliebenen (Ehegatten, Kinder) hinterlassen. 143 Obwohl § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI nicht mehr die Voraussetzung einer lebenslänglichen Versorgung enthält, hat sich die Rechtslage gegenüber der alten Regelung gern. § 1231 Abs. 3 RVO bzw. § 8 Abs. 3 AVG nicht verändert. Die Gesetzesmaterialien enthalten keinen Hinweis darauf, daß nunmehr auch eine Anwartschaft auf eine nicht-lebenslängliche Versorgung ausreichen soll. Darüber hinaus erfordern Sinn und Zweck von § 5 Abs. 1 SGB VI, an sich versicherungspflichtige Personen nur dann aus dem Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung - die im Regelfall lebenslange Leistungen erbringt herauszunehmen, wenn die anderweitige Versorgung als ausreichende Alternative angesehen werden kann. Dies ist aber nur der Fall, wenn eine lebenslängliche Versorgung gewährleistet wird. 144 3. Sicherung der Gewährleistung Für den Eintritt der Versicherungsfreiheit gern. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI reicht es nicht aus, daß die Versorgungsanwartschaft nach den Regeln der Gemeinschaft gewährleistet ist. Die Erfüllung der Gewährleistung muß darüber hinaus auch tatsächlich gesichert sein. Erforderlich ist also eine tatsächliche Gewähr, daß die Ordensgemeinschaft bei Eintritt eines Versorgungsfalles in der Lage ist, die rechtlich verbürgten Versorgungsansprüche auch zu erftillen. 145

143 Nach GK-SGB VI!Boecken, § 5, Rdn. 102 wäre es wünschenswert gewesen, angesichtsder dennoch in Abhängigkeit von den Regeln einzelner Ordensgemeinschaften im Einzelfall bestehenden Möglichkeit des Vorhandenseins von Hinterbliebenen zumindest im Hinblick aufsolche Gemeinschaften auch die Notwendigkeit der Gewährleistung einer Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung vorzuschreiben. Andererseits können in Einzelt1Ulen auch dann Hinterbliebene hinterlassen werden. die nach sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten versorgungsberechtigt wären (§§ 1263 ff. RVO bzw. §§ 40 ff AVG), wenn die Gemeinschaftsregeln hierzu keine Bestimmungen enthalten. Wenn also auch die Gewährleistung der Hinterbliebenenversorgung zur Voraussetzung fiir die Versicherungsfreiheit gern. § 5 Abs. I Satz I Nr. 3 SGB VI gernacht würde, müßte dies gleichermaßen fiir alle Ordens· gerneinschaften gelten. Es würde jedoch dem Selbstverständnis einer Ordensgemeinschaft wider· sprechen und einen groben Eingriff in ihr Selbstbestimmungsrecht bedeuten. ihr eine Regelung der Versorgung von Hinterbliebenen ihrer Mitglieder abzuverlangen. um fiir diese Mitglieder die Versiehe· rungsfreiheit gern.§ 5 Abs. I Satz I Nr. 3 SGB VI zu erreichen.

144 GK-SGB VIIBoecken, § 5, Rdn. 106. 145 Welche Anforderungen an die Sicherung der Erfiillung der Gewährleistungen zu stellen sind, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen; vgl. GK-SGB VI!Boecken, § 5, Rdn. 107, 85 ff Von den Landesministerien wird als Gewährleistungsgarantie sowohl die Ausfallbürgschaft einer deutschen Diözese als auch eine Wirtschaftsprüferbescheinigung anerkannt.

§ 8. Rentenversicherung

193

Dieses zusätzliche Erfordernis trägt der Gefahr Rechnung, daß einige Gemeinschaften durch fehlenden Nachwuchs und Überalterung in Zukunft nicht mehr in der Lage sein könnten, die Altersversorgung ihrer Angehörigen sicherzustellen.146 Deshalb bedarf es für den Nachweis der tatsächlichen Sicherung der Versorgungszusage im Regelfall einer (zusätzlichen) Absicherung. 147 Eine solche zusätzliche Absicherung muß rechtlich verbindlich gewährleisten, daß bei Nichterfullbarkeit der Versorgungszusage durch die Ordensgemeinschaft ein Dritter die Versorgungslast übernimmt und dazu auch tatsächlich in der Lage ist. 148 a) Das Solidarwerk der katholischen Orden Deutschlands Um diesen Anforderungen zu genügen, haben die Vereinigung der Ordensoberinnen Deutschlands (VOD), die Vereinigung Deutscher Ordensobern (VDO) und die Vereinigung der Ordensobern der Brüderorden und -kongregationen Deutschlands (VOB) im Jahre 1991 das "Solidarwerk der katholischen Orden Deutschlands" gegründet. 149 Gern. § 2 seiner Satzung (SSW) 150 ist Zweck des Solidarwerks, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß seine Mitglieder - die einzelnen Ordensgemeinschaften - ihre durch Abschluß des Profeßvertrages ihren eigenen satzungsmäßigen Mitgliedern gegenüber übernommenen Verpflichtungen, diese bei verminderter Arbeitsfähigkeit und im Alter zu versorgen, jederzeit erfüllen, und daß sie dies den zuständigen staatlichen Behörden und Sozialhilfeträgern gegenüber nachweisen können. Zu diesem Zweck verpflichtet sich das

146

Vgl. Hegemann, Kranken- und Alt=versorgung, S. 339 f und Z1pperer, Rentetvefonnge-

setz, S. 8.

147 Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992, BTDrucks. 11/4124, 151; KK!Funk, § 5 SGB VI, Rdn. 40. 148 149

GK-SGB VI/Boecken, § 5, Rdn. 107.

Zur Gründung des Solidarwerks hatte insbesondere der Umstand gefiihrt, daß der Verband der Diözesen Deutschlands nicht bereit war, eine globale AusfallbOrg.schaft fiir alle Ordensgemeinschaften in Deutschland zu übernehmen. Dem Solidarwerk gehörten am 1.1.1994 317 Ordensverbinde an, die 331 in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Generalate, Provinzialate, Mutterbluser, Priorate und selbstlndige Klöster repräsentieren. Vgl. L1stl, Ordensgemeinschaften, S. 860 (Anm. 57). Zu dem im Jahre 1971 unternommenen Versuch, ein solidarisches Gemeinschaftsweric. zur Altersversorgung der deutschen Ordensleute zu gründen vgl. Jansen, Alt=versorgung.swerk, S. 445 ff. sowie "Das Modell des Solidarischen Gemeinschaftswerkes zur Altc:Tliversorgung der deutschen Ordensleute", abgedruckt in: OK 12 ( 1971 ), 456 ff. und Hegemann, Modell der Altersversorgung, S. 479 ff.

150 Revidierte Satzung des Solidarwerks der katholischen Orden Deutschlands zur Sicherung der Altersversorgung in den Mitgliedsgemeinschaften der Vereinigung der Ordensoberinnen Deutschlands (VOD), der Vereinigung Deutscher Ordensobern (VOO) und der Vereinigung der Ordensobern der Brüderorden und -kongregationen Deutschlands (VOB) i.d.F. v. 22.10.1993 (n.v.). Urfassung der Satzung v. 19.11.1991 in: OK 33 (1992), 179 ff.

13 Sail..-

194

3. Teil: Sozialversicherung der Ordensangehörigen

Solidarwerk gern. § 13 Abs. 1 SSW zur Hilfeleistung gegenüber Mitgliedsgemeinschaften, die nicht mehr in der Lage sind, die Versorgung ihrer vermindert arbeitsfahigen und alten Mitglieder sicherzustellen. 151 Die Hilfeleistung besteht gern. § 13 Abs. 3 SSW aus Sachleistungen, insbesondere der Zuweisung von Ordensangehörigen in geeignete Einrichtungen anderer Mitgliedsgemeinschaften, aus der Vermittlung oder Gewährung von Gelddarlehen und aus der Bereitstellung von Zuschüssen, sofern feststeht, daß die Mitgliedsgemeinschaft darlehensweise gegebene Gelder nicht zurückzahlen könnte. Im letztgenannten Fall kann der Ordensgemeinschaft aufgegeben werden, noch vorhandene Vermögensgegenstände im Gegenzug auf das Solidarwerk zu übertragen, wobei die Bestimmungen des c. 638 § 3 CIC zu beachten sind. Die erforderlichen Geldmittel werden auf der Grundlage eines Umlageverfahrens von den Mitgliedsgemeinschaften erhoben(§ 14 Abs. 2 e SSW). Über den Eintritt eines Leistungsfalles, die Art und Höhe der vom Solidarwerk zu erbringenden Leistungen sowie die Festlegung und Ausgestaltung von Umlagen entscheidet gern. § 11 Abs. 7 e und f SSW der Vorstand nach den von der Mitgliederversammlung gern. § 9 Ziff. g SSW aufgestellten Richtlinien. 152 Es ist jedoch vorgesehen, Geldmittel erst dann zur Verfugung zu stellen, wenn die Gewährung von Sachleistungen, insbesondere durch Zuweisung von Ordensangehörigen in geeignete Einrichtungen anderer Ordensgemeinschaften, nicht möglich ist. Deshalb verpflichten sich die Mitglieder des Solidarwerks gern. § 14 Abs. 2 d SSW, auf Beschluß des Vorstandes vermindert arbeitsfähigen und alten Ordensmitgliedern einer Mitgliedsgemeinschaft als Sachleistung in geeigneten Einrichtungen Aufnahme in ordensüblicher Weise zu gewähren. Der Vorstand des Solidarwerks hat dabei darauf zu achten, daß solche Zuweisungen, soweit möglich, in "Ordensfamilien" oder in Gemeinschaften ähnlicher Art erfolgen. Damit stehen verwandte Ordensgemeinschaften ("Ordensfamilien") vor anderen in der Pflicht. Eine Ablehnung der vom Solidarwerk vorgesehenen Zuweisung durch die um Aufnahme gebetene Ordensgemeinschaft bedarf einer stichhaltigen Begründung. Das Solidarwerk entscheidet jedoch auch darüber, in welcher Weise die aufnehmende Gemeinschaft eine angemessene Beihilfe fur die Aufnahme erhält und aus welchen

151 Diese Verpflichtung besteht jedoch nur gegenüber jenen Ordensgerneinschaften, die sich durch den Beitritt zum Solidarwerk filr den Weg der Ver.;icherungsfreiheit ihrer Angehörigen in der gesetzlichen Rentenver.;icherung entschieden haben. Damit ist eine Beteiligung des Solidarwerks an der Aufbringung von PflichtbeitrAgen zur Rentenvelliicherung ausgeschlossen; vgl. Schumacher, Kommentar, S. 196. 152 Hierbei sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Mitglieder, die Zahl der Angehörigen der einzelnen Ordensgemeinschaften sowie c. 638 § 3 CIC zu berücksichtigen; vgl. ebd., S. 191.

