Die Staatskonkurs-Aufgaben im Jahre ...: 1911 [Mit amtlicher Erlaubnis., Reprint 2022 ed.] 9783112666487, 9783112666470


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German Pages 176 [216] Year 1912

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Inhalt
Erste Abteilung der schriftlichen Prüfung
1. Aufgabe
2 Aufgabe
3. Aufgabe
4. Aufgabe
5. Ausgabe
6. Ausgabe
7. Aufgabe
8. Aufgabe
9. Aufgabe
Zweite Abteilung der schriftlichen Prüfung
1. Aufgabe der zweiten Abteilung der schriftlichen Prüfung
2. Aufgabe der zweiten Abteilung der schriftlichen Prüfung
3. Aufgabe der zweiten Abteilung der schriftlichen Prüfung
4. Aufgabe der zweiten Abteilung verschriftlichen Prüfung
5. Aufgabe der zweiten Abteilung der schriftlichen Prüfung
6. Aufgabe der zweiten Abteilung der schriftlichen Prüfung
7. Aufgabe der zweiten Abteilung der schriftlichen Prüfung
8. Aufgabe der zweiten Abteilung der schriftlichen Prüfung
9. Aufgabe der zweiten Abteilung der schriftlichen Prüfung
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Die Staatskonkurs-Aufgaben im Jahre ...: 1911 [Mit amtlicher Erlaubnis., Reprint 2022 ed.]
 9783112666487, 9783112666470

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Pie Ausgaben -er

Staatsprüfung für -en

höheren Justiz- und Verwaltungsdienst

im Königreich Bauern.

lllit amtlicher Erlaubnis.

München 1912.

3- Schweitzer Verlag (Arthur ^ellier).

Die

Staatskonkurs-Ausgaben im Jahre

1911.

Inhalt.

Erste Abteilung der schriftlichen Prüfung: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Aufgabe.............................................................................................. 4 Aufgabe..................................................................................................... 12 Aufgabe..................................................................................................... 24 Aufgabe..................................................................................................... 36 Aufgabe...................................................................................................... 48 Aufgabe..................................................................................................... 54 Aufgabe......................................................................................................66 Aufgabe......................................................................................................82 Ausgabe..................................................................................................... 92

Zweite Abteilung der schriftlichen Prüfung 1. Aufgabe....................................................................................................124 2. Aufgabe I.Unteraufgabe.................................................................134 II. Unteraufgabe.................................................................. 140 3. Aufgabe................................................................................................... 142 4. Aufgabe................................................................................................... 150 5 Aufgabe....................................................................................................164 6. Aufgabe................................................................................................... 172 7. Aufgabe................................................................................................... 176 8. Aufgabe I.Unteraufgabe.................................................................182

II. Unteraufgabe.................................................................. 184 9 Aufgabe................................................................................................... 188

Erste Abteilung der schriftlichen Prüfung. 1. Aufgabe. (Aufgabe mit vierstündiger Arbeit-frist.)

Der im Jahre 1880 in der bayerischen Stadt Schwar­ zenberg geborene unb beheimatete Schlosser Anton Huber war, während er in einer deutschen Hafenstadt seiner Mili­ tärdienstpflicht genügte, int Jahre 1903 mit Marianne Girard, einer jungen Französin, deren um vieles älterer Ehemann Gaston Girard schon seit Jahren in dem dortigen Zweiggeschäft einer Pariser Firma angestellt, aber Fran­ zose geblieben war, in unerlaubte Beziehungen getreten. Als Gaston Girard davon Kenntnis erhielt, erhob er bei dem Landgerichte jener Hafenstadt am 1. April 1903 gegen seine Fran wegen Ehebruchs mit Huber die Scheidungsyage. Das Landgericht erließ am 25. Mai 1903 Urteil, wodurch die Ehe geschieden, die Frau für den schnldigen Teil erklärt und in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde, daß die Scheidung wegen des mit Hnber begangenen Ehebruchs erfolge. Nach der Zustellung des Urteils ver­ zichteten die Parteien am 2. Juni 1903 auf Rechtsmittel. Huber war inzwischen in seine Heimat znrückgekehrt und hatte dort ein Maschinen-Geschäft errichtet. Früherer Verabrednng gemäß folgte ihm Marianne Girard nach und schon am 15. August 1903 schlossen beide vor dem Standesamte zu Schwarzenberg die Ehe. Vor der um das Verehelichungszeugnis angegangenen Distriktspolizei­ behörde sowie vor dem Standesbeamten hatte Hnber die Marianne Girard mit deren Znstimmung als ledig be­ zeichnet. Am 1. März 1904 gebar Marianne Huber einen Knaben, den der Ehemann selbst als „Josef Hnber" beim

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

1. Aufgabe.

Standesamte anmeldete. Schon gleich nach der Geburt des Knaben war dem Manne dessen dunkle Farbe ausge­ fallen, er erklärte sie sich aber mit der französischen Ab­ stammung der Mutter. Nach und nach nahm das Aus­ sehen des Kindes jedoch immer mehr das einen Mulatten an und er wurde deshalb von seinen Freunden viel ver­ spottet. Dies und der nicht gerade gute Gang seines Ge­ schäfts verleideten ihm den Aufenthalt in der Heimat. Er beschloß deshalb im Einvernehmen mit seiner Frau, über See ein besseres Fortkommen zu suchen. Er sollte die Reise allein unternehmen und die Frau, die zur Ge­ winnung ihres Unterhalts zu Schwarzenberg vorläufig das Geschäft ihres Mannes auf dessen Namen fortführte, sollte ihm, wenn er eine sichere Stellung gefunden habe, nach­ folgen. Er schiffte sich auf dem zu Hamburg am 10. Juni 1905 mit dem Bestimmungsort Buenos Aires auslaufen­ den Dampfer Kassandra ein, der fahrordnungsgemäß unter­ wegs nur einmal, zu Porto Grande auf den Kap Verdi'schen Inseln, anlegte. Von hier aus schrieb Huber am 20. Juni seiner Frau einen Brief, worin er sagte, daß sie die nächste Nachricht von ihm erst von Argentinien aus bekommen werde, da das Schiff inzwischen nirgends mehr lande. Eine solche Nachricht blieb jedoch aus. Die Kassandra war nicht an ihr Ziel gelangt und man hatte von ihr, seitdem sie am 22. Juni 1905 nach Ausladung von Fracht und Einnahme von Kohlen den Hafen von Porto Grande verlassen hatte, überhaupt nichts mehr gehört. Ein leeres Rettungsboot mit ihrem Namen, das im Juli 1905 nach einem Sturme der Ostküste von Süd­ amerika zugetrieben wurde, berechtigte zu dem Schluffe, daß das Schiff untergegangen sei. Nach ihres Mannes Abreise war die Frau in eine üble Lage gekommen. Das Maschinmgeschäst mußte sie aufgeben; ihren Lebensunterhalt suchte sie durch französi­ schen Sprachunterricht zu verdienen. Der Sorge um ihr Kind war sie durch einen reichen Amerikaner enthoben, der an dem Knaben Gefallen gefunden und ihn zu sich genommen hatte, um ihn später an Kindes Statt anzu-

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

1. Aufgabe.

nehmen. Bei Ausübung ihres neuen Berufs lernte Marianne Huber einen wohlhabenden ledigen Kaufmann Michael Meier kennen. Es entwickelte sich bald ein freund­ schaftliches Verhältnis, das zu einem Verlöbnisse führte. Da nun aber der Verehelichung die rechtlich noch bestehende Ehe mit Huber im Wege stand, so stellte Marianne Huber am 2. November 1908 bei dem Amtsgerichte zu Schwar­ zenberg unter Vorlegung des Briefes vom 20. Juni 1905 und einer Bescheinigung der Reederei über die — schon erwähnten — das Schiff Kassandra betreffenden Tatsachen den Antrag, den Verschollenen, sobald es angehe, für tot zu erklären, da sie sich von ihrem Bräutigam schon guter Hoffnung fühle. Das Amtsgericht gab chrem Anträge statt, veröffentlichte am 4. November 1908 nur durch An­ heftung an die Gerichtstafel das Aufgebot und sprach durch Urteil vom 1. Februar 1909 die Todeserklärung aus, wo­ bei als Tag des Todes des Anton Huber der 10. Juni 1908 festgesetzt wurde. Am 10. April 1909 schloß Marianne Huber vor dem Standesamte zu Schwarzenberg mit Michael Meier, der eben erst eine mehrwöchige schwere Krankheit überstanden hatte, die Ehe. Bei der Eheschließung anerkannte er, daß das von seiner Frau am 18. März 1909 geborene Kind „Lisette" sein Kind sei. Im folgenden Sommer, am 11. Juli 1909, starb Josef Huber's Pflegevater. Er hinterließ dem Knaben sein großes Vermögen, worauf dieser wieder in die Pflege seiner Mutter trat. Hier erkrankte er aber schon nach wenigen Tagen an Diphtheritis, er starb am 18. Juli; acht Stunden vorher war seine Halbschwester Lisette Meier der­ selben Krankheit zum Opfer gefallen. Lisette Meier hatte erst einige Tage zuvor von ihrer Patin ein Vermächtnis von 1000 JK) geerbt. Bald hernach kehrte der verschollene Anton Huber nach Schwarzenberg zurück. Er hatte von Porto Grande aus die Schiffsreise nicht fortgesetzt, sondern sich zur Frem­ denlegion anwerben lassm und war vor einigen Wochm wegen Dimstuntauglichkeit verabschiedet worden. Er hatte

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

1. Aufgabe,

in Tunis Stellung gefunden; da er aber das Klima nicht ertragen konnte, war er in seine Heimat zurückgekehrt. Als er in Schwarzenberg am 2. August 1909 die Wohnung seiner früheren Frau endlich gefunden hatte, wurde er von dieser an der Wohnungstüre mit der Erklärung fortge­ wiesen, daß er schon längst für tot erklärt sei; Michael Meier, der auf den erregten Wortwechsel hinzukam, warf ihn sogar ohne weiteres über die Stiege hinab. Nun focht Huber mit Klage gegen seine frühere Frau beim Landgericht in Schwarzenberg seine Todeserklärung als nichtig an, weil das Aufgebot nicht richtig veröffent­ licht, die vorgeschriebene Aufgebotsfrist nicht gewahrt und er mit Unrecht seit dem 10. Juni 1908 für tot erklärt worden sei. Die Klage wurde der Frau Meier am 31. August 1909 zugestellt. Durch einen Zufall erfuhr Gaston Girard, daß der Knabe Josef Huber mit Hinterlassung einer reichen Erb­ schaft gestorben sei. Er suchte nun, ermutigt durch einen Rechtskundigen, in den Besitz der Erbschaft zu kommen. Er erhob im Januar 1910 gegen seine frühere Frau Ma­ rianne Meier Klage auf Herausgabe des Nachlasses des Josef Huber. Die Klage begründete er damit, daß er der Vater des Josef Huber sei. In den Rechtsstreit trat Anton Huber im Wege der Hauptintervention ein; in der gegen Girard und Marianne Meier gerichteten Klage nahm er die Erbschaft des Josef Huber für sich in Anspruch, well er dessen Vater sei. Frau Meier bestritt beiden die Vater­ schaft und das Anrecht auf den ihr schon ausgeantwortetm Nachlaß, der nur ihr gebühre, da der Erblasser einem Neger sein Leben verdanke, der in jener Hafenstadt in dem­ selben Hause wie sie gewohnt, und mit dem sie sich im April und Mai 1903 wiederholt vergangen habe. Erst durch die Klage des Girard erfuhr Michael Meier, daß seine Frau schon vor ihrer Ehe mit Huber einmal verheiratet gewesen und von ihrem ersten Manne wegen Ehebruchs geschieden worden sei. Er erhob hierauf gegen sie Klage und beantragte seine Ehe für nichtig zu erklären, weil seine Frau ihn über ihr Vorleben gewissen-

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

1. Aufgabe.

los getäuscht habe, er auch mit einer Frau, die in ihrer früheren Ehe Ehebruch getrieben habe, nicht zusammen­ leben wolle, und weil der für tot erklärte zweite Ehegatte der Beklagten noch lebe. Diese Klage wurde der Frau Meier am 15. Februar 1910 zugestellt. Am 12. Mäiy 1910 starb Michael Meier. In seinem Testamente vom 10. März 1910 hatte er seinen Bruder Josef Meier zum alleinigen Erben ernannt. Anton Huber beanspruchte auch den Nachlaß bet Lisette Meier, weil seine Ehe mit seiner früheren Frau, wenn sie überhaupt nicht noch als zu Recht bestehend erachtet werden sollte, erst mit der Wiederverehelichung seiner Frau aufgehort und deshalb das Kind Lisette als sein eheliches Kind zu gelten habe.

Fragen: 1. Sind die von Anton Huber zur Anfechtung seiner Todeserklärung geltend gemachten Gründe zutreffend? 2. Wer ist a) Erbe des Josef Huber, b) Erbe der Lisette Meier? Die Empfängniszeit des Josef Huber berechnet sich vom 4. Mai bis 2. September 1903, die der Lisette Meier vom 20. Mai bis 18. September 1908.

Die Antworten sind unter Anführung der gesetzlichen Vorschriften kurz zu begründen.

2 Aufgabe. (Aufgabe mit vierstündiger Arbeit-frist.)

Die Aktiengesellschaft Fahrradwerke Teutonia in Jselberg erhob zum Landgerichte Jselberg gegen den Architektm Georg Nun daselbst Klage (im gewöhnlichen Prozesse)

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

2. Aufgabe,

mit dem Anträge, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 9000 M> zu zahlen. Die Begründung der Klage lautete:

1. Der Beklagte wurde am 1. Januar 1909 zum Vorstände der Aktiengesellschaft Fahrradwerke Teutonia bestellt. Zur Sicherheit für die Er­ füllung der ihm obliegenden Vorstandsgeschäfte übergab er dem Aufsichtsrat einen Wechsel fol­ genden Inhalts: Jselberg, den 1. Januar 1909. Gegen diesen Wechsel zahle ich bei Sicht an die Aktiengesellschaft Fahrradwerke Teutonia in Jselberg die Summe von 5000 M> (Fünftausend Mark). Franz Nun. Im Jahre 1910 wurde die Fabrik ver­ größert. Die Bauarbeiten wurden von Nun dem . Baumeister Leichtfuß übertragen. Nach einiger Zeit stellte sich heraus, daß Leichtfuß, der von Nun in keiner Weise überwacht worden war, den Bau in sehr leichtfertiger Weise ausgeführt hatte. Die Polizeibehörde stellte die Fortführung des Baues ein. Der Aufsichtsrat entließ deshalb Nun und übertrug die Arbeiten an Stelle des Leicht­ fuß einem anderen Baumeister. Der neue Vor­ stand der Aktiengesellschaft klagte sodann gegen Leichtfuß auf Zahlung des der Aktiengesellschaft durch seine Bauführung entstandenen Schadens von 20000 M. Leichtfuß gab seine Verpflichtung zum Schadensersätze zu, bestritt aber die Höhe des Schadens. Durch gerichtlichen Vergleich vom 20. Dezember 1910 wurde vereinbart, daß die Aktiengesellschaft von Leichtfuß 10000 M> erhalte und weitere Ansprüche gegen ihn nicht geltend mache; ihre Ansprüche gegen Nun behielt sich die Aktiengesellschaft vor. Von der Einleitung des Prozesses gegen

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I. Abteilung ber /christlichen Prüfung.

2. Aufgabe.

Leichtfuß und von dem Vergleiche setzte der Vor­ stand der Aktiengesellschaft den Nun in Kenntnis. Die Klägerin verlangt jetzt von Nun auf Grund des Wechsels die Zahlung der Wechselsumme von 5000 M zur Deckung eines Teiles des ihr in­ folge der Verletzung der Aufsichtspflicht des Nun erwachsenen Schadens. 2. Nun erhielt am 1. März 1909 von dem Bau­ meister Leichtfuß ein zu 5o/0 verzinsliches Dar­ lehen von 3000 und stellte hierüber folgenden Schuldschein aus: Ich erkenne hiermit an, von Herrn Leichtfuß ein Darlehen von 3000 M er­ halten zu haben. Ich verspreche es zu 5o/0 zu verzinsen und auf Verlangen jederzeit zurückzuzahlen. Diese Forderung ist von Leichtfuß an die Klägerin ant 20. Dezember 1910 zur teilweisen Tilgung der im Vergleiche vom nämlichen Tage übernommenen Verpflichtung abgetreten worden. Nun verweigert die Zahlung aus nichtigen Grün­ den. 3. Nun zog am 14. April 1910 auf den Bauunter­ nehmer Leim in Jselberg entert von diesem an­ genommenen, an die Order des Leichtfuß gestell­ ten und am 15. April 1911 fälligen Wechsel von 1000 „M Leichtfuß versah den Wechsel mit seinem Blankogiro und begab ihn an die Judustriebank Jselberg. Diese ließ ihn, da Leim am Verfall­ tage Zahlung nicht leistete, rechtzeitig protestieren. Leichtfuß löste den Wechsel von der Judustrieban.k wieder ein und begab ihn dann samt dem Proteste — gleichfalls zur Tilgung seiner Schuld aus dem Vergleich — an die Klägerin. Die Klägerin beansprucht daher auf Grund des Wech­ sels Zahlung von 1000 von Nun.

In der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 1911 wiederholte die Klägerin ihre Klage und den in dieser

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 2. Aufgabe,

enthaltenenen Antrag. Der Beklagte beantragte Abwei­ sung der Klage und erhob Widerklage mit dem Anträge, die Aktiengesellschaft Teutonia für nichtig zu erklären. Der Klägerin mangle Partei- und Prozeßfähigkeit. Die Aktien­ gesellschaft bestehe nämlich nicht zu Recht, denn bei ihrer Gründung nach § 188 des HGB. sei neben den Bankiers Hopp, Butz und Lang der Fabrikant Kurz in doppelter Eigenschaft als Gründer aufgetreten, als Mitglied und gesetzlicher Vertreter der offenen Handelsgesellschaft Kurz & Co. und in eigener Person. Darin liege ein Verstoß gegen § 182 HGB., der das Zusammenwirken von fünf verschiedenen Personen bei der Feststellung des Inhalts des Gesellschaftsvertrags verlange. Auch sei § 181 BGB. ver­ letzt. Die in der Feststellung des Statuts und in der Über­ nahme der Aktien bestehende Errichtung der Aktiengesell­ schaft vollziehe sich in der Form des Vertrags unter den Gründern. Kurz habe also im Namen der von ihm ver­ tretenen offenen Handelsgesellschaft mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft vorgenommen. Der Beklagte sei als Aktionär berechtigt, die Nichtigkeit der Aktiengesell­ schaft geltend zu machen. Bestehe die Aktiengesellschaft nicht zu Recht, so gelte das auch von dem Dienstverträge, den er, der Beklagte, als Vorstand mit ihr geschlossen habe; es könnten also daraus weder mittelbar noch un­ mittelbar Ansprüche abgeleitet werden. Für den Fall, daß er mit diesem Einwande nicht durch­ dringe, bemerkte der Beklagte zu den einzelnen Klagan­ sprüchen Folgendes: Er habe allerdings seine Verpflichtung, den Leichtfuß zu beaufsichtigen, schuldhafter Weise verletzt. Allein der durch die leichtfertige Bauführung des Leichtfuß entstan­ dene Schaden betrage höchstens 12000 M>; auf mehr könnte er — Nun — nicht haften; in der Tat hafte er aber über­ haupt nicht. Denn durch den Vergleich mit Leichtfuß sei auch er — Nun — befreit worden. Jedenfalls könnte er nur verurteilt werden, wenn die Klägerin ihm ihre An­ sprüche gegen Leichtfuß abtrete, und vorher verweigere er jede Zahlung.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

2. Aufgabe.

Was den Anspruch zu 3000 M> anlange, so sei er von Leichtfuß auf Zahlung eines Teilbetrags von 1500 J/k und auf die Zinsen von dem ganzen Betrage (3000 M) seit dem 1. März 1909 verklagt worden. Die Klage sei ihm am 2. Januar 1911 zugestellt worden. Durch Urteil des Landgerichts Jselberg vom 13. Juli 1911 sei die Klage des Leichtfuß als unbegründet abgewiesen worden, weil das Gericht als erwiesen angesehen habe, daß der Schuldschein wegen einer Hazardspielschuld ausgestellt worden sei. Die­ ses Urteil sei rechtskräftig geworden. Dem Ansprüche der Klägerin stehe hienach die Einrede der Rechtskraft entgegen. Mindestens aber müsse die Klage der jetzigen Klägerin aus den gleichen Gründen abgewiesen werden, aus denen die Klage des Leichtfuß abgewiesen worden sei. Dem Anspruch aus dem Wechsel über 1000 JK> stehe entgegen, daß Leichtfuß den Wechsel auf die Klägerin nicht indossiert habe. Die Klägerin beantragte Abweisung der Widerklage und führte Folgendes aus: Der Verstoß bei Gründung der Aktiengesellschaft werde zugegeben, er begründe aber keine Nichtigkeit. Übrigens sei er durch die am 1. August 1908 erfolgte Eintragung der Errichtung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister geheilt worden. Zudem sei am 19. Oktober 1911 auf Grund eines im Sinne des § 310 HGB. und in der dort vorgeschriebenen Form in der Generalversammlung gefaß­ ten Beschlusses der Gründungsakt nachträglich in die dem Gesetz entsprechende Form gebracht und zugleich die bis­ herige Prozeßführung genehmigt worden. Anlangend die einzelnen Klagansprüche, so gehe den Beklagten der Vergleich mit Leichtfuß nichts an. Durch den Vergleich sei nur Leichtfuß persönlich befreit worden. Dies berühre den Mitschuldigen Nun nicht. Auch auf das zwischen Leichtfuß und Nun wegen des Darlehens zu 3000 M> ergangene Urteil könne sich Nun nicht berufen. Jedenfalls stehe das Urteil de» Klägerin nicht entgegen, da diese von dem Prozesse nichts gewußt.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 2. Ausgabe,

die Forderung also im guten Glauben erworben habe. Übrigens liege auch keine Spielschuld zu Grunde. Die Einwendung gegen den Anspruch aus dem Wechsel von 1000 M sei unzutreffend, weil der Wechsel des auf ihn von Leichtfuß bei der Weitergabe an die Jndustriebank ge­ setzte Blankogiro des Leichtfuß trage und die Übertragung an die Klägerin auf Grund dieses Blankogiros erfolgt sei; das sei zulässig gewesen, weil der Wechsel ein weiteres Giro nicht trage. Aber selbst wenn man es für unzulässig halte, so begründe doch die Begebung des Wechsels die gleiche Wir­ kung wie eine einfache Zession. Im Wechselprozesse klage aber die Klägerin nicht. Der Beklagte erwiderte: Der Mangel des Gründungs­ akts sei weder durch den Eintrag ins Handelsregister noch durch den Generalversammlungsbeschluß geheilt; letzterer sei überdies erst nach Zustellung der Klage an ihn, d. h. nach dem 20. September 1911, also zu spät erfolgt. Denn Parteifähigkeit müsse zur Zeit der Klageerhebung vorhan­ den sein. Wann die Abtretung der Forderung zu 3000 M> stattgefunden habe, sei gleichgültig, da er von ihr erst am 1. August 1911 erfahren habe. Die Klägerin bestritt letzteres und behauptete, Nun habe schon zur Zeit der Rechtshängigkeit des Prozesses zwi­ schen ihm und Leichtfuß von der Abtretung Kenntnis gehabt. Denn sie — die Klägerin — habe ihm die Abtretung durch einfachen Brief vom 23. Dezember 1910 mitgeteilt. Nun bestritt dies; jedenfalls habe er den Brief nicht er­ halten. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob die Parteien Be­ weis anbieten wollten, erklärte jede Partei, daß sie sich nicht für beweispflichtig erachte und einen Beweis nicht an­ biete. Wie ist zu entscheiden? Die Entscheidung ist unter Würdigung aller geltend gemachten Gesichtspunkte und unter Anführung der gesetz­ lichen Vorschriften kurz zu begründen. Auf den Kostenpunkt ist keine Rücksicht zu nehmen.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

3. Aufgabe.

3. Aufgabe. (Ausgabe mit vierstündiger Arbeitsfrist).

Fritz Lind ist Eigentümer der Anweselt Hs.-Nr. 1 und 3 in Altenberg, Amtsgerichts Altenberg, in dessen Be­ zirk das Grundbuch seit 1. Mai 1905 als angelegt anzu­ sehen ist. 1. Auf dem Anwesen Hs.-Nr. 1, das dauernd für den Wirtschaftsbetrieb eingerichtet ist, übt er seit langem die Gastwirtschaft aus. Im Frühjahre 1909 hat er die Wirt­ schaftsräume neu Herrichten lassen; hierzu hat er die sämt­ lichen Einrichtungsgegenstände für Wirtschaft, Fremdenzimmer und Küche von dem Kaufmann Siegfried Neubronner in Neuberg bezogen. Bis zur vollständigen Til­ gung des in Teilbeträgen zahlbaren Kaufpreises von 6 000 M hat sich Neubronner das Eigentum Vorbehalten. Bisher sind an dem Kaufpreise 3 000 M bezahlt. Das Geschäft ging bei Lind vorübergehend so gut, daß er für seinen Beherbergungsbedarf Ende 1909 in dem Hause seines Nachbarn Rudolf Meiser einige Zimmer mietete, die er mit Stücken der von Neubronner bezogenen Einrichtungsgegenstünde ausstattete. Das Gasthaus wurde mit dem Meiser'scheu Hause durch eine Türe in der Scheidemauer verbunden, so daß die von Lind gemieteten Zimmer un­ mittelbar von einen: Gange des Gasthauses ans erreicht werden konnten. Im Grundbuch ist das Anwesen Hs.-Nr. 1 mit den Pl.-Nr. 93, 94, 95 beschrieben; außerdem ist auf diesem Grundbuchblatte noch Pl.-Nr. 95i/2 vorgetragen. Diese Parzelle, ein Trennstück von Pl.-Nr. 95, wurde nämlich im Jahre 1895 von. dem Vorbesitzer des Lind an die Stadt­ gemeinde Altenberg verkauft und beim Anwesen Hs.-Nr. 1 abgeschrieben. Anläßlich einer Neuvermessung hat der Grnndbuchbeamte Pl.-Nr. 95i/2 im Sommer 1910 irrtüm­ lich hier wieder zugeschrieben. Die Stadtgemeinde Alten­ berg hat diese Fläche seit 1895 ununterbrochen im Besitz; auf ihren Grundbuchblättern ist Pl.-Nr. 95st2 nicht vor­ getragen.

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I. Weisung der schriftlichen Prüfung. 3. Aufgabe.

