Die Sprache des Herzens: Vier Novellen von der Frau von W. [Reprint 2021 ed.] 9783112507889, 9783112507872


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Die Sprache des Herzens: Vier Novellen von der Frau von W. [Reprint 2021 ed.]
 9783112507889, 9783112507872

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Die

Vier Novellen von

-er Frau von tv, HerauSgegeben

von

8. Schefer.

Berlin, Verlag von Veit und Compagnie

1838.

Aus Bescheidenheit wünschte die Berfaf-

serin ihren Namen vor diesen Novellen ver-

schwiegen.

Ob sie es immer wird,

wenn sie

einfachen edlen Gemüthern gefallen haben, das

weiß ich nicht.

Sonst verschleiern sich schöne

Menschen am liebsten, um angenehm zu über­ raschen.

sie selbst,

Hier aber erscheint indessen ja doch

durchsichtig,

eine reine Seele, die

selbst die Sprache des Herzens redet.

eben wünscht sie,

Denn

daß alle im Leben sie im-

mer reden möchten und reden könnten,

und

der Titel des Buches bezeichnet am meisten:

seine Absicht!

Dabei erscheint ihr gleich

wichtig, daß jeder auch die zarte Sprache des Herzens des Andern verstehe,

achte,

ja auf sie

sich nicht durch vorgefaßte Meinung

und Leidenschaft darüber verblende.

Und nun mögen wir einfach es sagen,

was die Leser hier finden: das durchhin wir­ kende

Motiv

Verirrung,

der Seelen-

oder

das Nichtverstehen

Neigungs-

der

Herzen

bis zu der unabwendbar erfolgenden CöW'on; feine psychologische Intentionen,

edle^Hal-

tung, Durchführung; eine gebildete Lebensan-

sicht, lebenstreue Verwickelung,

gelinde Lö­

sung, zartvermittelndes Einschreiten, ächtweib­ liche Behandlung



auch

Charaktere.

Eben so

ten

viel Geschehenes

sichtbar

der

männlichen

liegt den Begebenhei­ zum

Grunde,

das in dieser Form aber Niemanden verletzen

kann.

Wir finden hier eine Dichterin, deren

Schöpfungen und Gemüth Eins

find,

und

miteinander beurtheilt werden möchten. Die Kunst in dem Buche ist nicht größer als das Herz,

aber auch so groß.

Denn herz­

lich zu sein, ist die Kunst der Frauen, und auch ihr Geschick.

Alles Andre und Beßre werden die Kunst­ richter besser sagen.

Muskau, September 1837.

Leopold Schefer.

Inhalt. Seite Herz und Weltsinn..............................................

5

Lebensglück und Liebesglück.................................. 67

Fanny............................................................... 187 Lebensbilder........................................................ 275

Herz und Weltsinn.

Herz im- Weltfinn. In Paris lebt seit vielen Jahrm der Inha­ ber einer Waffenfabrik,

mit Namm Holm,

gebürtig aus Deutschland,

welcher auf seiner Wander­

schaft in jene Hauptstadt gelangend, ein Unterkom­ men in der Werkstatt eines Landsmannes gefundm

hatte, und nachgehends

Erbe gewordm

war.

dessen Schwiegersohn

Als frommer,

und

umsichtiger

Mann wußte Herr Holm die errungenen Vortheile

zu schätzen und zu benutzen, gleichwohl war es seine

Bestimmung^ das bittere Leid des Lebens zu erfah­ ren.

Nachdem

er vier liebenswürdige Kinder in

schneller Folge hatte dahin sterben sehn,

untergrub

der Gram hierüber die Gesundheit der Mutter, und

bei ihrem Tode war nur noch eine Tochter am Le-

bm, welcher von ihr, gegm dm Wunsch des Man­

nes, in zärtlicher Wehmuth bei Name Aimve

beigelegt

wordm

der Taufe,

der

war. — Herr

Holm zeigte sich dm Franzosen nicht ebm abhold,

1

2 aber als Deutscher

als

echten Sinne des Wort's,

im

streng gläubiger Reformirter,

das sein

und

sagen kann,

und wenn man

als ein fast zu streng

rechtlicher

Mann.

nur zwei

poetische Hinneigungen,

In seinem Gemüthe wurzelten

lebhafte, innige

Zärtlichkeit für seine Tochter, und eine leidenschaft­ liche Vorliebe

für Musik.

genstände war selbst

Ueber diese beiden Ge­

gen eine ernste, trockene,

zeigte,

indessen er im übri­

unbeugsame Lebensansicht

welche ihn stets auf dem

Pflicht erhielt; und

weicher Schwär­

ein. Anflug

merei ihm nicht ganz fremd,

geraden Weg der

da er für das Schwanken im

Gemüthe Anderer keinen Maasstab hatte,

konnte

man ihn füglich zu den Leuten rechnen, welche, in­ dem sie ihre Umgebung beglücken, dennoch von die­

ser ein wenig

gefürchtet

werden. — Nach

dem

Tode seiner Gattin hatte er die Leitung des Haus­

standes einer alten Frau anvertraut, welche als Erb­ stück, nach des Schwiegervaters Tode, bei der Fa­

milie des Nachfolgers geblieben war. — Madame

Deborah,

wie sie

im

ganzen Hause

gmannt

wurde, mußte für eine vortreffliche Frau gelten; sie liebte Aim^e Erziehung

aufs Zärtlichste

und

so gut sie es verstand.

leitete

deren

Herr Holm

3 lebte,

obwohl beinahe reich zu nennen,

manche Weise gebildet,

das Leben

und auf

eines

echten,

schlichten Pariser Bürgers, und in einem demgemä­ ßen Sinne war auch die Erziehung seiner Tochter,

ihr Anzug,

ihre

ganze Umgebung.

was zur feineren Bildung gehört,

Von

allem

wurde dem jun­

gen Mädchen nur Unterricht in der Musik zu Theil, und

da auf

solche Weise mit

keine Versplitterung vorging,

ihren Fähigkeiten gelangte sie, ohne

so

daß der Geist eine allumfassende Richtung gewon­

dennoch

nen hatte,

in beschränkterem Sinne,

zu

ansprechender Vollkommenheit.

Als

Aimee

das

16te

Jahr

führte Herr Holm seine Tochter

zurückgelegt,

in die Welt ein,

das heißt, er machte mit ihr und Madame Debo­ rah

an Sonn- und

Umgegend von Paris,

Festtagen Ausflüge

und

in

die

bei ländlichen Festen,

welche in solcher Veranlassung sich darboten, durfte

der erste Gehülfe und Fabrikaufseher, Joseph Ro-

fte, Aimve zum Tanz führen^ derm Vater bei dem Auftreten der hübschen, Freude empfand.

jungen Leute sichtlich

Während des Werktages dagegm

war von keiner weiteren Zerstreuung die Rede, und

nie kam es

Aimve in den Sinn,

Anderes zu

4 wünschen noch zu begehren.

Wer mit Menschen

festen Charakter lebt,

von bestimmtem,

weiß was

er zu hoffen und zu erwarten hat, und lernt dadurch, unwillkürlich, das Glück des Lebens, Beschränkung,

sich aneignen. — Joseph Rosiv war einziger Sohn des bestm

den Herr Holm in Paris besaß,

Freundes,

Verhältniß,

welches seinen ersten Grund

ein

darin ge-

funden, daß der alte Rosiv ebenfalls der reformir-

ten Kirche angehörte. mehr als Aimve,

Joseph zählte einige Jahre schon im Knabenalter war er

in die Fabrik ausgenommen und als Aimve sich im sechzehnten,

jahre

befand,

Geschicke

vor.

Joseph im

stand

zwanzigsten Lebens­

dieser derselben

Alle Welt

sah

in

mit großem dem

jungen

Manne den künftigen Schwiegersohn des Hauses, um so mehr,

weil Aimöe ihn jetzt eben

so zu­

traulich Du nennen durste, wie zu einer Zeit, beide im kindlichen Alter miteinander spielten. ten vielleicht haben zwei

Jugend glücklicher

als

Sel­

junge Personen ihre erste

zugebracht; Joseph lebte und

athmete nur jür Aimve,

sei, bezweifelte er nicht,

daß sie ihm bestimmt

und wandte ihr eine Liebe

zu, wie solche nur immer durch die feurige Natur

5 zärtlichen

eines

lebhaften Gemüthes hervorge­

und

Aimees Seele war umge­

rufen werden mag.

mit Josephs Bilde nicht in dem nämli­

kehrt,

chen Grade beschäftigt, sie freute sich, wenn er kam,

sie war ihm von Herzen gut,

und immer gab es

zu schaffen, sie sangen dann auch

für ihn

etwas

wohl miteinander und erzählten sich die kleinen Er­ eignisse des Tages, die Sehnsucht aber, welche seine

Brust erfüllte, war ihr unbekannt.