§ 8. Rentenversichenmg

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Mitteln sie finanziert wird. 153 Denn es wäre unbillig und entspräche nicht dem Solidaritätsgedanken des Solidarwerks, die Versorgung einer in Not geratenen Ordensgemeinschaft allein einer "ihr verwandten" Ordensgemeinschaft aufzubürden. Die Hilfeleistung des Solidarwerks gegenüber seinen Mitgliedsgemeinschaften ist jedoch zu deren eigenen Bemühungen um die Sicherstellung der Altersversorgung ihrer Angehörigen subsidiär. Gern. § 13 Abs. 1 Satz 2 SSW erfolgt eine Hilfegewährung durch das Solidarwerk bzw. dessen Mitgliedsgemeinschaften erst dann, wenn alle wirtschaftlichen, sachlichen und finanziellen Möglichkeiten einer Mitgliedsgemeinschaft erschöpft sind und keine Möglichkeit besteht, Dritte (wie z.B. Diözesen oder ausländische Provinzen) zur Versorgung bzw. zur Hilfeleistung heranzuziehen.154 Die vorrangige Eigenverantwortlichkeit einer Ordensgemeinschaft hat zur Folge, daß im Extremfall zunächst alle vorhandenen Vermögenswerte veräußert werden müssen, mit deren Erlös die Ordensmitglieder versorgt werden können, bevor das Solidarwerk Leistungen erbringt. Die Ordensgemeinschaften sind deshalb gern. § 14 Abs. 2 a SSW dem Solidarwerk gegenüber verpflichtet, die ihren eigenen satzungsmäßigen Mitgliedern durch Abschluß des Profeßvertrags au.f der Basis ihrer Satzung und der einschlägigen kirchenrechtlichen Normen zugesagte lebenslange Versorgung bei verminderter Arbeitsfähigkeit und im Alter durch geeignete wirtschaftliche Vorsorgemaßnahmen auf Dauer zu sichern. Die Solidaritätspflicht gegenüber den anderen Mitgliedsgemeinschaften im Solidarwerk gebietet, daß jede Gemeinschaft nach besten Kräften für die eigene Alterssicherung vorsorgt, um das Solidarwerk vor einem Leistungsfall zu schützen. Darüber hinaus besteht gern. § 14 Abs. 2 b SSW die Verpflichtung, den Vorstand des Solidarwerks über alle wesentlichen Vermögensänderungen zu informieren, die auf die für die Versorgung der eigenen Ordensmitglieder getroffenen Maßnahmen Auswirkungen haben. 155 Dies beinhaltet auch, dem Solidarwerk den aktuellen Stand der getroffenen Vorsorgemaßnahmen zur Altersversorgung der eigenen Ordensmitglieder offenzulegen und ihm hierüber gegebenenfalls Rechenschaft abzulegen.

153 Vgl. ebd., S. 195. 154 Ausnahmen von diesem Grundsatz sind gern.§ 13 Abs. 2 SSW möglich, wenn einzelne Versorgungstalle die Mitgliedsgemeinschaft so stark. belasten würden, daß sie dadurch ihren allgemeinen Versorgungspflichten gegenOber den übrigen vermindert arbeitsfahigen und alten Mitgliedern nicht mehr nachkommen könnte.

155 Das Verfiigungsrecht einer Ordensgemeinschaft über ihre Vermögenswerte wird dadurch jedoch in keiner Weise eingeschränkt; vgl. Schumacher, Kommentar, S. 194. 13°

196

3. Teil: Sozialversichenmg der Ordensangehörigen

Das Solidarwerk der katholischen Orden Deutschlands ist eingetragener Verein mit Sitz in München. 156 Organe des Solidarwerks sind die Mitgliederversammlung, der Vorstand und der Beirat (§ 6 SSW). Die Mitgliedschaft im Solidarwerk kann gern. § 4 Abs. 1 SSW von jeder Ordensgemeinschaft erworben werden, 157 die einer der drei Ordensobem-Vereinigungen angehört. Da deren Mitgliedschaft nur von Instituten des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens erworben werden kann, die von der katholischen Kirche anerkannt sind, ist sichergestellt, daß nur diese Ordensgemeinschaften Mitglieder des Solidarwerks werden können. Die Mitglieder des Solidarwerks haben bei Beendigung der Mitgliedschaft gern. § 5 Abs. 4 SSW keinen Anspruch auf das Vereinsvermögen. Im Falle des Austritts 158 oder des Ausschlusses 159 eines Mitglieds setzt der Vorstand des Solidarwerks die zuständige Landesbehörde hiervon in Kenntnis und weist diese darauf hin, daß eine Versorgungsgewährleistung durch das Solidarwerk nicht mehr besteht (§ 5 Abs. 5 SSW). Ebenso werden die Landesbehörden gern. § 15 Abs. 4 SSW informiert, wenn das Solidarwerk aufgelöst werden sollte. Dies belegt wiederum, daß das Solidarwerk nicht vorrangig zu dem Zweck eingerichtet wurde, die Altersversorgung der Angehörigen seiner Mitgliedsgemeinsch;;.ften sicherzustellen. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß jemals einzelne Ordensgemeinschaften die Leistungen des Solidarwerks in Anspruch nehmen werden. Primärer Zweck der Gründung des Solidarwerks ist vielmehr, den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zu genügen, um für die Angehörigen der betreffenden Ordensgemeinschaften die Freiheit von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu erreichen.160

156 Es ist beabsichtigt, das Solidalwcrk langfristig in die Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu überfiihren, da die Ansanunlung von Vermögenswerten fiir Unteßtützungsleistungen unter der Rechtsform eines als gemeinnützig anerkannten e. V. nicht ohne weiteres möglich und steuerlich ungünstig ist; vgl . Schumacher, Kommentar, S. 187. 151

Dies sind wohlgemerkt die zivilen Rechtsträger der Ot-densgemeinschaften; s.o. S. 23 (

158

Ein Austritt aus dem Solida/werk kann unter Einhaltung einer zweijährigen Kündigungsfrist

erfolgen.

159 Ein Ausschluß ist gern. § 5 Abs. 3 SSW nur "aus wichtigem Grund" möglich. Dieser ist dann gegeben, wenn das Mitglied schuldhalt in grobcr Weise die Interessen des Solidalwerks verletzt, insbesondere wenn es den nach der Satzung übernommenen Verpflichtungen !rotz mehrfacher Mahnung nicht nachkommt.

160

Vgl. § 2 SSW sowie Schumacher, Kommentar, S. 188, 197 und 198.

§ 8. Rentenversichenmg

197

b) Gewährleistungsentscheidung Über das Vorliegen der Voraussetzungen gern. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI entscheidet gern. § 5 Abs. 1 Satz 2 SGB VI die oberste Verwaltungsbehörde des Landes, in dem die Genossenschaft bzw. Gemeinschaft ihren Sitz hat. Bei Ordensgemeinschaften ist oberste Verwaltungsbehörde in den meisten Bundesländern das Kultusministerium. Gegenstand der Entscheidung ist die Feststellung, ob die Voraussetzungen der Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft sowie der Sicherung der Erfüllung der Gewährleistung vorliegen. 161 Die behördliche Entscheidungsbefugnis erstreckt sich somit - trotz des insoweit offenen Wortlauts von § 5 Abs. 1 Satz 2 SGB VI - nicht auf sämtliche in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI genannten Tatbestandsmerkmale, sondern beschränkt sich auf die dort genannten versorgungsrechtlichen Voraussetzungen. 162 Über den versicherungsrechtlichen Status eines Ordensangehörigen insgesamt entscheidet ausschließlich der zuständige Rentenversicherungsträger. Für den Eintritt der Versicherungsfreiheit gern. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist die Gewährleistungsentscheidung als Tatbestandsvoraussetzung konstitutiv. 163 Erst mit der behördlichen Feststellung des Vorliegens der versorgungsrechtlichen Voraussetzungen kann - sofern auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen - Versicherungsfreiheit eintreten. 164 Eine wirksame Gewährleistungsentscheidung - die auch mit rückwirkender Kraft ergehen kann - bindet auch die Rentenversicherungsträger und die Sozialgerichte. 165 Die Gewährleistungsentscheidung kann konkret fiir eine bestimmte Einzelperson oder generell fiir eine gesamte Personengruppe ergehen.166 Im Regelfall wird die Gewährleistungsentscheidung fiir die gesamte Ordensgemeinschaft getroffen.