Auf dem Wirtsanwesen des Lind ruhen folgende Hypotheken: an 1. Stelle 70000 M> für die Hasenbrauerei in Neuberg, an 2. Stelle 4000 für Joseph Forster in Holz­ hausen, an 3. Stelle 6000 Zwangshypothek für den Baumeister Karl Burger in Altenberg. Die Hypotheken haben den ihrer Stelle entsprechenden Rang. Im Juni 1911 hat Lind für ein von seiner Schwe­ ster Elise Lind erhaltenes Darlehen von 20 000 Hypothek bestellt und an 4. Stelle eintragen lassen. Am 3. Septem­ ber 1911 vereinbarte Elise Lind mit dein ihr persönlich bekannten Karl Burger mündlich, daß dieser ihr seine Hypo­ thek abtrete; einstweilen gab sie ihm 3000 M> 2. Das Anwesen Hs.-Nr. 3, ein Rentehaus, hatte Lind erst am 12. Februar 1910 von den Erben des verlebten Privatiers Heinrich Oft ernteter erworben. Es war ur­ sprünglich nur mit einer Hypothek zu 40000 für Lorenz Rast in Karlsfeld belastet. Am 3. September 1909 wurde auf Antrag des Osternteter für ein Darlehen der Kaufmannswitwe Marie Schlegel in Altenberg zu 20000 JK> eine weitere Hypothek eingetragen. Schlegel stellte im Dezember 1909 dem Spital­ verwalter Eugen Streicher Generalvollmacht aus. Dieser übertrug am 1. März 1911 die Hypothek an den Schmied­ meister Konrad Rußwurm, der auch im Grundbuch als Gläubiger eingetragen wurde. Am 2. Mai 1911 wurde Schlegel wegen Geisteskrankheit entmündigt; dabei iourde festgestellt, daß Schlegel sich schon seit Frühjahr 1909 in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zu­ stande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hatte. Auf Antrag des Lind, der von der Einleitung des Entmündigungsverfahrens gehört hatte, war bereits am 28. April 1911 in Ansehung der Hypothek des Rußwurm auf Grund einstweiliger Verfügung ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs im Grundbuch eingetragen worden. Rußwurm hatte freilich beim Erwerb der Hypothek

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 3. Aufgabe,

von der Geisteskrankheit der Schlegel nichts gewußt. Der für Schlegel aufgestellte Vormund stimmte unter Genehmi­ gung des Vormundschaftsgerichts der Übertragung der Hypothek auf Rußwurm zu und teilte dies am 12. Juni 1911 sowohl Rußwurm wie Lind brieflich mit. Darauf­ hin übertrug Rußwurm am 29. Juni 1911 die Hypothek ordnungsmäßig an Philipp Moser, einen Bruder der Schle­ gel, der dabei Rußwurm aus freien Stücken erzählte, daß ihm die Geisteskrankheit seiner Schwester seit August 1909 zuverlässig bekannt gewesen sei. Um eine höhere Miete zu erzielen, hatte Ostermeier schon im Frühjahr 1909 das Haus Nr. 3 von Grund aus umgebaut und dabei ein Stockwerk aufgesetzt. Die Her­ stellung der zum Umbau notwendigen neuen Fenster, Trep­ pen, Türen hatte der Schreinermeister Laver Leim über­ nommen. Nach Anlieferung zum Bau kam es zwischen ihm und Ostermeier zu Streitigkeiten, weshalb Ostermeier das Einpassen und Anschlägen durch den Schreinermeister Otto Bieringer besorgen ließ, den Ostermeier sofort be­ zahlte. Leim ließ sodann für seine Forderung zu 1500 M unter Bezugnahme auf § 648 des BGB. auf Grund einst­ weiliger Verfügung vom 28. Juni 1909 auf dem Anwesen Hs.-Nr. 3 eine Vormerkung eintragen, die im Grundbuch folgende Fassung erhielt: „2. Am 1. Juli 1909. Vormerkung zur Siche­ rung des Anspruchs auf Einräumung einer Hypo­ thek zu 1500 M, zu 4»/» verzinslich, laut einst­ weiliger Verfügung vom 28. Juni 1909." Ostermeier söhnte sich alsbald mit Leim wieder aus und beglich dessen Rechnung vollständig. Um einen anderen Baulieferanten rasch befriedigen zu können, entlieh Oster­ meier bald darauf von Leim 1800 M> Da Leim später auf Sicherstellung drang, ließ Ostermeier zur Vereinfachung der Sache mit Zustimmung des Leim die vorgemerkten 1500 am 2. Januar 1910 im Grundbuch in eine Hypo­ thek ohne Brief umschreiben, die restigen 300 M zahlte er an Leim bar zurück. Die Umschreibung lautete: „4./III. Am 2. Januar 1910. Die Vormerkung

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

3. Aufgabe.

Nr. 2 wird umgeschrieben in eine Hypothek ohne Brief für 1500 M> Darlehen des Schreinermeisters Lader Leim in Altenberg mit Zinsen zu 4 belief, ein Meistgebot von 95500 M, das den Wert des Anwesens und des Inventars sogar etwas über­ stieg. Ersteher blieb der Brauereibesitzer Max Höß in

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 3. Aufgabe.

Altenberg, der zwar den für Neubronner bestehenden Eigen« tumsvorbehalt kannte, aber nichts hierüber verlauten ließ; Neubronner hatte von dem Versteigerungsverfahren keine Kenntnis, konnte also seine Rechte aus dem Eigentums­ vorbehalte nicht geltend machen. Mit dem Anwesen er­ hielt Höß auch Pl.-Nr. 951/2 zugeschlagen; er wollte diese Fläche auch miterwerben, da ihm von dem Besitzverhältnis der Stadtgemeinde Altenberg nichts bekannt war; in der öffentlichen Bekanntmachung der Terminsbestimmung in dem für die Bekanntmachungen des Gerichts bestimmten Blatte war Pl.-Nr. 95i/2 unter den zu versteigernden Gegenständen durch ein Versehen des Setzers allerdings nicht mitaufgeführt; doch war sie in der an der Gerichts­ tafel angehefteten Terminsbestimmung richtig angegeben. Nach Maßgabe des gerichtlichen Teilungsplans vom 25. No­ vember 1911 werden zunächst die Kosten zu 500 jW> ge­ deckt; die Hypotheken des Forster und des Burger sollen voll zur Auszahlung gelangen, während Elise Lind noch mit einem Teilbeträge von 15000 jK> zum Zuge kommen soll. Die 1. Hypothek soll stehen bleiben. Es sind folgende Fragen zu beantworten: I. Wer hat nunmehr als Eigentümer der Pl.Nr. 951/2 zu gelten? II. Kann Elise Lind, die auch den auf die Hypothek des Karl Burger entfallenden Betrag in seiner vollen Höhe für sich beansprucht, gegen den ge­ richtlichen Teilungsplan mit Aussicht auf Erfolg Widerspruch erheben? III. Welche Ansprüche kann Siegfried Neubronner bezüglich der von ihm unter Eigentumsvorbehalt gelieferten, .am 4. September 1911 und am 19. November 1911 versteigerten Einrichtungs­ gegenstände noch geltend machen? Max Höß be­ hauptet, daß die von Meiser veräußerten Gegen­ stände an sich auch zum' Gasthausinventar gehört hätten, und verlangt den von Meiser zurückbe­ haltenen Übererlös von 200 M> heraus.

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I. Wteilung der schriftlichen Prüfung.

4. Aufgabe.

IV. Kann Moser für seine Hypothek den Rang vor der Hypothek des Leim beanspruchen? Hat die Anfechtung der Rechtswirksamkeit der Hypotheken des Moser und des Leim durch den Konkursverwalter Aussicht auf Erfolg? Kann der Konkursverwalter aus der Be­ zahlung der 3000 JK> durch Lind an Ehlert für die Masse Rechte ableiten? Die Antworten sind unter Anführung der gesetzlichen Vorschriften kurz zu begründen.

4. Aufgabe. (Aufgabe mit vierstündiger Arbeit-frist.)

Der Möbelfabrikant Max Hartmann in Aberg kaufte am 10. April 1910 von der Firma A. Albert, Holzhand­ lung in Linden, Bretter, die von Anfang Mai bis Ende Juli 1910 in gleichmäßigen Monatsmengen zu liefern und netto Kassa bei der Abnahme zu zahlen waren. Er blieb aber mit der Zahlung des Kaufpreises von 2400 Jk für die im Mai und Juni 1910 gelieferte Ware int Rückstand. Auf seine Bitte stundete ihm die Firma A. Albert die Zahlung der Schuld bis zum 1. September 1910. Am 5. Juli 1910 trat die Firma A. Albert von ihrer Forde­ rung den Betrag von je 1000 Jk an die Firma Dietrich und Söhne in Felden und die Firma C. Conrad in Wald­ heim und am 10. Juli 1910 auch den Rest von 400 JK> an die genannte Firma C. Conrad ab. Am 15. Juli 1910 starb Max Hartmann. Er wurde von seinen drei volljährigen Söhnen beerbt. Der älteste Sohn, Karl Hartmann, der mit Zustimmung seiner beiden Brüder das väterliche Geschäft mit der bisherigen Firma übernahm und fortführte, erhielt am 28. Juli 1910 von der Firma A. Albert die Faktura über die für den Monat Juli 1910 gekauften Bretter mit der Nachricht zugeschickt, daß die noch ausstehende Lieferung innerhalb der nächsten drei Tage erfolge. Da gerade der Reisende Schnell der

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l. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 4. Aufgabe.

Firma A. Albert bei ihm vorsprach, teilte Karl Hartmann diesem mit, daß er augenblicklich kein Geld zur Zahlung der Bretter habe. Schnell benachrichtigte davon unver­ züglich seine Firma. Diese verhinderte darauf den Ab­ gang der schon verfrachteten Bretter und setzte dem Karl Hartmann durch Brief vom 2. August 1910 eine Nachfrist bis zum 15. desselben Monats zur Erfüllung des Vertrags unter der Androhung von Schadensersatzansprüchen und mit der Erklärung, daß sie auf Erfüllung bestehe und ihrer­ seits bereit sei, die Bretter zu liefern. Der Brief traf am 3. August 1910 bei Karl Hartmann ein. Am 15. August 1910 eröffnete Karl Hartmann dem Reisenden Schnell, der bei ihm nachfragte, daß er den Kaufpreis für die Bretter noch nicht habe aufbringen kön­ nen. Auf diese Nachricht ließ die Firma A. Albert die für Juli gekauften Bretter nach vorgängiger öffentlicher Be­ kanntmachung und, nachdem sie eine briefliche Mitteilung an den Käufer über die Zeit und den Ort der Versteigerung rechtzeitig durch die Post abgesendet hatte, durch den Reisen­ den Schnell in Linden öffentlich auf Rechnung des Karl Hartmann versteigern, zeigte diesem den Vollzug der Ver­ steigerung an und erhob dann am 30. August 1910 gegen ihn Klage auf Zahlung des Unterschieds zwischen dem Vertragspreise von 1200 M> und dem bei der Versteigerung erzielten niedrigeren Erlös von 600 M und auf Ersatz von 50 JK> Auslagen für die Versteigerung. In der Klage wurde ausgeführt, Karl Hartmann schulde Schadensersatz wegen Nichterfüllung im Betrage von 650 M, gegebenenfalls werde die Erfüllung des Vertrags und Schadensersatz in gleicher Höhe wegen Verzögerung der Erfüllung verlangt. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er wendete ein, die Versteigerung habe nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprochen, weil ihm das Schreiben mit der Benachrichtigung vom Selbsthilfeverkaufe nicht zugegangen sei. Es fehle aber auch an jeder Grundlage für einen Deckungsverkauf, denn er sei weder im Gläubiger- noch im Schuldnerverzuge gewesen. Am 1. September 1910 verlangte die Firma C. Eon-

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 4. Aufgabe,

rad von Karl Hartmann Zahlung für ihre beiden Forde­ rungen von 1000 M> und 400 M>; darauf schloß Karl Hartmann mit ihr am 5. desselben Monats einen schrift­ lichen Vertrag. In diesem verpflichtete er sich, die Forde­ rungen mit fünf vom Hundert jährlich zu verzinsen, außer­ dem überließ er der Firma C. Conrad zur Sicherstellung ihrer Forderung von 400 M ein Motorzweirad, das im Vertrag auf 400 J%> gewertet wurde, und zur Sicherstel­ lung der Forderung von 1000 „seine zukünftigen Ge­ schäftsforderungen gleichviel welcher Art bis zur Höhe von 1000 M>" zum „Eigentum". Dagegen stundete die Firma C. Conrad ihre beiden Forderungen bis zum 1. Oktober 1911 und verpflichtete sich, das Motorrad dem Schuldner zur weiteren unentgeltlichen Benutzung zu belassen und von der Befugnis, sich nach dem fruchtlosen Ablaufe der Stundungsftist durch Verwertung des Motorrades und der über­ lassenen Forderungen Beftiedigung zu verschaffen, nicht ftüher Gebrauch zu machen, als bis sie vergeblich versucht habe, anderweitige Befriedigung von ihrem Schuldner zu erlangen. Am 1. Oktober 1910 stellte Karl Hartmann infolge Zahlungsunfähigkeit seine Zahlungen ein. Der Rechtskon­ sulent Thalmann, dem er seine Vermögenslage vollständig enthüllte, riet ihm zu einer außergerichtlichen Einigung mit seinen Gläubigern. Karl Hartmann war damit einverstanden. Er ver­ kaufte und übergab am 5. Oktober 1910 der Firma Diet­ rich und Söhne, die bisher vergeblich Zahlung fttr ihre For­ derung von 1000 M> verlangt hatte, einen Gasmotor, den er kurz vorher von dem Maschinenfabrikanten Schulz in Berlin gekauft und noch nicht aufgestellt hatte, zum Preise von 1000 M gegen Verrechnung seiner Schuld. Das Rechts­ geschäft schloß für die Firma Dietrich und Söhne der von dieser bevollmächtigte Thalmann ab. Weder Thalmann noch seine Vollmachtgeberin erfuhren dabei, daß Schulz sich bis zur Zahlung des Kaufpreises von 1150 das Eigen­ tum Vorbehalten hatte und daß Karl Hartmann an dem Kaufpreise noch 6Ö0 M schuldig war.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

4. Aufgabe.

Am 6. Oktober 1910 schloß Karl Hartmann mit zehn anderen persönlich anwesenden Gläubigern einen schrift­ lichen Stundungsvertrag. Gegen die Zusicherung der Gläu­ biger, wegen ihrer Forderungen gegen ihn nicht vor dem 1. Oktober 1911 vorzugehen, trat er eine Anzahl einzeln bezeichneter, älterer Geschäftsforderungen an den Rechts­ konsulenten Thalmann ab, der sich verpflichtete, alle Be­ träge, die er auf Grund dieser Vereinbarung für die Gläu­ biger erhalte, als deren Treuhänder zu'verwahren und unter die zehn Gläubiger nach dem Verhältnis ihrer Forderungen zu verteilen. Die Lage des Karl Hartmann verschlimmerte sich aber immer mehr. Am 15. Oktober 1910 wurde über sein Ver­ mögen das Konkursverfahren eröffnet. Im Konkursverfahren wurden als Konkursforderungen angemeldet und vom Konkursverwalter bestritten: Die im Streite befangene Forderung der Firma A. Albert zu 650 M, ferner die Forderungen der Firma C. Conrad zu 400 M> und 1000 M>, endlich eine Forderung zu 60000 M> des Bankiers Zahler von Alberg, der im Jahre 1905 diesen Betrag dem Max Hartmann für den Betrieb des Geschäfts als Darlehen gegen Bestellung einer Hypothek auf dessen bisher hypothekfreies Landhaus gewährt hatte. Gegen die Klageforderung der Firma A. Albert erhob im Prüfungstermin auch der Gemeinschuldner Widerspruch. Darauf nahm die Klägerin den Rechtsstreit gegen den Kon­ kursverwalter und den Gemeinschuldner auf und beantragte in der Richtung gegen den Konkursverwalter die Feststel­ lung, daß dessen Widerspruch gegen die Forderung unbe­ gründet sei, und in der Richtung gegen den Gemeinschuldner dessen Verurteilung zur Zahlung von 650 mit Abzug des Betrags, der im Konkursverfahren Deckung finde. Auch die Firma C. Conrad erhob gegen den Konkurs­ verwalter Klage auf Feststellung ihrer angemeldeten Forde­ rungen im Betrage von 400 und 1000 M. Einen An­ spruch auf Zahlung von Zinsen machte sie nicht geltend. Sie begründete den Klageanspruch damit, daß sie zunächst

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

4. Aufgabe.

Befriedigung aus der Konkursmasse zu suchen habe, weil sie dazu durch den Vertrag vom 1. September 1910 verpflichtet sei; überdies könne sie ein Absonderungsrecht nicht ausüben, weil beide Forderungen noch nicht fällig seien. Am 1. November 1910 wurde auch über den Nachlaß des Max Hartmann das Konkursverfahren eröffnet, aber schon im Dezember 1910 mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse wieder eingestellt, nach­ dem Bankier Zahler auch hier seine Darlehensforderung zu 60000 M> angemeldet hatte. Zahler suchte zunächst für seine Forderung Befriedi­ gung durch Herbeiführung der Zwangsversteigerung des Landhauses, das im Grundbuche bis zum Erbfall auf den Namen des Max Hartmann eingetragen und am 5. Januar 1911 auf „die Erben des Max Hartmann zu gesamter Hand" umgeschrieben worden war. Im Zwangsversteige­ rungsverfahren erhielt er, da andere Angebote nicht erfolg­ ten, am 20. Februar 1911 das auf 70 000 geschätzte An­ wesen um 24 200 M> zugeschlagen. Auf das Kapital ent­ fielen vom Barerlös 24000 J6; gegen seine Verpflichtung, diesen Betrag zu zahlen, rechnete Zahler mit seinem An­ spruch auf Befriedigung aus dem Erlös auf. Mit dem Rest­ beträge von 36000 M> ging er leer aus. Er verlangte jedoch im Konkursverfahren über das Vermögen des Karl Hartmann die auf die vollen 60000 M> entfallende Konkursdividende und erhob gegen den wider­ sprechenden Konkursverwalter Klage auf Feststellung seiner angemeldeten Forderung in voller Höhe und ohne Ein­ schränkung. Der Konkursverwalter wendete gegen die Klage ein, daß Zahler durch den Erwerb des Anwesens um einen auffallend niedrigen Preis Deckung für seine ganze Forde­ rung gefunden habe, unter keinen Umständen aber für mehr als 36000 M> Befriedigung aus der Konkursmasse verlan­ gen könne. Er verwies dabei auf den § 234 der Konkurs­ ordnung. Auch der Konkursverwalter stellte Klage, weil er in der Abtretung der Forderungen an den Rechtskonsulenten Thal­ mann und in dem Verkaufe des Gasmotors an die Firma

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 4. Aufgabe.

Dietrich und Söhne eine die Gläubiger benachteiligende Handlung des Gemeinschuldners erblickte. Die Klage gegen Thalmann gründete er auf § 30 Nr. 2 der Konkursordnung. In der Klageschrift war ausgeführt, daß die zehn Gläubiger und Thalmann bei dem Abschlüsse des Vertrags Kenntnis von der Zahlungseinstellung des Gemeinschuldners gehabt hätten. Thalmann, der noch keine der Forderungen eingezogen hatte, bat um Abweisung der Klage, denn er sei nicht der richtige Beklagte, er sei durch die Handlung des Gemeinschuldners in keiner Weise bereichert worden und komme nur als Vertreter der zehn Gläubiger in Betracht. Gegen die Anfechtungsklage, die der Konkursverwalter wegen des Verkaufs des Gasmotors gegen die Firma Diet­ rich und Söhne erhob, wendete diese ein, der Gemeinschuld­ ner habe durch die Veräußerung des Motors an sie nichts aus seinem Vermögen weggegeben, die Konkursgläubiger seien nicht auf Kosten der Konkursmasse benachteiligt. Es sind folgende Fragen zu beantworten: 1. Sind die Klageansprüche a) der Firma A. Albert, b) der Firma C. Conrad und c) des Bankiers Zahler gegen den Konkursverwalter begründet? 2. Sind die Anfechtungsklagen des Konkursverwal­ ters a) gegen den Rechtskonsulenten Thalmann, b) gegen die Firma Dietrich und Söhne begründet? Die Antworten sind unter Anführung der gesetzlichen Vorschriften kurz zu begründen. Alle von den Beteiligten geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkte sind zu würdi­ gen. Die tatsächlichen Behauptungen sind als richtig anzu­ nehmen, soweit sie nicht ausdrücklich bestritten sind.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

5. Aufgabe.

5. Ausgabe. (Aufgabe mit vierstündiger Arbeitsfrist).

Der Bauer Mathias Huber in Telfes verheiratete sich am 23. Januar 1880 mit der Christine Gerber. Seine frühere Ehe war durch den Tod der Frau gelöst worden; das dieser Ehe entsprossene einzige Kind Georg war bezüg­ lich des Nachlasses der Mutter von ihm abgefunden worden. Die Christine Gerber brachte in die Ehe zwei uneheliche Kin­ der, Martha und Babette, ein, deren Vater Mathias Huber nicht war. Mathias und Christine Huber vereinbarten durch notarieller Ehevertrag allgemeine Gütergemeinschaft. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor.Marie, Josef, Arrton und Johanna. Am 7. Februar 1909 errichteten sie in rechtsgültiger Form folgendes gemeinschaftliche Testament: „1. Da unsere Tochter Johauua von ihrer Tante ein großes Vermögen geerbt hat, so wird sie von jedem vorr uns, falls mit seinem Tode fortgesetzte Gütergemeinschaft eintritt, von dieser ausge­ schlossen. 2. Jedes von uns bestimmt ferner, daß, wenn mit seinem Tode fortgesetzte Gütergemeinschaft ein­ tritt, unser Sohn Josef aus seinem Anteil an ihr unseren Töchtern beziehungsweise Stieftöchtern Martha und Babette 1400Ö zu zahlen hat/' Am 13. November 1910 starb Mathias Huber am Typhus. An derselben Krankheit starben am 17. November 1910 Martha Gerber und am 22. November 1910 Christine Huber. Am 15. Dezember 1910 eröffnete und verkündete das Amtsgericht Telfes das gemeinschaftliche Testament der Ehegatten Huber: zugleich stellte es fest, daß Martha Ger­ ber eine Verfügung von Todes wegen nicht hinterlassen hat. Hiebei waren Georg, Marie, Josef, Antou und Johanna Huber, Babette Gerber und Tobias Huber, der mit seiner Frau im gesetzlichen Güterstande lebende Ehemann der Marie, anwesend. Sie sind sämtlich volljährig. Sie erkann-

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 5. Aufgabe,

ten das Testament als rechtsverbindlich an und beantragten die Auseinandersetzung in Ansehung des von Mathias und Christine Huber und Martha Gerber hinterlassenen Bernwgens und der ihnen an der Gütergemeinschaft zustehenden Anteile dem Notariate Telfes zu übertragen. Zum Protokolle des Gerichts wurden sodann die Ver­ wandtschafts- und erbrechtlichen Verhältnisse entsprechend der vorstehenden Tatbestandsschilderung festgestellt. Weiter wurde festgestellt: 1. Mathias Huber brachte in die Ehe den Forsthof, ein Bauerngut in der Gemeinde Telfes, sowie eine auf dem Hause Nr. 3 in Telfes eingetragene Hypothek von 55 000 .M> ein. Der Forsthof ist 100000 M> wert. Als seine Eigen­ tümer sind im Grundbuche Mathias und Christine Huber eingetragen. Die Hypothek bestand zur Zeit des Todes des Mathias Huber nur mehr in der Höhe von 50 000 J6. . 2. Christine Huber brachte in die Ehe 15 000 M bar ein. Während der Ehe erbte sie von ihrem Vater eine auf der Rutzbachmühle in Telfes eingetragene Hypothek zu 40000 M und 20000 M bar. Ihr Vater hatte in seinem Testamente bestimmt, daß an dem, was seine Tochter Chri­ stine von ihm erbe, deren Mann keinerlei Rechte haben soll. Der Erbteil solle ausschließlich im Eigentume und Nutzge­ nusse seiner Tochter stehen. Christine Huber gab die 20000 M ihrem Manne zur Verwaltung. Wozu dieser das Geld verwendete, läßt sich nicht mehr feststellen. Josef Huber behauptete, die Mutter habe das Geld dem Vater formlos geschenkt. Die sämtlichen Anwesenden erklären, dies anerkennen zu wollm. Bargeld war beim Tode der Ehegatten Huber nur soviel vorhanden, daß die Kosten ihrer Krankheit und Beerdigung gedeckt werden konnten. 3. Im Grundbuch sind für Mathias Huber außer der schon erwähnten Hypothek von 50000 M> noch auf dem Hause Nr. 1 in Telfes eine Hypothek von 10 000 M> und auf dem Hause Nr. 2 daselbst eine Hypothek von 30000 M> ein­ getragen. Mathias Huber hat beide Hypotheken während seiner zweiten Ehe erworben. 4. Durch notariellen Ehevertrag vom 25. Februar

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 5. Aufgabe.

1903 ist die Hypothek zu 55000 JK> für Vorbehaltsgut des Mathias Huber erklärt worden. 5. Georg Huber hat bei seiner Verehelichung im Jahre 1907 von seinem Vater mit Zustimmung der Christine Huber eine Ausstattung von 5000 J6 erhalten. Diese sind dadurch beschafft worden, daß Mathias Huber von der Hypo­ thek zu 55 000 jK> den Betrag von 5000 M> kündigte und einzog. 6. Marie Huber hat bei ihrer Verheiratung von Mathias Huber mit Zustimmung der Christine Huber eine Ausstattung von 10000 M> erhalten. Die Anwesenden sind darüber einig, daß die Ausstattung das dem Gesamtgut ent­ sprechende Maß nicht übersteigt. 7. Martha Gerber hat von ihrem Großvater 1000J6 geerbt, die auf der Sparkasse Telfes angelegt wurden und noch vorhanden sind. Das sonst von ihr hinterlassene Geld wurde zur Deckung der Kosten der Krankheit und Beerdi­ gung verwendet. 8. Schulden sind nicht vorhanden. Die Kleidungs­ stücke und die sonstigen vorstehend nicht aufgeführten Gegen­ stände der Verstorbenen sollen bei der Auseinandersetzung nicht berücksichtigt werden. Vor dem Notariate Telfes, an das die Auseinander­ setzung verwiesen wurde, wiederholten Georg, Marie, Josef, Anton und Johanna Huber, Babette Gerber und der Ehe­ mann der Marie Huber die vorstehenden Feststellungen. Der Forsthof wurde um 100000 M> verkauft, die sämtlichen Hypotheken wurden um den Nennwert veräußert und die Sparkasseneinlage wurde eingezogen. Wie ist die Teilungsmasse zu verteilen? Die Antwort ist unter Anführung der gesetzlichen Vor­ schriften kurz zu begründen. Auch soweit die Zeit vor dem 1. Januar 1900 in Betracht kommt, ist das BGB. zugrunde zu legen.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

6. Aufgabe.

6. Ausgabe. (Aufgabe mit vierstündiger Arbeitsfrist).

Nahe bei der bayerischen Stadt Walberg liegt unmit­ telbar neben der verkehrsreichen Staatsstraße ein Park, der mit einem zwei Meter hohen Lattenzaun eingefriedigt ist; er ist Eigentum des Gastwirtes Florian Zorn in Wal­ berg. Bewacht wurde der Park bei Tag und bei Nacht von einer Ulmer Dogge, einem ungewöhnlich großen und schar­ fen, aber auch sehr wertvollen Tiere, das sich innerhalb des Zaunes frei bewegte. In der Nacht zum 9. September 1911 wurde von einem heftigen Sturme der Lattenzaun auf eine Länge von drei Metern umgeworfen. Zorn erhielt davon am frühen Morgen Kenntnis. Er begab sich sofort an Ort und Stelle, sah sich den Schaden an und ging dann wieder in die Stadt zurück, um Arbeiter zum Ausbessern des Zau­ nes zu holen. Bald darauf kam das neunjährige Töchterchen der Kaufmannseheleute Bumb in Walberg auf dem Wege zu seinen vor der Stadt wohnenden Großeltern an dem Parke vorüber; nach Kinderart sang und hüpfte es. An der Zaunlücke sprang plötzlich die Dogge des Zorn auf die Straße, warf das Kind zu Boden und biß nach ihm. Glück­ licherweise war der Privatmann Pankraz Seiler von Wal­ berg in der Nähe. Er eilte sofort herbei und suchte durch Schläge mit seinem Spazierstock und durch laute Drohrufe den Hund zu verscheuchen. Weil ihm das nicht gelang, zog er seinen Revolver und streckte den Hund, der gerade nach dem Halse des Kindes beißen wollte, durch einen wohlgeziel­ ten Schuß nieder. Dann brachte er die kleine Bumb, die ihm fremd war, in die Wohnung ihrer Eltern. Sie hatte eine Bißwunde am linken Oberschenkel davongetragen; auch litt sie längere Zeit an den Folgen des ausgestandenen Schreckens. Zorn konnte den Verlust seines Hundes nicht verwin­ den. Auf Seiler war er schon lange erbost. Nun wollte er an ihm Rache nehmen. Seiler sollte eines gewaltsamen Todes sterben; der Tüncher Kasimir Hurtig in Walberg, der ihm verbunden war, sollte den Seiler ermorden. Um

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

6. Aufgabe,

unauffällig mit Hurtig ins Benehmen treten zu können, übertrug ihm Zorn am folgenden Tage die Ausführung verschiedener Tüncherarbeiten in seinem Hause. Während der Ausführung dieser Arbeiten suchte er durch allerlei Ge­ fälligkeiten den Hurtig sich gefügig zu machen. Schließlich trat er an ihn mit der Aufforderung heran, gegen eine an­ sehnliche Geldbelohnung den verhaßten Seiler aus dem Wege zu räumen; er wies ihn darauf hin, daß Seiler in den nahen umfangreichen Waldungen häufig allein spazieren gehe und daß Hurtig dort leicht unbemerkt an Seiler heran­ kommen und wieder verschwinden könne. Hurtig gab zu­ nächst ausweichende Antworten, erklärte aber nach Fertig­ stellung der Arbeiten und nach Empfangnahme seines Lohnes mit aller Entschiedenheit, daß er sein Gewissen nicht mit einem Morde belaste. Trotz dieses Mißerfolges gab Zorn seinen Plan nicht auf. Am 2. Oktober 1911 kam der Zimmermann Kleophas Sattel von Walberg, dessen Frau die Schwester des Tün­ chers Kasimir Hurtig ist, zu Zorn und bat ihn um ein Dar­ lehen von 400 M>. Sattel klagte dem Zorn, daß er für einen Verwandten seiner Frau selbstschuldnerische Bürgschaft über­ nommen habe und nun von dem Gläubiger, dem Kaufmann Bumb, auf Zahlung der Schuld im Betrage von 700 -M ge­ drängt werde; seine Frau, mit der er in Gütertrennung lebe, habe schon ihre Ersparnisse von 300 M dem Bumb an­ geboten, dieser nehme aber eine Teilzahlung nicht an. Dem Zorn erschien Sattel als das geeignete Werkzeug zur Be­ friedigung seiner Rachsucht. Durch die wiederholte Zu­ sicherung, daß Sattel für den Fall der Tötung des Seiler die erbetene Summe als Geschenk erhalte, wußte er den Sattel alsbald zu bestimmen, daß dieser zur Ermordung des Seiler sich bereit erklärte. Die beiden besprachen dann noch im einzelnen, wie die Tat auszuführen sei. Sattel wies darauf hin, daß Seiler fast an jedem Abend die außerhalb der Stadt gelegene Wirtschaft „Zum letzten Heller" besuche und daß sein Heimweg an einem noch unfertigen Neubau vorbeiführe, der ein sicheres Versteck biete; hier wolle er sich verbergen und Mit seinem schußsicheren Revolver den Seiler erwarten. Zorn war damit einverstanden.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

