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German Pages 356 [372] Year 1839
Die
Vier Novellen von
-er Frau von tv, HerauSgegeben
von
8. Schefer.
Berlin, Verlag von Veit und Compagnie
1838.
Aus Bescheidenheit wünschte die Berfaf-
serin ihren Namen vor diesen Novellen ver-
schwiegen.
Ob sie es immer wird,
wenn sie
einfachen edlen Gemüthern gefallen haben, das
weiß ich nicht.
Sonst verschleiern sich schöne
Menschen am liebsten, um angenehm zu über raschen.
sie selbst,
Hier aber erscheint indessen ja doch
durchsichtig,
eine reine Seele, die
selbst die Sprache des Herzens redet.
eben wünscht sie,
Denn
daß alle im Leben sie im-
mer reden möchten und reden könnten,
und
der Titel des Buches bezeichnet am meisten:
seine Absicht!
Dabei erscheint ihr gleich
wichtig, daß jeder auch die zarte Sprache des Herzens des Andern verstehe,
achte,
ja auf sie
sich nicht durch vorgefaßte Meinung
und Leidenschaft darüber verblende.
Und nun mögen wir einfach es sagen,
was die Leser hier finden: das durchhin wir kende
Motiv
Verirrung,
der Seelen-
oder
das Nichtverstehen
Neigungs-
der
Herzen
bis zu der unabwendbar erfolgenden CöW'on; feine psychologische Intentionen,
edle^Hal-
tung, Durchführung; eine gebildete Lebensan-
sicht, lebenstreue Verwickelung,
gelinde Lö
sung, zartvermittelndes Einschreiten, ächtweib liche Behandlung
—
auch
Charaktere.
Eben so
ten
viel Geschehenes
sichtbar
der
männlichen
liegt den Begebenhei zum
Grunde,
das in dieser Form aber Niemanden verletzen
kann.
Wir finden hier eine Dichterin, deren
Schöpfungen und Gemüth Eins
find,
und
miteinander beurtheilt werden möchten. Die Kunst in dem Buche ist nicht größer als das Herz,
aber auch so groß.
Denn herz
lich zu sein, ist die Kunst der Frauen, und auch ihr Geschick.
Alles Andre und Beßre werden die Kunst richter besser sagen.
Muskau, September 1837.
Leopold Schefer.
Inhalt. Seite Herz und Weltsinn..............................................
5
Lebensglück und Liebesglück.................................. 67
Fanny............................................................... 187 Lebensbilder........................................................ 275
Herz und Weltsinn.
Herz im- Weltfinn. In Paris lebt seit vielen Jahrm der Inha ber einer Waffenfabrik,
mit Namm Holm,
gebürtig aus Deutschland,
welcher auf seiner Wander
schaft in jene Hauptstadt gelangend, ein Unterkom men in der Werkstatt eines Landsmannes gefundm
hatte, und nachgehends
Erbe gewordm
war.
dessen Schwiegersohn
Als frommer,
und
umsichtiger
Mann wußte Herr Holm die errungenen Vortheile
zu schätzen und zu benutzen, gleichwohl war es seine
Bestimmung^ das bittere Leid des Lebens zu erfah ren.
Nachdem
er vier liebenswürdige Kinder in
schneller Folge hatte dahin sterben sehn,
untergrub
der Gram hierüber die Gesundheit der Mutter, und
bei ihrem Tode war nur noch eine Tochter am Le-
bm, welcher von ihr, gegm dm Wunsch des Man
nes, in zärtlicher Wehmuth bei Name Aimve
beigelegt
wordm
der Taufe,
der
war. — Herr
Holm zeigte sich dm Franzosen nicht ebm abhold,
1
2 aber als Deutscher
als
echten Sinne des Wort's,
im
streng gläubiger Reformirter,
das sein
und
sagen kann,
und wenn man
als ein fast zu streng
rechtlicher
Mann.
nur zwei
poetische Hinneigungen,
In seinem Gemüthe wurzelten
lebhafte, innige
Zärtlichkeit für seine Tochter, und eine leidenschaft liche Vorliebe
für Musik.
genstände war selbst
Ueber diese beiden Ge
gen eine ernste, trockene,
zeigte,
indessen er im übri
unbeugsame Lebensansicht
welche ihn stets auf dem
Pflicht erhielt; und
weicher Schwär
ein. Anflug
merei ihm nicht ganz fremd,
geraden Weg der
da er für das Schwanken im
Gemüthe Anderer keinen Maasstab hatte,
konnte
man ihn füglich zu den Leuten rechnen, welche, in dem sie ihre Umgebung beglücken, dennoch von die
ser ein wenig
gefürchtet
werden. — Nach
dem
Tode seiner Gattin hatte er die Leitung des Haus
standes einer alten Frau anvertraut, welche als Erb stück, nach des Schwiegervaters Tode, bei der Fa
milie des Nachfolgers geblieben war. — Madame
Deborah,
wie sie
im
ganzen Hause
gmannt
wurde, mußte für eine vortreffliche Frau gelten; sie liebte Aim^e Erziehung
aufs Zärtlichste
und
so gut sie es verstand.
leitete
deren
Herr Holm
3 lebte,
obwohl beinahe reich zu nennen,
manche Weise gebildet,
das Leben
und auf
eines
echten,
schlichten Pariser Bürgers, und in einem demgemä ßen Sinne war auch die Erziehung seiner Tochter,
ihr Anzug,
ihre
ganze Umgebung.
was zur feineren Bildung gehört,
Von
allem
wurde dem jun
gen Mädchen nur Unterricht in der Musik zu Theil, und
da auf
solche Weise mit
keine Versplitterung vorging,
ihren Fähigkeiten gelangte sie, ohne
so
daß der Geist eine allumfassende Richtung gewon
dennoch
nen hatte,
in beschränkterem Sinne,
zu
ansprechender Vollkommenheit.
Als
Aimee
das
16te
Jahr
führte Herr Holm seine Tochter
zurückgelegt,
in die Welt ein,
das heißt, er machte mit ihr und Madame Debo rah
an Sonn- und
Umgegend von Paris,
Festtagen Ausflüge
und
in
die
bei ländlichen Festen,
welche in solcher Veranlassung sich darboten, durfte
der erste Gehülfe und Fabrikaufseher, Joseph Ro-
fte, Aimve zum Tanz führen^ derm Vater bei dem Auftreten der hübschen, Freude empfand.
jungen Leute sichtlich
Während des Werktages dagegm
war von keiner weiteren Zerstreuung die Rede, und
nie kam es
Aimve in den Sinn,
Anderes zu
4 wünschen noch zu begehren.
Wer mit Menschen
festen Charakter lebt,
von bestimmtem,
weiß was
er zu hoffen und zu erwarten hat, und lernt dadurch, unwillkürlich, das Glück des Lebens, Beschränkung,
sich aneignen. — Joseph Rosiv war einziger Sohn des bestm
den Herr Holm in Paris besaß,
Freundes,
Verhältniß,
welches seinen ersten Grund
ein
darin ge-
funden, daß der alte Rosiv ebenfalls der reformir-
ten Kirche angehörte. mehr als Aimve,
Joseph zählte einige Jahre schon im Knabenalter war er
in die Fabrik ausgenommen und als Aimve sich im sechzehnten,
jahre
befand,
Geschicke
vor.
Joseph im
stand
zwanzigsten Lebens
dieser derselben
Alle Welt
sah
in
mit großem dem
jungen
Manne den künftigen Schwiegersohn des Hauses, um so mehr,
weil Aimöe ihn jetzt eben
so zu
traulich Du nennen durste, wie zu einer Zeit, beide im kindlichen Alter miteinander spielten. ten vielleicht haben zwei
Jugend glücklicher
als
Sel
junge Personen ihre erste
zugebracht; Joseph lebte und
athmete nur jür Aimve,
sei, bezweifelte er nicht,
daß sie ihm bestimmt
und wandte ihr eine Liebe
zu, wie solche nur immer durch die feurige Natur
5 zärtlichen
eines
lebhaften Gemüthes hervorge
und
Aimees Seele war umge
rufen werden mag.
mit Josephs Bilde nicht in dem nämli
kehrt,
chen Grade beschäftigt, sie freute sich, wenn er kam,
sie war ihm von Herzen gut,
und immer gab es
zu schaffen, sie sangen dann auch
für ihn
etwas
wohl miteinander und erzählten sich die kleinen Er eignisse des Tages, die Sehnsucht aber, welche seine
Brust erfüllte, war ihr unbekannt.
Im Absatz
Steigen Statt,
der Fabrik fand
ein beständiges
die Handelsverbindungen breiteten
sich immer mehr aus,
und Herr Holm, der bis
dahin Allem selber vorgestanden,
sah sich nach ei
nem geschickten Buchhalter um, den er bald darauf an einen ihm
empfohlenen
hoffen durfte.
Die Aufnahme neuer Mitglieder in
Schweizer zu erhalten
einem kleinen häuslichen Kreise veranlaßt nicht sel
ten im Anbeginn einiges Unbehagen; im vorliegen den Falle wurde aber hiervon wenig bemerkbar,
die Hausbewohner sich nicht
sonderlich
in
ihrer
stören ließen
und
da
einfachen Weise
dem Fremden
schnell ein heimathliches Gefühl einflößten.
Nur Joseph hältniß
nicht recht
konnte sich in das neue Ver
finden;
er
saß Aimee am
6 Tische gegenüber und gewohnt ihre Augen nur auf sich gerichtet zu sehn, mußte es ihm auffallen, daß ihre Aufmerksamkeit ihm nicht mehr ungetheilt zu
gehörte.
Sie blickte nach wie vor lächelnd auf, so
oft Joseph sprach und mit echt ftanzösischer Le
bendigkeit
Fremde,
das Wort
führte,
redete
dagegen
der
welcher Eugen hieß und nach herrschen
der Sitte, im Hause, nur Monsieur Eugene ge
nannt wurde, so wandte sie sich auch diesem zu, obwohl selten lächelnd, oft,
geschah
es
aber,
denn er mischte sich nicht mit einnehmender Anmuth
in ein fröhliches Gespräch. Für Aimee war es
ziemlich unabwendbar,
beide junge Manner mit einander
zu vergleichen;
dem Aeußern nach glich Eugen einem Franzosen fast mehr als Joseph, welcher ein Helles, lebhaf
tes Colorit, lichtbraunes Haar und Augen von der selben Farbe
hatte,
indessen bei Eugen
sich in
aller Weise eine südlichere, dunklere Färbung geltend
machte.
Verschieden wie ihr Aeußeres schien auch
ihre Gemüthsanlage; Joseph war unbesorgt, voll
Lebens- und Jugendmuth, nahmen aber seine ftöhlichen Augen einen ernsteren Ausdruck an, darin etwas,
so lag
welches unwillkürlich Achtung gebot,
7 und sein Blick schien in
die Seele dringen zu
solchen Momenten bis in
Auch mußte seine
wollen.
milde Güte um so tieferen Eindruck hervorbringen,
da man sah, daß er zürnen könne.
Er war als
Ausnahme ernst, Eugen als Ausnahme fröhlich. Josephs Manieren
diejenigen eines
waren
jungen, gewandten französischen Bürgers, Eugens Betragen dasjenige eines Mannes,
der in anderen
und höheren Kreisen gelebt hat, und selbst da, wo
er einfach ist und sein will, etwas von der Eleganz seiner Weltsitte durchblicken läßt. — Hierin war
ihm Aimee ähnlich, deren zierliche Gestalt,
schwebender Gang,
ihr
freilich
selber
deren
unbewußt,
Allem was sie vornahm, den anmuthigsten Anstrich verlieh.
Eugen besaß
eine tiefe,
melodische Stimme
und diese Entdeckung führte dazu, daß oft am Abend
an denen der Haus
Terzette vorgetragen wurden,
herr seine innige Freude hatte. gab
die Verschiedenheit
sich kund.
der
Auch im Gesänge
beiden
Joseph trug alle
jungen
Leute
zärtliche Lieder mit
der ungekünstelten Innigkeit eines reinen Herzens vor;
aus
jedem
Worte,
athmete schwermüthige
welches
Glut,
Eugen
sang,
überwallende Leiden-
8 Das Leben im Hause
schäft.
blieb
übrigens im
Ganzen unverändert, Aimee mußte bei Führung des Hauswesens thätig an die Hand gehn, schlief
am Abend zufrieden ein und erwachte fröhlich am Morgen; sie wußte, der Tag brachte ihr nur Gu
Wenn sie sich
tes.
jetzt aufs Land begaben,
war auch Eugen in der Gesellschaft,
Freude daran fand,
so
so ost er
zu Josephs Leidwesen aber
stand es ihm alsdann auch frei, mit derjenigen zu
tanzen,
die bisher nur ihm diesen Vorzug gewahrt
hatte; das schien ein Eingriff in seine Rechte und er beklagte schmerzlich, ihn dulden zu müssen.
Sich
jedoch um Aim6e zu bewerben, wagte er nicht,
fest überzeugt,
der Vater werde, wenn diesem die
Zeit gekommen zu sein schiene, ruhig sagen: »Jo seph ich gebe Dir Aimee zur Frau,
dann
ist Eure Hochzeit.«
Nun aber
junge Mann diesen Zeitpunkt herbei,
dann und
sehnte der
der sich für
seine Ungeduld viel zu lange hinzog.
Herr Holm bewieß den beiden jungen Leuten
Wohlwollen,
jedoch war er gegen Joseph stren
ger, weil er ihn mehr liebte. in
dem Wesen
Seltsam gmug liegt
wahrer Zuneigung das Bestreben
nicht sowohl sich selber
sondern Geliebtes veredeln
9 Das Bedürfniß Vollkommenes zu lie
zu wollen.
ruht in jeder menschlichen Brust,
ben,
und wo
edle Eigenschaften nicht vorhanden sind, da schafft eine
Einbildungskraft
nie ruhende
dieselben,
sich
um das theuerste Wesen damit zu schmücken.
kleine Versehen,
Jedes
welches Joseph beging, jede ge
ringe Unbesonnenheit,
die an den Tag kam, fand
die strengste Rüge, scharfen, auf den unerfreulichen Umstand ost zurück kommenden Tadel.
Sagte oder
unternahm dagegen Eugen etwas, welches Herm Holm,
seinen
Grundsätzen
nach, misfallig
sein
mußte, so war die Sache mit einem ernsten Blick, mit einem bezeichnenden Stillschweigen, schnell abge
macht und eben so schnell vergessen. Sechs Monate waren seit Eugens Ankunft
verflossen,
da
nahte der dritte Mai,
Tage Herr Holm
an welchem
stets mit seiner ganzen Haus
genossenschaft das Abendmahl zu nehmen indem
pflegte,
mit demselben Erinnerungen verknüpft wa
ren,
welche
sich
zu
gekommen, Zimmer,
er
auf diese Weise
bewahren
suchte.
Als
zu heiligen und
der
Vorabend
trat Deborah zu Aimee in's
welche, das Köpfchen aufgestützt, gedan
kenvoll vor sich hin sah; beim Eintreten der guten
10 Frau fuhr Aimee rasch in die Hohe, und blickte da diese aber schwieg, versank sie
sie fragend an,
wieder in
ihre nachsinnende
Deborah stellte gen
auf
den
Madame
Stellung.
ein Körbchen voll schöner Oran
Tisch:
Hier Aimve,
meine süße
Liebe, das schickt Dir Joseph. Ich danke.
Wie befindet sich Joseph? —
er hat
Eben komme ich von ihm,
heftiges
Fieber und der Gedanke morgen nicht mit uns sein zu können,
Mensch!
betrübt ihn innig.
Der liebe, junge
wie fromm und gut er ist! die Orangen
hatte eben seine Mutter gebracht, aber, obgleich er vor Durst fast verschmachtete, rührte er sie dennoch
nicht
an.
»Für Aimve,«
sagte
er, »und sah
mich dabei mit seinen lieben, guten Augen so Herz
gewinnend an, daß ich mich der Thränen kaum er wehren konnte.«
»Du bist seine treue Freundin.«
»Ja, und ich danke Gott dafür, den Guten lieben, heißt auch gut sein.«
Sieh'
Deborah,
ich
bin Joseph
gut,
von Herzen gut, und wenn ich es manchmal nicht
recht äußere, so ist es Deine Schuld; alles was Du
11 zu seinem Lobe sagst, soll Tadel für einen Andern bedeuten, das verdrießt mich.«
»Du denkst
immer an den Andern, Engel
chen, und deshalb beziehst Du Alles auf ihn, Gu
tes und Schlimmes.
Was
mich betrifft, so sage
ich meine Ansicht frei heraus.
mir des Morgens im
Wenn der Joseph
Hause
seinen hellen Augen ansiehk,
begegnet, mich mit
und mit einem höfli
chen Nicken des Kopfts grüßt, so denke ich immer,
es müsse mir wiederfahren.
sagt
mit
den
Tag über noch
etwas
Gutes
Kommt dagegen Herr Eugen, und
seiner
gewandten
Verbeugung:
morgen Madame Deborah,
so
Guten
fasse ich gewiß
an meine Schürze, oder schiebe die Haube zurecht, denn er sieht immer aus, so freundlich er sich auch
mag,
stellen
als
ob
er irgend etwas Lächerliches
gewahre, und nur eben aus Vorsatz nicht darüber
lache.«
gut
Wie
ungerecht Du bist! sieht
und
angenehm
aus,
Eugen nicht
und hat er nicht ein
Paar schöne Augen? — Schön? o ja, nur nicht nach meinem Sinn,
ich traue den
Augen nicht, in denen Gewitterwol
ken im Hintergründe liegen.
Wehe der Frau, die
12 gutem
nach
Wetter
in
den Augen ihres Mannes
suchen muß! Launen sind eine ganz hübsche Sache, so lange sich damit spielen läßt, wenn aber bitterer
Ernst daraus wird! — Ein's
muß ich
chen; heute Morgen
Deinen Vater
Dir noch anvertrauen, Herz
sah
ich, zum
ersten Mal,
zu Herrn Eugen auf dessen Zim
mer gehn; zufällig hatte ich allerlei auf dem Vor platze zu schaffen, hörte sie auch reden, konnte aber
kein Wort verstehn, nur zuletzt, als. ich eben etwas naher trat, um der Zugluft zu entgehn, vernahm
ich wie Dein Vater sagte:
Zch wünsche, daß Sie
meiner
Tochter diese Mittheilung nicht vorenthal
ten.«
Gleich darauf trat er
aus
dem Zimmer,
sah mich mit Blicken an, die mir alles Blut in's
Gesicht trieben und äußerte: Herr Eugen ist un
wohl und wünscht einige
Tage auf seiner Stube
zu speisen.«
weiß ich
—
Weiter
bis zu dieser
Stunde nichts, begreifst Du —
Ach gute Deborah, wer weiß ob Du recht gehört.
Höre, Du
bist sonst immer so
gut, so
theilnehmend, unser aller, liebe Mutter Deborah,
wie
kommt es nur,
daß
Du Dich um
Eugen
13 nicht
im
mindesten
ihn
bekümmerst,
nicht
be
suchst? -
das
Nein Armee, da müßte ich
mir nicht übel,
nimm
erst die Gewißheit haben,
daß er
recht von Herzen krank ist.
Wer sagt Dir, daß es nicht der Fall sei? — Possen, wer wie
er, mit
großen Schritten
im Zimmer auf und ab rennt, wird so gar krank
Launen mag
nicht sein.
gleich einem
haben,
er
vornehmen Herrn, krank ist er schwerlich.
gens ist noch ein Auftrag
auszurichten;
Uebri-
als ich
Joseph verließ,
rief er mir nach: Ersuchen Sie
Aimee, morgen
für mich zu beten, Gott zu bit
ten,
Freude an einander
daß er uns Glück und
denn daß wir für einander bestimmt
erleben lasse,
sind, weiß sie so gut als ich.«
Aimee erröthete: Das sagte er! — Ja, und mit einem Ausdrucke, einer Leben digkeit!
»Bete für ihn,
mein Kind,
Du bittest
für Dein eignes Glück.« Einige
Aimee
Tage
eine
spater
vierhändige
spielten Sonate
Eugen
und
miteinander.
Herr Holm wurde abgeruftn, und das Spiel eine Weile fortgesetzt, bis bei einer zufälligen Berühmng
14 ihrer Hände, Eug en die Hand Aimees ergriff, und sehr
bewegt sagte:
Ich
habe Ihnen
etwas
mitzutheilen, Aimee, welches zu verschweigen mir
als
Mann von
Ehre nicht geziemt, wie ich denn
auch von Ihrem Vater dazu aufgefordert worden; der junge Mann stockte eine Weile und schien mit
sich zu kämpfen, dann mit festem Blick seine junge Freundin
betrachtend,
freundlichen
unseren
eintreten,
fragte er leise: Verhältnissen
Würde in
eine
Störung
wenn ich Ihnen gestehe, daß meine Re
ligionsansicht von der Ihrigen abweicht? —
Ein leichtes Beben überflog Aimees Gestalt,
sie erbleichte, und sagte nach einer Pause: Warm Ihre Eltern der katholischen Religion zugethan? —
Meine Eltern? — Nein
ich
bin
Mädchens
er
Aimee,
Katholik aus Ueberzeugung.« Die lebenswarme Hand
kaltete
in der
seinigen,
beide
des
schwiegen,
mdlich
stand Eugen auf um sich zu entfernen, da drehte
Aimve das Haupt zu ihm hin und fragte leise:
Aus Ueberzeugung? Er nickte bejahend: Aus Ue
berzeugung Eugen? —
»Ja Aimee, wie oft soll ich es wiederholen.« O Eugen zümen Sie nicht, Sie sehen ich
15 bin unfähig
es
zu tragen.
rief sie schmerzlich,
Ueberzeugung!
Aus
und hob die gefalteten Hände
empor.
Ich verkenne Sie in diesem Augenblick gänz lich, Aimve. könnte,
Das Einzige was Sie beruhigen
scheint
Sie
zu qualm.
Welchen
irgend
achtungswerthen Grund kann man für einen Reli
gionswechsel haben, wenn
es
nicht
ist? — Wenn Sie mir wohl wollen,
Ueberzeugung sollten Sie
bitten, Ihnen dieses Wort aus dem Grunde
mich
meiner Seele zu wiederholen.« Ich will Ihnen wohl, Eugen, Sie wissen cs nur zu gut,
fassen.
Aus
aber lassen Sie mir Zeit mich zu
Ueberzeugung!
wiederholte Sie noch
einmal mit schmerzlichem Tone, indessen Thränen
ihr Gesicht überströmten. In Eugens Zügen kämpften die gemischtesten
Empfindungen, Stolz, Unwille, Mitleid und Nei
gung.
»Aimee,« sagte er nach einer Pause, »habe
ich mich denn
gänzlich in Ihnen geirrt? —
Ist
die Form Ihnen alles und das Wesen nichts? — Verehren wir nicht dieselbe erhabene Gottheit, wenn auch unsere Gebräuche von einander abweichen? Es giebt nur Einen Herm des Himmels und der Erde
16 und ich beuge mich im Staube vor seiner Allmacht und bete ihn an.
Was
begehren Sie mehr? —
Ob ich dazu der Formen bedarf, welche Ihnen entbehrlich scheinen,
kann über wahren Werth oder
Unwerth schwerlich entscheiden.« »Und doch,
Eugen,
diese Abweichung entscheidend. bedürfen Sie dieser Formen,
in meinen Augen ist Warum, o wamm,
welche unser einfacher
Glaube verwirft, warum, wenn keine Schuld Ihre
drückt,
Seele
flüchteten Sie zu
einer Religion,
welche dem Fehlenden tauschende Sühne gewährt?«-Eugen richtete sich stolz empor: »KeinWort weiter, Aimve,« sagte er befehlend, »kein Wort
weiter.
Ich will solche Anschuldigung auch aus
Ihrem Munde nicht hören; das Recht so mit mir zu reden, Sie
es
konnte ich allein Jhnm geben,
mißbrauchm,
Nie darf ein
ähnliches
ist es Ihnen
und da
genommen.
Wort über Ihre
Lippm
kommen, was ich gethan, habe Ich zu verantworten, Ihre Harte ist völlig überflüssig.« »Meine Härte? ach, Eugen!« —
Besänftigt
nahte
sagte nach einer Weile:
dieser
einige
Schritte und
»Könnm der heutige Tag
und Ihre Worte jemals vergessen werden!
liegt es
17 denn in dem Sinne Ihrer Religion so schnell zu verdammen? —
Muß wer anders denkt durchaus
Schuldiger,
der Vergebung Bedürftiger sein?
ein
O Aimve, solche Schlüsse, solche von jeder Milde entäußerte Schlüsse, werden Ihrem Glauben schwer
lich
gewinnen! — . Besinnen Sie sich
Anhänger
wohl.
Seit ich Ihr Haus betrat, ist Ihr Wohl
wollen mir geworden-
guten,
Sie haben mich für einen
vielleicht darf ich sagen,
menden Menschen gehalten.
für einen einneh
Bin ich denn das Alles
Sie wissen, daß der Cultus mei
nicht mehr, seit
nes Glaubens von dem Ihrigen abweicht. Aimve
bin ich
dadurch
deshalb
nicht
ein Anderer geworden?
mehr
gut,
nicht mehr
Bin ich der
Liebe
werth?« —
»Nicht mehr gut? ach Eugen,
nun kommt
Alles an den Tag, was in den Tiefen meiner Seele
schlummerte.
Sie sind gut, aber— ob Sie nicht
mehr einnehmend als gut sind! — Sehen Sie mich nicht so an,
ich muß nun Alles sagen;
ich Ihre Güte bestehe
denn nie ist mir das eigentliche
Liebenswürdigkeit,
Wesen
derselben
Ihre Fehler,
oft denke
in Ihrer einschmeichelnden
recht klar geworden.
man
fühlt sie,
Man sieht
aber kaum ist das
18 geschehen, so verwischen Sie den Eindruck mit Ihrer Herz gewinnenden Freundlichkeit,
mit der zutrau
lichen Offenheit, mit all dem Zauber Ihres Geistes.
Eben jetzt,
wie rauh waren Sie,
und ich vergebe
Ihnen, um Ihres Blickes willen, um des Ton's willen,
der nicht
Aber was
vergeblich zum
beweißt das?
—
Herzen spricht.
Es spricht für die
richtige Anwendung liebenswürdiger Gaben, ein Be
leg für Ihre Herzensgüte ist es nicht.«
»Der Beleg, wie Sie es nennen, liegt Ihnen vielleicht näher als Sie denken,
Aimeez
würden
den Muth haben mir das Alles zu sagen,
Sie
wenn Sie nicht auf meine Herzensgüte rechneten? Würden
Sie
Vergebung für diese Worte hoffen
dürfen, wenn ich kein guter Mensch wäre?« — »Ja Eugen,
ich dürfte dennoch darauf rech
nen, denn Sie verzeihen mir aus Neigung.«
Ueberrascht blickte er sie an, lächelte, und sagte
dann:
»Aus Neigung? Süßes, thörichtes Wesen,
ich könnte Neigung für Sie empfinden und Ihnen
dennoch nicht vergeben, wäre ich nicht besser, als Sie denken.— Sie sind anders erzogen als ich, ALmee,«
sagte er zutraulich sich zu ihr setzend ; »Alle Män ner, auch die Besten,
sind sündige Menschen, im
19 Vergleich zu den Besseren Ihres Geschlechts. ist eine
Wahrheit,
Das
die jedem Manne einleuchten,
die er um so weniger verwerfen wird, da in un serem Weltleben manches liegt,
was
Verschlechterung mit sich führen muß.
nothwendig
Es ist kaum
zu ändern. — ' Wie einfach Sie aber auch erzogen sein mögen, so liegt in Ihnen eine Bildungsfahigkeit,
eine Auffassungsgabe,
welche Sie weit über
viele Ihres Gleichen stellt, und eben deshalb mögte ich von Ihnen gefaßt und verstanden werden. Von
meiner ersten Jugend sage ich Ihnen nur, daß ich sie unter dem Druck einer strengen Erziehung seufzte.
ver-
Das einzige Gute was mir daraus erwuchs,
war ein Schatz von Kenntnissen.
Mein Vater« —
Herr Holm trat wieder in's Zimmer, Eugen
schwieg,
stand auf und machte eine verständigende
Bewegung gegen ihn, welche dieser mit einem bil
ligenden Neigen
des Kopfes
erwiederte.
Armee
beobachtete Beide wahrend des übrigen Abends mit
Aufmerksamkeit; es war klar, ihr Vater war nicht mehr so freundlich gegen Eugen,
war höflich, mehr derselbe;
aber kalt.
Dieser
düstere Wolken
sein Benehmen
schien auch nicht flogen über seine
20 Stirn,
und sichtlich unterdrückte er die Aufregung
verletzter Empfindlichkeit. wünschte Aimve
Lebhaft
Joseph
herbei,
dessen unbefangene Heiterkeit schon oft einen Mißton
ausgeglichen hatte.
Am folgenden Morgen erschien Madame De borah in Aimees Zimmer:
Susette hat mir gesagt,
eine
Weile
»Nun Engelchen?
daß Du gestern Abend
mit Herm Eugen ganz allein warst,
was sagte er denn da?« —
»Was er sagte? — Wir spielten Clavier mit einander.« Madame Deborah setzte sich schweigend mit ihrer Arbeit in einen Winkel des Zimmers, Aimee ging unruhig hin und her, endlich blieb sie stehen: »liebe, liebe Mutter Deborah, bist Du böse auf
mich?« —.
Jene nahm ihre Brille ab und entgegnete be
wegt:
»Böse
eben nicht,
aber es krankt mich,
daß Du, welche noch niemals eine Unwahrheit ge
sagt hat, es jetzt um dieses Menschen willen thust. Unwahrheit ist der erste Weg zur Sünde, den Weg lernst Du durch ihn kennen.
Nun,
weine nicht
21 so,
Aimee,
mein Liebstes,
ich kann Dich nicht
weinen sehn.«
»Nein, ich will es Dir sagen, wir hatten eine Unterredung mit einander,
aber was er mir mit-
theilte, darf ich nicht verrathen, nur der Vater weiß es,
selbst oft die schönen
und Du hast mir ja
Worte der Schrift gesagt:
»»Wer ein Geheimniß
verrath, mit dem ist es aus.««
Freilich, freilich, wohl indessen denen, die keine
Geheimnisse zu verschweigen haben, und deren Herz rein ist von Sünde! — Eigentlich wollte ich Dir einen Gruß von Joseph bringen, morgen erscheint
er wieder in unserem
Kreise.
hat mir überall gefehlt.
Sein liebes Gesicht
Der arme, junge Mensch!
lebte sein Vater noch, der hatte ein Ende gemacht, und. Du warst langst Madame R o sie.
»Immer liegt Dir diese Heirath im Sinn.
Wer weiß, ob ich jemals Josephs Frau werde.« »Ja,
wer weiß!
da
hast Du wohl Recht!
ist es nicht der Fall, so wirst Du bittere Thränen
noch
zu weinen
haben,
und dann erinnere Dich,
daß ich Dir Besseres gewünscht habe.«
An dem Tage, dacht hatte,
dessen Deborah früher ge
war Herr Holm in Eugens Iim-
wer
getreten.
Er machte diesen nach kurzer Ein
leitung mit der Sitte des Hauses bekannt; Eugen
hörte aufmerksam
als Herr
zu,
Holm
schwieg,
raffte er sich zusammen und erwiederte ruhig: »Ich würde mich
mich
glücklich
schätzen an
dieser feierlichen
läge es für
Theil nehmen zu können,
Handlung
nicht
außer dem
Ich bin Katholik.«
Bereiche
der
Möglichkeit.
Herr Holm fuhr in die Höhe,
beide Männer standen einen Augenblick schweigend,
unbeweglich,
Auge
in Auge.
Eugen hielt den
auf ihn gerichteten Blick mit Festigkeit aus, Blut war aus seinem Antlitze gewichen,
Augen im lebhaftesten Feuer strahlten. Pause äußerte Herr Holm: Brief meines
ich meine,
alles
indeß die
Nach einer
»So muß ich den
Freundes mißverstanden haben, denn
Ihres Vaters sei darin,
als des Pre
digers einer reformirten Gemeinde gedacht.« »Allerdings war er das,
ich bin nach seinem
Tode aus Ueberzeugung zur katholischen Kirche über gegangen. «
chenden, erwiederte.
Derselbe feste Blick traf den Spre
welchen
er
mit der nämlichen Festigkeit
»Das verändert freilich Alles. —
Ich
liebe bei feierlichen Handlungen feierliche Gedanken,
und jedes müßige Gerede ist mir bei solchem Anlaß
23 doppelt verhaßt.
