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German Pages 237 [242] Year 2019
Die stationäre Versorgung älterer Displaced Persons und „heimatloser Ausländer“ in Westdeutschland (ca. 1950–1975) von Nina Grabe MedGG-Beiheft 73
Franz Steiner Verlag Stuttgart
Medizin, Gesellschaft und Geschichte Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung herausgegeben von Robert Jütte Beiheft 73
Die stationäre Versorgung älterer Displaced Persons und „heimatloser Ausländer“ in Westdeutschland (ca. 1950–1975) von Nina Grabe
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Robert Bosch Stiftung GmbH
Coverabbildung: Ausweis der International Refugee Organisation (IRO) von 1950, Innenseite: Beckhof Patientenakten 1, Nr. 244: C., Jan
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020 Satz: DTP + TEXT Eva Burri, Stuttgart Layout und Herstellung durch den Verlag Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-515-12557-4 (Print) ISBN 978-3-515-12566-6 (E-Book)
Inhalt 1. Einleitung ................................................................................................... 1.1 Forschungsgegenstand ....................................................................... 1.2 Forschungsziel .................................................................................... 1.3 Forschungsstand ................................................................................. 1.4 Untersuchungszeitraum ..................................................................... 1.5 Untersuchungsgebiet ......................................................................... 1.6 Quellenlage ........................................................................................ 2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte: Die Entstehung eines sozialen Problems ................................................. 2.1 Gründe für den Verbleib in Deutschland ........................................ 2.2 Unterbringung der sog. „hard core“-Fälle ....................................... 2.3 Einrichtung, Auflösung und Zusammenlegung der DP-Lager und -Heime ......................................................................................... 2.4 Übergabe der DP-Altersheime in deutsche Verwaltung ................ 2.5 Gesetzliche Regelungen für „heimatlose Ausländer“ ..................... 2.6 Finanzierung der Betreuung ............................................................. 2.7 Räumliche Bedingungen ...................................................................
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3. Die Bewohner ............................................................................................ 57 3.1 Einzelschicksale .................................................................................. 59 3.2 Aufnahme im Altersheim .................................................................. 61 3.3 Aufnahmebedingungen ..................................................................... 69 3.4 Aufnahmemodalitäten ....................................................................... 81 3.5 Widerstände gegen den Einzug in ein Altersheim ......................... 85 3.6 Verlegung von Heimbewohnern ...................................................... 87 3.7 Abnahme der Bewohnerzahlen ........................................................ 89 3.8 Die Alterszusammensetzung der Heimbewohner .......................... 92 3.9 Finanzielle Situation der Heimbewohner ........................................ 96 3.10 Einweisung „heimatloser Ausländer“ in „deutsche“ Altersheime................................................................. 100 4. Gesundheitszustand der Heimbewohner ................................................ 4.1 Pflegerische Betreuung ...................................................................... 4.2 Die psychische Situation der Heimbewohner ................................. 4.3 Psychische Probleme und Erkrankungen ........................................ 4.4 Alkoholprobleme ............................................................................... 4.5 Wege zurück ins „normale“ Leben................................................... 4.6 Beerdigungsmodalitäten und Nachlassregelungen .........................
102 105 109 111 116 120 122
5. Das Heimmilieu ......................................................................................... 5.1 Kontakte im Heim ............................................................................. 5.2 Sprachliche Schwierigkeiten ............................................................. 5.3 Religiöses Umfeld ..............................................................................
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6
Inhalt
5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9
Feste im Heim .................................................................................... Freizeit................................................................................................. Beschäftigungs- und Arbeitstherapie................................................ Verpflegung......................................................................................... Konflikte ............................................................................................. Solidarität und Vorurteile. Die Sicht der Mitarbeiter und Heimträger auf den „heimatlosen Ausländer“ ........................
143 148 152 161 167 189
6. Personal ...................................................................................................... 6.1 Pflegepersonal .................................................................................... 6.2 Heimleitung ........................................................................................ 6.3 Fürsorgerinnen ................................................................................... 6.4 Heimärzte ........................................................................................... 6.5 Arbeitsalltag........................................................................................
200 200 206 210 211 214
7. Fazit ............................................................................................................. 218 Abkürzungen ................................................................................................... 224 Abbildungsverzeichnis.................................................................................... 227 Quellen- und Literaturverzeichnis ................................................................. Archiv-Quellen .......................................................................................... Veröffentlichte Quellen ............................................................................. Sekundärliteratur ....................................................................................... Internet-Quellen ........................................................................................
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1. Einleitung Die Hilfsmaßnahmen für Displaced Persons (DPs) bzw. „heimatlose Ausländer“, die im Zentrum dieser Untersuchung stehen, können als frühe Formen der Betreuung älterer Migranten angesehen werden – eine Thematik, die auch gegenwärtig von großer Bedeutung ist. So sieht sich die heutige Altenpflege zunehmend mit der Versorgung von Migranten höheren Lebensalters konfrontiert. Dabei wird sich in einigen Jahren voraussichtlich auch die Anzahl derjenigen alten und betreuungsbedürftigen Menschen erhöhen, die als Flüchtlinge, u. a. aus den aktuellen Kriegs- und Krisengebieten, nach Deutschland gekommen sind. Ähnlich den DPs und „heimatlosen Ausländern“ in der Nachkriegszeit haben die heutigen Geflüchteten ihre Heimatländer nur selten freiwillig bzw. nur aufgrund drohender Repressalien und Verfolgung verlassen. Ebenfalls ist ihr Alltag in Deutschland nicht nur von Sprachbarrieren, sondern auch von religiösen und kulturellen Differenzen geprägt. In den Einrichtungen für DPs und „heimatlose Ausländer“, die nach 1945 geschaffen wurden, bildete sich ein spezielles Milieu heraus, das stark von der Religion und Kultur der jeweiligen Herkunftsländer geprägt war. Für die heutige bzw. die zukünftige interkulturelle Betreuung alter Menschen ist die Berücksichtigung religiöser und kultureller Gebräuche, insbesondere auch die Gewährleistung einer seelsorgerischen Begleitung, von ebenso großer Relevanz. Darüber hinaus wird sich die Altenpflege in einem immer stärkeren Ausmaß mit den psychischen Auswirkungen von Migration und Flucht befassen müssen. 1.1 Forschungsgegenstand Nach Kriegsende verblieben etwa 12 Millionen ausländische Zivilisten1, die sich während der Kriegsjahre in Deutschland aufgehalten hatten, in den westlichen Besatzungszonen, wo sie den rechtlichen Status sog. „Displaced Persons“ (DPs) erhielten.2 Der Großteil der DPs stammte aus Ost- und Südosteuropa.3 Zu ihnen gehörten sowohl die nichtdeutschen jüdischen Überlebenden der Konzentrationslager und die ehemaligen Zwangsarbeiter als auch Personen, die vor, während oder nach dem Krieg freiwillig nach Deutschland gekommen bzw. geflohen waren.4 Beispielsweise gelang nach Kriegsende – bedingt durch die bis 1948 noch vergleichsweise durchlässigen Grenzen zwischen Ost- und Westdeutschland – vielen antikommunistisch eingestellten 1 2 3 4
Im folgenden Text wird zwecks einfacheren Leseflusses die grammatikalisch männliche Form verwendet. Es sind aber, wenn nicht extra erwähnt, immer beide Geschlechter mitgedacht. Sie stammten aus etwa 20 verschiedenen Staaten und sprachen etwa 35 verschiedene Sprachen: http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/56359/nach-dem-2-we ltkrieg. Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 15. Vgl. zu den jüdischen DPs u. a. Königseder, A. / Wetzel, J.: Lebensmut im Wartesaal, 1994.
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1. Einleitung
Osteuropäern die Flucht in den Westen.5 Obwohl sie mit den DPs in gemeinsamen Unterkünften lebten, die gleiche Betreuung erhielten und von der Bevölkerung unter die große Gruppe der DPs subsumiert wurden, besaßen sie seit 1951, d. h. seit Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention, offiziell den Status „ausländischer Flüchtlinge“.6 Anders als z. B. die ehemaligen Zwangsarbeiter waren die Flüchtlinge oftmals gemeinsam mit ihren Familien, d. h. auch mit ihren älteren Angehörigen, nach Deutschland gekommen.7 In den ersten Nachkriegsjahren fanden die in Westdeutschland lebenden DPs fast ausschließlich in Lagern Unterbringung, in denen sie von internationalen Flüchtlingsorganisationen wie der „United Nations Relief and Rehabilitation Administration“ („UNRRA“)8 und der „International Refugee Organisation“ („IRO“) versorgt wurden.9 Nach Auflösung der „UNRRA“ Ende Juni 1947, übernahm die „IRO“ deren Aufgaben. Diese beendete ihre Arbeit in Deutschland ofiziell zum 30. Juni 1950; endgültig aber erst Ende Januar 1952.10 Die deutschen Behörden und Wohlfahrtsorganisationen hingegen waren bis Anfang 1950 weitgehend von der Betreuung der DPs ausgeschlossen worden.11 Mit der Übergabe der in der Bundesrepublik verbleibende DPs in die Hände der deutschen Behörden änderte sich 1951 schließlich auch ihre rechtliche Stellung. Gleichfalls erfolgte eine Umbennennung der DPs die nun als „heimatlose Ausländer“ bezeichnet wurden. Da sich diese Untersuchung quellenbedingt insbesondere auf die Zeit nach dem Rückzug der „IRO“ fokussiert, werden folglich vorwiegend die Be5 6 7 8
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Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 93. Vgl. dazu https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/279392/75-jahre-un-fluechtlin gshilfe. Antons, J.-H.: Flucht ins „Dritte Reich“. Eckert, G.: Hilfs- und Rehabilitierungsmaßnahmen der West-Alliierten des Zweiten Weltkrieges für Displaced Persons, 1996, S. 169; Gutsul, N. / Müller, S.: Ukrainische Displaced Persons in Deutschland. Selbsthilfe als Mittel im Kampf um die Anerkennung als eigene Nationalität. Die „UNRRA“ wurde 1943 als Welthilfsorganisation in den USA gegründet. Die Hauptaufgabe der „UNRRA“ bestand in der Erfassung, Betreuung und Repatriierung der aus den UNO-Mitgliedsstaaten stammenden Personen, die infolge des Kriegs verschleppt oder deportiert worden waren. 1945 wurde sie von der UNO übernommen: https://www.historisches-lexikon- bayerns.de/Lexikon/United_Nations_Relief_and_Reha bilitation_Administration_(UNRRA). LkAH, L 3 III, Nr. 1502: Luth. Weltbund, o. D. (1950); LkAH, L 3 III, Nr. 1502: Ev. Kirche. an Mitgl. v. 10.9.1951. Die unterschiedliche Politik der westlichen Besatzungsmächte erschwerte jedoch nicht selten die Arbeit der internationalen Hilfsorganisationen, die über die Zonengrenzen hinweg agierten: Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 19. Die „IRO“ übernahm im Jahr 1947 als Nachfolgeorganisation der „UNRRA“ nicht nur die Betreuung, sondern auch die Rückführung und Umsiedlung von Flüchtlingen und Displaced Persons in ihre Heimatländer bzw. in Drittstaaten: www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/279392/75-jahre-un-fluechtlingshilfe. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 217. So waren die deutschen Behörden ohnehin anfangs kaum existent. Auch die freien Wohlfahrtsverbände hatten mit der Versorgung der deutschen Flüchtlinge „voll zu tun“: ADiCVMü., I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 28 f.
1.2 Forschungsziel
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treuungsmaßnahmen der deutschen christlichen Wohlfahrtsorganisationen erörtert. Berücksichtigung findet aber ebenfalls die durch ausländische Organisationen gewährleistete Hilfe für DPS und „heimatlose Ausländer“. 1.2 Forschungsziel Da die Situation der in Deutschland verbleibenden älteren, d. h. über 50-jährigen DPs und „heimatlosen Ausländer“ bislang in der wissenschaftlichen Forschung kaum thematisiert wurde, ist es das Ziel dieser Untersuchung, diese Forschungslücke – zumindest ansatzweise – zu schließen. Im Folgenden sollen daher sowohl die institutionellen Rahmenbedingungen als auch den Alltag der Heimbewohner und Mitarbeiter in den Altersheimen für DPs bzw. „heimatlose Ausländer erörtert werden. Von Interesse ist unter anderem die Frage nach den Betreuungsmaßnahmen der nationalen und internationalen Hilfsorganisationen. Ein besonderer Fokus liegt auf den christlichen Wohlfahrtsverbänden, die seit den frühen 1950er Jahren als Träger der Altersheime für „heimatlose Ausländer“ fungierten. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den ebenfalls weiterhin in der „Ausländerbetreuung“ tätigen ausländischen Hilfsorganisationen? Eine wichtige Rolle im Heimalltag spielte – bedingt durch die christliche Prägung der Heimträger und die Religiosität der Bewohner – auch die religiöse Betreuung. Untersucht wurde zudem die Situation des Pflegepersonals sowie der übrigen Mitarbeiter. Zu diesen zählten v. a. die Heimleitungen, die Fürsorgerinnen und z. T. sogar geschulte Beschäftigungstherapeuten. In Bezug auf den Heimalltag stellen sich beispielsweise Fragen nach der Herausbildung eines spezifischen, von der Kultur und Religion der jeweiligen Bewohner geprägten Heimmilieus. Waren die DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ Diskriminierungen ausgesetzt? Kam es in den Heimen zu einer bewussten Abschottung der Bewohner von ihrer Umgebung? Oder existierten, eventuell sogar Bemühungen zur Integration der „heimatlosen Ausländer“? Wie gestaltete sich das Zusammenleben in Einrichtungen, die ebenfalls deutschstämmige Heimbewohner aufnahmen? In diesem Zusammenhang sind zudem die Unterschiede zu den „deutschen“ Altersheimen von Interesse. 1.3 Forschungsstand Zur Situation der „Displaced Persons“ bzw. der „heimatlosen Ausländer“ in Deutschland liegen bereits zahlreiche Veröffentlichungen vor. Eine der ersten umfangreichen Studien, die zugleich einen allgemeinen Überblick bietet, stellt die 1985 erschienene Arbeit von Wolfgang Jacobmeyer dar.12 Zu den neueren Publikationen gehört u. a. ein 2014 von Rebecca Böhling herausgegebener
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Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985.
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1. Einleitung
Sammelband.13 Daneben existieren Studien, die sich mit einzelnen DP-Gruppen oder -Lagern beschäftigen.14 Insbesondere die Lebenslage der jüdischen DPs wird in zahlreichen Arbeiten erörtert.15 In nahezu allen Untersuchungen stehen jedoch die jüngeren, d. h. unter 60 bzw. 50-jährigen Personengruppen im Vordergrund. Untersucht wird z. B. deren Eingliederung in den Arbeitsmarkt sowie in die deutsche Mehrheitsgesellschaft.16 Die Situation älterer DPs und „heimatloser Ausländer“ wird hingegen gar nicht oder lediglich am Rande thematisiert. So umfasst die 2009 von Hoffmann und Lammers veröffentlichte Chronik des „Haus Hessenkopf“ in Goslar zwar auch die Jahre zwischen 1945 und 1951, als das Haus als Altersheim für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ diente;17 der Heimalltag und das Schicksal einzelner Bewohner werden aber nicht erörtert. Zu den weiteren institutionsgeschichtlich ausgerichteten Arbeiten zählt die Veröffentlichung von Hans-Jörg Kühne von 2008, die eine Übersicht über die „Beckhofsiedlung“ der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, zu der auch ein Altersheim gehörte, bietet.18 Vergleichsweise gering ist ebenfalls die Anzahl von Veröffentlichungen zur Geschichte der Al-
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Z. B. Böhling, R., L. (Hg.): Freilegungen: displaced persons; Leben im Transit: Überlebende zwischen Repatriierung, Rehabilitation und Neuanfang, 2014. Z. B. Antons, J.-H.: Das Ausländerlager Heidenau: Ukrainische Displaced Persons in der Nordheide 1945–1957, 2009, S. 97–108; Maihoefer, C.: Zwischenzeit: jüdische Displaced Persons in Ulm bis 1950, Heidelberg 2009, S. 41–69; Pietzing, C. u. M. (Hg.): Displaced Persons: Flüchtlinge aus den baltischen Staaten in Deutschland, 2007; Fischer, I.: Fehl am Platze? Displaced Persons in Westfalen nach 1945, 2006; Tobias, J. G. / Schlichting, N.: Heimat auf Zeit: jüdische Kinder in Rosenheim 1946–47, 2006; Kuhlmann-Smirnov, A.: „Stiller als Wasser, tiefer als Gras“: zur Migrationsgeschichte der russischen Displaced Persons in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, 2005; Eder, A.: Displaced Persons / „Heimatlöse Ausländer“ als Arbeitskräfte in Westdeutschland, 2002, S. 1–17. Z. B.: Giere, J.: Überlebt und Unterwegs: jüdische Displaced Persons im Nachkriegsdeutschland, 1997; Wetzel, J.: Jüdische Displaced Persons im Nachkriegsdeutschland 1945–1957, 2014, S. 21–35; Fassl, P. / Herzog, M. / Tobias, J-G. (Hg.): Nach der Shoa: jüdische Displaced Persons in Bayerisch-Schwaben 1945–1951, 2012; Tobias, J. G.: „Die Patienten werden das erforderliche Vertrauen nur den jüdischen Ärzten schenken“: Displaced Persons Hospitäler und Sanatorien in Bayern unter besonderer Berücksichtigung des Krankenhauses in München-Bogenhausen, 2012, S. 39–56; Königseder, A. / Wetzel, J.: Lebensmit im Wartesaal: die jüdischen DPs (displaced persons) im Nachkriegsdeutschland, 1994; Dewell Giere, J.: „Wir sind unterwegs, aber nicht in der Wüste“: Erziehung und Kultur in den jüdischen displaced persons-Lagern der amerikanischen Zone im Nachkriegsdeutschland 1945–1949, 1992; Schneider, H.: Jüdische Displaced Persons in Deutschland nach 1945, 2007, S. 39–58; Fetthauer, S.: Musik und Theater im jüdischen DP-Camp Bergen-Belsen: zum Kulturleben der jüdischen Displaced Persons 1945–1950, 2012. U. a. in: Böhling, R. L. (Hg.): Freilegungen: displaced persons – Leben im Transit: Überlebende zwischen Repatriierung, Rehabilitation und Neuanfang, 2014; Schneider, H.: Jüdische Displaced Persons in Deutschland nach 1945, 2007, S. 39–58. Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009. Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration. Geschichte der Beckhofsiedlung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, 2008.
1.4 Untersuchungszeitraum
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tenpflege nach 1945.19 Eine Monographie zur stationären Altersversorgung in Niedersachsen zwischen 1945 und 1975, in der u. a. auch die Betreuung von DPs und „heimatlosen Ausländern“ berücksichtigt wird, wurde 2016 von der Autorin vorgelegt.20 Umfangreichere differenzierte, sozial- und pflegegeschichtlich orientiere Studien, die sich speziell und ausschließlich den über 50-jährigen, betreuungsbedürftigen DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ widmen, liegen bislang nicht vor. Insbesondere die Lebenssituation der Heimbewohner und des in den Heimen tätigen Personals bildet ein absolutes Forschungsdesiderat. Darüber hinaus liegt der Schwerpunkt der bisherigen DPForschung vorwiegend auf der Zeit vor 1950, während die Zeit nach 1951 noch vergleichsweise wenig Beachtung findet.21 1.4 Untersuchungszeitraum Der Untersuchungszeitraum umfasst vorwiegend die Jahre zwischen 1950 bis etwa 1975, da primär die durch die Bundesrepublik bzw. die deutschen Wohlfahrtsverbände erfolgte Betreuung der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ untersucht wurde. Der Schwerpunkt liegt quellenbedingt auf den 1950er und 1960er Jahren.22 Berücksicht wurden aber ebenfalls Quellen aus den unmittelbaren Nachkriegsjahren sowie aus den späten 1970er Jahren, zumal der Heimaufenthalt vieler Menschen mehrere Jahrzehnte währte. Zudem mussten die 19
Einen Überblick über den Stand der deutschen Forschung zur „Geschichte des Alters in der Moderne“ bietet: Blessing, B.: Die Geschichte des Alters in der Moderne: Stand der deutschen Forschung, 2010, S. 123–150. Vgl. zudem Baumgartl, B.: Altersbilder und Altenhilfe. Zum Wandel der Leitbilder von Altenhilfe seit 1950, 1997; Irmak, K.: Der Sieche. Alte Menschen und die stationäre Altenhilfe in Deutschland 1924–1961, 2002. Zur Altenpflegeausbildung: Cappell, E.: Von der Hilfspflege zur Profession, 1996. Die Entwicklung der Maßnahmen zur Alterssicherung – mit Schwerpunkt auf der Zeit nach 1945 – wird in einer 2018 erschienen umfangreichen Arbeit von Winfried Schmähl dargestellt: Schmähl, W.: Alterssicherungspolitik in Deutschland. Vorgeschichte und Entwicklung von 1945 bis 1998, 2018. 20 Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016. 21 Tagungsbericht: Displaced Persons im Nachkriegseuropa (1945–1950): Zwischen Zwangsmigration, Flucht und der Suche nach einer neuen Heimat, 12.09.2018–14.09.2018, Frankfurt an der Oder/Słubice. Da es sich bei der vorliegenden Untersuchung lediglich um einen ersten Überblick über die Situation älterer DPs und „heimatloser Ausländer“ nach ca. 1950 handelt, verbleiben durchaus noch Forschungslücken. Diese bestehen beispielsweise bezüglich der nicht stationären bzw. der ambulanten Hilfsmaßnahmen für DPs und „heimatlose Ausländer“ höheren Lebensalters. Einer näheren Betrachtung unterzogen werden sollte zudem die Situation der älteren DPs in den unmittelbaren Nachkriegsjahren. So wurde die stationäre, unter dem Schutz der Alliieerten durch die internationalen Hilfsorganisationen erfolgte Altersversorgung – im Gegensatz zur Lebenssituation jüngerer DPs – bislang ebenfalls kaum erforscht. 22 Beispielsweise wurden einige DP-Heime bereits in den 1950er Jahren geschlossen. Folglich existieren keine Quellen aus den folgenden Jahrzehnten. Außerdem nahm der Anteil „heimatloser Ausländer“ – wie später erörtert – stetig ab.
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1. Einleitung
„Ausländerheime“ in den 1970er Jahren „heimatlose Ausländer“ aufnehmen, die in den 1950er und 1960er Jahren noch nicht auf Heimpflege angewiesen waren, letztlich jedoch ebenfalls Betreuung benötigten. 1.5 Untersuchungsgebiet Unter den zahlreichen in ganz Westdeutschland eingerichteten Unterkünften für DPs und „heimatlose Ausländer“ befanden sich auch mehrere Altersheime. Die Anzahl der Heime vaiierte, da einzelne Einrichtungen nur für kurze Zeit existierten oder erst im Laufe der 1950er Jahre eröffnet wurden. In dieser Untersuchung konnten Quellen zu neun „Ausländerheimen“ ausgewertet werden. 1960 existierten in der Bundesrepublik insgesamt sechs Altersheime für „heimatlose Ausländer“. Diese verteilten sich, mit Ausnahme der ehemaligen französischen Besatzungszone, über ganz Westdeutschland. Aus diesem Grund erstreckt sich das Untersuchungsgebiet auf die amerikanische und britische Besatzungszone bzw. die heutigen heutigen Bundesländer Niedersachsen, Baden-Württemberg, Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Aufgrund der guten Quellenlage zu den Heimen in Varel, Dornstadt, Berchtesgaden, Darmstadt, München und der „Beckhof-Siedlung“ bei Bielefeld stehen diese Einrichtungen im Fokus der Untersuchung. 1.6 Quellenlage Material zur stationären Versorgung betreuungsbedürftiger, älterer DPs und „heimatloser Ausländer“ findet sich – bedingt durch die Trägerschaft der Heime – vorwiegend in kirchlichen Archiven. Einzelne Quellen konnten zudem im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Hannover eingesehen werden. Beispielsweise befinden sich in dieser Einrichtung sowie im Archiv der Evangelischen Landeskirche Hannover Dokumente zu den Altersheimen „Varel“ – bei dem es sich um das größte DP-Altersheim in Deutschland handelte – und „Bodenteich“. Unter anderem bietet das dortige Quellenmaterial Informationen zu den Heimträgern und der Zusammenarbeit der nationalen und internationalen Wohlfahrtsorganisationen. Obwohl der Schwerpunkt der Überlieferung deutlich auf den Verwaltungsakten der Heimträger liegt, erlaubt das Quellenmaterial ebenfalls Einblicke in den Heimalltag und das persönliche Schicksal der alten Menschen. Erhalten ist z. B. ein Bericht über rehabilitativ ausgerichtete beschäftigungstherapeutische Maßnahmen ausländischer Wohlfahrtsorganisationen in Varel.23 Dokumente zur „Beckhofsiedlung“, die sich in Trägerschaft der „Bodelschwinghschen Anstalten Bethel“ befand, konnten im Hauptarchiv Bethel in Bielefeld eingesehen werden. Hier befinden sich u. a. Unterlagen zu den siedlungseigenen Werkstätten, in denen auch viele Alters23 Somit stellt diese Quelle eine Rarität dar, zumal ähnliche therapeutische Angebote in „deutschen“ Heimen so gut wie keine Anwendung fanden.
1.6 Quellenlage
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heimbewohner beschäftigt wurden. Einen guten Einblick in die gesundheitliche und soziale Situation der alten Menschen gewähren die einzelnen, z. T. recht umfangreichen Bewohnerakten des „Beckhof-Altersheims“, von denen für diese Arbeit insgesamt 60 Akten gesichtet wurden.24 Um Informationen zu den Altersheimen für „heimatlose Ausländer“ in Dornstadt, Berchtesgaden, Darmstadt und Goslar zu erhalten, wurden die Archive der evangelischen Landeskirchen von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen-Nassau und Braunschweig in Stuttgart, Nürnberg, Darmstadt und Wolfenbüttel besucht. Für das katholische Altersheim in München konnte das Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising gesichtet werden. Im „Landeskirchlichen Archiv Hessen und Nassau“ in Darmstadt finden sich z. B. die umfangreiche Korrespondenz zwischen dem Heimträger und der „Tolstoy-Foundation“,25 einer Hilfsorganisation für russische Emigranten und Flüchtlinge, sowie auch persönliche Informationen über die vorwiegend russischstämmigen Bewohner des 1959 eröffneten „Altenwohnheims Darmstadt“. Insgesamt betrachtet, erlauben die gesichteten Quellen einen umfassenden Überblick zur Lebenssituation der stationär versorgten über 50-jährigen DPs und „heimatloser Ausländer“ in den westlichen Besatzungszonen bzw. der Bundesrepublik. Die zu fast allen Heimen in mehr oder weniger großem Umfang erhaltene Korrespondenz zwischen den christlichen Heimträgern und den einzelnen Einrichtungen und Mitarbeitern gibt Aufschluss über die inneren Strukturen der einzelnen Einrichtungen, die Aufnahmebedingungen, die Qualifikation des Personals sowie die im Heim gebotene Betreuung. Dabei lassen sich „zwischen den Zeilen“ immer auch Informationen zum Alltag und Milieu der Altersheime sowie zur gesundheitlichen Situation der einzelnen Bewohner sowie der Mitarbeiter herauslesen. Der weitaus größte Teil der Quellen beschreibt die Lebenssituation der DPs und „heimatlosen Ausländer“ jedoch ausschließlich aus der Perspektive der Betreuenden bzw. der Hilfsorganisationen; die alten Menschen selbst kommen hingegen kaum zu Wort. Eine Ausnahme bilden u. a. die Aufnahmegesuche sowie die Beschwerden einzelner Heimbewohner über ihre Behandlung durch die deutschen Mitarbeiter und –Bewohner. Insbesondere in Einrichtungen, in denen „heimatlose Ausländer“ zusammen mit Deutschen untergebracht wurden, finden sich zudem Hinweise zur Diskriminierung der ausländischen Heimbewohner. 24 Als Basis dient eine Bewohnerliste des „Beckhof-Altersheims“ von 1959. Zu fast allen dort aufgeführten Personen konnten die entsprechenden Bewohnerakten gesichtet werden. Auf diese Weise ergibt sich die Möglichkeit zur Durchführung einer Querschnittuntersuchung. An dieser Stelle danke ich Kerstin Stockhecke vom Hauptarchiv Bethel für die Bereitstellung der entsprechenden Akten und Abbildungen zum „Beckhof-Altersheim“. 25 Die „Tolstoy-Foundation“ wurde 1939 von der jüngsten Tochter des russischen Schriftstellers Leo Tolstoy in den USA gegründet. Die Stiftung verstand sich als Hilfsorganisation für die russischen Flüchtlinge des Ersten Weltkriegs. Nach 1945 kümmerte sie sich u. a. auch um die russischen DPs in Westeuropa. In der Bundesrepublik begann sie ihre Tätigkeit im Jahr 1947 mit Sitz in München. 1956 wurde die „Tolstoy-Foundation e. V. in Deutschland“ offiziell als gemeinnütziger Verein eingetragen: https://www.tolstoi.de/ was-ist-tolstoi-de/#historie; www.tolstoyfoundation.org/tolstoy.html.
2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte: Die Entstehung eines sozialen Problems Die Siegermächte vereinbarten im Februar 1945 auf der Konferenz von Jalta offiziell die bereits seit Kriegsende begonnene, gezielte Rückführung der DPs in deren Herkunftsländer. In den folgenden Monaten gehörte diese Maßnahme zu einem primären Anliegen der Besatzungsmächte.1 Anfangs sollte die Repatriierung in die Sowjetunion, auch gegen den Willen der Betroffenen, d. h. denjenigen Personen, die schon vor 1939 Bürger der Sowjetunion gewesen waren, erwirkt werden.2 Im April 1945 hieß es daher in einem Memorandum des „Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force“: „Soviet Displaced persons will be repatriated regardless of their individual wishes“.3 Gleichermaßen unbeachtet blieb das „persönliche Schicksal“ der für die Repatriierung vorgesehenen Menschen.4 Insbesondere Kollaborateure, die von den Westalliierten den sog. „Enemy-Status“ erhielten, sollten unverzüglich in die Sowjetunion zurückgeführt werden.5 DPs aus den baltischen Staaten, die sich in vielen Fällen ebenfalls den deutschen Truppen angeschlossen hatten, fielen hingegen in die Kategorie der sog. „United-Nation-DPs“.6 Sie genossen somit aus alliierter Sicht einen gewissen Schutzstatus und waren – obwohl die Sowjetunion sie als ihre Staatsangehörigen verstand – nicht von der Zwangsrepatriierung betroffen.7 Aufgrund drohender Strafmaßnahmen verweigerten immer mehr Menschen ihre Rückführung in die Sowjetunion, darunter keinesfalls nur Kollaborateure.8 Aus Angst vor einem erzwungenen Transport in ihre Herkunftsländer kam es sogar zu kollektiven Selbstverstümmelungs- und Suizidhandlungen.9 Allein in Niedersachsen widersetzen sich etwa 200.000 Personen der Repatriierung.10 Die Besatzungsmächte hielten zwar offiziell bis 1948 an ihren Repatriierungsmaßnahmen fest,11 setzten diese aber in unterschiedlich rigider Form um. So entschieden sich die USA bereits Ende 1945 gegen die erzwungene Repatriierung.12 Da sie jedoch ihre Beziehungen zur 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
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Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 52. Antons, J.-H.: Flucht ins „Dritte Reich“, 2017, S. 110. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 84. Antons, J.-H.: Flucht ins „Dritte Reich“, 2017, S. 110. Zu dieser Gruppe gehören u. a. die der deutschen Wehrmacht angeschlossenen Truppen, wie die sog. „Wlassow-Armee“ oder die Kosaken-Division: Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 84. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 84. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 84. Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? Thonfeld, C.: Rehabilitierte Erinnerungen? 2014, S. 104; Würzburger, E.: Zwangsarbeit im Kreis Höxter, 2016, S. 205. Thonfeld, C.: Rehabilitierte Erinnerungen? 2014, S. 104. Auch ein Vertreter der „IRO“ nannte als Hauptgrund für die Unruhe unter den DPs „nicht die Abneigung gegen die Deutschen, sondern die Angst vor den Sowjets“: Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 231. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 218. Gutsul, N. / Müller, S.: Ukrainische Displaced Persons in Deutschland.
2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
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Sowjetunion nicht völlig abbrechen wollten, unterstützten sie die Rückführungen, wenn auch weitaus weniger konsequent, noch bis Ende 1946.13 Auch die in der britischen Besatzungszone lebenden DPs wurden häufig noch bis Juni 1946 gegen ihren Willen in ihre kommunistisch regierten Heimatgebiete abtransportiert.14 Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hingegen entschloss bereits im Februar 1946, dass eine Person, die „gültige Einwände“ gegen ihre Rückkehr machen konnte, als politischer Flüchtling gelten und somit nicht gegen ihren Willen in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden sollte.15 Die auch weiterhin bestehenden starken Widerstände der DPs gegen die Rückführungsmaßnahmen erforderten von den Alliierten die Suche nach Alternativen.16 Einer der ersten Lösungsversuche bestand in der Reduzierung der Fürsorgemaßnamen der „IRO“, da eine zu intensive Wohlfahrtspflege im Verdacht stand, den Rückkehrwillen zu „unterminieren“.17 Ab 1947 unterstützten die Alliierten zudem aktiv – unter Zuhilfenahme der „IRO“ – die Auswanderung der DPs in Drittstaaten, v. a. solche außerhalb Europas.18 Infolge dieser „Resettlement“ Programme konnten schließlich bis 1951 etwa 712.000 DPs in aufnahmebereite Länder übersiedeln, insbesondere in die USA, nach Kanada oder Australien.19 Da die Aufnahme jedoch vorrangig von der Arbeitsfähigkeit der Einwanderer abhing, kam es bereits in den deutschen DP-Lagern zu einer „Selektion“, d. h. einer gezielten Rekrutierung der gesunden, jungen und somit arbeitsfähigen Bewohner. Die besten Chancen besaßen junge Männer, wobei vorwiegend „Muskeln statt Intelligenz“ erwünscht waren.20 Sowohl chronisch kranken, an akuten Infektionskrankheiten leidenden, schwachen und als nicht arbeitsfähig eingestuften Menschen, als auch ungebundenen Männern über 45 Jahre, ungebundenen Frauen über 40 Jahre, älteren Ehepaaren ohne Kinder sowie Asiaten und Muslimen blieb die Möglichkeit zur Auswanderung hingegen weitgehend verwehrt.21 Folglich bestanden für alte, d. h. auch zukünftig nicht mehr in den Arbeitsprozess integrierbare Menschen, v. a. wenn diese keine Angehörige im Aufnahmeland besaßen, kaum Auswan-
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Thonfeld, C.: Rehabilitierte Erinnerungen? 2014, S. 104 f. Gutsul, N. / Müller, S.: Ukrainische Displaced Persons in Deutschland. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 91. Thonfeld, C.: Rehabilitierte Erinnerungen? 2014, S. 104. Interesse an einer Verringerung der Unterbringungs- und Versorgungskosten für die DPs zeigten nicht nur die Besatzungsmächte, sondern auch die deutschen Behörden. So wurden die Kosten auch zu einer Belastung der britischen und amerikanischen Steuerzahler sowie der deutschen Behörden: Eckert, G.: Hilfs- und Rehabilitierungsmaßnahmen der West-Alliierten des Zweiten Weltkrieges für Displaced Persons, 1996, S. 189. 17 Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 35. 18 Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 35. 19 Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 36. 20 McNeill, M.: An den Wassern von Babylon. Erfahrungen mit Displaced Persons zwischen 1945 und 1948. 1995, S. 130; S. 236. 21 Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 36. Vgl. z. B. NHStAH, Nds 180 Lün., Acc. 18/17, Nr. 62: Verm. o. A., o. D; Stepienv, S.: Der alteingesesse Fremde, S. 178.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
derungschancen.22 Im Jahr 1950 beklagte z. B. eine in der DP-Betreuung tätige Mitarbeiterin eines britischen Quäker-Hilfswerks, dass „kein Land bereit zu sein“ schien, „den alten und hilflosen DPs Asyl zu gewähren“.23 In einer Veröffentlichung des „U. S. High Commissioner for Germany“ hieß es in Bezug auf die in den DP-Lagern lebenden alten Menschen ebenfalls: „Aged and unwanted, her resettlement chances are poor“.24 Lediglich einzelne Länder wie Norwegen und Schweden, nahmen „im geringen Umfang“ Kranke und Pflegebedürftige auf.25 Trotz geringer Chancen ließen sich zahlreiche alte Menschen in einem der von der „IRO“ eingerichteten Auswanderungslager registrieren. Nachdem sie jedoch von den dortigen Ärzten für nicht mehr „auswanderungsfähig“ befunden wurden, erfolgte häufig die Einweisung in ein Altersheim. 1951 verlegte z. B. das Auswanderungslager „Glückstadt“ mehrere, von der Auswanderung zurückgewiesene „heimatlose Ausländer“ mit Zustimmung des niedersächsischen Innenministeriums in andere „Ausländerunterkünfte“, darunter einige Altersheime.26 Eine 70-jährige Ukrainerin fand z. B. Aufnahme im DP-Altersheim „Bodenteich“.27 Umgekehrt erhielten einzelne, als durchaus „noch auswanderungsfähig“ geltende, gesunde ältere Menschen, die nach Kriegsende voreilig in ein Altersheim eingewiesen worden waren, noch in den 1950er Jahren die Chance zur Ausreise aus der Bundesrepublik. Im Jahr 1950 wurde z. B. 35 Bewohnern des DP-Altersheims in Varel die Auswanderungsfähigkeit bescheinigt.28 Obwohl nicht nur Einzelpersonen oder Ehepaare, sondern ebenfalls ganze Familien ein neues Leben im Ausland begannen, kam es – da nur die jüngeren Familienmitglieder die Ausreisegenehmigung erhielten – oft jedoch zur Trennung alter Menschen von ihren Angehörigen.29 So auch im Fall einer Ukrainerin, die nach der Auswanderung ihrer Kinder „nach Übersee“, allein in einem Altersheim in Deutschland zurückbleiben musste und nur noch schriftlich Kontakt zu ihren Angehörigen halten konnte.30 Obwohl viele jüngere DPs die Erlaubnis zur Auswanderung hätten erhalten können, wenn 22 Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 224. 23 Weiter schrieb sie zu dieser DP-Gruppe: „im offiziellen Sprachgebrauch hießen sie jetzt einfach „der harte Kern“ – eine selten unpassende Bezeichnung für wackelige alte Frauen, an Tuberkulose erkrankte, dahinsiechende Patienten und ausgezehrte Jugendliche ohne Arme und Beine“: McNeill, M.: An den Wassern von Babylon, 1995, S. 130; S. 239. 24 Displaced Populations, 1950, S. 16. 25 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Maurer, J.: Das Problem d. HA in Bay. u. seine Lösung, in: CD: Festschrift, S. 13. 26 NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: Nds. MI an RP Hann., Lün., Osnab., v. 19.3.1951, Betr.: Rückverlegung v. HA aus d. Auswanderungslager Glückstadt. 27 NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: Nds. MI an RP Hann., Lü., Osnab., v. 19.3.1951, Betr.: Rückverlegung v. HA aus d. Auswanderungslager Glückstadt. 28 NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Frageb. v. 15.7.1950, DP-Lager Boden. 29 Auf das Problem des Auseinanderreißens von Familien, die für die DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ jedoch „von großer Bedeutung“ sein würden, verwies z. B. auch Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 72. 30 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 19.
2.1 Gründe für den Verbleib in Deutschland
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ihre alten Familienmitglieder in Deutschland in ein Altersheim gezogen wären, „verzichteten sie aber lieber auf ein besseres Leben im Ausland als ihre Alten alleinzulassen“.31 Diese Beobachtung machte auch eine irische DP-Fürsorgerin, die bis 1948 im Goslarer DP-Lager – dem späteren „Adrian-Marshall-Home“ – tätig war: „Die DPs gingen sehr sanft mit den älteren um, und ich habe niemals jemanden reden hören, als sei ein älterer Angehöriger eine Last. Immer wieder kamen sie mit Vorschlägen zu uns, wie man für diese sorgen würde, wenn sie nur mit ihnen ins Ausland gehen könnten“.32 Über eine ukrainische Familie schrieb sie „Es gab keine Arbeit, die die S (…)s nicht sofort angenommen hätten, aber die kleine alte Mutter, die beim Ofen kauerte, das knorrige, geduldige Gesicht in ihr weißes Tuch gehüllt, konnten sie nicht alleine zurücklassen“.33 Die Gruppe der dauerhaft in Deutschland verbleibenden DPs, die nicht von ihren Angehörigen versorgt werden konnten und folglich auf dauerhafte stationäre Versorgung angewiesen waren, wurde von den Alliierten als sog. „hard core“ Fälle bezeichnet. 1949 betrug deren Anzahl etwa 170.000 Personen, von denen etwa 15.000 stationär versorgt werden mussten, da sie „alt oder krank“ waren.34 Ihre Versorgung empfanden sowohl die deutschen als auch die ausländischen Wohlfahrtsorganisationen zunehmend als Belastung. 2.1 Gründe für den Verbleib in Deutschland Wie oben beschrieben, verblieb eine große Anzahl von DPs freiwillig in Deutschland bzw. in den westlichen Besatzungszonen. Dafür gab es zwar verschiedene Gründe, nahezu alle Rückehrverweigerer verband jedoch die Furcht, in ihren vorwiegend kommunistisch regierten Heimatländern staatlichen Repressionen ausgesetzt zu sein.35 Zusätzlich wurde häufig das NichtMehr-Vorhandensein von Familienangehörigen in der Heimat als Grund für den Verbleib in Deutschland genannt.36 Gefahr ausgesetzt waren v. a. DPs, deren Herkunftsländer unter das sowjetische Herrschaftsgebiet fielen. Dabei erfolgte – aufgrund der durch das Jalta-Abkommen festgelegten Verschiebung der sowjetischen Staatsgrenzen in Richtung Westen – auch die zwangsweise 31 32 33 34
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ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8. McNeill, M.: An den Wassern von Babylon, 1995, S. 238. McNeill, M.: An den Wassern von Babylon, 1995, S. 238. LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Bespr. am 30.8.1949 betr. Einrichtung von DP-Heimen. Zum sog. „hard core“ gehörten außerdem Menschen mit physischen und psychischen Behinderungen, große Familien, Mütter mit unehelichen Kindern: Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? Einen guten Einblick in die westdeutsche DP-Lagerwelt gestatten z. B. im Zeitraum von 1945 bis 1949 durchgeführte Umfragen der amerikanischen Behörden. Das Ziel war eine Übersicht über die Zukunftswünsche der DPs. Diese gaben vielfach v. a. die Angst vor dem Bolschewismus und Kommunismus als Grund für ihre mangelnde Rückkehrbereitschaft an: Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 93–95. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 95.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
Einbürgerung zahlreicher Osteuropäer in die Sowjetunion.37 Betroffen waren z. B. die Bewohner der – nun zur Sowjetunion gehörenden – ehemaligen ostpolnischen Gebiete. Da aber der polnische Staat ebenfalls eine kommunistische Regierung besaß, entschieden sich nicht nur Menschen aus Ost- sondern ebenfalls aus Westpolen für den Verbleib in Deutschland.38 Die aus dem Gebiet der Sowjetunion stammenden DPs wurden schon in den deutschen Lagern im Auftrag der sowjetischen Repatriierungskommissionen bespitzelt.39 Ansonsten mussten sich alle aus Deutschland in die Sowjetunion einreisenden Personen spätestens kurz vor oder nach ihrer Rückkehr umfangreichen Befragungen unterziehen.40 Diese Maßnahmen zielten darauf ab, sowohl eine antisowjetische politische Einstellung als auch eine eventuelle Kollaboration mit den Deutschen aufzuspüren.41 Bei nachweisbarer Kollaboration drohte entweder die Hinrichtung oder eine langjährige Lagerhaft.42 Dies betraf insbesondere Personen, die sich schon während des Krieges freiwillig in Deutschland aufgehalten oder aber auf deutscher Seite gegen die Sowjetarmee gekämpft hatten43, wie die Mitglieder der sog. „fremdvölkischen Verbände“ der WaffenSS.44 Beispielsweise hatten sich aufgrund der sowjetischen Besetzung der baltischen Staaten zahlreiche Esten, Litauer und Letten freiwillig für den Eintritt in die nationalsozialistischen sog. „Vasallenarmeen“ entschieden.45 Bedingt durch die nach dem Rückzug der deutschen Wehrmacht und der endgültigen Eroberung des Baltikums stattfindenden Vergeltungsmaßnahmen der Sowjet-
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Gutsul, N. / Müller, S.: Ukrainische Displaced Persons in Deutschland. Thonfeld, C.: Rehabilitierte Erinnerungen? 2014, S. 173. Thonfeld, C.: Rehabilitierte Erinnerungen? 2014, S. 105. Diskriminierungen und Verhören ausgesetzt waren nicht nur die Repatriierten selbst, sondern ebenfalls deren Angehörige: Tagungsbericht: Sowjetische Zwangsarbeiter und ihr Nachkriegsschicksal. Gutsul, N. / Müller, S.: Ukrainische Displaced Persons in Deutschland. Gutsul, N. / Müller, S.: Ukrainische Displaced Persons in Deutschland. So erhofften sich viele Antikommunisten durch den Einmarsch der Deutschen eine Befreiung von der kommunistischen Sowjetunion. Beispielsweise bot auch der russische Oberst K. als „einer der Ersten“ seine Dienste den vermeintlichen Befreiern an. Als Grund nannte er seinen starken Hass auf die Bolschewisten, zumal er anfangs „nichts von den wahren Absichten der Hitlerleute gegen Russland“ wusste. Da ihm nach dem Rückzug der Deutschen die Todesstrafe drohte, ging er freiliwillig nach Deutschland: ADiCVMü., I/ AR 002 Caritas-Altersheim St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 20. Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 34; http://www. historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45992. Ab 1943 wurden viele Balten in Einheiten der Waffen-SS eingezogen, da sie als sog. „Nichtgermanen“ nicht in die Wehrmacht eintreten konnten. Bis 1945 kämpften allei etwa 100.000 Letten in der Waffen-SS: http://www.bpb.de/apuz/242509/kleine-ge schichte-der-baltischen-staaten?p=all. Siehe zudem Eckert, G.: Hilfs- und Rehabilitierungsmaßnahmen der West-Alliierten des Zweiten Weltkrieges für Displaced Persons, 1996, S. 84. Der Anteil ehemaliger Zwangsarbeiter unter den lettischen DPS fiel hingegen vergleichsweise niedrig aus: https://www.daheiminderfremde.de/heimatlose-ausla ender/heimat-wider-willen/.
2.1 Gründe für den Verbleib in Deutschland
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armee entschieden sich viele Balten für eine Flucht nach Westdeutschland.46 In einer ähnlichen Situation befanden sich Ukrainer, die sich durch die freiwillige Kooperation mit den deutschen Besatzern bzw. der Wehrmacht ebenfalls die Befreiung vom Bolschewismus sowie die Gründung eines eigenen, unabhängigen ukrainischen Staats erhofft hatten.47 Weitere „Hilfswillige“ konnte die Wehrmacht u. a. auch aus Tschetschenien, Albanien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Serbien rekrutieren.48 Die aus Kollaborateuren bestehenden Truppen wie die als „Wlassow-Armee“ bezeichnete „Russische Befreiungsarmee“ hatten sich in ihren Herkunftsländern häufig aktiv an Kriegsverbrechen sowie an antisemitischen Pogromen beteiligt.49 Darüber hinaus waren es vielfach auch ethnische oder religiöse Minderheiten, die nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion freiwillig mit den Besatzern kollaboriert hatten.50 Beispielsweise traten kosakische Reiterregimenter schon 1942 der Wehrmacht bei. Im Gegenzug wurde den antikommunistischen Kosaken, die vielfach bereits für den russischen Zaren gekämpft hatten, ein kleiner Selbstverwaltungsbezirk und die freie Ausübung der russisch-orthodoxen Religion in Aussicht gestellt.51 Aktive Unterstützung erhielt die Wehrmacht ebenfalls von den Kalmyken. Auch diese in der Sowjetunion lebende ethnische Minderheit buddhistischen Glaubens erhoffte sich durch den deutschen Einmarsch in die Sowjetunion die Befreiung von der stalinistischen Herrschaft, die sowohl ihre Religion als auch ihre nomadische Lebensweise stark unterdrückte.52 Weite Teile der Bevölkerung stellten sich daraufhin bereitwillig auf die Seite der Besatzer, zumal sich diese ihnen gegenüber als „Freunde“ ausgaben, die ihre Lebensweise respektieren würden.53 Gegen bzw. nach Ende des Zweiten Weltkriegs flohen schließlich sowohl Kosaken als auch Kalmyken54 –
46 Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? 47 Einige Ukrainer waren sogar bereits vor Kriegsende freiwillig – z. T. als gezielt angeworbene Arbeitskräfte – nach Deutschland gekommen: Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“?; Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 238; Gutsul, N. / Müller, S.: Ukrainische Displaced Persons in Deutschland. 48 Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? 49 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 238. Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“?. 50 Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 84. 51 Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 84. 52 Beispielsweise waren die buddhistischen Klöster als geistige und kulturelle Zentren systematisch zerstört und die kalmykische Schrift verboten worden: Hoffmann, J.: Deutsche und Kalmyken 1942 bis 1945, 1974, S. 36 ff. 53 Hinzu kam, dass einige Priester das nationalsozialistische Hakenkreuz an den deutschen Uniformen als ein altbuddhistisches Symbol identifizieren und den Besatzern somit besonders freundlich entgegentraten: Hoffmann, J.: Deutsche und Kalmyken 1942 bis 1945, 1974, S. 23 f. 54 1950 befanden dem „Office of the US High Commissioner for Germany“ zufolge, etwa 700 kalmykische DPs in Westdeutschland: Aged DPs to Go under German Care, 1950, Fotografie Nr. 4, S. 16.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
v. a. Soldaten mit ihren Familien, darunter auch „Greise“ – aus der Sowjetunion nach Deutschland.55 Neben Personen, die aktiv mit den Deutschen kollaboriert hatten, verließen ebenfalls Antikommunisten, die lediglich passiven Widerstand gegen die Bolschewisten geleistet hatten und aufgrund ihrer politischen Einstellung oder gesellschaftlichen Stellung Repressionen befürchteten, die Staaten der Sowjetunion.56 Zu dieser Gruppe zählten viele Geistliche, Intellektuelle und Angehörige der höheren Sozialschichten, die in ihren kommunistisch regierten Herkunftsländern u. a. unter starken Einschränkungen ihrer beruflichen Tätigkeit gelitten hatten.57 Anders als Menschen aus ärmeren und weniger gebildeten Gesellschaftsschichten besaßen sie häufig sowohl die notwendigen Kontakte als auch die finanziellen Mittel für die Flucht nach Westeuropa.58 Priester und Mönche entschieden sich zudem aufgrund der antiklerikalen und antireligiösen Haltung der Kommunisten zur Flucht in den Westen.59 Insgesamt war die Anzahl der antikommunistischen Flüchtlinge unter den in Westdeutschland lebenden DPs vergleichsweise groß. Allein unter den Ukrainern lag ihr Anteil bei bis zu 40 Prozent.60 Gleichfalls fanden sich unter den DPs ehemalige Mitglieder der Weißrussischen Armee, die als Anhänger der Monarchie nach der russischen Revolution, d. h. zwischen den Weltkriegen, mit ihren Familien nach Deutschland emigriert waren.61 Ein Teil von ihnen hatte nach ihrer Flucht vor den Bolschewisten vorerst in anderen europäischen Staaten, v. a. in Frankreich gelebt.62 Durch den Einmarsch der deutschen Wehrmacht wurden jedoch viele Menschen osteuropäischer bzw. russischer Herkunft als Zwangsarbeiter ins deutsche Reichsgebiet deportiert und gelangten nach Kriegsende schließlich in die Obhut der „IRO“.63 Aus sowjetischer Sicht galten selbst die 55 Hoffmann, J.: Deutsche und Kalmyken 1942 bis 1945, 1974, S. 187. Vgl. auch Sagaster, K.: Der mongolische Buddhismus, 2016, S. 379–466. 56 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 230; Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? 57 Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 250; Antons, J.-H.: Flucht ins „Dritte Reich“. 58 Antons, J.-H.: Flucht ins „Dritte Reich“. 59 Viele Geistliche hatten sich zudem vor dem Krieg im Widerstand engagiert und waren daraufhin in nationalsozialistische Konzentrationslagerhaft gelangt: Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 250. 60 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 36. 61 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. Nach 1917 bildete das sog. „Russische Berlin“ das europäische Zentrum der Emigration gebildet. Mit der Mitte der 1920er Jahre erfolgten Abwanderung vieler russischer Exilanten ließen sich diese insbesondere in Frankreich bzw. in Paris nieder: http://www.bpb.de/gesellschaft/ migration/dossier-migration/56357/zwischenkriegszeit?p=1. 62 Vgl. z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an Reg. Präs. Darm., betr. Stefan G., v. 3.1.1979; LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Ludolph an UNHCR, Bad G., v. 20.11.1962. Vgl. zudem http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/ 56357/zwischenkriegszeit?p=1. 63 Vgl. z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an RP Darm., betr. Stefan G., v. 3.1.1979; LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Ludolph an UNHCR, Bad G., v. 20.11.1962.
2.2 Unterbringung der sog. „hard core“-Fälle
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ehemaligen zivilen Zwangsarbeiter, die von den Nationalsozialisten gewaltsam nach Deutschland deportiert worden waren und dort als billige Arbeitskräfte rücksichtslose Ausbeutung erlebt hatten, als Verräter oder Kollaborateure. Bei einer Rückkehr in die Sowjetunion mussten sie daher ebenfalls nicht nur mit Diskriminierungen und gesellschaftlicher Ächtung, sondern auch mit langen Haftstrafen rechnen.64 Dolmetschern und Personen, die zwischen Deutschen und Sowjetbürgern vermittelt hatten, drohte ein ähnliches Schicksal.65 In den meisten Fällen existierten für den Verbleib in Deutschland aber mehrere, häufig nicht klar voneinander zu trennende Motive. Somit ist es oft nur schwer möglich, zu erkennen, ob eine antikommunistische Einstellung, eine deutschlandfreundliche Haltung, aktive Kollaboration oder aber allein die Angst vor einer möglichen Verfolgung durch das Sowjetsystem den endgültigen Ausschlag für die Entscheidung gab, die westlichen Besatzungszonen bzw. die Bundesrepublik nicht wieder zu verlassen.66 Darüber hinaus spielten zumeist auch persönliche, individuelle Gründe eine tragende Rolle. 2.2 Unterbringung der sog. „hard core“-Fälle Mit dem Ziel, geeignete Unterkünfte für die dauerhaft in Deutschland verbleibenden „hard core“ Fälle zu finden, inspizierten die Alliierten bereits seit Sommer 1949 die DP-Lager.67 Als unerwartet hoch erwies sich dabei der Anteil betreuungsbedürftiger und aufgrund von Krankheit oder Alter dauerhaft stationär zu versorgender Menschen, der sog. „institutional hard core“.68 In allen westlichen Besatzungszonen betrug ihr Anteil sogar über 13 Prozent.69 64 Ruggenthaler, P. / Iber, W. M: (Hg.): Hitlers Sklaven – Stalins „Verräter“, 2010, S. 257 f. Noch Jahrzehnte nach Kriegsende litten ehemalige Zwangsarbeiter aufgrund des pauschalen Vorwurfs der Kollaboration unter gesellschaftlicher Ausgrenzung: Thonfeld, C.: Rehabilitierte Erinnerungen? 2014, S. 107 f. Mit Repressionen mussten zudem in deutsche Gefangenschaft geratene sowjetische Soldaten rechnen. Dass sie dem „Vaterland“ nicht bis zum „Heldentod“ gedient hatten, wurde automatisch als Desertion und Landesverrat geahndet, d. h. es drohte ihnen bei ihrer Rückkehr in die Sowjetunion entweder Lagerhaft oder Exekution. Dabei spielte es keine Rolle, ob sich die Soldaten ohne Gegenwehr ergeben oder Widerstand geleistet hatten: Hoffmann, J.: Deutsche und Kalmyken 1942 bis 1945, 1974, S. 86 f. Vgl. auch Tagungsbericht: Sowjetische Zwangsarbeiter und ihr Nachkriegsschicksal, 2006. 65 Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration, 2008, S. 34. 66 Vgl. dazu auch Antons, J.-H.: Flucht ins „Dritte Reich“. 67 Eckert, G.: Hilfs- und Rehabilitierungsmaßnahmen der West-Alliierten des Zweiten Weltkrieges für Displaced Persons, 1996, S. 220. 68 So mussten 1950 in der amerikanischen Besatzungszone 4670 (von insgesamt ca. 28.280) Personen, in der britischen Besatzungszone 6176 Personen (von insgesamt ca. 64.000) und in der französischen Besatzungszone 874 (von insgesamt ca. 14.000) Personen anstaltsmäßig versorgt werden: Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 224; Würzburger, E.: Zwangsarbeit im Kreis Höxter, 2016, S. 209. 69 Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer. 1985, S. 224.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
Besonders viele Kranke und Pflegebedürftige, d. h. etwa 6.176 – von insgesamt 64.000 DPs – verzeichnete die britische Besatzungszone.70 Ein großer Teil dieser Menschen litt unter Tuberkulose, gefolgt von chronischen Erkrankungen und Bewegungsstörungen.71 Auch Bayern – Teil der amerikanischen Zone – war „weit über dem Bundesdurchschnitt“ mit betreuungsbedürftigen DPs bzw. „heimatlosen Ausländern „belastet“.72 Eine große Anzahl der dem sog. „institutional hard core“ zugerechneten Personen bestand aus alten Menschen, von denen z. B. in der amerikanischen Zone etwa 30 Prozent eine Unterbringung im Altersheim benötigten.73 Während man versuchte, die jüngeren und potenziell arbeitsfähigen DPs in rehabilitativ ausgerichtete Arbeitsprogramme einzugliedern, wurden die alten Menschen zu einer vernachlässigten Randgruppe. Dazu hieß es beispielsweise in einer Veröffentlichung des Altersheims der Caritas in München: „Die besten Stellen, die besten Wohnungen, die höchsten Rationen gehörten den Jungen, die Alten hatten nur die Schattenseiten vom Lagerleben zu erwarten“.74 Auch in einem ärztlichen Gutachten hieß es 1963 über einen Heimbewohner, dass dieser infolge einer sehr langen Erkrankung und der psychischen Veränderungen, die er infolge seines langjährigen Lagerlebens erlitten hatte, für eine Eingliederung in ein „normales Arbeitsleben wesentlich mehr behindert“ sein würde, als ein Kranker „aus geordneten deutschen Verhältnissen“.75 Ende 1951 befanden sich noch immer ca. 140.000 bis 150.000 DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ in der Bundesrepublik.76 Ein Drittel von ihnen lebte in Lagern.77 Im Jahr 1953 waren dies ca. 42.000 Personen.78 Insgesamt betrug der Anteil der in Deutschland lebenden „heimatlosen Ausländer“ 1953 etwa ein Prozent der Gesamtbevölkerung.79 Noch etwa 42.000 leben seit Jahren in Lagern.
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Insgesamt wurden in der britischen Zone 64.000 DPs gezählt. In der US-Zone befanden sich insgesamt 28.280 DPs, darunter 4670 „Anstaltsbedürftige“. Ein Großteil dieser Personengruppe litt unter Tuberkulose: Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 224. Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 224. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 30. Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 306. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 21. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 502: P., Jovan: Dr. Kießling an Landkr. Biel., Soz., v. 1.7.1963. Würzburger, E.: Zwangsarbeit im Kreis Höxter, 2016, S. 209. Im Jahr 1952 lebten weiterhin etwa 50 Prozent der 130.000 bis 140.000 in Deutschland lebenden „heimatlosen Ausländer“ in Lagern: LkAH, L III, Nr. 1502: EK an Mitgl., v. 28.5.1952; http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/56359/nach-dem2-weltkrieg. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 30. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 30.
2.3 Einrichtung, Auflösung und Zusammenlegung der DP-Lager und -Heime
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Abb. 1: „IRO“-Ausweis v. 1950, Vorder- und Rückseite
2.3 Einrichtung, Auflösung und Zusammenlegung der DP-Lager und -Heime In den westlichen Besatzungszonen existierten neben den großen Lagern und Heimen zahlreiche kleinere Unterkünfte für DPs, die seit Ende der 1940er Jahre entweder nach und nach aufgelöst, umfunktioniert oder aber zu größeren Einrichtungen zusammengelegt wurden.80 Während die gesunden jüngeren Lagerbewohner schließlich nach und nach auswanderten oder in Wohnsiedlungen bzw. Privatwohnungen umziehen konnten, fanden alte und pflegebedürftige Personen in Altersheimen Aufnahme, die teilweise speziell als sog. „Ausländerheime“ konzipiert worden waren. Nach Auswanderung der jüngeren, arbeitsfähigen Bewohner und dem Zurückbleiben der alten Menschen verwandelte sich z. B. auch das „Estonian DP-Camp“ in Goslar in ein reines DP-Altersheim. Dieses versorgte weiterhin überwiegend Menschen estnischer Herkunft und erhielt 1948 den Namen „Adrian-Marshall-Home“.81 In den ehemaligen Marinekasernen im norddeutschen Varel lebten ursprünglich etwa 3.000 DPs aller Altersstufen. Nach der Ende 1949 durchgeführten Umquartierung des Großteils der Bewohner erhielt das Haus eine neue Bestim80 LkAW, HH, acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: AMH, an d. Ev. Verein für IM e. V. Braun., v. 27.8.1951. 81 Das Heim wurde vermutlich nach einem amerikanischen Arzt benannt: Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 34.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
mung als „Evangelisches Altersheim für heimatlose Ausländer“.82 Sowohl das Vareler83 als auch das Goslarer Heim gingen 1949 in das Eigentum des Landes Niedersachsen bzw. in die Betreuung der evangelischen Wohlfahrtspflege über.84 Im Fall des „Adrian-Marshall-Home“ übernahm die „Innere Mission“ ab Juli 1950 die Trägerschaft.85 Bereits ein Jahr später, im August 1951, erfolgte jedoch bereits die Auflösung des Heims.86 Die meisten Bewohner – insgesamt 55 Personen87 – kamen daraufhin in das Altersheim in Varel, das von der „Inneren Mission“ und der „Caritas“ betreut wurde.88 Da das Altersheim „Bodenteich“ in ein Krankenhaus für Tbc-kranke „heimatlose Ausländer“ umgerüstet werden sollte,89 wurden die dort untergebrachten alten Menschen ebenfalls 1951 nach Varel umgesiedelt.90 Letztlich entwickelte sich „Varel“ nicht nur zum größten, sondern auch zum einzigen Altersheim für „heimatlose Ausländer“ in ganz Norddeutschland.91 2.4 Übergabe der DP-Altersheime in deutsche Verwaltung Ab Juni 1950 übergaben die Besatzungsmächte die Verantwortung für die zukünftige Versorgung der in Deutschland verbliebenen DPs offiziell an die Bundesrepublik bzw. die einzelnen Landesregierungen.92 Laut einer kurz zuvor veröffentlichten Erklärung der Bundesregierung handelte es sich bei den in Deutschland lebenden DPs um Menschen, die „aus beruflichen, familiären, gesundheitlichen Gründen oder infolge ihres hohen Lebensalters für eine Auswanderung nicht in Frage kommen, in ihre Heimat aber ohne Gefährdung ihres Lebens oder ihrer Freiheit nicht zurückkehren könnten“.93 Weiter hieß es: „Die Bundesregierung ist da82 https://www.nwzonline.de/varel/1950-war-jeder-vierte-vareler-ein-fluechtling_a_30,1, 919642881.html. 83 https://www.nwzonline.de/varel/1950-war-jeder-vierte-vareler-ein-fluechtling_a_30,1, 919642881.html. 84 Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 38. 85 Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 38. 86 LkAW, HH, acc. 16/09, Nr. 106: AMH an Bezirksfürsorgeamt Jever/Old., v. 31.8.1951. 87 LkAW, HH, acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951 Nr. 106: Liste d. zu verlegenden Heiminsassen d. AMH nach AH Varel, o. D. (Sommer 1951). 88 Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 38; LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftl. AH Varel, v. 27.12.1951; LkAW, HH, acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951 AMH, an das Bezirksfürsorgeamt Jever/ Old., v. 31.8.1951. 89 Daraufhin kam es bei der im Umland lebenden Bevölkerung zu Protesten, die eine Ansteckung befürchteten: NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Bürgermeister Boden. an RP Lün., v. 23.6.1951; NHStAH, ZGS 2/1, Nr. 390: „Hamburger Abendblatt“, v. 2.1.1957: „Die Alten von Varel“. 90 LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftl. AH Varel, v. 27.12.1951. 91 LkAH, E 52, Nr. 367: IM Hann. an d. Geschäftsstelle d. Landesverbände d. IM in Rhein.-Pfalz, Koblenz, v. 26.1.1954. 92 Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten 2009; S. 32–38. 93 Würzburger, E.: Zwangsarbeit im Kreis Höxter, 2016, S. 298.
2.4 Übergabe der DP-Altersheime in deutsche Verwaltung
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von überzeugt, dass das deutsche Volk, dessen Glieder zu Millionen selbst ihre eigene Heimat verloren haben, Verständnis für die Nöte und Schwierigkeiten der heimatlosen Ausländer empfinden und alles in seinen Kräften stehende tun wird, um diesen in einem fremden Lebens- und Kulturkreis verschlagenden Flüchtlingen das Leben in ihrer neuen Heimat nach Möglichkeiten zu erleichtern“.94 Darüber hinaus wies die deutsche Regierung darauf hin, dass sie „sich darüber bewusst“ sein würde „dass ihr die Vergangenheit eine erhöhte Verpflichtung für große Gruppen dieser heimatlosen Ausländer auferlegt“ hätte.95 Die von der „Alliierten Hohen Kommission“ und der „IRO“ vorbereitete Übergabe erfolgte durch die jeweils zuständigen „Regional Commissioners“.96 Die Bundesländer übernahmen daraufhin ab dem 1. Juli 1950 sowohl die administrative als auch die finanzielle Verantwortung für die in Deutschland verbleibenden DPs. Da diese nur in wenigen Fällen selbst für ihren Heimaufenthalt aufkommen konnten, verpflichtete sich der deutsche Staat dazu, für alle Personen Sorge zu tragen, die länger als ein halbes Jahr in Deutschland lebten. Dabei sollte eine Anpassung der für die DPs zu zahlenden Fürsorgesätze an diejenigen der deutschen Heimbewohner erfolgen.97 Die Betreuung der Lager übertrugen die Alliierten den freien Wohlfahrtsverbänden, denen sie mehr Vertrauen entgegenbrachten als den staatlichen Institutionen.98 Zudem hatten die freien – v. a. die beiden christlichen – Wohlfahrtsverbände, bereits seit Kriegsende großes Engagement in der DP-Fürsorge gezeigt. Ein primärer Grund dafür lag darin, dass ein großer Anteil der DPs den protestantischen und orthodoxen christlichen Kirchen angehörte. Da sich diese zusammen mit der deutschen evangelischen Kirche im „Weltkirchenrat“ bzw. „World Council of Churches“ („WCC“) organisierten,99 fühlten sich die „Innere Mission“ und das „Evangelische Hilfswerk“ folglich in einem besonders hohen Maße für die DP-Betreuung zuständig. Bereits 1947 wurde z. B. auf der „Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes für die Durchführung der eigenen Flüchtlingsarbeit der Kirchen des Weltbundes“ die Gründung einer eigenständigen „Abteilung für die Arbeit an DPs und Flüchtlin94 Würzburger, E.: Zwangsarbeit im Kreis Höxter. 2016, S. 298 f. 95 Würzburger, E.: Zwangsarbeit im Kreis Höxter, 2016, S. 299. 96 Eckert, G.: Hilfs- und Rehabilitierungsmaßnahmen der West-Alliierten des Zweiten Weltkrieges für Displaced Persons, 1996, S. 220 f. Die „Alliierte Hohe Kommission für Deutschland“ wurde 1949 nach Kriegsende von den Alliierten in den westlichen Besatzungszonen bzw. der Bundesepublk eingerichtet. Der Status der Besatzung endete offiziell am 5. Mai 1955 mit der Verkündung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland. Vgl. u. a. https://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-gruenderjahre/ weg-nach-westen/alliierte-hohe-kommission.html. 97 Vgl. dazu z. B. LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Landesverb. d. IM d. EK in Bay., Nürn. an Landesverb.d. IM Stu., v. 19.9.1949. 98 Eckert, G.: Hilfs- und Rehabilitierungsmaßnahmen der West-Alliierten des Zweiten Weltkrieges für Displaced Persons, 1996, S. 220. 99 Der 1948 gegründete Weltkirchenrat ist ein weltweiter Zusammenschluss der evangelischen Kirchen (Lutheraner, Reformierte, Baptisten usw.), der anglikanischen Kirchen, der altkatholischen, altorientalischen sowie der orthodoxen Kirchen. Die römisch-katholische Kirche hingegen ist kein Mitglied. Siehe dazu https://www.oikoumene.org/de/ about-us/history.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
gen“ beschlossen.100 So sollte den DPs „ohne Rücksicht auf Herkunft, Sprache, Nationalität oder Status“ geholfen werden.101 Im August 1949 verwies das „Hilfswerk“ ausdrücklich auf das Problem der in Deutschland zurückbleibenden sog. „hard core“ Fälle.102 Die Landesministerien für „Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte“ wandten sich bezüglich der zukünftigen Unterbringung der „heimatlosen Ausländer“ ebenfalls bevorzugt an die konfessionellen Wohlfahrtsverbände sowie das konfessionell unabhängige, aber christlich orientierte „Deutsche Rote Kreuz“.103 Mit der Ernennung Eugen Gerstenmaiers – dem Gründer des „Hilfswerks“ – zum Beauftragten „für die Internationalisierung des deutschen Flüchtlingsproblems“ entschied sich die Bundesregierung ebenfalls für einen Vertreter der evangelischen Wohlfahrtspflege.104 Infolge der Pläne zur Schließung des großen westfälischen DP-Lagers „Augustdorf“ z. B. baten sowohl das nordrhein-westfälische Sozialministerium als auch der „WCC“ und das UN-Flüchtlingskommissariat gezielt um die Unterstützung der „von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel“. Da sich diese protestantische Institution bereits seit Jahren im Augustdorfer DP-Lager engagierte, verfügte sie bereits über viel Erfahrung in der Arbeit mit den dort betreuten „heimatlosen Ausländern“.105 Wie u. a. auf einer Konferenz des „WCC“ thematisiert, gehörte die „Sorge um die Unterbringung der Alten“ zur „Hauptverantwortung der Kirchen“ und somit zwangsläufig zur Aufgabe der christlichen Wohlfahrtsverbände.106 Sowohl die seit 1848 bestehende evangelische „Innere Mission“ als auch der 1897 gegründete katholische „Caritasverband“ konnten nach Kriegsende unter Aufsicht der Alliierten ihre Arbeit nahezu ohne Einschränkungen weiterführen.107 Über die größten materiellen und personellen Kapazitäten verfügte der „Deutsche Caritasverband“, insbesondere durch die Hilfe der katholischen Kirche im Ausland.108 Die „Innere Mission“ fungierte als zweitgrößter Wohlfahrtsverband der Bundesrepublik. Zur Behebung kriegsbedingter Notlagen wurde 1945 zusätzlich das „Hilfswerk der evangelischen Kirche in Deutschland“ gegründet.109 1957 schlossen sich das „Hilfswerk“ und die „Innere Mission“ zum Verband „Innere Mission und 100 101 102 103 104 105 106 107
108 109
Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 223. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 223. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 228. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Grundstücksverw. Beth., betr. Beckhof, v. 18.1.1960. Vgl. für Niedersachsen z. B. LkAH, E 52, Nr. 367: HW Old., an Nds. Min. f. Vertr., v. 31.1.1956; LkAH, E 52, Nr. 367: Nds. Min. f. Vertr. an CV, IM, DRK, Hann., v. 16.1.1956. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 221. HAB Beth. Aug., Siedlungsplan und Um. d. Werkstätten 1955–1956, 2/16–63: v. Bod. Sarepta u. Nazareth an die Regierung Detmold, v. 14.12.1956, S. 1. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 225. Vgl. u. a. Hammerschmidt, P: Wohlfahrtsverbände in der Nachkriegszeit, 2005, S. 21. Auch wenn kirchliche Einrichtungen z. T. ebenfalls mit dem NS-Regime kooperiert hatten, sollte mit ihrer Hilfe ein „Fundament“ für die „moralische Gesundung“ der deutschen Bevölkerung gelegt werden: Otte, H.: Die hannoversche Landeskirche nach 1945, 2002, S. 14; Otte, H.: Diakonie in der Nachkriegszeit, 2002, S. 130. Hammerschmidt, P.: Wohlfahrtsverbände in der Nachkriegszeit, 2005, S. 29 ff. Föcking, F.: Fürsorge im Wirtschaftsboom, 2007, S. 34.
2.4 Übergabe der DP-Altersheime in deutsche Verwaltung
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Hilfswerk der evangelischen Kirche Deutschlands“ zusammen. Im Jahr 1965 erfolgte schließlich die Umbenennung in „Diakonisches Werk der evangelischen Kirche Deutschlands“.110 Auch nach Wunsch der Alliierten sollte insbesondere die Betreuung kranker und alter DPs durch die kirchlichen Organisationen sichergestellt werden.111 Vor der Übergabe der DPs in die Hände der deutschen Wohlfahrtsorganisationen legte die „IRO“ diesen jedoch die Verpflichtung auf, den „DPInsassen dieselbe Fürsorge“ zukommen zu lassen wie deutschen Heimbewohnern.112 Da die DPs im Vergleich zu den deutschen Flüchtlingen zumindest offiziell eine privilegierte Stellung einnahmen, befürchtete die „IRO“ sicherlich nicht unbegründet eine zukünftige Bevorzugung deutscher Fürsorgebedürftiger.113 Tatsächlich zeigte die „Innere Mission“ kaum Verständnis für die durch die Alliierten erfolgte Besserstellung der DPs und forderte – in Bezug auf materielle bzw. finanzielle Unterstützungsleistungen – eine Gleichbehandlung von Deutschen und DPs.114 Dass es sich bei Letzteren großteils um Opfer des Nationalsozialismus handelte, ließ sie dabei jedoch weitgehend außer Acht.115 Die württembergische „Innere Mission“ z. B. befürchtete die vorgeblich hohen Ansprüche der „Ausländer“ bezüglich der Verpflegung.116 Zudem würde die Gefahr bestehen, dass Spenden aus dem Ausland, die ausschließlich den DPs zugutekommen sollten, tatsächlich nur an diese verteilt werden dürften. Demzufolge empfanden die deutschen Wohlfahrtsverbände auch die in Altersheimen untergebrachten „Ausländer“ zwangsläufig als eine Konkurrenz für die deutschen Heimbewohner.117 Unter der Voraussetzung einer gleichwertigen Behandlung von Deutschen und Ausländern sowie der Bereitstellung von „IRO“-Geldern118, erklärte sich die „Innere Mission“ aber schließlich dazu bereit, im Rahmen ihrer „materiellen und personellen Möglichkeiten“ etwa zehntausend protestantische und orthodoxe „Alte und Sieche“ in geeigneten Einrichtungen zu versorgen.119 Die Betreuung der Katholiken sollte hingegen von der katholischen Kirche übernommen werden.120 Zur Kontrolle der deutschen Heimträger führte die „IRO“ z. B. auch im „Altersheim Dornstadt“ in der ersten Zeit nach ihrem Rückzug „periodische Inspektionen“ durch.121 Gleichfalls erhielt der „WCC“ das Recht, „die Örtlichkeiten des Alters110 111 112 113 114 115 116 117 118
Otte, H.: Diakonie in der Nachkriegszeit, 2002, S. 131. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 224. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 228 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 228. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 229. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 229. LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Bespr. am 30.8.1949 betr. Einrichtung v. DP-Heimen, S. 3. LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Bespr. am 30.8.1949 betr. Einrichtung v. DP-Heimen, S. 3. LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: ZA aus: Ev. Ede?bl. Mü. Nr. 44, v. 29.10.1950: „Neuer Mittelpunkt ev. Lebens im Berchtesgadener Land“. 119 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 229. 120 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Bespr. am 30.8.1949 betr. Einrichtung v. DP-Heimen, S. 2. 121 LkASt, L 1, DW, Nr. 2485: Aus. aus d. Akten Dorn. für d. Inform. zu Presse-Empfang am 19.9.1951, S. 3.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
heims zu betreten, die Archive, Gebäude und das Gelände zu besichtigen und zu prüfen und die Insassen zu befragen, um an IRO oder an eine von den Vereinten Nationen (…) berichten zu können“.122 Später sollte die alleinige Verantwortlichkeit für das Dornstädter Heim beim Landesverband für „Innere Mission“ in Württemberg liegen.123 Ende 1949 kam es zwischen der „Inneren Mission“ und der „IRO“ zu Verhandlungen bezüglich der für Juni geplanten Übergabe der DPs in deutsche Fürsorge.124 In einem Beschluss des „Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland“ hieß es u. a.: „Im Rahmen ihrer personellen und materiellen Möglichkeiten ist die Evangelische Kirche in Deutschland auch bereit, tatkräftige und wohlwollende Hilfe bei der Leitung und Unterhaltung geeigneter Heimstätten für die rund 10.000 evangelischen und orthodoxen Alten, Siechen und Kranken zu leisten“.125 Die für die Betreuung zuständigen einzelnen Landes- und Provinzialverbände der „Inneren Mission“ verwiesen jedoch darauf, dass sie nur dann in der Lage wären, die DPs zu betreuen, wenn ihnen in „personeller, finanzieller und unterbringungsmäßiger Hinsicht Unterstützung gewährt“ werden würde.126 Dass die „IRO“ die Heime nahezu vollständig eingerichtet zur Verfügung stellen musste, gehörte zu den grundlegenden Bedingungen der Kirchen.127 Die Erstellung und Umsetzung der Baupläne für die Umgestaltung der bisherigen Unterkünfte erfolgte durch deutsche128 oder von der „IRO“ eingesetzte Architekten und Unternehmen.129 In der britischen Besatzungszone war nach dem Rückzug der „IRO“ eine Übernahme der DP-Altersheime in Goslar,130 Varel und Bodenteich geplant.131 Im Jahr 1950 gingen alle drei Heime in die treuhänderische Verwaltung der christlichen Wohlfahrtsverbände über. Während die Betreuung der Einrichtungen in Bad Bodenteich (248 Personen) und Gos122 LkASt, L 1, DW, Nr. 2485: Aus. aus d. Akten Dorn. für d. Inform. zu Presse-Empfang am 19.9.1951, S. 3. 123 LkASt, L 1, DW, Nr. 2485: Aus. aus d. Akten Dorn. für d. Inform. zu Presse-Empfang am 19.9.1951, S. 2. 124 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 225. 125 LkASt, DW, Nr. 1500: Ab. v. Ab.! Beschluß d. Rates d. EKD, o. D. (1949?). 126 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Central-Ausschuss IM d. EK, Beth. an d. Landes- u. Provinzialverb., Rundschreiben v. 10.2.1950. 127 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: ZA aus: Ev. Ede?bl. Mü., Nr. 44, v. 29.10.1950: „Neuer Mittelpunkt ev. Lebens im Berchtesgadener Land“. 128 Vgl. zu Baden-Württemberg z. B. LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Bespr. am 30.8.1949 betr. Einrichtung v. DP-Heimen. 129 LkASt, L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 3. 130 Die Leitung wurde der braunschweigischen „Inneren Mission“ übergeben: LKAW, 421, acc. 46/76, Nr. 102: Betr. d. Lager für „DP“ 1949–1956, 1960: Kirchl. Aussenamt d. EK in Dt., Frank., bespr. über DP-Angelegenheiten, v. 20.6.1950. 131 „Varel“ und „Bodenteich“ mussten vorerst vom deutschen Staat übernommen werden, da der „Inneren Mission“ eine alleinige Finanzierung zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich war. Später teilten sich die „Innere Mission“ und die „Caritas“ die Trägerschaft des Vareler Heims: LKAW, 421, acc. 46/76, Nr. 102: Betr. d. Lager für „DPs“ 1949–1956, 1960: Kirchl. Aussenamt d. EK in Dt., Frank., Bespr. über DP-Angelegenheiten, v. 20.6.1950.
2.4 Übergabe der DP-Altersheime in deutsche Verwaltung
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lar (116 Personen) durch das „Evangelische Hilfswerk Hannover“132 bzw. Braunschweig133 erfolgte, wurde das große Altersheim in Varel (911 Personen) sowohl vom „Evangelischen Hilfswerk Oldenburg“134 als auch vom LandesCaritasverband Oldenburg verwaltet.135 Die ehemaligen Vareler Kasernengebäude waren bereits zuvor von der „IRO“ als altersgemischtes DP-Lager für bis zu 3.000 Bewohner genutzt worden.136 In der französischen Zone musste kein Heim übernommen werden, da die vergleichsweise kleine Anzahl von „anstaltsbedürftigen DPs“ in Heime in der US-Zone umsiedeln konnte.137 Nach Feststellung des „Kirchlichen Aussenamts der Evangelischen Kirche in Deutschland“ mussten in der US-Zone voraussichtlich vier Altersheime von der „Inneren Mission“ übernommen werden.138 Dabei handelte es sich um die Heime „Insula“ bei Berchtesgaden mit 420 Bewohnern, „Dornstadt“ bei Ulm mit 279 Bewohnern, „Neustadt“ mit 124 Bewohnern und Prien am Chiemsee mit 429 Bewohnern sowie das Alterskrankenhaus München mit 525 Patienten.139 Die Gebäude des 1951 eröffneten Insula-Heims hatten – wie auch das Vareler Heim – bereits zuvor als Unterkunft für DPs aller Altersgruppen fungiert.140 Nach Kriegsende hatte die „Insula“ als von der „UNRRA“ bzw. der „IRO“ betreutes Wohnlager für nicht mehr auswanderungsfähige, überwiegend lettische DPs gedient.141 Nach Übergabe der Einrichtung in deutsche Verwaltung im Jahr 1949, erfolgte schließlich die von der „IRO“ finanzierte Umwandlung in ein Altersheim, das weiterhin v. a. Menschen lettischer Herkunft, darunter viele ehemalige Bewohner des „Insula“-Lagers, Unterkunft bieten sollte.142 Im Gegensatz zu anderen großen Altersheimen und Notunterkünften, die spätestens Anfang der 1960er Jahre geschlossen wurden, blieb das Altersheim „Insula“ noch mehrere Jahrzehnte in Betrieb.143 Nach 132 NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Kreiswohlfahrtsamt Uelzen an RP Lün., v. 1.11.1957. 133 Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 34–38. 134 Hoffmann, B. / Lammers, U.: Eine Zuflucht der Entwurzelten, 2009, S. 38; LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit AH Varel, v. 27.12.1951. 135 Eckert, G.: Hilfs- und Rehabilitierungsmaßnahmen der West-Alliierten des Zweiten Weltkrieges für Displaced Persons, 1996, S. 220. 136 https://www.nwzonline.de/varel/1950-war-jeder-vierte-vareler-ein-fluechtling_a_30,1, 919642881.html. 137 LKAW, 421, acc. 46/76, Nr. 102: Betr. d. Lager für „DPs“ 1949–1956, 1960: Kirchl. Aussenamt der EK in Dt., bespr. über DP-Angelegenheiten, v. 20.6.1950. 138 LKAW, 421, acc. 46/76, Nr. 102: Betr. d. Lager für „DPs“ 1949–1956, 1960: Kirchl. Aussenamt der EK in Dt., Bespr. über DP-Angelegenheiten, v. 20.6.1950. 139 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 225. 140 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Ministerialrat Vocke, betr. Sanierung d. Insula, v. 12.1.1967, S. 33 f. 141 http://www.dpcamps.org/dpcampsGermanyIJ.html; https://www.its-arolsen.org/nc/en/ latest-news/news/details/news/research-on-dp-camp-insula/. 142 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH für kirchl. Diak. Mü. an d. Ev-luth. LKR Mü., v. 14.9.1950. 143 1974 wechselte das Heim in Trägerschaft des Ev.-lutherischen Diakoniewerk Insula, Hohenbrunn. Das Diakoniewerk Insula verfolgte ausschließlich gemeinnützige Zwecke, d. h.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
der Ende der 1940er Jahre erfolgten Rückgabe des Geländes an den bayrischen Staat, stellte dieser das Gelände der „Inneren Mission“ bis zum Jahr 2.000 unentgeltlich zur Verfügung.144 Die Rechtsträgerschaft in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts145 übernahm hingegen ein Diakonissenmutterhaus, das „Mutterhaus für kirchliche Diakonie München“.146 Im Mai 1951 wurde das Altersheim „Insula“ – das nunmehr zum größten evangelischen Altersheim Bayerns avanciert war – eingeweiht.147 Einige Monate später, im September 1951, nahm im württembergischen Dornstadt bei Ulm ein weiteres großes Altersheim für „heimatlose Ausländer“ seinen Betrieb in Süddeutschland auf.148 Auch hier übernahm die „Innere Mission“ die Trägerschaft149 und pachtete die ebenfalls zuvor von der „IRO“ genutzten Heimgebäude und das umliegende Gelände für einen Zeitraum von 50 Jahren vom Finanzministerium des Landes Württemberg-Baden.150 2.5 Gesetzliche Regelungen für „heimatlose Ausländer“ Durch das am 25. April 1951 verabschiedete „Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet“ erhielten die DPs – d. h. Flüchtlinge und Zwangsverschleppte „fremder Staatsangehörigkeit“ sowie Staatenlose – die sich am 30. Juni 1950 in der Bundesrepublik bzw. im Geltungsbereich des
144 145 146
147 148
149 150
ein Gewinn sollte weiterhin nicht erzielt werden: LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Satzungsentwurf gemäß Bespr., v. 2.7.1974. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 225. LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Dir. d. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D., S. 1. LAELKB, Nr.0.2.0003–3741: ZA aus: Ev. Ede?bl. Mü., Nr. 44, v. 29.10.1950: „Neuer Mittelpunkt evangelischen Lebens im Berchtesgadener Land“. 1974 ging das Heim an das Ev.-Luth. Diakoniewerk Hohenbrunn über: http://www.berchtesgaden-evangelisch.de/ 5kirchen/insulakirche.php. LAELKB, Nr.0.2.0003–3741: Einladung: Einweihung d. AH „Insula“ am 6.5.1951. Heute wird die Einrichtung als „Betreuungs- und Pflegezentrum Dornstadt“ geführt. Einige der damaligen Gebäude sowie die zwei Friedhöfe, die sich auf dem Gelände befinden, stehen heute unter Denkmalschutz. In der Begründung des Landesamts für Denkmalpflege heißt es: „Pforte, Andachtsräume und die erhaltenen Grabdenkmale erinnern in eindrucksvoller Weise an die deutsche Nachkriegsgeschichte (…). An seiner Erhaltung besteht wegen seines dokumentarischen Wertes ein öffentliches Interesse“: https://www.swp.de/suedwesten/ landkreise/alb-donau/heimstiftung-will-denkmalgeschuetzte-gebaeude-verkaufen-227 54567.html. Vgl. LkASt, L 1, DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 3 f. Vgl. LkASt, L 1, DW, Nr. 2485: Aus. aus d. Akten Dorn. für d. Inform. zu Presse-Empfang am 19.9.1951, S. 1. 1971 ging die Trägerschaft des Heims an die „Evangelische Heimstiftung“ über: https://www.schwaebische.de/home_artikel,-_arid,275171.html.
2.5 Gesetzliche Regelungen für „heimatlose Ausländer“
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Grundgesetzes aufgehalten hatten, einen geänderten rechtlichen Status.151 Als sog. „heimatlose Ausländer“ waren sie nun, wenn auch mit zahlreichen Einschränkungen, den deutschen Staatsbürgern offiziell gleichgestellt.152 Demzufolge erhielten sie u. a. auch die gleichen öffentlichen Fürsorgeleistungen wie deutsche Staatsangehörige.153 Um den Status des „heimatlosen Ausländers“ zu erhalten, mussten die Betroffenen sich in der Obhut der „IRO“ befinden, d. h. in der „Obhut der Internationalen Organisation […], die von den Vereinten Nationen mit der Betreuung verschleppter Personen und Flüchtlinge beauftragt ist“.154 Die offizielle Anerkennung als „heimatlosen Ausländer“ erforderte weiterhin die Beantragung eines internationalen Reiseausweises.155 Die Zuständigkeit für die neue Verordnung lag bei den jeweiligen Ausländerpolizeibehörden, in deren Bezirk die betreffenden Personen ihren Wohnsitz besaßen. Durch das „Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer“ erkannte die Bundesrepublik den ehemaligen DPs zwar ein besonderes Aufenthaltsrecht zu; zugleich gelang es ihr jedoch, sich von ihrer Verantwortung für deren Schicksal loszusagen.156 So bestanden u. a. für die ehemaligen Zwangsarbeiter kaum noch Aussichten auf finanzielle Entschädigungsleistungen durch den Staat.157 Darüber hinaus bedeutete das Gesetz für die Betroffenen v. a. in den ersten Monaten keine Erleichterung; vielmehr waren sie zukünftig wesentlich stärker von der allgemeinen Nachkriegsnot betroffen, da z. B. die oftmals höheren materiellen Zuwendungen durch die Alliierten bzw. die „IRO“ entfielen.158 Außerdem konkurrierten die ehemaligen DPs weiterhin mit den deutschen Vertriebenen und 151 Das Gesetz definierte nur Zivilisten als „heimatlose Ausländer“ und keine Kriegsgefangenen. Im § 1 des Gesetzes hieß es u. a.: „Heimatloser Ausländer im Sinne dieses Gesetzes ist ein fremder Staatsangehöriger oder Staatenloser, der a) nachweist, daß er der Obhut der Internationalen Organisation untersteht, die von den Vereinten Nationen mit der Betreuung verschleppter Personen und Flüchtlinge beauftragt ist, und b) nicht Deutscher nach Artikel 116 des Grundgesetzes ist und c) am 30. Juni 1950 seinen Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in Berlin (West) hatte oder die Rechtsstellung eines heimatlosen Ausländers auf Grund der Bestimmungen des § 2 Abs. 3 erwirbt“: https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/hauslg/gesamt.pdf; Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration, 2008, 44. Zur leichteren Klärung der rechtlichen Stellung einer Person als „heimatloser Ausländer“ veröffentliche das Innenministerium 1953 spezielle Richtlinien: LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: VN: Merkblatt für d. rechtliche Betr. v. HA u. sonstigen ausl. Flücht., Juni 1956, S. 2. 152 Sie besaßen z. B. kein Wahlrecht und keinen deutschen Reisepass. Vgl. dazu Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 229; https://www.gesetzeim-internet.de/bundesrecht/hauslg/gesamt.pdf; http://www.gesetze-im-internet.de/hauslg/ BJNR002690951.htm. Ebenfalls erhielten sie keine Hilfen nah dem „Lastenausgleichs-Gesetz“ und kein Anrecht auf Haftentschädigung: Würzburger, E.: Zwangsarbeit im Kreis Höxter, 2016, S. 301. 153 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.): Der Ratgeber für heimatlose Ausländer und sonstige ausländische Flüchtlinge, 1958, S. 87 f. 154 https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/hauslg/gesamt.pdf. 155 LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: VN: Merkblatt für d. rechtliche Betr. v. HA u. sonstigen ausl. Flücht., Juni 1956, S. 2. 156 Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 16 f. 157 Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 17; S. 229. 158 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons,1953, S. 222.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
Abb. 2: „IRO“-Ausweis v. 1950, Innenseite.
Flüchtlingen,159 was bereits seit Kriegsende zu einer zusätzlichen Stärkung der in der deutschen Bevölkerung ohnehin bereits bestehenden Ressentiments führte.160 Im alltäglichen Sprachgebrauch sowie in der Korrespondenz der Heimträger, Wohlfahrtsverbände und Behörden, erfolgte häufig keine eindeutige Trennung der Begriffe „ausländischer Flüchtling“ und „heimatloser Ausländer“. Vielmehr wurden beide Gruppen unter der Bezeichnung „nichtdeutsche Flüchtlinge“ oder „Ausländer“ subsumiert. Rechtlich existierten aber durchaus Unterschiede. Gemäß des oben erörterten Bundesgesetzes zur „Rechtsstellung heimatloser Ausländer“, galten nur Personen als „heimatlose Ausländer“, die sich am 30. Juni 1950 im Gebiet der Bundesrepublik aufgehalten hatten.161 Viele Menschen waren jedoch erst nach diesem Stichtag in die Bundesrepublik geflohen, darunter v. a. Osteuropäer aus den kommunis159 Das bislang nur für die Belange der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen zuständige Bundesministerium für Vertriebene und Flüchtlinge war seit 1951 jedoch auch für die „heimatlosen Ausländer“ zuständig: Schaser, J.: Übergabe der DP-Verantwortlichkeit auf die deutschen Behörden in Mannheim, 2016, S. 317. 160 Vgl. dazu Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 221 161 Das Gesetz entsprach zwar in weiten Teilen der Flüchtlingskonvention, gewährte den „heimatlosen Ausländern“ aber eine bessere Rechtsstellung: LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: VN: Merkblatt für d. rechtliche Betr. v. HA u. sonstigen ausl. Flücht., Juni 1956, S. 2.