6. Aufgabe.

Am 3. Oktober 1911 nachts gegen 11 Uhr begab sich Sattel unter dem Schütze der Dunkelheit in den Neubau und stellte sich neben einer Fensteröffnung auf die Lauer. Nach kurzer Zeit sah er, wie eine Mannsperson die Wirtschaft ver­ ließ und auf den Neubau zuging; trotz der Dunkelheit glaubte er an der Größe, der Haltung und dem Gange den Seiler bestimmt zu erkennen. Er entsicherte den Revolver, brachte ihn auf den Herankommenden in Anschlag und be­ mühte sich, soweit es bei der Dunkelheit möglich war, zu zielen. Schon hatte er begonnen, den am Abzug des Revol­ vers liegenden Zeigefinger zu krümmen, da drängte sich ihm plötzlich der Gedanke an die ungewöhnliche Schwere des Verbrechens, das zu begehen er im Begriffe war, mit solcher Macht auf, daß er rasch entschlossen den Finger vom Abzug der Schußwaffe zurückzog und den Arm sinken ließ. Da gewahrte er, wie die Person auf der Straße stehen blieb; ein Zündholz flammte auf, mit dem der nächtliche Wanderer seine Pfeife in Brand setzte; im Lichtschein sah Sattel, daß derjenige, auf den er gezielt hatte, nicht der Privatmann Seiler, sondern der Wagner Fridolin Rad war. Sattel schlich sich aus dem Neubau davon; auf einem Umwege wollte er sich in die Wirtschaft des Zorn begeben, der ihn erwartete. -Dabei kam er an dem Garten des Kauf­ manns Bumb vorbei; in diesem stand dicht neben der Einfas­ sungsmauer ein Pavillon, dessen Unterbau aus Stein ge­ mauert und dessen Oberbau aus Holz gezimmert war. Um sich an seinem rücksichtslosen Gläubiger zu rächen, ent­ schloß er sich den Pavillon in Brand zu setzen. Rasch raffte er am Wege liegendes trockenes Reisig zusammen, häufte es auf der Gartenmauer neben dem Pavillon auf und schob schließlich eine Zeitung darunter. Bei diesen Vorbereitun­ gen wurde er von dem Landwirt Sebastian Korn von Walberg beobachtet. Als gerade Sattel ein brennendes Zünd­ holz an das Papier hielt, sprang Korn hinzu, faßte den ihm unbekannten Sattel am Rücken und riß ihn mit einem kräf­ tigen Ruck von der Gartenmauer weg. Sattel wendete sich gegen seinen unvermuteten Angreifer und versetzte dem Korn, der ihn immer noch festhielt, mit dem Griffe seines

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

6. Aufgabe.

Revolvers einen solch wuchtigen Schlag auf den Kopf, daß der Verletzte betäubt zusammenbrach. Das Papier hatte aber schon Feuer gefangen und dieses hatte sich dem Reisig mitgeteilt; die hell auflodernde Flamme übertrug sich rasch auf das Holzdach des Pavillons und setzte dieses in Brand. Als Korn nach einiger Zeit aus seiner Betäubung erwachte, hatte das Feuer den Pavillon bis auf den steinernen Unter­ bau zerstört. Um Mitternacht traf Sattel mit Zorn in dessen Wohn­ zimmer zusammen. Er machte ihm von dem Geschehenen Mitteilung und betonte dabei, daß er dem Korn nur deshalb den Schlag versetzt habe, weil er von Korn angegriffen wor­ den sei und deshalb sich habe verteidigen müssen. Er gab dem Zorn auch seinen Entschluß bekannt, daß er sich durch die Flucht in Sicherheit bringen wolle, und erbat sich zu diesem Zwecke von Zorn eine größere Geldsumme, weil er bei seiner Frau auf keine Unterstützung rechnen könne. Zorn lehnte dieses Ansinnen ab, gab aber dem Sattel, um sich dessen weiterer Zudringlichkeit zu erwehren, den Rat, die Mittel zur beabsichtigten Flucht sich dadurch zu verschaffen, daß er sich die Ersparnisse seiner Frau ohne deren Bor­ wissen aneigne. Sattel folgte diesem Rat; er eilte in seine Wohnung, nahm die Ersparnisse seiner Frau, die in deren Wäscheschrank zwischen Wäschestücken versteckt waren — es waren 300 Jk —, heimlich an sich und ging noch in der­ selben Nacht flüchtig. Das plötzliche Verschwinden des Sattel wurde in Wal­ berg allgemein mit der Inbrandsetzung des Gartenpavillons des Bumb und der Verletzung des Korn in Verbindung ge­ bracht. Als dies der Tüncher Hurtig erfuhr, war er be­ müht, die Einleitung eines Strafverfahrens gegen seinen Schwager Sattel hintanzuhalten. Er ging deshalb den Wirt Zorn an, dieser solle, wenn er als Zeuge von der Polizei vernommen werde, sagen, daß Sattel am fraglichen Abend in der Wirtschaft des Zorn gewesen sei, sich dort bis Mitter­ nacht aufgehalten habe und deshalb der Täter nicht sein könne. Zorn weigerte sich dessen; er teilte dem Hurtig auch mit, daß Sattel selbst ihm erzählt habe, er habe den Brand

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 6. Aufgabe,

gelegt und den Korn verletzt. Doch Hurtig blieb bei seinem Ansinnen und drohte mit der Anzeige, daß ihn Zorn zur Ermordung des Seiler aufgefordert habe. Durch diese Drohung eingeschüchtert gab Zorn seinen Widerstand auf. Als Zorn bald darauf durch den Polizeiwachtmeister von Walberg als Zeuge vernommen wurde, sagte er, Sattel sei am 3. Oktober 1911 nachts von 10—12 Uhr bei ihm ge­ wesen und habe ihn um ein Darlehen gebeten, weil er sich wegen ehelicher Zerwürfnisse in das Ausland begeben wolle. Am 15. Oktober 1911 wurde von dem Untersuchungs­ richter bei dem Landgerichte Walberg gegen Sattel, einen bayerischen Staatsangehörigen, die Voruntersuchung tvegen Brandstiftung und Körperverletzung eröffnet und ein Steck­ brief erlassen. Auch ordnete der Untersuchungsrichter die Beschlagnahme der Briefe an, die an den Tünchermeister Hurtig, den Schwager des Sattel, aus dem Auslande ein­ liefen. Sattel war zu der Dienstmagd seines Schwagers Hurtig, der Frieda Leichtsinn in unerlaubte Beziehungen getreten und hatte mit ihr geschlechtlich verkehrt. Ende Sep­ tember 1911 hatte ihm die Leichtsinn gesagt, daß sie von ihm schwanger sei. Sattel hatte ihr daraufhin vorgeschla­ gen, die Leibesfrucht abzutreiben; das Mittel werde er ihr verschaffen; nach einigem Widerstreben hatte die Leichtsinn ihr Einverständnis erklärt. Als Sattel floh, hatte er der Leichtsinn das Abtreibmittel noch nicht gegeben. Er wollte aber die Frucht seines ehebrecherischen Verhältnisses besei­ tigen. Deshalb schrieb er aus der Schweiz an seinen Schwa­ ger Hurtig einen Brief, in dem er ihm die Sache offenbarte und ihn ersuchte, einen stärken Absud von Zweigen des Sadebaums, der an einer von ihm bezeichneten Stelle int Parke des Zorn stehe, herzustellen, den Absud in Wein zu gießen und das Gemenge, das zur Abtreibung der Leibesfrucht ge­ eignet sei, der Leichtsinn zu trinken zu geben; der Leichtsinn, die nichts davon wissen dürfe, daß ihr Dienstherr in die Sache eingeweiht sei, solle er sagen, der Wirt Zorn habe einen neuen guten Wein bekommen, die Leichtsinn solle ihn auch kosten. Dieser Brief wurde am 20. Oktober 1911 von der Postanstalt an den Untersuchungsrichter ausgeliefert.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 6. Aufgabe,

der ihn öffnete. Als der Untersuchungsrichter am gleichen Tage den Hurtig als Zeugen vernahm, gab er ihm von dem Inhalte des Briefes Kenntnis. Hurtig zeigte sich über die Zumutung seines Schwagers aufs höchste entrüstet. Noch am Abend des 20. Oktober 1911 kehrte Sattel nach Walberg zurück und stellte sich dem Untersuchungs­ richter. Nach dem Inhalte des Strafregisterauszugs ist der am 4. März 1860 geborene Gastwirt Florian Zorn in Walberg vorbestraft: 1. Durch das Urteil des Schöffengerichts bei dem bayerischen Amtsgerichte Nordheim vom 17. Ja­ nuar 1876 wegen eines Vergehens des versuchten Diebstahls mit einem Verweis, erteilt am 15. Fe­ bruar 1876. 2. Durch das Urteil des Schöffengerichts bei dem Amtsgerichte Walberg vom 25. Juni 1904 wegen eines am 10. Mai 1904 begangenen Vergehens der Hilfeleistung zum Diebstahl mit einer Gefäng­ nisstrafe von einer Woche, verbüßt am 30. Juli 1904. Wie ist der obige Tatbestand strafrechtlich in objektiver und subjektiver Richtung zu beurteilen? Soweit die Strafverfolgung durch die Stellung eines Antrags bedingt ist, ist anzunehmen, daß dieser rechtzeitig und rechtsförmlich gestellt ist. Die Antwort ist unter Angabe der gesetzlichen Vor­ schriften kurz zu begründen.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

7. Aufgabe.

7. Aufgabe. (Aufgabe mit vierstündiger Arbeit-frist).

Der am 2. September-1894 geborene Dienstknecht Max Hahn in Stein war auf beit am 1. Oktober 1893 geborenen Bauerssohn Philipp Liebling in Stein erbost, weil dieser ihm die Geliebte, die Dienstmagd Schön in Stein, abspenstig gemacht hatte. Als er am 2. Juli 1911 abends erfuhr, Liebling habe sich gebrüstet, daß er die kommende Nacht bei der Schön zubringe, entschloß er sich, dem Liebling aufzulauern und ihn zu töten. Gegen Mitter­ nacht begab er sich zum Anwesen des Dienstherrn der Schön, des Bauers Huber und versteckte sich hinter einem Holzstoß, der auf der Straße aufgeschichtet war. Er hatte seinen scharf geladenen Revolver bei sich. Hahn stand noch nicht lang in seinem Hinterhalt, als die Schön den Liebling jur Haustüre herausließ. Ruhigen Blutes brachte Hahn seinen Revolver auf Liebling in An­ schlag, zielte aus einer Entfernung von kaum zwei Meter auf den Kopf seines Feindes und drückte ab. Er wollte ihn erschießen. Weil aber Liebling im letzten Augenblick nach rechts auswich, ging die Kugel fehl. Nun wandte sich Hahn zur Flucht und lief dem Anwesen seines Dienstherrn und Vormundes, des Bauers Michael Alt zu. Liebling verfolgte den Hahn mit größter Wut, er wollte ihn töten. Als Hahn noch wenige Schritte von dem Alt'schen Hof­ tore entfernt war, wurde dieses von innen aufgerissen. Liebling sah das. Er fürchtete, Hahn werde im nächsten Augenblick durch das Tor verschwinden. Rasch brachte er seinen Revolver auf Hahn in Anschlag und feuerte ab. In diesem Augenblick sprang der am 15. Juli 1893 ge­ borene Bauerssohn Ludwig Süß von Thal, einer Nach­ bargemeinde, der bei der Tochter des Alt gewesen war, zum Hoftor heraus und rannte an den Hahn; dieser stürzte rück­ lings zu Boden; infolgedessen ging die von Liebling ab­ gefeuerte Kugel über Hahn weg und traf den Süß in die rechte Schulter. Hahn raffte sich auf und verschwand im

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L Abteilung bet schriftlichen Prüfung. 7. Aufgabe.

Hofe. Süß, der auch einen Revolver bei sich hatte, gab einen Schuß in die Luft ab. Die Gendarmerie erfuhr andern Tags von dem Vor­ fall. Die Ermittelungen wiesen auf Hahn, Liebling und Süß als die Täter hin. Die Durchsuchung förderte bei jedem einen Revolver zutage; es wurde festgestellt, daß aus jedem Revolver kürzlich ein Schuß abgefeuert worden war. Die drei Burschen gaben zu, daß sie in der letzten Zeit einen Revolver getragen hatten, aber sie leugneten, in der Nacht vom 2. zum 3. Juli 1911 geschossen zu haben; Süß verriet auch nicht, daß er in dieser Nacht verletzt worden war. Die Gendarmerie erstattete dem Amtsanwalte bei dem bayerischen Amtsgerichte Nordheim An­ zeige wegen verbotener Waffenführung und verbotenen Schießens. Auf Antrag des Amtsanwalts setzte das Amts­ gericht Nordheim durch die Strafbefehle vom 15. Juli 1911 gegen jeden Beschuldigten auf Grund des Art. 39 des PStGB. und des § 367 Nr. 8 des StGB. Haft­ strafen von drei und acht Tagen fest und verfügte die Ein­ ziehung der Revolver. Die Strafbefehle wurden den Be­ schuldigten am 20. Juli 1911 zugestellt. Der Strafbefehl des Hahn fiel dessen Vormund Alt in die Hände. Auf Zurredestellung gab Hahn seinem Vor­ mund zu, daß er in der letzten Zeit einen Revolver getragen habe, bestritt aber, daß er in der fraglichen Nacht geschossen habe. Alt erklärte sofort, daß er sich die Bestrafung des Hahn wegen verbotenen Schießens nicht gefallen lasse. Doch Hahn wollte die Sache möglichst bald aus der Welt schaffen; er schickte noch am 20. Juli 1911 ein von ihm mit seinem Namen UnterzeichnetesSchriftstück an das Amts­ gericht Nordheim des Inhalts, daß er sich dem Strafbefehle unterwerfe. Alt dagegen ging am 26. Juli 1911 auf die Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts Nordheim und erklärte trotz des Hinweises auf die Eingabe des Hahn zu Protokoll des Gerichtsschreibers, daß er gegen den wider Hahn er­ lassenen Strafbefehl Einsprüch erhebe, soweit Hahn auch wegen verbotenen Schießens in Strafe genommen wor­ den sei.

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i. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

7. Aufgabe.

Am 27. Juli 1911 erhoben auch Philipp Liebling gegen den ihm zugestellten Strafbefehl und der Vater des Ludwig Süß, der Bauer Gottfried Süß in Thal gegen den seinem Sohne zugestellten Strafbefehl zu Protokoll des Gerichtsschreibers des Amtsgerichts Nordheim Ein­ spruch, beide soweit wegen verbotenen Schießens auf Strafe erkannt war. Zur Hauptverhandlung über die eingelegten Ein­ sprüche wurde Termin auf den 21. August 1911 anbe­ raumt. Die drei Beschuldigten, ferner die Bauern Michael Alt und Gottfried Süß wurden richtig geladen. Als Philipp Liebling die Ladung erhalten hatte, ge­ stand er den wahren Sachverhalt seinem Vater, dem Bauern Karl Liebling in Stein. Dieser ging sofort zu Alt; die beiden wurden einig, daß es das Beste sei, wenn die Sache vor Gericht nicht zur Verhandlung komme. Das glaubten sie, die nicht wußten, daß auch Süß geladen war, dadurch zu erreichen, daß im Termin niemand erscheine. Der Vater Liebling sandte noch an das Amtsgericht Nord­ heim ein von ihm mit seinem Namen unterzeichnetes Schriftstück des Inhalts, daß er als Vater den von seinem Sohne eingelegten Einspruch zurücknehme; das Schreiben kam am 12. August 1911 in den Einlauf des Amtsgerichts Nordheim. Aber Philipp Liebling und Hahn, die sich aus­ gesöhnt hatten, fürchteten, daß im Termine durch den Be­ schuldigten Süß die Wahrheit aufkäme. Philipp Liebling beschloß daher, entgegen dem Rate seines Vaters doch zum Termin zu gehen und sich nach Möglichkeit zu verteidigen. Hahn beauftragte ohne Wissen seines Vormundes den Rechtsanwalt Klug in Nordheim mit seiner Vertretung. Im Termine vom .21. August 1911 erschien außer dem Beschuldigten Philipp Liebling und dem Rechtsan­ walt Klug, der eine schriftliche Vollmacht des Hahn über­ gab, der Vater des Beschuldigten Ludwig Süß, der auf die Frage des Vorsitzenden erklärte, sein Sohn habe sein Erscheinen nicht für nötig gehalten. Das Gericht trat in der Richtung gegen alle drei Beschuldigten in die Haupt­ verhandlung ein; sie wurde ordnungsmäßig durchgeführt.

72

I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

7. Aufgabe.

Liebling bestritt die Anschuldigung. Für Hahn erklärte Rechtsanwalt Klug, Hahn habe nicht geschossen. Die gleiche Erklärung gab Gottfried Süß für seinen Sohn Ludwig Süß ab. Der Gendarmeriesergeant von Thal wurde als Zeuge vernommen. Die Revolver lagen dem Gerichte vor. Nachdem der Amtsanwalt, der Angeklagte Liebling, Rechts­ anwalt Klug und Gottfried Süß das Wort zu ihren Aus­ führungen und Anträgen gehabt hatten und dabei der Amts­ anwalt die Verurteilung der drei Angeklagten wegen ver­ botenen Schießens zu je acht Tagen Haft beantragt hatte, erließ das Schöffengericht folgendes Urteil: I. Der Einspruch gegen den wider Ludwig Süß er­ lassenen Strafbefehl wird sofort verworfen, Ludwig Süß hat die auf den Einspruch erwachsenen Kosten zu tragen. II. Max Hahn wird wegen verbotenen Schießens zur Haftstrafe von acht Tagen und zur Tragung der auf das Verfahren gegen ihn erwachsenen Kosten verurteilt. III. Philipp Liebling wird unter Überbürdung der Kosten auf die Staatskasse freigesprochen. Zur Begründung dieser Entscheidung wurde im wesent­ lichen ausgeführt: Der Angeklagte Süß sei ohne genügende Entschuldi­ gung ausgeblieben, auch nicht durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten; deshalb müsse der Einspruch seines Vaters verworfen werden. Daß der Vormund Alt ausgeblieben sei, sei ohne Bedeutung; die Erklärung des Karl Liebling, daß er den von seinem Sohn eingelegten Einspruch zurücknehme, sei unerheblich. Hahn und Liebling seien des verbotenen Schießens überführt, aber Liebling habe die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht besessen. Gottfried Süß war über das schöffengerichtliche Urteil sehr ärgerlich. Er sandte am 24. August 1911 an den Staatsanwalt bei dem Landgerichte Nordheim ein von ihm mit seinem Namen unterzeichnetes Schriftstück folgen­ den Inhalts: „Das Urteil vom 21. d. Mts. lasse ich mir nicht gefallen. Weil Hahn auf den Liebling geschossen hat, hat dieser auch den Hahn schießen wollen, aber statt des

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I. Weitung der schriftlichen Prüfung. 7. Aufgabe.

Hahn meinen Sohn getroffen und schwer verletzt; er liegt krank zu Hause. Das wird wohl eine genügende Entschuldi­ gung dafür sein, daß er im Termine vom 21. August nicht erschien. Jetzt soll Liebling straflos ausgehen und mein Sohn eingesperrt werden! Ich mache von den Rechten Ge­ brauch, die das Gesetz mir als dem Vater gibt, und erhebe Ein­ spruch gegen das Urteil wegen der Freisprechung des Lieb­ ling und wegen der Verurteilung meines Sohnes." Dieses Schreiben leitete der Staatsanwalt dem Amtsgerichte Nord­ heim zu, bei dem es am 26. August 1911 einlief. Gleich­ zeitig beauftragte er den Amtsanwalt, bezüglich des Hahn Berufung einzulegen, weil es sich bei Hahn anscheinend nicht bloß um verbotenes Schießen handle. Der Amtsan­ walt legte infolgedessen durch ein am 28. August 1911 in den Einlauf des Amtsgerichts Nordheim gelangtes Schrei­ ben Berufung ein, weil das Urteil vom 21. August 1911 dem Verschulden des Hahn nicht entspreche. Die vorgeschriebenen Zustellungen erfolgten. Zur Hauptverhandlung vor dem Landgerichte Nord­ heim wurde Termin auf den 2. November 1911 anbe­ raumt. Es ergingen die vorgeschriebenen Ladungen; die Ladung des Gottfried Süß kam als unbestellbar mit dem Vermerke zurück, daß der Adressat am 29. September 1911 gestorben ist. Am 2. November 1911 kam die Sache vor der mit fünf Richtern besetzten Strafkammer zur Verhandlung. Auf Aufruf erschienen die drei Angeklagten und zwar Süß mit Rechtsanwalt Müller. Liebling, mit Rechtsanwalt Scharf und Hahn mit Rechtsanwalt Klug als ihren Verteidigern. Neben Süß fand sich der Bauer Hermann Stark von Thal ein, laut vorgelegter Bestallung der Vormund des Ludwig Süß; Stark erklärte, daß er die Berufung des Gottfried Süß gegen das schöffengerichtliche Urteil, soweit Liebling freigesprochen und Süß verurteilt worden sei, aufrecht er­ halte. Nachdem der Staatsanwalt sich zu der Erklärung des Vormundes Stark geäußert hatte, erging Gerichtsbe­ schluß: Ludwig Süß wird als Nebenkläger zugelassen.

76

I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

7. Aufgabe.

Vormund Stark erteilte dem Rechtsanwalt Müller Vollmacht zur Vertretung der Nebenklage. Im Laufe der weiteren Verhandlung, bei der die Vorschriften der Straf­ prozeßordnung eingehalten wurden, gestanden die drei An­ geklagten den eingangs geschilderten Sachverhalt zu. Fer­ ner wurde festgestellt, daß die Verletzung des Angeklagten Süß ohne weitere Folgen geheilt war. Nach Schluß der Beweisaufnahme beantragte der Staatsanwalt, den An­ geklagten Max Hahn wegen eines Verbrechens des ver­ suchten Mordes und den Angeklagten Philipp Liebling wegen eines Verbrechens des versuchten Totschlags je zu einem Jahr Gefängnis, den Angeklagten Ludwig Süß wegen einer Übertretung des verbotenen Schießens zu acht Tagen Haft und die drei Angeklagten zu den Kosten des Verfahrens zu verurteilen. Rechtsanwalt Klug beantragte als Verteidiger des Hahn in erster Linie, unter Aufhebung des schöffengericht­ lichen Urteils den Einspruch des Vormunds entweder durch Beschluß als unzulässig oder durch Urteil sofort zu ver­ werfen. Der Strafbefehl gegen Hahn sei durch dessen Er­ klärung vom 20. Juli 1911 rechtskräftig geworden. Der Vormund Alt sei zur Einlegung des Einspruchs nicht be­ fugt gewesen, weil dieser kein Rechtsmittel im Sinne der Strafprozeßordnung sei. Sei aber der Einspruch als Rechtsmittel anzusehen, dann müsse auf ihn auch die Vor­ schrift des § 370 der StPO, angewendet werden und der Einspruch hätte sofort verworfen werden müssen. In zweiter Linie beantragte er, die Berufung des Amtsanwalts als unzulässig zu verwerfen: Das Urteil entspreche dem Anträge des Amtsanwalts, der Amtsanwalt sei sohin durch das Urteil nicht beschwert. Unter keinen Umständen dürfe wegen des Verbotes der reformatio in pejus der von dem Vormunde zugunsten seines Mündels eingelegte Einspruch die Folge haben, daß der Mündel an Stelle von acht Tagen Hast wegen verbotenen Schießens ein Jahr Ge­ fängnis wegen versuchten Mordes erhalte. Rechtsanwalt Scharf beantragte als Verteidiger des Angeklagten Liebling in erster Linie, die Berufung des

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

7. Aufgabe.

Gottfried Süß als unzulässig zu verwerfen: Der Neben­ kläger könne erst Berufung einlegen, nachdem er bei dem Gerichte seine Anschlußerklärung schriftlich eingereicht habe; Gottfried Süß habe sich aber überhaupt nicht an das Ge­ richt gewendet; seine Eingabe vom 24. August 1911 sei an die Staatsanwaltschaft gerichtet. Gottfried Süß habe sich dem Verfahren als Nebenkläger gar nicht anschließen kön­ nen; denn in erster Instanz habe es eine Übertretung des verbotenen Schießens und in zweiter Instanz ein Ver­ brechen des Totschlagsversuchs zum Gegenstände gehabt, strafbare Handlungen, die nicht durch Privatklage verfolgt werden könnten. Und eine Buße könne in zweiter Instanz nicht begehrt werden, sei auch nicht begehrt worden. Zudem habe das freisprechende Urteil dem Gottfried Süß keinen Anlaß zur Beschwerde gegeben; es befasse sich nur mit der dem Liebling zur Last gelegten Übertretung des verbotenen Schießens, nicht mit der Verletzung des Ludwig Süß. In zweiter Linie beantragte er die Einstellung des Verfahrens; denn der Nebenkläger Gottfried Süß sei gestorben und weder der Staatsanwalt noch der Vormund des Ludwig Süß könne die weitere Vertretung der Berufung über­ nehmen. Auch fehle ein form- und fristgerechter Straf­ antrag wegen Körperverletzung. Schlimmsten Falls könne nur erkannt werden, daß es bei dem Strafbefehle sein Bewenden habe. Der Einspruch sei ein Rechtsmittel. Selbstverständlich könne aber der gesetzliche Vertreter, der zur Wahrung der Interessen des Minderjährigen selbstän­ dig ein Rechtsmittel einlegen dürfe, auch selbständig das von dem Minderjährigen eingelegte Rechtsmittel zurück­ nehmen, wenn das im Interesse des Minderjährigen ge­ legen sei. Darnach wäre der gegen Liebling erlassene Strafbefehl rechtskräftig geworden, einer weiteren Straf­ verfolgung stünde der Grundsatz ne bis in idem entgegen. Ganz unverständlich sei es ihm> wie der Staatsanwalt dazukomme, auf die Berufung des Gottfried Süß die Ver­ urteilung des Liebling wegen Totschlagsversuchs zu be­ antragen. Rechtsanwalt Müller beantragte die Freisprechung des

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

7. Aufgabe.

Angeklagten Ludwig Süß: Das Urteil gegen Ludwig Süß müsse aufgehoben werden, weil gegen Jugendliche das Strafbefehlsverfahren, in dem nicht geprüft werden könne, ob der Beschuldigte die zur Erkenntnis der Strafbarkeit seiner Handlung erforderliche Einsicht besessen habe, über­ haupt unzulässig sei, jedenfalls um deswillen, weil das Ausbleiben des Ludwig Süß in der schöffengerichtlichen Hauptverhandlung genügend entschuldigt sei. Eine neue Verurteilung sei aber wegen Verjährung der Strafver­ folgung ausgeschlossen. Zur Nebenklage beantragte er unter Aufhebung des schöffengerichtlichen Urteils den Liebling in eine ange­ messene Strafe zu verurteilen: Alle formellen Bemänge­ lungen des Verteidigers des Philipp Liebling seien unstichhaltig. Die Angeklagten erhielten noch das Wort; sie brach­ ten nichts mehr vor.

Wie hat die Entscheidung der Strafkammer zu lauten? Sie hat sich auch auf die Kosten zu erstrecken. Bei der Entscheidung ist davon auszugehen, daß der eingangs geschilderte Tatbestand erwiesen ist, daß die Ver­ letzung des Süß ohne weitere Folgen geheilt ist, daß die Angeklagten bei Begehung der strafbaren Handlungen die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht besessen haben, daß, soweit wegen eines Verbrechens oder Vergehens zu verurteilen ist und das Gesetz mildernde Um­ stände zuläßt, mildernde Umstände nicht vorliegen, jedoch die geringste zulässige Strafe angemessen ist, soweit wegen einer. Übertretung zu verurteilen ist, eine Haftstrafe von acht Tagen der Schuld entspricht. Die Entscheidung ist zu begründen; dabei sind alle von den Rechtsanwälten hervorgehobenen Gesichtspunkte zu würdigen; eine Darstellung des Sachverhalts hat aber zu unterbleiben. Die gesetzlichen Vorschriften sind anzu­ führen. .