Durch meine Schuld halt man
Sie hier im Hause unserer Kirche zugethan, wollen
Sie mir nun ein Opfer bringen? Darf ich sagen, daß
Sie sich unwohl fühlen, und Ihr Zimmer während Eugen ver
ein Paar Tagen hüten wollen? —
beugte sich schweigend, Herr Holm hub nach einer Pause von neuem
an:
»Was
ein
Mann aus
Ueberzeugung thut, muß er verantworten, ich sage dazu nichts, als nur, daß unsere Begriffe von Recht und Unrecht verschieden scheinen; übrigens bitte ich,
daß Sie
meine Tochter von
diesem Umstande in
Kenntniß setzen mögen.«
Mit den letzten Worten war das der jungen Leute ausgesprochen. nicht
ohne
Bewegung
Schicksal
Herr Holm hatte
wahrgenommen,
wie
sehr
Aimee in stiller Neigung sich Eugen zuwende;
der lebhafteste Kampf entstand in seinem Innern; er liebte Joseph, er wußte, daß dieser Hoffnung
hegte,
aber
durfte das ihn bewegen, der Neigung
seines einzigen Kindes Zwang anzulegen? —
Er
selber hatte
mehr aus Vernunft als aus Neigung
geheirathet,
und war glücklich
Weise,
gewesen
auf seine
aber er wünschte seiner Tochter ein anderes
Glück, um so mehr,
fügte er in Gedanken hinzu,
24 da Frauen doch nun einmal einen poetischen Sinn haben.«
Vielleicht zum ersten Male im Leben un
schlüssig, war er geneigt die Sache noch eine Weile jetzt aber war die Entscheidung
so gehn zu lassen;
da; von Eugen konnte gar keine Rede mehr sein,
und Aimee mußte diese Ansicht theilen, sobald sie die Wahrheit erfuhr. Am folgenden ihren Noten
ein
Aimee
Tage fand
zwischen
zusammen gefaltetes Papier und
Eugens Handschrift erkennend, eilte sie damit auf
ihr
Stübchen,
wo
sie mit der ganzen Bewegung
eines erregten Herzens Folgendes las:
»Ich sagte Ihnen, daß es nicht mein Wunsch sei, von Ihnen verkannt zu sein,
Aimee, und
darin liegt die Veranlassung zu diesen Zeilen.
sen
Sie
das Nachstehende, so
Le
viel möglich mit
Besonnenheit, beurtheilen Sie es mit Gerechtigkeit,
gedenken Sie meiner mit Milde. Meine Mutter Glück ist
habe
ich nie gekannt,
dieß
mir versagt geblieben, mein Vater war
ein sehr gelehrter,
und sichtlich
für höhere Zwecke
gebildeter Mann, und ich sagte Ihnen bereits, daß ich hart und streng erzogen wurde, so strenge, daß
ich mich weniger Lebensfreuden zu entsinnen weiß.
25 Ueber mein ganzes Dasein war ein geheimnißvoller
Schleier gebreitet; nie habe ich etwas von den frü heren Lebensverhaltnissen
meiner Eltern
Nur zuweilen äußerte mein Vater, Verwandte
am Leben
einzigen Zweige
habe, daß
einer bis so
erfahren.
daß er keine
er und ich die
weit ausgestorbenm
Es war sichtlich, daß mein Va
Familie waren.
ter Erfahrungen, welche er gemacht zu haben schien, und
die mir unbekannt geblieben sind, von mir wünschte.
abzuwenden
Trauriger
Irrthum!
ich
sollte den Freuden des Lebens entsagen lernen, und mein Herz schwoll über, in Sehnsucht nach densel
ben,
ich sollte einen geraden, offnen Charakter be
kommen, und
die einzigen Ergötzlichkeiten, die mir
zu Theil wurden,
errang ich durch Betrug.
Wer
die Freiheit eines Menschen auf unnatürliche Weise beschränkt,
lehrt ihm eben dadurch alle die kleinen
Sünden und Fehler,
welche man sonst nur durch
schlimme Beispiele sich aneignen mag. —
Nicht
auf Alle würde vielleicht eine solche Erziehung den gleichen Eindruck hervorbringen.
denken,
heiter,
daß
Zch könnte mir
Joseph in ähnlicher Lage fügsam,
zufrieden geblieben wäre.
In seinem ruhi-
gen Gemüthe schlagen die Flammen, die sehnsüch-
2
26 tigen Flammen nicht empor,, welche mich
oft zu
verzehren gedroht haben. — zwanzigsten Jahre bezog ich dir
In meinem
Universität; nun war ich frei.
Ich fühlte es, tief
aufathmend, jauchzend vor innerer Seligkeit.
ich von dieser Freiheit einen sehr
machte,
werden
Sie
Daß
Übeln Gebrauch
vielleicht nicht
voraussetzen,
aber
ich gestehe es Ihnen offenherzig.
nicht
völlig
Wenn ich
unterging, so verdanke ich dieses den
Vaters,
von denen ein Theil
auf mich übergegangen ist,
und die ich staunend
Grundsätzen meines
verehrte, selbst dann, wenn, ihre Strenge mein ju zu Boden drückte.
gendliches Herz
Lebens
habe ich gelernt, wer ganz,
Im Laufe des ganz rechtlich
handeln will, kann nicht immer völlig milde For men haben. — Meinem Vater mußte Manches, ihm mißfällige, suchte
über mich zu Ohren kommen, er ver
die Zügel wieder zu fassen, aber vergeblich,
mein lebenskräftiger Uebermuth hatte sie abgeschüt telt. nicht,
Selbst
Entziehung
denn ich
mir borgten.
der Geldmittel fruchtete
fand leichtsinnige Freunde, welche
Zu
meinem
Glücke oder Unglücke
ist es mir immer leicht geworden, die Herzen für mich
einzunehmen.
O
Aimee, es ist
schwer,
27 anzuwenden! —• Nach zwei
solche Gaben richtig Jahren
starb mein Vater, seine letzten Worte wa
ren Segen über mich, unverdient, wenn man nicht
die Entschuldigung
für mich sprechen
lassen will,
welche in den Umstanden liegt. — Mein Schmerz war
tief und erschütternd,
meine Reue aufrichtig,
aber sie kam, wie fast jede Reue, zu spat. — Nach
dem Tode meines
Vaters
reichte der
Verkauf seiner kleinen Habe kaum, meine Schul den zu tilgen, und halb erfreut, halb verzweifelnd,
nahm
ich
das Anerbieten
an, als Secretair
ihm nach
eines russischen Grafen
in seine Dienste zu treten, und
Italien zu folgen. — Die Erinnerung
an den Grafen ist
mir noch jetzt wohlthuend z er
war der feinste, und dabei edeldenkendste Mensch,
welcher mir je vorgekommen, und ihm verdanke ich
die Weltbildung, welche oft an mir ausgefallen ist. Kenntnisse besaß ich allerdings,
sein Umgang be
lehrte mich, daß nur die richtige Anwendung der selben das eigentliche
machte. —
Wesen
der
Bildung
aus
Jede Ziererei war ihm fremd, gleich
wohl habe ich aus seinem Munde nie einen unge
wählten Ausdruck vewommen.
Alle Rohheit wi
derstand ihm aus natürlichem Geschmack) eine ähn-
2*
28 liche Läuterung desselben gehört gewiß zu den Sel tenheiten, und nicht alles Gute ging verloren, was ich mir aneignen konnte, aber ich besaß zu geringe
Festigkeit, als daß es hätte Wurzel schlagen können.
Große Abschleifung äußerer Glück,
wo sie
Sitte ist nur da ein
mit Reinheit des Herzens verbun-
ben ist, im entgegengesetzten Falle dient sie nur zur
leichteren Erreichung unwürdiger Zwecke.
Mit
meinem
Vater
Schriftsteller gelesen,
daher den durch sie
das
alle
alteren
voll Enthusiasmus betrat ich geweihten Boden.
erste Ziel unserer
über den Eindruck,
hatte, ich
Rom war
Der Graf
lächelte
welchen ich empfand:
»Ihr
Reise.
Erstaunen,« äußerte er, »bethätigt am besten Ihre
große Jugend,
später werden Sie denken
wie ich.
Nur die Wunder der Natur sind unerforschlich, un
erschöpflich,
und des Erstaunens werth,
was die
Kunst hervorbringt, sollte einem wahrhaft gebildeten Gemüthe, als schon Bekanntes erscheinen.
Es giebt
davon Abbildungen und Beschreibungen in Menge;
einer nicht ganz ins Kleinliche gehenden Phantasie
müßte es daher leicht werden, einen Maasstab da für aufzufinden.« loren, ich hörte auf,
Dieser Wink ging
anzustaunen,
nicht ver-
zu bewundern,
29 gleich dem
einem
Ernste
einem milden
welches
und
Knaben, des
Mannes.
betrachtete fortan mit
Der
Graf
suchte in
Ctima Linderung für ein Augenübel,
sich dem Blicke
unheilbar zu sein schien.
durch
nichts
verrieth und
Deshalb bedurfte er mei
ner; ich führte seine ganze Correspondenz und (ernte
dadurch den Reichthum eines Herzens kennen, wel
ches das einmal Geliebte mit unwandelbarer Treue Zuweilen dictirte er mir Briefe
zu umfassen schien.
an eine Dame, welche die reizendsten und doch rich tigsten Schilderungen
Italien mittheilten.
über
seinen
Aufenthalt
in
Aus diesen Beschreibungen habe
ich manches gelernt; er verband mit seltener Tiefe der Beobachtung eine unendliche Frische des Gefühls.
Schatten und Licht waren überall für ihn vorhan
den,
aber er wußte
durch eine
eigene Zartheit des
Empfindens beide Harmonisch zu verbinden, Tadel und Lob
so wundersam zu verschmelzen, daß man
keines hatte entbehren mögen. — Jedes Wort, wel ches ich schrieb, erschien mir wie von einem geheim
nißvollen Zauber umgeben,
jede Zeile schien Nei
gung, tiefe, unbesiegbare Neigung zu athmen, und doch stand in dem
ganzen Briefe nie eine Sylbe,
welche darauf hindeutete.
Den Schluß dieser Briefe
30 schrieb der Graf stets selber und an den Tagen, wo
das
geschah, pflegte er in stiller
Einsamkeit nur
seinen Bettachtungen zu leben.
seine Güte wurde
Durch
eingeführt, wollende
Wer Italien richtig
man
und
enthusiastische
muß dort sich
würdigen will, muß
Sprache
mit
vertraut
völlig
Umgebung,
fremder
man ein Land ohne Vorurtheil
vermag.
oder zu^
zu preisen
— Mir wurde
bevor
sein,
dazu
volle Zeit,
wir verlebten fast drei Jahre größtentheils in ich war
für
Vorliebe
dazu hinreichende Gründe. —
waren
einwohnen,
Grafen Empfehlung,
Des
meine Jugend, meine
tadeln
alle Kreise
welche er besuchte und fand eine wohl
Aufnahme.
die Frauen,
Sitte
ich in
am Ende dort wie zu Hause.
schien mir bekannt, befreundet und nie
Rom; er
Alles
betrat ich
eine Kirche, daß ich nicht gleich den darin Betenden
auf die Knie gesunken wäre.
Es
liegt ein befrie
digendes Gefühl darin, die Gottheit knieend zu ver
ehren.
Wundersam
zogen
diese
Gebräuche
mich
an. —
Nach
Verlauf zweier Jahre wurde mir
Bekanntschaft Theil.
Ich
eines
sehr
hatte bereits
reizenden Mädchens
so viele
die zu
liebenswürdige
31 Frauen gesehen, daß aus dem Enthusiasten ein et
was kälterer Beobachter geworden war; ihre Schön
heit würde mich nicht hingerissen haben, was mich bezauberte, war
derselben
das Lob, welches andere Manner
spendeten.
stieg ihr Werth in
Dadurch
meinen Augen, und ich suchte ciu£ alle Weise,
günstig
für mich einzunehmen.
sie
Ich muß wieder
es mir nie schwer geworden ist zu ge
holen/ daß
fallen, zum ersten Mal traf ich auf Schwierigkeit, zum
ersten Mal
ohne Erfolg.
scheinend
und
mehr,
blieben meine Bemühungen an Das
nur
reizte
um
so
ich schwur es mir selber, daß ich dir
Schöne erlangen wolle, um welchen Preis es auch
sein möge.
ihrer
Ob ihr hoher Stand,
Familie,
nicht
verborgene
der Reichthum
Anziehungsmittel
auch waren, wage ich nicht zu entscheiden, aber ich
fürchte es.
Für meinen Stolz, für meine Einbil
dung stand keine Frau zu hoch. — So hingerissen
ich auch sein mogte,
denn ich wurde es im Ver
folg meiner Bestrebung,
konnte ich mich dennoch
nicht darüber tauschen, daß Francillas Gemüths
anlage
wenig zu der meinigen passe,
aber völlig
gleichgültig; ich
es war mir
wollte mein Ziel er
reichen, das Uebrige war Nebensache.
32 Monate vergingen auf diese Weise, nie wurde
ich zurückgestoßen, nie aufgemuntert ; gekrankte Nei gung,
tief verletzte
Eitelkeit und
der daraus ent
springende Unmuth versetzten mich in die Stimmung
der aller schwärzesten Melancholie.
Der Graf sah
meinem Treiben beobachtend, aber gelassen zu, ar^ch zur Schau
die Schwermuth, welche ich absichtlich
1mg, denn ich wollte erzwingen, wÄs ich.nicht er werben konnte, störte seinen Gleichmuth nicht.
Er
hatte Nachsicht dafür, aber anscheinend keine Theil
nahme.
Einige Bemerkungen, welche er gelegentlich
machte,
trafen mein Bewußtsein, aber sie blieben
unbeachtet. —
Was
mir nicht
gelingen
wollte,
glückte einigen liebenswürdigen Frauen, deren Haus der Graf oft besuchte, welche die tiefe Niedergeschla genheit des armen, jungen Mannes
nicht gelassen
ansehn konnten, und daher dringend um seine Ver
wendung ihn baten.
Zögernd gab er nach; feiner
Fürsprache, seinen Vorschlägen, wie man am besten einen Weg
zu einer diplomatischen Laufbahn mir
eröffnen könne,
gelang die Vermittelung.
cilla wurde mir zugesagt,
Bedingung, mischen
daß ich vor meiner Heirath
Kirche
mich
Fran-
unter der unerlöslichen
bekennen
müsse.
zur Rö Daß ich
33 diese Zusage gab, verdient vielleicht Billigung, Ent da die ansprechenden Ge
schuldigung mindestens,
ihre un
bräuche dieser Religion, ihre Feierlichkeit,
ermeßlich prächtigen Kirchen, bereits
gefangen
mir Herz und Sinn
genommen hatten.
war in
Ich
einer andern Religion erzogen, doch der Lehrer der
selben
hatte es nicht verstanden,
meine Liebe
für
diese rege, zu machenz wo ich nach Duldung mich fthnte,-fand ich unerbittliche Strenge.
Für
den Augenblick
war ich
der glücklichste
aller Menschen; das unsinnige, ganz hoffnungslose meiner Bewerbung
gens.
erhöhten den Reiz des Gelin
Selten vielleicht hat
jemand
das Glück,
die Seligkeit, welche er empfand, so überströmend, überwallend an den Tag gelegt. meinen Empfindungen ich
fand
unzählige
Immer habe ich
Worte geben meine
Wonne
Monate vergingen auf diese Weise,
können,
zu
und
schildem.
für mich nur
gestört durch ein Kränkeln des Grafen, welches den
Aerzten
bedenklich
erschien. -— Allmälig
begann
mein Entzücken sich etwas abzukühlen, meine Eitel keit war befriedigt,
der Reiz der Neuheit vorüber,
und so beachtete ich jetzt auch die Dornen,
früher nur die Rosen bemerkt hatte.
wo ich
34 Noch befand ich mich in denselben Verhält nissen im Hause des Grafen, indessen man vorbe
reitend durch Gold und Einfluß dahin strebte, mir
eine Anstellung zu verschaffen, und ich dem ernsteren
Studium
der
römischen Glaubenslehre
mich
widmete. — Nachdem die erste Bezauberung sich
gelegt, fühlte ich mich ost durch den Stolz der Fa milie verletzt, deren Mitglied ich werden sollte; äu
ßerlich konnte diese Wahrnehmung nie aufkommen, denn ich war stolzer als sie alle, aber meinen Ge
fühlen verstand ich nicht zu gerieten, und litt oft Qualen, welche nur der würdigen mag, welcher sel ber unbegranzt hochmüthig ist.
Auch in meinem
Verhältnisse zu Francilla lag manches für mich Verletzende, sie liebte mich jetzt, aber nur Ueberre-
dung hatte sie vermögt die Meinige zu werden.
Diese Betrachtung vergab ich ihr nie, immer war ich bemüht zu erforschen, ob Stolz, ob Verkennung
meines Werthes
ihren
Kaltsinn
veranlaßt
haben
könne; welchen Beweggrund ich auch zu entdecken meinte,
jeder
schien
mir
unerträglich.
Manche
kleine Schwachen und Fehler, für welche ich früher hatte blind sein wollen, wurden nun von mir be
achtet und gerügt;
die tief verletzte Eitelkeit, da-
35 Erstaunen, womit solche, und das darf ich sagen,
ausgenommen wurden,
sehr sanfte Rügen mir
am
zeigten
welche unsinnige Anbetung ich
klarsten,
bis dahin an den Tag gelegt hatte.
Die Frau,
welche ich liebte, Hatte nicht sehr eitel sein dürfen,
ich war es selbst allzusehr; nach und nach entstan den kleine Zwiste,
welche mit entzückenden Versöh
nungen endeten,
auch dagegen wurde ich indessen
gleichgültiger, da ich mich immer in der Lage be fand nachgeben zu müssen.
Der Graf, welcher fast beständig leidend war, errieth theilweise, was ich verhehlte, einst,
er sagte mir
bei einer passenden Veranlassung:
»Immer
mische ich mich höchst ungerne in eigentliche Lebens-
stagen,
für Sie habe ich, obwohl ungerne,
eine
mögte Ihnen jetzt
nur
Ausnahme gemacht,
und
Eines an's Her; legen: Sie sind zu weit gegangen, und müssen die betretene Bahn
verfolgen,
welche
sich zu einer sehr beftiedigenden gestalten kann,
so
bald Sie nicht, in trostloser Verblendung, ein voll kommenes Glück begehren, welches weder Sie, noch
überhaupt irgend Jemand verdienen kann. Ihre Religionsansichten sind
Ueber
Sie mit sich einig,
der Gegenstand Ihrer Liebe ist Ihnen
wider Er-
36 warten geworden,
so
sein Sie denn jetzt glücklich,
ohne nach dem Unerreichbaren zu verlangen.«
Seine
weil
Aeußerungen ergriffen mich immer tief,
stets
so viel einfache Wahrheit darin enthalten war, aber
beständig bend,
dem Einflüsse
nachge
des Augenblickes
konnten sie auf die Lange,
weder veredelnd
noch bleibend, auf mich einwirken.
Aus
einer Art Ueberdruß an einem Verhält
nisse, welches ich
erfehnt,
und auch
erfleht hatte,
jetzt nicht hatte aufgeben mögen, kam ich in die reizbarste Stimmung; in dieser erschien es mir oft
wünschenswerth, Francillg aufzugeben,
und es
sie mit unendlichem Stolze fühlen zu lassen, ich
ohne sie
leben,
ohne sie glücklich
daß
sein könne.
Sie kam mir zuvor; am Schlüsse eines, von mei ner Seite rücksichtslos geführten Streites, .bat sie mich mit Ruhe, mit erzwungener,
Fassung,
ihr Haus nie
aber sehr
mehr zu betreten.
edler Diese
Worte trafen mich gleich einem elektrischen Schlage, ich empfand in dem
einem einzigen Augenblicke,
Anschein nach
gewesen wäre.
viel
längere
Zeit
erforderlich
Das glühende Aufwallen
loschener Leidenschaft,
fast er
das empörende Gefühl,
eine Frau auf Erden sei,
wozu
daß
welche mich aufzugeben
37 Todeskälte erfaßte mein Herz,
im Stande wäre.
meine Augen verdunkelten sich, und dennoch behielt
ich die Fassung des Ueberlögens, und sagte mir,
daß es nur einiger Bitten von meiner Seite be dürfen würde, unser Verhältniß, augenblicklich wie der herzustellen;
das Bewußtsein
wie ich,
durch
ruhige Annahme des Vorschlages, im Stande sei mich zu rachen, verlieh mir Kraft.
Ich schied mit
aber wie ein
tief Beleidigter,
zerrissenem Herzen,
mit äußerster Kälte.
An diesem Tage vermied ich so viel möglich dem Grafen zu
mir lästig siel; werden,
begegnen,
weil sein
Scharfblick
so kann auch die Milde furchtbar
wenn Gerechtigkeit
Des Abends kehrte
ihr beigesellt
ist. —
ich spät von einem Freunde
heim, und hatte dort rasch und ungewöhnlich viel
Wein getrunken, um eine Aufregung durch die an
dere
zu überwältigen.
Beim Einbiegen
in eine
etwas entlegene Gasse, befand ich mich plötzlich in der Mitte zweier Männer,
und fühlte gleich nach
dieser Wahrnehmung einen schmerzhaften Stich in
den Arm. — Wie sehr, und ob ich berauscht war, weiß ich in der That nicht,
aber der unbewaffnete
38 Zustand gebot die eiligste Flucht.' Es gklang mir mich loszuwinden, aber nur für kurze Zeit, von
meinen Verfolgern ereilt,
empfand ich noch zwei,
drei Dolchstiche, und dann überhaupt nichts mehr.
Als mir zuerst ein dämmerndes Bewußtsein glitt der Name Francilla's leise
wieder kam,
über meine Lippen z
der erste Gedanke des Erwa
chenden ist derjenige, mit welchem er entschlummerte. Ein Stich
in der Brust
nächste Vergangenheit.
erinnerte mich
an die
Ich schlug die Augen auf
und erblickte neben dem Lager, auf welchem ich mich befand, einen Franziskaner, welcher meine Hand in
der seinigen hielt, und sorgsam meine Pulsschläge zu zählen schien.
Schweigend
blickten
wir uns
eine Weile an, dann sagte jener wohlwollend: Be
ruhigen Sie sich,
Sie sind in guter Obhut,
werden mit Gottes Hülfe genesen.
und
Verbannen Sie
jede Erinnerung an Vergangenes, nur Körper- und
Geistesruhe vermag Sie mahnung war überflüssig,
herzustellen.« Seine Er
schon die Anstrengung
des Hörens war für mich zu groß und ich sank
in tiefe Ohnmacht zurück. Erst nach Verlauf einiger Wochen ich
zu
völlig
klarem Bewußtsein.
gelangte
Meine erste
39 »Ihm ist wohl l derselben ernstlicher als je über nis zu Eduard nachgesonnen.
manche Laune,
ihr Verhält
Manches Unrecht,
trat mahnend vor
Seele, o wenn er wüßte,
war
ihre
reuevolle
dachte sie seufzend, daß
ich ihn plage, ihn quäle, aus Uebermaas von Liebe!
Dann siel ihr ein, daß er in der letzten Zeit kälter
und ernster gewesen, und offenbar vermieden habe,
99 sie seine Natalie zu nennen.
Es war ihre Schuld,
sie wußte es wohl, aber konnte sie hoffen, daß eine Verbindung mit ihr, ihm noch eben so wünschens-
werth erschien als
früher,
da
sie für eine reiche,
vielleicht die reichste Erbin des Landes galt? Seine Eifersucht auf Franz
sie abwechselnd,
beruhigte
beleidigte
und
durste sie keine menschliche Theil
nahme zeigen, durste er nur denken, daß sie einen
Andem ihm vorziehen könne? —
Unschlüssig, zögernd löste Natalie das Sie
gel des ihr
gewordenen Briefes,
die
Schriftzüge
schwammen.wie verworren vor ihren Augen, bevor sie Nachstehendes
geraume Zeit verging,
und zu
lesen im Stande war. »Die unerwarteten
Ereignisse der
letzten Zeit
haben eine Erklärung verhindert, welche leider zwi schen uns zur Nothwendigkeit geworden ist.
liebst mich nicht mehr,
Natalie,
Du
oder vielleicht
hast Du mich nie geliebt, denn wäre ich Dir wahr
hattest Du Rath, Trost, Zunei
haft theuer,
wo
gung
können, als bei mir allein, und wie
suchen
fern stand
ich Dir,
wahrend dieser Zeit der selt In Deinen Erwartungen ge
samsten
Prüfung.
tauscht,
in Deinen Gefühlen gekrankt, gab es nur
5*
100 eine Zuflucht für Dich, das Herz,
welches ewig
unverändert, in gleicher Zärtlichkeit für Dich ge
schlagen hat.
Wenn unser Interesse ein gemein
sames ist, hatte ich nicht Mittheilung,
ein
Recht
an Deine
wenn meine Liebe Deine Liebe ist,
nicht ein Recht an Deine Klagen? — Aber Du
kannst mich nie
geliebt haben — nein, so plagt
man den Mann nicht, für welchen man wahre Zu
neigung empfindet, so unzubefriedigende Ansprüche sind
der wahren Zärtlichkeit fremd, so viel Kälte
äußert nur ein ungerührtes Herz.
Während jener peinlichen Verlesung des Testa
mentes
sah ich tief erschüttert auf Dich hin; eine
Thräne in Deinem Auge, eine noch so leise Andeu tung
der Reue würde jede Erinnerung in meiner
Seele getilgt haben.
mich an,
und
dieser
Kalt und ruhig blicktest Du
Augenbick entfremdete Dir
mein Herz. Die Entscheidung unseres Geschicks liegt
jetzt in Deinen Händen; wenn Du mich nicht wahr haft liebst, Natalie, o so habe Mitleid mit Dir
und mir, laß nicht aus Scheu vor flüchtiger Misbilligung unser ganzes Lebensglück zu Grunde gehen. —
Mein Entschluß ist für alle Fälle gefaßt,
vereinigt Dein Ausspruch uns . nicht aufs neue, so
101 werde ich ungesäumt eine mir
angebotene Anstel-
diplomatischen Fache annehmen z
lung im
willigst
Du ein. Glück und Leid mit mir zu theilen, dann
trete ich Hohenthal sogleich an, um in jener reizen den Gegend, mit Dir vereint,
Zukunft
einer
beglückenden
entgegen zu sehen.«
hatte Aehnliches voraus sehen kön
Natalie
nen , dennoch traf der Inhalt dieser Zeilen sie völ lig
unvorbereitet.
Ihre Thränen
Blatt herab: Ich ihn nicht jemals
mich
Vorwurf
geliebt?
nur
möglich,
Hinwegfehen über
gedacht
Ware
sieten
auf das
denn
lieben!
hat er
ein so
undankbarer
wenn
er
im
liebevollen
meine Mangel der Zärtlichkeit
hätte, welche selbst meine Fehler an dm
Tag legen.«
Unter ähnlichen Betrachtungen ergriff
sie rasch die Feder, und antwortete: »Ich bin Deine verlobte Braut, Eduard, und jeden Augenblick be
reit, mein Dir gegebenes Wort zu erfüllen.
Kränkte
ich Dich, so vergieb mir, denke, daß vielleicht ein
mal
eine Zeit
zu verzeihen
kommen mag,
wo auch- ich etwas
haben werde, und daß alsdann auch
meine Nachsicht Dir wünschenswerth erscheinerrkönnte.
Gerne willige
ich
ein, mit Dir in Hohenthal zu
102 wohnen und
hoffe
gleich Dir auf
Zukunft.
eine glückliche
Deine Natalie.
Der Bote brachte keine Antwort zurück, später schrieb Eduard: »Meine Natalie bist Du nicht, ich fühle es nur zu tief, zu wahr, und da die Entscheidung von
mir ausgehen soll,
heit zurück.
gebe ich Dir Wort und Frei
Mein Vater wird in drej Tagen seine
Reise nach Nizza antreten, dann verlasse auch ich
das Land,
um mich nach
wirst,
Wenn Du glücklich Erinnerung
an
England
mich
zu
Natalie,
begeben. wenn die
aufhort Dir schmerzlich
zu
sein, dann gedenke meiner, wie eines Freundes, dÄ
fern und treu Deiner gedenkt. —
Lebewohl süße
•— ich fürchte, einzige Liebe meines Lebens.« Diese
Zeilen
bewegten
Natalien ungleich
tiefer, seine einzige Liebe ? sagte er es, um sie über die Harte
zu trösten,
mit welcher er sie aufgab,
oder liebte er sie wirklich
noch,
und das Ganze
war nichts wie das verworrene Spiel ihrer Launen,
seines Mißmuthes, seiner Eifersucht. sie nun beginnen,
ihm
Was konnte
bittend schreiben, ihr Un
recht zugeben und Nachsicht
begehren?
Sie wußte
es selber kaum, und die Tante war ihrer Meinung
103 nach
wenig geeignet,
in so schwieriger Lage Rath
zu ertheilen. — In Gedanken versunken,
ging sie
am Nachmittage desselben Tages
einsamm
Weg
am
Saume
ohne es
vielleicht
einen
des unfern gelegenen Gehölzes;
selber zu wissen, schlug sie auf
solche Weise Eduards Lieblingsweg ein,
weiterund
weiter gehend, die Entfernung nicht beachtend,
bis
sie an eine geschlossene Pforte gelangte, welche zum Bellforster Gehäge führte.
Ohne aufzublicken legte
sie die Hand auf diese Pforte, und fuhr dann, wie
von innerer
stand ihr
Eduard
über:
Ahnung
belehrt, lebhaft zusammen.
in geringer Entfernung
gegen
Soll ich aufschließen Natalie? — willst
Du eintreten? Sie nickte bejahend und er öffnete
die Pforte, durch welche sie fast gedankenlos zu ihm hin trat.
Werdenfels faßte ihre herabhangende
Hand, und sagte
sanft:
Wolltest Du mir Lebe
wohl sagen, dachtest Du mich
hier zu finden? —
Alle Gegenstände verwirrten sich vor Nataliens Augen, und Eduard leitete sie, fast sie tragend, zu
einem
Ruheplatzchen
in
der
Nahe.
Ihr Kopf
ruhte willenlos auf seiner Schulter, ihre süße Nahe
erwärmte sein Herz, und er drückte ihre Hand an seine Lippen, und gab ihr zuerst wieder nach lan-
104 ger
Zeit
süßen
die
Schmeichelnamen
der Liebe.
Ein tiefer Seufzer verkündete ihre Rückkehr zu deut lichem Bewußtsein, sie hob das Haupt empor, und
blickte Eduard mehr schmerzlich betroffen, als lie
bevoll an.
Dieser sah ihr fest und forschend.in's
Auge: Meine Natalie, sagte er Sie seufzte wiederholt,
gend.
leise, wie/ra
Thränen fielen auf
Deine
seine Hand herab,
welche die ihrige hielt.
Natalie? —
Eduard, wie kann ich
o
nach
allem Vorgegangenen, nach Deinen Vorwürfen — Wenn Dein Herz Dich hierher führt, so ver
giß Alles,
den
mein und Dein Unrecht,
Fall Alles
wie jemals früher. Glückes
willen
wie ich für
vergesse, und so innig Dein bin, Aber ich
auf dieses
muß
Wort des
um
unseres
Eingeständ
nisses bestehen, theure Natalie.« Natalie wollte reden, ein Gefühl weiblicher
Scheu, das
Gefühl eines nur zu lange genährten
Stolzes, verschloß ihr die Lippen, wahrend Eduard
in sichtlicher Aufregung die leuchtenden Augen fest
auf sie gerichtet hielt.
Nach unendlicher Ueberwin
dung wollte sie das ersehnte Wort aussprechen, da
schreckte
sie ein Jagdruf, und das Nahen einiger
junger Manner empor, und ohne weitere Ueberleg-
105 ung
eilte sie der Pforte zu.
Eduard folgte ihr
und in heftiger Aufwallung ihre Hand ergreifend,
fragte er her?
stürmisch: Führte Dein Herz Dich hier
Kommst
Du
Gefühl Deines Unrechts
im
Dich mit mir zu versöhnen? — Verletzt und er
schrocken entzog sie ihm eilte weiter:
Also
hastig
ihre Hand, und
nicht Dein Herz!
flüsterte er
mit erstickter Stimme, da blickte sie athemlos auf ihn zurück,
ihm mit Hand und.Tuch winkend,
und fetzte dann hastig ihren Weg fort.
Eduard
folgte ihr nicht weiter. —
Völlig erschöpft erreichte Natalie das HauS und ihr Zimmer, und Erinnerung
des
erst hier zu völlig klarer
Vorgefallenen gelangend, warf sie
es sich lebhaft vor,
die begehrte Versicherung nicht
ohne Zögern gegeben zu haben.
War
sie doch
Eduards Verlobte, und hatte ihm bereits gestan
den, daß er ihr das Theuerste auf Erden sei.
Un
willig über sich, zärtlich mit seinem Bilde beschäf tigt, schrieb sie ihm sogleich einige Zeilen, welche
diese Gefühle mit einer Innigkeit ausdrückten, die ihn befriedigen verfügend,
mußte; dann
sich zu
der Tante
brachte sie den Abend heiterer hin denn
seit lange, und ordnete für den folgenden Morgen
106 die Absendung ihres Briefes an. Friedens
glücklichen
einer
und
Süße Bilder des Zukunft
erfüllten
ihre Seele, ruhig schlief sie ein, und erwachte mit der angenehmen Vorstellung, daß Eduard gewiß,
ihrer Bitte gemäß, bald sich einstellen werde.
Frühstücks
rend ihres
Wah
kehrte der Bote zurück, und
der Brief, welcher ihr überreicht wurde, machte ihr Herz
erstarren, denn sie erkannte die eigene Hand Der'Diener brachte die mündliche Nach
schrift.
richt daß der jüngere Herr von Werdenfels be
reits wahrend
der Nacht
nach
England abgereißt
sei. — Der Schmerz, dem Natalie sich jetzt hingab, war um
so ergreifender,
da sie sich wohl bewußt
war,
denselben verdient und herbei geführt zu ha
ben.