161 Die Feststellung betriffi neben dem "ob" auch das "seit wann"; vgl. GK-SGB Vl/Boecken, § S, Rdn. 127. 162 Diese Begrenzung entspricht der bisherigen Rechtslage gern. § 1229 Abs. 2 RVO bzw. § 8 Abs. 2 AVG; vgl. GK-SGB Vl!Boecken, § S, Rdn. 126. 163 Ihrem Inhalt nach ist die Gewahrleistungsentscheidung deklaratorisch, da sie nicht die Verwrgungsanwartschaft bzw. die Sicherung ihrer Erfiillung herbeifiihrt, sondern lediglich deren Vorliegen bestätigt; vgl. KK!Funk, § S SGB VI, Rdn. 42; GK-SGB VI/Boecken, § S, Rdn. 128 und BSGE SO, 289 ff. (s.o. Arun. 133); BSGE 57, 117, 122. 164 BSGE SO, 289 ff. (s.o. Arun. 133); BSGE 57, 117, 122. Die Versicherung.o;freiheit tritt deshalb eigentlich nicht kraft Gesetzes ein, sondern durch die Entscheidung des Kultusministeriums; vgl. Rüfner, Rechtsgutachten, S. 10. 165 Vgl. dazu KK!Funk, § S SGB VI, Rdn. 43 und GK-SGB Vl/Boecken, § S, Rdn. 130 ff.

166 BSGE 50, 289, 293 (s.o. Arun. 133); BSGE 32, 76, 81 ; KK!Funk, § 5 SGB VI, Rdn. 43; GK-SGB Vl/Boecken, § S, Rdn. 136 ff.

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3. Teil: Sozialversicherung der Ordensangehörigen

C. Nachversicherung Gern. § 8 Abs. 2 Satz l Nr. 3 SGB VI werden Personen, die als satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen oder Angehörige ähnlicher Gemeinschaften versicherungsfrei waren oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind, nachversichert, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben und Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs. 2 SGB VI) nicht gegeben sind.167 Damit entspricht § 8 Abs. 2 Satz I SGB VI grundsätzlich der früheren Regelung gern. § 1232 Abs. 5 RVO bzw. § 9 Abs. 5 AVG, wonach satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen, Schwestern vom Deutschen Roten Kreuz und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften bei Ausscheiden aus ihrer Gemeinschaft fiir die Zeit ihrer Mitgliedschaft in der Gemeinschaft nachzuversichern sind, in der sie aus anderen Gründen als wegen einer Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung der Versicherungspflicht nicht unterlagen oder gern. § 1231 Abs. 3 RVO bzw. § 8 Abs. 3 AVG von der Versicherungspflicht befreit waren, weil ihnen die in der Gemeinschaft übliche lebenslängliche Versorgung gewährleistet war. I. Funktion Mit der Freistellung der Ordensangehörigen von der Versicherungspflicht, der sie gern. § 1 Abs. l Satz 1 Nr. 4 SGB VI dem Grunde nach unterliegen, erkennt der staatliche Gesetzgeber ihre ordensinterne Altersversorgung an, um eine Mehrfachvorsorge in verschiedenen Alterssicherungssystemen zu vermeiden. Fällt jedoch die ordensinterne Absicherung gegen die normalerweise von der gesetzlichen Rentenversicherung abgedeckten Risiken weg, so wird über die Nachversicherung die soziale Sicherung der Ordensangehörigen in der gesetzlichen Rentenversicherung wiederhergestellt. 168 Denn die Nachversicherung tritt als Ersatz an die Stelle der ordensinternen Versorgung und stellt den Ausgeschiedenen so, als ob er von Anfang an versicherungspflichtig gewesen wäre. 169 Diese nachträgliche Einbeziehung in die staatliche Rentenversiche-

167

Für Ordensangehörige, die dauernd im Ausland tätig waren, besteht die Möglichkeit der

[re1w1111gen Nachversicherung; vgl. BSG Urteil v. 15.6. 1976, Az.. II RA 116175 (n.v.) und Henseler, Ordensrecht, c. 702, Rdn. 4. 168

BSG SozR 2200 § 1232 RVO Nr. 3, 3, 5; BSGE 25, 24, 28 (s.o. Arun. 77).

169

Vgl. BSGE 27, 164, 166.

§ 8. Rentenversicherung

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rung erfullt damit eine wichtige Ergänzungsfunktion zu der den Ordensleuten gern. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI gewährten Versicherungsfreiheit 170 11. Voraussetzungen

Ein Ordensangehöriger wird gern. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI nachversichert, wenn er gern. § 5 SGB VI versicherungsfrei war oder gern. § 6 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit worden ist, ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden ist oder seinen Anspruch auf Versorgung verloren hat und keiner der Gründe fiir einen Aufschub der Beitragszahjung i.S.v. § 184 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI vorliegt. 1. Versicherungsfreiheit I Befreiung von der Versicherungspflicht Entsprechend ihrer Funktion als Instrument zur Kompensation einer letztlich nicht realisierbaren Versorgung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung beschränkt sich die Nachversicherung auf solche Personen, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren. Der Formulierung von § 8 Abs. 2 Salz 2 i.V.m. Satz 1 SGB VI ist zu entnehmen, daß nur solche Beschäftigungszeiten nachversichert werden können, während derer dem Grunde nach Versicherungspflicht bestanden hätte, aus einem der in § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB VI genannten Freistellungsgrunde jedoch Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht vorlag. 171 Demnach können weder Zeiträume nachversichert werden, in denen überhaupt keine Versicherungspflicht bestand, noch jene, fiir deren Dauer zwar Versicherungspflicht bestand, jedoch neben der Versicherungsfreiheit bzw. der Befreiung von der Versicherungspflicht aus einem der in § 8 Abs. 1 Satz I Nr. 1 bis 4 SGB VI genannten Gründe noch zusätzlich aufgrund anderer Freistellungstatbestände Versicherungsfreiheit bzw. Befreiung von der Versicherungspflicht vorlag. Dies fuhrt dazu, daß die sonst rentenversicherungsrechtlich folgenlose mehrfache Begründung von Versicherungsfreiheit bzw. Befreiung von der Versicherungspflicht im Nachversicherungsrecht zum Ausschluß der Nach-

170 GK-SGB VIJBoecken, § 8, Rdn. 18 f. Höcker, Nachversicherung, S. 5 definiert die Nachversicherung als die nachtrigliche Entrichtung von Rentenversicherungsbeitrigen im Bereich der Rentenversicherungsgesetze filr eine in der Vergangenheit liegende, an sich versicherungspflichtige Beschlftigung oder Titigkeit, die jedoch auf Grund von Ausnahmevorschriften versicherungsfrei oder vcrsicherunglibefreit war.

171 GK-SGB VIJBoecken, § 8, Rdn. 83. Die stets genannte zweite Alternative der "Befreiung von der Versichcrungspflicht" ist noch filr die Versicherungszeitriume vor 1992 relevant; nach neuer Rechtslage tritt die Vcrsicherungsfreiheit kraft Gesetzes ein.

200

3. Teil: Sozialversichenmg der Ordensangehörigen

versicherung fuhrt, sofern es sich nicht bei jedem der Gründe um einen solchen i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB VI handeJt.ln Dies folgt auch aus dem Zweck der Nachversicherung, nicht schlechthin alle zurückliegenden versicherungsfreien Beschäftigungszeiten abzudecken, sondern nur solche, während derer gerade deshalb auf die Versicherungspflicht verzichtet wurde, weil Aussicht auf eine anderweitige Versorgung bestand. Dies ist aber nicht der Fall, wenn zusätzlich zu einem der in § 8 Abs. 2 Satz l Nr. 1 bis 4 SGB VI genannten Gründe auch aufgrund eines anderen Tatbestands Versicherungsfreiheil vorlag bzw. Befreiung von der Versicherungspflicht gewährt wurde. 173 Deshalb können Ordensangehörige - die gern. § 1 Satz I Nr. 4 SGB VI stets dem Grunde nach versicherungspflichtig sind - nur dann nachversichert werden, wenn sie gern. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB VI "als satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder Angehörige ähnlicher Gemeinschaften" versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren, nicht hingegen, wenn die Ordensmitgliedschaft nur einer von mehreren Gründen fiir die Versicherungsfreiheit bzw. die Befreiung von der Versicherungspflicht war. 174 Unter der Prämisse, daß auch Novizen- und bei entsprechenden Bestimmungen des Eigenrechts auch Postulanten - satzungsmäßige Mitglieder und als solche versicherungsfrei sind, 175 wären auch sie nachzuversichern. wenn sie ohne Anspruch auf Versorgung oder Erwerb einer Versorgungsanwartschaft aus der Ordensgemeinschaft ausschieden. Nach der bis 1992 geltenden Rechtslage gern. § I232 Abs. 5 RVO bzw. § 9 Abs. 5 AVG war Voraussetzung fiir die Nachversicherung nur die Ordensmitgliedschaft, so daß auch jene Ordensangehörige nachzuversichern waren, die dem Grunde nach nicht versicherungspflichtig waren, weil sie die in § 1227 Abs. I Satz I Nr. 5 RVO bzw. § 2 Abs. I Nr. 7 AVG genannte Einkommensgrenze nicht erreichten. 176

m

GK-SGB VI/Boecken, § 8, Rdn. 84, 91.

173

Vgl. die Tatbestlnde in§ 5 Abs. 3 und 4 und§ 6 Abs. I Nr. I bis 4 SGB VI.

174

Dies laßt sich auch dem Gesetzeswortlaut entnehmen: § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB VI nimmt u.a. auf den Tatbestmd von § 8 Abs. 2 Satz I Nr. 3 SGB VI Bezug. der die Nachversicherung von Personen statuiert, die als satzungsmäßige Mitglieder versicherungsfrei waren. Dieser Umstand laßt vermuten, daß Ordensangehörige nicht nachversichert werden, wenn sie auch als satzungsmäßige Mitglieder versicherungsfrei waren. Vgl. GK-SGB VI!Boecken, § 8, Rdn. 93. 175 176

Siehe oben S. 183 ff.

Dies ergibt sich auch daraus, daß die in den anderen Absätzen des§ 1232 RVO bzw. § 9 AVG verwandte "sonst-versicherungspflichtig"-Formulierung in Abs. 5 der genannten Vorschriften fehlt. Vgl. BSGE 25, 24, 25 f. (s.o. Arun. 77); Brackmann, Handbuch, S. 626 e I f.; Rüfner, Rechtsgutachten, s. 4.