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

8. Aufgabe.

S. Aufgabe. (Aufgabe mit vierstündiger Arbeit-frist).

Der Sekretariatsassistent Feder in Althof war durch das Sammeln seltener Briefmarken, das er leidenschaftlich betrieb, in drückende Schulden geraten. Am 1. April 1910 fehlten ihm die Mittel zur Zahlung der Wohnungsmiete für das letzte Vierteljahr im Betrage von achtzig Mark. Am gleichen Tage erhielt er einen Brief des Marken­ händlers Fuchs in Wien, worin ihm dieser mit Klagestellung drohte, wenn er nicht binnen drei Tagen seine längst fällige Schuld von zweihundert Mark zahle. In seiner Verlegenheit wandte sich Feder an den Kaufmann Gottlieb Helfer in Althof, der ihm schon öfters Geld geliehen hatte, und bat ihn um ein Darlehen von dreihundert Mark. Helfer hatte den Betrag gerade nicht zur Verfügung, versprach aber, als Feder mit Bitten nicht nachließ, einen Wechsel über dreihundert Mark zu akzep­ tieren und dem Feder zur Verwertung zu überlassen. Helfer hatte früher mit dem Kaufmann Benno Klein in Althof Geschäfte gemacht und ihm in einem Vertrage vom 1. Oktober 1909 für die Geschäfte, die Klein bis zum 15. April 1910 abwickeln sollte, einen unbedeutenden Bank­ kredit eingeräumt. Zur Sicherung für seine am Schluffe der Geschäftsverbindung etwa noch bestehenden Forderun­ gen hatte er von Klein am 1. Oktober 1909 zwei Schrift­ stücke übereignet erhalten. Das eine lautete: „Ich verpflichte mich hiermit, am 15. April 1910 an Herrn Gottlieb Helfer in Althof oder dessen Order den Betrag von hundert Mark zu zahlen. Benno Klein". Das andere lautete: Am 15. April 1910 zahlen Sie gegen diesen Wech­ sel an die Order des Herrn Gottlieb Helfer in Alt­ hof den Betrag von hundert Mark. „Herrn Bankier Adolf Benno Klein". Schulze in Neudorf."

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

8. Aufgabe.

Die Geschäftsverbindung zwischen Helfer und Klein hatte durch einen Rechtsstreit ein vorzeitiges Ende gefun­ den. Der Rechtsstreit war im Januar 1910 durch einen gerichtlichen Vergleich erledigt worden. Die Parteien hatten darin erklärt, daß ihre geschäftlichen Beziehungen vollstän­ dig gelöst seien. Helfer hatte weiter anerkannt, daß er gegen Klein keine Forderung mehr habe. An die beiden von Klein ausgestellten Schriftstücke hatten die Parteien bei dem Abschlüsse des Vergleichs nicht gedacht. Feder hatte von dem Inhalt des Vergleichs Kenntnis; er war bei seiner Aufnahme als Gerichtsschreiber tätig ge­ wesen. Als Helfer am 1. April 1910 in Gegenwart des Feder in seinem Schreibtische nach einem Wechselformblatte suchte, fand er die zwei Schriftstücke, die ihm Klein am 1. Okto­ ber 1909 gegeben hatte. Obwohl er sich an den Inhalt des Vergleichs genau erinnerte, beschloß er sofort, sie für seine Zwecke zu verwenden. Er setzte seinen Namen auf die Rück­ seite der beiden Papiere und wollte sie gerade dem Feder aushändigen, da bemerkte er, daß in der als Wechsel bezeich­ neten Erklärung des Klein der Ort und Tag der Ausstel­ lung nicht angegeben war. Kurz entschlossen fügte er ihr unter Nachahmung der Schriftzüge des Klein den Vermerk bei „Althof, den 1. April 1910" und übergab dann beide Papiere dem Feder mit der Weisung, sie bei dem Bankier Müller rn Althof zu versilbern. Er nahm sich -dabei vor, die Papiere in einigen Tagen bei Müller wieder einzu­ lösen, sodaß weder Müller noch Klein geschädigt werde. Er durfte rechnen, daß er dazu imstande sei, denn am 5. April 1910 hatte ihm der Agent Sauer in Weilbach ein größeres Darlehen zurückzuzahlen. ' Für den Restbetrag von hundert Mark wollte Helfer einen Wechsel akzeptieren. Er fand aber kein Formblatt und ermächtigte deshalb den Feder, seinen — Helfers — Namen als Bezogenen und Akzeptanten auf einen Wechsel über hundert Mark zahlbar am 1. Juli 1910 zu setzen. Als Aussteller solle er einen Dritten unterschreiben lassen. Auch

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 8. Aufgabe,

diesen Wechsel solle er bei Müller diskontieren. Den Erlös der drei Papiere solle er als Darlehen des Helfer behalten. Feder wußte aus dem Vergleiche, daß Helfer zur Be­ gebung der von Klein ausgestellten Papiere nicht berech­ tigt war. Er fürchtete aber, das Darlehen nicht zu erhalten, wenn er seine Bedenken äußere, nahm deshalb die Papiere stillschweigend entgegen und stellte dem Helfer einen Schuld­ schein über dreihundert Mark aus. Zu Hause füllte er ent­ sprechend der ihm von Helfer erteilten Ermächtigung ein Wechselformblatt ordnungsmäßig aus, setzte Helfer als Be­ zogenen ein, fügte das Akzept des Helfer bei und ersuchte einen Bekannten, den Schreinermeister Leim, den an eigene Order lautenden Wechsel als Aussteller und Indossant zu zeichnen. Leim kam der Bitte nach. Dann begab sich Feder zum Bankier Müller, um die drei Papiere in Geld umzu­ setzen. Müller nahm die von Klein ausgestellten Papiere sofort an, weil er dessen Zahlungsfähigkeit kannte. Den Bermögensverhältnissen des Leim und des Helfer traute er nicht; auf ihre Haftung legte er, ohne sich dem Feder dar­ über zu äußern, keinen Wert. Zu dem für Helfer akzep­ tierten Wechsel verlangte er deshalb noch die Unterschrift eines kreditwürdigen Mannes. Feder eilte zurück und bat, ohne seine mißliche Lage zu enthüllen, den mit ihm im gleichen Hause wohnenden Schneidermeister Zwirn, aus Gefälligkeit seinen Namen als weiteres Indossament auf den Wechsel zu setzen. Zwirn las den Wechsel durch und erklärte sich dann bereit, den Wechsel zu zeichnen, wenn sich Feder ihm durch die Zahlung von zwanzig Mark erkenntlich zeige. Feder wollte zunächst darauf nicht eingehen. Zwirn redete ihm deshalb zu, die Wechselsumme auf hundertzwanzig Mark zu erhöhen; Hel­ fer werde sicher damit einverstanden sein. Feder sah keine andere Möglichkeit, das Geld zu bekommen, auch glaubte er — wie sich später ergab, mit Recht —, daß Helfer gegen die Erhöhung der Wechselsumme nichts einzuwenden habe. Er änderte deshalb im Wechsel die Zahl 100 unauffällig in 120 ab und fügte der in Buchstaben geschriebenen Geld­ summe „einhundert" die Worte „undzwanzig" an. Darauf schrieb Zwirn seinen Namen auf die Rückseite des Wechsels.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

8. Aufgabe.

Feder brachte dann den Wechsel wieder zu Müller. Dieser entdeckte die Änderung der Wechselsumme nicht und kaufte die drei Papiere. Nach Abzug des Diskonts erhielt Feder etwa dreihundertfünfzehn Mark in drei Hundertmark­ noten und Silbergeld. Mit zwei Banknoten zahlte er bei der Post seine Schuld an Fuchs ein. Die dritte Banknote gab er.dem Zwirn mit dem Auftrage, davon für ihn die Miete im Betrage von achtzig Mark zu zahlen. Zwirn tat dies. Die zwanzig Mark, die ihm der Vermieter heraus­ zahlte, behielt er wie vereinbart für sich. Der Agent Sauer blieb mit der Zahlung seiner Schuld an Helfer im Rückstände. Helfer konnte deshalb gegen seine Erwartung die von Klein ausgestellten Papiere nicht als­ bald wieder einlösen. Am 15. April 1910 ließ Müller bei dem Bankier Adolf Schulze in Neudorf den auf diesen gezogenen Wechsel zur Zahlung vorzeigen. Schulze verweigerte die Zahlung, weil er keine Deckung habe. Müller beauftragte sofort die zustän­ dige Gerichtsvollzieherei des Amtsgerichts Althof, den Wechsel mangels Zahlung zu protestieren. Feder, der der Gerichtsschreiberei zugeteilt war, arbei­ tete in dem gleichen, im Erdgeschoße gelegenen Geschäfts­ zimmer des Amtsgerichts wie der Gerichtsvollzieher Scharf, in dessen Einlauf der Protestauftrag am 15. April 1910 vormittags 11 Uhr kam. Scharf legte sich den Wechsel zu­ recht, um nachmittags den Protest in Neudorf aufzunehmen. Feder sah den Wechsel auf dem Pulte des Scharf offen da liegen. Nach Schluß der Geschäftszeit eilte er sofort zu Hel­ fer und teilte ihm den Sachverhalt mit. Helfer wollte um jeden Preis verhindern, daß Klein von der Begebung des Wechsels Kenntnis erhalte. Er konnte aber den Wechsel erst am nächsten Tage einlösen, weil Sauer nicht imstande war, eher zu zahlen. Er redete deshalb dem Feder unter Vorstellung der sonst eintretenden üblen Fol­ gen eindringlich zu, den Wechsel gleich bei Beginn der nach­ mittägigen Geschäftszeit vom Pulte des gewöhnlich etwas später kommenden Scharf wegzunehmen und bis zum Ab-

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

8. Ausgabe,

laufe des folgenden Tages in älteren weggelegten Akten zu verstecken. In seiner Angst willigte Feder ein. Unterwegs bekam er aber Bedenken, ob es ihm während der Geschäftszeit ge­ lingen werde, den Wechsel unbemerkt wegzunehmen und zu verstecken. Er eilte deshalb noch in der Mittagspause in den offenen Garten des Amtsgerichts und stieg durch das, wie er wußte, zum Lüften geöffnete Fenster in das Geschäfts­ zimmer ein, um den Wechsel ungestört verbergen zu kön­ nen. Die Türe des Zimmers war wie gewöhnlich verschlos­ sen, womit Feder von vornherein rechnete. Als er den Wech­ sel gerade in ein altes Aktenheft hineinschieben wollte, hörte er jemand von außen den Schlüssel in die Türe stecken. In der Bestürzung ballte er den Wechsel in der Hand zusammen, sprang zum Fenster hinaus und rannte nach Hause. Dort warf er den Wechsel ins Feuer. Seine Flucht war nicht be­ merkt worden. Scharf fand nachmittags den Wechsel nicht. Da er ihn leichtsinnig auf dem Pulte hatte liegen lassen, schwieg er über den Verlust und erbot sich dem Müller gegenüber frei­ willig zum Schadensersätze. Müller beruhigte sich dabei. Am 16. April 1910 abends zahlte der von Feder in die Vorgänge des letzten Tages eingeweihte Helfer dem Müller den Betrag von hundert Mark, auf den der verschwundene Wechsel lautete, mit den Zinsen und den Kosten. Er ver­ zichtete dabei auf die Auslieferung des quittierten Wechsels, an der er, wie er dem Müller sagte, kein Interesse habe. Zugleich kaufte er die zwei anderen durch die Vermittlung des Feder veräußerten Papiere zurück, die Müller noch nicht aus der Hand gegeben hatte. Zufällig hörte Klein über ein Jahr später von Müller, daß Helfer im April 1910 einen von ihm (Klein) ausge­ stellten Wechsel in Umlauf gebracht habe. Er erinnerte sich jetzt wieder der bei dem Abschlüsse des Vergleichs vergessenen Papiere und erstattete gegen Helfer Strafanzeige wegen Un­ terschlagung und Betrugs. Der gesamte Tatbestand ist in objektiver und subjektiver Hinsicht strafrechtlich zu würdigen.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 9. Aufgabe.

Ob Verfehlungen gegen stempelgesetzliche Vorschriften vorliegen, ist nicht zu untersuchen. Die Antwort ist unter Angabe der gesetzlichen Vor­ schriften kurz zu begründen.

9. Aufgabe. (Aufgabe mit neunstündiger Arbeitsfrist).

Der bei dem bayerischen Landgerichte Velden zuge­ lassene Rechtsanwalt Wolf reichte bei der Zivilkammer dieses Gerichts — eine Kammer für Handelssachen ist bei dem Landgerichte Velden nicht gebildet — als Prozeßbe­ vollmächtigter des Kohlenbergwerkbesitzers Karl Treu in Velden, des Inhabers der im Handelsregister eingetragenen Firma „Kohlenhandlung Karl Treu", eine gegen die Kauf­ leute Paul Schwarz, Georg Weiß, Max Kurz und Fritz Lang in Bach, Landgerichts Velden, gerichtete Klageschrift nebst einer Abschrift ein. Der Vorsitzende der Zivilkammer bestimmte Termin auf den 1. Dezember 1911 vormittags 9 Uhr. Die Klageschrift nebst Terminsbestimmung wurde den sämtlichen Beklagten am 1. November 1911 zugestellt. Die Beklagten bestellten als Prozeßbevollmächtigten den bei dem Landgerichte Velden zugelassenen Rechtsanwalt Falk. Die Anwälte wechselten die erforderlichen Schriftsätze; Ab­ schriften für das Gericht wurden auf der Gerichtsschreiberei niedergelegt. In der Sitzung vom 1. Dezember 1911 war die Zivilkammer besetzt mit dem Landgerichtsdirektor Streng und den Landgerichtsräten Braun und Ernst; den Dienst des Gerichtsschreibers versah der Sekretär Jung. Nach Eröffnung der Verhandlung stellten die Parteien ihre Anträge. Der Rechtsanwalt Wolf verlas aus der Klageschrift den Antrag: Das Landgericht wolle zu Recht erkennen: 1. Die Beklagten sind gesamtverbindlich schuldig, an den Kläger 10 600 jK> samt 5 o/o Zinsen aus 8000 seit dem 1. März 1911 und 5 o/o Zin-

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 9. Aufgabe,

sen aus 2600 M> seit dem 1. November 1911 zu zahlen. 2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Rechtsanwalt Falk verlas aus seinem vorbereiten­ den Schriftsätze den Antrag: Das Landgericht wolle zu Recht erkennen: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Zur Begründung des Klageantrags machte der Rechts­ anwalt Wolf geltend: In Bach, Landgerichts Velden, bestand unter der Firma „Paul Schwarz Maschinenfabrik eine offene Han­ delsgesellschaft, als deren Gesellschafter Paul Schwarz, Georg Weiß, Max Kurz und Fritz Lang in das Handels­ register eingetragen waren. Zur Vertretung nach Außen war nach dem Gesellschaftsvertrag und dem Vortrag im Handelsregister Paul Schwarz allein berechtigt. Am 1. Oktober 1910 fand sich der Kläger in dem Ge­ schäftszimmer der Gesellschaft ein und schloß mit Schwarz als deren Vertreter folgenden Vertrag: „Karl Treu verpflichtet sich, der Gesellschaft 4000 Zentner kleingeschlagene Kohlen mittlerer Güte zum Preise von 2 M> für den Zentner in zwei Sendungen, die erste von 1000 Zentnern, die zweite von 3000 Zent­ nern, zu liefern. Die erste Sendung muß von der Ge­ sellschaft bis Ende Oktober 1910, die zweite bis Ende Januar 1911 abgerufen und abgenommen werden. Nach dem Abrufe hat Karl Treu die Kohlen dem von der Gesellschaft mit der Verfrachtung betrauten Fracht­ führer Mayer in Velden zu übergeben. Der Kaufpreis ist am 1. März 1911 zu zahlen und von da an mit 5 o/o zu verzinsen." Schwarz zeigte hierauf dem Kläger die Maschinenhalle der Gesellschaft. Als sich der Kläger erkundigte, ob er einen Motor von zwanzig Pferdekräften haben könnte, und die

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Aufgabe.

Frage des Schwarz, ob es eine neue Maschine sein ntiifje, bejaht hatte, zeigte ihm Schwarz einen Motor, indem er versicherte, daß er ganz neu und nur vor kurzem einmal einer Fabrik, die einen Motor von 30 Pferdekräften be­ stellt hatte, zu einem dreiwöchigen Gebrauche überlassen ge­ wesen sei. Im Vertrauen auf diese Zusicherung entschloß sich der Kläger, den Motor zu erwerben. Er wurde mit Schwarz dahin einig, daß die Gesellschaft dem Kläger den Motor um 3700 M> sofort zu Besitz und Eigentum überließ und daß infolge der Überlassung an dem Kaufpreise von 8000 M> für die Kohlen der Betrag von 3700 Jl getilgt sein sollte. Der Motor wurde von dem Kläger sofort nach Velden gebracht und dort in Betrieb genommen. Am 20. Oktober 1910 ersuchte der Kläger die Gesell­ schaft um rechtzeitige Abnahme der ersten Sendung Kohlen, da seine Lagerplätze zurzeit üb erfüllt seien. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1910 erwiderte die Gesellschaft, daß sie vor Ende November die erste Sendung nicht abnehme. In Bach sei der seit Mitte September 1910 drohende Streik der Frachtarbeiter nunmehr ausgebrochen und ihr hiedurch jede Möglichkeit genommen, Arbeiter zu finden, die die Aus­ ladung der Kohlen und ihre Verbringung in ihren Lager­ raum besorgen würden. Am 1. November 1910 entgegnete hierauf der Kläger, der inzwischen die für die Gesellschaft bestimmten 1000 Zentner Kohlen aus seinen Vorräte» ausgcschieden und gesondert gelagert hatte: „Mit Rücksicht auf meine ungünstigen Lagerverhältnisse bin ich gezwungen, auf sofortige Abnahme der ersten Sendung zu bestehen. Ich biete Ihnen hiemit die Kohlen ausdrücklich an. Wenn Sie diese nicht annehmen, werde ich sie am 15. November öffent­ lich versteigern lassen." Mit Schreiben vom 3. November bat die Gesellschaft um Nachsicht bis zum 22. November, da bis dahin der Streik voraussichtlich beendet sein werde. Darauf erwiderte der Kläger am 5. November, daß er „mit Rücksicht auf den Notstand der Gesellschaft" die Weisung erteilt habe, mit der Versteigerung bis zum 22. November zuzuwarten. Am 20. November brach in den Lagerräumen des Klägers ein Brand aus, der auch die für die Gesellschaft

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 9. Aufgabe,

bestimmten Kohlen vernichtete. Der Kläger gab hievon der Gesellschaft mit Schreiben vom 21. November mit dem Beifügen Kenntnis, daß die Gesellschaft infolge ihres Ver­ zugs den Schaden zu tragen habe, da die Kohlen für die Gesellschaft ausgeschieden und zur Abnahme bereitgestellt waren. Die Ende Januar 1911 abzunehmenden Kohlen wur­ den der Gesellschaft, nachdem sie deren Annahme anfäng­ lich verweigert hatte, am 18. Februar geliefert. Der von dem Kläger von der Gesellschaft erworbene Motor gab während eines mehrmonatigen Gebrauchs zu einer Beanstandung keinen Anlaß. Als aber am 13. Fe­ bruar eine Ausbesserung notwendig wurde und diese eine Zerlegung der Maschine erforderlich machte, zeigte sich, daß der Motor eine ältere, offenbar schon lange gebrauchte Ma­ schine war, deren vollständige Instandsetzung einen unver­ hältnismäßig hohen Kostenaufwand erfordern würde. Der Kläger teilte dies mit Schreiben vom 14. Februar der Ge­ sellschaft 'mit und fügte bei, er habe den Motor nur erwor­ ben, weil Schwarz ihm versicherte, daß er eine neue Ma­ schine sei, diese Zusicherung. sei, wie sich jetzt herausge­ stellt habe, unwahr, er stelle deshalb den Motor der Gesell­ schaft zur Verfügung. Zugleich gab er bekannt, daß er bei einer anderen Fabrik einen Motor telephonisch bestellt habe und bis zu dessen Eintreffen, das in zwei Wochen zu er­ warten sei, den notdürftig hergestellten Motor noch fort­ benützen werde, um eine Störung des Betriebs und damit die Entstehung eines größeren Schadens zu verhindern. Am 21. Februar kam Schwarz nach Velden und suchte unter dem Vorgeben, daß nur einzelne Teile des Motors nicht mehr neu gewesen seien, den Kläger zu einer gütlichen Eini­ gung zu bestimmen. Der Kläger ließ sich aber nicht darauf ein, sondern bemerkte, daß er die Sache bei der Staatsan­ waltschaft anzeigen werde. Am 28. Februar ist der Kessel des Motors explodiert. Der Motor wurde dadurch voll­ ständig zerstört und das Gebäude, worin er untergebracht war, durch Brand schwer beschädigt. Die Wiederherstellung des Gebäudes erforderte einen Kostenaufwand von 2000

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 9. Aufgabe.

Außerdem hatte der Kläger durch die infolge des Brandes eingetretene Betriebsstörung einen Schaden von 600 Die von der Polizei über die Entstehung der Explosion einge­ leiteten Erhebungen ergaben, daß die Explosion von dem im Dienste des Klägers stehenden Mechaniker Ernst Feil absichtlich durch Überhitzen des Kessels herbeigeführt worden war. In der gegen ihn eröffneten Voruntersuchung gestand Feil nach anfänglichem Leugnen, daß er auf Anstiften des Schwarz, der ihm für die Beseitigung der Maschine eine Belohnung von 500 M> versprach, die Explosion herbeige­ führt hat. Die Voruntersuchung wurde deshalb auf Schwarz ausgedehnt. Auch dieser legte ein Geständnis ab. Er gab zu, den Feil zur Zerstörung der Maschine angestiftet zu haben, weil er hoffte, durch deren Beseitigung sich der ihm drohenden Strafverfolgung wegen Betrugs zu entziehen. Er räumte auch ein, daß der Motor eine alte Maschine war, die schon ein paar Jahr gelaufen war und von- ihm unter Verwendung neuer Teile so wiederhergestellt worden war, daß sie selbst ein Sachkundiger ohne nähere Prüfung für eine neue Maschine halten konnte. Er habe den Motor dem Kläger deshalb als eine neue Maschine vorgezeigt, weil dieser eine neue wollte und die Gesellschaft einen anderen Motor von 20 Pferdekräften damals nicht hatte. Er habe gehofft, daß der Kläger, der ohnehin von Jahr zu Jahr seinen Betrieb vergrößerte, in kurzer Zeit einen Motor von größerer Leistungskraft bestellen und dann den alten Motor wieder zurückgeben werde. Die von dem Kläger mit der Gesellschaft und, nach­ dem sich diese am 1. August 1911 ohne Einleitung eines Liquidationsverfahrens aufgelöst hatte, mit den einzelnen Gesellschaftern gepflogenen Ausgleichsverhandlungen haben zu einem Ergebnisse nicht geführt. Es erübrigt daher dem Kläger nur, seine Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Daß sie begründet sind, bedarf nach den bisherigen Aus­ führungen keiner langen Darlegung. Um die zu erwartende Einrede des nicht erfüllten Ver­ trags vorwegzunehmen, ist vor allem hervorzuheben, daß der Kläger seine Bertragspflichten im vollen Umfang er-

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Aufgabe,

füllt hat. Er hat zur Ausführung der ersten Sendung die Kohlen ausgeschieden und der Gesellschaft angeboten. Die Gesellschaft hat die Kohlen nicht angenommen, sich hiedurch in Verzug gesetzt und damit die Gefahr der Sache übernommen. Daraus folgt von selbst, daß die Gesellschaft die durch die Vernichtung der ausgeschicdenen Kohlen her­ beigeführte Unmöglichkeit der Lieferung zu vertreten und der Kläger den Anspruch auf die Gegenleistung, die Zahlung des Kaufpreises von 2000 M>, behalten hat. Unbestritten ist, daß der Kläger die zweite Sendung ausgeführt hat; die Gesellschaft ist daher hieraus dem Kläger weitere 6000 M> schuldig geworden. Unbestritten ist ferner, daß die Gesell­ schaft dem Kläger den Motor als eine neue Maschine ange­ boten und überlassen, also arglistig verschwiegen hat, daß er in seinen Hauptteilen eine ältere, gebrauchte Maschine war. Die Gesellschaft hat daher dem Kläger wegen dieses Mangels Gewähr zu leisten und in Ansehung des Motors die Wandelung zu bewilligen. Infolge der Wandelung hat der Kläger das Recht, von der Gesellschaft und nach deren Auflösung von den Gesellschaftern auch in Ansehung des durch den Wertanschlag für den Motor für getilgt erklärten Teiles des Kaufpreises die Befriedigung zu verlangen. Ebenso wie die Gesellschaft für den Betrug einzustehen hat, den ihr Vertreter Schwarz bei der Vereinbarung über die Überlassung des Motors dem Kläger gegenüber be­ gangen hat, ebenso muß sie dafür einstehen, daß ihr Ver­ treter bei den Verhandlungen über den vom Kläger geltend gemachten Gewährleistungsanspruch die der Gesellschaft ob­ liegenden Verhaltungspflichten arglistig verletzt hat. Danach haben die Gesellschaft und jetzt die Gesellschafter gesamtver­ bindlich für den Schaden zu haften, der durch die Handlung des Feil verursacht worden ist und, wie schon dargelegt, int ganzen (2000 600) — 2600 M> beträgt. Der Rechtsanwalt Falk führte zur Begründung seines Antrags aus: Die Klage ist in der Richtung gegen die Beklagten Kurz und Lang ohne weiteres zurückzuweisen. Der Gesellschafter Kurz ist am 1. August 1910 und der Gesellschafter Lang am 15. März 1911 aus der Gesellschaft

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9. Aufgabe,

ausgeschieden. Beide wurden abgefunden, wogegen das Gesellschaftsvermögen mit den Forderungen und den Schulden auf die jeweils verbleibenden Gesellschafter überging. Aller­ dings wurde das Ausscheiden der beiden Gesellschafter in­ folge Unterlassung der Anmeldung in das Handelsregister nicht eingetragen; es ist aber dem Kläger bekannt gewesen. Kurz wollte Mitte September 1910 in das Geschäft des Klägers eintreten und hat aus diesem Anlasse dem Kläger über sein Ausscheiden aus der offenen Handelsgesellschaft und seine Abfindung genauen Aufschluß erteilt. Lang hat dem Kläger am Tage nach seinem Ausscheiden hievon schriftliche Nachricht mit dem Beifügen gegeben, daß die Forderungen und die Schulden auf die verbleibenden Gesellchasfter Schwarz und Weiß übergegangen sind. Demnach können die Beklagten Kurz und Lang aus einem Vertrags­ verhältnisse der Gesellschaft nicht mehr in Anspruch genom­ men werden. Es kann sich daher bei den Klagansprüchen nur um hie Beklagten Schwarz und Weiß handeln. Aber auch diesen gegenüber kann die Klage keinen Erfolg haben. Aus dem Lieferungsvertrage vom 1. Oktober 1910 ist, soweit die erste Sendung in Frage kommt, für den Kläger ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises nicht entstanden; im Gegenteile steht der Gesellschaft ein Anspruch auf Scha­ densersatz zu. Dadurch, daß der Kläger, was zugegeben wird, schon vor dem Brande die Ende Oktober abzube­ rufenden Kohlen ausgeschieden und gesondert gelagert hatte und diese Kohlen durch den Brand vernichtet wurden, ist er von seiner 'Leistungspflicht nicht befreit worden. Die Gesellschaft hat die Nichtannahme nicht verschuldet, also auch nicht zu vertreten. Sie hätte die Kohlen Ende Oktober gerne abgerufen und angenommen, ist aber hieran durch den Ausbruch des Streiks gehindert gewesen. Hiefür kann die Gesellschaft nicht verantwortlich gemacht werden; dies hat der Kläger selbst anerkannt, indem er in dem Schreiben vom 5. November von einem „Notstände" der Gesellschaft sprach. Es kann daher von einem Verzüge der Gesellschaft nicht die Rede sein. Dazu kommt, daß der Kläger der Gesell­ schaft erst nach dem Brande in dem Schreiben vom 21. No-

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9. Aufgabe,

vember von der Ausscheidung der Kohlen Mitteilung ge­ macht hat. Es geht aber nicht an, daß der Verkäufer ein­ seitig die Ware ausscheidet und hiedurch den Käufer zu binden sucht. Selbst wenn aber von dem Übergange der Ge­ fahr der Sache auf den Käufer gesprochen werden könnte, würde mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 279 des BGB. nur die sachliche Unmöglichkeit, nicht auch das Unvermögen des Schuldners zur Leistung in Frage kommen können. Nur vorsorglich wird noch geltend gemacht, daß der Kläger in dem Schreiben vom 5. November der Gesellschaft Nach­ sicht bis zum 22. November gewährt und damit eine neue Erfüllungsfrist eröffnet hat, so daß ein Verzug der Gesell­ schaft in keinem Falle vorliegt. Bei dieser Rechtslage hat die Gesellschaft mit vollem Recht auf die Mitteilung des Klägers vom 21. November am 24. desselben Monats er­ widert, daß der Kläger selbst die Folgen des Brandes zu tragen hat und die Gesellschaft auf der Ausführung der ersten Sendung besteht. Als darauf der Kläger mit Schrei­ ben vom 25. November erklärte, daß er jede Nachlieferung für die verbrannten Kohlen entschieden verweigere, ent­ gegnete die Gesellschaft in einem am 26. November abge­ sandten und dem Kläger am 27. zugekommenen Schreiben, daß sie die sofortige Ablieferung der Kohlen verlange und daß sie, wenn die Kohlen nicht bis zum 3. Dezember dem Frachtführer Mayer übergeben wären, die Kohlen ander­ wärts beziehe. Nachdem der Kläger am 8. Dezember noch nicht erfüllt hatte, kaufte die Gesellschaft 1000 Zentner Kohlen mittlerer Güte bei einem Händler in Velden zum Preise von 2,20 M> für den Zentner. Der Kläger ist daher verpflichtet, der Gesellschaft für den Schaden aufzukommen, der ihr durch den Unterschied des Aufwandes für den Deckungskauf (2200 J6) und des Vertragspreises (2000J6) in der Höhe von 200 JK> entstanden ist. Zugegegeben wird, daß der Kläger die zweite Sendung ausgeführt hat. Allein die Ausführung erfolgte verspätet und überdies in mangelhafter Weise. Allerdings hatte die Gesellschaft im Unmute über das Geschäftsgebahren des Klägers diesem mit Schreiben vom 20. Januar mitgeteilt,

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9. Aufgabe,

daß sie die Annahme der zweiten Sendung verweigere. Als aber der Kläger mit Schreiben vom 1. Februar der Gesell­ schaft die Kohlen anbot und für den Fall der Nichtannahme den Selbsthilfeverkauf androhte, entschloß sich die Gesell­ schaft, um einen Prozeß zu vermeiden, zur Annahme der Sendung. Sie verlangte mit Schreiben vom 2. Februar die sofortige Lieferung und machte den Kläger für jede weitere Verzögerung verantwortlich. Gleichwohl lieferte dieser die Kohlen erst am 18. Februar an Mayer ab. Die Gesellschaft hatte in Erwartung rechtzeitiger Lieferung am 4. Februar zur Lagerung der abgerufenen Kohlen einen Lagerplatz ge­ mietet. Da die Lieferung erst am 18. Februar erfolgte, ist ihr eine nutzlose Ausgabe für Miete im Betrage von 100 J6 entstanden; diese hat ihr der Kläger als Berspätungsschaden zu ersetzen. Als die Kohlen am 19. Februar in Bach ausgeladen wurden, nahmen die Arbeiter der Gesellschaft sofort wahr, daß sie durch Vermengung mit Resten angebrannter Kohlen derart verunreinigt waren, daß sie als eine Ware mittlerer Güte nicht mehr angesehen werden konnten. Schwarz ließ zwar trotzdem die Kohlen in das Lager der Gesellschaft ver­ bringen, rügte aber sofort in dem Empfangsschreiben vom 20. Februar die mangelhafte Beschaffenheit der Lieferung. Hiefür hat der Kläger einzustehen und sich daher eine Minderung des Kaufpreises gefallen zu lassen. Der von der Gesellschaft beigezogene Sachverständige Huber in Bach hat sich dahin ausgesprochen, daß die Kohlen, die zur Zeit des Verkaufes auch im mangelfreien Zustande nur einen Wert von 5000 M gehabt hätten, damals infolge ihrer Vermengung mit Resten angebrannter Kohlen nur mehr einen Wert von 4000 M> hatten. Dementsprechend ist der Kaufpreis für die zweite Sendung auf 4000 herabzu­ setzen und hievon ist der Verspätungsschaden von 100 M> und der Deckungsschaden von 200 M> in Abzug zu bringen, so daß die Gesellschaft dem Kläger aus dem Kohlenlieferungsvertrage nur den Betrag von 3700 M schuldig ge­ worden ist. Daß der Beklagte Schwarz den Kläger durch unwahre

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9. Aufgabe.