Im Absatz

Steigen Statt,

der Fabrik fand

ein beständiges

die Handelsverbindungen breiteten

sich immer mehr aus,

und Herr Holm, der bis

dahin Allem selber vorgestanden,

sah sich nach ei­

nem geschickten Buchhalter um, den er bald darauf an einen ihm

empfohlenen

hoffen durfte.

Die Aufnahme neuer Mitglieder in

Schweizer zu erhalten

einem kleinen häuslichen Kreise veranlaßt nicht sel­

ten im Anbeginn einiges Unbehagen; im vorliegen­ den Falle wurde aber hiervon wenig bemerkbar,

die Hausbewohner sich nicht

sonderlich

in

ihrer

stören ließen

und

da

einfachen Weise

dem Fremden

schnell ein heimathliches Gefühl einflößten.

Nur Joseph hältniß

nicht recht

konnte sich in das neue Ver­

finden;

er

saß Aimee am

6 Tische gegenüber und gewohnt ihre Augen nur auf sich gerichtet zu sehn, mußte es ihm auffallen, daß ihre Aufmerksamkeit ihm nicht mehr ungetheilt zu­

gehörte.

Sie blickte nach wie vor lächelnd auf, so

oft Joseph sprach und mit echt ftanzösischer Le­

bendigkeit

Fremde,

das Wort

führte,

redete

dagegen

der

welcher Eugen hieß und nach herrschen­

der Sitte, im Hause, nur Monsieur Eugene ge­

nannt wurde, so wandte sie sich auch diesem zu, obwohl selten lächelnd, oft,

geschah

es

aber,

denn er mischte sich nicht mit einnehmender Anmuth

in ein fröhliches Gespräch. Für Aimee war es

ziemlich unabwendbar,

beide junge Manner mit einander

zu vergleichen;

dem Aeußern nach glich Eugen einem Franzosen fast mehr als Joseph, welcher ein Helles, lebhaf­

tes Colorit, lichtbraunes Haar und Augen von der­ selben Farbe

hatte,

indessen bei Eugen

sich in

aller Weise eine südlichere, dunklere Färbung geltend

machte.

Verschieden wie ihr Aeußeres schien auch

ihre Gemüthsanlage; Joseph war unbesorgt, voll

Lebens- und Jugendmuth, nahmen aber seine ftöhlichen Augen einen ernsteren Ausdruck an, darin etwas,

so lag

welches unwillkürlich Achtung gebot,

7 und sein Blick schien in

die Seele dringen zu

solchen Momenten bis in

Auch mußte seine

wollen.

milde Güte um so tieferen Eindruck hervorbringen,

da man sah, daß er zürnen könne.

Er war als

Ausnahme ernst, Eugen als Ausnahme fröhlich. Josephs Manieren

diejenigen eines

waren

jungen, gewandten französischen Bürgers, Eugens Betragen dasjenige eines Mannes,

der in anderen

und höheren Kreisen gelebt hat, und selbst da, wo

er einfach ist und sein will, etwas von der Eleganz seiner Weltsitte durchblicken läßt. — Hierin war

ihm Aimee ähnlich, deren zierliche Gestalt,

schwebender Gang,

ihr

freilich

selber

deren

unbewußt,

Allem was sie vornahm, den anmuthigsten Anstrich verlieh.

Eugen besaß

eine tiefe,

melodische Stimme

und diese Entdeckung führte dazu, daß oft am Abend

an denen der Haus­

Terzette vorgetragen wurden,

herr seine innige Freude hatte. gab

die Verschiedenheit

sich kund.

der

Auch im Gesänge

beiden

Joseph trug alle

jungen

Leute

zärtliche Lieder mit

der ungekünstelten Innigkeit eines reinen Herzens vor;

aus

jedem

Worte,

athmete schwermüthige

welches

Glut,

Eugen

sang,

überwallende Leiden-

8 Das Leben im Hause

schäft.

blieb

übrigens im

Ganzen unverändert, Aimee mußte bei Führung des Hauswesens thätig an die Hand gehn, schlief

am Abend zufrieden ein und erwachte fröhlich am Morgen; sie wußte, der Tag brachte ihr nur Gu­

Wenn sie sich

tes.

jetzt aufs Land begaben,

war auch Eugen in der Gesellschaft,

Freude daran fand,

so

so ost er

zu Josephs Leidwesen aber

stand es ihm alsdann auch frei, mit derjenigen zu

tanzen,

die bisher nur ihm diesen Vorzug gewahrt

hatte; das schien ein Eingriff in seine Rechte und er beklagte schmerzlich, ihn dulden zu müssen.

Sich

jedoch um Aim6e zu bewerben, wagte er nicht,

fest überzeugt,

der Vater werde, wenn diesem die

Zeit gekommen zu sein schiene, ruhig sagen: »Jo­ seph ich gebe Dir Aimee zur Frau,

dann

ist Eure Hochzeit.«

Nun aber

junge Mann diesen Zeitpunkt herbei,

dann und

sehnte der

der sich für

seine Ungeduld viel zu lange hinzog.

Herr Holm bewieß den beiden jungen Leuten

Wohlwollen,

jedoch war er gegen Joseph stren­

ger, weil er ihn mehr liebte. in

dem Wesen

Seltsam gmug liegt

wahrer Zuneigung das Bestreben

nicht sowohl sich selber

sondern Geliebtes veredeln

9 Das Bedürfniß Vollkommenes zu lie­

zu wollen.

ruht in jeder menschlichen Brust,

ben,

und wo

edle Eigenschaften nicht vorhanden sind, da schafft eine

Einbildungskraft

nie ruhende

dieselben,

sich

um das theuerste Wesen damit zu schmücken.

kleine Versehen,

Jedes

welches Joseph beging, jede ge­

ringe Unbesonnenheit,

die an den Tag kam, fand

die strengste Rüge, scharfen, auf den unerfreulichen Umstand ost zurück kommenden Tadel.

Sagte oder

unternahm dagegen Eugen etwas, welches Herm Holm,

seinen

Grundsätzen

nach, misfallig

sein

mußte, so war die Sache mit einem ernsten Blick, mit einem bezeichnenden Stillschweigen, schnell abge­

macht und eben so schnell vergessen. Sechs Monate waren seit Eugens Ankunft

verflossen,

da

nahte der dritte Mai,

Tage Herr Holm

an welchem

stets mit seiner ganzen Haus­

genossenschaft das Abendmahl zu nehmen indem

pflegte,

mit demselben Erinnerungen verknüpft wa­

ren,

welche

sich

zu

gekommen, Zimmer,

er

auf diese Weise

bewahren

suchte.

Als

zu heiligen und

der

Vorabend

trat Deborah zu Aimee in's

welche, das Köpfchen aufgestützt, gedan­

kenvoll vor sich hin sah; beim Eintreten der guten

10 Frau fuhr Aimee rasch in die Hohe, und blickte da diese aber schwieg, versank sie

sie fragend an,

wieder in

ihre nachsinnende

Deborah stellte gen

auf

den

Madame

Stellung.

ein Körbchen voll schöner Oran­

Tisch:

Hier Aimve,

meine süße

Liebe, das schickt Dir Joseph. Ich danke.

Wie befindet sich Joseph? —

er hat

Eben komme ich von ihm,

heftiges

Fieber und der Gedanke morgen nicht mit uns sein zu können,

Mensch!

betrübt ihn innig.

Der liebe, junge

wie fromm und gut er ist! die Orangen

hatte eben seine Mutter gebracht, aber, obgleich er vor Durst fast verschmachtete, rührte er sie dennoch

nicht

an.