§ 8. Rentenversicherung

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2. Ausscheiden ohne Versorgungsanspruch oder Versorgungsanwartschaft Weitere Voraussetzung fur die Nachversicherung eines Ordensangehörigen gern. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist, daß er ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden ist oder seinen Anspruch auf Versorgung verloren hat. 177 Da sich dieses zweite Tatbestandsmerkmal des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB VI auf alle unter Nr. 1 bis 4 genannten Personen bezieht, ist generalisierend vom Ausscheiden "aus der Beschäftigung" die Rede. Bezüglich der Ordensangehörigen hat sich die Rechtslage im Vergleich zur alten Regelung gern. § 1232 Abs. 5 RVO bzw. § 9 Abs. 5 AVG jedoch nicht verändert; diese Bestimmungen sprachen vom Ausscheiden "aus der Gemeinschaft". 178 Sowohl das kanonische als auch das staatliche Recht enthalten Regelungen, wann ein Ordensangehöriger als "unversorgt aus der Gemeinschaft ausgeschieden" zu betrachten ist. Bei voneinander abweichenden Auffassungen der beiden Rechtskreise ist die Frage zu klären, welcher im Rahmen des § 8 Abs. 2 Satz l Nr. 3 SGB VI der Vorrang gebührt. a) Regelung des kanonischen Rechts Das kanonische Recht kennt mehrere, jeweils vom Stadium der Ordensmitgliedschaft abhängige Formen des Ausscheidens eines Ordensangehörigen aus seinem Verband. Gern. c. 653 § 1 CIC kann ein Novize seine Ordensgemeinschaft jederzeit frei verlassen, ebenso aber auch von der zuständigen Autorität entlassen werden.179 Nach abgeschlossenem Noviziat ist er gern. c. 653 § 2, 1. HS. CIC zur zeitlichen Profeß zuzulassen oder zu entlassen. Dies gilt entsprechend auch fiir Postulanten, die sich auf das Noviziat vorbereiten. Ein Ordensmitglied scheidet auch dann aus seiner Gemeinschaft aus, wenn es sie nach Ablauf der Profeßzeit gern. cc. 688 § l bzw. 726 § l CIC verläßt (derelinquit) oder gern. c. 689 § 1 CIC bei Vorliegen gerechter Gründe von der weiteren Profeßablegung ausgeschlossen wird, da dies analog c. 653 § 2, 1. HS. CIC die Entlassung (dimissio) zur Folge hat. Da die Rechtsbeziehungen

!TI Ein ausscheidender Ordensangehöriger, der weder alt noch berufsunlahig ist, bedarfnoch keiner Ven10rgung. Er scheidet deshalb inuner "unversorgt" aus. In diesem Fall ist vielmehr entscheidend, daß er auch keine Versorgungsanwartschaft erworben hat. Dennoch werden im Folgenden der Einfachheit halber sowohl die ohne Versorgungsanspruch als auch die ohne Versorgungsanwartschaft ausgeschiedenen Ordensangehörigen als "unvcnorgt aus der Gerneinschaft ausgeschieden" bezeichnet.

178 Auch § S Abs. I Satz I SGB VI spricht hinsichtlich Nr. I bis 3 pauschal von "Beschlftigung", was bei Nr. 3 nur die Ordenszugehörigkeit als solche meinen kann. 179 Siehe oben S. 94 f.

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3. Teil: Sozialversicherung der Ordensangehörigen

zwischen Mitglied und Ordensgemeinschaft auf die Zeit der Profeßdauer befristet waren, enden sie mit deren Ablauf. Mit dem Ende der Ordensmitgliedschaft erlischt somit auch der aus c. 670 CIC und dem Profeßvertrag resultierende Unterhaltsanspruch, so daß von einem unversorgten Ausscheiden gesprochen werden kann. Dies gilt in gleicher Weise für Postulanten und Novizen, die ihr Institut während oder nach der Postulats- bzw. Noviziatszeit freiwillig oder unfreiwillig verlassen. Gern. c. 702 § 1 CIC können rechtmäßig aus einem Ordensinstitut ausgetretene oder rechtmäßig aus ihm entlassene Ordensangehörige fur jegliche von ihnen geleistete Arbeit von dem Ordensinstitut nichts verlangen. Diese Vorschrift betrifft aber nur eine hypothetische Vergütung für die während der Ordenszugehörigkeit fur die Gemeinschaft erbrachten Leistungen. Deshalb bestünde nach dem Ausscheiden selbst dann kein Versorgungsanspruch, wenn eine einmalige Entgeltzahlung an den Ausgeschiedenen erfolgen würde. 180 Ein Austritt (Säkularisation) im eigentlichen Sinn liegt dann vor, wenn während bestehender Gelübdebindung auf Betreiben des Professen Dispens von den Gelübden gewährt und die Inkorporation in den Verband aufgehoben wird. 181 Da mit dem Austrittsindult alle Rechtswirkungen der Profeß wegfallen, enden auch die Inkorporation des Ordensangehörigen in seinem Verband und der aus ihr sowie dem Profeßvertrag resultierende Unterhaltsanspruch. Die Ordensmitgliedschaft endet jedoch erst zu dem Zeitpunkt, in dem das Austrittsindult gern. c. 692 CIC rechtmäßig gewährt, dem Mitglied bekanntgegeben und bei der Bekanntgabe von dem Mitglied selbst nicht zurückgewiesen wird. Zwischen dem faktischen Verlassen der Ordensgemeinschaft und der Indultgewährung liegt in der Regel ein im Fall des Austritts während der zeitlichen Gelübdebindung gern. c. 688 § 2 CIC kürzerer, im Falle des Austritts nach Ablegen der ewigen Profeß gern. c. 691 CIC aufgrundder gegebenenfalls bestehenden Zuständigkeit des Apostolischen Stuhls längerer Zeitraum. Von einem unversorgten Ausscheiden könnte nach kanonischem Recht erst ab dem Zeitpunkt der Indultgewährung gesprochen werden, da bis zu der wirksamen Beendigung der Ordensmitgliedschaft der Unterhaltsanspruch des Ordensmitglieds gegen seinen Verband gern. c. 670 CIC fortbesteht. Andererseits verläßt der Ordensangehörige freiwillig seinen Verband; beginnend mit dem faktischen Verlassen der Gemeinschaft kommt er in der Regel nicht mehr seinen Pflichten aus dem Profeßvertrag und c. 668 § 3 CIC nach, seine Ar-

180 Da eine dmutige Entgeltzahlung gern. c. 702 § I CIC nicht erfolgt, kann die Frage offenbleiben, ob sich diese Summe derart kapitalisieren ließe, daß sie die Versorgung des Ausgeschiedenen sichcmcllen könnte. In diesem Falle würde der Ordensangehörige dann ver!orgt ausscheiden. 181

SieheobenS.95f.

§ 8. Rentenversicherung

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beitskraft dem Verband zu Verfugung zu stellen und alles, was er erwirbt, fiir sein Institut zu erwerben. Aus dem Rechtsgedanken der Einrede des nichterfüllten Vertrags kann deshalb die Ordensgemeinschaft die Fortsetzung der Unterhaltsleistungen verweigem. 182 Zudem dienen die erschwerten Voraussetzungen fur einen Austritt gern. cc. 688 § 2, 691 CIC dazu, eine vorschnelle und unbegründete Entpflichtung des Ordensangehörigen von seinen Gelübden zu verhindern. Zielsetzung der Vorschriften ist somit in erster Linie die Wahrung der Ordensdisziplin und der Schutz der Ordensgemeinschaft Aus diesem Grund darf dem Ausgetretenen das Intervall zwischen dem Verlassen der Gemeinschaft und der Indultgewährung nicht zugutekommen. Der Unterhaltsanspruch kann somit ab dem Zeitpunkt, ab dem der Ordensangehörige seinerseits seinen Verpflichtungen aus dem Profeßvertrag nicht mehr nachkommt, nicht mehr durchgesetzt werden. Ein Ordensangehöriger ist deshalb im Falle eines Austritts bereits mit dem faktischen Verlassen der Gemeinschaft unversorgt, doch scheidet er rechtlich erst mit der Indultgewährung aus ihr aus. Ein Ordensangehöriger scheidet auch dann aus seiner Gemeinschaft aus, wenn er von der zuständigen kirchlichen Autorität entlassen wird. Die Entlassung tritt von Gesetzes wegen ein bei Erfüllung der in c. 694 § I CIC enumerativ genannten Tatbestände; bei Vorliegen anderer Tatbestände ist sie gern. cc. 695 ff. CIC in Form eines Verfahrens vorzunehmen. 183 Das Ausscheiden aus der Ordensgemeinschaft vollzieht sich in den Fällen des c. 694 CIC zu dem Zeitpunkt, in dem einer der dort genannten Tatbestände vorliegt, in den Fällen der cc. 695 ff. CIC hingegen erst zu dem Zeitpunkt, in dem das Entlassungsdekret gern. c. 700 CIC rechtskräftig wird. Der Eintritt der Rechtskraft wird jedoch aufgeschoben, wenn das Ordensmitglied innerhalb von zehn Tagen nach Bekanntgabe des Entlassungsdekrets Beschwerde an die zuständige Autorität einlegt. Deshalb gilt fur den Fall der Entlassung gern. cc. 695 ff. CIC, daß der aus der Ordensmitgliedschaft gern. c. 670 CIC sowie aus dem Profeßvertrag resultierende Unterhaltsanspruch nach kanonischem Recht erst mit der Rechtskraft des Entlassungsdekrets endet. Für den Fortbestand des Unterhaltsanspruchs bis zu diesem Zeitpunkt spricht auch, daß c. 700 CIC hohe Anforderungen - sowohl hinsichtlich des Tatbestands als auch des Verfahrens - an die Entlassung eines Ordensangehörigen stellt. Die Verpflichtungen, die sich aus dem Profeßvertrag fur die Ordensgemeinschaft ergeben, sollen demnach nur unter erschwerten Bedingun-

182 So im Ergebnis auch das von Scheuermann, Nachver.;icherung, S. 62 zitierte Urteil des LG München I vom 28.3.1939 (n.v.). 183 Siehe oben S. 96 f.