2.5 Gesetzliche Regelungen für „heimatlose Ausländer“
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tisch regierten Staaten.162 Ihnen konnte gemäß der „Genfer Flüchtlingskonvention“ vom 28. Juli 1951 der rechtliche Status eines „Flüchtlings“ gewährt werden.163 Nach der Definition des „Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“, das erst am 22. April 1954 offiziell in Kraft trat, wurde einer Person die Rechtsstellung eines „Flüchtlings“ zugestanden, die bereits vor dem Krieg oder aber „infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind, und aus der begründeten Furcht vor Verfolgung […] sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.“164 Nach der offiziellen Überprüfung jedes Falls durch die 1953 eingerichtete „Bundesdienststelle für die Anerkennung als ausländischer Flüchtling“ erhielten die Berechtigten – wie auch die „heimatlosen Ausländer“ – einen internationalen Reiseausweis für Flüchtlinge.165
162 Zur Klärung ihrer rechtlichen Stellung wurden alle Flüchtlinge an die „Bundesdienststelle für die Anerkennung als ausländischer Flüchtling“ in Nürnberg verwiesen: LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: VN: Merkblatt für d. rechtliche Betr. v. HA u. sonstigen ausl. Flücht., Juni 1956, S. 2. Das „Valka-Lager“ in Nürnberg-Langwasser diente als „Bundesauffanglager für asylsuchende ausländische Neuflüchtlinge“ und verwies immer wieder alte Menschen in die „Ausländerheime“: ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 30. 163 LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: VN: Merkblatt für d. rechtliche Betr. v. HA u. sonstigen ausl. Flücht., Juni 1956, S. 2. Die Ratifizierung der Genfer Konvention erfolgte in BRD am 24.12.1953: Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 89. 164 Das Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, S. 10: http://www.unhcr. org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/04/UNHCR-Handbuch.pdf. Der gesamte Abschnitt lautete: „Im Sinne dieses Abkommens findet der Ausdruck „Flüchtling“ auf jede Person Anwendung: 1) Die in Anwendung der Vereinbarungen vom 12. Mai 1926 und 30. Juni 1928 oder in Anwendung der Abkommen vom 28. Oktober 1933 und 10. Februar 1938 und des Protokolls vom 14. September 1939 oder in Anwendung der Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation als Flüchtling gilt. Die von der internationalen Flüchtlingsorganisation während der Dauer ihrer Tätigkeit getroffenen Entscheidungen darüber, dass jemand nicht als Flüchtling im Sinne ihres Statuts anzusehen ist, stehen dem Umstand nicht entgegen, dass die Flüchtlingseigenschaft Personen zuerkannt wird, die die Voraussetzungen der Ziffer 2 dieses Artikels erfüllen; 2) Die infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind, und aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will“: Das Protokoll v. 1967 über d. Rechtsstellung der Flücht., S. 76: http://www. unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/04/UNHCR-Handbuch.pdf. 165 LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: VN: Merkblatt für d. rechtliche Betr. v. HA u. sonstigen ausl. Flücht., Juni 1956, S. 3.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
2.6 Finanzierung der Betreuung Mit der Übergabe der DP-Betreuung in deutsche Verantwortung entfiel auch der Großteil der bislang durch die Alliierten bzw. die „IRO“ erfolgten finanziellen Unterstützung. Diese musste demzufolge spätestens nach dem endgültigen Rückzug der „IRO“ sowohl durch Mittel des Bundes und der Länder als auch durch die freien Wohlfahrtsverbände gesichert werden.166 Bereits im Vorfeld der Übergabe hatte sich die Bundesrepublik bereit erklärt, zukünftig 85 Prozent der Kosten zu tragen, die für die stationäre Versorgung der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ aufzuwenden wären.167 Als Voraussetzung für die Zahlungen galt jedoch die Zustimmung der zuständigen Bundesländer, d. h. diese mussten die stationäre Unterbringung der betreffenden Personen ebenfalls für erforderlich halten.168 Das württembergische Innenministerium z. B. zeigte Anfang der 1950er Jahre die Bereitschaft, für die Bewohner des neu eingerichteten Altersheims für „heimatlose Ausländer“ in Dornstadt „Geldmittel aus deutschen Quellen je Tag und Kopf nicht niedriger als für deutsche Altersheimflüchtlinge zur Verfügung zu stellen und diese Mittel durch die Fürsorgeverbände ab Juli 1950 zahlen zu lassen“.169 Trotz aller Zugeständnisse wollten die Bundesländer und die Bundesregierung die finanziellen Ausgaben für die DPs aber möglichst gering halten. So erklärte der Beauftragte „für die Internationalisierung des deutschen Flüchtlingsproblems“, Eugen Gerstenmaier, dass die Bundesrepublik „die Fürsorge für alte und kranke DPs“ nur „unter der Voraussetzung“ übernehmen würde, wenn „diese Maßnahmen finanziell auf internationaler Ebene gesichert“ werden könnten.170 Aus diesem Grund griffen die deutschen Heimträger, wie im folgenden näher erläutert, zur Finanzierung der DP-Betreuung weiterhin auf umfangreiche Finanzhilfen aus dem Ausland zurück, u. a. von der UNO und dem „Weltrat der Kirchen“. Wie oben dargestellt, benötigten insbesondere die zukünftigen deutschen Heimträger, d. h. die christlichen Wohlfahrtsverbände, finanzielle Unterstützung.171 So mussten v. a. die einzelnen Landesverbände der „Inneren Mission“ und der „Caritas“ mit erheblichen Aufwendungen rechnen, um die Betreuung der Heimbewohner auch zukünftig sicherstellen zu können.172 Unterstützung kam auch hier durch inter166 NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Präs. Nds. Veraltungsbez. Old. an Landkr. Soltau, v. 11.9.1959, betr. Unterbringung v. heimpflegebed. Insassen aus Lagern Oerrel u. Wolterdingen, S. 1. 167 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 235. Vgl. auch Bundesministerium für Vertriebene: Vertriebene, Flüchtlinge, Kriegsgefangene, Heimatlose Ausländer 1949– 1952, 1953, S. 11. 168 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 235. 169 LkASt, L1 DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für d. Inform. zum Presse-Empfang am 19.12.1951, S. 1. 170 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 221. 171 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: ZA aus: Ev. Ede?bl. Mü., Nr. 44, v. 29.10.1950: „Neuer Mittelpunkt ev. Lebens im Berchtesgadener Land“. 172 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Maurer, J.: Das Problem d. HA in Bay. u. seine Lösung, in: CD: Festschrift, S. 12–14.
2.6 Finanzierung der Betreuung
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nationale Organisationen wie dem „WCC“ und dem „National Catholic Welfare Council“ (NCWC).173 Unter anderen verpflichtete sich die „IRO“ dazu, die von ihr ausgewählten und in deutsche Verwaltung zu übergebenen Heime den deutschen Heimträgern komplett ausgestattet zur Verfügung zu stellen.174 Dafür griff sie auf finanzielle Mittel zurück, die – nach Absprache mit den Militärregierungen – speziell für die Ausstattung von DP-Altersheimen verwendet werden sollten.175 Für das 1951 eröffnete, von der württembergischen Landesregierung gepachtete176 Dornstädter Heim stellte die „IRO“ z. B. eine Summe von über eine Million DM bereit, die u. a. für den Umbau und die Ausstattung aufgewendet wurden.177 Auch das für die Inbetriebnahme benötigte „Anlauf-Kapital“ musste von der „IRO“ aufgebracht werden, da weder die „Innere Mission“ noch die württembergischen Ministerien die dafür notwendigen finanziellen Mittel besaßen bzw. bereitstellten.178 Weitere Gelder und Einrichtungsgegenstände steuerten der „Landesverband der Inneren Mission in Württemberg“, der an die „IRO“ angegliederte „Church World Service“ (CWS)179 sowie der „WCC“ bei.180 Zudem gewährte die Bundesregierung den in der DP-Fürsorge tätigen ausländischen Hilfsorganisationen eine Überbrückungsbeihilfe von 150.000 DM.181 Die Bundesregierung investierte z. B. im Jahr 1951 insgesamt etwa 7,7 Millionen DM in die DP-Fürsorge, d. h. etwa 2,2 Prozent des Gesamtaufwandes der öffentlichen Fürsorge.182 Da jedoch der Anteil der „heimatlosen Ausländer“ in der Gesamtbevölkerung bei lediglich 0,9 Prozent lag, existierte durchaus Widerstand gegen die vorgebliche Bevorzugung der „Ausländer“, deren Ansehen sich auf diese Weise zusätzlich verschlechterte.183 Um zu vermeiden, dass die DPs und „heimatlosen Ausländer“ – wie so oft – als Konkurrenz für 173 Der „National Catholic Welfare Council“ wurde 1919 in den USA als Dachorganisation der amerikanischen Katholiken gegründet und gehörte nach 1945 zu den führenden amerikanischen Hilfsorganisationen für Flüchtlinge und Migranten. Vgl. dazu u. a. https://doi. org/10.1177/003776865600300525. 174 LkASt, L1 DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für die Inform. zum Presse-Empfang am 19.12.1951, S. 1. 175 Vgl. zu Baden-Württemberg z. B. LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Bespr. am 30.8.1949 betr. Einrichtung v. DP-Heimen. 176 O. N.: Weiteres ökumenisches Liebeswerk in Deutschland, 1951, S. 7. 177 LkASt, L1 DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für d. Inform. zum Presse-Empfang am 19.12.1951, S. 1 f. 178 LkASt, L1 DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für d. Inform. zum Presse-Empfang am 19.12.1951, S. 1. 179 Der „Church World Servive“ wurde 1946 in den USA als Hilfsorganisation, v. a. für Flüchtlinge gegründet. Siehe dazu https://cwsglobal.org/about/history/. 180 LkASt, L1 DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für d. Inform. zum Presse-Empfang am 19.12.1951, S. 1. 181 Bundesministerium für Vertriebene: Vertriebene, Flüchtlinge, Kriegsgefangene, Heimatlose Ausländer 1949–1952, 1953, S. 11. 182 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 30. 183 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 30.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
die deutschen Flüchtlinge wahrgenommen werden würden, wies das „Evangelische Hilfswerk“ aber auch im Fall des Dornstädter Altersheims extra darauf hin, dass das Heim errichtet werden konnte, „ohne dass irgendwelche Mittel der Inneren Mission, die zur Notlinderung in Deutschland selbst bestimmt sind, herangezogen zu werden brauchten“.184 Anfangs wurde selbst die Versorgung der Heimbewohner mit Lebensmitteln weitgehend durch eine große Naturalspende des Weltkirchenrats sichergestellt.185 Auch die Unterbringung der Bewohner des im Rahmen des „Lagerräumprogramms“ aufgelösten Altersheims in Varel konnte durch die finanzielle Unterstützung verschiedener deutscher und ausländischer Institutionen gewährleistet werden. Beispielsweise stellte der Bund der oldenburgischen Bezirksregierung bzw. dem Land Niedersachsen – die weiterhin die Zuständigkeit für die Versorgung der ehemaligen Vareler Bewohner besaßen – pro Heimplatz 9.000 DM als Unterstützung in Aussicht.186 Im Gegenzug dazu verpflichteten sich die Träger der als Ersatz für das Vareler Heim erbauten Unterkünfte dazu, einen Teil ihrer Plätze ehemaligen Vareler Bewohnern vorzubehalten. Im Fall des 1959 eröffneten Darmstädter Heims, das ebenfalls viele alte Menschen aus Varel aufnahm, gewährten sowohl der Bund als auch das niedersächsische Ministerium für „Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte“ dem Heimträger, d. h. dem „Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“, ein Baudarlehen187 in Höhe von 990.000 DM.188 Das Land Hessen beteiligte sich mit einem Darlehen von 90.000 DM.189 Da die restlichen Kosten von 360.000 DM nicht allein vom „Hilfswerk“ aufgebracht werden konnten, wurden vom UNHCR sowie der Tolstoy-Foundation“ zusätzliche Zuschüsse erwirkt.190 Wie bereits erwähnt waren auch diese Finanzhilfen an die Bedingung gebunden, dass eine bestimmte Anzahl der Heimplätze ausschließlich mit Mandatsflüchtlingen des UNHCR und mit Personen, die von der Tolstoy-Foundation ausgewählt worden waren, belegt werden mussten.191 Weitere, etwa 200 Bewohner des aufgelösten Vareler Heims fanden in nordrhein-westfälischen Einrichtungen Aufnahme., u. a. im evangelische „Haus Andreas“ in Köln-Müngersdorf.192 Auch dieses Heim konnte mit 184 O. N.: Weiteres ökumenisches Liebeswerk in Deutschland, in: Das Hilfswerk. Mitteilungen aus dem Hilfswerk der evangelischen Kirche in Deutschland, Zentralbüro Stu., Nr. 55, Okt. 1951, S. 7. 185 O. N.: Weiteres ökumenisches Liebeswerk in Deutschland, 1951, S. 7. 186 HAB Beth.: Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werkstätten 1955–1956, 2/16–63: Notiz, v. 24.8.1956, Betr. Anruf v. Regierungsdir. Schaumburg. 187 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Nds. Min. Ver., Hann. an HW d. EKHN, v. 22.12.1958. 188 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Kalitzsch an UNHCR, Bad G., v. 2.10.1957, S. 2. 189 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Kalitzsch an UNHCR, Bad G., v. 2.10.1957, S. 2. 190 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Kalitzsch an UNHCR, Bad G., v. 2.10.1957, S. 2. Die Gelder der „Tolstoy-Foundation“ wurden für die Einrichtung der Küche verwendet: LkAHN, Bestand 160, Nr. 26: Bespr. wegen AH für DPs Darm., v. 19.11.1957; http://www.louisedittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 191 LkAHN, B. 160, Nr. 26: UNHCR, Bad G. an Pf. Rathgeber, v. 20.10.1958. 192 HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: Notiz, v. 24.8.1956, Betr.: Anruf v. Regierungsdir. Schaumburg.
2.6 Finanzierung der Betreuung
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Hilfe staatlicher und kirchlicher Gelder sowie durch ausländische Spenden finanziert werden.193 Ähnlich erfolgte die Finanzierung der 1958 erbauten „Beckofsiedlung“ der v. Bodelschwinghschen Anstalten, die vorrangig alte Menschen aus verschiedenen westfälischen „Ausländerlagern“ aufnehmen sollte194 Da aber dem Heimträger „für die Ausländerflüchtlinge keine anstaltseigenen Mittel zur Verfügung“ standen, beantragte er wie auch die oben genannten Heimträger staatliche Fördermittel für die Errichtung eines Wohn- und Altersheims für 60 „heimatlose Ausländer“.195 Zu den potentiellen Geldgebern gehörten der Landesfürsorgeverband,196 das Sozialministerium.197 und das Wiederaufbauministerium des Landes Nordrhein-Westfalen.198 Darüber hinaus stellten freie Träger, u. a. der „Westfälische Landesverband für Innere Mission“199 sowie die „Tolstoy-Foundation“ Gelder zur Verfügung.200 Bei den Einrichtungen der freien Wohlfahrtsverbände handelte es sich um „gemeinnützige Anstalten“, die keinen Gewinn erzielen mussten. Zumeist konnten sie sich ohnehin kaum selbst tragen und benötigten daher regelmäßige finanzielle Unterstützung. Beispielsweise klagte auch das als Heimträger für die „Insula“ eingesetzte „Mutterhaus für kirchliche Diakonie München“: „Wir haben aber keine Einnahmen“; unter anderem hatte das Mutterhaus schon mehrmals die Hilfe des internationalen „Lutherischen Weltbunds“ in Anspruch genommen.201 Zehn Jahre später, d. h. im Jahr 1960, hatte das Heim zwar keine Verluste gemacht, konnte aber weiterhin keine Gewinne verzeichnen.202 Zugleich waren viele Heime, so auch das „Adrian-Marshall-Home“ in Goslar, gezwungen, ihre Kosten auf ein „vertretbares Maß abzusenken“, um den Betrieb aufrechterhalten zu können.203 Einrichtungen, die über eine eigene Land- oder Viehwirtschaft verfügten, konnten auf diese Weise Kosten einspa193 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C., Dü., an Amts. Köln, v. 4.4.1964, S. 2. 194 Die Kosten lagen bei etwa 480.000 DM: HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: v. Bod. Sarepta u. Nazareth an Wiederaufbauminis. NRW, Dü., v. 21.9.1956, S. 1 f. 195 HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: v. Bod. Sarepta u. Nazareth an Wiederaufbauminis. NRW, Dü., v. 21.9.1956, S. 1 f. 196 HAB Beth. Aug. Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1957–1958, 2/16–64: Beth. an Landschaftsverb. Westf.-Lippe, v. 12.8.1957. 197 HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–64: v. Bod. Sarepta u. Nazareth, Sitzungsber. d. Vorstände, v. 29.1957. 198 HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: v. Bod. Sarepta u. Nazareth an Wiederaufbauminis. NRW, Dü., v. 21.9.1956, S. 1 f. 199 HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: v. Bod. an Landesverb. d. IM u. Ev. HW Westf., Mün., v. 30.8.1956. 200 HAB Beth. Aug. Siedlungsplan und Um. d. Werk. 1957–1958, 2/16–64, v. Bod. Sarepta u. Nazareth, Sitzungsber. d. Vorstände, v. 29.10.1957. 201 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH für kirchl. Diak. Mü. an Landesverb. d. IM, Nürn., v. 24.10.1950. 202 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Bilanz des Ev. AH Insula, v. 31.3.1960, Gewinn- u. Verlustrechnung (1.4.59–31.3.1960). 203 LkA acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: Ab.: Nds. MI Hann. an Ev. Verein für IM, Braun., v. 18.6.1951, S. 2
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
ren und benötigten somit vom Heimträger weniger finanzielle Hilfen. Indem aufgrund der Selbstversorgung zudem die überwiegend von der öffentlichen Fürsorge getragenen Verpflegungssätze niedriger ausfielen, wurde letztlich auch der Staat entlastet.204 Trotz Investitionen, wie der Ankauf von Maschinen und Nutztieren sowie die Errichtung von Wirtschaftsgebäuden,205 fielen letztlich fast immer auch Erträge an, z. B. durch den Verkauf von Vieh.206 2.7 Räumliche Bedingungen Sowohl die Flüchtlings- und DP-Lager als auch die großen, lagerähnlich konzipierten Notunterkünfte für alte Menschen gehörten einerseits zu den allgegenwärtigen Bestandteilen der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Andererseits standen sie für ein Leben jenseits der „bürgerlichen“ Normalität.207 So befanden sich die dort lebenden Menschen allein durch ihren Status als Flüchtling, DP bzw. „heimatloser Ausländer“ abseits der „Normalgesellschaft“ und unterlagen demzufolge einer erheblichen gesellschaftlichen Stigmatisierung. Betroffen waren nicht nur Ausländer sondern ebenfalls deutschstämmige Flüchtlinge. Letztere bezeichnete selbst die deutsche Wohlfahrtspflege, u. a. das „Evangelische Hilfswerk“, als „wurzelloses Proletariat, das, krank an Leib und Seele“ eine „gesellschaftliche Bedrohung“ darstellen würde.208 Weiter hieß es: „Menschen, die in diesen Lagern zusammengepfercht leben müssen, werden immer Fremdkörper in der Gemeinde bleiben“.209 Der Papst verwies 1947 in seiner Weihnachtsbotschaft dezidiert auch auf das „DP-Problem“ und befürchtete v. a. den „sittlichen Verfall“ der Lagerbewohner.210 Der ehemalige Staatssekretär des „Bundesamts für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte“ äußerte rückblickend: „An sich ist ein Lager die Auflösung natürlicher Gemeinschaften und eine Enthausung. Also kulturell und sozial ein Rückfall in nomadenhaftes Kollektiv“.211 Durch den oft jahrelangen Fortbestand der großen Notunterkünfte entwickelten sich diese zu einem komplexen „Lebensraum“ mit eigenen Strukturen und Hierarchien.212 Dabei fungierten die DP-Lager, wie schon beschrieben, insbe204 Dies war z. B. auch im „Altersheim Dornstadt“ der Fall: LKASt, L1 DW, Nr. 2488: D. Vöhringer an Dr. A. Kraut, v. 14.6.1954. 205 LKASt, L1 DW, Nr. 2488: AH Dorn. an d. Landwirtschaftsminis. Baden-Württemb., v. 12.4.54: Landwirtschaft Investierung, Anl. 1. 206 LKASt, L1 DW, Nr. 2488: AH Dorn. an d. Landwirtschaftsminis. Baden-Württemb., v. 12.4.54: Landwirtschaft Investierung, Anl. 3. 207 Beer, M.: Lager als Lebensform in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. 1999, S. 59. 208 Beer, M.: Lager als Lebensform in der deutschen Nachkriegsgesellschaft, 1999, S. 63; S. 46. 209 Zitiert nach: Beer, M.: Lager als Lebensform in der deutschen Nachkriegsgesellschaft, 1999, S. 63; S. 46 210 Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 249. 211 Zitiert nach: Beer, M: Lager als Lebensform in der deutschen Nachkriegsgesellschaft, 1999, S. 46. Vgl. auch Pfeil, E.: Der Flüchtling, 1948, S. 89. 212 http://wwwuser.gwdg.de/~bweisbr1/Workshop_Netzwerk_CFP.pdf, S. 1.
2.7 Räumliche Bedingungen
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sondere für die ehemaligen Zwangsarbeiter und Gegner des nationalsozialistischen Regimes, durchaus als Schutzräume vor der deutschen Aufnahmegesellschaft, die den „Ausländern“ oft weiterhin Ablehnung entgegenbrachte.213 Da zudem das Zusammenleben mit Schicksalsgenossen gleicher Nationalität, Religion und Kultur zusätzliche Unterstützung bot, entwickelten viele Menschen kaum Widerstand gegen ihre beengte, provisorische Unterbringung.214 Zudem waren nahezu alle DPs von Armut betroffen und somit abhängig von der Lagerbetreuung.215 Nach Kriegsende lag die Zuständigkeit für die Ausstattung der DP-Altersheime in den Händen der „UNRRA“ bzw. der „IRO“; seit Anfang der 1950er Jahre übernahm die deutsche Wohlfahrtspflege diese Aufgabe. In den ersten Nachkriegsjahren stellten nicht nur die Versorgung mit Nahrungsmitteln, sondern auch die Bereitstellung von Medizin, pflegerischen Hilfsmitteln, Heizmaterial sowie von Strom in nahezu allen Unterkünften – unabhängig von ihrer Bewohnerklientel – ein ernsthaftes Problem dar.216 In den ersten Jahren genossen die DPs jedoch, wie bereits erwähnt, eine bevorzugte Stellung und erhielten von den Alliierten eine bessere materielle Versorgung, v. a. mit Lebensmitteln und Wohnraum. Aus diesem Grund herrschten in einigen Unterkünften für DPs, obwohl sich deren Unterbringung wegen des allgemeinen Mangels an Unterkünften benfalls äußerst defizitär gestaltete, tatsächlich bessere Wohnbedingungen als in den vergleichbaren Einrichtungen für deutsche Flüchtlinge. Diese wurden z. B. in der Gemeinde Varel – einem Bericht der niedersächsischen Landeskirchen zufolge – „völlig unzulänglich“ in einem stark renovierungsbedürftigen städtischen Barackenlager untergebracht, während die DPs in festen Kasernengebäuden Aufnahme fanden.217 Dass die Unterbringung der im Vareler Altersheim lebenden alten Menschen in Ein- bis Dreibettzimmern erfolgte und Ehepaare sogar ein Zimmer für sich alleine erhielten, gehörte tatsächlich nicht zum Standard der zeitgenössischen deutschen Altenpflege.218 Auch das in einer ehemaligen, aus 14 festen Steinbauten219 bestehenden Munitionsfabrik eingerichtete DP-Altersheim im niedersächsischen Bad Bodenteich sowie das „Adrian-Marshall-Home“ in Goslar 213 LAELKB, DW, Nr. 1525, Rep. Nr. 24: Soziologische, Sozialpsychologische u. Sozialpsychiatrische Probleme d. Integration HA, v. Dr. Erwin Kempf, v. 1962, S. 10. Vgl. auch Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 252; Stepienv, S.: Der alteingesesse Fremde, 1989, S. 146. 214 HAB: UNO 1958–1963, 2/16–18: Ber. d. psycho-hygienischen Beraters d. UNHCR über d. Situation in Dt. (S. 1–7), o. D. (ca. 1960). 215 Vgl. z. B. LkASt, L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 2. 216 Föcking, F.: Fürsorge im Wirtschaftsboom, 2007, S. 20. Vgl. zudem Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 37 f. 217 LkAH, E 52, Nr. 367: Sitzung d. Arbeitsausschusses, Hann., v. 8.3.1952. 218 Die Ehepaare erhielten Doppelzimmer: LkAH, E 52, Nr. 367: Besichtigung AH am 26.2.1952, v. 3.3.1952, S. 1. 219 NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Kreis-Wohlfahrtsamt Uelz. an RP Lün., v. 2.7.1951.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
boten ähnlich gute Bedingungen und verfügten z. B. über eine Zentralheizung sowie eine funktionsfähige Strom- und Wasserversorgung.220 In der amerikanischen Besatzungszone genossen die DPs ebenfalls eine bevorzugte Behandlung und konnten daher häufig in ehemaligen Kasernen, d. h. festen Steinbauten untergebracht werden.221 Auch die Gebäude des Altersheims „Insula“ bei Berchtesgaden hatten vor dem Krieg als BDM-Führerinnenschule und später als Wehrmachtskaserne gedient und verfügten somit über eine vergleichsweise gute Ausstattung, u. a. eine funktionsfähige Heizanlage.222 Trotz dessen eigneten sich die meisten Notunterkünfte aufgrund ihrer mangelhaften Ausstattung und der oft ungünstiger Räumlichkeiten nicht für die längerfristige Versorgung alter und kranker Menschen.223 Zudem wiesen sie vielfach eine extrem hohe Bettenzahl auf. Obwohl, wie am Beispiel des Altersheims in Varel deutlich wird, selbst Einrichtungen mit etwa 1.000 Plätzen existierten, besaßen die meisten Heime aber nicht mehr als 500 Plätze. Beispielseise verfügten das DP-Altersheim in Bad Bodenteich und ein für deutsche Flüchtlinge errichtetes Heim bei Hildesheim jeweils über etwa 250 Plätze.224 Mit der Übergabe der DPs in deutsche Verantwortung wurde ihre offizielle Besserstellung beendet. Diese Regelung stieß bei den deutschen Behörden und Heimträgern auf große Zustimmung, zumal auf diese Weise die oft beklagte Konkurrenz zu den deutschen Flüchtlingen beendet wurde.225 Deren Unterbringung besaß aus Sicht der deutschen Heimträger oberste Priorität. So hieß es 1949 von Seiten der „Inneren Mission in Württemberg“: „Wir halten es nicht für gerechtfertigt, dass die DP-Alten besser gestellt werden, z. B. von der IRO, als unsere Alten“.226 Einem Erlass des niedersächsischen Innenministeriums von 1950 zufolge sollten die Unterkünfte für „heimatlose Ausländer“ bei der „gegenwärtigen Finanzlage“ schließlich nur soweit instandgesetzt werden, dass „erträgliche Wohnungsverhältnisse“ entstehen würden, die unter „Berücksichtigung der allgemeinen Wohnverhältnisse“ auch der deutschen Bevölkerung „zugemutet“ wor220 NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Frageb. v. 15.7.1950, DP-Lager Boden.; StAGoslar, ZA aus: Braunschweiger Zeitung: „Internationale Ruheständler in d. Herzbergen“, v. 5.8.1950. 221 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 1962. 222 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Landesverb. d. IM der EK in Bay., Nürn. an Landesverb. d. IM Stu., v. 19.9.1949. Im Winter entstanden aufgrund der großen Räume jedoch „enorme Heizkosten“, die eine große finanzielle Belastung darstellten: LkASt, B.: DW, Nr. 1500: LWF Service to Refugees, U. S. Zone of Germany, Qurtaly Report, July, August, September 1951, S. 10. 223 Zur Situation äußerte sich z. B. die spätere Vorsitzende der AWO: „Da die finanziellen Möglichkeiten sehr eng waren (…) mussten mit möglichst geringen Kosten möglichst viele alte Menschen untergebracht werden. Es gab Häuser mit 3- und 4-Bett-Zimmern […] ich sah auch (…) Säle mit 10–12 Betten. Zitiert nach: Holz, G.: Alten(hilfe)politik in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, S. 150 f. 224 Siehe z. B. Baumgartl: Altersbilder und Altenhilfe, 1997, S. 57. 225 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 229. 226 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: A. Kraut, IM in Württemb. an Prälat Dr. Hartgenstein, Stu., v. 8.8.1949.
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den wären.227 Obwohl sich die freien bzw. christlichen deutschen Wohlfahrtsverbände gegen die Bevorzugung der DPs einsetzten, zeigten sie doch weitaus mehr Interesse an deren Lebenssituation als die staatlichen Behörden. Im Falle des „Evangelischen Altersheims für heimatlose Ausländer Varel“ bestand die niedersächsische Landesregierung z. B. auf der extrem hohen Belegung mit etwa 1.000 Betten228; selbst wenn dadurch jeder Person im Durchschnitt lediglich 6,97 Quadratmeter pro Person im Mehrbettzimmer zustanden.229 Die freien Wohlfahrtsverbände setzten sich hingegen für höhere Quadratmeterzahlen bzw. für eine Verringerung der Bewohnerzahlen ein, wobei es keine Rolle spielen sollte, ob es sich um Heime für Deutsche oder aber für Ausländer handelte.230 Obwohl Zimmer mit weniger als 8,8 Quadratmeter pro Person den Grundsätzen der freien Verbände widersprachen, herrschten in vielen Heimen, zumindest in Altbauten, weiterhin beengte Wohnverhältnisse.231 Da aber auch die „Innere Mission“ einer beengten Massenunterbringung alter Menschen äußerst ablehnend gegenüberstand, forderte sie für das „Altersheim Varel“ eine Reduzierung auf 800 Betten.232 Unter normalen Umständen hielt sie höchstens 100 Betten pro Heim für vertretbar.233 Letztlich verfügten jedoch die ab den 1950er Jahren neu erbauten Altersheime für „heimatlose Ausländer“ noch immer über weitaus mehr als hundert Betten. Beispielsweise fanden im Münchner „Altersheim St. Nikolaus“ etwa 340 Menschen Unterkunft.234 Vor der Übergabe in deutsche Verwaltung Ende der 1940er Jahre verspflichtete sich die „IRO“ dazu, die Räumlichkeiten, die zukünftig als Altersheim für „heimatlose Ausländer“ genutzt werden sollten, umzubauen und nahezu komplett einzurichten. Diese Regelung traf z. B. auch auf die süddeutschen Altersheime in Dornstadt und Berchtesgaden zu, die zuvor als DP-Lager für Menschen aller Altersstufen fungiert hatten.235 Im Fall der „Insula“ beruhte der Vorgehen auf einem Vertrag, der 1949 zwischen der „IRO“, dem bayri-
227 NHStAH, Nds 120 Lün. Acc. 53/79, Nr. 248: Anl. zum Erlass d. Nds. MI, v. 20.11.1950, Richtlinien für d. Durchführung v. Instandsetzungsarbeiten in Lagern für HA, o. D. 228 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK, Old. an Nds. IM Hann., v. 14.11.1952. Im März 1952 standen im Heim 1012 Betten zur Verfügung, von denen 878 belegt waren: LkAH, E 52, Nr. 367: Vermerk, betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 1. 229 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK, Old. an Nds. IM Hann., v. 14.11.1952. 230 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK, Old. an Nds. IM Hann., v. 14.11.1952. 231 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK, Old. an Nds. IM Hann., v. 14.11.1952. 232 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK, Old. an Nds. IM Hann., v. 14.11.1952. 233 LkAH, E 52, Nr. 367: Vermerk, betr. DP-AH Varel, Bespr., v. 5.5.1953, S. 1. 234 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Maurer, J.: Das Problem d. HA in Bay. u. seine Lösung, in: CD: Festschrift, S. 12. 235 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH für kirchl. Diak. Mü. an Landesverb. IM, Nürn., v. 24.10.1950; LkASt, B. DW, Nr. 1500: Bespr. am 30.8.1949 betr. Einrichtung v. DP-Heimen. Vgl. zudem LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Landesverb. IM d. EK in Bay., Nürn. an Landesverb. IM Stu., v. 19.9.1949; LkASt, L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 3
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
schen Staat und der Militärregierung geschlossen worden war.236 Nach der Umgestaltung der ehemaligen Kasernengebäude entsprachen sowohl das Dornstädter als auch das Berchtesgadener Heim trotz ihrer Größe – die „Insula“ besaß 500 Betten – aber durchaus dem zeitgenössischen Standard der stationären Altersversorgung.237 Beispielsweise verfügten die Gebäude der „Insula“ über einen hellen Farbanstrich, Balkone sowie neu möblierte Bewohner- und Gemeinschaftsräume.238 Die Innenausstattung erfolgte vorwiegend „aus Wehrmachtsbeständen und Kriegsgut“.239 Auch würde nach Aussage des Heimträgers – trotz der großen Mehrbettzimmer – nicht der „deprimierende Eindruck des berüchtigten „Großen Saales“ erweckt“ werden240 – eine Ansicht, die von der Heimleitung hingegen nicht geteilt werden konnte; vielmehr galt die Unterbringung von mehreren Personen in einem Raum als das „Grundübel“ der „Insula“.241 Dass es sich beim „Evangelisch-lutherischen Altersheims Insula“ um das größte evangelische Altersheim im katholisch geprägten Bayern handelte, trug aber sicher entscheidend dazu bei, dass die bayerische „Inneren Mission“ das Heim als „jahrelang bekannte Mustereinrichtung unserer Kirche“ bezeichnete.242 So hätte die „Insula“ sogar „über die Grenzen der Landeskirche hinaus als vorbildlich gegolten“.243 Indem der Heimträger dem Altersheim also eine Vorbildfunktion zusprach, empfand er es als erhebliche Belastung, dass es spätestens in den späten 1950er Jahren als veraltet und renovierungsbedürftig galt.244 Unter anderem hieß es von Seiten des „Mutterhauses für kirchliche Diakonie“ in München: „Manches, was hier anzutreffen ist, kann für unsere heutigen Begriffe nicht mehr als menschenwürdig angesprochen werden“.245 Selbst die leitende Schwester bezeichnete die Ausstattung des Heims als „dürftig und abgenutzt“ und frei von jeglicher „Bequemlichkeit“, die Bewohnerzimmer sogar als „abschreckend“.246 236 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH für kirchl. Diak. Mü. an Landesverb. IM, Nürn., v. 24.10.1950. 237 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Maurer, J.: Das Problem d. HA in Bay. u. seine Lösung, in: CD: Festschrift, S. 12. 238 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: ZA aus: Ev. Ede?bl. Mü. Nr. 44, v. 29.10.1950: „Neuer Mittelpunkt ev. Lebens im Berchtesgadener Land“. 239 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: ZA 4–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 1. 240 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: H. Schmidt, Dir. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D., S. 2. 241 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Ev. luth. AH an Ev. luth. LKR Mü., v. 18.9.1951. 242 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: H. Schmidt, Dir. d. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D., S. 2. 243 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: H. Schmidt, Dir. d. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D., S. 2. 244 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: H. Schmidt, Dir. d. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D., S. 2; LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004– 726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 2. 245 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: H. Schmidt, Dir. d. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D., S. 2. 246 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 2.
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Umfangreiche Umbaumaßnahmen galten demzufolge als unabdingbar.247 Obwohl sich zahlreiche Heimträger, darunter z. B. der „Deutsche Fürsorgetag“ von 1947 gegen eine „Anhäufung“ von Menschen in einem Raum aussprach, verfügten zahlreiche Altersheime der Nachkriegszeit, v. a. aber die Notunterkünfte über Mehrbettzimmer.248 Die ebenfalls Anfang der 1950er Jahre eingerichteten bzw. neu erbauten Altersheime für „heimatlose Ausländer“ in Dornstadt und München boten ihren Bewohnern hingegen ausschließlich Doppelund Einzelzimmer.249 Auch die Ende der 1950er Jahre eröffneten „Ausländerheime“ in Darmstadt, Köln und Bielefeld verfügten über Einzel- und Zweibettzimmer und entsprachen somit den Idealvorstellungen der zeitgenössischen Altenpflege.250 Das „Altenwohnheim Darmstadt“ z. B. besaß 30 Einzel- und 32 Doppelzimmer.251 Letztere sollten v. a. Ehepaaren vorbehalten bleiben.252 Im „Beckhof-Altersheim“ existierten 24 Einzel- und 18 Doppelzimmer.253 Letztere wurden bevorzugt den älteren, langjährigen Bewohnern vorbehalten, während die Neuaufnahmen „ruhig erstmal“ im Doppelzimmer Unterbringung fanden.254 Selbst wenn sich – zumindest bei Neubauten – Doppel- und Einzelzimmer immer mehr durchsetzten, betrug deren Anteil im Jahr 1960 in der gesamten Bundesrepublik lediglich etwa 58 Prozent.255 Erst ab den späten 1960er Jahren vollzog sich auch in den älteren Häusern eine schrittweise Umwandlung der Mehrbett-, in Einzel- oder Doppelzimmer, wobei die damit verbundene Verringerung der Plätze meist durch Anbauten ausgeglichen werden konnte.256 1969 besaßen schließlich etwa 73 Prozent der Heime Einzel- oder Doppelzimmer.257 Da aber das „Evangelisch-lutherische Altersheim Insula“ weiterhin über Mehrbettzimmer mit bis zu fünf Betten verfügte, verlor es deutlich an Attraktivität.258 Dem Heimträger war dieses „größte Problem“ der „Insula“ durchaus bewusst, zumal „der alte Mensch heute ein Einzelzimmer als primitivstes Recht, für den Rest seines Lebens“ fordern würde und dieses Recht ihm ins-
247 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 2. 248 Folglich wurde das enge Zusammenleben leicht „zur Qual“: Karig, W.: Die Not der Alten, 1947, S. 111. 249 LKASt, L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 3; ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2. 250 Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 26: Dipl. Ing. F. Söder., betr. Neubau eines AH, 25.3.1959; 251 LkAHN, B. 160, Nr.27: Ev. Pressedienst, v. 17.11.1959: AH für russisch-orthod. Flücht. eingeweiht, S. 2. 252 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Kalitzsch an UNHCR Bad G., v. 2.10.1957. 253 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 56. 254 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 397: N., Flane: AH Beckhof an Fürsorgestelle Beth., v 13.2.1960. 255 Rückert, W.: Grundlagen der Planung von Altenhilfeunternehmen, 1974, S. 346, Tab. 4. 256 Vgl. Grabe, N. Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 154. 257 Rückert, W.: Grundlagen der Planung von Altenhilfeunternehmen, 1974, S. 346, Tab. 4. 258 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Fürsorgerin Dannholz, Insula, v. 3.6.1965.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
besondere von der Kirche zugesprochen werden müsste.259 Tatsächlich entschieden sich bereits Mitte der 1950er Jahre immer weniger Menschen für das Berchtesgadener Heim. Vor allem die Einheimischen, die aufgrund der abnehmenden Anzahl ausländischer Bewerber, angeworben wurden, lehnten die Unterbringung im Mehrbettzimmer ab.260 Spätestens Mitte der 1960er Jahre forderten die meisten „heimatlosen Ausländer“ aber ebenfalls ein Doppeloder Einzelzimmer.261 Dass sich die Bewohner großer Mehrbettzimmer zunehmend benachteiligt fühlten – „was sich auf die Atmosphäre“ im Heim auswirkte und selbst die Mitarbeiter bedrückte – konnte letztlich auch vom Heimträger der „Insula“ nicht länger toleriert werden.262 Da dieser zudem auf den guten Ruf der Einrichtung bedacht war, führten v. a. die von „Auswärts“ kommenden Klagen zu Besorgnis.263 Obwohl die Beibehaltung der Mehrbettzimmer im „Insula-Heim“ bis in die 1960er Jahre vorwiegend wirtschaftliche Gründe hatte, erfolgten bereits seit Mitte der 1950er Jahre Umbauten sowie eine „Auflockerung“, die durch eine Reduzierung der im Zimmer untergebrachten Menschen erreicht wurde.264 Um die „Wirtschaftlichkeit des Haues zu gewähren“, mussten die ohnehin vergleichsweise hohen Pflegesätze jedoch regelmäßig erhöht werden.265 Im Gegensatz zu den sog. „Gehfähigenstationen“ für die noch weitgehend „rüstigen“ alten Menschen durften die Pflegestationen nach Ansicht der zeitgenössischen Altersfürsorge weiterhin über Mehrbettzimmer verfügen, zumal auf diese Weise Einsamkeit verhindert und der Pflegeprozess erleichtert werden konnte.266 Vielfach hatte die Beibehaltung der Mehrbettzimmer in den 259 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: H. Schmidt, Dir. d. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D., S. 2 f. 260 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Landesverb. d. IM d. EK Bay. an Ev.-Luth. LKR Mü., v. 10.1.1955. 261 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Dir. Modrow, v. 3.6.1965. 262 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: H. Schmidt, Dir. d. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D., S. 2. 263 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: H. Schmidt, Dir. d. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D., S. 2. 264 Damit das Heim – trotz einer Verkleinerung der Bettenzahl – weiterhin wirtschaftlich tragbar war, beschloss der Heimträger bereits 1955 u. a. die Umwandlung eines Häuserblocks in ein Kindererholungsheim: LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Landesverb. IM d. EK Bay. an Ev.-Luth. LKR Mü., v. 10.1.1955. Weitere Umbauten konnten bis Ende der 1960er Jahre realisiert werden: LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Ministerialrat Vocke, betr. Sanierung d. Insula, v. 12.1.1967. 265 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: IM u. HW: Bilanz d. AH Insula, v. Ende 1962 bis Ende 1963, v. 20.10.1965, S. 4. 266 Mitte der 1950er Jahre sollte z. B. eine Notunterkunft für deutsche Flüchtlinge aufgrund fehlender Einzelzimmer aufgelöst und zur Erhaltung der Mehrbettzimmer in ein Pflegeheim umgewandelt werden: LkAH, L 3 III, Nr. 228: Birkenhof an Bischof Lilje, v. 23.4.1953. Für Mehrbettzimmer plädierte auch das 1955 erstellte „Memorandum über den Bau von Altersheimen“ des „Reichsverbands für Evangelische Alters- u. Siechenfürsorge“: LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Mem. über d. Bau v. AH, v. 27.6.1955, S. 5. In der Literatur zur Altersversorgung wurde ebenfalls der Kontakt zwischen den Bewohnern als Hauptargument für den Erhalt von Mehrbettzimmern herangezogen: Beck, G.: Men-
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Pflegestationen aber primär finanzielle Gründe, da sowohl eine Belegung großer Zimmer mit weniger Personen als auch Umbautem zwangsläufig zu finanziellen Einbußen führten. Ähnlich war die Situation im Insula-Heim, in dem sich ab den späten 1950er Jahren – wie schon erörtert – kaum noch Interessenten für die großen Mehrbettzimmer fanden, zugleich aber ein steigender Bedarf an Pflegebetten zu verzeichnen war.267 Mit der daraufhin erfolgten Einrichtung einer Pflegestation verbanden sich jedoch ebenfalls wirtschaftliche Interessen. So stieß es auf das Wohlwollen des Heimträgers, dass auf der Pflegestation auch weiterhin eine „Vollbelegung im Mehrbettzimmer“ möglich sein könnte, die letztlich zu einer deutlichen Kostenersparnis führen würde.268 Aufgrund der hohen Anzahl alter und pflegebedürftiger Menschen gehörten Krankenzimmer, die z. B. zur Isolierung von Bewohnern mit ansteckenden Erkrankungen, genutzt werden konnten ebenso zur Ausstattung der Altersheime wie eine mehr oder weniger gut bestückte Hausapotheke.269 Die ab den 1950er Jahren in der ganzen Bundesrepublik errichteten, „modern“ ausgestatteten Altersheime, d. h. auch die neu gebauten Heime für „heimatlose Ausländer“, boten einen wesentlich höheren Wohnkomfort als viele Altbauten oder die Notunterkünfte der Nachkriegsjahre. Beispielsweise besaß das 1953 erbaute Münchner Heim „St. Nikolaus“ bereits Zweibettzimmer mit Waschnische270, Warmwasserheizung sowie eine Ausstattung mit neuen Möbeln.271 Da aber bedingt durch die „langen Gänge“ und die zeitgemäße „hygienisch-technische Ausstattung“ eine „gewisse Nüchternheit“ als „unvermeidbar“ galt, sollte durch eine farbige Gestaltung der Gemeinschaftsräume ein Ausgleich geschaffen werden.272 Um den Räumen zudem eine private Atmosphäre und eine „heimatlich-nationale Färbung“ zu geben, waren sie u. a. mit bunten Fenstervorhängen, Wandbildern und – behängen ausgestattet.273 Auch das 1958 eröffnete zweistöckige Gebäude des „Beckhof-Altersheims“ orientierte sich am zeitgenössischen Standard und bot Doppel- und Einzelzimmer mit neuen Möbeln, Zentralheizung, fließend Warm- und Kaltwasser sowie einer elektroakustischen Rufanlage.274
267 268 269 270 271 272 273 274
schen im Altersheim, 1957, S. 9; O. N.: Einrichtung einer Pflegestation im Altenheim, 1963, S. 10–13; Lohmann, S.: Die Lebenssituation älterer Menschen in der geschlossenen Altersfürsorge, 1970, S. 122. LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Fürsorgerin D., Insula, v. 3.6.1965. LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: IM u. HW: Ab. aus d. Bilanz d. AH Insula, v. Ende. 1962 bis Ende 1963, v. 20.10.1965, S. 4. Vgl. z. B. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 56. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2. ADiCVMü., O. N.: Vergangenheit ohne Glück, in: CD, 6. Jhg., H. 5, Mai 1953, S. 50. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2. ADiCVMü. Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas. in: CD: Festschrift, S. 2. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 56.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
Bis in die 1960er Jahre erlaubten die meisten Altersheime ihren Bewohnern – zumindest in den Einzel- und Doppelzimmern – das Mitbringen eigener Möbel und Erinnerungsstücke. Die Nutzung von weiteren Gebrauchsgegenständen, z. B. des eigenen Essbestecks oder der eigenen Bettwäsche, konnte den alten Menschen nicht nur das Einleben in der fremden Umgebung erleichtern, sondern besonders in großen Heimen, einer „Entindividualisierung“ der Bewohner entgegenwirken. Da die meisten DPs und „heimatlosen Ausländer“ jedoch keine eigenen Möbel und kaum persönliche Gegenstände besaßen, übernahmen die Heimträger die Raumausstattung. Je nach finanzieller Lage der Heime fiel diese sehr karg oder relativ komfortabel aus. Bis weit in die 1950er Jahre hinein waren die meisten Altersheime auf Sachspenden für die Raumausstattung angewiesen. Auch hier konnten für die „Ausländerheime“ zahlreiche Spenden durch kirchliche Verbände und Organisationen aus dem Ausland rekrutiert werden, u. a. durch die Weltkirchenverbände. Besondere Nachfrage herrschte nicht nur nach warmer Kleidung für den Winter, sondern z. B. auch nach Bettwäsche, da vielfach nur Wolldecken bereit standen.275 Bedingt durch die meist nur notdürftige Ausstattung der großen, lagerähnlichen Heime, zu den z. B. das „Evangelische Altersheim für heimatlose Ausländer Varel“ zählte, war das Mitbringen eigener Möbelstücke und Gebrauchsgegenstände erlaubt und oft sogar erwünscht.276 Beispielsweise durfte auch im Fall des 1951 aufgelösten Goslarer Altersheims „das den heimatlosen Ausländern durch die englische Verwaltung seinerzeit übereignete Inventar und Mobiliar“ mitgeführt werden, sollte aber möglichst im Haus verbleiben, da es weiterhin benötigt wurde. Bilder, Bücher und Geschirr waren hingegen ausdrücklich erwünscht.277 Nach Ansicht des niedersächsischen Innenministeriums besaß jedoch der Großteil der Goslarer Heimbewohner ein Anrecht auf das von ihnen genutzte Mobiliar. So hieß es in einem Schreiben an den Heimträger, d. h. die „Innere Mission“: „Hinsichtlich der angeblich den heimatlosen Ausländern gehörenden Inventarstücke darf ich Sie unterrichten, (…) daß Einrichtungsgegenstände, die (…) ausgegeben wurden, lediglich für solche DPs bestimmt sind, die von der deutschen Wirtschaft übernommen wurden und nicht für solche DPs, die für dauernd in Altersheimen eingewiesen wurden (…).278 Die Einrichtung gehört danach dem Heim und nicht den einzelnen Insassen, die dauernd dort wohnen“.279 Obwohl den alten Menschen versichert wurde, das ihnen im Vareler Altersheim eine ausreichende Anzahl an Möbeln zur Verfügung stehen würde, „bestanden“ sie darauf, „ihre Dinge mitzunehmen. So wüßten sie, was sie hier an Möbeln besäßen, wüßten aber 275 LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Dez. 1951, S. 5. 276 LkAW acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: AMH, v. 24.8.1951: Goslar, v. 31.8.1951. 277 LkAW acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: Aktenvermerk, betr.: am 10.6.51. 278 LkAW acc. 16/09, Nr. Bespr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: Ab.: Nds. MI Hann. an Ev. Verein für IM, Braun., v. 18.6.1951, S. 2. 279 LkAW acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: Ab.: Nds. MI Hann. an d. Ev. Verein für IM, Braun., v. 18.6.1951, S. 2.
2.7 Räumliche Bedingungen
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nicht, was man ihnen in Varel übergeben würde“.280 Damit aber dem Goslarer Heim, das zukünftig als Müttergenesungsheim dienen sollte, nicht „ca. 60 Betten, Tische, Schränke usw. abgezogen werden“ mussten, konnten die nach Varel verlegten Personen letztlich nur wenige und sich ausdrücklich in ihrem Besitz befindliche Möbelstücke mitnehmen.281 Obwohl das 1953 in einem Neubau eröffnete Altersheim „St. Nikolaus“ bereits zu den „modernen“, gut ausgestatteten Heimen zählte, durften die Bewohner persönliche Gegenstände mitbringen, die ihnen das Einleben in die zunächst fremde Umgebung erleichterten. Dazu gehörte z. B. ein Samowar, mit dem die russischstämmigen Heimbewohner sich auch weiterhin ihren Tee auf traditionelle Weise zubereiten konnten.282 Ab Ende der 1950er Jahre plädierten die Heimträger weniger für „wohnliche“ als für zweckmäßige, saubere Heime mit möblierten, leicht zu reinigenden Zimmern. Daher versahen sie nicht nur die Pflegeheime häufig mit Krankenhausmöbeln und Linoleumfußböden.283 Im Zuge dieser Entwicklung votierten schließlich immer weniger Herimleitungen für die Mitnahme persönlicher Möbel und Gegenstände. Folglich mussten z. B. auch die zukünftigen Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ die „alten DP-Möbel“ aus den früheren Unterkünften verkaufen, da die Zimmer bereits eine komplette Einrichtung besaßen.284 Kleinere persönliche Dinge sowie Kleidung, Federbetten und Bettdecken waren aber weiterhin erwünscht.285 Über eine vollständige Ausstattung verfügten auch die Bewohnerzimmer im Darmstädter Heim, wobei sogar selbst kleine Möbelstücke und Einrichtungsgegenstände nicht mitgenommen werden durften.286 Die Bewohner mussten sich somit auf „gute und notwendige Dinge“ beschränken und z. B. Geschirr, Kochtöpfe u. ä., Wasserkessel auf jeweils ein Stück reduzieren und nur wenige, ausschließlich „gut erhaltene“ Bekleidung mit ins Heim bringen.287 Elektrische Kocher, Petroleumkocher u. ä., die v. a. in den Notunterkünften benötigt worden waren, wurden nicht mehr gebraucht, da das Haus über Teeküchen verfügte.288 Zu Auseinan280 LkAW acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH, v. 24.8.1951: AMH an d. Ev. Verein für IM Braun., v. 15.8.1951. 281 LkAW acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH, v. 24.8.1951: Goslar, v. 31.8.1951. Schwieriger erwies sich für die alten Menschen die Verpackung kleinerer persönlicher Gegenstände, da sie keine Koffer, Kisten u. ä. besaßen: LkAW acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH, v. 24.8.1951: AMH an d. Ev. Verein für IM Braun., v. 15.8.1951. 282 https://www.schwaebische.de/home_artikel,-_arid,275171.html. 283 Vgl. z. B. O. N.: Einrichtung einer Pflegestation im Altenheim, 1963, S. 12. 284 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 672: B., Ivan: Beckhofverw. an IB, Mün., v. 11.3.1959; HAB, EA Eck., Nr. 3426: K., Mieczyslaw: WA Lintorf an MK, im Lager, Baracke 60/2, v. 4.11.1958; Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 56. 285 Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 672: B., Ivan: Beckhofverw. an IB, Mün., v. 11.3.1959; HAB, EA Eck., Nr. 3426: K., Mieczyslaw: WA Lintorf an MK, im Lager, Baracke 60/2, v. 4.11.1958. 286 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 287 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 288 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
dersetzungen führte in den späten 1960er Jahren auch das Verbot der Heimleitung, die Möbel in den Bewohnerzimmern nach den individuellen Wünschen der alten Menschen umzustellen.289 Trotz aller Verbote war es den alten Menschen aber gestattet, ihre Zimmer mit Hilfe eigener Bilder und Ikonen, „heimatlich“ zu gestalten.290 In vielen Heimen gehörte die Reinigung des eigenen Zimmers – mit Ausnahme der Grundreinigung, d. h. der Fenster, Böden, Sanitäranlagen usw. – noch bis in die 1950er Jahre hinein zu den Aufgaben der noch rüstigen Bewohner. Auch das „Altenwohnheim Darmstadt“ wies demzufolge darauf hin, dass im Haus genug Besen, Eimer u. ä. vorhanden sein würden und diese folglich nicht mitgebracht werden brauchten.291 Zahlreichen alten Menschen fiel es sehr schwer sich von ihren Habseligkeiten zu trennen. Um auch größere Gegenstände wie Koffer und Möbel aufzubewahren, errichteten einige Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ zwei kleine Holzhütten in einem zum Heimgelände gehörenden Wäldchen.292 Für die „heimatlosen Ausländer“ besaßen die Hütten eine wichtige Bedeutung als „letzter Hort persönlichen Freiraumes, der ihnen noch geblieben ist“ und stellten somit weitaus mehr als bloße „Abstellkammern“ dar.293 Ein Bewohner verwahrte dort z. B. die letzten Habseligkeiten seiner verstorbenen Frau.294 Obwohl immer wieder der Abriss der Hütten drohte, tolerierte das Heimpersonal bzw. die Leitung sie doch für einen erstaunlich langen Zeitraum. Demnach könnte, so die Aussage einer Mitarbeiterin, ein alter Mensch in keinem anderen Altersheim so „freizügig leben wie im Beckhof“, selbst wenn sich einzelne Bewohner durchaus ab und zu in ihrer Freiheit beschränkt fühlen würden.295 Beispielsweise tolerierten die Mitarbeiter die „skurrile Persönlichkeit“ des oben genannten Bewohners, der nicht nur zahlreiche Katzen versorgte, sondern neben der selbstgebauten Hütte auch sein Einzelzimmer vollständig mit persönlichen Dingen belegte.296 Einer Bewohnerin des Dornstädter Altersheims erfüllte die Heimleitung sogar zahlreiche kleine Extrawünsche, wie einen Einbauschrank in ihrem Zimmer.297 Zudem wurde sie vom Heim mit dem Auto „zweimal im Jahr an den Bodensee gefahren“, damit sie das Grab ihres Mannes 289 Folglich durfte z. B. ein Bewohner trotz mehrerer Beschwerden weder einen Tisch näher an sein Bett stellen noch die vom Heimleiter festgelegte Anordnung der Betten verändern: B. 160, Nr. 29: A. Ignatiew an E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 16.11.1967. 290 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Das AH für russisch-orth. Ausl. in Darm., o. D. (ca. 1961). 291 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 292 HAB Anst. 1 Nr. 943: J. Gärtner, Dü. an Pf. A. Funke, v. 18.7.1978, S. 1. 293 HAB Anst. 1 Nr. 943: J. Gärtner, Dü. an Pf. A. Funke, v. 18.7.1978, S. 2. Den Bewohnern des in den 1970er Jahren von der Caritas eingerichteten „Ledigenwohnheim für alleinstehende heimatlose Ausländer“ in München stellte die Heimleitung im Keller des Hauses ebenfalls zusätzlichen Raum zur Unterbringung ihrer persönlichen Dinge zur Verfügung: Esser, P.: Ex-Zwangsarbeiter fühlten sich an Weihnachten wie in einer Familie, 2001. 294 HAB Anst. 1 Nr. 943: J. Gärtner, Dü. an Pf. A. Funke, v. 18.7.1978, S. 2. 295 HAB Anst. 1 Nr. 943: Sozialdienst Beth. an Pf. Funke, Hauptverw. Beth., v. 17.8.1978. 296 HAB Anst. 1 Nr. 943: Sozialdienst Beth. an Pf. Funke, Hauptverw. Beth., v. 17.8.1978. 297 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: AH d. IM in Dorn. an Landesverb. für IM, v. 16.10.1961, S. 3.
2.7 Räumliche Bedingungen
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besuchen konnte.298 Im „Insula-Heim“ wurde nach Ansicht des „Anstaltspfarrers“ – anders als in vielen „modernen“ Altersheimen – ebenfalls „niemand (…) in ein Schema gepresst“.299 Tatsächlich standen auch den alten Menschen in der „Insula“ vergleichsweise große Freiheiten zu.300 Dass u. a. auch die „Hausordnung anscheinend nicht ganz streng durchgeführt“ wurde, stieß beim zuständigen Oberkirchenrat jedoch auf wenig Zustimmung. Vielmehr hielt dieser eine „gewisse Strenge im Altersheim“ für notwendig.301 Auf allgemeine Akzeptanz stieß hingegen die auch in „deutschen“ Heimen übliche Praxis, den alten Menschen auf Wunsch kleine Gartengrundstücke zur Verfügung zu stellen, die sie nach Belieben bearbeiten durften. Die in den einzelnen Häusern bereitstehenden Küchen erlaubten die Zubereitung kleiner Mahlzeiten und selbst das Halten von Vögeln war erlaubt.302 Wenig Privatsphäre boten hingegen die Mehrbettzimmer, in denen sich die Bewohner der „Insula“ lediglich eine Ecke bzw. ein kleines Wandstück persönlich gestalten konnten und sich auf diese Weise einen – wenn auch nur minimalen – privaten „Raum“ schufen.303 Indem die alten Menschen die Zimmerwände mit privaten Bildern ausschmückten, wurde ihnen eine leichtere Identifikation mit der fremden Umgebung ermöglicht.304 Häufig waren die Zimmerwände mit religiösen Bildchen, Fotos und Zeitungsausschnitten bestückt, die meist einen direkten Bezug zu ihrer alten Heimat und zur persönlichen Vergangenheit der alten Menschen besaßen.305 Die Insula-Leitung tolerierte sogar das „Verbarrikadieren“ des eigenen Betts mit „Wandschirmen und Behängen“ sowie das „Horten geringer Werte“, „auch wenn der optische Eindruck dadurch leidet“.306 Auch nach Aussage der leitenden Schwester sollte die „Insula“ „kein steriles Heim sein“. Vielmehr würde das Personal „Achtung vor der Persönlichkeit der Bewohner“ besitzen, was bei den „heimatlosen Ausländern“ von besonderer Wichtigkeit sein müsste.307 Aus diesem Grund sollte es den alten Menschen auch noch nach den geplanten Umbaumaßnahmen – die v. a. zu einer höheren Anzahl von Einzel- und Doppelzimmern führen sollten – möglich sein, ihre Zimmer selbst einrichten zu dür-
298 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: AH d. IM in Dorn. an Landesverb. für IM, v. 16.10.1961, S. 3. 299 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 2. 300 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 7. 301 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Oberkirchenrat Riedel an Pf. Hofmann, Mü., v. 10.9.1951. 302 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 7. 303 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 7. 304 Vettinger, G.: Soziologische Untersuchung des Altersheims, 1951, S. 56. 305 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 2. 306 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 7. 307 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 7.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
fen.308 Zwar spiegelt sich in den oben genannten Beispielen der in den 1960er Jahren begonnene Wandel im Heimwesen wieder, demzufolge den Bewohnern stationärer Einrichtungen größere Freiheiten zugestanden werden sollten. Anderseits zeigten die Mitarbeiter der „Ausländerheime“ bereits in den 1950er Jahren vielfach ein toleranteres Verhalten gegenüber den Heimbewohnern als das Personal in vergleichbaren Einrichtungen für Deutsche. Für die Hausgemeinschaft spielten besonders die Gemeinschaftsräume eine tragende Rolle. Im „Evangelisch-lutherischen Altersheim Insula“ wurde das Fehlen von Aufenthaltsräumen in einigen Häuserblöcken dementsprechend negativ bewertet, zumal einige Bewohner auf diese Weise lange Wege zurücklegen mussten.309 Nach Aussage der leitenden Schwester verfügten einige Häuser, trotz verschiedener Umbaumaßnahmen, noch Mitte der 1960 Jahre über keine geeigneten Gemeinschaftsräume.310 Die Mehrzahl der Wohnhäusern des Insula-Heimkomplexes bot den alten Menschen hingegen sogar mehrere Gemeinschaftsräume, darunter eine Bibliothek, ein Lesezimmer sowie ein „Konzert- und Kinosaal mit 300 Sitzplätzen“.311 Schon 1951, d. h. kurz nach Eröffnung des Altersheims, äußerte sich eine Bewohnerin lobend über ein in ihrem „Block“ vorhandenes „großes schönes Zimmer mit weichen Möbeln, wo man Radio hören kann“.312 Den Bewohnern des Altersheim in Varel, das sich ebenfalls aus mehreren Häuserblocks zusammensetzte, standen in jedem Wohnblock sowohl ein Unterhaltungsraum als auch ein Lesesaal zur Verfügung.313 Das im gleichen Zeitraum neu erbaute Altersheim in München bot in jedem Stockwerk einen Lese- und Aufenthaltsraum.314 Für Veranstaltungen, Theater – und Filmabende standen zudem zwei sog. „Klubräume“ sowie ein großer Festsaal zur Verfügung.315 Da das Vorhandensein von mehreren Gemeinschaftsräumen inzwischen zum Standard neuer Altersheime gehörte, konnten auch die im 1959 eingeweihten „Altenwohnheim Darmstadt“ lebenden alten Menschen eine Bibliothek, Lese- und Fernsehräume sowie einen Festsaal für Veranstaltungen nutzen.316 Eine ähnlich wichtige Rolle wie die Aufenthaltsräume spielten auch die Speiseräume. So trugen die im Speisesaal gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten – selbst wenn nicht wenige Konflikte beim Essen ausgetragen wurden – 308 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 7. 309 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Fürsorgerin D., Insula, v. 3.6.1965. 310 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 1. 311 LkASt, B. DW, Nr. 1500: Ab. eines Briefes. Oktober 1951. 312 LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Dez. 1951, Anl. Ab. eines Briefes. 313 LkAH, E 52, Nr. 367: Vermerk betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 1. 314 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2. 315 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2. 316 LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm, Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN, S. 1.
2.7 Räumliche Bedingungen
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erheblich zur Verbesserung der sozialen Interaktion der Heimbewohner bei. Da dieses Argument ebenfalls von den Heimträgern heranzogen wurde,317 besaßen die meisten Altersheime einen großen Speisesaal zur gemeinsamen Einnahme der Hauptmahlzeiten.318 Der Speisesaal des „Beckhof-Altersheims“, der auch den übrigen Siedlungsbewohnern zur Verfügung stand, bot sogar 100 Personen Platz.319 Andere, v. a. große Heime verfügten über mehrere kleinere Speiseräume in den verschiedenen Etagen oder Häusern.320 Einige Einrichtungen servierten hingegen – wie schon erörtert – das Essen auf den einzelnen Bewohnerzimmern. Vielfach lag der Grund für diese Entscheidung weniger in einer bewussten Entscheidung, als vielmehr im Fehlen eines geeigneten großen Speisesaals. Da ein großer Teil der in Heimen untergebrachten „heimatlosen Ausländer“ noch vergleichsweise „rüstig“ war, verfügten die Bewohnerzimmer neu erbauter Einrichtungen, z. B. des „Beckhof-Altersheims“ oder des Altersheims in München, teilweise sogar über kleine Kücheneinheiten.321 Ansonsten verfügten die Neubauten der späten 1950er Jahre, wie schon erwähnt, kleine gemeinschaftlich zu nutzende Küchen für die Bewohner, sog. Teeküchen.322 Die sanitäre Ausstattung fiel bis weit in die 1960er Jahre in den meisten Heimen sehr einfach aus.323 So mussten die alten Menschen mit Gemeinschaftsbädern und -toiletten Vorlieb nehmen.324 Insbesondere Altbauten besaßen veraltete Sanitäranlagen, deren Anzahl, gemessen an der Anzahl der Bewohner, teilweise zu gering ausfiel. Zudem befanden sie sich oft auch außerhalb des Wohngebäudes und konnten nicht beheizt werden.325 Auch die sanitären Anlagen des „Evangelisch-lutherischen Altersheims Insula“ waren in 317 Vgl. u. a. Buchberger, E.: Der Speisesaal im Altenheim, 1964, S. 10. 318 Z. B. LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Old. an d. Landesbevollmächtigten für d. IM Hann, v. 27.10.1952. 319 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 56. 320 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Dipl. Ing. F. Söder, betr. Neubau eines AH, v. 25.3.1959. 321 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 672: Paulus B.: Beckhofverw. an P. B., v. 2.1.1962. Vgl. zudem Buchberger, E.: Der Speisesaal im Altenheim, 1964, S. 10. 322 Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN, S. 1; Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 29: A. Ignatiew an E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 16.11,1967, S. 1. 323 E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Old. an Landesbevollmächtigten für d. IM Hann, v. 27.10.1952. 324 BAH, CV Hild. V, 2. Tag., Nr. 40: Wie soll der alte Mensch in Zukunft wohnen, o. D. (nach 1971); Buchan, L.: Altenheime – Altenwohnheime, 1966, S. 24. Zur Ausstattung mit Bädern: Neubelt, W.: Vorschläge für einen Altenhilfeplan im Bereich einer Stadt oder eines Landkreises, 1968, S. 30. 325 Vgl. dazu z. B. NHStAH, Nds 120 Lün. Acc. 53/79, Nr. 248: Anl. zum Erlass d. Nds. MI v. 20.11.1950, Richtlinien für d. Durchführung v. Instandsetzungsarbeiten in Lagern für HA, S. 2. Auch im DP-Lager „Augustdorf“, befanden sich die Toiletten und z. T. auch die Waschräume außerhalb der Wohngebäude, sodass die alten Menschen lange Wege in Kauf nehmen mussten: Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration, 2008, S. 41. Vgl. dazu auch Buchan, L.: Altenheime – Altenwohnheime, 1966, S. 25.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
den 1960er Jahren für alte und kranke Personen „nicht zweckentsprechend“326 und auch „hygienisch nicht mehr einwandfrei“.327 Folglich sollten sie „dringend“ erneuert werden.328 Anders gestaltete sich die Situation im ebenfalls 1951 eingerichteten Dornstäter Heim, dessen Bewohnerzimmer bereits Anfang der 1950er Jahre, d. h. seit der Eröffnung, fließend warmes Wasser besaßen.329 Häufig war dieses jedoch nur in Neubauten für alle Bewohner verfügbar.330 So auch im 1959 eröffneten „Beckhof-Altersheim“, in dem aber vorerst nur die Zimmer für Pflegebedürftige einen Warmwasseranschluss aufwiesen.331 Auf den anderen Abteilungen des Hauses standen auf jeder Etage Badezimmer und Spültoiletten bereit, wobei letztere ebenfalls erst in den 1960er Jahren zum allgemeinen Heimstandard gehörten.332 Im gleichen Zeitraum setzten sich Duschvorrichtungen durch, die ein zeitsparendes Waschen der alten Menschen ermöglichten.333 Neben den von den Bewohnern genutzten Räumlichkeiten wiesen alle Altersheime Küchen- und Wirtschaftsräume auf. Teilweise befanden diese sich auch in separaten Gebäuden.334 Da anfangs z. B. jeder Häuserblock des „Evangelischen Altersheim Varel“ eine eigene Küche besaß, strebte die Heimverwaltung 1952 zur Einsparung von Kosten, die Einrichtung einer Zentralküche für das gesamtes Altenheim an.335 Obwohl sich die großen Notunterkünfte fast immer außerhalb von Ortschaften bzw. am Ortsrand befanden, wurden einige „Ausländerheime, v. a. die Neubauten der späten 1950er Jahre, bewusst innerhalb des Stadtgebiets errichtet. Alle Einrichtungen verfügten jedoch über mehr oder weniger große Gartengrundstücke, die sowohl als Zier- als auch als Nutzgarten fungieren konnten.336 Den Bewohnern der abseits gelegenen Notunterkünfte, wie dem „Adrian-Marshall-Home“ in Goslar oder dem Altersheim in Varel, standen 326 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 1. 327 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 1. 328 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 1. 329 LKASt, L1 DW, Nr. 2488: RP Nordwürttemb., Stu. an Eugen C., AH Dorn., v. 16.7.1957. 330 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 56. 331 HAB Aug. Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1957–1958, 2/16–64: An Landschaftsverb. Westf.-Lippe, Landesfürsorgeverb. Mün., v. 12.8.1957. 332 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 56. Vgl. u. a. auch Buchan, L.: Altenheime – Altenwohnheime, 1966, S. 25. 333 Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 160. 334 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 56. 335 LkAH, E 52, Nr. 367: Vermerk betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 1. 336 Wie schon beschrieben, erhielten die Bewohner einiger Heime kleine Beete, die sie selbsständig bepflanzen durften.
2.7 Räumliche Bedingungen
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Abb. 3: Das „Beckhof-Altersheim“
zudem viele Möglichkeiten für Spaziergänge in der Natur zur Verfügung. Auch das Altersheim „Insula“ bei Berchtesgaden war von großen Bergwiesen umgeben. Die alten Menschen im Münchner Altersheim „St. Nikolaus“ konnten sowohl den zum Haus gehörenden kleinen „Park“ als auch den angrenzenden öffentlich zugänglichen „Englischen Garten“ nutzen.337 Damit ebenfalls gehbehinderte und pflegebedürftige Bewohner regelmäßig an die „frische Luft“ kamen, verfügten die meisten Altersheime – neben Bänken und ähnlichen Sitzmöglichkeiten – über Liegestühle oder fahrbare Krankenbetten.338 Nahezu alle DP-Altersheime verfügten – wie oben erwähnt – über mehr oder weniger gut ausgestattete Sakralräume, bei denen es sich in den 1950er Jahren meist um Provisorien handelte. Beispielsweise fungierte im Heim „Insula“ eine ehemalige Turnhalle als evangelische Kapelle.339 Andere Heime besaßen sogar mehrere Räumlichkeiten, die für Gottesdienste genutzt wurden. Auch das große Altersheim „Varel“ richtete in den Dachgeschossen der
337 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2. 338 Vgl. dazu u. a. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2. 339 http://www.berchtesgaden-evangelisch.de/5kirchen/insulakirche.php.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
Heimgebäude Gottesdiensträume für die verschiedenen Konfessionen ein.340 Das Altersheim in Dornstadt wies neben Räumen für die katholischen, evangelischen und russisch-orthodoxen Bewohner auch einen buddhistischen Gebetsraum für die im Haus lebenden Kalmyken auf.341 Die Anfang der 1960er Jahre neu erbaute Kirche der „Beckhofsiedlung“ wurde sogar bewusst so konzipiert, dass sie über je einem Raum für die evangelisch-lutherischen Esten und Letten, die orthodoxen Russen und Serben, die römisch-katholischen Polen, die orthodoxen und die griechisch-katholischen Ukrainer verfügte.342 Alle weiteren, in den 1950er und 1960er Jahren speziell für „heimatlose Ausländer errichteten Heime besaßen ebenfalls größere Kirchen und Kapellen, die häufig nicht nur den Heimbewohnern zur Verfügung standen. In Darmstadt nahm ab und zu sogar die gesamte russisch-orthodoxe Gemeinde an der im „Altenwohnheim Darmstadt“ zelebrierten Messe teil.343 Ein großer Teil der Sakralräume wurde v. a. mit Hilfe von Spendengeldern ausgestattet.344 Beispielsweise finanzierte die „IRO“ den größten Teil des Baus sowie die Ausstattung der „Insula-Kirche“; ein Teil der Ausstattung musste jedoch aus Stiftungsmitteln der bayrischen evangelischen Landeskirche beglichen werden.345 Die künstlerische Gestaltung und die Ausstattung der in den Altersheimen eingerichteten Sakralräume erfolgten häufig durch Künstler, die selbst aus den Reihen der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ stammten.346 Dies traf z. B. auch auf den buddhistischen Gebetsraum im „Altersheim Dornstadt“ zu.347 Teilweise bestand zudem ein direkter Bezug zu den Bewohnern oder deren Herkunftsregionen. Der Überlieferung zufolge entstanden z. B. die auf den Wandmalereien der „Insula-Kirche“ dargestellten Personen nach dem realen Vorbild der in der „Insula“ lebenden Menschen.348 Der Glockenturm der 1962 fertiggestellten, aus Holz gebauten Kirche der „Beckhofsiedlung“ ori-
340 LkAH, E 52, Nr. 367: Vermerk betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 1. 341 http://www.swp.de/ulm/lokales/alb_donau/kosaken-bewahren-erinnerung-11406234. html; http://www.ev-heimstiftung.de/fileadmin/evhst/images/unternehmen/publication en/magazin/2010-4.pdf. 342 http://ukrainische-orthodoxe-kirche.de/40985/126101.html. 343 Umgekehrt war es den Heimbewohnern einmal im Monat möglich, mit dem Bus zum Gottesdienst in der bereits im 19. Jahrhundert erbauten russisch-orthodoxen Kapelle auf der Mathildenhöhe zu fahren: http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/ geschichte.html. 344 Z. B. http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 345 Dabei griff diese u. a. auf Kollektenspenden zurück, die z. B. zur Finanzierung der Orgel, der Gesangsbücher und mehrerer Leuchter der Kirche Einsatz fanden: LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH für kirchl. Diak. Mü. an d. Ev-luth. LKR Mü., v. 14.9.1950. 1957 wurde für schwerhörige Heimbewohner eine sog. „Vielhöranlage“ in der Kirche installiert: LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: AH Insula an Ev.-Luth. LKR Mü., v. 2.3.1957. 346 In den DP-Lagern wurde Kirchenschmuck oft aus einfachsten Mitteln selbst hergestellt, z. B. Ikonen: Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 299. 347 Aged DPs to Go under German Care, 1950, Fotografie Nr. 4, S. 16. 348 http://www.berchtesgaden-evangelisch.de/5kirchen/insulakirche.php.
2.7 Räumliche Bedingungen
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entierte sich an osteuropäischen Kirchenbauten, wobei die Innengestaltung ebenfalls in der künstlerischen Tradition der jeweiligen Konfessionen bzw. Herkunftsländer erfolgte.349 In Anlehnung an russische Kirchenbauten verfügte auch auch das Ende der 1950er Jahre für russisch-orthodoxe „heimatlose Ausländer“ erbaute Heim in Darmstadt eine sehr kunstvoll, mit Ikonen ausgestaltete Hauskapelle.350 Dass die Wohnbedingungen in den „Ausländerheimen“ häufig über dem allgemeinen Standard lagen, rief keineswegs nur eine positive Resonanz hervor. Beispielsweise musste sich der Münchner „Caritasverband“, als Träger des „Altersheim St. Nikolaus“ in den ersten Jahren wiederholt dem Vorwurf aussetzen, „für die damaligen Verhältnisse zu luxuriös gebaut zu haben“.351 So wiesen zahlreiche in Altbauten untergebrachte, unsanierte „deutsche“ Altersheime sowie viele Anfang der 1950er Jahre errichteten Flüchtlingsaltersheime noch in den 1960er Jahren eine deutlich einfachere Ausstattung als die für „heimatlose Ausländer“ errichteten Häuser auf. Beispielsweise verfügten sie noch immer über große Mehrbettzimmer.352 Da viele „Ausländerheime“ bereits in den 1950er Jahren mehrere Aufenthaltsräume, eine Bibliothek und einen großen Festsaal aufwisen, wurden die DPs und „heimatlosen Ausländer“, wie bereits mehrfach erwähnt, als Konkurrenz zur deutschen Bevölkerung betrachtet und ihnen jeglicher Komfort geneidet. Obwohl es den deutschen Heimträgern, sicherlich tatsächlich primär um das Wohlergehen der „Ausländer“ ging, verfolgte z. B. im Fall des Münchner Heims „St. Nikolaus“ auch die Caritas zugleich die Intention, ein Haus zu errichten, das der Öffentlichkeit in Deutschland und v. a. im Ausland „Kunde von der Aufrichtigkeit unseres Willens gibt“ (…), „manches Unrecht wieder gutzumachen“.353 Für die alten Menschen war das neue, komfortabel ausgestattete Heim aber tatsächlich eine „neue Welt gegenüber dem Leben in Gemeinschaftsräumen und Baracken“.354 Sowohl in den Heimen für Deutsche als auch für „heimatlose Ausländer“ wurden im Durchschnitt alle zehn Jahre umfassende Baumaßnahmen durch-
349 Vgl. HAB, unverzeichneter Fotobestand zur Beckhofsiedlung, 1960er Jahre; Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 374–381. S. 379. 350 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. Nach umfangreichen Renovierungen wurde die orthodoxe Kirche 1955 neu geweiht: http://darmstadtchurch.de/geschichte/baugeschichte/. 351 ADiCVMü., Kuckelkorn, S.: Das Vaterhaus der Nachkriegs-Caritas, in: CD, 43. Jhg., H. 3/4, 1990, S. 60. 352 In einem Hildesheimer Altersheim lebten die Bewohner überwiegend in Drei- bis Fünfbettzimmern: AMH, Chronik Magdalenenhof 1952–59: Magdalenenhof an Elisabeth B., v. 12.11.1959. Zudem besaßen die Zimmer noch in den 1960er Jahren eine Ausstattung mit „einfachen“ „älteren“ Möbeln: AMH, Chronik Magdalenenhof 1960–1970: Ges. Hild. an Magdalenenhof., v. 28.6.1967: Besichtigungsber., betr. Antrag auf Gewährung einer Finanzierungsbeihilfe, S. 3. 353 ADiCVMü., Kuckelkorn, S.: Das Vaterhaus der Nachkriegs-Caritas, in: CD, 43. Jhg., H. 3/4, 1990, S. 60. 354 ADiCVMü., O. N.: Vergangenheit ohne Glück, in: CD, 6. Jhg., H. 5, 1953, S. 50.
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2. Die Heime – verwaltungs- und migrationsgeschichtliche Aspekte
geführt.355 Zwar gingen Renovierungen zunächst mit Lärm und weiteren Belastungen einher, führten aber fast immer zu einer deutlichen Steigerung des Wohnkomforts.356
355 Vgl. Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 156. 356 Z. B. LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Dez. 1951, Anl. Ab. eines Briefes
3. Die Bewohner Bei den DPs handelte es sich um eine extrem heterogene Gruppe, zwischen der nicht nur kulturelle, religiöse und nationale, sondern ebenfalls große politische und weltanschauliche Differenzen bestanden. Demzufolge gehörten die Bewohner der „Ausländerheime“ „den verschiedensten sozialen Schichten an“.1 Da die alten Menschen jedoch nicht nur ein ähnliches Schicksal – z. B. „die gemeinsame Last der Armut“ – teilten, sondern vielfach auch die gleiche Religion und die gleiche Sprache besaßen, konnte zugleich ein starker Zusammenhalt entstehen.2 In Unterkünften, die ausschließlich oder überwiegend Menschen aus den gleichen Herkunftsgebieten – z. B. aus der Ukraine – aufnahmen, bildete sich zudem leicht ein Klima nationaler Homogenität und Solidarität heraus.3 Dieses besaß häufig eine nationalistische Prägung und konnte besonders in den großen, von der deutschen Gesellschaft weitgehend isolierten DP-Unterkünften durchaus zur Identitätsstiftung der Bewohner beitragen.4 Die nach „Außen“ transportierte, bewusst heraufbeschworene Homogenität entsprach jedoch mehr einem Ideal als der Wirklichkeit und konnte, zumal sie in den jeweiligen Herkunftsländern niemals wirklich existiert hatte,5 im „Inneren“ nur selten aufrechterhalten werden. Demzufolge bestand zwischen den Lagerund Heimbewohnern gleicher Nationalität bzw. regionaler Herkunft eine erhebliche Heterogenität, die sich nicht nur in der politischen Einstellung, sondern ebenfalls in der Religion, der sozialen und gesellschaftlichen Stellung sowie im Bildungsniveau zeigte.6 Aus diesem Grund konnten zwischen Menschen, die in der selben Region oder sogar in derselben Stadt gelebt hatten, weit weniger Gemeinsamkeiten bestehen als zwischen Personen die zwar aus unterschiedlichen Ländern stammten, jedoch der gleichen Religion und Gesellschaftsschicht angehörten. Deutlich zeigt sich die Heterogenität der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ z. B. am Beispiel von zwei aus der Ukraine stammenden Bewohnern des „Beckhof-Altersheims“. Obwohl sich beide als Ukrainer verstanden und über keine bzw. eine nur dreijährige Schulbildung verfügten,7 verbanden sie nur wenige Gemeinsamkeiten. So hatte Herr S. 1 2
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LkASt, L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 1. Vgl. z. B. LkASt, L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 2. Eine ehemalige Zwangsarbeiterin berichtete z. B. rückblickend, dass es für sie und ihre Mitbewohner im DP-Lager anfangs zwar durchaus eine schwere Zeit gewesen wäre, die Menschen iinsgesamt aber „mehr Kontakt miteinander“ gehabt hätten: B. BvB – Bote von Beth., Nr. 312, Bote v. Beth., Nr. 184, Weihnachten 1993, S. 13. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 233. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 233. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 233. Vgl. McNeill, M.: An den Wassern von Babylon, 1995, S. 108 f. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 267: S., Nikolaj: Landeskrankenhaus Gütersloh, Landesmedizinalrat, v. 2.2.1965.
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3. Die Bewohner
während des Kriegs auf Seiten der deutschen Wehrmacht gekämpft;8 sein Mitbewohner Herr J. hingegen – als unfreiwillig nach Deutschland verschleppter Zwangsarbeiter – in einer deutschen Munitionsfabrik arbeiten müssen.9 Auch das Schicksal zahlreicher weiterer ehemaliger Zwangsarbeiter unterschied sich erheblich von der Situation der Kollaborateure und der freiwillig nach Deutschland geflohenen Ost- und Südosteuropäer. So verfügten die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter, die oft schon als unter 20-Jährige nach Deutschland deportiert worden waren, über keine abgeschlossene Schul- oder auch Berufsausbildung und rekrutierten sich häufig aus einem ländlichen, weniger gebildeten Sozialmilieu.10 Dies betraf u. a. den in der Ukraine geborenen Landarbeiter Nikolay J., der 1942 zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert worden war und keinerlei Lese- und Schreibkenntnisse besaß.11 Als „völlig ungebildeter Mann“, der „weder lesen noch schreiben“ konnte und mit „drei Kreuzen“ unterschrieb, wurde auch der einzige, im „Altenwohnheim Darmstadt“ lebende Kalmyke beschrieben.12 Eine ehemalige russische Zwangsarbeiterin, die 1968 ebenfalls im Darmstädter Heim um Aufnahme bat, hatte zwar für zwei Jahre eine Schule besucht, konnte aber trotzdem nur „wenig lesen und schreiben“.13 Viele nach Deutschland geflüchtete Personen hingegen besaßen eine höhere Bildung sowie eine höhere gesellschaftliche Stellung, da, wie bereits erwähnt, viele Intellektuelle und fachlich gut ausgebildete Personen von den sowjetischen Bolschewiki verfolgt worden waren.14 Unter anderem lebte im Altersheim in Dornstadt eine Professorin, die bis 1943 im ukrainischen Nationalarchiv in Kiew gearbeitet und ein Buch zur „Geschichte der Ukraine“ verfasst hatte.15 Da eine weitere Veröffentlichung von ihr „auf den Index“ kam, bestand für sie und ihre Mitarbeiter Lebensgefahr, sodass sie sich schließlich mit einigen ihrer Kollegen zur Flucht nach Deutschland entschloss wo sie als „heimatlose Ausländerin“ im „Altersheim Dornstadt“ unterkam.16 Viele ihrer dortigen Mitbewohner hatten in ihrer Heimat ebenfalls zur gesellschaftlichen und kulturellen Elite gezählt, u. a. der Sohn des Komponisten Rimski-Korsakow, sowie eine Baltin mit engen Kontakten zur russischen Zarenfamilie.17 Das „Adrian-Marshall-Home“ zählte ebenfalls „ehemalige Minister und Staatssekretäre“, z. B. aus den baltischen Ländern und aus Russland, zu seinen Bewoh8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
HAB, Beckhof PA 1, Nr. 267: S., Nikolaj: AH Beckhof an Gebauer, Beth., v. 20.10.1960. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 276: J., Nikolay: Frageb., o. D. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 230. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 276: J., Nikolay: Frageb., o. D. LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an d. HW d. EKHN, Frankurt, v. 9.7.1966. LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Thomas, TF an Präs. d. Nds. Verwaltungsbez. Old., v. 15.5.1968. Vgl. z. B. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 198. http://www.ev-heimstiftung.de/fileadmin/evhst/images/unternehmen/publicationen/ magazin/2010-4.pdf. http://www.ev-heimstiftung.de/fileadmin/evhst/images/unternehmen/publicationen/ magazin/2010-4.pdf. https://www.schwaebische.de/home_artikel,-_arid,275171.html.
3.1 Einzelschicksale
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nern.18 Auch im Darmstädter Heim lebten auffallend viele Russen, die bereits in den 1920er Jahren aus der Sowjetunion geflohen waren, darunter Adlige und Anhänger des früheren Zaren. Meist standen sie in einer engen Beziehung zur „Tolstoy-Foundation“.19 Ein Teil der Bewohner des „Altenwohnheim Darmstadt“ schloss sich sogar zu einer „monarchistischen Organisation“ zusammen.20 Unter den russischstämmigen Heimbewohnern der Altersheime in Darmstadt und Dornstadt befanden sich zudem viele Angehörige der weißrussischen Armee, die während oder nach der Revolution von 1917 aus Russland geflohen waren sowie ehemalige russische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg jedoch auf Seite der Deutschen gekämpft hatten.21
Abb. 4: Bewohnerin des „Beckhof-Altersheims“, ehemalige polnische Zwangsarbeiterin
3.1 Einzelschicksale Beispiel: Kollaborateur 1980 zog z. B. das Ehepaar B., das erst 1953 in Deutschland geheiratet hatte, in das „Altenwohnheim Darmstadt“. Iwan B. wurde im Jahr 1903 als Sohn einer Deutschen und eines Kosaken im Kaukasus geboren.22 Nach sechsjährigem 18 19
StAGoslar, ZA aus: Braunschweiger Zeitung, v. 5. 8.1950. Im Altersheim Darmstadt, dass in der Geburtsstadt der letzten Zarin gebaut wurde, fungierte z. B. eine russische Gräfin als Vermittlerin zwischen der Tolstoy-Foundation und der deutschen Heimleitung: LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an AH Darm., v. 3.3.1971. Bei der Einweihung des Altersheims wurde die Tolstoy-Foundation durch eine russische Fürstin vertreten: http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 20 LkAHN, B. 160, Nr. 31: Gez.: „Insassen von diesem Haus“ an Herrn Ratgeber, o. D. (Sept. 1969). Ein im „Altersheim Dornstadt“ lebender ehemaliger General war sogar mit einem Bild des Zaren nach Deutschland geflohen: „Ex-general in the Czars army retains his picture of the Czar“, in: Displaced Populations, 1950, Foto 10, S. 17. 21 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html; LkASt, L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 3. 22 LkAHN, B. 160, Nr. 49: Landeswohlfahrtsverb. Hessen, Psychiatr. Krankenhaus Heppenheim an AH d. IM, Darm., v. 28.5.1980, S. 2.
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3. Die Bewohner
Besuch der Realschule durchlief er die Offiziersschule der Roten Armee und war ab 1937 als Oberleutnant an der chinesischen Grenze stationiert. Nachdem bei ihm gegen das Sowjetregime gerichtete Flugblätter gefunden worden waren, wurde er zu zehn Jahren Zwangslager verurteilt.23 1941 gelang ihm jedoch die Flucht. Kurz darauf lief er zur deutschen Wehrmacht über, in der er bis Kriegsende als Soldat bei den sog. „volksdeutschen Einheiten“ diente. Im Jahr 1942 erlitt er eine schwere Kopfverletzung durch einen Granatsplitter. 1943 wurden seine erste Frau und sein Sohn von Partisanen erschlagen. 1945 gelangte er für neun Monate in englische Kriegsgefangenschaft und anschließend aufgrund seiner SS-Zugehörigkeit in verschiedene amerikanische Lager. Obwohl er letztlich in einem Flüchtlingswohnheim in Bayern wohnte, erneut heiratete und eine Arbeit fand, war er, bedingt durch seinen schlechten Gesundheitszustand, häufig arbeitslos. In Rente ging er im Jahr 1968.24 Zusammen mit seiner polnisch-ukrainischen Ehefrau, die als „leicht minderbegabt“ galt, zog er nach mehreren Aufenthalten in einer psychiatrischen Klinik schließlich 1980 in das Altersheim für „heimatlose Ausländer“ in Darmstadt.25 Beispiel: Zwangsarbeiter Vom 1941 erfolgten Einmarsch der Deutschen in die Sowjetunion betroffen war z. B. auch die katholische Ukrainerin Marie W.26 Bedingt durch den Tod ihres Sohnes kurz nach dessen Einzug in die Sowjetarmee war Maries nervenkranker Ehemann „so niedergebrochen, dass er nicht mehr vom Bett aufstehen konnte“. Kurze Zeit später wurde Frau W. von der SS, die Menschen für den Arbeitseinsatz in Deutschland rekrutierte, unter Vortäuschung falscher Tatsachen zum Bahnhof gelockt und dort mit anderen Dorfbewohnern in einen Zug „verschleppt“. Nach dreitägiger Zugfahrt erreichten sie schließlich Dresden, wo Marie W. Zwangsarbeit in einer Chemiefabrik leisten musste. Das „neue Leben“ in Deutschland, d. h. die schlechte Ernährung und die giftigen Dämpfe in der Fabrik, machten sie – ansonsten „eine gesunde Fünfzigerin“ – in kurzer Zeit zu einem „elenden Wrack“.27 Aufgrund ihrer für immer zerstörten Gesundheit bestanden nach der Befreiung durch die Amerikaner für die ältere Frau keinerlei Chancen zur Auswanderung. Letztlich entschloss sich Frau W. 1953 für den Einzug in das neu erbaute katholische Altersheim in München.28
23 LkAHN, B. 160, Nr. 49: Landeswohlfahrtsverb. Hessen, Psychiatr. Krankenhaus Heppenheim an AH d. IM, Darm., v. 28.5.1980, S. 2. 24 LkAHN, B. 160, Nr. 49: Landeswohlfahrtsverb. Hessen, Psychiatr. Krankenhaus Heppenheim an d. Leitung d. AH d. IM, Darm., v. 28.5.1980, S. 2. 25 LkAHN, B. 160, Nr. 49: Landeswohlfahrtsverb. Hessen, Psychiatr. Krankenhaus Heppenheim an d. Leitung d. AH d. IM, Darm., v. 28.5.1980, S. 1 f. 26 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 19. 27 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 19. 28 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 19.
3.2 Aufnahme im Altersheim
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Beispiel: Flüchtlinge aus der Sowjetunion Das Ehepaar P. hatte sich bereits 1920 nach dem Sturz des Zaren zur Flucht aus Russland in die Tschechoslowakei entschieden.29 Dort konnte Herr P. bis zu seiner Pensionierung 1945 weiterhin als Professor an der Universität tätig sein. Als sich jedoch die Bolschewisten seinem Wohnort näherten, floh das Ehepaar nach Deutschland, musste seine erwachsenen Kinder aber „hinter dem Eisernen Vorhang“ zurücklassen. Nachdem die alliierten Bombenangriffe auf Passau überlebt hatten, durchliefen sie nach Kriegsende mehrere DP-Lager und Hospitäler. Mit 81 Jahren fanden Professor P. und seine Frau „müde vom unruhigen Lagerdasein“ letztlich Aufnahme im Münchner Caritas-Altersheim.30 Beispiel: Emigrant/Flüchtling und Zwangsarbeiter Der 1891 in der Ukraine geborene Stefan G. war als ehemaliger Offizier der Zarenarmee nach dem russischen Bürgerkrieg im Jahr 1920 nach Frankreich emigriert.31 1942 wurde er nach Deutschland deportiert, wo er als Zwangsarbeiter in einer Chemiefabrik in Mannheim Einsatz fand. Nach Kriegsende lebte er in einem amerikanischen DP-Lager und erhielt bis 1965 eine Beschäftigung bei der Eisenbahn. Aufgrund seines sehr schlechten Gesundheitszustands zog er zwölf Jahre später, d. h. 1977, ins russische „Altenwohnheim Darmstadt“, wo er seine letzten Jahre mit Menschen aus seiner früheren Heimat verbringen konnte.32 3.2 Aufnahme im Altersheim Anfangs sollten die DPs – mit dem langfristigen Ziel der Repatriierung – möglichst getrennt nach Nationalitäten bzw. Herkunftsländern untergebracht werden.33 Zudem sollten nationale Konflikte vermieden werden.34 Demzufolge 29 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 21. 30 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 21. 31 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an RP Darm., betr. Stefan G., v. 3.1.1979. 32 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an RP Darm., betr. Stefan G., v. 3.1.1979. 33 In dieser Aufteilung der DPs fand jedoch weniger die „Nationalität“, sondern vielmehr die Staatsbürgerschaft der Menschen Berücksichtigung. Im Fall der Ukrainer führte dies jedoch zu vielen Problemen, da vor dem Krieg kein eigener ukrainischer Nationalstaat und folglich offiziell auch keine ukrainischen DPs existierten. Die Ukrainer mussten erst in den DP-Lagern durchsetzen, als eigenständige Gruppe anerkannt zu werden: Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 228. Als weitere Schwierigkeit bei der Zuordnung der DPs stellte sich die Tatsache heraus, dass sich viele Menschen nicht über ihre Staatsangehörigkeit oder Nationalität definierten, sondern v. a. über ihre Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder Religion, wie z. B. die Kalmyken. Vgl. dazu Afoumado, D. F.: The „care and Maintenance in Germany“ Collection – An Reflection of DP Self-Identification and Postwar Emigration, S. 223. Vgl.