Vorspiegelungen zu dem Erwerbe des Motors bestimmt hat, gibt dieser zu. Sämtliche Beklagte sind auch einig, daß die Gesellschaft dieses arglistige Verhalten des Be­ klagten Schwarz zu vertreten habe. Zu verneinen ist aber, daß dem Kläger in dieser Hinsicht der von ihm geltend gemachte Wandelungsanspruch zusteht. Durch die am 1. Oktober 1910 von dem Kläger und der Gesellschaft getroffene Vereinbarung wurde ein einheitliches Vertrags­ verhältnis geschaffen. Es geht daher nicht an, daß dieses in seine einzelnen Bestandteile aufgelöst und nur in An­ sehung eines Bestandteils die Rückgängigmachung des Ver­ trags begehrt wird. Gegen die Zulässigkeit der Wandelung sprechen auch noch zwei weitere Bedenken. Der Kläger räumt selbst ein, daß er den Motor, nachdem er über dessen vertragswidrige Beschaffenheit völlig aufgeklärt war, noch längere Zeit benützte. Das durfte er nur, wenn er den Willen hatte, ihn zu behalten. Der Kläger muß sich daher gefallen lassen, daß aus dem Gebrauche des Motors dieser Wille gefolgert wird. Dazu kommt, daß der Kläger nicht in der Lage ist, den Motor zurückzugeben, und die Beklagten den Untergang des Motors nicht zu vertreten haben. Es darf nämlich in dieser Hinsicht nicht außer Betracht bleiben, daß die Wandelung nur den Gesellschaf­ tern als solchen gegenüber begehrt wird und Schwarz bei der Anstiftung des Feil nicht als Gesellschafter gehandelt hat. Demnach ist die dem Kläger aus dem Kohlenliefe­ rungsgeschäfte zustehende Forderung von 3 700 M> als durch die Überlassung des Motors getilgt anzusehen. Der Beklagte Schwarz erkennt an, daß er den durch die Tat des Feil verursachten Schaden in dem vom Kläger geltend gemachten Umfange zu ersetzen hat. Auch die übri­ gen Beklagten bestreiten nicht, daß der Kläger einen Scha­ den in dieser Höhe erlitten hat; sie können aber wegen des Ersatzes dieses Schadens nicht in Anspruch genommen werden, weil Schwarz bei der Anstiftung des Feil nur für sich und aus ihn allein berührenden Beweggründen ge­ handelt, daher die Folgen seiner strafbaren Handlung allein zu tragen hat. Übrigens habe ich auf Grund einer Mit-

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9. Aufgabe,

teilung, die mir erst gestern zugekommen ist, im Namen der Beklagten Schwarz und Weiß gegen die Klagansprüche Forderungen aufzurechnen, die diesen Beklagten gegen den Kläger zustehen. Schwarz und Weiß haben, und zwar un­ abhängig von dem Gesellschaftsverhältnis, öfters die Dienste des Frachtführers Franz Sorglos in Bach in Anspruch genommen und in zwei Fällen infolge seines fahrlässigen Verhaltens erhebliche Verluste erlitten. Am 14. Mai 1910 ließ Weiß durch Sorglos einen in einer Kiste verpackten altertümlichen Spiegel im Werte von 1500 M> zu einem Vergolder nach Rötz bringen. Obwohl ihm der Wert des Spiegels bei der Übergabe zur Beförderung angegeben worden war, ließ Sorglos sehr schwere Kisten und Gegenstände auf die Spiegelkiste legen. Dadurch wurde diese eingedrückt und der Spiegel zer­ trümmert. Weiß zeigte die Beschädigung sofort dem Sorg­ los an; dieser erklärte sich auch ohne weiteres bereit, die verlangte Entschädigung von 1500 M> zu zahlen. Auch leistete er dem Weiß am 17. Juli 1910 eine Abschlags­ zahlung von 300 M>. Am 30. Juni 1910 ließ Schwarz durch Sorglos Einrichtungsgegenstände für seine neue Villa in Bach dorthin verbringen. Auf dem Wege fielen zwei Kisten mit feiner Wäsche im Gesamtwerte von 7000 M von dem Wagen, ohne daß Sorglos es merkte. Hausierer fanden die Kisten und eigneten sich den Inhalt an. Auch in diesem Falle hat sich Sorglos auf die ihm von Schwarz gemachte Verlustanzeige ohne Zögern bereit erklärt, den von Schwarz auf 7 000 M> berechneten Schaden zu ersetzen und am 3. August 1910 eine Abschlagszahlung von 600 M> dem Schwarz geleistet. Sorglos ist am 31. Juli 1911 gestorben und von dem Kläger auf Grund Testaments beerbt worden. Dieser hat am 10. August 1911 vor dem Nachlaßgericht zu Bach die Annahme der Erbschaft er­ klärt. Der Kläger schuldet sohin als Erbe des Fracht­ führers Sorglos dem Beklagten Schwarz 6400 .M> und dem Beklagten Weiß 1200 M. Die Forderung zu 6 400 M wird von Schwarz in erster Linie gegen die Schadens­ ersatzforderung des Klägers von 2600 M>. und mit dem

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Aufgabe.

Überschüsse für den Fall, daß das Gericht wider Erwarten dem Kläger eine Forderung aus dem Kohlenlieferungs­ geschäfte zuerkennen würde, auch gegen diesen Anspruch aufgerechnet. Ebenso wird namens des Beklagten Weiß für den Fall, daß auch gegen ihn eine Verurteilung er­ folgen würde, dessen Forderung gegen den urteilsmäßigen Anspruch des Klägers in Aufrechnung gebracht. Der Rechtsanwalt Wolf erwiderte darauf: Richtig ist, daß der Kläger von dem Ausscheiden der Gesellschafter Kurz und Lang in der von dem Gegenanwalte geschilder­ ten Weise Kenntnis erhalten hat. Diese Kenntnis ist aber der Tatsache gegenüber belanglos, daß Kurz und Lang bis zur Auflösung der Gesellschaft im Handelsregister als Gesellschafter eingetragen waren. Solange ein ausgeschie­ dener Gesellschafter im Handelsregister nicht gestrichen ist, muß er als Gesellschafter angesehen und behandelt werden. Die Mithaftung der Beklagten Kurz und Lang kann daher mit Grund nicht bezweifelt werden. Vergeblich versucht die beklagte Partei, den durch die Vernichtung der Kohlen entstandenen Schaden zu Lasten des Klägers zu schreiben. Abgesehen davon, daß es auf den Grund, aus dem die Gesellschaft nicht annahm, gar nicht ankommt, muß ein Verschulden der Gesellschaft darin gefunden werden, daß sie bei Schließung des Vertrags vom 1. Oktober die vorhersehbaren Folgen des Streikes außer Berücksichtigung ließ, obwohl, wie sie in ihrem Schreiben vom 25. Oktober selbst erwähnte, der Streik schon feite Mitte September drohte. Zugegeben wird, daß die Gesellschaft erst durch das Schreiben vom 21. Novem­ ber von der Ausscheidung der Kohlen Kenntnis erhielt. Dies ist aber ohne rechtlichen Belang. Die Ausscheidung muß, wenn der Käufer, wie in dem hier gegebenen Falle, die Mitwirkung versagt, immer einseitig vorgenommen werden. Daß der Kläger die Tatsache der erfolgten Aus­ scheidung der Kohlen nicht schon mit deren Angebote be­ kannt zu geben hatte, ergibt sich daraus, daß der Verkäufer, wenn der Käufer, wie hier, von vorneherein bestimmt und ernstlich die Annahmeverweigerung erklärt hat, das

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9. Aufgabe.

Angebot überhaupt unterlassen kann. Selbstverständlich ist, daß, wenn die Gefahr der Sache auf den Käufer über­ geht, der Verkäufer weder die sachliche Unmöglichkeit noch sein Unvermögen zur Leistung zu vertreten hat. Das Gegenteil kann aus § 279 des BGB. nicht gefolgert werden und würde dem Begriffe der Gefahr widersprechen. Die Tatsache, daß der Kläger der Gesellschaft Nachsicht gewährt hat, darf nicht zu seinen Ungunsten ausgelegt werden. Selbstverständlich wollte der Kläger dadurch, daß er den Versteigerungstermin aufschob, nicht die Folgen des Ver­ zugs der Gesellschaft abnehmen und auf sich laden. Dem­ nach ist der Kläger durch den Untergang der für die Gesell­ schaft bestimmten Kohlen von seiner Kieferungspflicht be­ freit worden. Nur vorsorglich wird daher der aus dem Deckungs­ kaufe der Gesellschaft abgeleitete Schadensersatzanspruch be­ kämpft. Vor allem fehlt es an einem schuldhaften Ver­ züge des Klägers. Selbst wenn der Kläger zu einer Nach­ lieferung verpflichtet gewesen wäre, hätte er diese nicht ausführen können, da durch den Brand seine sämtlichen Kohlenvorräte vernichtet worden waren. Andererseits be­ stand für die Gesellschaft nicht der mindeste Anlaß zu einem Deckungskaufe, da sie noch auf lange Zeit genügende Vorräte besaß. Für alle Fälle aber muß die von der Gesellschaft gesetzte Frist als zu kurz bemessen bezeichnet werden. Es kann daher auf den von der Gesellschaft vor­ zeitig vorgenommenen Deckungskauf ein Schadensersatzan­ spruch nicht gegründet werden. Was die zweite Lieferung betrifft, so bringen hier die Beklagten dem Kläger einen Schaden in Anrechnung, den die Gesellschaft selbst verschuldet hat. Nachdem von dieser die Annahme der Sendung verweigert worden war, bestand für den Kläger kein Anlaß, die zu liefernden Kohlen aus­ zuscheiden und zur Ablieferung bereitzustellen; er konnte sich auf ein wörtliches Angebot beschränken. Allerdings hat die Gesellschaft auf das Angebot hin ihre Annahme­ verweigerung zurückgenommen, sie muß sich aber die Fol­ gen der dadurch verursachten Verzögerung gefallen lassen.

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 9. Aufgabe.

Unbegründet ist auch die von den Beklagten verlangte Preisminderung. Es mag sein, daß die der Gesellschaft gelieferten Kohlen am Lagerplatze durch Vermengung mit den dort noch befindlichen Resten des verbrannten Kohlen­ lagers verunreinigt worden waren. Auch soll zur Ver­ meidung von Weitwendigkeiten die Schätzung des von der beklagten Partei zugezogenen Sachverständigen nicht be­ anstandet werden. Alles dies ist aber belanglos. Die Kohlen sind am 18. Februar am Lagerplatze des Klägers durch dessen Vorarbeiter dem von der Gesellschaft mit der Verfrachtung betrauten Frachtführer Mayer übergeben wor­ den und dieser hat sie unbeanstandet übernommen. Auch der Beklagte Schwarz hat als Vertreter der Gesellschaft in seinem Schreiben vom 20. Februar, worin er das Ein­ treffen der Kohlen bestätigte, einen Mangel nicht gerügt, sondern nur allgemein erklärt, daß „er mit den Kohlen nicht ganz zufrieden sei". Die Gesellschaft hat sohin die Ware genehmigt und kann sie nachträglich nicht mehr be­ mängeln. Unter diesen Umständen braucht nicht näher dargelegt zu werden, daß die Art, wie die beklagte Partei die Minderung berechnet, der gesetzlichen Vorschrift nicht entspräche. Der Ansicht, daß durch die am 1. Oktober 1910 ge­ troffene Vereinbarung ein einheitliches Vertragsverhältnis geschaffen worden ist, kann nicht beigestimmt werden. Zwi­ schen der Vereinbarung über die Lieferung der Kohlen und der Vereinbarung Kber die Überlassung des Motors besteht nur insofern ein Zusammenhang, als der für den Motor angeschlagene Wert von dem Kaufpreise für die Kohlen abgerechnet wurde. Daß der Kläger auch, nachdem er die vertragswidrige Beschaffenheit des Motors wahr­ genommen hatte, diesen noch einige Tage benützt hat, wurde vom Kläger der Gesellschaft ausdrücklich bekannt gegeben und geschah, wie schon erwähnt, nur, um eine Betriebs­ störung und die Entstehung größeren Schadens zu ver­ meiden. Der. Umstand, daß der Kläger nicht mehr in der Lage ist, den Motor zurückzugeben, kann nicht gegen den Kläger verwertet werden. Für diesen Umstand hat die

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9. Aufgabe.

Gesellschaft einzustehen, weil er durch ihren Vertreter Schwarz herbeigeführt worden ist und jedenfalls von dem Kläger nicht zu vertreten ist. Dem Aufrechnungsversuche der Beklagten Schwarz und Weiß tritt der Kläger entschieden entgegen. Es wird zugegeben, daß der Kläger den Frachtführer Sorglos beerbt und die Erbschaft angetreten hat. Auch wird zugegeben, daß die Beklagten gegen Sorglos die Forderungen zu 7000 jK> und 1500 jK> in der vom Gegenanwalte ge­ schilderten Weise erworben haben. Ebenso werden die von diesem angegebenen Daten als richtig anerkannt. Indessen ergibt sich aus diesem Tatbestand ohne weiteres, daß die Gegenforderungen der Beklagten Schwarz und Weiß ver­ jährt sind und auch zur Aufrechnung nicht verwendet wer­ den können. Der Rechtsanwalt Falk entgegnete hierauf: Die Ausführungen der Klagepartei sind nicht stich­ haltig. Sie widersprechen sich sogar. Bei der Begründung der Klage wurde Gewicht darauf gelegt, daß die erste Sendung - der Gesellschaft angeboten wurde. Nun wird das Angebot nicht einmal für notwendig erklärt. Bei der ersten Sendung wird der Ausscheidung der Kohlen eine entscheidende Bedeutung beigemessen, bei der zweiten Sen­ dung hält sich der Kläger für berechtigt, von der Aus­ scheidung abzusehen. Für die Annahme eines Verzugs der Gesellschaft soll es auf den Grund des Verzugs über­ haupt nicht ankommen, zum Verzüge des Klägers wird aber Verschulden gefordert. Die Frage, ob ein Verschulden vorliegt, wird willkürlich im Sinne des Klägers entschieden. Darin, daß sich die Gesellschaft in der Hoffnung, der drohende Streik werde nicht ausbrechen, täuschte, wird ein Verschulden der Gesellschaft gefunden. Daß aber der Kläger, nachdem ihm seine sämtlichen Kohlenvorräte ver­ brannt waren, es unterließ, für rechtzeitige Nachschaffung zu sorgen, wird nicht als Verschulden angesehen. Durch derartige Ausführungen werden die Darlegungen der be­ klagten Partei nicht widerlegt. Es genügt daher im einzel­ nen noch Folgendes hervorzuheben. Zugegeben kann wer-

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I. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Aufgabe.

den, daß die Gesellschaft ohire besonderen wirtschaftlichen Nachteil den Deckungskauf hätte unterlassen können. Durch diese Erwägung wird aber das Recht der Gesellschaft nicht beseitigt, ihre Vertragsrechte geltend zu machen. Zugegeben wird, daß der Frachtführer Mayer bei der Abnahme der Kohlen diese nicht beanstandet hat. Es ist aber eine be­ kannte Erfahrung und mit dieser darf auch die Handels­ welt rechnen, daß sich der Frachtführer um die Beschaffen­ heit der Ware nicht kümmert. Richtig ist, daß Schwarz in dem Schreiben die Mangelhaftigkeit der Ware nur mit den Worten „daß er mit den Kohlen nicht ganz zufrieden sei", gerügt hat. Schwarz wählte diese milde Form der Beurteilung der Ware deshalb, um den Kläger bei guter Stimmung zu erhalten und so einen gütlichen Ausgleich wegen des Motors erzielen zu können. Dem Kläger wäre es aber ein leichtes gewesen, durch Befragen seiner Arbeiter den Grund der von Schwarz deutlich zum Ausdrucke ge­ brachten Unzufriedenheit zu erfahren. Hiezu war der Klä­ ger schon aus dem Grunde veranlaßt, weil er verpflichtet war, der Gesellschaft eine vertragsmäßige Ware zu liefern, und er hiebei die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden hatte. Diese hat der Kläger in grober Weise außer acht gelassen; denn er wußte, daß seine Lagerräume nach dem Brande noch nicht genügend gesäubert waren und daß daher bei der Lagerung der Kohlen mit großer Vorsicht vorgegangen werden mußte. Die vom Kläger gegen die Aufrechnung vorgeschützte Einrede der Verjäh­ rung ist offensichtlich unbegründet. Es besteht daher um so weniger Anlaß, hierauf näher einzugehen, als der Tat­ bestand nicht bestritten wird, also nur die Anwendung des Gesetzes in Frage steht. Auf Befragen des Vorsitzenden erklärten die Anwälte, daß sie die tatsächlichen Behauptungen des Gegners, so­ weit sie nicht im Laufe der Verhandlungen ausdrücklich bestritten wurden, als richtig anerkennen und Anträge auf Beweisaufnahme nicht stellen wollen. Der Vorsitzende schloß sodann die mündliche Verhand­ lung und verkündete Beschluß des Gerichts, daß zur Ber-

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

1. Aufgabe,

kündung der Entscheidung Termin auf den 7. Dezember 1911 nachmittags 6 Uhr bestimmt ist.

Die Prüflinge haben die auf Grund der vorstehend geschilderten mündlichen Verhandlung zu erlassende Ent­ scheidung nach Maßgabe der Zivilprozeßordnung zu entwerfen. In den Entscheidungsgründen sind die sämtlichen in den Parteivorträgen geltend gemachten rechtlichen Ge­ sichtspunkte zu würdigen. Die Darstellung des Tatbestandes hat zu unterbleiben.

1. Aufgabe der zweite« Abteil««- der fchriftliche« Prüfung. Arbeitsfrist; 4 Stunden.

Otto Berg, ein württembergischer Staatsangehöriger, geb. am 16. Februar 1883 zu Ludwigsburg, studierte seit dem Wintersemester 1902/1903» an der Universität München die Rechtswissenschaft. Da ihm die Verhältnisse in Bayern gefielen, entschloß er sich dm bayerischen inne­ ren Staatsverwaltungsdienst anzustrebm. Die Erwerbung der bayerischen Staatsangehörigkeit zu diesem Zwecke hielt er mit Rücksicht auf das Gesetz über die Verfassung des Deutschen Reichs nicht für veranlaßt. Er bestand die juristischen Prüfungen der Universität München und beteiligte sich, nach Ableistung des Vorbe­ reitungsdienstes, im Jahre 1909 in München, wo er sich seit dem Wintersemester 1902/03 immer aufgehalten hatte, an der zweiten Prüfung für den höheren Justiz- und Ver­ waltungsdienst. Das Ergebnis dieser Prüfung wurde ihm am 25. April 1910 amtlich bekannt gegeben. Noch am gleichen Tage meldete er sich bei dem K. Staatsministerium des Innern in .München als Bewerber um Anstellung im höheren Dienste der inneren Staatsverwaltung an, worauf er durch Min.-Entschl. vom 28. April 1910 mit sofortiger Wir-

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

1. Aufgabe,

kung zum Verwaltungsdienst vorläufig zugelassen und dem K. Bezirksamte Starnberg zur Dienstleistung zugewiesen wurde. Am 1. August 1910 erging an ihn eine Ent­ schließung des genannten Staatsministeriums des Inhalts, daß er zum Verwaltungsdienst endgültig zugelassen sei und seine Dienstleistung bei dem Bezirksamte Starnberg bis auf weiteres fortzusetzen habe. Am 25. Juli 1911 wurde er vom Staatsministerium des Innern an die K. Regierung von Oberbayern, Kammer des Innern, zur weiteren Fortsetzung des Dienstes vom 1. August 1911 ab einberufen. Den Dienst zu Starnberg hat Berg am 1. Mai 1910, den bei der Regierung von Oberbayern am 1. August 1911 angetreten. Am 20. August 1911 machte er einen Aus­ flug ins Hochgebirge, wobei er abstürzte und schwer ver­ letzt wurde. Man brachte ihn in seine Wohnung zu Starn­ berg, die er in diesem Zeitpunkte noch nicht aufgegeben hatte. Die vorläufige Beibehaltung der Wohnung hatte er dem K. Regierungspräsidium angezeigt. Zur Dienst­ leistung bei der Regierung war er täglich von Starnberg aus nach München gereist. Eine Erinnerung hatte das Regierungspräsidium, weil dieses Verhältnis nur bis 1. Ok­ tober 1911 fortdauern sollte, nicht erhoben. Die Ärzte stellten nach kurzer Zeit fest, daß der Ver­ unglückte zwar mit dem Leben davon kommen, auch hin­ reichende .Selbstbestimmungsfähigkeit wieder erlangen, zu jeder körperlichen oder anstrengenden geistigen Tätigkeit aber dauernd unfähig bleiben werde. Da sich auch als­ bald ergab, daß Otto Berg, der keine unterhaltspflichtigen Verwandten hatte, kein Vermögen besaß und dauernd außerstande war, ohne fremde Hilfe sein Fortkommen zu finden, wurde von dem Wohnungsgeber die Hilfeleistung der Armenpflege Starnberg für ihn in Anspruch genommen und bon dieser auch in der Weise betätigt, daß sie den Wohnungsgeber zur Verpflegung Bergs auf Kosten der Armenkasse bis auf weiteres ermächtigte. Mes gab der Gemeindeverwaltung Starnberg Veranlassung beim Be­ zirksamte Starnberg zu beantragen, daß dem Hilfsbedürf-

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

1. Aufgabe,

tigen die Fortsetzung des Aufenthalts in Starnberg ver­ sagt werde. Diesen Antrag begründete die Gemeindeverwaltung wie folgt: Als Heimatgemeinde Bergs und zu seiner armen­ gesetzlichen Unterstützung endgültig verpflichtet werde wohl München anzusehen sein, da jener als Akzessist der ober­ bayerischen Kreisregierung Beamter im Sinne des Be­ amtengesetzes sei, was aus der Min.-Bek. vom 8. Juni 1909 GVBl. S. 386 ff., ohne weiteres hervorgehe. Da Berg Beamter sei, habe er ein Amt und einen Amtssitz und zwar diesen letzteren zweifellos in München. Er werde deshalb als angestellt im Sinne des Heimatgesetzes zu gelten haben. Seine Anstellung werde auch als eine schon definitive im Sinne dieses Gesetzes anzuerkennen fein; denn seine Zulassung zum Verwaltungsdienste sei nach der Mini­ sterialentschließung vom 1. August 1910 eine endgültige. Als Regierungsakzessist unterliege Berg nach den bestehen­ den Bestimmungen in bezug auf Dienstaufsicht und Dis­ ziplin den Vorschriften des Beamtengesetzes; auch habe er den nämlichen, auch für alle späteren Ämter gültigen Be­ amteneid zu leisten wie die andern unter das Beamtengesetz fallenden bayerischen Staatsdiener. Endlich sei auch der Dienst der Regierungsakzessisten bei späteren Ruhe­ gehaltsfestsetzungen als Dienstzeit ohne weiteres anzu­ rechnen. Das Bezirksamt Starnberg vernahm zunächst den Stadtmagistrat München, ob er die Heimat des Verun­ glückten in München anerkenne und bereit sei, diesen im Falle der Wegweisung aus Starnberg zu übernehmen. Der Stadtmagistrat lehnte dies mit der Begründung ab, daß Berg kein Beamter oder Diener des Staates im Sinne des Heimatgesetzes sei. Überdies sei er auch nicht im Be­ sitz der bayerischen Staatsangehörigkeit; denn er habe sich in den bayerischen Staatsverband weder ausdrücklich auf­ nehmen lassen noch habe er die Staatsangehörigkeit in Bayern auf andere Weise erworben. Andererseits habe Berg die Württembergische Staatsangehörigkeit bisher nicht

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

1. Aufgabe,

verloren und werde deshalb im Ausweisungsfalle von Württemberg zu übernehmen sein. Nunmehr trat das Bezirksamt Starnberg mit der K. Württembergischen Regierung des Neckarkreises in Lud­ wigsburg wegen der Übernahme des Verunglückten in Ver­ handlung. Der Übernahmeantrag wurde abgelehnt, weil Berg in seiner Eigenschaft als bayerischer Regierungsakzessist jedenfalls bayerischer Staatsangehöriger sei. Er habe zwar die Württembergische Staatsangehörigkeit nicht verloren, wohl aber sei seine Aufnahme in den bayerischen Staatsverband dadurch erfolgt, daß er von dem K. baye­ rischen Staatsministerium des Innern in den bayerischen Verwaltungsdienst, und zwar in Beamteneigenschaft, end­ gültig ausgenommen worden sei. Die endgültige Zulassung erweise sich als eine Bestallung im Sinne des Reichsgesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes­ und Staatsangehörigkeit. Von einem Vorbehalt bezüg­ lich der Staatsangehörigkeit des Berg sei in der Urkunde nichts zu finden. Habe jener keine Heimat in einer baye­ rischen Gemeinde erworben, so werde er wohl als heimat­ loser bayerischer Staatsangehöriger, den Württemberg im Hinblick auf den Gothaer Vertrag nicht zu übernehmen brauche, einer bayerischen Gemeinde als vorläufiger Hei­ matgemeinde zuzuweisen sein. Wegen Bergs Beamten­ eigenschaft werde als diese Gemeinde wohl München in Betracht kommen. Mit Rücksicht auf diese Ablehnung und ihre Be­ gründung veranlaßte das Bezirksamt Starnberg auch die Äußerung des Fiskalats der Regierung von Oberbayern. Dieses erklärte, daß Regierungsakzessist Berg die bayerische Staatsangehörigkeit nach den Vorschriften des Bundes­ und Staatsangehörigkeitsgesetzes nicht erworben habe, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür nicht gegeben seien, insbesondere die Ministerialentschließung vom 1. August 1910 nicht als Anstellungsurkunde zu erachten sei. Im übrigen besitze Berg noch die Württembergische Staats­ angehörigkeit. Diese Tatsache und der von der zuständigen bayerischen Behörde gestellte Übernahmeantrag seien aus-

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

1. Aufgabe,

reichend, um Württemberg zur alsbaldigen Übernahme des Berg zu verpflichten. Nur dessen Württembergische Staats­ angehörigkeit stehe dermalen fest; darüber, ob er auch Bayer sei, werde noch gestritten. Die Austragung dieses Streites brauche Bayern nicht abzuwarten. § 1 lit. b des Gothaer Vertrags beziehe sich nur auf vormalige, nicht auch auf noch dermalige Angehörige der um Übernahme angegange­ nen Staaten und könne sonach dem Übernahmeantrag über­ haupt nicht entgegen gehalten werden. Es werde deshalb mit der Kreisregierung zu Ludwigsburg wohl neuerdings zu verhandeln sein. Gegen die Anweisung einer vorläufi­ gen Heimat für Berg habe das Fiskalat nichts einzuwen­ den, wenn jene Maßnahme nötig sei. Es werde jedoch nicht München sondern Starnberg als vorläufige Heimat des Hilfsbedürftigen in Betracht kommen. Das Bezirksamt Starnberg verhandelte zwar noch­ mals mit der Württembergischen Regierung, diese ließ sich aber durch die Ausführungen des Fiskalats von ihrer früheren Stellungnahme nicht abbringen und bestritt die Berechtigung des Bezirksamts, ohne Zustimmung der Würt­ tembergischen Regierung den Berg nach Württemberg zu schaffen. Nunmehr vernahm das Bezirksanlt auch den Verun­ glückten selbst, der inzwischen vernehmungsfähig geworden war. Er erklärte, von jeher der Anschauung gewesen zu sein, daß er als Deutscher im Hinblick auf die Vorschriften der Reichsverfassung ein öffentliches Amt in Bayern auch erlangen könne, ohne seine frühere Staatsangehörigkeit aufzugeben und die bayerische zu erwerben. Er habe des­ halb mit Absicht um die Entlassung aus dem Württem­ bergischen Staatsverband nicht nachgesucht; seiner Ansicht nach sei er jetzt noch „Württemberger. Dagegen glaube er allerdings durch seine endgültige Zulassung zum Verwal­ tungsdienst auch die bayerische Staatsangehörigkeit erwor­ ben zu haben, so daß er nunmehr eine doppelte Staats­ angehörigkeit besitze. Im übrigen sei er dermalen noch bayerischer Regierungsakzessist, also bayerischer Beamter, und könne wohl schon aus diesem Grunde aus Bayern

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n. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 2. Aufgabe,

nicht weggewiesen werden. Er unterstehe der sog. Residenz­ pflicht und müsse schon um dieser Pflicht zu genügen gegen seine Heimlieferung nach Württemberg protestieren. Gegen seine Verbringung nach München, sobald er transport­ fähig sei, habe er jedoch nichts einzuwenden. Zu bemerken ist noch, daß die Dienstauflichtsbehörde des Regierungsakzessisten Otto Berg dem Staatsministe­ rium des Innern von dessen schwerer Erkrankung und der Anschauung der Ärzte über den Ausgang des Heilver­ fahrens alsbald Anzeige erstattet und das Staatsministe­ rium in dem Zeitpunkte, in dem das Bezirksamt Starn­ berg die Verhandlungen abschloß, um die Sache zu erledi­ gen, zu dem Falle noch keine Stellung genommen hatte.