»Für Aimve,«

sagte

er, »und sah

mich dabei mit seinen lieben, guten Augen so Herz­

gewinnend an, daß ich mich der Thränen kaum er­ wehren konnte.«

»Du bist seine treue Freundin.«

»Ja, und ich danke Gott dafür, den Guten lieben, heißt auch gut sein.«

Sieh'

Deborah,

ich

bin Joseph

gut,

von Herzen gut, und wenn ich es manchmal nicht

recht äußere, so ist es Deine Schuld; alles was Du

11 zu seinem Lobe sagst, soll Tadel für einen Andern bedeuten, das verdrießt mich.«

»Du denkst

immer an den Andern, Engel­

chen, und deshalb beziehst Du Alles auf ihn, Gu­

tes und Schlimmes.

Was

mich betrifft, so sage

ich meine Ansicht frei heraus.

mir des Morgens im

Wenn der Joseph

Hause

seinen hellen Augen ansiehk,

begegnet, mich mit

und mit einem höfli­

chen Nicken des Kopfts grüßt, so denke ich immer,

es müsse mir wiederfahren.

sagt

mit

den

Tag über noch

etwas

Gutes

Kommt dagegen Herr Eugen, und

seiner

gewandten

Verbeugung:

morgen Madame Deborah,

so

Guten­

fasse ich gewiß

an meine Schürze, oder schiebe die Haube zurecht, denn er sieht immer aus, so freundlich er sich auch

mag,

stellen

als

ob

er irgend etwas Lächerliches

gewahre, und nur eben aus Vorsatz nicht darüber

lache.«

gut

Wie

ungerecht Du bist! sieht

und

angenehm

aus,

Eugen nicht

und hat er nicht ein

Paar schöne Augen? — Schön? o ja, nur nicht nach meinem Sinn,

ich traue den

Augen nicht, in denen Gewitterwol­

ken im Hintergründe liegen.

Wehe der Frau, die

12 gutem

nach

Wetter

in

den Augen ihres Mannes

suchen muß! Launen sind eine ganz hübsche Sache, so lange sich damit spielen läßt, wenn aber bitterer

Ernst daraus wird! — Ein's

muß ich

chen; heute Morgen

Deinen Vater

Dir noch anvertrauen, Herz­

sah

ich, zum

ersten Mal,

zu Herrn Eugen auf dessen Zim­

mer gehn; zufällig hatte ich allerlei auf dem Vor­ platze zu schaffen, hörte sie auch reden, konnte aber

kein Wort verstehn, nur zuletzt, als. ich eben etwas naher trat, um der Zugluft zu entgehn, vernahm

ich wie Dein Vater sagte:

Zch wünsche, daß Sie

meiner

Tochter diese Mittheilung nicht vorenthal­

ten.«

Gleich darauf trat er

aus

dem Zimmer,

sah mich mit Blicken an, die mir alles Blut in's

Gesicht trieben und äußerte: Herr Eugen ist un­

wohl und wünscht einige

Tage auf seiner Stube

zu speisen.«

weiß ich



Weiter

bis zu dieser

Stunde nichts, begreifst Du —

Ach gute Deborah, wer weiß ob Du recht gehört.

Höre, Du

bist sonst immer so

gut, so

theilnehmend, unser aller, liebe Mutter Deborah,

wie

kommt es nur,

daß

Du Dich um

Eugen

13 nicht

im

mindesten

ihn

bekümmerst,

nicht

be­

suchst? -

das

Nein Armee, da müßte ich

mir nicht übel,

nimm

erst die Gewißheit haben,

daß er

recht von Herzen krank ist.

Wer sagt Dir, daß es nicht der Fall sei? — Possen, wer wie

er, mit

großen Schritten

im Zimmer auf und ab rennt, wird so gar krank

Launen mag

nicht sein.

gleich einem

haben,

er

vornehmen Herrn, krank ist er schwerlich.

gens ist noch ein Auftrag

auszurichten;

Uebri-

als ich

Joseph verließ,

rief er mir nach: Ersuchen Sie

Aimee, morgen

für mich zu beten, Gott zu bit­

ten,

Freude an einander

daß er uns Glück und

denn daß wir für einander bestimmt

erleben lasse,

sind, weiß sie so gut als ich.«

Aimee erröthete: Das sagte er! — Ja, und mit einem Ausdrucke, einer Leben­ digkeit!

»Bete für ihn,

mein Kind,

Du bittest

für Dein eignes Glück.« Einige

Aimee

Tage

eine

spater

vierhändige

spielten Sonate

Eugen

und

miteinander.

Herr Holm wurde abgeruftn, und das Spiel eine Weile fortgesetzt, bis bei einer zufälligen Berühmng

14 ihrer Hände, Eug en die Hand Aimees ergriff, und sehr

bewegt sagte:

Ich

habe Ihnen

etwas

mitzutheilen, Aimee, welches zu verschweigen mir

als

Mann von

Ehre nicht geziemt, wie ich denn

auch von Ihrem Vater dazu aufgefordert worden; der junge Mann stockte eine Weile und schien mit

sich zu kämpfen, dann mit festem Blick seine junge Freundin

betrachtend,

freundlichen

unseren

eintreten,

fragte er leise: Verhältnissen

Würde in

eine

Störung

wenn ich Ihnen gestehe, daß meine Re­

ligionsansicht von der Ihrigen abweicht? —

Ein leichtes Beben überflog Aimees Gestalt,

sie erbleichte, und sagte nach einer Pause: Warm Ihre Eltern der katholischen Religion zugethan? —

Meine Eltern? — Nein

ich

bin

Mädchens

er­

Aimee,

Katholik aus Ueberzeugung.« Die lebenswarme Hand

kaltete

in der

seinigen,

beide

des

schwiegen,

mdlich

stand Eugen auf um sich zu entfernen, da drehte

Aimve das Haupt zu ihm hin und fragte leise:

Aus Ueberzeugung? Er nickte bejahend: Aus Ue­

berzeugung Eugen? —

»Ja Aimee, wie oft soll ich es wiederholen.« O Eugen zümen Sie nicht, Sie sehen ich

15 bin unfähig

es

zu tragen.

rief sie schmerzlich,

Ueberzeugung!

Aus

und hob die gefalteten Hände

empor.

Ich verkenne Sie in diesem Augenblick gänz­ lich, Aimve. könnte,

Das Einzige was Sie beruhigen

scheint

Sie

zu qualm.

Welchen

irgend

achtungswerthen Grund kann man für einen Reli­

gionswechsel haben, wenn

es

nicht

ist? — Wenn Sie mir wohl wollen,

Ueberzeugung sollten Sie

bitten, Ihnen dieses Wort aus dem Grunde

mich

meiner Seele zu wiederholen.« Ich will Ihnen wohl, Eugen, Sie wissen cs nur zu gut,

fassen.

Aus

aber lassen Sie mir Zeit mich zu

Ueberzeugung!

wiederholte Sie noch

einmal mit schmerzlichem Tone, indessen Thränen

ihr Gesicht überströmten. In Eugens Zügen kämpften die gemischtesten

Empfindungen, Stolz, Unwille, Mitleid und Nei­

gung.

»Aimee,« sagte er nach einer Pause, »habe

ich mich denn

gänzlich in Ihnen geirrt? —

Ist

die Form Ihnen alles und das Wesen nichts? — Verehren wir nicht dieselbe erhabene Gottheit, wenn auch unsere Gebräuche von einander abweichen? Es giebt nur Einen Herm des Himmels und der Erde

16 und ich beuge mich im Staube vor seiner Allmacht und bete ihn an.

Was

begehren Sie mehr? —

Ob ich dazu der Formen bedarf, welche Ihnen entbehrlich scheinen,

kann über wahren Werth oder

Unwerth schwerlich entscheiden.« »Und doch,

Eugen,

diese Abweichung entscheidend. bedürfen Sie dieser Formen,

in meinen Augen ist Warum, o wamm,

welche unser einfacher

Glaube verwirft, warum, wenn keine Schuld Ihre

drückt,

Seele

flüchteten Sie zu

einer Religion,

welche dem Fehlenden tauschende Sühne gewährt?«-Eugen richtete sich stolz empor: »KeinWort weiter, Aimve,« sagte er befehlend, »kein Wort

weiter.

Ich will solche Anschuldigung auch aus

Ihrem Munde nicht hören; das Recht so mit mir zu reden, Sie

es

konnte ich allein Jhnm geben,

mißbrauchm,

Nie darf ein

ähnliches

ist es Ihnen

und da

genommen.