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3. Die Bewohner
boten zahlreiche DP-Lager ausschließlich Personen aus bestimmten Herkunftsgebieten Aufnahme, z. B. aus Polen, der Ukraine oder aus den baltischen Staaten. Durch die zunehmende Auflösung und Zusammenlegung der Unterkünfte konnte diese Praxis aber häufig nicht aufrechterhalten werden. Im Fall der kranken und auf stationäre Betreuung angewiesenen Personen, die in separaten Heimen zentriert wurden, kam es ohnehin zu einer Mischung der Nationalitäten. Insgesamt stellten die aus dem Baltikum, v. a. aus Lettland stammenden Menschen aber den Großteil der Altersheimbewohner, gefolgt von Ukrainern.35 Die Polen bildeten nach Kriegsende bzw. bis in die 1950er Jahre hinein, zwar die größte Gruppe unter den DPs,36 da ihr Verhältnis zu den Deutschen aber weitaus schlechter ausfiel als z. B. im Falle der Balten, entschieden sie sich häufig zur Auswanderung. Zudem handelte es sich bei vielen Polen um ehemalige Zwangsarbeiter, die zumeist noch vergleichsweise jung waren und somit in den 1950 und 1960er Jahren noch nicht für ein Altersheim in Frage kamen. Aus diesem Grund lebten z. B. im niedersächsischen Altersheim „Bodenteich“ im Sommer 1950 insgesamt über 200 alte Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern, wobei die Letten deutlich dominierten. So versorgte das Heim 153 Letten, 28 Ukrainer, zwölf Litauer, 14 Jugoslawen, zehn Polen, sechs Personen mit sog. „Nansen Status“37 bzw. „Staatenlose“, drei Rumänen und einen Ungar.38 In Süddeutschland bot z. B. das 1951 eingerichtete, über 450 Plätze verfügende Altersheim „Insula“39, das bereits zuvor als lettisches DPs-Lager fungiert hatte, ebenfalls vorwiegend alten Menschen aus den baltischen Staaten eine neue Heimat.40 Bis Ende der 1950er Jahre mussten aber v. a. die großen Heime, wie das „Evangelische Altersheim Varel“, immer wieder Menschen aus anderen DP-
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38 39 40
auch Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 8; Stepienv, S.: Der alteingesesse Fremde, 1989, S. 133. Stepienv, S.: Der alteingesesse Fremde, 1989, S. 133. Vgl. dazu z. B. LkASt, B.: DW, Nr. 1500: LWF, K.; Karlis: Area 2 Camp Populations Analysis, v. 31.3.1950. DPs, die Betreuung benötigen: v. a. Polen, die größte Gruppe mit über 8.000, dann Ukrainer mit über 6.000, Letten mit über 5.000, Tschechoslowaken mit über 3.000, Esten mit über 2.000 Personen: LkASt, B.: DW, Nr. 1500: LWF, K., Karlis: Area 2 Camp Populations Analysis, v. 31.3.1950, S. 1. Den sog. „Nansen-Status“, d. h. den 1922 durch den ersten „Hochkommissar für Flüchtlinge“ Fridjof Nansen eingeführten sog. „Nansen-Pass“ erhielten Staatenlose, die über keine international anerkannten Dokumente zur Feststellung ihrer Identität verfügten. Mit dem „Nansen-Pass“ konnten sie in alle Mitgliedstaaten des Völkerbunds einreisen. Vgl. dazu u. a. https://www.unhcr.org/dach/de/aktiv-werden/nansen-fluechtlingspreis/ ueber-fridtjof-nansen; Afoumado, D. F.: The „care and Maintenance in Germany“ Collection – An Reflection of DP Self-Identification and Postwar Emigration, 2014, S. 225. NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Frageb. v. 15.7.1950, DP-Lager Boden. Die Schließung des Heims erfolgte, wie bereits erwähnt, 1951: LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit AH Varel, v. 27.12.1951. LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH für kirchl. Diak. Mü. an Ev-luth. LKR Mü., v. 14.9.1950. LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH für kirchl. Diak. Mü. an Ev-luth. LKR Mü., v. 14.9.1950. 15 Jahre später versorgte das Heim noch immer 81 Letten. Weiterhin lebten 18 Esten, zwei Litauer, zwei Polen, sechs Ungarn, zwei „sonstige Ausländer“, neun Staatenlose
3.2 Aufnahme im Altersheim
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Unterkünften aufnehmen. Folglich kam es allein schon aus diesem Grund zu einer stärkeren „Mischung“ der Nationen“; Letten und Ukrainer befanden sich aber weiterhin in der Überzahl. Zeitweilig wurden in den ehemaligen Vareler Marinekasernen über tausend alte Menschen aus insgesamt zwölf Nationen untergebracht.41 1951 lag die Anzahl der Heimbewohner sogar bei bis zu 1.500 Personen.42 Neben alten Menschen lebten auf dem Gelände 45 Familien, darunter etwa fünf Kinder.43 Mitte der 1950er Jahre zählte das Vareler Heim „nur“ noch 732 Bewohner, darunter 283 Letten, 109 Ukrainer, 89 Polen, 73 Esten, 46 Litauer, 24 Jugoslawen, 16 Russen, 24 Personen mit Nansen-Status, fünf Rumänen, drei Tschechen, zwei Ungarn und ein Österreicher sowie auch 57 Deutsche.44 Obwohl sich die Bewohnerzahl sukzessive verkleinerte, nahm das Heim 1957 weitere 90 Personen auf, deren bisherige Unterkünfte aufgelöst worden waren.45 Für die Kirchen bzw. die konfessionellen Heimträger war weniger die Nationalität als vielmehr die Religion der Heimbewohner von Bedeutung. Unter anderem sprach sich die evangelische Kirche vehement dagegen aus, „heimatlose Ausländer“ in Einrichtungen ohne entsprechende religiöse Betreuung zu verlegen.46 Um zudem zu verhindern, dass sich religiöse Heimbewohner in einem andersgläubigen Umfeld als „Fremdkörper“ fühlen könnten, plädierten die christlichen Wohlfahrtsverbände und somit nahezu alle Heimträger für eine konfessionsabhängige Aufteilung der Bewerber.47 Aufgrund der schon beschriebenen Zusammenlegung und Auflösung der DP-Unterkünfte erwies sich jedoch eine religionsabhängige Aufteilung der Heimbewohner zumindest bis zum Bau neuer Altersheime für „heimatlose Ausländer“ als schwierig bis unmöglich. Folglich nahmen fast alle Altersheime Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit auf. Vielfach fiel die Gewichtung der verschiedenen Religionen aber sehr unterschiedlich aus. Beispielsweise lebten im Jahr 1950 im „DP-Altersheim Bodenteich“ 29 katholische, 56 orthodoxe und über 165 evangelische, v. a. aus dem Baltikum stammende Heimbewohner.48 Auch im Insula-Heim in Berchtesgaden und im Altersheim in Varel wurden primär evangelische Balten, insbesondere Letten, aufgenommen.49
41 42 43 44 45 46 47 48 49
sowie 225 Deutsche in der „Insula“: LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Dir. Modrow, v. 3.6.1965, S. 3. NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Kreis-WH Uelzen an RP Lün., v. 2.7.1951. LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit AH Varel, v. 27.12.1951. LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit AH Varel, v. 27.12.1951. LkAH, E 52, Nr. 367: Belegungsstärke AH Varel, v. 14.11.1955. LkAH, E 52, Nr. 367: Nds. Min. f. Vertr. an RP Hann., Hild., Lün, v. 25.1.1957. LkAH, L 3 III/1502: EK in Dt. an d. Mitglieder d. Rates d. EKD, Leitungen d. LK in Westdt., v. 25.2.1953; LkAH, L 3 III/1502: Lutherischer Weltbund: Vorschläge für d. Versorgung anstaltsbedürftiger Fälle, o. D. Depuhl, A.: Altenproblem und Altenhilfe heute, 1956, S. 57. Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: Boden. Landkr. Uelzen: Frageb. für DP-Lager, v. 27.7.1950. LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH für kirchl. Diak. Mü. an d. Ev-luth. LKR Mü., v. 14.9.1950. Vgl. z. B. die Belegung im AH Varel im November 1955: Letten: 287, davon ev.: 244, orth.: 22, kath. 17.
64
3. Die Bewohner
Da zwischen der Religionszugehörigkeit und der regionalen Herkunft häufig ein direkter Zusammenhang bestand, plädierten die kirchlichen Heimträger für eine entsprechende Aufteilung der Heimanwärter. So sollten z. B. polnische Katholiken in katholische, lettische und estnische Protestanten in evangelische und Ukrainer, Jugoslawen und Russen, in orthodoxe Häuser verlegt werden. Obwohl sich dieses Vorhaben keineswegs leicht realisieren ließ, wurde es dadurch letztlich doch sehr vielen „heimatlosen Ausländern“ ermöglicht, ihren „Lebensabend mit Landsleuten gleicher Konfession“ zu verbringen.50 Das 1955 begonnene und von der UNO geförderte „Räumprogramm“ für die Lager der „nichtdeutschen Flüchtlinge“51 plante für 1959/1960, spätestens jedoch für Ende 1962,52 die endgültige Auflösung aller deutschen Lager und ähnlicher Gemeinschaftsunterkünfte für ausländische Flüchtlinge bzw. „heimatlose Ausländer“.53 Im behördlichen Sprachgebrauch wurde dabei völlig gedankenlos von einem „Programm zur Endlösungen für ausländische Flüchtlinge“
Esten: 73, davon ev.: 68, orth., 4, kath.: 1. Litauer: 46, davon ev.: 8, orth.: 2, kath.: 36. Polen: 89, davon ev.: 3, orth.: 8, kath.: 78. Ukrainer: 109, davon ev.: 9, orth.: 71, kath.: 29. Russen: 16, davon ev.: –, orth.: 15, kath.: 1. Jugoslawen: 24, davon ev.: –, orth.: 23, kath.: 1. Ungarn: 2, davon ev.: 1, orth.: 1, kath.: –. Rumänen: 5, davon ev.: –, orth.: –, kath.: 5. Tschechen: 3, davon ev.: –, orth.: 2, kath.: 1. Nansen-Status: 24, davon ev.: 24, orth.: –, kath.: –. Österreicher: 1, davon ev.: –, orth.: 1, kath.: –. Deutsche: 57, davon ev.: 46, orth.: 6, kath.: 5. Insgesamt 732 Personen, davon ev.: 379, orth.: 179, kath.: 174. Kapazität des Heims: 870 Personen: LkAH, E 52, Nr. 367: AH für HA Varel, Belegungsstärke, v. 14.11.1955. 50 Vorgesehen waren u. a. folgende niedersächsische Einrichtungen: DRK-AH Springe: Esten, (Litauer), ev., kath. Caritas-AH Misburg bei Hann.: Polen, kath.; Caritas-AH Maria im Tann: Salzgitter-Gebhardshagen, Polen, kath.; Paul-Gerhard-Heim (Siechenheim), Hildesheim: Letten, ev.; Alterskrankenhaus der ev. Lobetalarbeit, Celle: alle Nationalitäten, alle Konfessionen. Die restlichen Personen konnten in norddeutschen Altersheimen sowie in einem Kölner Heim aufgenommen werden: NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Liste d. AH, die DPs aufnehmen, v. 14.10.1961. Dass auch das 1959 eröffnete Altersheim in Darmstadt Vareler Heimbewohner aufnahm, findet hier keine Erwähnung. Die Finanzierung der Altersheime erfolgte aus Bundesmitteln: HStAH, Nds. 120 Hann. Acc. 182/91, Nr. 36: Präs. Nds. Veraltungsbez. Old. an Landkr. Soltau, v. 11.9.1959, S. 1. 51 http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/03/03110.pdf, S. 6097. 52 http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/03/03110.pdf, S. 6097. 53 NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Nds. Min. Ver., Hann. an RP Hann. Hild., Lün., v. 19.12.1959. Ende 1960 lebten nach Angaben des UNHCR in der Bundesrepublik noch immer etwa 8000 Menschen in insgesamt 44 Lagern: HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Übersetzung: Ber. über d. Fortgang d. Programme d. UNHCR […] für 1959 u. 1960 […], Stand v. 31.12.1960, v. 13.4.1961, S. 2.
3.2 Aufnahme im Altersheim
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gesprochen.54 Die bereits seit längerem geplante Schließung des „Evangelischen Altersheims für heimatlose Ausländer Varel“ erfolgte letztlich ebenfallserst im Rahmen dieser Aktion.55 Hinzu kam, dass die meisten Heime, die in ehemaligen Kasernen untergebracht worden waren – wie das Vareler Heim – zukünftig von der Bundeswehr in Anspruch genommen werden sollten.56 Anders als das „Lagerräumprogramm“, das von der UNO finanziell unterstützt wurde, lag das sog. Kasernenräumprogramm“ allein in der Zuständigkeit der Bundesrepublik.57 Dass auch das Altersheim „Insula“ – so der Plan der bayrischen Regierung – zugunsten des Militärs in ein leerstehendes Schloss umgesiedelt werden sollte, stieß jedoch auf große Ablehnung des Heimträgers.58 Dieser befürchtete nicht nur eine Verschlechterung der räumlichen Bedingungen, sondern hielt ebenfalls die zwangsweise Verlegung der alten Menschen, zumal diesen „feierlich versprochen“ worden war, „dass sie in der Insula ihren Lebensabend verbringen würden“, für ein „menschliches Unrecht“.59 Nach der Auflösung der großen Notunterkünfte im Rahmen des Barackenräumprogramms gestaltete sich die bevorzugte Aufnahme von Bewohnern bestimmter Nationalität und Religion teilweise bedeutend leichter. Unter anderem konnte der Bau von Heimen sowie die Ver- und Aufteilung der zukünftigen Heimbewohner wesentlich besser geplant und organisiert werden. Wie schon erwähnt, kam es bereits seit den frühen 1950er Jahren zur Errichtung neuer, speziell zur langfristigen bzw. endgültigen Unterbringung „heimatloser Ausländer“ konzipierter Altersheime. Zumeist dienten diese als Ersatz für die aufgelösten großen Unterkünfte der Nachkriegszeit, die sich für die langfristige Versorgung alter Menschen zunehmend als wenig geeignet erwiesen.60 Zu den ersten neu gebauten „Ausländerheimen“ gehörte das von der „Caritas“ geführte und 1953 eröffnete Altersheim „St. Nikolaus“ in München. Bereits Ende 1952 siedelten fast 200 katholische Bewohner des wegen Platzmangels geschlossenen DP-Altersheims in Prien am Chiemsee, das ebenfalls von der „Caritas“ betreut worden war, in das neue Heim im München über.61 54 https://www.hauptarchiv-bethel.de/publikationen-ausstellungen/internetpublikationen/ die-beckhofsiedlung-heimat-fuer-heimatlose-auslaender.html. 55 NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Nds. Min. f. Vertr. an RP Hann. Hild., Lün., v. 19.12.1959; NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 107/82, Nr. 135: Nds. Min. f. Vertr. an RP Hann., Hild. u. Lün., v. 20.8.1959. 24 Bewohner aus Varel benötigten eine Versorgung im Pflegeheim: LkAH, E 52, Nr. 367: Verz. Heiminsassen, v. 13.12.1955 bei Aufteilung d. Heimes, S. 1–2. 56 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: K., Matwij u. Warwara: Präs. Verwaltungsbez. Old. an Beckhofs., v. 31.8.1959. 57 http://www.kas.de/wf/doc/kas_24567-544-1-30.pdf?110826092132-; LkAHN, B. 160, Nr. 26: UNHCR, Bad G. an Pf. Rathgeber, v. 20.10.1958. 58 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Insula an Landesverb. d. IM d. EK Bay., Nürn., v. 3.7.1957. 59 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Insula an Landesverb. d. IM d. EK Bay., Nürn., v. 3.7.1957. 60 Zu Problemen führten beispielsweise der bauliche Zustand der Heime, die schlechte Infrastruktur und die oft defizitäre Ausstattung, vgl. Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 146 f. 61 Das Heim in Prien war nach Kriegsende von der „IRO“ als Provisorium eingerichtet worden: ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerika-
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3. Die Bewohner
Hier konnten sie ihren Lebensabend in „einer Atmosphäre des Glaubens“ verbringen.62 Um der aus Sicht der „Caritas“ unerwünschten „Mischung der Konfessionen“ entgegenzuwirken,63 entschied in „St. Nikolaus“ primär die katholische Religion der Bewerber über den Einzug. Folglich setzten sich die Heimbewohner aus insgesamt 15 verschiedenen Nationen zusammen.64 Auch im Vorfeld der endgültigen Auflösung des Vareler Heims Ende der 1950er Jahre verfolgten die „Innere Mission“ und die Bezirksregierung Oldenburg den Plan, für „jede Nationalität und jeden Glauben“ eigene Altersheime einzurichten.65 Der Oldenburger Regierungspräsident schrieb 1961, dass die als Ersatz für das Vareler Altersheim fungierenden Heime mit der Absicht errichtet worden wären, „den entwurzelten alten nichtdeutschen Flüchtlingen“ die Möglichkeit zu verschaffen, ihren Lebensabend zusammen mit Landsleuten in einer „früheren völkischen, kulturellen, geistigen und religiösen Gegebenheiten entsprechenden Umgebung verbringen“ zu können.66 Da bei der Aufteilung der ehemaligen Vareler Heimbewohner die Trennung von Personen vermieden werden sollte, die der gleichen Bevölkerungsgruppe angehörten,67 wurden Ende 1959 u. a. zwei größere russischsprachige Gruppen gemeinsam in die neu eröffneten Kölner und Darmstädter Altersheime für „heimatlose Ausländer“ verlegt.68 Beide Häuser befanden sich in evangelischer Trägerschaft69 und richteten sich vorwiegend an Ukrainer bzw. Russen. Im „Altenwohnheim Darmstadt“ besaßen diese fast ausschließlich den russisch-orthodoxen Glauben;70 im „Haus And-
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nischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 7. Das neu gebaute Altersheim „St. Nikolaus“ wurde dem heiligen Nikolaus geweiht. Dieser stammte wie die Heimbewohner aus dem Gebiet der Ostkirche, wurde jedoch „im Westen“ begraben: ADiCVMü. O. N.: Grundsteinlegung d. AH St. Nik. in Mü., in: CD, 5. Jhg., H. 1, 1952, S. 7. Vgl zudem: ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Maurer, J.: Das Problem d. HA in Bay. u. seine Lösung, in: CD: Festschrift, S. 14. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 7. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 7. ADiCVMü., Kuckelkorn, S.: Das Vaterhaus der Nachkriegs-Caritas, in: CD, 43. Jhg., H. 3/4, 1990, S. 60. LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C., Dü., an Amts. Köln, v. 4.4.1964, S. 2. LkAHN, B. 160, Nr. 27: Präs. d. Nds. Verwaltungsbez. Old., v. 10.10.1961, S. 1. LkAH, E 52, Nr. 367: Geschäftsstelle d. Landesverb. d. IM in Rhein.-Pfalz, Koblenz an d. Gesamtverb. d. IM Hann., v. 18.1.1954. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: K., Matwij: Präs. Verwaltungsbez. Old. an Beckhofs., v. 31.8.1959. Vgl. zu Darmstadt http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/ge schichte.html. Vgl. zudem HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: Verlegung v. Insassen aus d. AH Varel in d. AH Müngersdorf, v. Dez. 1959, S. 4–5. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: K., Matwij: Präs. Verwaltungsbez. Old. an Beckhofs., v. 31.8.1959; LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C., Dü., an Amts. Köln, v. 4.4.1964, S. 2; LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN, o. D. LkAHN, B. 160, Nr. 27: Ev. Pressedienst, v. 17.11.1959: „Altenwohnheim für russischorth. Flücht. eingeweiht“, S. 2. Der Standort Darmstadt galt als „besonders geeignet“, da in Darmstadt bereits eine russisch-orthodoxe Kirche existierte und zudem zwischen der „Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“ und der Russisch-orhodoxen Kirche „be-
3.2 Aufnahme im Altersheim
67
reas“ in Köln-Müngersdorf hingegen, wurden hauptsächlich Ukrainer aufgenommen, die der orthodoxen, der griechisch-katholischen oder der baptistischen Kirche angehörten.71 Das Altersheim in Darmstadt wies daher in den ersten Jahren eine relativ homogene Bewohnerklientel auf.72 Da „vorerst nur orthodoxe“ Bewerber aufgenommen werden sollten, entschied sich die Heimleitung z. B. 1959 für die Ablehnung eines russischen Adventisten.73 Anders gestaltete sich die Situation im ebenfalls russischsprachigen Altersheim in Köln-Müngersdorf. Indem sich unter den dort lebenden Ukrainern sowohl Anhänger der griechisch- bzw. ukrainisch-katholischen als auch der baptistischen und orthodoxen Kirche befanden, herrschte im Haus eine ähnlich große konfessionelle Heterogenität wie in den großen Heimen der unmittelbaren Nachkriegszeit.74 In Einrichtungen, deren Bewohner sich auch weiterhin aus Angehörigen verschiedener Nationalitäten zusammensetzten, existierte ein noch breiteres Spektrum an Glaubensgemeinschaften. So auch im Altersheim der 1958 eröffneten Bielefelder „Beckhofsiedlung“, das vorrangig „amputierte Pflegebedürftige, betreuungsbedürftige Alte“ und „geistig und charakterlich Veränderte“ versorgte.75 Die „Beckhofsiedlung“, die v. a. aus Wohnhäusern für Familien und Einzelpersonen bestand, befand sich in Trägerschaft der evangelischen „v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel“ in der Nähe von Bielefeld und bot „heimatlosen Ausländern“ aller Altersgruppen eine neue Heimat.76 Der Großteil der Siedlungs- und Heimbewohner setzte sich aus ehemaligen Bewohnern des aufgelösten DP-Lagers „Augustdorf“ zusammen.77 Zuletzt hatte das Lager fast nur noch Menschen versorgt, die aufgrund von Krankheit, Alter oder Behinderung als nicht mehr auswanderungsfähig galten. Aus diesem Grund wurde auch die neu errichtete „Beckhofsiedlung“ speziell zur Auf-
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73 74 75 76 77
sondere Verbindungen“ bestanden: LkAHN, B. 160, Nr. 26: Kalitzsch an UNHCR, Bad G., v. 2.10.1957, S. 1. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: Verlegung v. Insassen aus d. AH Varel in d. AH Müngersdorf, v. Dez. 1959, S. 4–5. LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an VN, HK für Flücht., Bad G., v. 28.7.1965; ELkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an Präs. Nds. Verwaltungsbez. Old., v. 5.12.1969. Vgl. auch http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte. html. LkAHN, B. 160, Nr. 29: AH Darm. an Daniel S., AH Varel, v. 31.8.1959. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: Betr.: Verlegung von Insassen aus d. AH Varel in d. AH Müngersdorf, v. 1959, S. 3–4. LAELKB, DW, Nr. 1524, Rep. Nr. 24: Werk. „Frohes Schaffen“ für versorgungsbedürftige HA in d. Beckhofs., v. W. Gebauer. Die Bewohner der Beckhof-Siedlung in Bielefeld-Sennestadt feierten am 14. September 2008 ihr 50-jähriges Bestehen: http://ukrainische-orthodoxe-kirche.de/40985/126101. html. Das Lager hatte ursprünglich etwa 2.000 Osteuropäern eine Unterkunft gegeben: http:// ukrainische-orthodoxe-kirche.de/40985/126101.html; Würzburger, E.: Zwangsarbeit im Kreis Höxter. Fremdarbeiter, 2016, S. 296. Mitte der 1950er Jahre erhob das Bundesverteidigungsminis., das gerade neu aufgebaut wurde, Ansprüche auf das ehemalige Wehrmachtsgelände in Augustdorf an: https://www.hauptarchiv-bethel.de/publikationen-aus stellungen/internetpublikationen/die-beckhofsiedlung-heimat-fuer-heimatlose-auslaen der.html.
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3. Die Bewohner
nahme körperlich oder psychisch Versehrter Ausländer – der Kategorie sog. „Difficult Cases“78 – konzipiert, denen in den siedlungseigenen Werkstätten eine arbeitstherapeutische Beschäftigung geboten werden sollte.79 1959 meldete die Heimleitung des „Beckhof-Altersheims“ der Vertretung des UNHCR in Deutschland: „Damit haben wir die von der UNO gegenüber übernommene Verpflichtung, 61 versorgungsbedürftige heimatlose Ausländer im Altersheim unterzubringen, erfüllt“.80 Im Altersheim der Siedlung – dessen Bewohner aus sieben verschiedenen Herkunftsländern stammten81 – lebten Ende der 1950er Jahre sowohl Protestanten aus Estland und Lettland82 als auch Katholiken und Orthodoxe aus Polen und Jugoslawen.83 Demzufolge bestimmte im „BeckhofAltersheim“ also allein die Betreuungsbedürftigkeit und nicht die Religionszugehörigkeit oder Nationalität über die Aufnahme. Ab den späten 1960er Jahren legten auch die meisten anderen Heimträger schließlich kaum noch Wert auf eine getrennte Unterbringung der verschiedenen Nationen und Konfessionen. Beispielsweise wurde im Darmstädter Heim vermehrt Ost- und Südosteuropäern nicht russischer Herkunft und nicht orthodoxer Konfession der Einzug erlaubt.84 Zugleich bevorzugten es spätestens ab den 1970er Jahren immer weniger „heimatlose Ausländer“, ausschließlich mit ihren „Landsleuten“ zusammenzuleben, v. a. wenn sie über gute deutsche Sprachkenntnisse verfügten und engere Kontakte zur deutschen Bevölkerung besaßen. Auch einige Bewohner der „Beckhofsiedlung“ sprachen sich gegen den Verbleib in einer „Ausländersiedlung“ aus, sondern wünschten sich „ganz unter Deutschen“ zu leben, da sie nicht länger als „Fremde“ angesehen werden wollten.85 Beispielsweise entschied sich ein deutschsprachiges älteres Ehepaar, dass aus dem ehemals zum Habsburgerreich gehörenden, westlich geprägten Teil von Polen stammte, für die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft.86
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HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An UNHCR, v. 28.12.1959. Neben den ehemaligen Bewohnern des Lagers Augustdorf fanden in der Beckhofsiedlung u. a. Bewohner der – im Jahr 1960 infolge des Lagerräumprogramms aufgelösten – „Wohnstätte für Ausländer“ in Mün. Aufnahme: HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Grundstücksverw. Beth., betr. Beckhof, v. 18.1.1960. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An d. UNHCR, Bonn, v. 16.4.1959. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Belegungsliste d. AH d. Beckhofs., o. D. (1959). Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, Biel. 1960, S. 52. Vgl. dazu die Patientenakten im Hauptarchiv Bethel. Vgl. z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: UNHCR, Bad G., v. 8.6.1965; LkAHN, B. 160, Nr. 29: RP Darm. an d. DW in HN, Frank., v. August 1973. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser, 1960, S. 54. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser, 1960, S. 54.
3.3 Aufnahmebedingungen
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3.3 Aufnahmebedingungen Die Aufnahme in ein Altersheim knüpfte sich an verschiedene Bedingungen, die zum großen Teil für alle Altersheime in Deutschland Gültigkeit besaßen. Folglich waren auch für die Aufnahme im „Evangelischen Altersheim Varel“ „die gleichen Grundsätze maßgebend, die für eine Aufnahme in ein deutsches Altersheim“ galten.87 Zu den grundlegenden Aufnahmebedingungen aller Altersheime gehörte die Vorlage eines ärztlichen Attestes, das die „Anstalts- bzw. Heimpflegebedürftigkeit“, d. h. die Notwendigkeit einer dauerhaften stationären Betreuung befürwortete.88 Zugleich konnte mit Hilfe einer ärztlichen Begutachtung der Bewerber bereits im Vorfeld eine Altersheimaufnahme von schweren Pflegefällen verhindert und stattdessen eine Krankenhausaufnahme eingeleitet werden.89 Aus diesem Grund verlangten einige Heime von den Bewerbern zusätzlich die Bescheinigung, dass diese unter keinen schweren körperlichen oder psychiatrischen Erkrankungen litten, die eine Behandlung im Krankenhaus oder psychiatrischen Klinik erforderlich machen würden.90 Ebenfalls entschieden sich einige Einrichtungen gegen die Aufnahme von blinden Personen. 1962 erhielt z. B. eine ansonsten völlig gesunde Bewerberin für das „Altenwohnheim Darmstadt“, die zuvor in einer „Blindenanstalt“ gelebt hatte, eine Absage, da der Heimleiter keine Verantwortung für blinde Bewohner übernehmen wollte.91 Im Altersheim in Dornstadt hingegen wurden „Fälle wie Frau J.“ ohne Schwierigkeiten aufgenommen.92 Während im „DP-Altersheim Varel“ vor der Übergabe des Hauses in deutsche Verwaltung sogar eine aus drei Ärzten – darunter ein Brite, ein DP und ein Deutscher – bestehende Kommission über die Heimaufnahme entschied, genügte in den folgenden Jahren zumeist das Gutachten eines Mediziners.93 Für die bislang in einem Lager lebenden DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ wurden die ärztlichen Atteste von den zuständigen Lagerärzten ausgestellt.94 Somit benötigte z. B. auch der im „Ausländerlager Münster“ lebende Martins D. für seine Verlegung in das neu eröffnete „Beckhof-Altersheim“ die Bescheinigung des Lagerarztes.95 Nach der ärztlichen Untersuchung bestä87 Nds. 120 Lün., Acc. 31/67, Nr. 74: Nds. MI an RP Lün, v. 26.7.1951, S. 1. 88 Vgl. z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 29: Präs. d. Nds. Verwaltungsbez. Old. an AH Darm., v. 22.11.1962. Vgl. auch Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 121 ff. 89 Verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Altersheimbewohnern, war eine ärztliche Stellungnahme für die Verlegung in eine Pflegeeinrichtung erforderlich, z. B. AMH, Bew.: B., Georg: Magd. an Soz. Landkr. Duderstadt, v. 16.2.1960. 90 LkAH, E 52, Nr. 367: IM Hann. an d. Geschäftsstelle d. Landesverb. d. IM in Rheinl.Pfalz, Koblenz, v. 26.1.1954. 91 B. 160, Nr. 29: TF an Pf. Rathgeber, HWHN, v. 2.10.1962. 92 B. 160, Nr. 29: TF an Pf. Rathgeber, HWHN, v. 2.10.1962. 93 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Ev. HW Hann. an Nds Flüchtlingsmin., v. 23.3.1950, S. 2. 94 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Dr. Ljubomir B. (Lagerarzt Mün.): Ärztl. Besch. zwecks Aufn. im AH, v. 5.9.1958. 95 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Dr. Ljubomir B. (Lagerarzt Mün.): Ärztl. Besch. zwecks Aufn. im AH, v. 5.9.1958.
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3. Die Bewohner
tigte Dr. B., dass sein Patient Herr D. „wegen Myocarditis und Kreislaufstörungen nicht in der Lage“ sein würde, „einen eigenen Haushalt zu führen“.96 Konnten Personen nach einem Krankenhausaufenthalt aufgrund von Pflegebedürftigkeit nicht mehr in ihre bisherige Unterkunft zurückkehren, waren sie ebenfalls auf ein ärztliches Attest angewiesen, in dem eine stationäre Heimversorgung empfohlen wurde. Nach seiner Entlassung aus einem Düsseldorfer Krankenhaus bedurfte z. B. auch der 66-jährige, an einer inaktiven Tuberkulose leidende Litauer Kazys B. weiterhin Pflege und Versorgung und sollte daher nach Ansicht des behandelnden Arztes, in einem Altersheim aufgenommen werden.97 Auf öffentliche Unterstützungsmaßnahmen angewiesene alte Menschen benötigten sogar ein amtsärztliches Gutachten.98 Da z. B. der 60-jährige Ivan B. die Heimkosten nicht allein mit seiner Rente begleichen konnte, musste er seine „Heimpflegebedürftigkeit“ durch ein amtsärztliches Attest bestätigen lassen.99 Dies traf gleichfalls auf die komplett vom Fürsorgeamt unterstützte Zofia M. zu, die bislang in einem „Ausländerlager“ gelebt hatte, nun aber in ein Altersheim verlegt werden sollte.100 Eine Heimaufnahme bzw. die Übernahme der Heimkosten setzte außerdem voraus, dass die betreffenden DPs und „heimatlosen Ausländer“ keine Angehörigen besaßen, „die ausreichend für sie sorgen können“.101 Bestand hingegen eine Möglichkeit zur Unterbringung bei Verwandten oder Bescheinigte das Gutachten eines Arztes den Heimanwärtern noch keine „Heimpflegebedürftigkeit“, verweigerten die zuständigen Fürsorge- bzw. Sozialhilfeträger die Übernahme der Heimkosten.102 1951 entschied sich z. B. die Aufnahmekommission des „Altersheim Dornstadt“ gegen die Aufnahme mehrerer Ehepaare, da die Frauen als zu jung für ein Altersheim befunden wurden und daher selbst die Betreuung ihrer Ehemänner übernehmen sollten.103 Wenn Fürsorge- bzw. Sozialhilfeempfänger noch nicht die übliche, zumeist bei 60 Jahren104 liegende, Altersgrenze für die Aufnahme 96 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Dr. Ljubomir B. (Lagerarzt Mün.): Ärztl. Besch. zwecks Aufn. im AH, v. 5.9.1958. 97 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 148: B., Kazys: Marien-KH Dü.-Kaiserswerth, v. 22.10.1958, ärztl. Besch. zur Vorlage beim Soz. 98 Z. B. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 30.6.1960. 99 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 672: B., Ivan: Beckhofverw. an Ivan B., Mün., v. 11.3.1959. 100 NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an AH d. AWO, Osnab., v. 1.12.1961. 101 LkAH, Nds. 120 Lün., Acc. 31/67, Nr. 74: Nds. MI an RP Lün, v. 26.7.1951; LkAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: Nds. MI an RP Lün., v. 19.3.1951. 102 Z. B. NHStAH: Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: RP Lün. an Landkr. Celle, v. 15.6.1951; NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an Harasym S., Lager Oerrel: Hilfe zum Lebensunterhalt gem. BSHG, v. 13.6.1962. Vgl. auch LkASt, B. DW, Nr. 2485: AH Dorn., „Aufn.-Kontroll-Ausschuss“: Minutes of the Meeting, v. 20.8.1951, S. 1. 103 LkASt, B. DW, Nr. 2485: AH Dorn., „Aufn.-Kontroll-Ausschuss“: Minutes of the Meeting, v. 20.8.1951, S. 2. 104 LkAH, E 52, Nr. 367: IM Hann. an Geschäftsstelle d. Landesverb. d. IM in Rhein.-Pfalz, Koblenz, v. 26.1.1954.
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in ein Altersheim erreicht hatten, benötigten sie ebenfalls eine amtsärztliche Bescheinigung über ihre „Heimpflegebedürftigkeit“.105 Da aber insbesondere bei DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ weniger das kalendarische Alter als vielmehr die „subjektive“ Heimpflegebedürftigkeit, die sich oft v. a. aus psychischen Auffälligkeiten ergab, ausschlaggebend war, gewährten die Altersheime auch unter 60-jährigen Fürsorge- bzw. Sozialhilfeempfängern eine Heimaufnahme.106 So konnte „in angemessener Weise berücksichtigt werden, dass es für alte Ausländer im allgemeinen schwieriger sein wird, sich ohne fürsorgende Nachhilfe im fremden Lande menschenwürdig zu erhalten, als bei deutschen in sonst ähnlicher Lage“.107 1951 sollte z. B. auch der Fall des bereits abgelehnten Ehepaares Z. erneut von der Aufnahmekomission des Dornstädter Heims überprüft werden. Obwohl Frau Z. eigentlich ein zu niedriges Lebensalter besaß, bestand für sie aufgrund ihrer schlechten deutschen Sprachkenntnisse jedoch kaum Aussicht auf einen Arbeitsplatz, der es ihr ermöglichen würde, ihren betreuungsbedürftigen Mann finanziell zu unterstützen.108 Im Altersheim in Varel durften sogar minderjährige Angehörige, z. B. geistig behinderte Kinder von Bewohnern mit im Heim leben, wenn sie den „Betrieb nicht störten“.109Auch im „Beckhof-Altersheim“ wurden vereinzelt Jugendliche und Erwachsene mit geistigen und körperlichen Einschränkungen aufgenommen, bei denen eine Trennung von ihren pflegebedürftigen Eltern vermieden werden sollte.110 Zusammen im Heim lebten demzufolge z. B. „auch eine 76-jährige schizophrene Frau“ und ihre ebenfalls „schizophrene“ Tochter.111 Das Vareler Heim versorgte u. a. eine 40-jährige Lettin, die seit einer Polio-Erkrankung im Alter von fünf Jahren unter Lähmungen litt. Dass sie jedoch mit ihren „alten Eltern“ in einem Altersheim versorgt wurde, führte die im Heim tätige englische Beschäftigungstherapeutin auf das „besitzergreifende Wesen“ der Eltern zurück: „they
105 HAB, EA Eck., Nr. 4262: P., Jovan: v. Bod. an Dr. Kiessling, v. 4.3.1963. Ob die folgende Regelung nur auf das Altersheim in Varel zutraf oder auch auf andere Heime der „IRO“ lässt sich aus den Quellen nicht erschließen. Im März 1950, d. h. kurz vor der Übernahme des DP-Altersheims in Varel durch die deutsche Verwaltung, gab die „IRO“ eine Anweisung der britischen DP-Division bekannt, derzufolge eigentlich nur über 65-jährige Personen in das Altersheim aufgenommen werden sollten: LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Ev. HW Hann. an Nds Flüchtlingsmin., v. 23.3.1950, S. 2 106 Z. B. NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Frageb., v. 15.7.1950, DP-Lager Boden., Anl. Altersschichtung; LkAH, E 52, Nr. 367: IM Hann. an d. Geschäftsstelle d. Landesverb. d. IM in Rhein.-Pfalz, Koblenz, v. 26.1.1954; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 175: I., Djordje: Soz. Lintorf: Ärztl. Besch. zwecks Aufn. im AH, v. 22.8.1958; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 276: J., Nikolay: Beckhofverw. an Pf. Kopcansky, Mün., v. 29.7.1964. 107 Nds. 120 Lün, Acc. 31/67, Nr. 74: Nds. MI an RP Lüneb, v. 26.7.1951, S. 1. 108 LkASt, B. DW, Nr. 2485: AH Dorn., „Aufn.-Kontroll-Ausschuss“: Minutes of the Meeting, v. 20.08.1951, S. 2. 109 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Ev. HW Hann. an Nds Flüchtlingsmin., v. 23.3.1950. 110 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 163: Nervenfachärztl. Besch., v. 24.3.1960; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 163: Beckhofs. an Landkr. Biel., v. 24.3.1960. 111 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 41.
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3. Die Bewohner
(…) have never allowed her to grow up to be independent, though she is a girl of exeptional gifts“.112 In den 1950er Jahren enthielten die meisten ärztlichen Atteste lediglich allgemeine Angaben zum körperlichen und geistigen Gesundheitszustand der Heimbewerber.113 Ab den 1960er Jahren fielen die Gutachten – eine Folge der gestiegenen Ansprüche an die medizinische Versorgung alter Menschen – bereits umfangreicher und differenzierter aus. Zum Teil kamen Fragebögen zum Einsatz, die eine schnellere, gezieltere und v. a. einheitlichere Beurteilung ermöglichten.114 Darüber hinaus musste meist auch bei der Aufnahme ein Fragebogen des jeweiligen Heims ausgefüllt werden. Im „Altenwohnheim Darmstadt“ enthielt dieser z. B. Fragen nach dem allgemeinen Gesundheitszustand, einer ggf. benötigten Diät, vorhandener Pflegebedürftigkeit sowie dem Vorliegen einer Tuberkulose, einer Geisteskrankheit oder einer Epilepsie.115 Ebenfalls erfragt wurden „ekelerregende Ausschläge“.116 Vereinzelt stellten sich die vor der Heimaufnahme ausgestellten ärztlichen Gutachten beim Einzug der alten Menschen als unzureichend heraus. So erlebte der Heimleiter des Darmstädter Heims „immer wieder Überraschungen“ bezüglich des Gesundheitszustandes neu aufgenommener Bewohner, deren schwere Pflegebedürftigkeit im Gutachten verheimlicht worden war.117 Aus diesem Grund verließ er sich nicht mehr nur allein auf das bereits im Vorfeld der Aufnahme verfasste ärztliche Attest, sondern stellte alle Neuankömmlinge zur Vermeidung jeglichen Risikos zuerst der Heimärztin vor.118 Eine Heimaufnahme erfolgte zudem nur unter der Voraussetzung einer vollständigen Deckung der Unterbringungskosten. Demzufolge musste die Frage nach der Finanzierung des Heimaufenthalts bereits vor der Aufnahme geklärt werden.119 Der Großteil der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ bezog Fürsorge- bzw. Sozialhilfe. Somit lag die Kostenübernahme für die stationäre Versorgung in der Zuständigkeit der jeweiligen Fürsorge- bzw. Sozialämter.120 Entscheidend war dabei jedoch nicht der Heimstandort, sondern der bisherige Wohnsitz der Bewohner.121 Aus diesem Grund besaß, wie schon erwähnt, die 112 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 4. 113 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Dr. Ljubomir B. (Lagerarzt), Mün.: Ärztl. Besch. zwecks Aufn. im AH, v. 5.9.1958; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 374: Eduard F.: Nervenäztl. Besch., Beth., v. 23.12.1971. 114 Vgl. zu den bayerischen Vordrucken für das „Gutachten für Altersheim- und Hospitalaufnahme“: Nowicki, R.: Die Verwaltungsaufgaben der Heimleitung, 1963, S. 4 f. 115 LkAHN, B. 160, Nr. 31: Ärztl. Ber., Vordruck, o. D. zwecks Aufn. AH. 116 LkAHN, B. 160, Nr. 31: Ärztl. Ber., Vordruck, o. D. zwecks Aufn. AH. 117 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an HW d. EKHN, Frank., v. 14.12.1967. 118 Im Falle einer vorliegenden Pflegebedürftigkeit konnte eine Aufnahme abgelehnt oder eine Krankenhauseinweisung eingeleitet werden: LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an HW d. EKHN, Frank., v. 14.12.1967. 119 LkAH, E 52, Nr. 367: IM Hann. an Geschäftsstelle d. Landesverb. d. IM in Rhein.-Pfalz, Koblenz, v. 26.1.1954. 120 Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 29: Präs. d. Nds. Verwaltungsbez. Old. an AH Darm., v. 22.11.1962. 121 Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Ludolph an UNHCR, Bad G., v. 20.11.1962.
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Oldenburger Bezirksregierung auch nach Auflösung des Vareler Altersheims weiterhin die Zuständigkeit für die Finanzierung der ehemaligen Bewohner. Anders als in den meisten Einrichtungen für deutsche Fürsorge- bzw. Sozialhilfeempfänger nahmen die „Ausländerheime“ ebenfalls Menschen auf, die bislang nicht in ihrem „Einzugsgebiet“, d. h. im zuständigen Landkreis bzw. der zuständigen Stadt gelebt hatten.122 Galt hingegen ein Altersheim, das sich in der Nähe des bisherigen Wohnorts der Heimanwärter befand, als ebenso geeignet für eine Unterbringung wie ein weiter entfernt liegendes spezielles Heim für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“, sollte es – so auch eine Anweisung der „IRO“ vom März 1950 – bevorzugt werden, um „Verlegungen zu vermeiden“.123 Trotz dieser Verordnung erschien jedoch die Aufnahme oder die Verlegung in ein „Ausländerheim“ auch aus Sicht der Behörden fast immer als die beste Lösung. Folglich wurden auch die Bewohner der großen DP- bzw. „Ausländerlager“ vielfach in der gesamten Bundesrepublik auf verschiedene „Ausländerheime“ verteilt.124 Da zudem gemäß des 1961 erlassenen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) jeder Person prinzipiell die freie Auswahl ihres Altersheims zustand, konnte 1968 z. B. die Bitte eines russischsprachigen Heimanwärters erfüllt werden. Obwohl sich dieser um eine Aufnahme im russischen Altersheim in Darmstadt bemühte, wollte das zuständige Sozialamt nur die Kosten für das Altersheim übernehmen, das für ehemalige Angehörige der „US Labor service Companies“ – des ehemaligen Arbeitgebers von Herrn W. – errichtet worden war.125 Da sich letztlich jedoch das Sozialamt Darmstadt zur Finanzierung des Heimaufenthalts im „Altenwohnheim Darmstadt“ bereit erklärte, stand dem Einzug von Herrn W. in das von ihm favorisierte Heim in Darmstadt nichts mehr im Wege.126 Viele Einrichtungen, darunter auch die Heime für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“, verfügten über weitere Aufnahmemodalitäten. So wurden nicht wenige Altersheime vorwiegend für eine bestimmte Bewohnerklientel errichtet. Dabei hingen jedoch die Fragen, aus welchem Personenkreis die Heimbewohner stammen mussten und wer über ihre Aufnahme entschied, von vielen Faktoren ab. Anders als ein Teil der Altersheime für die deutsche Bevölkerung127 standen die Heime für DPs und „heimatlose Ausländer“ sowohl allen sozialen Schichten als auch beiden Geschlechtern offen. Für alle nach 1950 122 Z. B. LkAH, E 52, Nr. 367: IM Hann. an d. Geschäftsstelle d. Landesverb. d. IM in Rhein.-Pfalz, Koblenz, v. 26.01.1954. 123 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Ev. HW Hann. an Nds Flüchtlingsmin., v. 23.3.1950, S. 2. 124 Auch das „Altenwohnheim Darmstadt“ nahm u. a. Menschen aus Lagern in Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg auf: LkAHN, B. 160, Nr. 26: Rathgeber an UNHCR, v. 25.8.1959. 125 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an Vertreter d. HK für Flücht., Bad G., v. 10.1.1968. 126 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an Vertreter d. HK für Flücht., Bad G., v. 10.1.1968 127 Z. B. nahmen zahlreiche Heime für Deutsche ausschließlich Frauen auf. Ebenfalls existierten sowohl Einrichtungen für die gebildeten, sog. „bürgerlichen“ Sozialschchten als auch Häuser für die sog. „untere Mittelschicht“ sowie die sog. „Unterschicht“. Vgl. dazu Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 110 f.; S. 213 ff.
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3. Die Bewohner
speziell für „heimatlose Ausländer“ eingerichteten Altersheime bestand zudem die Verpflichtung, 90 Prozent der Heimplätze dieser Bevölkerungsgruppe vorzubehalten, während die restlichen zehn Prozent auch deutschen Bewerbern offenstanden.128 Darüber hinaus existierten individuelle Aufnahmebedingungen. Indem z. B. das etwa 100 Plätze aufweisende Altersheim in Darmstadt bevorzugt „heimatlosen Ausländern“ russischer Herkunft Unterkunft bot, bestimmte hier primär die Zugehörigkeit zur russischen Kultur – die insbesondere die russische Sprache und die russisch-orthodoxe Religion beinhaltete – über den Heimeinzug. Die Bewerber für das Darmstädter Heim mussten aber noch weitere Bedingungen erfüllen. So erfolgte die Belegung der Heimplätze ausschließlich durch den UNHCR, die Tolstoy-Foundation oder den Präsidenten des niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg, die sich alle an der Finanzierung der Heimkosten beteiligten. Folglich bestand für die Heimverwaltung die Verpflichtung, vor jeder Aufnahme das offizielle Einverständnis der entsprechenden Institution einzuholen bzw. jeden Heimanwärter daraufhin zu überprüfen, ob er tatsächlich zum Personenkreis der Berechtigten – z. B. des UNHCR – gehörte.129 Die vom UNHCR geförderten 20 Plätze standen ausschließlich Bewerbern offen, die den offiziellen Status eines „heimatlosen Ausländers“ besaßen130 bzw. als „ausländische Flüchtlinge“ unter dem Mandat des UNHCR standen.131 Als Nachweis diente der Stempelaufdruck „Heimatloser Ausländer“ bzw. „Ausländischer Flüchtling“ im Reiseausweis.132 Die Bezuschussung war im Fall des Darmstädter Heims außerdem 128 Vgl. z. B. Displaced Populations, 1950, S. 45; ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Maurer, J.: Das Problem d. HA in Bay. u. seine Lösung, in: CD: Festschrift, 12; LkASt, L1, DW, Nr. 2485: Anl. aus d. Akten Dorn., Empfang am 19. Sept. 1951, S. 2. 129 LkAHN, B. 160, Nr. 29: AH Darm. an UNHCR, Bad G., v. 7.7.1961. 130 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an d. DW, v. 15.9.1969. 131 LkAHN, B. 160, Nr. 26: UNHCR, Bad G. an Pf. Rathgeber, v. 20.10.1958. Die gesetzlichen Vertragsbedingungen des UNHCR bezüglich der stationären Versorgung von Flüchtlingen lauteten gemäß § 1c), dass in dem Fall, wo ein Flüchtling in einem Heim oder einer Anstalt untergebracht werden müsste, der zuständige Trägerverband sicherzustellen hatte, dass er für Rest seines Lebens mit „Nahrung, Kleidung, ärztlicher und sonstiger Fürsorge“ zumindest im selben Maße versehen werden würde wie es in ähnlichen Heimen üblich war. Nach § 1 e) sollte sich der Trägerverband bemühen, jeden freien Platz an andere Flüchtlinge unter Mandat des UNHCR zu belegen. Nach § 1f) sollte der Trägerverband mit dem Heim einen Vertrag abschließen, in dem obige Bedingungen festgehalten werden. Laut § 1g) durften Flüchtlinge nicht ohne Zustimmung des UNHCR aus dem Heim verwiesen werden: LkAHN, B. 160, Nr. 26: UNHCR, Bad G. an Pf. Rathgeber, v. 10.2.1961. 132 LkAHN, B. 160, Nr. 29: RP Darm. an d. DWHN, Frank., v. August 1973. Der für die Aufnahme benötigte Antrag zur Übernahme eines Bewerbers durch den Hohen Kommissar für Flüchtlinge erforderte die Angabe des Namens, Vornamen, Geburtsdatums, -orts und -lands, der jetzigen Staatsangehörigkeit, der Art des Passes, der Passnummer, des Ausstellungsorts, des Ausstellungsdatums und der Gültigkeit des Passes, der ausstellenden Behörde, der Anerkennung als „heimatloser Ausländer“ bzw. politischer Flüchtling unter dem Mandat des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, des letzten Wohnorts, der letzten Adresse, des Datums der Heimaufnahme, des Kostenträgers, der Nationalität, der Religion, der Vorgeschichte, der Ankunft in Deutschland, der bisherigen Arbeitsstellen, des Gesundheitszustands usw.: LkAHN, B. 160, Nr. 31:
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an die Bedingung gebunden, dass die betroffenen Personen aus den Ende der 1950er Jahre aufgelösten Lagern in Bayern, Baden Württemberg oder Hessen kamen.133 Die Zuständigkeit für die Überprüfung und das darauf folgende Stellen des Finanzierungsantrags übernahmen spezielle „Eingliederungsberater“ des UNHCR.134 Im August 1959 wünschten z. B. fünf, unter dem Mandat des UNHCR stehende, alte Menschen aus den bayrischen Lagern Landshut und Ingolstadt Aufnahme im neu erbauten „Altenwohnheim Darmstadt“.135 Auch hier übernahm der für beide Lager zuständige Eingliederungsberater alle Formalitäten für den Umzug.136 Beim Freiwerden eines „UNHCR-Platzes“ konnte dieser nur von einem Antragsteller belegt werden, der ebenfalls unter Mandat des UNHCR stand. Daher stellte sich z. B. im Oktober 1965 der Tod von zwei Heimbewohnern, die durch das UNHCR eingewiesen worden waren, für ein ebenfalls unter UNHCR-Mandat stehendes Ehepaar, das dringend einen Platz im Altersheim benötigte, als großer „Glücksfall“ heraus.137 Aufgrund der sich stetig verringernden Anzahl „heimatloser Ausländer“, wurden die vom UNHCR geförderten Plätze im „Altenwohnheim Darmstadt“ schließlich aber immer häufiger mit Deutschen oder mit Ausländern belegt, die nicht unter das Mandat des UNHCR fielen.138 Im Darmstädter Heim bestand ebenfalls eine Vereinbarung mit der Oldenburger Bezirksregierung, der zufolge ein Teil der Heimplätze, d. h. 72 Betten, für ehemalige Vareler Heimbewohner freigehalten werden musste.139 Da deren Betreuung, wie schon erwähnt, weiterhin zum Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsbezirks Oldenburg gehörte, erfolgte die Heimeinweisung direkt durch den dortigen Regierungspräsidenten.140 Die von ehemaligen Vareler Heimbewohnern belegten Plätze standen nach deren Tod ausschließlich „Heimatlosen Ausländern“ aus dem Verwaltungsbezirk Oldenburg offen. Nach dem Tod einer ehemaligen Vareler Bewohnerin im Jahr 1968, stand es dem „Altenwohnheim Darmstadt“ folglich nicht frei, den Platz neu zu bele-
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135 136 137 138 139 140
Antrag zur Übernahme eines Bewerbers durch d. HK für Flücht. (Vordruck). Diese Regelung galt in ähnlicher Form auch noch in den 1980er Jahren: LkAHN, B. 160, Nr. 49: RP Darm. an d. DW, Frank., v. 17.4.1980. Berücksichtigt werden sollten dabei v. a. Bewohner des Lagers Bensheim-Auerbach: LkAHN, B. 160, Nr. 26: UNHCR, Bad G. an Pf. Rathgeber, v. 20.10.1958. LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Ludolph an AH Darm., v. 27.7.1962. Auch andere Wohlfahrtsorganisationen wie der „Caritas“, der „Inneren Mission“, der Arbeiterwohlfahrt, der „American Polish War Relief“ Organisation u. ä. beschäftigten Eingliederungsberater: LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: VN: Merkblatt für d. rechtliche Betr. v. HA u. sonstigen ausl. Flücht., Juni 1956, S. 8. LkAHN, B. 160, Nr. 26: E. Thomas, TF, Fürsorgeabt. an Pf. Rathgeber, v. 11.8.1959. LkAHN, B. 160, Nr. 26: E. Thomas, TF, Fürsorgeabt. an Pf. Rathgeber, v. 11.8.1959. LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an IM u. HW d. EK im Rhein., Dü., v. 10.10.1965. Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: UNHCR, Bad G. an AH Darm., v. 21. 5.1968. LkAHN, B. 160, Nr. 26: Belegung Darm., v. 25.10.1963. Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an HW d. EKHN, Frank., v. 5.10.1968; LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C., Dü., an Amts. Köln, v. 4.4.1964, S. 2.
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3. Die Bewohner
gen.141 Vielmehr musste der freie Platz direkt dem Oldenburger Regierungspräsidenten gemeldet werden. Dieser ermittelte alle in Frage kommenden Heimanwärter in seinem Regierungsbezirk, die daraufhin ihren Anspruch auf den Platz in Darmstadt geltend machen konnten.142 Erst wenn die Oldenburger Behörde dem Darmstädter Heim innerhalb einer Frist von sechs Tagen143 keinen Bewerber gemeldet hatte, durfte der Platz schließlich „zur anderweitigen Belegung“ freigegeben werden.144 Teilweise erwies sich die Suche nach potentiellen Heimbewohnern nicht leicht. Anfang der 1960er Jahre wandte sich der Oldenburger Regierungspräsident bei seiner Suche sogar an „58 verschiedene Stellen“ in der ganzen Bundesrepublik, u. a. an die Wohlfahrtsverbände und an Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche.145 Da sich z. B. im August 1977 kein „geeigneter Bewerber“ fand, wurde der Heimplatz der Darmstädter Heimleitung schließlich „zur Belegung in eigener Zuständigkeit“ freigegeben.146 Da auch das Kölner Altersheim „Haus Andreas“ viele russischsprachige Bewohner des aufgelösten Heims in Varel aufgenommen hatte, bestanden zwischen dem Heimträger und der Regierung in Oldenburg ähnliche Absprachen wie mit dem Altersheim in Darmstadt. Frei gewordene Heimbetten sollten also auch hier weiterhin mit Ausländern aus dem Oldenburger Regierungsbezirk belegt werden.147 Trotz aller Bemühungen fanden sich aber in Köln ebenfalls nicht immer genug Interessenten, sodass freiwerdende Plätze dem Heim „zur Belegung in eigener Zuständigkeit“ freigegeben wurden, „da es schon wegen der Kosten nicht verantwortet“ werden könnte, diese Plätze unbesetzt zu lassen.148 Im „Altenwohnheim Darmstadt“ verfügte – neben dem UNHCR und der Oldenburgischen Landesregierung – auch die „Tolstoy-Foundation“ über die Berechtigung, einen Teil der Heimplätze in eigener Regie zu belegen. Die 1936 in den USA zur Unterstützung russischer Exilanten und Flüchtlinge gegründete „Tolstoy-Foundation“ besaß in der Bundesrepublik, u. a. in München und Frankfurt, eigene Vertretungen. Indem die „Tolstoy-Foundation“ nicht nur gute Kontakte zur russischen „Community“, sondern ebenfalls zu deutschen und internationalen Hilfsorganisationen besaß, konnte sie vielen „hei141 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an Präs. Verwaltungsbez. Old., v. 6.3.1968. 142 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an Präs. Verwaltungsbez. Old., v. 6.3.1968. 143 LkAHN, B. 160, Nr.: Belegung Darm., v. 25.10.1963. 144 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an Präs. Verwaltungsbez. Old., v. 6.3.1968. 145 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Präs. d. Nds. Verwaltungsbez. Old. an seine Hochwürden, A. Gurskij, Köln, v. 14.3.1962 146 LkAHN, B. 160, Nr. 30: Präs. d. Nds. Verwaltungsbez. Old. an DW in HN, Frank., v. 11.8.1977. 147 So bat die Oldenburgische Regierung darum, „alle nichtdeutschen Flüchtlinge zu melden, die für das Haus Andreas in Frage kommen“: LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Präs. d. Nds. Verwaltungsbez. Old. an seine Hochwürden, A. Gurskij, Köln, v. 14.3.1962. 148 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Präs. d. Nds. Verwaltungsbez. Old. an seine Hochwürden, A. Gurskij, Köln, v. 14.3.1962, S. 2.
3.3 Aufnahmebedingungen
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matlosen Ausländern“ russischer Herkunft einen Heimplatz vermitteln.149 Im Jahr 1970 bat z. B. die 1890 geborene ehemalige russische Zwangsarbeiterin Maria L., die nach einem Oberschenkelhalsbruch pflegerische Betreuung benötigte und zudem kaum Deutsch sprach, mit Hilfe der „Tolstoy-Foundation“ um Aufnahme im Darmstädter Heim.150 Auch in Fällen, in denen die Heimleitung noch keine endgültige Entscheidung über die Aufnahme eines Bewerbers getroffen hatte, wurde die Tolstoy-Foundation zu Rate gezogen, zumal deren Mitarbeiter meist bei Hausausbesuchen zugegen waren.151 Wünschten russische Altersheimbewohner einen Umzug in eine andere Einrichtung, fungierte die Foundation gleichfalls als wichtige Vermittlerin.152 Zudem kümmerte sie sich um deutsche Staatsbürger russischer Herkunft, die ihren Lebensabend in einer russisch-orthodoxen Gemeinschaft verbringen wollten.153 Dies traf z. B. auf eine Bewerberin zu, die durch ihre Heirat mit einem Deutschen die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatte.154 Da sie sich nach dem Tod ihres Ehemannes jedoch zunehmend fremd in Deutschland fühlte, bat sie schließlich 1968 mit Hilfe der Tolstoy-Foundation um einen Platz im „Altenwohnheim Darmstadt“. Als deutsche Staatsbürgerin besaß sie aber weder die Berechtigung für einen vom Oldenburger Regierungspräsidenten noch vom UNHCR zu vergebenen Plätze. Erst nachdem sie sich dazu bereit erklärte, in den für Deutsche vorgesehenen Teil des Heims zu ziehen, für den keine der oben genannten Beschränkungen existierten, wurde ihr schließlich der Einzug gewährt.155 Dass es sich bei ihr um eine „Selbstzahlerin“ handelte, wirkte sich dabei zusätzlich positiv auf ihre Aufnahmechancen aus.156 Hilfe von der „Tolstoy-Foundation“ erhielten nicht nur Einzelpersonen, sondern ebenfalls Ehepaare deutscher Staatsangehörigkeit, von denen jedoch ein Partner russischer Herkunft sein musste. 1965 bat z. B. das Ehepaar B. um Heimaufnahme. Während Frau B. als sog. „Volksdeutsche“ ohnehin die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt wurde, hatte sich ihr Ehemann, ein russischer, von der Tolstoy-Foundation als „tief religiös und ehrlich“ beschriebener Kosake, bewusst für diesen Schritt entschieden.157 Aufgrund der deutschen Abstammung seiner Frau und seiner antikommunistischen Einstellung – so war er zwischen 1926 und 1938 insgesamt 17 Mal von den Bolschewisten verhaftet worden – entschied sich das Paar schließlich für den dauerhaften Verbleib in der Bun-
149 Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an TF, Frank., v. 11.9.1964. 150 Entscheidend für ihre Wahl waren die russischsprachige Gemeinschaft sowie die Möglichkeit zum Besuch russisch-orthodoxer Gottesdienste: LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Thomas, Leiterin d. Wohlfahrtsabt. an d. Altersfürsorgeamt Duisburg, v. 10.4.1970. 151 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an d. Soz. Frank., v. 10.10.1968, betr. Helena M. 152 Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an TF, Frank., v. 11.9.1964. 153 Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an AH Darm., v. 10.5.1968. Vgl. auch LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Ludolph an AH Darm., v. 11.5.1963. 154 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an AH Darm., v. 10.5.1968. 155 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an AH Darm., v. 10.5.1968. 156 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an AH Darm., v. 10.5.1968. 157 LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an AH Darm., v. 27.1.1965.
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3. Die Bewohner
desrepublik.158 Den Einzug in das russisch geprägte Heim wünsche auch die deutschstämmige Nina S., die 1943 als „Volksdeutsche“ aus Kiew nach Deutschland umgesiedelt worden war.159 Dass Frau S. als Deutsche nichtrussischer Abstammung bei ihrer Bewerbung ebenfalls von der „Tolstoy-Foundation“ Unterstützung erhielt, verdeutlicht, dass diese ihre Hilfe nicht ausschließlich auf Personen russischer Herkunft beschränkte.160 Im Jahr 1972 lebten im Darmstädter Heim nur noch etwa 23 der 1959 als geschlossene Gruppe von Varel nach Darmstadt verlegten Personen.161 Zehn weitere, ebenfalls über Oldenburg eingewiesene Bewohner waren in den 1960er Jahren aufgenommen worden.162 Letztlich gab die Oldenburger Regierung immer mehr ihrer Plätze endgültig „frei“, d. h. die freiwerdenden Betten durften zukünftig allein durch die Heimleitung belegt werden.163 Beispielsweise befanden sich im Jahr 1966 nur noch 57 Betten in der Zuständigkeit des Oldenburger Regierungspräsidenten.164 Gleichfalls verringert hatte sich die Zahl der vom UNHCR überwiesenen alten Menschen. Diese belegten sogar nur noch zwölf Heimplätze, wobei lediglich drei Personen bereits seit 1959 im Haus wohnten.165 Vereinzelt fanden aber weiterhin Flüchtlinge aus der UdSSR, die unter das Mandat des UNHCR fielen, Aufnahme im „Altenwohnheim Darmstadt“. 1978 nahm das Heim z. B. einen 67-jährigen Russen auf, der sich von 1937 bis 1953 aufgrund seiner antibolschewistischen Haltung in sibirischer Lagerhaft befunden hatte.166 Knapp 20 Jahre später durfte er seine bereits in Darmstadt lebenden Tochter besuchen, 1974 bat er schließlich offiziell um politisches Asyl in Deutschland.167 Das UNHCR organisierte darüber hinaus sog. „Familienzusammenführungen“. So auch im Fall einer 66-jährigen Russin, die 1942 zusammen mit ihren Eltern nach Deutschland deportiert worden war und nun in England lebte.168 Da ihre über 80-jährige Mutter bereits seit 1970 im „Altenwohnheim Darmstadt“ lebte169, bat Frau L. kurz darauf ebenfalls um Aufnahme.170 Zur Erhöhung der Aufnahmechancen empfahl die zuständige Mitarbeiterin der „Tolstoy-Foundation“ die Beantragung einer Familienzusammenführung durch das UNHCR.171 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171
LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an AH Darm., v. 27.1.1965. LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an AH Darm., v. 30.11.1965. LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an AH Darm., v. 30.11.1965. LkAHN, B. 160, Nr. 27: AH Darm., Liste v. Heimbew., eingewiesen durch Old., v. 1.8.1972. LkAHN, B. 160, Nr. 27: AH Darm., Liste v. Heimbew., eingewiesen durch Old., v. 1.8.1972. LkAHN, B. 160, Nr. 26: Belegung Darm., v. 25.10.1963. LkAHN, B. 160, Nr. 26: Belegung Darm., v. 25.10.1963. LkAHN, B. 160, Nr. 27: AH Darm., Liste d. UNHCR-Bew., v. 1.8.1972. LkAHN, B. 160, Nr. 49: E. Ludolph, ökum. Diak. an Reg. Präs. Darm., betr. Alexej P., v. 3.1.1979. LkAHN, B. 160, Nr. 49: E. Ludolph, ökum. Diak. an Reg. Präs. Darm., betr. Alexej P., v. 3.1.1979. LkAHN, B. 160, Nr. 31: Anruf Gräfin Ignatiew am 15.12. ? (nach 1971). LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Thomas an d. Altersfürsorgeamt Duisburg, v. 10.4.1970. LkAHN, B. 160, Nr. 31: Anruf Gräfin Ignatiew am 15.12. (nach 1971). LkAHN, B. 160, Nr. 31: Anruf Gräfin Ignatiew am 15.12. (nach 1971).
3.3 Aufnahmebedingungen
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Ende der 1980er Jahre waren schließlich alle Bewohner verstorben, die Ende der 1950er Aufnahme gefunden hatten.172 Von den durch das UNHCR eingewiesenen „heimatlosen Ausländern“ lebten noch zwei Personen.173 Trotz der stetigen Abnahme ausländischer Bewohner lag deren Anteil im „Altenwohnheim Darmstadt“ in den 1980er Jahren aber noch immer sehr hoch. Beispielsweise bevorzugten viele russischstämmige Heimanwärter, die zwar schon seit mehreren Jahrzehnten in Deutschland lebten, sich aber nie wirklich eingewöhnt hatten, weiterhin das Darmstädter Heim.174 Auch Frau S., die erst 1981 ins Heim zog, hatte in Deutschland fast ausschließlich „Kontakt zu Landsleuten“ gehabt und besaß daher kaum deutsche Sprachkenntnisse.175 Im Darmstädter Altersheim hingegen fühlte sie sich „unter ihren Leuten“ endlich wieder „wie zu Hause“.176 Einen nicht unbedeutenden Einfluss bei der Auswahl, Aufnahme und Verlegung der Heimbewohner besaßen die regionalen und überregionalen Nationalkomitees, Ländervertretungen u. ä. Organisationen. Unter anderem unterstützten diese die deutschen Behörden bei der Ermittlung potentieller Anwärter für die neu eingerichteten „Ausländerheime“.177 1961 wandte sich z. B. auch die Oldenburger Bezirksregierung mit der Bitte, „alle in Frage kommenden Personen innerhalb von sechs Tagen zu melden“ u. a. an das „Lettische Zentralkomitee in der Bundesrepublik Deutschland“, die „Litauische Volksgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland“, den „Verband polnischer Flüchtlinge in Deutschland“ und die „Zentralverwaltung der ukrainischen Emigration“.178 „Heimatlose Ausländer“, die sich für einen Heimeinzug entschieden hatten, erhofften sich ebenfalls Hilfe durch die genannten Organisationen. 1967 stellte z. B. der Este Harald K. ein Aufnahmegesuch an das „Beckhof-Altersheim“, da er seinen Lebensabend mit „Landsleuten (…) verbringen“ wollte.179 Seinem Anschreiben hängte er ein Empfehlungsschreiben des „Estnischen Zentralkomitees in Deutschland“ bei, in dem es hieß: „Wir kennen Herrn K […] persönlich, als anständigen […] Mann und bitten, wenn irgend möglich ist, seinen Gesuch zu befriedigen“.180 Insbesondere Personen, die sich wie Herr K. selbst um die Heimaufnahme bemühten, erhofften sich durch ein entsprechendes Empfehlungsschreiben bessere Aufnahmechancen. Als ebenso erfolgversprechend erwies sich der Einsatz kirchlicher Würdenträger. So erhielt u. a. der 60-jährige Ivan B., für den sich „auch Erzpriester J […] eingesetzt“ hatte, vom „Beckhof-Al-
172 173 174 175 176 177 178 179 180
LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH für HA, Darm. LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH für HA, Darm. LkAHN, B. 160, Nr. 49: Notiz, Sozialarbeiterin K., v. 3.3.1981. LkAHN, B. 160, Nr. 49: Notiz, Sozialarbeiterin K., v. 3.3.1981. LkAHN, B. 160, Nr. 49: Notiz, Sozialarbeiterin K., v. 3.3.1981. LkAHN, B. 160, Nr. 27: Präs. Nds. Verwaltungsbez. Old., v. 10.10.1961, S. 2. LkAHN, B. 160, Nr. 27: Präs. Nds. Verwaltungsbez. Old., v. 10.10.1961, S. 2–8. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 78: K., Harald: K., Harald, Pirmasens an Beckhofs., v. 10.2.1967. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 78: K., Harald Anbei: J. Västrik, Präs. d. Estnischen Zentralkomitees in Dt.
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3. Die Bewohner
tersheim“, das ihm aufgrund der Empfehlung „recht gern helfen“ wollte, eine Aufforderung zur Besichtigung der Einrichtung.181 Die Ländervertretungen und -Komitees leisten zudem finanzielle Unterstützung. Da sich z. B. die ukrainischen DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ durch einen „sehr starken Zusammenhalt in der Bundesrepublik“ auszeichneten, setzten sich ihre Vertreter für die Errichtung eines Altersheims ein, das vorwiegend Ukrainern Unterkunft bieten sollte.182 Tatsächlich fand dieses Vorhaben im Jahr 1959 mit der Eröffnung des „Haus Andreas“ in Köln-Müngersdorf Umsetzung. Wie schon erwähnt, diente das Heim v. a. den ukrainischen Bewohnern des aufgelösten Vareler Altersheims als neue Unterkunft. Die „Arbeitsgemeinschaft der ausländischen Flüchtlinge in Niedersachsen e. V.“ machte sich jedoch dafür stark, dass „auch Ukrainer aus anderen Lagern und Heimen die Chance bekommen, ihren Lebensabend mit Landsleuten und Glaubensgefährten“ im Kölner Heim zu verbringen.183 Daraufhin siedelten z. B. ebenfalls einige ukrainische Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ in das „Haus Andreas“ um.184
Abb. 5: Mitgliedskarte: Verband polnischer Flüchtlinge in Deutschland, v. 4.1.1956.
Dass die in den 1950er Jahren neu erbauten Altersheime für „heimatlose Ausländer“ mit finanzieller Hilfe ausländischer Organisationen errichtet worden waren, spielte eine weitere entscheidende Rolle bei der Auswahl der zukünftigen Bewohner. Wie schon ausführlich dargestellt, erhielt z. B. das „Altenwohnheim Darmstadt“ neben staatlichen Finanzhilfen Gelder der UNO und der 181 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 672: B., Ivan: Beckhofverw. an Ivan B., v. 10.3.1959. 182 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: K., Matwij: Präs. Verwaltungsbez. Old. an Beckhofs., v. 31.8.1959. 183 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: Präs. Verwaltungsbez. Old. an Beckhofs., v. 31.8.1959. 184 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: Präs. Verwaltungsbez. Old. an Beckhofs., v. 31.8.1959.
3.4 Aufnahmemodalitäten
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„Tolstoy-Foundation“, sodass auch diese beiden Organisationen über die Besetzung der Heimplätze bestimmten.185 3.4 Aufnahmemodalitäten Die Aufnahme der meisten deutschen Heimanwärter erfolgte entweder auf Eigeninitiative der alten Menschen bzw. auf Initiative ihrer Angehörigen oder aber durch den Rat eines Arztes. Im Falle der Flüchtlinge und Bezieher öffentlicher Unterstützungsmaßnahmen organisierten hingegen die Behörden die Einweisung.186 Teilweise konnten die Betroffenen – z. B. Personen, die selbst für den Heimaufenthalt aufkamen – selbst entscheiden, in welchem Altersheim sie leben wollten.187 Dies traf auch auf „heimatlose Ausländer“ zu, v. a. wenn es sich um eine Verlegung in eine andere Einrichtung oder um eine Aufnahme in ein Heim handelte, das vorwiegend Menschen aus bestimmten Herkunftsländern aufnahm. Im Jahr 1968 wurde z. B. das „Altenwohnheim Darmstadt“ sogar mit unzähligen Briefen eine Ehepaars „bombardiert“, das um ein Doppelzimmer im „orthdoxen Teil“ des Hauses bat, das zu dem gewünschten Zeitpunkt aber nicht zur Verfügung stand.188 Obwohl sich die DPs und „heimatlosen Ausländer“ also durchaus für ein Heim ihrer Wahl bewerben oder den Heimeinzug ablehnen189 konnten, entschieden letztlich jedoch allein die Behörden über eine Heimeinweisung. Beispielsweise wurde der 1893 geborenen und im Jahr 1958 verrentete Ukrainer Nikolaj S. von der „Wohnstätte für Ausländer“ in Bottrop im Auftrag des nordrhein-westfälischen Arbeits- und Sozialministers in das „Beckhof-Altersheim“ eingewiesen.190 Zahlreiche alte Menschen wurden sogar mehrmals „hin und hergeschoben“, insbesondere wenn einzelne Lager und Heime aufgelöst werden mussten. Ein Bewohner des Altersheims „Insula“ hatte nach Kriegsende sogar zwölf Lager durchlaufen, bevor er letztlich „Ruhe im Altersheim“ fand.191 Da die DPs und „heimatlosen Ausländer“ insgesamt wenig Mitspracherechte besaßen und waren zur Durchsetzung ihrer Wünschen oft auf die Hilfe ausländischer Hilfsorganisationen angewiesen. Grundsätzlich mussten sie sich je185 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 186 Vgl. Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 111 f. 187 Vgl. dazu Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945– 1975, 2016, S. 111 ff.; S. 116 f. 188 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an Sozialabteilung Landkr. Osnab., v. 17.1.1968; kAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an HW d. EKHN, Frank., v. 16.1.1968. 189 NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an RP Lün. v. 28.9.1959. Zur Frage der amtsärztl.bestätigten Heimpflegebedürftigkeit, z. B. NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an AH d. AWO, Osnab., v. 1.12.1961; NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an Harasym S., Oerrel, Lager, v. 13.6.1962. 190 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 267: Beth., Fürsorgeantrag, v. 30.9.1958. 191 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965.
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3. Die Bewohner
doch – außer wenn eine Entmündigung durchgesetzt werden musste – damit einverstanden erklären, in ein Altersheim eingewiesen zu werden.192 Um die in Gemeinschaftsunterkünften und Privatwohnungen lebenden „heimatlosen Ausländer“ über die für sie errichteten Altersheime zu informieren, setzten die deutschen und ausländischen Wohlfahrtsorganisationen eigene Mitarbeiter ein. Darunter befanden sich Fürsorgerinnen und Fürsorger, die alle in Frage kommenden alten Menschen persönlich in ihren Unterkünften aufsuchten.193 1951 übernahmen z. B. die „Betreuungsstelle für heimatlose Ausländer der württembergischen Landeskirche“194 sowie die „Bruderhilfe der amerikanischen Katholiken“ diese Aufgabe.195 Letztere informierte die „heimatlosen Ausländer“ über das katholische Altersheim „St. Nikolaus“ in München.196 Ähnliche Beratungen erfolgten auch im Auftrag des Amts des „Hohen Kommissars für Flüchtlinge in Deutschland“. Dessen Mitarbeiter besuchten ebenfalls alte, in den „Ausländerlagern“ lebende Menschen und sprachen mit ihnen über die Möglichkeit eines Heimeinzugs.197 Beispielsweise fanden 1959 in mehreren „Ausländerheimen“ in Baden-Württemberg und Niedersachsen vom UNHCR organisierte Beratungsgespräche mit russisch-orthodoxen Bewohnern statt, die als potenzielle Kandidaten für das neue Altersheim in Darmstadt in Frage kamen.198 Die Fürsorgerinnen und Fürsorger der „Inneren Mission“ halfen den in Würzburg lebenden „Versorgungsfällen“ beim Einzug in ein Altersheim.199 Teilweise statteten auch die Heime selbst bzw. deren Leitungspersonal, den potentiellen Heimbewohnern einen Besuch ab und bereiteten sie dabei ggf. auf den Umzug in das neue Altersheim vor. Üblich war dieses Vorgehen z. B. im „Beckhof-Altersheim“, in dem das Hauselternehepaar die Besuche übernahm.200 Damit sich auch diejenigen Personen, 192 Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 74: Nds. MI an RP Lün., v. 26.7.1951, S. 1. 193 Z. B. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 7. 194 LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 4. 195 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8. 196 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe der amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8. 197 LkAHN, B. 160, Nr.: 26: Gerda B.: Ber. über Besuche bei orth. alten nichtdt. Flücht. in Württemb.-Baden, v. 15.8.1959, S. 2. 198 In Baden-Württemberg wurden z. B. 39 Personen in dreizehn Lagern besucht: LkAHN, B. 160, Nr.: 26: Gerda B.: Ber. über Besuche bei orth. alten nichtdt. Flücht. in Württemb.Baden, v. 15.8.1959, S. 1. 199 LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: Ber. über Betr. d. Versorgungsfälle in Würz., Tätigkeitsber. v. 2.12.1963. Meist zeigten sich die Bersuchten, die teilweise als misstrauisch und geistig nicht normal beschrieben wurden, sehr dankbar über die Betreuung der Fürsorgekräfte. Ein „älterer Herr“ äußerte z. B., dass ihm das Interesse „so wohltue“ und das Gefühl geben würde, „nicht ganz vergessen zu sein“. Zudem wurde jede der betreuten Personen zum Geburtstag mit Blumen, Gebäck, Wein oder Kaffee beschenkt: LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: Ber. über Sonderbetr. d. Versorgungsfälle in Würz., v. 1.1. bis 30.6.1961, v. 5.7.1961, S. 1. 200 HAB, SamEcka, Nr. 54: Aus Nazareth, Frauengeschichten 1997, v. H. Schindler.
3.4 Aufnahmemodalitäten
83
die durch die Besuche nicht von einem Heimeinzug überzeugt werden konnten, von ihren Bedenken und Vorurteilen gegenüber der Institution „Altersheim“ verabschiedeten, lud das Münchner Altersheim die alten Menschen aus den großen DP-Lagern dazu ein, das Heim zu besichtigen.201 So war kurz nach Eröffnung des Heims sogar ein „ganzer Omnibus mit vielen Großvätern und Großmüttern aus Valka (…) zu Besuch im Heim, damit jeder sich persönlich vom Wohlbefinden der dortigen Insassen überzeugen konnte“.202 Tatsächlich siedelten kurz darauf „mehr als 20 Bewohner aus Valka“ in das katholische Altersheim über.203 Die für die Beratungen zuständigen Fürsorgerinnen und Heimmitarbeiter halfen ebenfalls bei der Heimaufnahme und standen meist auch weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung.204 Die in- und ausländischen Hilfsorganisationen fungierten außerdem als wichtige Adressaten für die Aufnahmegesuche der alten Menschen. Beispielsweise ging der größte Teil der Bewerbungen für das katholische Altersheim „St. Nikolaus“ durch die Hände der „Bruderhilfe der amerikanischen Katholiken“.205 Infolge der schrittweisen Übergabe des „Altersheim Dornstadt“ an den württembergischen „Landesverband für Innere Mission“ erfolgte die Aufnahme durch einen sog. „Aufnahme-Kontroll-Ausschuss“, der aus Vertretern der „IRO“, des württembergischen Innenministeriums, des „Landesverbands für Innere Mission“, des „WCC“ und des diesem angeschlossenen „Church World Service Incorporated“ (CWS) bestand.206 Dieser Ausschuss entschied „über alle Aufnahmen von DPs bis zur Beendigung der Tätigkeit der IRO“.207 Dabei reichten der CWS und der „WCC“ bei der „IRO“ „die Namen aller Personen ein, die in das Heim aufgenommen werden möchten“, während die Anfertigung eines „ausführlichen Lebenslaufs“ sowie das Ausfüllen des Aufnahmeformulars der „IRO“ oblag.208 Nachdem der Heimleiter die Anträge dem „Aufnahme-Kontroll-Ausschuss“ vorge201 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8. 202 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8. Das „Valka-Lager“ in Nürnberg-Langwasser war eines der größten DP-Lager Süddeutschlands. Ab Herbst 1949, nach Übergabe in deutsche Verw., fungierte es als „Regierungslager für heimatlose Ausländer“ der Bundesrepublik. Außer DPs nahm das Lager nun v. a. ausländische Flüchtlinge aus Osteuropa auf: http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/kurzdossiers/246940/zirndorf. 203 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8. 204 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8; LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: Ber. über Betr. d. Versorgungsfälle in Würz., Tätigkeitsber. v. 2. 12.1963. 205 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 5. 206 LkASt, L 1, DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für d. Inform. zu Presse-Empfang am 19.9.1951, S. 2. 207 LkASt, L 1, DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für d. Inform. zu Presse-Empfang am 19.9.1951, S. 2. 208 LkASt, L 1, DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für d. Inform. zu Presse-Empfang am 19.9.1951, S. 2.
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3. Die Bewohner
legt hatte, traf dieser schließlich die endgültige Entscheidung über die Heimaufnahme.209 Auch andere „Ausländerheime“ griffen in den frühen 1950er Jahren beim Heimeinzug, z. B. bei der Organisation der Anreise, weiterhin auf die Hilfe der „IRO“ zurück.210 Darüber hinaus informierten die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände die alten Menschen über geeignete Altersheime im Ausland. 1975 bat z. B. der Russe Viktor W., der zuvor lange Zeit in Beirut gelebt hatte und erst vor einem Jahr nach Deutschland gezogen war, um einen Platz im Altersheim.211 Da er in Deutschland v. a. im Winter sehr unter der Kälte litt, wurden ihm von einer Fürsorgerin der Diakonie zwei orthodoxe Altersheime „in der Sonne“ in Südfrankreich empfohlen.212 Obwohl, wie später näher erörtert, nicht alle alten Menschen einen Heimeinzug begrüßten, zeigten sich alleinstehende, kranke Personen häufig sehr froh über das Angebot und wollten so schnell wie möglich in eines der neuen „Ausländeraltersheime“ übersiedeln.213 Deren Attraktivität erhöhte sich erheblich durch die Aussicht auf ein Zusammenleben mit anderen „Schicksalsgenossen“.214 1951 berichtete z. B. die Betreuungsstelle für heimatlose Ausländer in Württemberg: „Wenn wir die alten Leute gelegentlich wieder einmal aufsuchen, sind sie alle glücklich und zufrieden, daß sie sich zu dem Schritt entschlossen“ haben.215 In vielen Fällen sprach sich die Existenz der neuen Heime für „Heimatlose Ausländer“ nicht nur in den Hilfsorganisationen, sondern ebenfalls innerhalb der „Communities“ der verschiedenen „Volksgruppen“ schnell herum. So waren z. B. die Ukrainer sowie die russischen Exilanten sehr gut vernetzt und erhielten zusätzliche Beratung und Unterstützung der entsprechenden Nationalkomitees, Ländervertretungen und Hilfsorganisationen.216 Dies betraf ebenfalls religiöse oder ethnische Minderheiten wie die Kosaken, für deren Belange sich das „Kosakische Nationale Komitee in Deutschland“ einsetzte.217 Das Komitee übernahm auch die Betreuung der im „Altersheim Dornstadt“ lebenden Kosaken, im Jahr 1953 insgesamt 16 Personen.218
209 LkASt, L 1, DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für d. Inform. zu Presse-Empfang am 19.9.1951, S. 2. 210 LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 4. 211 LkAHN, B. 160, Nr. 49: E. Ludolph, ökum. Diak. an Pf. Dr. Loeffler, v. 25.2.1975. 212 LkAHN, B. 160, Nr. 49: E. Ludolph, ökum. Diak. an Pf. Dr. Loeffler, v. 25.2.1975. 213 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 7. 214 Z. B. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 7. 215 LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 4. 216 Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: An WA für HA Mün., v. 15.6.1959. 217 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: DRK, Abt. Wohlfahrt an Landesverb. für IM in Württemb, v. 22.1.1953. 218 Auf Bitten des kosakischen Komitees wandte sich z. B. 1953 das „DRK“ an den Heimträger des Dornstädter Heims und bat darum, „sich die Bitten dieser Flüchtlinge anzuhören“:
3.5 Widerstände gegen den Einzug in ein Altersheim
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3.5 Widerstände gegen den Einzug in ein Altersheim Bei den oben erörterten Besuchen und Befragungen stießen die Fürsorgekräfte häufig aber auch auf Widerstand. Meist reichte ein einmaliges Aufsuchen nicht aus, um die alten Menschen von einem Heimeinzug zu überzeugen, d. h. eine zeitintensive „Nacharbeit“ war fast immer erforderlich.219 Sowohl die „Bruderhilfe der amerikanischen Katholiken“ als auch das UNHCR sowie weitere Hilfsorganisationen machten die Erfahrung, dass sich die alten Menschen besonders vor einer weiteren Veränderung ihrer Lebens- und Wohnsituation sowie vor der „Abgeschlossenheit“ eines Altersheims fürchteten.220 Da sich ein Heimeinzug fast immer mit einem Ortswechsel verband, stieß er insbesondere bei Menschen, die bei ihren Angehörigen lebten auf Ablehnung.221 Dies traf v. a. auf Personen zu, die bislang für ihre Enkel oder ihre kranken Kinder gesorgt hatten und diese nun „im Stich“ lassen sollten. Den Verbleib an ihrem bisherigen Wohnort, an dem sie sich „allmählich eingelebt“ hatten, wünschten aber ebenfalls alleinstehende Personen.222 Darüber hinaus wollten viele alte Menschen ihre Selbständigkeit nicht aufgeben und äußerten ihre Angst vor der Endgültigkeit des Heimeinzugs,223 zumal ein Altersheim nur „zum Sterben“ da sein würde.224 Oft sprachen sich zudem „heimatlose Ausländer“, denen eine eigene Wohnung versprochen worden war, gegen den Einzug in ein Altersheim aus.225 Auch nach Erfahrung des bayrischen „Landesverbands“ der „Inneren Mission“ wurde der Einzug in ein meist weit entfernt liegendes Heim selbst dann abgelehnt, wenn die Betroffenen mittlerweise zu alt waren, „um
219
220 221 222 223 224 225
LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: DRK, Abt. Wohlfahrt an Landesverb. für IM in Württemb, v. 22.1.1953. LkAHN, B. 160, Nr. 26: Gerda B.: Ber. über Besuche bei orth. alten nichtdt. Flücht. in Württemb.-Baden, v. 15.8.1959, S. 1. Im Fall des beworbenen „Altenwohnheim Darmstadt“ erwies sich zudem die Ähnlichkeit der Ortsnahmen „Darmstadt“ und „Dornstadt“ als Problem. So fiel den Beratern auf, dass gegen das Heim in Dornstadt eine Aversion bestand, v. a. bei ehemaligen Dornstädter Heimbewohnern: LkAHN, B. 160, Nr. 26: Im Auftrag d. Amtes d. HK für Flücht., Bonn, ca. August 1959. Vgl. auch LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: Ber. über Sonderbetr. d. Versorgungsfälle in Würz., 1.1. bis 30.6.1963, v. 2.8.1963. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8; LkAHN, B. 160, Nr.: 26: Gerda B.: Ber. über Besuche bei orth. alten nichtdt. Flücht. in Württemb.-Baden, v. 15.8.1959, S. 2. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8. LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: IM, Landesverb. Nürn., betr. Zusätzliche Registrierung, v. 6.11.1962. LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 4. LAELKB, DW, Nr. 1524, Rep. Nr. 24: Das Problem d. Alten u. Arbeitsunfähigen (E. Falz, Lager Memmingerberg) in: Arbeitstagung d. kirchl. fürsorgerischen Kräfte in d. DPArbeit, Mai 1951, S. 21. LkAHN, B. 160, Nr. 26: Gerda B.: Ber. über Besuche bei orth. alten nichtdt. Flücht. in Württemb.-Baden, v. 15.8.1959, S. 1.
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3. Die Bewohner
noch auf eine Neubauwohnung zu warten“.226 Dass ein eigenständiges Leben außerhalb des Lagers oder Heims jedoch mit höheren Kosten und vermehrter körperlicher Anstrengung verbunden sein würde, gehörte zu den überzeugendsten Argumenten, die für den Umzug in ein Altersheim sprachen.227 Im Fall der in 13 Lagern in Baden-Württemberg vom UNHCR durchgeführten Besuche wünschten letztlich aber nur neun von insgesamt 39 befragten Personen den Einzug in das beworbene Darmstädter Heim.228 In den Niedersächsischen Lagern fanden sich immerhin 19 Interessenten für einen Heimeinzug.229 Nach Wunsch der niedersächsischen Behörden sollten urspünglich jedoch etwa 36 Bewohner in ein Altersheim verlegt werden, zumal sich mindestens zwei „Ausländerlager“ bereits in Auflösung befanden.230 Letztlich entschieden sich aber lediglich 14 Personen für einen Einzug ins Altersheim.231 Eine entscheidende Rolle spielte immer auch die Frage, durch welche Institution die Verlegung organisiert wurde. So brachten viele DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ den ausländischen Hilfsorganisationen sowie den christlichen Verbänden der freien Wohlfahrtspflege weitaus mehr Vertrauen entgegen als den staatlichen deutschen Behörden. Dementsprechend häufig standen sie einer von staatlicher Seite aus organisierten Heimeinweisung ablehnend gegenüber. Dabei war nicht nur bei ehemaligen Zwangsarbeitern ein großes und sicherlich nicht immer unbegründetes Misstrauen gegenüber den deutschen Behörden zu beobachten.232 Diese, z. B. das „Niedersächsische Ministerium für Vertriebene“, begründeten hingegen das ablehnende Verhalten der „heimatlosen Ausländer“ mit der Argumentation, dass bei „dieser Personengruppe“ (…), „aufgrund der Verhältnisse in ihren Heimatstaaten die Vorstellung“ bestehen würde, „die Unterbringung in einem Altersheim komme der Unterbringung in einem Armenhaus gleich“.233
226 LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: IM, Landesverb. Nürn., betr. Zusätzliche Registrierung, v. 6.11.1962. 227 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Gerda B.: Ber. über Besuche bei orth. alten nichtdt. Flücht. in Württemb.-Baden, v. 15.8.1959, S. 1. Teilweie äußerten die alten Menschen auch die Angst, dass ihnen im Heim nur ein Taschengeld zur Verfügung stehen würde: LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 4. 228 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Gerda B.: Ber. über Besuche bei orth. alten nichtdt. Flücht. in Württemb.-Baden, v. 15.8.1959, S. 2. 229 LkAHN, B. 160, Nr. 26: HW d. EK in Old. an Pf. Rathgeber, Frank., v. 3.2.1959. 230 NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an Nds. Min. Ver., Hann, v. 14.3.1959, S. 1. 231 Sechs Personen wollten z. Z. noch nicht ins Altersheim und 20 Personen lehnten die Versorgung im Heim grundsätzlich ab: NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an RP Lün., v. 28.9.1959. 232 Vgl. dazu auch Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 240. 233 LkAH, E 52, Nr. 367: Nds. Min. f. Vertr. an RP v. Hann., Hild., Lün, v. 25.1.1957.
3.6 Verlegung von Heimbewohnern
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3.6 Verlegung von Heimbewohnern Die Verlegung einer größeren Anzahl von Heimbewohnern oder auch ganzer Heime in eine neue Unterkunft erforderte eine genaue Planung. Im Fall des auf „Verfügung des Niedersächsischen Ministers des Innern“ geschlossenen „AdrianMarshall-Homes“ – das unter deutscher Verwaltung seit 1950 den Namen „Haus Hessenkopf“ trug – mussten im August 1951 insgesamt 56 alte, z. T. pflegebedürftige Heimbewohner zuzüglich des sie begleitenden Personals in das „Evangelische Altersheim Varel“ umgesiedelt werden.234 Dabei fungierte das niedersächsische Innenministerium als offizieller „Vertreter für die Auflösung des Heims“ und übernahm somit auch die Kosten für die Verlegung, die mit dem Zug erfolgte.235 Dieser sollte möglichst auch Abteile der „zweiten Klasse“ zur Verfügung stellen, da „einzelne alte Leute so hinfällig“ waren, dass sie bequemere Sitzmöglichkeiten als die Holzsitze der „dritten Klasse“ benötigten; zwei Personen konnten sogar nur liegend transportiert werden.236 In einem Aushang wurden die Bewohner frühzeitig über den Ablauf ihrer Verlegung informiert.237 Neben Anweisungen enthielt das Schreiben ebenfalls aufmunternde Worte, die den Bewohnern die Angst vor ihrer neuen Unterkunft nehmen sollten: „Die schöne Zeit im Hessenkopf geht damit dem Ende entgegen. Sie kommen in ein Heim, das genauso für sie sorgen wird, das genauso gut gelegen ist wie der Hessenkopf. Für sie fehlen nur die Berge. Sie wohnen in der Nähe der Stadt und Wald ist in genügendem Maße vorhanden. Ich bin gewiß, daß sie sich dort wohlfühlen werden. Den Hessenkopf sollen sie in Erinnerung und lieb behalten, trotz allem aber ihren Blick vertrauensvoll in die Zukunft werfen“.238 Am 23. August 1951 um sechs Uhr morgens nahmen die alten Menschen schließlich endgültig Abschied vom „Haus Hessenkopf“.239 Ende der 1950er Jahre musste aufgrund der Schließung des Vareler Heims ein Teil von ihnen abermals umgesiedelt werden. Diese Maßnahme bzw. der Umzug der Heimbewohner in ihre neuen Unterkünfte erforderte eine ähnlich umfassende Planung. Dabei gestalte sich allein die Fahrt mit Omnibussen, Krankenwagen und „fahrplanmäßigen“ Zügen, denen z. B. im Fall der nach Köln verlegten alten Menschen, zwei Extrawagen angehängt
234 LkA acc. 16/09, Nr. 106: Nds. MI, als Vertreter für d. Auf. d. Heims, Petrusch, an d. Vorsteher d. Bahnhofs Goslar, v. 18.8.1951. 235 LkA acc. 16/09, Nr. 106: Nds. MI, als Vertreter für d. Auf. d. Heims, Petrusch, an d. Vorsteher d. Bahnhofs Goslar, v. 18.8.1951. 236 LkA acc. 16/09, Nr. 106: Nds. MI als Vertreter für d. Aufl. d. Heims, Petrusch, an d. Vorsteher d. Bahnhofs Goslar, v. 18.8.1951. 237 Beispielsweise musste „alles Großgepäck“ bis zum 21. August fertig gepackt und namentlich gekennzeichnet werden, damit es pünktlich ab sieben Uhr unter Aufsicht des Hausmeisters zum Bahnhof transportiert werden konnte. Zur Beaufsichtigung der Verladung wählten die alten Menschen mehrere, für die verschiedenen Nationalitäten zuständige Vertreter aus den Reihen ihrer Mitbewohner: LkAW acc. 16/09, Nr. 106: Vertreter für d. Auf. d. Heims, Petrusch: Aushang! Liebe Heiminsassen u. Heiminsassinnen! 238 LkAW acc. 16/09, Nr. 106: Petrusch: Aushang! Liebe Heiminsassen u. Heiminsassinnen! 239 LkAW acc. 16/09, Nr. 106: Petrusch: Aushang! Liebe Heiminsassen u. Heiminsassinnen!
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3. Die Bewohner
wurden, sehr kompliziert.240 Obwohl, wie bereits erörtert, die Verlegung von Heimbewohnern häufig nicht zu vermeiden war, stieß dieses Vorgehen nicht immer auf die Zustimmung der Betroffenen. Selbst wenn mit dem Heimwechsel eine bessere Versorgung und Unterbringung erzielt werden konnte, fürchteten sich viele alte Menschen vor einem Wechsel ihrer vertrauten Umgebung.241 Insbesondere ein Umzug in eine Notunterkunft, deren Schließung in absehbarer Zeit erfolgen sollte, wurde nicht begrüßt. Dies betraf z. B. auch die im Jahr 1951 geplante Verlegung älterer DPs in ein als „Sammelpunkt für Alte“ fungierendes Altersheim, das von der „IRO“ lediglich als Übergangslösung konzipiert worden war.242 Für kranke Menschen spielte zudem der Standort des Heims eine Rolle. Im Fall des 1951 neu eingerichteten InsulaHeims bei Berchtesgaden kursierten z. B. Gerüchte darüber, dass das Klima in Südbayern sich negativ auf die Herzgesundheit auswirken könnte.243 Folglich bestand nicht nur bei herzkranken Personen wenig Interesse an einem Einzug. Nachdem jedoch mehrere Ärzte bestätigt hatten, dass „Berchtesgaden“ ein bekannter Kurort sein würde, nahm die Zahl der Heimanwärter deutlich zu.244 Wie oben bereits erwähnt, mussten zahlreiche alte Menschen mehrfach ihre Unterkunft wechseln, was dazu führen konnte, dass sie sich nie wieder richtig „zu Hause“ fühlen konnten. Nicht selten hatten sie bereits vor ihrer Ankunft in Deutschland auf ihrer Flucht weite Wege zurückgelegt und häufig auch in verschiedenen Ländern in und außerhalb Europas gelebt.245 Auch die 1917 geborene Russin Nina K., die nach dem Sturz des Zaren bereits als Kleinkind mit ihren Eltern aus Russland nach China und Korea geflohen war, fand bis an ihr Lebensende keinen Platz, wo sie wirklich erwünscht schien.246 Aufgrund einer schweren Nervenkrankheit litt Nina K. lebenslang an epileptischen Anfällen und einer „Art Schwachsinn“.247 Infolge des Zweiten Weltkriegs wurde sie, wie alle russischen Emigranten, von den Amerikanern in ein Lager auf den Philippinen interniert, 1953 jedoch zusammen mit anderen Kranken
240 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: K., Matwij und Warwara: Bew. AH Varel, d. nach Köln verlegt werden, ca. 1959, S. 5–8. 241 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: LWF Service to Refugees, U. S. Zone of Germany, Qurtaly Report, July, August, Sept. 1951, Mü., S. 9. 242 Vgl. dazu z. B. LkASt, B.: DW, Nr. 1500: LWF Service to Refugees, U. S. Zone of Germany, Qurtaly Report, July, August, Sept. 1951, Mü., S. 9 243 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: LWF Service to Refugees, U. S. Zone of Germany, Qurtaly Report, July, August, Sept. 1951, Mü., S. 9. 244 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: LWF Service to Refugees, U. S. Zone of Germany, Qurtaly Report, July, August, Sept. 1951, Mü., S. 9. 245 Beispielsweise floh die Russin Maria I. 1917 aus Moskau u. a. nach Jugoslawien. Da sie und ihr Ehemann das Tito-Regime nicht anerkannten, erfolgte die Abschiebung nach Triest. 1950 gelangten sie nach Deutschland. Während Frau I. im Darmstädter Heim um Aufnahme bot, lebten zwei ihrer Schwestern in einem Altersheim in Frankreich: LkAHN, B. 160, Nr. 29: Lebenslauf Maria I., o. D. 246 LkAHN, B. 160, Nr. 29: Anstalt Beth., Bethelk. an TF, Mü., v. 14.2.1958, S. 1. 247 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: LWF Service to Refugees, U. S. Zone of Germany, Qurtaly Report, July, August, Sept. 1951, Mü., S. 9.