Zahllose Thränen
flössen dem Andenken des
einzig Geliebten, des tief Betrauerten, und vergeb
lich suchte wenigstens
die Tante nach Trostgründen,
im
Gebiete
Hatte Eduard oder
herzlich,
würde sie
Möglichkeit
lagm.
nur eine Zeile, gleichviel ob kalt
für
daran
der
welche
Natalie zurück
gelassen, so
die Möglichkeit geknüpft haben
ihm zu schreiben, und alle Empfindungen zu schil-
dern,
welche ihre Seele bestürmten.
Es ohne die-
107 sen
Anlas zu thun,
dazu fehlte ihr der Muth;
sie fürchtete sich vor einer Demüthigung, welche zu
ertragen
sie sich nicht
traute.
Die
Standhaftigkeit genug zu
Ereignisse der letzten Zeit hatten sie
schon zu tief gebeugt, die Borstellung an Eduard zu schreiben, um vielleicht dann von ihm abgewie sen zu werden,
erfüllte sie mit wahrem Schauer.
Di* Surrte hoffte noch auf einen Besuch des altern
Herrn
von Werdenfels,
aver
digte sich schriftlich, seiner Gesundheit als Vorwand gedenkend, und
somit war auch
diese
Erwartung
getauscht.
Iran;
verließ das Haus so bald der Arzt es
gestattete, und ohne seiner Wünsche und Vorschläge
weiter zu gedenken.
Zwei Monate später hielt er
um Nataliens Hand an, welche ihm, sehr ge
gen den Wunsch der Tante, eine abschlägige Ant
wort ertheilte.
Dem unerachtet setzte er durch Nei
gung und Zartgefühl
bestimmt, seine Bewerbung
mit feurigem Eifer fort, und als er sich nach Jah
ren gezwungen sah, jede Hoffnung aufzugeben, be
wies er Natalien fortwährend eine Aufmerksam keit, welche seinem Herzen zu wahrer Ehre gereichte. Eduard hatte das ihm zugedachte Legat für seine
108 Person abgelehnt, und es einigen entfernten, unber
mittelten Verwandten des Testator's zugewiesen.
Nach Art aller Personen von schwachem Cha rakter
war die Tante eifrig bemüht Nataliens
Kummer durch Zerstreuungen mancher Art zu überdie Wintermonate brachte si> mit dieser,
täuben;
abwechselnd,
den
in
Hauptstädten
verschiedenen
Deutschlands zu, und auch
die
bessere IahrsSM
würd» großectlchells zu unmuthigen Reisen benutzt.
Natalie beruhigte sich allmälig, aber die Erinne
rung
an Eduard blieb
unauslöschlich
ihrer Seele
vielleicht so
eingeprägt, weit das Bewußtsein ei-,
ner Schuld 'sich daran knüpfte.
Einige Bewerbun?
gen um ihre Hand standhaft ausschlagend, galt sie
bald in der Welt für eine kalte, herzlose Schönheit; und
war eben die Tiefe ihres Gemüths an
doch
ihr das
Beachtenswertheste,
wer aber
natürlich weichen Sinn eine kalte, seite
annimmt,
bei
einem
ruhige Außen
wird in der Welt mehr verletzen
als wohlthun. —
Der
Baronin
Berg
mehr denn Einmal in
begegnete
Natalie
den größeren Hauptstädten,
denn da diese und ihr Gemahl sehr unerwartet zu
einer reichen Erbschaft gelangt waren, ließen sie da-
109 heim auf ihrem Gute alles verändern und verschö einstweilen mit ihrer kleinen Familie ihren
nern,
es ihnen eben am
Wohnsitz da aufschlagend, wo
Die liebevolle, lebhafte Frau fühlte
Besten gefiel.
sich tief über Nataliens
Schicksal
beunruhigt,
überall forschte sie mit einiger Aengstlichkeit nach Eduards Verhältnissen, immer mit Genugthuung
vernehmend, daß er noch unvermählt sei.
Nata
lie liebte ihn noch, sie läugnete es der Freundin
nicht, und da diese ohne Weiteres ähnliche Gesin
ihm vorausetzte, so erschien die Tren-
nungen bei
ihr
nung
eine Thorheit, welche vernünftige
als
sehr wohl
Menschen
thun würden zu vermitteln.
Oft auch äußerte sie mit naiver Trostlosigkeit ihre Natalie
Besorgniß,
daß
werde,
sie eigensinnig bei
beharrend
da
auch
die
unverheirathet
bleiben
früheren Gefühlen
günstigsten
Anträge ablehne.
Bedenke, äußerte sie oft fast weinend, daß Du be
reits vierundzwanzig Jahre zählst,
lie,
liebste Nata
kannst, willst Du Eduard nicht vergessen,
so laß mich
geeignete Schritte thun, welche zur
Versöhnung führen ähnlicher
Art
der Zeit,
wo
werden.«
bliebm
wir
völlig
Alle Vorstellungen fruchtlos,
Natalie in
und
zu
der Freundin
110 Wohnung finden,
zählte diese bereits zwei Jahre
mehr.
Im steten Briefwechsel mit der Baronin ste war das Lieblingsthema Nataliens Ver-
hend,
heirathung
nie von derselben außer Acht
und sie hatte diese endlich
ihr zu
Zeit zu
kommen,
beschworen, um
gelassen, auf kurze
die Bekanntschaft
des Grafen Sternheim, Eduards Oheim, zu
Der Letzte war während der verflossenen
machen.
Jahre von London nach Paris und Petersburg ver
setzt
worden, und
eben jetzt aus Wahl nach Eng
land zurück gekehrt, von wo aus er eine Reise nach dem Vaterlands beabsichtigte.
Die Baronin schrieb,
daß Werdenfels im fortgesetzten Briefwechsel mit
dem Oheim gestanden und sie jetzt diesen mit List in
ihr Haus
gelockt habe,
damit Natalie ihn
und vor allen Dingen ihm gefallen
kennen
lerne,
möge.
Der Vorwand, äußerte sie, mich unter sei
ner meisterhaften Anleitung in der Musik vervoll kommnen
zu
wollen,
hat ihn bewogen auf einige
Wochen in unser Haus zu kommen, und ich werde
mich nun der thigen
haben.
tyrannischen
Musik - Freundes
Alles
für
Dich!
Anleitung
und Kenners
mein
dieses zu
wü
fügen
Wahlspruch
ist
111 wirklich: für Gott und Dich! So bleibe denn nur
dieses mal nicht aus
und störe mir den liebsten
Plan meines Herzens nicht.« Gerührt durch so viel wahre Zuneigung, begab
sich unverzüglich auf die Reise.
Natalie
Erst
am zweiten Tage nach ihrer Ankunft gelangte sie zu ganz ungestörtem Beisammensein mit der Freun din, welche ihr für den Tag die Ankunft des Kam
Werdenfels ankündigte, der sehr
merherrn von
seines Oheims
muthmaslich um
einige
Tage
scherzend wieder
gemeldet habe.
sich auf
willen,
Für Dich, fügte sie
eine erwünschte Gelegenheit Dich
hinzu,
gewöh
an den Namen Werdenfels zu
nen, nur vergiß über den Neffen dm viel wichti geren Oheim nicht.«
Kurz
dem
vor
erschien
Mittagsessen
Graf
Sternheim mit seinem Neffen; Natalie wagte nicht aufzusehen als jener naher
trat,
und seine
Stimme, diese wohl erinnerte, klangreiche Stimme, machte sung
wurde,
im
ihr Herz erbeben.
aufblickend, gewahrte
Aeußeren
Kammerherr
als
Mit erzwungener Fas
der Fremde
ihr
vorgestellt
sie zu wahrer Befriedigung, daß
keine
Aehnlichkeit
Werdenfels
besaß
vorhanden den
sei.
feinsten
112 Weltton, und
durch seine Persönlichkeit sich nicht gewannen ihm
besonders Vortheilhast auszeichnend,
dennoch der unendlich einnehmende Ausdruck seiner, durch Kurzsichtigkeit fast
immer halb geschlossenen
Augen, das durch Herz und Geist hervor
des
Lächeln
Natalie
Herz. —
gar manches
erröthete bei
seiner Anrede,
sanfte Blick seiner forschend auf sie ge
aber der
richteten Augen,
auf die
Blicke
gerufene
Mundes,
angenehmen
die
Anerkennung,
welche
seine
schmeichelhafteste Weise ihr zollten,
gaben ihr bald eine etwas sichere Haltung. —
Auf der Freundin Anordnung, talie ihren
Platz
dem
zwischen
bekam
Na
Hausherrn und
dem Grafen, welcher Letzte ihr nur höchst oberflach-
liche Aufmerksamkeit schenkte.
Nach seinem Sinne
war diese nicht schön, nicht jung, nicht vornehm ge
nug,
seine
Beachtung zu
erregen, und er ließ sie
in der Unterhaltung, nothwendiger Höflichkeit unbe
schadet,
das volle Uebergewicht des eingewurzelten
Aristocraten und des gelehrten,
ten Weltmannes fühlen. schick
sich
bemühend,
künstlerisch gebilde-
Mit dem ihr eignen Ge
Saiten
anzuschlagen,
für
welche sie bei ihrem Nachbarn Empfänglichkeit vor aussetzen durfte, gestaltete dennoch seine hochmüthige
113 Uebcrhebung
das
Gespräch
zur drückendsten Last.
Ein flüchtig erzwungenes Lächeln, eine im leisesten halb verständlich
Gemurmel
hingeworfene Erwie
derung, waren die errungenen Vortheile, deren sie
sich zrs rühmen aufschlug,
begegneten
des
Blicke
Schwachen
hatte, und
Herrn des
so ost sie die Augen
die
denselben
schalkhaften
dem die
von Werdenfels, nur
Oheims
zu
wohl
bekannt
waren.
Der Caffee wurde auf dem reizenden Balcon eines Gartmsaals eingenommen, als die antangende
Post augenblicklich so viel Bewegung und Nach frage erregte, als damit auf dem Lande gewöhnlich
damit verbunden zu sein pflegt. überreichte Graf,
jedem
das
welcher eine
murmelte
ihm
große
diese flüchtig
Der Hausherr
Bestimmte
und
der
Anzahl Briefe erhielt,
ansehend,
vor
sich
hin:
Aus Paris — Rom — Florenz '— Neapel —
Vovay — bei dem Letzten verweilte er betrachtend, und
sagte
mit einer Art Freude: Von meinem
Neffen! — Dieser Bries wurde zuerst gelesen und nach einer Pause äußerte er beifällig: Ganz artig, recht
gelungen! dann
sich zur Baronin wendend
fügte er erläuternd hinzu: Mein Neffe hat auf ei-
5**
114 ner Reise durch die Schweiz sich eben jetzt längere
Zeit am Leman aufgehalten, und was er mir dar über meldet,
ist in der That nicht übel.«
es nur Reiseskizze ist,
Wenn
entgegnete die Baronin ihn
lebhaft anblickend, so sein Sie so gütig, lieber Graf,
und theilen Sie uns diese mit.« Nataliens Herz pochte fast hörbar, sie sah
ihre Arbeit,
während
von Werdenfels sie anscheinend
flüchtig,
unverwandten
Herr
Blickes
aber sehr aufmerksam gann sich räuspernd
auf
beobachtete.
Der Graf be
den Vortrag einer sehr wah
ren und unmuthigen Schilderung eines Ausenthalt's in Vevay, und jeder horchte dem ihn minder oder mehr interessanten Inhalte,
lich verstummend,
als der Vorleser plötz
den Brief zusammen legte, und
verstimmt äußerte: Ich muß sehr um Entschuldigung bitten — meine Stimme ist gänzlich rauh —
es
ist völlig
zu lesen.
unmöglich,
bei solcher Hitze Deutsch
Es ist zu solchem Behuf die geschmack
loseste Sprache,
welche mir
unbrauchbar für Jemanden, Gehör
und
einige
bekannt ist; durchaus
der ein etwas feines
Reizbarkeit
der
Kehle besitzt.
Der kleine Versuch hat mich völlig heiser gemacht.« Niemand wagte eine Entgegnung,
und da allge-
115 meines
wenigstens nicht auf Bei
Stillschweigen
stimmung zu deuten pflegt,
versank
der Graf in
ziemlich üble Laune, aus welcher ihn die ihn stets ängstlich
Baronin
beobachtende
schläge erweckte,
mit
Vor
dem
noch vor dem Thee ein schwieriges
Musikstück versuchen
zu
wollen.
Der Hausherr
empfahl sich leise mit einem einladenden Seitenblick
auf Herrn
von Werdenfels, einer
lächelnd,
mit
Hauptes
begegnete,
verneinenden und
welcher demselben
Bewegung
des
mit den Uebrigen sich in
das Musikzimmer verfügte.
Die Baronin
holte
geschäftig Noten
herbei,
und schob mit Werdenfels Hülfe die Sessel zu recht,
indessen der Graf
vornehm nachlässig
hin
und wieder ging und endlich an's Instrument tre-"
tend, einige Ackorde
viel
tadelnden
Langsam nahm Berg
ein,
griff,
Worten
er seinen
schlug
welche er mit eben so über
Platz
dasselbe
begleitete.
neben
Frau von
die Eingangsackorde hart und
entschieden an, und begann dann mit ihr den Vor
trag einer sehr schwierigen Sonate, während dessel
ben, durch Worte und Geberden, das leichte, glän
zende Spiel seiner Begleiterin tadelnd,
indessen er
mit Harte das Instrument behandelnde ihren zier-
116 lichen Läufen
folgte.
Werdenfels
von
Herr
hatte seinen Platz neben Natalien gewählt, welche
er leise unterhielt und dadurch seinen Oheim zu weilen
mißbilligender
zu
Bewegung
des Kopfes
veranlaßte, so daß jener fast der Muth, leisesten Entgegnung mangelte.
nate zu Ende gespielt war,
erhob
augenblicklich, indem er halb
wie gewöhnlich zu schnell,
der Graf sich
gegen die Baronin
»Recht gut,
gewendet äußerte:
auch zur
Nachdem die So
nur das Tempo
das ist,«
fügte er lä
chelnd hinzu, »kein Natur- sondern ein zeitgemä
ßes Uebel,
und
deshalb um
so
vermeidbarer.«
Auf lebhafte Bitten der angenehmen Wirthin, welche Natalie furchtsam mit einstimmte,
sich wieder an's Instrument,
in
setzte er
einige seiner eigenen
Compositionen vorzutragen. — Diese glichen ihm unverkennbar, hochtrabende Einleitungen und äu
ßerst künstliche Ausführung,
nur mitunter durch
kräftige Klarheit überraschend, eine Fülle des Stof
fes, aber harte, eigenthümliche Behandlung desselben. Zuweilen drehte er vom Instrumente sich ab,
zu
den Damen hin, einiges Belehrende mitzutheilen, wobei seine Blicke auf Natalien streiften, dadurch
ermuthigt,
kleine
Anmerkungen
die
wagte,
117 indessen scheinbar überhört,
oder nur durch
einzelne Laute beantwortet wurden,
welche zwischen
welche
Billigung und Mißbilligung schienen.
die Mitte zu halten
Noch war es ihr nicht gelungen,
weder
ein freundliches, oder nur besonders höfliches Wort
vom Oheim zu erlangen,
dieser Beziehung
sich
sichtlich
des
an
indessen der Neffe es in
beiden nicht fehlen ließ, und
liebenswürdigen
Zuwachses
der
Hausgenossen freute. In den folgenden Tagen wurden manche hüb sche Spazierfahrten unternommen, wobei der Graf, der Vieles in der Welt gesehn, einige Verschönerungs
plane entwarf, die indessen, wie so manche Theorie, dem gesunden Sinne ziemlich unausführbar erschie
nen.
Natalie äußerte gelegentlich innige Freude
über die das Schloß umgebenden Anlagen, größtentheils
aus Rasenflachen bestanden,
bis an den See erstreckten,
die sich
und deren Einförmig
keit durch einzelne Baume und Gebüsche und unterbrochen wurde.
welche
gehoben
Der Graf blickte sie bei
dieser Aeußerung von der Seite an, und entgegnete: »Schon öfter habe ich zu bemerken Gelegenheit ge
habt,
wie Sie dem verkehrten Geschmack anhan
gen, den ich der Verständlichkeit halber den Anglo-
118 manischen nennen mögte, und
der auch aus diesen
Das Al
Anlagen unverkennbar hervor leuchtet.
les wäre recht artig an einem andern Platze, nur
hier paßt es nicht.
Der richtige Geschmack begehrt
unabweisbar in unserem Norden Blumenstöcke in
der Wohnungen,
der Nahe
duftende,
glanzende
Blüthenpartien, welche die Sinne erfrischen und be
leben.
Weiter
entfernt
mag man dann Bäume
und Gesträuch dulden und anpflanzen, und Rasen plätze nach Belieben anlegen.
Zm Süden ist es damit ein Anderes, dort,
wo die Segnungen einer ewig unerschöpflichen Na tur überall hervor keimen,
schwellen
und blühen,
keiner eigentlichen Vorbereitung.
bedarf es
Alles
ist dort recht, wie der Zufall es fügt; will man
nun aber machen,
ein solches Leben
uns
hier anschaulich
so sollte man auch dabei einen schicklichen
Maaßstab anlegen, und die nachgcahmten italieni schen Villen
nur mit Weinreben, Pappeln, Man
del- und Maulbeerbäumen, so wie mit Mais, Kür bissen und in einem Worte, nur mit solchen "Bäu
men und Pflanzen umgeben, welche dort anzutref fen sind, und unter unserm Himmelsstriche aus dauern.«
119 »Ich habe,«
entgegnete Natalie,
»nie den
Anblick großer Steinmassen mit den kleinlichen Par
tien
eines
recht
Blumengartens
finden
vereinbar
können.«
Der Graf warf aus seinen blitzenden Augen nur einen Blick auf Natalie,
gegen die übrige Gesellschaft,
und äußerte dann
wie er gesonnen sei,
die gesammelten, ähnlichen Erfahrungen bens
seinem Neffen
vorzulegen,
und
in
seines Le
zur Benutzung für
dessen
keinen Zweifel setze, da
Bellforst
Geschmack
gelautertem
er ein junger Mann von
Einsicht und der besten Bildung sei. — Der Name
Bellforst lockte eine Purpurglut auf Natali ens Wangen an
dieser
und Herr von Werdenfels,
sichtlichen
Gemüthsbewegung
der
lebhaften
Antheil zu nehmen schien, lenkte das Gespräch mit
großer Zartheit auf andere Gegenstände. — Seine
auffallende Beflissenheit veranlaßte die Baronin ge
legentlich zu einigen Neckereien,
welche Natalie
stets mit schwermüthigem Lächeln erwiederte.
We
nige Tage waren auf solche Weise vergangen, als ein Zufluß von Gästen das häusliche Leben leben
diger gestaltete. Welt
Der Graf genoß in
der großen
den Ruf eines gelehrten Mannes,
so
wie
120 denjenigen eines Kunstkenners, und wurde deshalb, aus Moderücksicht,
schon
aufgesucht und
überall
Gegen Manner behauptete er
verwöhnt.
gemeinen eine Art kalter Würde,
im All
und selbst seine
Höflichkeit gewann den Anstrich des Herablassenden, weshalb
er im Ganzen wenig
beliebt
war.
Da
men fanden, wenn schön und vornehm, keinen An laß
sich
über seinen Mangel
zu beklagen,
schaft,
eher vielleicht,
an Aufmerksamkeit
bei näherer Bekannt
über eine fast zu vertrauliche Annäherung.
Seine, von ihm sehr geschätzten Eompositionen, ga ben eitlen Frauen das Mittel in die Hände, sich durch
Bewunderung derselben bei dem Verfasser in Gunst zu setzen, welcher
der
Eitelkeit
sich durch
mitunter
zu
einen wahren Rausch Aeußerungen
verleiten
ließ,, welche bei einem geistreichen Mann für ziem
lich unbegreiflich gelten konnten. —
Unter dm Fremden, die sich
sammelt hatten,
im Schlosse ver
zeichneten zwei Damen auf sehr
entgegen gesetzte Weise sich aus; die Gräfin Adel
heid von W. durch ein wenig angenehmes Aeußere,
und wahrhaft glänzenden Verstand,
und de
ren Nichte, die Gräfin.Emma, durch jene unver gleichliche Schönheit, welche die erste, volle Jugend-
121 blüthe,
und die
anmuthigste Regelmäßigkeit der
Formen und der Züge, verbunden mit dem glän zendsten Colorit allein zu verleihen vermögen.
Grä
fin Adelheid trat als entschiedene Verehrerin des Gräfin auf, und seine Unterhaltung fast allein in
Anspruch nehmend, musicirte sie häufig mit ihm, seine Compositionen über Alles setzend, was ihr bis dahin in ähnlicher Weise vorgekommen
sei.
Die
junge Gräfin hielt sich mit einiger Kälte, aber an-
spruchslos,
zu Natalien,
wodurch Herrn von
Werdenfels, der diese fortwährend lebhaft bewun
derte,
die Aufgabe
erleichtert
beiden zu
wurde,
huldigen. Eines Abends mit Gräfin Emma von ei nem Spaziergange heimkehrend, wurde sie von die
ser auf eine Gruppe von Herren aufmerksam ge macht, welche im innern Hofe sich befand. talie blickte kaum flüchtig hin,
Na
da sie aber an
jener Gesellschaft vorüber mußten, und sie dm Blick zum Gruße erhob, gewahrte sie zu unnennbarer Erschütterung Eduard
von Werdenfels,
den
alle anwesende Männer umgaben, und der so eben angelangt schien.
Ihr Athmen stockte,
schim am Boden zu.wurzeln,
ihr Fuß
und nur mit Auf-
6
122 bietung aller moralischen Kraft
vermogte sie den
Weg fortzusetzen, und im Borübergehn flüchtig zu Sie
grüßen.
und
doch
meinte kaum
hatte
wahrgenommen,
hingesehn
sie Eduards
auf sie
welches
zu haben,
leuchtendes
Mühsam erreichte sie das Haus,
Auge
war.
gerichtet
und die Gräfin
stumm begrüßend, verfügte sie sich in ihr Zimmer,
-die ersten Augenblicke dort fast bewußtlos hinbringend.
Gleich
Natalie
die Baronin ein, und
darauf trat
innig in ihre Arme schließend rief sie
freudig aus: »Sahst Du ihn bereits? Er ist hier! und Du, vielgeliebter Engel,
wirst endlich,
glücklich werden!« Natalie richtete
Armen auf:
»O Emilie,
endlich
sich in ihren
wenn Du um
so war es
Kommen wußtest, so war es grausam, nicht recht, mich hieher zu bescheiden.
Was
was muß er von mir denken!« — »Süßes,
richtes Wesen!
warst
seine
einst gehörtest Du
verlobte Braut,
sein
ihm
an,
wird, thö Du
nur Mißverständnisse
trennten Euch, und Deine Bedenklichkeiten entsprin gen aus der kleinen Ueberspannung,
poetischen Gemüthem nun ich wußte
um seine
welche Euch
einmal eigen ist.
Ja,
Ankunft, mein Bruder hat
die Reise bis Bevay mit ihm gemacht, und durch
123 diesen ließ ich ihn einladen, hieher zu kommen, wo er den Oheim finden werde.«
aber ich
»Du meinst es gut, theure Emilie,
daß ich mein Zimmer nicht
schwöre Dir feierlich,
verlassen werde, chen giebst,
bis Du mir
das heilige Verspre
Dich in mein Verhältniß zu Wer
denfels nicht mischen zu wollen. men wie es will, ich kann alles
Mag
tragen,
es kom
nur keine
Erniedrigung; gieb mir Dein Wort, daß Du uns ruhig willst gewähren lassen, oder ich sehe ihn gar
nicht wieder, mag man darüber sagen, was man will.« Die Wangen der Baronin färbten sich: »Nun
wohl,«
entgegnete sie unmuthig, »so habe Seinen
Willen, sei noch einmal kalt und stolz,
und stoße
Dein Glück zum zweiten Mal von Dir.«
Natalie schlug die Augen schwermüthig em por: »Ich bin nicht
da selbst Du mich
stolz,
aber sehr unglücklich,
verkennst.
Was Du Ueber-
spannung nennst, ist nur weibliches Zartgefühl, und ich danke Gott, der mir es gab. mittlung
Ein durch Ver
begründetes Glück ist kein reines,
vom
Himmel geschenktes, und wenig laßt sich darauf
bauen.
Ueberlaß mich
jetzt meinem Nachsinnen,
6*
124 und
willst Du
hernach
wahrhaft gütig
so komme
sein,
abzuholen.«, — Jene
mich
winkte beja
küßte dann mitleidig ihre Stint,
hend,
und ver
ließ sie.
Nach einer Stunde kehrte
die Baronin
zu
Natalien zurück, derm erster Blick heim Eintre
ten in den Saal auf Eduard fiel,
obgleich dieser,
ziemlich im Hintergründe, einen Sessel yebew Grä
fin Emma eingenommen hatte. schlug sie
men Begrüßung,
Bei seiner stum
zu Boden-,
den Blick
und hörte ihn bald darauf ruhig einiges über seine
Reise mittheilen.
Der gefaßte Ton seiner Stimme
gab ihr den Muth zu
ihm hinzusehn,
seine Au
gen waren mit jenem ernsten, forschenden Ausdruck auf sie gerichtet,
wohl bekannt
früher her nur zu
von
war, und von dem es schwer hielt, Das Gespräch wurde bald so all
sich loszureißen.
gemein,
der ihr
daß sie während
der Aufregung desselben
öfterer wagte auf ihn hinzusehen, um in dem wohl
bekannten .Bilde
des
Freundes
die
fremdartigen
Züge aufzufassen, welche Zeit und Jahre demselben
aufgedrückt hatten. ker geworden,
Eduard
war bedeutend stär
und seine dadurch imposantere Ge
stalt, verbunden mit einer auffallend geraden Hal-
125 des Kopfes, gaben ihm
tung
einen Anschein von
Stolz, der, so bald er redete, durch den einnehmenden Zug des Mundes, durch die Milde der dunklen Augen, auf angenehme Weise widerlegt wurde.
Sein
ganzes
Benehmen erschien
äußerst
einfach,
und die glückliche, zwanglose Wahl des Ausdruckes
deutete auf jene tiefe, richtige Bildung, welche we
nig Bevorzugte sich anzueignen
furchtsam gestand
verstehen. — Fast
sich Natalie,
daß sie nie ge
wagt haben würde den Mann beherrschen
zu wol
len, der jetzt sich ihr darstellte, aber wie es ihm ein
Leichtes gewesen sein würde, sie zu leiten.
Der Kammerherr von Werdenfels, welcher wie gewöhnlich seinen Platz neben Natalien ge
nommen,
welche die
zulenkte,
und dieser eine Aufmerksamkeit
Augen seines Vetters mitunter
bewies,
beiden
machte jene jetzt leise scherzend, auf die
Mißlaune des Oheims aufmerksam, welcher empört,
die allgemeine Aufmerksamkeit sich
um Eduard
drehen zu sehn, den Theetisch verließ, und in einer
Ecke des Zimmers Platz nahm.
tete es,
Niemand beach
Gräfin Adelheid ausgenommen,
welche
mit großer Unruhe zu ihm hin blickte; als Edu ard dadurch, wie durch ein wiederholtes Räuspern
126 des Oheims aufmerksam gemacht, endlich aüfstand,
und nun auch die Baronin wie zufällig in jenem
Winkel
des
Zimmers
sich begab,
und
auf
die
schmeichelhafteste Weise ihn anredete, gelang es dem gemeinsamen Bemühen ihn der Gesellschaft zurück
zu geben.
Von Gräfin
Adelheid
durch
eine
steudige Ausrufung begrüßt, welche der Graf halb
dankbar halb verdrießlich
aufnahm,
wurde durch
diese der Faden der Unterhaltung frisch und leben dig namentlich über die Eigenthümlichkeit der Hoch lande angeknüpft, welche ihr, so wie beiden Herrn,
dem Oheim wie dem Neffen, wohl bekannt waren.
Der Letzte
richtete manche
Schilderung
an
seine
schöne Nachbarin, welche derselben mit jenem an-
muthigen, naiven Erstaunen horchte, welches jungen, und
namentlich nicht sehr geistreichen Damen ei
gen zu sein pflegt. — Nicht ohne tiefe Erregung sah Natalie dieser Unterhaltung zu, bemüht dm Eindruck, den sie empfand, ihrem Nachbar zu ver bergen,
sie
welcher
mit aufmerksamer Unruhe zu
beobachten schien. Später am Abend hatte Eduard eine lange Unterredung mit dem Oheim, welche besonders die
Interessen
der
Gegenwart
berührte.
Der
Graf
127 theilte in seiner vornehm nachlässigen Weise einige
Notizen über
die Hausgenossen mit;
der Gräfin
Emma gedachte er mit kurzem Lobe als einer selt
samen Schönheit, dagegen länger,
und mit einiger
Vorliebe bei den Geistesvorzügen der älteren Grä
Die Baronin nannte er, nicht ohne
fin verweilend.
einige Gutmüthigkeit, eine schöne, gute Frau, und mußte nun zuletzt, wie es schien mit Widerstreben,
Nataliens gedenken.
»Diese junge Dame,« äu
ßerte er, den Neffen scharf in's Auge fassend, »war
Dir früher wohl bekannt, und so bleibt mir wenig zu sagen übrig.
Jetzt erscheint sie mir für beson
dere Beachtung
weder
noch schön
jung,
genug,
und jedenfalls zu sehr bemüht, sich geltend zu ma
chen.
Männer in einer Lage
gelangen in
der That zu
und es mag
ost
gleich der meinigm,
seltsamen
schwer halten,
Erfahrungen,
mit Zartheit alle
Ansprüche abzulehnen, welche an unsern Titel, un sere Besitzungen,
und folglich
Person
werden.
gemacht
In
scheinbar gn unsere solcher Beziehung
habe ich in den verflossenen acht Tagen sehr eigene
Betrachtungen
anzustellen
Veranlassung
gehabt.
Die Einbildungen der jungen Dame nahmen einen
Flug, den ich einigermaßen zu ermäßigen mich ge-
128 zwungen sah, weßhalb denn nun derselbe sich
zu Deinem Better Werd enfels
scheint.
—
Solche
gewöhnliche Gefallsucht
ganz
hatte von jeher für mich etwas Verletzendes.
Gräfin Adelheid
bis
herabzustimmen
vermag
Die
ich fteilich von jener
Schwachheit nicht gänzlich frei zu sprechen, indessen
bei dieser, kommen Ansprüche des Ranges und des Geistes in Erwägung, welche jene zu entschuldigen nicht vermögen:«
Eduard
war im Begriff mit Lebhaftigkeit
etwas zu erwiedern,
verstummte
besserer Ueberlegung, und lenkte
wie nach
worin der Oheim rasch
seine Geldangelegenheiten,
und lebendig eingehend,
jedoch,
das Gespräch auf
eben so viel Kenntniß als
Ordnungssinn entwickelte.
Nachdem
Eduard
den
Grafen
verlassen,
blieb er noch einige Zeit in seinem Zimmer wach, in ruhiger Betrachtung, das ihm angenehme Be
wußtsein genießend, sich wieder in der Heimath un ter befreundeten Menschen
zu
wissen.
Mit Er
schütterung gedachte er des unerwarteten Zusammen
treffens mit Natalie;
er hatte sie nie vergessen,
nie ihrer sich mit Gleichgültigkeit erinnert,
wenn
gleich die Zeit seine Gefühle für sie sehr herab ge-
129 stimmt hatte.
Jetzt sie wiedersehend, war es ihm
daß
sogleich völlig klar,
er nach ihr keine Frau
angetroffen habe, deren Ausdruck,-deren Benehmen
für ihn
gleich
unwiderstehlich
gewesen
Die Aeußerung seines Oheims,
Ormenstein weder
wäre.
daß Fraulein von
noch schön genug sei,
jung
um Aufmerksamkeit erregen zu können,
von jenem wohl erklärlich, vom Zauberglanze
—
war ihm
hatte er sie doch nie verklärt
anscheinend
der Liebe
gesehen, nie dazu bevorrechtigt, in die Tiefen dieser herrlichen Augen blicken dürfen.
Was wußte jener
von ihrem Geiste, ihrer Schönheit, beide standen
materiellen Begriffe
über seine
Bei der zweiten Betrachtung
weit erhaben. —
des Oheims verweilte
er seufzend, denn diese schien ihm leider nicht ganz
unhaltbar, und er meinte die traurigen Folgen ih rer Gefallsucht empfunden zu haben. — Die Ueber
zeugung, daß Natalie ihn doch einmal, wenig stens zu Anfänge geliebt habe,
war seiner Seele
mehr und mehr
je
Verfolge
der Zeit
entschwunden;
ihrer gedachte,
leuchtete es ihm ein, Phantasie,
ruhiger er im
um
so
klarer
wie er nur zum Spiel ihrer
ihrer Eitelkeit
gedient,
Herz, vielleicht ihr selber unbewußt,
und
daß ihr
diesem Bünd-
130 Nisse fremd geblieben sei.
Daß
Franz in seiner
Bewerbung nicht glücklicher gewesen, war ihm mehr noch eine Bestätigung der gefaßten Ansicht,
wie
Natal ^gefallen, aber nicht selber lieben wolle.—
Lebhaft beklagte er, ihr hier so unerwartet begegnet
zu sein,
und
wenn gleich ihr
voraussetzen ließ, berühre,
so lag doch etwas in demselben, welches
Gefühl
sein
erster Gruß nicht
daß das Wiedersehn sie lebhaft
verletzend, ihm
Mißbehagen
wahres
einflöste, und zu dem Entschlüsse bestimmte, seinen Aufenthalt so sehr als thunlich abzukürzen.