Wort über Ihre

Lippm

kommen, was ich gethan, habe Ich zu verantworten, Ihre Harte ist völlig überflüssig.« »Meine Härte? ach, Eugen!« —

Besänftigt

nahte

sagte nach einer Weile:

dieser

einige

Schritte und

»Könnm der heutige Tag

und Ihre Worte jemals vergessen werden!

liegt es

17 denn in dem Sinne Ihrer Religion so schnell zu verdammen? —

Muß wer anders denkt durchaus

Schuldiger,

der Vergebung Bedürftiger sein?

ein

O Aimve, solche Schlüsse, solche von jeder Milde entäußerte Schlüsse, werden Ihrem Glauben schwer­

lich

gewinnen! — . Besinnen Sie sich

Anhänger

wohl.

Seit ich Ihr Haus betrat, ist Ihr Wohl­

wollen mir geworden-

guten,

Sie haben mich für einen

vielleicht darf ich sagen,

menden Menschen gehalten.

für einen einneh­

Bin ich denn das Alles

Sie wissen, daß der Cultus mei­

nicht mehr, seit

nes Glaubens von dem Ihrigen abweicht. Aimve

bin ich

dadurch

deshalb

nicht

ein Anderer geworden?

mehr

gut,

nicht mehr

Bin ich der

Liebe

werth?« —

»Nicht mehr gut? ach Eugen,

nun kommt

Alles an den Tag, was in den Tiefen meiner Seele

schlummerte.

Sie sind gut, aber— ob Sie nicht

mehr einnehmend als gut sind! — Sehen Sie mich nicht so an,

ich muß nun Alles sagen;

ich Ihre Güte bestehe

denn nie ist mir das eigentliche

Liebenswürdigkeit,

Wesen

derselben

Ihre Fehler,

oft denke

in Ihrer einschmeichelnden

recht klar geworden.

man

fühlt sie,

Man sieht

aber kaum ist das

18 geschehen, so verwischen Sie den Eindruck mit Ihrer Herz gewinnenden Freundlichkeit,

mit der zutrau­

lichen Offenheit, mit all dem Zauber Ihres Geistes.

Eben jetzt,

wie rauh waren Sie,

und ich vergebe

Ihnen, um Ihres Blickes willen, um des Ton's willen,

der nicht

Aber was

vergeblich zum

beweißt das?



Herzen spricht.

Es spricht für die

richtige Anwendung liebenswürdiger Gaben, ein Be­

leg für Ihre Herzensgüte ist es nicht.«

»Der Beleg, wie Sie es nennen, liegt Ihnen vielleicht näher als Sie denken,

Aimeez

würden

den Muth haben mir das Alles zu sagen,

Sie

wenn Sie nicht auf meine Herzensgüte rechneten? Würden

Sie

Vergebung für diese Worte hoffen

dürfen, wenn ich kein guter Mensch wäre?« — »Ja Eugen,

ich dürfte dennoch darauf rech­

nen, denn Sie verzeihen mir aus Neigung.«

Ueberrascht blickte er sie an, lächelte, und sagte

dann:

»Aus Neigung? Süßes, thörichtes Wesen,

ich könnte Neigung für Sie empfinden und Ihnen

dennoch nicht vergeben, wäre ich nicht besser, als Sie denken.— Sie sind anders erzogen als ich, ALmee,«

sagte er zutraulich sich zu ihr setzend ; »Alle Män­ ner, auch die Besten,

sind sündige Menschen, im

19 Vergleich zu den Besseren Ihres Geschlechts. ist eine

Wahrheit,

Das

die jedem Manne einleuchten,

die er um so weniger verwerfen wird, da in un­ serem Weltleben manches liegt,

was

Verschlechterung mit sich führen muß.

nothwendig

Es ist kaum

zu ändern. — ' Wie einfach Sie aber auch erzogen sein mögen, so liegt in Ihnen eine Bildungsfahigkeit,

eine Auffassungsgabe,

welche Sie weit über

viele Ihres Gleichen stellt, und eben deshalb mögte ich von Ihnen gefaßt und verstanden werden. Von

meiner ersten Jugend sage ich Ihnen nur, daß ich sie unter dem Druck einer strengen Erziehung seufzte.

ver-

Das einzige Gute was mir daraus erwuchs,

war ein Schatz von Kenntnissen.

Mein Vater« —

Herr Holm trat wieder in's Zimmer, Eugen

schwieg,

stand auf und machte eine verständigende

Bewegung gegen ihn, welche dieser mit einem bil­

ligenden Neigen

des Kopfes

erwiederte.

Armee

beobachtete Beide wahrend des übrigen Abends mit

Aufmerksamkeit; es war klar, ihr Vater war nicht mehr so freundlich gegen Eugen,

war höflich, mehr derselbe;

aber kalt.

Dieser

düstere Wolken

sein Benehmen

schien auch nicht flogen über seine

20 Stirn,

und sichtlich unterdrückte er die Aufregung

verletzter Empfindlichkeit. wünschte Aimve

Lebhaft

Joseph

herbei,

dessen unbefangene Heiterkeit schon oft einen Mißton

ausgeglichen hatte.

Am folgenden Morgen erschien Madame De­ borah in Aimees Zimmer:

Susette hat mir gesagt,

eine

Weile

»Nun Engelchen?

daß Du gestern Abend

mit Herm Eugen ganz allein warst,

was sagte er denn da?« —

»Was er sagte? — Wir spielten Clavier mit einander.« Madame Deborah setzte sich schweigend mit ihrer Arbeit in einen Winkel des Zimmers, Aimee ging unruhig hin und her, endlich blieb sie stehen: »liebe, liebe Mutter Deborah, bist Du böse auf

mich?« —.

Jene nahm ihre Brille ab und entgegnete be­

wegt:

»Böse

eben nicht,

aber es krankt mich,

daß Du, welche noch niemals eine Unwahrheit ge­

sagt hat, es jetzt um dieses Menschen willen thust. Unwahrheit ist der erste Weg zur Sünde, den Weg lernst Du durch ihn kennen.

Nun,

weine nicht

21 so,

Aimee,

mein Liebstes,

ich kann Dich nicht

weinen sehn.«

»Nein, ich will es Dir sagen, wir hatten eine Unterredung mit einander,

aber was er mir mit-

theilte, darf ich nicht verrathen, nur der Vater weiß es,

selbst oft die schönen

und Du hast mir ja

Worte der Schrift gesagt:

»»Wer ein Geheimniß

verrath, mit dem ist es aus.««

Freilich, freilich, wohl indessen denen, die keine

Geheimnisse zu verschweigen haben, und deren Herz rein ist von Sünde! — Eigentlich wollte ich Dir einen Gruß von Joseph bringen, morgen erscheint

er wieder in unserem

Kreise.

hat mir überall gefehlt.

Sein liebes Gesicht

Der arme, junge Mensch!

lebte sein Vater noch, der hatte ein Ende gemacht, und. Du warst langst Madame R o sie.

»Immer liegt Dir diese Heirath im Sinn.

Wer weiß, ob ich jemals Josephs Frau werde.« »Ja,

wer weiß!

da

hast Du wohl Recht!

ist es nicht der Fall, so wirst Du bittere Thränen

noch

zu weinen

haben,

und dann erinnere Dich,

daß ich Dir Besseres gewünscht habe.«

An dem Tage, dacht hatte,

dessen Deborah früher ge­

war Herr Holm in Eugens Iim-

wer

getreten.

Er machte diesen nach kurzer Ein­

leitung mit der Sitte des Hauses bekannt; Eugen

hörte aufmerksam

als Herr

zu,

Holm

schwieg,

raffte er sich zusammen und erwiederte ruhig: »Ich würde mich

mich

glücklich

schätzen an

dieser feierlichen

läge es für

Theil nehmen zu können,

Handlung

nicht

außer dem

Ich bin Katholik.«

Bereiche

der

Möglichkeit.

Herr Holm fuhr in die Höhe,

beide Männer standen einen Augenblick schweigend,

unbeweglich,

Auge

in Auge.

Eugen hielt den

auf ihn gerichteten Blick mit Festigkeit aus, Blut war aus seinem Antlitze gewichen,

Augen im lebhaftesten Feuer strahlten. Pause äußerte Herr Holm: Brief meines

ich meine,

alles

indeß die

Nach einer

»So muß ich den

Freundes mißverstanden haben, denn

Ihres Vaters sei darin,

als des Pre­

digers einer reformirten Gemeinde gedacht.« »Allerdings war er das,

ich bin nach seinem

Tode aus Ueberzeugung zur katholischen Kirche über­ gegangen. «

chenden, erwiederte.