3.7 Abnahme der Bewohnerzahlen
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nach Europa ausgeflogen.248 In Deutschland fand Frau K. schließlich für sieben Jahre Aufnahme in einem Heim für Epileptikerinnen der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, fühlte sich dort aber unter ihren deutschen Mitbewohnerinnen sehr einsam, zumal sie kaum deutsche Sprachkenntnisse besaß.249 Anfang der 1960er Jahre wurde sie, da sie für die „Beckhofsiedlung“ nicht geeignet schien,250 in das russische Altersheim in Darmstadt verlegt.251 Bedingt durch ihr auffälliges Verhalten, das ihre Mitbewohnerinnen als „unstatthaft und widerlich“ beschrieben, bemühten sich die Heimmitarbeiter bzw. die Heimleitung – wenn auch vergeblich – über viele Jahre hinweg um eine abermalige Verlegung der alten Frau.252 3.7 Abnahme der Bewohnerzahlen Ab Ende der 1960er Jahre nahm, wie oben bereits thematisiert, die Zahl der „heimatlosen Ausländer“ unter den Bewerbern in allen „Ausländerheimen“ stetig ab. Im „Altersheim Varel“ führte die absehbare Verringerung der Bewohnerzahl bereits Anfang der 1950er Jahre zur Überlegung, zukünftig auch deutsche Flüchtlinge aufzunehmen, um den Betrieb längerfristig weiterführen zu können.253 Indem aber durch die Schließung anderer Heime weiterhin eine ausreichend hohe Anzahl „heimatloser Ausländer“ aufgenommen werden musste,254 wurde diese Überlegung schnell verworfen. Im Jahr 1954 versorgte das Vareler Heim z. B. noch immer bis zu 800 Personen.255 Drei Jahre später lag die Bewohneranzahl – bedingt durch Tod oder Auswanderung – bei „nur“ noch etwa 700 Personen.256 Durch die schließlich 1959 erfolgte komplette Auflösung des Heims erübrigte sich die Frage nach der Aufnahme deutscher Bewohner endgültig. Anders gestaltete sich die Lage in Einrichtungen, die – wie die „Insula“ – auch in den 1960er und 1970er Jahren weiterhin vorwiegend „heimatlose Ausländer“ betreuten. Wie schon erwähnt, bestand für die „Ausländerheime“ die Auflage, zehn Prozent ihrer Plätze an deutsche Bewerber zu vergeben. Im Altersheim „Insula“, das insgesamt über 500 Plätze 248 LkAHN, B. 160, Nr. 29: Bethelk. an TF, Mü., v. 14.2.1958, S. 1. 249 LkAHN, B. 160, Nr. 29: Bethelk. an Bruderhilfe d. Ev.-orth. AG, v. 14.7.1959; HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 27.1.1960, S. 2. 250 LkAHN, B. 160, Nr. 29: Bethelk. an Bruderhilfe der Ev.-orth. AG, v. 14.7.1959. 251 LkAHN, B. 160, Nr. 29: AH Darm. an UNHCR, Bad G., v. 7.7.1961. 252 1966 scheiterte z. B. ein Versuch, Frau K. zurück nach Bethel bzw. das „Beckhof-Altersheim“ zu verlegen: LkAHN, B. 160, Nr. 29: TF, Mü. an E. Ludolph, DW, Frank., v. 26.1.1966. Vgl. weiterhin LkAHN, B. 160, Nr. 31: TF, Frank. an E. Ludolph, v. 14.1.1970. LkAHN, B. 160, Nr. 30: Brief v. Bew., elf Unterschriften an DW in HN, v. 24.10.1973. 253 LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit d. ev. AH für HA in Varel, v. 27.12.1951. 254 LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit d. ev. AH für HA in Varel, v. 27.12.1951. 255 LkAH, E 52 Nr. 367: F. Meyer an Dr. Nordhoff, v. 21.4.1954. 256 Darunter befanden sich 108 Ehepaare. 1957 plante schließlich nur noch eine einzige Bewohnerin die Auswanderung: NHStAH, ZGS 2/1, Nr. 390: „Hamburger Abendblatt“, v. 2.1.1957: „Die Alten von Varel“.
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3. Die Bewohner
verfügte, belief sich der für deutsche Bewohner vorbehaltene Anteil auf 50 Plätze. Da sich bereits drei Jahre nach der Heimeröffnung ein deutlicher Rückgang an Bewerbern ausländischer Herkunft zeigte, baten im Jahr 1954 lediglich 20 „heimatlose Ausländer“ um Aufnahme.257 Hinzu kamen etwa 80 Abgänge, die auf den Tod, die Auswanderung oder die Verlegung von Bewohnern zurückzuführen waren.258 Durch den „fehlenden DP-Nachschub“ war die Anzahl der ausländischen Bewohner des Insula-Heims Mitte der 1960er Jahre schließlich auf insgesamt nur noch 120 Personen abgesunken und die deutschen Bewohner bildeten mit 225 Personen die große Mehrheit.259 Auch in den russischen Altersheimen in Köln-Müngersdorf und Darmstadt wurden seit der Eröffnung, d. h. seit 1959, alte Menschen deutscher Herkunft aufgenommen, für die z. B. im „Altenwohnheim Darmstadt“ ursprünglich 25 Betten bereit standen.260 In Köln lag der Anteil deutscher Bewohner im Jahr 1960 mit etwa 50 Prozent ebenfalls bereits sehr hoch.261 1970 lebten im Darmstädter Heim, das über 164 Plätze verfügte,262 sogar nur noch 75 russischstämmige Bewohner.263 Aufgrund der verstärkten Aufnahme deutschstämmiger Heimanwärter befürchtete die „Tolstoy-Foundation“ seit den späten 1960er Jahren eine „Verdrängung der Russen durch selbstzahlende Deutsche aus dem Heim“.264 So wohnte z. B. eine selbst für die Heimkosten aufkommende Deutsche allein in einem Doppelzimmer, für das jedoch bereits Anträge ausländischer Bewerber vorlagen, u. a. von einem russischen Ehepaar.265 Dass der Großteil der „heimatlosen Ausländer“ nicht selbst für die Heimkosten aufkommen konnte bzw. die Heimplätze – wie oben beschrieben – von internationalen Organisationen gefördert wurden, spielte bei obiger Entscheidung der Heimleitung eine nicht unbedeutende Rolle.266 So versprachen die ausländischen Bewohner keinen finanziellen Gewinn für das Heim, wohingegen es sich bei den deutschen Bewerbern überwiegend um sog. „Selbstzahler“ handelte. Entscheidend war außerdem die Tatsache, dass der Rückgang der ausländischen Bewerber letztlich zu einer Unterbelegung der Heime geführt hätte, die jedoch zur langfristigen wirtschaftlichen Sicherung des Heimbetriebs unbedingt vermieden werden sollte. Zu gewährleisten war diese Situation aber meist nur 257 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH d. kirchl. Diak. Mü. an Ev.-Luth. LKR Mü., v. 17.12.1954. 258 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH d. kirchl. Diak. Mü. an Ev.-Luth. LKR Mü., v. 17.12.1954. 259 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Dir. Modrow, v. 3.6.1965. 260 Die Belegung erfolgte durch das Darmstädter Soz.: LkAHN, B. 160, Nr. 26: Darm. v. 4.9.1959, betr. AH d. HW. 261 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C., Dü., an Amts. Köln, v. 4.4.1964, S. 2. 262 LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN, o. D. 263 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Thomas, Leiterin d. Wohlfahrtsabt. an Altersfürsorgeamt Duisburg, v. 10.4.1970. 264 LkAN, B. 160, Nr. 29: A. Ignatiew an E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 16.11.1967. 265 LkAN, B. 160, Nr. 29: A. Ignatiew an E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 16.11.1967. 266 Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 29: Aktennotiz, v. 21.9.1960. Vgl. dazu auch LkAHN, B. 160, Nr. 29: A. Ignatiew an E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 16.11.1967.
3.7 Abnahme der Bewohnerzahlen
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durch die Aufnahme deutscher Bewerber. Auch das Altersheim „Insula“ betreute aus diesem Grund vermehrt alte Menschen aus der einheimischen Bevölkerung.267 1965 lag die Anzahl der ausländischen Bewohner bei nur noch 120 Personen, während die Anzahl der deutschen Bewohner von ursprünglich 50 auf 225 Bewohner gestiegen war.268 Obwohl finanzielle Gründe sowie der allgemeine Mangel an Heimplätzen sicherlich die primären Ausschläge für die verstärkte Aufnahme deutscher Bewohner gaben, beruhte die Mischung von Einheimischen und Ausländern aus Sicht der Heimträger weniger auf einer finanziell motivierten, als auf einer bewußt intendierten humanitären Entscheidung. So sollten im „Altenwohnheim Darmstadt“ einerseits eine Abkapselung der russischen Bewohner von ihrer deutschen Umwelt vermieden; andererseits die Deutschen an das – oft vergessene – Schicksal der ehemaligen DPs erinnert werden.269 Letztlich äußerte der Heimträger, d. h. das „Evangelische Hilfswerk“, sogar die Hoffnung, dass durch das Zusammenleben von Deutschen und ehemaligen DPs „durch Liebe und Verstehen (…) Leid gelindert und mitgetragen“ werden könnte.270 Dieser Aussage zufolge setzten sich die deutschen Heimträger durchaus ernsthaft mit dem Schicksal der „heimatlosen Ausländer“ und der deutschen Kriegsschuld auseinander. Zugleich plädierte aber z. B. auch das „Hilfwswerk“ für einen gewissen räumlichen Abstand zwischen Einheimischen und Ausländern. Demzufolge galt die in den 1960er Jahren erfolgte Aufteilung des Altersheims in einen deutschen und einen russischen Teil als beste Lösung.271 Eine Verlegung von Neuzugängen deutscher Herkunft in ein von osteuropäischen, langjährigen Bewohnern belegtes Mehrbettzimmer sollte auch im „Evangelischen Altersheim Insula“ möglichst verhindert werden. Beim Freiwerden eines Platzes mussten jedoch nur selten die Deutschen, sondern vielmehr die „heimatlosen Ausländer“ – getrennt nach Nationalität – enger „zusammenrücken“ bzw. innerhalb des Hauses umziehen.272 Diese Vorgehensweise führte dazu, dass sich die Ausländer – ähnlich wie im Darmstädter Heim – immer häufiger von den deutschen Heimbewohnern „verdrängt“ fühlten.273 Im Laufe des Untersuchungszeitraums nahm die Anzahl „heimatloser Ausländer“ zwar sukzessive ab; an den „Ausländerheimen“ bestand aber – wenn
267 Darüber hinaus gelang es 1955 durch die Einrichtung eines Kindererholungsheims auf dem Insula-Heimgelände den finanziellen Engpässen des Betriebs entgegenzutreten: LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH d. kirchl. Diak. Mü. an Ev.-Luth. LKR Mü., v. 17. 12.1954; LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Insula an Landesverb. d. IM der EK Bay., Nürn., v. 3.7.1957. 268 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Dir. Modrow, v. 3.6.1965, S. 3. 269 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Das AH für russisch-orth. Ausl. in Darm., o. D. (ca. 1961). 270 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Das AH für russisch-orth. Ausl. in Darm., o. D. (ca. 1961). 271 Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an Sozialabt. Landkr. Osnab., v. 17.1.1968. 272 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Fürsorgerin D., Insula, v. 3.6.1965, S. 1 273 Vielfach war sogar „viel Geduld und Zureden“ notwendig, die aufgebrachten alten Menschen wieder „zu beruhigen“: LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Fürsorgerin D., Insula, v. 3.6.1965, S. 1
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3. Die Bewohner
auch in einem wesentlich geringeren Umfang – weiterhin Interesse.274 So waren in den 1960er und 1970er Jahren zwangsläufig auch diejenigen „heimatlosen Ausländer“ gealtert und pflegebedürftig geworden, die in den 1950er Jahren noch keine stationäre Betreuung benötigt hatten. Bereits 1953 verwies die „Bruderhilfe der amerikanischen Katholiken“ auf die allein in der amerikanischen Besatzungszone lebenden etwa 500 katholischen „heimatlosen Ausländer“, die „irgendwann“ ebenfalls Heimbetreuung benötigen würden.275 Zehn Jahre später, d. h. 1963, hieß es auch in einem „Bericht über die Sonderbetreuung der Versorgungsfälle in Würzburg“: „Das zunehmende Alter macht sich bei manchen bemerkbar und im Herbst sind wohl einige Altersheimeinweisungen nötig“.276 Aus „Kosten und Platzgründen“ konnten den alten Menschen jedoch keine Einzelzimmer zur Verfügung gestellt werden.277 Daher war es ein „schwerer Entschluss, die Appartement-Wohnung aufzugeben“.278 Obwohl sich die „heimatlosen Ausländer“ z. T. „rührend um ihre Schicksalsgenossen“ kümmerten, ließ sich eine Heimeinweisung zumeist nicht vermeiden.279 Mitte der 1960er Jahre verzeichnete allein das Land Hessen „noch etwa 400 hilfsbedürftige“ Esten, Polen, Russen, Serben, Letten u. a., die sich seit dem Krieg bzw. seit Kriegsende in Deutschland aufhielten.280 Über diese Menschen hieß es 1966 in einem Bericht des „Altenwohnheim Darmstadt“: „Jetzt sind sie oft sehr alt, fast immer krank seit den Jahren der Lager und Entbehrungen. Viele leben heute noch in Notunterkünften“.281 3.8 Die Alterszusammensetzung der Heimbewohner Die DPs bzw. „Heimatlosen Ausländer“ waren insgesamt jünger als die einheimische deutsche Bevölkerung. Beispielsweise befanden sich laut einer in den späten 1950er Jahren durchgeführten Studie, etwa 9,3 Prozent der Deutschen und nur etwa 5,8 Prozent der „heimatlosen Ausländer“ in einem Alter von über 65 Jahren.282 In den 1950er und 1960er Jahren fielen zwar in allen in der Bundesrepublik existierenden Altersheimen das Eintrittsalter und der Alters274 Vgl. z. B. NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an Nds. Min. Ver., Hann, v. 14.3.1959, S. 1. 275 ADiCVMü., I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 11. 276 LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: Ber. über Sonderbetr. d. Versorgungsfälle in Würz., 1.1. bis 30.6.1963, v. 2.8.1963. 277 LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: Ber. über Sonderbetr. d. Versorgungsfälle in Würz., 1.1. bis 30.6.1963, v. 2.8.1963. 278 LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: Ber. über Sonderbetr. d. Versorgungsfälle in Würz., 1.1. bis 30.6.1963, v. 2.8.1963. 279 LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: Ber. über Sonderbetr. d. Versorgungsfälle in Würz., 1.1. bis 30.6.1963, v. 2.8.1963. 280 LkAHN, B. 160, Nr. 49: Jahresber. 1966, Hilfe für HA, o. D. 281 LkAHN, B. 160, Nr. 49: Jahresber. 1966, Hilfe für HA, o. D. 282 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer u. nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 35.
3.8 Die Alterszusammensetzung der Heimbewohner
93
durchschnitt der Bewohner vergleichsweise niedrig aus;283 während jedoch das Heimeintrittsalter der deutschen Bevölkerung im Durchschnitt bei etwa 70 bis 75 Jahren lag,284 wurden viele DPs und heimatlose Ausländer bereits als unter 60-Jährige in ein Altersheim eingewiesen.285 Dies lag u. a. darin begründet, dass sie sehr oft schon in dieser Alterskohorte chronische Erkrankungen und altersbedingte Abbauerscheinungen aufwiesen.286 Da die „Ausländerheime“ zudem erst nach Kriegsende eingerichtet worden waren, beherbergten sie zumindest in den ersten Nachkriegsjahren keine langjährigen, während ihres Heimaufenthalts gealterten Bewohner. Im DP-Altersheim Bodenteich besaß z. B. im Jahr 1950 die Mehrzahl der insgesamt 252 Bewohner ein Lebensalter von unter 65 Jahren, während sich die über 75-Jährigen mit nur 54 Personen deutlich in der Minderheit befanden.287 Dies war auch im „Beckhof-Altersheim“ der Fall. Das das dortige Durchschnittsalter der insgesamt 60 Bewohner betrug im Jahr 1959, d. h. ein Jahr nach der Eröffnung, sogar nur 58 Jahre.288 Lediglich sieben Personen wiesen ein Alter von über 70 Jahren, dagegen 28 ein Alter von unter 60 Jahren auf. Jünger als 50 Jahre waren 13 Personen.289 Bei letzteren handelte es sich v. a. um alleinstehende Personen mit chronischen Erkrankungen oder körperlicher Behinderungen, die sich nicht mehr selbst versorgen konnten.290 Vielfach waren es Kriegsversehrte291 und ehemalige, v. a. 283 Vgl. dazu Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945– 1975, 2016, S. 206 f. 284 Die Bewohner eines 1948 eingerichteten Flüchtlingsaltersheims z. B. besaßen beim Einzug ein Durchschnittsalter von 75 Jahren: NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 6/83, Nr. 157: Überprüf., v. 10–12.10.1948, Kr.-AH Bevensen. 285 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 36. 286 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 36. 287 Die Altersschichtung der Bewohner im DP-Altersheim „Bodenteich“ gestaltete sich im Sommer 1950 folgendermaßen: 0–19 J.: 3 Personen, 20–44 J.: 8 Pers., 45–54 J.: 10 Pers., 55–64 J.: 44 Pers., 65–69 J.: 44 Pers., 70–74 J.: 53 Pers., 75–79 J.: 39 Pers., 80–84 J.: 12 Pers., 85–99 J.: 3 Pers.: NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Frageb. v. 15.7.1950 zum DP-Lager Boden., Anl.: Altersschichtung. Ob es sich bei den jüngeren Personen (0 bis ca. 45 J.) um Bewohner oder um Personal und dessen Familienangehörige handelte kann aus dem Quellenmaterial nicht erschlossen werden. Zum Vergleich: in einem über 250 Plätze verfügenden Altersheim für deutsche Flüchtlinge waren die über 80-Jährigen mit 41 Personen vertreten: AMH, O.: Chr. Magdalenenhof 1952–1959: „Nachrichten für Hild. Stadt u. Land“, Juni 1949: „Geruhsamer Lebensabend in Derneburg“. 288 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Belegungsliste AH Beckhofs., o. D. (1959). 289 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Belegungsliste AH Beckhofs. o. D. (1959). Laut einer Studie, die ebenfalls Ende der 1959 durchgeführt wurde, besaßen sogar 31 Personen ein Alter von unter 60 Jahren. Der älteste Bewohner war 81 Jahre alt: Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 64. 290 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 672: B., Ivan: Ivan B. an Verwaltung AH, Beckhof, o. D. Eingang am 23.2.1959; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 671: Zygmunt B.: Ab. zwecks Aufn. im AH, o. D. 291 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 175: I., Djordje: Soz. Lintorf, (gez. Lagerarzt): Ärztl. Besch. zwecks Aufn. im AH, v. 22.8.1958.
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3. Die Bewohner
aus Polen stammende, Zwangsarbeiter.292 Die während des Kriegs nach Deutschland deportierten Zwangsarbeiter litten – wie noch näher zu erörtern – als Folge der zumeist sehr schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen während ihres Arbeitseinsatzes besonders häufig unter chronischen Krankheiten und waren „deutlich vorgealtert“.293 Dass in der „Beckhofsiedlung“ aber generell v. a. körperlich und seelisch beeinträchtige Menschen versorgt wurden,294 wirkte sich z. T. merklich auf das Heimeintritts- und Durchschnittsalter auf. In den ersten Jahren lebte im „Beckhof-Altersheim“ sogar ein Jugendlicher, der jedoch an einer schweren Körperbehinderung litt, nur „mit Krücken gehen“ konnte und zudem „leicht geistesschwach“ war.295 Da er „kaum Deutsch“ sprach und in den Werkstätten der „Beckhofsiedlung“ eine arbeitstherapeuthische Betreuung erhielt, plädierten seine Eltern für den Verbleib im Heim und lehnten eine Unterbringung in einer „deutschen Anstalt“ für Jugendliche ab.296 Einzelne Altersheimbewohner hatten zudem minderjährige Kinder, die aber nur selten zusammen mit ihren Eltern im Heim untergebracht wurden. Der 1904 geborene Jan C. z. B., trat bereits als 57-jähriger in das „Beckhof-Altersheim“ ein; seine 1958 in Deutschland geborene Tochter Maria war zu diesem Zeitpunkt erst drei Jahre alt und lebte in einem Kinderheim in Leverkusen.297 Das Durchschnittsalter der Bewohner des „Evangelischen Altersheim für heimatlose Ausländer Varel“ lag 1951 bei 67 Jahren.298 1958 wiesen sogar 637 von insgesamt 805 Vareler Bewohnern ein Alter von über 65 Jahren auf.299 Obwohl in diesem Heim das Mindestalter für die Heimaufnahme offiziell bei 60 Jahren lag,300 fanden aber ebenfalls jüngere, „heimpflegebedürftige“ Personen Aufnahme. Auch die Bewohner des „Adrian-Marshall-Home“ in Goslar kennzeichnete im Vergleich zum Beckhof-Heim ein relativ hohes Durchschnittsalter. 1951, d. h. kurz vor der Verlegung der insgesamt 55 Heimbewohner nach Varel, betrug deren Durchschnittsalter 69 Jahre.301 23 Personen wa292 Z. B. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Belegungsliste AH Beckhofs., o. D. (1959). 293 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 175: I., Djordje: Beth. Neurol. Beobachtungsabt., Haus Mara, v. 28.12.1962: Nervenfachärztl. Ber.; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 175: I., Djordje: Soz. Lintorf, (gez. Amst-Oberinspektorin, Lagerarzt): Ärztl. Besch. zwecks Aufn. im AH, v. 22.8.1958. 294 „Wir halten uns auch in Zukunft daran, dass das Heim nur mit Flüchtlingen der Kategorie „Difficult cases“ belegt werden darf“: HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An d. VN, HK für Flüchtlinge, v. 28.12.1959, S. 1. 295 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An d. VN, HK für Flücht., v. 28.12.1959, S. 1. 296 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An d. VN, HK für Flücht., v. 28.12.1959, S. 1. 297 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 244: C., Jan: Stadt Leverkusen, Soz. an JC, AH Beckhof, v. 8.1.1968; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 244: C., Jan: Sterbefallanzeige, Beth. an Standesamt Gadderbaum, v. 31.12.1970. 298 LkAH, Nds. 120 Lün., Acc. 31/67, Nr. 74: Für Aufn. in Varel wurden folgende HA gemeldet, v. 1951. 299 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 49. 300 LkAH, E 52, Nr. 367: IM. Hann. an Geschäftsstelle Landesverb. IM Rheinl.-Pfalz, v. 26.1.1954. 301 LkAW, acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: Liste d. zuverlegenden Heiminsassen d. AMH nach AH Varel, 1951.
3.8 Die Alterszusammensetzung der Heimbewohner
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ren über 70 Jahre und 14 Personen sogar bereits über 75 Jahre alt; selbst eine 91-Jährige lebte im Heim.302 Ein Alter von unter 60 Jahren wiesen hingegen nur fünf Personen auf.303 Anders als im Altersheim der „Beckhofsiedlung“ lässt sich in Goslar kein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Lebensalter bzw. der Heimbedürftigkeit und der Nationalität herstellen. So fanden sich auch unter den insgesamt 15 polnischen Bewohnern, 13 über 60-Jährige.304 Einem Zeitungsbericht von 1950 zufolge handelte es sich bei den Bewohnern jedoch vorwiegend um freiwillig in Deutschland verbleibende Personen, darunter viele Esten und russische Emigranten der Zwischenkriegszeit.305 Vergleichsweise hoch fiel auch das Durchschnittsalter der Bewohner der „Insula“ aus, das z. B. 1965 bei über 78 Jahren lag. Das Heim versorgte zu dieser Zeit jedoch bereits überwiegend deutsche Bewohner und auch die „heimatlosen Ausländer“ setzten sich – wie auch im Goslarer „Adrian-Marhall-Home“ – zum Großteil aus Menschen baltischer Herkunft zusammen, die häufig freiwillig und somit – anders als die bewusst in einem jungen Alter verschleppten Zwangsarbeiter – in einem vergleichsweise hohen Alter nach Deutschland gekommen waren.306 Viele Menschen verbrachten nicht nur viele Jahre, sondern sogar mehrere Jahrzehnte im Altersheim. Beispielsweise wurde der 1882 in Jugoslawien geborene Gajo C. 1958 im „Beckhof-Altersheim“ aufgenommen.307 Obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits 76 Jahre alt war, verbrachte er bis zu seinem Tod im Jahr 1977, noch insgesamt 18 Jahre im Heim. Seine ebenfalls seit 1958 im Heim lebende Mitbewohnerin Constansja B. aus Litauen verstarb erst 26 Jahre nach ihrem Einzug.308 Der 1986 verstorbene Jovan P. hatte sogar über 27 Jahre im „Beckhof-Altersheim“ gelebt.309 Da das Heim keine „schweren“ Pflegefälle versorgte, musste Jovan P. für seine letzten Lebensmonate jedoch in ein Pflegeheim der v. Bodelschwinghschen Anstalten verlegt werden.310 Dies betraf auch seine Mitbewohnerin Anna S., die nach einem 24-jährigen Aufenthalt im Beckhofheim für weitere 13 Jahre in einem Pflegeheim versorgt 302 LkAW, acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: Liste d. zuverlegenden Heiminsassen d. AMH nach AH Varel, 1951. 303 LkAW, acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: Liste d. zuverlegenden Heiminsassen d. AMH nach AH Varel, 1951. 304 Ob es sich bei den polnischen Bewohnern um zwangsweise nach Deutschland verschleppe oder aber um freiwillig geflüchtete Menschen handelte kann anhand der Quelle nicht geklärt werden: LkAW, acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: Liste d. zuverlegenden Heiminsassen d. AMH nach AH Varel, 1951. 305 StAGoslar: ZA aus: Braunschweiger Zeitung: „Internationale Ruheständler in d. Herzbergen“, v. 5.8.1950. 306 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Dir. Modrow, v. 3.6.1965, S. 5. 307 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 244: Gajo C.: Bethelk., o. D. (1977). Vgl auch: HAB, Beckhof PA 1, Nr. 8: Mykola I.: Todesanzeige, v. Okt. 1984. 308 HAB, Beckhof PA 1, Nr. Nr. 524: B., Constansija: Bethelk., o. D. 309 HAB, EA Eck., Nr. 4262: P., Jovan: Beckhofs. an Sennekanzlei u. Eck., v. 28.1.1986. 310 HAB, EA Eck., Nr. 4262: P., Jovan: Beckhofs. an Sennekanzlei u. Eck., v. 28.1.1986. Vgl. auch HAB, EA Eck., Nr. 5020: P., Nikolaus: Dr. Friese an Landschaftsverb. Westf.-Lippe, Mün., v. 5.3.1965.
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3. Die Bewohner
wurde und insgesamt 27 Jahre in Heimpflege verbrachte.311 Zu den ältesten und am längsten in stationärer Heimbetreuung lebenden Personen gehörte jedoch der 1890 geborene und zur Gruppe der buddhistischen Kalmyken gehörende Bembsch E. Herr E. wurde bereits in den ersten Nachkriegsjahren im „Altersheim Dornstadt“ aufgenommen, siedelte jedoch 1960 durch Vermittlung der „Tolstoy-Foundation“ in das Darmstädter Heim über.312 Dort lebte er bis zu seinem Tod im Jahr 1987.313 Somit erreichte er nicht nur ein hohes Alter von 97 Jahren, sondern verbrachte insgesamt fast 40 Jahre in einem Altersheim. Im Laufe der Zeit nahm zwangsläufig der Anteil der über 60-jährigen „heimatlosen Ausländer“ stetig zu. Während er z. B. in Baden-Württemberg 1953 noch bei acht Prozent lag, betrug er 1955 bereits fast elf Prozent.314 Ende der 1950er Jahre verzeichneten Baden-Württemberg und Niedersachsen mit ihren großen „Ausländerheimen“ in Dornstadt und Varel mit 10,8 Prozent bzw. acht Prozent den höchsten Anteil an über 65-jährigen „heimatlosen Ausländern“.315 In der deutschen Bevölkerung waren es durchschnittlich neun Prozent.316 Indem sich schließlich spätestens ab den 1970er Jahren immer mehr Menschen erst in einem sehr hohen Alter und v. a. in einem gebrechlichen Zustand für den Eintritt in ein Heim entschieden, verkürzten sich zudem die Intervalle zwischen dem Einzug und dem Tod und betrugen oft nur noch wenige Jahre.317 3.9 Finanzielle Situation der Heimbewohner Bis auf wenige Ausnahmen waren die alten, nicht arbeitsfähigen DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ auf öffentliche Unterstützung angewiesen, d. h. die zuständigen Fürsorge- bzw. Sozialbehörden finanzierten die Heimunterbringung.318 Da sich z. B. auch der größte Teil der Bewohner des Altersheims „St. Nikolaus“ keine Renten- und Versorgungsansprüche geltend machen konnte, gehörte es zu den Aufgaben der öffentlichen Fürsorge, „die Kosten für den Heim311 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 329: S., Anna: Todesanzeige. 312 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an d. HW d. EKHN, Frank., v. 9.7.1966. 313 Laut Aussage der Ende der 1980er Jahre im Heim tätigen Mitarbeiter, existierten zu Herrn E. im Haus keinerlei Unterlagen mehr. Bekannt war lediglich, dass er bereits vor 1975 im Heim lebte: B. 160, Nr. 49: AH Darm. an DW, Frank., v. 21.12.1987. 314 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958,S. 46. 315 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 105 316 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 46. 317 Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 276: J., Nikolay: Beckhofverw. an Pf. Kopcansky, Mün., v. 29.7.1964; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 276: J., Nikolay: Beth. an d. Pflegegeldstelle, v. 30.11.1965. 318 Eckert, G.: Hilfs- und Rehabilitierungsmaßnahmen der West-Alliierten des Zweiten Weltkrieges für Displaced Persons, 1996, S. 223.
3.9 Finanzielle Situation der Heimbewohner
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betrieb unter Anerkenntnis des geltenden Pflegesatzes sicherzustellen“.319 Die Unterbringung in einem Altersheim gestaltete sich für die Kommunen, die für die Kostenübernahme zuständig waren, kostenintensiver als der vorherige Lageraufenthalt oder die Betreuung durch die offene Fürsorge und wurde daher nicht begrüßt bzw. gerne hinausgezögert.320 Beispielsweise brachte das Land Niedersachsen im Jahr 1959 für jeden „frei“, d. h. nicht in Gemeinschaftsunterkünften lebenden „heimatlosen Ausländer“ monatlich 77 DM auf.321 Als jedoch 36 „frei“ lebende Personen aus dem Landkreis Soltau, für die bislang jährliche Kosten von etwa 33.000 DM angefallen waren, in ein Altersheim verlegt werden sollten, erwarteten die Behörden eine Kostensteigerung auf 112.000 DM pro Jahr.322 Zur Deckung der Mehrkosten von 79.000 DM sah sich der Landkreis Soltau letztlich dazu gezwungen, auf finanzielle Hilfen des Landes Niedersachsen zurückzugreifen.323 Den Vereinbarungen zufolge, die Ende der 1940er Jahre – d. h. vor der Übergabe der DP-Heime in deutsche Verwaltung – zwischen den Besatzungsmächten, der „IRO“ und den zukünftigen Heimträgern getroffen wurden, sollten die in den „Ausländerheimen“ erhobenen Pflegesätze an diejenigen der „deutschen“ Heime angepasst werden.324 Häufig besaßen die Einrichtungen für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ aber auch weiterhin deutlich höhere Pflegesätze als die vergleichbaren Altersheime für die deutsche Bevölkerung.325 So u. a. im „Evangelischen Altersheim für heimatlose Ausländer Varel“, dessen Pflegesätze über denjenigen der im Landkreis Varel vorhandenen „deutschen“ Altersheime lagen.326 Auch die „Insula“ erhob im gesamten Landkreis Berchtesgaden die höchsten Beträge, die z. B. im Jahr 1965 acht DM betrugen.327 Als Grund für die höheren Kosten führten die Heime die zusätzlichen „Schwierigkeiten in der Behandlung der nicht-deutschen“ Heimbewohner an.328 Zudem entfielen zusätzliche Ausgaben für Dolmetscherdienste, die ebenfalls in die Pflegesätze eingerechnet wurden.329 Nicht wenige Fürorge- bzw. Sozialämter sträubten sich daher gegen die Einweisung oder Verlegung der in ihrem Zuständig319 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Maurer, J.: Das Problem d. HA in Bay. u. seine Lösung, in: CD: Festschrift, S. 14. 320 Z. B. NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an Nds. Min. Ver., Hann, v. 14.3.1959; NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Präs. Nds. Veraltungsbez. Old. an d. Landkr. Soltau, v. 11.9.1959: Betr. Unterbringung von heimpflegebed. Insassen aus Lagern Oerrel u. Wolterdingen. 321 NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an Nds. Min. Ver., Hann, v. 14.3.1959, S. 1. 322 NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an Nds. Min. Ver., Hann, v. 14.3.1959, S. 1. 323 NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an Nds. Min. Ver., Hann, v. 14.3.1959, S. 2. 324 LkASt, DW, Nr. 1500: Bespr. am 30.8.1949 betr. Einrichtung v. DP-Heimen, S. 1. 325 LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit d. Ev. AH Varel, v. 27.12.1951, S. 1. 326 LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit d. Ev. AH Varel, v. 27.12.1951, S. 1. 327 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Fürsorgerin D., Insula, v. 3.6.1965, S. 3. 328 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Magistrat d. Stadt Darm. an HW d. EK, v. 8.12.1960. 329 LkAHN, B. 160, Nr. 26: An Pf. Rathgber, Ber. über Besuch d. TF im AH, v. 29.6.1966.
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3. Die Bewohner
keitsbezirk lebenden „heimatlosen Ausländer“ in ein „Ausländerheim“.330 Vielmehr hielten sie ein preisgünstigeres deutsches Heim für ebenso „ausreichend und zweckentsprechend“.331 1961 sollte z. B. die in einem „Ausländerlager“ lebende Zofia M. in ein Altersheim eingewiesen werden. Auch in diesem Fall plädierte der für die Finanzierung zuständige Landkreis für ein „deutsches Heim“, u. a. für ein Haus, das sich in Trägerschaft der „Arbeiterwohlfahrt“ befand.332 Da die oben dargestellten Sparmaßnahmen vieler Behörden z. B. auch im Zuge der Verlegung der Vareler Bewohner zu Diskussionen führten, wies der Präsident des niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg explizit darauf hin, dass der Personenkreis der auf stationäre Heimpflege angewiesenen „heimatlosen Ausländer“ zahlenmäßig mittlerweile „so gering“ geworden wäre, das lediglich „kaum ins Gewicht fallende Kosten“ für die Fürsorgeverbände bzw. die Kommunen entstehen würden.333 Während viele „deutsche“ Heime ausschließlich wohlhabenden, d. h. „selbstzahlenden“ alten Menschen Aufnahme gewährten, standen die „Ausländerheime“ prinzipiell allen Bewerbern offen, die aus dem Kreis der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ stammten. Im „Altersheim Dornstadt“ konnten nicht pflegebedürftige, noch rüstige Heimbewohner, die „in den Besitz von ausreichenden Mitteln gelangen, um sich selbst zu unterhalten“ sogar zu Gunsten von mittellosen und auf Betreuung angewiesenen Bewerbern entlassen werden.334 Mit Einverständnis der Heimleitung sowie gegen Zahlung eines Geldbetrags war ein Verbleib im Heim meist aber weiterhin möglich.335 Durch das 1953 erlassene „Fremdrentengesetz“ erhielten die in Deutschland lebenden „heimatlosen Ausländer“ die Möglichkeit, für frühere berufliche Tätigkeiten in ihrem Herkunftsland Ansprüche auf eine Rente erheben.336 Das Fremdrentengesetz bezog sich sowohl auf die deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge, als auch auf alle „heimatlosen Ausländer“ im Sinne des „Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet“ von 1951“, unabhängig davon ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatten oder noch erwerben wollten.337 Im Altersheim „Insula“ konnten z. B. im Jahr 1964 insgesamt etwa 170 Bewohner ihren Anspruch auf eine Rente 330 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8. 331 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8. 332 NHStAH: Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an AH d. AWO, Osnab., v. 1.12.1961. 333 LkAHN, B. 160, Nr. 27: Präs. Nds. Verwaltungsbez. Old., v. 10.10.1961, S. 1. 334 LkASt, L1 DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für d. Inform. zum Presse-Empfang am 19.12.1951, S. 1. 335 LkASt, L1 DW, Nr. 2485: Aus. aus Akten Dorn. für d. Inform. zum Presse-Empfang am 19.12.1951, S. 1. 336 1960 erfolgte eine Neuregelung des Gesetzes bzw. der Erlass des „Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz“: LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: Landesverb. IM, Mü. an Regierung v. Oberbay., v. 13.2.1964, Rentenantragsstellung für HA, S. 1. 337 https://www.gesetze-im-internet.de/frg/BJNR000940960.html.
3.9 Finanzielle Situation der Heimbewohner
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geltend machen.338 Da die entsprechenden Personen aber aufgrund mangelnder deutscher Sprachkenntnisse oder Krankheit zumeist nicht in der Lage waren, ihren Antrag selbst zu stellen, benötigten sie Unterstützung.339 Dass die zuständige Gemeindeverwaltung jedoch – angeblich aus Zeitmangel – jegliche Hilfe beim Ausfüllen der Formulare ablehnte, zeigt abermals das schon beschriebene Desinteresse der deutschen Behörden am Schicksal der DPs und „heimatlosen Ausländer“. Schließlich übernahm daher die Heimverwaltung der „Insula“ die sich als „sehr kompliziert“ erweisende Stellung der Anträge, wobei sie zur Klärung von Rechtsfragen einen Spezialisten des „WCC“ heranzog.340 Nach eigener Bekundung investierte die Heimverwaltung 940 Arbeitsstunden und erhebliche finanzielle Mittel für die „Prozedur“.341 Bei 120 Heimbewohnern konnte kein versicherungsrechtliches Arbeitsverhältnis nachgewiesen werden und selbst von den insgesamt 50 Anträgen, die an die zuständigen Behörden gestellt wurden, hatten nur 20 Aussicht auf Erfolg.342 Letztlich erhielten aber lediglich sechs Antragssteller einen positiven Rentenbescheid.343 Die gezahlten Renten fielen zur Deckung der vollständigen Heimkosten aber zu gering aus.344 Dass sich die Heimbewohner häufig nicht mehr an wichtige Fakten erinnerten, keine Unterlagen und Belege mehr besaßen und zudem auch keine Zeugen mehr existierten, erklärt zwar in vielen Fällen die hohe Anzahl der abgelehnten Anträge;345 häufig resultierte diese aber v. a. an der mangelnden Kooperation der deutschen Behörden. So fürchtete der deutsche Staat eine zusätzliche finanzielle Belastung durch die „heimatlosen Ausländer“ und zeigte daher nur wenig Interesse an einer Auszahlung der Renten, zumal nach dem „Fremdrentengesetz“ auch die große Anzahl an deutschen Vertiebenen und Aussiedlern besoldet werden musste.346 Da der Großteil der Heimbewohner, wie schon umfassend beschrieben, von öffentlichen Unterstützungsmaßnahmen lebte, besaßen sie nur sehr geringe finanzielle Mittel. Neue Kleidung und selbst kleinere Anschaffungen wie 338 LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: Landesverb. IM, Mü. an Regierung v. Oberbay., v. 13.2.1964, Rentenantragsstellung für HA, S. 1. 339 LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: Landesverb. IM, Mü. an Regierung v. Oberbay., v. 13.2.1964, Rentenantragsstellung für HA, S. 1. 340 LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: Landesverb. IM, Mü. an Regierung v. Oberbay., v. 13.2.1964, Rentenantragsstellung für HA S. 2. 341 LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: Landesverb. IM, Mü. an Regierung v. Oberbay., v. 13.2.1964, Rentenantragsstellung für HA, S. 3 f. 342 Abgelehnt wurden ebenfalls Personen, die im Krieg mit den Deutschen kooperiert hatten, ihren Dienst für die Wehrmacht nun aber nicht mehr nachweisen konnten LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: Landesverb. IM, Mü. an Regierung v. Oberbay., v. 13.2.1964, Rentenantragsstellung für HA, S. 2. 343 LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: Landesverb. IM, Mü. an Regierung v. Oberbay., v. 13.2.1964, Rentenantragsstellung für HA, S. 3 f. 344 LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: Landesverb. IM, Mü. an Regierung v. Oberbay., v. 13.2.1964, Rentenantragsstellung für HA, S. 3 345 LAELKB DW, Nr. 1526, Rep. Nr. 24: Landesverb. IM, Mü. an Regierung v. Oberbay., v. 13.2.1964, Rentenantragsstellung für HA, S. 2 f. 346 https://www.gesetze-im-internet.de/frg/BJNR000940960.html.
100
3. Die Bewohner
bestimmte Nahrungsmittel, stellten somit für viele alte Menschen einen kaum erschwinglichen Luxus dar.347 Teilweise erhielten finanziell mittellose Bewohner sog. „Bons“ – z. B. für neue Kleidung – die aber nur in bestimmten Geschäften einlösbar waren und demzufolge keine freie Auswahl erlaubten. In dieser Situation befand sich z. B. auch eine Bewohnerin des Darmstädter Heims, die einen von ihr gewünschten Morgenrock mit ihrem „Kleider-Bon“ nicht erwerben konnte.348 3.10 Einweisung „heimatloser Ausländer“ in „deutsche“ Altersheime Bedingt durch die insgesamt sehr geringe Anzahl an Heimen, die speziell für „heimatlose Ausländer“ errichtet wurden bzw. in den 1960er und 1970er Jahren weiterhin auf diese Bewohnerklientel ausgerichtet waren, erwiesen sich Einweisungen in „deutsche“ Altersheime häufig als unvermeidbar. Da es sich vorwiegend um konfessionelle Häuser handelte, mussten die dort untergebrachten Ausländer zwar in „völkischer (…) Diaspora leben“, konnten aber – zumindest wenn es sich um Christen handelte – in einem christlich geprägten Umfeld untergebracht werden.349 Beispielsweise fanden polnische Katholiken in katholischen Heimen350 und lettische Protestanden in evangelischen Heimen Aufnahme.351 Konfessionsunabhängige Häuser gewährten Personen jeglicher Religionszugehörigkeit Unterkunft.352 In der Versorgung „heimatloser Ausländer“ spielten sie aber im Vergleich zu den konfessionellen Einrichtungen nur eine untergeordnete Rolle. Für „heimatlose Ausländer“, die in einem Heim ausschließlich mit deutschen Mitbewohnern zusammenlebten gestaltete sich der Heimalltag oft nicht leicht. Ein Problem, dass den deutschen Heimträgern bzw. Leitungen sehr bewusst war. 1960 hieß es z. B. von Seiten des „Beckhof-Altersheim“ in Bezug auf einen 70-jährigen Letten, der bislang in einem „deutschen“ Heim gelebt hatte: „Es ist schwer für einen solchen alten Mann in einem deutschen Altersheim unter ihm völlig wesensfremden Menschen leben zu müssen“.353 Dies betraf ebenfalls eine Mitte der der 1970er Jahre in einem „völlig verwahrlostem Zustand“ aufgegriffene ehe347 Z. B. wollten die Bewohner „auch mal Sachen essen“, die sie nicht im Heim erhielten: LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an AH Darm., v. 3.3.1971. 348 LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an AH Darm., v. 3.3.1971. 349 NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Liste d. AH, die DPs aufnehmen, v. 14.10.1961. 350 So wurde z. B. der Pole Stanislaw M. in ein katholisches „deutsches“ Heim eingewisen. 1958 konnte er schließlich in das neu eröffnete „Beckhof-Altersheim“ übersiedeln: HAB, EA Eck., Nr. 4262, M., Stanislaw: Bew.-Stammblatt, v. 21.6.1993. 351 NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Landkr. Soltau an AH AWO, Osnab., v. 1.12.1961. 352 NHStAH, Nds. 120 Lün., Acc. 14/70, Nr. 57: Liste d. AH, d. DPs aufnehmen, v. 14.10.1961. 353 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Beckhof-AH an d. DRK-AH für nichtdt. Flücht. Springe am Deister, v. 28.11.1960.
3.10 Einweisung „heimatloser Ausländer“ in „deutsche“ Altersheime
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malige Zwangsarbeiterin, die Aufnahme in einem katholischen Hildesheimer Heim fand.354 Als Folge einer fortgeschrittenen Demenz hatte sie ihre deutschen Sprachkenntnisse vollständig verloren und konnte sich, zumal sie sowohl lese- als auch schreibunkundig war, weder mit dem Personal noch mit ihren Mitbewohnern verständigen. Selbst der Heimleitung war lediglich bekannt, dass es sich bei der alten Frau um eine katholische Witwe handelte.355 In diesem Fall gelang zwar die Umsetzung des von den christlichen Wohlfahrtsverbänden angestrebten Ziels einer konfessionsabhängigen Aufteilung der „heimatlosen Ausländer“ in die entsprechenden Heime; eine muttersprachliche Seelsorge und Betreuung konnte hingegen nicht ermöglicht werden.
354 AMH, Bew.: I., Maria: Amts. Hild., v. 25.2.1974; AMH, Bew.: I., Maria: Frageb. betr. Aufn. im Magd., v. 27.2.1974; AMH, Bew.: I., Maria: Magd., v. 18.2.1975: ausgefüllter Frageb. (nur Antworten); AMH, Bew.: I., Maria: Soz. Hild. an Magd., v. 18.5.1976. 355 AMH, Bew.: I., Maria: Amts. Hild., v. 25.2.1974; AMH, Bew.: I., Maria: Frageb. betr. Aufn. im Magd., v. 27.2.1974; AMH, Bew.: I., Maria: Magd., v. 18.2.1975: ausgefüllter Frageb. (nur Antworten); AMH, Bew.: I., Maria: Soz. Hild. an Magd., v. 18.5.1976.
4. Gesundheitszustand der Heimbewohner Ein großer Anteil der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ befand sich in einer schlechten körperlichen und psychischen Verfassung. Betroffen waren nicht nur alte, sondern ebenfalls jüngere Menschen. In den ersten Nachkriegsjahren mussten daher zahllose DPs aller Altersstufen von der „UNRRA“ bzw. der „IRO“ betreut werden, z. T. auch stationär. Die meisten Erkrankten litten unter Tbc; in einigen Lagern entfielen sogar zehn Prozent aller Krankheitsfälle auf Tuberkuloseerkrankungen.1 Bestand die Gefahr einer Ansteckung anderer Personen, erfolgte eine Isolierung bzw. eine stationäre Behandlung in speziellen Tbc-Heilstätten.2 Die DP-Lager verfügten zur medizinischen Behandlung der Bewohner über große Krankenstationen sowie über eigene Lagerärzte und Pflegekräfte. Diese rekrutierten sich zwar überwiegend aus den von der „IRO“ eingestellten Mitarbeitern; in vielen Lager beteiligten sich aber ebenfalls DPs an der Versorgung ihrer kranken Mitbewohner.3 Beispielsweise betätigten sich Freiwilligenverbände wie der ukrainische „Medizinisch-Caritative Dienst“ an Hilfsmaßnahmen für ukrainische DPs – darunter zahlreiche alte Menschen – in und außerhalb der Lager.4 Darüber hinaus spielten traditionelle, z. T. auch spirituelle Heilmethoden eine Rolle in den DP-Unterkünften. Nicht wenige Menschen suchten z. B. medizinischen Rat bei älteren Mitbewohnern, die als „Heiler“ bekannt waren.5 Während die Zahl der in den UNRRA- bzw. IRO-Hospitälern versorgten Personen Anfang der 1950er Jahre nach und nach abnahm, zeigte sich ein Anstieg an Betreuungsfällen, die einer langfristigen stationären Versorgung bedurften.6 Diese Entwicklung resultierte v. a. aus der zunehmenden Aufteilung der DPs in eine gesunde, arbeits- und daher auswanderungsfähige Gruppe, sowie in eine betreuungsbedürftige und somit nicht zur Auswanderung zugelassenen Gruppe. Schließlich umfasste der in Deutschland verbleibende sog. „hardcore“ – wie bereits beschrieben – überwiegend alte Menschen und Tbc-Kranke.7 Da insbesondere die „Beckhofsiedlung“ auf Betreuungsfälle ausgerichtet war, zeigten sich bei den meisten Bewohnern gesundheitliche Schäden, insbesondere chronische Erkrankungen sowie Tbc.8 Größere Ausbrüche weiterer 1 2 3 4 5 6 7 8
Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, Essen 2014, S. 142. Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 286: G., Michael, Wohnungs- u Aufenthaltsverhältnisse, o. D. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 145. Der ukrainische „Medizinisch-Caritative Dienst“ stand unter dem Patronat der ukrainisch-katholischen Kirche: Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 146. Im ukrainischen DP-Lager „Heidenau“ lebte z. B. eine alte Frau, die angeblich über besondere Kräfte verfügte: Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 148 f. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 141. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 143. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 4.
4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
103
Infektionskrankheiten traten hingegen weder in der „Beckhofsiedlung“, noch im dortigen Altersheim auf.9 Tuberkulosekranke – die allerdings nicht mehr ansteckend sein durften – benötigten vielfach schon in einem Alter von unter 60 Jahren eine stationäre Betreuung. Beispielsweise litt auch der 58-jährige Sima K. aufgrund einer Tbc-Erkrankung an „allgemeiner Körperschwäche bei vorzeitigem Altersverschleiß“ und sah daher bereits aus „wie ein 70-Jähriger“.10 Einer zeitgenössischen Untersuchung zufolge lebten Ende der 1950er Jahre im „Beckhof-Altersheim“ insgesamt 56 „heimatlose Ausländer“, von denen über die Hälfte entweder eine körperliche oder eine psychische Erkrankung aufwies.11 Fünf Personen litten unter den Folgeerscheinungen einer Tuberkulose, vier an Lähmungen und drei an einer chronischen Erkrankung. Zwölf Bewohnern wurde eine „Geisteskrankheit“ attestiert.12 Ein Mann benötigte aufgrund von Amputationen eine stationäre Betreuung. Während fünf Heimbewohner eine „frühe Altersschwäche“ zeigten, waren 26 Personen hingegen „lediglich“ „über 60 Jahre“ alt. Bis auf einen alten Mann konnten sich alle Bewohner noch weitgehend selbstständig waschen und pflegen und bedurften nur einer „gelegentlichen Unterstützung durch den Heimleiter oder die Schwester“.13
Abb. 6: Bewohner des „Beckhof-Altersheims“
9 10 11 12 13
Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 45. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 199: K., Sima: Landkr. Steinfurth, Gesundheitsabt. an d. WA Gellendorf, v. 14.8.1958; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 199: K., Sima: Dr. Kießling, Beth. an Dr. Winkler, Haus Nebo, v. 29.5.1964. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 61. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 61. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 63.
104
4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
Unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen und sog. „vorzeitiger Alterung“ litten v. a. ehemalige Zwangsarbeiter. Obwohl diese vom nationalsozialistischen Regime ursprünglich allein unter dem Wertemaßstab ihrer Arbeitsfähigkeit nach Deutschland deportiert worden waren, hatten sie vielfach schon als unter 60-Jährige ihre Arbeitsfähigkeit verloren und mussten somit frühzeitig Betreuung in Anspruch nehmen.14 Die Erkrankungen der ehemaligen Zwangsarbeiter resultierten zum Großteil aus der jahrelangen Ausnutzung ihrer Arbeitskraft und den katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen. Unter anderem hatte die chronische Mangelernährung während und nach dem Krieg bei vielen Menschen zu einer vorzeitigen körperlichen Alterung geführt.15 Die Pflegebedürftigkeit resultierte sowohl aus körperlichen als auch aus psychischen Einschränkungen und Auffälligkeiten. Im Alter von nur 46 Jahren fand z. B. 1958 auch der ehemalige Zwangsarbeiter Miecyslaw K. Aufnahme im „Beckhof-Altersheim“. Nach Kriegsende hatte er in einem französischen Bergwerk Arbeit gefunden; musste seine dortige Beschäftigung aber aus gesundheitlichen Gründen schnell aufgeben.16 Bedingt durch eine Handlähmung und einer aus Erfrierungen resultierenden Gehbehinderung führte er als Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ nur noch einfache Arbeiten in den „geschützten“ siedlungseigenen Werkstätten aus.17 Ebenfalls als 46-Jähriger trat Stanislaw M. – auch er ein ehemaliger Zwangsarbeiter – 1958 in das Altersheim ein. Dort konnte er aufgrund seiner „vorzeitigen deutlichen Alterung“ nicht mehr in ein lohnbringendes Arbeitsverhältnis gebracht werden, sondern nur noch arbeitstherapeutische, leichte Transportarbeiten in den Werkstätten übernehmen.18 Ähnlich schlecht war der Gesundheitszustand von Menschen, die sich in sowjetischer Lagerhaft befunden hatten und oft erst nach Kriegsende nach Deutschland fliehen konnten. Beispielsweise war auch der 68-jährige Alexej P. aufgrund seiner 16-jährigen Lagerhaft bereits kurz nach seinem Heimeinzug bettlägerig und „unendlich“ geschwächt.19 Eine wesentlich geringere Anzahl an kranken Bewohnern verzeichnete des große „Evangelische Altersheim für heimatlose Ausländer Varel“. Im Jahr 1958 galten von insgesamt 805 Heimbewohnern „lediglich“ 59 Personen als
14 15 16 17 18 19
Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 225. Paul, H.: Psychologische Untersuchungsergebnisse 15 Jahre nach der Verfogung, S. 207– 243; S. 237. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 176: K., Miecyslaw: Beckhofverw. an Soz. Landkr. Biel., v. 30.8.1967; HAB, EA Eck., Nr. 3426: K., Mieczyslaw: Certificat d’Hebergement, Sallaumines, v. 16.9.1948. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 176: K., Miecyslaw: Beckhofverw. an Soz. Landkr. Biel., v. 30.8.1967; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 176: K., Miecyslaw: Soz. Landkr. Biel., v. 9.11.1967. HAB, EA Eck., Nr. 4262: M., Stanislaw: Beckhofverw., Nervenfachärztl. Besch., v. 26.8.1977. LkAHN, B. 160, Nr. 49: E. Ludolph, ökum. Diak. an RP Darm., betr. Alexej P., v. 3.1.1979.
4.1 Pflegerische Betreuung
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„aus gesundheitlichen Gründen“ pflegebedürftig.20 Zudem wurde 24 alten Menschen eine Geisteskrankheit attestiert.21 4.1 Pflegerische Betreuung Die großen, von den Alliierten errichteten DP-Altersheime verfügten bereits in den späten 1940er Jahren über spezielle Pflegeabteilungen mit einer hohen Anzahl an Plätzen. Die Heime in Bad Bodenteich und Varel z. B. besaßen „grosse Krankenstationen mit vielen Chronischkranken“, die dauernder Pflege bedurften.22 In Bodenteich verfügte die Krankenstation über 40 Betten.23 Das Vareler Heim stellte neben insgesamt etwa 1046 „Normalbetten“, zusätzlich 188 Betten auf der „Siechenabteilung“ bereit.24 Außerdem befand sich im Heim eine ärztliche Ambulanz, die durchschnittlich dreimal wöchentlich von 40 Bewohnern aufgesucht wurde. Im 1951 eröffneten Altersheim in Dornstadt stand ebenfalls eine „Hospitalabteilung mit über 40 Betten zur Aufnahme akut erkrankter und besonders pflegebedürftiger Personen“ zur Verfügung.25 Die meisten Altersheime, darunter sowohl Einrichtungen für Ausländer als auch für Deutsche, boten hingegen lediglich bei vorübergehender Pflegebedürftigkeit bzw. bei leichteren Erkrankungen eine pflegerische Betreuung. Bewerber, die bereits bei der Aufnahme pflegebedürftig waren, erhielten daher eine Absage.26 Einige Einrichtungen entschieden sich aber gegen die Verlegung langjähriger Bewohner. Auch das „Altenwohnheim Darmstadt“ wurde durch die „menschliche Überlegung“ dazu geleitet, „dass alte Menschen in ihrer gewohnten Umgebung ihr Leben beenden“ konnten.27 Zum Teil war es zudem üblich, dass sich die noch „rüstigen“ Heimbewohner um ihre gebrechlichen, auf Hilfe im Alltag angewiesenen Mitbewohner kümmerten. Auch im Dornstädter Heim halfen sich die alten Menschen gegenseitig und übernahmen u. a. auch leichtere pflegerische Aufgaben.28
20 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 49 21 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 49 22 NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: DP Branch, Land Commissioners Office, Hann. to Nds. Min. Arb., Hann, o. D. (ca. Ende Juni 1950), betr. Ärztestab bei d. DPCamps nach d. 30. Juni 1950, S. 2. 23 NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: Landkr. Uelzen: Frageb. für DP-Lager: Ev. AH Bad Bodenteich, S. 4. 24 LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit d. Ev. AH Varel, v. 27.12.1951. 25 LkASt, L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951. 26 Auch im „Altenwohnheim Darmstadt“ wurden keine Pflegefälle aufgenommen: LkAHN: B. 160, Nr. 29: E. Ludolph an AH Darm., v. 11.5.1963. 27 LkAHN: B. 160, Nr. 26: AH Darm., betr. Ber. Stadtoberamtmann Stemmler, v. 20.1.1965, S. 4. 28 https://www.schwaebische.de/home_artikel,-_arid,275171.html.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
Abb. 7: Eine Schwester und ein Heimbewohner im Verbandszimmer, ca. 1953
Aufgrund der geringen Anzahl spezialisierter Pflegeheime erwies sich die Betreuung pflegebedürftiger alter Menschen in der gesamten Bundesrepublik als ein eklatantes Problem.29 Zudem litten die Pflegeabteilungen und -heime unter einer ständigen Überbelegung. Da z. B. auch das Altersheim in Dornstadt „dauernd überbelegt“ war und sich daher eine Isolierung einzelner Personen als nahezu unmöglich erwies, mussten selbst Menschen mit einer ausgeheilten Tuberkulose aufgrund der Gefahr einer erneuten Ansteckung, abgewiesen werden.30 Überdies boten viele veraltete, materiell und personell schlecht ausgestattete Heime nur wenige Möglichkeiten für eine adäquate Betreuung.31 Pflegebedürftig gewordene Altersheimbewohner mussten also in den meisten Fällen entweder in ein Krankenhaus oder ein – zumeist weit entfernt liegendes – Pflegeheim verlegt werden. Im Vorfeld der geplanten Auflösung des „Evangelischen Altersheims für heimatlose Ausländer Varel“ plante das niedersächsische „Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte“ bereits seit Ende 1955 die „Überführung“ der besonders pflegebedürftigen Bewohner in „ein Siechenheim“.32 Betroffen waren etwa 24 Personen mit körperlichen und bzw. oder psychischen Erkrankungen sowie Demenz.33 Ende der 1960er Jahre entschied sich z. B. auch das „Beckhof-Altersheim“ für 29 Siehe dazu Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945– 1975, 2016, S. 310 ff. 30 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Dr. A. Kraut an WCC, Bad Homburg zur Weiterleitung an d. UN-Hochkommissar Roerholt, v. 26.1.1955. 31 LkAH, N 124, Dep.: FB, 1955, S. 191. 32 LkAH, E 52, Nr. 367: Nds. Min. Ver., Hann. an d. Diözesan-CV Hild., DRK Hann., Landesverb. f. IM Hann, v. 16.1.1956, S. 1–2. 33 LkAH, E 52, Nr. 367: Nds. Min. Ver., Hann. an d. Diözesan-CV Hild., DRK Hann., Landesverb. f. IM Hann, v. 16.1.1956, S. 1–2.
4.1 Pflegerische Betreuung
107
die Verlegung eines Bewohners, „der in den letzten Monaten sehr hilflos und schwer pflegebedürftig“ geworden war und schließlich „in Bezug auf seine pflegerische Betreuung“ im Altersheim nicht mehr ausreichend versorgt werden konnte.34 Altersheimbewohner bei einsetzender Pflegebedürftigkeit einfach zu „verpflanzen“, bezeichneten Vertreter der Wohlfahrtspflege immer häufiger als „lieblos“ und sprachen sich daher bereits in den frühen 1950er Jahren für hauseigene Pflegeabteilungen aus.35 Viele Einrichtungen versuchten jedoch eine Verlegung pflegebedürftiger Bewohner möglichst lange zu vermeiden bzw. hinauszuzögern. So war es auch im „Altenwohnheim Darmstadt“ aufgrund der „menschlichen Überlegung“, „dass alte Menschen in ihrer gewohnten Umgebung ihr Leben beenden können“, „Praxis“ Pflegefälle nicht aus dem Heim zu verlegen.36 Nur wenn diese, laut eines ärztlichen Attests, nicht „mehr bei uns behandelt werden können“, galt eine Verlegung als beste Lösung.37 Die in den 1960er Jahren in immer mehr Heimen eingerichteten Pflegeabteilungen ermöglichten den alten Menschen hingegen von vorneherein einen lebenslangen Verbleib auf demselben Heimgelände und v. a. die Aufrechterhaltung bestehender Kontakte zu Mitbewohnern und Pflegekräften.38 Für die Bewohner der „Ausländerheime“ verband sich mit einem Heimwechsel ein weiteres Problem. So mussten sie bei einem Umzug in ein „deutsches“ Pflegeheim nicht nur ihre gewohnte Umgebung, sondern auch das bisherige Zusammenleben mit Menschen gleicher Herkunft, Sprache, Religion und Kultur aufgeben. Ab den 1960er Jahren musste u. a. das „Beckhof-Altersheim“ viele pflegebedürftig gewordene Bewohner in „deutsche“ Pflegeheime verlegen, in denen sich Menschen mit geringen deutschen Sprachkenntnissen aber oft sehr einsam fühlten.39 Ein in der Siedlung tätiger Pastor stellte Mitte der 1970er Jahre ebenfalls fest, dass es für die Ausländer besonders schwer sein würde, „den Rest ihres Lebens in einer Umgebung zuzubringen, wo sie niemand richtig verstehen kann“.40 Damit die alten Menschen weiterhin „von ihren Landsleuten unmittelbar besucht werden könnten“, votierte er Mitte der 1970er Jahre für die Einrichtung einer Pflegeabteilung auf dem Gelände der „Beckhofsiedlung“.41 Aufgrund der stetig abnehmenden Anzahl „heimatloser Ausländer“ in der Siedlung, der Verfüg34 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 244: C., Gajo: Beckhofverw. an Anst. Eck., v. 27.3.1969. 35 Depuhl, A.: Jahrhundert des Kindes oder des Alters?, 1952, S. 6. Vgl. zudem Hausen, H.: Mehr Geld für die Siechenpflege!, 1965, S. 2. Siehe auch Buchan, L.: Altenheime – Altenwohnheime, 1966, S. 63. 36 LkAHN, B. 160, Nr. 26: AH Darm., betr. Ber. Stadtoberamtmann Stemmler, v. 20.1.1965, S. 4. 37 LkAHN, B. 160, Nr. 26: AH Darm., betr. Ber. Stadtoberamtmann Stemmler, v. 20.1.1965, S. 4. 38 Depuhl, A.: Jahrhundert des Kindes oder des Alters?, 1952, S. 6. Siehe auch Buchan, L.: Altenheime – Altenwohnheime, 1966, S. 63. 39 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 176: K., Miecyslaw: Beckhofs. an Sennekanzlei Eck., v. 2.7.1986. 40 HAB, EA Eck., Nr. 5698: S., Miodrag: Dr. Stegmann, Eck. an Dr. Friese, Haus Gute Hoffnung v. 2.1.1974. 41 HAB, EA Eck., Nr. 5698: S., Miodrag: Dr. Stegmann, Eck. an Dr. Friese, Haus Gute Hoffnung v. 2.1.1974.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
barkeit der bereits vorhandenen anstaltseigenen Pflegeheime sowie des Mangels an finanziellen Möglichkeiten fand der Plan letztlich keine Umsetzung.42 In Einrichtungen, in denen nur wenige „heimatlose Ausländer“ lebten, sollten diese aber – zumindest wenn sie aus demselben Herkunftsgebiet stammten – möglichst gemeinsam in einem Zimmer untergebracht werden.43 Darüber hinaus stieß die Aussicht auf eine Verlegung in ein Pflegeheim oder Krankenhaus bei vielen alten Menschen auf starken Widerstand, da sie befürchteten, nicht wieder ins Heim zurückkehren zu können bzw. in kürzester Zeit zu sterben. Auch eine Bewohnerin des Darmstädter Heims sprach sich gegen ihre Verlegung aus, da diese „the first Bell to the cemetery“ sein würde.44 Seit etwa Mitte der 1950er Jahre entwickelte sich innerhalb der Wohlfahrtspflege eine – anfangs allerdings nur zögerliche – Diskussion zu den Themen „Pflege“ und „Pflegeheim“, die erst in den 1960er Jahren an Intensität gewann.45 Basierend auf den zeitgenössischen medizinischen Erkenntnissen sollten die neuen Pflegeheime nicht wie bislang vorrangig der „Verwahrung“ von Pflegefällen dienen, sondern vermehrt auch beschäftigungs- und physiotherapeutische Angebote zu ihren Angeboten zählen.46 Da sich der „rehabilitative Paradigmenwechsel“ aber weniger in der Praxis als vielmehr im theoretischen Fachdiskurs vollzog, verfügten in den 1960er Jahren nur wenige Heimträger über dementsprechende Angebote.47 Insgesamt wuchs der Anteil der Pflegeheime in der gesamten Bundesrepublik allein zwischen 1960 und 1969 um über 50 Prozent.48 In den 1970er Jahren herrschte bereits eine größere Nachfrage nach Pflegeheimen als nach den herkömmlichen Altersheimen.49 Zu den speziell auf Pflegefälle ausgerichteten und somit „zeitgemäß“ ausgestatteten Betheler Pflegeheimen gehörte z. B. das 1977 eröffnete „Alterskrankenheim Elim“, das schließlich auch immer mehr Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ aufnahm.50 Aufgrund der ebenfalls steigenden Anzahl hochaltriger und pflegebedürftiger „heimatloser Ausländer“ entschieden sich viele „Ausländerheime“ zur Schaffung neuer bzw. zum Ausbau vorhandener Pflegeabteilungen. 1965 wies z. B. die „Insula“ neben einer „Hospital-Station“ mit 25 Betten für akute 42 HAB, EA Eck., Nr. 5698: S., Miodrag: Dr. Stegmann, Eck. an Dr. Friese, Haus Gute Hoffnung v. 2.1.1974. 43 1978 sollte z. B. eine zuvor im Beckhof-Altersheim lebende Lettin nach einem Krankenhausaufenthalt in ein Pflegeheim ziehen und ihr Zimmer mit einer Bewohnerin teilen, die ebenfalls lettischer Herkunft war: HAB, Beckhof PA 1, Nr. 137: G., Bronislawa: Beckhofverw. an Diakon Herrlich, Eck., v. 23.3.1978. 44 LkAHN, BA 160, Nr. 29: TF, Mü. an E. Ludolph, DW, Frank., v. 26.1.1966. 45 Z. B. wurde auf den „Fürsorgetagen“ von 1955 und 1961 ein hoher Bedarf von Pflegeheimen festgestellt, deren Finanzierung aber als problematisch galt: LkAH, N 124, Dep.: FB, 1955, S. 171; StAHi, 103–50, Nr. 6342: aus „Der Städtetag“, 1961, S. 87. 46 O. N.: Die Altenheimplanung in der Altenhilfe, 1963, S. 324. 47 O. N.: Bewährungshilfe für Alters- und Pflegeheime? (I), 1965, S. 133. 48 Rückert, W.: Grundlagen der Planung von Altenhilfeunternehmen, 1974, S. 360, Tab. 18. 49 Vgl. z. B. Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945– 1975, 2016, S. 128. 50 HAB, EA Eck., Nr. 3207: Pflegegeldstelle Beth. an Landschaftsverb. Westf.-Lippe, v. 31.5.1977.
4.2 Die psychische Situation der Heimbewohner
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Krankheitsfälle, eine große Pflegestation mit 96 Betten auf.51 Beide Stationen waren stets „voll besetzt“.52 1968 erfolgte eine komplette Sanierung der, als nicht mehr zeitgemäß geltenden Pflegeabteilung.53 Im „Altenwohnheim Darmstadt“ wurde ebenfalls eine Pflegeabteilung eingerichtet.54 Beide Einrichtungen boten anfangs aber eine vorwiegend „traditionelle“ Pflege mit nur wenigen physiotherapeutisch ausgerichteten Angeboten. Auch in der „Insula“ erfolgte erst in den frühen 1970er Jahren der Einbau einer medizinischen Bäderabteilung, die v. a. auf die therapeutische Behandlung von Pflegefällen und MS-Patienten spezialisiert war.55 4.2 Die psychische Situation der Heimbewohner Der „verwaltete“ Lageralltag ersparte den DPs über eine lange Zeit hinweg eigene Entscheidungen und stellte an sie so gut wie keine Anforderungen. Diese Situation führte bei vielen Menschen zu Apathie und Gefühlen von Nutzlosigkeit. Insbesondere die alten Menschen legten häufig „die Hände in den Schoß“ und schienen nur noch auf ihr Ende zu warten.56 Dass das jahrelange Lagerleben, die erzwungene Arbeitslosigkeit und Unselbständigkeit viele DPs „demoralisiert“ und z. T. völlig „lebensuntüchtig“ gemacht habe, wurde auch von den deutschen Wohlfahrtsorganisationen problematisiert.57 Die in Deutschland verbleibenden alten und kranken Menschen galten aufgrund der „destruktiven jahrelangen Einwirkung eines aussichtslosen Lagerdaseins“ als besonders betreuungsbedürftig.58 Beispielsweise hieß es 1962 seitens des „Beckhof-Altersheims“ im Zusammenhang mit einem als „zaghaft und selbstunsicher“ beschriebenen, arbeitstherapeutisch beschäftigten Heimbewohner, der es sich nicht zutraute, „auf eigene Rechnung selbstständig zu leben“: „Sie kennen ja diese psychischen Schäden als Folge des langjährigen Lagerlebens“.59 Zahlreiche Menschen trieb diese Situation in eine Depression oder sogar in den Selbstmord. Tatsächlich lag die Selbstmordrate unter den „heimatlosen Ausländern“ zu Be51 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Dir. Modrow, v. 3.6.1965, S. 1. 52 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Dir. Modrow, v. 3.6.1965, S. 1. 53 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Ministerialrat Vocke, betr. Sanierung d. Insula, v. 12.1.1967. 54 LkAHN, B. 160, Nr. 30: AH Darm. an TF, v. 14.2.1973. 55 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Ev.-luth. LKR, Mü. an MH für kirchl. Diak., Mü.Ottobrunn, v. 7.9.1972. 56 Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration: Geschichte der Beckhofsiedlung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Beth., 2008, S. 40. 57 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 32; LkAH, L 3 III, Nr. 1502: Anl. Nr. 1 zum Rundschreiben vom 10.9.51. 58 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 30. 59 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 175: I., Djordje: Beth., Beckhofs. an Dr. Kiessling, Mara, v. 10.12.1962.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
ginn der 1950er Jahre deutlich über dem Bundesdurchschnitt.60 Darüber hinaus erschwerte die ablehnende Haltung der deutsche Mehrheitsgemeinschaft ihre Integration. Zum traurigen Schicksal des „heimatlosen Ausländers“ bemerkte ein katholischer DP-Priester: „Die Leute, die mit ihm Leben, sind nicht seine Landsleute, die Behörde mit ihren zahlreichen Papieren und Fragebogen kommen ihm wie seine Feinde vor. Seine Sprache verhindert ihn „sich mal auszusprechen“, sein komischer Name verrät ihn schon im Voraus und eine Landesgrenze ist ihm eine himmlische Mauer. Der heimatlose Ausländer ist ein Einsiedler: er ist ganz allein mit seinem Elend in einer Welt, mit der er sich nicht verständigen kann“.61 Erwähnung fand explizit auch die besonders schwierige Situation der sog. „hard-core-Fälle“, deren „Unglück“ folglich „vollkommen“ sein würde.62 Während sich den jüngeren und gesunden Menschen durchaus noch Perspektiven zum Aufbau einer eigenständigen Zukunft boten, blieben diese insbesondere den meisten alten Menschen verwehrt. Indem weder die Möglichkeit zur Auswanderung und zur Rückkehr in die Heimat, noch die Aussicht auf ein selbständiges Leben in der Bundesrepublik bestand, war der Alltag älterer Menschen oft von besonders großer Hoffnungslosigkeit und Resignation geprägt.63 Zudem fühlten sich DPs und „heimatlose Ausländer“, die über keine Angehörigen verfügten, trotz des Zusammenlebens mit anderen Personen gleicher Herkunft, sehr einsam. So konnten nur die wenigsten Menschen mit ihrer Familie zusammenleben, da sich diese entweder im Ausland bzw. in weit entfernten Unterkünften aufhielten oder aber bereits verstorben waren. Vor allem alte Menschen, die in ausschließlich mit deutschen Bewohnern belegte Altersheime eingewiesen wurden, litten erheblich unter Einsamkeit. Beispielsweise fand die katholische ehemalige Zwangsarbeiterin Maria S., die sich nicht auf Deutsch verständigen konnte, in den 1970er Jahren Unterkunft in einem Altersheim der „Caritas“. Trotz des dort vorhandenen katholischen Heimmilieus, das ihr eine gewisse Vertrautheit vermitteln sollte, verbrachte Frau S. ihre letzten Lebensjahre völlig vereinsamt und als Pflegefall in einem ihr zunehmend wieder fremd werdenden Land. Insbesondere der fehlende, v. a. auch emotionale Kontakt zu ihren Mitmenschen, trug mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu bei, dass sich ihr geistiger und körperlicher Gesundheitszustand stetig verschlechterte.64
60 Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? Eine kurze Begriffsgeschichte. Im Jahr 1951 wurden in der Bundesrepublik offiziell insgesamt 9159 Selbstmorde bzw. Selbstmordversuche gezählt: Bronisch, T.: Der Suizid, Ursachen, Warnsignale, Prävention, 2002, S. 25 ff. 61 ADiCVMü., O. N.: Vergangenheit ohne Glück, in: CD, 6. Jhg., H. 5, Mai 1953, S. 50. 62 ADiCVMü., O. N.: Vergangenheit ohne Glück, in: CD, 6. Jhg., H. 5, Mai 1953, S. 50. 63 Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? Eine kurze Begriffsgeschichte. 64 AMH, Bew.: I., Maria: Magd., v. 18.2.1975: ausgefüllter Frageb., nur Antworten.
4.3 Psychische Probleme und Erkrankungen
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4.3 Psychische Probleme und Erkrankungen Aus den oben erörterten Gründen litten sehr viele DPs und „heimatlose Ausländer“ unter psychisch bedingten Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten.65 Diese „Dauerschäden“66 führten häufig zu vorzeitigen Alterserscheinungen und einem vergleichsweise frühen Heimeinzug im Alter von unter 60 Jahren.67 Als besonders gefährdet galten ältere Menschen, deren körperliche und seelische Regenerationsfähigkeit ohnehin oft bereits verlangsamt war.68 Einer zeitgenössischen „sozialbiologischen“ Veröffentlichung zur Situation der „Heimatlosen Ausländer“ zufolge, würden die „psychischen Abnormitäten“, die als Altersabbauerscheinungen je länger je mehr eine besonders schwierige Aufgabe für die Altersheime darstellen“ würden, in Zukunft sogar noch deutlich zunehmen.69 Deutlich offenbart sich der beschleunigte Alterungsvorgang z. B. bei den im „Beckhof-Altersheim“ betreuten ehemaligen Zwangsarbeitern, die meist schon als unter 60-Jährige auf stationäre Versorgung angewiesen waren. 1958 nahm das Altersheim z. B. den bereits oben genannten, erst 46-jährigen ehemaligen Zwangsarbeiter Stanislaw M. auf.70 Da sich seine Beschwerden im Laufe der nächsten 20 Jahre weiter verschlechterten, wies er bereits im Alter von 65 Jahren schwere „seelisch-geistige Störungen bei vorzeitiger Alterung“ auf und war daher zu 90 Prozent erwerbsunfähig.71 Auch im Falle eines 59-jährigen Mitbewohners hieß es 1962 in einem neurologischen Gutachten: „Psychisch handelt es sich um einen einfachen Mann mit einer charakterlich guten Haltung. I (…) ist sehr selbstunsicher und ängstlich.72 Infolge des fast 15-jährigen Aufenthalts in verschiedenen Ausländerlagern und aufgrund seines Alters ist es ihm nicht gelungen, sich in die sozialen Verhältnisse der Bundesrepublik einzupassen oder Anschluß auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu gewinnen (…). Zu seiner anlagebedingten Selbstunsicherheit und den Milieuschäden durch den langen Lageraufenthalt kommen auch schon vorzeitige Hirnabbauerscheinungen durch eine cerebrale Gefäßsklerose“.73 Indem Herr I. „deutlich vorgealtert“ und infolge „seiner Entwurzelung als heimatloser Ausländer (…) nicht mehr in der Lage“ war, „auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sein Leben selbst zu unterhalten 65 Paul, H.: Internationale Erfahrungen mit psychischen Spätschäden, 1963, S. 44 66 Pfister-Ammende, M.: Psychologie und Psychiatrie der Gegenwart, 1961, S. 689. 67 Vgl. u. a. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014. S. 143. 68 Pfister-Ammende, M.: Psychologie und Psychiatrie der Gegenwart, 1961, S. 689. 69 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 46. 70 HAB, EA Eck., Nr. 4262: M., Stanislaw: Versorgungsamt Biel. an S. M., Beckhof 11, v. 10.12.1977; HAB, EA Eck., Nr. 4262: M., Stanislaw: Amts. Biel. an Anstalt Eck., v. 22.11.1991. 71 HAB, EA Eck., Nr. 4262: M., Stanislaw: Versorgungsamt Biel. an S. M., Beckhof 11, v. 10.12.1977. 72 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 175: I., Djordje: Beth., Neurol. Beobachtungsabt., Mara, v. 28.12.1962: Nervenfachärztl. Ber., S. 1. 73 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 175: I., Djordje: Beth., Neurol. Beobachtungsabt., Mara, v. 28.12.62: Nervenfachärztl. Ber., S. 2.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
oder selbstständig zu leben“, wurde ihm die „Heimpflegebedürftigkeit“ attestiert.74 Auffallend viele Bewohner der „Ausländerheime“ zeigten ein sehr misstrauisches Verhalten und fühlten sich von Mitbewohnern oder Mitarbeitern hintergangen und bestohlen. Obwohl dieses Verhalten auch bei viele deutschen Heimbewohnern zu beobachten war,75 litten ausländische Flüchtlinge und Verfolgte weitaus häufiger unter Verfolgungsängsten. Im „Beckhof-Altersheim“ lebte z. B. eine 60-jährige, stark schwerhörige Lettin, die als sehr misstrauisch beschrieben wurde und zudem große Angst hatte, an Krebs erkrankt zu sein.76 Bedingt durch ihre Schwerhörigkeit und ihre nicht vorhandenen Deutschkenntnisse neigte sie zur „Abkapselung“ und besaß kaum Kontakt zu anderen Menschen.77 Aus psychologischer Sicht können ihre Furcht vor Krebs und die damit verbundenen körperlichen Beschwerden jedoch als somatisierte, durch ihre Einsamkeit hervorgerufene Depression interpretiert werden. Ein weiterer Heimbewohner verzichtete aus Angst vergiftet zu werden, sogar auf die Mahlzeiten im Heim und verpflegte sich selbst.78 Als im Altersheim „Insula“ 1953 tatsächlich „unter den lettischen Bewohnern wiederholt nach den Mahlzeiten Vergiftungserscheinungen auftraten“, befürchteten die Betroffenen, dass sich unter ihren Mitbewohnern „russische Agenten befinden, die durch Vergiftung der Speisen Unruhe stiften möchten“.79 Da ein Teil der Bewohner primär aus Angst vor Verfolgung in der Sowjetunion in Deutschland verblieben war, hatten diese Ängste durchaus verständliche Gründe. Litten die alten Menschen zudem unter psychischen Problemen und Traumata, entwickelten sie, wie mehrfach thematisiert, in zahlreichen Fällen, ein extrem auffälliges und misstrauisches Sozialverhalten. Beispielsweise handelte es sich auch bei einem weiteren, 63-jährigen Bewohner nach Aussage des zuständigen Neurologen ebenfalls „um einen sensitiven Sonderling mit schizoiden Zügen“, der wenig Kontakt zu seiner Umgebung hatte, sich „überall zurück“ zog und jegliche „Kontaktsuche anderer infolge von Hemmungen mit Misstrauen“ ablehnte.80 Im Falle eines 88-jährigen Bewohners des „Altenwohnheim Darmstadt“ verstärkte sich sein Misstrauen durch seine starke Schwerhörigkeit, die ihm kaum noch eine Kommunikation mit seiner Umgebung erlaubte.81 Auch 74 75 76 77 78 79 80 81
HAB, Beckhof PA 1, Nr. 175: I., Djordje: Beth., Neurol. Beobachtungsabt., Mara, v. 28.12.62: Nervenfachärztl. Ber. S. 2. 1961 führte z. B. „das unüberwindliche Misstrauen“ einer Bewohnerin dazu, dass sie eine Krankenschwester als „Giftmischerin“ bezeichnete: AHenH, Kirchrode: Neu-Bethlehem: Pf. Weber an W. Hageneier, v. 12.6.1961, S. 1 f. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 292: K., Anna: Beth., Nervenfachärztl. Ber., v. 7.7.1959. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 292: K-, Anna: Beth., Nervenfachärztl. Ber., v. 7.7.1959. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofverw. an E. Thomas, TF Mü., v. 17.1.1967. Letztlich brachte jedoch selbst die mehrmalige Untersuchung des Essens durch unabhängige Labore keine Ergebnisse und somit keine Erklärung für die Durchfallerkrankungen der Bewohner: LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Ev. LKR Mü., v. 20.1.1953. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 374: F., Eduard: Mara, Beth., Nervenfachärztl. Ber., v. 7.7.1959. LkAHN, B. 160, Nr. 49: E. Ludolph, ökum. Diak. an Reg. Präs. Darm., betr. Stefan G., v. 3.1.1979.
4.3 Psychische Probleme und Erkrankungen
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bei diesem Heimbewohner war es aber v. a. die „Entwurzelung aus seiner Heimat“, die dazu geführt hatte, dass es ist ihm nicht gelungen war, „sich den veränderten Verhältnissen so weit anzupassen, dass er allein im praktischen Leben zurecht“ kommen konnte.82 Dass auffallend viele DPs und „heimatlose Ausländer“ ein misstrauisches Verhalten zeigten, wurde auch von den deutschen Wohlfahrtsverbänden erörtert. Beispielsweise hieß es in einer evangelischen Publikation: „Leicht entsteht im Ausländer ein Misstrauen, das bis zur Unterstellung einer bösen Absicht reicht“.83 Tatsächlich hatten die „Deutschen“ aus Sicht vieler DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ „noch immer etwas von dem gefährlichen Nachbarn“, dem kaum Vertrauen geschenkt werden könnte.84 Insbesondere gegenüber den sog. „Volksdeutschen“, die bis Kriegsende z. T. auch im „Vaterland“ der polnischen DPs gelebt hatten, bestanden Ressentiments.85 Folglich sollten bevorzugt Westdeutsche als Mittler zwischen der deutschen Bevölkerung und den DPs eingesetzt werden.86 Wie bereits erörtert, erschwerte jedoch v. a. die ablehnende Haltung vieler Deutscher die Kontaktaufnahme. Beispielsweise wurden die ehemaligen Zwangsarbeiter bitter enttäuscht, die sich nach Kriegsende nicht nur eine finanzielle Widergutmachung, sondern ebenfalls einen besseren sozialen Status erhofft hatten. Letztlich konnte das ihnen gegenüber gezeigte Desinteresse zu Enttäuschung, Frustration und einem „Hass gegen die jetzige Welt“ führen, die sich bei einigen Menschen in einem aggressiven und unangepassten Verhalten äußerten.87 So weigerte sich z. B. der unter „schweren Verhaltensstörungen“ und „psychischen Veränderungen“ leidende“ Russe Michael G., obwohl er bereits seit 30 Jahren in Deutschland lebte, vehement dagegen, die deutsche Sprache zu lernen bzw. zu sprechen.88 Bis weit in die 1960er Jahre hinein fanden die Auswirkungen von Krieg, Verfolgung und Flucht in der deutschsprachigen medizinischen Fachliteratur nur wenig Beachtung. Vielmehr galt der in der Psychiatrie vorherrschenden Lehrmeinung zufolge, zumindest das gesunde Gehirn als enorm belastbar. Ebenfalls zeigten Untersuchungen aus den frühen 1950er Jahren, dass kurzandauernde Stresssituationen und Angstzustände fast immer schnell verarbeitet und keine Dauerschäden hinterlassen würden.89 Selbst eine aus langen Hungerphasen resultierende sog. „Hirndystrophie“, die zu psychischen Veränderungen führen konnte, würde sich bei einer verbesserten Ernährungssituation wieder vollständig zurückbilden.90 Länger andauernde psychische Auffälligkeiten galten demnach nicht als Folge traumatischer bzw. kriegsbedingter Er82 83 84 85 86 87
HAB, Beckhof PA 1, Nr. 374: F., Eduard: Mara, Beth., Nervenfachärztl. Ber., v. 7.7.1959. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 240. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 240. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 240. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 240. ADiCVMü., O. N.: Vergangenheit ohne Glück, in: CD, 6. Jhg., H. 5, Mai 1953, S. 50. Vgl. zudem Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 266 f. 88 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 286: G., Michael: Heilstätte St. Annaheim, Salzkotten/Bosenholz an Landschaftsverb. Westf-Lippe, v. 12.11.1974. 89 Paul, H.: Internationale Erfahrungen mit psychischen Spätschäden, 1963, S. 45 f. 90 Goltermann, S.: Die Gesellschaft der Überlebenden, 2009, S. 432.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
eignisse, sondern als „anlagebedingt“.91 Untersuchungen aus den frühen 1960er Jahren, die sich vorwiegend den Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager widmeten, zeigten jedoch, dass es bei chronischen Angstzuständen durchaus zu schweren psychischen Störungen kommen konnte.92 Auch eine von den Alliierten in Auftrag gegebene Untersuchung zur psychischen Situation der DPs stellte bei Personen, die unter der deutschen Gewaltherrschaft gelitten hatten, eine erhöhte psychische und physische Schädigung fest.93 Erhoben die Betroffenen jedoch Ansprüche auf Entschädigungsmaßnahmen, erwies sich der Nachweis von Spätschäden insbesondere im Falle psychischer oder psychosomatischer Erkrankungen aufgrund der zumeist komplizierten Beweislage vielfach als nahezu unmöglich.94 Ein im „Beckhof-Altersheim“ lebender ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter, der während seines Arbeitseinsatzes „Mißhandlungen“ ausgesetzt war, stellte 1962 einen Antrag auf „Hilfeleistungen aus den UNHCR-Entschädigungsfonds“.95 Da Herr M. letztlich jedoch nicht nachweisen konnte, dass sein schlechter physischer und psychischer Gesundheitszustand „im Zusammenhang mit einer Verfolgung steht, die er als Zwangsarbeiter erlitten hatte“ und in einer mindestens 25-prozentigen Arbeitsunfähigkeit resultieren würde, bestand wenig Aussicht auf Erfolg.96 Anstatt einer individuellen psychologischen Behandlungsmethoden wurden von vielen Psychologen „kollektive Maßnahmen“ zur allgemeinen Stärkung menschlicher Beziehungen empfohlen.97 Psychische Traumata blieben daher unverarbeitet.98 In einer besonders schwierigen emotionalen Lage befanden sich – so das Ergebnis eines 1960 verfassten Berichtes des „psycho-hygienischen Beraters“ des UNHCR – die nicht mehr auswanderungsfähigen „heimatlosen Ausländer“, darunter zahlreiche über 60-Jährige. Insgesamt galten aber nur etwa zehn Prozent aller Lager- und Heimbewohner als „psychisch gestört“.99 Die unzureichende Betreuung psychisch traumatisierter Menschen beruhte also nicht nur auf dem überall anzutreffenden Mangel an Personal, sondern v. a. an der fehlenden Ausbildung der in den Heimen tätigen Mitarbeiter. So fanden die in vielen europäischen Staaten und den USA bereits 91 92 93 94 95 96 97 98 99
Goltermann, S.: Die Gesellschaft der Überlebenden, 2009, S. 430 f. Paul, H.: Internationale Erfahrungen mit psychischen Spätschäden, 1963, S. 46. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 340. Zudem handelte es sich bei den meisten Gutachtern um Deutsche, die für die Opfer des Nationalsozialismus oft wenig Verständnis aufbrachten: Stepienv, S.: Der alteingesesse Fremde, 1989, S. 213; S. 216. HAB, EA Eck., Nr. 4262: M., Stanislaw: VN, HK für Flücht., Bad G., an Verw. AH Beckhofs., v. 10.10.1962; HAB, EA Eck., Nr. 4262: M., Stanislaw: Beckhof-AH an d. VN, Der HK für Flücht., Bad G., v. 28.11.1962. HAB, EA Eck., Nr. 4262: M., Stanislaw: UNHCR, Bad G., an Verw. AH Beckhofs., v. 10.10.1962; HAB, EA Eck., Nr. 4262: M., Stanislaw: Beckhof-AH an d. UNHCR., Bad G., v. 28.11.1962. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 343. Pfister-Ammende, M.: Psychologie und Psychiatrie der Gegenwart, 1961, S. 689. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Ber. d. psycho-hygienischen Beraters d. UNHCR über d. Situation in Dt. (S. 1–7), o. D. (ca. 1960), S. 2.
4.3 Psychische Probleme und Erkrankungen
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weiter verbreiteten „Prinzipien der Psychiatrischen Fürsorge“ im deutschen Fürsorgewesen kaum Berücksichtigung.100 Folglich standen in den Altersheimen nahezu keine psychiatrisch geschulten Ärzte, Fürsorgerinnen und Pflegerinnen zur Verfügung.101 In der Regel erhielten nur schwer erkrankte bzw. psychisch auffällige Menschen eine ärztliche bzw. psychiatrische Behandlung.102 Da diese aber nicht im Heim durchgeführt werden konnte, mussten die als nicht mehr „heimfähig“ eingestuften Bewohner auf ärztliche Veranlassung, d. h. durch ein neurologisches Gutachten, in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen werden.103 Nachdem z. B. der für die „Beckhofsiedlung“ zuständige Neurologe einem 70-jährigen Altersheimbewohner im Oktober 1960 die Notwendigkeit der „anstaltsmäßigen Unterbringung“ bescheinigt hatte, wurde schnellstmöglich eine stationäre psychiatrische Behandlung eingeleitet.104 Die Verlegung erforderte immer das Einverständnis der Betroffenen; nur im Falle einer Entmündigung entschieden allein die Angehörigen, die Ärzte sowie das Heimpersonal über die Notwendigkeit einer stationären psychiatrischen Behandlung.105 1963 musste z. B. auch ein 80-Jähriger, der sich selbst nach einem Schlaganfall weiterhin gegen einen Heimeinzug wehrte, vom Fürsorgeamt entmündigt werden.106 Auf Grundlage des sog. „Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG)“ war eine abgeschlossene Unterbringung auch gesetzlich geregelt.107 Da jedoch, wie oben dargestellt, die Diagnose und Behandlung psychischer Traumata auch unter den deutschen psychiatrisch ausgebildeten Medizinern noch kaum bekannt war, erhielt ein großer Teil der Betroffenen selbst in den psychiatrischen Krankenhäusern keine angemessene Versorgung.108 Vielmehr bestand die Therapie vorwiegend aus der Gabe von Schlaf- und Beruhi-
100 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Ber. d. psycho-hygienischen Beraters d. UNHCR über d. Situation in Dt. (S. 1–7), o. D. (ca. 1960), S. 3. 101 Nach Aussage eines UNO-Vertreters gestaltete sich selbst die Einstellung von sozialpsychiatrisch ausgebildeten Ärzten oft leichter: HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Ber. d. psycho-hygienischen Beraters d. UNHCR über d. Situation in Dt. (S. 1–7), o. D. (ca. 1960), S. 3. 102 Vgl. dazu u. a. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 141. 103 Vgl. zur Einweisungspraxis Coché, S.: Psychiatrie und Gesellschaft, 2017. 104 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: AH Beckhof an Ordnungsamt Brackwede, v. 17.10.1960. 105 Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 671: B., Zygmunt: Beckhofverw. an Landkr. Biel., o. D. (ca. 1961); LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an Mrs. E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 20.3.1968. Siehe zudem Irmak, K.: Der Sieche, 2002, S. 215. 106 LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: Ber. über Betr. d. Versorgungsfälle in Würz., Tätigkeitsber. v. 2.12.1963, S. 1. 107 1971 wurde z. B. nach dem „PsychKG“ die Einstweilige Unterbringung eines stark verwirrten Heimbewohners, der sich und andere gefährdete, nach Antrag der örtlichen Ordnungsbehörde und dem Zeugnis eines Nervenfacharztes erwirkt: HAB, Beckhof PA 1, Nr. 501: P., Martin: Amts. Biel. an Diakon A. Herrmann, Beschluß, v. 29.7.1971, S. 1. 108 Vgl. dazu Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 340.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
gungsmitteln.109 Ab Ende der 1960er Jahre erfolgte der Einsatz von Psychopharmaka der sog. „neuen Generation“, die eine bessere Wirksam- und Verträglichkeit versprachen und z. B. eine effektivere Behandlung unruhiger oder depressiver Personen ermöglichten.110 Obwohl auf diese Weise zwar häufig eine Verlegung in die Psychiatrie vermieden werden konnte, erhielten die betroffenen alten Menschen weiterhin keine persönliche Betreuung, sondern – zur Entlastung des Personals – weiterhin lediglich eine medikamentöse Sedierung.111 Nicht selten „schoben“ auch die psychiatrischen Kliniken ältere Patienten, die als nicht mehr therapierbar galten, in ein Altersheim ab. 1951 bat z. B. die „Niedersächsische Landesheil- und Pflegeanstalt Wunstorf“ das Altersheim in Bodenteich um Aufnahme eines „heimatlosen Ausländers“, der an einer „Psychopathie von Krankheitswert“ litt, „z. Z. jedoch nicht als gemeingefährlich anzusehen“ wäre.112 Für Patienten mit nur geringen deutschen Sprachkenntnissen ergaben sich in der Behandlung psychischer Erkrankungen besondere Schwierigkeiten, da die Kommunikation zwischen Arzt und Patient eine tragende Rolle in der Therapie spielte und den Therapieverlauf maßgeblich beeinflusste. Es erwies sich daher als Vorteil, wenn einzelne Ärzte, Therapeuten und Pflegekräfte die Muttersprache der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ beherrschten.113 4.4 Alkoholprobleme In vielen Altersheimen kam es, wie schon erwähnt, zu massiven Problemen durch alkoholisierte Heimbewohner. Betroffen waren sowohl Einrichtungen für Deutsche als auch für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“.114 Das Verhalten alkoholisierter Bewohner führte, wie bereits kurz erwähnt, u. a. im Altersheim der Betheler „Beckhofsiedlung“ zu zahlreichen Konflikten.115 So klagten die Mitarbeiter wiederholt über Personen, die sich „jeder Ordnung und Sauberkeit widersetzen, die Ruhe und Ordnung stören und in ihrer Trunkenheit Zimmer und Toi-
109 In zeitgenössischen Studien ließ sich eine erhöhte Sterblichkeit bei „senil Dementen“ nachweisen, die als Folge einer längerfristigen Sedierung und Fixierung eine Herzschwäche entwickelt hatten: Weiß, E.: Die reine senile Demenz, 1968, S. 45. Bei sog. Alterspsychosen wurden oft weiterhin Elektroschockbehandlungen angewendet. Aufgrund starker Nebenwirkungen geriet die Methode aber zunehmend in die Kritik: Irmak, K.: Der Sieche, 2002, S. 254 f. 110 Z. B. O. N.: Station 7 geht spazieren, 1964, S. 11. 111 Z. B. O. N.: Station 7 geht spazieren, 1964, S. 11. 112 LkAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: Nds. MI, Hann. an RP Lün., v. 13.1.1951. 113 Dies war u. a. im Landeskrankenhaus in Bad Schussenried der Fall: LkAHN, B. 160, Nr. 31: TF, Frank. an E. Ludolph, Frank., v. 14.1.1970. 114 Z. B. StAH, Akz. 24/2000, Nr. 23: Sitz. Vorst. HlG, v. 27.3.1953, S. 3 f.; AMH, Bew.: K., Werner: Magd. an Soz. Hild., v. 11.2.1971. 115 Bereits im Lager Augustdorf sowie in der Beckhofsiedlung erwies sich der Alkoholkonsum von Bewohnern als Problem: Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration, 2008, S. 40.