Aufgabe. 1. Wie ist bezüglich der Heimat- und Staatsange­ hörigkeitsfrage und wie ist bezüglich des Wegweisungs­ antrags der Gemeindeverwaltung Starnberg zu ent­ scheiden? Die Entscheidungen sind zu begründen, wobei das ge­ samte Vorbringen der Beteiligten eingehend zu würdigen ist. Auf die Kosten- und Gebührenfrage braucht nicht ein­ gegangen zu werdm. 2. Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn das König­ reich Bayern dem Geltungsbereich des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz (Reichsges.-Bl. 1908 S. 381) angehören würde?

2. Aufgabe der zweite« Abteil««g der schriftliche« Prüfung. 1. Unteraufgabe.

Arbeitrfrist: 2 Stunden.

Die im Patronat des Freiherrn Karl von Hohenstein stehende katholische Pfarrei Bergstadt wurde auf Grund eines von dem Freiherrn von Hohenstein ausgestellten Patronatsreverses mit Allerhöchster Entschließung vom

136

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 2. Aufgabe.

5. Oktober 1911 dem Pfarrer Nikolaus Keller in Gailbach seinem Ansuchen entsprechend übertragen. Das Notifikationsdekret vom 12. Oktober 1911 wurde dem Pfarrer Keller am 20. gl. Mts. zugestellt. Hinsichtlich der Pfarrei Gallbach steht das Präsen­ tationsrecht dem Gutsbesitzer Grafen Hans von Belten zu. Graf von Velten, dem durch die Kreisregierung, Kam­ mer des Innern, von der Übertragung der Pfarrei Berg­ stadt an Pfarrer Keller Kenntnis gegeben wurde, stellte unterm 1. November 1911 dem Kaplan Alois Scherer in Angersdorf eine Präsentationsurkunde auf die Pfarrei Gallbach aus, die Kaplan Scherer ungesäumt dem bischöf­ lichen Ordinariate mit der Bitte um kanonische Einsetzung vorlegte. Am 5. November 1911 richtete Pfarrer Keller, dem die Institution auf die Pfarrei Bergstadt noch nicht erteilt war, an die .Kreisregierung, Kammer des Innern, ein Gesuch, in dem er um Enthebung vom Antritte der Pfarrei Bergstadt bat, da er nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung gekommen sei, daß seine durch Alter und Krankheit geschwächten Kräfte den Anstrengungen der schwer zu pastorierenden Pfarrei Bergstadt nicht gewachsen seien. Das bischöfliche Ordinariat, dem dieses Gesuch zuge­ leitet wurde, befürwortete dessen Genehmigung und über­ sandte zugleich der Kreisregierung, Kammer des Innern, die vom Grafen von Belten dem Kaplan Scherer ausge­ stellte Präsentationsurkunde mit dem Beifügen, daß im Falle der Genehmigung des Gesuches des Pfarrers Keller die Präsentation wohl hinfällig sei. Die Kreisregierung, Kammer des Innern, richtete sodann an den Grafm von Belten die Anfrage, ob er Mr den Fall, daß Pfarrer Keller vom Antritte der Pfarrer Bergstadt enthoben werde, die Präsentation des KaplanScherer zurücknehme. Graf von Belten erwiderte, daß er unter allen Umständen auf der Präsentation beharre. Durch die Übertragung der Pfarrei Bergstadt habe Pfarrer Keller seine bisherige Pftünde verloren und könne diese

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 2. Aufgabe,

nur im Wege einer Neuverleihung erhalten. Die hiezu erforderliche Präsentation werde er dem Pfarrer Keller nicht erteilen, da für die Pfarrei Gallbach eine jüngere Kraft erforderlich sei. Inzwischen hatte unterm 20. November 1911 Frei­ herr von Hohenstein eine Vorstellung an die Kreisregierung, Kammer des Innern, gerichtet, in der für bett Fall der Genehmigung der Enthebungsbitte des Pfarrers Keller Verwahrung gegen eine nochmalige Verleihung der Pfarrei Bergstadt durch den Landesherrn eingelegt wurde. Zur Begründung wurde geltend gemacht, daß dem Landesherrn auf Grund des Patronatsreverses nur eine einmalige Ver­ gebung der Pfarrei zukomme. Mit der Übertragung der Pfarrei Bergstadt an den Pfarrer Keller sei die auf den Patronatsrevers sich stützende landesherrliche Vergebungs­ befugnis erschöpft. Werde Pfarrer. Keller vom Antritte der Pfarrei Bergstadt enthoben, so sei eine neue Besetzung dieser Pfarrei erforderlich und hiefür werde das Präsen­ tationsrecht des Patrons in Anspruch genommen. Im Anschlüsse hieran teilte Freiherr von Hohenstein der Kreisregierung mit, daß er für den Fall der Genehmi­ gung der Enthebungsbitte des Pfarrers Keller den Benefiziaten Philipp -Kugler in Eichelsfeld auf die Pfarrei Berg­ stadt zu präsentieren gedenke. Das bischöfliche Ordinariat, dem die Antwort des Grafen von Velten und die Vorstellung des Freiherrn von Hohenstein von der Kreisregierung, Kammer des Innern, mitgeteilt wurden, bezeichnete die erhobenen Prä­ sentationsansprüche als unbegründet und nahm hinsichtlich der Personalvorschläge für die Neubesetzung der Pfarrei Gallbach auf sein früheres, vor der Übertragung dieser Pfarrei an Pfarrer Keller erstattetes Gutachten Bezug. Aufgabe: 1. Kann der Enthebungsbitte des Pfarrers Keller stattgegeben werden? 2. Unter der Annahme, daß der Enthe­ bungsbitte entsprochen werden kann und wird, ist die hieraus sich ergebende Rechts-

140

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 2. Aufgabe.

läge hinsichtlich der beiden Pfarreien Gallbach und Bergstadt zu würdigen, wobei namentlich auch die Einwendungen der beiden Patrone auf ihre Berechtigung zu prüfen sind.

2. Aufgabe der zweite« Abteil««- der schriftlichen Prüfung. 2. Unteraufgabe.

Arbeit-frist: 2 Stunden.

Mit Urkunde des K. Notariats N. vom 17. August 1908 hat das K. Forstärar das dem Gutsbesitzer vonR. gehörige Gut Althof käuflich erworben. Durch diesen Kauf ist laut ausdrücklicher Bestimmung in dem Vertrag auch das Präsentationsrecht bezüglich der Pfarrei Althof an das Forstärar übergegangen. Am 11. November 1910 ist die Pfarrei Althof durch den Tod des bisherigen In­ habers erledigt worden. Die K. Regierung, Kammer des Innern, die am 18. November 1910 durch einen bezirks­ amtlichen Bericht von der Pfarreierledigung Kenntnis er­ hielt, richtete unterm 21. November 1910 an die K. Re­ gierungsforstkammer das Ersuchen, für die Pfarrei einen geeigneten Bewerber zu präsentieren. Die Regierungsforstkammer stellte hierauf der Kam­ mer des Innern anheim, zunächst eine Weisung des K. Staatsministeriums des Innern für Kirchen- und Schul­ angelegenheiten über das bei der Präsentation zu beob­ achtende Verfahren zu erholen.

Aufgabe. 1. In welchem Sinne wird das K. Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten im Be­ nehmen mit dem K. Staatsministerium der Finanzen die Anfrage der K. Regierung, Kammer des Innern, beant­ wortet haben? 2. Würde eine Änderung in der Rechtslage einge-

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 3. Aufgabe,

treten sein, wenn der normale Verlauf der Angelegenheit in folgender Weise gestört worden wäre: Die Ausfertigung der die Anfrage der Regierung, Kammer des Innern, beantwortenden Ministerial-Entschließung ging bei der Beförderung durch die Post durch ein zufälliges Ereignis verloren. Da weder vom bischöf­ lichen Ordinariate noch von anderer Seite die Besetzung der Pfarrei Althof in Erinnerung gebracht wurde, kam die K. Regierung, Kammer des Innern, erst mit dem Bericht vom 25. März 1911 beim K. Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten auf die seinerzeitige Anfrage zurück und erhielt sodann am 1. April 1911 eine neue Ausfertigung der zu Verlust gegangenen Ministerial-Entschließung, worauf dann die weiteren Schritte zur Besetzung der Pfarrei Althof eingeleitet wurden.

3. Aufgabe der zweite« Abteilung der schriftliche« Prüfung. Arbeitsfrist: 4 Stunden.

I. Der Bierbrauer Alfons Meier besitzt in der im rechts­ rheinischen Bayern gelegenen Landgemeinde A, K. Bezirks­ amts B, eine Brauerei und in der an diese Gemeinde an­ grenzenden unmittelbaren Stadt C einen Lagerkeller, Hs.Nr. 144 an der Müllerstraße, auf dem er bisher unbean­ standet in eigener Person unter Beihilfe seiner Familien­ angehörigen sein selbstgebrautes Bier ausgeschenkt hat. Nach dem Tode seiner Ehefrau und der Verehelichung seiner einzigen Tochter verzog Meier am 15. August 1911 nach A. Zugleich übertrug er den Bierausschank auf seinem Lagerkeller seinem früheren Brauburschen Johann Dachs und dessen Ehefrau Maria. In dem zwischen Meier und den Dachs'schen Eheleuten abgeschlossenen Vertrage war be­ stimmt:

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IJ. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 3. Aufgabe.

„Johann und Maria Dachs übernehmen vom 15. Au­ gust 1911 an den Bierausschank auf dem Lagerkeller des Bierbrauereibesitzers Alfons Meier in C. Sie haben am Schluffe jeden Monats Abrechnung zu stellen und die Gesamtreineinnahme aus dem Bieraus­ schank auf dem Lagerkeller an Meier abzuliefern. Johann und Maria Dachs erhalten einen Monats­ bezug von 100 M> sowie freie Wohnung, Beheizung und Beleuchtung in dem Nebenhause des Lagerkellers. Der Vertrag ist zum 1. jeden Monats unter Einhal­ tung einer 14tägigen Kündigungsfrist kündbar." Am 20. August 1911 legte Meier dem Stadtmagistrat C eine Abschrift des obigen Vertrages mit der Bitte vor, ihm bekannt zu geben, ob gegen seine Abmachungen eine Erinnerung bestehe. Der Stadtmagistrat C stellte zunächst fest, daß die persönlichen Verhältnisse der Eheleute Dachs zu Beanstan­ dungen in keiner Hinsicht Anlaß geben. Weiter ließ er die Wirtschaftsräume des Lagerkellers durch den Stadtbaurat einsehen, der die Einrichtung einer Ventilationsanlage in den Wirtschaftsräumen des Erdgeschosses und die Schaffung eines Notausgangs aus dem Saal im I. Stock unmittelbar ins Freie unterm 15. September 1911 begutachtete. Für dieses Gutachten liquidierte der Stadtbaurat dem für ihn bestehenden Tarif entsprechend 20 Der Bezirksarzt schloß sich dem ebenerwähnten Gutachten an. Am 1. Oktober 1911 faßte der Stadtmagistrat C fol­ genden Beschluß: 1. Den Brauburschenseheleuten Johann und Maria Dachs wird die persönliche Erlaubnis zum Ausschank von Bier aus der Meier'schen Brauerei in A auf dem Lager­ keller Hs.-Nr. 144 an der Müllerstraße in C erteilt. 2. Der Brauereibesitzer Alfons Meier hat binnen 3 Monaten eine Ventilationsanlage nach den näheren An­ gaben in dem Gutachten des Stadtbaurats vom 15. Sep­ tember 1911 in den Wirtschaftsräumen im Erdgeschoß des Lagerkellers einzurichten und aus dem Saal im I. Stock einen Notausgang unmittelbar ins Freie anzulegeu.

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 3. Aufgabe.

3. Der Brauereibesitzer Alfons Meier in A hat eine besondere Abgabe von 100 M zu entrichten. 4. Die Kosten des Verfahrens einschließlich einer Be­ schlußgebühr von 10 M fallen dem Branereibesitzer Alfons Meier zur Last.

In der Begründung des Beschlusses wurde ausgeführt: Gegen die Konzessionserteilung an die Eheleute Dachs be­ stünden in persönlicher Hinsicht keine Bedenken. Die Be­ dürfnisfrage sei nicht zu würdigen gewesen, da es sich um den Ausschank des von einem Brauer selbsterzeugten Bieres auf dessen als solchem anerkannten Lagerkeller handle. Die Anforderungen gegenüber dem Eigentümer des Lagerkellers wegen der Verbesserung der Wirtschaftsräume seien aus gewerbe-, gesundheits- und sicherheitspolizeilichen Gründen geboten. Die Inanspruchnahme einer besonderen Abgabe mit 100 Md rechtfertige sich nach den einschlägigen Be­ stimmungen des Gebührengesetzes neuester Fassung und außerdem um deswillen, weil Meier als Besitzer des Lager­ kellers allen durch Gesetz und Verordnung festgestellten Verpflichtungen der Inhaber von Wirtschaftsbetrieben unterliege. Die Kosten des Verfahrens und die Beschluß­ gebühr seien dem Meier als dem veranlassenden Teil auf­ erlegt. Ausfertigung des Beschlusses wurde bcm Johann und der Maria Dachs, dann dem Alfons Meier je am 10. Ok­ tober 1911 ohne weitere Bemerkung gegen Postzustellungs­ urkunde zugestellt. Der Ausfertigung für Meier lag eine Abschrift des technischen Gutachtens vom 15. September 1911 bei. Am 20. Oktober 1911 kam nachfolgende Eingabe in den Einlauf des Stadtmagistrats C. „A., am 19. Oktober 1911.

An die K. Regierung, Kammer des Innern, in D. Gegen den Beschluß des Stadtmagistrats C vom 1. Oktober 1911 erhebe ich hiermit Beschwerde. Ich bitte die K. Regierung den Beschluß in allen seinen Teilen außer Wirksamkeit zu setzen. Eine Konzessions-

10*

148

n. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 3. Aufgabe, erteilung an die Eheleute Dachs ist von niemand be­ antragt worden. Sie sind nur meine Geschäftsführer. Die Konzessionserteilung beeinträchtigt meine Rechte als Eigentümer des Lagerkellers. Forderungen wegen der Verbesserung der Wirt­ schaftsräume des Lagerkellers können an mich über­ haupt nicht gestellt werden. Ich betreibe den Lager­ kellerausschank unbeanstandet seit 20 Jahren. Auch bei konzessionierten Wirtschaften können Auflagen we­ gen der Beschaffenheit der Wirtschastsräume nach Er­ teilung der Konzession nicht mehr gemacht werden. Ich lasse mich auf gar nichts ein. Die Erhebung einer besonderen Abgabe für den Betrieb von Lagerkellern ist unzulässig. Wie man mir hier Kosten des Verfahrens oder eine Beschlußgebühr auferlegen kann, verstehe ich nicht. Alfons Meier."

Die Eheleute Dachs gaben auf die Zustellung des Be­ schlusses des Stadtmagistrats C vom 1. Oktober 1911 und einer Abschrift der Beschwerde vom 19. Oktober 1911 keine Antwort. Weitere Parteierklärungen wurden der K. Regierung in D gegenüber nicht abgegeben.

In dem Vorlagebericht vom 1. November 1911 hatte der Stadtmagistrat C dringend gebeten, seinen Beschluß aufrecht zu erhalten. Ein anderer als der von ihm ein­ geschlagene Weg stehe nicht offen, um eine entsprechende Instandsetzung der Wirtschastsräume auf dem Lagerkeller zu erzwingen. Meier lasse alle bezüglichen polizeilichen Aufforderungen unbeachtet.

Aufgabe. Die Beschwerde ist in der hiefür vorgeschriebenen Form zu verbescheiden. Als Tatbestand gilt die Aufgabe. Bei der Bearbeitung sind alle in der Aufgabe be­ rührten Fragen und die sonstigen bei der Würdigung der Sache sich ergebenden rechtlichen Gesichtspunkte unter An-

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II: Abteilung der schriftlichen Prüfung. 4. Aufgabe,

gäbe der einschlägigen gesetzlichen und anderen Vorschriften eingehend zu würdigen. Die objektive Notwendigkeit der in Ziff. II des Be­ schlusses des Stadtmagistrats C gemachten Auflagen ist an­ zuerkennen. II. Auf welchem Wege und unter Beteiligung welcher Fak­ toren können die zurzeit im rechtsrheinischen Bayern gelten­ den Bestimmungen über den Ausschank selbsterzeugten Bieres durch die Brauer auf ihren Lagerkellern geändert oder aufgehobm werden? Die Antwort ist unter Angabe der einschlägigen Nor­ men eingehend zu begründen.

4. Aufgabe der zweite« Abteilung verschriftliche« Prüfung. Arbeittfrist: 4 6tunben.

In der mittelbaren Stadt Bergen bestehen eine mit sieben weltlichen Lehrkräften besetzte katholische Knaben­ volksschule, eine von klösterlichen Lehrkräften geführte siebenklassige katholische Mädchenvolksschule und eine erst im Jahre 1907 errichtete, nur mit einer Lehrkraft besetzte protestantische Volksschule. Der Sprengel der beiden katho­ lischen Schulen umfaßt die Stadtgemeinde Bergen mit Aus­ nahme des nur von Protestanten bewohnten, in die prote­ stantische Schule Neuses eingeschulten Schloßgutes Wald, ferner Bestandteile der Nachbargemeinden Hof und Grün mit zusammen 50 Einwohnern. Die protestantische Schule in Bergen ist nur für die im Stadtbezirke Bergen, — aus­ genommen das Schloßgut Wald — wohnenden protestan­ tischen Schulpflichtigen errichtet, Bestandteile umliegender Gemeindm sind nicht eingeschult. Der Stadtbezirk Bergen hat 5014 Einwohner, davon sind 4764 katholisch und 250 protestantisch, das Schloßgut Wald hat 65 Einwohner.

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 1. Aufgabe.

Der gesamte persönliche und sächliche Bedarf der beiden katholischen Schulen in Bergen ist bisher vom bayerischen Staatsärar als Rechtsnachfolger der säkularisierten ehe­ maligen reichsunmittelbaren Klosterabtei Bergen bestritten worden. In den letzten Jahrzehnten sind in Bergen In­ dustrie-Unternehmungen entstanden, die Einwohnerzahl hat rasch zugenommen. Infolge der Bildung neuer Schul­ klassen, der Aufstellung weiterer Lehrkräfte und der Bereit­ stellung neuer Schullokale ist der Schulbedarf erheblich ge­ stiegen. Die treffende K. Regierungsfinanzkammer hat wiederholt erklärt, daß der durch das Anwachsen der Be­ völkerung und durch den Ausbau der Schulen in Bergen entstehende Mehrbedarf nur vorläufig, unter Ablehnung jeder rechtlichen Verpflichtung des Staatsürars aus der Staatskasse bestritten werde; die Austragung der Frage über den Umfang der ärarialischen Leistungspflicht auf dem Rechtswege müsse üorbetjalteit werden. Zum Bedarf der protestantischen Volksschule in Bergen hat die dortige protestantische Kirchengemeinde aus Grund rechtsgültig übernommener Verpflichtung einen Zuschuß von jährlich 500 M zu leisten. Mit den L>chulstellen in Bergen sind Nebendienste, deren Ertrag in das Schuldienst­ einkommen einzurechnen ist, nicht verbunden. Anfangs März 1911 stellte das Lehrpersonal der katholischen Knabenschule und der protestantischen Schule an den Stadtmagistrat Bergen Antrag auf Erlassung eures Ortsstatuts zur Regelung der Gehaltsverhältnisse des Volksschullehrpersonals. Dabei wurde gebeten, den An­ fangsgehalt für Volksschullehrer rmter Einrechnung der auf 600 M zu bemessenden Wohnungsentschädigung auf 2100 M festzusetzen und den Volksschullehrern 6 Gehalts­ vorrückungen zu je 200 M in Zwischenräumen von 3 zu 3 Jahren aus der Schulkasse zu gewähren. Am 10. März 1911 beschloß der Stadtmagistrat Bergen: Der Anfangsgehalt für den jeweiligen, an der prote­ stantischen Volksschule angestellten Volksschullehrer wird auf 1800 M. festgesetzt; auf diesen Anfangsgehalt kommt

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 4. Aufgabe,

der Anschlag der vorhandenen Dienstwohnung nach dem ortsüblichen Mietpreise mit jährlich 500 in Anrech­ nung. Dem jeweiligen Volksschullehrer werden aus der Schulkasse 4 Gehaltsvorrückungen zu je 100 M> in Zwi­ schenräumen von je 4 Jahren gewährt; dabei kommt nur die in Bergen verbrachte Dienstzeit in Anrechnung. In der Sitzung des verstärkten Stadtmagistrats Ber­ gen vom 15. März 1911, zu welcher alle Mitglieder in der üblichen Weise geladen und mit Ausnahme der Ver­ treter der Gemeinden Hof und Grün erschienen waren, wurde beschlossen: Für das Lehrpersonal der katholischen Knabenvolks­ schule Bergen wird das aus der Staatskasse zu bestreitende Diensteinkommen ortsstatutarisch wie folgt geregelt:

I. Anfangsgehalte: für Volksschullehrer 2000 M>., „ Schulverweser .................... 1440 „, „ Hilfslehrer.......................... 1200 „ . Die in diese Änfangsgehalte eingerechneten Wohnungs­ entschädigungen werden bemessen: für Volksschullehrer mit 500 M>., „ Schulverweser „ 240 „, „ Hilfslehrer „ 180 „ . II. Gehaltsvorrückungen: für Volksschullehrer 6 Vorrückungen zu je 150 M> nach je 3 Jahren, für Schulverweser 2 Vorrückungen zu je 100 JK> nach je 3 Jahren. Die außerhalb Bergen zugebrachte Dienstzeit wird auf die Bemessung der Vorrückungen nicht angerechnet.

III. Namens der am Schulsprengel Bergen beteiligten Gemeinden wird jede gemeindliche Leistung zu dem statuta­ rischen Diensteinkommen des katholischen Volksschullehr­ personals abgelehnt, dieses Einkommen ist vielmehr wie das bisherige Einkommen des Lehrpersonals ausschließlich vom Staatsärar aufzubringen.