Derselbe feste Blick traf den Spre­

welchen

er

mit der nämlichen Festigkeit

»Das verändert freilich Alles. —

Ich

liebe bei feierlichen Handlungen feierliche Gedanken,

und jedes müßige Gerede ist mir bei solchem Anlaß

23 doppelt verhaßt.

Durch meine Schuld halt man

Sie hier im Hause unserer Kirche zugethan, wollen

Sie mir nun ein Opfer bringen? Darf ich sagen, daß

Sie sich unwohl fühlen, und Ihr Zimmer während Eugen ver­

ein Paar Tagen hüten wollen? —

beugte sich schweigend, Herr Holm hub nach einer Pause von neuem

an:

»Was

ein

Mann aus

Ueberzeugung thut, muß er verantworten, ich sage dazu nichts, als nur, daß unsere Begriffe von Recht und Unrecht verschieden scheinen; übrigens bitte ich,

daß Sie

meine Tochter von

diesem Umstande in

Kenntniß setzen mögen.«

Mit den letzten Worten war das der jungen Leute ausgesprochen. nicht

ohne

Bewegung

Schicksal

Herr Holm hatte

wahrgenommen,

wie

sehr

Aimee in stiller Neigung sich Eugen zuwende;

der lebhafteste Kampf entstand in seinem Innern; er liebte Joseph, er wußte, daß dieser Hoffnung

hegte,

aber

durfte das ihn bewegen, der Neigung

seines einzigen Kindes Zwang anzulegen? —

Er

selber hatte

mehr aus Vernunft als aus Neigung

geheirathet,

und war glücklich

Weise,

gewesen

auf seine

aber er wünschte seiner Tochter ein anderes

Glück, um so mehr,

fügte er in Gedanken hinzu,

24 da Frauen doch nun einmal einen poetischen Sinn haben.«

Vielleicht zum ersten Male im Leben un­

schlüssig, war er geneigt die Sache noch eine Weile jetzt aber war die Entscheidung

so gehn zu lassen;

da; von Eugen konnte gar keine Rede mehr sein,

und Aimee mußte diese Ansicht theilen, sobald sie die Wahrheit erfuhr. Am folgenden ihren Noten

ein

Aimee

Tage fand

zwischen

zusammen gefaltetes Papier und

Eugens Handschrift erkennend, eilte sie damit auf

ihr

Stübchen,

wo

sie mit der ganzen Bewegung

eines erregten Herzens Folgendes las:

»Ich sagte Ihnen, daß es nicht mein Wunsch sei, von Ihnen verkannt zu sein,

Aimee, und

darin liegt die Veranlassung zu diesen Zeilen.

sen

Sie

das Nachstehende, so

Le­

viel möglich mit

Besonnenheit, beurtheilen Sie es mit Gerechtigkeit,

gedenken Sie meiner mit Milde. Meine Mutter Glück ist

habe

ich nie gekannt,

dieß

mir versagt geblieben, mein Vater war

ein sehr gelehrter,

und sichtlich

für höhere Zwecke

gebildeter Mann, und ich sagte Ihnen bereits, daß ich hart und streng erzogen wurde, so strenge, daß

ich mich weniger Lebensfreuden zu entsinnen weiß.

25 Ueber mein ganzes Dasein war ein geheimnißvoller

Schleier gebreitet; nie habe ich etwas von den frü­ heren Lebensverhaltnissen

meiner Eltern

Nur zuweilen äußerte mein Vater, Verwandte

am Leben

einzigen Zweige

habe, daß

einer bis so

erfahren.

daß er keine

er und ich die

weit ausgestorbenm

Es war sichtlich, daß mein Va­

Familie waren.

ter Erfahrungen, welche er gemacht zu haben schien, und

die mir unbekannt geblieben sind, von mir wünschte.

abzuwenden

Trauriger

Irrthum!

ich

sollte den Freuden des Lebens entsagen lernen, und mein Herz schwoll über, in Sehnsucht nach densel­

ben,

ich sollte einen geraden, offnen Charakter be­

kommen, und

die einzigen Ergötzlichkeiten, die mir

zu Theil wurden,

errang ich durch Betrug.

Wer

die Freiheit eines Menschen auf unnatürliche Weise beschränkt,

lehrt ihm eben dadurch alle die kleinen

Sünden und Fehler,

welche man sonst nur durch

schlimme Beispiele sich aneignen mag. —

Nicht

auf Alle würde vielleicht eine solche Erziehung den gleichen Eindruck hervorbringen.

denken,

heiter,

daß

Zch könnte mir

Joseph in ähnlicher Lage fügsam,

zufrieden geblieben wäre.

In seinem ruhi-

gen Gemüthe schlagen die Flammen, die sehnsüch-

2

26 tigen Flammen nicht empor,, welche mich

oft zu

verzehren gedroht haben. — zwanzigsten Jahre bezog ich dir

In meinem

Universität; nun war ich frei.

Ich fühlte es, tief

aufathmend, jauchzend vor innerer Seligkeit.

ich von dieser Freiheit einen sehr

machte,

werden

Sie

Daß

Übeln Gebrauch

vielleicht nicht

voraussetzen,

aber

ich gestehe es Ihnen offenherzig.

nicht

völlig

Wenn ich

unterging, so verdanke ich dieses den

Vaters,

von denen ein Theil

auf mich übergegangen ist,

und die ich staunend

Grundsätzen meines

verehrte, selbst dann, wenn, ihre Strenge mein ju­ zu Boden drückte.

gendliches Herz

Lebens

habe ich gelernt, wer ganz,

Im Laufe des ganz rechtlich

handeln will, kann nicht immer völlig milde For­ men haben. — Meinem Vater mußte Manches, ihm mißfällige, suchte

über mich zu Ohren kommen, er ver­

die Zügel wieder zu fassen, aber vergeblich,

mein lebenskräftiger Uebermuth hatte sie abgeschüt­ telt. nicht,

Selbst

Entziehung

denn ich

mir borgten.

der Geldmittel fruchtete

fand leichtsinnige Freunde, welche

Zu

meinem

Glücke oder Unglücke

ist es mir immer leicht geworden, die Herzen für mich

einzunehmen.

O

Aimee, es ist

schwer,

27 anzuwenden! —• Nach zwei

solche Gaben richtig Jahren

starb mein Vater, seine letzten Worte wa­

ren Segen über mich, unverdient, wenn man nicht

die Entschuldigung

für mich sprechen

lassen will,

welche in den Umstanden liegt. — Mein Schmerz war

tief und erschütternd,

meine Reue aufrichtig,

aber sie kam, wie fast jede Reue, zu spat. — Nach

dem Tode meines

Vaters

reichte der

Verkauf seiner kleinen Habe kaum, meine Schul­ den zu tilgen, und halb erfreut, halb verzweifelnd,

nahm

ich

das Anerbieten

an, als Secretair

ihm nach

eines russischen Grafen

in seine Dienste zu treten, und

Italien zu folgen. — Die Erinnerung

an den Grafen ist

mir noch jetzt wohlthuend z er

war der feinste, und dabei edeldenkendste Mensch,

welcher mir je vorgekommen, und ihm verdanke ich

die Weltbildung, welche oft an mir ausgefallen ist. Kenntnisse besaß ich allerdings,

sein Umgang be­

lehrte mich, daß nur die richtige Anwendung der­ selben das eigentliche

machte. —

Wesen

der

Bildung

aus­

Jede Ziererei war ihm fremd, gleich­

wohl habe ich aus seinem Munde nie einen unge­

wählten Ausdruck vewommen.

Alle Rohheit wi­

derstand ihm aus natürlichem Geschmack) eine ähn-

2*

28 liche Läuterung desselben gehört gewiß zu den Sel­ tenheiten, und nicht alles Gute ging verloren, was ich mir aneignen konnte, aber ich besaß zu geringe

Festigkeit, als daß es hätte Wurzel schlagen können.

Große Abschleifung äußerer Glück,

wo sie

Sitte ist nur da ein

mit Reinheit des Herzens verbun-

ben ist, im entgegengesetzten Falle dient sie nur zur

leichteren Erreichung unwürdiger Zwecke.

Mit

meinem

Vater

Schriftsteller gelesen,

daher den durch sie

das

alle

alteren

voll Enthusiasmus betrat ich geweihten Boden.

erste Ziel unserer

über den Eindruck,

hatte, ich

Rom war

Der Graf

lächelte

welchen ich empfand:

»Ihr

Reise.