4.4 Alkoholprobleme
117
letten verunreinigen“.116 Auffallend viele Bewohner investierten sowohl ihr Taschengeld als auch ihren in den hauseigenen Werkstätten verdienten Lohn in alkoholische Getränke.117 Ein bereits im Lager „Lintorf“ als „Trinker“ bekannt gewesener Bewohner, der durch seine Arbeit in den Werkstätten nicht nur „lediglich“ sein Taschengeld, sondern ebenfalls seinen Lohn in Alkohol investieren konnte, war häufig für längere Zeit völlig betrunken.118 In diesem Zustand benahm er sich „sehr unangenehm, widersetzlich, rabiat und aufdringlich“, warf z. B. sein Essen auf den Fußboden, bedrohte seine Tischgenossen mit einem Messer, beschädigte Möbel und belästigte Besucher.119 Aufgrund seines Verhaltens war er bereits von der Polizei festgenommen und vorbestraft worden.120 Vereinzelt kam es zudem zu Beschwerden über alkoholisierte männliche Bewohner, die ihre Mitbewohner oder Mitarbeiterinnen sexuell belästigten.121 Aufgrund der scheinbar immer massiver werdenden Probleme mit einzelnen Männern, die regelmäßig große Mengen Alkohol konsumierten und sich daraufhin unangemessen verhielten, äußerte der Hausvater des „BeckhofAltersheims“ 1960 schließlich mit großer Besorgnis „Es ist daher im Haus Unruhe darüber entstanden, dass nur noch Abartige und Trinker zu uns kommen“.122 Dabei bestand bei ihm primär die Befürchtung, dass durch den schlechten Ruf der Bewohner „nun auch noch Leute, die man in Bethel nicht haben will, zu uns geschickt werden“ würden.123 Der Heimleiter fügte außerdem hinzu, dass „ordentliche und intelligente Leute (…) sich mehr zurück“ hielten, die Zahl derer, die sich in „auffälliger und primitiver Weise in den Vordergrund drängen“ würden, jedoch immer größer geworden wäre.124 „Alkoholismus“ wurde hier also in einem unmittelbaren Zusammenhang mit „Asozialität“ gestellt. Laut der Berichte von Heimleitungen, Ärzten und Wohlfahrtsämtern zeigten v. a. Männer aus
116 HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: AH Beckhof, v. 20.5.1960 an Gebauer, S. 2. 117 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Beckhofs. an DRK-AH für nichtdt. Flücht. Springe am Deister, v. 28.11.1960. 118 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 671: B., Zygmunt: AH Beckhof an Fürsorgestelle Beth., v. 3.12.1959. 119 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 671: B., Zygmunt: AH Beckhof an Fürsorgestelle Beth., v. 3.12.1959. 120 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 671: B., Zygmunt: AH Beckhof an Fürsorgestelle Beth., v. 3.12.1959. 121 HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: AH Beckhof, v. 20.5.1960 an Gebauer, S. 1. Vgl. auch LkAH, H 14, Nr. 26a: Voges an LKR Hann., v. 19.11.1956, S. 2. Zu einem Heim mit deutschen Bewohnern, z. B. StAGö, B62, Nr. 288: Wohlfahrtheim an Soz. Gö., v. 15.9.1952; StAGö, B62, Nr. 288: Heimleiter an Soz. Gö., v. 5.8.1957. 122 HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: AH Beckhof, v. 20.5.1960, Hausvater an Gebauer, S. 1. 123 HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: AH Beckhof, v. 20.5.1960 an Gebauer, S. 1. 124 HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: AH Beckhof, v. 20.5.1960 an Gebauer, S. 1.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
den sozialen Unterschichten125 einen deutlich erhöhten Alkoholkonsum.126 Eine soziologische, in den 1950er Jahren in einem großen kommunalen Altersheim in der Schweiz durchgeführte Studie stellte ebenfalls einen direkten Zusammenhang zwischen männlichem Geschlecht, „Asozialität“ und Alkoholismus her.127 Bestätigt wurde dieser Zusammenhang auch von den Mitarbeitern des „Beckhof-Altersheims“. Da es sich bei dessen Bewohnern zum Großteil – anders als in den meisten anderen Altersheimen – um Männer handelte, nahmen die Probleme mit alkoholabhängigen Bewohnern in diesem Altersheim folglich ein besonders großes Ausmaß an. Als besonders gefährdet galten die ohnehin als „trinkfreudig“ bezeichneten Osteuropäer.128 1959 hob daher die Leitung des „Beckhof-Altersheims“ in einem Bericht an die Vereinten Nationen explizit hervor, dass es bei der diesjährigen Weihnachtsfeier keine „alkoholischen Entgleisungen“ gegeben hätte, wie sie „ja oft bei heimatlosen Ausländern üblich“ wäre.129 Dass tatsächlich viele DPs und „heimatlose Ausländer“ nicht nur bei Feierlichkeiten erhebliche Alkoholmengen konsumierten, sondern bereits unter einer behandlungsbedürftigen Alkoholabhängigkeit litten, hing jedoch weniger mit ihrer Nationalität als mit ihrem schweren Schicksal zusammen.130 So versuchten zahlreiche Menschen mit Hilfe von Alkohol ihre aussichtslos erscheinende Situation, zumindest für eine kurze Zeit, zu vergessen.131 Auch mehrere im „Beckhof-Altersheim“ lebende Männer, die einen sehr hohen Alkoholkonsum aufwiesen, hatten zuvor jahrelang „untätig in Lagern gelebt“ und „Trost im Alkohol“ gesucht.132 Zu diesen Menschen gehörte z. B. ein 71-Jähriger, der von der Heimleitung als ein im Grunde „gutmütiger, hilfsbereiter Mann“ beschrieben wurde, der „nur infolge des langen Lagerlebens alkoholgefährdet geworden“ wäre.133 Dass vielfach ein direkter Zusammenhang zwischen einem langjährigen Lageraufenthalt und dem Auftreten verschiedener Verhal125 So wurde das Taschengeld, trotz eines Verbots in der Heimordnung, oft in Alkohol investiert: StAGö, B62, Nr. 288: Soz. Gö., v. 1.12.1966. Vgl. auch StAGö, B62, B62, Nr. 288: „Hannoversche Volksstimme“ v. 1.10.1946: „Ist das Altersversorgung?“. 126 Z. B. wurde ein Heimbewohner aufgrund seiner jahrelangen Alkoholsucht in eine andere Einrichtung verlegt: AHM, Bew.: A., Egon: Magd., v. 30.11.1976; AMH, Bew.: K., Werner: Magd. an Soz. Hild., v. 11.2.1971. 127 Z. B. Vettinger, G.: Soziologische Untersuchung des Altersheims, 1951, S. 30. 128 Auch die Kalmyken waren, wie schon erwähnt, vielen Diskriminierungen ausgesetzt. Folglich wurden z. B. die im Dornstädter Heim lebenden Kalmyken von der „Tolstoy Foundation“ pauschal als Alkohliker bezeichnet: B. 160, Nr. 28: E. Thomas, TF an AH Darm., v. 13.7.1960. 129 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: AH Beckhof an A. G. Shanley, Nations Unies, Office du Haut-Commissaire pour le Refugies, Genf, v. 2.1.1959. Vgl. dazu auch Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 340. 130 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Beckhofs. an DRK-AH für nichtdt. Flücht. Springe am Deister, v. 28.11.1960. Vgl. auch Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 340. 131 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 340. 132 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 371: Z., Dragic: An Ges. Landkr. Biel., v. 25.11.1958. 133 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Beckhofs. an DRK-AH für nichtdt. Flücht. Springe am Deister, v. 28.11.1960.
4.4 Alkoholprobleme
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tensstörungen, insbesondere Alkoholismus, existierte, erkannten nicht nur – wie im Falle der obigen Beispiele – die Ärzte und Heimmitarbeiter, sondern ebenfalls die zeitgenössische psychologische Forschung.134 Aufgrund der nicht enden wollenden Konflikte zu Lasten der Heimatmosphäre, bat die Leitung des „Beckhof-Altersheims“ u. a. um die Unterstützung des Gesundheitsamts, insbesondere in den Fällen, „wenn wir uns gezwungen sehen, Alkoholentzugskuren vorzunehmen“.135 Um das Problem der „Gewohnheitstrinker“ im Altersheim endgültig einzudämmen, entschloss sich die Betheler Anstaltsleitung 1961 letztlich zur Schließung des siedlungseigenen Lebensmittelgeschäfts, das die Heimbewohner bislang mit „billigen Wermuthwein“ versorgt hatte.136 Da jedoch auch dieser Versuch nur wenig Abhilfe brachte, nahmen die Konflikte mit alkoholabhängigen Heimbewohnern weiterhin nicht ab. Letztlich mussten einzelne Betroffene sogar aus dem Heim entlassen oder für längere Zeit in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt werden. Beispielsweise bescheinigte das für die „Aufnahme in eine Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke“ benötigte nervenfachärztliche Gutachten einem Heimbewohner chronischen Alkoholismus, der schließlich zu „Trinkerwahn“, Prädelir137 und arteriosklerotischer Demenz geführt hätte.138 Trotz des „günstigen Milieus“ der „Beckhofsiedlung“ hatte Herr D., der – wie auch sein oben genannter Mitbewohner Zygmunt B. – bereits im DP-Lager als „Trinker“ aufgefallen war, nicht vom Alkohol abgelassen; oft trank er sogar über eine Woche lang fast ohne Unterbrechung.139 Aufgrund seines verwirrten und wahnhaften Verhaltens stellte er eine „Gefahr für Öffentlichkeit und Ordnung“ dar und musste daher in stationäre psychiatrische Betreuung übergeben werden.140 Da Herr B. ebenfalls nicht vom Alkoholgenuss abgehalten werden konnte, verlor er nicht nur bei einem durch seine „Trunksucht“ verursachten Unfall einen Unterschenkel, sondern litt zunehmend auch unter geistigen Abbauerscheinungen und „ethischer Deprivation“.141 Aus Sicht des zuständigen Neurologen gefährdete Zygmunt B. sich selbst und seine Umgebung und wurde schließlich wegen man134 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Ber. d. psycho-hygienischen Beraters d. UNHCR über d. Situation in Dt. (S. 1–7), o. D. (ca. 1960), S. 3. 135 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 371: Z., Dragic: An d. Ges. Landkr. Biel., v. 25.11.1958. 136 HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: AH Beckhof, v. 3.6.1961, betr. Verkauf v. billigem Wermuthwein in d. Ophirfiliale; HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: Notiz v. 5.12.1961. 137 Als sog „Alkoholdelir“ wird eine lebensbedrohliche akute Folge chronischen Alkoholkonsums bezeichnet, das meist als Folge eines abrupten Alkoholentzugs auftritt. Es werden verschiedene Schweregrade unterschieden. Die leichteste Form ist das sog. „Prädelir“, das sich u. a. in Halluzinationen, Schlafstörungen, Schwitzen und Angst äußert: https://www. dgn.org/images/red_leitlinien/LL_2008/archiv/ll08kap_092.pdf. 138 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Ärztl. Gutachten für d. Aufn. in Heil- u. Krankenanstalt für Geisteskranke, D., v. 18.10.1960, S. 1. 139 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Ärztl. Gutachten für d. Aufn. in Heil- u. Krankenanstalt für Geisteskranke, D., v. 18.10.1960, S. 1. 140 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Ärztl. Gutachten für d. Aufn. in Heil- u. Krankenanstalt für Geisteskranke, D., v. 18.10.1960, S. 2. 141 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 671: B., Zygmunt: Nervenfachärztl. Gutachten, v. 7.6.1961.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
gelnder Kooperation entmündigt und anschließend zwangseingewiesen.142 In den folgenden Jahrzehnten überwies das „Beckhof-Altersheim“ wiederholt alkoholkranke Bewohner in stationäre psychiatrische Behandlung.143 Alkoholismus spielte in anderen Heimen ebenfalls eine Rolle, wenn auch in einem weitaus geringerem Umfang. Zur Eindämmung des Problems griffen die Heimleitungen aber ebenfalls auf verschiedene Maßnahmen zurück. Unter anderem bekam das „Altenwohnheim Darmstadt“ die Problematik Anfang der 1970er Jahre dadurch in den Griff, dass die Heimleitung das Taschengeld der betroffenen Bewohner verwaltete.144 Indem die alten Menschen nun nicht mehr frei über die Verwendung ihres Geldes entscheiden konnten, war ihnen die Beschaffung von größeren Mengen an Alkohol kaum noch möglich. Auch die Sozialverwaltung des Landkreises Bielefeld hielt es für sinnvoll, das Taschengeld nur in kleinen Raten an alkoholkranke Heimbewohner auszuzahlen, zumal eine völlige Verweigerung der Auszahlung rechtlich nicht möglich war.145 4.5 Wege zurück ins „normale“ Leben Während sich bei den meisten Altersheimbewohnern der Gesundheitszustand im Laufe des Heimaufenthalts sukzessive verschlechterte, stellte sich bei einzelnen Personen eine so große Verbesserung des Allgemeinzustands ein, dass sie das Heim sogar wieder verlassen konnten. Dies betraf u. a. Heimbewohner, die jahrelang an Tuberkulose gelitten hatten. Zwar galten sie zum Zeitpunkt ihres Heimeizugs als so weit geheilt, dass keine Ansteckungsgefahr mehr bestand; aufgrund ihrer schlechten körperlichen Verfassung waren sie aber noch immer auf Betreuung angewiesen.146 Viele besaßen, wie schon erwähnt, ein Alter von unter 60 Jahren.147 Nach erfolgreicher Rekonvaleszenz konnten einige Menschen bereits nach wenigen Monaten sowohl eine Beschäftigung aufnehmen, als auch aus der Heimbetreuung entlassen werden und wieder ein eigenständiges Leben in einer privaten Unterkunft führen. So z. B. ein Bewohner des „Beckhof-Altersheims“.148 142 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 671: B., Zygmunt: Nervenfachärztl. Gutachten, v. 7.6.1961. 143 Beispielsweise überwies die Leitung des Beckhof-Altersheims 1967 einen Bewohner, der bereits an einem durch eine „Trunksucht“ hervorgerufenen „Persönlichkeitsabbau“ litt in ein psychiatrisches Krankenhaus: HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofverw. an d. VN, d. HK für Flücht., Bad G., v. 13.1.1967. 144 LkAHN, B. 160, Nr. 30: AH Darm. an Präs. Verwaltungsbez. Old., v. 18.2.1972. 145 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 371: Z., Dragic: Landkr. Biel., Sozialverw. an Beckhofverw., v. 2.2.1961. 146 Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 433: V., Lazar: Ges. d. Kreises Steinfurth, an WA Gellendorf, v. 1.10.1958. 147 Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 433: V., Lazar: Bethelk., o. D; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 433: V., Lazar: Ges. d. Kreises Steinfurth, an WA Gellendorf, v. 1.10.1958. 148 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 371: Z., Dragic: Beckhof-AH an Landkr. Biel., Bezirksfürsorgeverb., v. 4.9.1961.
4.5 Wege zurück ins „normale“ Leben
121
Obwohl Herr Z. bei seinem Heimeintritt im Jahr 1958 im Alter von nur 49 Jahren unter einer noch aktiven, jedoch geschlossenen Lungentuberkulose gelitten hatte; konnte er schon bald leichte Arbeiten in den siedlungseigenen Werkstätten ausführen.149 Bereits vier Jahre später verließ Dragic Z. das Altersheim und nahm beim britischen Militär, das ihm auch ein Zimmer zur Verfügung stellte, eine Arbeit auf.150 Ein weiterer Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ wurde 1958 mit der Diagnose einer doppelseitigen OberlappenTbc mit vorzeitigen „Altersverschleiss“ und daraus resultierender Pflegebedürftigkeit eingewiesen.151 Neun Jahre später hatte er sich schließlich ebenso stark erholt, dass er in das neu errichtete Wohnheim der „Beckhof-Siedlung“ umziehen konnte.152 Nach zwei weiteren Jahren heiratete Herr T. seine langjährige Freundin und schied sogar gänzlich aus der Betreuung der v. Bodelschwinghschen Anstalten aus.153 Zusammen mit seiner Frau bezog er schließlich eine eigene Wohnung außerhalb der „Beckhof-Siedlung.154 Dass Herr T. zukünftig im Alltag, v. a. im Haushalt, Hilfe von seiner jüngeren Ehefrau erhielt, spielte sicherlich eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung, das Heim zu verlassen und die dort gewährleistete regelmäßige Vollverpflegung und Betreuung aufzugeben. Einige Altersheimbewohner entschieden sich darüber hinaus selbst nach einem jahrelangen Heimaufenthalt und in einem hohen Lebensalter für eine Rückkehr in ihr Heimatland. 1971 kehrte z. B. der bereits 74-jährige Slobodan P., der 13 Jahre lang im „Beckhof-Altersheim“ gelebt hatte, zu seinem Sohn nach Jugoslawien zurück.155 Schon ein knappes Jahr später bemühte er sich jedoch mit Hilfe eines in Deutschland lebenden Freundes um eine Rückkehr in das Beckhofheim.156 Als Grund für seinen Rückkehrwillen nannte er seine schweren Herz-Kreislaufbeschwerden, die sich durch das Klima am Wohnort seines Sohnes stetig verschlechterten und – da er in den jugoslawischen Apotheken nicht die von ihm benötigten Medikamente erhielt – nicht behandeln ließen.157 Auch einige Personen, die in den 1950er Jahren in einen Drittstaat ausgewandert waren, sich dort aber nicht einlebten, kehrten schließlich aus eigenem Entschluss nach Deutschland zurück. So entschied sich die 1893 ge149 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 371: Z., Dragic: Mün., Ges. an WA Mün., v. 27.8.1958. 150 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 371: Z., Dragic: Beckhof-AH an Landkr. Biel., Bezirksfürsorgeverb., v. 4.9.1961. 151 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Kreiskommunalarzt Ges. Steinfurth an Wohnstäte für Ausl. Gellendorf, v. 2.9.1958. 152 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofverw. an E. Thomas, TF Mü., v. 17.1.1967. 153 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Landschaftsverb. Westf.-Lippe, Abt. Sozialhilfe an Bundesversicherungsanstalt Berlin, v. 17.7.1969. 154 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Landschaftsverb. Westf.-Lippe, Abt. Sozialhilfe an Bundesversicherungsanstalt Berlin, v. 17.7.1969. 155 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 235: P., Slobodan: Bethelk., o. D. 156 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 235: P., Slobodan: Slobodan P. an Aco, v. 19.2.1972. 157 Letztlich verblieb Herr P. jedoch aufgrund seiner sehr schlechten körperlichen Verfassung in Jugoslawien: HAB, Beckhof PA 1, Nr. 235: P., Slobodan: Slobodan P. an Aco, v. 19.2.1972.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
borene Sinaide T., bereits kurz nach ihrer Auswanderung in die USA für ein Leben in Deutschland, wo sie abermals in einem Lager für „heimatlose Ausländer“ unterkam. Nach Auflösung des Lagers bat sie 1961 um Aufnahme im Darmstädter Altersheim.158 Bestand für Heimbewohner die Möglichkeit, von ihren im Ausland lebenden Angehörigen versorgt zu werden, war aber selbst eine Auswanderung nicht ausgerschlossen. 1950 wanderte sogar eine 90-jährige Bewohnerin des „Adrian-Marshall-Homes“ zu ihren Verwandten nach „Übersee“ aus.159 1960 zog z. B. die 67-jährige Flane N., nachdem sie für zwei Jahre im „Beckhof-Altersheim“ gelebt hatte, zu ihrer Familie nach Kanada.160 Einer 71-jährigen, die nach fünfjährigem Aufenthalt im „Altenwohnheim Darmstadt“ zu ihrer Tochter nach Neuseeland auswandern wollte, riet die Heimleitung jedoch von einer „Verpflanzung“ ab, zumal sie in Darmstadt bzw. im Heim Bekannte und Freunde haben würde und sogar an orthodoxen Gottesdiensten teilnehmen könnte.161 Obwohl nach Aussage der „Tolstoy-Foundation“ viele Osteuropäer „im Alter einen sehr starken Hang zum Zusammensein mit der Familie“ haben würden, verblieb Frau S. letztlich im Darmstädter Heim.162 4.6 Beerdigungsmodalitäten und Nachlassregelungen Die meisten Altersheimbewohner verblieben bis an ihr Lebensende im Heim. Obwohl schwer Pflegebedürftige oft in ein spezielles Pflegeheim oder in ein Krankenhaus verlegt werden mussten, wurden die Mitarbeiter aller Heime mit dem Tod bzw. mit sterbenden alten Menschen konfrontiert. Die Betreuung Sterbender stellte für das Pflegepersonal eine nicht zu unterschätzende psychische Belastung dar. Selbst sehr erfahrene Pflegerinnen sowie die ab den 1960er Jahren vermehrt eingesetzten ausgebildeten Altenpflegerinnen verließen sich allein auf ihr Gespür und den Beistand ihrer Kolleginnen.163 Als belastend für die Pflegerinnen konnte sich dabei die v. a. in der Altenpflege sehr erwünschte „weibliche“ Eigenschaft der Empathie erweisen, da diese die emotionale Anteilnahme am Tod von Heimbewohnern erheblich verstärkte.164 Neben den Pflegekräften übernahmen die im Heim tätigen Geistlichen die Betreuung sterbender Heimbewohner. Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Anzahl an orthodoxen und fremdsprachlichen Geistlichen waren jedoch eine umfassende Sterbebegleitung sowie die rechtzeitige Spende der Sterbesa-
158 LkAHN, B. 160, Nr. 29: HW der EKD, Braun. an AH Darm., v. 8.9.1961. 159 StAGoslar, ZA aus: Braunschweiger Zeitung: „Internationale Ruheständler in d. Herzbergen“, v. 5.8.1950. 160 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 397: N., Flane: Meldeschein, v. 2.3.1960. 161 LkAHN, B. 160, Nr. 29: AH Darm. an A. Ignatiew T F. Frank., v. 27.6.1965. 162 LkAHN, B. 160, Nr. 29: AH Darm. an A. Ignatiew T F. Frank., v. 27.6.1965. 163 Vgl. dazu Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945– 1975, 2016, S. 347 f. 164 Vgl. u. a. McQuillan, F.: Schwestern brauchen Ausbildung in der Moribunden-Pflege, 1969, S. 80.
4.6 Beerdigungsmodalitäten und Nachlassregelungen
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kramente – wie oben erwähnt – vielfach nicht möglich.165 Lebten die Priester und Pastoren selbst im Heim, gestaltete sich die Situation wesentlich besser. Indem seit den 1960er Jahren ein immer größerer Teil alter Menschen im Krankenhaus oder Altersheim verstarb, unterlag der ohnehin zunehmend tabuisierte Sterbeprozess einer immer stärkeren „Institutionalisierung“.166 Die strenge Einhaltung traditioneller Sterberituale fand folglich kaum noch statt.167 Insbesondere in Einrichtungen, die nicht auf die Versorgung „heimatloser Ausländer“ ausgerichtet waren, erfolgte meist keine spezielle Rücksichtnahme auf deren Traditionen und Bräuche. Beispielsweise unterschieden sich sowohl die orthodoxen Rituale der Aussegnung, der Aufbahrung und der Bestattung in vielen Aspekten von den Traditionen der katholischen und protestantischen Kirchen.168 Da der Großteil der Heimbewohner ausländischer Herkunft keine Angehörigen in Deutschland besaß, übernahmen die Heime die Organisation der Trauerfeier und der Beerdigung. Auch im „Beckhof-Altersheim“ wurde für alle verstorbenen Bewohner ein Trauergottesdienst durch die entsprechenden Geistlichen in der Beckhofkirche abgehalten.169 Darüber hinaus finanzierte die Heimleitung eine Todesanzeige, die auch einige Sätze über die Persönlichkeit der Verstorbenen enthielt.170 Die Beerdigung von „heimatlosen Ausländern“ erfolgte entweder auf einem dem Heim nahegelegenen öffentlichen oder auf einem zum Heim gehörenden Friedhof in unmittelbarer Nähe, zumeist auf einem separaten Gräberfeld.171 Beispielsweise mussten bereits sechs Jahre seit der Eröffnung des großen Altersheim „Insula“ über 200 Todesfälle auf dem nahegelegenen Friedhof bestattet werden.172 Im Altersheim in Dornstadt, das über einen heimeigenen Friedhof verfügte, erhielten nicht nur die Christen, sondern ebenfalls die buddhistischen Kalmyken ein kleines Gräber165 Vgl. dazu z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: LkAHN, Pf. Kutsch, Mainz an Pf.?, v. 4.7.1965. 166 Der Tod vollzog sich für 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung in Krankenhäusern oder Altersheimen: O. N.: Recht auf Leben. Recht auf Sterben, 1975, S. 111 ff. 167 Vgl. dazu auch Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 249. 168 Siehe dazu z. B. https://orthpedia.de/index.php/Aussegnung. 169 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 524: B., Constansija: Todesanzeige v. Beckhofs. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 286: G., Michael: Todesanzeige. 170 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 286: G., Michael: Todesanzeige 171 So wurden z. B. auch noch in den 1980er Jahre alle in der Beckofsiedlung lebenden „Heimatlosen Ausländer“ auf einem separaten Gräberfeld auf dem „Waldfriedhof Sennestadt“ bei Bielefeld bestattet, z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 524: B., Constansija: Beckhofs., v. 19.12.1985, betr. Constansija B. Auf dem Waldfriedhof Sennestadt befindet sich heute ein Mahnmal „zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur“ mit folgender Inschrift: „Hier ruhen heimatlose Ausländer, die durch den zweiten Weltkrieg nach Deutschland kamen. Aus Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, Tschechoslowakei, Ukraine, Ungarn und Weissrussland. Sie fanden in der Beckhofsiedlung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel eine neue Heimat“: HAB, SamEcka, Nr. 54: Broschüre: 40 Jahre Beckhofkirche, o. D. (2002), S. 31: Foto von Mahnmal auf dem Waldfriedhof Sennestadt. 172 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Insula an Landesverb. d. IM d. EK Bay., Nürn., v. 3.7.1957.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
feld für ihre hölzernen Grabmäler.173 Die „Beckhofsiedlung“ finanzierte nicht nur die Beerdigung der Heimbewohner, sondern übernahm ebenfalls für einen Zeitraum von 25 Jahren die Grabpflege.174 Ein Grabstein wurde jedoch nur selten vom Heim finanziert und daher oft aus dem Nachlass der Verstorbenen bezahlt.175 Als z. B. auch eine langjährige, völlig mittellose Heimbewohnerin und Mitarbeiterin der „Beckhof-Werkstätten“ keinen Gedenkstein auf ihrem Grab erhielt, vertraten ihre ehemaligen Kollegen und Bekannten gegenüber der Heimleitung jedoch die Meinung, dass Frau S. „auf Grund ihres Dienstes um die Werkstätten und das Altersheim ein Grabstein gebührt“.176 In vielen Einrichtungen wurden die Gräber v. a. von Mitbewohnern oder anderen „Landsleuten“ gepflegt.177 Es erwies sich als großer Vorteil, dass die Beckhofverwaltung über viele Jahre hinweg mit demselben Beerdigungsinstitut zusammenarbeiten konnte, das sich im Laufe der Zeit gute Kenntnisse über die „Gepflogenheiten“ bei orthodoxen Beerdigungen angeeignet hatte.178 Beispielsweise musste für eine orthodoxe Bestattung ein spezielles, gesondertes Holzkreuz angefertigt werden, dass dem Trauerzug vorangetragen wurde.179 Obwohl die „Ausländerheime“ die Traditionen und Riten der verschiedenen Religionen und Herkunftsgebiete berücksichtigtem, wünschte eine lettische Bewohnerin der „Insula“ aus „Dank an Deutschland“ und die sie betreuenden Diakonissen eine „deutsche Beerdigung mit einem deutschen Gesangbuch“.180 Die meisten DPs und „heimatlosen Ausländer“ hinterließen nach ihrem Tod nur wenig Geld und Wertgegenstände. Zum Nachlass der verstorbenen, 1944 aus Estland geflohenen181 Jenny-Sophie S. hieß es u. a.: „Kein Erbe vorhanden, kaum tragbare Kleidung vorhanden, kein Schmuck, nicht das geringste Guthaben vorhanden, keine Wertpapiere, keine Schulden“.182 Auch ihre Mitbewohnerin hinterließ „nur ganz wenige persönliche Dinge“, darunter fünf, nicht aus Edelmetall bestehende Schmuckstücke, eine Uhr, sechs Unterhosen und Hemden, drei Pullover, zwölf Taschentücher und zwei Strickjacken.183 Umfangreicher fiel das Nachlassverzeichnis einer weiteren Mitbewohnerin aus, die „verschiedene Dinge“ besaß, u. a. einen Wecker, acht Nachthemden, 13 Hemden, neun Schlüpfer, zwei Nachtjacken, fünf Paar Strümpfe, zwei Mützen, ein Mantel, 173 Vgl. dazu www.migrationnachulm.de/ein-spaziergang-in-die-graue-vorzeit-fortsetzung/. 174 Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 524: B., Constansija: Beckhofs., v. 19.12.1985, betr. Constansija B. 175 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 46: M., Radoslaw: Beckhofverw. an Finanzamt Detmold, 6.10.1967. 176 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 329: S., Jenny-Sophie: Notiz, v. 19.11.1987. 177 Z. B. wurde die Pflege der russischen Gräber im Darmstädter Heim von „russischen Landsleuten“ übernommen: LkAHN, B. 160, Nr. 29: TF an E. Ludolph, v. 19.5.1967. 178 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 176: K., Miecyslaw: Beckhofs. an Sennekanzlei, Eck., v. 2.7.1986. 179 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 176: K., Miecyslaw: Beckhofs. an Sennekanzlei, Eck., v. 2.7.1986. 180 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 2. 181 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 329: S., Jenny-Sophie: Fürsorgeantrag, Beth., v. 3.2.1959. 182 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 329: S., Jenny-Sophie: Nachlassverzeichnis, v. 17.10.1983. 183 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 524: B., Constansija: Beckhofverw., Nachlassverzeichnis, v. 17.4.1984.
4.6 Beerdigungsmodalitäten und Nachlassregelungen
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zwei Blusen, zwei Stofftiere, eine Handtasche, ein Wandbild, eine Wolldecke und einen Rollstuhl.184 Bei der großen Mehrheit der in einem „Ausländerheim“ untergebrachten alten Menschen handelte es sich um Fürsorge- bzw. Sozialhilfeempfänger, die kaum Vermögen besaßen und auch keine Sterbeversicherung zur Deckung der Beerdigungskosten abgeschlossen hatten.185 Da vielfach keine zahlungsfähigen Erben existierten, die zur Kostenübernahme verpflichtet werden konnten, mussten die Beerdigungen zumeist aus öffentlichen Mitteln bestritten werden.186 Ansonsten besaß die Heimleitung die Berechtigung, auf das Nachlassvermögen verstorbener Bewohner zurückzugreifen.187 In Ausnahmefällen, v. a. wenn es sich um langjährige Heimbewohner gehandelt hatte, beteiligten sich die Heimträger an der Finanzierung der Bestattung oder der Grabpflege.188 Die Suche nach Angehörigen bzw. Erben gestaltete sich bei DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ nicht leicht. So besaßen insbesondere die in Heimen untergebrachten alten Menschen häufig keine Verwandten mehr oder hatten seit der im oder auch nach dem Krieg erfolgten Trennung zu diesen keinen Kontakt mehr gehabt.189 Teilweise erfuhren die Heimleitungen sogar erst nach dem Tod eines Bewohners von noch vorhandenen Familienmitgliedern.190 Selbst wenn die Heimleitung von der Existenz noch lebender Verwandter wusste, fehlten oft genauere Informationen, z. B. die Adresse.191 Darüber hinaus lebten sehr viele Angehörige im Ausland.192 Aus diesen Gründen konnten sie oft erst nach Monaten über den Tod ihrer Familienmitglieder benachrichtigt werden.193 Auch die Tochter eines 1963 verstorbenen Heimbewohners194litauischer Herkunft erfuhr sogar erst 13 Jahre nach dessen Tod durch einen Zufall vom Schicksal ihres Vaters.195 Obwohl sie über 30 Jahre lang mit Hilfe von Suchanzeigen in litauischen Zeitungen nach ihrem Vater 184 HAB, EA Eck., Nr. 3207, K., Anna: Nachlass, aufgelistet am 25.3.1986. 185 Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 244: C., Gajo: Beckofverw. an Landschaftsverb. Westf.Lippe, Mün., v. 25.8.1977. 186 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 244: C., Gajo: Beckofverw. an Landschaftsverb. Westf.Lippe, Mün., v. 25.8.1977. 187 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 524: B., Constansija: Beckhofs., v. 19.12.1985. 188 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 329: S., Jenny-Sophie: Notiz, v. 19.11.1987. 189 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 267: S., Nikolaj: Beth., Fürsorgeantrag, v. 30.9.1958. 190 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 244: C., Jan: Beckhofverw. an Franzischek D., Leverkusen, v. 8.1.1971. 191 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 244: C., Jan: Beckhofverw. an Franzischek D., Leverkusen, v. 8.1.1971. 192 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Hilfe für HA in Dt., B. v. Wussow an Beckhofs., v. 12.10.1964; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 200: K., Tanasiji: Beth., o. D. 193 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Hilfe für HA in Dt., B. v. Wussow an Beckhofs., v. 12.10.1964; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 292: K., Theodors: Beth., Fürsorgeantrag, v. 1.12.1958. 194 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 148: B., Kazys: Standesamt Biel., Sterbeurkunde Kazys B., v. 5.2.1963. 195 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 148: B., Kazys: Anruf, v. 15.3.1976, gesprochen mit kath. Priester d. Litauer.
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4. Gesundheitszustand der Heimbewohner
gesucht hatte, war sie letztlich zu der Überzeugung gelangt, dass dieser bereits im Krieg umgekommen sein müsste.196 Zufällig stieß jedoch im Jahr 1976 ein in Deutschland lebender litauischer Priester, der in Kontakt mit dem „Beckhof-Altersheim“ stand, bei einem Aufenthalt in Litauen auf ihre Suchanzeige.197 Mit Hilfe der Heimmitarbeiter war es für die Tochter von Kazys B. – selbst wenn sie ihren Vater nicht mehr wiedersehen konnte – zumindest möglich, einige Informationen über dessen letzte Lebensjahre einzuholen.198 Zu ihrer Enttäuschung existierte jedoch keine Fotografie ihres Vaters; ebenfalls schien kein Nachlass vorhanden gewesen zu sein.199 Somit blieb der Tochter lediglich das Grab ihres Vaters – ein „schöner schwarzer Stein mit Goldbuchstaben“.200
196 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 148: B., Kazys: Anruf, v. 15.3.1976, gesprochen mit kath. Priester d. Litauer. 197 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 148: B., Kazys: Anruf, v. 15.3.1976, gesprochen mit kath. Priester d. Litauer. 198 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 148: B., Kazys: Anruf, v. 15.3.1976, gesprochen mit kath. Priester d. Litauer; 199 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 148: B., Kazys: Beckhof an Pf. Gircius, Osnab.-Eversburg, v. 1.4.1976. 200 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 148: B., Kazys: Beckhof an Pf. Gircius, Osnab.-Eversburg, v. 1.4.1976.
5. Das Heimmilieu Die Heimatmosphäre wurde in erheblicher Weise durch die Persönlichkeit, das Verhalten und das Herkunftsmilieu der Bewohner und Mitarbeiter beeinflusst. Eine nicht unbedeutende Rolle spielte außerdem der vom Heimträger bzw. der Heimleitung intendierte sog. „Geist“ des Hauses. Bei diesem handelte es sich einerseits um ein sich selbstständig herausbildendes „Produkt“ des täglichen Alltags im Heim, andererseits um ein bewusst von der Heimleitung beeinflusstes Konstrukt. So besaßen v. a. der Führungsstil der Heimleitung und die Hausordnung sowie die nicht schriftlich fixierten Regeln großen Einfluss auf das soziale „Klima“. Folglich fühlten sich die alten Menschen selbst in einem komfortablen Neubau kaum geborgen, wenn die Heimleitung ihnen ablehnend gegenüberstand oder einen autoritären Führungsstil pflegte. Andersherum konnten „primitive“ Heime, z. B. auch die notdürftig eingerichteten DPs-Altersheime der Nachkriegsjahre, „völlig zufriedene“ Bewohner aufweisen, wenn „die Heimleitung ihnen liebe- und verständnisvoll“ gegenübertrat.1 Vielfach entsprach jedoch der intendierte „gute Geist“ des Hauses – v. a. aufgrund bestehender Konflikte – mehr einem Ideal als der Wirklichkeit.2 Dies galt gleichfalls für den Topos des „geruhsamen Feierabends“ im Kreis der Heimfamilie, der sowohl in der Bevölkerung und den öffentlichen Medien als auch in der christlich geprägten Fachliteratur der Wohlfahrtspflege bis in die 1960er Jahren gebräuchlich war.3 Demzufolge betonte z. B. die zur Eröffnung des Altersheims „St Nikolaus“ herausgegebene Festschrift, dass es den Heimbewohnern nach dem häufigen Lagerwechsel nun endlich möglich sein würde, ein „ruhiges“ Leben in einem „stillen, wohnlich eingerichteten Heim“ zu führen, „das ihnen christliche Liebe errichtet“ hätte.4 Die deutsche Altersversorgung unterlag zudem bis in die späten 1960er Jahre einem Altersbild, das sich an christlich geprägten, traditionellen Familienbildern orientierte.5 Diesen zufolge fungierte das Altersheim als Familienersatz, wobei die Heimbewohner die Rolle der Kinder einnahmen und somit leicht als unmündig und hilflos wahrgenommen wurden.6 Da innerhalb des begrenzten „Anstaltsraums“ nicht nur religiöse Bräuche, sondern auch religiös bedingte Normen leichter reaktiviert, ausgelebt und aufrechterhalten werden, besaß die religiöse Aus1 2 3 4 5 6
Lohmann, S.: Die Lebenssituation älterer Menschen in der geschlossenen Altersfürsorge, 1970, S. 89. Vgl. auch Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 227. Vgl. dazu auch Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 227 f. Vgl. Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 228. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 20. Vgl. dazu Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945– 1975, 2016, S. 26 ff. Vgl. dazu Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945– 1975, 2016, S. 26 ff.
128
5. Das Heimmilieu
richtung der Heimträger, -leitungen und -mitarbeiter erheblichen Einfluss auf das Heimmilieu.7 Aufgrund ihrer christlichen Trägerschaft sowie des vorrangig aus Mitarbeitern der konfessionellen Wohlfahrtsverbände und Schwesternorganisationen bestehenden Personals, traf dies insbesondere auch auf die Einrichtungen für „heimatlose Ausländer“ zu. Bedingt durch die oft sehr stark ausgeprägte Religiosität der „heimatlosen Ausländer“ kam der Ausübung religiöser Traditionen, die – wie schon erörtert – häufig erst nach der Flucht aus der Sowjetunion reaktiviert werden konnten, eine tragende Bedeutung im Heimalltag zu. Dabei mussten der Heimträger, das Personal und die Bewohner jedoch nicht zwangsläufig der gleichen Konfession angehören. Beispielsweise befanden sich die Altersheime in Darmstadt und Köln zwar in evangelischer Trägerschaft; die Heimbewohner hingegen bekannten sich vorrangig zum russisch-orthodoxen Glauben.8 5.1 Kontakte im Heim Während die meisten jüngeren DPs und „heimatlosen Ausländer“ in den 1950er Jahren das Lager verlassen und ein neues, selbstbestimmtes Leben beginnen konnten, verblieben die alten Menschen zumeist bis zu ihrem Tod in einem Altersheim. Somit bestand für die Bewohner der Altersheime kaum noch eine Möglichkeit, jemals wieder in die „Normalgesellschaft“ integriert zu werden, zumal sie in den von den Alliierten betreuten DP-Unterkünften kaum Kontakt zur deutschen „Außenwelt“ hatten. Die weitgehende Abgeschlossenheit des Heimmilieus führte aber generell, d. h. auch in den „deutschen“ Heimen, nicht selten zu einer sog. „Diskulturation“, die eine realistische Wahrnehmung der sich außerhalb des Heimalltags abspielenden gesellschaftlichen Veränderungen, verhinderte.9 Zwar konnten die alten Menschen durch Besucher, Zeitungen und andere Medien an den Geschehnissen außerhalb des Heims teilhaben; bestimmt wurde ihr Alltag aber durch einen fast täglich gleichbleibenden Tagesablauf, der nur geringfügig von äußeren Faktoren beeinflusst wurde.10 Für Heimbewohner mit wenigen Außenkontakten – wie auch bei vielen DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ der Fall – besaßen die 7 8 9 10
Die „Pflege der Frömmigkeit“ beschränkte sich in den Altersheimen nicht nur auf den Gottesdienst, sondern zeigte sich z. B. auch in kleinen „Betwinkeln“ und Zimmerschmuck. Vgl. z. B. Svoboda, R.: Zum Leitbild eines katholischen Altersheims, 1966, S. 257. Demzufolge wurden die Gottesdienste und die seelsorgerische Versorgung nicht von protestantischen, sondern von orthodoxen Geistlichen vollzogen. In einer Studie aus den späten 1960er Jahren zeigten viele Heimbewohner wenig Interesse am Zeitgeschehen. Z. B. las jeder vierte Bewohner keine Zeitung mehr: Lohmann, S.: Ältere Menschen in Altenunterkünften, 1970, S. 310. 1975 konnte in einer Untersuchung verschiedener Heimordnungen in Nordrhein-Westf. und Bayern festgestellt werden, dass Altersheime ebenfalls totalitäre Züge aufwiesen, z. B. in Form von Verboten und festen Essenzeiten: Heinzelmann, M.: Das Altenheim – immer noch eine totale Institution? 2004, S. S. 58. Vgl. auch Anthes, J. / Karsch, N.: Zur Organisationsstruktur des Altenheims, 1975.
5.1 Kontakte im Heim
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heiminternen Beziehungen folglich eine tragende Bedeutung. Häufig resultierte das zumeist nicht freiwillig erfolgte enge Zusammenleben mit fremden Menschen in einem erhöhten Bedürfnis nach Privatheit, das aber v. a. im Mehrbettzimmer kaum zu befriedigen war. Oft nahmen die in diesen Räumen lebenden Menschen sogar nur ihr eigenes Bett als die einzige, ihnen noch verbleibende private Sphäre wahr. Vor allem für pflegebedürftige, bettlägerige Bewohner avancierte das Bett zum Mittelpunkt ihres Lebens. Einige Menschen reagierten auf den Mangel an Privatsphäre mit einem „inneren“ Rückzug und verweigerten engere Beziehungen zu ihren Mitbewohnern.11 Beispielsweise lebte ein Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ in „auffallender Zurückgezogenheit“, hatte kaum Kontakt zu seiner Umgebung und wirkte laut neurologischem Gutachten sehr gehemmt.12 Zur „Abkapselung“ neigte auch eine seiner Mitbewohnerinnen.13 Um den ehemaligen DPs nach ihren jahrelangen Lageraufenthalten mehr Privatheit zu ermöglichen, verfügten die in den 1950er Jahren neu erbauten „Ausländerheime“ ausschließlich über Einzelund Doppelzimmer. Die Zimmertüren ließen sich z. T. sogar – anders als im Altersheimwesen üblich – von den Bewohnern selbst mit einem eigenen Schlüssel verschließen, u. a. in den Heimen in München14 und in Bielefeld.15 Für die ehemaligen DPs besaß diese scheinbare Nebensächlichkeit eine große Bedeutung, da sie ihnen zumindest ein wenig Eigenständigkeit und Privatsphäre ermöglichte. Das geschützte Heimmilieu bot den DPs bzw. den „heimatlosen Ausländern“ Schutz vor der Außenwelt, d. h. der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Da diese v. a. den Ost- und Südosteuropäischen „Ausländern“ – wie später näher erörtert – vielfach nicht positiv gegenüberstand, empfanden die Heimbewohner das Zusammenleben mit Menschen gleicher Herkunft, Sprache und Religion als wichtige seelische Unterstützung. In Einrichtungen, in denen die Bewohner aus verschiedenen Herkunftsländern stammten, taten sich zudem die Menschen der jeweiligen Nationalitäten – allein schon aus sprachlichen Gründen – schnell in Gruppen zusammen, die sich ebenfalls gegenseitig unterstützten.16 Vor allem bei Konflikten boten die Mitbewohner einen wichtigen Rückhalt. Teilten sich Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern ein Zimmer, gestaltete sich das Zusammenleben wesentlich leichter, wenn sprachliche Schwierigkeiten ausblieben. 1951 berichtete z. B. eine Bewohnerin der „Insula“ über das Zusammenleben mit ihren aus verschiedenen Staaten stammenden Mitbewohnerinnen, die aber alle die deutsche Sprache beherrschten: „Wir sind 4 Personen im Zimmer, ganz international; eine Deutsche, eine 11 12 13 14 15 16
Vgl. Vanja, C.: Orte der Verwahrung, 2010, S. 42. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 374: F., Eduard: Mara, Beth., Nervenfachärztl. Ber., v. 7.7.1959. HAB, EA Eck., Nr. 3207: K., Anna: Mara, Beth., Nervenfachärztl. Ber., v. 7.7.1959. ADiCVMü., O. N.: Vergangenheit ohne Glück, in: CD, 6. Jhg., H. 5, Mai 1953, S. 50. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 56. Im „Beckhof-Altersheim“ bestand z. B. zwischen den polnischen Katholiken ein enger Kontakt: HAB, Beckhof PA 1, Nr. 137: G., Bronislawa: An d. Wohnstäte für HA, Mün., v. 14.5.1959.
130
5. Das Heimmilieu
Litauerin, eine Lettin und eine Estin. Die Deutsche ist 24 Jahre in China gewesen als Erzieherin und weiß viel von ihrem Leben zu erzählen. Wir vertragen und sehr gut.17 Besonders erfreut war sie jedoch darüber, dass sie im Heim ihre „alten Bekannten aus der Heimat“ wiedergetroffen hatte, mit denen sie täglich viel Zeit verbrachte.18 In anderen Einrichtungen wurde das Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern und Kulturen – trotz der vielen national bedingten Konflikte – ebenfalls als erstaunlich unproblematisch beschrieben. So auch in der Briefmarkenabteilung der Werkstätten der „Beckhofsiedlung“, selbst wenn der folgende Bericht eines Bewohners von 1960 sehr idealistisch bzw. geschönt anmutet: „Heute können wir sagen, daß diese Werkstätten im Sinne des Wortes eine kleine „UNO“ geworden sind.(…) Hier gibt es keine Grenzen oder bösartigen Nationalismus mehr, sondern nur noch Menschen. (…) Es ist vielleicht Ironie des Schicksals, daß die Menschen am meisten das Leiden zusammenführt. Hier sitzen sie zusammen an dem markenbeladenen Tisch, ein ehemaliger lettischer Offizier mit dem rumänischen Bauern aus Bukowina, der Russische Gymnasiallehrer neben dem Förster aus Jugoslawien“.19 Im „Altenwohnheim Darmstadt“ entstanden zwar durch den Einzug deutschstämmiger alter Menschen viele Konflikte – denen zufolge das Haus sogar in einen „deutschen“ und einen „russischen“ Wohnbereich unterteilt wurde; zugleich war aber auch hier ein harmonisches Miteinander keineswegs ausgeschlossen. Beispielsweise fanden sich die deutschen Bewohner allabendlich im Fernsehrraum der „Fremden“ ein, obwohl ihnen in ihrem Bereich des Heims ebenfalls ein Fernsehegerät zur Verfügung stand.20 Selbst wenn sich zwischen den Heimbewohnern häufig lediglich Zweckoder „Schicksalsgemeinschaften“ bildeten, entstanden durchaus auch enge, emotionale Bindungen. Da ein großer Teil der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ in Deutschland keine Angehörigen besaß, fungierten Freundschaften nicht selten als Familienersatz. Demzufolge nannten einige Heimbewohner, wenn sie von den Heimleitungen nach Angehörigen gefragt wurden, die bei Notfällen informiert werden sollten, die Namen befreundeter Mitbewohner.21 Da die „Ausländerheime“ sowohl Frauen wie Männer aufnahmen, waren sogar Liebesbeziehungen und Eheschließungen zwischen Heimbewohnern nicht ausgeschlossen.22 17
LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Dez. 1951, Anl.: Ab. eines Briefes. 18 LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Dez. 1951, Anl.: Ab. eines Briefes. 19 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 7 f. 20 LkAHN, B. 160, Nr. 29: A. Ignatiew an E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 16.11.1967. 21 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 176: K., Miecyslaw: Personal-Frageb. zur Aufn. in Eck., v. 12.9.1984. 22 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: K., Matwij: An d. DRK, Generalsekretariat, Hamburg-Osdorf, v. 24.8.1959; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofs. an WA Mün., v. 16.3.1961.
5.1 Kontakte im Heim
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Für die deutsche Außenwelt stellten die DPs und „heimatlose Ausländer“ zumeist eine homogene Gruppe dar. In den Lagern und Heimen zeigte sich jedoch eine deutliche Differenzierung zwischen den verschiedenen Sozialschichten, Nationalitäten und Religionen. Beispielsweise lebten im „Altersheim Dornstadt“ „Handwerker und Bauern, ebenso wie Gelehrte, Professoren und Offiziere“.23 Innerhalb der Hausgemeinschaft bildeten sich schnell Hierarchien heraus, die sich vorwiegend an den Gesellschaftsstrukturen außerhalb des Heims orientierten.24 Besaß ein großer Teil der Heimbewohner eine ähnliche soziale und regionale Herkunft, dominierten sie nicht selten, wie später näher erörtert, die übrigen im Haus lebenden Menschen.25 Darüber hinaus existierten heiminterne Rangordnungen, die auf den individuellen Fähigkeiten der Bewohner beruhten und durchsetzungsstarken und v. a. gebildeten Personen eine Vormachtstellung einräumten.26 Häufig hatten sich diese bereits in ihren Herkunftsländern politisch engagiert oder eine höhere gesellschaftliche Position innegehabt.27 Indem sie außerdem unter ihren Landsleuten sehr geachtet wurden und daher über eine weitaus größere Lobby verfügten als z. B. die Gruppe der oft wenig gebildeten ehemaligen Zwangsarbeiter, nahmen sie schließlich auch im Heim eine führende Stellung ein.28 Häufig übernahmen gebildete, redegewandte Heimbewohner die Rolle eines „Sprechers“ oder „Obmans“ ihrer „Volksgruppe“.29 In dieser Funktion vermittelten sie u. a. bei Konflikten mit den Behörden und Mitbewohnern, halfen bei finanziellen Schwierigkeiten30 oder kümmerten sich um die Verwaltung des Nachlasses Verstorbener.31 Im „Beckhof-Altersheim“ lebte z. B. ein über 80-jähriger ungarischer Professor, dem nicht nur die Bewohner, sondern auch das Personal großen Respekt entgegenbrachten. Aus diesem Grund durfte er bei vielen feierlichen Anlässen die Eröffnungsrede halten. Dabei achtete er sehr auf sein
23 Das Hilfswerk. Mitteilungen aus dem Hilfswerk der evangelischen Kirche in Deutschland, Zentralbüro Stuttgart, Nr. 55, Okt. 1951, S. 7. 24 Durch gemeinsame Kriegs- und Fluchterfahrungen konnte ebenfalls ein Abbau gesellschaftlicher Vorurteile erfolgen: Doberauer, W.: Vom Versorgungshaus um Altersheim und Alterskrankenhaus, 1962, S. 31. Vgl. zudem HAB 16/4, Beckhof Schriftwechsel 1955–1959: Übersetzung eines Artikels aus d. „Manchester Guardian“ v. 21.7.1956. 25 Vgl. dazu z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31:. Gez.: „Insassen von diesem Haus“ an Ratgeber, o. D. (Sept. 1969). 26 Vgl. dazu u. a. Stengel, F.: Verhaltensweisen von Frauen im Altersheim, 1962, S. 15; HAB, B. BvB – Bote von Beth.: Bote von Beth., Nr. 184, Weihnachten 1993. 27 Beispielsweise übernahmen sie in den ukrainischen DP-Lagern vielfach eine führende Rolle: Antons, J.-H.: Flucht ins „Dritte Reich“; Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 230. 28 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 2; 29 Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: AH Beckhof an Gebauer, v. 17.10.1960, S. 2. 30 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 371: Z., Dragic: AH Beckhof an Fürsorgestelle Beth., v. 3.12.1959. 31 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 672: B., Ivan: Beckhofverw. an d. Finanzamt Detmold, v. 27.8.1968.
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5. Das Heimmilieu
äußerliches Erscheinungsbild und trug daher stets „Gehrock“ und „Fliege“.32 Ein serbischer Professor gab im „Altenwohnheim Darmstadt“ sogar eine kleine Zeitung für seine Landsleute heraus, was ihm ebenfalls viel Anerkennung einbrachte.33 Die besondere Stellung bestimmter Bewohner zeigte sich außerdem in der Anrede. Titel bzw. Anreden wie „Herr Professor“ oder „Herr Doktor“ waren daher im Alltag sehr gebräuchlich.34 Auf diese Weise erhielten die nun nahezu völlig mittel- und hilflos gewordenen DPs und „heimatlosen Ausländer“ zumindest innerhalb der Heimgemeinschaft eine Möglichkeit, ihre vormalige gesellschaftliche Stellung auch weiterhin aufrechtzuerhalten. Mit der Übergabe der DP-Altersheime in die Verwaltung der deutschen Wohlfahrtsverbände nahmen die Außenkontakte der Bewohner deutlich zu. Spätestens in den neu erbauten Einrichtungen der 1950er Jahre gehörte es zur Normalität, dass sich die noch gehfähigen alten Menschen außerhalb des Heimgeländes frei bewegten. In der 1958 eröffneten „Beckhofsiedlung“ entstanden durch die räumliche und soziale Einbindung des Altersheims in die Wohnsiedlung zudem Beziehungen zwischen den alten, im Heim lebenden Menschen und den überwiegend jüngeren Siedlungsbewohnern. Beispielsweise kam es beim Besuch des Gottesdienstes oder beim Einkauf im siedlungseigenen Lebensmittelgeschäft nahezu täglich zu Kontakten.35 Einige, v. a. männliche Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ hielten sich außerdem regelmäßig in der nahegelegenen Nachbargemeinde auf und kamen somit zwangsläufig auch mit der einheimischen, d. h. deutschen Bevölkerung in Kontakt. Dass sich das dortige Lebensmittelgeschäft zum Treffpunkt der alkoholabhängigen Heimbewohner entwickelte, wirkte sich jedoch – wie später erwähnt – äußerst negativ auf das öffentliche Ansehen der „Beckhofsiedlung“ und der dort lebenden „Ausländer“ aus.36 5.2 Sprachliche Schwierigkeiten Da die Bewohner der „Ausländerheime“ nicht nur aus verschiedenen Herkunftsländern stammten und dementsprechend oft auch unterschiedliche Sprachen sprachen, gehörten Verständigungsprobleme zum Heimalltag. Viele DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ verfügten zwar über deutsche Sprachkenntnisse; insbesondere ältere Menschen konnten sich aber ausschließlich in ihrer Muttersprache unterhalten.37 Einer Studie von 1958 zufolge belief sich deren 32 HAB 16/4, Beckhof Schriftwechsel 1955–1959: Übersetzung eines Artikels aus d. „Manchester Guardian“ v. 21.7.1956, S. 3. 33 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html, 34 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone. 2014, S. 332. 35 Vgl. dazu u. a. HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: AH Beckhof, v. 3.6.1961, Verkauf v. billigem Wermuthwein in d. Ophirfiliale. 36 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 267: S., Nikolaj: AH Beckhof an Gebauer, v. 20.10.1960. 37 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 65.
5.2 Sprachliche Schwierigkeiten
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Anteil bei den über 65-Jährigen z. T. auf fast 60 Prozent.38 Während in der „Beckhofsiedlung“, so das Ergebnis einer Befragung von 1959, zwei Drittel der Bewohner „einigermaßen“ gut Deutsch sprachen, beherrschten hingegen die im „Beckhof-Altersheim“ lebenden alten Menschen, insbesondere die „geistig veränderten“, ausschließlich ihre Muttersprache.39 Dies traf auch auf die Bewohner anderer Heime für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ zu. Beispielsweise gestaltete sich im russischen Altersheim in Darmstadt die Verständigung mit einem Bewohner kalmykischer Herkunft, der „nur wenig Russisch und kaum Deutsch“ sprach, äußerst „schwierig“.40 Viele Menschen, die sich erst mehrere Jahrzehnte nach Kriegsende in stationäre Betreuung begaben, sprachen sich sogar v. a. aufgrund ihrer mangelnden deutschen Sprachkenntnisse für den Einzug in ein „Ausländerheim“ aus. Im Jahr 1970 wünschte z. B. auch die 80-jährige Maria L. Aufnahme im russischen „Altenwohnheim Darmstadt“. Obwohl sie bereits seit 25 Jahren in Deutschland lebte, konnte sie sich mit ihren Mitmenschen nur schlecht auf Deutsch unterhalten.41 Eine weitere Bewohnerin hatte ebenfalls „fast ausschließlich Kontakt zu ihren Landsleuten gehabt“ und verständigte sich folglich weiterhin auf russisch.42 Für DPs und „heimatlose Ausländer“, die in „deutschen“ Heimen lebten und über nur geringe deutsche Sprachkenntnisse verfügten, gestaltete sich die Kommunikation mit den Mitbewohnern und dem Personal zumeist sehr schwer.43 Der Großteil der ehemaligen DPs, die bereits seit mehreren Jahren in Deutschland lebten – wie die Emigranten der Zwischenkriegszeit oder die ehemaligen Zwangsarbeiter – besaßen hingegen sehr gute Deutschkenntnisse. Im Goslarer „Adrian-Marshall-Home“ fanden z. B. vorwiegend deutschfreundliche Balten und „Emigranten (…) der bolschewistischen Revolution“ Unterkunft, die z. T. bereits seit Jahren in Deutschland gelebt hatten.44 Demnach konnten sich „nahezu“ alle 55 Bewohner des Hauses auf Deutsch verständigen.45 Lediglich acht Personen, die vorwiegend vom „Balkan“ stammten, sprachen „nur zum Teil deutsch“.46 Bewohner mit guten deutschen Sprachkenntnissen betätig38 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 98. 39 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 64. 40 B. 160, Nr. 31: AH Darm. an d. HW d. EKHN, Frankurt, v. 9.7.1966, S. 1. 41 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Thomas, Leiterin d. Wohlfahrtsabt. an d. Altersfürsorgeamt Duisburg, v. 10.4.1970. 42 LkAHN, B. 160, Nr. 49: Notiz, Sozialarbeiterin K., v. 3.3.1981. 43 AMH: I., Maria: Magdalenenhof, v. 18.2.1975: ausgefüllter Frageb., nur Antworten; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 397: N., Jadwiga: Mrs. M. Irvine, Sennelager, Field Ambulance an Gebauer, v. 11.6.1959. 44 StAGoslar, ZA aus: Braunschweiger Zeitung: „Internationale Ruheständler in d. Herzbergen“, v. 5.8.1950. 45 StAGoslar, ZA aus: Braunschweiger Zeitung: „Internationale Ruheständler in d. Herzbergen“, v. 5.8.1950. 46 StAGoslar, ZA aus: Hannoversche Presse: „Sie haben es schön im AMH aber eine 69-jährige möchte nach Australien“, v. 16.9.1950; Vgl. zudem LkAW, HH, acc. 16/09,
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5. Das Heimmilieu
ten sich im Heim oft als Dolmetscher, z. B. zwischen ihren Mitbewohnern und den deutschen Mitarbeitern.47 Nicht wenige Menschen beherrschten sogar mehrere Fremdsprachen.48 Außerdem hatte die von der Sowjetunion begonnene „Russifizierung“ der von ihr annektierten osteuropäischen Staaten zu einer gezielten Verbreitung der russischen Sprache und Kultur zur Lasten der lokalen Sprachen und Kulturen geführt.49 Da daraufhin viele Osteuropäer gute russische Sprachkenntnisse aufwiesen, fungierte die russische, neben der deutschen Sprache in vielen Heimen als Hauptsprache. Beispielsweise konnten sich die aus der Ostukraine stammenden Heimbewohner sowohl auf Ukrainisch als auch auf Russisch verständigen. Die meisten Westukrainer hingegen beherrschten – bedingt durch die gleichzeitig erfolgte „Polonisierung“ ihrer westukrainischen Herkunftsgebiete – neben der ukrainischen ebenfalls die polnische, oft auch die russische Sprache. Aufgrund der später näher beschriebenen, politisch motivierten Konflikte zwischen West- und Ostukrainern verweigerten ukrainische Nationalisten jedoch nicht selten jegliche Anwendung der russischen bzw. der polnischen Sprache.50 Zugleich kam es seitens der Nationalisten immer wieder zu Diffamierungen von russisch bzw. polnisch sprechenden Personen ukrainischer Herkunft.51 Im Falle einer höheren Bildung oder eines längeren Aufenthalts in Westeuropa besaßen viele DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ zudem englische oder französische Sprachkenntnisse.52 Insbesondere die russischen Emigranten hatten, wie bereits erwähnt, vor dem Krieg mehrere Jahre in Westeuropa, u. a. in Frankreich gelebt.53 Eine Bewohnerin deutsch-baltischer Herkunft, die mit ihrem Ehemann, einem ehemaligen Angehörigen der zaristischen Armee, in das Darmstädter Heim ziehen wollte, sprach z. B. die „englische, französische, deutsche und russische Spache in Wort und Schrift“ und war daher u. a. als Übersetzerin tätig.54 Die meisten Altersheime legten keinen besonderen Wert darauf, dass die alten Menschen ihre Deutschkenntnisse verbesserten, da eine Integration in die deutsche Gesellschaft als kaum noch realisierbar galt. Lediglich im im „Altersheim Varel“ galt der regelmäßige Sprachunterricht auch für alte Menschen als unerlässlich und war somit„im Rahmen der kulturellen Betreuung (…) von bedeutendem Wert“.55
47 48 49 50 51 52 53 54 55
Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951, Nr. 106: Liste d. zu verlegenden Heiminsassen d. AMH nach AH Varel, o. D. (Sommer 1951). Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofverw. an E. Thomas, TF Mü., v. 17.1.1967. Globig: W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 50. Vgl. Gasimov, Z.: Zum Phänomen der Russifizierungen, 2012, S. 9–26; S. 10. Vgl. u. a. http://www.bpb.de/izpb/209719/geschichte-der-ukraine-im-ueberblick?p=all-. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 228–240; S. 235. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 51. Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: Lebenslauf Sophie B., o. D. LkAHN, B. 160, Nr. 31: IM u. HW Stu. an DW IM u. HWHN, Frank., v. 12.8.1965. LkAH, E 52, Nr. 367: Betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 2.
5.3 Religiöses Umfeld
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5.3 Religiöses Umfeld Für die Mehrzahl der Heimbewohner spielte die Möglichkeit zur freien Ausübung ihres Glaubens, d. h. die Besinnung auf religiöse Bräuche und Rituale eine wichtige Rolle. Die große Mehrheit der in dieser Arbeit thematisierten Ost- und Südosteuropäischen DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ gehörte einer christlichen Kirche an.56 Dabei befanden sich Orthodoxe, Katholiken und Protestanten deutlich in der Überzahl. In den meisten Fällen bestand zwischen dem Herkunftsland und der Religionszugehörigkeit ein direkter Zusammenhang. So waren die Polen mehrheitlich katholischen und die Esten und Letten mehrheitlich evangelisch-lutherischen Glaubens. Unter den ukrainischen DPs befanden sich überwiegend Anhänger der ukrainisch-griechisch-katholischen sowie der ukrainisch-orthodoxen Kirche.57 Die jugoslawischen DPs fühlten sich meist der serbisch-orthodoxen, die Russen hingegen der russisch-orthodoxen Kirche zugehörig.58 Die einzigen Nicht-Christen unter den DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ setzten sich aus der vergleichsweise kleinen Gruppe kalmykischer Buddhisten zusammen, von denen einige – anfangs handelte es sich um lediglich drei Personen59 – im Dornstädter Altersheim Aufnahme erhielten.60 Viele Ost- und Südosteuropäer waren v. a. aufgrund der in ihren kommunistischen Herkunftsländern erfolgten religiösen Unterdrückung nach Deutschland geflohen. Dies betraf z. B. strenggläubige orthodoxe Christen aus der Sowjetunion, die sehr unter der antiklerikalen Haltung der Bolschewisten gelitten hatten. Nach ihrer Flucht bemühten sie sich um eine Wiederaufnahme ihres früheren, religiös geprägten Alltags und zeigten folglich auch in ihren deutschen Unterkünften ein großes Interesse an der aktiven Ausübung ihrer Religiosität.61 Insgesamt existierten im Jahr 1950 in Westdeutschland etwa elf orthodoxe Kirchengemeinden mit etwa 45.000 Mitgliedern.62 Für DPs anderer Konfession, z. B. für lettische Protestanten63, katholische Polen oder die Anhänger der ukrainischen Kirchen spielten der Glaube und die Einbindung in eine Gemeinde sowie der Zugang zu einer seelsorgerischen Betreuung eine 56 Wie bereits oben erwähnt, sind die jüdischen DPs nicht Bestandteil dieser Untersuchung. 57 Vgl. dazu auch http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/187210/ ukrainische-displaced-persons-in-deutschland. 58 Vgl. dazu z. B. die Patientenakten im Hauptarchiv Bethel sowie: LkAW, acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH u. Übern. d. Heimes durch d. IM 1951: Liste d. zuverlegenden Heiminsassen d. AMH nach AH Varel 1951. 59 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Dr. Kraut an Dr. Fischer, Ulm-Waiblingen, v. 6.3.1951. 60 Die Kalmyken waren überwiegend Anhänger der sog. lamaistischen „Gelbmützen“, die den Dalai Lama als ihr religiöses Oberhaupt anerkannten: Hoffmann, J.: Deutsche und Kalmyken 1942 bis 1945, 1974, S. 22. 61 Teilweise tendierten die Menschen zu einem „abergläubischen“ Verhalten, das sich z. B. in der sakralen Überhöhung einzelner Priester oder Gegenstände äußerte: Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 243; 250. 62 LkAH, L 3 III, Nr. 1502: EK in Dt., Kirchenkanzlei, Hann.an d. Leitungen d. dt. ev. LK, v. 3.12.1954, S. 2. 63 Franzenburg, G.: Dievs, svêtı Latviju! – Gott segne Lettland! 2016, S. 203–230; S. 209.
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5. Das Heimmilieu
ähnlich wichtige Rolle.64 Nach Erfahrung des „Evangelischen Hilfswerks“ besaßen „Glaube und Kirche“ insbesondere für alte Menschen häufig eine so wichtige Bedeutung, dass sie sogar den Mittelpunkt ihres „inneren Lebens“ bilden könnten.65 Dass sich der alltägliche Tagesablauf in den „Ausländerheimen“ „nach christlichen Grundsätzen und Gepflogenheiten“ richtete, stieß daher zumeist auf das Wohlwollen der alten Menschen.66 Gleichermaßen religiös geprägt war der Alltag der buddhistischen Kalmyken, denen in der Sowjetunion die freie Religionsausübung nahezu völlig untersagt wurde.67 Im Gegensatz zu ihren christlichen Mitbewohnern besaßen die Buddhisten jedoch keinerlei Anbindung an die großen überkonfessionellen und internationalen kirchlichen Organisationen. Die in Deutschland verbliebenen Kalmyken verfügten demzufolge über keine Lobby und stellten für die deutschen Behörden und Wohlfahrtsverbände lediglich eine lästige Randgruppe dar. Somit galt auch ein im „Altenwohnheim Darmstadt“ lebender Kalmyke aus Sicht der Heimleitung in der christlichen bzw. russisch-orthodoxen Hausgemeinschaft als störender „Fremdkörper“.68 Der Möglichkeit zur freien Religionsausübung und die Anbindung an eine bestimmte Religionsgemeinschaft kamen insbesondere in der „Fremde“ wichtige identitätsstiftende bzw. -erhaltende Funktionen zu.69 Dabei ging der Zusammenhalt mit anderen Glaubensgenossen weit über das Religiöse hinaus. Vielmehr fungierten religiöse Riten, Gesänge und Feste in den Ausländerunterkünften als „Brücke“ zur verlorenen Heimat und gaben den Menschen emotionalen Halt.70 Auch eine evangelische, für das russische Darmstädter Heim zuständige Fürsorgerin notierte 1975: „Wenn man eng mit den russischen Einwohnern in Berührung kommt (…) hört, voran sie noch hängen, dann sind es wenige Dinge aus ihrer Heimat: der Glaube, das Essen, die Musik, gewisse Höflichkeitsformen, die Sprache (…) Dadurch werden Apathie und Isolation zumindest kurz unterbrochen“.71 Oftmals spielte daher auch die unmittelbare Verknüpfung von Religion, Heimat und Nation eine bedeutende Rolle.72 Nicht selten trugen die Kirchen sogar aktiv zur Stärkung des Nationalbewusstseins bei. Bei-
64 Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 250; Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone. 2014 S. 303. 65 LkAHN, B. 160, Nr. 49: Jahresber. 1966, Hilfe für HA, o. D. Vgl. auch Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 74 66 Dies betraf auch das „Altenheim Dornstadt“: LkASt, L 1 DW, Nr. 2488: Broschüre: AH Dorn. bei Ulm, v. 1951, S. 6. 67 Hoffmann, J.: Deutsche und Kalmyken 1942 bis 1945, Freiburg 1974, S. 22 68 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an d. HW d. EKHN, Frank., v. 9.7.1966. 69 Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 251. 70 Franzenburg, G.: Dievs, svêtı Latviju! – Gott segne Lettland!, S. 203–230; S. 209. Vgl. auch Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone. 2014, S. 301. 71 LkAHN, B. 160, Nr. 30: E. Ludolph, ökumen. Diak. Frank., v. 13.4.1975. 72 Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde 1989, S. 250; Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone,2014, S. 303.
5.3 Religiöses Umfeld
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spielsweise unterstützten die beiden größten ukrainischen Kirchen73 z. T. sehr vehement die ukrainischen Nationalisten.74 Außerdem beteiligten sich die Kirchen an antikommunistischer Propaganda. Dass die Ablehnung des Kommunismus zur politischen Grundhaltung aller großen christlichen Kirchen, d. h. ebenfalls der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland gehörte, wirkte sich somit v. a. in den „Ausländerheimen“ positiv auf das Verhältnis zwischen den verschiedenen Konfessionen aus.75 Seit Kriegsende betätigten sich die internationalen christlichen Wohlfahrtsorganisationen in Deutschland aktiv in der DP-Fürsorge. Dabei arbeiteten sie wie die amerikanische katholische „National Catholic Welfare Conference – War Relief Services“ („NCWC“)76, der „World Council of Churches“ („WCC“) oder der evangelische „Lutherian World Found“, eng mit dem „Deutschen Caritasverband“ und der „Inneren Mission“ bzw. dem „Evangelischen Hilfswerk“ zusammen.77 1950 beschlossen z. B. der „Deutsche Caritasverband und die „NCWC“ die Entwicklung eines Hilfsprogramms für „Heimatlose Ausländer“. Unter anderem wurden im Rahmen dieses Hilfsprogramms deutsche Fürsorgerinnen von der „NCWC“ angeleitet und schließlich für die langfristige Betreuung „heimatloser Ausländer“ eingesetzt.78 Nach der endgültigen Übergabe der DPs in deutsche Verwaltung zogen sich die ausländischen kirchlichen Organisationen jedoch nicht völlig zurück, sondern kooperierten weiterhin mit der deutschen Wohlfahrtspflege.79 Da sich die meisten „Ausländerheime“ in evangelischer Trägerschaft befanden und sich die Bewohner ebenfalls vorwiegend aus Protestanten und Orthodoxen zusammensetzten, erfolgte insbesondere mit dem „WWC“ eine regelmäßige Kooperation. Die katholischen Altersheime sowie die in evangelischen Einrichtungen lebenden katholischen Bewohner erhielten Unterstützung von internationalen katholischen Hilfsorganisationen wie dem „NCWC“. Auch das 1953 eingeweihte Altersheim „St. Nikolaus“ in München beschäftigte eine Fürsorgerin des „NCWC“.80 Im „Altersheim Varel“ organisierte dieser mit dem „Deutschen Caritasverband“ die seelsorgerische Betreuung der katholischen 73 74 75 76
77 78 79 80
In der Ukraine dominierten die ukrainisch-orthodoxe und die ukrainisch-griechisch-katholische Kirche: Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 297. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 301–303. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 307. Die 1917 in den USA gegründete „National Catholic Welfare Conference – War Relief Services“ (NCWC) war als große international tätige katholische Hilfsorganisation u. a. auch in der DP-Betreuung tätig. Vgl. z. B. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 29. Vgl. u. a. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 249. Vgl. z. B. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 29. Vgl. u. a. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 249. Zudem verfügten bereits anfang der 1950er Jahre alle bayerischen Diözesen über ein eigenes NCWC-Caritasbüro: ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 5; S. 10.
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5. Das Heimmilieu
Heimbewohner.81 Zugleich fungierten die internationalen kirchlichen Organisationen weiterhin als wichtige Geldgeber. Unter anderem gehörte die Organisation und Verteilung von Sach- und Geldspenden zu ihren Aufgaben. Die Altersheime für „heimatlose Ausländer“ benötigten v. a. Textilspenden, insbesondere „Oberbekleidung für Männer und Frauen“ sowie Schuhe.82 Die Finanzierung der Heime sowie der Maßnahmen zur Betreuung alter und pflegebedürftiger Ausländer erfolgte – häufig auch auf regionaler Ebene83 – ebenfalls unter Beteiligung ausländischer Hilfsorganisationen.84 Im Fall der evangelischen und der orthodoxen Kirchen bestanden allein schon durch die gemeinsame Zugehörigkeit zum „World Council of Churches“ gute Kontakte zwischen den deutschen und den ausländischen Kirchen.85 Daneben existierten weitere, oft seit Jahrhunderten bestehende Verbindungen, z. B. zwischen den lettischen und den deutschen Protestanten. Deren gemeinsame evangelisch-lutherische Konfessionszugehörigkeit förderte in erheblicher Weise das Vertrauen der in Deutschland verbleibenden Letten in die deutschen protestantischen Kirchengemeinden.86 Als entscheidend für die Beziehungen erwies sich zudem das politische und persönliche Verhältnis zu den Deutschen bzw. die Frage, ob die betroffenen Personen sich als Opfer des Nationalsozialismus oder aber als dessen Sympathisanten verstanden. Da z. B. zahlreiche Letten im Krieg auf Seite der Deutschen gestanden hatten, zeigten sie ein wesentlich größeres Interesse an einem Anschluss an die deutschen Kirchengemeinden als ehemalige Zwangsarbeiter. Aufgrund der zu geringen Anzahl fremdsprachiger evangelischer Pastoren sollte die Betreuung der evangelischen Heimbewohner von ihren deutschen Kollegen übernommen werden, was als wichtiger Beitrag zur „Lösung der schwierigen Aufgabe der Eingliederung der (…) DPs in die deutsche Kirche“ verstanden wurde.87 Im „Evangelischen Altersheim Insula“, das vorwiegend Letten evangelischen Glaubens betreute, bemühte sich der im Heim tätige evangelische Pastor demzufolge sehr um einen näheren Austausch zur einheimischen evangelischen Bevölkerung.88 1953 forderte auch die „Evangelische Kirche in Deutschland“ die „Ghettos der heimatlosen Ausländer“ zu durchbrechen, um „endlich“ einen besse81 Z. B. LkAH, E 52, Nr. 367: Betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 1; 82 ADiCVMü., O. N.: Das schwarze Brett. Textilspende aus Holland, in: CD, 6. Jhg., H. 5, 1953, S. 54 f. 83 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone. 2014, S. 313. 84 Vgl. z. B. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 29 f. 85 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 230.; https://www.oikoumene.org/de/ about-us/history. 86 Franzenburg, G.: Dievs, svêtı Latviju! – Gott segne Lettland! 2016, S. 203–230; S. 208. 87 LKA 421, acc. 46/76, Nr. 102: Betr. d. Lager für „DPs“ 1949–1956, 1960: LWF, Bad Salzuflen, an Bischof Erdmann, Braun., v. 8.6.1950. 88 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 7. Dass es sowohl in Lettland als auch in Deutschland zahlreiche deutsch-lettische Familien gab, wirkte sich ebenfalls positiv auf die Beziehung zwischen den lettischen DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ und der deutschen Aufnahmegesellschaft aus: Franzenburg, G.: Dievs, svêtı Latviju! – Gott segne Lettland! 2016, S. 203–230; S. 208.
5.3 Religiöses Umfeld
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ren Kontakt zur deutschen Bevölkerung herstellen zu können.89 Viele deutsche Kirchengemeinden organisierten daraufhin zur Einbindung der „heimatlosen Ausländer“ – u. a. in Kooperation mit deutsch-baltischen Vereinen – z. B. „baltische“ Abende, die insbesondere der Traditionspflege dienen sollten.90 In vielen Fällen stießen die Angebote der deutschen Kirchengemeinden bei den „heimatlosen Ausländern“ aber auf wenig Resonanz. Die Hauptgründe dafür lagen in mangelnden deutschen Sprachkenntnissen sowie einer misstrauischen Haltung gegenüber den deutschen Institutionen. Demzufolge entstanden letztlich nur selten engere Kontakte zwischen den deutschen und den ausländischen Gläubigen. Für „heimatlose Ausländer“, die nach dem Rückzug der Alliierten „Beratung und Unterstützung in ihren Lebensnöten“ benötigten, gehörten die deutschen christlichen Wohlfahrtsverbände aber durchaus zu den ersten und v. a. als vertrauenswürdig geltenden Ansprechpartnern.91 Dabei fungierten die Mitarbeiter der Wohlfahrtsverbände z. B. bei „Verständigungsschwierigkeiten“ mit den deutschen Behörden als Vermittler und Dolmetscher. Obwohl die religiöse Heterogenität der Bewohner, wie später näher erörtert, zu vielen Konflikten führte, bestand v. a. in Einrichtungen, in denen für jede Konfession eigene Geistliche und Räumlichkeiten bereit standen und somit ein Konkurrenzverhältnis unterbunden werden konnte, ein erstaunlich harmonisches Verhältnis zwischen den verschiedenen Konfessionen.92 Auch wenn sich in diesen Einrichtungen der religiöse Alltag und die Beziehung zwischen den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften eher durch ein tolerantes „Nebeneinander“ als durch großes gegenseitiges Interesse auszeichneten, strebten – zumindest die Heimträger – eine Zusammenarbeit auf ökumenischer Ebene an. Beispielsweise wurde die 1962 in der „Beckhofsiedlung“ errichtete „Beckhof-Kirche“ mit einer ökumenischen Feier eingeweiht, die alle Bewohner einbezog.93 Laut Aussage der Siedlungsleitung gehörten die in der Kirche weiterhin stattfindenden ökumenischen Gottesdienste sogar zu den „Höhepunkten“ des kirchlichen Lebens der Siedlung.94 Für die Siedlungsbewohner sollte die „einzigartige“, „weil wahrhaft ökumenische“ Beckhof-Kirche, sogar als „Klammer, die alles zusammenhielt“ fungieren und zur Festigung der Gemeinschaft beitragen.95 Die Herstellung einer ökumenischen „Harmonie“ 89 LkAH, L 3 III, Nr. 1502: EK in Dt., Kirchenkanzlei, Hann. an d. Leitungen d. dt. ev. LK, v. 13.3.1953, S. 3. 90 Franzenburg, G.: Dievs, svêtı Latviju! – Gott segne Lettland!, 2016, S. 208. 91 LkAHN, B. 160, Nr. 49: Jahresber. 1966, Hilfe für HA, o. D. 92 Anders war dies z. B. im großen Lager „Augustdorf“, in dem es zu Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern der verschiedenen orthodoxen Glaubensrichtungen kam. In der Beckhofsiedlung wurde himgegen nicht mehr über solche Vorfällen berichtet: Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 53. 93 Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, Stuttgart 2006, S. 374–381; S. 379; http://ukrainische-orthodoxe-kirche.de/40985/126101.html. 94 Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, Stuttgart 2006, S. 374–381; S. 379; http://ukrainische-orthodoxe-kirche.de/40985/126101.html. 95 http://www.bethel-historisch.de/rundgang/index.html.
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5. Das Heimmilieu
wurde auch in anderen Einrichtungen aktiv gefördert. Beispielsweise organisierte das evangelische „Insula-Heim“ ökumenische Gottesdienste, an denen auch die überwiegend katholischen deutschen Bewohner teilnehmen konnten.96 Im großen „Evangelischen Altersheim für heimatlose Ausländer Varel“ fanden zudem regelmäßige, von einem evangelischen Pastor geleitete ökumenische Rundgespräche statt, an denen jedoch nur wenige Heimbewohner teilnahmen.97 Im Jahr 1952 z. B. waren es lediglich zehn Personen.98 An diesem Beispiel wird abermals deutlich, dass es v. a. die Heimträger und weniger die Heimbewohner waren, die einen vermehrten Austausch zwischen den Konfessionen anstrebten. Der Wunsch nach einer verbesserten interkonfessionellen Zusammenarbeit bezog sich z. T. auch auf die Mitarbeiter der Altersheime. So berichteten viele Einrichtungen, trotz konfessionell bedingter Konflikte und Rivalitäten, über eine erstaunlich gute Zusammenarbeit. Das in einer katholischen Umgebung eingerichtete „Insula-Heim“ beschäftigte neben den evangelischen Mutterhausschwestern und Mitarbeitern sogar zu etwa 50 Prozent katholisches Personal, darunter v. a. Handwerker und Hilfskräfte.99 1965 äußerte sich der evangelische „Anstaltspfarrer“ der „Insula“ sogar lobend über eine katholische Krankenschwester, die in der Pflegestation seit zwölf Jahren mit ihrer „unendlichen Liebe“ die katholischen deutschen Heimbewohner betreute.100 Gleichermaßen positiv bewertet wurde die stete Zunahme katholischer Bewohner, die sich v. a. aus der einheimischen deutschen Bevölkerung rekrutierten. Dabei bestand seitens des evangelischen Heimträgers jedoch zugleich die Hoffnung, dass die einheimischen Katholiken in der „Insula“ nicht nur die „Liebe unserer evangelischen Schwestern“ kennen lernen, sondern letztlich auch die „evangelische Kirche lieben“ lernen würden.101 Nach Ansicht des „Anstaltspfarrers“ galt die „Insula“ in der katholischen Bevölkerung sogar als „der“ „Repräsentant der evangelischen Kirche schlechthin“, sodass deren Ruf keinesfalls gefährdet werden durfte.102 Unter den DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ befanden sich, wie oben ersichtlich, auch zahlreiche Geistliche, bei denen es sich Großteils um Flüchtlinge aus den kommunistisch regierten Staaten handelte.103 Beispielsweise 96 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 7. 97 LkAH, E 52, Nr. 367: Betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 1. 98 So beteiligten sich etwa zehn Deutsche an den Gesprächen: LkAH, E 52, Nr. 367: Betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 1. 99 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 6. 100 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 6 f. 101 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 7. 102 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 7. 103 Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 250 f. In den folgenden Jahren entschloss sich der Großteil zur Auswanderung: Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone. 2014, S. 311. Die ausländischen christlichen Geistlichen erhielten bis 1950 finanzielle Unterstützung von der „UNRRA“ bzw. der „IRO“. Nach dem Rückzug der „IRO“ wurden die in Deutschland verbliebenden Geistlichen von deutschen und ausländischen Organisationen unterstützt. Mitte der 1950er Jahre wurden z. B. die in Westdeutschland tätigen 77 orthodoxen Priester sowohl durch die britischen und amerikanischen Militärverwaltungen als auch durch den „Ökumenischen Rat der Kir-
5.3 Religiöses Umfeld
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lebten im Jahr 1949 etwa 138 orthodoxe Priester in Westdeutschland, darunter sogar alle zwölf Bischöfe der ukrainisch-orthodoxen Kirche.104 Als kleiner erwies sich die Anzahl evangelischer Pastoren,105 die zumeist aus den baltischen Ländern stammten.106 Vergleichsweise klein war die Anzahl kalmykischer, d. h. buddhistischer Mönche und Priester.107 In nahezu allen „Ausländerheimen“ konnten sowohl Gottesdienste als auch eine mehr oder weniger regelmäßige seelsorgerische Betreuung gewährleistet werden.108 Selbst die buddhistischen Mönche erhielten nach vielen Jahren religiöser Unterdrückung die Möglichkeit zur regelmäßigen Durchführung religiöser Zeremonien.109 Handelte es sich um Heime mit einer konfessionell und sprachlich homogenen Bewohnerklientel, erwies sich die Bereitstellung eines entsprechenden Priesters oder Pastors häufig als vergleichsweise unkompliziert. In Einrichtungen, in denen Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit Aufnahme fanden, mussten hingegen nicht nur evangelische und katholische, sondern ebenfalls russisch- und serbisch-orthodoxe, russisch-ukrainische, griechisch-katholische sowie kosakisch-orthodoxe Gottesdienste abgehalten werden.110 Folglich wurden mehrere Geistliche zur Betreuung der Heimbewohner benötigt. Wohnten die Priester und Pastoren selbst im Heim,111 was häufig der Fall war, fanden oftmals sogar wöchentliche Gottesdienste statt. In der Beckhofsiedlung lebte z. B. ein ukrainisch-orthodoxer Priester, der jeden Sonntag die Messe las.112 Im „Altersheim Varel“ erfolgte die Betreuung der orthodoxen und evangelischen Bewohner entweder ebenfalls durch Geistliche, die selbst im Heim lebten oder aber durch sog. „auswärtige“ Geistliche aus der Gemeinde Varel oder der näheren Umgebung.113 Da Anfang der 1960er Jahre, nach dem Tod des lettischen Seelsorgers, auch in der „Insula“ ein auswärtiger
104 105 106 107 108 109 110 111 112
113
chen“ besoldet. LkAH, L 3 III, Nr. 1502: EK in Dt., Kirchenkanzlei Hann. an d. Leitungen d. dt. ev. LK, v. 3.12.1954, S. 2. Die Bezahlung der protestantischen Pastoren erfolgte durch die „Evangelische Kirche in Deutschland“: Zocher, P.: Edo Osterloh – vom Theologen zum christlichen Politiker, 2007, S. 285. Weitere Finanzierungshilfen für die christlichen Geistlichen erfolgten aus staatlichen Mitteln sowie durch Spenden der internationalen Wohlfahrtsorganisationen wie der NCWC, z. B. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 30. Antons, J.-H.: Flucht ins „Dritte Reich“. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 230. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 252. Vgl. dazu z. B. Aged DPs to Go under German Care, 1950, Fotografie Nr. 4, S. 16. 1951 waren z. B. in Nord-Württemberg sechs orthodoxe Priester, ein ungarischer Pfarrer, ein estnischer Pfarrer und vier lettische Pfarrer tätig: LkASt, B.: DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 8. Vgl. z. B. http://www.ev-heimstiftung.de/fileadmin/evhst/images/unternehmen/publica tionen/magazin/2010-4.pdf. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 242. Z. B. LkAGH, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an HW d. EKHN, Frank., v. 41.1.1968. Die Mitglieder anderer Konfessionen konnten z. T. nur gelegentlich von einem Geistlichen seelsorgerisch betreut werden: Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 53. LkAH, E 52, Nr. 367: Betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 1.
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5. Das Heimmilieu
Pastor eingesetzt werden musste, erhielt dieser – um häufiger kommen zu können – einen Reisekostenzuschuss.114 Im Darmstädter Heim konnte bis Mitte der 1960er Jahre ebenfalls eine regelmäßige Betreuung der russischen Bewohner durch einen orthodoxen Priester gewährleistet werden. Als dieser verstarb und sich kein Nachfolger fand,115 übernahm letztlich ein 87-jähriger Priester, der mit seiner Ehefrau bereits selbst im Heim lebte, die Seelsorge.116 Aufgrund seines hohen Alters war er jedoch auf die Unterstützung von zwei auswärtigen Kollegen angewiesen.117 Diese Regelung stellte sich jedoch als eine äußerst unbefriedigende Notlösung heraus, da weder eine „geistliche Einzelbetreuung der Bewohner“ noch bei Sterbenden eine rasche Spende der heiligen Sakramente gewährleisten werden konnte.118 Dass Mitte der 1970er Jahre anstatt des gewünschten russisch-orthodoxen Geistlichen ein serbisch-orthodoxer Priester im Darmstädter Heim die Gottesdienste abhielt, stieß ebenfalls auf Ablehnung.119 Da im „Altersheim Dornstadt“ kein fremdsprachiger evangelischer Pastor zur Verfügung stand, musste schließlich sogar ein kirchlicher „Laie“ – in diesem Fall der Heimleiter – den monatlich stattfindenden evangelischen Gottesdienst abhalten.120 Aufgrund der insgesamt geringen Anzahl an fremdsprachigen und orthodoxen Geistlichen, bestand für viele gläubige Heimbewohner nur selten die Möglichkeit an einem Gottesdienst ihrer Konfession und in ihrer Muttersprache teilzunehmen. Gleichfalls mussten die alten Menschen oft wochenlang auf eine seelsorgerische Betreuung verzichten, wobei den Priestern und Pastoren ohnehin kaum Zeit für die individuellen Anliegen der alten Menschen blieb, da sie nicht selten mehrere Lager und Heime betreuten.121 In Süddeutschland besaß Anfang der 1950er Jahre z. B. lediglich ein Pfarrer die Zuständigkeit für insgesamt 900 evangelische DPs.122 Da die alten Menschen zumeist auch auf die ihnen vertraute sakrale Musik, z. B. den Chorgesang der russisch-orthodoxen Kirche, verzichten mussten, wurde in den Gottesdiensten oft auf die Hilfe technischer Tonträger zurückgegriffen.123 114 115 116 117 118
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LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: AH Insula an d. Kanzlei d. EK in Dt., Hann., v. 27.3.1962. LkAHN, B. 160, Nr. 31: Pf. Rathgeber, v. 15.7.1965. LkAHN, B. 160, Nr. 31: Pf. Rathgeber, v. 15.7.1965. Bei einem Priester handelte es sich um einen Deutschen russisch-orthodoxen Glaubens, der hauptberuflich bei der Bundesbahn beschäftigt und bereits zuvor als zweiter „Hauspriester“ im Heim tätig war: LkAHN, B. 160, Nr. 31: Pf. Rathgeber, v. 15.7.1965. LkAHN, B. 160, Nr. 31: Pf. Rathgeber, v. 15.7.1965; LkAHN, B. 160, Nr. 31: LkAHN, Pf. Kutsch, Mainz an Pf.?, v. 4.7.1965. Erst als etwa ein Jahr später der Sohn eines bereits im Heim tätigen auswärtigen Priesters im Heim eingesetzt wurde, entspannte sich die Situation: LkAHN: B. 160, Nr. 31: Ber. über Besuch d. TF im AH Darm. an Pf. Rathgeber, v. 28.6.1966. LkAHN, B. 160, Nr. 30: E. Ludolph, ökumen. Diak. Frank., an AH Darm., v. 13.4.1975. Dabei wurde der Heimleiter, der für seine neue Aufgabe offiziell vom Oberkirchrat bemächtigt worden war, jedoch darumgebeten, „von der Benützung des Talars abzusehen“: LKASt, B. L1 Diak. Werk, Nr. 2488: Oberkirchenrat, Stu. an AH Dorn., v. 23.7.1953. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 312. LkASt, B.: DW, Nr. 1500: DP-Sitzung am 19.9.1950 im Tor-Hospiz. So konnten sich z. B. auch die Bewohner des „Altenwohnheim Darmstadt“ mit Hilfe eines gespendeten Kassettenrekorders jederzeit Tonaufnahmen von den Gesängen der
5.4 Feste im Heim
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Die in den Unterkünften für DPs und „heimatlose Ausländer“ tätigen Geistlichen besaßen ein sehr hohes Ansehen.124 Besuche von hohen kirchlichen Würdenträgern, z. B. bei der Heimeinweihung oder an den hohen kirchlichen Feiertagen, stellten demzufolge ein großes Ereignis im Heimalltag dar.125 5.4 Feste im Heim Zu den Höhepunkten im Heimalltag gehörten sowohl religiöse als auch weltliche Festlichkeiten. Die wichtigen christlichen religiösen Feiertage, wie Ostern und Weihnachten, wurden in allen Einrichtungen begangen, zumeist unter Teilnahme des Personals. In den „Ausländerheimen“ fanden ebenfalls die religiösen Riten und Bräuche der verschiedenen Konfessionen Berücksichtigung. Beispielsweise investierten die Mitarbeiter und Bewohner des „Evangelischen Altersheims für heimatlose Ausländer Varel“ sehr viel Arbeit in die Vorbereitung des orthodoxen Osterfestes, dem Hauptfest der orthodoxen Kirchen.126 Im „Altenwohnheim Darmstadt“ gab es daher auch erhebliche Widerstände, als der deutsche evangelische Heimleiter Anfang der 1960er Jahre den Beschluss fasste, das orthodoxe Osterfest zukünftig ausfallen zu lassen.127 Bislang hatte das Heim sowohl eine Feier für die deutschen als auch für die russischen Bewohner ausgerichtet. Da sich die orthodoxen Feiertage aber nicht nach dem gregorianischen Kalender richteten, fielen das russische und das deutsche Osterfest – wie auch das Weihnachtsfest – fast nie auf das gleiche Datum. Für das Heimpersonal verband sich mit der Organisation von zwei Feiern jedoch zusätzlicher Aufwand, wohingegen die geplante Beschränkung auf die deutschen Festtage zu einer deutlichen Einsparung von zusätzlicher Arbeit, Zeit und Kosten führen würde. Den streng gläubigen russischen Heimbewohnern war es hingegen durch die Terminverschiebung nicht mehr länger möglich, die orthodoxen Fastenregeln einzuhalten, zumal diese zukünftig auch im Speiseplan keine Berücksichtigung finden sollten.128 Begründet wurde die Streichung des orthodoxen Osterfestes mit dem stetig wachsenden Anteil der deutschen Bewohner im Haus.129 Obwohl das „Altenwohnheim Darmstadt“ primär „heimatlosen Ausländern“ orthodoxen Glaubens eine neue Heimat bieten sollte, die sich ohnehin in einer schwierigen Lage befanden, schien der Heimleiter kein Gespür für ihre Bedürfnisse zu besitzen. Stattdessen stellte er neben wirtschaftlichen Aspekten, d. h. der Einsparung von Kosten und Ar-
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russisch-orthodoxen Liturgie anhören: LkAHN, B. 160, Nr. 30: AH Darm. an E. Ludolph, ökumen. Diak., Frank., v. 23.12.1975. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 249. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014 S. 303. LkAH, E. 52, Nr. 367: AH Varel (Heimfürsorgerin) an Dr. Nordhoff, Hann., v. 20.4.1955. LkAHN, B. 160, Nr. 26: TF Mü. an Pf. Rathgeber, v. 10.3.1961. LkAHN, B. 160, Nr. 26: TF Mü. an Pf. Rathgeber, v. 10.3.1961. LkAHN, B. 160, Nr. 26: TF Mü. an Pf. Rathgeber, v. 10.3.1961.