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

4. Ausgabe.

Am 25. März 1911 faßte das Kollegium der Ge­ meindebevollmächtigten der Stadt Bergen folgenden Be­ schluß: 1. Dem Beschlusse des Stadtmagistrates Bergen vom 10. März 1911 wird nicht zugestimmt, weil die Stadt­ gemeinde Bergen nicht verpflichtet ist, das Diensteinkom­ men des Volksschullehrpersonals ortsstatutarisch zu regeln; es zählt nämlich weder der Sprengel der katholischen Volks­ schulen noch der Bezirk der protestantischen Volksschule 5000 Einwohner. Die freiwillige Errichtung eines Orts­ statuts auf Kosten der Stadtgemeinde ist mit Rücksicht auf deren Finanzlage ausgeschlossen. 2. Die K. Regierung wird gebeten, das vom verstärk­ ten Stadtmagistrate Bergen unterm 15. März 1911 auf­ gestellte Ortsstatut nicht oder doch erst dann zu genehmigen, wenn feststeht, daß die Durchführung des Ortsstatuts keiner­ lei finanzielle Belastung für die Stadtgemeinde Bergen zur Folge haben wird und kann. Auch für letzteren Fall muß sich das Kollegium etwaige Änderungen am Entwürfe des Statuts vor Erteilung seiner Zustimmung Vorbehalten, denn es hat ein Interesse daran, daß der Unterschied in der Besoldung des katholischen und des protestantischen Lehrpersonals nicht zu groß wird. Am 30. März 1911 traf beim K. Bezirksamte A. beglaubigte Abschrift eines Beschlusses des Gemeindeaus­ schusses Hof vom 29. März 1911 ein, inhaltlich dessen gegen den Beschluß des verstärkten Stadtmagistrates Bergen vom 15. März 1911 Beschwerde eingelegt wird, weil die beschlossene Erhöhung der Lehrergehälter zur finanziellen Heranziehung der Gemeinde Hof führen könne, wenn etwa das Staatsärar nicht verpflichtet wäre, den entstehenden Mehrbedarf zu bestreiten. Das K. Bezirksamt wies die Beschwerde mit Verfügung vom 3. April 1911 als ver­ spätet zurück. Hiegegen reichte der Gemeindeausschuß Hof unterm 10. April 1911 beim K. Bezirksamte A. beschluß­ mäßige Beschwerde zur K. Regierung, Kammer des Innern, ein und führte zur Begründung aus: Die beiden gemeind­ lichen Vertreter sind infolge Erkrankung verhindert ge-

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

4. Ausgabe,

wesen, an der Sitzung des verstärkten Stadtmagistrates Bergen vom 15. März teilzunehmen. Die beiden Vertreter haben auch nicht gewußt, daß eine so wichtige Angelegen­ heit beraten werden solle, eine Tagesordnung ist bei -er Einladung nicht mitgeteilt worden. Bisher seien in den sehr seltenen Sitzungen des verstärkten Stadtmagistrates Bergen nie wichtige Angelegenheiten behandelt worden, man habe nur immer zugestimmt, daß der Staat die Kosten jeder Neueinrichtung zu tragen habe. Wäre mit der Ladung zur Sitzung des verstärkten Stadtmagistrates Bergen vom 15. März 1911 auch die Tagesordnung bekanntgegeben worden, so hätte der Gemeindeausschuß Hof Verlegung der Beratung beantragt, um die Teilnahme seiner Vertreter zu ermöglichen. Der Bürgermeister von Hof habe zufällig den Inhalt des Magistratsbeschlusses vom 15. März 1911 erfahren und die sodann erbetene Abschrift des Beschlusses erst am 28. März 1911 erhalten. Das K. Bezirksamt A. eröffnete dem Stadtmagistrate Bergen, daß die Beschlüsse vom 10. und 15. März noch der Ergänzung durch Regelung des Diensteinkommens von Bolksschullehrerinnen, Schulverweserinnen, Hilfslehrerin­ nen und von nicht angestellten sondern nur vorübergehend zur Aushilfe verwendeten Lehrkräften bedürften. Hierauf er­ widerte der Stadtmagistrat Bergen, er halte die angeregte Ergänzung der vorgelegten Beschlüsse für entbehrlich, weil an der katholischen Knabenvolksschule und an der unge­ teilten protestantischen Schule nach gesetzlicher Vorschrift weibliche Lehrkräfte überhaupt nicht verwendet werden dürf­ ten, dann weil die den Aushilfe-Lehrkräften zu gewährende Entschädigung gesetzlicher Vorschrift zufolge jeweils von Fall zu Fall durch die Kreisregierung festzusetzen sei. Das Lehrpersonal der katholischen Knabenschule und der protestantischen Schule wurde durch das K. Bezirksamt von den Beschlüssen des Stadtmagistrats, des verstärtten Stadtmagistrats und des Kollegiums der Gemeindebevoll­ mächtigten verständigt und faßte seine Erinnerungen in einer gemeinsamen Eingabe zusammen, welche mit der Bitte um Vorlage an die K. Regierung beim K. Bezirksamte

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

4. Aufgabe,

eingereicht wurde. In der Eingabe ist die Erlassung ver­ schiedener Ortsstatuten für das Lehrpersonal derselben Ge­ meinde als unzulässig bezeichnet. Weiter wurde gebeten, den Anfangsgehalt für Volksschullehrer unter Einrechnung einer Wohnungsentschädigung von 600 M> auf 2100 «JK> festzusetzen. In Bergen könnten zwar vielleicht zurzeit entsprechende Mietwohnungen für Volksschullehrer etwa um 500 oder 550 M jährlich erhältlich sein, es sei aber damit zu rechnen, daß die Mietpreise mit dem Eintritt günstigerer Konjunkturen für die örtliche Industrie alsbald wieder steigen. Die Distriktsschulbehörden hätten die Woh­ nungsentschädigungen für Volksschullehrer erst vor vier Jahren auf 600 M> festgesetzt, der verstärkte Stadtmagistrat sei nicht befugt, hieran etwas zu ändern, denn die Fest­ setzung der Wohnungsentschädigungen sei durch ausdrück­ liche gesetzliche Vorschrift den Distriktsschulbehörden Vorbe­ halten. Die K. Regierung wolle auch den Volksschullehrern die in ihrem ersten Anträge erbetenen Gehaltsvorrückungen gewähren, denn erst mit diesen könnten die Lehrer bei Ein­ rechnung der staatlichen Dienstalterszulagen einen Gesamt­ bezug erreichen, der nicht hinter dem Endgehalte der nach Klasse 15 der Gehaltsordnung besoldeten Staatsbeamten zurückstehe. Größten Wert müßten die Lehrer auf eine Ent­ scheidung der K. Regierung legen, durch welche die Aus­ zahlung der statutarisch festgelegten Gehalte aus der Staats­ kasse gesichert werde. Denn was die Lehrer zu erwarten hätten, wenn die Gemeinden für die Aufbesserung aufzu­ kommen hätten, das lasse der Magistratsbeschluß vonl 10. März 1911 erkennen. Das K. Bezirksamt und die beiden beteiligten K. Distriktsschulinspektionen begutachteten die schulaufsichtliche Genehmigung des vom verstärkten Stadtmagistrate Bergen unterm 15. März 1911 beschlossenen Ortsstatuts und dessen Ausdehnung auf das Lehrpersonal der protestantischen Volksschule. Mit diesem Gutachten wurden die Verhand­ lungen der K. Regierung, Kammer des Innern, vorgelegt. Die zur Sache einvernommene K. Regierungs-Finanz­ kammer äußerte sich, wie folgt: Die privatrechtliche Ber-

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 4. Aufgabe.

Pflichtung des Staatsärars zur Bestreitung des Bedarfs der Volksschule in Bergen beruhe auf dem Übergänge des Besitzes des säkularisierten Klosters Bergen an das Staats­ ärar und darauf, daß das Kloster Bergen die dortige Volksschule errichtet und bis zur Säkularisation unter­ halten habe. Bergen sei bei Übergang des Klosterbesitzes an den Staat ein kleiner Ort gewesen, dessen Einwohner­ schaft ihren Unterhalt fast ausschließlich aus dem Betriebe von Landwirtschaft und Handwerk dann aus Lohnarbeit für das Kloster erworben habe. Erst nach der Erbauung der Eisenbahn habe infolge der Errichtung von Industrie­ betrieben in und bei Bergen ein andauerndes Anwachsen der Bevölkerung und eine veränderte wirtschaftliche Ent­ wicklung eingesetzt. Diese Änderungen stünden in keinerlei Zusammenhang mit den persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, welche seinerzeit die Bevölkerung von Bergen mit dem Kloster und seinem Besitze verbunden und die den Grund dafür gebildet haben, daß das Kloster eine öffent­ liche Volksschule in Bergen errichtete und unterhielt. Aus den Gründen, welche seinerzeit für die Erhaltung der Volks­ schule in Bergen durch das Staatsärar maßgebend waren, könne nicht gefolgert werden, daß das Staatsärar den Schulbedarf in Bergen für alle Zeit unbeschränkt aufzu­ bringen und dabei auch Lasten zu übernehmen habe, die durch neue Gesetze ausdrücklich den Gemeinden auferlegt seien oder würden. Namens des Staatsärars werde des­ halb jede Mehrleistung zur Personalexigenz der Volks­ schulen in Bergen zufolge ortsstatutarischer Regelung des Diensteinkommens des Lehrpersonals abgelehnt. Die Kandidaten haben die nach der Sach- und Rechts­ lage gebotene Entschließung der K. Regierung, Kammer des Innern, zu entwerfen, in der auch die erforderlichen Anweisungen über die weitere Sachbehandlung zu geben sind. In der Begründung ist das gesamte rechtliche Vor­ bringen der Beteiligten zu würdigen. Das gesamte tatsäch­ liche Vorbringen hat als festgestellt zu gelten, von Anord­ nungen zu nachträglichen Erhebungen und zu ergänzenden Feststellungen ist sohin abzusehen.

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

6. Aufgabe.

5. Aufgabe der zweiten Abteilung der fchriftttche« Prüfung. Arbeitrfrist

4 Stunden,

Der Distriktsrat M. faßte in seiner Versammlung vom 10. Oktober 1910 einem von dem Vorstände gestellten und von dem Distriktsausschusse gutgeheißenen Anträge ent­ sprechend mit 35 gegen 34 Stimmen den Beschluß: 1. es sei der Gemeindeweg von Ried über Niederdorf nach Schwenden nach dem von der K. Regierung be­ reits geprüften Projekte als Distriktsstraße auszu­ bauen; 2. den 3 von der Straße berührten Gemeinden sei als Vorausleistung die Verpflichtung aufzuerlegen, die ge­ samten Kosten für den Erwerb des zum Straßenbau nötigen Grundes innerhalb ihrer Bezirke beizutragen; 3. die übrigen Baukosten im veranschlagten Betrage von 60000 M> seien durch Aufnahme eines Anlehens auf­ zubringen. Diesem Beschlusse wurde durch Regierungs-Bescheid vom 20. Dezember 1910 die Genehmigung versagt. Die K. Regierung erachtete den Straßenbau nicht für vor­ dringlich und bezeichnete es als viel notwendiger, daß das vorhandene Straßennetz durch Verwendung harten Be­ schotterungsmaterials in besseren Stand gebracht werde. Auf Beschwerde des Distriktsausschusses hin änderte das K. Staatsministerium des Innern mit Entschließung vom 30. Januar 1911 den Regierungs-Bescheid dahin ab, daß der Beschluß des Distriktsrates über den Bau der neuen Distriktsstraße oberaufsichtlich bestätigt werde und die von der K. Regierung im Distriktsetat abgestrichenen Beträge (60000 M> Ausgaben für den Straßenbau und 60000 Einnahmen aus dem aufzunehmenden Anlehen, ferner die Anschlagssummen für Vorausleistungen und Grunderwer­ bungen) wieder in den Etat einzusetzen seien. Im Frühjahr 1911 wurde mit den Vorarbeiten für den Straßenbau begonnen. Als der Amtstechniker in der Gemeindeflur Niederdorf die Grenzen der neuen Straße

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 6. Ausgabe,

absteckte, wurden in der Gemeinde Niederdorf, die keine be­ sonderen Vorteile von einer Distriktsstraße sich erhoffte, wegen einer allzuhohen Belastung infolge der Grunder­ werbungskosten Befürchtungen laut. Die Gemeindeverwal­ tung Niederdorf richtete daher auf Grund eines ordnungs­ mäßig gefaßten Ausschußbeschlusses vom 15. Mai 1911 folgende Eingabe an das K. Bezirksamt M.: „Die Gemeinde Niederdorf weigert sich entschieden irgend einen Beitrag zu den Grunderwerbungskosten zu leisten. Diese Weigerung rechtfertigt sich aus folgenden Gründen: 1. der Gemeinde Niederdorf wurde nur der Regie­ rungsbescheid vom 20. Dezember 1910 zugestellt, durch den die Genehmigung des Straßenbaues versagt wurde. Eine amtliche Mitteilung von einer späteren Genehmigung des Distriktsratsbeschlusses über den Straßenbau und die Auferlegung einer Vorausleistung ging der Gemeinde nicht zu. Das der Gemeinde nach Art. 8 Ziff. 23 und Art. 10 Ziff. 1 des Gesetzes über den Verwaltungsgerichtshof zu­ stehende Beschwerderecht kann der Gemeinde Niederdorf unmöglich verloren gegangen sein, da ihr ein sie beschweren­ der Bescheid bis heute noch nicht zugcstellt wurde (Art. 45 Abs. 2 des erwähnten Ges.). Die Gemeinde fühlt sich durch die Auferlegung der gesetzlich nicht gerechtfertigten Voraus­ leistung benachteiligt, da diese in keinem Verhältnis zu dem geringen Vorteil steht, den die Gemeinde von einer Distrikts­ straße haben wird. 2. Durch den Beschluß des Distriktsrates vom 10. Oktober 1910 konnte eine Verpflichtung der Gemeinde Niederdorf überhaupt nicht begründet werden, da der Be­ schluß nichtig ist und seine Nichtigkeit auch durch aufsicht­ liche Genehmigung nicht geheilt werden kann. An der Be­ schlußfassung haben nämlich Personen teilgenommen, die überhaupt nicht Distriktsratsmitglieder waren. Gutsbesitzer Bergmüller von Ried, der als höchstbesteuerter Grundbesitzer nach Art. 2 lit. b des Distriktsrats­ gesetzes an der Versammlung teilnahm und die lebhafteste Agitation für das Straßenprojekt entfaltete, hat im Sch-

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

5. Aufgabe,

tember 1910 eine größere Waldparzelle an das K. Forst­ ärar verkauft. Die hiedurch bewirkte Minderung seiner Grundsteuer hatte zur Folge, daß Bergmüller nicht mehr zu den höchstbesteuerten Grundbesitzern des Distriktes im Sinne des Art. 2 lit. b des Gesetzes gehörte. Auch ein zweiter eifriger Freund des Straßenbau­ projektes war in ungesetzlicher Weise zu der Distriktsrats­ versammlung geladen und erschienen. Der Bauer Engel von Schwenden wurde vor 2 Jahren als Vertreter des größeren Grundbesitzes (Art. 2 lit c des Gesetzes) gewählt. Bei einer am 6. September 1910 vorgenommenen Ersatz­ wahl für einen verstorbenen Vertreter des größeren Grund­ besitzes stellte es sich aber heraus, daß Engel, der schon bei der Wahl vor 2 Jahren von den damals wahlberech­ tigten Grundbesitzern die geringste Grundsteuer entrichtete, inzwischen die Zugehörigkeit zu den 50 größeren Grund­ besitzern und damit die Wahlberechtigung und Wahlfähig­ keit verloren hatte. Zu dieser Ersatzwahl mußten nämlich 2 Grundbesitzer, die höhere Grundsteuer entrichten als Engel und vor 2 Jahren das wahlfähige Alter noch nicht erreicht hatten, als nunmehr wahlberechtigt zugelassen wer­ den. Engel gehörte sonach nicht mehr zu den 50 größeren Grundbesitzern. Obwohl er aus dem Wahlkörper hätte aus­ scheiden müssen, hat gegen seine Teilnahme an der Di­ striktsratsversammlung wie auch gegen die Teilnahme Berg­ müllers weder der Distriktsratsvorstand noch ein Distrikts­ ratsmitglied Widerspruch erhoben. So kam es, daß in der Versammlung vom 10. Oktober 1910 2 nichtige Stimmen für das Straßenbauprojekt und die Auferlegung der un^ gerechten Vorausleistungen abgegeben wurden. Alls diesen Gründen stellt die Gemeindeverwaltung Niederdorf den Antrag, die K. Regierung oder die sonst zuständige Behörde möchte über die Pflicht der Gemeinde zur Übernahme der Vorausleistung Entscheidung treffen." Das K. Bezirksamt M. stellte zunächst Erhebungen an, die das tatsächliche Vorbringen der Gemeindeverwaltung Niederdorf als völlig zutreffend uachwiesen. Der Distrikts­ allsschuß, der von der Eingabe der Gelneindeverwaltung

170

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

5. Aufgabe.

Niederdorf verständigt wurde, sprach sich in einem Be­ schlusse vom 1. August 1911 dahin aus, daß er die Vor­ ausleistung der Gemeinde nach wie vor in Anspruch nehme. Bisher sei bei allen Distriktsstraßenbauten allen beteiligten Gemeinden die gleiche Vorausleistung auferlegt worden. Die vorzugsweise Heranziehung der Gemeinde Niederdorf zu den Straßenbaukosten sei schon deshalb gerechtfertigt, weil die Gemeinde von der Unterhaltung des bisherigen Gemeindeweges befreit und mit irgend welcher Leistung zum Unterhalt der neuen Distriktsstraße nicht in An­ spruch genommen werde. Durch amtstechnisches Gutachten wurde noch fest­ gestellt, daß die jährlichen Unterhaltungskosten, die für den künftig wegfallenden Gemeindeweg bisher durchschnittlich erwachsen sind, fast 3 mal so hoch sich belaufen als der Zins­ aufwand für die von der Gemeinde Niederdorf voraussicht­ lich aufzubringende Summe für Grunderwerbung. Das K. Bezirksamt M. legte am 20. August 1911 die sämtlichen Akten der K. Regierung vor und berichtete gleichzeitig, daß die Straßenbauarbeiten vorerst eingestellt worden seien, da die Rechtsgültigkeit des DistriktsratZbeschlusses anscheinend mit Grund angefochten werde. Aufgabe. Unter näherer Würdigung des Sachverhaltes und aller von der Gemeinde Niederdorf erhobenen Beanstandungen in formeller und sachlicher Hinsicht ist darzulegen, welcher Bescheid auf den Antrag dieser Gemeinde zu erteilen ist, welche Behörde zuständig ist und in welchem Instanzen­ zug der Antrag bis zur endgültigen Entscheidung verfolgt werden kann. Von dem Entwürfe eines förmlichen Bescheides kann abgesehen werden.

172

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

6. Aufgabe.

6. Aufgabe der zweiten Abteilung der schriftlichen Prüfung. Arbeitsfrist: 4 Stunden.

Michael Grabmeier betreibt in einem Dorfe des baye­ rischen Waldes ein Steinmetzgeschäft, in welchem Straßeneinteilungssteine u. dgl. aus Granit hergestellt und regel­ mäßig 2 Steinmetzgehilfen beschäftigt werden, und außer­ dem mit seinen Familienangehörigen Landwirtschaft auf 4 Hektaren Eigenbesitz. Der Steinmetzbetrieb ist in das Kataster der Bayerischen Bangewerksberufsgenossenschaft eingetragen. Als in der Gegend eine Eisenbahn gebaut wurde, be­ nützten die Landwirte die durch den Bau hervorgerufene Nachfrage nach Schottermaterial zur „Entsteinung" ihrer Grundstücke, die meist mit zahlreichen Granitsindlingen durchsetzt uud deshalb schwer zu bewirtschaften sind; sie stellten den Bauunternehmern die auf den Grundstücken befindlichen Steine unentgeltlich zur Verfügung und er­ sparten dadurch Arbeit und Transportaufwand. Auch Grabmeier wollte seine Grundstücke auf diese Weise verbessern. Er hatte bereits an die Firma F. P. u. Cie., die sich ausschließlich mit der gewerbsmäßigen Ausführung von Eisenbahnbauten befaßt, Erzeugnisse seines Steinmetzbetriebes geliefert, und war dadurch mit den: örtlichen Betriebsleiter bekannt geworden. Dieser er­ klärte aber, daß er die Steine lieber an der Baustelle, die ungefähr 300 m von den Grabmeierschen Grundstücken ent­ fernt war, abnehmen würde; dafür wolle er einen Preis bezahlen, mit dem Grabmeier bei der Verwendung von Arbeitern, die nicht nach einem Stundentarise entlohnt wer­ den müßten, wohl auskommen könne. Es handelte sich um die Lieferung von 350 Kubikmetern, für die ein Einheits­ preis von 3 JMd vereinbart wurde; beim Transporte sollten die der Firma gehörigen Rollbahnmaterialien benützt wer­ den dürfen. Grabmeier wendete sich zur Gewinnung der Mithilfe an unständige Arbeiter, die gerade bei einem Großgrund-

174

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 6. Aufgabe,

besitzer der Gegend mit Holzmachen beschäftigt waren; diesen teilte er mit, daß er die nötigen Werkzeuge stellen, das Geleise der Rollbahn legen lassen und die Grundbesitzer, deren Grundstücke durch den Transport berührt würden, entschädigen wolle; für diese Leistungen müsse er sich den Betrag von 50 für den Kubikmeter zurechnen, im übrigen sei er bereit den Erlös nach der Arbeitsleistung zu teilen. Die Taglöhner waren mit diesem Vorschläge einverstanden und Grabmeier übernahm die Arbeit. Beim Transport verunglückte er selbst dadurch, daß ein Rollwagen in der Nähe der Baustelle umkippte; Grab­ meier erlitt einen Bruch des rechten Unterschenkels und eine dauernde Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit. Er meldete seinen Entschädigungsanspruch sofort bei der Baugewerksberufsgenossenschaft an. Der Vorstand wies den Anspruch ab, weil das Statut die Versicherungspflicht nur auf die Unternehmer erstreckt, welche nicht regelmäßig wenigstens einen Lohnarbeiter beschäftigen, die freiwillige Versicherung der Unternehmer aber nur auf schriftlichen Antrag erfolgt, den Grabmeier nicht gestellt hatte. Hierauf wendete sich Grabmeier an die land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft, deren Vorstand gleichfalls die Entschädigung ablehnte. Hiegegen legte Grabmeier Berufung zum Schiedsgericht für Arbeiterver­ sicherung ein. Die vom Schiedsgericht zu beurteilende Rechtslage ist nach der formellen und materiellen Seite unter Anführung sämtlicher in Betracht ko-mmenden gesetzlichen Bestimmun­ gen eingehend zu würdigen. Wie muß das Schiedsgericht entscheiden? Wie ist das Verfahren weiter zu betteiben? Ferner ist zu würdigen, unter welchen Voraussetzungen für die von Grabmeier zugezogenen Arbeiter infolge der hier fraglichen Tätigkeit die Krankenversicherungspflicht ge­ geben ist.

176

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

7. Aufgabe.

7. Aufgabe der zweite« Abteilung der schriftlichen Prüfung mit vierstündiger Arbeit-frist.

Die Aktiengesellschaft A. in R., die weder auf die allgemeine noch auf die besondere rentamtliche Aufforde­ rung eine Steuererklärung abgegeben hatte, wurde vom Steuerausschusse bei dem K. Rentamte R. für 1912 mit 22000 Einkommensteuer sowie mit 9080 M> Gewerb­ steuer, nämlich 3080 M Ertragsanlage und 6000 M> Betriebskapitalsanlage, veranlagt. Die Aktiengesellschaft legte gegen diese Veranlagung rechtzeitig Berufung ein mit der Behauptung, daß die Steuern viel zu hoch seien. Der Steuerausschuß beschloß bei der nochmaligen Prüfung des Steuerfalls der Berufung keine Folge zu geben, da die Aktiengesellschaft ihre Bilanz nicht vorge­ legt habe und deshalb keinerlei Anhaltspunkte dafür ge­ geben seien, daß die der Veranlagung zugrunde gelegte Schätzung unzutreffend sei. Auf ergangenen Beweisbeschluß der Berufungskom­ mission legte die Aktiengesellschaft — dem Verlangen dieses Beweisbeschlusses entsprechend — die beiliegende Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung für 1910 vor. Aufgabe: 1. Es ist der von der Berufungskommission zu er­ lassende Berufungsbescheid zu entwerfen (Tenor und kurze Begründung). 2. Was hat die Aktiengesellschaft für 1912 an Ein­ kommen- und Gewerbsteuern und Umlagen aus btefett Steuern zu bezahlen, wenn die Kreisumlagen 30 o/o und die Gemeindeumlagen 100 o/o betragen? Bemerkungen: 1. Die Ziffern der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sind nicht zu be­ anstanden. 2. In R. wird Arealsteuer erhoben.

12

178

II.

81 a) Kassenbestände . . 9l b) Wechsel im PortefeuAe.......................

11443 71

106110 77

— 6000000

17 II. Obligations-Konto .

3768000

18 III. Reservefonds-Konto

»176339

19 IV. Reservefonds-Konto 11

looöoo

3 211287 88 V. Dividenden-Konto: 20 a) rückständige Dividend den-Scheine aus 1906 21 b) rückständige Dividenden-Scheme aus 1909 7 351468 50 VI. Hypotheken - Konto für eingetragene Kau­ tions-Hypotheken : 22 a) für etwaigen 1 Bankkredit 450000 23 b) für die Obli­ gationsanleihe 4000000 4450000

67

so

K

! IV. Kassa-, Wechsel- u. 1 Effekten-Bestände:

7. tfafe*6e.

3 428 087 54

V*

I

1

*

I

1 III. Rohmaterial und Warenvorräte: 61 a) Rohmate-1 laut Jnven-, 1 1 rinTfPtt 1 mr vom ) rzluxS?1 1 »l-Dechr. | 7^ b) Waren ) 1900 I

vM,

14 I. Aktien-Kontnl.Gmtsflon 4500 000 15 450000 16 1050 000

'

II. Bewegliches In­ ventar : 4, a) Maschinen .... 2 716 750 73 5 b) Utensilien u. Mobiliar 494 537 15

1

ml

I. Immobilien: 1 a) Grundbesitz . . . 850 919 07 2 b) Wasserkraft . . . 96 980 51 -3 c) Gebäude .... 2 480187 96

ji

Abteilung der schriftliche« GW «««.

M

2

v*

I



li»7

1890



11 V. Debitoren

.

.

.

12 VL Beteiligung.

.

.

13 VII. Feuer-AssekuranzKont».......................

—\ \

\

i

\

193 986 38

311540 86

25 710

VIII. Oblitzytions-Tilgungs-Koüto, rückstän­ dige ausgeloste Obli­ gationen .......................

.5 459452 46

2086 986 — 26 IX. Akzepten-Konto



78500

.

2 470791 02

27 X. Kreditoren^ einchließlich benutzten Bank■1 kredits....................... 2 782 03

4336 475 89

281 XL Arbeiterunterstüt; zungskasse (deren Guthabeü).......................

400 000

29 Xlj. Karl - Mayer - Stif­ tung für invalide Ar­ beiter ......

30000

30 XIII. Bersicherungskonto (Selbstversicherung) .

285 957 50

31 XIV. Talonsteuer-Konto

15 000 —

XV. Gewinn- und Berlust-Kontor 32 Bortag aus 1909 . . 33 Reingewinn Pro 1910 .

774874 11

21 851 605 27

179

21351605 w 1

457098 sq 317 775 Li

7. Aufgabe.

\

24 VII. Obligations-HinfenKonto,rückständige Ku­ pons ......



II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

10 c) Effekten einschließlich Depot? bei Behörden und Karl-Mayer-Stiftung .......

180

ll-^AHteilung bet schriftlichen Prüfung.

7. Aufgabe.

Gewi««- n*N Urriuft-Konto am 31. Dezember 1910. Hebet. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50.

An Gebäude-Reparaturen-Konto . Realitäten-Reparaturen-Konto ,, Wasserbau-Reparaturen-Konto Maschinen-Reparaturen-Konto ,, Utensllien-Reparaturen-Konto. ,, Mobllien-Reparaturen-Konto.

V*

4

42,956 5,135 807 185,989 103,586 17,609

73 17 12 56 81 05

4

V*

356,084 43 1'439,758 125,736 121,877 192,722 55,180 308,267 151,260 176,888 669,507

Allgemeine Unkosten.... Konto, direkte Steuern u Umlag. BersicherungSkonto .... Freiwillige und soziale Lasten Konto, indirekte Steuern . . ,, Bankzinsen-Konto....................... Obligationszinsen-Konto . . Skonto- und Inkassospesen Amortisations-Konto . . . Bllanz-Konto Vortrag aus 1909 .... Reingewinn pro 1910 . . .

457,098 317,775

90 21

70 14 47 58 83 78 — 96 25

774,874 11

4'372,158 25

u*

Kredit. 51. 52. 53. 54.

Per Bilanz-Konto Vortrag aus 1909 .... Waren-Konto und Beteiligung Jnteressen-Konto .... Realitäten-Mete-Konto . .

!

457,098 90 3'897,969,33 12,272 52 4,817 50 |. 25 4*372,158 Wir haben vorstehende Bilanz nebst Gewinn- uyd Verlust-Rechnung per 31. Dezember 1910 einer eingehenden Prüfung unterzogen und be­ stätigen deren Uebereinstimmung mit den von uns geprüften ordnungs­ mäßig geführten Büchern der Gesellschaft. X, den 20. März 1911.

Deutsche Trerchavb'GetzlNchaft. S.

8.

182

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

8. Ausgabe.

S. Aufgabe der zwettea Abteilung der fchriftlichen Prüfung. I. Unteraufgab« mit zweistündiger Arbeitrfrist.

Die Lokalbahnaktiengesellschaft H. mit dem Sitze in Y. in Bayern hat satzungsgemäß zum Gegenstand ihres Unternehmens „die Erbauung und den Betrieb von Lokal­ bahnen". Sie betreibt mehrere Eisenbahnlinien in Bayern. Zum Baue dieser Bahnen Hatzen seinerzeit die beteiligten Gemeinden unentgeltlich den benötigten Grund und Boden zur 'Verfügung gestellt. Außerdem ist die Gesellschaft seit ihrer Errichtung ungefähr mit der Hälfte ihres Aktienkapitals an einigen außerdeutschen Lokalbahnunternehmungen in­ folge Übernahme von Aktien dieser Unternehmungen beteiligt. Die Gesellschaft verteilt seit mehreren Jahren eine Dividende von 6 o/o. In ihrer Generalversammlung vom 10. Oktober 1910 hat die Gesellschaft beschlossen, zum Zwecke des Aus­ baues einer ihrer bayerischen Eisenbahnlinien das Grund­ kapital um 300000 J6 durch Ausgabe von 300 auf den Inhaber lautender Aktten zu je 1000 M> zu erhöhen. Die Aktten sollten den Aktionären im Verhältnis ihres Aktzen­ besitzes zum Nennwerte zugeteilt werden. Eine Einzahlung auf die Aktien sollte jedoch von den Aktionären nicht ge­ fordert werden; die Kapitalsmehrung solfte vielmehr durch die Gesellschaft selbst aus einem freiwilligen Reservefonds, der aus den Gewinnüberschüssen früherer Jahre als Divi­ dendenreserve gebildet worden war, gedeckt werden. Zur Bestreitung der Unkosten (Stempel, Gebühren usw.) sollten jedoch die Aktzonäre ein Spesenaversum von 6 o/o für die Aktie entrichten. Die Erhöhung des Grundkapitals wurde am 20. Oktober 1910 in das Handelsregister ein­ getragen und in den Büchern der Gesellschaft entsprechend durchgeführt. Das verlangte Spesenaversum wurde von den Akttonären einbezahlt. Eine Ausgabe von Aktien­ urkunden ist bis jetzt nicht erfolgt. Die Steuerbehörde (K. Kreiskasse) forderte unterm 16. November 1911 von der Gesellschaft aus dem Be­ trage der Kapitalserhöhung von 300000 M und dem

6 o/o igen Spesenaversum eine Reichsstempelabgabe von 9540 M> nach Tarifnummer la des Reichsstempelgesetzes vom 15. Juli 1909 an. Außerdem berechnete sie eine Talonsteuer (Tarifnummer 3 Aa des Reichsstempelgesetzes) von 3000 M (1 o/o aus dem Betrage der Kapitalserhöhung von 300000 M>). Hiegegen beschwerte sich die Gesellschaft zur K- Re­ gierung, Kammer der Finanzen, und machte geltend, eine Abgabe für die Kapitalserhöhung sei nicht geschuldet, da Einlagen, wie sie § 6 Äbs. 1 des Reichsstempelgesetzes voraussetze, seitens der Aktionäre nicht gemacht worden seien. Keinesfalls sei eine Einrechnung des Spesenaversums von 6 o/o in den stempelpflichtigen Betrag gerecht­ fertigt, da das Vermögen der Gesellschaft hiedurch in keiner Weise vermehrt worden sei. Von dem Ansatz einer Talonsteuer könne schon deshalb keine Rede sein, weil die Gesellschaft Gewinnanteilscheine oder Zinsbogen, die den Gegenstand der Besteuerung bildeten, nicht ausgegeben habe. Die Stempelforderungen seien um so weniger ge­ rechtfertigt, als der Betrieb der Lokalbahnen seitens der Gesellschaft zweifellos gemeinnützig sei, was die Gemeinden dadurch anerkannt hätten, daß sie den erforderlichen Grund und Boden unentgeltlich zum Baue der Eisen­ bahnen zur Verfügung stellten. Ist die Stempelberechnung der Steuerbehörde (Kreis­ kasse) richtig? Wenn nein, welche Stempelbeträge sind zu entrichten? Die Entscheidungen sind unter Angabe der gesetzlichen Bestimmungen kurz zu begründen. Zugleich ist das Vor­ bringen der Gesellschaft zu würdigen.