Den
Kopf in die Hand gelehnt saß er eine
Weile am Fenster, auf den Garten, den See hin
blickend, auf alle jene Umgebungen, welche ihn an die erste volle Blüthe seines Liebesglücks erinnerten.
Er war nicht mehr der leicht erregte, feurige Jüng ling,
der Ernst des Mannes,
nicht alleinige Bedingung sich in seinem
des
welchem
Glücks
ganzen Wesen aus.
die Liebe
ist, sprach
Zwar gedachte
er der Vergangenheit nicht ohne zärtliche Wehmuth, jedoch
ohne
jene
Störung der Ruhe,
welche ihn
früher um den Schlaf der Nacht, um die Heiter
keit des Tages gebracht hatte.
Gelassen stand er
131 endlich auf, sich schlafen zu legen, und alles schloß bald die Augen zum ruhigen Schlummer.
folgenden
Am
Morgen
begab
Eduard sich
früh in den Garten, und gewahrte an den Balcon
vorübergehend die Baronin und Natalie,
welche
in
erfreulicher Einsamkeit mit einander früh
stückten.
Frau von Berg erwiederte seinen Gruß
dort
durch die freundliche Einladung ihr Frühstück zu theilen und in
ihr
zur
wenig
Augenblicken befand er sich
Seite, welche ihn neckend befragte, ob er
seinen Thee
ohne
alle
Zugaben
eines
englischen
Frühmals zu genießen im Stande sein werde? —
Er lehnte dankend Alles ab, was spottend hergerechnet wurde, und fügte lächelnd hinzu: Uebrigens denken Sie nicht, wie leicht man sich in alle Lan
desgebräuche fügt und
findet.«
genehm
Und
mitunter sogar sie sehr an
die
Heimath
und
deren
Gebrauche vergißt, nicht wahr? — Das wenigstens habe ich nicht geäußert und dürfte
es
vielleicht auch nicht, denn im Bergessen
mag leicht die größte Philosophie des Lebens und
der Weisheit liegen.
Kaum
waren
Glücklich wer vergessen kann!
diese
Worte über Eduard-
Lippen, so errötheten Alle, die Baronin unterbrach
132 zuerst die etwas peinliche Pause und äußerte, ihn
wohlwollend anblickend: Wie sehr
übrigens verändert,
haben Sie sich
das Bild des schlanken Jüng
lings muß man aufgeben, wenn noch eine Aehnlichkeit gelten
soll, auch Ihr Haar ist völlig dunkel
geworden.« — Er lächelte: Folgen der Jahre und
des Alters,
aber ich hoffe Sie werden auf andere
Weise mich vortheilhafter verändert finden und in
solcher Beziehung
nigstens
ist das Dahineilen der Zeit we
befriedigender.
Abgelegte Irrthümer, auf
gegebene Wünsche, mehr und mehr erlangter Gleichmuth, bilden nach und nach aus dem verworrenen
Jünglingsgemüthe
Mannes.
dm
gediegenen
Charakter
des
Aus dem Fehlerhaften geht am Ende
Besserung, aus Irrthümern reinere Erkenntniß her
vor.«
Nicht doch,
ich bin überzeugt, ger;
in
entgegnete die Baronin heiter, Sie waren ftüher liebenswürdi
der Unvollkommenheit
immer etwas Einnehmendes.
der Jugend
liegt
Thun Sie sich mir
gegenüber ja nichts auf Ihre Gesetztheit zu Gute, denn ich
bin überzeugt Sie errangen dieselbe auf
Kosten Ihres Herzens.«
Werdenfels seufzte, sehr wahr,
entgegnete
er, jedoch vielleicht in anderem Sinne, als Sie die-
133 ses annehmen mögen.« — Natalie hörte schwei
dieser Unterredung
gend und
erschüttert
Eduard,
dessen Zartgefühl ihn das Gesagte be
reuen ließ,
lenkte das Gespräch auf die mancherlei
Veränderungen, waren,
zu,
und
welche im Garten vorgenommen
sich darüber mit liebenswürdiger Offenheit, theils weniger billigend aussprechend.
theils lobend,
Er tadelte das Vorhandmsein einiger Baume und meinte,
eines
Damm könnten sich
gewissen
jeder Baum,
bei Gartenanlagen
Erbarmungsflnnes
nicht erwehren,
der einem großartigen Plan geopfert
werden müsse,
thue ihnm in der Seele (eil), und
sie hätten manche Verschonung
Gewissen, da auf Anlaß
der Art aus dem
ihrer Fürbitten wahrhaft
vortreffliche Ideen nur mangelhaft, und dem Sinne des Ganzen
entgegen,
Ich bin überzeugt,
Barons
ausgeführt werden könnten.
fügte er hinzu,
daß nach des
Sinn jene beiden Eichm nicht mehr vor
handen sein würden.«
Die Ihr
Baronin erröthete:
über
diese
Gegmwart
nicht.
Misfallm
Friedrichs
Bitte,
schönm
äußern Sie Bäume
in
Ihr Männer müßt
immer zerstören! ich denke Sie werden in Bellforst
134 nur zu viel lichten,
und
hernach vergeblich nach
Schatten sich sehnen.« Gleich nach meiner Ankunft in England be
stellte ich in der Heimath genaue Zeichnungen aller Umgebungen Bellforsts, welche mit großer Genau
igkeit entworfen fast jedm Baum angaben.
Nach
dem ich auf diese Weise einen sichtlichen Ueberblick gewonnen, ordnete ich Alles in meinem Sinn, nach
den vortrefflichen
Allee
Mustern, welche man überall in
findet,
England
am
und
Hause
als
namentlich
ein
Opfer
wird die große
meiner
Pläne
fallen.«
O
wie Schade! rief Natalie unwillkürlich.
Eduard
blickte
etwas überrascht
auf, ihn
freute der Antheil, welcher in dieser Aeußerung sich aussprach,
und doch verdroß
es ihn zugleich, daß
die ersten Worte, welche sie nach acht Jahrm an
ihn richtete, einen Tadel seiner Ansichten ausspraSich
chm. er:
leicht
gegen sie verbeugend, entgegnete
Ich kann nur auf das Gesagte zurück kom-
mm, in diesem Bedauern spricht der echt weibliche
Sinn
sich aus,
Vorhandenes
erhalten zu wollen,
und in der That, darf man die Damm in solcher
Beziehung durchaus zu dm Conservativm zählen.«
135 Natalie wagte, tief erröthend,
nicht
den
Blick zu ihm zu erheben, die ersten Worte, welche Eduard an sie richtete, bezeichneten am besten das
ftemde Verhältniß,
vollkommen
eingetreten war,
ihnen
zwischen
welches
und die schmerzlichste Be
wegung sagte ihr nur zu
deutlich,
wie
sehr ihr
Herz ihm noch ergeben, wie sehr es ihrer Freundin gelungen sei,
im Grunde desselben die Hoffnung
noch zu erhalten. —
Graf Sternheim gesellte
sich jetzt zu ihnen; Natalie räumte hastig einen
Korb mit Arbeit
auf dem
Sessel neben
ihr bei
Seite, diesen dem Grafen auf solche Weise-schwei
gend
anbietend.
Er verbeugte sich kalt, ohne ihn
einzunehmen, und warf einen Blick auf den Neffen, den dieser, die Einbildung des Oheims
belächelnd,
mit einer Art Einverständniß erwiederte. gewahrend, fühlte Natalie sich
Beides
tief verletzt, die
eigentliche Ansicht des Grafen kam ihr nicht in den Sinn, chen
und
so wähnte sie dm Grund ihrer höfli
Beflissenheit
errathen
und
verspottet.
Der
Graf nahm Eduards rhm angebotenen Platz ne
ben der Baronin, und jener stand noch einm Augmblick wie unschlüssig, als der Kammerherr W e rdenfels
erschien,
welchen Natalie als ihren
136 Erretter aus
peinlichsten Verlegenheit fteund-
der
lich lächelnd empfing, und der den Platz neben ihr
mit so verbindlicher Eile einnahm, daß ihr tief ge Gefühl
kranktes
richtet fühlte.
sich wenigstens
in
etwas aufge
begegnete sie dem Blick
Unbefangen
seiner Augen, und beide waren bald in ein lebhaf
tes Gespräch verwickelt, indessen Eduard, der seinen Platz ihnen gegmüber genommen hatte, feinen Blick ernst und nachdenkend auf Natalien ruhen ließ. Die
beiden Gräfinnen,
durch den "Garten machten,
welche
einen
Gang
wurden jetzt von der
Baronin freundlich angerufen, und von den Herrm mit
Auszeichnung
trug
eine Papierrolle
begrüßt.
Gräfin
Adelheid
in der Hand, und auf eine
deshalb an sie gerichtete Frage des Grafen, ließ sie mit schalkhafter Koketterie ihn eine
Composttionen wahrnehmen. chelt,
seiner eignen
Er lächelte geschmei
und die Gräfin äußerte, wie ein Musikhest
für sie den gleichen Werth mit einem geistreichm
Buche habe.
Noten sind
Worte, fügte sie hinzu, und Novellen
bilden
für den, der ihre Sprache zu lösen versteht
Man
welche
denkt
Tragödien,
Romane
im Allgemeinm,
nur der hörbare Vortrag
mache ihren Sinn verständlich, wie unrichtig! No-
137 tm muß man lesen gleich einem Gedichte.
Wie
sehr, lieber Herr Graf, spricht diese Ihre Composi-
tion »der Abschied von Rom« mich an,
welche
emste Tiefe, welche des Gegenstand's würdige Me
lancholie! cs ist elegische Musik! —
Ich glaube in der That, entgegnete der Graf,
mit
musikalischen Dichtung etwas geleistet
dieser
obwohl auch meine
zu haben,
heiteren
einige sehr artige Dinge enthalten. nug ist man bisher nie auf eine
Arbeiten
Seltsam ge
Art
musikali
scher Improvisation verfallen; man spielt nach auf
gegebenen Thematen, was will das sagen! wie anders dagegen,
wenn
ein genialer Componist erstände,
jede Aufgabe so fort in Noten setzte, und z. B.
auch anderen gestattete, solche dann auf der Stelle
vorzutragen.
Das wäre originell und würde ein
eigenthümliches Talent verrathen. Versuch,
Machen wir den
geben Sie mir gnädigst eine Aufgabe,
und zeigen Sie uns hernach durch Ihren schönen Vortrag, wie ich dieselbe zu lösen im Stande war.«
Die Gräfin legte ihre wirklich hübsche Hand an die unschöne Stirn: Was giebt man Jhnm nun? —- Wohl denn, ein Gefühlsthema: von der Geliebten.«
Der Abschied
138 Der Graf langte eine Brieftasche hervor, zog
aus freier Hand rasch und geschickt die erforderlichen
Linim,
und- schrieb
dann mit großer Geläufigkeit
die Noten hinein, wahrend die Gräfin in etwas ge
zierter Stellung und halb über ihn gebeugt seinen schöpferischen Handen unverwandten — Fast nie,
Blickes folgte.
flüsterte Kammerher Werdenfels
Natalien zu,
hat mich Jemand so gelangweilt
als mein gelehrter Oheim, was er sagt, verstehe ich
selten, da er zu schnell und zu leise spricht, was ich errathe, spricht mich nicht an, und selbst seine werth
vollen, gelehrten Forschungen lassen mich kalt, wie seine Musik z fast beneide ich, fügte er fein lächelnd
hinzu,
die
Gräfin
um
ihren glücklichen Eifer.«
Natalie antwortete nur durch ein einverstandenes
Lächeln,
ihre Blicke und Gedanken waren auf die
Gräfin Emma gerichtet,
welche neben Eduard
saß,
mit
und
sich
freundlich
diesem unterhielt.
Nicht ohne schmerzliche Unruhe gewahrte Natalie,
wie sie die sthönen,
ihn richtete,
unvergleichlichen
Augen auf
welcher nicht ohne Wohlgefallen sich
im Glanze derselben zu sonnen schim; so — aber
nein,
ganz
anders noch,
Auge gesehn, und sie
hatte
er einst ihr in's
hatte den Blick zurück ge-
139 glücklich gefühlt. —
und sich
geben,
Natalie
entfernte sich in dem Augenblick, wo der Graf seine
vollendete,
Aufgabe
Beleidigung
Art
eine
und Eduard, welcher darin gegen
feinen Oheim sah,
zugleich folgernd ihre Gleichgültigkeit gegen
nahm
ihn daraus ab. — Gegen Mittag brachte die lien einen faßte bei
Muth, noch
Uebergabe derselben zärtlich ihre Hände;
Muth, geliebtes Leben,
gut
Baronin Nata
Straus schöger Treibhausblumm und
endens
Jene
gewiß Alles wird
schüttelte
ttaurig
das
Haupt: Glaubst Du das wirklich, Emilie? kannst Du mir ehrlich
daß Du es glaubst? —
sagen,
Der Widerwille seines Oheims, meine frühere Schuld,
Emmas leicht, Du
Die Baronin erröthete
Schönheit. —
noch verschiedenes hinzusiügen,
könntest
Deine übertriebene
Besorgniß, Dein
Widerstreben
mich handeln zu lassen, und des Kammerherm von Werdenfels
unglückselige
bar hegt dieser
mehr
als
Anwesenheit.
Offen
flüchtige Bewunderung
gegen Dich, und Eduard besaß immer eine Hin neigung zur Eifersucht.
Hatte ich Dich ruhig
O, meine schönen Plane.'
bei
der Tante gelassen, so
würde er vielleicht dort Dich aufgesucht haben, und
140 als meine künstlichen
Alles wäre besser gegangen,
Anordnungen
es
fügen
zu
vermögen.
Abreisen
darfst Du jetzt nicht, das würde vermeidbares Auf
sehn erregen, und so müssen wir hoffen, der Him mel werde das Ende günstig lenken.^ —
Einige Tage verflossen unter geselligen
Ver
gnügungen, welche Natalien nur Pein brachten.
Eduard und sie vermieden mit gleicher Beflissen heit einander zu nahen,
und wechselten,
schweigender Uebereinkunft, ander.
wie in
nie eine Sylbe mitein
Der Grundton seines Wesens war eigent
lich ganz derselbe geblieben, natürliche Anlage zum Ernst, mit lebhafter Empfänglichkeit für Heiterkeit
und Scherz verbunden, und eine fast immer gleiche
Stimmung
machten
ihn
zu
einem
angenehmen
Mitglieds des häuslichen wie des geselligen Lebens, und wo
er sich
zeigte,
Auszeichnung zu Theil.
wurde ihm anerkennende Natalie freute sich des
sen mit innerem Stolze, nur darüber sich beunru higend, daß Gräfin Emma die allgemeine günstige Stimmung mit zu großer Vorliebe zu theilen schien.
An einem Tage,
wo
man auszuruhen
brachte die Baronin Kupferstiche und neu
nene Bücher herbei,
beschloß, erschie
unter andern italienische Rei-
141 seskizzen, welche ihr sehr kürzlich erst zugesandt wa
ren.
Aufsehn
Dieses
Frau von Berg
zu
Werk
veranlaßte
Bemerkung,
wie selten
erregende der
eigentliche Abentheuer in jedes Menschen Leben vor
kommen
müßten,
da selbst die geistreichsten und
gewandtesten Schriftsteller
der Art anzufüh
wenig
ren wüßten. — Der Graf belächelte die Bettachtung
halb mitleidig:
»Wenn Sie,« entgegnete er, »un
ter Abentheuer Mord und Raub verstehen, so muß
ich freilich beschämt bekennen,
daß mein Leben ein
sehr Abentheuerleeres war ; gleichwohl sind mir sehr
artige
Dinge
verschmäht,
begegnet,
Andere redend
habe es
ich
aber
oder
immer
handelnd in den
Begegnissen meines Lebens auftceten zu lassen, da rin eine Rücksicht
beobachtend,
welche freilich nach
der Sitte unserer skrupellosen
Zeit
geschmackt erscheinen
Die Baronin nahm
die
mag.«
kleine Abfertigung
Eduard wie es
heiter
als höchst
hin,
und
ab
befragte
ihm in solcher Beziehung ergan
gen sei. — Dieser erwiederte scherzend, daß er noch
nicht zu gleicher Selbstverleugnung wie sein Oheim gelangt sei,
und sehr beschämt sich fühlen
würde,
wenn er kein Abentheuer mitzutheilen hatte. — Nachdenkend
die Hand an
die
Stirn legend
142 sagte
er unschlüssig:
Was
theile ich Ihnen nur
mit? — Nun wohl, ein kleines Ereignis/ welches mich lange wehmüthig beschäftigt hat. — Wahrend
meines Aufenthalts in Frankreich verweilte ich län dessen mildes Clima und an-
gere Zeit in Pau,
muthige Umgebung mich fesselten.
Bon dort aus
unternahm ich Streifereien in die poetischen Wild
nisse der Pyrenäen.
Es war bereits Herbst,
das
Laub begann sich hin und wieder zu vergolden, der
Himmel zeigen,
jene wundervollen Lichter und Farben
zu
dieser malerischen Jahreszeit eigen
welche
mich
thümlich sind. — Ganz meinen Neigungen
hingebend, unternahm ich große Fußtouren bald in
diesem, bald in jenem Dörfchen übernachtend, und überall mich gut ausgenommen sehend.
feuchtwarmen
Tage,
voraussehen ließ,
wegen auf ein schon tiefen Thäte zu,
der noch
ging
vor Abend
Regen
ich auf romantischen Fuß
früher besuchtes Dörfchen im
so langsam,
schönheit verweilend,
An einem
daß
so bei jeder Natur
der Abend sich sichtlich
mehr und mehr herabsenkte,
ohne daß ich deshalb
meine Schritte beflügelt hätte.
Die feuchte Atmo
sphäre entlockte den gewürzhaften Bergkräutern wah
ren Balsamhauch,
und öfterer warf ich mich
am
143 Boden nieder, theils um zu ruhen, theils um kleine
Büschel wilden Thym's zu pflücken, der hier über
all wuchernd hervorsprießt. Ein feiner Sprühregen mahnte mich zuerst an Beschleunigung meiner Schritte, und sich mehr und
mehr verdichtend, hüllte er alle Gegenstände in Däm Rasch schritt ich jetzt vorwärts,
merung ein.
bis
ich beim Umbiegen um eine Felsecke erstaunt vor zwei weiblichen Gestalten stehen blieb, entgegen traten.
welche mir
Die Eine, eine alte Bäuerin, trug
nicht im Anzuge, aber in Haltung und Blick einen,
ich mogle sagen, derung,
rührenden Ausdruck von Verwil theilweise um den Nacken hän
den ihre,
genden weißen Haare noch mehr hervorhobm. wurde von einer
jungen Bäuerin geführt,
Sie welche
jedem Maler zum Modell der Schönheit hatte die
nen
können,
obgleich
kein Schimmer von Rothe
ihr reizendes Antlitz belebte. — Die alte Frau be
trachtete mich stutzend mit großer Aufmerksamkeit, faßte
eine meiner Hände,
welche sie
das
Haupt
schmerzlich schüttelnd langsam wieder fallen ließ, und sagte dann mit leiser tonloser Stimme: Hast Du
meinen Sohn nicht
gesehen? — Ich
blickte auf
das junge Mädchen z ein einziger Blick in ihre fee-
144 lenvollen Augen verständigte mir Alles,
verneinte ich die Frage.
und sanft
Jene sah mich mit rüh
rendem Zweifel an: Du sahst ihn nicht? Wie trau rig! dann muß ich weiter; Jemand wird ihn doch
gesehen haben.«
Plötzlich
ihre Stimme bis
zum
innigsten Flehen modulirend, fügte sie hinzu; Ver
schweige es mir nicht; steh' ich bin eine alte Frau, und sehr müde,
warum soll ich weitergehen, wenn
Du ihn sahst?
Habe Mitleid
kranken Mutter.«
Ton ihrer Stimme,
mit einer armm,
Ihr Anblick, der tief gebeugte bewegten mich: »Gewiß,
ich
sah ihn nicht,« entgegnete ich betheuemd.
Nicht? — Dann müssen wir weiter,
Su
sette.« Das junge Mädchen faßte bittend ihre Hand:
»Liebe,
liebe Mutter,
nicht mehr.
heute finden wir Joseph
Seht cs regnet, da wird er nicht auf
dem Wege sein.« Er nicht auf dem Wege?
dem Wetter gefragt,
o er.hat viel nach
wenn es galt Dich zu sehen.
Willst Du nicht mit, so gehe ich allein, seine Mut-
ter soll er wenigstens finden.«
Vermittelnd versuchte ich einzutreten, und machte zuletzt darauf aufmerksam, wie sehr die arme Su-
145 fette vom Regen leide; diese Betrachtung fand so gleich Eingang.
»Die arme Susette! am Ende verliere ich sie
c^uch, und dann muß ich beide suchen, das ist viel
—
schwerer.
Kommt
aber
Joseph
auch
gewiß
heute nicht?« — Nach vielen Betheuerungen,
Fall sein werde,
gelang
daß es nicht der
es sie zum Umkehren zu
bewegm; es war fast finster geworden und erst nach einiger Zeit und nachdem der Regen aufgehört chatte,
trat der Mond hinter Wolken hervor.
Das junge
Mädchen ging, als des Weges am kundigsten, vor
an, indessen ich die arme alte Frau auf dem schwie
rigen Pfade führte und leitete;
sie
war jetzt ganz
stills und seufzte nur mitunter wie im Jammer ver gehend; mitleidig vertröstete ich sie auf den folgen den Tag. — Das Antlitz zu mir hindrehend, schüt
telte sie den Kopf, und flüsterte geheimnisvollDu
bist noch
jung,
aber ich
will Dir etwas anver-
tixiuen, daran wirst Du denken Dein Lebelang: — wir suchen Joseph täglich — aber finden können wir ihn nicht, bracht.
denn ich — ich habe ihn umge
Susette weiß es nicht — bie denkt im-
7
146 mer er wird wieder kommen, arme Susette! — und wieder seufzte sie herzbrechend. Während ihrer Rede mogte ein unwillkürliches Zucken meines Armes meine innere Empfindung ver
rathen, denn sie sah jetzt beim Schein des Mondes
mit ihren
armen,
verwilderten Zügen
bleichen,
flehend auf mich hin, und sagte leise bittend: Stoße weil ich ihn ermordet
mich nicht in den Abgrund,
habe — laß mich noch am Leben — vielleicht, viel
leicht findet Susette ihn dennoch,
sie hat ihn nicht
wissen!
schwarzen Augen
getödtet,
wer kann
es
ihre schönen,
haben nur etwas dazu mit bei
getragen. «
Ein unheimliches Gefühl erschütterte mich
dieser
seltsamen Gesellschaft,
ich den Weg fort.
Endlich erreichten wir das Dorf,
am Eingänge desselben blieb Susette vor
Hause stehen,
in
und schweigend setzte
einem
und auf ihren Ruf trat eine Magd
mit einer Laterne zu uns, deren Schein jetzt, wo sie
das Regentuch zurückschlug, die wundervolle Schön heit des Mädchens beleuchtete. traurig,
so
Sie blickte mich so
dankbar und unschuldig an,
wie bezaubert sie schweigend anstarrte.
Ihnen recht sehr,
mein Herr,
daß ich
»Wir danken
sind Sie
bekannt
147 hier am Orte? sonst wird Fanchette sich ein Ver
gnügen daraus
machen Ihre Führerin zu sein.«
Die Begleitung ablehnend,
nahm ich fast zögernd
von einem Anblicke Abschied,
der sich mir so tra
gisch schön, in so auffallend malerischer Beleuchtung niemals wieder dargeboten hat, denn auch die Strah
len des Mondes sielen auf das reizendste Antlitz. Ganz von meinem Abentheuer erfüllt, erfuhr
ich im Wirthshause Nachstehendes: Joseph Loi-
sier war der Sohn einer
armen Witwe,
welche
nichts besaß als eine kleine Hütte und eine geringe,
durch die Sparsamkeit ihres verstorbenen Mannes
für sie
erworbene Leibrente,
daher
er schon früh
auf eigene Thätigkeit sich angewiesen sah.
Su
sette dagegen, einzige Tochter eines reichen Man
nes und im Wohlstände erzogen,
kannte die Ent
behrungen des Lebens nicht, und legte deshalb auch
wenig Werth auf dessen Güter.
ganzen Dorfe
wohl ^angesehen,
Jeseph war im
und galt für
den
schönsten Burschen weit und breit, auch Susette ward als eine Schönheit gepriesen, und beide sahen
und bewundertm sich so oft, bis aus Anerkennung
die glühendste Leidenschaft entsprang.
Susettens
Vater, aufgebracht über eine, seiner Meinung nach
7*
148 so unsinnige Liebe,
untersagte Joseph
jeden Zu
tritt in sein Haus und so bienten Kummer,
Hin
dernisse und Heimlichkeit nur dazu, die vorhandene Flamme
anzufachen.
lebhafter
Endlich
kam
Zeit, wo Joseph der Eonscription verfiel, sette war in Verzweiflung;
hatte
Vater
der
um sie zu
Su
begütigen
wenn Joseph
geäußert,
einst
die
nicht Soldat zu werden brauche, lasse sich vielleicht
über eine Verbindung noch einmal reden; vergebens flehte sie jetzt,
den Geliebten
dieser möge einen Stellvertreter für
veranstalten,
einzigen Kindes
auf
und
Unerbittlich lehnte der Vater
diesen Vorschlag
ab,
einen armen Schwiegersohn an
indem er äußerte:
nehmen,
das Glück seines
solche Weise begründen. —
sei Thorheit,
ihn sich
erkaufen,
völlige
Raserei. — Der trügerische Ausspruch hatte gleich wohl bei Josephs Mutter Hoffnungen erregt, de
nen sie nicht mehr
zu
entsagen
Leidenschaft des Sohnes,
vermogte.
Sufettens Liebe und Trauer immer mehr gernd,
mit
wagte sie
endlich
furchtsam
beibringen,
und
stei
zögernd,
zu treten,
Joseph
der Arbeit eine Wunde am
Bein sich
dem Vorschläge hervor
möge bet
Die
durch Schilderungen von
diese wolle sie
durch
künstliche Mittel
149 aufhalten, und es könne dann nicht schwer fallen,
die Verletzung für einen verjährten Schaden aus zugeben ,
wodurch
seine Freigebung ahne Zweifel
dürste bewirkt werden.
Stumm vor Uebercaschung und Unwillen be
trachtete Joseph
die Mutter; Helle Rothe ergoß
sich über sein Antlitz und er stand rasch aus um
das Zimmer zu verlassen.
Weinend
folgte jene,
aber als er die Thüre öffnete, trat ihm Susette entgegen und ihre ihn umschlingenden Arme ver
wehrten ihm den Ausgang. lichen Empfindungen,
Ueberwältigt von pein
suchte Loisier'sich frei zu
machen, da trat seine Mutter hinzu:
»Laß ihn,
Susette, er liebt uns nicht, wie wir ihn lieben, Dich nicht, seine arme Mutter nicht; den gering
sten Schmerz vermag er nicht um unserer willen zu erdulden, trotzig wollte er eben fort.« — Jo
seph erbleichte auf erschreckende Weise,
in seinem
Auge spiegelte sich Verachtung: »Keinen Schmerz?< sagte er gepreßt, äußern.
»o das darf nur meine Mutter
Alles, Alles kann, will ich für Euch thun,
nur betrügen nicht, es ist gegen meine Natur; ich habe es nie gekonnt, schon als Kind nicht.« —
150 Traurig und ermüdend würde die Herzählung
der Ueberredung sein, durch welche mütterliche Liebe und die Schmeichelworte der zärtlichsten Leidenschaft den Sieg über ein einfach, rechtliches Gemüth er
rangen.
endlich
Als Joseph
halb
verzweifelnd
einwilligte, beschwor Susette ihn liebkosend, fast fußfällig,
sich nicht gefährlich zu verletzen.
Beim
Holzspalten für seine Mutter brachte er eine Wunde am Bein sich bei,
behandelte.
welche jene nun auf ihre Weifte
Der Tag erschien, der Joseph in die
Stadt berief, und Su fettens Vater hatte dieser
gestattet von ihm Abschied nehmen zu dürfen. Ihre
Thränen überströmten
sein bleiches Antlitz, immer
drückte sie ihn wieder an ihr Herz:
»O Joseph,
mir ist zu Sinne als ob wir uns nimmer Wieder sehn würden; sage, o sage mir Ein Wort des Tro
stes, sage, daß Du Deine Susette noch
»Mehr als mein Leben,
für Dich, für Dich habe
ich Alles gethan, mehr als ich antworten kann.
liebst.«
hier und dort ver
Aber nun laß mich
fort; wenn
ich wiederkehre — dann wollen wir fröhlich sein —
ich auch Susette, ich verspreche es Dir.« einen Kuß
sanft bei
auf ihre Stirn drückend, Seite,
um
schob
Noch
er sie
der harrenden Mutter Lebe-
151 wohl
zu sagen.
Diese schloß
in seine Arme,
er
drückte ihre Hande, vermied aber sie anzusehn. bemerkte es sogleich,
Sie
und sah tief bekümmert auf
ihn hin:
»Hast Du keinen Blick für mich, Jo
seph?«
Er schlug die Augen gen Himmel, heiße
Thränen entstürzten denselben: immer ein gehorsamer Sohn,
von ganzer
Seele.
Nur
»Mutter,
und ich liebe Euch
heute
laßt mir Ruhe;
Lebt wohl,
mir ist zu Muthe wie niemals früher.
lebt wohl;
leb
meine Susette
ich war
auch Du wohl.«
Hastig stürzte er fort, um niemals wiederzukehren. Joseph langte in der Stadt an; der Marsch den Zustand
dahin hatte
verschlimmert,
und er
aufrecht zu erhalten.
seines
vermogte kaum
mehr
sich
Der Arzt, welcher die angeb
lich alte Wunde untersuchte,
den Kopf,
Beins natürlich
schüttelte ungläubig
und auf dessen Erklärung
sier als Betrüger hart angelassen,
wurde Lvi
und in's Ho
spital gesandt; von dort aus meldete er der Mutter
dm traurigen Ausgang ihrer List. —, Erschütternde Gemüthsbewegung
der
mannigfachsten Art
zogen
ihm ein Fieber zu, welches seine Genesung verzö
gerte.
Nachdem Joseph hergestellt war, wurde er
seinem Capitän vorgestellt, der ihn mit einer Kalte
152 betrachtete, welche durch das einnehmende Aeußere des
jungen Soldaten etwas gemildert wurde. Dich schlecht empfohlen,«
kann
ein
»Du hast
redete er ihn an,
»wie
junger Bursche sich fürchten Soldat zu
werden; wie kann ein Mann überhaupt Furcht em
pfinden.«
Joseph schlug die Augen mit einem
Ausdrucke auf, vor welchem der Offizier unwillkür lich das seinige senkte:
»Ich bin schuldig,
mein
Capitan, aber ich hoffe Ihnen künftig zu beweisen, L>aß
Furcht mein
stimmte.«
trauriges
nicht
Vorhaben
be
Jener lächelte wohlwollend: »Ich glaube
Dir, beweise, daß Du ein braver Bursche bist, und
Alles soll vergessen sein.«
Kaum
im
Gebrauche der
Waffen
eingeübt,
mußte Joseph mit dem Regiments nach Spanien
aufbrechen.
Die Beschwerde des Marsches, die Glut
des Clima's ließen ihn vielfältig an den Folgen
der früheren Wunde
leiden,
welche mitunter sich
öffnend, eine Schonung erheischte, welche Loisier
derselben theils nicht widmen konnte
Von seinen Vorgesetzten ausgezeichnet, Cameraden geliebt,
noch wollte. von seinen
war seine kriegerische Laufbahn
eine ehrenvolle, und es erregte allgemeine Theilnahme, als er nach einem hitzigen Treffen vermißt und end-
153 lich scheinbar tödtlich verwundet, zwischen Leichen auf gefunden wurde. Seine Jugendkraft besiegte den Tod,
aber er war für lange undiensttüchtig, und wurde mit andern Genesenden in die Heimath zurück geschickt. —
Mit wehmüthiger Freude nahte er sich dem Vaterlande und seiner ehemaligen Garnison,
ließ
dieselbe erreichte,
ein
bevor er
unglücklicher
Stoß die
Wunde am Beine von Neuem aufbrechen,
mußte bei
werden,
seiner Ankunft
von wo
jedoch
und er
in's Hospital geschafft
er seiner Mutter sogleich
schrieb
und sie'dringend einlud ihn zu besuchen; sein Herz
sehnte sich nach ihr,
nach Kunde von der geliebten
Susette. Ein Fieber verschlimmerte
als
endlich aller Schmerz
arme Joseph
die Wunde,
derselben
seine Genesung für
aufhörte,
und der
fast vollendet
hielt, erklärte ihm der Wundarzt, nicht ohne Scho
nung, daß sein Leben jetzt von seiner StandhaftigküL abhange, des Beins
denn dieses sei nur durch Abnehmen
noch zu retten.
Der junge Mann er;
bebte schauernd, er ein Krüppel! er, dessen Gestalt
überall Aufsehn erregt hatte! und Susette — der Gedanke an diese füllte sein Auge mit Thränen. —
Schweigend
gab er dann
durch ein
Zeichen seine
154 Zustimmung,
und
ertrug die Operation mit einer
Standhaftigkeit,
welche die lebhafteste Theilnahme
für ihn einflöste.