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5. Das Heimmilieu
beitszeit, v. a. das Wohl der deutschen Heimbewohner über dasjenige der „heimatlosen Ausländer“. Da aber auch die nachfolgenden Heimleiter an dieser Regelung festhielten und somit weiterhin nur noch das „deutsche“ Osterfest gefeiert wurde, stellte 1975 z. B. auch eine Fürsorgerin der „ökumenischen Diakonie“ die Frage, ob die Bedürfnisse der russischen Heimbewohner „so übergangen werden“ dürften.130 Vielmehr sollten sich nach Ansicht von Erica L. im Heim nicht nur die Russen an die Deutschen anpassen müssen, sondern beide Bewohnergruppen, d. h. auch deren Traditionen, gleichermaßen Berücksichtigung finden.131 Für die deutschen Heimträger und -Leitungen erwies es sich als wesentlich unkomplizierter, wenn sich der Großteil der Heimbewohner vorwiegend aus Protestanten oder Katholiken zusammensetzte. Obwohl in den „Ausländerheimen“ ebenfalls osteuropäische Traditionen Berücksichtigung fanden, wurde z. B. auch im „Adrian-Marshall-Home“, das vorwiegend evangelische Balten versorgte, das Osterfest mit deutschen Bräuchen begangen, u. a. erhielten die alten Menschen ein mit „Ostergras“ und Eiern gefülltes „Osterkörbchen“.132 Zu den weiteren Höhepunkten im Heimalltag gehörte das Weihnachtsfest. Wie auch im Fall des Osterfestes existierten auch beim Weihnachtsfest kalendarische Abweichungen zwischen den Ost- und Westkirchen. Vielfach erfolgte aber eine Angleichung an die deutschen Feiertage bzw. an den gregorianischen Kalender. Auch im „Altersheim Dornstadt“ feierten alle Konfessionen gemeinsam. Wie auch in anderen Heimen fanden die Weihnachtsfeiern für die Bewohner bereits am 21. Dezember statt, da ein Teil des Personals an den Feiertagen Urlaub erhielt.133 Die Weihnachtsgottesdienste, verschiedene Musikdarbietungen sowie die Weihnachtfeier für die im Haus verbleibenden Mitarbeiter wurden aber am 24, 25 und 26. Dezember begangen.134 In allen „Ausländerheimen“ fanden – bedingt durch ihre kirchliche Trägerschaft – auch die übrigen christlichen Feiertage und Traditionen Berücksichtigung. So gab es z. B. in der Vorweihnachtszeit Adventgottesdienste, Nikolausfeiern, Krippenspiele und Konzerte.135 Neben den Bewohnern und dem Personal nahmen oft auch „Außenstehende“, v. a. das Heim unterstützende Vereine und Organisationen, an den Feierlichkeiten teil oder betätigten sich sogar aktiv an deren Vorbereitung und Durchführung. Im „Altenwohnheim Darmstadt“ beteiligten sich z. B. die Mitarbeiter der „Tolstoy-Foundation“ regelmäßig an den Weihnachtsfeiern für die russischsprachigen Bewohner. Anfang 1965 berichtete eine Mitarbeiterin der Foundation über das vergangene Weihnachtsfest, bei dem dieses Mal alles „perfekt“ gelaufen wäre und das auch die alten Menschen sehr „genossen“ hätten.136 Sogar das keineswegs bei allen Be130 131 132 133 134 135 136
LkAHN, B. 160, Nr. 30: E. Ludolph, ökum. Diak. Frank. an AH darm., v. 13.4.1975. LkAHN, B. 160, Nr. 30: E. Ludolph, ökum. Diak. Frank. an AH Darm., v. 13.4.1975. LkAW, acc. 109/07 HH, Nr. 233: Journal AMH, Monat: Juni/Juli 1950, S. 79. LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Veranstaltungen bis Sylvester 1961. LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Veranstaltungen bis Sylvester 1961. LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Veranstaltungen bis Sylvester 1961. LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 11.1.1965.
5.4 Feste im Heim
145
wohnern und Mitarbeitern beliebte Heimleiterehepaar hätte sich dieses Mal „großartig“ verhalten.137 Wie in den meisten Einrichtungen üblich wurden nicht nur die Tische festlich geschmückt, sondern auch die alten Menschen vom Heimträger bzw. der Heimleitung mit kleinen Geschenken bedacht.138 Oft handelte es sich um Präsente, die nach den individuellen – häufig zuvor mit Hilfe eines „Wunschzettels“ ermittelten – Wünschen der einzelnen Bewohner ausgewählt worden waren.139 Von der „Tolstoy-Foundation“ erhielten die alten Menschen zudem einen weihnachtlich verpackten Geldbetrag von fünf DM. Zusätzlich konnte, so auch im Jahr 1965, allen Bewohnern durch die Spende eines Darmstädter Kaufhauses ein „kleines Geschenk mit gewünschter Kleidung“ finanziert werden.140 Auch unter den Geschäftsleuten in Ulm war es üblich, an die alten Menschen im „Altersheim Dornstadt“ kleine Weihnachtsgaben, z. B. Schokolade oder Wein auszugeben.141 Da es im „Altenwohnheim Darmstadt“ bereits zuvor eine Weihnachtsfeier für die deutschen Bewohner gegeben hatte, waren zur oben erwähnten russischen Feier weder das deutsche Personal noch die deutsche Heimärztin eingeladen worden, was die Mitarbeiterinnen der „Tolstoy-Foundation“ jedoch sehr bedauerten.142 Um Probleme dieser Art zu umgehen, plädierte die „Betreuungsstelle für heimatlose Ausländer“ der evangelischen württembergischen Landeskirche dafür, die heimeigenen Weihnachtsfeiern möglichst „überkonfessionell“ zu gestalten, wobei auch die evangelischen Heime mit dem „Caritasverband“ und dem „NCWC“ zusammenarbeiten sollten.143 Die „heimatlosen Ausländer“ könnten, so die Hoffnung, auf diese Weise auch Kontakt zu Einheimischen bekommen und z. B. Kindergärten aus der Umgebung einladen.144 Um der deutschen Bevölkerung einen Einblick in die ost- und südosteuropäischen Weihnachtsbräuche zu gewähren, zeichnete ein Radiosender Ende 1959 in der Betheler „Beckhofsiedlung“ „Lieder und Ansprachen der verschiedenen Volksgruppen“ auf, die zuvor von den Bewohnern sorgfältig einstudiert worden waren.145 Darüber hinaus legten die christlichen Träger der neu errichteten Altersheime bereits vor dem Einzug der ersten Bewohner großen Wert auf eine angemessene Weihung des Grundsteins, des Heimgebäudes und der Kirchen137 Zudem durften die Heimbewohner an diesem Abend ihre Tischnachbarn selbst auswählen, während es im Alltag feste Tischgemeinschaften gab: LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF Mü., v. 11.1.1965. 138 Im Darmstädter Heim standen auf den Tischen Teller mit Früchten und Süßigkeiten sowie jeweils eine Flasche Wein für vier Personen: LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 11.1.1965. 139 LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 11.1.1965. 140 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 141 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Dr. Kraut an Ev. Oberkirchenrat, Stu. v. 15.11.1955. 142 LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 11.1.1965. 143 LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 9. 144 LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 9. 145 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An A. G. Shanley, Nations Unies, Office du HautCommissaire pour le Refugies, Genf, v. 2.1.1959, S. 1.
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5. Das Heimmilieu
räume durch einen kirchlichen Würdenträger. Meist wurde das Ereignis fotografisch festgehalten und in der regionalen Presse publik gemacht.146 Ein feierliches Ereignis stellte somit z. B. die Weihung des Grundsteins des Münchner Caritas-Altersheims durch einen katholischen Bischof dar.147 Anwesend waren u. a. Vertreter des „Caritasverbands“, der „IRO“, des „NCWC“, der bayrischen Staatsregierung, der Münchner Stadtverwaltung sowie der katholischen DPs, die mit „Hammerschlägern auf dem Grundstein ihre Wünsche“ niederlegen durften.148 Obwohl sich das für russisch-orthodoxe „heimatlose Ausländer“ in Darmstadt erbaute Heim in evangelischer Trägerschaft befand, erfolgte die Weihe des Hauses durch den Erzbischof der „Orthodoxen Kirche in Deutschland“.149 Demnach war also nicht die Konfession des Heimträgers bestimmend für die Gestaltung der Weihungszeremonie, sondern primär diejenige der zukünftigen Bewohner. Neben den religiösen Festen und Feierlichkeiten trugen kleinere Veranstaltungen wie „Feste und Bräuche der Volksgruppen“ zur Auflockerung des Alltags bei.150 Die meisten Heime, v. a. die neu errichteten Häuser verfügten über eigene Räumlichkeiten, meist in Form eines großen Festsaals, in denen regelmäßig Gemeinschaftsveranstaltungen für alle Bewohner stattfanden.151 Das Altersheim „Insula“ bot z. B. bereits Anfang der 1950er Jahre zweimal wöchentlich kulturelle Veranstaltungen, u. a. Musik und Filmabende.152 Auch das Münchner Altersheim „St. Nikolaus“ organisierte für die alten Menschen Theater- und Filmabende sowie von den „verschiedenen Nationalitäten“ initiierte Beiträge.153 Zumeist waren es auswärtige Veranstalter wie Musik- und Tanzgruppen, die im Rahmen von Tourneen auch in Altersheimen auftraten. 1964 stattete z. B. eine schottische Tanzgruppe dem „Altenwohnheim Darmstadt“ einen Besuch ab.154 Auf Einladung der Stadt traten sogar russische Schauspie146 ADiCVMü.: O. N. Der Kardinal weiht d. neue AH d. Caritas, in: CD, 6. Jhg., H. 5, Mai 1953, S. 49; http://www.berchtesgaden-evangelisch.de/5kirchen/insulakirche.php; Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 379. 147 ADiCVMü.: O. N.: Grundsteinlegung d. AH St. Nik. in Mü., in: CD, 5. Jhg., H. 1, 1952, S. 7; ADiCVMü.: O. N.: Der Kardinal weiht das neue Altersheim der Caritas, in: CD, 6. Jhg., H. 5, Mai 1953, S. 49. 148 Am Grundstein wurde zudem eine Tafel mit folgender Inschrift befestigt: „Die IRO übergab dieses Haus dem Caritasverband für alte und heimatlose Menschen – Januar 1952“: ADiCVMü. O. N.: Grundsteinlegung d. AH St. Nik. in Mü., in: CD, 5. Jhg., H. 1, 1952, S. 7. 149 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 150 HAB, SamEcka, Nr. 54: Aus Nazareth, Frauengeschichten 1997, v. H. Schindler. 151 Z. B. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2; LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN, S. 1. 152 LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Dez. 1951, Anl. Ab. eines Briefes. 153 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2. 154 Die Gruppe erhielt nach der Vorstellung eine kostenlose Kaffeemahlzeit im Heim: LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Thomas an AH Darm., v. 14.9.1964.
5.4 Feste im Heim
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ler im Heim auf und bereiteten den russischsprachigen Heimbewohnern, die aufgrund mangelnder deutscher Sprachkenntnisse seit Jahren nicht mehr ins Theater gegangen waren, eine besondere Freude.155 Zu den weiteren Freizeitangeboten der Heime gehörten Vorträge zu verschiedenen Themen, die ebenfalls überwiegend von auswärtigen Referenten abgehalten wurden.156 Da die Vortragenden im Heim zumeist eine Übernachtungsmöglichkeit und freie Verpflegung erhielten, sprach sich die Gastfreundlichkeit der „Ausländerheime“ schnell herum.157 Über die Bedeutung der Vortragsveranstaltungen, die oft ein religiöses Thema beinhalteten, schrieb die Vareler Fürsorgerin im Frühjahr 1955: „Diese Vortragsreisen stehen unter keinem anderen Gesichtspunkt als nur unter dem, den heimatlosen Ausländern eine kleine psychologische (das Wort seelsorgerische ist vielleicht zu anspruchsvoll) Hilfe zu geben“.158 Neben den im Heimgebäude stattfindenden Angeboten organisierten die Heimmitarbeiter zusätzlich Ausflüge und Stadtrundfahrten, die zumeist mit einer Kaffeemahlzeit verbunden wurden.159 Berücksichtung fanden ebenfalls die Geburtstage der einzelnen Heimbewohner. Das „Altenwohnheim Darmstadt“ z. B. organisierte monatlich eine gemeinsame Geburtstagsfeier für alle Bewohner, die im gleichen Monat Geburtstag hatten.160 Einige Kommunen spendierten allen Heimbewohnern, die auf öffentliche Unterstützung angewiesen waren und ein besonders hohes Alter erreicht hatten, zum Geburtstag einen Geschenkkorb.161 Hochaltrige „Geburtstagskinder“ erhielten auch in anderen Einrichtungen besondere Aufmerksamkeit. Im Dornstädter Heim wurde z. B. der hundertste Geburtstag einer Russin, die seit über zehn Jahren im Haus lebte, mit einer größeren Feier begangen, zu dem u. a. Vertreter der Gemeinde, der Inneren Mission sowie der Oberkirchenrat eingeladen waren.162 Einem Bericht der „Wochenschau“ von 1957 zufolge richtete sogar das große „Evangelische Altersheim Varel“ für seine Bewohner Geburtstagsfeste aus.163 Ob es sich bei diesem Beitrag tatsächlich um eine echte oder aber nicht vielmehr um eine extra für das Filmteam inszenierte Feier handelte, ist nicht mehr überprüfbar. Es ist jedoch fraglich, 155 Vgl. dazu http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 156 Die Referenten bereisten oft verschiedene Heime in der gesamten Bundesrepublik, z. B. LkAH, E. 52, Nr. 367: Ev. AH Varel (Heimfürsorgerin) an Dr. Nordhoff Hann., v. 20.4.1955. 157 So machte auch die im Altersheim Varel tätige Fürsorgerin die Erfahrung, dass die im Heim lebenden „heimatlosen Ausländer“ noch nie „Gäste ungegessen gehen liessen“: LkAH, E. 52, Nr. 367: Ev. AH Varel (Heimfürsorgerin) an Dr. Nordhoff Hann., v. 20.4.1955. 158 LkAH, E. 52, Nr. 367: Ev. AH Varel (Heimfürsorgerin) an Dr. Nordhoff Hann., v. 20.4.1955. 159 LkAHN, B. 160, Nr. 27: E. Ludolph, Besuch im AH Darm. am 22.1.1963. 160 LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN. 161 Dabei spielte es keine Rolle, ob es sich um Einheimische oder aber um „heimatlose Ausländer“ handelte. Die Übergabe der Präsente erfolgte zumeist durch eine städtische Fürsorgerin: LkAHN, B. 160, Nr. 26: Notiz für Pf. Rathgeber, v. 14.12.64, S. 2. 162 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: AH d. IM in Dorn. an Landesverb. für IM, Stu., v. 19.9.1912. 163 Beschreibung zur Wochenschau, v. 28.02.1957, Flüchtlinge im Altersheim Varel: www. deutsche-wochenschau.de/details-30-6-0-01_Varel_Fluechtlinge_im_Altersheim_DSP029 -.
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5. Das Heimmilieu
ob in dem zu diesem Zeitpunkt mit etwa 600 Personen belegten Heim für jeden einzelnen Heimbewohner eine reich gedeckte Kaffeetafel bereitgestellt werden konnte, zu der sogar eine mit Kerzen und kleinen Länderflaggen bestückte Geburtstagstorte gehörte.164 Wie der Großteil der medialen Darstellungen, die sich den „heimatlosen Ausländern“ in positiver oder zumindest neutraler Weise widmeten, fokussierten sich auch die oben genannten Radio- und Filmbeiträge auf die Traditionen und Bräuche der „heimatlosen Ausländer“. Typisch ist eine folkloristische Darstellungsweise, die den Ost- und Südosteuropäern weniger intellektuelle als künstlerisch-handwerkliche Fähigkeiten zusprach. So nahm auch die Kamera im Beitrag der „Wochenschau“ ganz bewusst die selbstbestickten Trachten sowie den aus Heimbewohnerinnen bestehenden Chor in den Fokus.165 Für die Heimbewohner stellte die – wenn auch seltende – Anwesenheit von Medienvertretern eine – zumeist willkommene – Abwechslung im Heimalltag dar. Darüber hinaus ergab sich für die alten Menschen bei diesen Gelegenheiten eine der wenigen Möglichkeiten, sich der deutschen Öffentlichkeit in einer anderen Rolle als der des bedauernswerten, hilfsbedürftigen „heimatlosen Ausländers“ zu präsentieren. 5.5 Freizeit Im Alltag verfügten die Heimbewohner, zumindest wenn sie keiner therapeutischen oder gewerblichen Beschäftigung nachgingen, über viel freie Zeit, die sie v. a. mit Spazierengehen, Gesprächen, Lesen, Handarbeiten, Karten- und Brettspielen oder der Ordnung ihres Zimmers ausfüllten.166 Den im „Altenwohnheim Darmstadt“ lebenden alten Menschen stand sogar eine kleine Bibliothek mit russischer Literatur und den aktuellen Tageszeitungen zur Verfügung, die von zwei Bewohnern verwaltet wurde.167 In den „Ausländerheimen“ spielte Musik eine auffallend große Rolle. Nicht wenige Heimbewohner besaßen eine musikalische Ausbildung und waren vor oder nach dem Krieg sogar als Berufsmusiker tätig gewesen.168 Dass die Bewohner des „Altenwohnheim Darmstadt“ auch im Alltag russische Volksmusik hören konnten, die durch Lautsprecher im ganzen Haus übertragen wurde, stieß daher auf äußerst positive Reso164 Beschreibung zur Wochenschau, v. 28.02.1957, Varel: Flüchtlinge im Altersheim: www. deutsche-wochenschau.de/details-30-6-0-01_Varel_Fluechtlinge_im_Altersheim_DSP029 -. 165 Beschreibung zur Wochenschau, v. 28.02.1957, Varel: Flüchtlinge im Altersheim: www. deutsche-wochenschau.de/details-30-6-0-01_Varel_Fluechtlinge_im_Altersheim_DSP029 -. 166 Vgl. z. B. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 64. Beim Lesen wurden Zeitschriften, Tageszeitungen und Bücher bevorzugt: Beske, F.: Das Gemeinschaftsleben in Altersheimen, 1960, S. 67; Buchan, L.: Altenheime – Altenwohnheime, 1966, S. 96 ff.; S. 110; Lohmann, S.: Die Lebenssituation älterer Menschen in der geschlossenen Altersfürsorge, 1970, S. 111 ff. 167 LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN, S. 1. 168 Vgl. z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: TF Frank., an AH Darm., v. 31.10.1967.
5.5 Freizeit
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nanz.169 1975 spendete die „Tolstoy-Foundation“ dem Heim zudem Geld für einen Kassettenrekorder.170 Ansonsten nutzten viele Menschen ihre eigenen Radiogeräte.171 Die Beschäftigungstherapeutin des „Evangelischen Altersheims Varel“ nutzte die positive Wirkung von Musik auch ganz gezielt im heimeigenen Werkraum zur Motivation der Teilnehmer. Dabei erwiesen sich v. a. Radioprogramme und Schallplatten mit osteuropäischer Volksmusik und klassischer Musik als sehr beliebt.172 Ab den späten 1960er Jahren hielt das Fernsehen Einzug in die Altersheime, woraufhin in vielen Häusern spezielle „Fernsehräume“ eingerichtet wurden.173 Darüber hinaus gingen die Heimbewohner individuellen, nicht von den Heimmitarbeitern organisierten Lieblingsbeschäftigungen nach, die je nach Bildungs- und Herkunftsmilieu, von Handwerk und Handarbeiten bis zu wissenschaftlichen Tätigkeiten reichten.174 Beispielsweise betrieb ein im „Altersheim Dornstadt“ wohnender Professor der Philologie weiterhin wissenschaftliche Arbeiten, wobei sich jedoch die Bereitstellung von Fachliteratur überaus schwierig gestaltete.175 Beliebt, zumeist jedoch von der Heimleitung nicht erlaubt bzw. lediglich toleriert, war auch die Haltung von Tieren. Ein im „Beckhof-Altersheim“ lebender als „skurril“ beschriebener 68-Jähriger versorgte z. T. sogar bis zu 30 Katzen.176 Freude bereitete den Bewohnern des Heims im Jahr 1961 auch das Geschenk eines 87-Jährigen, der 28 Chinchillas in die Obhut des Heimgärtners übergab.177 Dass in einigen Einrichtungen, u. a. in Varel, Dornstadt und der „Insula“, die Möglichkeit zur eigenständigen Bewirtschaftung kleiner Gartenparzellen bestand, begrüßten v. a. die aus ländlichen Gebieten stammenden Menschen.178 Im Altersheim in Varel erhielt z. B. jeder Bewohner auf Wunsch 25 Quadratmeter Gartenland.179 In vielen anderen Heimen war es zudem erwünscht, wenn sich die Heimbewohner – oft gegen eine geringe Entlohnung – in den heimeigenen, gemeinschaft169 Vgl. z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 30: AH Dam. an E. Ludolph, ökumen. Diak. Frank., v. 23.12.1975; LkAHN, B. 160, Nr. 30: E. Ludolph, ökumen. Diak. Frank., v. 13.4.1975. Siehe zudem http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. Für Bewohner, die sich vorrangig für „klassische“ Musik interessierten bestellte die Heimleitung z. B. 1959 eine russische Opernschallplatte: LkAHN, B. 160, Nr. Nr. 29: AH Darm. an A. Orloff, Lemgo, v. 28.7.1959. 170 LkAHN, B. 160, Nr. 30: E. Ludolph an A. Ignatiew, v. 1.9.1975. 171 Z. B. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung, 1960, S. 53. 172 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service oft the refugees, 1955. S. 5. 173 Das „Altenwohnheim Darmstadt“ besaß z. B. zwei Fernsehgeräte, die – von der Stadtverwaltung und vom „Hessischen Rundfunk“ gespendet – „den begehrten Blick nach draußen vermitteln“: http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html; LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN, S. 1. 174 Buchan, L.: Altenheime – Altenwohnheime, 1966, S. 99. 175 Die Heimleitung unterstützte ihn bei der Suche nach Literatur und wollte z. B. auch bei der Universitätsbibliothek in Tübingen ein „gutes Wort“ für ihn einlegen: LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: AH Dornst. an Prof. Dr. Fezer, Tübingen, Ev. HW, v. 12.11.1952. 176 HAB Anst. 1 Nr. 943: Sozialdienst Beth. an Pf. Funke, Hauptverw. Beth., v. 17.8.1978. 177 Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration, 2008, S. 110. 178 https://www.schwaebische.de/home_artikel,-_arid,275171.html. 179 LkAH, E 52, Nr. 367: Betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952.
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5. Das Heimmilieu
lich genutzten Nutz- oder Ziergärten betätigten.180 Für Handwerks und Bastelarbeiten standen, wie später näher erläutert, spezielle, z. T. auch bewusst arbeitstherapeutisch ausgerichtete Werkräume zur Verfügung. Beispielsweise gab es im 1959 eröffneten Darmstädter Heim ein „bescheiden“ ausgestatteter Werkraum im Keller den Bewohnern „die Möglichkeit der Beschäftigung mit Bastelarbeiten, Weben und Werken“.181 Außerdem übernahm ein im Heim lebender ehemaliger Schuhmacher in der ebenfalls nur notdürftig eingerichteten Schusterwerkstatt Schuhreparaturen für seine Mitbewohner.182 Ein weiterer Heimbewohner gab, wie bereits erwähnt, mittels eigener Matrizen und eines Vervielfältigungsapparats eine serbischsprachige Zeitung heraus.183 Die Bewohnerinnen beschäftigten sich vorwiegend mit traditionell weiblich konnotierten Tätigkeiten, v. a. Handarbeiten wie Sticken oder Stricken.184 Wie erwähnt, waren diese aber z. B. in Varel ebenfalls Bestandteil der Beschäftigungstherapie und wurden daher sowohl von Männern als auch von Frauen ausgeführt.185 Da sich viele Frauen zudem „gern noch hausfraulich betätigen“ wollten, stand den Bewohnerinnen des Münchner Altersheims „im Interesse der hausfraulichen Betätigung und des familiären Charakters“, ein Wasch- und Bügelraum zur Verfügung.186 Während in einigen traditionellen deutschen Heimen bis in die 1950er Jahre eine Verpflichtung zur Mitarbeit im Haushalt, Garten oder der heimeigenen Landwirtschaft bestand, wurde in den Häusern für DPs und „heimatlose Ausländer“ bewusst auf diese Praxis verzichtet. So sollten sich v. a. die ehemaligen Zwangsarbeiter keinesfalls wieder zu irgendeiner Form von Arbeit gezwungen fühlen.187 Ein Arbeitseinsatz von Heimbewohnern auf freiwilliger Basis hingegen war aber vielfach üblich. Dabei bevorzugte das Personal eine geschlechtsspezifische Aufteilung der Tätigkeiten und beschäftigte die Frauen z. B. häufig mit Haus- und Küchenarbeiten. In einer Bildunterschrift in der Festschrift zur Eröffnung des Altersheims „St. Nikolaus“ heißt es daher: „Frauen helfen gerne in der Küche. Zeitlebens standen sie in ihrer östlichen Heimat am Herd“.188 Eine Bewohnerin des „Beckhof-Altersheims“ bat sogar explizit darum, „in der Küche helfen zu können“.189 In der „Insula“ betätigen sich die alten Menschen entweder ohne Lohn oder 180 Vgl. z. B. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 53. 181 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 182 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 183 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 184 Z. B. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Maurer, J.: Das Problem d. HA in Bay. u. seine Lösung, in: CD: Festschrift, S. 13. 185 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service oft the refugees, 1955. S. 2. 186 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 4. 187 Vgl. dazu auch LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 2. 188 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 19. 189 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 329: S., Jenny-Sophie: AH Beckhof, betr. Verlegung Jenny S., v. 23.11.1958.
5.5 Freizeit
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aber gegen eine geringe Entschädigung, z. B. in der Kirche, der Wäscherei, der Schreinerei, auf der Krankenstation und bei der Essensausgabe.190 Selbst eine nach einem Schlaganfall gelähmte Frau half mit nur einer Hand bei der Reinigung der Insula-Kirche.191 Im „Altenwohnheim Darmstadt“ wurden Bewohner u. a. „im Pfortendienst“, im Haushalt und der Küche eingesetzt.192
Abb. 8: Zwei Frauen beim Kartoffelschälen, v. 1953
Einen Teil ihrer Freizeit nutzten die alten Menschen zudem für Besuche von Bekannten oder Angehörigen außerhalb des Heimgeländes.193 Nicht wenige Heimbewohner verließen das Heim sogar für mehrere Wochen. Während die Heimleitungen kürzere und v. a. seltene „Urlaubsreisen“, meist zum Besuch von Familienmitgliedern, durchaus tolerierten,194 stieß die wiederholte längere Abwesenheit einzelner Bewohner hingegen auf wenig Akzeptanz. Dies betraf u. a. einen Bewohner des „Beckhof-Altersheims“, der häufig sogar für mehrere Wochen das Heim verließ.195 Als er im März 1961 „wieder für 26 Tage verreisen“ wollte, entschloss sich der Heimträger, da die „dauernden Beurlaubungen aus unserem Altersheim kaum länger tragbar“ sein würden, letztlich zur Verlegung des alten Mannes.196 190 191 192 193
LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 4. LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 4. http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 64. 194 Vgl. z. B. LkAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: Nds. MI an Präs. d. Nds. Verwaltungsbez. Old., v. 3.3.1951, betr. Beurlaubung v. HA in d. AH 195 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofs. an WA Mün., v. 16.3.1961. 196 Der Grund für diese Entscheidung beruhte dabei v. a. auf der Befürchtung, dass das Verhalten von Herrn T. auf Dauer „Schule machen“ könnte: HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofs. an WA Mün., v. 16.3.1961.
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5. Das Heimmilieu
Von Seiten der Heimträger wurde u. a. eine Diskussion darüber angestoßen, ob alle im Heim angebotenen Beschäftigungen zwangläufig für alle Bewohner geeignet sein würden. Beispielsweise hielt der Leiter der „Beckhofsiedlung“ „die Frage ob Alte sich mit musischen Dingen beschäftigen sollten“ lediglich für höher gebildete „Kreise“ für sinnvoll, wohingegen „für einfache Menschen“, die z. B. immer in einer Fabrik oder in der Landwirtschaft gearbeitet hätten, andere Angebote gemacht werden müssten.197 5.6 Beschäftigungs- und Arbeitstherapie Das herkömmliche Paradigma des ruhebedürftigen alten Menschen wurde ab etwa Mitte der 1950er Jahre durch die Erkenntnisse der rehabilitativen Medizin zunehmend in Frage gestellt. Als besonders sinnvoll galt eine Mischung aus zweckgebundener und „sinnfreier“ Tätigkeit.198 Dabei sollten nicht nur körperliche Beschäftigung, sondern ebenfalls geistige Abwechslung zur Verhütung eines schnellen Alterungsprozesses beitragen.199 Eine Vorreiterrolle nahmen die angelsächsischen, angloamerikanischen und skandinavischen Länder ein. In Deutschland hingegen blieb die gezielte, medizinisch und therapeutisch begründete körperliche und geistige Re- bzw. Aktivierung alter Menschen – v. a. bei Erkrankungen und Behinderungen – bis etwa Mitte der 1960er Jahre eine Ausnahme.200 Die Beschäftigung von Bewohnern in „deutschen“ Altersheimen beinhaltete daher vorwiegend Hilfstätigkeiten im Heimalltag.201 Dass die Betreuung der DPs und „heimatlosen Ausländer“ zu einem großen Teil mit Unterstützung ausländischer Hilfsorganisationen organisiert wurde, wirkte sich positiv auf die Qualität der in den „Ausländerheimen“ angebotenen Beschäftigungsangebote aus. So konnte eine individuelle therapeutische Betreuung der Heimbewohner zumeist nur durch die Mitarbeiter ausländischer Hilfsorganisationen gewährleistet werden. Auf Initiative des „WCC“ beschäftigte z. B. das „Evangelische Altersheim Varel“ Mitte der 1950er Jahre sogar die – nach eigenem Bekunden – „erste qualifizierte Beschäftigungstherapeutin […], die von der deutschen Verwaltung für ein westdeutsches Alters-
197 HAB 16/4, Beckhof Schriftwechsel 1955–1959: An d. Martinshof, Städtische Sozialwerk. u. Versorgungsheim, Bremen, v. 19.10.1959. 198 Schon in den frühen 1950er Jahren wurde auf die Notwendigkeit der „lebenserhaltenden und lebensfördernden“ Beschäftigungstherapie ohne wirtschaftlichen und disziplinarischen Nutzen verwiesen: LkAH, L 3 III, Nr. 228: Depuhl, A.: Wer bestimmt den Feierabend?, v. 22.11.1953; Kondratowitz, H.-J. v.: Allen zur Last, 1988, S. 107. 199 Krüger, C.: Wir müssen uns selbst im alten Menschen sehen, 1962, S.14. Die in Heimen verbreiteten Arbeiten wie Gemüse schälen u. ä. galten als zu eintönig und unkreativ: Zarncke, L.: Das Alter als Aufgabe, 1957, S. 108 f. Vgl. auch Rustemeyer, J.: Die Aufgabe der Beschäftigungstherapie bei der Behandlung alter Menschen, 1967, S. 111. 200 Vgl. z. B. Krüger, C.: Wir müssen uns selbst im alten Menschen sehen, 1962, S. 14. 201 Z. B. Cappell, E.: Von der Hilfspflege zur Profession, 1996, S. 34.
5.6 Beschäftigungs- und Arbeitstherapie
153
heim benannt wurde“.202 Indem die Therapie zuerst in einem DP-Altersheim Anwendung fand, wurde ebenfalls Neuland betreten und folglich „das Resultat dieses Experiments mit Interesse betrachtet“.203 Die für das „Experiment“ ausgewählten und unter verschiedenen gesundheitlichen und psychischen Störungen leidenden Heimbewohner erhielten im Zeitraum von Februar bis Dezember 1955 eine individuelle, medizinisch und sozialtherapeutisch ausgerichtete Form der Beschäftigungstherapie.204 Dabei informierte sich die Therapeutin Mrs. Johns sowohl vor als auch während der Therapiesitzungen ausführlich über jeden einzelnen Bewohner.205 Unter anderem erstellte sie zusammen mit dem Heimarzt eine Kartei, in der – soweit wie möglich – die Kranken- und Lebensgeschichte der für die Beschäftigungstherapie ausgewählten alten Menschen notiert wurde.206 In ihrem ersten Bericht an den „WCC“ schrieb Mrs. Johns: „I busied myself with learning as much as I could about the various potential patients, – their names, their nationalities an language, their religions, their diseases, their handicaps, their capacity for work. Those who were not housed in the Krankenstation, I visited in their homes, and learned their house and room numbers“.207 Die Therapie bestand u. a. aus Flechten, Stricken, Nähen und Weben, wobei z. B. den unter Handlähmungen leidenden Bewohnern spezielle orthopädische Webstühle zur Verfügung standen.208 Die benötigten Werkzeuge sowie die Webstühle und Nähmaschinen organisierte das Heim durch Spenden.209 Das katholische Münchner Altersheim „St. Nikolaus“ ermöglichte seinen Bewohnern ab etwa Mitte der 1950er Jahre ein beschäftigungstherapeutisches Angebot, das von der „Bruderhilfe der amerikanischen Katholiken durch den NCWC“, also ebenfalls vorwiegend durch Hilfe aus dem Ausland durchgeführt wurde.210 Auch die „v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel“ organisierten seit 1953 im „Ausländerlager Augustdorf“ – in Form der auf Anregung eines lettischen DP-Pastors eingerichteten gemeinnützigen Werkstätten „Frohes Schaffen“ – arbeitstherapeutisch ausgerichtete Angebote für alte Menschen.211 Aufgrund der langjährigen Erfahrung der „v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel“ auf dem Gebiet der Rehabilitation und der Arbeitstherapie konnten die Werkstätten – anders als in Varel und München – jedoch ohne Mitwirkung ausländischer Organisationen und Mitarbeiter realisiert wer202 203 204 205 206 207 208 209 210
LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955, S. 1. LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955, S. 1. LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 1. LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 2. LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 1. LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955, S. 1. LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 2 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 2. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 11. 211 Auf dem früheren Wehrmachtsgelände in Augustdorf lebten bis zu über 2.000 DPs bzw. Heimatlose Ausländer in einfachen Unterkünften: http://www.hauptarchiv-bethel.de/ publikationen-ausstellungen/internetpublikationen/die-beckhofsiedlung-heimat-fuer-hei matlose-auslaender.html.
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5. Das Heimmilieu
den.212 In „Augustdorf“ lebten überwiegend „heimatlose Ausländer“, die sich aufgrund körperlicher und seelischer Einbußen oder auch allein aufgrund ihres Alters nicht mehr vollständig in den „normalen“ Arbeitsmarkt integrieren ließen. Nach Verlegung bzw. Auswanderung der jüngeren und gesünderen Bewohner hatte sich das Lager zunehmend zu einem Problemfall für die „v. Bodelschwinghschen Anstalten“ entwickelt. Da die dort lebenden Menschen besonders gefährdet zu sein schienen, in Apathie zu verfallen, sollte mit Hilfe der Werkstätten, d. h. einer sinnvollen Betätigung, nicht nur ihre materielle, sondern v. a. auch ihre gesundheitliche Situation verbessert werden.213 Die sich als sehr erfolgreich erweisenden Augustdorfer Werkstätten erlangten innerhalb kurzer Zeit überregionale und sogar internationale Bekanntheit.214 In Bezug auf die Betreuung und Rehabilitation „heimatloser Ausländer“ galten sie sogar als Vorbild für andere Einrichtungen.215 Im Jahr 1958, d. h. infolge der Auflösung des Augustdorfer Lagers, wurden die Werkstätten in die neu errichtete „Beckhofsiedlung“ verlegt und weiter ausgebaut.
Abb. 9: In den Werkstätten der „Beckhofsiedlung“, o. D.
Ende der 1950er Jahre beschäftigten die Werkstätten auch 36 Bewohner des über etwa 60 Plätze verfügenden „Beckhof-Altersheims“ – darunter 30 Män212 Da arbeitstherapeutische Ansätze in der Tradition der Betheler Anstalten ohnehin eine wichtige Rolle spielten, stieß der Plan zur Einrichtung von Werkstätten sofort auf das Wohlwollen der Anstaltsleitung: http://www.hauptarchiv-bethel.de/publikationen-ausstellungen /internetpublikationen/die-beckhofsiedlung-heimat-fuer-heimatlose-auslaender.html. 213 http://www.hauptarchiv-bethel.de/publikationen-ausstellungen/internetpublikationen/ die-beckhofsiedlung-heimat-fuer-heimatlose-auslaender.html. 214 Viele Gäste kamen aus dem Ausland, u. a. Journalisten: HAB, UNO 1958–1963, 2/16– 18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., v. 14.6.1960. 215 Vgl. dazu http://www.hauptarchiv-bethel.de/publikationen-ausstellungen/internetpublika tionen/die-beckhofsiedlung-heimat-fuer-heimatlose-auslaender.html.
5.6 Beschäftigungs- und Arbeitstherapie
155
ner und sechs Frauen – mit vorwiegend arbeitstherapeutisch ausgerichteten Tätigkeiten.216 Ähnlich dem Werkraum in Varel boten die Betheler Werkstätten individuelle, medizinisch überwachte und an die Leistung der einzelnen Bewohner angepasste Arbeitsmöglichkeiten.217 Auf diese Weise würden, einer zeitgenössischen Untersuchung zufolge, insbesondere „Alten, Gebrechlichen und anderen wenig Leistungsfähigen Arbeitsplätze geboten, die den Fähigkeiten der Einzelnen individuell angepaßt werden“ könnten.218 Außerdem bestand auch hier ein wichtiges Therapieziel in der Stärkung des Selbstwertgefühls und der Reaktivierung vorhandener Ressourcen.219 Anders als in Varel, München oder Darmstadt diente der Arbeitseinsatz der Beckhof-Bewohner aber keineswegs nur therapeutischen Zwecken. Vielmehr übernahmen die Lagerbewohner in zunehmenden Maße – entlohnte – Auftragsarbeiten für die Industrie.220 Als Auftraggeber konnten verschiedene Bielefelder Firmen gewonnen werden, u. a. „Anker“ und „Dr. Oetker“.221 Dazu hieß es z. B. in einer „sozialhygienischen“ Untersuchung von 1960, in der die „Rentabilität“ der Werkstätten bzw. der Heimbewohner explizit hervorgehoben wurde: So hat selbst der Schwächste die Möglichkeit, noch etwas Sinnvolles zu tun und ein wenig Geld zu verdienen, und wird doch nicht – da diese Abteilungen rentabel arbeiten – zu einer finanziellen Belastung“.222 Besondere öffentliche Anerkennung erhielt die bereits 1954 in „Augustdorf“ gegründete werkstatteigene Briefmarkenabteilung,223 in der alte Freimarken vom Umschlag gelöst, gewaschen, sortiert und für den Briefmarkenhandel in gefensterte Päckchen sortiert wurden.224 Die Briefmarkenabteilung war in enger Verbindung mit dem „Lutherischen Weltbund“ sowie mit Beihilfen der UNO aufgebaut worden.225 Die 216 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 60. 217 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 85. 218 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 72. 219 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 85. 220 Der Großteil der in den Werkstätten beschäftigten Menschen hatten zuvor bzw. in ihren Herkunftsländern weder in der Industrie noch im Handwerk gearbeitet und besaßen somit keine Erfahrung auf diesem Gebiet. Bei den Frauen handelte es sich vorwiegend um ehemalige „Hausfrauen: Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 79. 221 http://www.hauptarchiv-bethel.de/publikationen-ausstellungen/internetpublikationen/ die-beckhofsiedlung-heimat-fuer-heimatlose-auslaender.html. 222 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S 72. 223 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 7; HAB, UNO 1958– 1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., v. 14.6.1960. 224 Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 375. 225 HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: Beckhofs. an Arnold Rørholt, Representive in Germany of the High Commissioner for Refugees, BonnBad G., v. 24.2.1955, S. 1 f.
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5. Das Heimmilieu
Beschaffung der Marken erfolgte durch Spenden aus dem In- und Ausland.226 Die im „Beckhof“ befüllten Briefmarken-Päckchen fanden bei Briefmarkensammlern in der ganzen Welt, v. a. in den USA, großen Absatz.227 Die Arbeit konnte sowohl in den Werkstatträumen unter Betreuung eines für die Leitung ausgewählten Siedlungsbewohners,228 als auch in Heimarbeit erledigt werden.229 Die etwa 20 Plätze zur Verfügung stellende Abteilung bot v. a. den „schwächsten“ Bewohnern der Siedlung, darunter vielen Altersheimbewohnern, eine sinnvolle Arbeit.230 Außer in der Briefmarkenabteilung wurden die älteren und nicht mehr voll arbeitsfähigen Bewohner mit leichten „Kartonage-, Sortier- und Packarbeiten“ beschäftigt.231 In den folgenden Jahrzehnten nahmen die Werkstätten – bedingt durch die stetig abnehmende Zahl „heimatloser Ausländer“ – zunehmend Deutsche sowie sog. „Gastarbeiter“ aus verschiedenen südeuropäischen Staaten auf.232 Die Arbeit in den Beckhof-Werkstätten ermöglichte vielen mittellosen „heimatlosen Ausländern“ eine Aufbesserung ihres Taschengelds und eine – allerdings nur geringfügige – Verbesserung ihres „sehr niedrigen“ Lebensstandards.233 Dieser Zuverdienst durfte Ende der 1950er Jahre jedoch nicht über 70 DM im Monat liegen und wurde Sozialhilfeempfängern ausschließlich durch einen besonderen Erlass des nordrhein-westfälischen Arbeits- und Sozialministeriums ohne Abzüge gewährt.234 Ihren Lohn sowie ihr Taschengeld investierten die meisten Heimbewohner in Zigaretten, Kaffee, Kleidung und Alkohol.235 Teil226 HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: Beckhofs. an Arnold Rørholt, Representive in Germany of the High Commissioner for Refugees, BonnBad G., v. 24.2.1955, S. 2. Beispielsweise sammelte eine amerikanische „Damengruppe“ regelmäßig im Rahmen der UNO alte Briefmarken für die Beckhofsiedlung: HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An A. G. Shanley, Nations Unies, Office du Haut-Commissaire pour le Refugies, Genf, v. 2.1.1959. 227 Vgl. dazu u. a. HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: Beckhofs. an Arnold Rørholt, Representive in Germany of the High Commissioner for Refugees, Bonn-Bad G., v. 24.2.1955, S. 2 228 In den ersten Jahren übernahm ein ungarischer ehemaliger Polizeibeamter die Leitung der Briefmarkenabteilung: HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: Beckhofs. an A. Rørholt, Representive in Germany of the High Commissioner for Refugees, Bonn-Bad G., v. 24.2.1955, S. 2. 229 HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: Beckhofs. an A. Rørholt, Representive in Germany of the High Commissioner for Refugees, Bonn-Bad G., v. 24.2.1955, S. 2. 230 HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: Beckhofs. an A. Rørholt, Representive in Germany of the High Commissioner for Refugees, Bonn-Bad G., v. 24.2.1955, S. 2. 231 Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration, 2008, S. 110. 232 Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration, 2008, S. 110. 233 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 7. 234 Globig, W.-C: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 59. 235 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 64.
5.6 Beschäftigungs- und Arbeitstherapie
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Abb. 10: Briefmarkenabteilung der Beckhof-Werkstätten
weise verschickten sie zudem Pakete an ihre im Ausland lebenden Angehörigen.236 Ein völlig mittelloser Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ sammelte sogar den Großteil der Kleidungsspenden, die er vom Heim erhielt, und schickte diese an seine ebenfalls bedürftigen Angehörigen in Polen.237 Einige Menschen sparten für ihre Beerdigung, v. a. für den Grabstein.238 Altersheimbewohner, die nicht mehr im der Lage waren, regelmäßig und „gewinnbringend“ zu arbeiten, erhielten keine Entlohnung. In diesen Fällen diente die Mitarbeit in den Werkstätten ausschließlich therapeutischen Zwecken.239 In den übrigen „Ausländerheimen“ erfolgte nur in Ausnahmefällen ein bezahlter Arbeitseinsatz von Bewohnern. Beispielsweise verfügte das „Altersheim Dornstadt“ über eine eigene Schuhreparaturwerkstatt, in der auch neue Schuhe an-
236 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 64. 237 Da er „jeden Pfennig“ für seine Angehörigen verwendete, sammelte er „noch aus den Mülltonnen alles Mögliche für Bauern in der Umgebung, um sich so noch ein paar Pfennige zu verdienen“: HAB, Beckhof PA 1, Nr. 564, L., Josef: Notiz, v. 28.7.1971; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 564, L., Josef: Beckhofverw. an d. HK d. VN, Bad G., v. 26.5.1972. 238 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 275: Z., Jovic: Finanzamt Detmold an Beckhofverw., v. 23.6.1969. 239 Z. B. HAB, EA Eck., Nr. 4262: M., Stanislaw Beckhofverw.: Nervenfachärztl. Besch., v. 26.8.1977.
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5. Das Heimmilieu
gefertigt wurden.240 Teilweise übernahmen einzelne Bewohner auf eigene Initiative entlohnte Auftragsarbeiten, so u. a. eine ehemalige Schneiderin im „Altenwohnheim Darmstadt“, die auf diese Weise nahezu „vollbeschäftigt“ war.241 Der sowohl in den Betheler Einrichtungen als auch in anderen Heimen praktizierte Verkauf von Handarbeiten und Kunsthandwerk brachte kaum höhere Gewinne ein und fand vorwiegend im Rahmen der Beschäftigungstherapie statt. Das Altersheim „Insula“ veranstaltete z. B. im November 1952 einem Weihnachtsbasar, auf dem die Bewohner selbstgefertigte Handarbeiten, u. a. Holzmalereien und Strickarbeiten zum Verkauf anboten.242 Die Anfertigung und der Verkauf handgemachter Gegenstände besaßen für die DPs und „heimatlosen Ausländer“ eine nicht unerhebliche Bedeutung. So konnten sie durch die bewusste Besinnung auf die künstlerischen Traditionen ihrer jeweiligen Herkunftsländer eine gewisse „nationale Selbstvergewisserung“ erzielen, die sich positiv auf ihr Selbstbild auswirkte.243 Dies galt v. a. für ehemalige Zwangsarbeiter und Flüchtlinge, die sich durch die Präsentation ihrer traditionellen „nationalen Fähigkeiten“ – zumal diese von der deutschen Bevölkerung bislang kaum wahrgenommen bzw. wertgeschätzt wurden – eine größere öffentliche Anerkennung erhofften.244 Nach Aussage der Institutionen bzw. der Werkstatt- und Heimleiter, Therapeuten und Ärzte, erwies sich der Einsatz arbeitstherapeutischer Maßnahmen in den Unterkünften für DPs und „heimatlose Ausländer“ als überaus erfolgreich. Auch im Werkraum des Altersheims in Varel konnte bei vielen alten Menschen eine Verbesserung des Gesundheitszustands erzielt werden. Dies traf u. a. auf einen nach zwei Schlaganfällen rechtseitig gelähmten, unter Gedächtnisverlust leidenden Russen zu.245 Vor der Therapie war dieser kaum noch in der Lage gewesen mit seinen Mitbewohnern zu kommunizieren und hatte daher unter Einsamkeit und Niedergeschlagenheit gelitten. Seit er jedoch im Werkraum kleine Hilfsdienste übernahm und dabei zwangsläufig mit seinen Mitbewohnern kommunizieren musste, fühlte er sich schon nach kurzer Zeit nicht nur nützlich, sondern auch von seinen Mitmenschen respektiert und angenommen.246 Auch ein Bewohner, der sich zuvor zumeist wie ein „ängstliches Tier“ in seinem Zimmer versteckt gehalten hatte, kam, obwohl es eine recht langwierige Arbeit war, sein Interesse zu wecken, schließlich regelmäßig in den Werkraum.247 Dort führte er letztlich sogar lange und angeregte Gespräche mit anderen Patienten und seine Webarbeiten waren von überraschend hoher Qualität. Dies betraf ebenfalls seine Mitbewohnerin Frau S., die unter chronischem Rheuma und Asthma litt. Trotz ihrer „schrecklich defor240 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Landesverb. für IM in Württemb., AH Dorn. an Landesverb. für IM in Stu., v. 14.2.1952. 241 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 242 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Einladung, v. Nov. 1952 im AH Insula. 243 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 337 f. 244 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 337 f. 245 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 2. 246 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 2. 247 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 3.
5.6 Beschäftigungs- und Arbeitstherapie
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mierten“ Hände und großer Schmerzen gelangen ihr schöne Stickereien nach traditionellen lettischen Vorbildern.248 Ähnliche Erfolge verzeichneten die Beckhof-Werkstätten. Auch bei den dort eingesetzten alten Menschen konnte eine deutliche Verringerung gesundheitlicher Beschwerden erreicht werden.249 Neben einer vergrößerten körperlichen Beweglichkeit zeigte sich ein besonders positiver Einfluss auf die psychische Verfassung der Beschäftigten, die „seelisch erheblich aufgelockert“ erschienen.250 Der lettische Arzt der Siedlung bestätigte ebenfalls, dass die Arbeit den kranken und alten Menschen gut tun würde.251 Durch die Übernahme einer sinnvollen Tätigkeit ging letztlich sogar der Alkoholkonsum vieler alter Menschen merklich zurück. Beispielsweise galt ein 70-jähriger Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ im Zustand der „Langeweile“ als alkoholgefährdet, während ihn die „Erfüllung seiner Arbeit“ und die Zugehörigkeit zu den anderen Mitarbeitern zufriedenstellten.252 Somit verband sich mit den Arbeitseinsatz der Bewohner immer auch die Intention, unangepasste oder „asoziale“ Heimbewohner vom „Müßiggang“ abzuhalten und zu disziplinieren. Dass in der „Beckhofsiedlung“ die Selbstmordrate nahezu gegen null tendierte, wurde ebenfalls auf den positiven Einfluss der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie zurückgeführt.253 Bei einigen Altersheimbewohnern konnte durch Pflege und Arbeitstherapie sogar eine so große gesundheitliche Verbesserung erzielt werden, dass eine Heimunterbringung zukünftig als nicht mehr notwendig galt. 1960 hatte sich z. B. ein Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ „so gefestigt“, dass er in den Werkstätten nicht nur in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen wurde, sondern letztlich sogar aus dem Altersheim auszog und ein Zimmer in der „Beckhofsiedlung“ erhielt.254 Auf diese Weise lebte er trotz seines Alters von 59 Jahren nach langer Zeit erstmals wieder selbständig und ausschließlich von „seiner eigenen Arbeit“.255 Selbst wenn mit dem Arbeitseinsatz hauptsächlich die psychische und körperliche Gesundheit der Heimbewohner gestärkt werden sollte, spielten für die Heimträger ebenfalls materielle Gründe eine Rolle. Da sich aber z. B. in den Beckhof-Werkstätten kunsthandwerkliche Arbeiten längerfristig nicht rentierten, ging man, wie oben beschrieben, schnell zu industrieller Hilfsarbeit
248 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 3. 249 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 45. 250 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., v. 14.6.1960. 251 HAB 16/4, Beckhof Schriftwechsel 1955–1959: Gebauer an Martinshof, Städtische Sozialwerk. u. Versorgungsheim, Bremen, v. 19.10.1959. 252 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: K., Jan: Werk. frohes Schaffen Beckhofs. an Landschaftsverb. Westf.-Lippe, Abt. Sozialhilfe, v. 14.4.1964. 253 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 45. 254 HAB, UNO 1958–1963, 2/16, Nr. 18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 30.6.1960, S. 1; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 433: V.c, Lazar: Bethelk., o. D. 255 HAB, UNO 1958–1963, 2/16, Nr. 18: Beckhofs. an d. VN. HK für Flücht., Bonn, v. 30.6.1960, S. 1.
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über.256 Im Fall der DPs und „heimatlosen Ausländer“ verband sich mit dem Arbeitseinsatz der Heimbewohner jedoch eine besondere Problematik, die besonders die ehemaligen Zwangsarbeiter betraf. Diese litten fast immer noch unter den traumatischen Folgen ihrer Zwangsarbeit und zeigten daher kaum Interesse an einer Mitarbeit im Heim bzw. an einer Beschäftigung für einen deutschen Arbeitgeber. Folglich hatte es auch in der „Beckhofsiedlung“ – laut Bericht der Betheler Werkstattleitung – anfangs „bei einer ganzen Anzahl“ von Bewohnern „große Mühe“ bereitet „sie zur Arbeit zu bewegen […]“257. Weiter hieß es hingegen: „nachdem sie diese aber begonnen hatten“, hielten sie „tapfer durch, denn sie spüren nun selbst den Segen einer regelmäßigen Arbeit“.258 Demzufolge schienen die therapeutischen Bemühungen der Werkstattmitarbeiter durchaus erfolgreich gewesen zu sein. Bereits Ende der 1950er Jahre zeigten sich etwa zwei Drittel der Bewohner sogar als sehr „willig“.259 Sie waren entweder in den Werkstätten tätig oder halfen im Heim bei Haus- und Küchenarbeiten.260 Darüber hinaus beschäftigten sich einige Bewohner mit selbstgewählten kleineren Arbeiten.261 Die in Varel durchgeführte Beschäftigungstherapie war hingegen ganz bewusst als ärztlich verordnete Therapie und nicht als „Arbeit“ konzipiert worden. Beispielsweise wurde die Anzahl der Teilnehmer absichtlich klein gehalten, um die Tatsache zu unterstreichen, dass es sich beim Werkraum-Projekt keinesfalls um den Beginn einer industriellen Arbeit oder sogar „Zwangsarbeit“ handelte, sondern einzig und allein um eine Maßnahme für Kranke und Personen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen.262 Für Personen, die freiwillig bzw. aufgrund ihrer Angst vor politischer Verfolgung in ihrem Herkunftsland in Deutschland verblieben, besaß die Möglichkeit eine Arbeit aufzunehmen hingegen eine durchaus positive Konnotation. Die Aussicht auf eine sinnvolle und zudem entlohnte Tätigkeit – z. B. in den Werkstätten der „Beckhofsiedlung“ – wirkte auch auf zahlreiche Bewerber für das „BeckhofAltersheim“ sogar äußerst attraktiv. Beispielsweise bat der bereits in den Augustdorfer Werkstätten tätig gewesene Theodors B. nach seiner Verrentung gezielt um die Aufnahme in das siedlungseigene Altersheim, da er dort „noch in den Werkstätten mit beschäftigt werden“ konnte.263 Auch ein 82-jähriger ungarischer Professor, der als „körperlich und geistig noch recht frisch“ beschrieben wurde, wünschte sich eine Mitarbeit in der Briefmarkenabteilung.264 256 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 8 f. 257 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An d. UNHCR, Bonn, v. 11.7.1959. 258 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An d. UNHCR, Bonn, v. 11.7.1959. 259 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An d. UNHCR, Bonn, v. 11.7.1959. 260 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An d. UNHCR, Bonn, v. 11.7.1959. 261 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An d. UNHCR, Bonn, v. 11.7.1959. 262 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 2. 263 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 30.6.1960, S. 2. 264 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht. Bonn, v. 30.6.1960, S. 2.
5.7 Verpflegung
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5.7 Verpflegung Obwohl die DPs nach Kriegsende wie auch die deutsche Bevölkerung unter der allgemeinen Nahrungsmittelknappheit litten, gestaltete sich die Ernährungssituation in den von den Alliierten betreuten DP-Unterkünften insgesamt besser als in den deutschen Lagern und Heimen. So wurde den DPs als Opfer des von den Nationalsozialisten begonnenen Kriegs offiziell ein Vorrang eingeräumt.265 1945 erhielten sie z. B. in der britischen Zone zwischen 2.300 und 2.600 Kalorien pro Tag, Deutsche hingegen nur 1.550 Kalorien.266 Bereits 1946 kam es jedoch zu einer Angleichung an die Versorgungssätze der deutschen Bevölkerung. In der amerikanischen Zone, in der die Deutschen ebenfalls mit etwa 1.500 Kalorien auskommen mussten,267 wurde den DPs weiterhin 2.000 Kalorien zugestanden.268 Erst ab Oktober 1948 galten schließlich in der amerikanischen und der britischen Besatzungszone einheitliche Versorgungssätze für Deutsche und DPs, die etwa 2.230 Kalorien pro Tag und Person betrugen.269 Für stark geschwächte, unterernährte und kranke Menschen galten andere Vorgaben, von denen auch die deutschen Heimbewohner profitierten. Viele Heimleitungen konnten daher Zusatzrationen organisieren, v. a. aus Spenden aus dem Ausland.270 Lebensmittelspenden aus dem In- und Ausland spielten in den Altersheimen noch bis in die 1950er Jahre eine wichtige Rolle. Beispielsweise spendeten in- und ausländische kirchliche Organisationen Lebensmittel an das „Adrian-Marshall-Home“ in Goslar, u. a. Kakaound Puddingpulver sowie Fleischkonserven.271 1954 erhielt das große „Altersheim Dornstadt“ – trotz eigener Viehwirtschaft – durch eine amerikanische Spende erhebliche Mengen an Milchpulver, Butter und Käse.272 Kranken alten Menschen, z. B. Personen mit einer weitgehend ausgeheilten Tuberkulose, standen ebenfalls besondere Nahrungsmittelrationen zu, die oft ebenfalls vor265 266 267 268 269 270
Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 113. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 113. https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Versorgungskrise_(nach_1945). Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 127. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 113. Dies galt auch für „deutsche“ Altersheime, z. B. NHStAH, Nds. 300, Acc. 48/65, Nr. 60: RP Hann. an OP Hann., v. 22.8.1946. Oft war auch ein Austausch schwer verdaulicher, gegen leicht bekömmliche Nahrungsmittel möglich: NHStAH, Nds. 300, Acc. 48/65, Nr. 60: An MR Hann., betr. Lebensmittelsätze in Anst., v. 23.8.1946; NHStAH, Nds. 605 Acc. 13/50, Nr. 39: Sonderzuteilungen f. nicht in Krankenanstalten untergebrachte kranke u. gebrechliche Personen, v. 2.10.1946. 271 Unter anderen lieferte die „Innere Mission“ Braunschweig 2 kg Kakao und 10 kg Sojabohnen, die amerikanische „National Catholic Welfare Conference“ 4,5 kg Puddingpulver und 140 Dosen „Stewed Steak“. Nach Auflösung des Heims und der Verlegung der Bewohner wurden die restlichen, noch im Voratskeller vorhandenen Lebensmittelspenden ebenfalls nach Varel verschickt: LkAW acc. 16/09, Nr. 106: Auf. d. AMH: AMH, v. 24.8.1951: Feststellung der im AH Hessenkopf vorhandenen Lebensmittelbestände, S. 1 f. Vgl. auch LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Dez. 1951, S. 6. 272 LkASt, L 1 DW, Nr. 2488: Landesverb. für IM in Württemb. an d. DRK Württemb. u. Baden e. V., v. 20.10.1954.
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wiegend durch Spenden beschafft wurden.273 Bedürftige Heimbewohner, d. h. auch viele „heimatlose Ausländer“, erhielten nach der Verbesserung der allgemeinen Ernährungslage weiterhin Lebensmittelspenden. Dabei stand aber weniger die materielle Not als vielmehr die Intention im Vordergrund, den alten Menschen eine Freude zu bereiten.274 Große, ländlich gelegene Heime betrieben oft eine eigene Landwirtschaft und konnten sich auf diese Weise weitgehend selbst versorgen.275 Das Vareler Heim konnte z. B. durch Viehhaltung und Gemüseanbau zur Verpflegung der Heimbewohner beitragen.276 Auch die Altersheime in Berchtesgaden und Dornstadt besaßen landwirtschaftlich nutzbare Flächen.277 Diese waren im Fall des Dornstädter Heims zuvor von der Gemeinde Dornstadt bewirtschaftet worden und umfassten insgesamt fast 60 Hektar;278 gingen Anfang der 1950er Jahre jedoch auf Verlangen des Heimträgers in dessen Besitz über.279 Zur zukünftigen Versorgung der etwa 500 Bewohner mit vergleichsweise teuren Lebensmitteln wie Fleisch, Eiern und Milchprodukten,280 organisierte die „IRO“ den Aufbau einer heimeigenen Viehwirtschaft mit Rindern, Kühen, Schweinen und Geflügel auf dem Heimgelände.281 Weiterhin standen 40 Hektar Land für den Anbau von Gemüse zur Verfügung.282 Neben Stallungen und Wirtschaftsgebäuden, in denen u. a. verschiedene Werkstätten untergebracht waren, verfügte das Heim über eine Metzgerei283 sowie eine Bäckerei.284 Heime mit eigener Landwirtschaft profitierten nicht nur in den frühen 1950er Jahren, sondern noch bis weit in die 1960er Jahre hinein erheblich von den auf diese Weise möglichen finanziellen Einsparungen.285
273 1951 enthielten die sog. „Tbc-Pakete“ z. B. Reis, Fett, Zucker, Eipulver, Kakaopulver und Gries: LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Dez. 1951. 274 Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an B. v. Wussow, APD, Mü., v. 2.4.1968. 275 Dies traf auch auf viele der großen „deutschen“ Altersheime zu. Beispielsweise besaß das städtische Altersheim Hannover, zur Versorgung der über 800 Bewohner, eine Landwirtschaft und eine Gärtnerei, die sich z. T. auf einem Gut außerhalb der Stadt befanden und u. a. von Heimbewohnern bewirtschaftet wurden: StAHi, 103–50, Nr. 5981: Soz. Hann., an Soz. Hild., v. 10.3.1961. 276 LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit d. Ev. AH Varel, v. 27.12.1951. 277 LkASt, L 1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 3. 278 LkASt, L 1 DW, Nr. 2488: Broschüre: Altenheim Dornstadt bei Ulm, v. 1951, S. 4. 279 Wie auch später erwähnt, wehrten sich die Pächter der Gemeinde Dornstadt vehement gegen die Nutzug der Felder durch das DP-Altersheim: LkASt, B. DW, Nr. 2485: Ab., Landgericht Ulm, 1. Zivilkammer, v. 14.3.1952, S. 8. 280 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Mem. über d. Landwirtschaft d. AH Dorn., v. 12.11.1952. 281 LKASt, L1 DW, Nr. 2488: AH Dorn. an d. Landwirtschaftsminis. Baden-Württemb., v. 12.4.1954, Anl. 1. Die im Heim anfallenden Speiseabfälle sowie die auf den Feldern angebauten Pflanzen wurden als Viehfutter verwertet: LkASt, B. DW, Nr. 2485: Mem. über d. Landwirtschaft d. AH Dorn., v. 12.11.1952. 282 Aged DPs to Go under German Care, 1950, S. 45. 283 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Mem. über d. Landwirtschaft d. AH Dorn., v. 12.11.1952. 284 Das Hilfswerk. Mitteilungen aus dem Hilfswerk der evangelischen Kirche in Deutschland, Zentralbüro Stu., Nr. 55, Okt. 1951, S. 7. 285 LKASt, L1 DW, Nr. 2488: AH d. IM in Dorn. an Landesverb. für IM, v. 18.4.1962.
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In den unmittelbaren Nachkriegsjahren erhielten die Bewohner von Altersheimen meist drei Mahlzeiten, die überwiegend aus Brot und Eintöpfen bestanden.286 Die DP-Altersheime der „IRO“ boten aufgrund höherer Ernährungszulagen durch die Alliierten häufig eine bessere Kost als die „deutschen“ Altersheime, was – wie schon erwähnt – Neid hervorrufen konnte. Teilweise fehlte es aber auch hier an qualifiziertem Küchenpersonal.287 Bedingt durch die Anfang der 1950er Jahre weiterhin bestehende allgemeine Notsituation fielen die Mahlzeiten der nun unter deutscher Leitung stehenden Altersheime für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ vergleichsweise karg aus. Bei den Heimbewohnern wurde es daher besonders begrüßt, wenn die Eintöpfe fetthaltiges Fleisch und der häufig am Abend gereichte Grießbrei viel Zucker enthielten.288 Häufig gab es am Sonntag und an Feiertagen Kuchen o. ä.289 Mit Besserung der Ernährungslage in den 1950er Jahren erhielten die Bewohner von Altersheimen – unabhängig davon ob es sich um Einrichtungen für Deutsche oder für „heimatlose Ausländer“ handelte – nicht nur eine sättigende und schmackhaftere Kost, sondern täglich eine zusätzliche vierte Mahlzeit in Form eines Nachmittags-Kaffees290 Die ernährungsphysiologische Qualität und die Zusammensetzung der Mahlzeiten fanden aber erst in der Fachliteratur der 1960er Jahre Beachtung; in den Heimküchen hingegen wurde kaum über das Thema reflektiert.291 Nach und nach orientierten sich schließlich aber immer mehr Altersheimküchen an den zeitgenössischen ernährungswissenschaftlichen Richtlinien für eine gesunde, altersgerechte Ernährung.292 Seit den 1950er Jahren bestand in allen Altersheimen die Möglichkeit, eine – allerdings aufschlagspflichtige – Schon- und Diätkost nach ärztlichen Vorgaben zu erhalten.293 Damit die zusätzlichen Kosten auch für Fürsorge- bzw. Sozialhil286 Die Eintöpfe bestanden überwiegend aus Kartoffeln, Gemüse und wenig Fleisch: NHStAH, Nds. 300, Acc. 48/65, Nr. 60: RP Hann. an OP Hann., v. 22.8.1946. 287 Im „Adrian-Marshall-Home“ wurde bis zur Übernahme des Hauses in deutsche Verwaltung z. B. eine ehemalige russische Primaballerina als Köchin beschäftigt, die allerdings zum Unmut der Heimbewohner nur unzureichende Kochkenntnisse aufwies: StAGoslar, ZA aus: Braunschweiger Zeitung: „Internationale Ruheständler in d. Herzbergen“, v. 5.8.1950. 288 Im Altersheim „Insula“ erhielten die Bewohner 1951 z. B. morgens zwei Brötchen, Kaffee und Marmelade sowie wenig Margarine, mittags oft Eintöpfe mit Gemüse, Linsen Kartoffeln und Speck. Abends gab es „Griessbrei, sehr süss mit Kompott und Tee mit Brot“: LkASt., B. DW, Nr. 1500: Ab. eines Briefes, Oktober 1951. 289 LkASt., B. DW, Nr. 1500: Ab. eines Briefes, Oktober 1951. 290 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 59; LkAHN, B. 160, Nr. 26: T. Schaufuss, Overseas Director, TF an Pf. Rathgeber, v. 28.09.1959. 291 Vgl. u. a. K. F.: Mörderische Gemeinschaftsverpflegung, 1964, S. 20. 292 Diese sollte v. a. weniger Fett und Kohlenhydrate, dafür mehr Eiweiß, Vitamine und Mineralien enthalten. Vgl. z. B. Lohmann, S.: Die Lebenssituation älterer Menschen in der geschlossenen Altersfürsorge, 1970, S. 126 f. 293 Dazu gehörten Diabetes-, Magen-, Leber- und Gallendiäten, die allerdings mit erhöhten Kosten verbunden waren. Mitte der 1950er Jahre verursachte z. B. eine Diabetes-Diät monatlich etwa 70 DM an Mehrkosten: StAGö, B62, Nr. 80: Med. Univ.-Klinik Gö.,
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feempfänger übernommen wurden, war die Vorlage eines ärztlichen Attestes erforderlich, das die Notwendigkeit einer speziellen Diät bescheinigte. Aus diesem Grund durfte z. B. auch einem Heimbewohner, der nach eigener Aussage zwar „Diät halten“ müsste, der Heimleitung aber kein ärztliches Attest vorlegen konnte, keine Spezialverpflegung gewährt werden.294 Handelte es sich hingegen lediglich um den Austausch bestimmter Nahrungsmittel, die einzelne Personen nicht vertrugen oder um die bei einer akuten Krankheit gereichte Schonkost, verzichteten die Heime normalerweise auf ein ärztliches Attest.295 Die Verpflegung bzw. die täglichen Mahlzeiten besaßen nicht nur eine wichtige Bedeutung für das physische, sondern v. a. auch für das psychische Wohlbefinden der alten Menschen. Die „Zufriedenheit mit dem Essen“ trug demzufolge erheblich zum Heimklima bei.296 Um die Heimbewohner zufrieden zu stellen, musste es sich keinesfalls um „feine“ Küche handeln, sondern vielmehr um „schmackhafte“, „gute Hausmannskost“.297 Indem sich viele Heimbewohner aufgrund fehlender Abwechslung und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie mangelnder Zuwendung nach „jeder Mahlzeit sehnten“,298 fungierte die Nahrungsaufnahme zudem als Ersatz für menschliche Zuwendung.299 Zugleich strukturierten die Mahlzeiten den häufig wenig abwechslungsreichen Heimalltag. Die Heime für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ nahmen weitgehend Rücksicht auf die Essensgewohnheiten der Bewohner und servierten daher möglichst häufig Gerichte aus deren Herkunftsländern. Demzufolge erwies es sich z. B. für eine Köchin russischer Herkunft, die sich 1959 im „Altenwohnheim Darmstadt“ bewarb, als Vorteil, dass sie die „deutsche, russische und polnische Küche“ beherrschte.300 Stammten die alten Menschen aus der selben Herkunftsregion bzw. dem selben Kulturkreis – wie in den Heimen in Darmstadt und Köln – gestaltete sich die Gestaltung des Speiseplans vergleichsweise leicht. Im vorwiegend von Russen bewohnten „Altenwohnheim Darmstadt“ orientierten sich die Mahlzeiten folglich an der russischen Küche, zumal diese – nach Aussage des Heimträgers – das „russische Leben“ maßgeblich be-
294 295 296 297 298 299 300
Ärztl. Besch., o. D. (ca. 1955). LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN, S. 1. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: A. T. an Beckhofs., v. 15.10.1963. Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofverw. an E. Thomas, TF Mü., v. 17.1.1967. LkAHN, B. 160, Nr. 26: T. Schaufuss, Overseas Director, TF an Pf. Rathgeber, v. 28.09.1959. LkAHN, B. 160, Nr. 26: T. Schaufuss, Overseas Director, TF an Pf. Rathgeber, v. 28.09.1959. Karig, W.: Die Not der Alten, 1947, S. 115. Den hohen Stellenwert der Mahlzeiten verdeutlichen auch die häufigen Beschwerden über das in den Heimen gebotene Essen. Folglich waren v. a. kohlenhydrathaltige Lebensmittel wie Süß- und Mehlspeisen beliebt. Vgl. u. a. Beske, F.: Das Gemeinschaftsleben in Altersheimen, 1960, S. 64. LkAHN, B. 160, Nr. 26: TF, Frank. an T. Schaufuss, TF, Mü., v. 3.7.1959.
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stimmen würde.301 Die russische Küche galt somit als wichtiges Kulturgut, das auch in der „Fremde“ gewahrt werden sollte.302 Aus diesem Grund standen im „Altenwohnheim Darmstadt“ z. B. häufig Borschtsch, Buchweizengrütze und Solianka auf dem Speiseplan.303 Dabei konnten vertraute Gerichte den alten Menschen ein Gefühl von Heimat vermitteln und ihnen somit auch emotionalen Trost spenden. Da die Zusammenstellung der Mahlzeiten immer in Absprache mit der deutschen Heimleitung erfolgte, kam es im Heim wiederholt zu Differenzen bezüglich der Zubereitung und Würzung der Speisen.304 Als die Anzahl deutscher Bewohner im Darmstädter Heim in den 1960er Jahre stetig zunahm, beklagten sich schließlich immer mehr russischstämmige Bewohner darüber, dass „nur noch sehr wenig russische Kost“ serviert wurde und primär die Wünsche der Deutschen Berücksichtigung fanden.305 Eine angebliche Bevorzugung der deutschen Bewohner, die z. B. im Gegensatz zu den „Ausländern“ am Wochenende „Kaffee und Kuchen“ sowie eine warme Abendmahlzeit bekommen würden, beklagte auch ein im Kölner Heim lebender Ukrainer.306 Aufgrund der nach Kriegsende durch die Alliierten erwirkten besseren Versorgung der DPs mit Nahrungsmitteln wurden den „Ausländern“ von deutscher Seite oft besonders hohe Ansprüche an die im Heim gereichten Mahlzeiten unterstellt. Deutlich zeigt sich dies in der Aussage des Dornstädter Heimträgers, der zufolge bei den „recht schwierigen personellen Verhältnissen mit den zum größten Teil der deutschen Sprache nicht mächtigen Insassen dafür gesorgt werden muss, dass gerade, was das Essen angeht, Besonderes im Heim geleistet wird, um die ausländischen Heiminsassen in dieser Beziehung zu befriedigen und ein ersprießliches Zusammenleben zu ermöglichen“.307 Tatsächlich entzündeten sich das Essen betreffende Konflikte jedoch in nahezu allen Altersheimen, d. h. auch in den „deutschen“ Heimen. In Einzelfällen führten die Verpflegung betreffende Differenzen sogar zum Auszug einzelner Bewohner. Beispielsweise entschied sich ein im Darmstädter Heim lebendes Ehepaar, dem das im Haus angebotene Essen nicht „passte“, für den Heimaustritt, zumal es ihnen auf Dauer zu kostspielig erschien, selbst zu kochen.308 Dass sich Heimbewohner ab und zu zu301 Laut Aussage des Heimträgers wurde das „russische Leben“ sogar hauptsächlich von „Kirche und Küche“ bestimmt: LkAHN, B. 160, Nr. 26: Das AH für russisch-orth. Ausl. in Darm., o. D. (ca. 1961). 302 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Gerda B.: Ber. über Besuche bei orth. alten nichtdt. Flücht. in Württemb.-Baden, v. 15.8.1959, S. 1. 303 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html. 304 LkAHN, B. 160, Nr. 29: A. Ignatiew an E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 16.11.1967, S. 1. 305 Verstärkt wurde das Problem durch den Mangel an geeignetem Küchenpersonal: LkAHN, B. 160, Nr. 31: An Pf. Rathgeber, Ber. über Besuch d. TF im Darm. orth. AH, 28.6.1966. 306 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C. an Amts. Köln, v. 4.4.1964, S. 3. Speispläne aus dem Heim sind nicht überliefert. 307 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Mem. über d. Landwirtschaft d. AH Dorn., v. 12.11.1952. 308 LkAHN, B. 160, Nr. 29: AH Darm., Komplott B.-K.-W., v. 20.10.1962.
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5. Das Heimmilieu
sätzliche Lebensmittel kauften und zubereiteten, war in vielen Einrichtungen üblich – wenn auch meist nicht erwünscht. Da die in den späten 1950er Jahren neu eingerichteten und erbauten Häuser häufig kleine Teeküchen besaßen, wurden diese nicht nur, wie ursprünglich vorgesehen, zur Zubereitung von Getränken, sondern ebenfalls zum Kochen ganzer Mahlzeiten genutzt. Dass dies im Darmstädter Heim nicht erlaubt war, stieß daher nicht nur bei den Heimbewohnern, sondern auch bei der sich für deren Belange einsetzenden „Tolstoy-Foundation“ auf Unverständnis.309 Den konkreten Anlass für die Kritik bot der Fall einer Bewohnerin, der die Heimleitung die Herstellung von Apfelkompott verboten hatte.310 Im Münchner Altersheim hingegen standen den alten Menschen kleine, in die Bewohnerzimmer eingebaute Küchenzeilen zur Verfügung, in denen das Kochen individueller Gerichte ausdrücklich erlaubt war.311 Überhaupt keine Kochmöglichkeit bot das 1958 erbaute „Beckhof-Altersheim“. Ein unter Verfolgungsängsten leidender Bewohner, der nicht an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen wollte, musste aus diesem Grund schließlich in das benachbarte Wohnheim umsiedeln, da er sich nur dort seine Mahlzeiten selbst zubereiten durfte.312 Dass sich die alten Menschen „selbst bekochen können“ bezeichnete der Heimträger jedoch als eine „für uns unangenehme Möglichkeit“. So war es üblich, den betreffenden Heimbewohnern einen Teil des täglichen Pflegesatzes wieder zurück zu erstatten, was sich aber ungünstig auf die finanzielle Bilanz des Heims auswirkte.313 In den meisten Einrichtungen wurden die Hauptmahlzeiten – abhängig von der Größe der Gebäude und der Anzahl der Bewohner – gemeinsam in einem großen Speisesaal oder in mehreren kleinen Speiseräumen eingenommen. Lediglich Bettlägerige bekamen ihr Essen auf ihr Zimmer gebracht. Einige Heime servierten die Mahlzeiten jedoch ausschließlich in den Bewohnerzimmern, so auch die großen Altersheime „Varel“ und „Insula“.314 Diese Lösung beruhte weniger auf einer bewussten Entscheidung, sondern vielmehr auf den baulichen Gegebenheiten der ehemaligen Kasernengebäude. So forderte das „Evangelische Hilfswerk“ bereits im Vorfeld der zukünftigen Übernahme des Vareler Heims vehement die Einrichtung von Speisesälen in jedem Gebäude.315 Während nicht nur die Heimträger und -Leitungen, sondern auch die Bewohner das Fehlen eines Speisesaals durchaus als Defizit betrachteten,316 entschieden sich einige Träger ganz bewusst gegen Gemein309 LkAHN, B. 160, Nr. 29: A. Ignatiew an E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 16.11.1967, S. 1. 310 LkAHN, B. 160, Nr. 29: A. Ignatiew an E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 16.11.1967, S. 1. 311 Vgl. z. B. Buchberger, E.: Der Speisesaal im Altenheim, 1964, S. 10. 312 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 223: M., Isidor: M., Isidor, Frageb., nur Antworten, S. 2. 313 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofverw. an Soz. Landkr. Biel., v. 3.1.1968. 314 LkAH, E 52, Nr. 367: Betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 1. 315 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für d. IM Hann, v. 27.10.1952. 316 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Referat Fürsorgerin D., Insula, v. 3.6.1965.
5.8 Konflikte
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schaftsräume zur Einnahme der Mahlzeiten. Beispielsweise servierte im Münchner Caritas-Heim das Personal das Essen auf den einzelnen Zimmern.317 Dass dieses „nach dem Geschmack der verschiedenen Nationen und Familien zusätzlich abgeschmeckt werden“ konnte, wurde dabei als wichtiges Argument gegen einen gemeinsamen Speiseraum herangezogen.318 Tatsächlich stellten die unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten der Bewohner – zumal diese vielfach aus verschiedenen Herkunftsgebieten stammten – das Küchenpersonal vor eine nicht unerhebliche Herausforderung. Auch das „Beckhof-Altersheim“ besaß eine heterogene Bewohnerklientel und musste daher auf die „Geschmäcker von zehn Nationen Rücksicht nehmen“, was sich folglich kaum umsetzen ließ.319 Da Beschwerden über die gebotenen Speisen folglich nicht vermieden werden konnten, schieden immer wieder einzelne Bewohner freiwillig aus der Gemeinschaftsverpflegung aus.320 5.8 Konflikte Sowohl die deutschen Behörden als auch die internationalen Hilfsorganisationen empfanden die Gruppe der nicht mehr auswanderungsfähigen Ex-DPs zunehmend als Belastung. Nach dem Rückzug der „IRO“ und der Übergabe der DPs in deutsche Verwaltung mussten die deutschen Fürsorgeträger mit erheblichen Kosten rechnen.321 So waren insbesondere die sog. „hard-core“ Fälle nicht oder nur sehr schwer in das normale Arbeitsleben integrierbar und daher dauerhaft auf staatliche Unterstützung angewiesen. Für den deutschen Staat bestand zwar die Verpflichtung, für die „heimatlosen Ausländern“ zu sorgen, großteils erfolgte deren Unterbringung aber weiterhin in Massenunterkünften, die wenig zur Integration in die deutsche Bevölkerung beitrugen.322 Auch die kirchlichen Wohlfahrtsverbände, die zukünftig die Trägerschaft der DP-Altersheime übernahmen und somit dem Staat erhebliche Lasten abnahmen, reagierten durchaus skeptisch. Unter anderen bemerkte auch der „Landesverband für Innere Mission in Württemberg“ in einem Schreiben an die Landtagsabgeordneten in Stuttgart, dass er sich die „Aufgabe der Betreuung der alten DPs nicht selbst gewählt“ hätte, sondern diese vielmehr an ihn „her-
317 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2; ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8. 318 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 2. 319 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofverw. an E. Thomas, TF, Mü., v. 17.1.1967. 320 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofverw. an E. Thomas, TF, Mü., v. 17.1.1967. 321 Vgl. Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? 322 Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“?
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5. Das Heimmilieu
angetragen“ worden wäre.323 Aus den genannten Gründen kam es leicht zu einer „Ghettoisierung“ der „heimatlosen Ausländer“ und den damit verbundenen, v. a. sozial bedingten Problemen.324 Beispielsweise entstanden in den Unterkünften immer wieder Konflikte durch Alkoholabhängigkeit, Schlägereien und – wenn auch weitaus seltener – durch Kleinkriminalität.325 Obwohl die schlechte Situation den zuständigen Behörden bekannt war, zeigten sie kaum Bestrebungen, sich ernsthaft mit der Bekämpfung der Probleme zu beschäftigen; vielmehr wurden diese primär als Folge des „Lagerdaseins“ und der Mentalität der „Ausländer“ interpretiert. So galten v. a. die Ost- und Südosteuropäer aus Sicht vieler Deutscher als arbeitsscheue und phlegmatische Menschen.326 Die deutschen Behörden stellten sogar „mit Sorge“ fest, dass das „soziale Potenzial der heimatlosen Ausländer mit fortschreitender Auswanderung absinkt“.327 Obwohl mehrere, in den Lagern tätige ausländische Seelsorger „ob der Zustände in den Ausländer-Ghettos“ bei den zuständigen Ämtern vorsprachen, stießen sie auf wenig Interesse.328 Dementsprechend bestanden die staatlichen Hilfsmaßnahmen für „heimatlose Ausländer“ weiterhin lediglich aus der Bereitstellung von Wohnraum, Kleidung und Nahrung. Auch die „Betreuungsstelle für heimatlose Ausländer“ in Württemberg musste mit den Vorurteilen der deutschen Behörden gegenüber den „heimatlosen Ausländern“ kämpfen.329 Bereits Anfang der 1950er Jahre konnte aber „erfreulicherweise“ eine bessere Zusammenarbeit bzw. mehr Verständnis und Entgegenkommen für die Belange der ehemaligen DPs z. B. in Bezug auf Beihilfen der Sozialämter erreicht werden.330 Die staatlichen Gesundheitsämter hingegen kooperierten von Beginn an – aus Angst vor Infektionskrankheiten – außerordentlich bereitwillig mit den in der Hilfe für DPs und „heimatlose Ausländer“ tätigen Institutionen.331 So befürchteten sie v. a. eine Ausbreitung der Tuberkulose, die bei DPs und „heimatlosen Ausländern“ tatsächlich sehr häufig diagnostiziert wurde.332 Obwohl Tbc in der deutschen Bevölkerung, v. a. unter den Flüchtlingen, ebenfalls weit verbreitet war, zählten insbesondere die „Auslän323 Trotz dessen vertrat der Landesverband jedoch die Ansicht, sich der Versorgung alter und hilfsbedürftiger Menschen im „Altersheim Dornstadt“ „gerade in seiner Eigenschaft als kirchliche Wohlfahrtsorganisation nicht entziehen zu dürfen“: LkASt, B. DW, Nr. 2485: Landesverb. für IM in Württemb. an d. Abgeordneten d. Landtags Württemb.-Baden, Stu., v. 24.10.1951, S. 3. 324 Vgl. Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? 325 Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? 326 Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration, 2008, S. 43. 327 Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 225. 328 Kühne, H.-J.: Herausforderung Migration, 2008, S. 43. 329 LkASt, DW, Nr. 1500: AG der DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 2. 330 LkASt, DW, Nr. 1500: AG der DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 2. 331 LkASt, DW, Nr. 1500: AG der DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 2. 332 Vgl. z. B. LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA Ausl., Dez. 1951, S. 2; LAELKB DW, Nr. 1544, Rep. Nr. 24: Ber. über Betr. d. Ver-
5.8 Konflikte
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der“ – trotz regelmäßiger Kontrolle durch die Gesundheitsämter – zu den Hauptüberträgern. Dadurch unterlagen sie einer zusätzlichen Stigmatisierung, sowohl durch die Behörden als auch durch die einheimische Bevölkerung.333 1956 hieß es demzufolge auch während der Planungsarbeiten zum „BeckhofAltersheim“, dass es bei dem im Heim zu betreuenden „Personenkreis“ besonders wichtig sein würde, durch Sauberkeit und „sorgfältige hygienische Betreuung“ Ansteckungsgefahren zu vermeiden.334 Indem die zukünftigen Heimbewohner – so die Forderung des deutschen Heimträgers – mit Hilfe des Personals unbedingt an eine regelmäßige „Körperpflege“ gewöhnt werden sollten, wurde ihnen, d. h. den „Ausländern“ – insbesondere den Ost- und Südosteuropäern – automatisch ein Mangel an Hygiene unterstellt.335 Die gängigen, im Nationalsozialismus verbreiteten Vorurteile gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen hatten also auch in der Wohlfahrtspflege, wie an diesem Beispiel deutlich erkennbar, nach Kriegsende weiterhin Bestand. So hatten sich zwar die politischen Rahmenbedingungen verändert, ein gesellschaftlicher Wandel – z. B. in Bezug auf Werte und Ideologien – war hingegen nur selten erfolgt.336 Aus diesem Grund besaßen die Ost- und Südosteuropäer bzw. die für sie errichteten Lager, Heime und Siedlungen auch unter der einheimischen deutschen Bevölkerung einen äußerst schlechten Ruf. Dieser erhielt durch entsprechende Presseberichte, v. a. über kriminelle und „asoziale“ Ausländer, zusätzliche Unterstützung.337 Einer negativen Betrachtung unterlagen v. a. die großen Einrichtungen, zumal deren Bewohnerzahl nicht selten die Einwohnerzahl der angrenzenden Ortschaften deutlich überstieg. Um häufige Kontakte zwischen Deutschen und Ausländern zu vermeiden, wurden die „Ausländerunterkünfte“ bevorzugt außerhalb der Ortschaften errichtet. Dass sich der Alltag in den DP-Lagern weitgehend abgeschlossen und mit eigenen Strukturen abspielte, rief zusätzliches Misstrauen hervor. Tatsächlich hatten nur die wenigsten Deutschen nähere Kontakte zu den ausländischen Lagerbewohnern – eine Tatsache, die nicht nur die üblichen Vorurteile verstärken, sondern ebenfalls zu weiteren Spekulationen und Gerüchten führen konnte. Auch die Einrichtung des 1951 eingeweihten Altersheims für „heimatlose Ausländer“ in Dornstadt stieß auf die Ablehnung der dortigen einheimischen Bevölkerung.338 Sowohl die Gemeinde Dornstadt als auch der Ulmer Landrat sprachen sich sehr vehement gegen das Heim aus, da sie auf dem Heimge-
333 334 335 336 337 338
sorgungsfälle in Würz., v. 2.12.1963; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Stadt Rheine an WA Rheine-Gellendorf, v. 6.9.1958. Vgl. dazu u. a. LkAH, L 3 III, Nr. 1502: Anlage 2 zum Rundschreiben v. 30.5.51, S. 4. HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: An Landesverb. d. IM in Westf., v. 30.8.1956, S. 1. HAB Beth. Aug., Siedlungsplan u. Um. d. Werk. 1955–1956, 2/16–63: An Landesverb. d. IM in Westf., v. 30.8.1956, S. 1. Vgl. dazu Thonfeld, C.: Rehabilitierte Erinnerungen? 2014, S. 178 f. Vgl. dazu u. a. Stepienv, S.: Der alteingesessene Fremde, 1989, S. 243. http://www.dornstadt.de/fileadmin/Dateien/Dateien/Sonstiges/Downloads/Auslobung. pdf.
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lände eine neue Wohnsiedlung errichten wollten.339 Zudem war ein Teil des zum Altersheim gehörenden Landes bislang von Pächtern aus der Gemeinde Dornstadt bewirtschaftet worden, die sich gleichermaßen gegen die Abgabe ihrer Felder wehrten.340 Ähnliche Vorbehalte existierten gegen die „Beckhofsiedlung“. Unter anderem befürchtete die zuständige Gemeindevertretung, dass in ihrem Bereich eine „Asozialensiedlung“ entstehen könnte.341 Da es in den „Ausländerheimen“ tatsächlich immer wieder massive Probleme mit einzelnen, verhaltensauffälligen Heimbewohnern gab, befürchteten auch die Heimleitungen und -träger, dass sich auf diese Weise, die in der Bevölkerung vorherrschenden negativen Vorurteile bestätigen könnten. Beispielsweise entstanden – wie später noch näher erläutert – im Altersheim der „Beckhofsiedlung“ wiederholt Konflikte mit Bewohnern, die im alkoholisierten Zustand oder aufgrund psychischer Erkrankungen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregten. 1959 äußerte der Heimleiter des „Beckhof-Altersheims“ gegenüber seinem Vorgesetzten die Befürchtung, dass einzelne Heimbewohner, „unserer Siedlung nicht zu gutem Ruf“ verhelfen würden, sondern vielmehr – wie z. B. der 56-jährige Radoslaw M., „der durch sein Trinken und seine primitive Art (…) zu Klagen Anlaß“ gab – „bei Außenstehenden“ den Eindruck erwecken könnten, als seien hier, „wie erwartet, Trinker und primitive Menschen“.342 Da diese Befürchtung, wie schon beschrieben, ebenfalls bei den für die DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ zuständigen Behörden bestand, berichtete u. a. die für das „Beckhof-Altersheim“ zuständige Fürsorgerin des Bielefelder Gesundheitsamts von ihrer Sorge, dass sich die Bewohner der „Beckhofsiedlung“ „aus Asozialen zusammensetzen“ würden.343 Dass 1960 infolge des „Lagerräumprogramms“ mehrere als „unverträgliche Elemente“ bezeichnete Personen aus dem „Ausländerlager Münster“ in das „Beckhof-Altersheim“ verlegt und dort arbeitstherapeutisch betreut werden sollten, zeugt ebenfalls vom schlechten Ruf der Siedlung und der dort lebenden Menschen.344 Laut Aussage der Beckhofleitung herrschte zwischen den Siedlungsbewohnern und der deutschen Bevölkerung ein zumindest „befriedigendes Verhältnis“.345 Einer zeitgenössischen Umfrage zufolge waren sogar nur drei Prozent der befragten Deutschen der Meinung, dass ein Zusammenleben zwischen DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ auf Dauer möglich sein könnte.346
339 340 341 342 343 344 345 346
LkASt, B. DW, Nr. 2485: Ab., Landgericht Ulm, 1. Zivilkammer, v. 14.3.1952, S. 7. LkASt, B. DW, Nr. 2485: Ab., Landgericht Ulm, 1. Zivilkammer, v. 14.3.1952, S. 8. Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 376. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 46: M., Radoslaw: AH Beckhof an Fürsorgestelle Beth., v. 16.12.1959. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhof`an A. G. Shanley, Nations Unies, Office du Haut-Commissaire pour le Refugies, Genf, v. 2.1.1959. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Grundstücksverw. Beth., v. 18.1.1960, betr. Beckhof, S. 1. LAELKB, DW, Nr. 1524, Rep. Nr. 24: Werk. „Frohes Schaffen“ für versorgungsbedürftige HA in d. Beckhofs. v. W. Gebauer, S. 7. Stepienv, S.: Der alteingesesse Fremde, 1989, S. 96.
5.8 Konflikte
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Dass sie in Deutschland nicht erwünscht waren, blieb den Betroffenen nicht verborgen. 1950 berichtete z. B. ein katholischer Priester, der selbst den DP-Status besaß, in einer Caritas-Zeitschrift über seine in Deutschland gemachten Erfahrungen und Beobachtungen. Diesen zufolge, fühlten sich viele Ausländer in Deutschland „nicht zu Hause“ und ebenfalls nicht wirklich respektiert.347 Auch ein evangelischer Pastor lettischer Herkunft, der in einer Siedlung für „heimatlose Ausländer“ lebte, notierte 1957: „Für Deutschland sind die nichtdeutschen Flüchtlinge ein störender Fremdkörper. Es gibt genug eigene Flüchtlingsprobleme“.348 Obwohl vielen deutschen Flüchtlingen eine ähnlich ablehnende Haltung entgegengebracht wurde,349 waren insbesondere die DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ Diskriminierungen ausgesetzt.350 Über ein besonders niedriges Ansehen verfügten, wie bereits erwähnt, Menschen aus Ost- und Südosteuropa, die letztlich jedoch den Hauptanteil der in Deutschland verbliebenen „Ausländer“ stellten. Obwohl sich die Vorstellung von der Minderwertigkeit der slawischen Rasse prinzipiell auf alle Osteuropäer sowie auch auf Menschen aus Südosteuropa bezog, wurde durchaus zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen differenziert. Aus diesem Grund war es bereits im Nationalsozialismus zu einer Hierarchisierung der Zwangsarbeiter gekommen. Dieser zufolge standen insbesondere Polen und sog. „Ostarbeiter“, darunter zahlreiche Ostukrainer, auf der „untersten Stufe“ der Skala.351 Die österreichisch und somit westlich geprägten Ukrainer aus der Region Galizien galten hingegen als „höherwertig“ und – zumindest wenn es sich um die gebildete Oberschicht handelte – als vergleichsweise „zivilisiert“.352 Dies traf ebenfalls auf die Balten zu, denen aufgrund ihrer kulturellen „Höherwertigkeit“,353 sowie ihres überwiegend evangelisch-lutherischen Glaubens eine größere Ähnlichkeit mit den Deutschen bzw. den Westeuropäern zugesprochen wurde.354 1958 hieß es auch in einer Veröffentlichung zur „Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland: „Charakteristisch für die Balten ist die breite Intelligenzschicht, Fleiß, Sauberkeit und ein ausgesprochener ästhetischer Sinn“.355 Über die Polen äußerten sich die Autoren hingegen in diskriminierender Weise. So wäre „der Pole in der Masse zersetzend, aufrührerisch und streitsüchtig“.356 Indem sowohl eine Hierarchisierung nach rassischen Gesichtspunkten als auch nach dem Bil347 348 349 350 351 352 353 354 355 356
ADiCVMü., O. N.: Vergangenheit ohne Glück, in: CD, 6. Jhg., H. 5, Mai 1953, S. 50. Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 377. LkAH, E. 52, Nr. 249: Superintendent Voges an Dr. Hartge v. 29.1.1962. LkAH, L 3 III/1058: Klage d. ukrainisch-orth. Insassen d. AH Köln-Müngersdorf „Haus Andreas“ v. Petro C. d. Amts. Köln, o. D. http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/geschichte/auslaendisch/russlandfeldzug/. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 39. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 411. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 411. Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 74. Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 74.