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3. Teil: Sozialversichenmg der Ordensangehörigen

gen aufgehoben werden können, um fiir einen größtmöglichen Schutz des unfreiwillig ausscheidenden Ordensangehörigen zu sorgen. Von der die Ordensmitgliedschaft beendenden Exkorporation in den Formen des Austritts und der Entlassung sind die Exklaustration und die Beurlaubung eines Ordensangehörigen zu unterscheiden. Sowohl eine erbetene Exklaustration gern. c. 686 § 1 CIC als auch eine gern. c. 686 § 3 CIC zwangsweise auferlegte fuhren zur zeitweiligen Ausgliederung eines Ordensangehörigen mit ewigen Gelübden, lassen aber seine Ordenszugehörigkeit unberührt. Ob aber die Anpassung der Gelübde, insbesondere des Annutsgelübdes, an die veränderte Lebenssituation, den Unterhaltsanspruch des Exklaustrierten gegen seinen Verband entfallen läßt, ist umstritten. Einerseits erhalten exklaustrierte Ordensmitglieder während der Dauer ihrer Exklaustration die Verwaltung ihres Vermögens zurück. 184 Dies könnte rechtfertigen, im Gegenzug die Verpflichtung der Ordensgemeinschaft zur Unterhaltsgewährung zu lockern. Andererseits bewirkt c. 687 Satz 1, 1. HS. CIC keine Modifikation von c. 668 § 3 CIC, wonach der Ordensangehörige alles, was er erwirbt, fiir seinen Verband erwirbt. 185 Denn c. 668 § 3 CIC ist Rechtsfolge der Verbandsmitglieds,;::haft und diese bleibt von der Exklaustration unberührt. Deshalb muß umgekehrt auch die aus der Mitgliedschaft des Ordensangehörigen fur den Verband resultierende Verpflichtung gern. c. 670 CIC fortbestehen, wonach "den Mitgliedern" Unterhalt zu gewähren ist. 186 Nach anderer Ansicht verbiete nicht nur die Billigkeit, sondern auch die Gerechtigkeit, dem Verband die Unterhaltspflicht aufzubürden, da das Mitglied fur die ordenseigenen Werke ausfalle, fiir die gemeinsame Kasse nichts beisteuere und dem Verband in vielen Fällen durch die der Exklaustration nachfolgende Säkularisation ganz verlorengehe. Einer unbilligen Härte sei durch die dem Exklaustrierten offenstehende Möglichkeit vorgebeugt, jederzeit in die Sorge des Verbandes zurückkehren zu können. 187 Dieser Ansicht ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Möglichkeit der Rückkehr in den Verband nur den Ordensmitgliedern offensteht, die freiwillig exklaustriert wurden. Zudem könnte das Argument der Billigkeit umgekehrt gerade in Fällen der zwangsweise auferlegten Exklaustrationfi.ir die Unterhalts-

184 Knmmel, Rechtsstellung, S. 73, 78. 185 So zutreffend Knmme/, Rechtsstellung, S. 78; ähnlich S1epen, Vermögensrecht, S. 244; a.A. Menges, Vermögensrechtliche Auswirkungen, S. 192 (Anm. 66). 186 SchOnstemer, Ordensrecht, S. ~97; Lellner, Kirchenrecht, S. 485; Chelodi, lus de Personis, 186).

s. 449 (Anm.

187 So Knmmel, Rechtsstellung, S. 78; Schäfer, Religiosi, S. 915 (Rdn. 153~); Menges, VCTmögensrechtliche Auswirkungen. S. 191; S1epen, Vermögensrecht, S. 24~.

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pflichtdes Verbands angefl.ihrt werden, zumal c. 686 § 3 CIC gerade fiir diese Fälle die Wahrung von Billigkeit und Liebe vorschreibt. 188 Vor allem die strengen Voraussetzungen und die Zuständigkeit des Diözesanbischofs bzw. des Hl. Stuhls sprechen fiir den Schutz des Ordensangehörigen und den Fortbestand der Unterhaltsverpflichtung seines Verbands. Einer zusätzlichen Belastung kann die Ordensgemeinschaft allenfalls dadurch begegnen. daß sie eine erbetene Exklaustration nur unter der Bedingung gewährt, daß der Exklaustrierte (ganz oder teilweise) selbst fiir seinen Lebensunterhalt sorgen muß. Denn das Ordensmitglied hat aus c. 670 CIC und dem Profeßvertrag zwar einen Anspruch auf den institutsüblichen Unterhalt, jedoch keinen Anspruch aus c. 686 § I CIC auf Exklaustrierung, egal ob mit ihr die Unterhaltsleistung der Ordensgemeinschaft fortgesetzt wird oder nicht. Auch die Beurlaubung gern. c. 665 § I Satz 2 CIC entbindet das Ordensmitglied von der Verpflichtung des Gemeinschaftslebens, läßt aber seine Mitgliedschaft im klösterlichen Verband unberührt. 189 Die im Profeßvertrag von der Ordensgemeinschaft und dem Ordensangehörigen eingegangenen sowie die aus der Ordenszugehörigkeit resultierenden Rechte und Pflichten bestehen somit fort. Dies gilt auch für die aus dem Profeßvertrag und c. 670 CIC resultierende Unterhaltspflicht der Ordensgemeinschaft. Es mag zwar gerade in den Fällen, in denen die Beurlaubung zur Überprüfung der Berufung erteilt wird, sinnvoll sein, dem Ordensangehörigen die Bestreitung seines Lebensunterhalts durch eigene Arbeitsleistung aufzugeben, um ihm eine finanzielle Unabhängigkeit vom Verband zu sichern und ihn in die Situation zu bringen, in der die anderen Glieder der Kirche leben. 190 Zudem wünscht däs Ordensmitglied selbst seine zeitweilige Beurlaubung, die für die Ordensgemeinschaft in der Regel zu einer gegenüber der klosterinternen Versorgung größeren finanziellen Belastung führt. Dies ändert jedoch nichts an dem Anspruch des Ordensangehörigen gegen seinen Verband auf Unterhaltsgewährung. Ebenso wie bei der Exklaustration hat der Verband die Möglichkeit, die Beurlaubung zu versagen oder mit der Bedingung zu versehen, daß der Ordensangehörige selbst für seinen Unterhalt aufkommen muß. Der Unterhaltsanspruch aus dem Profeßvertrag und c. 670 CIC besteht deshalb in allen Fäl-

188 Folgt man der Ansicht, wonach auch ein zwangsweise Exklaustrierter keinen Unterhaltsanspruch aus c. 670 CIC besitzt, w!re zu überlegen, ob er nicht Anspruch auf" ermessensfehlerfreie Entscheidung" gern. c. 686 § 3 CIC hat. 189 Siehe oben S. 98 f. 190 Menges, Vermögensrechtliche Auswirkungen, S. 189 rät deshalb von einer monatlichen Unterstützungsleistung grundsätzlich ab und empfiehlt die Gewährung eines Darlehens, dessen Rückzahlung hinflillig wird, wenn der Beurlaubte in den klösterlichen Verband zurückkehrt.

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3. Teil: Sozialversicherung der Ordensangehörigen

len der Beurlaubung fort, mit Ausnahme derer, in denen dieser Anspruch durch eine Vereinbarung zwischen dem Ordensangehörigen und seinem Verband abbedungen wurde. 191 Als Ergebnis ist festzuhalten, daß nach kanonischem Recht ein Ordensangehöriger nur und erst dann unversorgt aus seiner Gemeinschaft ausscheidet, wenn seine Ordensmitgliedschaft endet. Anders verhält es sich nur im Fall des Austritts; dort ist das Ordensmitglied bereits mit dem faktischen Verlassen der Ordensgemeinschaft unversorgt, doch scheidet es erst mit der Indultgewährung aus. b) Bewertung des sta.'ltlichen Rechts Nach Auffassung des staatlichen Gesetzgebers und der staatlichen Rechtsprechung ist das "Ausscheiden" als spezifisch sozialversicherungsrechtlicher Begriff allein nach rentenversicherungsrechtlichen Merkmalen zu beurteilen. Für die Feststellung, ob und seit wann ein Ausscheiden vorliegt, haben das kodikarische Recht und die Konstitutionen der Gemeinschaft außer Betracht zu bleiben. 192 Dies folgt bereits daraus, daß kanonische Maßnahmen und Regelungen in dem auch das Sozialversicherungsrecht umfassenden staatlichen Zuständigkeitsbereich keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfalten können. 193 Ein Ausscheiden im sozialversicherungsrechtlichen Sinn liegt deshalb beifaktischem Ausscheiden aus der Gemeinschaft vor, 194 also dann, wenn der Ordensangehörige aus seinem Kloster auszieht und die Gemeinschaftsbindung tatsächlich beendet. 195 Ein Verbandsmitglied, das eigenmächtig den Verband in der Absicht verläßt, nicht mehr zurückzukehren, wird in diesem Sinne vom

191 In diesem Sinne sind Satzungsbestimmungen zu verstehen, die den Unterhaltsanspruch der exklaustrierten Mitglieder generell ausschließen. Derartige Bestimmungen finden sich z.B. in Nr. 38. 3. der Statuten der Beuroner Benediktinerkongregation und Nr. 27 Abs. 3 der Statuten der Benediktinerinnen von der ewigen Anbetung des Heiligsten Sakramentes. Andere Satzungen verweisen lapidar darauf, daß "die zivilrechtliehen Verhältnisse gesondert zu regeln" seien, so z.B. Rdn. 123, 130 der Satzungen der Bayerischen Benediktinerkongregation. 192 BSGE 38,221 ff. = KirchE 14 (1980), 200 ff = OK 20 (1979), 60 ff.; Bay. LSG KirchE II (1975), 337 ff = OK 12 (1971), 326 ff. Vgl. GK-SGB Vl!Boecken, § 8, Rdn. 48 ff und Farnstemer, Versicherungspflicht, S. 299 f 193 BSGE 38, 221,222 (s.o. Arun. 192) unter Verweis aufBVerfGE 18,385 ff 194 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDV!CSV, SPD und FDP zum RRG 1992, BT·Drucks. 11/4124, 152. 195 Nach Ansicht von Storr, Sozialversicherung, S. 91 ist der Begriff des tatsächlichen Aus· scheidens zu unbestimmt; es fehlt eine nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erforderliche gesetzliche Definition.