Erstaunen,« äußerte er, »bethätigt am besten Ihre

große Jugend,

später werden Sie denken

wie ich.

Nur die Wunder der Natur sind unerforschlich, un­

erschöpflich,

und des Erstaunens werth,

was die

Kunst hervorbringt, sollte einem wahrhaft gebildeten Gemüthe, als schon Bekanntes erscheinen.

Es giebt

davon Abbildungen und Beschreibungen in Menge;

einer nicht ganz ins Kleinliche gehenden Phantasie

müßte es daher leicht werden, einen Maasstab da­ für aufzufinden.« loren, ich hörte auf,

Dieser Wink ging

anzustaunen,

nicht ver-

zu bewundern,

29 gleich dem

einem

Ernste

einem milden

welches

und

Knaben, des

Mannes.

betrachtete fortan mit

Der

Graf

suchte in

Ctima Linderung für ein Augenübel,

sich dem Blicke

unheilbar zu sein schien.

durch

nichts

verrieth und

Deshalb bedurfte er mei­

ner; ich führte seine ganze Correspondenz und (ernte

dadurch den Reichthum eines Herzens kennen, wel­

ches das einmal Geliebte mit unwandelbarer Treue Zuweilen dictirte er mir Briefe

zu umfassen schien.

an eine Dame, welche die reizendsten und doch rich­ tigsten Schilderungen

Italien mittheilten.

über

seinen

Aufenthalt

in

Aus diesen Beschreibungen habe

ich manches gelernt; er verband mit seltener Tiefe der Beobachtung eine unendliche Frische des Gefühls.

Schatten und Licht waren überall für ihn vorhan­

den,

aber er wußte

durch eine

eigene Zartheit des

Empfindens beide Harmonisch zu verbinden, Tadel und Lob

so wundersam zu verschmelzen, daß man

keines hatte entbehren mögen. — Jedes Wort, wel­ ches ich schrieb, erschien mir wie von einem geheim­

nißvollen Zauber umgeben,

jede Zeile schien Nei­

gung, tiefe, unbesiegbare Neigung zu athmen, und doch stand in dem

ganzen Briefe nie eine Sylbe,

welche darauf hindeutete.

Den Schluß dieser Briefe

30 schrieb der Graf stets selber und an den Tagen, wo

das

geschah, pflegte er in stiller

Einsamkeit nur

seinen Bettachtungen zu leben.

seine Güte wurde

Durch

eingeführt, wollende

Wer Italien richtig

man

und

enthusiastische

muß dort sich

würdigen will, muß

Sprache

mit

vertraut

völlig

Umgebung,

fremder

man ein Land ohne Vorurtheil

vermag.

oder zu^

zu preisen

— Mir wurde

bevor

sein,

dazu

volle Zeit,

wir verlebten fast drei Jahre größtentheils in ich war

für

Vorliebe

dazu hinreichende Gründe. —

waren

einwohnen,

Grafen Empfehlung,

Des

meine Jugend, meine

tadeln

alle Kreise

welche er besuchte und fand eine wohl­

Aufnahme.

die Frauen,

Sitte

ich in

am Ende dort wie zu Hause.

schien mir bekannt, befreundet und nie

Rom; er­

Alles

betrat ich

eine Kirche, daß ich nicht gleich den darin Betenden

auf die Knie gesunken wäre.

Es

liegt ein befrie­

digendes Gefühl darin, die Gottheit knieend zu ver­

ehren.

Wundersam

zogen

diese

Gebräuche

mich

an. —

Nach

Verlauf zweier Jahre wurde mir

Bekanntschaft Theil.

Ich

eines

sehr

hatte bereits

reizenden Mädchens

so viele

die zu

liebenswürdige

31 Frauen gesehen, daß aus dem Enthusiasten ein et­

was kälterer Beobachter geworden war; ihre Schön­

heit würde mich nicht hingerissen haben, was mich bezauberte, war

derselben

das Lob, welches andere Manner

spendeten.

stieg ihr Werth in

Dadurch

meinen Augen, und ich suchte ciu£ alle Weise,

günstig

für mich einzunehmen.

sie

Ich muß wieder­

es mir nie schwer geworden ist zu ge­

holen/ daß

fallen, zum ersten Mal traf ich auf Schwierigkeit, zum

ersten Mal

ohne Erfolg.

scheinend

und

mehr,

blieben meine Bemühungen an­ Das

nur

reizte

um

so

ich schwur es mir selber, daß ich dir

Schöne erlangen wolle, um welchen Preis es auch

sein möge.

ihrer

Ob ihr hoher Stand,

Familie,

nicht

verborgene

der Reichthum

Anziehungsmittel

auch waren, wage ich nicht zu entscheiden, aber ich

fürchte es.

Für meinen Stolz, für meine Einbil­

dung stand keine Frau zu hoch. — So hingerissen

ich auch sein mogte,

denn ich wurde es im Ver­

folg meiner Bestrebung,

konnte ich mich dennoch

nicht darüber tauschen, daß Francillas Gemüths­

anlage

wenig zu der meinigen passe,

aber völlig

gleichgültig; ich

es war mir

wollte mein Ziel er­

reichen, das Uebrige war Nebensache.

32 Monate vergingen auf diese Weise, nie wurde

ich zurückgestoßen, nie aufgemuntert ; gekrankte Nei­ gung,

tief verletzte

Eitelkeit und

der daraus ent­

springende Unmuth versetzten mich in die Stimmung

der aller schwärzesten Melancholie.

Der Graf sah

meinem Treiben beobachtend, aber gelassen zu, ar^ch zur Schau

die Schwermuth, welche ich absichtlich

1mg, denn ich wollte erzwingen, wÄs ich.nicht er­ werben konnte, störte seinen Gleichmuth nicht.

Er

hatte Nachsicht dafür, aber anscheinend keine Theil­

nahme.

Einige Bemerkungen, welche er gelegentlich

machte,

trafen mein Bewußtsein, aber sie blieben

unbeachtet. —

Was

mir nicht

gelingen

wollte,

glückte einigen liebenswürdigen Frauen, deren Haus der Graf oft besuchte, welche die tiefe Niedergeschla­ genheit des armen, jungen Mannes

nicht gelassen

ansehn konnten, und daher dringend um seine Ver­

wendung ihn baten.

Zögernd gab er nach; feiner

Fürsprache, seinen Vorschlägen, wie man am besten einen Weg

zu einer diplomatischen Laufbahn mir

eröffnen könne,

gelang die Vermittelung.

cilla wurde mir zugesagt,

Bedingung, mischen

daß ich vor meiner Heirath

Kirche

mich

Fran-

unter der unerlöslichen

bekennen

müsse.

zur Rö­ Daß ich

33 diese Zusage gab, verdient vielleicht Billigung, Ent­ da die ansprechenden Ge­

schuldigung mindestens,

ihre un­

bräuche dieser Religion, ihre Feierlichkeit,

ermeßlich prächtigen Kirchen, bereits

gefangen

mir Herz und Sinn

genommen hatten.

war in

Ich

einer andern Religion erzogen, doch der Lehrer der­

selben

hatte es nicht verstanden,

meine Liebe

für

diese rege, zu machenz wo ich nach Duldung mich fthnte,-fand ich unerbittliche Strenge.

Für

den Augenblick

war ich

der glücklichste

aller Menschen; das unsinnige, ganz hoffnungslose meiner Bewerbung

gens.

erhöhten den Reiz des Gelin­

Selten vielleicht hat

jemand

das Glück,

die Seligkeit, welche er empfand, so überströmend, überwallend an den Tag gelegt. meinen Empfindungen ich

fand

unzählige

Immer habe ich

Worte geben meine

Wonne

Monate vergingen auf diese Weise,

können,

zu

und

schildem.

für mich nur

gestört durch ein Kränkeln des Grafen, welches den

Aerzten

bedenklich

erschien. -— Allmälig

begann

mein Entzücken sich etwas abzukühlen, meine Eitel­ keit war befriedigt,

der Reiz der Neuheit vorüber,

und so beachtete ich jetzt auch die Dornen,

früher nur die Rosen bemerkt hatte.

wo ich

34 Noch befand ich mich in denselben Verhält­ nissen im Hause des Grafen, indessen man vorbe­

reitend durch Gold und Einfluß dahin strebte, mir

eine Anstellung zu verschaffen, und ich dem ernsteren

Studium

der

römischen Glaubenslehre

mich

widmete. — Nachdem die erste Bezauberung sich

gelegt, fühlte ich mich ost durch den Stolz der Fa­ milie verletzt, deren Mitglied ich werden sollte; äu­

ßerlich konnte diese Wahrnehmung nie aufkommen, denn ich war stolzer als sie alle, aber meinen Ge­

fühlen verstand ich nicht zu gerieten, und litt oft Qualen, welche nur der würdigen mag, welcher sel­ ber unbegranzt hochmüthig ist.