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dungsgrad vorgenommen wurde, besaßen die russischen Emigranten der Zwischenkriegszeit sowie die nach 1945 aus der Sowjetunion geflohenen Angehörigen der höheren Sozialschichten eine bessere Reputation als die oft wesentlich geringer gebildeten ehemaligen Zwangsarbeiter. Nach Ansicht einer Vertreterin der „Tolstoy-Foundation“, der russischen Gräfin Alla I., brachte z. B. auch das „Evangelische Hilfswerk“ gebildeten Ausländern mehr Respekt entgegen, zumal sich der Umgang mit diesen meist unkomplizierter gestalten würde als mit „uneducated, shall we say mistrustful people“.357 Das von Vorurteilen bestimmte Verhalten einer im Kölner Heim tätigen deutschen Krankenschwester kommentierte Gräfin I. mit folgenden Worten: „Ich denke Schwester Hilde ist nicht böse, sie denkt aber, dass es böswillige, primitive Menschen auf der einen Seite und gute, gebildete auf der anderen Seite gibt, die ihre Sprache sprechen“.358 Bei letzteren handelte es sich insbesondere um Heimbewohner deutscher und galizischer Herkunft, die „in the eyes of the Germans“ ein besseres Ansehen als ihre russischen bzw. ostukrainischen Mitbewohner genossen.359 Aus diesem Grund beklagte die hochgebildete Russin, dass „unglücklicherweise“ viele Deutsche noch immer die Ansicht vertraten, dass „everything which come from Russia is not up to the mark“.360 Da von deutscher Seite aber in Bezug auf die DPs und „heimatlosen Ausländer“ zumeist keine Differenzierung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Sozialschichten erfolgte, galten die meisten Vorurteile für alle Ost- und Südosteuropäer. Zudem wurden die Osteuropäer häufig unter der Einheitsbezeichnung „Russen“ zusammengefasst.361 Sowohl die Deutschen als auch die Alliierten bezeichneten die kalmykischstämmigen DPs und „heimatlosen Ausländer“ aufgrund ihres „asiatischen“ Aussehens als „Mongolen“, die in der Rassenideologie der Vorkriegszeit eine ähnlich niedrige Stellung einnahmen wie die Slawen.362 Eine gleichermaßen negative Konnotation – u. a. in der öffentlichen Presse – besaß der Begriff des „Ausländers“, zumindest wenn es sich nicht um Westeuropäer oder US-Amerikaner handelte.363 Aus den oben erörterten Gründen wurden Eheschließungen zwischen Deutschen und russischen Emigranten, die sich freiwillig in Deutschland aufhielten und zudem eine höhere Bildung sowie eine antikommunistische Einstellung besaßen, von der deutschen Gesellschaft durchaus toleriert. Anders gestaltete sich die Situation für Personen, die wie die ehemaligen Zwangsarbeiter, infolge des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland gelangt waren. Mitte der 1960er Jahre bat z. B. ein Ukrainer, der mit einer Deutschen verheiratet 357 358 359 360 361
LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 20.7.1964. LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 20.7.1964. LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 20.7.1964. LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 20.7.1964. Z. B. wurde oft nicht zwischen Polen, Russen und Ukrainern unterschieden: Antons, J.H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 411. Vgl. auch Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? 362 Aged DPs to Go under German Care, 1950, Foto Nr. 4, S. 16; Hoffmann, J.: Deutsche und Kalmyken 1942 bis 1945, 1974, S. 44. 363 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, 2014, S. 411.
5.8 Konflikte
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war, um einen Platz im „Altenwohnheim Darmstadt“. Seine Ehefrau hingegen zog zu ihren Angehörigen, die sich nicht damit einverstanden erklärten, dass sie „einen DP geheiratet hat“ und sich daher weigerten, die alte Frau gemeinsam mit ihrem Ehemann aufzunehmen.364 Deutlich zeigt sich die Diskriminierung der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ ebenfalls in den Aussagen von ehemaligen, vorwiegend ukrainischstämmigen Bewohnern des Altersheims in Varel, die in das neu errichtete Altersheim „Haus Andreas“ in Köln verlegt worden waren.365 Obwohl das Kölner Heim vorwiegend der Versorgung russischsprachiger „heimatloser Ausländer“ orthodoxen Glaubens dienen sollte, lebten nach Aussage eines Bewohners schon 1959 zu einem „Drittel deutsche alte Leute“ im Haus; 1960 waren es – wie erwähnt – bereits etwa 50 Prozent.366 Dass sich die Deutschen, d. h. sowohl die Heimbewohner als auch die Mitarbeiter – zumal sie im Haus nicht mehr die Minderheit bildeten – ihren ausländischen Mitbewohnern gegenüber wenig solidarisch verhielten, wird in verschiedenen Konflikten deutlich. Selbst die deutsche Heimleiterin lehnte die „Ausländer“ ab und reichte daher 1962 sogar ihre Kündigung ein.367 Eine Besserung der Situation schien durch die Kündigung der Heimleiterin aber nicht eingetreten zu sein, da nach Ansicht eines ukrainischen Bewohners noch 1964 „menschenunwürdige Zustände“ im „Haus Andreas“ herrschen würden.368 Beispielsweise wären einzelne Ukrainer vom deutschen Heimpersonal vorschnell für „geisteskrank“ erklärt und in die Psychiatrie verlegt worden.369 Petro C. schrieb daher an den Bischoff der evangelischen Landeskirche: „ich […] möchte bemerken, dass die Insassen des Heimes (Ukrainer) nicht besser behandelt werden, als die Juden in Deutschland vor dem Kriege und die Ausländer im Krieg […] Es muss unbedingt etwas geschehen, dass die unmenschlichen Verfolgungen gegen die ukrainischen Heiminsassen, besonders der Ukrainer in der Bundesrepublik überhaupt aufhören“.370 Dabei wandte sich Herr C. weniger gegen die evangelische Kirche als Heimträger, sondern vielmehr gegen den deutschen Staat, dem er eine potenziell ausländerfeindliche Gesinnung unterstellte. Dass die Ukrainer so „unmenschlich“ behandeln wurden, betrachtete er demzufolge nicht als Einzelfall, sondern als Resultat der in Deutschland noch immer weit verbreiteten Abwertung von Menschen südund osteuropäischer Herkunft.371 Darüber hinaus erinnerte Petro C. daran, dass das Heim ursprünglich nicht für Deutsche erbaut worden war, sondern vorwiegend für Ukrainer, die durch die Vertreibung aus ihrer Heimat „ihre
364 LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an AH Darm., v. 26.11.1964. 365 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C. an Bischof Lilje u. Kirchenpräs. Niemöller, o. D.; LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Klage d. ukrain-orth. Insassen d. AH Köln-Müngersdorf „Haus Andreas“ v. Petro C. an Amts. Köln, o. D. 366 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C., Dü., an Amts. Köln, v. 4.4.1964, S. 2. 367 LkAH, E. 52, Nr. 249: Superint. Voges an Dr. Hartge v. 29.1.1962. 368 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C. an Bischof Lilje u. Kirchenpräs. Niemöller, o. D. 369 LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 20.7.1964. 370 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C. an Bischof Lilje u. Kirchenpräs. Niemöller, o. D. 371 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C., Dü., an Amts. Köln, v. 4.4.1964.
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Kinder, Familienangehörigen und Nationale Tradition“ verloren hätten und daher als Opfer des Kriegs keinesfalls „schikaniert und gequält“ werden dürften.372 Auch ein Heimleiter des Darmstädter Altersheims zeigte den osteuropäischen bzw. russischen Bewohnern sowie der „Tolstoy-Foundation“ gegenüber wiederholt eine diskriminierende Einstellung. Wie schon dargestellt nahm er z. B. wenig Rücksicht auf die Wünsche und Traditionen der alten Menschen und ließ u. a. das russisch-orthodoxe Osterfest ausfallen. Bedingt durch die zahlreichen Auseinandersetzungen verlor auch die im Heim tätige „TolstoyFoundation“ jegliches Vertrauen zu Herrn G. und plädierte – wenn auch erfolglos – für dessen Entlassung.373 Ein Vertreter des „Evangelischen Hilfswerks“ reagierte in einem Brief an den Heimleiter ebenfalls kritisch auf dessen Verhalten. Dabei bezog er sich u. a. auf Herrn G.s Bemerkung über die angeblich „hinterlistige Art der östlichen Ausländer“. Diese Äußerung würde, zumal die Nationalität „keine Bewertungsskala“ sein dürfte, einen „tiefen Einblick“ in die „Innere Haltung“ des Heimleiters gewähren, „die sich noch nicht von nationalsozialistischer Propaganda frei machen konnte“.374 Um „Auseinandersetzungen“ zwischen Deutschen und Ausländern vorzubeugen, votierten die Heimträger wie das „Hilfswerk der Evangelischen Kirche“ entschieden gegen die Verlegung „heimatloser Ausländer“ in „deutsche Altersheime“.375 Folglich galt auch bei der bereits in Varel geplanten zukünftigen Aufnahme deutscher Bewerber eine „völlige Mischung von heimatlosen Ausländern mit deutschen Alten“ als völlig „ausgeschlossen“; vielmehr käme nur die „geschlossene Unterbringung deutscher Gruppen in abgeschlossenen Teilen der Gesamtanlage in Frage“.376 Die rheinland-pfälzische „Innere Mission“ berichtete ebenfalls, dass sich die gemeinsame Unterbringung von „heimatlosen Ausländern“ mit deutschen Flüchtlingen in ihren Einrichtungen „auf die Dauer als unmöglich erwiesen hat“.377 Obwohl im Altersheim „Insula“ keine räumliche Trennung der ausländischen und der deutschen Bewohner erfolgte, gehörten auch hier Konflikte zwischen den Bewohnergruppen zum Alltag.378 1951 beschwerte sich z. B. ein deutscher Bewohner der „Insula“ darüber, dass er „mit Ausländern“ in einem Zimmer leben musste.379 Ein Vertreter der „Inneren Mission“ 372 373 374 375
376 377 378 379
LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C., Dü., an Amts. Köln, v. 4.4.1964, S. 2. LkAHN, B. 160, Nr. 26: TF an Pf. Rathgeber, v. 10.3.1962. LkAHN, B. 160, Nr. 26: Pf. Rathgeber an K. Graf, AH Darm., v. 14.2.1962. Das niedersächsische Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte wandte sich im Januar 1956 bezüglich der Unterbringung der Vareler Heimbewohner an die konfessionellen Wohlfahrtsverbände und das DRK: LkAH, E 52, Nr. 367: HW Old., an Nds. Min. f. Vertr., v. 31.1.1956; LkAH, E 52, Nr. 367: Nds. Min. f. Vertr. an CV, IM, DRK, Hann., v. 16.1.1956. LkAH, E 52, Nr. 367: Sitzung d. Arbeitsausschusses, Hann., v. 8.3.1952. LkAH, E 52, Nr. 367: Geschäftsstelle d. Landesverb. d. IM in Rhein.-Pfalz, Koblenz an d. Gesamtverb. d. IM Hann., v. 18.1.1954. LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Oberkirchenrat Riedel an Dir. Pf. Hofmann, Mü., v. 10.9.1951. LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Insula, Ev. luth. AH an Ev. luth. LKR Mü., v. 18.9.1951, S. 1.
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notierte 1951: „Die Vermischung von Einheimischen und Ausländern ist keine ganz einfache Angelegenheit“.380 Auch das „Hilfswerk“ äußerte, dass „heimatlose Ausländer“ möglichst zusammen in eigenen Heimen untergebracht werden sollten, da es in „deutschen“ Altersheimen „zu unliebsamen Auseinandersetzung kommen wird“.381 Die ausländischen Organisationen wie der Weltkirchenrat hielten ein harmonisches Zusammenleben von Deutschen und Ausländern ebenfalls für unrealistisch. Folglich unterstützten sie die Umsiedlung „heimatloser Ausländer“ in spezielle Altersheime.382 Es waren aber nicht nur die Heimträger, sondern auch die „heimatlosen Ausländer“ selbst, die sich gegen eine gemeinsame Unterbringung mit deutschen Heimbewohnern aussprachen. Insbesondere die nicht freiwillig nach Deutschland gekommenen „heimatlosen Ausländer“ besaßen gegenüber den Deutschen eine sehr skeptische Haltung, die sich im Altersheim u. a. in der Ablehnung deutscher Mitbewohner und Mitarbeiter äußerte. Beispielsweise zeigten die aus Polen stammenden Heimbewohner, unter denen sich viele ehemalige Zwangsarbeiter befanden, häufig einen „politisch motivierten Hass gegen die Deutschen bzw. das deutsche Betreuungspersonal“.383 Demzufolge erhielten v. a. die in den 1950er Jahren neu errichteten „Ausländerheime“ auch viele Aufnahmegesuche von „heimatlosen Ausländern“, die nach Auflösung der großen DP-Lager und -Heime vorerst in deutschen Einrichtungen Aufnahme gefunden hatten. Mit dem Bau neuer, speziell für „heimatlose Ausländer“ konzipierter Heime, ergaben sich jedoch wesentlich mehr Möglichkeiten für einen Heimwechsel. Dieser wurde auch von den Wohlfahrtsverbänden unterstützt und finanziert.384 1959 bat z. B. eine Polin, die in einem katholischen „deutschen“ Altersheim lebte, nach dem Tod ihres Ehemanns und dem Auszug einer weiteren polnischen Bewohnerin, dringend um Verlegung in ein „Ausländerheim“.385 Der Hauptgrund für ihren Umzugswusch lag in ihrer Weigerung, das Zimmer, das sie bislang mit ihrem Ehemann bewohnt hatte, zukünftig mit einer deutschen Mitbewohnerin zu teilen.386 In Absprache mit dem UNHCR, der sich in Kooperation mit den christlichen Wohlfahrtsorganisationen weiterhin um die Belange der ehemaligen DPs in Deutschland kümmerte, fand Maria S. schließlich im neuen Altersheim der „Beckhofsied380 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Oberkirchenrat Riedel an Dir. Pf. Hofmann, Mü., v. 10.9.1951. 381 LkAH, E 52, Nr. 367: HW der EK in Dt., Hauptbüro Old. an HW d. EK, Hann., 31.1.1966. 382 LkAH, E 52, Nr. 367: Geschäftsstelle d. Landesverb. d. IM in Rhein.-Pfalz, Koblenz an d. Gesamtverb. IM Hann., v. 18.1.1954. 383 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 73. 384 Vgl. u. a. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 16.4.1959. 385 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs an d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 16.4.1959; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 476: Szabunia, Maria: St. Josefs-Heim, Wewelsburg, an BeckhofAH, v. 8.4.1959. 386 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 16.4.1959.
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lung“ eine neue Unterkunft. In diesem Heim konnte sie nun mit „heimatlosen Ausländern“, die zudem vielfach ebenfalls aus Polen stammten, zusammenleben.387 Gemeinsam mit Frau S. fand ein „schwachsinniger Russe“, der in den 1950er Jahren aus China flüchten musste, Aufnahme im „BeckhofAltersheim“.388 Auch er hatte zuvor mehrere Jahre in einer ausschließlich mit Deutschen belegten Betheler Einrichtung gelebt und sich unter seinen deutschen Mitbewohnern, u. a. aufgrund seiner mangelnden deutschen Sprachkenntnisse, „sehr unglücklich“ gefühlt.389 Da er zudem großen Wert auf die regelmäßige Teilnahme an einem orthodoxen Gottesdienst legte, erwies sich ein Umzug in das „Beckhof-Altersheim“ als beste Lösung, zumal dieses bevorzugt seelisch und körperlich beeinträchtigte Menschen betreute.390 Ein polnischukrainisches Ehepaar, das sich erst wenige Jahre zuvor in einem DP-Lager kennengelernt hatte, entschloss sich nach einem kurzen Aufenthalt in einem katholischen „deutschen“ Altersheim, für einen Umzug in das „Haus Andreas“ in Köln-Müngersdorf.391 Neben Schwierigkeiten mit ihren deutschen Mitbewohnern und dem Erwerb der deutschen Sprache vermissten die in „deutschen“ Heimen lebenden DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ oft auch ihre religiösen Traditionen, insbesondere den Besuch orthodoxer Gottesdienste. Mitte der 1960er Jahre bat z. B. der 75-jährige, 1945 aus Jugoslawien geflüchtete Rade B. „dringend“ um Aufnahme in das „Altenwohnheim Darmstadt“. Nach einem sechsjährigen Aufenthalt in einem ausschließlich von Deutschen bewohnten Braunschweiger Altersheim, in das er 1959 eingewiesen worden war, fühlte er sich „als orthodoxer sehr vereinsamt“ und bemühte sich daher um einen Heimwechsel.392 Selbst „heimatlose Ausländer“, die bereits seit Jahrzehnten in Deutschland lebten, entschieden sich im hohen Alter häufig für den Einzug in ein „Ausländerheim“. In den späten 1960er Jahren wollte auch der bereits seit den frühen 1920er Jahren in Deutschland lebende russische Musiker Georg S. nach dem Tod seiner deutschen Frau seine letzten Lebensjahre in einer russisch geprägten Umgebung und daher im „Altenwohnheim Darmstadt“ verbringen.393 Insbesondere in den unmittelbaren Nachkriegsjahren beruhten die Konflikte zwischen Deutschen und DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ auf gegenseitiger Abneigung.394 Auch laut der Beobachtung einer in der DP-Betreuung tätigen Britin herrschte zwischen Polen und Deutschen teilweise sogar „lodernder Hass“. So würden die Deutschen durch den Kontakt mit den polnischen DPs ständig an die Vertreibung ihrer Landsleute aus den ehemaligen deut387 388 389 390 391
HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 16.4.1959. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 16.4.1959. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 16.4.1959. HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. VN, HK für Flücht., Bonn, v. 16.4.1959. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: K., Matwij u. Warwara: Präs. Nds. Verwaltungsbez. Old. an Beckhofs., v. 31.8.1959. 392 LkAHN, B. 160, Nr. 31: UNHCR, Bad G., v. 8.6.1965. 393 LkAHN, B- 160, Nr. 31: TF. Frank., an Darm., v. 31.10.1967. 394 Vgl. u. a. LAELKB, DW, Nr. 1525, Rep. Nr. 24: Soziologische, Sozialpsychologische u. Sozialpsychiatrische Probleme d. Integration HA, v. Dr. E. Kempf, v. 1962.
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schen Ostgebieten, die Polen hingegen an die Grausamkeit der Deutschen im Zweiten Weltkrieg erinnert werden.395 In einer deutschen Untersuchung von 1958 wurde ebenfalls auf die Vertreibungen der Deutschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten verwiesen: „auf deutscher Seite findet man noch zu oft ein Ressentiment gegen die Angehörigen derjenigen Völker, die Millionen Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben und diese Gebiete besetzt haben“.396 Auch zwischen Deutschen und Balten bestand – trotz der oft guten Beziehung – ein „gespanntes Verhältnis“.397 Unter anderem warfen die Deutschen den Balten „Wetterwendigkeit“ vor, da sie während des Kriegs zwar freiwillig nach Deutschland gekommen wären, nun aber die gleichen Vorrechte von alliierter Seite genießen würden wie die Zwangsverschleppten.398 Einzelne Heimbewohner blieben nicht untätig und wehrten sich aktiv gegen Diskriminierungen und Anfeindungen. Indem sich dabei vielfach mehrere Personen zusammentaten, erhöhten sie ihre Chance, Gehör zu finden. Im Kölner Heim z. B. forderten – aufgrund der oben beschriebenen schweren Konflikte mit den deutschen Mitarbeitern – sogar vorgeblich „alle“ im Heim lebenden Ukrainer die Verurteilung des Heimpersonals wegen „verbrecherischer Machenschaften“, rassischer, nationaler und religiöser Verfolgung, körperlicher Misshandlung sowie der Einlieferung geistig „gesunder“ Bewohner ins „Irrenhaus“.399 Teilweise erhielten die alten Menschen bei ihren Klagen Unterstützung durch jüngere oder höher gebildete Mitbewohner, die z. B. bei der Erstellung von Beschwerdebriefen behilflich waren.400 Auf diese Hilfe griffen vorwiegend Personen zurück, die nicht schreiben und lesen konnten oder über keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse verfügten.401 Ebenfalls zogen viele Bewohner den Rat von Landsleuten hinzu, die außerhalb der Heime bzw. Lager lebten und oft ebenfalls Übersetzungen übernahmen.402 Dazu gehörten z. B. auch Geistliche, denen besonderes Vertrauen entgegengebracht wurde.403 Bei schwerer zu lösenden Konflikten wandten sich die Heimbewohner außerdem an die Vertreter ihrer „Volksgruppe“ oder an die entsprechenden Hilfskomitees bzw. -organisationen, z. B. an die „Tolstoy-Founda395 McNeill, M.: An den Wassern von Babylon, 1995, S. 252. 396 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 102. 397 McNeill, M.: An den Wassern von Babylon, 1995, S. 252. 398 McNeill, M.: An den Wassern von Babylon, 1995, S. 252. 399 Zudem würden die ukrainischen Bewohner schlechteres Essen erhalten als ihre deutschen Mitbewohner: LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C. an Amts. Köln, Klage d. ukrainischen orth. Insassen, o. D., S. 1 ff. Obwohl der Heimträger die Anklagen als Lügen bezeichnete, erfolgte schließlich eine Verlegung der Beschwerdeführer: LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Clarenbachwerke e. V. Köln, betr. Verlegung, o. D.; LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Clarenbachwerke e. V. Köln, an Pf. Gurskij, v. 28.11.1963. 400 Vgl. dazu z. B. LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C. an Amts. Köln, Klage d. ukrainischen orth. Insassen, o. D. 401 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Eugen C., AH Dorn., an RP Nordwürttemb., v. 3.6.1957. 402 Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 267: S., Nikolaj: L. Lutz an Hausvater AH Beckhof, v. 26.7.1964. 403 Z. B HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: Erzpriester D. Ostaptschuk an Gebauer, v. 26.9.1959.
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tion“.404 Insbesondere zwischen den russischen Bewohnern des „Altenwohnheim Darmstadt“ und der „Tolstoy Foundation“ bestand ein sehr enger Bezug. Die Mitarbeiter der Foundation suchten regelmäßig das Heim auf und kümmerten sich somit vor Ort und v. a. persönlich um die Angelegenheiten der alten Menschen, z. B. bei hausinternen Konflikten.405 Informationen über die Lebensbedingungen in den „Ausländerheimen“ gelangten aufgrund der guten Kontakte zwischen den DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ und den internationalen Hilfsorganisationen auch ins Ausland. 1953 berichtete z. B. eine russische Emigrantenzeitung in Amerika über die vorgeblich schlechte und unzureichende Versorgung der Bewohner des Dornstädter Altersheims und rief daher die Leser dazu auf, Lebensmittel an das Heim zu spenden.406 Ein Bewohner der „Beckhofsiedlung“ droht ebenfalls damit, seine das Heim bzw. das Personal betreffenden Beschwerden in den russischen Exilzeitungen veröffentlichen zu lassen.407 Nicht selten erhofften sich die alten Menschen zudem die Hilfe von hochrangigen Geistlichen oder Politikern. 1957 wandte sich z. B. ein Bewohner des Dornstädter Altersheims mit seiner Beschwerde über das Heimpersonal nicht nur an die württembergische Regierung, sondern ebenfalls an Bundeskanzler Adenauer, von dem er aber keine Antwort erhielt.408 Der bereits genannte Petro C. legte – im Namen seiner ukrainischen Mitbewohner – sowohl beim Kölner Amtsgericht und dem Bundesinnenministerium als auch beim UNHCR Protest gegen das Kölner Altersheim ein.409 Obwohl daraufhin tatsächlich eine Vernehmung der Heimbewohner durch einen Beauftragten des UNHCR erfolgte, stellte dieser sich letztlich „auf die Seite“ des Heimträgers bzw. des Heimpersonals, was Herrn. C. zu weiteren Klagen Anlass gab.410 Vereinzelt erhielten die DPs und „heimatlosen Ausländer“ auch Unterstützung aus der deutschen Bevölkerung. So auch ein Bewohner des „Beckhof-Altersheim“, dessen deutscher Bekannter sich bei der Heimleitung für die Belange der alten Menschen einsetzte. Dabei übte er deutliche Kritik an der Heimleitung, die den Bewohnern z. B. das Aufbewahren von persönlichen Gegenständen im Haus verbieten würde.411 Dass in den Altersheimen – wie auch in den DP-Lagern – Menschen mit unterschiedlichen Biographien und Charakteren zusammentrafen, barg ein hohes Konfliktpotenzial. So lebten Kollaborateure und Zwangsarbeiter ebenso eng beieinander wie Katholiken und Orthodoxe oder Akademiker und Anal-
404 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: K., Matwij: An die WA Mün., v. 15.6.1959; HAB, Beckhof PA 1, Nr. 78: K. Harald: Anbei: J. Västrik, Präs. d. Estnischen Zentralkomitees in Dt. 405 Vgl. z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an TF Frank., v. 8.7.1968. 406 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Dr. A. Kraut an Dr. Collmer, v. 13.2.1953. 407 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Notiz v. AH Beckhof, betr. A. T., v. 27.2.1963. 408 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Eugen C., AH Dorn, an RP Nordwürttemb., v. 3.6.1957. 409 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Öffentlich, Petro C. an UNHCR in Genf, MI in Bonn, v. 4.4.1964, S. 1; LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C. an Amts. Köln, v. 4.4.1964, S. 3. 410 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Öffentlich, Petro C. an UNHCR in Genf, MI in Bonn, v. 4.4.1964, S. 1; LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Petro C., Dü. an Bischof Lilje, v. 7.4.1964. 411 Z. B. HAB Anst. 1 Nr. 943: J. Gärtner., Dü., an Pf. A. Funke persönlich, v. 18.7.1978.
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phabeten.412 Beispielsweise hieß es in der regionalen Presse zu den Bewohnern des „Adrian-Marshall-Home“ in Goslar: „Adel und geistig Hochstehende wohnen hier unter gleichen hilfsbedürftigen Umständen mit Analphabeten“.413 Im Heim traten die sozialen, konfessionellen und gesellschaftlichen Unterschiede oft besonders deutlich zu Tage, da den dort lebenden Menschen jegliche Aussicht auf ein eigenständiges Leben außerhalb einer „erzwungenen“ Hausgemeinschaft verwehrt blieb. Hinzu kam, dass sich das Zusammenleben in den engen Grenzen des Heimgeländes abspielte. Für die Bewohner bestand daher nur wenig Möglichkeit, sich von missliebigen Mitbewohnern fernzuhalten. Dabei stellte keinesfalls nur die Situation in den großen und z. T. dicht belegten Notunterkünften eine hohe Belastung für die alten Menschen dar. Beispielsweise herrschte in den frühen 1970er Jahren auch im „Altenwohnheim Darmstadt“ unter den russischen Bewohnern eine sehr angespannte Atmosphäre. Diese war aus Sicht mehrerer „gebildeter“ Russen mit einem „Gefühl für Anstand und gute Sitten“ v. a. durch das unangemessene und unsittliche Verhalten einiger, ebenfalls russischstämmiger Mitbewohner mittlerweise „unerträglich“ geworden.414 Ein großes Konfliktpotenzial bestand nicht nur zwischen den verschiedenen Sozialschichten, sondern ebenfalls zwischen den freiwillig nach Deutschland gelangten Personen und denjenigen, die unter Zwang in das „Deutsche Reich“ deportiert worden waren. Im „Adrian Marshall-Home“ distanzierten sich viele der „Freiwilligen“ sogar ausdrücklich von den „Verschleppten“, mit denen sie auch in der Öffentlichkeit keinesfalls „in einen Topf“ geworfen werden wünschten.415 Da das Zusammenleben mit den zunächst fremden Mitbewohnern und das Einfügen in die Gruppe vielen alten Menschen sehr schwer fiel, neigten einige neu eingezogene Bewohner zum Aufbau seelischer „Schutzwälle“ gegenüber der neuen Umgebung. Diese konnten oft erst nach und nach, teilweise sogar gar nicht durchbrochen werden416 Außerdem stand den alten Menschen, zumindest wenn kaum Möglichkeit zur Beschäftigung im Heim bestand, sehr viel freie Zeit zur Verfügung. Da sie sich zudem nicht mehr wie die jüngeren DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“, um ihre Zukunft und ihre Integration in die deutsche Gesellschaft kümmern mussten, verblieb ihnen ausreichend Raum zur Austragung von Streitigkeiten und der Äußerung von Be412 Vgl z. B. Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons und ihr Kampf um nationale Identität, 2014, S. 233. Siehe dazu auch die Festschrift zur Einweihung des Münchner CaritasAltersheims, in der es über das Leben in den großen DP-Lagern heißt: „Die Lagerinsassen stellten ein buntes Volk dar, wo alle Nationen, alle Gesellschaftsschichten und alle Stufen der Zivilisation vertreten waren“: ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Emigrantenschicksale in d. Obhut d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 21 413 StAGoslar, ZA aus: Braunschweiger Zeitung: „Internationale Ruheständler in d. Harzbergen“, v. 5.8.1950. 414 LkAHN, B. 160, Nr. 30: Brief v. Bew., elf Unterschriften (russ. Namen), an DW in HN, v. 24.10.1973, S. 1. 415 StAGoslar, ZA aus: Braunschweiger Zeitung: „Internationale Ruheständler in d. Herzbergen“, v. 5.8.1950. 416 Stengel, F.: Verhaltensweisen von Frauen im Altersheim, 1962, S. 14–16.
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schwerden. So kam es nicht nur zur Bildung von „Cliquen“ und Interessengruppen, sondern ebenfalls zu Intrigen gegen Mitbewohner und das Personal. Nicht selten waren sowohl die Bewohner als auch die Mitarbeiter in die Streitigkeiten involviert. Nach Aussage des Heimträgers existierten z. B. auch im „Altenwohnheim Darmstadt“ in den frühen 1960er Jahren unter den russischen Bewohnern zwei „Parteien“, die sich gegenseitig misstrauen und bespitzeln würden.417 Dabei kooperierte die eine, aus der „Mehrzahl der Russen“ bestehende Gruppe mit der Heimleitung, die andere hingegen mit der im Heim tätigen Fürsorgerin, die einigen Bewohnern bereits aus Varel bekannt war.418 Die Streitigkeiten zwischen den alten Menschen endeten teilweise in schweren handgreiflichen Auseinandersetzungen, sehr selten sogar tödlich. Beispielsweise wurde eine Bewohnerin des „Altersheims Dornstadt“ von einer Mitbewohnerin mit einem Gehstock so sehr traktiert, dass sie Blutergüsse und mehrere Platzwunden am Kopf erlitt und daher auf die heimeigene Pflegeabteilung verlegt werden musste.419 Als sie neun Tage später plötzlich verstarb, beantragte die Staatsanwaltschaft eine gerichtliche Obduktion der Leiche.420 Obwohl der Tod von Frau W. letztlich auf eine Lungenembolie zurückgeführt wurde, galt diese jedoch als unmittelbare Folge des Angriffs bzw. der durch die Verletzungen notwendig gewordenen längeren Bettlägerigkeit.421 Die als geistig verwirrt geltende Täterin wurde vorerst in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.422 Dass das von einem Darmstädter Heimbewohner infolge eines Streits „gezückte Messer seine volle Wirkung nicht ausüben konnte“ und daher „nur“ zu einer „blutenden Wunde“ und nicht zum Tod des Opfers führte, war lediglich der „Geistesgegenwart“ einer weiteren Bewohnerin zu verdanken.423 Dass in vielen „Ausländerheimen“ Menschen unterschiedlicher Nationalität Unterkunft fanden, barg insbesondere kurz nach Kriegsende ein hohes Konfliktpotenzial. In den späten 1940er Jahren notierte z. B. eine in der DP-Betreuung tätige Irin, dass sowohl die Deutschen als auch ein Großteil der nicht russischen, antikommunistischen DPs von einer „panikartigen Furcht“ vor den Russen bzw. den Bolschewisten „erfüllt“ worden wären; die Gefühle der DPs gegeneinander ansonsten aber „mehr die der dumpfen Abneigung und Bitterkeit“ sein würden.424 Von nationalen „Differenzen“ unter den Bewohnern berichteten auch die Heimfürsorgerin und der Heimleiter des großen DP-Altersheims in Varel.425 Im „Altenwohnheim Darmstadt“ existierten zwischen den alten Menschen selbst noch Mitte der 1970er Jahre erhebliche ethnisch-, religiös-, sozial- und national417 418 419 420 421 422 423 424 425
LkAHN, B. 160, Nr. 29: DAMW, Komplott B.-K.-W., v. 20.10.1962. LkAHN, B. 160, Nr. 29: DAMW, Komplott B.-K.-W., v. 20.10.1962. LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: AH d. IM in Dorn. an Landesverb. für IM, v. 23.9.1961. LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: AH d. IM in Dorn. an Landesverb. für IM, v. 23.9.1961. LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: ZA aus?, o. D. (ca. Sept. 1961): „Ungeklärter Todesfall einer Rentnerin. Streit im Altenheim Dornstadt – Staatsanwalt beantragt Obduktion“. LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: AH d. IM in Dorn. an Landesverb. für IM, v. 23.9.1961. LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an d. HW d. EKHN, Frank., v. 9.7.1966, S. 1. McNeill, M.: An den Wassern von Babylon, 1995, S. 252. LkAH, E 52, Nr. 367: Ber. Bes. AH, v. 3.3.1952.
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bedingte Spannungen.426 Da diese in nahezu allen Unterkünften zum Alltag gehörten, plädierten viele Heimträger und Wohlfahrtsorganisationen nicht nur gegen die gemeinsame Unterbringung von Deutschen und Ausländern, sondern gleichfalls gegen die Zusammenlegung von „heimatlosen Ausländern“ unterschiedlicher Nationalität.427 So würden z. B. der Erfahrung der württembergischen evangelischen Landeskirche zufolge in Unterkünften mit „geschlossener Volksgruppe“ am wenigsten Konflikte auftreten.428 Es stieß daher auf positive Resonanz, dass die Ende der 1950er Jahre eröffneten Heime in Köln und Darmstadt vorrangig Ukrainer und Russen aufnehmen wollten. Als Argument für die getrennte Unterbringung wurden u. a. die großen, zwischen Ukrainern, Russen und Polen bereits seit Jahrhunderten existierenden Differenzen genannt. Tatsächlich kam es aber auch in diesen Einrichtungen zu Problemen zwischen der vorgeblich heterogenen Klientel der Heimbewohner. In den Altersheimen in Darmstadt und Köln bezog sich der Großteil der Auseinandersetzungen auf Konflikte zwischen Ost- und Westukrainern bzw. ukrainisch- und polnischstämmigen Ukrainern. Die innerukrainischen Konflikte offenbarten sich in zahlreichen Streitigkeiten, die nicht selten sogar mit dem Auszug bzw. der Verlegung einzelner Bewohner endeten. 1964 entschied sich z. B. ein Bewohner des Altersheims in Köln, der aus der Ostukraine, d. h. dem russischen Teil der Ukraine stammte, für eine Umsiedlung nach Darmstadt. Ursprünglich war er im Altersheim in Dornstadt untergebracht worden, in dem ebenfalls Westukrainer aus Polen lebten.429 Dies missfiel ihm jedoch derartig, dass er einen Umzug nach Köln wünschte, „da er dachte, dort wären nur Ukrainer aus Russland“.430 Als sich seine Annahme aber nicht bewahrheitete, erhoffte er sich schließlich im Darmstädter Heim eine rein russisch geprägte Umgebung. Diese Hoffnung bestand gleichfalls bei einem ehemaligen Vareler Heimbewohner, der sich „innerlich“ sogar zum Einzug in das russische Heim „gezwungen“ fühlte und sich daher vehement um eine Aufnahme bemühte.431 Seiner Aussage zufolge hatte er sich zwar ursprünglich – um sich „vor der gottlosen und grausamen kommunistischen NKWD zu schützen“ – als Ukrainer ausgegeben; identifizierte sich aber „ausschließlich“ mit der russischen Kultur.432 Zudem besaß er noch immer eine feste Anbindung an seine ehemaligen Vareler Mitbewohner, darunter mehrere Mitglieder der „Vereinigung der russischen Kriegsinvaliden in Deutschland“.433 Nach Ansicht der 426 LkAHN, B. 160, Nr. 30: E. Ludolph an UNHCR, Bad G., v. 4.1.1974. 427 LkAH, L 3 III, Nr. 1502: Ev. Kirch. an Mitgl., v. 25.2.1953; LkAH, L 3 III, Nr. 1502: Luth. Weltbund, o. D. 428 LkASt, DW, Nr. 1500: AG d. DW in d. EK in Württemb., Betreuungsstelle für HA, Dez. 1951, S. 4. 429 LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatie an AH Darm., v. 17.8.1964. 430 LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an AH Darm., v. 17.8.1964. 431 In seiner Bitte um Heimaufnahme schrieb Herr S. zudem: „Ich habe aber in mich eine ausschließlich russische Kultur aufgenommen und bin in den mittleren und höheren Schulen in Petersburg gewesen […]. Folglich wäre sein „ganzes Leben und Schicksal mit demjenigen Russlands verbunden“: LkAHN, B. 160, Nr. 29: Daniel S. (Übersetzung), Varel an ?, o. D. (1959). 432 LkAHN, B. 160, Nr. 29: Daniel S. (Übersetzung), Varel an ?, o. D. (1959). 433 LkAHN, B. 160, Nr. 29: Daniel S. (Übersetzung), Varel an ?, o. D. (1959).
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Heimleitung passte er jedoch als Adventist, wie schon erwähnt, nicht zur orthodoxen Bewohnerklientel und sollte sich daher lieber im „Haus Andreas“ in Köln bewerben.434 In diesem Heim kam es gleichfalls zu zahlreichen national bedingten Problemen. Mitte der 1960er Jahre entstanden im „Haus Andreas“ sogar massive Konflikte zwischen ukrainischen Bewohnern aus verschiedenen Herkunftsregionen, von denen einige ebenfalls einen Heimwechsel anstrebten. Die Personen, die sich für das Darmstädter Heim interessierten, stammten überwiegend aus der russisch geprägten Ostukraine und gehörten der russisch-orthodoxen Kirche an.435 In Köln waren sie insbesondere von ihren Mitbewohnern galizischer Herkunft diskriminiert worden. Die Region Galizien hatte sich während des Zweiten Weltkrieges sowohl unter deutscher und sowjetischer als auch allein unter deutscher Herrschaft befunden. Nach Kriegsende, d. h. dem Ende der deutschen Besatzung, erfolgte schließlich die Aufteilung Galiziens. So geriet der östliche Teil, der zur Westukraine gehörte, unter sowjetische Herrschaft, während der westliche Teil dem polnischen Staat zugesprochen wurde. Diese Aufteilung führte jedoch zur Zwangsumsiedlung der – sich nun auf sowjetischem Staatsgebiet befindenden – polnischstämmigen Ostgalizier nach Polen. Die Ukrainer hingegen, die bislang in Ostgalizien gelebt hatten, das nun aber zum polnischen Staatsgebiet gehörte, mussten in die Westukraine, d. h. in die Sowjetunion umsiedeln.436 Demzufolge bestand die Bevölkerung Ostgaliziens letztlich überwiegend aus ukrainischstämmigen Personen. Auch für die im Altersheim auftretenden Auseinandersetzungen zwischen Ost- und Westukrainern bzw. Galiziern, bildeten die genannten Entwicklungen den politischen Hintergrund. Eine Mitarbeiterin der „Tolstoy-Foundation“ beschrieb das Verhalten der westukrainischen Galizier gegenüber ihren ostukrainischen Mitbewohnern folgendermaßen: „the galicians makes their lives worse than being in a concentration camp, so they were terrorized“.437 Die ablehnende Haltung der Galizier erklärte sie sich damit, dass einige der im Heim lebenden Ost-Ukrainer „very primitive people“ wären, und somit bei den vergleichsweise gut gebildeten westukrainischen Bewohnern auf große Ablehnung stießen. Dass Galizien bis 1918 zu ÖsterreichUngarn gehört hatte und somit traditionell eher westlich orientiert war, spielte dabei eine nicht unerhebliche Rolle. So hatten viele Galizier, darunter die galizischen Bewohner des Kölner Altersheims, schließlich auch die von der nationalsozialistischen Rassenideologie beeinflussten Vorurteile gegenüber der osteuropäischen Bevölkerung übernommen.438 Folglich korrespondierten ihre Ansich-
434 LkAHN, B. 160, Nr. 29: AH Darm. an Daniel S., AH Varel, v. 31.8. 1959. 435 Z. B.: LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 20.7.1964; LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an Gregor N., v. 7.8.1964. 436 Die in Polen verbleibenden Ukrainer wurden nicht als eigenständige Nation anerkannt, sondern sollten vielmehr „polonisiert“ werden: http://www.bpb.de/izpb/209719/gesch ichte-der-ukraine-im-ueberblick?p=all. 437 LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an E. Thomas, TF, Mü., v. 20.7.1964. 438 Beispielsweise distanzierten sich auch ehemalige Zwangsarbeiter westukrainischer Herkunft von den aus den ostukrainischen Gebieten stammenden ehemaligen sog. „OSTArbeitern“: Thonfeld, C.: Rehabilitierte Erinnerungen? 2014, S. 105.
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ten, d. h. ebenfalls das verbreitete Bild des ungebildeten und rückständigen Russen, mit den Überzeugungen und Vorurteilen des deutschen Heimpersonals. Neben den oben beschriebenen innerukrainischen Konflikten bezogen sich zahlreiche Probleme, die in den Altersheimen für DPs und „heimatlose Ausländer“ auftraten, auf Differenzen zwischen Ukrainern und Russen. Diese zeigten sich z. B. im „Altenwohnheim Darmstadt“ in mehreren, von den „Russen dieses Hauses“ unterzeichneten Briefen an das evangelische „Hilfswerk“ aus den späten 1960er Jahren. Einen der Streitpunkte stellte die Verpflegung dar, die auf Wunsch der russischen Heimbewohner vorwiegend aus russischen Gerichten bestand.439 Da diese Tatsache, so die Unterzeichner, bei den im Heim lebenden Ukrainern auf Protest stoßen und daher zu Streit führen würde, forderten sie eine „Befreiung“ von den Ukrainern bzw. deren Auszug aus dem Heim.440 Dass es sich hier im Grunde weniger um das Essen als um nationale Differenzen handelte wird auch in einem weiteren Brief von 1969 deutlich. Von russischer Seite hieß es hier: „Dieses Haus wurde durch russisches Geld aufgebaut und ist nur für Russen bestimmt. Dieses Haus hat seine eigene russische Kirche und eine russische monarchistische Organisation“.441 Die Ukrainer jedoch wären „gegen uns selber, gegen unser großes Vaterland und gegen unsere russische Tradition“. Letztlich baten die Unterzeichner abermals darum, dem Heimleiter „die Erlaubnis zu geben, dass er mündlich im russischen Essraum bekannt gibt, dass dieses Haus russisch ist und die Ukrainer dieses Haus verlassen müssen und andere Menschen die nicht Russen sind, sich der russischen monarchistischen Organisation unterwerfen sollen“.442 Ein ukrainisches Bewohnerehepaar entschloss sich daraufhin noch im gleichen Jahr zu einem Umzug in das Altersheim in Dornstadt.443 Obwohl die Heimleitung nach eigener Aussage das Ehepaar „gern im Haus gehabt“ hatte, unterstützte sie doch dessen Verlegung. So hätten „auf Grund der bekannten ukrainisch-russischen Gegensätze zwischen diesem Ehepaar und anderen Bewohnern Spannungen bestanden“, die den Hausfrieden auf Dauer belasten könnten.444 Die gleichermaßen historisch bedingten Differenzen zwischen Russen und Polen wirkten sich in ähnlich starker Form auf das Zusammenleben in den „Ausländerheimen“ aus. Den politischen Hintergrund bildete hier v. a. die fehlende Anerkennung der ukrainischen Bevölkerung als Angehörige einer eigenständigen Nation. Zudem unterlag die ukrainische Bevölkerung im polnischen Teil der Ukraine einer oftmals erzwungenen Polonisierung.445 Um Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Nationen von vorneherein zu vermeiden, entschieden sich die Heime z. T. bewusst gegen eine gemeinsame Unterbringung bestimmter Bevölkerungsgruppen. 1968 erfolgte daher 439 LkAHN, B. 160, Nr. 28: Übersetzung: gez. „Die Russen dieses Hauses“, o. D. (späte 1960er Jahre). 440 LkAHN, B. 160, Nr. 28: Übersetzung: gez. „Die Russen dieses Hauses“, o. D. (späte 1960er Jahre). 441 LkAHN, B. 160, Nr. 31: Gez.: „Insassen von diesem Haus“ an Ratgeber, o. D. (Sept. 1969). 442 LkAHN, B. 160, Nr. 31:. Gez.: „Insassen von diesem Haus“ an Ratgeber, o. D. (Sept. 1969). 443 LKAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an HW d. EKHN, Frank., v. 3.11.1969. 444 LKAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an HW d. EKHN, Frank., v. 3.11.1969. 445 http://www.bpb.de/izpb/209719/geschichte-der-ukraine-im-ueberblick?p=all-.
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z. B. auch im Altersheim Darmstadt die Ablehnung eines polnischen Heimanwärters mit folgender Argumentation: „Auf Grund unserer Erfahrungen müssen wir befürchten, daß wegen der herrschenden Vorurteile gegenseitiger Natur zwischen gebürtigen Russen, wie sie in unserem Haus leben, und einem gebürtigen Polen, wie Herrn K (…), unüberwindbare Schwierigkeiten auftreten“.446 Obwohl DPs und „heimatlose Ausländer“ aus den verschiedenen baltischen Staaten oft unter der Sammelbezeichnung „Balten“ subsummiert wurden, existierten durchaus auch zwischen Esten, Letten und Litauern national bedingte Konflikte.447 Das DRK-Altersheim in Springe lehnte 1960 z. B. die Aufnahme eines Letten ab, da dieser nicht zu den estnischen Heimbewohnern passen würde.448 Wie schon angedeutet, entstanden in den Altersheimen nicht nur nationale, sondern ebenfalls religiöse Konflikte zwischen den alten Menschen. Als z. B. das russisch-orthodox geprägte Darmstädter Altersheim 1965 die Anfrage eines sog. „Zeugen Jehovas“ erhielt, wurde dem Heimträger „von vielen Seiten“ von einer Aufnahme abgeraten, da ein „Zeuge Jehovas“ unter den orthodoxen Gläubigen „leicht Spannungen und Schwierigkeiten hervorrufen“ könnte.449 Obwohl der Antragssteller nach eigener Aussage keineswegs im Heim für seinen Glauben werben wollte, sprach sich die Heimleitung letztlich gegen seinen Einzug aus.450 Auf Ablehnung stieß ebenfalls ein bereits oben erwähntes russisches Ehepaar adventistischer Glaubenszugehörigkeit. Dass der Ehemann nicht nur als „aktiver Adventist“, sondern zugleich als „Querulant“ bekannt sei, sollte die Entscheidung zusätzlich rechtfertigen.451 Auch viele Umzüge innerhalb der verschiedenen „Ausländerheime“ erfolgten primär aus religiösen Gründen. Da im russisch-orthodoxen „Altenwohnheim Darmstadt“ keine Möglichkeit zum Besuch ukrainischer Gottesdienste bestand, bemühte sich z. B. ein ukrainisch-polnisches Ehepaar um die Umsiedlung in das Altersheim in Dornstadt, das die gewünschte geistliche Versorgung gewährleisten konnte.452 Nach Dornstadt umsiedeln sollte ebenfalls ein Heimbewohner kalmykischer Herkunft, der im Darmstädter Heim v. a. die mangelnde buddhistische Gemeinschaft und Betreuung vermisste.453 Oft ließen sich die Gründe für religiös und national bedingte Differenzen jedoch kaum voneinander trennen. So auch im Falle des oben genannten Ehepaars, das sich nicht nur aufgrund der fehlenden ukrainischen Gottesdienste,
446 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an d. Stadtverw. Kaiserslautern, Soz., v. 5.10.1968. 447 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: An DRK-AH für nichtdt. Flücht. Springe, v. 28.11.1960. 448 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: DRK-Heim Springe an v. Bod., Beckhofs., v. 22.12.1960. 449 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an VN, HK für Flücht., Bad G., v. 28.7.1965, S. 1. 450 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph an VN, HK für Flücht., Bad G., v. 28.7.1965, S. 1. 451 LkAHN, B. 160, Nr. 29: Gerda B. an d. HW d. EKHN, Frank., v. 20.8.1959. 452 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an Präs. Nds. Verwaltungsbez. Old., v. 5.12.1969. 453 LkAHN, B. 160, Nr. 28: E. Thomas, TF an AH Darm., v. 13.7.1960.
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sondern ebenfalls aufgrund der im Heim bestehenden Konflikte zwischen Russen und Ukrainern für einen Heimwechsel aussprach.454 Wie in den obigen Beispielen ersichtlich, trugen die DPs und „heimatlosen Ausländer“ ihre nationalen, ethnischen und religiösen Konflikte mit nach Deutschland und führten sie dort vielfach fort. Dies wurde durch die verhältnismäßig geringen Kontakte zur deutschen Außenwelt bzw. die Abgeschlossenheit des Heimmilieus wesentlich erleichtert. Selbst wenn die Ursprünge vieler Konflikte in der Vergangenheit lagen, erhielten sie durch die Kriegsund Nachkriegsereignisse eine zusätzliche emotionale Aufladung. Insbesondere die Neuordnung Europas bzw. der Einbezug zahlreicher Nationen in die Sowjetunion verband sich für die DPs und „heimatlosen Ausländer“ mit zahlreichen neuen Problemen und Ängsten. Indem v. a. alten Menschen die Kraft für einen Neuanfang und eine Aufarbeitung der vergangenen Erlebnisse fehlte, blieb ihnen oft nur noch ihr Nationalstolz.455 Dieser erhielt in Deutschland eine zusätzliche Verstärkung durch die Nationalkomitees und Vertretungen der einzelnen DP-Gruppen.456 Zudem entwickelten viele Menschen erst in der „Fremde“ bzw. durch die im Krieg erlittenen Verluste und Demütigungen ein Gefühl für ihre Heimat sowie für ihre nationale Zugehörigkeit.457 In allen Altersheimen kam es zwischen den Bewohnern und dem Personal wiederholt zu Differenzen. Im Großteil der Fälle handelte es sich um situationsbedingte und persönliche Konflikte zwischen einzelnen Personen. Daneben sorgten bestimmte Verhaltensweisen, die innerhalb des gesamten Untersuchungszeitraums bei einer Vielzahl an Bewohnern beobachtet werden konnten, für Ärgernisse mit den Mitarbeitern. Beispielsweise führte der hohe Alkoholkonsum einiger Heimbewohner, wie später näher erörtert, zu großen Problemen mit dem Personal. Dabei zog das uneinsichtige Verhalten der alten Menschen nicht selten ernsthafte Konsequenzen nach sich. Insbesondere ein langfristiger regelmäßiger Alkoholmissbrauch führte oft zu einer Entlassung oder Verlegung. Verhielten sich Heimbewohner im alkoholisierten Zustand auch in der Öffentlichkeit auffällig, sah die Heimleitung zudem den „guten Ruf“ des Hauses gefährdet, der im Falle der „Ausländerheime“ ohnehin nicht besonders positiv ausfiel. Folglich zeigte sich z. B. die Heimleitung des „Beckhof-Altersheims“ sehr besorgt, als ein Bewohner in den umliegenden Ortschaften Lügen über eine im Heim tätige Krankenschwester verbreitete. Unter anderem unterstellte er der Schwester eine verbotene Liebesbeziehung zu einem Heimbewohner.458 Da er nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit dem Ehemann der betroffenen Mitarbeiterin sogar behauptete, ebenfalls 454 LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an Präs. Nds. Verwaltungsbez. Old. v. 5.12.1969; LKAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an HW d. EKHN, Frank., v. 3.11.1969. 455 So war die nationale Zugehörigkeit für viele DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ oft die einzige „ideelle Größe“ und bot somit Orientierung: Thonfeld, C.: Rehabilitierte Erinnerungen? 2014, S. 174. 456 Vgl. dazu u. a. LkAH, L 3 III, Nr. 1502: EK in Dt., Kirchenkanzlei, Hann. an d. Leitungen d. dt. ev. LK, v. 13.3.1953. 457 Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 377. 458 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: AH Beckhof an Gebauer, v. 17.10.1960, S. 1.
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von deren Kollegen „verprügelt“ worden zu sein, baten sowohl seine Mitbewohner als auch das Personal um die Verlegung des „Trinkers“.459 Viele Heimbewohner verhielten sich im nüchternen Zustand sehr angepasst; im betrunkenen, d. h. enthemmten Zustand hingegen äußerten sie offene Kritik. Auch verdrängte negative Gefühle und nationale Differenzen traten oftmals erst im alkoholisierten Zustand zu Tage, zumal eine Aufarbeitung der NS-Verbrechen weder in den Heimen noch in der deutschen Öffentlichkeit erwünscht war.460 Insbesondere zwischen den ehemaligen Zwangsarbeitern und den deutschen Mitarbeitern herrschte ein gespanntes Verhältnis, das u. a. auch im „BeckhofAltersheim“ wiederholt zur Eskalation von Konflikten beitrug. Beispielsweise wurde der Hausvater des „Beckhof-Altersheims“ von einem betrunkenen Polen, teils in polnischer, teils in deutscher Sprache, beschimpft und dabei u. a. als „deutsches Schwein“ bezeichnet.461 Vom Heimpersonal ungerecht behandelt fühlte sich z. B. auch ein bereits über 90-jähriger Bewohner des Dornstädter Heims. Aufgrund seiner „schwierigen Lage und Hungerexistenz im Altenheim“ und der vorgeblich unzureichenden Behandlung durch den Heimarzt trat er schließlich sogar wegen „Misshandlung eines Herzkranken“ in den Hungerstreik und wurde daher – seinem Wunsch zufolge – in ein Krankenhaus eingewiesen.462 Das in den „Ausländerheimen“ tätige deutschstämmige Personal verhielt sich überwiegend tolerant gegenüber den ausländischen Bewohnern. Der negative Ruf der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ wirkte sich letztlich aber – wie oben dargestellt – auch auf das Verhältnis zum deutschen Personal aus, zumal rassistische Vorurteile in der deutschen Bevölkerung weiterhin präsent waren. Vor allem Menschen, die nach Kriegsende unter „Polen und Russen gelitten“ hatten, darunter viele Flüchtlinge und „Volksdeutsche“, zeigten wenig Verständnis und Toleranz.463 Aus diesem Grund musste der Heimleiter des „Beckhof-Altersheims“ immer wieder feststellen, dass ein Teil des Heimpersonals „nicht unsere Einstellung“, d. h. die christlich motivierte tolerante Grundhaltung der „v. Bodelschwinhschen Anstalten Bethel“, teilen würde.464 Der „Landesverband für Innere Mission in Württemberg“ entschied sich 1951 sogar für die fristlose Entlassung einer im „Altersheim Dornstadt“ als Stationsschwester beschäftigten Diakonisse. Als Grund für die Kündigung nannte der „Landesverband“ das als „untragbar“ beschriebene Verhalten der Schwester gegenüber 459 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: AH Beckhof an Gebauer, v. 17.10.1960, S. 1. 460 Vgl. z. B. zum Umgang mit ehemaligen Zwangsarbeitern nach 1945: Goschler, Constantin, Der Umgang mit den Opfern des Nationalsozialismus in Deutschland nach 1945, 2016, S. 27–45; www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/ns-zwangsarbeit/227272/ nach-1945-vergessene-opfer-vergessene-lager. 461 HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: AH Beckhof an Gebauer, v. 20.5.1960, S. 1. 462 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Eugen C., AH Dorn. an RP Nordwürttemb., v. 3.6.1957. 463 HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: AH Beckhof an Gebauer, v. 20.5.1960, S. 2. 464 HAB, Beckhof Zweigstelle Ophir 1958–1966, 2/16–103: AH Beckhof an Gebauer, v. 20.5.1960, S. 2.
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den ausländischen Bewohnern und einem IRO-Mitarbeiter.465 In Einrichtungen, die eine hohe Anzahl deutscher Bewohner versorgten, ergriff das deutsche Personal häufig deren Partei. Selbst wenn das Heimpersonal den ausländischen Bewohnern positiv gegenüberstand, nutztte es deren Ängste vor den Deutschen nicht selten bewusst als Instrument zur Durchsetzung bestimmter, primär dem Heim dienender Ziele. Beispielsweise sprach eine Krankenschwester des „Altenwohnheim Darmstadt“ einer Bewohnerin gegenüber die Drohung aus, dass „the Germans“, d. h. die deutschen Behörden und die deutsche Heimleitung, sie jederzeit aus dem Heim entlassen könnten, wenn sie sich weiterhin gegen die empfohlene Krankenhauseinweisung wehren würde.466 Um nicht als „beggar in the street“ zu enden, sollte sie – nach Ansicht der Schwester – vielmehr dankbar für die ihr angebotene Hilfe sein bzw. „kiss the hands of the Sozialamt“.467 Wie oben ersichtlich, gehörten von Bewohnern geäußerte Beschwerden zum Alltag aller Altersheime, d. h. sowohl der Einrichtungen für Deutsche als auch derjenigen für DPs und „heimatlose Ausländer“. Der Großteil der Klagen bezog sich dabei weniger auf die „Institution Altersheim“ als vielmehr auf die individuelle Situation in den jeweiligen Einrichtungen. Beispielsweise boten die Mitbewohner, das Personal und die Verpflegung innerhalb des gesamten Untersuchungszeitraums immer wieder Anlass zu Kritik. Bei allen negativen Äußerungen handelt es sich jedoch um subjektive Wahrnehmungen, d. h. eine objektive Rekonstruktion der Vorkommnisse ist nicht möglich. Dass es sich beim Großteil der DPs und „heimatlosen Ausländer“ um Menschen handelte, die große materielle und menschliche Verluste erlitten hatten, wirkte sich – wie schon mehrfach thematisiert – auch auf den Heimalltag bzw. die Beziehung der Betroffenen zu ihrer Umwelt aus. Beispielsweise zeigen viele traumatisierte Heimbewohner ein aggressives Verhalten gegenüber ihren Helfern, d. h. dem Heimpersonal.468 Dies betraf keineswegs nur die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, sondern ebenfalls Flüchtlinge, die freiwillig in Deutschland verblieben. Im „Beckhof-Altersheim“ führte u. a. das aggressive und unangepasste Verhalten eines 1943 nach Deutschland geflohenen Ukrainers, das sich auch gegen die Mitarbeiter des Heims richtete, zu Konflikten.469 Bewohner, die durch ständige Beschwerden viel Unruhe im Haus stifteten und daher schließlich freiwillig oder unfreiwillig das Heim verließen, wurden oftmals auch in anderen Einrichtungen nicht oder nur ungern aufgenommen – zumindest wenn sich ihr Verhalten bereits unter den Heim465 LkASt, B. DW, Nr. 2485: AH Dorn. an Landesverb. für IM in Württemb., Stu., v. 29.11.1952. 466 LkAHN, B. 160, Nr. 29: TF, Mü. an E. Ludolph, DW, Frank., v. 26.1.1966. 467 Nachdem die betroffene Heimbewohnerin auf diese Drohung mit einem „hysterischen Anfall“ reagierte und das Heim verlassen wollte, kam es zumindest von Seiten der „Tolstoy-Foundation“ zu Kritik am Verhalten der Krankenschwester: LkAHN, B. 160, Nr. 29: TF, Mü. an E. Ludolph, DW, Frank., v. 26.1.1966. 468 Kühner, A.: Trauma und kollektives Gedächtnis, 2008, S. 53. 469 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 153: K., Matwij: Fürsorgeabt. Beth. an Regierungsdir. Arbeits- u. Sozialminis. Dü. v. 8.5.1959.
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5. Das Heimmilieu
leitungen der „Ausländerheime“ herumgesprochen hatte. So entschied sich z. B. das „Altenwohnheim Darmstadt“ für die Ablehnung einer Bewerberin, die zuvor jahrelang im „Altersheim Dornstadt“ gelebt hatte, aus diesem aber aufgrund zahlreicher Konflikte ausgezogen war.470 Da die von Frau G. geäußerte Unzufriedenheit über das Dornstädter Heim „erfahrungsgemäß auf Gegenseitigkeit“ beruhen würde und die Heimleitung in Dornstadt diesem „Standpunkt nicht widersprechen konnte“, erschien der Darmstädter Heimleitung die Aufnahme einer als kompliziert und schwierig bekannten Bewohnerin wenig erstrebenswert.471 Ab etwa Mitte der 1970er Jahre setzte sich die Fachliteratur intensiver mit den psychischen Hintergründen „renitenter“ Verhaltensweisen alter, vielfach auch demenziell veränderter, Menschen auseinander. Dabei wurde z. B. die – in vielen „Ausländerheimen“ zu beobachtende – Verweigerung des im Heim gebotenen Essens472 als ein Verlangen nach seelischer Zuwendung und Schlaflosigkeit als Misstrauen und Angst vor dem Unbekannten interpretiert.473 Ein grundlegendes Problem der stationären Altersversorgung stellte das ungleiche Machtverhältnis zwischen Personal und Heimbewohnern dar. So waren das gängige Bild des alten Menschen sowie die Interaktion mit der Altersgruppe der über 60-Jährigen durch den traditionellen Paternalismus geprägt.474 Dass die alten Menschen im zeitgenössischen Altersdiskurs zudem oft als „Kinder“ bezeichnet und demzufolge auch als unmündige Schutzbefohlene behandelt wurden, stärkte die Machtposition der Mitarbeiter zusätzlich. Die Heimbewohner besaßen aus den oben genannten Gründen hingegen kaum Mitspracherechte und hatten somit nur wenige Möglichkeiten zur Mitgestaltung des Heimalltags. Eine verstärkte Hinterfragung der traditionellen Strukturen der „Institution Altersheim“ begann erst in den späten 1950er Jahren. Schließlich bemühte sich eine stetig zunehmende Anzahl von Heimen um einen anderen Umgang mit den alten Menschen, denen nun mehr Eigenständigkeit und Freiheit gewährt werden sollte. Im Zuge dieser Entwicklungen erhielten viele Heimbewohner z. B. erstmals eine offizielle Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung bzw. zur Äußerung von Beschwerden475 Beispielsweise besaßen viele Einrichtungen einen „Kummerkasten“, in den anonyme Beschwerdebriefe geworfen werden durften.476 Im Altersheim „Insula“ exis470 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an Präs. Verwaltungsbez. Old., v. 4.12.1969. 471 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an Präs. Verwaltungsbez. Old., v. 4.12.1969. 472 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 414: T., Alexander: Beckhofverw. an E. Thomas, TF Mü., v. 17.1.1967. 473 Böger, J.: Pflegen mit Herz u. Verstand, 1977, S. 67. 474 Zum Paternalismus in Medizin und Pflege: z. B. Stolberg, M.: Formen und Strategien der Autorisierung in der frühneuzeitlichen Medizin, 2003, S. 205–218. Vgl. zudem Buchan, L.: Altenheime – Altenwohnheime, 1966; Kondratowitz, H.-J. v.: Allen zur Last, 1988. 475 Beispielsweise starteten die Wohlfahrtsverbände Umfragen unter der älteren Bevölkerung zu ihren Vorstellungen von einem „altersgerechten“ Leben: Buchan, L.: Altenheime – Altenwohnheime, 1966, S. 99 ff. 476 Z. B. StAHi, 103–50, Nr. 324: Soz. Hild. an Bew. AH, v. 1.12.1969. Vgl. auch Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 286 f.
5.9 Solidarität und Vorurteile
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tierte sogar ein wöchentliches „Meeting“, an dem ein von den alten Menschen gewählter Bewohnerausschuss und das Personal teilnahmen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.477 Dieses Angebot bestand bereits seit der Eröffnung des Heims, d. h. seit 1951, und galt daher auch aus Sicht der zeitgenössischen internationalen Wohlfahrtspflege als „Innovation“.478 Zu den ersten Wünschen des Ausschusses gehörte die Aufstellung einer Hausordnung, für deren Konzeption ein eigener Unterausschuss gebildet wurde.479 Dass die Bewohner zudem jeweils einen Vertreter ihrer „Volksgruppe“ wählten, der sie z. B. bei nationalitätsbedingten Konflikten für sie einsetzte, war jedoch nicht nur in der „Insula“ schon in den frühen 1950er Jahren üblich.480 Auch im Altersheim in Varel wählten die verschiedenen „Nationalitäten“ eigene Komitees, die jeden Monat „Absprachen mit der Heimleitung“ hielten.481 Ab den 1960er Jahren verfügten immer mehr Altersheime über einen Heimbeirat, der meist aus mehreren Bewohnern bestand. Anfang 1974 begann z. B. auch das „Altenwohnheim Darmstadt“ mit der Wahl eines Heimbeirats. In diesem sollte die „Zusammenarbeit von Bewohnern unterschiedlicher Herkunft und Prägung versucht werden“ und das „gestörte Zusammenleben“ endlich wieder „friedlicher“ werden, zumal es „zuletzt viele Schwierigkeiten“ im Heim gegeben hatte.482 Außerdem erhielten die im Haus lebenden alten Menschen ein größeres Mitspracherecht, z. B. bei der Gestaltung des Speiseplans, der bislang ausschließlich vom Personal erstellt worden war.483 5.9 Solidarität und Vorurteile. Die Sicht der Mitarbeiter und Heimträger auf den „heimatlosen Ausländer“ Trotz aller Konflikte bemühten sich die meisten Heimmitarbeiter um ein gutes Verhältnis zu den Bewohnern. In den Unterkünften für DPs und „heimatlose Ausländer“ wollten die Heimträger und -mitarbeiter auf diese Weise zugleich ihre guten Absichten gegenüber den in Deutschland verbleibenden Opfern des Zweiten Weltkriegs demonstrieren. Auch das Münchner Altersheim „St. Nikolaus“ stellte aus Sicht der „Caritas“ „ein hoffnungsvolles Symbol“ dafür dar, dass es den Deutschen bzw. der Kirche „wirklich ernst war mit dem Versprechen, für sie zu sorgen“.484 Indem der Heimträger diese Botschaft bewusst in der Öf477 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: LWF Service to Refugees, U. S. Zone of Germany, Qurtaly Report, July, August, September 1951, S. 10; LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Insula, Ev. AH an Ev. luth. LKR Mü., v. 18.9.1951, S. 2. 478 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: LWF Service to Refugees, U. S. Zone of Germany, Qurtaly Report, July, August, September 1951, S. 10. 479 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Insula, Ev. AH an Ev. luth. LKR Mü., v. 18.9.1951, S. 2. 480 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: Rektor Pf. Hofmann, Mü., Ev. luth. LKR Mü., v. 21.9.1951. 481 LkAH, E 52, Nr. 367: Wirtschaftlichkeit d. Ev. AH Varel, v. 27.12.1951. 482 LkAHN, B. 160, Nr. 30: E. Ludolph an UNHCR, Bad G., v. 4.1.1974, S. 1. 483 LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN. 484 ADiCVMü., Kuckelkorn, S.: Das Vaterhaus der Nachkriegs-Caritas, in: CD, 43. Jhg., H. 3/4,1990, S. 60.
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fentlichkeit kommunizierte, erlangte das neue „Ausländerheim“ schnell überregionale Bekanntheit und wurde ein „gern besuchtes Besichtigungsprojekt“ für das In- und Ausland.485 Da es unter anderem Besuch von Gemeindeverbänden, Regierungs- und Landesstellen, amerikanischen Senatoren sowie Kardinälen erhielt, konnte nicht nur der gute Ruf des Hauses, sondern letztlich auch die Reputation der deutschen christlichen Wohlfahrtsverbände gestärkt werden.486 Dass die Mitarbeiter des neu eröffneten Altersheims in Dornstadt z. B. jeden einzelnen Bewohner sehr herzlich mit einem Blumenstrauß empfingen, machte sicherlich sowohl auf die alten Menschen als auch auf die Öffentlichkeit einen positiven Eindruck.487 Auf ihren „guten Ruf“ bedacht waren jedoch nicht nur die Heimträger, d. h. die christlichen Wohlfahrtsverbände, sondern ebenfalls die deutsche Bundespolitik. So hatte die „Aufgabe der Betreuung der heimatlosen Ausländer auch außenpolitisch eine große Bedeutung“.488 Zugleich wäre es von großer Wichtigkeit für die „Zukunft der Bundesrepublik“, dass die ehemaligen DPs „Freunde Deutschlands“ werden würden.489 Wie oben angedeutet, verhielten sich sowohl die selbst zu den DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ zählenden als auch die von den internationalen Wohlfahrtsorganisationen eingesetzten Mitarbeiter, insgesamt solidarischer mit den ausländischen Heimbewohnern als das deutschstämmige Personal. Umgekehrt brachten die Heimbewohner dem ausländischen Heimpersonal ebenfalls mehr Vertrauen entgegen. Folglich erhielt dieses weitaus leichter Zugang zu den alten Menschen als ihre deutschen Kollegen.490 Aus diesem Grund konnten z. B. die Mitarbeiterinnen der „Tolstoy Foundation“ „freier mit den Bewohnern über Dinge sprechen, die das Heim betreffen“.491 Da sich das in den Altersheimen für DPs und „heimatlose Ausländer“ tätige deutsche Personal häufig aber ganz bewusst für das Arbeitsfeld „Ausländerheim“, d. h. die Betreuung alter Menschen nichtdeutscher Herkunft, beworben hatte, gestaltete sich der Kontakt häufig gut. Zudem wurde in den eigens für „heimatlose Ausländer“ errichteten Heimen ohnehin besondere Rücksicht auf den soziokulturellen Hintergrund der ausländischen Bewohner genommen.492 Ein Teil der Mitarbeiter zeigte sogar ein besonders hohes Maß an Empathie gegenüber den oftmals traumatisierten Heimbewohnern. Auch eine im „Beckhof-Altersheim“ tätige Krankenschwester, die ein sehr gutes Verhältnis zu den im Heim 485 ADiCVMü., Kuckelkorn, S.: Das Vaterhaus der Nachkriegs-Caritas, in: CD, 43. Jhg., H. 3/4, 1990, S. 60. 486 ADiCVMü., Kuckelkorn, S.: Das Vaterhaus der Nachkriegs-Caritas, in: CD, 43. Jhg., H. 3/4, 1990, S. 60. 487 https://www.schwaebische.de/home_artikel,-_arid,275171.html. 488 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 103. 489 Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 103. 490 Vgl. z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: AH Beckhof an Gebauer, v. 17.10.1960. 491 LkAHN, B. 160, Nr. 29: TF, Mü. an E. Ludolph, DW, Frank., v. 26.1.1966. 492 http://www.louise-dittmar-haus.de/unsere_einrichtung/geschichte.html.
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lebenden und z. T. als schwierig beschriebenen alten Menschen besaß, nahm viel „Rücksicht auf die sehr absonderlichen Wesensarten der Heimbewohner“.493 Verständnis für die „Absonderlichkeiten unserer Kranken“ brachte ebenfalls das Personal der „Insula“ auf.494 Als ein von der Beckhofleitung – als „lieber Heimbewohner“ beschriebener495 – ehemaliger Zwangsarbeiter 1971 angeklagt wurde, da er „Gegenstände in geringer Menge zum alsbaldigen Verbrauch entwendet“ hatte, darunter „zwei Rollen Heftpflaster für insgesamt eine DM“,496 bat die Heimleitung beim Amtsgericht Bielefeld sogar persönlich um die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit.497 Im Krankenhaus liegende Bewohner erhielten neben kleinen Geschenken – zumeist Obst und Blumen oder kleinere Geldbeträge – sogar Besuch von den Mitarbeitern.498 Ähnlich positiv gestaltete sich laut Aussage des Heimträgers auch das Verhältnis zwischen dem Personal und den Bewohnern des „Altersheim Dornstadt“. Dabei hätten sich die alten Menschen jedoch nicht nur gut im Heim eingeordnet, sondern sich ebenfalls in „rührender Weise“ dankbar für die Betreuung gezeigt, zumal sie durchaus spüren würden, dass „dieser Dienst an ihnen gern und freudig getan wird“.499 Zugleich konnten durch die Arbeit mit den „heimatlosen Ausländern“ die anfangs beim Heimträger, d. h. der „Inneren Mission“ bestehenden „pessimistischen Prognosen“ und Vorurteile gegenüber den DPs widerlegt werden.500 Einem 1959 verfassten Bericht der Heimleitung an die UNO zufolge schienen die Bewohner der „Beckhofsiedlung“ ebenfalls mit der im Heim erfolgten Betreuung zufrieden gewesen zu sein. So hieß es: „Bis auf einzelne Trunkgefährdete, die uns hin und wieder Sorge bereiten, gliedern sich die Insassen des Heims recht gut bei uns ein und sind nicht nur mit der Unterbringung und Versorgung, sondern auch mit der pflegerischen und fürsorgerischen Betreuung durchaus zufrieden. Das bestätigen einzelne Insassen immer wieder gegenüber zahlreichen Besuchern, die aus dem In- und Ausland zu uns kommen“.501 Trotz dessen war aber auch das Denken der Beckhof-Mitarbeiter nicht frei von folkloristisch geprägten Vorurteilen. Diese besaßen teilweise jedoch durchaus eine positive Konnotation und schrieben den Ost- und Südost493 HAB Anst. 1 Nr. 943: Sozialdienst Beth. an Pf. Funke, Hauptverw. Beth., v. 17.8.1978. 494 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 5. 495 HAB, EA Eck., Nr. 4262, M., Stanislaw: Beckhofverw. an Oberstadtdir. Mün., v. 29.3.1976. 496 HAB, EA Eck., Nr. 4262, M., Stanislaw: Staatsanwaltschaft Biel. an Amts. Biel., o. D. (1972), Anklageschrift. 497 HAB, EA Eck., Nr. 4262, M., Stanislaw: Beckhofverw. an Amts. Biel., v. 8.9.1972. 498 Selbst der Leiter der Beckhofsiedlung besuchte erkrankte Bewohner: HAB, Beckhof PA 1, Nr. 433: V., Lazar: Beckhofs. an Lazar V., v. 13.8.1963. Der in eine Tbc-Heilstätte verlegte Aleksei L. erhielt im Dezember 1960 von der Heimleitung neben Genesungswünschen z. B. ein Weihnachtpäckchen und Weihnachtsgeld: HAB, Beckhof PA 1, Nr. 561, L., Aleksei: Beckhofs. an A. L., v. 19.12.1960. 499 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 4. 500 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 4. 501 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: Beckhofs. an d. UNHCR, Bonn, v. 11.7.1959.
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europäern z. B. ein besonderes künstlerisches und handwerkliches Geschick zu. Unter anderen lobte auch der Leiter der Fürsorgeabteilung die kunsthandwerklichen Fähigkeiten der Siedlungsbewohner.502 Auf intellektueller Ebene fühlten sich viele Deutsche den süd- und osteuropäischen Ausländern hingegen deutlich überlegen.503 Aufgrund des „wesentlich anders gearteten Charakter“ der „Ausländer“, wurde diesen z. B. ein weniger rationales Denken und Handeln unterstellt.504 Vor allem die Ost- und Südosteuropäer – so ein Vertreter des „Hilfswerks der evangelischen Kirche“ im Jahr 1953 – würden wesentlich emotionaler und „herzensgesteuerter“, d. h. „viel ursprünglicher und vitaler“505 handeln als die Westeuropäer.506 Dabei wurde durchaus Kritik an der in Westeuropa üblichen „oberflächigen Gleichsetzung von Kultur und Zivilisation, die am Ende zur Überheblichkeit der Westeuropäer“ führen würde, geübt.507 Bereits wenige Zeilen weiter hieß es in der obigen Publikation des „Hilfswerks“ jedoch: „Der heimatlose Ausländer strebt die Gemeinsamkeit mit uns eher auf humaner als politischer Ebene an“ (…) Werte, die ihm kostbar sind und er gerne von uns übernehmen möchte, sind die deutsche Klassik, der deutsche Idealismus, Goethe, Humboldt“.508 Dem Leiter der „Beckhofsiedlung“ zufolge verhielten sich viele Siedlungsbewohner sogar ähnlich „unberechenbar wie Kinder“.509 Aus diesem Grund müssten sie mit viel psychologischen Feingefühl behandelt werden – eine Einstellung, die v. a. im „Beckhof-Altersheim“ das Überlegenheitsgefühl des deutschen Personals zusätzlich verstärken konnte, zumal sich der Umgang mit den Bewohnern in der zeitgenössischen Altenpflege ohnehin durch eine starke „Verkindlichung“ alter Menschen auszeichnete.510 Demzufolge schrieb auch die englische Beschäftigungstherapeutin des Altersheims in Varel über die von ihr betreuten Heimbewohner, die teilweise jedoch soziale und psychische Auffälligkeiten aufwiesen: „many of them are like children and have to be treated as such“.511 Als wenig stark ausgeprägt galten aus den oben genannten Gründen auch die organisatorischen Fähigkeiten sowie die Arbeitsmoral der „heimatlosen Ausländer“.512 Insbesondere die Ost- und Südosteuropäer seien meist nur schwer zur Arbeit zu bewegen. Dies galt gleichermaßen für die arbeitstherapeutisch betreuten Altersheimbewohner, denen vom Leiter der „Beckhofsied502 503 504 505 506 507 508 509 510 511 512
Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 379. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 240. Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 380. Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 380. Aus diesem Grund würde sich, so hieß es weiter, „der Ausländer – und nicht immer mit Unrecht – als ein Mensch mit oft überlegender Kraft des Gemüts und des Herzens“ fühlen: Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 239. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 239. Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 240. Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 380. Vgl. dazu Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945– 1975, 2016, S. 31–34. LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 5. Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 380.
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lung“ ein Mangel an Urteilsfähigkeit dafür unterstellt wurde, „was sie trotz Krankheit oder Alters noch wirklich zu leisten vermögen“.513 Dass sich die Siedlungs- und Heimbewohner zumeist „aber einsichtig und dankbar“ darüber zeigen würden, eine Arbeitsmöglichkeit zu erhalten, führte die Siedlungsleitung hauptsächlich auf das pädagogische und psychologische Geschick ihres Personals zurück.514 Diese gingen, bedingt durch „andersartigen Charakter“ der Ausländer, dementsprechend behutsam mit den arbeitstherapeutisch beschäftigten Heimbewohnern um. Beispielsweise rieten die Mitarbeiter der siedlungseigenen Werkstätten dem Bielefelder Versorgungsamt „aus psychologischen Gründen“ dringend davon ab, den alten Menschen die Rente oder die Arbeitsprämien zu kürzen, da diese Maßnahme leicht in einer völligen Arbeitsverweigerung resultieren könnte.515 Die deutschen, vorwiegend kirchlichen Wohlfahrtsorganisationen beschränkten ihr Engagement für DPs und „heimatlosen Ausländer“ nicht nur auf die pflegerische, sondern ebenfalls auf die seelsorgerische Versorgung und Betreuung. Folglich konnten sich auch die Bewohner des Dornstädter Heims „mit allen inneren Sorgen“ den Mitarbeitern anvertrauen.516 Die christlichen Verbände beriefen sich bei ihrem Engagement auf die christliche Nächstenliebe und – vor dem Hintergrund der kriegsbedingten Ereignisse – auf die Verpflichtung der Christen, „Wunden zu heilen und zu trösten“.517 Demzufolge sollte den Ausländern die gleiche Empathie entgegengebracht werden wie den deutschen Flüchtlingen und jegliche Diskriminierung oder Begrenzung auf eine bestimmte „Religion, Rasse, Nation und Sitte“ verhindert werden. Es wurde sogar gefordert, dass „jeder Deutsche […] freundschaftliche Verbindungen mit heimatlosen Ausländern […] haben“ müsste.518 Das „Evangelische Hilfswerk“ sprach 1953 in einer Veröffentlichung zudem eine Problematik an, die sich nicht nur im Umgang mit den „heimatlosen Ausländern“ zeigte, sondern das gesamte Fürsorgewesen und v. a. auch die Altenpflege, prägte. So würden „zwangsläufig […] sowohl der Staat als auch die Kirche“ Gefahr laufen, die „heimatlosen Ausländer“ nur als „Objekte zu sehen“.519 Da dieser Zustand jedoch nicht länger tragbar sein dürfte, stellte der Autor der oben genannten Veröffentlichung fest: „Die Frage geht heute auch darum, wie diese Menschen aus Objekten, als die sie im Übermaß behandelt wurden, in das Bewußtsein des Subjektseins geführt werden können […] und sie nicht zu abhängigen und Almosen empfangenden Menschen stempelt. Sie sind und bleiben unsere Brüder in Christo“.520 Ähnliche Forderungen stellte die „Caritas“, die nicht nur den deutschen Flüchtlingen, 513 Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 380. 514 Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 380. 515 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 561: L.-P., Stanislavs: Beckhofs. an Versorgungsamt Biel., v. 23.3.1960. 516 LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 4. 517 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 242. 518 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 242. 519 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 239. 520 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 217.
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Abb. 11: Zwei Bewohner des „Beckhof-Altersheims“
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sondern ebenfalls den „heimatlosen Ausländer“ dabei zu helfen wollte, „gleichgestellte Glieder in unserer Gemeinschaft zu werden“.521 Dabei wurde innerhalb der christlichen Wohlfahrtspflege wiederholt der Frage nachgegangen, in welcher Form die Eingliederung in die deutsche Gesellschaft erfolgen sollte. Der „Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte“ sprach sich 1958 in einem „Ratgeber für heimatlose Ausländer und sonstige ausländische Flüchtlinge“ dafür aus, die „heimatlosen Ausländer“ zu integrieren und nicht zu assimilieren, da auf diese Weise die jeweilige „nationale Eigenart“, d. h. Sprache, Brauchtum und Kultur „weitergepflegt“ werden könnten.522 Auch das „Evangelische Hilfswerk“ stand einer „Assimilation“ ablehnend gegenüber, da diese das völlige „Aufschlucken“ der „national eingeprägten Persönlichkeit in ein anderes Volkstum“ darstellen würde; die „Germanisierung“ der Vorkriegszeit glücklicherweise jedoch bereits überwunden worden wäre.523 Aus Sicht der Betroffenen sah die Realität jedoch z. T. anders aus. Unter anderem verwies ein lettischer Pastor auf die Tendenz der Deutschen, „uns“, d. h. die „heimatlosen Ausländer“ zu „assimilieren“, auch wenn dies offiziell verneint werden würde.524 So sollte z. B. auch nach Aussage einer Veröffentlichung des „Hilfswerks“ der „Ausländer […] sein ihm von Gott gegebenes nationales Antlitz bewahren“ dürfen, zugleich aber in die deutsche Gesellschaft integriert werden.525 1953 hieß es dazu außerdem: „Für moderne Menschen, die für die europäische Integration eintreten, wird mit der bewußt betriebenen Assimilation ein Schlag gegen die Menschenrechte geführt. Sie sind der Meinung, daß das Recht auf Muttersprache, Eigenheit und Volkszugehörigkeit einen unzerstörbaren Teil dieser Rechte bildet, auch wenn es im Verlauf der neueren Geschichte so oft dagegen verstoßen wurde“.526 Dass eine Person durchaus verschiedene kulturelle, soziale und religiöse Lebenswelten in sich vereinigen und zu neuen Denkmustern zusammenfügen kann, entspricht in grundlegenden Aspekten auch dem sozialwissenschaftlichen Konzept der „Hybridität“.527 Demzufolge entwickelten auch die in Deutschland verbleibenden DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ hybride Identitäten und nahmen somit nicht nur die Rolle des hilf- und mittellosen „Ausländers“ ein. Deutlich zeigt sich dies auch am Beispiel einer hochgebildeten russischstämmigen 521 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 32. 522 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.): Der Ratgeber für heimatlose Ausländer und sonstige ausländische Flüchtlinge, 1958, S. XIX. 523 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 238. Vgl. zudem Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 73 524 Neumann, R.: Die Beckhofsiedlung – die etwas andere Bethelkolonie, 2006, S. 377. 525 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 238. Dazu hieß es weiter: „mehr und mehr hat sich ein gesundes Bewußtsein über die Möglichkeit und Notwendigkeit echter Integration durchgesetzt“: Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 239. 526 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 238. 527 Vgl. dazu Foroutan, N. / Schäfer, I.: Projektbeschreibung „Hybride europäisch-muslimische Identitätsmodelle“: http://www.heymat.hu-berlin.de. Siehe zudem Borgolte, M. / Schneidmüller, B. (Hg.): Hybride Kulturen im mittelalterlichen Europa/Hybride Cultures in Medieval Europe, 2010.
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Heimbewohnerin, die bereits in den 1920er Jahren mit ihrem deutschen Mann nach Paris geflohen und 1941 nach Deutschland deportiert worden war. In Deutschland wurde sie zwar in einem Lager für DPs untergebracht, arbeitete aber bis zu ihrer Pensionierung als Dolmetscherin u. a. beim „International Tracing Service“.528 Somit passte sie keineswegs in das gängige Schema des „hilfsbedürftigen“, untätigen DPs bzw. „heimatlosen Ausländers“. Vielmehr konnte sie nicht nur selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, sondern besaß zugleich die gesellschaftliche Position einer angesehenen und hochqualifizierten „Weltbürgerin“.529 Selbst wenn sich die deutsche Wohlfahrtspflege bei ihrem Engagement für die DPs und „heimatlosen Ausländer“ vorwiegend auf die christliche Verpflichtung zur Nächstenliebe berief, thematisierte sie immer wieder die Schuld der Deutschen bzw. deren Rolle im Nationalsozialismus. Die Betheler Anstaltsleitung fühlte sich z. B. „innerlich verpflichtet“, „das durch den Krieg und auch durch die Schuld unseres Volkes entstandene Schicksal dieser heimatlos Gewordenen mitzutragen“.530 1961 rief auch der Träger des Darmstädter Heims dazu auf, die Situation der „heimatlosen Ausländer“ nicht zu vergessen, wobei v. a. die Kirche an „diesen Menschen […] nicht noch einmal schuldig werden“ dürfte.531 Fünf Jahre später hieß es über die im Heim lebenden alten Menschen: „Ausländer haben es immer schwerer als Einheimische, ihre Lebensprobleme zu lösen. Daher brauchen sie mehr Hilfe. Auch diese Gruppe der heimatlosen Ausländer ist eine Hypothek unserer Vergangenheit, die wir bis zu ihrem Tode anzutragen haben“.532 Die Träger der „Ausländerheime“ zeigten sich daher, wie schon beschrieben, sehr darum bemüht, den Kontakt zwischen den Heimbewohnern und der deutschen Bevölkerung zu verbessern und zu intensivieren. Das Münchner Heim „St. Nikolaus“ sollte demzufolge ebenfalls keine einsame „Insel […} inmitten der deutschen Umwelt“, sondern eine „Stätte des Friedens und der Versöhnung“, sein, in der Einheimische und „Fremdlinge“ miteinander vereint werden könnten.533 Die „Caritas“ verstand das Haus sogar euphemistisch als ein „weithin leuchtendes Denkmal der Völkerverständigung und des Völkerfriedens“.534 Da in den Altersheimen für „heimatlose Ausländer“ – wie erörtert – ebenfalls Deutsche Aufnahme fanden, entstanden ohnehin engere Beziehungen. Auch die Leitung der „Beckhofsiedlung“ erhoffte sich durch die gezielte Einbindung der einheimischen Bevölkerung in den Alltag der Heim- und Siedlungsbewohner ver528 Der „International Tracing Service“ (ITS) hat seit 1946 seinen Sitz in Bad Arolsen. Zu den Hauptaufgaben des ITS zählen die Suche nach Vermissten und die Klärung von Schicksalen der – nichtdeutschen – Opfer des Nationalsozialismus: https://www.its-arolsen.org/ue ber-its/geschichte-des-its/. 529 Vgl. LkAHN, B. 160, Nr. 31: Lebenslauf Sophie B.; o. D. 530 Kühne, H.-J.: Was sind „Heimatlose Ausländer“? 531 LkAHN, B. 160, Nr. 26: AH für russisch-orth. Ausl. in Darm., o. D. (ca. 1961). 532 LkAHN, B. 160, Nr. 49: Jahresber. 1966, Hilfe für HA, o. D. 533 ADiCVMü., Kuckelkorn, S.: Das Vaterhaus der Nachkriegs-Caritas, in: CD, 43. Jhg., H. 3/4, 1990, S. 60. 534 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Jandl, O.: Neue Heimat für DPs bei d. Caritas, in: CD: Festschrift, S. 1.
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mehrte „menschliche Kontakte“ und letztlich eine „echte Integration“ der „heimatlosen Ausländer“.535 Aus diesem Grund forderte sie die die deutschen Bewohner der umliegenden Ortschaften bewusst zur Teilnahme an den von der Siedlungsverwaltung organisierten Veranstaltungen auf.536 Kontakte zur Außenwelt entstanden außerdem durch die von verschiedenen ausländischen Organisationen organisierten Patenschaften. Unter anderem bemühte sich auch der englische „Womens Volontary Service for Civil Defence“ darum, „Menschen in aller Welt, die in Not sind, oft Flüchtlinge, mit Briefen und vielleicht auch materiellen Grüßen zu erfreuen“.537 Im „Altenwohnheim Darmstadt“ entstanden z. B. viele Patenschaften durch Vermittlung der belgischen „Aide aux Personnes Deplacées“.538 Sprachen Pate und „Patenkind“ nicht die gleiche Sprache, was häufig vorkam, konnten die von den alten Menschen in ihrer Muttersprache verfassten Briefe später für die Paten übersetzt werden.539 In Varel übernahm u. a. die im Heim tätige englische Beschäftigungstherapeutin die Übersetzung der Briefe der Paten aus England und Amerika. Unterstützung erhielt sie dabei von den beschäftigungstherapeutisch betreuten Bewohnern des „Werkraums“.540 So versorgten diese sie auch mit näheren persönlichen Informationen über Mitbewohner, die z. B. aufgrund von körperlichen und geistigen Einschränkungen oder fehlender Schreibkenntnisse nicht in der Lage waren, ihren Paten zu schreiben bzw. zu antworten.541 Auf diese Weise konnte nach Aussage Mrs. Johns eine bessere Beziehung zwischen den Paten und ihren „Patenkindern“ erzielt werden.542 Bei den Heimträgern stieß das Konzept der Patenschaften auf Wohlwollen, da die alten Menschen auf diese Weise „von sich selber abgelenkt“ wurden und sich außerdem bei der Übersetzung oder dem Verfassen von Briefen gegenseitig halfen.543 Darüber hinaus verbesserte sich auch das Gemeinschaftsgefühl deutlich.544 Handelte es sich bei den „Patenkindern“ um Analphabeten, betätigten sich die Mitbewohner zudem als Vorleser und Schreiber der Briefe.545 Im Falle der „Aide aux Personnes Deplacees“ wählten die Paten ihr „Patenkind“ anhand eines Fragebogens aus, wobei 535 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An Dir. Jamison, VN, HK für Flücht., Genf, v. 7.9.1960, S. 2. 536 HAB, UNO 1958–1963, 2/16–18: An Dir. Jamison, VN, HK für Flücht., Genf, v. 7.9.1960, S. 1. 537 LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Ludolph an AH Darm., v. 3.1.1963. 538 LkAHN, B. 160, Nr. 31: B. v. Wussow, Beauftragte in Dt. APD, Belgien, an AH Darm., v. 10.4.1968, S. 1. 539 LkAHN, B. 160, Nr. 31: B. v. Wussow, Beauftragte in Dt. APD, Belgien, an AH Darm., v. 10.4.1968, S. 1. 540 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 5. 541 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 5. 542 LkAH, E 52, Nr. 367: WCC, service of the refugees, 1955. S. 5. 543 LkAHN, B. 160, Nr. 31: B. v. Wussow, Beauftragte in Dt. APD, Belgien, an AH Darm. v. 10.4.1968, S. 1. 544 LkAHN, B. 160, Nr. 31: B. v. Wussow, Beauftragte in Dt. APD, Belgien, an AH Darm., v. 10.4.1968, S. 1. 545 LkAHN, B. 160, Nr. 31: B. v. Wussow, Beauftragte in Dt. APD, Belgien, an AH Darm., v. 10.4.1968, S. 1.
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5. Das Heimmilieu
möglichst eine „Mischung der Sozialschichten“ erzielt werden sollte.546 Beispielsweise betreute ein Universitätsprofessor einen schreibunkundigen Landarbeiter und eine junge Hausfrau einen ehemaligen Minister.547 Als gleichermaßen zweitrangig bei der Auswahl der Brieffreunde galten „Konfession“, „Familienstand“ und „Weltanschauung“.548 Vielmehr sollten „menschliche Wärme“ und „Verständnis“ im Vordergrund stehen. Patenschaften wurden auch an die Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ vermittelt. Hier stand eine estnische Bewohnerin sogar über 30 Jahre lang mit einer Belgierin in einem regelmäßigen Briefwechsel.549 Dass die Paten den Heimbewohnern neben Briefen ebenfalls Geschenke und Geld zusandten, spielte für die nahezu mittellosen alten Menschen eine bedeutende Rolle.550 Auch die oben erwähnte im „Beckhof-Altersheim“ lebende Estin erhielt von ihrer belgischen Patin jedes Jahr eine Weihnachtsgabe.551 Für eine fast völlig schreibunkundige Bewohnerin des Darmstädter Heims schien sogar allein die Befürchtung, „es könnte ihr ein Liebesgaben Paket entgehen“, der Grund dafür zu sein, dass sie die Briefe ihrer Patin im Heim übersetzen und beantworten ließ.552 Nach Ansicht des Heimleiters wäre sie jedoch „in ihrer Schlichtheit“ nicht annähernd dazu in der Lage, den komplexen Inhalt der Briefe – in denen „kunstvoll die Empfindungen eines hoch kultivierten Menschen“ ausdrückt würden – zu verstehen und zu würdigen.553 Um sowohl den Übersetzern als auch der Patin viel „unnötige“ Arbeit zu ersparen, plädierte der Heimleiter schließlich dafür, den im Heim lebenden „schlichten Menschen“ ausschließlich Sachspenden zukommen zu lassen.554 In vielen Fällen entstanden aber langjährige, durchaus enge emotionale Bindungen zwischen Paten und „Patenkindern“. So erkundigte sich z. B. eine Patin bei der Heimleitung sehr besorgt nach dem Befinden ihrer 80-jährigen „Patentochter“, von der sie seit längerer Zeit keine Nachricht mehr erhalten hatte.555 Die Integration der Heimbewohner in die deutsche Aufnahmegesellschaft stellte nicht nur die Heimträger vor große Herausforderungen, sondern auh 546 LkAHN, B. 160, Nr. 31: B. v. Wussow, Beauftragte in Dt. APD, Belgien, an AH Darm., v. 10.4.1968, S. 1. 547 LkAHN, B. 160, Nr. 31: B. v. Wussow, Beauftragte in Dt. APD, Belgien, an AH Darm., v. 10.4.1968, S. 1. 548 LkAHN, B. 160, Nr. 31: B. v. Wussow, Beauftragte in Dt. APD, Belgien, an AH Darm., v. 10.4.1968, S. 2. 549 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 329: S., Jenny-Sophie: Alexandra de M., Belgien an Vorstand AH Beckhof, v. 6.12.1982. 550 LkAHN, B. 160, Nr. 31: B. v. Wussow, Beauftragte in Dt. APD, Belgien, an AH Darm., v. 10.4.1968, S. 2. 551 HAB, Beckhof PA 1, Nr. 329: S., Jenny-Sophie: Alexandra de M., Belgien an Vorstand AH Beckhof, v. 6.12.1982. 552 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an B. v. Wussow, APD, Mü., v. 2.4.1968. 553 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an B. v. Wussow, APD, Mü., v. 2.4.1968. 554 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an B. v. Wussow, APD, Mü., v. 2.4.1968. 555 Nach Antwort des Heimleiters konnte Frau S. aufgrund einer, bei einem Sturz erlitteten Armverletzung, z. Z. zwar tatsächlich nicht antworten, hätte sich aber „sehr“ über den letzten Brief ihrer Patin gefreut: HAB, Beckhof PA 1, Nr. 329: S., Jenny-Sophie: Alexandra de M., Belgien an Vorstand AH Beckhof, v. 6.12.1982.