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Staat als aus dem Verband ausgeschieden betrachtet. 196 Dabei kann offenbleiben, ob nach Kirchenrecht auch die satzungsmäßige Mitgliedschaft endet. Ein Ausscheiden im sozialversicherungsrechtlichen Sinn liegt auch dann vor, wenn die Ordenszugehörigkeit (die "Beschäftigung") unterbrochen wird. 197 Dies resultiert daraus, daß die vorübergehende Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses gern. § 184 Abs. 2 SGB VI einen Aufschubtatbestand darstellt, der den Eintritt des Nachversicherungsfalles gern. § 8 Abs. 2 Satz l Nr. 3 SGB VI hindert. Die Qualifikation der vorübergehenden Unterbrechung als Aufschubgrund wäre unverständlich, wenn eine Unterbrechung als solche, sei sie vorübergehend oder längere Zeit andauernd, kein Ausscheiden i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz I Nr. 3 SGB VI begründen würde, da dann schon aus diesem Grund kein Nachversicherungsfall vorläge. 198 Bei Zugrundelegung der staatlichen Auffassung vom Begriff des Ausscheidens ergibt sich, daß auch für die Unterbrechung der Verbandszugehörigkeit die faktischen Umstände maßgeblich sind. Deshalb liegt in Fällen der Beurlaubung und der Exklaustration aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht eine Unterbrechung der Ordenszugehörigkeit und damit ein Ausscheiden vor, 199 wenngleich der Eintritt des Nachversicherungsfalles und die Beitragszahlungspflicht in der Regel wegen § 184 Abs. 2 SGB VI aufgeschoben sind. Entscheidend ist jedoch, ob der Ordensangehörige unversorgt ausscheidet. Der Begriff der Versorgung entspricht dem in § 5 Abs. I Satz I Nr. 3 SGB VI verwandten; ein Ordensangehöriger scheidet deshalb unversorgt aus seiner Gemeinschaft aus, wenn er zum Zeitpunkt des faktischen Ausscheidens keine Versorgung zu erwarten oder zu beanspruchen hat, die ihm nach dem in der Gemeinschaft üblichen Maß gegen Invalidität und im Alter Schutz gewährt. 200 Dieselben Folgen treten ein, wenn zeitlich nach dem Ausscheiden der Versorgungsanspruch verlorengeht Unerheblich ist dabei, ob der Anspruch aus

196 BSGE 38, 221 ff. (s.o. Arun. 192); SG Köln KirchE 17 (1984), 15, 18 f = OK 20 (1979), 67, 70. 197 BSGE 35, 183, 184. 198 GK-SGB Vl/Boecken, § 8, Rdn. 50. Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992, BT-Drucks. 11 /4124, 187 weist folgerichtig darauf hin, daß es bei einer unerheblichen Unterbrechung bereits an einem Ausscheiden fehlt.

199 So auch BSGE 38, 221, 222 (s.o. Arun. 192); vgl. dazu den kritischen Kommentat von Hegemann in: OK 20 (1979), 63, 64, 66 f in einem vergleichbaren Fall hingegen hat das SG Köln KirchE 17 (1984), 15 ff. (s.o. Arun. 196) den Beginn einer Beurlaubung wegen der tatsAchlichen UmstAnde nicht als Ausscheiden gewertet. 200

GK-SGB Vl/Boecken, § 8, Rdn. 56.

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3. Teil: Sozialversichenmg der Ordensangehörigen

rechtlichen Gliinden erlischt oder nur tatsächlich nicht erfullt wird. 201 Der Versorgungsanspruch muß jedoch vollständig und endgültig weggefallen sein; die Nachversicherung hat nicht die Funktion, quantitative oder temporäre Einschränkungen des Versorgungsanspruchs zu kompensieren. 202 c) Verfassungsrechtliche Problematik Die Auffassung des staatlichen Rechts, daß bereits mit faktischem Ausscheiden aus dem Ordensverband von einem unversorgten Ausscheiden i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB Vl auszugehen ist, weicht insofern von der kanonischen Rechtslage ab, als nach kanonischem Recht der Versorgungsanspruch aus dem Profeßvertrag so lange besteht, wie die Mitgliedschaft andauert. Beurlaubte und exklaustrierte Ordensmitglieder behalten somit trotz faktischer Unterbrechung ihres Verbleibs in der Ordensgemeinschaft ihren Unterhaltsanspruch. Lediglich im Falle des Austritts gilt, daß der Ordensangehörige diesen Anspruch ab dem faktischen Ausscheiden nicht mehr geltend machen kann. Die beiden Tatbestandsmerkmale, nämlich das Ausscheiden und die Unversorgtheit, liegen deshalb in allen Fällen erst ab dem Zeitpunkt vor, ab dem die Ordenszugehörigkeit beendet ist. 203 Über die Beendigung der Ordensmitgliedschaft befindet aber allein die zuständige kirchliche Autorität. Die vom Staat beanspruchte ausschließliche Kompetenz zur Definition des "Ausscheidens" begegnet deshalb vor dem Hintergrund des Art 137 Abs. 3 WRV verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn für den Bereich des kirchlichen Mitgliedschaftsrechts hat das BVerfG entschieden, daß nicht der Staat, sondern ausschließlich die Kirchen daliiber bestimmen, welche Personen sie zu ihren Mitgliedern zählen und welche Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Kirchenmitgliedschaft erfullt werden müssen.204 Gleiches gilt für die Ordensgemeinschaften. Folgt man dieser Auffassung, so muß auch der Begriff des "Ausscheidens aus der Gemeinschaft" einer staatlichen Interpretation und Definition entzogen sein, weil das Ausscheiden gleichbedeutend mit der Beendigung der Mitgliedschaft ist. Für diese Ansicht spricht auch, daß die Erwähnung der "Satzungsmäßigkeit" der

201 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSlJ, SPD und FDP zum RRG 1992, BT-Drucks. 1114124, 152. 202 GK-SGB VI!Boecken, § 8, Rdn. 66.

203 Hierfllr spricht auch, daß ein Beamter, der rechtswidrig seinen Dienst quiniert, erst dann nachversichert werden muß, wenn er seinen beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch verliert. Vgl. Starr, Sozialversicherung, S. 90. 204 BVerffiE 30, 415, 422.

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Mitgliedschaft in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI indiziert, auch das Ausscheiden nach der Satzung, also dem kirchlichen Recht, zu beurteilen. 205 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeil der staatlicherseits beanspruchten Interpretationskompetenz könnte sich jedoch aus einem Vergleich der Nachversicherungspflicht mit der Regelung des Kirchenaustrittsrechts ergeben. Dort garantiert der religiös neutrale Staat seinen Bürgern den Kirchenaustritt mit staatlicher Wirkung ungeachtet dessen, daß die Kirchen den Kirchenaustritt nicht akzeptieren und den ausgetretenen Gläubigen weiterhin zu den Kirchengliedern zählen.206 Dieser Vergleich trifft jedoch nur teilweise zu. Die Bewertung des Ausscheidens im Nachversicherungsrecht unterscheidet sich nämlich von jener des Kirchenaustritts dadurch, daß sie nach dem Gesetzeswortlaut weitgehend ordensinterne Tatbestände zum Anknüpfungspunkt der staatlichen Regelung macht. Im Kirchenaustrittsrecht ist dies gerade nicht der Fall. Zudem werden die Ordensgemeinschaften in Nachversicherungsfällen mit einer vom Staat auferlegten Zahlungspflicht belastet, während bei einem Kirchenaustritt keine direkten Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Kirche entstehen. Dennoch muß dem Staat gestattet sein, unabhängig von der ordensinternen Regelung einen eigenen staatlichen Begriff des "Ausscheidens" zu verwenden und ein Ordensmitglied als ausgeschieden zu betrachten, das nach kanonischem Recht noch Mitglied des Ordensverbands ist. Andernfalls könnte eine Ordensgemeinschaft einen Ordensangehörigen, der die Gemeinschaft für immer verlassen hat, weiterhin de iure als ihr zugehörig betrachten, um sich der Nachversicherungspflicht zu entziehen. Dies dürfte ihr nur dann gestattet werden, wenn der Ordensangehörige auf der anderen Seite die Möglichkeit besäße, den ihm aus der Ordensmitgliedschaft zustehenden Unterhaltsanspruch gegen seine Ordensgemeinschaft auch vor staatlichen Gerichten durchzusetzen. Dies ist aber wegen des spezifisch kirchenrechtlichen Charakters des Profeßvertrags, aus dem diese Ansprüche resultieren, nicht möglich. Für den Eintritt eines Nachversicherungsfalles muß deshalb entscheidend sein, ob das Ordensmitglied nach dem Verlassen der Ordensgemeinschaft unversorgt ist, also keine weitere Unterhaltssicherung von seiner Ordensgemeinschaft erhält, wobei außer Betracht bleiben muß, ob die Ordensmitgliedschaft endet oder nicht. Das Tatbestandsmerkmal des A usscheidens muß demnach hinter dem der Unversorgtheil zurücktreten.

205

Storr, Sozialvenicherung, 49 f., 91.