Nach Beendigung derselben ver
fiel er in Phantasten, welche als Folgen eines hef tigen Wundsiebers dennoch geordnete Gedanken aus
sprachen. Schmerz! wiederholte er oft, o den Schmerz
nicht,
scheuste ich
aber die Schande,
löschliche Schande des Betrugs. Keiner mehr,
daß
die unaus
Nun glaubt wohl
ich den Schmerz scheue!
Auch
an meinem Muthe zweifelt Niemand; ich ließ mein Blut hinströmen, damit sie sahen, ich fürchte mich
nicht, mein Blut und mein Leben. vorbei,
ich
habe nichts mehr zu
Nun ist Alles geben.
Arme,
arme Mutter, das endet traurig! — Susette, meine Susette,
ich war Dir treu bis in den Tod.«
Gegen Abend
wurden diese Phantasien leiser,
sie verklangen wie Geisterhauch, gänzlich.
Da öffnete sich die Thüre, eine alte Frau
schwankte händeringend herein, Der Kranke Versuch
endlich schwieg er
schlug
dem Bette nahend.
die Augen auf,
der rührende
zu einem Lächeln umschwebte den bleichen
Mund: Meine Mutter!
flüsterte er kaum hörbar,
und mit diesen Lauten verhauchte sein Leben. —
155 Von diesem Augenblick
an war es um die
Vernunft der armen Frau geschehn,
und die Zer
rüttung derselben gab sich dadurch kund,
daß sie
unaufhörlich nach ihrem Sohn verlangte, unablässig
im Lande umher irrend, ihn aufsuchte, seine Wie
derkehr stets erwartend.
Seit Josephs Tode war
nie ein Wort über ihre Lippen gekommen, welches
nicht auf ihn Bezug gehabt hätten
ihre rührende
Gestalt, ihre sanften Fragen erregten überall Mit leid.
Susette
verging vor Gram,
und sich als
Veranlassung zu dem Tode des Geliebten betrach tend, schlug sie jeden Heirathsantrag standhaft aus.
Nach des Vaters Tode die arme Mutter ihres Jo
sephs zu sich in's Haus nehmend und liebevoll für dieselbe sorgend,
büßte sie in stiller Reue ein Ver
gehen, welches, als sie dazu rieth, in ihren Augen
keines war. Ich konnte das Dörfchen nicht verlassen ohne
am andern Morgen noch einmal an der Hütte vor über zu gehen.
Die schöne Sustne^^war vor dem
Hause mit Aufbinden einiger Weinranken beschäf tigt.
Ein leichtes Roth färbte ihre Wangen, als
sie den Gefährten der abendlichen Wanderung er blickte;
nur schweigend begrüßte ich sie,
und sah
156 mit seltsamen Empfindungen auf die herrlichen, ge
fühlvollen Augen, welche ein trauriges Geschick da zu bestimmt hatte,
schmerzliche Thränen zu vergie
Ihre Trauer hatte etwas poetisches, und den
ßen.,
noch lag Beunruhigung in dem Gedanken, so viel Jugend und Schönheit einsam,
ohne Schutz und
Liebe, auf Erden zu wissen.« Alle schwiegen eine Weile, nachdem Eduard
seine Erzählung beendet hatte,
und
dieser wandte
sich an die Baronin mit der-Frage, ob dieses Er
gebniß für ein Abentheuer gelten könne.
sanft das Haupt: That,
Sie beugte
»Für ein trauriges.«
In der
äußerte der Graf, eine recht artige Episode,
ein echter Novellenstoff.«
Natalie hatte Eduards Mittheilung mit
klopfenden Herzen angehört, und sah bewegt, nicht ohne schmerzliche Aufwallung, wie Emma's Au gen während
derselben
richtet waren, und
fest
auf den Erzähler ge
die seinigen halb gesenkt, wie
durch einen Schleier von Wehmuth und Zärtlichkeit, die holden Blicke zurück gaben.
Andere das
So hatte jetzt eine
unbestrittene Recht ihn
so ansehn zu
dürfen, er dasjenige der Erwiederung, und von al len früheren Banden der Liebe und Treue war ihr
157 als die schmerzlichste Erinnerung.
nichts geblieben,
es aber noch ein Fädchen geheimer Sim-
— Gab
Augenblick so verletzender Be
welches im
pathie,
trachtung
Eduards
Blick auf sie hin zog? —
Beide sahen sich im Fluge mit jenem tiefen, düstern
Ausdruck der Leidenschaft
welchen ungestörte,
an,
ungekränkte Liebe nicht kennt.
Es
war nur
ein
schnell vorüber gehender Moment, dann vermied er
für den übrigen Theil des Abends, wie jetzt immer,
ihren
zu
Augen
begegnen,
Nachbarin sich widmend,
ganz
denn
seiner
schönen
dieses war Gräfin
Emma beständig, und es mogte für ziemlich un entschieden gelten, ob mehr durch ihr, ob mehr durch
sein
Gräfin
Bemühen.
Adelheid
schien
Vorliebe ihrer Nichte auf alle Weise zu und
That
der
in
Eduard
nur
konnte
eine
die
billigen,
Verbindung
mit
als vortheilhaft betrachtet werden;
sein Vater war vor Jahren im Auslande gestorben,
und
er
im uneingeschränkten Besitz eines ansehnli
chen Vermögens. Für den
folgenden Tag war eine Landpartie
in eine ziemlich entlegene Gegend verabredet, Emma
äußerte große Freude darüber,
sich ihr im
Dorwege,
und Eduard bot
galant als Führer, in der
158 ihm wohlbekannten Gegend an, indessen ihre Tante mit dem Grafen das Mitnehmen der Zeichenmap
pen verabredete, mit jenem
Der Hausherr,
gen, im
und
die Baronin
sich
scherzhaft
mitzunehmende Verrathe
über
berieth.
kein Freund solcher Untemehmun-
mahnte ziemlich erfolglos davon ab, und ließ
Hintergründe die Aussicht auf ein sehr schlecht
tes Mittagsmahl Gemahlin
durchschimmern,
versicherte,
daß sie
wogegen
wenigstens
seine
für die
Mitnahme einer vortrefflichen Pastete Sorge tragen
werde.
Bei
Diese Aeußerung
schlug ihn völlig nieder:
liebes Kind, Du bist eine ganz
dieser Hitze?
vortreffliche Frau, aber davon verstehst Du nichts; die Pastete würde völlig zu Grunde gehn.
nur hier den Herrn Dieser im
gab
Grafen,
Frage
der ein Kenner ist.«
einige leise Winke, wie man sich
allgemeinen rücksichtlich der Vorbereitungen für
ländliche Feste zu
verhalten habe, und obgleich er
die Beschädigung der Pastete im Geiste vorher sah, bei seiner heitern Freundin auf die volle Beobach
tung
so
Sicherheit
wichtiger zählend,
Vorsichtsmaßregeln
so
wurde es
ihm
nicht
mit
doch auch
schwer, diese gänzlich aufzugeben, und einem völlig ungewissen und ungesicherten Schicksal entgegen zu
159 Unter mancherlei Berathungen, eigentlich un
gehn.
ter mancherlei Widerreden
schloß der Abend, ohne
daß der wichtige Punkt der Proviantirung gänzlich
wäre erledigt worden. Nur Eduard und Emma,
die
an
der Beredung keinen Antheil genommen,
schienen sich völlig befriedigt zu trennen.
Natalie dachte nicht an Schlaf, und war gesonnen ihren traurigen Betrachtungen nachzuhan
gen,
als
ein Brief auf dem Tische vor ihr sie
unerwartet darin störte.
Die Hast, mit welcher sie
ihn erfaßte, die Enttäuschung beim Anblick einer völlig fremden Handschrift, zeigte ihr am deutlich
sten , was
ihr bethörtes Herz
zu hoffen gewagt
habe. — Der Brief war von dem Kammerherrn von Werdenfels, und enthielt eine eben so zärt liche, als ehrfurchtsvolle Bewerbung um ihre Hand; zu Nataliens Beruhigung sprach er die Hoff
nung nicht aus, ihre Neigung zu besitzen, sondem nur diejenige, daß es ihm einst gelingen werde sich dieselbe zu erwerben. —
worrenen
Verhältnissen
Der Zuwachs zu so ver
bekümmerte sie sehr, und
als die Baronin am folgenden Morgen zu ihr ein trat, erklärte sie dieser, ohne weitere Angabe der
Gründe, daß heftiger Kopfschmerz nach völlig durch-
160 Wachter
Nacht
ihr
es
unmöglich
Landpartie Theil zu nehmen.
mache an der
Jene äußerte liebe
volle Theilnahme, ohne gegen ihre Gewohnheit auf
Rücknahme des Entschlusses zu dringen, und bald sah
Natalie
nur
ihrem
von
der Gesellschaft an.
Zimmer
die Abfahrt
Alle blickten zu ihr empor und
Eduard und der Graf begrüßten sie
kalter Höflichkeit.
mit
Der Erste beschäftigte sich einzig
mit der schönen Emma, welche darauf bestand,
den am Wagen der Baronin für die Dienerschaft angebrachten
Sitz
einnehmen
zu
wollen;
nach
scherzhaftem Streit half er ihr hinauf, und schwang
gewandt und Adelheid
lachend
sich nach,
ihren Platz zur
indessen Gräfin
Seite des
Grafen
in dessen Wagen erhielt; eine Anordnung, welcher dieser, sich mehr nachgebend als erheitert, zu fügen
schien.
Nataliens Blick war fest auf Eduard
gerichtet,
der keinen für sie hatte,
pries sie sich
glücklich, wenigstens
und erschüttert während dieses
Tages nicht mit ansehen zu dürfen / was ihr fast das Herz brach.
Der
Morgen
verging ihr im unerfreulichen
Sinnen und erst am Nachmittage begab sie sich,
bei
mild bewölkter Luft in den Garten; bald ihr
161 Lieblingsplätzchen
am
See
erreichend,
Dadurch verlockt,
Welle bewegte.
den keine
bestieg sie die
kleine Gondel und war im Begriff die Ruder zu erfassen, als eine wohlbekannte Stimme ihr lebhaft zurief: Einen Äugenblick, Natalie — laß mich Dir
Fast erschrocken
helfen.«
blickte sie
zurück,
aber bevor sie noch im Stande war sich zu besinnen,
war Franz
im Boote und zu ihren Füßen; unge
stüm ergriff er ihre Hande und rief, diese mit Küs
sen bedeckend:
So
seh ich Dich wieder, Dich md-
lich wieder! Engel! Angebetete! —Betroffen machte
Natalie einen Versuch ihn aus seiner knieenden Stellung zu bringen, rasch sprang er empor, drückte
sie mit sanfter Gewalt auf eine Bank nieder, und erfaßte
dann
mit
Boot pfeilschnell
die
Ruder,
das
mit
Gebüsch
be
Behendigkeit
einer
kleinen,
wachsenen Insel zulenkend.
Nach wenigen Augen
blicken hatte er dort angelegt, und an's Ufer sprin
gend, Natalien eben dorthin geleitet,
Kaum entzog
an Widerrede nur denken konnte. einiges
bevor sie
Gebüsch sie der Beobachtung, als Franz
abermals
mit größter
liens Füßen
warf,
Leidenschaft sich zu Nata die erschüttert und erschreckt
eine Bewegung machte ihm zu entfliehen.
7
Beson-
162 neuer sich empor richtend, sagte er lebhaft: Beruhige Dich
theure Freundin,
süße,
meine
erklären;
laß mich Dir Alles
überraschende
Gegenwart,
meine
Wünsche und Hoffnungen. — Sanft ihren Arm
in den seinigen
ein,
legend,
schlug
er
einen Fußpfad
der zu einem schattigen Ruheplätzchen führte.
Später sah man zwei Personen sich an's jenseitige
Ufer begeben,
und erst mit einbrechender Dämme
rung kehrte Natalie in das Schloß zurück.
Einige von
Stunden später kam die Gesellschaft
ihrer Landpartie heim, Natalie begab sich
nicht hinab, und harrte mit klopfendem Herzen des
Besuchs ihrer Freundin.
Nach kurzer Zeit pochte
es leise an ihre Thüre, verwundert sich empor rich
tend, sah
treten.
sie zu ihrer Bestürzung Eduard ein
Unwillkürlich
Lippen und,
glitt sein
Natalie!
seinigen zurück,
Name über
ihre
hauchte es leise von den
dann fügte er sanft hinzu,
ob er
unangemeldet zu so ungewöhnlicher Stunde wirklich eintreten dürfe. —
Natalie deutete schweigend
auf einen Seffel, der am Tische neben den Divan
ftand, er setzte sich, und das Haupt etwas zu ihr hinbeugend, sagte er leise und innig: Wie viel hat sich
begebm,
seit wir
uns zuletzt sahen! mit wie
163 unseliger Eifersucht
unbegründeter,
mals
das
einzige
Glückseligkeit
des
Band,
Lebens
ich da
zerriß
welches
knüpfte;
an
die
ich zerriß
es,
mich
aber blieb der frei gewordene und dennoch gefangene
Vogel,
der ein Stückchen der früheren Fessel über
all mit nachschleppt.
ich
Theure Natalie, nie habe
Sie vergessen; als ich
Sie hier wieder sah,
nach so manchen
entschwundenen Jahren, traf es
mich gleich
elektrischen Schlage.
einem
Ihr kal
ter Grus drängte die Gefühle meines Herzens zu rück,
mein
unseliger
alle
Stolz und
Zweifel er
wachten, geflissentlich wich ich Ihnen aus, während jede
hörte.
Herzens
meines
Huldigung
nur Ihnen ge
Kann dies aufrichtige Gestandniß mir nicht
Verzeihung erwerben? —
Geliebte Natalie wil
ligen Sie ein, wieder wie ehemals der Engel mei
nes Lebens zu
Versicherung
sein.
willen,
Vergeben Sie mir, um der
daß
Sie
die
Einzige sind,
welche ich je wahrhaft geliebt habe, die Einzige — Sie weinen? — meine Natalie, sagen Sie mir
ein Wort des Sie
Trostes
und der Hoffnung, sagm
mir, daß Sie mich nicht hassen.«
sen? o Eduard,
Sie has
meine Thorheit, meine tief be
reute Thorheit trennte uns;
jetzt ist Alles zu spät,
164 ich bin nicht mehr frei — heute, eben heute
gab ich Franz von Hollen mein Wort. — Wer
denfels war lebhaft aufgesprungen: Darauf war ich nicht vorbereitet! rief er in heftiger Aufregung, dann ein Knie vor Natalien beugend, fügte er
innig hinzu: Unser Geschick ist dennoch unzertrenn lich — Du liebst mich, Du hast nie einen Andern
geliebt — jetzt wage ich zu sagen, daß ich es weiß; der holdeste Verrath hat es mir offenbart.
nichts vermag
Nein,
uns zu trennen •— Franz wird
dem aufrichtigen Geständnisse
Nachsicht
schenken,
er wird Dir Dein Wort zurück geben, und Du
wirst die Gattin des
Mannes werden,
den Du
liebst, und der Dich anbetet.« Bleich, wie abwehrend, legte Natalie die
Hand auf seinen Arm und flüsterte mit erstickter Stimme: Es ist zu spat — Franz kann mir mein Wort nicht zurück geben — denn ich bin — ich
bin
ihm
heute
angetraut
— ich bin seine
Frau.«
Eduard raffte sich empor, er bebte wie von
Fieberfrost geschüttelt, sein dunkles Auge traf Na talie durchdringend, fast drohend: Ist das wahr?
165 rief er heftig:
Mit der Liebe zu mir im Herzen!
— fügte er wie unwillkürlich hinzu.
Natalie starrte ihn fast leblos an, endlich sagte sie mit gefaltenen Händen zu ihm aufsehend:
Verdammen Sie mich nicht ungehört, Ihre Kälte — Nein, entgegnete er bewegt, ich erlasse Dir jede Aufklärung, ich kann und will nichts mehr hören.
Dein Mangel an Glauben und Treue
hat mein
Glück für immer zerstört.«
Er ging,
in der Thür
blieb
er stehen, und
blickte auf die bleiche Gestalt der noch immer Ge liebten, zurück,
er
sanft:
dann sich ihr wieder nahend, sagte
mir
Geben Sie
zum letzten Mal im
Leben Ihre liebe, schöne Hand.« drückte
Sie that es, er
dieselbe an sein Herz: Ich scheide in Frie
den Natalie — sein Sie glücklich — sehen Sie mich noch einmal an — sagen Sie mir noch Ein Wort, dann scheide ich.«
Eduard!
hauchte sie leise, Natalie! ent
gegnete er mit leidenschaftlicher Wehmuth, dann ge waltsam von ihrem Anblick sich losreißend, verließ
er langsam sehend,
das
Zimmer,
welche seinen
zu
derjenigen zurück
letzten Blick mit furchtsamer
Sehnsucht auffaßte. —
166 Schaudernd schloß Eduard die Thüre: Nun sehe ich Sie niemals wieder! dachte er, und o thö
richtes Herz!
kein Sturm vermöge
Du wähntest,
mehr Dich zu erschüttern, und blutend, blutend,
reißest Du Dich
von ihr los.« — Nachdem die
erste, furchtbare Aufregung sich gelegt, verfügte er sich in das Zimmer seines
folgenden
Morgen
diesem nach
Oheims,
kurzer Einleitung den Entschluß
mittheilend, am
abreisen zu wollen.
—
Der
Graf, welcher nicht ohne einige Aufregung im Ge mache auf und ab ging,
blickte ihn
verwundert
an: So rasch entschlossen! wohin denn jetzt? —
Vorläufig nach Bellforst. — Der Oheim lächelte. Ah! Du willst Dir die Schwingen nicht lahmen
lassen, ich billige das.
gefährlich,
Schöne Damen sind immer
besonders auf dem Lande, wo es an
mannigfacher Zerstreuung fehlt- und die Gräfin ist
wirklich ungewöhnlich schön- man könnte sich fan gen lassen! Solches würde jedoch von Dir schwerlich zu billigen sein, da die Familie gänzlich unbegütert
ist.
Für mich wäre die Partie schon annehmbarer,
wenn es nicht selbst bei einem reichen Manne für Thorheit gelten
Mädchen
zu
müßte,
Heimchen.
ein
völlig
unbemitteltes
Deine plötzliche Abreise
167 misfällt
mir auf einige Weise,
denn ein Mann
sollte nie so sehr aus dem Gleichgewichte
schöner
Besonnenheit kommen, um eine Fessel rauh, und ohne den erforderlichen Anstand abzustreifen.
Auch
ich werde in wenigen Tagen abreifen, dieses aber zuvor, vielleicht heute noch gelegentlich mittheilen;
Schonung ist man immer dem zarteren Geschlechte schuldig, dessen reizbare Nerven Berücksichtigung er heischen. — Die heutige Partie hat mich in etwas
verstimmt, das Essen war verabscheuungswürdig; sehr natürlich! wenn man dergleichen ohne die ge
hörige Vorbereitung unternimmt; die Pastete förm lich zu Grunde gegangen, und der Wein lauwarm
dazu, die seltsame Grille, mich immer mit der Grä fin Adelheid
zusammen zu bringen!
Der Anblick
ihres ältlichen Gesichtes war mir wahrend der lan gen Fahrt höchst lästig
— cs
verstimmte mich,
und ich verkenne in solcher Anordnung die Umsicht unserer liebenswürdigen
Wirthin.
die gute Gräfin auch
hegen mag, in die Flucht
jagt sie mich
damit nicht.
Welche
Ideen
Kann mein Muth
Dich nicht zu längerem Bleiben veranlassen? —
Eduard äußerte sich ablehnend,
ohne weite
rer Gründe zu gedenken, und als er bald daraus
168 der Baronin seine Absicht mittheilte, las er in ihren verstörten Mienen,
Wahrheit legte sie
ihr
daß
bereits
wenigstens
bekannt
ein Theil der
Wehmüthig
sei.
»Ich meinte
die Hand auf seinen Arm:
es gut,« sagte sie sanft, »vergeben Sie mir, wenn
ich Gefühle weckte, welche ohne
meine Mittheilung
in solcher Stärke nicht erwacht sein würden.«
dieselbe legend,
ersuchte
Er
und einen Brief in
küßte ihre Hand mit Wärme,
solchen nach seiner
er sie,
Abreise Natalien übergeben zu wollen. —
Dieser Brief enthielt in wehmüthigen Abschiedsgruß.
»unser Verhältniß
Eduard,
wenigen Zeilen einen
»Lasten Sie,« schrieb friedlich
völlig
sich
lösen, o Natalie, zwei Menschen, die mit unend
licher Zuneigung an einander hingen, welche wieder, und immer wieder,
durch unrichtige Auffassung der
Verhältnisse geschieden wurden, sollen diese am Schei
dewege,
bei einer Trennung für diese Welt,
und unfreundlich von einander scheiden?
trüge es nicht. unendlich
Ich er
Nein, ich scheide als Freund, mit
wehmüthiger
Dankbarkeit
Sie haben mich geliebt — ewig danken fest halten, darin Versöhnung.
schroff
von
Ihnen,
will ich den Ge
liegt Wonne,
Trost und
Leben Sie wohl, ich ehre Franzens
169 Rechte, aber ich beleidige diese nicht, wenn ich Ih
nen feierlich wiederhole: Sie allein habe ich geliebt. —
Sein
Sie
glücklich
wünsche es,
ich
—
ja
theure Natalie, ich habe den Muth es zu wün
ich liebe Sie zu sehr,
schen,
um Sie nicht über
Alles zu achten und zu verehren.«
Als die Baronin am folgenden Morgen den Brief übergah,
war Eduard bereits
seit Stunden
fort; beide Freundinnen sanken sich stumm, nend in die Arme,
wei
und jene drang jetzt auf eine
welche ihr bis dahin nur in zusam
Erläuterung,
menhängenden Worten geworden war. Die Unterredung,
welche so
unerwartet zwi
schen Franz und Natalie Statt fand, von seiner Seite in
rung
seiner
ihr mit, Berg-
lebhafter,
bestand
rührender Schilde
unveränderten Neigung.
wie er durch seinen Freund,
von Eduards Ankunft
Er
theilte
Baron von
unterrichtet wor
den, und alle Qualen der Eifersucht erduldet habe.
Die fortgesetzten Berichte stockend hinzu,
hatten ihm
des Barons,
fügte
er
einige Beruhigung ge
währt und der Hoffnung Raum gegeben, daß Zeit und Entfernung
welche
eine Leidenschaft
ermäßigt
so sichtlich nicht gemacht sei,
habe,
beide Theile
170 zu
beglücken.
Während er so
trachtungen sich hingegeben,
ermuthigenden Be-
sei der Befehl an ihn
ergangen, sich ohne Aufschub beim Regiments ein-
welches
zufi'nden,
befehligt sei,
Oesterreich aufzubrechen.
ungesäumt
Nur dadurch',
nach
daß er die
Reise in undenkbarer Hast zurückgelegt, sei es ihm
einige
gelungen
Stunden für
die Zusammenkunft
mit Natalien zu gewinnen. hinzu,
habe Mitleid mit mir,
Und so,
fügte er
bereite Dir nicht
das unabwendbare Gefühl der Reue, mich trostlos, mit Verzweiflung
im Herzen,
ungewissen
einem
Erfülle end
Schicksale entgegen gesandt zu haben.
lich den letzten Wunsch Deines Oheims, stoße nicht um einer,
vielleicht unerwiederten Zuneigung willen
ein Herz zurück,
welches Dir seit acht Jahren un
wandelbar ergeben war.
Denke an Eduard,
wundere ihn — ich habe nichts dawieder,
weiß, daß meine Zeit kommen wird, gut sein,
ich
ihm
denn ich
wo Du mir
mich lieben wirst wie ihn.
sein augenblickliches Glück.
be
So gönne
Alles scheint
mir günstig, sei Du es auch, süßeste Liebe meines
Lebens;
dort in der Mühle einkehrend,
zu Deinem Mädchen, und
schickte ich
damit sie Dich vorbereite,
erfuhr zu unaussprechlicher Wonne,
daß Du
171 und
zu Hause
allein
ich Dich beraubt, sein,
Natalie,
theure
mit
Gegen meinen Witten habe
meiner Verzweiflung.
zu
wärst.
habe Mitleid mit meiner Sorge,
Na tat re,
nur wenn Du
einwilligst mein
darf ich zu Deinen Gunsten verfügen;
sterbe ich >unvermahlt, fallen die Güter,
wie Du
weißt,
So
entfernten Verwandten
mir Deine liebe Hand
anheim.
— heute noch.
gieb
Ich war
bereits im Dorfe beim Prediger — Alles ist ver abredet; ich führe Dich über den See, mein Wagen erwartet uns, in einer Stunde stehen wir vor dem
Altar, und werde,
ich
gelobe vor Gott
was ich
so wahr ich an ihn glaube.
ich Dich hieher zurück,
halten
Dann bringe
wir scheiden,
ich
mit
der
Seligkeit im Herzen, daß Du mein bist, Du mit
der Ueberzeugung, mich über allen Ausdruck beglückt zu haben.« —
Auf ähnliche Weise bestürmte der gutmüthigste und ungestümste aller Liebhaber die arme Nata lie, die halb betäubt ihn anhörte. suchte
sie durch
ein
Vergebens ver
aufrichtiges Gestandniß
ihrer
Neigung für Eduard ihn zu überzeugen- daß sie
seine Bewerbung nicht verdiene^ seine Bitten, und leider mehr noch die Ueberzeugung,
daß jener viel-
8*
172 leicht schon
Abend
am
als
Emmas Verlobter
heim kehren werde, bestimmten ihr Schicksal.
der
Feststellung
Geschicks
ihres
hoffte
sie
In
eine
Schmerz und Demüthigung zu
Schutzwehr gegen
finden. Halb willenlos ließ sie sich von Framz über den See
rudern und brachte den Weg
Kirche stumm und
in Thränen
hin.
bis zur
Hier erst
traf sie das volle Gewicht ihres Vorhabens, sanft zog sie ihre Hand aus derjenigen des überglückli
chen Bräutigams: »Laß
mir,« sagte sie
»nur einige Augenblicke zu stillem Gebete.«
bewegt, Gerührt
sie zum Altar der kleinen Kirche leitend, verließ er
sie dort.
kniete
Demüthig
die unbeglückte Braut
den Stufen nieder, gestärkt erhob sie sich, Franz
nach
einer Weile mit
an
und als
dem Diener des
Herrn die Kirche betrat, streckte sie ihm die Hand mit jenem Seelenausdrucke entgegen, der nicht Liebe und Glück, aber Frieden und Treue verheißt.
Seegen wurde gesprochen,
Der
und während die nöthi
gen Bescheinigungen ausgefertigt wurden, ging das junge
Paar im
Pfarrgarten
auf und
ab.
—
Franz äußerte ein wahrhaft rührendes Entzücken,
173 und stellte es Natalien frei,
oder als
fallene verschweigen, seine Frau
ihrer Freundin
Gesellschaft sich
seine
und
geben
kund
ob sie das Vorge Braut,
wolle,
oder
versammelten
der
denn
für die
Verschwiegenheit des Predigers bürge dessen eigener
»Handle wie Du willst,« fügte er hinzu,
Vortheil.
»mir genügt bis zu meiner Rückkehr die süße Ueber
zeugung, daß Du
für immer mein
ich in diesem Feldzuge, kehre ich
wieder,
so
so
bist.
Bleibe
traure sanft um mich,
empfange
mich gütig.
Ge
denke des Freundes, dessen Namen Du jetzt trägst, und der Dir für alle Fälle Vortheile sichert,
die
Dich erfreuen werden.« Natalie
hob
das
thränenschwere Auge zu
ihm empor: »O Franz, kannst Du denken, daß
irdische Güter mich bestimmten?« —
Sanft küßte er die Zähren von ihren Wangen: »Meine Liebe bestimmte Dich,
Glück und
und
diese findet
Wonne darin, lDir zurück zu geben,
mit Dir zu theilen,
was Du einst als Dein Ei
genthum betrachtetest.«
Nach kurzer Frist befanden
in dem kleinen Nachen; mütze
abgelegt,
und
beide
sich wieder
Franz hatte die Reise
Natalie
betrachtete
mit
174 schmerzlicher Empfindung die schöne, freie durch , die
Fülle des dunklen Haares leicht beschattete und nun umwölkte Stirn, Iugendglanz jetzt
das offne Auge,
durch Wehmuth
zögernd handhabte er die Ruder,
dessen kräftiger
umflort
war;
jeder Schlag der
selben brachte ihn dem Augenblicke der Trennung welchen zu beschleunigen er sich gleichwohl
näher,
gezwungeü sah. — Allein mit ihm,
samen Elemente,
auf dem ein
von seiner Geschicklichkeit,
Leitung abhängend,
seiner
erschien sie sich recht eigentlich
als sein Eigenthum und in dem Augenblicke,
wo
sie vielleicht für immer von einander schieden, schloß sie ihn mit einer Wahrheit der Empfindung an
ihr Herz, wovon die Ueberzeugung in seine Seele
überging. —
Die Baronin hörte
der Mittheilung so uner
warteter Ereignisse mit Spannung
gegnete sie sanft:
»Es
zu,
dann ent
ist anders gekommen als
ich hoffte und wünschte, möge nun Alles glücklich enden!
Eine so seltsame Begebenheit wird zu viel
fachem Gerede Anlaß
was
das Richtige sein
geben und kaum weiß mag.
ich
Nach meiner An
sicht stelle ich Dich heute der Gesellschaft als Braut
175 vor, später findet sich schon Alles, auf eine schickli chere Weise.«
die Gesellschaft am Mittage versammelt
Ms
war, faßte die Baronin der Freundin Hand, derselben als Braut vorstellend.
Zögernd
diese
nannte
sie den Namen des Bräutigams, schelmisch an der Spannung
der Gräfin Adelheid
sich ergötzend,
indessen leicht aufwallende Nöthe auf den Wangen der schönen Emma
nen Rache
sie zu
veranlaßte. —
Beendigung
der klei
Innerlich tief erschüt
tert, aber mit äußerer Fassung empfing
Natalie
die Glückwünsche; zum ersten Mal wurde ihr eine höfliche Anrede des Grafen zu Theil,
halb
welcher sie
verwundert betrachtete, und im Stillen kaum
begriff wie es
möglich sei, im sechsundzwanzigsten
Jahre eine so glänzende Heirath zu schließen.
Die
sem übermüthigen Manne gegenüber empfand Na talie
das
wohlthätige einer festen Stellung
Leben, aber ach!
im
auf andere Weise hatte ihr Herz
dieselbe zu erreichen gehofft! — Schon
merherrn
früher hatte die Baronin den Kam
von
Werdenfels mit großer Zartheit
die unerwartete Kunde
mitgetheilt; sie erschütterte
ihn tief, erst als er den Namen des Bräutigams
176 erfuhr, freier athmend, war es ihm für den Augen
den Mann
blick Erleichterung,
zu kennen,
nicht
welchen zu beneiden er im Herzen dringenden An
laß fand.
welche
So
war eine Verbindung
geschlossen,
drei Herzen tief bewegte und betrübte, und
nur Eines so sehr beglückte, als die Umstande sol Nach wenigen Tagen reißte Na
ches gestatteten.
talie
zur Tante
zurück auf einem Umwege das
Städtchen vermeidend,
um
nicht aufsuchen zu dürfen. den hin fuhr, lagen
Frau
von Nord eck
Als sie über die Hai
waren diese bereits abgeblüht, und
braun und
grau in Staubwolken
gehüllt,
ohne eine Spur des früheren Reizes von ihr.
Bild
Ein
des Lebens, dachte sie schluchzend, eine Blü-
thenzeit giebt es immer, aber abgeblüht versinkt sie
in Nacht,
um erst an jenem ewigen Morgen neu
zu ersprießen.« — Kurz
vor dem Gute der Tante
begegnete ihr ein Reisewagen, ein Gruß der Hand, ein
leidenschaftlicher
sagte ihr das der
das
Land
letzte
zum
Blick
aus
Lebewohl; zweiten
geliebten
Augen,
es war Eduard,
Mal
verließ,
ihrer
Nähe zu entfliehen.
Sehr nach und
nach
theilte Natalie
der
Tante das Vorgefallene mit, welches von dieser mit
177 Freudm ausgenommen wurde.
»Du hast, äußerte
sie, die Poesie des Lebens hinreichend kennen gelernt, und
magst
Dir
sagen,
ob
diese dornenlos ist.
Menschen wie Franz werden immer in der Welt für rein prosaisch gelten und dennoch ist eben in
den Tiefen seines Gemüthes die echte, wahre Poesie, -Treue, Ausdauer,
pfindung.
Wahrheit und Kraft der Em
Sei eine gute, treue Frau, und^Du
wirst glücklich werden.«
Im ruhigen Fortteben bei der Tante versöhnte Natalie sich mehr und mehr mit ihrem Geschicke; Briefe von Franz, welche den Abdruck seines Ge
müthes trugen, und warm, einfach und herzlich die
lebendigste Sehnsucht,
die
frische Jugendhoffnung
auf künftiges Glück aussprachen, beschäftigten sie an
genehm, und immer ängstlicher wurde ihre Sorge
um ihn.
Als er nach beendigtem Feldzuge leicht
verwundet heimkehrte, wurde ihm ein Empfang zu Theil, der sein liebevolles Herz zufrieden stellte, und mit Entzücken führte er seine Natalie auf sein schönes Besitzthum ein.