5.9 Solidarität und Vorurteile
199
die Bewohner. Insbesondere die ehemaligen Zwangsarbeiter hatten in der Vergangenheit vorwiegend negative Erfahrungen mit den Deutschen gemacht und verspürten daher kaum den Wunsch nach einem dauerhaften Verbleib im Land ihrer ehemaligen Unterdrücker. Dass dem sog. „hard-core“ die Möglichkeit zur Auswanderung verwehrt blieb und die alten Menschen ihre letzten Lebensjahre in Deutschland verbringen mussten, wirkte sich somit nicht nur auf das psychische Empfinden, sondern letztlich auch auf die Integrationsbereitschaft der Betroffenen aus. Wie bereits dargestellt, befanden sich unter den baltischen, ukrainischen und russischen DPs zahlreiche Antikommunisten und Kollaborateure, die kaum unter den deutschen Nationalsozialisten gelitten hatten.556 Indem zudem nicht wenige Personen, wie bereits umfassend dargestellt, freiwillig in Deutschland blieben oder erst nach 1945 aus den Staaten der Sowjetunion geflohen waren, erwies sich ihre Integration als weitaus leichter als bei DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“, die zwangsweise nach Deutschland verschleppt worden waren und nur unfreiwillig in Deutschland verblieben.557
556 Antons, J.-H.: Ukrainische Displaced Persons in der britischen Zone, Essen 2014, S. 198. 557 Vgl. dazu auch Harmsen, H.: Die Integration heimatloser Ausländer und nichtdeutscher Flüchtlinge in Westdeutschland, 1958, S. 73.
6. Personal 6.1 Pflegepersonal Aufgrund des allgegenwärtigen Personalmangels in der Altenpflege1 bereitete die Bereitstellung von Pflegekräften auch den Trägern der Heime für DPs und „heimatlose Ausländer“ Schwierigkeiten. Insbesondere nach dem Rückzug der „IRO“ fand sich oft kein ausreichend qualifiziertes Personal. So hatte die „IRO“ zahlreiche Mitarbeiter der internationalen Hilfsorganisationen beschäftigt, deren Weggang die Heimträger nun vor erhebliche Probleme stellte. Zudem sollten, wie z. B. aus einer Verfügung des niedersächsischen „Ministers für Arbeit, Aufbau und Gesundheit“ ersichtlich, nur die „unbedingt notwendigen“ von der „IRO“ eingesetzten, bislang im Heim tätigen Pflegekräfte von den zuständigen Stadt- und Landkreisen übernommen werden.2 Das Altersheim für „heimatlose Ausländer“ in Varel war nach der Übergabe des Heims in die Hände des „Ev. Hilfswerks“ und der „Caritas“ ab Sommer 1950 ebenfalls von einem Mangel an Pflegepersonal bedroht.3 Obwohl in Varel immerhin vier der von der „IRO“ eingesetzten Krankenschwestern in leitender Position weiterbeschäftigt werden konnten und dabei von jeweils zwei Hausgehilfinnen Unterstützung erhielten, mussten längerfristig vermehrt deutsche Mitarbeiter eingesetzt werden.4 Zuständig waren sie für jeweils ein Haus mit etwa 200 Bewohnern.5 Auch in weiteren DP-Altersheimen konnte das von der „IRO“ eingesetzte Leitungspersonal zwar weiterbeschäftigt werden, nahm aber meist eine untergeordnete Stellung ein.6 Im Altersheim in Bodenteich drohte nach Übergabe des Heims in deutsche Verwaltung im Herbst 1950 ebenfalls ein Personalmangel. Um diesen zu verhindern, bat das zuständige Gesundheitsamt Uelzen den niedersächsischen „Minister für Vertriebene, Sozial- und Gesundheitsangelegenheiten“ ebenfalls „dringend“ um die Weiterbeschäftigung des bisherigen Personals, das z. T. selbst den DP-Status besaß.7 Auch in den württembergischen DP-Unterkünften sollte das bisherige Personal, wenn gewünscht, weiterbeschäftigt werden.8 So äußerte die „Innere Mis1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 310 ff. Als Grundlage für die Übernahme dienten die Berichte der Gesundheitsämter: NHStAH, Hann 180 Hann F Nr. 327: Nds. Min. Arb., Hann, 27.6.1950 an RP Nds., betr. Gesundheitliche Betreuung durch d. Gesundheitsämter, S. 3. LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952. LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952. LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952. Eckert, G.: Hilfs- und Rehabilitierungsmaßnahmen der West-Alliierten des Zweiten Weltkrieges für Displaced Persons, 1996, S. 223. NHStAH; Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: Ges. Uelzen an Nds Min. Ver., Hann, v. 19.10.1950. LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Bespr. am 30.8.1949 betr. Einrichtung v. DP-Heimen, S. 4.
6.1 Pflegepersonal
201
sion in Württemberg“ bereits im Sommer 1949 folgende Befürchtung: „Es wird nicht ganz einfach sein, Personal für die Altersheime zu gewinnen, vor allem auch weil die Behandlung alter Leute überhaupt schwierig ist und doppelt schwierig bei den in den letzten Jahren doch sehr verwöhnten DPs sein dürfte“.9 Deutlich wird hier einerseits die Problematik des in der gesamten Altenpflege existierenden Personalmangels; andererseits zeigen sich in der Aussage der Inneren Mission aber auch die gängigen Ressentiments gegen die vorgeblich anspruchsvollen DPs, die vielfach nicht als Opfer deutscher Gewaltherrschaft, sondern vielmehr als unbequeme „Last“ für das Fürsorgewesen betrachtet wurden. Wie schon dargestellt, befanden sie sich zudem in Konkurrenz zur deutschen Bevölkerung bzw. den deutschen Altersheimbewohnern. So litten auch die deutschen Heime unter einem eklatanten Mangel an Personal, insbesondere an ausgebildeten Pflegekräften. Häufig stand daher auch in den „Ausländerheimen“ v. a. die Aufrechterhaltung der allernotwendigsten medizinischen Grundversorgung im Vordergrund und weniger die Frage, ob das Personal auch charakterlich für den Umgang mit den alten DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ geeignet war.10 Wichtigste Voraussetzung für die angemessene Betreuung pflegebedürftiger alter Menschen war die Einstellung pflegerisch ausgebildeter Mitarbeiter. Vor allem Heime, die über eine Krankenstation verfügten, waren auf geschultes Pflegepersonal angewiesen.11 Dies betraf z. B. die großen Heime in Bodenteich, Berchtesgaden, Dornstadt und Varel.12 In Bodenteich standen jedoch zur Betreuung der etwa 200 Heimbewohner lediglich eine Krankenschwester, drei Hilfsschwestern, ein Sanitäter sowie eine Fürsorgerin zur Verfügung.13 Im „Altersheim Dornstadt“ erfolgte die Betreuung der ca. 500 Bewohner immerhin durch zehn Krankenschwestern – überwiegend Diakonissen – und drei krankenpflegerisch ausgebildete Diakone.14 Insgesamt beschäftigte das Heim etwa 70 Mitarbeiter15. Der allgegenwärtige „Mangel an geschultem Pflegepersonal“ galt aber auch in Dornstadt als großes Problem.16 Die Anwerbung neuer, krankenpflegerisch ausgebildeter Mitarbeiter gestaltete sich in den 1950er Jahren nicht einfach. Beispielsweise blieben im Fall des 9 10 11 12 13 14 15 16
LkASt, B.: DW, Nr. 1500: A. Kraut, IM in Württemb. an Prälat Dr. Hartgenstein, Stu., v. 8.8.1949. LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952. NHStAH, DP Branch, Land Commissioners Office, Hann. to Nds. Min. Arb., Hann, o. D. (ca. Ende Juni 1950), betr. Ärztestab bei d. DP-Camps, S. 2. NHStAH, DP Branch, Land Commissioners Office, Hann. to Nds. Min. Arb., Hann, v. o. D. (ca. Ende Juni 1950), betr. Ärztestab bei d. DP-Camps, S. 2. NHStAH; Nds. 120 Lün. Acc. 31/67 Nr. 82: Ges. Uelzen an Nds. Min. Ver., Hann, v. 19.10.1950. Das Hilfswerk. Mitteilungen aus dem Hilfswerk der evangelischen Kirche in Deutschland, Zentralbüro Stu., Nr. 55, Okt. 1951, S. 7. LkASt, B. DW, Nr. 2485: H. Traut, Missionsarzt, AH Dorn. an kassenärztl. Vereinigung Zulassungsausschuss Stu.-Degerloch, v. 25.10.1952. LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: Notizen zum Projekt Dorn., o. D.
202
6. Personal
Vareler Heims die Verhandlungen des „Evangelischen Hilfswerks“ mit mehreren Diakonissenmutterhäusern ohne Erfolg.17 Schließlich wurde mit dem „Agnes-Karll-Verband“ in Hannover ein Vertrag abgeschlossen.18 Demzufolge war es möglich, dass jedes Heimgebäude zumindest von einer ausgebildeten Krankenschwester betreut werden konnte.19 Bei den Mitgliedern des „Agnes-Karll-Verbands“ handelte es sich jedoch um sog. „freie“ und zudem konfessionell unabhängige Pflegerinnen, die folglich nicht zu den vom „Hilfswerk“ favorisierten christlich orientierten Schwesterngruppen gehörten. Mit ähnlicher Skepsis reagierte auch der württembergische „Landesverband für Innere Mission“ auf die für das Altersheim in Dornstadt vorgesehenen Verbandsschwestern und „freien“ Schwestern.20 Da der Heimträger mit beiden Schwesterngruppen bereits negative Erfahrungen gemacht hatte, sollten diese vorerst „nur zur Probe eingestellt werden“21 Begrüßt wurde dafür der vorwiegende Einsatz von pflegerisch ausgebildeten Diakonissen.22 Auch im Altersheim „Insula“ übernahmen v. a. die vom Heimträger gesandten Diakonissen, einzelne Diakone und Pflegerinnen anderer Verbände die Versorgung der alten Menschen.23 Die Verfügbarkeit von krankenpflegerisch geschulten Mutterhausschwestern erwies sich nicht nur im Dornstädter, sondern ebenfalls im Insula-Heim sowie im Münchner „Altersheim St. Nikolaus“ als großer Vorteil. So wurde im katholischen Heim „St. Nikolaus“ mit den sog. „Niederbronner Schwestern“ zur Erleichterung des Heimträgers eine „in der Krankenpflege erfahrende Schwesternschaft“ zur Versorgung der Heimbewohner gefunden.24 In der „Insula“, deren Leitung dem „Mutterhaus für kirchliche Diakonie in München“ oblag, konnte ebenfalls vorwiegend auf „eigenes“ Pflegepersonal zurückgegriffen werden.25 Wie in Dornstadt war aber auch hier die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Mutterhausschwestern nicht immer möglich, sodass u. a. der Einsatz katholischer Schwestern erfolgte.26 Unterstützung erhielten die Pflegerinnen zudem durch Diakone des „Rummelsber17 18 19 20 21 22 23 24 25
26
LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952. LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952. LkAH, E 52, Nr. 367: Vermerk betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952. LkASt, B. DW, Nr. 2485: Landesverb. für IM in Württemb., AH Dorn. an Landesverb. für IM in Württemb., v. 11.12.1951. LkASt, B. DW, Nr. 2485: Landesverb. für IM in Württemb., AH Dorn. an Landesverb. für IM in Württemb., v. 11.12.1951. LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952. LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH für kirchl. Diak. Mü. an Landesverb. d. IM, Nürn., v. 24.10.1950. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Kuckelkorn, S.: Die Baugeschichte des Altersheims am Biederstein, in: CD: Festschrift, S. 22. LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: H. Schmidt, Dir. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D., S. 1; LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: ZA aus: Ev. Ede?bl. Mü. Nr. 44, v. 29.10.1950: „Neuer Mittelpunkt evangelischen Lebens im Berchtesgadener Land“. LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 6.
6.1 Pflegepersonal
203
ger Brüderhauses“.27 Die in Dornstadt tätigen Schwestern konnten für die „Männerpflege“ ebenfalls auf die Hilfe männlicher Pflegekräfte zurückgreifen.28 Vom Personalmangel betroffen waren auch die in den späten 1950er Jahren neu erbauten „Ausländerheime“. Im Herbst 1961 kämpfte z. B. das „Altenwohnheim Darmstadt“, das bislang etwa sechs Pflegekräfte für seine durchschnittlich 166 Bewohner bereitstellen konnte, um die Gewinnung neuer Mitarbeiter für den „pflegerischen Dienst“.29 Von den von der Heimleitung geforderten zwei Absolventinnen des Altenpflege-Kursus des Darmstädter „Elisabeth-Stiftes“, trat aber schließlich nur eine Altenpflegerin ihren Dienst im Altersheim an.30 Obwohl im Jahr 1962 insgesamt vier Altenpflegerinnen sowie zwei Krankenschwestern im Haus tätig waren, verblieben diese – wie das Haus- und Küchenpersonal – meist nicht lang an ihrem Arbeitsplatz, sodass im Haus eine große Fluktuation der Mitarbeiter herrschte.31 Folglich erwies sich noch Mitte der 1960er die Anzahl von lediglich zwei ausgebildeten Pflegerinnen, bei denen es sich um die oben genannte staatlich geprüfte Altenpflegerin und eine DRK-Krankenschwester handelte, für die zwei Abteilungen des Hauses als zu gering.32 Die Beschäftigung einer dritten, als „total überlastet“ beschriebenen Pflegerin brachte aufgrund ihrer mangelnden fachlichen Qualifikation sowie ihrer nicht vorhandenen, für die Betreuung der deutschen Bewohner aber notwendigen Deutschkenntnisse, kaum Abhilfe.33 Aus diesem Grund stand in Darmstadt – wie in viele weiteren Altersheimen – im Krankheitsfall des Pflegepersonals keine Vertretung zur Verfügung.34 Für die alten Menschen bestand also immer die Gefahr einer Unterversorgung. Um jungen Frauen eine hauswirtschaftliche theoretische und praktische Grundausbildung zu bieten und zugleich Arbeitskräfte für das Altersheim zu gewinnen, wurde im Altersheim „Insula“ eine „Haustöchter-Schule“ eingerichtet, die z. B. im Jahr 1957 etwa 20 Schülerinnen verzeichnete.35 Das „Altersheim Dornstadt“ bildete ebenfalls junge Frauen im Alter von 14 bis 19 Jahren als „Haustöchter“ aus.36 Diese erhielten Unterricht in theoretischen und praktischen Fächern, wobei den Schülerinnen auch eine gesonderten Schulküche zur Verfügung stand.37 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37
LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: ZA aus: Ev. Ede?bl. Mü., Nr. 44, v. 29.10.1950: „Neuer Mittelpunkt evangelischen Lebens im Berchtesgadener Land“. LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952. LkAHN, B. 160, Nr. 26: AH Darm. an Pf. (Rathgeber), v. 28.8.1961. LkAHN, B. 160, Nr. 26: AH Darm. an Vorsteher d. Elisabeth-Stiftes, Darm., v. 5.10.1961. LkAHN, B. 160, Nr. 27: Stellenplan AH Darm., Rechnungsjahr 1962. LkAHN, B. 160, Nr. 26: AH Darm., betr. Ber. Stadtoberamtmann, v. 20.1.1965, S. 5; S. 8. LkAHN, B. 160, Nr. 26: AH Darm., betr. Ber. Stadtoberamtmann, v. 20.1.1965, S. 8. LkAHN, B. 160, Nr. 26: AH Darm., betr. Ber. Stadtoberamtmann, v. 20.1.1965; S. 8. LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: AH Insula an Landesverb. d. IM d. EK Bay., Nürn., v. 3.7.1957, S. 2. LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: IM u. HW der EK in Bay., v. 15.1.1960: Anl.: Wir stellen am 1. April 1960 Haustöchter ein. LKASt, B. L1 DW, Nr. 2488: IM u. HW d. EK in Bay., v. 15.1.1960: Anl.: Wir stellen am 1. April 1960 Haustöchter ein.
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6. Personal
Der Träger des Altersheims „Insula“, das „Mutterhaus für evangelische Diakonie“, plante seit Anfang der 1960er Jahre zur Bekämpfung des eklatanten Nachwuchsmangels in den sozialpflegerischen Berufen, sogar eine anstaltseigene Berufsaufbauschule für Mädchen.38 Im Februar 1962 nahm schließlich auf dem Insula-Gelände sogar eine der ersten Altenpflegeschulen der Bundesrepublik ihren Betrieb auf.39 Die kostenfreie Ausbildung dauerte ein Jahr und stand Frauen zwischen 21 und 50 Jahren offen.40 Bereits Ende 1962 erfolgte in der „Insula“ zudem die Eröffnung eines „Sozialpflegerischen Vorseminars“.41 Beide Institutionen gewannen für das unter Personalmangel leidende Insula-Heim schnell an Bedeutung, da sowohl die Absolventinnen der Altenpflegeschule, als auch jährlich etwa 20 Praktikantinnen des Vorseminars zur Betreuung der Bewohner eingesetzt werden konnten.42 Über zehn Jahre später, im Jahr 1975, wurde auf dem Gelände des „Altersheims Dornstadt“ ebenfalls eine Berufsfachschule für Altenpflege eröffnet.43 Das Personal übernahm nicht nur die „ordnungsgemäße Pflege und Versorgung“ der Heimbewohner, sondern bestimmte darüber hinaus auch den „Geist des Hauses“ und trug Verantwortung dafür, dass sich die alten Menschen „geborgen“ fühlen konnten.44 In den ersten Nachkriegsjahren – v. a. solange die durch die „IRO“ unterstützte Möglichkeit zur Auswanderung bestand – herrschte in den DP-Lagern und -Heimen eine starke Fluktuation der Bewohner und der Mitarbeiter. Eine längerfristige „hausgemeinschaftliche Gestaltung“ war somit kaum möglich.45 Auch nach der Übernahme der Heime in die Hände der deutschen Wohlfahrtsverbände kam es nur selten zu einer sichtbaren Verbesserung der Lage. Lediglich Häuser, die vorwiegend Mutterhausschwestern beschäftigten, wiesen eine geringe Fluktuationsrate auf. Viele langjährige Mitarbeiter verzeichnete z. B. das „Evangelisch-lutherische Altersheim Insula“. Am ersten Mai 1965 ehrte das Heim z. B. mehrere verdiente Mitar38 An die Schule sollte ein Internat angeschlossen sein. Die „Innere Mission“ argumentierte zudem damit, dass sie „auch dem bayrischen Staat einen Gefallen tun“ würde, da dieser ebenfalls den großen Personalmangel beklagte: LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: AH Insula an Staatsminis. für Finanzen, Mü., 28.7.1960, S. 1. 39 LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: H. Schmidt, Dir. MH für kirchl. Diak. Mü. an LKR Mü., v. 15.2.1962. 40 Die Arbeitszeit betrug 45 Wochenstunden. Vorgesehen war ein Taschengeld von monatlich 90 DM: LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Broschüre: Altenpflegeschule d. MH für kirchl. Diak. Mü.-Ottobrunn, o. D. 41 Bereits vor der Eröffnung hatten sich bereits 47 junge Frauen für den Grundlehrgang Hauswirtschaft und weitere sechs junge Frauen für den Grundlehrgang Sozialberufe angemeldet: LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: MH für kirchl. Diak. Mü. an LKR Mü., v 7.9.1962, S. 1. 42 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: H. Schmidt, Dir. MH für kirchl. Diak.: Die Insula als Einrichtung d. MH für kirchl. Diak. – Mü., o. D, S. 1. 43 https://www.schwaebische.de/home_artikel,-_arid,275171.html. 44 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952: Vorschlag für Dienstordnung für AH. Dorn., S. 1. 45 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952.
6.1 Pflegepersonal
205
beiter, die z. T. seit über zehn Jahren im Heim tätig waren.46 Neun Personen, darunter drei Mutterhausschwestern sowie sechs weitere Angestellte, gehörten sogar bereits seit 13 Jahren zum Stammpersonal.47 In allen Altersheimen übernahm eine leitende Schwester, die als Vorgesetzte des weiblichen Pflege- und Hauspersonals fungierte, die Verantwortung für die Organisation des pflegerischen Alltags, vielfach inklusive des Haushalts.48 Unter anderem bestimmte sie den Arbeitsplatz, die Arbeits- und Urlaubszeiten sowie die Aufgaben der einzelnen Schwestern und sollte – wie auch im Altersheim in Dornstadt – dafür sorgen, dass diese „ihren Dienst, insbesondere die ärztlichen Verordnungen gewissenhaft durchführen“.49 Eine ähnlich große Verantwortung trugen die Stationsschwestern, die ebenfalls die ihnen unterstellten Mitarbeiter beaufsichtigten. Auf der Krankenstation des Dornstädter Heims nahm die Stationsschwester z. B. an den ärztlichen Visiten teil, protokollierte die Verordnungen des Arztes, sorgte für die sichere Verwahrung und Verwendung der Medikamente, wobei sie das Gift- und das Apothekenbuch „laufend führen“ musste.50 Zudem stellte sie die von der Nachtwache ausgegebenen Medikamente bereit.51 Alle im Heim tätigen Schwestern verpflichteten sich – zumindest theoretisch – dazu, ebenfalls auf ihre eigene Gesundheit zu achten und sich regelmäßig ärztlich untersuchen zu lassen.52 Zur Wahrung der Gemeinschaft bestand für das Personal, das wie im „Altersheim Dornstadt“ zumeist auf dem Heimgelände wohnte, außerdem die Verpflichtung zur Teilnahme an den gemeinsamen Mahlzeiten.53 Aufgrund des Personalmangels konnte jedoch z. B. auch die 1952 für das Dornstädter Heim vorgeschlagene wöchentliche Arbeitszeit der Schwestern von höchstens 60 Stunden im Alltag sicherlich kaum eingehalten werden.54 Ähnliche Schwierigkeiten ergaben sich bei der Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf höchstens zehn Stunden. Da vielfach bereits am frühen Morgen mit dem Waschen der Bewohner begonnen werden musste, ließ sich auch der vorgegebene Arbeits46 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 4. 47 Zudem waren fünf Personen seit sieben Jahren im Heim tätig, vier Personen seit zehn Jahren, darunter drei Mutterhausschwestern: LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Was es als Erbe zu wahren gilt, v. 3.6.1965, S. 4. 48 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952: Vorschlag für Dienstordnung für AH Dorn., S. 1. 49 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952: Vorschlag für Dienstordnung für AH Dorn., S. 1. 50 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952: Vorschlag für Dienstordnung für AH Dorn., S. 1. 51 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952: Vorschlag für Dienstordnung für AH Dorn., S. 1. 52 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952: Vorschlag für Dienstordnung für AH Dorn., S. 1. Ob diese Vorgaben tatsächlich vom Personal befolgt wurden, ist nicht überliefert. 53 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952: Vorschlag für Dienstordnung für AH Dorn., S. 1. 54 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952: Vorschlag für Dienstordnung für AH Dorn., S. 2
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6. Personal
beginn, der im Sommer nicht vor sechs Uhr und im Winter nicht vor sieben Uhr erfolgen sollte, wohl nur selten realisieren.55 Die langen Arbeitszeiten und die daraus resultierende chronische Überbelastung der Pflegekräfte gehörten jedoch in allen „deutschen“ Altersheimen zum Alltag und betrafen somit sowohl die Einrichtungen für Deutsche als auch diejenigen für „heimatlose Ausländer“.56 Wie bereits erwähnt, fanden einige der im ehemaligen Vareler Heim tätigen Mitarbeiter Arbeit in einem anderen „Ausländerheim“. Die jahrelang in Varel tätige evangelische Fürsorgerin Gerda B. z. B., konnte 1959 zusammen mit einem Teil der ehemaligen Bewohner in das neu erbaute „Altenwohnheim für heimatlose Ausländer Darmstadt“ übersiedeln und dort ihre bisherige Arbeit fortführen.57 Da sie die russische Sprache beherrschte, Anbindung an das „Evangelische Hilfswerk“ besaß und eine langjährige Erfahrung in der Betreuung osteuropäischer DPs vorweisen konnte, galt sie als Idealbesetzung. Dass sich Frau B. zudem nicht von allen, bislang von ihr betreuten alten Menschen und Kollegen trennen musste, sondern gemeinsam mit zwei weiteren Vareler Mitarbeitern nach Darmstadt übersiedeln durfte, war sowohl für sie als auch für die Bewohner von Vorteil.58 So erleichterte den alten Menschen nicht nur die Anwesenheit von ehemaligen Mitbewohnern, sondern ebenfalls die Versorgung durch das ihnen bereits seit Jahren vertraute Personal, den Umzug in eine fremde Umgebung.59 6.2 Heimleitung Nach Kriegsende, d. h. infolge der Betreuung der DP-Heime durch die Alliierten bzw. die „IRO“, wurde die Heimleitung zumeist von Deutschen übernommen.60 Teilweise erhielten aber auch DPs eine leitende Funktion, z. B. als Verwalter oder als sog. Hauseltern. Nach der Übergabe der Einrichtungen in die deutsche Hände plädierten die Heimträger für den alleinigen Einsatz deutschstämmiger Heimleiter, die zudem die ausreichende Eignung für ihre Arbeit vorweisen mussten. Beispielsweise galt die in Varel bis 1952 erfolgte Beschäftigung von „Hausmeistern“ – die ähnliche Aufgaben wie die „Hauseltern“ übernahmen – aus den Reihen der DPs aus Sicht des „Evangelischen Hilfswerks“ als „unhaltbarer Zustand“.61 Um „personelle Vorbedingungen für unsere Ar55 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, v. 26.3.1952: Vorschlag für Dienstordnung für AH Dorn.: Entwurf einer Dienstordnung, S. 2. 56 Vgl. dazu auch Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 341 ff. 57 Vgl. LkAHN, B. 160, Nr. 26: HW der EK in Old. an HW d. EKHN, Frank., v. 22.7.1959. 58 LkAHN, B. 160, Nr. 26: HW d. EK in Old. an HW d. EKHN, Frank., v. 22.7.1959. 59 LkAHN, B. 160, Nr. 26: AH Darm. an HW d. EK Old., v. 14.7.1959. 60 Vgl. z. B. LkAW acc. 16/09, Nr. 106: AMH, v. 24.8.1951: Feststellung d. im AH Hessenkopf vorhandenen Lebensmittelbestände, S. 1. 61 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952.
6.2 Heimleitung
207
beit als Kirche an den heimatlosen Ausländern zu schaffen“, sollten für die drei evangelischen Häuserblocks des Altersheims zukünftig nur noch vom „Hilfswerk“ selbst ausgewählte Hauseltern eingesetzt werden.62 Schon bald fanden sich für alle drei Häuser Diakone, die zusammen mit ihren Ehefrauen im Haus wohnten und dabei relativ selbständig agieren konnten.63 Den Hauseltern und ihren Familien standen eigene Wohnungen auf dem Heimgelände zur Verfügung.64 Das vierte, von der „Caritas“ betreute und finanzierte Wohngebäude des Vareler Heims stand unter Leitung eines katholischen deutschen Ehepaares.65 Viele der in den „Ausländerheimen“ tätigen Hauseltern und Heimleiter waren bereits im kirchlichen Fürsorgewesen tätig gewesen und besaßen somit eine gewisse Erfahrung.66 Beispielsweise hatten auch die Hauseltern des Altersheims der „Beckhofsiedlung“ zuvor in einer anderen Betheler Einrichtung Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammeln können.67 Die Hauseltern besaßen eine nicht immer klar umrissene Position und übernahmen sowohl Aufgaben aus dem Bereich des Hausmeisters, des Verwalters, des Pflegepersonals als auch der Heimleitung. In Varel unterstanden die sechs Hauselternpaare – wie in allen vergleichbaren großen Einrichtungen – einem übergeordneten, d. h. für das gesamte Heim zuständigen, deutschen Heimleiter.68 Da dieser jedoch aufgrund der hohen Bewohnerzahl im Heimalltag nicht für alle Bewohner bzw. Heimgebäude die Verantwortung übernehmen konnte, erhielt er Unterstützung von den Hauseltern. In kleineren Altersheimen bestand keine Notwendigkeit für die Einstellung mehrerer Hauseltern; stattdessen übernahmen entweder eine Einzelperson oder ein Ehepaar die Zuständigkeit für das Heim. Auch die Heimleiter bzw. Heimleiterehepaare bezogen zumeist eine Wohnung auf dem Heimgelände.69 Im katholischen Münchner Altersheim „St. Nikolaus“ z. B. wurde die Leitung an einen katholischen Geistlichen übertragen.70 Das „Altenwohnheim Darmstadt“ sah für diese Aufgabe hingegen evangelische, verheiratete Diakone vor, die zusammen mit ihren Ehefrauen
62 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952; https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/589568?set_lang =de. 63 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952; LkAH, E 52, Nr. 367: Vermerk betr. DP-AH Varel, v. 3.3.1952, S. 1. 64 LkAH E 52, Nr. 367: F. Meyer an Dr. Nordhoff, v. 21.4.1954, S. 1. 65 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt., Hauptbüro Old. an Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952. 66 LkAHN, B. 160, Nr. 29: O. Abs. an TF, Mü., v. 28.6.1965. 67 HAB, SamEcka, Nr. 54: Aus Nazareth, Frauengeschichten 1997, v. H. Schindler. 68 LkAH E 52, Nr. 367: F. Meyer an Dr. Nordhoff, v. 21.4.1954, S. 1. 69 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 56. Vgl. auch HAB, SamEcka, Nr. 54: Aus Nazareth, Frauengeschichten 1997, v. H. Schindler. 70 ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 8.
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6. Personal
die Betreuung der Heimbewohner übernahmen.71 1965 wurde z. B. das Ehepaar B. eingestellt, dass mit seinen vier Kindern im Heimgebäude eine Wohnung bezog.72 Das Paar, das in Kürze ein fünftes Kind erwartete, hatte zuvor bereits die Leitung von Kinderheimen übernommen, fühlte sich nun aber – im Alter von „nur“ 45 bzw. 30 Jahren – für diese Aufgabe nicht „mehr jung genug“.73 Ein Altersheim hingegen erschien ihnen als passender Arbeitsplatz.74 Einem im Vareler Heim neu eingestellten Hauselternpaar, das ebenfalls mit seinen Kindern eine Wohnung im Heim erhielt, kamen die ersten Tage im Heim „nach langer Arbeitslosigkeit wie ein Traum vor“.75 Die deutschen Heimträger setzten häufig ein zusätzliches Kuratorium ein, das in Kooperation mit der Heimleitung, u. a. für die Verwaltung des Altersheims, die Bestellung des Personals sowie die Regelung des internen Lebens im Heim zuständig war.76 Im Fall des „Altenwohnheims Darmstadt“ bestand das vom „Evangelischen Hilfswerk“ gebildete Kuratorium aus Vertretern der „Inneren Mission und des evangelischen Hilfswerks“, des Weltrates der Kirchen, der „Inneren Mission“, der „Russisch-orthodoxen Kirche im Ausland“, der „Tolstoy-Foundation“ sowie dem Heimleiter.77 Im normalen Heimalltag spielten die Kuratorien kaum eine Rolle. Vielmehr übernahmen die Heimleiter die Gesamtverwaltung und beaufsichtigten – zumeist in Absprache mit der leitenden Schwester – die Organisation des Heimalltags.78 Erfolgte die Einstellung von Heimleiterehepaaren, unterlagen den Frauen die hauswirtschaftlichen und pflegerischen Abläufe im Haus, den Männern hingegen die Verwaltung und die handwerklichen Arbeiten. Viele Heimleiterfrauen verfügten über eine krankenpflegerische Ausbildung.79 Häufig gehörte ebenfalls die Zubereitung der Mahlzeiten bzw. die Anleitung des Küchenpersonals zu den Aufgaben der Frauen.80 Für das Leitungspersonal erwiesen sich insbesondere die ersten Monate nach der Eröffnung neuer Heime als große Herausforderung. Auch für die Hauseltern des neu erbauten „Beckhof-Altersheims“ verband sich mit ihrer neuen Aufgabe „viel Arbeit“. Die Hausmutter bezeichnete die ersten Jahre im 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80
Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN MBH; LkAHN, B. 160, Nr. 29: O. Abs. an TF, Mü., v. 28.6.1965; LkAHN, B. 160, Nr. 31: E. Ludolph, ökum. Diak. an Präs., Nds. Verwaltungsbez. Old., v. 5.12.1969. LkAHN, B. 160, Nr. 29: O. Abs. an TF, Mü., v. 28.6.1965. LkAHN, B. 160, Nr. 29: O. Abs. an TF, Mü., v. 28.6.1965. LkAHN, B. 160, Nr. 29: O. Abs. an TF, Mü., v. 28.6.1965. LkAH, E 52, Nr. 367: F. Meyer, an Dr. Nordhoff, v. 21.4.1954, S. 1. LkAHN, B. 160, Nr. 26: T. Schaufuss, Overseas Dir., TF an Pf. Rathgeber, v. 29.11.1957. LkAHN, B. 160, Nr. 26: T. Schaufuss, Overseas Dir., TF an Pf. Rathgeber, v. 29.11.1957. LkASt, B. DW, Nr. 2485: Herrenberger Verb. für ev. Diak. e. V. an Dr. Kraut, Stu., 26.3.1952. Dies war z. B. auch bei der Frau eines im Darmstädter Heim eingesetzten Heimleiterehepaares der Fall: LkAHN, B. 160, Nr. 28: E. Ludolph an Dienste in Übersee, Stu., v. 17.1.1966, Vertraulich! Vgl. Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 322; S. 324.
6.2 Heimleitung
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Heim aber durchaus als wichtige „Zeit des Lernens“, zumal besonders anfangs viel improvisiert werden musste.81 Da die meisten Heime, z. T. sogar regelmäßig, für einige Tage oder Wochen auch auswärtige Gäste beherbergten – z. B. Angehörige und Freunde der Bewohner oder Abgeordnete von Wohlfahrtsorganisationen – entstand für das Personal zusätzliche Arbeit.82 In einzelnen Fällen erklärten sich sogar die Heimmitarbeiter, darunter selbst das Leitungspersonal – zur Aufnahme von Gästen in ihren privaten Wohnungen bereit.83 Da die Träger der „Ausländerheime“ und die dort tätigen Mitarbeiter und Hilfsorganisation untereinander in einem regelmäßigen Austausch standen, statteten sich z. B. die Heimleiter gegenseitige Besuche ab, die sie z. T. sogar ins Ausland führten. Beispielsweise besuchte 1964 die Heimleitung eines französischen Altersheims für ausländische Flüchtlinge das Altersheim für „heimatlose Ausländer“ in Darmstadt.84 Innerhalb des gesamten Untersuchungszeitraums erforderte die Leitung von Altersheimen weder eine Ausbildung noch besondere Kenntnisse in der Pflege oder der Haushalts- und Wirtschaftsführung.85 Theoretisch konnte also jede geeignet erscheinende Person die Heimleitung übernehmen. Bevorzugt wurden jedoch, wie oben ersichtlich, „reife“, d. h. über 30-jährige Männer und Frauen, die möglichst auch charakterlich für die Betreuung alter und kranker Menschen geeignet sein sollten. Ebenfalls galt in den Einrichtungen der kirchlichen Träger eine christliche Grundhaltung als Voraussetzung.86 Krankenschwestern, Fürsorgerinnen, Pastoren und Verwaltungsangestellte der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege schienen diese Anforderungen am besten zu erfüllen und gehörten daher sowohl aus Sicht der Alliierten als auch aus der Perspektive der deutschen Heimträger zu den favorisierten Mitarbeitern.87 Für die „Ausländerheime“ suchten die Heimträger darüber hinaus nach Personen, die den DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ gegenüber positiv gegenüberstanden.88 Beispielsweise beschrieb eine Mitarbeiterin der „Inneren Mission“ das 1966 im „Altenwohnheim Darmstadt“ neu eingestellte 81 82 83 84
85 86 87 88
Das Wasser musste z. B. von der Betonmaschine geholt werden, und die Kläranlage war noch unfertig: HAB, SamEcka, Nr. 54: Aus Nazareth, Frauengeschichten 1997, v. H. Schindler. Z. B. HAB, SamEcka, Nr. 54: Aus Nazareth, Frauengeschichten 1997, v. H. Schindler. Z. B. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 162: S., Miodrag: AH Beckhof an Ordnungsamt, Landkr. Biel., v. 21.5.1962. Umgekehrt wurde auch das Heimleiterehepaar des Darmstädter Heims nach Frankreich eingeladen: LkAHN, B. 160, Nr. 29: R. Brey, Maison de Retraite de Cannes et d’autres Eablissements pour Refugies Etrangers, Maison St. Raphael, an Monsieur et Madame Otto Bähr, AH Darm., v. 25.8.1964. Bis heute existiert keine verbindliche Ausbildung für das Leitungspersonal von Altersund Pflegeheimen. Vgl. dazu auch Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975, 2016, S. 322; S. 349. LkAHN, B. 160, Nr. 28: E. Ludolph an Dienste in Übersee, Stu., v. 17.1.1966, Vertraulich! Dass auch diese Heimleiter nicht zwangsläufig die Befähigung für ihre Aufgabe besaßen, zeigen viele Beispiele, z. B. Vincentz, F.: Altenheime 1974 – Rückblick und Vorschau, 1974, S. 3 f. LkAHN, B. 160, Nr. 28: E. Ludolph an Dienste in Übersee, Stu., v. 17.1.1966, Vertraulich!
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6. Personal
Heimleiterehepaar B. als einsatzbereit, herzlich, „kosmopolitisch“ sowie anderen „Sitten“ gegenüber aufgeschlossen.89 Folglich erschienen Frau und Herr B. sehr geeignet für die Leitung des Hauses.90 Dass ihre Lebenseinstellung in der Beurteilung als „unbürgerlich“91 bezeichnet wurde, galt in diesem Fall jedoch nicht als Nachteil; vielmehr bestand die Hoffnung, dass das Ehepaar besonders viel Verständnis und Toleranz für die Verhaltensweisen der „Ausländer“ aufbringen würde. Trotz dessen offenbart sich in dem – im obigen Gutachten geäußerten – Hinweis auf die vorgebliche Kompatibilität der ausländischen Bewohner mit der „Unbürgerlichkeit“ des Heimleiters eine latent pejorative, von Vorurteilen geprägte Sicht auf die im Heim lebenden Süd- und Osteuropäer. So wurde diesen eine gleichermaßen „unbürgerliche“ Lebensweise unterstellt, die, wie bereits erörtert, leicht mit „Asozialität“ und sozialem Abstieg assoziiert werden konnte.92 Aufgrund seiner unkonventionellen Einstellung kam es zudem zu erheblichen Konflikten mit dem Sozialamt der Stadt Darmstadt sowie der im Heim tätigen Ärztin.93 Dass in den Heimen für die deutsche Bevölkerung daher bevorzugt Leiter tätig sein sollten, die einen „bürgerlichen Lebensstil“94 pflegten, zeigt abermals die von deutscher Seite erfolgte Unterscheidung zwischen der einheimischen und der ausländischen Bevölkerung. Aufgrund seines oft strengen Führungsstils und seiner „bürgerlichen“ Lebenseinstellung entsprach der Ende der 1960er Jahre in Darmstadt eingestellte Heimleiter hingegen sicherlich eher den gängigen Vorstellungen der Heimträger. Von Seiten der Heimbewohner sowie der sich für diese einsetzenden „Tolstoy Foundation“ wurde dagegen wiederholt Kritik an dem neuen Leiter geübt. So zeigte dieser zwar durchaus Verständnis und Mitgefühl mit den russischen Heimbewohnern,95 verhielt sich aber den Bewohnern deutscher Herkunft gegenüber wesentlich toleranter.96 6.3 Fürsorgerinnen Eine wichtige Aufgabe in der Betreuung der DPs und „heimatlosen Ausländer“ nahmen die Fürsorgerinnen und Fürsorger ein. Diese waren sowohl in der offenen als auch der stationären „Ausländerfürsorge“ in den Lagern und 89 90 91 92 93
LkAHN, B. 160, Nr. 28: E. Ludolph an Dienste in Übersee, Stu., v. 17.1.1966, Vertraulich! LkAHN, B. 160, Nr. 28: E. Ludolph an Dienste in Übersee, Stu., v. 17.1.1966, Vertraulich! LkAHN, B. 160, Nr. 28: E. Ludolph an Dienste in Übersee, Stu., v. 17.1.1966, Vertraulich! Beer, M.: Lager als Lebensform in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. 1999, S. 46; S. 59. LkAHN, B. 160, Nr. 26: Notiz für Pf. Rathgeber, v. 14.12.1964, S. 2; LkAHN, B. 160, Nr. 26: Aktenvermerk, v. 31.3.1965. 94 Vgl. dazu Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945– 1975, 2016, S. 325. 95 LkAHN, B. 160, Nr. 31: A. Ignatiew an Mrs. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 13.8.1968. 96 Vgl. z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 30: ZA aus Frank. Neue Presse?, v. 14.7.1973: „Altenheimleiter entlastet. Aber manche Mängel in der Hausordnung“; LkAHN, B. 160, Nr. 29: A. Ignatiew an E. Thomas, Chief of Welfare, TF, Mü., v. 16.11.1967.
6.4 Heimärzte
211
Heimen tätig und sollten die DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ u. a. bei der Integration in die deutsche Gesellschaft unterstützen.97 Nach dem Rückzug der „IRO“ beschäftigten die christlichen Heimträger zumeist kirchliche Fürsorgerinnen und Fürsorger.98 Bei diesen handelte es sich sowohl um Mitarbeiter der deutschen als auch der internationalen Hilfsorganisationen, wobei aber vorwiegend deutschstämmiges Personal Einsatz fand. Beispielsweise organisierte die ab 1950 in Deutschland tätige „Bruderhilfe der amerikanischen Katholiken“ für die katholischen „Ausländerheime“ deutsche Fürsorgerinnen, die jedoch eng mit der Bruderhilfe sowie der „Caritas“ kooperierten.99 Auch in anderen Fällen arbeiteten die neu eingestellten deutschen Fürsorgerinnen zumindest anfangs unter Anleitung der internationalen Organisationen wie dem „NCWC“ oder dem „WCC“.100 Pro Heim stand meist nur eine Fürsorgerin zur Verfügung. So auch im evangelischen Altersheim in Bodenteich, das etwa 200 Bewohner versorgte.101 Das evangelische Vareler Heim, das eine noch weitaus höhere Anzahl an Bewohnern verzeichnete, beschäftigte ebenfalls nur eine Fürsorgerin. Diese war vom „Hilfswerk der Evangelischen Kirche“ eingestellt worden und konnte sehr „geschickt“ mit den alten Menschen unterschiedlicher Herkunft umgehen.102 Das katholische Altersheim „St. Nikolaus“ in München verfügte über eine vom „NCWC“ vermittelte deutsche Fürsorgerin.103 6.4 Heimärzte In allen Heimen bestand die Möglichkeit, einen praktischen Arzt zu konsultieren, bei denen es sich – wie auch in den DP-Lagern104 – vielfach selbst um DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ handelte. Nach dem Rückzug der Alliierten und der „IRO“ beschäftigten die Träger der „Ausländerheime“ aber bevorzugt deutsche Ärzte, die über osteuropäische Sprachkenntnisse verfügten. Zu den weiteren Voraussetzungen der deutschen Behörden gehörte es, dass die in er Ausländerbetreuung eingesetzten Mediziner eine Kassenzulassung besaßen.105 Um zukünftige Probleme bei der Kostenübernahme zu verhindern, 97 98 99 100 101 102 103 104 105
ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 5. LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt. Old., Hann. v. 12.5.1955. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 5. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Vorgrimler, M.: Caritashilfe für d. HA in Dt., in: CD: Festschrift, S. 28–32; S. 29. NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Ges. Uelzen an Min. f. Vertr., v. 19.10.1950. LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK in Dt. Old., Hann. v. 12.5.1955. ADiCVMü. I/AR 002 Caritas-AH St. Nik.: Olifiers, T.: Bruderhilfe d. amerikanischen Katholiken durch NCWC, in: CD: Festschrift, S. 5. HAB, Beckhof PA 1, Nr. 381: D., Martins: Dr. Ljubomir B. (Lagerarzt Mün.): Ärztl. Besch. zwecks Aufn. im AH, v. 5.9.1958. NHStAH, DP Branch, Land Commissioners Office, Hann. to Nds. Min. Arb., Hann, o. D. (ca. Ende Juni 1950), Betr. Ärztestab bei d. DP-Camps S. 2.
212
6. Personal
sprach sich 1950, d. h. infolge der Übergabe der DPs in deutsche Verantwortung, auch die britische Militärregierung für eine kassenärztliche Zulassung der DP-Ärzte aus. Allerdings sollte für 800 Menschen lediglich ein Arzt zuglassen werden.106 Dass der Heimarzt des Dornstädter Altersheims – trotz wiederholter Gesuche und der Zustimmung der württembergischen Ärztekammer107 – seine Kassenzulassung nicht zusätzlich auf die Angestellten des Heims ausdehnen durfte, führte spätestens 1952 zu Unmut im Heim.108 So bestand einerseits beim Personal der Wunsch, bei akuten Erkrankungen ebenfalls den im Haus tätigen und somit schnell verfügbaren Mediziner um Rat fragen zu können.109 Andererseits entstand unter den alten Menschen ein erhebliches Misstrauen gegenüber dem vom Heim angestellten Mediziner, da sie nur diesen konsultieren durften, wohingegen das Personal durch auswärtige Ärzte behandelt wurde. Dass die ausländischen Bewohner aufgrund dieser Regelung nachvollziehbarerweise Zweifel an seiner Qualifikation hegen und zudem befürchteten würden, weniger gut behandelt zu werden als das deutsche Personal, stellte auch aus Sicht des Heimarztes ein Problem dar.110 Im großen Altersheim in Varel stand Ende der 1950er Jahre kein auf dem Gelände wohnender Mediziner zur Verfügung. Stattdessen boten zwei „externe“, d. h. außerhalb des Heimgeländes wohnende Mediziner – v. a. für die die „nicht gehfähigen“ Bewohner – regelmäßige Sprechstunden im Haus an.111 Die „gehfähigen“ Heimbewohner erhielten die Möglichkeit, jederzeit mit dem Bus zu ihren „gewünschten“ Kassenärzten zu fahren.112 Diese Regelung bestand auch im Altersheim für „heimatlose Ausländer“ in Darmstadt.113 Dabei durften die Bewohner zwar einen Arzt ihrer Wahl aufsuchen, dieser musste jedoch vom städtischen Sozialamt bestellt werden.114 War dies nicht der Fall, bestand für Kassenpatienten und Sozialhilfeempfänger die Verpflichtung, selbst für den Arztbesuch aufzukommen.115 Da der Großteil der Bewohner aber nur sehr wenig Deutsch sprach, musste bei jedem Arztbesuch ein Dolmetscher 106 NHStAH, DP Branch, Land Commissioners Office, Hann. to Nds. Min. Arb., Hann, o. D. (ca. Ende Juni 1950), Betr. Ärztestab bei d. DP-Camps, S. 2. 107 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Dr. Kraut an Württemb. Ärztekammer, Stu.-Degerloch, v. 5.5.1952. 108 LkASt, B. DW, Nr. 2485: H. Traut, Missionsarzt, AH Dorn. an kassenärztl. Vereinigung Zulassungsausschuss Stu.-Degerloch, v. 25.10.1952. 109 LkASt, B. DW, Nr. 2485: H. Traut, Missionsarzt, AH Dorn. an kassenärztl. Vereinigung Zulassungsausschuss Stu.-Degerloch, v. 25.10.1952. 110 LkASt, B. DW, Nr. 2485: H. Traut, Missionsarzt, AH Dorn. an kassenärztl. Vereinigung Zulassungsausschuss Stu.-Degerloch, v. 25.10.1952. 111 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Kassenärztl. Vereinigung Bay., Mü. an d. Bayr. Staatsminis. für Arbeit u. soziale Fürsorge, v. 4.5.1959, S. 1. 112 LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Kassenärztl. Vereinigung Bay, Mü. an d. Bayr. Staatsminis. für Arbeit u. soziale Fürsorge, v. 4.5.1959, S. 2. 113 LKHN, B. 160, Nr. 49: AH Darm., Gesellschaft für Diak. Einrichtungen in HN, o. D. 114 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Notiz für Pf. Rathgeber, v. 14.12.1964, Frank., betr. AH Darm., Ärztl. Versorgung d. Heimbew. 115 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Notiz für Pf. Rathgeber, v. 14.12.1964, Frank., betr. AH Darm., Ärztl. Versorgung d. Heimbew.
6.4 Heimärzte
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hinzugezogen werden.116 Zur Umgehung dieser Schwierigkeit stellte die Heimleitung schließlich Mitte der 1960er Jahre eine russischsprachige deutsche Heimärztin ein, der im Haus ein eigenes Arztzimmer zur Verfügung stand.117 Laut eines Beschlusses der Stadt Darmstadt bestand daraufhin jedoch „keine freie Arztwahl“ mehr im Heim.118 Im bayrischen Altersheim „Insula“ konnte von 1951 bis Anfang 1959 z. B. ein Internist als Heimarzt eingestellt werden.119 Mitte der 1960er Jahre erfolgte auf dem Heimgelände zudem die Einrichtung einer Arztwohnung, sodass der kurz darauf eingestellte Mediziner in Notfällen schnell erreichbar war.120 Eine eigene, bereits 1951 bezugsfertige Wohnung auf dem Heimgelände erhielt auch der oben genannte Heimarzt des Altersheims in Dornstadt.121 Die „Beckhof-Siedlung“ entschied sich zur Einstellung eines lettischen Arztes, der sowohl die Siedlungs- als auch die Altersheimbewohner über mehrere Jahre hinweg betreute.122 Zumeist übernahmen die Heimärzte sowohl die ärztliche Versorgung und Beratung der Bewohner, als auch diejenige des im Heim lebenden Personals.123 Zudem gehörte die Leitung der in vielen Heimen vorhandenen Pflegeabteilung sowie die Überwachung des dort tätigen Pflegepersonals zu ihren Aufgaben.124 Lehnten von öffentlicher Unterstützung lebende Heimbewohner die Behandlung durch den Heimarzt ab und konsultierten einen „auswärtigen“ Mediziner ihrer Wahl, mussten sie selbst für die Behandlung aufkommen. Beispielsweise brachte eine Bewohnerin des „Altenwohnheim Darmstadt“ aufgrund von Missverständnissen der im Haus tätigen Heimärztin kein Vertrauen mehr entgegen.125 Folglich lehnte sie trotz des Versuchs der Heimleitung, sie von der Unschuld der Heimärztin zu überzeugen, jegliche weitere Behandlung ab und ging nun zu einer „Ärztin in der Stadt“.126 Um jedoch das Honorar für die Behandlung 116 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Notiz für Pf. Rathgeber, v. 14.12.1964, Frank., betr. AH Darm., Ärztl. Versorgung d. Heimbew. 117 LkAHN, B. 160, Nr. 26: Notiz für Pf. Rathgeber, v. 14.12.1964, Frank., betr. AH Darm., Ärztl. Versorgung d. Heimbew. 118 LkAHN, B. 160, Nr. 26: An Pf. Rathgeber, Ber. über Besuch d. TF im AH, v. 29.6.1966. 119 LAELKB, KDM, Nr. 0.2.0003–3741: Dr. Hildmann an Oberkirchenrat Riedel, Mü., v. 1.2.1951; LkAH, L 3 III, Nr. 1058: Kassenärztl. Vereinigung Bay. an d. Bayr. Staatsminis. für Arbeit u. soziale Fürsorge, v. 4.5.1959, S. 1. 120 LAELKB, KDM, Nr. 2.2.0004–726: Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit, v. 1.6.1965, S. 6. 121 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Vertrag zwischen Landesverb. für IM in Württemb. u. Dr. Traut, S. 1. 122 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 37. 123 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Vertrag zwischen Landesverb. für IM in Württemb. u. Dr. Traut, S. 1. 124 LkASt, B. DW, Nr. 2485: Vertrag zwischen Landesverb. für IM in Württemb. u. Dr. Traut, S. 1. 125 LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Thomas, TF an Sozialdezernat Stadtverw. Darm., v. 5.7.1966, S. 1. 126 LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Thomas, TF an Sozialdezernat Stadtverw. Darm., v. 5.7.1966, S. 1.
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6. Personal
sowie die Medikamente bezahlen zu können, verkaufte Frau S. zuerst ihren Schmuck und letztlich sogar ihre Kleider.127 Die sich für die Belange der russischen Heimbewohner einsetzende „Tolstoy-Foundation“ plädierte daraufhin beim Sozialdezernat der Stadt Darmstadt dafür, Frau S. die freie Arztwahl zu gewähren, um sie von einer „ungeheuren seelischen Last“ zu befreien.128 So hätte die alte Frau „wie viele Flüchtlinge Schweres durchgemacht“ und wäre nun aufgrund ihres hohen „Alters“ nicht mehr mit logischen Argumenten zu überzeugen.129 An diesem Beispiel zeigt sich abermals der große Einsatz der in Deutschland tätigen Hilfsorganisationen, die sich für die DPs und „heimatlose Ausländer“ einsetzten, deren besondere Situation von den deutschen Behörden zumeist kaum berücksichtigt wurde. Neben dem Leitungs-, Pflege- und Betreuungspersonal mussten in allen Altersheimen weitere Arbeitskräfte eingestellt werden. Zu diesen zählten z. B. Hausmeister, Sekretärinnen, Buchhalter, Fahrer, Verwalter, Büroangestellte, Hauswirtschaftsleiterinnen, Hausgehilfinnen, Köchinnen, Küchenmädchen, Wäscherinnen, eine Krankenschwester sowie – in Häusern mit eigener Landwirtschaft – landwirtschaftliche Arbeiterinnen und Arbeiter, u. a. Schweinehirten.130 6.5 Arbeitsalltag Das Haus- und Pflegepersonal wohnte, wie die Heimleiter und -ärzte, vielfach direkt im Heimgebäude oder auf dem Heimgelände und war somit nahezu stetig verfügbar.131 Das große Altersheim in Dornstadt besaß z. B. neben den fünf Wohngebäuden für die Heimbewohner ein Wirtschaftsgebäude, in dem nicht nur die Küche und der Speisesaal, sondern ebenfalls die Personalwohnungen bzw. -zimmer untergebracht waren.132 Da es im Heimwesen bis weit in die 1960er Jahre hinein ebenfalls üblich war, dass das Personal „freie Station“ erhielt, entstanden auch für die Mitarbeiter der „Ausländerheime“ keine Extra-Kosten für Wohnung, Strom, Heizung und Verpflegung.133 Während die Mutterhausschwestern, die z. B. in den Heimen in Dornstadt und Berchtesgaden den Großteil des Pflegepersonals stellten, außer einem Taschengeld, kei127 LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Thomas, TF an Sozialdezernat Stadtverw. Darm., v. 5.7.1966, S. 1 128 LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Thomas, TF an Sozialdezernat Stadtverw. Darm., v. 5.7.1966, S. 1 f. 129 LkAHN, B. 160, Nr. 29: E. Thomas, TF an Sozialdezernat Stadtverw. Darm., v. 5.7.1966, S. 1 f. 130 LkASt, L1 DW, Nr. 2488: Männliche Mitarbeiter in d. Landwirtschaft o. D. (1954); LkAHN, B. 93, Nr. 637: Wirtschaftlichkeitsberechnung, v. 3.10.1957. 131 Vgl. z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 26: Aktennotiz, v. 10.7.1950. 132 LkASt, L1 DW, Nr. 2488: Inform. über d. v. d. IM betreute AH Dorn., v. 19.9.1951, S. 1. 133 Vgl. auch Grabe, N.: Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945– 1975, 2016, S. 333 f.; LkASt, B. DW, Nr. 2485: AH Dorn.an Dir. Dr. Lorch, Diakonenanstalt Karlshöhe, v. 25.2.1952.
6.5 Arbeitsalltag
215
nen Lohn erhielten, wurden nicht nur die „freien“ Schwestern, Heimleiter, Fürsorgerinnen, Hausangestellten, Hausmeister u. ä. tariflich entlohnt, sondern ebenfalls die Diakone sowie deren Ehefrauen.134 Die Altersheime für DPs und „heimatlose Ausländer“ beschäftigten, wie bereits erwähnt, vorwiegend Personen mit osteuropäischen Sprachkenntnissen.135 Bis Anfang der 1950er Jahre setzte sich das Personal hauptsächlich aus Mitarbeitern der „IRO“ und anderer ausländischer Hilfsorganisationen zusammen. Diese verfügten zwar oft nur über geringe Deutschkenntnisse, kommunizierten mit den Heimbewohnern aber entweder in deren Muttersprache oder auch in Englisch oder Französisch. Einsatz fanden ebenfalls DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ und deutsche Mitarbeiter. Im DP-Altersheim in Prien bestand das Personal z. B. vorwiegend aus DPs, während in einer anderen, von der „IRO“ betreuten Einrichtung ausschließlich „Volksdeutsche“ eigesetzt wurden.136 Letztere hatten in der Vorkriegszeit in den ehemaligen deutschen Ostgebieten, z. B. in Polen, gelebt und beherrschten daher neben der deutschen auch die jeweiligen Landessprachen. Nach Übergabe der DPs in deutsche Verwaltung beschäftigten die Heime für „heimatlose Ausländer“ weiterhin Mitarbeiter mit ost- bzw. Südosteuropäischen Sprachkenntnissen. Folglich hatte eine russisch-orthodoxe Krankenschwester, die „russisch in Wort und Schrift“ beherrschte und zudem als „menschlich sehr freundlich“ und „fleissig“ beschrieben wurde, gute Chancen für eine Anstellung im „Altenwohnheim Darmstadt“.137 Auch die anderen, im Heim tätigen Pflegerinnen, sprachen sowohl Deutsch als auch Russisch, z. T. auch „Jugoslawisch“ bzw. Serbokroatisch.138 Da das „Beckhof-Altersheim“ ebenfalls viele Menschen aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien versorgte, erwies sich die Einstellung einer jugoslawischen Krankenschwester, die außerdem Kenntnisse der deutschen, polnischen und russischen Sprache besaß, auch in diesem Heim als Vorteil.139 Die meisten Heimleitungen verfügten ebenfalls über Fremdsprachenkenntnisse. Beispielsweise machte ein 1954 in Varel neu eingestelltes Hauselternpaar die Erfahrung, dass ihnen die Kontaktaufnahme zu den Heimbewohnern durch ihre guten Kenntnisse der baltischen Sprachen erheblich erleichtert wurde.140 Der oben genannte Leiter des „Altenwohnheim Darmstadt“ konnte sich selbst zwar nicht mit den alten Menschen in ihrer Landessprache unterhalten; da aber seine Frau und das Personal gut Russisch sprachen, konnten 134 Z. B. LkASt, B. DW, Nr. 2485: AH Dorn. an Dir. Dr. Lorch, Diakonenanstalt Karlshöhe, v. 25.2.1952. 135 Vgl. z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 26: Gerda B.: Ber. über Besuche bei orth. alten nichtdt. Flücht. in Württemb.-Baden, v. 15.8.1959. 136 LkASt, B.: DW, Nr. 1500: Bespr. am 30.8.1949, betr. Einrichtung v. DP-Heimen, S. 4. 137 LkAHN, B. 160, Nr. 26: DW IM u. HW in HN an Pf. Rathgeber, Frank., v. 28.11.1960. 138 Eine jugoslawische Pflegerin sprach neben ihrer Muttersprache ebenfalls Russisch und „gut verständlich deutsch“: LkAHN, B. 160, Nr. 26: AH Darm., betr. Ber. d. Stadtoberamtmann, v. 20.1.1965, S. 8. 139 Globig, W.-C.: Die Beckhofsiedlung und das „Frohe Schaffen“ als Modell für die Rehabilitation versorgungsbedürftiger Heimatloser Ausländer, 1960, S. 64. 140 LkAH, E 52, Nr. 367: F. Meyer, Varel an Dr. Nordhoff, Aurich, v. 21.4.1954.
216
6. Personal
sie als Dolmetscher fungieren.141 Sein über „sehr gute Sprachkenntnisse“ verfügender Nachfolger beherrschte zusätzlich die holländische, französische und englische Sprache.142 Insbesondere Französisch gehörte zu den Fremdsprachen, die auch von vielen höher gebildeten russischen Heimbewohnern verstanden wurde.143 Da es insbesondere in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient auf eine gute sprachliche Verständigung ankam, sollten die in den Heimen für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ tätigen Heimärzte ebenfalls osteuropäische Sprachkenntnisse aufweisen. Im „Altersheim Varel“ fand z. B. der 1891 in Riga geborene, deutschstämmige Chirurg Walter C. Anstellung, der neben der deutschen auch die lettische und russische Sprache beherrschte.144 Mussten Fachärzte hinzugezogen oder Heimbewohner in ein Pflegeheim oder Krankenhaus verlegt werden, ergaben sich häufig sprachliche Schwierigkeiten. Als z. B. Mitte der 1960er Jahre ein Bewohner des „Beckhof-Altersheims“ in ein Pflegeheim verlegt wurde, gelang es dem deutschen Personal aufgrund „sprachlicher Schwierigkeiten“ nur „lückenhaft“, die Vorgeschichte des 64-jährigen Serben zu erfragen.145 Dass ein im Landeskrankenhaus Schussenried tätiger Psychiater „gut russisch“ sprach, erwies sich daher als Vorteil bei der Behandlung einer russischsprachigen Bewohnerin des „Altenwohnheim Darmstadt“.146 In anderen Fällen musste v. a. bei Behördengängen und Arztbesuchen auf Dolmetscher zurückgegriffen werden.147 Da sich diese aber z. T. aus den Reihen des Pflegepersonals rekrutierten – v. a. wenn Fachärzte ihre Patienten im Altersheim aufsuchten – entstand für die ohnehin bereits völlig überbelasteten Pflegerinnen zusätzliche Mehrarbeit.148 Bedingt durch ihre sprachlich heterogene Bewohnerklientel und die Beschäftigung deutscher Mitarbeiter, waren viele Altersheime für DPs und „heimatlose Ausländer“ auch im Heimalltag auf Dolmetscher angewiesen.149 In diesem Fall übernahmen aber zumeist mehrsprachige Heimbewohner diese Aufgabe.150 Ebenfalls halfen sie bei der Übersetzung von Briefen und der Korrespondenz mit den Behörden.151 Nicht 141 142 143 144 145 146 147 148 149
150 151
LkAHN, B. 160, Nr. 29: An TF, Mü., v. 28.6.1965. LkAHN, B. 160, Nr. 28: E. Ludolph an Dienste in Übersee, Stu., v. 17.1.1966, Vertraulich! LkAHN, B. 160, Nr. 28: E. Ludolph an Dienste in Übersee, Stu., v. 17.1.1966, Vertraulich! Hübner (Hg.): Chirurgenverzeichnis, Berlin/Heidelberg, 4. Aufl. 1958, S. 126. HAB, EA Eck., Nr. 5020: P., Nikolaus: Dr. Friese an Landschaftsverb. Westf.-Lippe, Mün., v. 5.3.1965. LkAHN, B. 160, Nr. 31: TF, Frank. an E. Ludolph, v. 14.1.1970. LkAHN, B. 160, Nr. 30: E. Ludolph an UNHCR, Bad G., v. 4.1.1974; LkAHN, B. 160, Nr. 26: Notiz für Pf. Rathgeber, v. 14.12.1964. LkAHN, B. 160, Nr. 27: E. Ludolph, Besuch im AH Darm. am 22.1.1963. Z. B. LkAHN, B. 160, Nr. 26: An Pf. Rathgber, Ber. über Besuch d. TF im AH, v. 29.6.1966; LkAHN, B. 160, Nr. 30: E. Ludolph an UNHCR, Bad G., v. 4.1.1974; LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: H. Schmidt, Dir. MH für kirchl. Diak. Mü. an Oberkirchenrat Bezzel, v. 10.7.1961. Z. B. LAELKB, Nr. 0.2.0003–3741: H. Schmidt, Dir. MH für kirchl. Diak. Mü. an Oberkirchenrat Bezzel, v. 10.7.1961. LkAHN, B. 160, Nr. 31: B. v. Wussow, Beauftragte d. APD in Belgien, an AH Darm., v. 10.4.1968.
6.5 Arbeitsalltag
217
selten führte die große Anzahl an Übersetzungsaufträgen zu einer erheblichen Überlastung der alten Menschen, zumal diese sich oft scheuten, die vielen Gesuche ihrer Mitbewohner abzulehnen.152 Die Bezahlung der Mitarbeiter in den DP-Altersheimen erfolgte anfangs durch die Alliierten bzw. durch die von diesen ins Leben gerufenen Wohlfahrtsorganisationen wie die „UNRRA“ und die „IRO“.153 Nach deren Rückzug154 übernahmen die deutschen Heimträger bzw. staatliche Stellen und die freien Wohlfahrtsverbände diese Aufgabe, wobei sie von internationalen Organisationen Unterstützung erhielten. Beispielsweise konnten im Jahr 1953 etwa 85 Fürsorgekräfte, die von der „Inneren Mission“ und dem „Evangelischen Hilfswerk“ beschäftigt wurden, sowohl durch den „Weltrat der Kirchen“ und den „Lutherischen Weltbund“ als auch durch staatliche Gelder entlohnt werden.155 Die im „Evangelischen Altersheim für heimatlose Ausländer Varel“ vom „Evangelischen Hilfswerk“ angestellte Fürsorgerin wurde z. B. vom zuständigen Fürsorgeamt bezahlt.156 Auch in den Heimen in Goslar und Bodenteich waren der Heimleiter und das Personal Angestellte des „Evangelischen Hilfswerks“ oder des öffentlichen Diensts.157 Eine Bezahlung der Hausmutter, d. h. der ebenfalls im Heim tätigen Ehefrau des Heimleiters, war erst ab den 1970er Jahren üblich. Beispielsweise erhielt auch die Frau des von 1958 bis 1966 als Heimleiter des „Beckhof-Altersheims“ eingesetzte Diakon keine Entlohnung für ihren täglichen Einsatz im Heim.158
152 LkAHN, B. 160, Nr. 31: AH Darm. an B. v. Wussow, APD, Mü., v. 2.4.1968. 153 Vgl. u. a. Jacobmeyer, W.: Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer, 1985, S. 19. 154 LkAH, L 3 III, Nr. 1502: EK in Dt., Kirchenkanzlei, Hann. an d. Leitungen d. dt. ev. LK, v. 10.9.1951, S. 1. 155 Maurer, H.: Dienst an Displaced Persons, 1953, S. 232; LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK, Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952. 156 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK an Hauptgeschäftsführer, Hann., v. 12.5.1955. 157 LkAH, E 52, Nr. 367: HW d. EK, Hauptbüro Old. an d. Landesbevollmächtigten für IM Hann., v. 22.9.1952; NHStAH, Nds. 120 Lün. Acc. 31/67, Nr. 82: Kreiswohlf. Uelzen an RP Lün., v. 1.11.1957. 158 HAB, SamEcka, Nr. 54: Aus Nazareth, Frauengeschichten 1997, v. H. Schindler.
7. Fazit Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verblieben zahlreiche Personen nichtdeutscher Herkunft – sog. „Displaced Personens“ – freiwillig oder unfreiwillig in Westdeutschland. Bis 1950 standen sie unter dem Schutz der Alliierten und wurden von internationalen Hilfsorganisationen wie der „IRO“ versorgt. Nach der Übergabe der DPs in die Hände der Bundesrepublik änderte sich 1951 auch die rechtliche Stellung der DPs, die zukünftig die Bezeichnung „heimatlose Ausländer“ erhielten. Nach der sich bis etwa Mitte der 1950er Jahre vollziehenden Repatriierung oder Auswanderung der jüngeren und gesunden Personen wurden die Alliierten und später die Bundesrepublik mit einer noch immer relativ hohen Anzahl alter und kranker DPs bzw. „heimatloser Ausländer“ konfrontiert, die einer dauerhaften stationären Betreuung bedurften. Unterkunft fanden sie überwiegend in speziellen „Ausländerheimen“, die von den Alliierten bzw. der „UNRRA“ und der „IRO“ bereits kurz nach Kriegsende errichtet worden waren und zu Beginn der 1950er Jahre in deutsche Verwaltung übergingen. Zur langfristigen Unterbringung der „heimatlosen Ausländer“ errichteten die deutschen Heimträger mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland, seit Anfang der 1950er Jahre eine Handvoll neuer Altersheime. Die Ergebnisse dieser Untersuchung beziehen sich auf insgesamt neun „Ausländerheime“, von denen die DP-Altersheime in Goslar und Bad Bodenteich nur wenige Monate bzw. Jahre, die übrigen Einrichtungen jedoch über mindestens zehn Jahre, z. T. sogar – wenn auch mit einer veränderten Bewohnerstruktur – bis heute fortbestanden bzw. fortbestehen. Die meisten Bewohner der Altersheime für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ stammten aus den baltischen Ländern, d. aus Lettland, Estland und Litauen, wobei die Letten deutlich dominierten. Da unter den Balten insgesamt wenig Ressentiments gegen die Deutschen bestanden, in vielen Fällen sogar eine aktive Kollaboration erfolgt war und das kommunistische Regime der Sowjetunion auf breite Ablehnung stieß, entschieden sich viele Letten, Esten und Litauer freiwillig für den Verbleib in Westdeutschland. Einen großen Anteil der Heimbewohner stellten zudem Menschen russischer, ukrainischer, polnischer und jugoslawischer Herkunft. Diese hielten sich ebenfalls aus Angst vor kommunistischer Verfolgung oder aufgrund ihrer Kollaboration mit der deutschen Wehrmacht oft bereitwillig in Deutschland auf. Völlig anders gestaltete sich die Situation hingegen für ehemalige Zwangsarbeiter, die gewaltsam nach Deutschland deportiert worden waren. Da auch ihnen bei einer Rückkehr in ihre, der Sowjetunion angehörenden Herkunftsländer, Diskriminierung und Lagerhaft drohten, blieben sie vielfach – mit dem Ziel einer späteren Auswanderung – vorerst ebenfalls in Deutschland. Älteren Menschen blieb jedoch eine Auswanderung aus gesundheitlichen oder altersbedingten Gründen zumeist verwehrt. Demzufolge mussten viele ehemalige Zwangsarbeiter ihren Lebensabend letztlich unfreiwillig im Land ihres früheren Feindes verbringen. Indem die DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ in den folgenden Jahren sowohl von den Alliierten als auch den deutschen Behörden mehr oder weniger „verwaltet“ wurden, blieb ihnen wenig Spielraum für eigene Ent-
7. Fazit
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scheidungen, zumal insbesondere für alte Menschen keine Möglichkeit mehr zur Eingliederung in die deutsche Arbeitswelt bzw. Wirtschaft bestand. Obwohl sich die Heimträger für die getrennte Unterbringung von DPs bzw. „heimatlosen Ausländern“ unterschiedlicher Nationalität und Konfessionszugehörigkeit aussprachen, ließ sich dieses Anliegen oft nur selten umsetzen. Vor allem in den großen Unterkünften, wie die Heime in Varel und die „Insula“ lebten Menschen aus ganz Ost- und Südosteuropa, die sich demzufolge auch verschiedenen christlichen Kirchen zugehörig fühlten. Die Altersheime in Darmstadt und Köln wurden jedoch vorwiegend für Russen bzw. Ukrainer orthodoxer Religion konzipiert. Auch das Münchner Heim bot bevorzugt Katholiken, u. a. aus Polen, Unterkunft. In der „Insula“ lebte eine hohe Anzahl evangelischer Letten. Da das Betheler „Beckhof-Altersheim“ ausschließlich für kranke und besonders betreuungsbedürftige „heimatlose Ausländer“ erbaut worden war, erwies sich eine Aufteilung nach Herkunft und Konfession hingegen als wenig sinnvoll. Bedingt durch die vergleichsweise kleine Anzahl an Altersheimen, die speziell für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ errichtet wurden, erfolgte, anders als in vielen „deutschen“ Heimen, bei der Aufteilung der Heimanwärter keine Unterscheidung nach sozialer Herkunft und Geschlecht. Ebensowenig möglich war eine Berücksichtigung der unterschiedlichen und z. T. extrem voneinander divergierenden politischen und ideologischen Einstellungen der alten Menschen. Der Großteil der für DPs bzw.„heimatlose Ausländer“ errichteten Altersheime befand sich in evangelischer Trägerschaft. Auch die Mehrzahl der Bewohner gehörte einer christlichen Kirche an, wobei die Protestanten sowie die Orthodoxen dominierten. Aus diesem Grund kooperierten die Heimträger mit den deutschen und internationalen evangelischen Wohlfahrtsverbänden und Hilfsorganisationen sowie dem „World Council of Churches“, dem sowohl die protestantischen als auch die orthodoxen Kirchen angehörten. Die wenigen katholischen, von der „Caritas“ errichteten „Ausländerheime“ erhielten ebenfalls erhebliche Hilfesleistungen von internationalen katholischen Organisationen, insbesondere vom „NCWC“. Bei den Unterstützungsmaßnahmen handelte es sich primär zwar um finanzielle Zuschüsse, v. a. in den frühen 1950er Jahren umfassten sie aber ebenfalls die Bereitstellung von Personal, darunter z. B. Beschäftigungstherapeutinnen aus dem Ausland. Die DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ besaßen innerhalb der deutschen Gesellschaft einen negativen Ruf, der v. a. aus der medialen Berichterstattung resultierte, die den „Ausländern“ sowohl „Asozialität“ als auch einen Hang zur Kriminalität unterstellte. In den ersten Nachkriegsjahren belastete zudem die durch die Alliierten erfolgte Bevorzugung der DPs und die sich daraus entwickelnde Konkurrenz um die ohnehin knappen Ressourcen das Verhältnis zur deutschen Bevölkerung. Folglich empfanden sowohl die staatlichen Behörden als auch die freien Wohlfahrtsverbände die in Deutschland verbleibenden, betreuungsbedürftigen DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ als zusätzliche Belastung. So mussten zur Versorgung der alten Menschen zusätzliche Gelder beschaffen, Unterkünfte erbaut und Personal eingestellt werden. Vor allem die deutschen Behörden standen den „Ausländern“ weitgehend desinte-
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7. Fazit
ressiert oder sogar ablehnend gegenüber. Dagegen zeigten nicht nur die internationalen, sondern ebenfalls die deutschen Wohlfahrtsverbände und -organisationen z. T. großes Engagement. Da die alten und kranken Bewohner der „Ausländerheime“ v. a. aus Sicht der christlichen Wohlfahrtspflege weniger als „Problemgruppe“ und asoziale Kriminelle, sondern vielmehr als passive hilfsbedürftige und „entwurzelte“ Opfer des Kriegs angesehen wurden, deren Lebenszeit ohnehin begrenzt war, stießen sie insgesamt auf weniger Ablehnung als die jüngeren DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“. Die zu Beginn der 1950er Jahre erfolgte Übernahme der Trägerschaft und Betreuung der „Ausländerheime“ war aber auch von der „inneren Mission“ und dem „Caritasverband“ keinesfalls begrüßt, sondern vielmehr an diese „herangetragen“ worden. Da ein großer Teil der Initiative vom Ausland ausging, z. B. vom „WCC“, standen die deutschen Wohlfahrtsverbände zudem unter einem erheblichen „moralischen Druck“ von außen. So wollten sie weder vor ihren Schwesterorganisationen bzw. den Kirchen im Ausland zurückstehen, noch ihren guten Ruf als „Hüter christlicher Nächstenliebe“ verlieren. Trotz dessen bestand aber von Seiten der deutschen Kirchen bzw. der freien Wohlfahrtsverbände ein wirkliches Interesse am Schicksal der DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“. Dieses begründete sich primär in der inneren Verpflichtung zur christlichen Nächstenliebe, insbesondere gegenüber Alten und Kranken. Deutlich zeigt sich diese Einstellung auch im Großteil der gesichteten Dokumente der freien bzw. konfessionellen Wohlfahrtspflege, darunter zahlreiche Publikationen der evangelischen Wohlfahrtsorganisationen. Ähnlich den deutschen Flüchtlingen höheren Alters sollten sie eine besondere Zuwendung erhalten und in eigens für sie errichteten Altersheimen eine Ersatzheimat finden. Dabei sollte die Nächsenliebe nicht nur „Deutschen“, sondern gleichermaßen auch den „Ausländern“ entgegengebracht werden. Dass die überwiegende Mehrheit der in Westdeutschland verbleibenden nichtjüdischen DPs bzw. „heimatlosen Ausländer“ einer christlichen Kirche angehörte, stellte sich als großer Vorteil heraus. So erleichterte der gemeinsame Glaube nicht nur die gegenseitige Kontaktaufnahme, sondern wirkte sich in erheblichen Maße auch auf das Engagement und die Hilfsbereitschaft aus, die den „Ausländern“ von den deutschen Wohlfahrtsverbänden und deren Mitarbeitern entgegengebracht wurde. Deutlich zeigt sich dies am Beispiel der buddhistischen Kalmyken, die, zumal sie tatsächlich nur eine kleine Minderheit darstellten nahezu völlig ignoriert, z. T. sogar offen abgelehnt wurden. Das „Nicht-Erwähnen“ der buddhistischen DPs und „heimatlosen Ausländer“ sagt zugleich viel über das Selbstverständnis der christlichen Wohlfahrtspflege aus, deren Interesse sich allein auf ihre christlichen „Glaubensbrüder und -schwestern“ bezog. Die christliche Ausrichtung der Heimträger, die sich u. a. im Heimalltag zeigte, stieß bei vielen Heimbewohnern jedoch auf positive Resonanz, insbesondere bei Personen, die in ihren kommunistischen Herkunftsländern an der freien Ausübung ihres Glaubens gehindert worden waren. Der Religion kam v. a. in der „Fremde“ zudem eine wichtige identitätserhaltende Funktion zu, die durch das Zusammenleben mit anderen „Glaubensgenossen“ Stärkung erhielt. Selbst wenn die deutschen Heimträger der protestantischen oder katholischen Kirche ange-
7. Fazit
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hörten, verfügten die „Ausländerheime“ über zusätzliche Kirchen- bzw. Sakralräume für die Bewohner orthodoxen Glaubens. Teilweise standen sogar für alle im Heim anzutreffenen Konfessionen eigene Räumlichkeiten zur Verfügung, so z. B. im „Altenheim Dornstadt“. Gleichfalls besaßen alle Heimbewohner die Möglichkeit zur regelmäßigen Teilnahme an einem Gottesdienst ihrer Konfession. In den Altersheimen für DPs bzw. „heimatlose Ausländer“ lebten aktive Kollaborateure, Flüchtlinge der Zwischenkriegszeit, Flüchtlinge aus den kommunistischen Nachkriegs-Staaten und ehemalige Zwangsarbeiter unter einem Dach. Indem sich die soziale Herkunft und das Bildungsniveau der alten Menschen gleichermaßen stark voneinander unterscheiden konnten, entstanden in allen Einrichtungen Konflikte. Ein besonders großes Ausmaß nahmen die historisch bedingten nationalen Differenzen zwischen den ost- und den westukrainischen Heimbewohnern an. Konfliktbeladen waren ebenfalls die Beziehungen zwischen Ukrainern, Russen und Polen, die z. T. ebenfalls schon seit Jahrhunderten bestanden. Dass die Heime für „heimatlose Ausländer“ zu einem Anteil von zehn Prozent auch deutsche Bewerber aufnehmen mussten, führte zu ähnlich großen Problemen, zumal die Anzahl von Bewohnern deutscher Herkunft ab den 1960er Jahren stetig zunahm. Ähnlich schwierig konnte sich das Verhältnis zu den deutschen Mitarbeitern gestalten, zumal diese nicht frei von Vorurteilen waren bzw. ihr Denken noch immer von der nationalsozialistischen Ideologie beeinflusst wurde. Zur Vermeidung von Konflikten entschieden sich nicht wenige Heimbewohner sogar für einen Heimwechsel. Einen Umzug wünschten ebenfalls Personen, die bislang in einem „deutschen“ Heim untergebracht worden waren oder ein Zusammenleben mit Menschen gleicher Herkunft und Religion bevorzugten, das ihnen in einer anderen Einrichtung eher gewährleistet zu sein schien. Beispielsweise entschieden sich viele Ukrainer, die im vorwiegend von Russen bewohnten „Altenwohnheim Darmstadt“ lebten, für eine Übersiedlung in das ukrainisch geprägte Altersheim für „heimatlose Ausländer“ in Köln. Häufig konnten sich die alten Menschen aber aufgrund mehrfacher Verlegungen sowie der ablehnenden Haltung der deutschen Bevölkerung nirgendwo wirklich einleben und „zuhause“ fühlen. Obwohl sich die Anzahl der „heimatlosen Ausländer“ sukzessive verringerte, erhielten die in den 1950er Jahren als „Ausländerheime“ konzipierten Einrichtungen bis weit in die 1970er Jahre hinein Aufnahmegesuche von „heimatlosen Ausländern“. Bei diesen handelte es sich um Personen, die in den Nachkriegsjahren noch keine Heimbetreuung benötigten, sich aber nicht wirklich in Deutschland eingelebt hatten. Da sie zudem häufig nur unzureichende deutsche Sprachkenntnisse besaßen, wollten sie ihren Lebensabend mit Menschen gleicher Sprache, Kultur und Religion verbringen. Bis Anfang der 1950er Jahre lebten die DPs unter dem Schutz der Alliierten bzw. der „IRO“ weitgehend abgeschottet von der deutschen Bevölkerung. Mit der Übergabe der DPs und dessen Unterkünfte in deutsche Verwaltung kam es zwangsläufig zu mehr Kontakten zu Deutschen, zumal die „Ausländerheime“ überwiegend deutsches Personal beschäftigten. Innerhalb der Heim-
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7. Fazit
gemeinschaft entstanden außerdem durch den vermehrten Einzug von deutschstämmigen Bewohnern engere Beziehungen. Auf diese Weise kam es nicht nur zu einer deutlichen Dominanz der deutschen Heimbewohner, sondern auch zu strukturellen Veränderungen im Heimalltag. Beispielsweise wurden osteuropäische Traditionen und Festtage, die für die Heimbewohner eine erhebliche Bedeutung besaßen, wie das orthodoxe Osterfest, nicht mehr länger berücksichtigt. Die DPs und „heimatlosen Ausländer, v. a. der sog. „hard-core“, befanden sich häufig in einem schlechten gesundheitlichen Zustand. Zahlreiche Menschen litten unter chronischen Erkrankungen und psychischen Auffälligkeiten, die häufig auf kriegsbedingten Traumata beruhten. Deutlich offenbart sich dies z. B. in den Bewohnerakten des „Beckhof-Altersheims“, in denen nahezu allen Heimbewohnern eine chronische Erkrankung, Körperbehinderung oder psychische Auffälligkeit bescheinigt wurde. Betroffen waren v. a. ehemalige Zwangsarbeiter, die meist noch immer unter den Folgen ihres Arbeitseinsatzes und der rücksichtslosen Ausbeutung ihrer Arbeitskraft litten. Folglich wiesen viele DPs. und „heimatlose Ausländer“ bereits als unter 60-Jährige deutliche Alterserscheinungen auf und waren früh auf stationäre Betreuung angewiesen. Auffallend hoch war zudem der Anteil alkoholabhänger männlicher Heimbewohner. Besonders im „Beckhof-Altersheim“ führte der regelmäßge Alkoholkonsum einzelner Männer immer wieder zu Problemen, zumal die betreffenden Personen auch in der Öffentlichkeit ein unangemessenes Verhalten zeigten und somit den ohnehin schlechten Ruf der „heimatlosen Ausländer“ zusätzlich verstärkten. Nicht wenige Altersheimbewohner wurden, u. a. auch aufgrund von „Alkoholismus“, letzlich in eine psychiatrische Klinik verlegt. Während v. a. die großen Unterkünfte, wie das Altersheim in Varel, vielfach über eine Pflegestation verfügten, auf der selbst schwere Pflegefälle versorgt werden konnten, mussten einige Heime, so z. B. das „Beckhof-Altersheim“, pflegebedürftige Bewohner in ein Pflegeheim oder Krankenhaus überweisen. Die Verlegung in eine Einrichtung, in der ansonsten nur Deutsche lebten, war für DPs. Bzw. „heimatlose Ausländer“ mit unzureichenden deutschen Sprachkenntnissen oder einer Demenz jedoch sehr belastend. In allen „Ausländerheimen“ lebte eine vergleichsweise große Anzahl von Personen, die das offizielle Heimeintrittsalter von 60 Jahren noch nicht erreicht hatten und somit den Altersdurchschnitt der Heimbwohner merklich senkten. Dabei befand sich unter den ehemaligen Zwangsarbeitern, die zumeist in einem jungen Alter verschleppt worden waren, ein höherer Anteil an unter 60-Jährigen als unter den vor kommunistischer Verfolgung geflohenen Personen wie z. B. die russischen Emigranten der Zwischenkriegszeit. Unterschiede zwischen den freiwillig nach Deutschland gelangten Heimbewohnern und den Zwangsdeportierten zeigten sich ebenfalls im Familienstand. Während letztgenannte Personen zumeist infolge ihrer Verschleppung von ihren Angehörigen getrennt worden waren, hatten viele Kollaborateure und Flüchtlinge ihre Herkunftsländer gemeinsam mit ihren Familien bzw. Ehepartnern verlassen. Aus diesem Grund lebten in den „Ausländerheimen“ z. B. auch vergleichsweise viele Ehepaare, die zumeist ein Doppelzimmer erhielten.
7. Fazit
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Wie die gesamte Kranken- und Altenpflege litten auch die Einrichtungen für DPs und „heimatlose Ausländer“ innerhalb des gesamten Untersuchungszeitraums unter einem eklatanten Mangel an Pflegepersonal, insbesondere an krankenpflegerisch ausgebildeten Mitarbeitern. Bis zur Übergabe der DP-Altersheime in die Hände der deutschen Wohlfahrtsverbände übernahmen sowohl deutsche als auch ausländische Krankenschwestern und -pfleger die Betreuung der alten Menschen. Ab den frühen 1950er Jahren beschäftigten die Heimträger vorwiegend evangelische und katholische Mutterhausschwestern, sowie sog. „freie Schwestern“ und eine geringe Anzahl von Diakonen. Im Gegensatz zum Großteil der „deutschen“ Heime erfolgte – vielfach auf Initiative der ausländischen Hilfsorganisationen – in den „Ausländerheimen“ der Einsatz von Fürsorgerinnen und Beschäftigungstherapeuten. Aus diesem Grund konnten einige Heime eine qualifizierte, medizinisch überwachte Beschäftigungs- und Arbeitstherapie anbieten. Im „Beckhof-Altersheim“ umfasste diese sogar entlohnte Auftragsarbeiten, Die meisten Unterkünfte verfügten zudem über eigene Heimärzte, die oft mit ihren Familien auf dem Heimgelände lebten. Dies traf ebenfalls auf die Heimleiter zu, bei denen es sich in den evangelischen Heimen vorwiegend um Diakone und deren Ehefrauen handelte. Da ein Teil der DPs und „heimatlosen Ausländer“ nur sehr geringe deutsche Sprachkenntnisse besaß, stellten die „Ausländerheime“ bevorzugt Personal mit osteuropäischen Sprachkentnissen ein. Die Situation der DP-Altersheime gestaltete sich in vielen Bereichen völlig anders als in vergleichbaren Einrichtungen für deutsche Flüchtlinge. So waren die Wohnbedingungen teilweise sogar besser und boten den alten Menschen schon in den ersten Nachkriegsjahren, d. h. unter Betreuung der Alliierten, selbst in den großen Notunterkünften eine komfortablere Ausstattung mit fließendem Wasser und Zentralheizung. Aufgrund der auch nach dem Rückzug der „IRO“ gewährleisteten finanziellen Unterstützung ausländischer Hilfsorganisationen, besaßen aber auch die in den 1950er Jahren umgebauten oder neu errichteten Heime einen vergleichsweise hohen Wohnkomfort und verfügten z. B. fast alle über Einzel- oder Zweibettzimmer. Da die „Ausländerheime“ außerdem wesentlich mehr im Mittelpunkt der nationalen und v. a. der internationalen Aufmerksamkeit standen als die Einrichtungen für die deutsche Bevölkerung, berücksichtigte das Personal nicht nur die Kultur und die religiösen Traditionen der osteuropäischen Heimbewohner, sondern gewährte den alten Menschen auch vergleichsweise viele Freiheiten. Gleichfalls konnten regelmäßig kulturelle Veranstaltungen, u. a. auch auf Eigeninitiative der Bewohner sowie der ausländischen Hilfsorganisationen organisiert werden.
Abkürzungen Ab. = Abschrift Abt. = Abteilung ärztl. = ärztlich AH = Altersheim, Altenheim AMH = Adrian Marshall Home Amts. = Amtsgericht Anst. = Anstaltsleitung APD = Aide aux Personnes Deplacées Anl. = Anlage A. = Archiv Auf. = Auflösung Aufn. = Aufnahme Aug. = Augustdorf Aus. = Auszüge Ausl./ausl. = Ausländer/ausländisch AWO = Arbeiterwohlfahrt B. = Bestand Bad G. = Bad Godesberg Bay. = Bayern bayr. = bayrisch Beckhofsiedl. = Beckhofs. Besch. = Bescheinigung Bespr. = Besprechung Ber. = Bericht Bercht. = Berchtesgaden Beth. = Bethel Bethelk. = Bethelkanzlei Betr. = Betreuung Bew. = Bewohner Bez. = Bezirk Boden. = Bad Bodenteich Biel. = Bielefeld Braun. = Braunschweig CD = Caritasdienst (Zeitschrift) CV = Caritasverband Deutschland CV Hild. = BAH, Caritasverband für die Diözese Hildesheim. d. = das, der, die, den, des Darm. = Darmstadt Dez. = Dezember Diak., diak. = Diakonie, diakonisch Dir. = Direktor DPs = Displaced Persons Dorn. = Dornstadt DRK = Deutsches Rotes Kreuz
Abkürzungen
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Dt. = Deutsch, Deutschland Dü. = Düsseldorf DW = Diakonisches Werk EA = Einzelfallakten Eck. = Eckardtsheim EKHN = Evangelische Kirche in Hessen und Nassau EK = Evangelische Kirche Ev., ev. = Evangelisch/e, evangelische/e Festschrift = Festschrift zur Einweihung des Caritas-Altersheims St. Nikolaus München, am Biederstein Flücht. = Flüchtling/e Frageb. = Fragebogen Frank. = Frankfurt a. M. Ges. = Gesundheitsamt Gö. = Göttingen HA = heimatlose/r Ausländer Hann. = Hannover HH = Haus Hessenkopf Hild. = Hildesheim HN = Hessen und Nassau IM = Innere Mission Inform. = Information HW = Hilfswerk Kath. = katholisch Kirchl. = Kirchlich/e KH = Krankenhaus HK = Hohe/r Kommissar LK = Landeskirchen LKR = Landeskirchenrat Landkr. = Landkreis Lün. = Lüneburg Mem. = Memorandum MH = Mutterhaus MI = Minister des Inneren Min. = Minister Min. Arb. = Minister für Arbeit, Aufbau und Gesundheit Minis. = Ministerium Min. Ver. = Minister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte Mü. = München Mün. = Münster Nds., nds. = Niedersachsen, niedersächsisch Nürn. = Nürnberg Old. = Oldenburg orth. = orthodox Osnab. = Osnabrück PA = Patientenakten
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Abkürzungen
Pf. = Pfarrer/Pastor Präs. = Präsident Rhein. = Rheinland RP = Regierungspräsident Schw. = Schwester Schw. Mariane v. N.: Die Notwendigkeit = Schwester Mariane von Nostitz, Insula: Die Notwendigkeit der Modernisierung der Insula Soz. = Sozialamt St. Nik. = St. Nikolaus Stu. = Stuttgart TF = Tolstoy Foundation Übern. = Übernahme Um. = Umsiedlung u. = und UNHCR = United Nations High Commissioner for Refugees v. = von v. Bod. = von Bodelschwinghsche Anstalten Verb. = Verband/Verbände Vergangenheit ohne Glück = Vergangenheit ohne Glück, Gegenwart ohne Menschlichkeit, Zukunft ohne Hoffnung! Ein DP-Priester über das schwere Schicksal seiner Landsleute Verw. = Verwaltung VN = Vereinte Nationen WA = Wohnstätte für Ausländer Was es als Erbe zu wahren gilt = Was es als Erbe zu wahren gilt – Gedanken des Anstalts-Pfarrers zur Reform der Insula. WCC = World Council of Churches Werk. = Werkstätten Westf. = Westfalen Württemb. = Württemberg Würz. = Würzburg ZA = Zeitungsausschnitt
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11:
IRO-Ausweis v. 1950, Vorder- und Rückseite: HAB, Beckhof Patientenakten 1, Nr. 244: C., Jan IRO-Ausweis v. 1950, Innenseite: Beckhof Patientenakten 1, Nr. 244: C., Jan Foto: „Beckhof-Altersheim“, o. D. (Ende 1960er Jahre): HAB, F 6280 Bewohnerin des „Beckhof-Altersheims“, ehemalige polnische Zwangsarbeiterin: HAB, Beckhof Patientenakten 1, Nr. 397: N., Jadwiga Mitgliedskarte: Verband polnischer Flüchtlinge in Deutschland, v. 4.1.1956: HAB, Beckhof Patientenakten 1, Nr. 397: N., Jadwiga Bewohner des „Beckhof-Altersheims“: HAB, Beckhof Patientenakten 1, Nr. 244: C., Jan Eine Schwester und ein Heimbewohner im Verbandszimmer, ca. 1953 (Fotograf: Gustl Tögel): ADiCVMü. Fotosammlung III/F 1–34 Zwei Frauen beim Kartoffelschälen, v. 1953 (Fotograf: Gustl Tögel): ADiCVMü. Fotosammlung III/F 1–12 In den Werkstätten der „Beckhofsiedlung“, o. D. (Anfang der 1960er Jahre): HAB unverzeichnet Briefmarkenabteilung der Beckhof-Werkstätten, Ausschnitt aus Broschüre „Geht uns der heimatlose Fremdling gar nichts an?“, 1955: HAB, Sam B V 4,1 Nr. 1 Zwei Bewohner des Beckhof-Altersheims, Ausschnitt aus Broschüre „Geht uns der heimatlose Fremdling gar nichts an?“, 1955: HAB, Sam B V 4,1 Nr. 1
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Archiv-Quellen
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Prävention und Gesundheitsförderung in der Bundesrepublik Deutschland aus geschlechterspezifischer Perspektive (1949–2010) 2017. 425 S. mit 24 s/w-Abb., 22 Farbabb. und 64 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11638-1 Gabrielle Robilliard Tending Mothers and the Fruits of the Womb The Work of the Midwife in the Early Modern German City 2017. 309 S. mit 10 s/w-Abb und 4 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11668-8 Kristina Lena Matron Offene Altenhilfe in Frankfurt am Main 1945 bis 1985 2017. 303 S. mit 25 s/w-Abb., kt. ISBN 978-3-515-11659-6 Sylvelyn Hähner-Rombach / Karen Nolte (Hg.) Patients and Social Practice of Psychiatric Nursing in the 19th and 20th Century 2017. 211 S. mit 7 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11716-6 Daniel Walther Medikale Kultur der homöopathischen Laienbewegung (1870 bis 2013) Vom kurativen zum präventiven Selbst? 2017. 360 S. mit 19 Diagr. und 4 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11883-5 Florian Mildenberger Laienheilwesen und Heilpraktikertum in Cisleithanien, Posen, Elsass-Lothringen und Luxemburg (ca. 1850 – ca. 2000) 2018. 282 S. mit 16 s/w-Abb., kt. ISBN 978-3-515-12195-8 Pierre Pfütsch (Hg.) Marketplace, Power, Prestige The Healthcare Professions’ Struggle for Recognition (19th–20th Century) 2019. 256 S. mit 4 s/w-Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-12294-8 Michael Teut / Martin Dinges / Robert Jütte (Hg.) Religiöse Heiler im medizinischen Pluralismus in Deutschland 2019. 139 S. mit 2 s/w-Abb., kt. ISBN 978-3-515-12423-2 in Vorbereitung
ISBN 978-3-515-12557-4
9 783515 125574