Auch in meinem

Verhältnisse zu Francilla lag manches für mich Verletzende, sie liebte mich jetzt, aber nur Ueberre-

dung hatte sie vermögt die Meinige zu werden.

Diese Betrachtung vergab ich ihr nie, immer war ich bemüht zu erforschen, ob Stolz, ob Verkennung

meines Werthes

ihren

Kaltsinn

veranlaßt

haben

könne; welchen Beweggrund ich auch zu entdecken meinte,

jeder

schien

mir

unerträglich.

Manche

kleine Schwachen und Fehler, für welche ich früher hatte blind sein wollen, wurden nun von mir be­

achtet und gerügt;

die tief verletzte Eitelkeit, da-

35 Erstaunen, womit solche, und das darf ich sagen,

ausgenommen wurden,

sehr sanfte Rügen mir

am

zeigten

welche unsinnige Anbetung ich

klarsten,

bis dahin an den Tag gelegt hatte.

Die Frau,

welche ich liebte, Hatte nicht sehr eitel sein dürfen,

ich war es selbst allzusehr; nach und nach entstan­ den kleine Zwiste,

welche mit entzückenden Versöh­

nungen endeten,

auch dagegen wurde ich indessen

gleichgültiger, da ich mich immer in der Lage be­ fand nachgeben zu müssen.

Der Graf, welcher fast beständig leidend war, errieth theilweise, was ich verhehlte, einst,

er sagte mir

bei einer passenden Veranlassung:

»Immer

mische ich mich höchst ungerne in eigentliche Lebens-

stagen,

für Sie habe ich, obwohl ungerne,

eine

mögte Ihnen jetzt

nur

Ausnahme gemacht,

und

Eines an's Her; legen: Sie sind zu weit gegangen, und müssen die betretene Bahn

verfolgen,

welche

sich zu einer sehr beftiedigenden gestalten kann,

so

bald Sie nicht, in trostloser Verblendung, ein voll­ kommenes Glück begehren, welches weder Sie, noch

überhaupt irgend Jemand verdienen kann. Ihre Religionsansichten sind

Ueber

Sie mit sich einig,

der Gegenstand Ihrer Liebe ist Ihnen

wider Er-

36 warten geworden,

so

sein Sie denn jetzt glücklich,

ohne nach dem Unerreichbaren zu verlangen.«

Seine

weil

Aeußerungen ergriffen mich immer tief,

stets

so viel einfache Wahrheit darin enthalten war, aber

beständig bend,

dem Einflüsse

nachge­

des Augenblickes

konnten sie auf die Lange,

weder veredelnd

noch bleibend, auf mich einwirken.

Aus

einer Art Ueberdruß an einem Verhält­

nisse, welches ich

erfehnt,

und auch

erfleht hatte,

jetzt nicht hatte aufgeben mögen, kam ich in die reizbarste Stimmung; in dieser erschien es mir oft

wünschenswerth, Francillg aufzugeben,

und es

sie mit unendlichem Stolze fühlen zu lassen, ich

ohne sie

leben,

ohne sie glücklich

daß

sein könne.

Sie kam mir zuvor; am Schlüsse eines, von mei­ ner Seite rücksichtslos geführten Streites, .bat sie mich mit Ruhe, mit erzwungener,

Fassung,

ihr Haus nie

aber sehr

mehr zu betreten.

edler Diese

Worte trafen mich gleich einem elektrischen Schlage, ich empfand in dem

einem einzigen Augenblicke,

Anschein nach

gewesen wäre.

viel

längere

Zeit

erforderlich

Das glühende Aufwallen

loschener Leidenschaft,

fast er­

das empörende Gefühl,

eine Frau auf Erden sei,

wozu

daß

welche mich aufzugeben

37 Todeskälte erfaßte mein Herz,

im Stande wäre.

meine Augen verdunkelten sich, und dennoch behielt

ich die Fassung des Ueberlögens, und sagte mir,

daß es nur einiger Bitten von meiner Seite be­ dürfen würde, unser Verhältniß, augenblicklich wie­ der herzustellen;

das Bewußtsein

wie ich,

durch

ruhige Annahme des Vorschlages, im Stande sei mich zu rachen, verlieh mir Kraft.

Ich schied mit

aber wie ein

tief Beleidigter,

zerrissenem Herzen,

mit äußerster Kälte.

An diesem Tage vermied ich so viel möglich dem Grafen zu

mir lästig siel; werden,

begegnen,

weil sein

Scharfblick

so kann auch die Milde furchtbar

wenn Gerechtigkeit

Des Abends kehrte

ihr beigesellt

ist. —

ich spät von einem Freunde

heim, und hatte dort rasch und ungewöhnlich viel

Wein getrunken, um eine Aufregung durch die an­

dere

zu überwältigen.

Beim Einbiegen

in eine

etwas entlegene Gasse, befand ich mich plötzlich in der Mitte zweier Männer,

und fühlte gleich nach

dieser Wahrnehmung einen schmerzhaften Stich in

den Arm. — Wie sehr, und ob ich berauscht war, weiß ich in der That nicht,

aber der unbewaffnete

38 Zustand gebot die eiligste Flucht.' Es gklang mir mich loszuwinden, aber nur für kurze Zeit, von

meinen Verfolgern ereilt,

empfand ich noch zwei,

drei Dolchstiche, und dann überhaupt nichts mehr.

Als mir zuerst ein dämmerndes Bewußtsein glitt der Name Francilla's leise

wieder kam,

über meine Lippen z

der erste Gedanke des Erwa­

chenden ist derjenige, mit welchem er entschlummerte. Ein Stich

in der Brust

nächste Vergangenheit.

erinnerte mich

an die

Ich schlug die Augen auf

und erblickte neben dem Lager, auf welchem ich mich befand, einen Franziskaner, welcher meine Hand in

der seinigen hielt, und sorgsam meine Pulsschläge zu zählen schien.

Schweigend

blickten

wir uns

eine Weile an, dann sagte jener wohlwollend: Be­

ruhigen Sie sich,

Sie sind in guter Obhut,

werden mit Gottes Hülfe genesen.

und

Verbannen Sie

jede Erinnerung an Vergangenes, nur Körper- und

Geistesruhe vermag Sie mahnung war überflüssig,

herzustellen.« Seine Er­

schon die Anstrengung

des Hörens war für mich zu groß und ich sank

in tiefe Ohnmacht zurück. Erst nach Verlauf einiger Wochen ich

zu

völlig

klarem Bewußtsein.

gelangte

Meine erste

39 »Ihm ist wohl l derselben ernstlicher als je über nis zu Eduard nachgesonnen.

manche Laune,

ihr Verhält­

Manches Unrecht,

trat mahnend vor

Seele, o wenn er wüßte,

war

ihre

reuevolle

dachte sie seufzend, daß

ich ihn plage, ihn quäle, aus Uebermaas von Liebe!

Dann siel ihr ein, daß er in der letzten Zeit kälter

und ernster gewesen, und offenbar vermieden habe,

99 sie seine Natalie zu nennen.