8. Ausgabe der zweite« Abteilung der schriftlichen Prüfung. II. Unteraufgabe mit zweistündiger Arbeitsfrist.

Der K- Preuß. Eisenbahnfiskus benötigte zur Her­ stellung einer Straßenunterführung an einer Eisenbahn-

186

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 8. Aufgabe,

linie, welche von ihm in Bayern betrieben wird, das in der bayerische Gemeinde B gelegene, der Gemeinde B selbst gehörende Grundstück Pl.-Nr. 243 zu 0,100 ha Weinberg. Er erzielte mit der Gemeinde B auf gütlichem Wege eine Vereinbarung dahin, daß ihm das bezeichnete Grundstück gegen ein anderes Grundstück, Pl.-Nr. 1250 der gleichen Steuergemeinde, Wiese am Bach zu 0,200 ha, welches der K. preuß. Fiskus mit Urkunde vom 1. Fe­ bruar 1892 um 500 unter Übernahme der Vertrags­ kosten zu 15 M> erkauft hatte, im Tauschweg überlassen werden sollte. Das Grundstück Pl.-Nr. 243 ist von der Gemeinde B mit Urkunde vom 10. Januar 1887 um 1000 käuflich erworben worden. Die von der Ge­ meinde B bezahlten Kosten des Vertrags beliefen sich auf 20 JWo. Der Tauschvertrag einschließlich der erforderlichen Auflassungen ist unterm 20. November 1911 von dem K. bayer. Notariate X beurkundet worden; dabei wurde be­ stimmt, daß von dem K. preuß. Fiskus eine Tauschauf­ gabe von 5000 M zu leisten sei, nachdem die amtliche Schätzung der Grundstücke für Pl.-Nr. 243 einen Wert von 8000 J6, für Pl.-Nr. 1250 einen solchen von 3000M> ergeben hatte. Der K. preuß. Fiskus übernahm zwar in dem notariellen Vertrage die sämtlichen Kosten des Ver­ tragsschlusses — die an den Notar zu bezahlenden notariellen Gebühren und Auslagen betragen 25 — zur alleinigen Tragung, stellte jedoch gleichzeitig den An­ trag auf Befreiung von einer allenfallsigen Grundwechsel­ abgabe auf Grund der Ziff. 2 der Befreiungsvorschrift am Schlüsse der Tarifnummer 11 des Reichsstempel­ gesetzes in der Fassung des § 70 des Zuwachssteuergesetzes. Die Eintragung der Eigentumsänderungen im Grund­ buch ist am 30. November 1911 erfolgt. Welche Gebühren zur bayerischen Staatskasse und welche Reichsstempelabgaben sind für die Beurkundung des Tauschvertrages sowie der Auflassungen durch den Notar und die Eintragung der Eigentumsänderungen im Grundbuche geschuldet Sind außerdem aus Anlaß der eingetretenen Eigen-

188

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Ausgabe,

tumsänderungen von dem K- preuß. Eisenbahnfiskus oder von der Gemeinde B etwa noch andere Reichssteuern zu entrichten? Wenn ja, welche, und wie hoch belaufen sie sich? Die getroffenen Entscheidungen sind unter Angabe der gesetzlichen Vorschriften kurz zu begründen.

S. Aufgabe der zweite» Abteilung der schriftliche« Prüfung mit neunstündiger Arbeit-frist.

In der Nähe des Dorfes Buch, Gemeinde gleichen Namens, Bezirksamts Hof, verursacht der im Eigentum der Uferangrenzer stehende Feilbach, dessen Mittellinie die Grenze zwischen den Gemeinden Buch und Reich bildet, auf der Strecke A—B beiliegender Planskizze infolge seines sehr geringen Gefälles und seiner vielfachen Windungen häufige Überflutungen des westlich anliegenden, nur wenig über das Bachufer sich erhebenden Wiesengeländes, das auf die ganze Fläche zerstreut zahlreiche Unebenheiten und Mulden aufweist. Die Wirkung der meist öfter im Jahre eintretenden Überschwemmungen und des in den Vertiefungen dann ost länger sich haltenden Wassers sowie des in der Lage des Geländes begründeten hohen Grundwasserstandes ist, daß auf den Wiesen großenteils nur schlechtes Futter wächst und nicht selten noch das Gras durch das austretende Bachwasser verdorben wird. Um diesen Übelständen möglichst abzuhelfen, wurde auf Anregung mehrerer Wiesenbesitzer von dem Bezirks­ kulturingenieur Ort eine Regulierung des Feilbaches der­ art projektiert, daß mittels Duchstiches das Bachbett in gerader Richtung von A nach B geführt werde; die Kosten des Projektes wurden auf 3000 Ä veranschlagt und als

Vorteile des Unternehmens des Näheren dargelegt: er­ hebliche Steigerung des Grasertrages, namhafte Berbesse-

R^NSKiZZE.

192

n. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Aufgabe,

rung des Futters und Sicherung der Ernte gegen jede Schädigung,- was alles den Wert der Wiesen um mindestens ein Drittel erhöhe; dabei könnte, wknn erforderlich und gewünscht, später auch eine Bewässerung der Wiesen be­ werkstelligt werden, zu welchem Zwecke allerdings die ganze Fläche planmäßig geebnet und bei A eine Stauanlage er­ richtet werden müßte. Nach einem Verzeichnisse, welches auf Grund der Steuerpläne und Kataster erstellt wurde, sind 40 Besitzer von Wiesen mit zusammen 50 ha Flächeninhalt bei dem Projekte beteiligt. In einer von dem Gutsbesitzer Denk aus Reich auf 10. März 1910 nach Buch berufenen Versammlung der im Verzeichnisse aufgeführten Wiesenbesitzer, welcher Ver­ sammlung auch der K. Bezirksamtmann End mit dem Bezirkskulturingenieur Ort anwohnte, stimmten 22 Be­ teiligte nebst bezüglichen Ehefrauen mit 20 ha Gesamt­ besitz dem Projekte zu, beschlossen die Bildung einer „Ge­ nossenschaft zur Ausführung der Feilbach-Regulierung mit dem Sitze in Reich" und stellten sofort auch nach ge­ drucktem Formulare eine Genossenschaft-Satzung auf, welche im wesentlichen der Mustersatzung unter Anl. III der Vollzugs-Vorschriften vom 3. Dezember 1907 zum Wassergesetze entspricht. Über das Ergebnis wurde eine Niederschrift ausgenommen, welche von sämtlichen Zustim­ menden unterschrieben wurde; die übrigen Erschienenen entfernten sich, ohne über die Sache sich auszusprechen. Auf Grund .besagter Niederschrift mit Satzung, Projekt und Kostenanschlag samt vorschriftsmäßigen Plänen und Beschreibungen sowie Verzeichnis der beteiligten Grund­ stücke und Besitzer wurde bei dem Bezirksamte Hof mit Eingabe vom 20. März 1910 Antrag auf Bildung einer Genossenschaft sowie auf Erteilung der Erlaubnis zur Bach­ regulierung gestellt; dieser Antrag mit den Belegen wurde von dem Bezirksamte, welches die Voraussetzungen zur Bildung einer Genossenschaft für gegeben erachtete, der K. Regierung von Oberfranken, Kammer des Innern, vor­ gelegt, welche mit Bureau-Entschließung vom 1. April

13

194

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung. 9. Aufgabe.

1910 zur Satzung die Genehmigung erteilte und die weitere Instruktion des Unternehmens anordnete.

Seitens des K. Bezirksamtes wurde — unter Auf­ legung der Pläne und Beschreibung des Unternehmens — Verhandlungstagfahrt auf Dienstag den 10. Mai 1910 Dornt. 9 Uhr anberaumt, wozu die an Hand der Anträge und Vorlagen im Benehmen mit dem Amtsgerichte, Rentamte und der Messungsbehörde ermittelten Beteiligten schriftlich sowie etwaige sonstige Beteiligte durch ein im Sinne des Gesetzes erlassenes Ausschreiben vom 11. April 1910 im Amtsblatte, ausgegeben 15. April 1910, an das K. Bezirksamt geladen wurden.

Auf Veranlassung des K. Bezirksamtes wurde ferner in einer Versammlung vom 20. April 1910 „von der Ge­ nossenschaft — der Satzung entsprechend — ein aus drei Mitgliedern bestehender Vorstand gewählt", welcher aus seiner Mitte den Gutsbesitzer Denk zum Vorsitzenden be­ stellte. Zur Tagfahrt vom 10. Mai 1910 waren die Mit­ glieder des Genossenschaftsvorstandes sowie Rechtsanwalt Jll als bevollmächtigter Vertreter des beteiligten Wiesen­ besitzers Nest und von 28 Fischereiberechtigten im Fell­ bache sowie die Landwirte Loch, Mayr, Zott, Paul und Frau Sir erschienen; seitens des K. Bezirksamtes war Bezirks-Kulturingenieur Ort als Sachverständiger zuge­ zogen.

Die Verhandlung vom 10. Mai 1910:

ergab

nach

Protokoll

Der K. Bezirksamtmann End und Kulturingenicur Ort erörterten das Unternehmen vom rechtlichen, tech­ nischen und wirtschaftlichen Standpunkte, worauf Guts­ besitzer Denk den Wunsch äußerte und den Antrag stellte,/ e's möchte die Ausführung des Unternehmens möglichst gefördert und gegenüber etwaigen Widersprüchen oder Ein­ sprüchen die erforderliche Zwangsverpflichtung auferlegt werden.

13*

196

U. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Aufgabe.

Dem wurde jedoch mehrfach entgegengetreten: 1. Rechtsanwalt Jll bestritt vor allem, daß die Voraussetzungen zur Bildung einer Genossenschaft gegeben seien; es handle sich zweifellos hier um die Entwässerung eines größeren Wiesenareales; hiefür sei aber nach Art. 110 Ziff. 1 im Zusammenhalte mit Art. 140 lit. a des Wasser­ gesetzes eine Zustimmung der Besitzer von mehr als der Hälfte der beteiligten Grundfläche erforderlich, was im vor­ liegenden Falle fehle. Würde aber auch das Projekt nicht als Entwässerungsanlage aufgefaßt, so könnte doch nicht gesagt werden, daß die Bachregulierung vom Gemein­ wohle im Sinne des Gesetzes erfordert werde. Auf keinen Fall aber könne die Genossenschaft schon als gebildet angesehen werden; die Abmachung vom 10. März 1910 sei bedeutungslos, nach Art. 184/5 des Wassergesetzes könne sich die Bildung einer Genossenschaft sowie die Feststellung der Voraussetzungen hiezu erst in heutiger Tagfahrt vollziehen; Gutsbesitzer Denk habe des­ halb keine Berechtigung, als Genossenschaftsvertreter irgend welche Anträge zu stellen. Demgegenüber verwies Gutsbesitzer Denk auf die Regierungs-Entschließung vom 1. April 1910, wonach mit Gmehmigung der Satzungen bereits rechtskräftig über die Genossenschaftsbildung entschieden sei.

RechtsanwaltJll bemerkte dazu noch, daß letzteres um so weniger zutreffen könne, als noch keine verwaltungs­ rechtliche Entscheidung in der Sache vorliege. 2. Rechtsanwalt Jll brachte weiter vor: a) Die Zustimmung zu dem Unternehmen, welche Frau Sir aus Reich in der Zusammenkunft vom 10. März 1910 für ihr Grundstück Pl. Nr. 10 zu 3 ha erklärte, könne rechtlich keine Wirkung haben; ihr Mann lebe noch und ohne Einwilligung des Ehemannes könne die Frau über das Grundstück keine Verfügung treffen.

Frau Sir äußerte dazu: Sie besitze allerdings weder eine Vollmacht noch eine Einwilligungs-Erklärung von

198

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Ausgabe,

feiten ihres Mannes; ihr Mann befinde sich schon über ein Jahr in Amerika; sein Aufenthalt sei ihr nicht bekannt. Gutsbesitzer Denk stellte in Zweifel, ob Rechts­ anwalt Jll überhaupt legitimiert erscheine, die Rechts­ wirksamkeit der von Frau Sir erklärten Zustimmung zu bekämpfen; es handle sich um ein privatrechtliches Ver­ hältnis, dessen Austragung bei etwaiger Rückkehr des Mannes den Sirschen Eheleuten zu überlassen sein wird.

Kulturingenieur Ort hob hervor, daß ohne Aus­ dehnung auf die Wiese Pl. Nr. 10 das Projekt nicht aus­ führbar sei, was für Frau Sir selbst von großem Nach­ teile wäre. Als gemeindebekannt konstatierte der Bürger­ meister Landwirt Paul aus Reich, daß ein Ehever­ trag zwischen den Sirschen Eheleuten bei ihrer Verheiratung am 10. Mai 1908 und später nicht geschlossen, daß die Wiese Pl. Nr. 10 von Frau Sir in die Ehe eingebracht worden sei und daß schon nach einem halben Jahr ihr Mann sich nach Amerika entfernt habe.

Rechtsanwalt Jll bestand darauf, daß Frau Sir mit Pl. Nr. 10 ohne Zustimmung ihres Ehemannes rechts­ gültig sich einer Genossenschaft nicht anschließen könne,

b) Für die im Eigentume der Gemeinde Reich stehende Wiese Pl. Nr. 8 zu 1 ha habe die Gemeindeverwaltung mit einstimmigem Beschlusse vom 10. März 1910 den Bei­ tritt zur Genossenschaft erllärt; unter den 10 Verwaltungs­ mitgliedern, die dabei anwesend waren, sind aber 4, die als Wiesenbesitzer persönlich beteiligt seien und dem Unter­ nehmen sich angeschlossen haben; diese hätten gesetzwidrig an der Beratung und Abstimmung teilgenommen, wes­ halb der Beschluß rechtsungültig sei und die Gemeinde der Genossenschaft jedenfalls nicht zugerechnet werden könne. Gutsbesitzer Denk erwiderte dazu: Es sei zwar tatsächlich richtig, was von vier Gemeindeverwaltungs­ mitgliedern gesagt werde; die rechtliche Folgerung aber, die daraus gezogen werde, könne er nicht zugeben.

200

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Aufgabe.

c) Deni Nest aus Buch als Besitzer der Wiese Pl. Nr. 20 zu 4 ha werde nach dem Projekte angesonnen, dieses Grundstück durchstechen zu lassen und mit dem großen Abschnitte zu 3,98 ha der Genossenschaft beizu­ treten ; auf keines von beiden könne sein Mandant sich einlassen. Vor allem müßte doch zur Regulierung des Feil­ baches nach Art. 77 des Wassergesetzes erst eine Erlaubnis der Distriktsverwaltungsbehörde und zu etwaiger Zwangs­ entäußerung oder Belastung nach Art. XIV des Zwangs­ abtretungsgesetzes erst eine Weisung des K. Staatsmini­ steriums des Innern erholt und bzw. erteilt werden. Im übrigen liege die Wiese Pl. Nr. 20 ziemlich hoch und habe von dem Feilbache wenig zu leiden, weshalb der nach dem Flächeninhalte bemessene Kulturbeitrag für Nest viel zu hoch wäre. Im Falle eines Durchstiches der Wiese aber würde das schmale Trennstück westlich vom neuen Bachbette völlig wertlos für Nest; es müßte deshalb even­ tuell auf Ablösung der ganzen Wiese bestanden werden. Kulturingenieur Ort gab dazu an: Richtig sei, daß die Wiese des Nest nach ihrer Lage und Beschaffen­ heit von dem Unternehmen nur geringeren Vorteil ziehen werde; allein zur Ausführung des Projektes sei das Grund­ stück nicht zu entbehren; es könnte deshalb — wie dies ja auch bei einigen anderen Wiesen zutreffen würde — nur in der Beitragleistung für Pl. Nr. 20 auf Nest Rücksicht genommen werden, wofür aber die Satzungen keine Be­ stimmung enthalten. Das westliche Trennstück der Wiese lasse für Nest eine zweckmäßige Bewirtschaftung wohl nicht mehr zu, da es nur einen schmalen Streifen außer Zusammenhang mit der übrigen Wiesenfläche bilde. Gut sbesitzer Denk äußerte: Die Vorteile aus dem Unternehmen würden für die Beteiligten mit wenigen Aus­ nahmen ziemlich die gleichen sein, weshalb von einer Bei­ trags-Abstufung nach Größe des Nutzens in den Satzungen abgesehen wurde; in dieser Weise ist die Satzung von der K. Kreisregierung auch bereits rechtskräftig genehmigt. Wegen des westlichen Trennstückes die Ablösung der ganzen

202

II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Aufgabe.

Wiese zu fordern, sei übertrieben; er — Denk — besitze die anstoßende Wiese Pl. Nr. 21 und sei jederzeit bereit, jenes Trennstück des Nest zu pachten oder zu kaufen. Rechtsanwalt Jll trat indessen von seinen Ein­ wendungen für Nest nicht zurück. 3. Loch als Besitzer der Wiese Pl. Nr. 6 zu 1,3 ha erklärte: Er sei mit dem Durchstiche, wie projektiert, einverstanden; als Entschädigung verlange er 600 er mache aber darauf aufmerksam, daß die Wiese Pl. Nr. 6 mit einer Hypothekschuld von 1000 M> belastet sei. Der mitanwesende Hypothekgläubiger Mayr ließ dazu Herkommen: Mit dem Durchstiche werde das Hypotheken­ objekt derart entwertet, daß sein Kapital nicht mehr ge­ sichert erscheine; auf eine Teilzahlung könne er sich nicht einlassen; er verlange deshalb, daß die ganze Wiese Pl. Nr. 6 von der Genossenschaft enteignet und aus der Ent­ schädigung seine ganze Forderung an Kapital und Zinsen gedeckt werde. Gutsbesitzer Denk entgegnete: Seiner Meinung nach könne Mayr überhaupt nicht als Beteiligter gelten; die Genossenschaft habe es nur mit dem Eigentümer zu tun, dessen Sache es sei, mit seinem Hypothekgläubiger sich auseinanderzusetzen; die von Loch beanspruchte Entschädi­ gung sei viel zu hoch. Mayr zeigte seine bezirksamtliche Ladung zur heu­ tigen Tagfahrt vor, um damit seine Beteiligung zur Sache darzutun. 4. Zott aus Grün erhob gegen den projektierten Durchstich seiner Wiese Pl. Nr. 30 zu 3,6 ha deshalb Ein­ spruch, weil ihm dadurch die Zufahrt zu der größeren Fläche links des neuen Bachbettes abgeschnitten würde; die Wiese sei übrigens an Utz in Grün verpachtet, der als Beteiligter zur Verhandlung mit hätte beigezogen werden sollen; er übergebe zu den Akten einen Brief des Utz vom 8. Mai 1910, demgemäß Utz in die Durchführung des Unternehmens ohne Erlaß von mindestens der Hälfte des Pachtzinses nicht einwilligen könne. Darauf könne er — Zott — nicht eingehen.

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Ausgabe.

Kulturingenieur Ort begutachtete, für die künf­ tig getrennten Teile der Wiese Pl. Nr. 30 nach Bedarf des Besitzers Zott eine Überfahrt über das Bachbett her­ zustellen, es könne dies ohne große Kosten geschehen: ein Durchstich des Grundstückes sei für das Unternehmen un­ erläßlich. Der K. Bezirksamtmann End bemerkte, daß eine Ladung des Pächters Utz zur Tagfahrt nicht stattfinden konnte, weil das Bezirksamt von fraglichem Pachtverhält­ nisse bis jetzt keinerlei Kenntnis hatte. Gutsbesitzer Denk hält die Herstellung einer Über­ fahrt in der Wiese Pl. Nr. 30 für unnötig; Zott bewirt­ schafte die Wiese nicht selbst; er könne deshal ganz gut den westlichen Wiesenteil (2,4 ha) an einen Landwirt in Reich verpachten. Den Pächter Utz hätte niemand in der Gemeinde für einen Beteiligten der Sache angesehen. Im übrigen führe von Grün zur Wiese Pl. Nr. 30 ein Feldweg; eventuell hätten daher alle, welche diesen Feldweg benützen, für eine Überfahrt in Pl. Nr. 30 zu sorgen, da sie alle Nutzen aus dem Unternehmen zögen. Zott verharrte auf seinem Einspruch. 5. Vom Standpunkte der Fischereiberechtigung, welche auf der Feilbach-Strecke A—B nach Katastervortrag un­ bestritten den Gemeindebürgern von Reich — derzeit 51 an Zahl — zusteht, hatte die Gemeindeverwaltung Reich schon vorher mit Beschluß vom 10. März 1910 ihr Ein­ verständnis zu dem Unternehmen der Wiesenbesitzer er­ klärt, in der Voraussetzung, daß auch in dem neuen Bach­ laufe die Fischerei der Gemeinde zukommt. Demgegenüber machte Rechtsanwalt Jll als Ver­ treter von 28 Fischereiberechtigten geltend: Die Zustimmung der Gemeindeverwaltung zu dem Unternehmen vom Standpunkte der Fischereiberechtigung sei rechtlich haltlos; der Gemeinde stehe zwar nach dem neuen Fischereigesetze in fraglicher Feilbach-Strecke die Aus­ übung der Fischereirechte zu; die Fischereiberechtigung der Gemeindebürger sei aber damit nicht aufgehoben; die Ge­ meindeverwaltung besitze deshalb keine Legitimation, die

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II. Abteilung der schriftlichen Prüfung.

9. Aufgabe.

Fischereiberechtigten dem Unternehmen gegenüber zu ver­ treten und über deren Rechte irgendwie zu verfügen. Seine Auftraggeber könnten jedenfalls nur dann sich beruhigen, wenn von der Genossenschaft eine Entschädigung von pnndestens 1000 M und zwar nicht an die Gemeindekasse, sondern an die Berechtigten selbst gezahlt werde. Im übrigen sei noch darauf hinzuweisen, daß in der Feilbach­ strecke A—B ein Teil von der Distriktspolizeibehörde zur Laichschonstätte erklärt ist; es frage sich deshalb, ob einer Ableitung des Baches nicht ein fischereipolizeiliches Hin­ dernis entgegenstehe; nach den Bollzugsvorschriften zum Fischereigesetze sei die Erklärung zur Laichschonstätte erst wieder zurückzunehmen, wenn deren Beibehaltung im Inter­ esse der Fischzucht nicht mehr erforderlich sei, und nach Art. 109 Abs. 1 des Wasserges. seien bei Genehmigung von Regulierungsbauten die Interessen der Fischereiberech­ tigten möglichst zu berücksichtigen. Zur Bekräftigung seines Vorbringens bezog sich Rechtsanwalt Jll auf ein — zu den Akten genommenes — Gutachten des BezirksFischereivereins Hof vom 6. Mai 1910, dahin lau­ tend, daß „mit Ausführung des Projektes die Fischerei im Altbache mehr und mehr in Ausfall kommen, im neuen Bachbette aber sich voller Ersatz dafür wohl nicht bieten werde; inwieweit eine Schädigung der Fischerei sich er­ geben werde, lasse sich vorerst schwer beurteilen. Zu be­ dauern wäre es übrigens, wenn mit Ableitung der Feil­ bachstrecke A—B die jetzige Laichschonstätte eingehen müßte; im neuen Bachlaufe wird ein geeigneter Platz für diesen Zweck sich kaum finden". Der mit Vollmacht der Gemeindeverwaltung Reich versehene Bürgermeister Paul von dort ließ sich dazu vernehmen: Die Gemeindeverwaltung halte an ihrem Be­ schlusse vom 10. März 1910 fest; ob und an wen für etwaigen Rück- oder Entgang der Fischerei in der Feil­ bachstrecke A—B Entschädigung zu leisten sei, werde der behördlichen Entscheidung überlassen. Seit April 1909 sei übrigens die Fischerei in jener Strecke an Roth in Buch auf zehn Jahre um 30 M> jährlich verpachtet; er

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9. Aufgabe,

habe den Pächter Roth von heutiger Tagfahrt verständigt; statt zu erscheinen, habe der Pächter ihm brieflich mit­ geteilt, daß.er gegen jede Schmälerung des von ihm erpachteten Fischereirechtes protestiere und den Aufschub der Bachregulierung bis zum Ablaufe der Pachtzeit beantrage. Der Brief des Pächters vom 8. Mai 1910 wurde dem Protokolle beigefügt. GutsbesitzerDenk gab seiner Meinung dahin Aus­ druck, daß weder den 28 fischereiberechtigten Bürgern noch dem Pächter Roth ein Recht zum Einsprüche gegen das Unternehmen zustehe; für die Fischerei und die Laichschon­ stätte in der Feilbachstrecke A—B irgendwie Entschädigung zu leisten oder Ersatz zu schaffen, sei kein Anlaß gegeben. Der K. Bezirksamtmann End suchte nach ver­ schiedenen Richtungen noch eine gütliche Vereinigung der Differenzen zu erzielen, was indes zu keinem Erfolge führte. Für Nest, Loch, Zott wurden Vollmachten ihrer Ehe­ frauen zur Vertretung in dieser Angelegenheit bekannt gegeben. Nachdem von keiner Seite weitere Anregungen oder Erinnerungen verlauteten, wurde die Protokollar-Berhandlung geschlossen, wobei sämtliche Anwesende mit Ausnahme des Zott unterzeichneten; Zott verweigerte ungeachtet aller Belehrung die Unterschrift, was zu Protokoll vermerkt wurde. Den mit einer Fläche von 14,92 ha aktiv sowie den passiv beteiligten Wiesenbesitzern, die bei der Tagfahrt weder erschienen noch vertreten waren, wurde mit bezirks­ amtlicher Verfügung vom 12. Mai 1910 — nachweislich jedem am 15. Mai 1910 zugestellt — eröffnet, daß sie „als dem beantragten Unternehmen in der von der Ge­ nossenschaft beschlossenen Gestalt zustimmend erachtet wer­ den"; eine Wiedereinsetzung wurde nicht verlangt. Mit Bericht vom 1. Juni 1910 wurden nunmehr die Akten samt Beilagen vom K. Bezirksamte an die K. Re­ gierung von Oberfranken, Kammer des Innern, vorgelegt. Auf Veranlassung der K. Regierung, Kammer des

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9. Ausgabe.

Innern, wurde zur gutachtlichen Prüfung der projektierten Anlage von dem kulturtechnischen Referenten sowie einem Sachverständigen des Kreisfischereivereines eine Ortsbesichtigung vorgenommen und von ersterem sodann Gutachten dahin abgegeben, daß die Aufstellungen des Bezirkskulturingenieurs über das Projekt sowie dessen Darlegungen in der Tagfahrt vom 10. Mai 1910 in jeder Beziehung vollkommen zutreffend seien; ob wasserrechtlich auf das Unternehmen Art. 110 Ziff. 1 und Art. 140 lit. a des neuen Wassergesetzes anwendbar erscheine, sei der juri­ stischen Beurteilung zu überlassen. Als Bach mit erheb­ licher Hochwassergefahr sei der Feilbach bis jetzt nicht fest­ gestellt. Der Kreisfischereiverein trat dem Gutachten des Bezirksfischereivereines bei. In der Regierungssenat-Sitzung vom 1. Juli 1910 kam der Gegenstand zur Verhandlung. Nachweislich geladen waren hiezu: der Genossenschaftsvorstand, Rechts­ anwalt Jll, Gemeindeverwaltung Reich, die Wiesenbesitzer Loch, Zott und Frau Sir, sowie der Hypothekgläubiger Mayr. Erschienen waren nur Gutsbesitzer Denk und Rechts­ anwalt Jll, die beide auf ihre frühere Stellungnahme zur Sache sich bezogen, ohne Neues beizufügen.

Aufgabe: Entwurf einer Entscheidung des Regie­ rungssenates mit erschöpfender Begründung, wobei von einer Darstellung des Sachverhaltes abzusehen ist.

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