206 Bt'k:ker, Nachvenicherung, 119 f. 14 Sailer

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3. Teil: Sozialversicherung der Ordensangehörigen

Die eigenständige staatliche Normierung der Nachversicherungspflicht hält sich deshalb im Rahmen der "ft.i.r alle geltenden Gesetze", weil sie den ausscheidenden Ordensmitgliedern lediglich die allen Bürgern gleichermaßen zustehende soziale Sicherheit gewährt. 207 Die Pflicht des Staates, fiir einen ausreichenden sozialen Schutz aller seiner Bürger zu sorgen, kann nicht durch scheinbar vom staatskirchenrechtlichen Autonomiegrundsatz gedeckte kirchenrechtliche Regelungen unterhöhlt werden.208 Aus dem staatskirchenrechtlichen Autonomieprinzip folgt nicht, daß die im Dienste der Kirche stehenden Ordensangehörigen dem Schutzsystem staatlich-sozialer Sicherung grundsätzlich entzogen werden können. 209 Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. l WRV bestimmt ausdrücklich, daß die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt werden. Die Begründung der Ordensmitgliedschaft ist zweifellos eine Form der Ausübung der Religionsfreiheit. Die Entscheidung, einer Ordensgemeinschaft beizutreten, darf deshalb nicht dazu fuhren, beim Ausscheiden aus ihr über keinerlei soziale Sicherheit zu verfugen, zumal es sich auch beim Ordensaustritt um Ausübung der Religionsfreiheit handelt. Die verfassungsrechtliche Zulä~sigkeit der Nachversicherungspflicht könnte allenfalls deshalb in Frage stehen, weil der Staat den Ordensgemeinschaften die Last der Beitragszahlung aufbürdet. 210 Liegt nämlich nach staatlicher Auffassung ein Nachversicherungsfall vor, so wird dem ausscheidenden Ordensangehörigen - mittelbar über den Rentenversicherungsträger - ein Rechtsanspruch gegen die Ordensgemeinschaft gewährt, den c. 702 CIC gerade ausschließt. Zudem ist die nachträgliche Beitragsentrichtung durch die Ordensgemeinschaft nichts anderes als eine nachträgliche teilweise Bezahlung geleisteter Dienste. Dies ergibt sich daraus, daß in regulären Arbeitsverhältnissen die zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge stets Bestandteil des Lohnes sind; dies gilt gleichermaßen fiir den vom Arbeitnehmer und den vom Arbeit-

207 Anderer Ansicht ist Scheuermann, Nachversicherun~ S. 71 mit der Begn:lndung, es handle sich bei der gesetzlichen Nachversicherungspflicht fiir Ordensleute nicht um eine "fiir den Bestand der Nation als politische, Kultur- und Rechtsgemeinschaft konstitutive Gesetzesbestimmung"; s.o. S. 161 f). 208

365.

Schultn, Krankenversicherung, S. 172 unter Verweis auf Weber, Rechtsprobleme, S. 357 f[,

209 Schu/m, Krankenversicherung, S. 172; Böcker. Nachversicherung. S. 120. 130. Zum Begriff der "Autonomie" kritisch Hesse, Selbstbestimmungsrecht, S. 521 (Anm. 1). 2IO Vgl. Storr, Sozialversicherung. S. 50, 88.

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geber zu tragenden Teii.2 11 Ein Ordensmitglied enthält aber fiir die seiner Gemeinschaft geleisteten Dienste kein Entgelt. Art. 137 Abs. 3 und Art. 136 Abs. 1 WRV rechtfertigen jedoch auch, die Ordensgemeinschaft im Nachversicherungsfall mit der Beitragszahlung zu belasten, da das ausgeschiedene Ordensmitglied regelmäßig weder über eigenes Vermögen noch über einen Abfindungsanspruch gegen die Ordensgemeinschaft verfugt. 212 Da der Ordensangehörige vielfach über Jahre hinweg der Ordensgemeinschaft Dienste erbracht und Einnahmen zugefuhrt hat, ohne selbst Vergütungen erhalten zu haben, erscheint die allein der Ordensgemeinschaft aufgebürdete Beitragszahlungspflicht auch nicht unbillig. Zudem wird auf die kirchliche Autonomie in Gestalt der ordensrechtlichen Besonderheiten dadurch Rücksicht genommen, daß sich die Nachversicherungsbeiträge lediglich nach dem Wert des dem Ordensmitglied gewährten Unterhalts und den übrigen ihm persönlich zugeflossenen Zuwendungen bemessen. Die Ordensgemeinschaft würde mit wesentlich höheren Nachversicherungsbeiträgen belastet, wenn das ausgeschiedene Ordensmitglied im Alter so gestellt werden sollte, als hätte es seine Arbeitsleistung nicht in der Ordensgemeinschaft, sondern in der freien Wirtschaft erbracht; 213 in diesem Fall müßten sich die Nachversicherungsbeitr~ige an vergleichbaren Arbeitsverdiensten orientieren. 3. Nichtvorliegen von Aufschubgründen Zuletzt ist fiir den Eintritt eines Nachversicherungsfalls gern. § 8 Abs. 2 Satz I SGB VI erforderlich, daß Gründe fiir einen Aufschub der Beitragszahlung i.S.v. § 184 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI nicht gegeben sind. Das Nichtvorliegen von Aufschubgründen ist damit tatbestandliehe Voraussetzung fiir das Vorliegen eines Nachversicherungsfalls, wogegen nach früherer Rechtslage gern. § 1232 Abs. 5 RVO bzw. § 9 Abs. 5 AVG der Nachversicherungsfall schon mit dem unversorgten Ausscheiden eintrat, unabhängig davon, ob ein Aufschubgrund i.S.d. § 1403 Abs. I RVO bzw. § 125 Abs. 1 AVG gegeben war oder nicht. 214 Der Aufschubgrund fiihrte lediglich dazu, die Beitragszahlungspflicht erst mit seinem Wegfallen entstehen zu lassen; der Eintritt des Nachversicherungsfalls als solchem blieb davon unberührt.

211

Ebd., S. SO. So auch Scheuermann, Nachversicherung, S. 62.

212 Starr, Sozialversicherung, S. 50 f. hält die Nachversicherungspflicht als solche tllr zullssig, jedoch filr verfassungswidrig, die Ül'densgerneinschaften mit deren Finanzierung zu belasten. 213 Schulm, Krankenversicherung, S. 173. 214 BSGE 32, 76,83 f.; BSGE 54, ISS, 159 f. ; GK-SGB VI/Boecken, § 8, Rdn. 12,41 f., 74. !4•

212

3. Teil: Sozialversicherung der Ordensangehörigen

Gern.§ 184 Abs. 2 Satz I Nr. 1 bis 3 SGB VI sind mögliche Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung, daß eine Beschäftigung, die Versicherungsfreiheit bzw. Befreiung von der Versicherungspflicht begründete, vorübergehend unterbrochen wird (Nr. 1), eine andere Beschäftigung, die ebenfalls Versicherungsfreiheit bzw. Befreiung von der Versicherungspflicht begründet, innerhalb bestimmter Fristen aufgenommen wird (Nr. 2) oder die Zahlung einer Versorgung geleistet wird, die bestimmten Anforderungen genügen muß (Nr. 3). 215 Die zweite Möglichkeit kann beispielsweise dann vorliegen, wenn ein Ordensmitglied exklaustriert, in einen anderen Ordensverband aufgenommen oder in eine Diözese inkardiniert wird (vgl. c. 693 CIC). 216 Über den Aufschub der Beitragszahlung entscheidet gern. § 184 Abs. 3 SGB VI die Ordensgemeinschaft 111. Durchfohrung und Wirkungen

Die Nachversicherung eines ausgeschiedenen Ordensmitglieds erstreckt sich gern. § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ebenso wie nach der alten Rechtslage gern. § 1232 Abs. 5 RVO bzw. § 9 Abs. 5 AVG 217 auf den Zeitraum, in dem Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht vorgelegen hat (Nachversicherungszeitraum).218 Der Versicherungszeitraum beginnt mit dem Tag der ersten Profeß und endet mit dem Tag des faktischen Ausscheidens. Studienzeiten, die nach der alten Rechtslage nicht berücksichtigt werden konnten, sind nach der seit I.l.l992 geltenden Vorschrift § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI bei der Berechnung des Nachversicherungszeitraums einzubeziehen.219 Die Festlegung des Nachversicherungszeitraums hat sich durch das Rentenrefonngesetz 1992 insofern nicht geändert, als nur Zeiten nach dem 1.3.1957 nachversichert werden können, da Ordensangehörige erst seit diesem

215

Vgl. dazu im einzelnen GK-SGB VUBoecken, § 8, Rdn. 741f.

216 HeimerVPree/Primetshofer, Handbuch, Rdn. 6/271. 217 Gern. § 233 Abs. I SGB VI sind die vor dem 1.1.1992 ausgeschiedenen Ordensangehörigen nach den alten Vorschriften nachzuversichern. 218 Umstritten ist, ob solche Zeiten nicht nachversichert werden mOssen, in denen das ausgeschiedene Mitglied durch Urlaub, Krankheit oder aus sonstigen GrOnden an der AusObung des Dienstes filr die Gemeinschaft verhindert war. Vgl. B6cker, Nachversicherung, S. S9 lf. und Scheuermann, Nachversicherung, S. S9. Gegen die Auffassung, die derartige Zeiten ausklammem will. spricht jedoch, daß es dann bereits an der Versicherungspflicht fehlen würde.

219 So entschied Bay. LSG KirchE 26 (1993), 395 ff. zur alten Rechtslage gern. § 36 Abs. I Satz I Nr. 4 A VG. Anderer Auffassung sind die Rentenversicherungsträger, die sich bisher geweigert haben, Studienzeiten als beitragsfreie Anrechnungs- bzw. Ausfallzeiten anzuerkennen; vgl. Pfab, Mitteilungen, OK 34 (1993), 328, 354; OK 36 (1995), 191, 224.