Ihre Wünsche erforschend,
ihrem Geschmack vertrauend, überließ er ihr jegliche Anordnung, welche Annehmlichkeit und Verschöne
rung zum Zweck hatte.
Als Soldat daran gewöhnt,
178 sich viel
mit seinen Untergebenen zu beschäftigen,
widmete
er denen,
standen,
große Sorgfalt und Theilnahme;
welche ihm jetzt so viel näher
sein Beispiel angeleitet,
ihr
bis dahin
durch
ging Natalie in solche,
fremde Interessen des Lebens ein,
und ihr scheinbar einförmiges Leben gestaltete sich und mannigfaltig.
reich
Seltsam wandelte bald
das ganze Verhältnis sich um, und sie, welche ftüher sich geistig hoch über Franz gestellt hatte, blickte
jetzt in mancher Beziehung zu ihm seine klaren Lebensansichten
hinauf,
auf
Seine
sich stützend.
Festigkeit, das absichtliche Nichtbeachten ihrer kleinen
Schwächen, die Güte, mit welcher er diese niemals rügte,
derung. herzlich,
erweckten
ihre Dankbarkeit
Ihr Verhältnis zu
ihm
und
Bewun
war liebevoll,
voll Zartheit, aber ohne jenen poetischen
Hauch, von welchem sie früher geträumt,
der sie
das eigene Bild in der Verklärung unablässiger An betung erblicken ließ
und auch jetzt noch zuweilen
ihre Brust mit Sehnsucht hob. — Von Eduard hörte sie selten, er war nach * * * gegangen,
dort später zum Gesandten ernannt.
und
Ich bin glück
lich, sagte sie sich bei der Erinnerung an ihn,, aber
wer
am Himmel seines Lebens
einst ein Meteor
179 aufgehen sah,
vergessen.«
der wird,
Den Grafen
daß dieser zum
der kann es nie gänzlich
betreffend,
vernahm sie,
höchsten Erstaunen der Tante um
Gräfin Emma sich beworben und, von dieser aus
geschlagen,
sich
für
eine Zeit mürrisch
auf seinen
Gütern vergraben habe.
Nach zwei Jahren rief der Wiederausbruch des Krieges Franz
zu seinem früheren Berufe zurück.
Er schied, im Vorgefühl des nahen Todes mit un
endlicher Liebe, mit besonnener Ruhe, und als Na talie ihn wieder, und immer wieder in ihre Arme
schloß, ihn nicht lassen, sich nicht beruhigen konnte,
äußerte
er
in
überwallender Empfindung:
»Uttb
hätte ich nur diesen Augenblick des Glücks gelebt,
so würde ich mein Geschick von Herzen segnen.« —
Franz siel zu Anfang
des russischen Feld
zuges; ein mildes Geschick ersparte ihm die Qua
len,
welche viele seiner Gefährten vor ihrem Ende
dort erlebten.
Natalie empfing
die Kunde mit
unendlichem Schtnerz, so schlug es nun nicht mehr, dies einfach edle Herz, und alle ihre Entwürfe, ihr festes Vornehmen, immer liebevoller für ihn leben
zu
wollen/
zerrannen
in Nichts.
Ganz
verlassen
fühlte sie sich, niedergebeugt vom Schicksal, da lei-
180 der ihre
kinderlos geblieben
Ehe
war.
Nachdem
der erste erschütterndste Schmerz überwunden, begab
Natalie sich
zur Tante,
dieser das Versprechen
gebend, wenigstens immer die rauhere Jahreszeit bei
ihr zubringen zu wollen; ganz konnte sie von dem Eigenthum sich nicht losreißen,
sehr geliebt hatte,
wo
welches Franz so
wo er so sehr geliebt war,
und
sie selber manche Schöpfung ihres Geschmacks
wachsen und gedeihen, manches gute Werk in Segen erblühen sah.
Nach
dem
der Frühling
furchtbar strengen Winter erschien
doppelt
anmuthig,
Natalie
war
noch bei der Tante'und ging wie ftüher Stunden
lang allein in der wundervollen Gegend umher, trau ernd des Freundes gedenkend,
der in den verflosse
nen Jahren sie
geschützt und geleitet hatte.
war sie allein,
und sollte nie mehr
Jetzt
ein Wort von
den Lippen vernehmen, über welche für sie nur Laute
der Liebe und
des Friedens
mehr war ihr ein Blick
gegangen waren, nie
in seine treuen Augen ge
stattet. — O ein verlorenes Gut erlangt doppelten Werth. —
Lange hatte Natalie vermieden den Pfad zu
betreten, der sie einst dem Abschiede von Eduard
181 entgegengeführt, endlich leitete mehr Zufall als Ab sicht ihre Schritte dorthin.
Ein leiser Schauer über
flog sie beim Anblick der kleinen Pforte.
»Hatte
ich, dachte sie sinnend, hier, hier an dieser Stätte
ein freundliches,
begütigendes Wort gesagt — Ei
nes von den unzähligen, welche für ihn in meinem
Herzen
waren — so würde Eduard hier leben,
hier glücklich sein.«
Seufzend suchte sie die Pforte
zu öffnen, diese war unverschlossen, und ungehindert
ging sie dem Rasensitze zu, wo damals,
ten Mal, Eduards Arm sie umfing.
zum letz Ihr Auge
füllte sich mit Thränen, eine Erinnerung verwebte sich mit der andem, beide verschmolzen in einander.
Ihr Blick richtete sich allmälig auf die prächtigen Bäume umher, welche, zart belaubt, magische Schat ten warfen, auf den Teppich von Moos, Gräsem
und zierlichen Waldblumen zu ihren Füßen, welcher
Frühlingsduft aushauchte.
Alles umher war so ju
gendfrisch, Alles in ihrem Herzen todt, bis auf die Erinnerung. So saß sie lange sinnend,
träumend,
und
stand endlich auf sich an den Fluß hinab zu be geben, an dessen Ufern Bell forst lag; um eine
Ecke biegend, vernahm sie Fußtritte und gewahrte,
182 die Augen aufschlagend, Eduard, der vor ihr stand. Beide erbebten,
rief er bewegt,
»Natalie!
eine
Weite stand er regungslos ihr gegenüber, dann leb
haft ihre Hand mir,
aber ich
rungen
erfassend fagce er innig: Vergieb kann Dich hier,
der Vergangenheit,
Jedes
begrüßen.
bei allen Erinne
nicht als
andere Band
eine Fremde
ist zwischen uns
zerrissen, so laß mich zu Dir reden dürfen wie ein Bruder, sprich Du in dem Sinne einer Schwester zu mir;
Mal diese
Arm
Natalie,
o
letzte
gewahre mir zum
Gunst.«
Sanft
legte
letzten
er ihrm
in den seinigen, mit ihr weiter gehend,
das
Beben ihrer Gestalt, ihre Erschütterung empfindend, welche wo möglich die ftinige noch vermehrte.
»Du
hier?« flüsterte sie leise.
Ein Ausdruck tiefen Seelenleidens überflog sein
Antlitz: »Für kurze Zeit — ich habe manches hier zu ordnen.«
»Du bleibst nicht?« — Sein Auge begegnete schwermüthig dem
gen, war.
welches
furchtsam
fragend
ihri
auf ihn gerichtet
»Nein, ich bleibe nicht, bald kehre ich nach
* * * zurück — vielleicht einst — nach Jahren —
kehre ich wieder.«
Schweigend gingen beide weiter,
183 endlich war ein lieblicher Ruheplatz erreicht, welcher
eine weite Uebersicht der malerischen Gegend gestat
Stumm blickten sie umher und dann ein
tete.
ander an, mit dem schweigenden Geständnisse, daß
sie das Alles miteinander hätten genießen und thei len können.
Die rührende, in tiefe Trauer gehüllte Gestalt
Nataliens lockte Thränen in Eduards Auge, er setzte sich zu ihr,
erfaßte ihre Hand und sagte
»Du betrauerst
sanft:
den treusten Freund;
ich
weiß, Du warst glücklich.« Sie machte eine bejahende Bewegung.
»Es
freut mich, es freut mich innig, dann fügte er tief ergriffen hinzu,
leglich,
mein Herz sagt cs mir unwider
es war eine andere Art des Glücks,
Du vereint
mit
mir empfunden
hattest.
als
Treue
Pflichterfüllung, die Anerkennung, die Du Franz
unmöglich versagen konntest,
den,
machten Dich zufrie
glücklich, aber mit mir,
o Natalie,
mit
mir warst Du auf andere Weise es gewesen!«
Sie sah ihn an,
ihr umflortes Auge blickte
rührend in das seinige,
er drückte ihre Hand und
sagte gepreßt: »Ich weiß es, und danke Dir für
die süße Bestätigung.
Wunderbar gestaltet sich un-
184 ser Geschick — es ist ein Wiedersinden und Ver
geliebtes Herz,
lieren — denn ich — Natalie,
ich bin seit wenigen Monaten vermahlt. — Mein Glück gleicht dem, welches Du fandest, ihm man
gelt Eines
nur — der süße, poetische Lebenshauch
echter, wahrer, einziger Liebe. — Es ist kein Fre vel, wenn ich tiefen Schmerz empfinde, Dich wie
der einsam in der Welt zu sehn, ohne daß mein
Arm Dich schützen und führen darf. ten werde ich treu sein,
Meinen Pflich
wie Du den Deinigen es
warst — aber Natalie — nie werde, nie kann ich Dich vergessen.
Unter glücklichen Verhältnissen
in der Welt lebend,
habe ich es dennoch mit un
widerleglicher Wahrheit empfunden,
selbst die Zeit, welche hinbrachte,
ich
die
Zeit,
ja
in Unfrieden mit Dir
war beseligender denn Allcs- Andere.«
Unter Thränen blickte sie zu ihm auf: »Der Name
Deiner Frau?« — »Clementine.« jung?« — »Zwanzig Jahr.«
»Ist sie noch Natalie legte
ihre zarte Hand auf die seinige: »Gewiß Eduard,
es
ist besser so — mein Frühling ist abgeblüht,
Du selber würdest an meiner Seite früher gealtert haben; Alles endet so würdiger.
Meine Thorheit
hat das Leid unseres Lebens veranlaßt, und als
185 ich das Verschuldete bereuend, nach ersehntem Glücke
die Hand verlangend ausstreckte,
raubten Ueberei-
lung, Misverstehen und Eifersucht es mir von neuem
und auf immer.«
vorgebeugt,
ihre
Sie hatte das Haupt etwas Thränen
sielen
auf Eduards
Hand: Vergiebst Du mir? Von Herzen? fragte sie leise.
Unfähig eine Sylbe zu erwiedern, antwortete
er nur durch eine Bewegung des Kopfes.
Stumm gingen beide denselben Pfad zurück,
die Pforte war erreicht, dieselbe,
leise,
vom
uns
scheiden,
lebwohl für immer.
in sein
schloß
hier laß
zögewd öffnete Eduard
bleiches Gesicht,
sagte Natalie
Er schwieg, und
breitete
sie blickte überwältigt
Schmerz die Arme gegen ihn aus. er sie an
seine Brust,
wo sie
Innig
früher,
in
guten Stunden, so oft in hingebender Liebe geruht
hatte.
Sie schlug die Augen zu den seinigm auf,
beide blickten fest, mit dem treusten Ausdrucke sich
an,
und schieden dann,
ihre gegenseitigen Namm
sich zuflüstewd, für immer von einander. —
Natalie lebte fortan ein stilles, zurückgezogenes Leben, ihre Reichthümer auf würdige Weise anwen dend, und in Herzens- und Geistesbildung immer mehr
fortschreitend.
Eduard
blieb im Auslande
8**
186 seiner gewählten Laufbahn getreu. Beiden hatte das Problem ungelöst bleiben sollen, ob es ein Glück giebt, wie sie es träumten, und ob die Poe sie, der zarte Liebeshauch des Gefühls, in der Ehe fortblühen und bestehen kann. So blieb minde stens die reiche Täuschung zum Ersatz für vielleicht entzaubernde Wirklichkeit. —
Fanny.
An
einem
junger deutscher
schönen
Frühlingstage
stand
ein
Maler auf den Altan des Gast
hofes in Amalfy, und betrachtete die ihn umgeben den
Gruppen von Reisenden
aus
den verschieden
sten Landern.
Sein junges Künstlerauge war be
sonders
sehr
einer
reizenden
Dame
zugewendet,
welche im Vorgrunde neben einem Manne stand,
der kaum dreißig Jahre zahlen mogte,
denkender Blick regten.
und
Die großen
hohe Gestalt Beachtung er
strahlenden Augen des Man
nes ruhten auf der herrlichen Gegend, Ausdrucke
und dessen
lag mehr als
in seinem
das Gefühl des Augen
blickes; das Erkennen göttlicher Allmacht, ein fester Glaube,
und
auszusprechen.
hohe Zuversicht
schienen sich darin
Schweigend, aber sichtlich ergriffen,
legte er seine Hand auf den Arm seiner Gefährtin;
freundlich blickte diese zu ihm auf: Wirst Du mich nicht thöricht nennen, Horace, wenn ich Dir ge-
188 stehe, daß ich selbst hier, in dieser fremdartigen Um
gebung, an Fairyhile mich erinnert fühle? —
Wunderbar,
zaubervoll treten für mich unter allen
Verhältnissen einzelne
Züge
dieses
lieben
Der junge Mann zog seine Hand zurück,
hervor.
ich besitze keine so blühende Phantasie,
er
Bildes
Nenne es Phantasie, Auffassungsgabe
kalt.
oder Thorheit, innige
davon
Wesen
entgegnete
aus.«
Anhänglichkeit macht
Der
Fremde
das
unterdrückte
sichtlich eine Erwiederung, fuhr mit der Hand über
die Stirn und blickte melancholisch lächelnd auf die lieblichen Fernen hin.
Mit dem Blicke des Kunstkenners, mit dem jenigen jugendlicher Neugier,
folgte der Maler je
der Bewegung dieser Beiden, absichtlich seine Stel lung
so
wählend, daß sie im Fortgehen an ihm
vorüber mußten.
Als nun nach einer Weile das
Paar sich entfernte, ersah die schöne Fremde einen
Straus wilder Haideblüthen, den der Maler an sei ner Mütze trug, und äußerte lächelnd gegen ihren Begleiter, mit einer leichten Bewegung der Hand:
Erinnerung
an England! —
Hastig
nahm der
Maler den Straus, und überreichte denselben ehr-
erbiethigst der Fremden, welche mit einem anmuthi-
189 die willkommene Gabe
gen Neigen des Hauptes
entgegen nahm, wobei sie den Geber flüchtig, aber mit sichtlicher Ueberraschung anblickte. — Der Ma
ler forschte sogleich nach dem Namen der Reisenden:
Lord und Lady länder.
entgegnete ein Eng
Delmour,
2sn den Altan gelehnt, verharrte der Ma
ler in sinnender Stellung; er lein,
sein gedankenvolles
Gegenstände
ohne sie
hin,
befand sich bald al
Auge schweifte über
die
zu unterscheiden, seine
lebendige Einbildungskraft vergegenwärtigte ihm das
Bild der Fremden,
und mit dem Entwürfe eines
reizenden Gemäldes beschäftigt, war er, des Haupt
gegenstandes gewiß, nur bemüht würdige Umgebun
gen für
diesen
Delmour
der
zu
ersinnen.
Lichtpunkt
Lange
seiner
blieb
Lady
phantastischen
Traume, aber kein ahnendes Vorgefühl sagte ihm von den Ergebnissen der Zukunft.
Kaum
17 Jahre alt ward Fanny Gran
ville die Gemahlin Lord Delmours; ohne Nei
gung von ihrer Seite, und vornehmlich in Veran
lassung der Vorstellungen ihres Vaters, neral Granville,
des Ge
welcher fein einziges Kind auf
190 das
zärtlichste
ihr
Glück
liebte und durch
fest
und
sicher
zu
diese Verbindung
begründen hoffte.
Lord Delmours Bewerbung mußte in jeder Be
ziehung
ehrenvoll
und
schmeichelhaft
erscheinen,
denn im Besitze großer Reichthümer und eines glan zenden Namens, ausgestattet mit seltenen Geistes
und Herzensgaben, gewahrte auch
keit
einen
wohlthuenden
Stolz
und
entschiedene Kalte,
Werth verkannt glaubte.
schaft gebildet, Täuschungen,
Edel und ge
nicht abschreckend,
recht, mist, aber
da
seine Persönlich
Eindruck.
zeigte er nur wo
er
seinen
Durch Welt und Leiden
bekannt mit dem Leben und seinen war er von Fanny's frischem Ju
gendmuthe, der offnen Kindlichkeit ihres Benehmens
lebhaft
angezogen worden.
vorzugsweise mit tigt,
und ohne
Der General hatte sich
Erziehung seiner Tochter beschäf
daß ör es
beabsichtigte, ging ein
Theil seiner Selbständigkeit auf deren Gemüth über. Wohlgefallen gewahrte der Vater die
Nicht ohne
Entwickelung
eines
Eharakters, welcher ein Abbild
des seinigen war, und einen seltsamen,
aber ange
nehmen Gegensatz zu Fanny's völlig weiblichem
Wesen und der Grazie ihrer Bewegungen abgab.
Das
Herz
des
jungen Mädchens schlug frei
191 und unbefangen;
in dem bewegtesten Leben,
wo
eine Gestalt die andere verdrängte, hatte sie kaum
Zeit gefunden, ein Interesse zu fassen; kein anderes
Bild stand demjenigen Lord Delmours im Wege und dennoch gab sie ihre Zusage seufzend, zögernd,
von
innern Schauern ergriffen.
Sie war so jung
noch, so glücklich gewesen bis dahin, und das Le dem Landsitze des Generals,
ben in Fairyhile,
er
schien ihr wie ein unmuthiges Feenmährchen, über
welches hinaus
und
nichts
Wirklichkeit
Und das
vermag. Alles!
die
zu
bieten
Alles sollte sie aufgeben, das
ihr schien, völlig ohne Grund.
wie es
Die lieben theuern Eltern, wie verlassen mußten sie sich fühlen,
einsam,
ganzer
wenn
da auch
ihre
Fanny fort war, doppelt
Frederik,
Seele zugethan
war,
der
nach
derselben
von
Verlauf eines
Jahres zu seiner ferneren Ausbildung ebenfalls aus
dem Vaterhause scheiden sollte. In Fredeuk hatte der General den Sohn ei nes
schottischen Edelmannes und
Namens Graham,
Jugendfreundes,
ausgenommen,
nachdem der
Vater ihn bei seinem Tode als sechsjährige Waise mit zerrütteten Vermögensumständen zurück gelas
sen.
Da
aus
einer genauen Berechnung hervor
192 ging, daß die verschuldeten Güter in zwanzig Jah
ren wieder frei sein könnten, falls die ganze Ein nahme auf
Abbezahlung
der Schulden
verwandt
werde, so war des Generals Entschluß bald gefaßt,
bis
zu
dem gedachten Zeitpunkte
sein Kind zu betrachten. ung
einer
längliches
als
so
Frederik
als
Zur vollständigen Erreich
liebevollen Absicht hatte er ein hin
Capital ausgesetzt, und
an dem Tage,
in solcher Beziehung alles in Richtigkeit
ge
bracht worden, umschloß er den Knaben mit wahr haft väterlicher Liebe,
demselben gelobte.
bis —
mit einer Liebe,
welche er
zum letzten Athmenzuge zu erhalten
sanfte Lady Granville
Auch die
widmete ihrem Pflegesohn die zärtlichste Sorgfalt,
welcher seinerseits sich
mehr und mehr
ßen Theilnahme werth
zeigte.
einer gro
Neben den glück
lichsten Anlagen wogten indessen diejenigen, welche
ihm
wohlwollten,
Hinneigungen
der
Sinnesart
nicht verkennen, welche dem Glücke des Lebens sel ten förderlich
zu sein
pflegen;
eine ungemäßigte,
überwallende Heftigkeit und bei einem festen,
unbeugsamen Auftreten, deutenden
Entscheidungen,
Geschmacks und der
ost
ein Schwanken bei unbe
bei
Neigung,
Gegenständen
des
welche den besten
193 Beweis
lieferte, wie selbst in den herrlichsten Ge
müthern Gegensätze vorkommen, von denen der for schende Blick tiefsinnig sich abwendet.
Auch
der
Abschied
von
Frederik
mußte
Fanny schwer aufs Herz fallen; da sie fünf Jahre alter war,
hatte sie ihm
allezeit im Verhältnisse
einer gereiften Schwester gegenüber gestanden und als solche Rechte auf sein Gemüth ausgeübt, deren wohlthätiger Einfluß sich- in seinem ganzen Wesen
offenbarte.
Bei der gefährlichen
Natur
desselben
konnte Fanny sich nicht ohne sorgenvolles Nach von ihm trennen, und der Faden aller die
denken
ser häuslichen Leiden und Freuden sollte nun durch
Lord
Delmours Bewerbung gab
durchschnitten >wer-
den Vorstellungen
den.
Sie
nach,
jedoch nicht,
ohne wiederholt
ihres
Vaters
zu betheuern,
daß sie keine Liebe für Lord Delmour empfände. Der General nahm diese Versicherung lächelnd auf:
Seine Bewerbung ist freilich sehr alltäglich, ent gegnete er mit einer Art von Ironie. Augen nicht,
ihre
füllten
sich
mit Thränen: Ich
wiederholte sie feierlich. Hand und
Fanny's
liebe ihn
Der General faßte
blickte sie fest und durchdringend
an: Meine Tochter kann nur eine gute Frau wer-
9
194 dm, und sie wird ein überraschendes Glück finden, und ihr Geschick preisen;
damit sei es genüge
Unmittelbar nach
seiner Verheirathung begab
Delmour sich
mit seiner jungen Gemahlin
Lord
auf Reisen.
möge
ihrer
Er gehörte zu denjenigen, welche ver
Anlagen
geistigen
für ein praktisches
Leben wie geschaffen erscheinen; ein reger, auf Thä
gerichteter Sinn,' ein durchdringender Blick,
tigkeit
und eine durch überlegende Vernunft gemilderte Le bendigkeit,
im
Staate
hatten ihn einem hohen Wirkungskreise
zuführen
wie dieses
müssen,
sich
im
Kleinen schon durch die vortreffliche Verwaltung sei Aus Wahl entzog ec
ner Besitzungen kund gab. sich diesem Berufe,
borenen
indem er dem gleichfalls ange
Hange zur Unabhängigkeit nachgab,
und
so vom Wirken des Tages abgewendet, oft zu ernst,
zu nachsinnend
und zartfühlend
für das
gewöhn
liche Leben erscheinen mogte.
Lord Delmour len Richtungen
hatte früher Italien in al
durchstreift,
es ergötzte ihn,
dort
den Führer, den Lehrer seiner jugendlichen Gefähr tin abgeben doch
eines
zu können.
wurde ihm
die
Verhältnisses,
Zn
dieser Beziehung je
erste Täuschung, rücksichtlich welches sein reicher Geist im
195 voraus
vielleicht mit allzu anspruchsvollen Farben
ausgeschmückt hatte.
Fanny's
Erstaunen über
viele, nie zuvor gesehene Gegenstände unterhielt ihn Anfangs auf das Angenehmste, obgleich er häufig
bei ihr mehr Verwunderung als Vergnügen wahr
zunehmen glaubte.
Mit seltener Geschichtskunde ver
einigte Lord Delmour die großartigsten Ansichten
über Welt und Menschen;
unwillkürlich verwebte
er diese in alle Aufklärungen, welche Fanny rück
sichtlich des classischen Bodens
und so
Unterhaltung die anziehendsten Reize
mußte seine
gewähren,
verlangte,
wenn seiner Gattin nicht das sicherste
aller Verstandigungsmittel, wahre Neigung nämlich, gefehlt hätte.
Wäre sie durch das Band wirkli
cher Liebe mit Lord Delmour verbunden gewesen, so würde sie das Belehrende aufgefaßt, das ihr Unverständliche errathen, das Anmuthige gewürdigt
haben;^rmn aber hörte sie ihn nicht
selten mit
Zwang an, er bemerkte es, stockte und schloß die
Unterredung mit Kälte.
Wenn sich ferner das un-
verholenste Sehnen nach den Eltern, nach Frederik, nach Fairyhill aussprach,
welches
sie über
die schönsten Punkte Italiens erhob, so war zwar
Lord Delmour anfänglich über so viele Anhäng-
9*
196 lichkeit gerührt, hörte ihre Klagen gütig an, ging ein in ihre Betrachtungen,
erschien ihm diese
und
indessen
allmälig
unablässige Sehnsucht unerfreu
lich, und alle Vergleichungen
von einer Einseitig
keit, über welche er sein Mißfallen durch plötzliches Verstummen,
längeres Stillschweigen zu
oder
er
kennen gab, welches von Fanny, die gleich einem Kinde alle Gedanken ihrer Seele auszusprechen ge
wohnt war,
entweder gänzlich übersehen,
So
kehrt gedeutet wurde.
fiel diese Reise,
so beglückend hätte sein können, leer aus;
Lady Delmour
land zurück,
ihr Gatte
oder ver welche
ziemlich freuden
sehnte sich
nach Eng
nach einem Wesen,
fähig
ihn zu verstehen, der tiefen Richtung seiner Ansich ten
zu
folgen, die
überwallende Innigkeit
Gefühls zu erwiedern.
tentheils den Anblick malerischer Gegenden,
gend
sah
er den,
in
seines
Schweigend genoß er größ-
diesem
Clima
so
schwei wunder
vollen Uebergängen von Licht und Schatten,
dem
die Fernen verklärenden Duste zu, und wenn dann sein Herz im
sehnsüchtigen Wunsche nach Mitthei
lung lauter pochte, geöffneten Lippen,
so schlossen sich
doch die halb
aus Besorgniß, daß
Gattin die Erinnerung
bei seiner
an Fairyhill den entzücken-
197 den
Reizen der
Gegenwart
in
den Weg
treten
Lord
Del-
werde. —
Unter solchen
Umständen
mour die Rückkehr ins hinaus, indem
als dieses
er unter
stieg
Fanny in
weit
heimischen Dache ein Glück
zu finden hoffte, welches
blühen
Vaterland nicht so
anfänglich beabsichtigt worden,
dem
hatte
schob
wollen.
in der Fremde ihm nicht Schon
Fairyhill
nach
aus
ö
Monaten
dem Reisewagen
und begrüßte ihre Eltern und alle theuern, wohlbe
kannten Räume keit,
die so
mit einem Jubel,
herzgewinnend
einer Innig
daß auch Lord
war,
Delmour dem Ergüsse dieser Seligkeit nicht ohne
Rührung zuschauen konnte.
so
viel treue,
vermogte,
Die Frau, deren Herz
hingebende Anhänglichkeit zu fassen
war die seinige
und er
durfte hoffen,
einst über Alles von ihr geliebt zu werden.
Durch
drungen von dieser Ansicht, zeigte er in seinem Be
nehmen die nachsichtsvollste Güte;
Wochen vergin
gen, bevor der Abreise gedacht wurde, und als die
ses endlich geschah,
schlossen hervorquellende Thrä
nen aus Fannys Augen ihm die Lippen, so daß
noch
ferner geraume Zeit verstrich,
Abreife bestimmte Tag
bevor der zur
endlich heran rückte.
Der
198 Stammsitz
seiner Familie,
sich
wohin
die
beiden
Gatten begaben,
überbot Fairyhill an Schönheit
der Gegend
an
wie
der
Großartigkeit
Anlagen,
aber Fanny hatte keine Augen dafür, und Lord Delmour,
welcher diese Besitzung leidenschaftlich
liebte, fand im Stillen
jeden Vergleich unmöglich,
jeden Vorzug abgeschmackt.
Das Leben auf dem Lande, in einer entzücken
den Gegend, unter den ansprechendsten Umgebungen
forderte
zu
einer
Thätigkeit
Geistesansprechenden
auf, während es Lord De^minrrs Herzen
zusagen
mußte, einen geeigneten Weg ausfindig zu machen,
auf welchem das Gemüth seiner Fanny gewonnen und
tung
demselben eine angewiesen
seine Bemühungen
Bildung
ihrer Lage .entsprechende Rich
werden
könnte.
in Beziehung
seiner Gemahlin
blieben
Auch
auf die geistige
nicht ohne Erfolg,
für
eine heitere Zufriedenheit, eine gelassene die Umstände
mit milder Fassung beherrschenden Laune blieb gegen
der Sinn
verschlossen,
über die nächsten Umgebungen rend nach der Heimath hinüber schweiften.
indem
ihre
hinweg,
da
Blicke
fortwäh
und Wiege ihrer Kindheit
199 Dem General wurde noch die Freude zu Theil,
eine Enkelin zu sehen, welche er mit tausend Freudenthränen
Indien
begrüßte.
hatte
Ein früherer Aufenthalt in
die Gesundheit des Generals unter
graben, langwierige Körperleiden lähmten nach und
nach seine moralische Kraft und
so sehnte er sich
nach der fröhlichen Gesellschaft seiner Fanny und noch auch den Wunsch,
hatte weder die Energie
ihre häufig allzu verlängerten Besuche im väterli
chen Hause einzuschränken. — Zu seiner Beruhi gung sagte er sich oft, daß er bald,
vielleicht sehr
bald sein liebes Kind niemals mehr sehen werde. Lord
Delmour
verehrte
seinen
Schwiegervater
herzlich und im Stillen ähnliche Betrachtungen an
stellend, wagte er es nicht,
die letzten Tage eines
so vortrefflichen Mannes durch Auflehnung
gegen
dessen Wünsche zu trüben. Nach vier Jahren starb der General, so tief,
so liebevoll betrauert,
wie er es verdiente.
Lady
Granville trug den Schmerz mit sanfter, religiö
ser Ergebung,
Fanny
mit der ganzen Verzweif
lung eines im Leiden noch ungeprüften Gemüthes. Lord Delmour bewieß ihr die zärtlichste Sorgfalt
und indem die ersten Thränen wahren Kummers
200 jede Schuld für ihn austilgten, wurde zugleich Al
les dasjenige, worüber er geglaubt hatte sich bekla gen zu müssen, der Vergessenheit übergeben.
die
nachdem
Fanny ging,
Schmerzes überwunden,
Mit
erste Heftigkeit
des
keine wesentliche Verände-
mng vor, sie schloß sich mit vermehrter Innigkeit an ihre Mutter,
trauriger war;
wie an Frederik,
Veranlassung
für ihren Gemahl
dieselben,
nach
der bei so
Fairyhill
beschieden
blieben ihre Gesinnungen
sie erschien gleich freundlich,
aufmerksam
und mittheilend, aber nie drang die Ueberzeugung
sich ihm auf, daß er ihr das Theuerste, das Liebste auf Erden sei,
und eben dieser Gewißheit be
ach!
durfte er unabweislich zu seinem, Glücke.
Monate
lang dachte Lord Delmour nicht daran Mutter
und Tochter trennen zu wollen, geschah,
fand
er Nachgiebigkeit,
als
dieses, endlich
aber
auch nur
diese. — Das Leben
in
Woodhall gestaltete sich
wie
früher, äußerlich auf alle Weise angenehm, in Wahr
heit
aber
eines
beglückenden Reizes
Nach Ablauf der
mour. seine Frau
ermangelnd.
Traurigkeit führte Lord
nach
London, und
ihr Wesen nicht ohne Spannung
Del
beobachtete
bei den glanzen-
201 den Festen, welchen sie hier beiwohnte.
del konnte indessen Lady
Blick,
Delmour
Kein Ta
treffen,
kein
nicht das leiseste Zeichen der Gunst wurde
einem Andern zu Theil und vielleicht erschien nie-'
mals eine reizende, Gefallsucht.
ausgezeichnete Frau freier von
Mit einer Unruhe, über welche er ver
geblich sich zu täuschen strebte, chatte Lord Del mour der Vorstellung Raum gegeben, daß es ei nem
Andern vorbehalten
sei,
so liebevolle Herz dieser Frau higt, aber nicht um
das kalte und doch zu erwärmen;
sehr vieles glücklicher,
beru
sah er
nun, wie sie sich unbefangen und tadellos in einer
ihr fremden Welt bewegte.
O,
hatte
nicht eben
die Neuheit der Gegenstände, das Gefühl des Allein seins, unter einer unermeßlichen Menschenmenge, sie mit größerer Innigkeit ihm entgegen führen müssen, der durch Gesetz und Neigung dazu bestimmt war,
ihr Schutz und Freund zu sein!
Hier wie überall
blieb ihr Benehmen unverändert und jede Hoffnung
auf ein
innigeres Verhältniß aufgebend,
zog sein
stolzes Herz sich mit immer wachsender Kälte von
ihr zurück,
ohne daß sie diese nur wahrzunehmen
geschienen hätte. — Getrennter als jemals kehrten
die Gatten in die vereinigendste Einsamkeit zurück.
202 In London hatte Fanny täglich Briefe an ihre
Mutter,
zuweilen auch an Frederik geschrieben, verlassen,
der sich anschickte Oxford zu
um eine
Reise ins Ausland anzutreten z jetzt in Woodhall,
war ihr erster Gedanke einen Besuch in Fairyhill
Früher war von ihr ein solches Vor
abzustatten.
bittende Weise in
haben stets auf sehr freundliche, Anregung
gebracht worden,
seit aber Lord Del-
mour sichtlich in seinem Benehmen erkaltete, trat auch sie selbständiger auf, und ihre Vorschläge tru gen mehr und mehr das Gepräge
eines. bestimm
ten
von
ihrem Gemahl
jede Aeußerung
des Mißfallens
kalt,
Willens. aber
Sie
ohne
wurden
ausgenommen.