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Zeitpunkt von der gesetzlichen Rentenversicherung erfaßt sind. 220 Die Berechnung der Nachversicherungsbeiträge erfolgt gern. § 181 Abs. 1 SGB VI nach den Vorschriften, die im Zeitpunkt der Zahlung der Beiträge ftlr versicherungspflichtige Beschäftigte gelten. Die Rechtslage unterscheidet sich insofern von der bis 1992 geltenden, wonach die Beiträge gern. § 1402 Abs. 1 RVO bzw. § 124 Abs. 1 AVG nach den Vorschriften zu entrichten waren, die zum Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens maßgebend waren. 221 Mit der Neuregelung ist nunmehr fiir die Berechnung der Nachversicherungsbeiträge grundsätzlich das Recht maßgebend, das zum Zeitpunkt des Eintritts des Nachversicherungsfalles gilt, weil die Beiträge gern. § 184 Abs. 1 SGB VI zu diesem Zeitpunkt fallig werden. Dies ist dann bedeutsam, wenn ein Aufschubgrund i.S.d. § 184 Abs. 2 SGB VI vorliegt, da dann gern. § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB VI der Nachversicherungsfall nicht eintritt. Für die Berechnung der Nachversicherungsbeiträge sind in diesem Fall die Vorschriften maßgebend, die bei Wegfall des Aufschubgrunds gelten. 222 Beitragsbemessungsgrundlage sind gern. § 181 Abs. 2 Satz 1 SGB VI die beitragspflichtigen Einnahmen aus der Beschäftigung im Nachversicherungszeitraum bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. Dies sind gern. § 162 Nr. 4 SGB VI die Geld- und Sachbezüge, die das Ordensmitglied persönlich von seiner Gemeinschaft erhalten hat; unbeachtlich sind die Gestellungserträge der Gemeinschaft fur die Tätigkeit ihres Angehörigen sowie die Vergütungen, die er aus einem Einzeldienstvertrag erhält und an seine Gemeinschaft abfuhrt. 223 Für die Berechnung des Wertes der Sachbezüge ist die jeweils gültige Sachbezugsverordnung heranzuziehen. 224 Liegt kein persönliches beitragspflichtiges Einkommen vor, wie dies bei Ordensangehörigen in aller Regel der Fall ist, so erfolgt die Berechnung der

220 So zur alten Rechtslage BSGE 25, 24, 25 (s.o. Anm. 77) und BSG Aflc.KR 15& (1989), 248 ff. Eine Änderung dieser Regelung war vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt, obwohl die Formulierung von § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB VI dies nahelegen könnte; vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992, BT-Drucks. 11/4124, 152. In diesem Sinne auch RQ[ner, Rechtsgutachten, S. 4 (Anm. I) und List/, Ordensgemeinschaften, S. &61. Anderer Ansicht ist HeimerVPree/Primetshofer, Handbuch, Rdn. 6/269. 221 Zu den beitragsrechtlichen ModaliWen der Nachversicherung nach der alten Rechtslage vgl. Zipperer, Rentenrefonngesetz, S. 12 ff. 222 GK-SGB VI!Boecken, § &, Rdn.I04. 223 SG Harnburg KirchE 14 (1980), 85 ff. (s.o. Anm. 79) und SG Duisburg KirchE 16 (19&2), 94 ff. = OK I 8 ( 1977), 436 ff So auch Starr, Sozialversicherung, S. I 00 f Dies ist insofern gerecht, als es alle Ordensmitglieder gleichstellt und unbeachtet lAßt, was sie durch ihre Tllligkeit finanziell meßbar filr das Leben und Wirken ihrer Ordensgemeinschaft beigetragen haben; vgl. Hegemann, Konunentar zu den zwei vorgenannten Urteilen in: OK I& (1977), 439,440. 224 KK/Scholz, § 162 SGB VI, Rdn. 12.

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3. Teil: Sozialversicherung der Ordensangehörigen

Nachversicherungsbeiträge nach der gesetzlich festgelegten Mindestbeitragsbemessungsgrundlage. Dies fuhrt dazu, daß die nach Durchführung der Nachversicherung auszahlbare Rente im Regelfall auf Sozialhilfeniveau liegt. Mindestbeitragsbemessungsgrundlage ist gern. § 181 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 278 Abs. 1 und 2 SGB VI für Zeiten bis zum 31 .12.1976 ein fiktives monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 20 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze, für Zeiten ab 1.1.1977 ein Betrag in Höhe von 40 % der jeweiligen Bezugsgröße. Ausbildungszeiten werden jeweils in Höhe der Hälfte dieser Beträge veranschlagt.225 Nach dieser Mindestbeitragsbemessungsgrundlage bestimmt sich dann entsprechend dem Beitragssatz gern. § 157 SGB VI die Beitragshöhe; die Beitragssätze, die Beitragsbemessungsgrenze und die Bezugsgröße werden jährlich gern. §§ 160 SGB VI, 17 Abs. 2 SGB IV von der Bundesregierung bzw. vom Bundesministerium fur Arbeit und Sozialordnung festgelegt.226 Gern. § 181 Abs. 4 SGB VI werden die Bemessungsgrundlagen für die Nachversicherungsbeiträge aktualisiert und dynamisiert. Da die Beitragsberechnung nach dem Nominalbetrag des früheren Arbeitsentgelts erfolgt, dies aber oft Jahre bis Jahrzehnte zurückliegt, stünden die Beiträge insbesondere bei weiter zurückliegenden Nachversicherungszeiträumen in einem mitunter erheblichen Mißverhältnis zu den dadurch begründeten Rentenanwartschaften.227 Deshalb werden gern. § 181 Abs. 4 SGB VI die Bemessungsgrundlagen um den Prozentsatz erhöht, um den das vorläufige Durchschnittsentgelt für das Kalenderjahr, in dem die Beiträge gezahlt werden, das Durchschnittsentgelt fur das Kalenderjahr, for das die Beiträge gezahlt werden, übersteigt. 228 Damit soll erreicht werden, daß für alle in ein- und demselben Jahr erworbenen Rentenanwartschaften gleicher Höhe grundsätzlich auch gleich hohe Beiträge zu zahlen sind. 229 Darüber hinaus fuhrt die Aktualisierung der

225 Gern. § 1402 Abs. 2 Satz 4 R VO bzw. § 124 Abs. 2 Satz 4 A VG war der Nachversicherung bis 31.12.1956 mindestens ein Monatsentgelt von ISO.- DM, filr die Zeit ab 1.1.1957 jedoch in Höhe eines Fünftels der in diesen Zeiten jeweils fiir Monatsbezüge geltenden Beitrafl$bemessUnfl$grenze zugnmdezulegen. 226 Vgl. L1s1/, Ordensgemeinschaften, S. 862 und HelmerVPree/Primetshofer, Handbuch, Rdn. 6/270. Die Bezufl$größe betrug fiir das Jahr 1995 jährlich 48720.- DM bzw. 4060.- DM monatlich, so daß sich die Mindestbeitrafl$bemessUnfl$grenze auf 1624.- DM belief Der Beitra~ lag im Jahr 1995 bei 18,6 %, so daß der monatliche Nachversicherunfl$beitrag 302,06 DM betrug. 227 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992, BT-Drucks. 1114124, 187 mit Beispiel. 228 Die Höhe des Durchschnittsentgelts wird jährlich vom Bundesministerium fiir Arbeit und Sozialordnung festgelegt.

229 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992, BT-Drucks. 1114124, 187; GK-SGB VVBoecken, § 8, Rdn. 105.

§ 8. Rentenversicherung

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Bemessungsgrundlagen dazu, daß ein Hinauszögern der Beitragszahlung zu Lasten des Zahlungsverpflichteten geht. Die Nachversicherungsbeiträge sind gern. § 181 Abs. 5 Satz 1 SGB VI allein von der Ordensgemeinschaft zu tragen; das Ordensmitglied selbst hat keine Beiträge zu entrichten. Die Freistellung des Nachzuversichernden von der Kostentragungslast hat das BSG im Fall eines beamtenrechtlichen Verhältnisses damit gerechtfertigt, daß bei der Bemessung des Einkomromeos des Beamten die zugesagte Versorgung Berücksichtigung gefunden, der Beamte also im Hinblick auf die ursprünglich zu erwartende Versorgung nur ein niedrigeres Einkommen bezogen hat. 230 Mit Durchfuhrung der Nachversicherung entsteht zwischen dem nachversicherten Ordensangehörigen und dem Rentenversicherungsträger ein Versicherungsverhältnis: Gern. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind auch Personen versichert, die nachversichert sind. Zugleich bestimmt § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VI, daß Nachversicherte solchen Personen gleichstehen, die versicherungspflichtig sind. Damit erhalten Nachversicherte denselben rentenversicherungsrechtlichen Status wie von Beginn an versicherungspflichtige Personen. 231 Aus diesem Grunde bestimmt § 185 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, daß die gezahlten Nachversicherungsbeiträge als rechtzeitig gezahlte Pflichtbeiträge gelten; zugleich ordnet § 55 Satz 2 SGB VI an, daß Pflichtbeitragszeiten auch solche Zeiten sind, fur die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Daraus folgt, daß sich die Nachversicherungsbeiträge wie Pflichtbeiträge auswirken, was fur die Erfullung von Leistungsvoraussetzungen von Bedeutung ist. 232 Die Nachversicherung hat nicht die Wirkung, daß versicherungsfreie Zeiten rückwirkend in versicherungspflichtige umgewandelt werden; es entsteht vielmehr ein neucs Versicherungsverhältnis. 233 Umstritten ist, ab welchem Zeitpunkt dieses neue Versicherungsverhältnis beginnt. Einerseits sprechen die Formulierungen von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI dafur, daß das Nachversicherungsverhältnis erst mit Durchfuhrung der Nachversicherung zustandekommt Hierauf deutet auch die

230 BSGE 24, 106, 108. 231 Seinem Charakter nach ist das Nachversicherung.