Einen Augenblick schien es, als ob dieser Ehe ein nmer Morgen aufgehen werde, da Fanny, de ren rege Lebendigkeit beständiger Thätigkeit bedurfte,
mit
großem Antheil in Lord
gung für Parkanlagen
Delmours Nei
einging.
Beglückt
durch
dieses Theilnehmen kam er ihr freundlich entgegen
und wer sie mit einander gesehn hätte, wie sie ver traulich über Veränderungen sich beredeten, es ge
wahrt hätte, wie Lord Delmour, welcher immer artig und höflich,
hier ein kleines Hinderniß aus
203 dem Wege räumte, dort seiner Frau die Hand bot,
um Schwierigkeiten diese Beide
Für ihn
haben.
erleichtern,
zu
der würde für
ein paradiesisches Glück sich
begann
geträumt
der That ein neues
in
Dasein, er hatte zum ersten Mal die Empfindung, daß seine
Frau
denn
dahin war
bis
sich
in
ihrem Eigenthum
es ihm
fühle,
stets erschienen als
betrachte sie sich wie einen Gast, dem es unter be
freundetem Dache zwar zu Sinne sei. gisches
wohl,
aber nicht heimisch
Gleiche Liebhaberei knüpfte ein ma
Band und so
vertraulicher als
hatten sie
je zuvor einige Wochen mit einander verlebt,
als
Lord Delmour eines Tages mit einer Zeichnung
zu seiner Gemahlin eintrat und reichend,
nachzugeben gesonnen,
ihr dieselbe über
daß er ihren Ansichten
lächelnd äußerte, und
einige
ihren Anordnungen opfern werde.
schone
Baume
Freundlich blickte
sie zu ihm auf, und sagte dann, das Auge wieder
auf ihre Arbeit senkend:
»Wenn ich
wirklich so
großen Einfluß besitze, mögte ich ihn auf der Stelle
zu, einer Bitte benutzen.«
Lord Delmour über
hörte das ungewisse in Fannys Stimme nicht; es
that seinem gütigen Herzen wehe,
schwer werden konnte ihm
daß es
ihr
ihr Anliegen mitzuthei-
204 len, und er entgegnete mit großer Herzlichkeit, es
ihn
beglücke jeden
ihrer Wünsche zu
Lady Delmour erröthete und
von
nicht aufsehend, sagte sie stockend:
ist so ganz' allein — ich
daß
erfüllen.
ihrer Arbeit
»Meine Mutter
so lange nicht in
war
Fairyhill.« — Lord Delmours Gemüthsbewegung war so heftig, daß er einen Augenblick unter lebhaf tem Farbenwechsel schwieg,
daß
am
dann aber
folgenden Morgen Alles zu
bereit sein lag etwas,
werde.
In
entgegnete,
ihrer Abreise
Ton seiner Stimme
dem
wovor Fannys Herz erbebte, sie sah
auf, und begegnete einem Blick seiner Augen, vor
welchem sie
den ihrigen niederschlug.
Sie wollte
antworten und versichern, daß die Gewährung ihres Wunsches keiner Eile bedürfe,
haft erschüttert, eine Sylbe
aber bevor sie,
leb
hervor bringen konnte,
hatte Lord Delmour bereits das Zimmer verlassen.
Unschlüssig
ob sie bleiben
oder
ihm
folgen
solle,
war sie mit ihrem Entschlüsse noch nicht zu Stande,
als sie ihren Gemahl bereits das Schloß zu Pferde Tief ausathmend,
blickte sie ihm
zum ersten Mal erwachte
ein Gefühl des
verlassen
nach,
sah.
Unrechts in ihrer Seele, welches
ohne Zweifel eine
Verständigung veranlaßt haben würde,
hätte nicht
205 D^lmours,
der Zufall einen Freund Lord
Brown, wart nicht
Sir
herbeigeführt, dessen vermittelnde Gegen
eben
das Bewußtsein,
doch
aber
die
Aeußerung jeder Uneinigkeit aufhob. — Lord Delmour empfing den lange entbehrten
Freund
mit der herzlichsten Ueberraschung,
er sah
ein wenig bleich und ernst aus, aber sein Beneh
men war wahrend des ganzen Tages und
thestnehmend.
Sir Brown,
Amerika sich aufgehalten,
unbefangen
der
lange
in
seinen Freund seit
hatte
dessen Verheirathung nicht gesehn,
und gehörte zu
welche
ohne Mißgunst
den
kindlichen Menschen,
Theil nehmen,
und durch ihre innige Freude an
allem Guten jegliches erst in stellen.
das geeignetste Licht
Lord Delmours anscheinendes Glück be-
seligre ihn, und alles bewundernd
und betrachtend,
ward er durch den Anblick der kleinen Lucie auf den Gipfel der Freude gestellt.
Er spielte auf die
artigste Weise mit dem Kinde, wobei er zum Oef-
teren
mit
Herzgewinnendem
»Mein Gott,
wie
glücklich
Ausdrucke
ausrief:
bist Du Delmour,
erkennst Du es auch so recht von ganzer Seele?« Lord Delmour liebkoste statt aller Antwort dem anmuthigen Kinde, nur ein leises Zucken seiner Lip-
206 Au
verstand.
darauf,
daß
welche Fanny wohl
Erwiederung,
pen gab eine
ihrer Bestürzung sagte am
folgenden Morgen
er ihr bald
8
um
Uhr
Alles zu ihrer Abreise bereit sein werde,
wobei er
welcher
ihm den
des glücklichen Zufalls
gedachte,
Freund in einem Augenblick
zuführe,, wo so
liebe
Gesellschaft doppelt wünschenswerth erscheinen müsse. Vergebens
suchte Fanny in seinen Augen zu le
sen, denselben versöhnend
zu begegnen, er vermied
sie anzusehen und vertiefte sich Tages
in
für den Rest des
ein sehr ernstes Gespräch
über Amerika
und dessen politische Verhältnisse. Am folgenden Morgen verließ Lady D e l m o u r
Woodhall,
halb mit,
halb
gegen ihren Wunsch.
Lord Delmour nahm zärtlichen Abschied von sei
ner
Tochter,
welche er
wieder und immer wieder
in seine Arme faßte, als aber Fanny ihm nahte, wich er
ihr,
einer Umarmung geschickt aus,
seine Hand
bietend,
und
in den Wagen.
nun Alles zur Abfahrt
bereit war,
freundlich grüßend am
Schlage
half
Wie
Sir Brown
stand,
begegnete
der Blick Lady Delmours dem Auge ihres Ge
mahls, welches ernst, ohne Zürnen, aber auch ohne
Trauer
und
Milde
auf sie
gerichtet war.
Sie
207 schaute ihn forschend
an,
wie es wohl begegnet,
daß man, in Spannung über die Gesinnung An derer, zur Mittheilung
der eigenen halb
nicht gelangen kann.
Sie wollte ihm zutächeln,
da war es zu spät,
unbewußt
der fortrollende Wagen entzog
alles ihrer Wahrnehmung. Lady Delmour brachte die zur Reise erfor
derlichen Tage in entschieden unerfreulicher Stim mung
und erst.die Thürme von Fairyhill
hin,
weckten ein
fröhliches
Gefühl in
Der Empfang that das Uebrige; sewagen hielt,
rung des Kindes,
freudige Ausrufungen, Bewunde
welches das Köpfchen neugierig
aus dem Schlage reckte,
lich
hemmten sogar die ersten
und Lady Delmour stieg end
lächelnd und grüßend
freuend,
so wie der Rei
strömte von allen Seiten die Die
nerschaft herbei,
Hülfsleistungen,
ihrem Innern.
aus,
des Jubels sich
welcher die Zögerung veranlaßte.
Lady
Granvilles Empfang war so herzlich wie immer,
sie drückte Tochter und Enkelin abwechselnd in ihre
Arme: Wie gütig ist Lord Delmour, daß er mir mein theuerstes Kind schickt,
sagte sie lebhaft,
nie kannst Du ihn genug lieben,
o
nie das Anden
ken Deines Vaters hinreichend segnen, der diese glück-
208 liehe
Wahl
leitete!
Ein
—
Schatten flog über
Lady Delmour's Züge, Thränen verdunkelten ihr
Auge, und sie verbarg so
unabweisliche Gemüths
bewegung in den Armen ihrer Mutter.
Ihre erste
Sorge war jetzt an Lord Delmour zu schreiben,
ihr Brief enthielt keine Entschuldigung,
theurung der Reue,
und doch sprach
unverkennbar in jedem Worte
wort
ihr zeigte,
sie
aus,
keine Be-
diese sich so
daß die Ant
verstanden worden, benti
sei
diese war freundlich, fast herzlich zu nennen. Schlüsse seines Briefes
Am
äußerte Lord Delmour,
daß er nicht, wie sie dieses wünsche, den Zeitpunkt
ihrer Rückkehr
bestimme,
sondern die
Feststellung
desselben ihrem eigenen Gutbesinden überlassen wolle. Jede Sorge war jetzt von Lady Delmour's
Herzen genommen
und sich der peinlichen Vorstel
lungen entschlagend,
überließ sie sich aller Fröhlich
keit, welche sie in Fairyhill stets zu beseelen pflegte,
um so lebendiger, als sie in Betreff einer baldigen
Rückkehr die besten Vorsatze gefaßt hatte. — Diese hafteten indessen leider nicht lange, der Zauber eines Aufenthalts in Fairyhill zog einen magischen Schleier über
dieselben und
machte das
nächsten Pflichten abwendig.
beste Herz
seinen
Nachdem es zu einer,
209 wenn gleich schweigenden Erörterung über die häu figen Besuche gekommen war,
eine
durste Fanny an
baldige Wiederkehr nicht denken,
und
so
be
schloß sie bald, da keine lebhaftere Stimme in ih rem Herzen für Lord D e l m o u r sprach, halb
aus Unbesonnenheit,
halb
eigenwilliger Nei
ihre Anwesenheit nicht so sehr zu beschrän
gung, ken,
aus
sie in
wie
erster,
sich vorgenommen.
reuevoller Aufwallung es
Fairyhill wurde selten von Be
suchenden leer, durch Fanny's Gegenwart mehrte sich die Zahl der Gäste, und ein Tag folgte heiter
dem andern.
Lady Granville, welcher die Rück
sichten der Pflicht über Alles gingen, reits an die Abreise
lächelnd
schüttelte
zu
begann be aber Fanny
mahnen,
das Köpfchen und
ersuchte Lord
Delmour ihr noch 8 Tage zu gestatten. Erwiederung
Seine
war freundlich und bewilligend, aber
ein zweites Anliegen der Art ließ er in seiner Ant wort unberührt, und von dem Augenblicke an ent
hielten
seine Briefe,
athmeten,
welche Kälte und Mißfallen
nur wenige Zeilen,
welche größtentheils
2ucie betrafen. An einem Posttage, an welche mein erwarteter Brief Lord
Delmour's
ausblieb,
drang Lady
9**
210 Granville sehr ernst darauf,
daß ihre Tochter
zurück kehren möge: » Willst Du vorher schreiben,« äußerte sie, »so ersuche Lord Delmour,
daß er
mir die Freude erzeige Dich von
hier abzuholen.«
Schweigend begab Fanny
auf ihr Zimmer,
um ihrem Manne zu
sich
schreiben;
lange starrte sie
Herzen auf das Papier hin,
mit
laut pochendem
und
als der Brief endlich vollendet,
Gewebe schmeichelnder Bitten,
war
ein
sanfter, anerkennen
der Worte und zärtlicher Betheurungen.
Mit auf
gestütztem Kopfe,
mit von Thränen erfüllten Au
gen blickte LaVy
Delmour' auf diese Zeilen nie
der: Glücklich, flüsterte sie leise, glücklich diejenige, der solche Worte aus
überströmenden Herzen zu
fließen 1 ich — ich suche darnach, und'wenn ich sie
gefunden,
so
ist
nicht
alles Wahrheit.«
Völlig
gesammelt, übergab sie nach einer Weile diesen Brief ihrer Mutter, welche den Tag berechnete,
chem sie auf Lord Delmour's
an wel
Ankunft hoffen
dürften.
Lord Delmour's
Eintreffen verzögerte sich
über Erwarten, auch eine Antwort blieb aus, wel
ches beide Damen lebhaft beunruhigte.
Fairyhill
liegt in einem reizenden Thäte von bedeutenden Hö-
211 hen umschlossen, und über jene Höhen zieht in un
zähligen Windungen der Weg hin,
so daß
zum
Schlosse sich
jeder Ankommende lange im Voraus
zu gewahren ist. — Eines Abends,
als Fanny
mit ihrer Mutter im Freien Platz genommen, blickte sie in der Ferne eine Reihe Wagen,
einer Caravane
langsam daher zogen,
gleich
und
Die Wagen
denen ein einzelner Reiter voran ritt.
kamen bei einer Biegung
er
welche
des Weges nicht wieder
zum Vorschein, und hielten muthmaßlich beim Wirthshause im Thäte,
aber der Reiter traf nach einiger
Zeit in dem Schloßhof ein. augenblicklich,
merdiener; ihr Herz,
es
Fanny erkannte ihn
war Lord Delmour's Kam
weissagende,
düstere Ahnungen ergriffen
und als ein herbei eilender Diener jeder
von den Damen einen Brief übergab, eilte sie mit dem ihrigen, wankenden Schrittes, in das Schloß
und auf ihr Zimmer.
Dort angelangt, warf sie sich vor einem Sessel
nieder und das Gesicht tief verbergend, stieß sie Laute des Schmerzes aus,
welche einem gepreßten,
nungsvollen Herzen entquollen.
ah
Lange verharrte sie
in dieser Stellung, seufzend, ächzend, räusch ihre Besinnung rege machte.
bis ein Ge
Erschrocken er-
212 hob sie sich, unwillkürlich mit einem flehenden Blick löste sie das
gen Himmel
empor sehend,
des Briefes,
ein Strahl von Hoffnung drang in
Siegel
ihre Seele, da las sie das Folgende.
»Schmerzlich werfe ich es mir vor,
meinem Charakter
völlig
fremdes
so weit zwischen uns hat kommen lassen.
hat ein Wahn mich betrogen, lang festhielt.
daß ein
Schwanken
es
Seltsam
an den ich Jahre
Ich glaubte, irriger Weise, daß es
mir gelingen werde, die Frau, welche ich liebte, zu
bilden,
zu veredeln, und an der,
durch mich her
vorgerufenen Vollkommenheit mich dann
erheben.
selber zu
Thörichter Glaube! — ich habe die Frau,
welche ich liebte, herabgewürdigt bis zur List,
zur
Verstellung. — Hier ist die Grenze und so auf
gefordert
habe ich Muth zur Entscheidung bekom
men; der Gedanke an Trennung, welcher lange in
meiner Seele schlummerte, ist zum festen Entschlüsse geworden.
Die tiefsten,
machen ihn unwandelbar.
traurigsten Betrachtungen Der Augenblick, wo ich,
dem Selbstbeherrschung so wenig fremd ist, entschie
denes Misfallen äußerte,
mußte zum Wendepunkt
meines Geschicks werden,
oder es in tiefere Nacht
versenken.
Das
ist geschehen.
— Geduld,
Ver-
213 trauen und Zuneigung sind in meiner Seele erkal tet,
nichts weckt sie wieder. — Ich würde fortan
nicht mehr gütig,
nicht mehr gerecht sein können,
und so gebe ich Ihnen, mit ernster, trauriger Ueber-
legung, ihre Freiheit zurück, aber tragen Sie meinen
Namen,
bis Sie vielleicht einst gegen einen an
dern ihn vertauschen. — Unsere Lucie bleibt Ihnen,
gewiß,
Sie werden eine gute Mutter sein, nichts
berechtigt mich daran zu zweifeln, denn mein un ablässig von Ihnen zurückgestoßenes Herz verkennt
die herrlichen Eigenschaften des Ihrigen nicht.
Sie
würden den Mann, den Sie geliebt hatten, unend
lich beglückt haben. — Alles auf unsere Angelegenheiten Bezug ha
bende
werde ich mit Lady Granville verabreden
und bitte, Sie wollen — zum Letztenmal — meinen Anordnungen sich fügen. — Leben Sie wohl, Fanny,
ich spreche dieses Wort mit einem Bewußtsein aus, woran ich die Erinnerung niemals verlieren werde.
Versöhnt scheide ich von Ihnen, mir bleibt als Er
satz für ein Glück, welches mir nicht beschieden war, die ernste Thätigkeit des Mannes,
der Wille für
das Gute, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
So bin ich nicht ganz zu beklagen. — Leben Sie
214 wohl,
mit meinem Willen werden Sie mich nie
mals Wiedersehen, niemals in dieser Welt.
Ho race
Delmour. Halb sinnlos las Lady Delmour diese Zeilen
zu Ende, Klagelaute entrangen sich ihrer Brust, alles Blut drang ihr zum Herzen und drohte Erstickung,
bis endlich Thränen ihr Erleichterung gewährten.— Nach einer Weile trat Lady Granville bleich mit
gramvollem Antlitze zu sie tief ergriffm in
ihrer Tochter
ein,
ihre Arme schloß.
welche
Zu. allen
Trostgründen schüttelte Fanny schwermüthig
das
Haupt, ich kenne Lord Delmour, sagte sie schmerz lich,
Alles ist vorbei — ich habe sein Herz nicht
geschont, aber er vernichtet mich.
aus
dem
Hause meines
O ich :— ich —
Mannes
gewiesen gleich
einer Ehrlosen! Wohl meinem Vater,
daß er das
nicht erlebte! ■— Die Nacht verging beiden Damen völlig schlaf
los z bleich wie der Tod, aber dem Anscheine nach gefaßt, erklärte Fanny am folgenden Morgen
ei
nige Zeilen an Lord Delmour zu schreiben und
diese seinem Diener übergeben zu wollen.
Aus ih
rem Briefe ging der Zwiespalt im Jnnem nur zu
deutlich hervor; Klagen, Vorwürfe, Stotz und sanf-
215 tes
Eingeständnis ihres
waren wechsels
Unrechts
weise darin ausgesprochen in bemitleidenswerther Ver
wirrung. — Als der Diener gemeldet wurde, erhob Lady Delmour sich von ihrem Sessel, auf den Tisch sich
Hand
Smith,
Gutenmorgen
begann sie leise, ich wollte — sie erhob
die Augen und Zügen
lehnend.
mit der
einen
gewahrte in
solchen
treuen Mannes
des
Ausdruck
von Schmerz und
Mitgefühl, daß sie völlig überwältigt schwieg.
Erstenmal im Leben,
empfand
sie
was
Zum
es heißt,
von Untergebenen sich bemitleidet zu wissen.
Nach
einer Pause fuhr sie mit Anstrengung fort:
Ueber-
bringen Sie Lord Delmour —• die heftige Rüh rung in Smith Zügen
ßer Fassung.
brachte sie abermals au
»Gewiß Mylady« sagte dieser,
der
sie auch ohne Worte verstand, und rasch das Zim
mer verlassend,
gen.
hervorstürzende Thränen zu verber
Regungslos blieb Lady Delmour eine lange
Weile,
dann richtete sie den Blick
cher Wehmuth empor und sagte
mit schmerzli
leise: Vorbei also
— geschieden von ihm, für diese Welt! — Lord Delmours Brief an Lady Granville mthielt die Gründe, welche ihn zur Scheidung ver
anlaßten, mit dem Hinzufügen, daß sein Entschluß
216 unwiderruflich sei.
Er bestimmte seiner Frau
sehr reiches Jahrgeld mit der Bemerkung, nach Beseitigung
ein
daß er
aller bezüglichen Angelegenheiten
England auf zwei Jahre zu verlassen gedenke, um
eben dadurch Lady Delmours
Stellung zu
der
Welt zu erleichtern, und auch nach seiner Rückkehr jedes Zusammentreffen sorgfältig
vermeiden
werde.
Zugleich bat er in den ehrerbietigsten Ausdrücken
um Lady Granvilles ferneres Wohlwollen und um die Vergünstigung, seine Lucie zuweilen durch
ihre Vermittelung sehen
zu dürfen.
Die Wagen,
welche Smith geleitet, enthielten Lady Delmours sämmtliche Aussteuer, manche Dinge,
welche ihr
in Woodhall angenehm gewesen, und unter andern
ein Gemälde, gelegt; an
worauf sie immer besondern Werth
dieses war ein Zettel geheftet, worauf
von Lord Delmours Hand das Wort: »Anden
ken« stand.
Einige Monate später verließ Lord Delmorrr England; Lady Granville hatte auf seine Bitte die kleine Lucie für ihn malen lassen,
und er
sandte als Erwiederung eine Menge der zierlichsten
Dinge für dieses ihm so theure Kind. — Fanny gelangte nach und nach zu einiger Ruhe;
gleich
217 allen Frauen in ähnlichen Verhältnissen, mißlichen und unerfreulichen Nachreden ausgesetzt, ließen jedoch
die Stellung ihrer Mutter, deren Ansehn und gro ßes Vermögen sie früher Gnade vor den Augen
der Welt finden, als dieses sonst vielleicht der Fall gewesen sein mögte.
Das immer angenehme, gesel
lige Leben in Fairyhill trug dazu bei,
das Anden
ken an die Vergangenheit weniger bitter zu machen.
Lady Delmours Benehmen zeigte ruhige Heiter keit,
aber in ihren Augen lag ein Ausdruck nach-
dmklichen Ernstes,
der bei ihren Freunden die Er
innerung an Vergangenes stets wach erhalten mußte.
— Lord Delmour schrieb ab und an aus Ita später aus Griechenland
lien,
an Lady Gran
ville, um Nachrichten von seiner Tochter zu
be
kommen; Fanny's Name wurde weder in mittel-
noch unmittelbarer Beziehung jemals von ihm ge nannt.
Lady Granvilles Antworten waren ein
fach und gütig, ganz ihrem Wesen angemessen, sie
schloß dieselben oft mit der Aeußerung, daß es ihrer
Tochter .wohl gehe,
gewöhnlich hinzufügend: Ich
weiß, daß Sie dafür nicht ohne Theilnahme sind.«
So verflossen
zwei
Jahre
und Lady Del
mour fand sich von einer Schaar Bewerber um-
10
218 ringt, denen ihre stolze Kälte Hoffnung gestattete.
gleichwohl geringe
Der Gedanke an eine zweite
Verbindung hatte für sie etwas so schmerzlich Ab schreckendes, daß sie ihr als Unmöglichkeit erschien.
— Nach Lord Delmours Rückkehr führte die
Großmutter ihm seine kleine Lueie einige Meilen
von Fairyhill zu.
Dieser Tag war für Fanny
von unermeßlicher Bitterkeit, hundettmal stand sie im Begriff ihre Tochter zu begleiten, aber wie war
es möglich, wie konnte sie, steiwillig, den Mann Wiedersehn, der ihren Anblick für
wollte,
immer meiden
ihr einst so nahe und jetzt so ferne stand.
— Lady Granville kehrte tief erschüttert zurück; Lord Delmour hatte sie mit seinem Vorsatze be kannt gemacht sich in Irland niederlassen zu wol len, wo er ein ansehnliches Besitzthum besaß, und obwohl er die Gründe dieses Entschlusses nicht wei
ter berührte, lagm diese doch nur zu klar vor. — »Nannte er meinen Namen gar nicht?« — fragte
Fanny
bewegt.
»Seinen Namen
nicht,
mein
Kind,« erwiederte Lady Granville mit Thränen,
»aber, als er beim Abschiede meine Hand faßte, las ich in seinem ausdrucksvollen Blick, in feinen gütigen Augm tausmd Grüße für Dich.«
219 Fast zwei Jahre vergingen abermals, wahrend derer Lord Delmour nur
paar Mal nach
ein
England kam, seine Lucie auf dieselbe Weise zu sehen.
Lady Granville fand
ihn unverändert
nur etwas ernster noch, und wenn es ihr Herz ver daß er den Namen
letzte,
ihrer Tochter niemals
nannte, so lag doch auch eben darin versöhnende
Tiefe des Gefühls.
In Ruhe und allmaliges Bergessen eingewiegt wurde Fanny plötzlich durch das Gerücht aufge schreckt, Lord Delmour sei bei einem Aufstande
in Irland
gefährlich verwundet worden. — Die
Bestätigung blieb nicht aus,
in dem Augenblicke,
wo er unerschrocken dem gewaltthätigen, gesetzlosen Beginnen einer Zahl Weißfüßler sich widersetzte und
vermittelnd einzuschreiten versucht hatte,
traf ihn
absichtlich,
eine Kugel aus dem Haufen,
ob
durch Zufall, blieb unermittelt,
da es dem Thäter
gelang
sich
der Entdeckung zu
entziehen.
ob
Lady
Granville sandte einen ihrer Diener nach Ir land, der ein von Lord Delmour dictirtes Schrei ben zurück brachte, mit der Versicherung, daß er hoffen dürfe nicht tödtlich verwundet zu
10*
sein, und
220 so bald als thunlich
in England eintreffen werde,
um unter einem milderen Himmel völlige Genesung
Diese Auskunft verbreitete wieder einige
zu suchen.
Ruhe in Fairyhill und die Nachrichten, welche regel mäßig von Lord Delmour
einliefen,
wiesen auf
eine langsam, aber sicher fortschreitende Herstellung hin. — Einige Monate
Ereignisse
nach diesem
ließ
Lady Delmour sich zu einem Besuche inder'Nach-
barschaft bereden und
rend,
früher von
dort zurück keh
ihre Absicht gewesen, be
als dieses Anfangs
gab sie sich sogleich in die Gemächer ihrer Mutter. Das Wohnzimmer war leer, wunderung
aber
zu ihrer Ver
hörte sie in dem anstoßenden Cabinette
ungewöhnlich lebhaft reden.
Schon wollte sie um
kehren, da ertönte eine Stimme, welche ihre Schritte
hemmte, ihr Herz
erbeben machte;
zweifelnd blieb
sie stehn
und hörte
Mylord,
verzeihen Sie es meiner Offenherzigkeit,
ihre Mutter
sagen:
»Nein
wenn ich Ihrer Ansicht nicht beipflichten kann, -ihr Benehmen
war vielleicht gerecht, aber sehr strenge,
und stand in keinem Einklänge mit dem bewunde
rungswürdigen Edelmuthe Ihres Charakters.
raubten meiner Tochter
Sie
einen fleckenloftn Namen
221 jedes
und
wahre Lebensglück.«
»Es
kann sein,«
entgegnete LordDelmour, mit bewegter Stimme,
»daß ich jetzt anders denken, anders handeln würde, damals begehrte mein verwöhntes Herz,
geliebt zü
sein.«
In diesem Augenblick stieß Fanny die nur angelehnte Thür ohne Ueberlegung auf, Lord Del-
mour fuhr erfchrocken empor, auch die Lady er hob sich unwillkürlich.
Fanny stüzte sich schwan
kend auf die Lehne eines Sessels:
»Ich kann es
nicht anhören, daß man Ihnen Vorwürfe macht, sagte sie abgebrochen,
ich — ich
allein bin
die
Schuldige.«
Lord Delmour schwieg tief erschüttert einige Sekunden und entgegnete dann, sich ihr nähernd,
mit der ihm eigenen einnehmenden Weise und ru higer Stimme: »Wir haben Beide gefehlt.
Mein
Unrecht ist von mir erkannt und bereut; von Ih
nen darf ich dasselbe annehmrn, und so lassen Sie uns,
völlig versöhnt, von einander scheiden.«
Er
beugte sich aufF a nny sHand, drückte dieselbe herzlich,
und wollte das Zimmer verlassen.
»Gehen Sie
nicht,« sagte sie verwirrt, »o einen Augenblick noch,
222 »Nein, nein,«
damit ich zur Besinnung komme.«
entgegnete er sanft,
solche Augenblicke muß man
niemals verlängern, die Qual ist zu schmerzlich! — Ich muß, muß zuvor aus Ihrem Munde hören,«
begann sie athmenlos, und dann plötzlich das Haupt an seinen Arm lehnend, muth:
»Delmour,
sagte sie mit tiefer Weh
soll ich mein Unrecht
nie,
nie wieder gut machen dürfen?« — Lord Delmour war aufs Höchste betroffen, er leitete sie zu einem Sessel und erwiederte: »Sie
sind zu sehr erschüttert
und überrascht,
mich für Sie denken und handeln.
lassen Sie
Ich will, ich
werde die Vergangenheit vergessen, und mich Ihrer
stets
mit Zuneigung
erinnern. — Bemhigen Sie
sich daher — sehen Sie in mir einen Freund, der
Ihnen immer unwandelbar ergeben sein wird,
der
Ihr Glück wünscht, der Ihnen von ganzem Herzen jede Kränkung vergeben hat.«
das Gesicht und
Fanny verhüllte
weinte schmerzlich, Lady Gran
ville verließ leise das Zimmer.
Lord Delmour
verweilte in unschlüssiger Unruhe.
»Kann ich noch
etwas zu Ihrer Beruhigung sagen, kann ich irgend
erwas für Sie Sie
es aus,
thun, theure Fanny, so
sprechen
schenken Sie mir Ihr Vertrauen.«
223 Lady Delmour blickte unter Thränen zu ihm auf, sie suchte vergeblich zu reden und rief endlich mit gewaltsamer Anstrengung und indem sie Lord Del-
mours Hand ergriff: »O, aus Mitleid, mit dem quälenden Bewußtsein, welches mich verfolgt, denken, denken Sie an Lucie, und lassen Sie
mich wie
der Ihre Fanny sein.« —
Lord Delmours
bleiche Züge wurdm von
noch tieferer Blässe überzogen, eine Erinnerung aus
Glück verheißenden Tagen stand vor ihm; das wa ren Fanny Granvilles bittende Augen,
der
Herzgewinnende Blick, mit welchem diese ein Unrecht gut zu machen verstand,
Ausdruck,
jetzt nachdem Alles
griffen wandte er schüttert:
und jetzt
sah
er diesen
zu spat war!
Er
den Kopf ab und entgegnete er
»O Fanny,
Sie ahnden nicht,
wie
Sie mich quälen! — Sie verheißen mir eine selige Zukunft, und diese enthält für mich nur ein frü
hes Grab. — Die Wunde, welche ich empfing, ist äußerlich vemarbt, aber nicht geheilt; wird
von sehr
nicht so und Bitte Ihres
kurzer Dauer sein.
mein Leben
Weinm
Sie
Horen Sie auf dm Rath/auf die
Freundes,
vereinigen
nicht wieder mit dem seinigen
Sie Ihr Loos
— es ist zu spät.«
224 Lady Delmour stieß einen Laut des Jam
mers aus,
schwankte, und würde zu Boden gefal
len sein, hatte er nicht bestürzt sie aufrecht gehalten;
verzweiflungsvoll schlang sie die Arme um ihn und
Sanft richtete Lord Del
weinte an seiner Brust.
mour ihr Haupt empor: länger,« sagte er mild,
»Ich widerstrebe nicht
»aber vergiß nicht, meine
Fanny, daß ich, ohne Rücksicht auf mich, Kummer Dir
ersparen wollte,
der bald,
den
zu bald
Dich treffen wird.« Nach kurzer Zeit wurde der Segen der Kirche
zum zweiten Mal über Lord und Lady Delmour gesprochen,
aber unter wie ganz
anderen Verhält
nissen! — Das war die Braut nicht mehr, die in
strahlender Jugendschöne mit dem blühenden Kranze in
den vollen Locken vor 10 Jahren zum Altare
trat,
das nicht
der Bräutigam,
dessen glückselig
lächelnder Mund damals das Jawort sprach.
den Wangen dieser Braut blühten noch
Auf
die Rosen
der Jugend, aber die Unbefangenheit derselben leuch
tete nicht mehr aus den Augen, aus denen jetzt die Erfahrung des Lebens und des Leides blickte. den
bleichen Zügen dieses Bräutigams
Aus
sprach die
Bestätigung einer, trüben Verheißung, aber zugleich
225 die Festigkeit einer Seele, welche auf Erden wenig
mehr wünscht,
dort oben aber Ersatz
für Alles zu
finden hofft. Zn Woodhall begann jetzt ein von dem frühe ren, völlig verschiedenes Leben; darauf,
ihrem Gatten das
Fanny sann nur
Dasein
angenehm
zu
machen und diese Bestrebung, welche ihn früher ent zückt haben würde, sand jetzt nur ernste, sanfte An
erkennung.
Delmours
Lord
Streben
ganzes
ging dahin, den Sinn seiner Frau auf Höheres zu richten, sie mit dem Gedanken vertraut zu machen,
wie nahe sein Ende sei.
Er versuchte Alles sie mit
sich selber zu versöhnen,
ihr das quälende Bewußt
sein zu raubm, seinen Tod auf gewisse Weise ver
Bevor achtzehn Monate verflos
anlaßt zu haben.
sen, stand sein edles Herz
die treuste
Pflege noch
für immer still,
ärztliche Kunst
weder
vermogten
sein Dasein zu verlängern. Einige Monate nach dem Tode ihres Gatten
kehrte Lady Delmour
zu ihrer Mutter zurück;
tief und schmerzlich traurend, nur durch
wußtsein
beruhigt,
viel als möglich
ihr
Unrecht eingesehen und so
gut gemacht zu haben.
beschäftigte sie sich
das Be
Zärtlich
mit ihrer Lucie, welche jetzt
226 zehn Jahre zahlte und die liebenswürdigsten Anla
gen entfaltete.
Ihr Dasein erschien ihr, in Bezug
auf sich, als ein völlig abgeschlossenes, und sie rich tete sich in Fairyhill auf eine Weise ein,
als ge
denke sie ihr Leben dort zu beenden.
Nach im
beendigter Trauerzeit wurde das Leben
Schlosse, durch die Zahl 'zuströmender Gaste,
geselliger und lebendiger als je. jetzt eine der
Lady Delmour
reichsten Frauen Englands,
zog auf
alle Weise die Aufmerksamkeit der Männerwelt auf sich, ihre Reize, ihr seltsames Geschick, alle Vorzüge
einer glanzenden Lage vereinigten sich in dieser Be
ziehung, um sie der
aufs
Neue als ein Gegenstand
Bewerbung hervor treten zu lassen. — Unter
die Zahl derjenigen, setzter Folge und
welche Fairyhill
in unausge
oft sür langHeit besuchten, ge
hörten zwei Personen,
welche sich durch hervorste
chende Eigenschaften bemerkbar machten.
Lady Ge
orgina Wallham, eine Verwandte Lady Del mour s,
verband
mit
höchst
seltener
Schönheit
zwar keinen ausgezeichneten Geist, aber die gewöhn liche Klugheit der Dummen, die gefährliche Waffe
eines überlegten Beginnens, einer versteckt aber be rechnet angelegten Intrigue.
Nur ihre unbegrenzte
227 Gefallsucht machte sie zuweilen ihren Planen unge
treu und
vernichtete oft in einem
Augenblick das
mühsame Studium vieler Monde; ihr Herz bewog
sie zu keinen Abweichungen,
denn
sie
liebte
in
Wahrheit nur sich selber. — Ihre Annäherung au die Damen des Schlosses hing mit weit aussehen
den Planen zusammen;
die Zeit,
der seit einigen Jahren
bei
der
wo Graham, Gesandtschaft in
Rußland angestellt war, zurückkehren und seine Gü
ter antreten konnte,
stand nahe bevor.
Alle seine
Briefe, und Lady Granville theilte den Inhalt
derselben zum öfteren mit,
sprachen es aus,
daß
sein Herz noch frei und er gesonnen sei, unter sei nen holden
Landsmänninnen
zu wählen.
Graham
hatte
eine Gefährtin
sich
den Ruf eines lie
benswürdigen Mannes, sein Name und die äußere Lage
entsprachen
Lady
Georginas
Ansprüchen
und so war sie sehr entschlossen den schwer zu Fes
selnden für sich zu gewinnen. —
Neben ihr ragte
Lord Darville unter der Menge hervor, ohne ihr jedoch im mindesten zu gleichen.
ganten Aeußeren, dem Anstrich einer
scharfen
Eigenschaften
aber
Mit einem ele
großer Kälte,
treffenden Ironie,
der seltensten Art.
mit
verband er
In seinem gan-
228 zen Benehmen lag keine Milde, aber seine Diener
schaft liebte ihn abgöttisch und unter der Hülle des
indolenten,
übersättigten Weltmannes, verbarg er
eine nicht leicht zu erregende, aber dann auch un auslöschliche Tiefe des Gefühls. Die Frauen, welche Alles Ungewöhnliche lebhaft anzieht,
waren ihm
auf ausgezeichnete Weise gewogen und sein Verhält niß zu ihnen eben dadurch seltsam verkehrt, denn
seine flüchtige Aufmerksamkeit wurde als eine Gunst ausgenommen,
welche er mit eigensinniger Laune
bald gewährte, bald mtzog und dieses zwar, ohne
alle Gefallsucht.
Gefallen
war in seinen Augen
etwas so Leichtes, daß er es nicht des Erfolgs werth erachtete sich deshalb sonderlich zu bemühen,
zu
gleich aber auch hegte er sehr ernste Begriffe von Ehre, und vermied auf alle Weise, zu Damen in Beziehungen genannt zu werden, welche denselben
nachtheilig hätten sein, oder in ihr Lebensglück stö rend eingreifen
können.
— Lady
Georginas
blendende Schönheit erregte seine Aufmerksamkeit,
und er verschmähte anscheinend die Huld keineswegs, mit welcher sie ihm entgegen kam, aber bei dem ersten Nebenbuhler, den ihre Eitelkeit ihm gab, zog er sich mit einer Kälte zurück, welche jedes Entge-
229 genkommen nicht wieder zu erwärmen vermogte. — Lady Delmours Geschick,
die ziemlich verbreitete
Kunde, daß sie noch niemals Liebe empfunden, regten seine Beachtung um Manches
ihrem
in
faßte,
eine
Wesen
Stimme im Innern fand. schaft und
so mehr,
er
als er für
beantwortende
Er suchte ihre Bekannt
nicht plötzlich,
aber
nach und
nach, in ewig steigender Anerkennung, tiefe, wahre
Neigung für sie, deren Erwiederung ihm mehr als
zweifelhaft blieb,
gleichwohl aber
ihn unwidersteh
lich gefesselt hielt.
Auf diese Fairyhill sich
hatten
Weise
gestaltet,
als
die Verhältnisse
in
Grahams angekün
digte, nahe bevorstehende Rückkehr allgemeine Freude
im Schlosse verbreitete. dieselbe nicht und
Nur Lord D a r v i l l e theilte
düstere Ahnungen stogen
durch
seine Seele, denen er vergeblich zu gebieten sich be mühte.
Frederik
schrieb
aus
Paris
an seine
Pflegemutter und ersuchte um die Bewilligung, einen Freund in Fairyhill einführen zu dürfen,
von dem
er seit Jahren fast unzertrennlich gewesen.
Freudig
ward alles zu seiner Ankunft vorbereitet, Lady Gran ville liebte ihn gleich einen Sohn,
die tröue,
Fanny hegte
liebevolle Gesinnung einer Schwester für
230 ihn, und bei der Dienerschaft lebte sein großmüthi ges, lebendiges, Heiterkeit verbreitendes Wesen noch
in wohlthuender Erinnerung. gebietrische Ungeduld
Sein Jähzorn, seine
waren freilich
auch nicht in
Vergessenheit gerathen, aber es giebt bevorzugte Mm-
schen,
deren Fehler man willig vergiebt,
Lichtpunkte sich erftmend,
nur der
welche dieselben glanzend
überstrahlen.
Endlich erschien der Tag seiner Ankunft; der Wagen in den Schloßhof rollte,
als
vergaß Lady
Granville ihre Jahre, die ruhige Würde, welche
sie nie zu verlassen pflegte, und eilte mit fast ju
gendlicher Lebendigkeit ihm bis in die Vorhalle ent
gegen.
So empfangt eine Mutter den Sohn, den
geliebtm, schmerzlich vermißten, endlich heimkehren den Sohn; Fanny hatte Frederiks Arm erfaßt,
lehnte das Haupt an seine Schulter,
und nannte
mit Thränen überwallender Rühmng seinen Namm. Mit der echten Herzlichkeit eines guten Menschen
erwiederte er den Empfang, der ihm zu Theil wurde, und als
endlich seine Pflegemutter ihn aus ihren
Armm ließ, er den Kopf aufrichtete, und mit dem
Blicke seelenvoller Liebe auf Lady Delmour, mit
herzlicher Theilnahme
auf die alten Diener umher-
231 sah,
in
da füllten alle Augm sich mit Thränen und aller Herzen war Segen für ihm
jedem zu,
Er nickte
begrüßte dann die Gästx seiner Pflege
mutter und bot dieser den Arm, sie in ihre Gemä
cher zurück zu geleiten.
Sie lehnte sich auf ihn,
bewachtste befriedigt seine jugmdlichen Züge,
guten,
Wohlwollen
blickenden
Augen
und
seine sagte,
im Gehen einen Augenblick vor dem Bildnisse ihres Gemahls verweilend: Mein Sohn,
meine Stütze,
mein Frederik! — Bewegt blickte Graham em por, stumm drückte er die verehrte Hand der Mut
ter an seine Lippen, aber sein Herz schlug laut und stürmisch.
Als
dem
in
Alle
versammelt waren,
geräumigen Wohnzimmer
stellte Graham seinen Freund
vor, der bisdahin unbeachtet geblieben.
ville empfing ihn
mit Güte,
Lady Gran
als aber Herr de
Walden Fanny vorgestellt wurde, blickte sie ihn
mit derjenigen Ueberraschung an, welche wir zu em pfinden pflegen,
als
ein uns
wenn
ein langst Gekannter uns
Fremder zugeführt wird.
Betroffen
und nachfinnend sah sie auf ihn hin; er selber half
ihr das Räthsel entwirren, flüchtig
indem er lächelnd und
auf^ein großes Gemälde blickte,
welches
232 die mittlere Wand des schönen Zimmers schmückte. Fanny folgte der Richtung, seiner Augen und wmdete den Blick-jetzt gleichfalls lächelnd auf ihn
rück; es war,
gestiegen,
zu
als sei er aus dem Rahmen herab
und stehe
um weniges alter,
vor ihr in Lebensfrische,
nur
nur der Blick etwas nachdenk
licher, und in den Zügen mehr das Gepräge geist voller Entschlossenheit.
Es ist etwas Wunderbares
in der Magie stummer Verständigung, Beide schwie-
gm,
aber ihre Gedanken begegneten sich im
samen Einverständnisse.
selt
De Walken hätte jetzt,
wo er gegenwärtig war, mit einem einzigen Pinsel
striche die Aehnlichkeit vernichten mögen, welche nur zu unverkennbar hervorleuchtete, Fanny hegte ähn
liche Wünsche; sie hatte dieses Bild immer vorzugs weise geliebt, nach ihrer Trennung von Lord Del-
mour war es ihr von diesem als Andenken nach gesandt,
und hundertmal hatte sie betrachtend da
vor gestanden, und den Ausdruck jener Züge belobt,
welche sie jetzt vor sich sah, zu ihrem unermeßlichm
Erstaunen.
Das sehr hübsche Gemälde stellte eine Meeres bucht in südlicher Gegend dar,
ein kleiner Nachm
233 lag
zwischen Felsen und
demselben stand ein
in
junger Mann, mit der einen Hand das Ruder wie zum
Abstoßen anstemmend,
Gruste erhebend,
die
andere wie zum
den Blick nach oben, einem Fel
senvorsprunge zugerichtet, auf welchem man undeut
lich,
nebelverhüllt' verschiedene Gestalten
gewahrte.
Alles Landschaftliche in diesem Bilde war vortreff lich gehalten und
das Meer in jener klaren Ruhe
dargestellt, welche fast immer stille, sehnsüchtige Ge
fühle
zu
erwecken
pflegt;
im Vor
die Gestalt
grunde erschien meisterhaft ausgeführt und jetzt,
man wahrnahm,
daß
der Wirklichkeit
diese
lehnt, blieb es zweifelhaft,
da
ent
ob der Maler ein Be-
gebniß seines Lebens dargestellt, oder ob jugendliche Eitelkeit ihn vermögt,
die Umgebung
als Zugabe
zu schaffen, um sein eigenes, allerdings bedeutendes
Abbild
der
Vergessenheit
zu
entreißen.
—
Lord
Darville hatte beide junge Manner forschend be
trachtet,
als sich
aber
im Laufe der Unterredung
ergab, daß Herr de Walden ein Maler sei, ein flüchtiges Lächeln
Lippen,
der Beruhigung
flog
über seine
wogegen Lady Georgina Graham so
wohl, als dessen Freund mit all' dem süßen Lieb
reiz
empfing,
den sie bewußt sich anzueignen ver-
10**
234 stand.
Beide schienen von ihrer Schönheit sicht
lich überrascht,
jedoch widmete Frederik sich
an
dem Tage so ausschließend seiner Pflegemutter, daß
ihm wenig Zeit zur Darlegung seiner Bewunderung blieb. — Nachdem
mer sich begeben,
am Abend alle auf ihr Zim
überließ sich-jeder Einzelne den
verschiedenartigsten Betrachtungen. —- Frederik sah
sich zuerst in völliger Unabhängigkeit da wieder, wo und trauernd gedachte er
er seine Kindheit verlebt,
seines Pflegevaters,
dessen
er so Vieles verdankte.
vorsorgender Großmuth
Er selber stand nun
auf
wo alles Schwanken
dem Punkte seines Daseins,
ein Ende hat, ernstere Lebenszwecke sich geltend ma chen und die Begründung angen hmer Häuslichkeit am nächsten liegt.
Erfreuliche Vorstellungen beschäf
tigten seine Einbildungskraft,
aber er fand keinen
Ruhepunkt für dieselben und überzeugte sich so am
sichersten, daß sein Herz noch ungefesselt sei.
Auch
dieser Gedanke erschien ibm wohlthuend, so war er noch Herr seines Geschicks und durfte von der Zu
kunft das Beste erwarten.
Lady Georg ina s rei
zendes Bild war von dieser Betrachtung nicht aus geschlossen;
ein
leichtes Lächeln begleitete dieselben,
und wetterfahren und
nicht ohne Eitelkeit sah
er
235 die Ereignisse kommender Tage so ziemlich im Geiste
voraus. Wahrend Frederik in rastloser Unruhe in fei nem Zimmer hin und wider ging, sich augenblick
lich setzte, dann wieder aufsprang und so die ganze Erregsamkeit seines Gemüthes an
den Tag
lehnte de Walden in dem seinigen ruhig Fenster,
legte,
an ein
und blickte mit verschränkten Armen sin
nend in die mondhelle Nacht hinaus.
Seine Ge
danken folgten Einer Richtung, nur zuweilen durch
das Interesse unterbrochen,
welches die wechselnden
Lichter der Landschaft verliehen, blick ihm vergönnt war.
deren freier Ueber-
Gleich wie ein mit Leb
haftigkeit Redender, durch äußere Erscheinungm ab
gezogen, sich seinem Gegenstände mit immer regem Interesse sich wieder zuwendet, so rief auch er alles, alles Vergangene seiner Erinnerung zurück, augenblicklich davon abgewendet,
geistig
im Herzen dem
selben immer nahe.
So hatte er sie wiedergesehen, die Frau, welche zuerst
einen tiefen Eindruck auf sein
Herz hervorgebracht,
jugendliches
wiedergesehen unter völlig ver
änderten Verhältnissen,
um so
viele Jahre älter,
und dennoch so anziehend noch, so verführerisch an-
236 muthig.
Er rief sich zurück, daß das bewußte Ge
mälde durch einen Freund, der in Rom sich befand,
während er abwesend war, an einen Engländer ver kauft worden sei und zweifelte jetzt nicht, daß der
Käufer Lord Delmour gewesen.
Die seltsame Ver
kettung der Umstände, daß sein Bild,
welches nur
das Eine Mal von ihm entworfen, die Frau stets umgeben habe, an welche er eine bewundernde, fast
zärtliche Erinnerung nie verloren, gab ihm zu man
nigfachen Betrachtungen Anlaß,
aber kein Lächeln
begleitete dieselben.
Lady Delmour gab sich ihrerseits dem Nach denken über die Ereignisse des Abends auf sehr na
türliche Weise Hinz sie freute sich herzlich der Rück kehr ihres Bruders, wie sieFrederik nannte, und
verweilte nicht ohne einige Aufregung bei dem Um stande mit dem Bilde,
ohne
jedoch eines früheren
Zusammentreffens mit Herrn de Walden sich zu entsinnen. — Als sie spät
entschlummerte, spann
fort;
sie
befand sich
vor dem Gemälde, da erschien es ihr,
als ob die,
ein Traum diese Vorstellung
mit
unendlicher Treue wiedergegebenen Augen des
Malers Leben und einen veränderten Ausdruck bekä men,
als ob die ganze Gestalt sich zu ihr herab-
237 bewege.
Erschrocken wollte sie entfliehen,
Fuß schien sie zurück,
blickte
da sah sie die Gestalt de Waldens
die Ärme gegen sie ausbreiten,
stern:
aber ihr
am Boden gewurzelt, unruhig
Du entfliehst mir nicht,
hörte ihn leise flüdenn ich bin Dein
Geschick, und werde Dich ereilen!« Wenn die Nacht uns die Gestalten bedeuten
der Personen als
eben so viele Visionen
vorführt,
pflegen solche phantastische Gebilde von einem Grauen,
einer Trauer und
einer Seligkeit begleitet zu sein,
wie man solche im bewußten Leben nicht auf gleiche Weise empfindet,
und schwer mag es halten,
gänzlich des Glaubens zu erwehren,
sich
es habe ein
magisches Band wechselseitiger Gedanken das Grund
element derselben herbeigeführt. ost schwierig,
Deshalb scheint es
dem Gegenstand eines solchen Trau
mes ohne einige innere Betroffenheit zuerst wieder
entgegen zu treten.
Lady Delmour empfand die
Wahrheit dieser Betrachtung, als sie am folgenden Morgen Herrn de Walden zuerst wieder erblickte, und die Befangenheit, welche er gegen seinen Willen
nicht gänzlich - bemeistern konnte,
erschien ihr wie
eine Art des Bewußtseins, gegen welches gleichwohl die Vernunft ankämpfen mußte.
238 Frederik
in
hatte
lebendiger Regsamkeit
bereits alle wohlbekannte Plätze der nächsten Um
gebung aufgesucht und erschien erst spät zum Früh
stück. nen,
Nachdem er die Seinen mit der ihm eige
einnehmenden Weise begrüßt,
liebenswürdiger
Beflissenheit
suchte er mit
seinen
alles hervor,
Freund in deren Meinung zu heben und bestand nach '.dem Frühstück darauf,
sich
mit Herrn de
Walden und Lady Delmour auf deren Zim
mer zu begeben,
Zeichnungen
damit
sehen
und
jener dort in Ruhe
beurtheilen
Gegenreden half und nach
befand
de Walden
sich
möge.
ihre
Kein
wenigen Augenblicken
in Lady Delmours
Wohnzimmer, an einem Tische ihr gegenüber, vor ihnen
eine
Entwürfen, währmd
große Mappe
welche
Frederik"
mit Zeichnungen
ihre Aufmerksamkeit
lebhaft
im Zimmer
und
fesselten,
umher
störte, die Thür eines Nebenzimmers öffnete, um Lucie neckend im Semen zu unterbrechen, dann
wieder zwischen Bücher und Arbeiten umher kramte und es an Anmerkungen nicht fehlen ließ. — De Walden
besah
ruhig
die
Zeichnungen,
welche
Fanny ihm darreichte, sein geistvolles Auge war
gesenkt, und da sie ihn, ihrer Meinung nach, völlig
239 unbeachtet
nur
gewahrte sie
betrachtete,
zuweilen
ein eigenes Leuchten desselben, welches einem Blitze
gleich die
vorliegenden Gegenstände überflog.
unbewußt sah sie fort und fort ihn an, sie endlich das
letzte Blatt
eine
Fast
und als
flüchtige
Skizze
ihm hinreichte, schlug er den Blick mit einem Aus druck zu ihr auf,
der in ihrer Seele
schene Erinnerungen
weckte.
die Umrisse von Amalfi;
Delmour sich
gen Mann Mütze
vor
über,
mit
hier, nach
mit
erlo
im Geiste fühlte Lady
dorthin versetzt,
sie sah
den jun
dem Haideblüthsträuschen an der
sich — dem
langst
Die Zeichnung zeigte
dort
Blicke
manchem
sah sie ihn sich gegmglühender
Bewunderung,
verflossenen Jahr,
mit dem
Ausdrucke, mit dem sanften, verleitenden Ausdrucke,
womit er im Traum
fliehst mir
ihr zugeflüstert:
nicht!« — Frederik
»Du
mt-
hatte sich dem
Tische genähert und fragte sich vorbeugend und die Hände auf denselben stützend; »Nun?« — de Wa lden sah den Freund mit einem Lächeln schalkhaf
ter Verständigung an,
dann sich Lady Delmour
zuwendend, schüttelte er das Haupt ein wenig, aber
so freundlich, daß es gleich unmöglich erschien, den Tadel nicht zu verstehm oder dem Tadelnden zu
240 zürnen.
Fanny
erröthete
Frederik
und
brach
in unbezwingliches Lachen aus: »Tröste Dich, süße Fanny, äußerte er endlich, ich hatte es Dir vor
aus sagen wollen; diese Herren sind zu eifersüchtig
als daß sie jemals ein Talent anerkennen sollten, welches sie
nicht
gebildet.
Werde de Waldens
Schülerin, er wünscht gewiß nichts mehr, und Du wirst sehen
wie bald er vom Tadel
zur Bewunde
rung übergehn wird.«
De Walden
benutzte den scherzhaften
Vor
schlag zu Anerbietungen, denen Frederik Eingang
verschaffte.
Lehrstunden wurden verabredet und der
Maler äußerte in einem Gespräche über seine Kunst im
Allgemeinen,
welche,
mit großer Klarheit, Ansichten,
ohne gleichwohl
bestimmte Beziehungen zu
enthalten, Lady Delmour tadelten und belehrten.
Frederik
erklärte gleich
zu Anfänge
Aufenthalts mit großer Herzlichkeit,
wie
seines
er keines
wegs gesonnen sei, sich schon jetzt als Einsiedler in" seinen Hochlandsbergen zu begraben,
des
lang
entbehrten
Glückes
sondern
theilhaftig
müsse,
im Kreise der Seinen zu athmen und
leben.
Lady Granville schloß
Aeußerung liebkosend in
ihn
ihre Arme,
erst
werden zu
nach dieser
ihm die Zu-
241 stcherung gebend,
daß
ihm
in ihrem Hause
alle
Rechte eines Sohnes zustanden, und sie ihn drin
gend auffordere dieselben zu benutzen. — Von die sem
folgte ein Fest,
Augenblicke
dem andern, Graham
war unermüdlich
sinnen und konnte sich die Rolle,
zusiel,
solchen Anlassen
Zeitvertreib
ein
sehr
im Er
welche ihm bei
wohl gefallen
lassen.
Gewandt, angenehm und nach allen Seiten hin un
abhängige
war er der Gegenstand
schmeichelhafter"
Aufmerksamkeit um so mehr, als er großen Werth auf solche allerdings
legte,
als
indessen Lord Darville,
sein Nebenbuhler
der
hatte gelten kön
nen,
dieselbe mit kalter Nachlässigkeit
ließ.
Gleich diesen Beiden tauchte der Maler aus
unbeachtet
der Menge hervor, welche neben ihnen leer und un
bedeutend erschien. —
Herr
de
Walden gehörte
denen man selbst
zu
den Wesen,
bei flüchtiger Bekanntschaft ein
ungewöhnliches Vertrauen zu
schenken geneigt ist,
welche offen und abgeschlossen sehr ernst und den
noch gutmüthig mild, nur durch einige Schalkhaf tigkeit der Augen verrathen, daß jugendlicher Lebens
muth sie beseele. gewöhnlichen
In
ihm
Künsttergrillen,
war keine
nichts von den
angenommene
242 oder erworbene Zerstreutheit,
nichts von der künst
lichen Genialität, welche seine Genossen nicht selten
als unerläßlich betrachten.
Sein edles ruhiges Be
nehmen mußte auf alle Weise ansprechend erscheinen und nie zeigte er sich einnehmender, als in Augen
blicken, wo er, mit der natürlichen Lebendigkeit der
Jugend
lachend,
aus
seinem gewöhnlichm Emst
heraus trat.
Lady Georgina verdunkelte ihrerseits die rei zenden Frauen, ryhill einfanden, und
welche sich zu dm Festen in Faigleich einem leuchtendm Meteor,
obwohl Frederik keine unmuthige Erschei
nung außer Acht ließ,
widmete er gleichwohl Lady
Georgina eine Aufmerksamkeit,
die bald zu be
Vermuthungen Anlaß gab.
stimmten
ihres Triumphes genießmd,
Glückselig
siel zum Oefteren ein
Lächeln ihrer Huld dem Maler zu,
und es mogte
als ziemlich zweifelhaft erscheinen, ob er solche Gunst der eignen
Liebenswürdigkeit
oder dem Umstande
verdanke, Graham zu seinen Freundm zählm zu
dürfen.
Schon daß er ein Maler war, nahm die
Damen günstig für ihn ein,
welche allezeit großen
Werth darauf zu legm pflegen, von einem Solchm
anerkannt und gepriesen zu werden.
243 Lady Delmour nahm,
mehr oder minder,
fast Entzückt eilte der Ofsicier auf sie zu, und ein Knie beugmd und ehrer
bietig
Hand
ihre
Theresa!
sehe
wirklich wieder? Hand: Ich
fassend,
ich
—
sagte
Sie wieder!
Sanft entzog
heiße Robena,
er lebhaft: O Sehe ich Sie
sie
ihm
ihre
entgegnete sie
leise.
Mit Leidenschaft legte er die Hand über seine Au
gen: Robena! wiederholte er schmerzlich, und Er!
und Er! — Alle
blickten erstaunt einander an, nach lan
ger Pause richtete der Fremde sich empor; Ich muß,
sagte
er
gesammelt,
mich
Ihnen
als
Capitain
Belleville vorstellen, und erscheine als Abgesand
ter zweier von Ihnen geliebten Freunde. erliche Stille entstand.
sabeth
endlich
Eine fei
Lebt Er? — fragte Eli-
athemlos.
Der Fremde
schwieg,
in seinem männlichen Gesichte sprach eine Rührung sich aus,
welche das Schlimmste verkündete.
Ei
ner lebt, sagte er nach einer Weile, der Andere —
ich bringe Ihnen seine letztm Grüße und sein Ver-
351 »Robenas
mächtniß.
leiser Ausruf des Boden.
zu
lautlos
Man
entrang sich
Elisabeth
ein sank
trug sie auf ihr Zim
der Fremde blieb mit Herm von Wer-
mer und
denstein,
ganz
Brust
Schmerzes,
welchem
mittheilte.
er seinen
traurigen Bericht
Dieser vernahm jetzt, daß gegen
seine Ahnung Löwen es sei, welchem das Todesloos gefallen: Wie lernten Sie den jungen Mann
kennen? — fragte er, seine Wehmuth bekämpfend.
Durch seinen Freund, Rittmeister von Werden beide befanden sich
stein, quartier, so
weit
verwundet im Haupt
ein Zufall entdeckte es ihnm.
Hülfreich,
es thunlich war, theilte ich meine Sorg
falt zwischen Beide.
gefährlich
Herr von Löwen war höchst
verwundet, man muthmaste spater mit
Recht, daß eine Kugel in der Wunde zurück geblie ben.
Bevor er sich einer neum Operation unter
warf,
ließ
er mich rufen, und übergab mir diese
Brieftasche für Sie, und Auftrage an seinen Freund.
Er winkte mir dann mit der Hand und hieß mich gehn; mit unsäglicher Wehmuth
blickte ich
zum
Letztenmal in jene bedmtsamm Augm, welche nahe
daran waren sich für ewig zu schließen.
Körperlich
und geistig ermattet durch unsägliche Leiden, sah er
352 dem
Tode entgegen
wie man auf den beruhigen
den Schlaf der Nacht sich freut.«
Tief erschüttert zog Herr von Werdenstein sich in ein Fenster zurück, wo er, halb mechanisch die Brieftasche öffnete, aus welcher ihm zu seinem
Befremden Robenas Verfügungen
zu
Bild,
so
deren Gunsten
wie verschiedene
entgegen
fielen.
Nach einer Weile wendete er sich dem jungen Fran
zosen wieder zu, welcher in wohl berechneten Uebergängen das Gespräch dem Ziele zulmkte,
ihm zunächst am Herzen lag, digkeit
endlich tiefsinnig: Sie war
in Spanien? Wie seltsam!
verwirrend!
auch
mit südlicher Leben
forschte er nach allen Robena betreffenden
Umstanden und sagte
niemals
welches
Und
wieder in
doch sah jenem
wie
Sinn
ich sie dort und dann
Schlosse in Sachsen,
um
Mittemacht in der verhängnißvollen Geisterstunde.«
Dort im Schlosse langten wir Alle,
zufällig
sehr spät und unerwartet, kurz vor Ihrem Abmarsche
an; Robena war Ihnen in dem Augmblicke be gegnet, wo sie in ihr Zimmer sich verfügen wollte,
und theilte am
wenn auch heitm, mit.
folgenden Morgen
dieß Begebniß,
vielleicht nicht in allen seinen Einzeln-
353 »Aber Spanien? — Wie wollen Sie das er Sie können es nicht! —
klären?
Nein, es kann
nicht Alles zu kalter Wirklichkeit werden, ich halte
fest an dem süßesten Traume meines Lebens!« — »Erklären kann ich nichts, Robena hatte Geschwister,
nur muthmaßen.
diese mögen leicht in
verschiedene Länder zerstreut, und Sie durch Fami lienähnlichkeit getäuscht sein:«
»Es wäre möglich, denken.
nen;
Ich kann das
aber ich
mag es nicht
lieblichste Bild, nicht tren
Robena und Theresa werden in meinen
Gedanken
ewig Eins
könnte ich wähnen,
sein.
Und
doch! —
Alles sei Täuschung,
o,
und ich
habe jenes Bildniß nie bei einem Andern gesehn!« Eapitain Belle Ville nahm, durch die Um stände gezwungen, am folgenden Tage Abschied. Er
betrachtete Robena mit der Gluth tiefer Liebe; es war als bb er ihr Bild seiner Einbildungskraft für
alle Zeiten einprägen wollte.
Sich von ihr verab
schiedend, flüsterte er leise: Ich gehe nach Spanien!
und wenn ich dort Ihr Ebenbild nicht wiederfinde,
bin ich für immer unglücklich. Geheimnißvolle Nächte haben dieß Band gewoben und ich lasse davon nur
15**
354 mit meinem Leben!« —
Nicht ohne Theilnahme
sah man ihn scheiden. — Elisa beth erholte sich von ihrer Ohnmacht, gleich
ein Kranker,
wie
der aus
unfreiwilligem
Schlummer erwachend, Kopf und Sinn umdüstert,
die Kräfte ermattet tief wehmüthige,
fühlt.
Ihre Trauer war eine
indessen Robena ernst und ru
hig die ihrige fast nur durch größere Schweigsam
keit an den Tag legte. Nach zwei Monaten langte
Werdenstein bei seinen Verwandten an;
seine
Betrübniß hob Löwens Werth auf eine ergreifende
Weise hervor und er that Alles, die Erinnerung an
denselben im Kreise der Seinen auf ehrenvolle Weise zu erhalten.
Während der ersten Wochen mahnte
kein Wort Elisabeth an die gegebene
Zusage,
einst aber, als er allein mit ihr des Freundes ge
dachte, fügte er bewegt hinzu:
getrennt,
Früher hat er uns
so laß uns jetzt durch ihn inniger verei
nigt werden.
Giebst,Du mir jetzt Deine Hand,
Elisabeth? — Feierlich gab ihm diese die Rechtt, in ihrem klaren,
festen,
zu ihm aufgeschlagenen
Blick lag das Gelöbniß unwandelbarer Treue. — An ihrem Hochzeittage empfand Elisabeth
zuerst die Mahnung einer,
bis dahin nicht geahn-
355 beten Wahrheit. Nachdem Robena sie geschmückt,
blieb diese neben dem Sessel der Braut stehn, und
Thräne auf Thräne siel unaufhaltsam auf den schö
nen Hals derselben herab.
Nicht befremdet,
aber
wie durch Eingebung aufgeklärt, blickte Elisabeth
erschrocken auf:
Robena, Du — sagte sie un
willkürlich, und sah ihr in das bleiche Antlitz. Ein Blick der Verständigung war hinreichend, die Freun
dinnen umschlossen sich fest, dann blickte Elisabeth trauernd empor:
weich,
Ich nehme ihn Dir, sagte sie
aber Du Robena!
ach Du weißt, was
ich verlor! — Du raubtest mir zuerst das Liebste, aber ich liebte Dich nur zärtlicher dafür!
Werdenstein kaufte in der Nähe von Dres den sich an,
und als Capitain Belleville nach
einem Jahre dorthin zurück kehrte, fand er die jun gen Gatten in glücklicher Häuslichkeit. Seine Nach forschungen in Spanien waren erfolglos geblieben, die alte Dame des Schlosses war gestorben, Nie
mand wußte, wohin ihre junge Gefährtin sich ge
wendet, und so kehrte er, entschlossen und unschlüs sig zugleich, zu dem Ebenbilde seiner ersten Neigung
zurück.
Seine ernstliche Bewerbung fand endlich Ge
hör; so oft das unsichere Loos des Krieges ihn von
356 seiner Gattin trennte, kehrte diese in das Haus ihrer Pflegeeltern zurück, wo sie von Seiten der Mutter
späte, aber endliche Anerkennung, wenn gleich keine herzliche Liebe fand. Nachdem Napoleons Stem
versunken, nahm Oberst Velleville seinen Ab
schied, und führte seine junge Gefährtin auf ein kleines Besttzthum am Fuße der. Pyreuäm, wo ein
ruhiges Leben in einer wunderbar reizenden Gegend
ihnen die ersehnte und wünschenswerthe Beftiedigung bot. —
Beide Freundinnen fühlten sich glücklich, wenn gleich auf andere Weise,
gehofft hatten;
wie sie einst zu werden
die Täuschungen des Lebens waren
dahin; die Wirklichkeit behauptete ihr ernstes, aber für sorglich
gebildete Gemüther gleich
den ihren
doch immer auch wohlthuendes Recht.
Leipzig, gedruckt bei W. Haack.