Es war ihre Schuld,

sie wußte es wohl, aber konnte sie hoffen, daß eine Verbindung mit ihr, ihm noch eben so wünschens-

werth erschien als

früher,

da

sie für eine reiche,

vielleicht die reichste Erbin des Landes galt? Seine Eifersucht auf Franz

sie abwechselnd,

beruhigte

beleidigte

und

durste sie keine menschliche Theil­

nahme zeigen, durste er nur denken, daß sie einen

Andem ihm vorziehen könne? —

Unschlüssig, zögernd löste Natalie das Sie­

gel des ihr

gewordenen Briefes,

die

Schriftzüge

schwammen.wie verworren vor ihren Augen, bevor sie Nachstehendes

geraume Zeit verging,

und zu

lesen im Stande war. »Die unerwarteten

Ereignisse der

letzten Zeit

haben eine Erklärung verhindert, welche leider zwi­ schen uns zur Nothwendigkeit geworden ist.

liebst mich nicht mehr,

Natalie,

Du

oder vielleicht

hast Du mich nie geliebt, denn wäre ich Dir wahr­

hattest Du Rath, Trost, Zunei­

haft theuer,

wo

gung

können, als bei mir allein, und wie

suchen

fern stand

ich Dir,

wahrend dieser Zeit der selt­ In Deinen Erwartungen ge­

samsten

Prüfung.

tauscht,

in Deinen Gefühlen gekrankt, gab es nur

5*

100 eine Zuflucht für Dich, das Herz,

welches ewig

unverändert, in gleicher Zärtlichkeit für Dich ge­

schlagen hat.

Wenn unser Interesse ein gemein­

sames ist, hatte ich nicht Mittheilung,

ein

Recht

an Deine

wenn meine Liebe Deine Liebe ist,

nicht ein Recht an Deine Klagen? — Aber Du

kannst mich nie

geliebt haben — nein, so plagt

man den Mann nicht, für welchen man wahre Zu­

neigung empfindet, so unzubefriedigende Ansprüche sind

der wahren Zärtlichkeit fremd, so viel Kälte

äußert nur ein ungerührtes Herz.

Während jener peinlichen Verlesung des Testa­

mentes

sah ich tief erschüttert auf Dich hin; eine

Thräne in Deinem Auge, eine noch so leise Andeu­ tung

der Reue würde jede Erinnerung in meiner

Seele getilgt haben.

mich an,

und

dieser

Kalt und ruhig blicktest Du

Augenbick entfremdete Dir

mein Herz. Die Entscheidung unseres Geschicks liegt

jetzt in Deinen Händen; wenn Du mich nicht wahr­ haft liebst, Natalie, o so habe Mitleid mit Dir

und mir, laß nicht aus Scheu vor flüchtiger Misbilligung unser ganzes Lebensglück zu Grunde gehen. —

Mein Entschluß ist für alle Fälle gefaßt,

vereinigt Dein Ausspruch uns . nicht aufs neue, so

101 werde ich ungesäumt eine mir

angebotene Anstel-

diplomatischen Fache annehmen z

lung im

willigst

Du ein. Glück und Leid mit mir zu theilen, dann

trete ich Hohenthal sogleich an, um in jener reizen­ den Gegend, mit Dir vereint,

Zukunft

einer

beglückenden

entgegen zu sehen.«

hatte Aehnliches voraus sehen kön­

Natalie

nen , dennoch traf der Inhalt dieser Zeilen sie völ­ lig

unvorbereitet.

Ihre Thränen

Blatt herab: Ich ihn nicht jemals

mich

Vorwurf

geliebt?

nur

möglich,

Hinwegfehen über

gedacht

Ware

sieten

auf das

denn

lieben!

hat er

ein so

undankbarer

wenn

er

im

liebevollen

meine Mangel der Zärtlichkeit

hätte, welche selbst meine Fehler an dm

Tag legen.«

Unter ähnlichen Betrachtungen ergriff

sie rasch die Feder, und antwortete: »Ich bin Deine verlobte Braut, Eduard, und jeden Augenblick be­

reit, mein Dir gegebenes Wort zu erfüllen.

Kränkte

ich Dich, so vergieb mir, denke, daß vielleicht ein­

mal

eine Zeit

zu verzeihen

kommen mag,

wo auch- ich etwas

haben werde, und daß alsdann auch

meine Nachsicht Dir wünschenswerth erscheinerrkönnte.

Gerne willige

ich

ein, mit Dir in Hohenthal zu

102 wohnen und

hoffe

gleich Dir auf

Zukunft.

eine glückliche

Deine Natalie.

Der Bote brachte keine Antwort zurück, später schrieb Eduard: »Meine Natalie bist Du nicht, ich fühle es nur zu tief, zu wahr, und da die Entscheidung von

mir ausgehen soll,

heit zurück.

gebe ich Dir Wort und Frei­

Mein Vater wird in drej Tagen seine

Reise nach Nizza antreten, dann verlasse auch ich

das Land,

um mich nach

wirst,

Wenn Du glücklich Erinnerung

an

England

mich

zu

Natalie,

begeben. wenn die

aufhort Dir schmerzlich

zu

sein, dann gedenke meiner, wie eines Freundes, dÄ

fern und treu Deiner gedenkt. —

Lebewohl süße

•— ich fürchte, einzige Liebe meines Lebens.« Diese

Zeilen

bewegten

Natalien ungleich

tiefer, seine einzige Liebe ? sagte er es, um sie über die Harte

zu trösten,

mit welcher er sie aufgab,

oder liebte er sie wirklich

noch,

und das Ganze

war nichts wie das verworrene Spiel ihrer Launen,

seines Mißmuthes, seiner Eifersucht. sie nun beginnen,

ihm

Was konnte

bittend schreiben, ihr Un­

recht zugeben und Nachsicht

begehren?

Sie wußte

es selber kaum, und die Tante war ihrer Meinung

103 nach

wenig geeignet,

in so schwieriger Lage Rath

zu ertheilen. — In Gedanken versunken,

ging sie

am Nachmittage desselben Tages

einsamm

Weg

am

Saume

ohne es

vielleicht

einen

des unfern gelegenen Gehölzes;

selber zu wissen, schlug sie auf

solche Weise Eduards Lieblingsweg ein,

weiterund

weiter gehend, die Entfernung nicht beachtend,

bis

sie an eine geschlossene Pforte gelangte, welche zum Bellforster Gehäge führte.

Ohne aufzublicken legte

sie die Hand auf diese Pforte, und fuhr dann, wie

von innerer

stand ihr

Eduard

über:

Ahnung

belehrt, lebhaft zusammen.

in geringer Entfernung

gegen­

Soll ich aufschließen Natalie? — willst

Du eintreten? Sie nickte bejahend und er öffnete

die Pforte, durch welche sie fast gedankenlos zu ihm hin trat.

Werdenfels faßte ihre herabhangende

Hand, und sagte

sanft:

Wolltest Du mir Lebe­

wohl sagen, dachtest Du mich

hier zu finden? —

Alle Gegenstände verwirrten sich vor Nataliens Augen, und Eduard leitete sie, fast sie tragend, zu

einem

Ruheplatzchen

in

der

Nahe.

Ihr Kopf

ruhte willenlos auf seiner Schulter, ihre süße Nahe

erwärmte sein Herz, und er drückte ihre Hand an seine Lippen, und gab ihr zuerst wieder nach lan-

104 ger

Zeit

süßen

die

Schmeichelnamen

der Liebe.

Ein tiefer Seufzer verkündete ihre Rückkehr zu deut­ lichem Bewußtsein, sie hob das Haupt empor, und

blickte Eduard mehr schmerzlich betroffen, als lie­

bevoll an.

Dieser sah ihr fest und forschend.in's

Auge: Meine Natalie, sagte er Sie seufzte wiederholt,

gend.

leise, wie/ra­

Thränen fielen auf

Deine

seine Hand herab,

welche die ihrige hielt.

Natalie? —

Eduard, wie kann ich

o

nach

allem Vorgegangenen, nach Deinen Vorwürfen — Wenn Dein Herz Dich hierher führt, so ver­

giß Alles,

den

mein und Dein Unrecht,

Fall Alles

wie jemals früher. Glückes

willen

wie ich für

vergesse, und so innig Dein bin, Aber ich

auf dieses

muß

Wort des

um

unseres

Eingeständ­

nisses bestehen, theure Natalie.« Natalie wollte reden, ein Gefühl weiblicher

Scheu, das

Gefühl eines nur zu lange genährten

Stolzes, verschloß ihr die Lippen, wahrend Eduard

in sichtlicher Aufregung die leuchtenden Augen fest

auf sie gerichtet hielt.

Nach unendlicher Ueberwin­

dung wollte sie das ersehnte Wort aussprechen, da

schreckte

sie ein Jagdruf, und das Nahen einiger

junger Manner empor, und ohne weitere Ueberleg-

105 ung

eilte sie der Pforte zu.

Eduard folgte ihr

und in heftiger Aufwallung ihre Hand ergreifend,

fragte er her?

stürmisch: Führte Dein Herz Dich hier­

Kommst

Du

Gefühl Deines Unrechts

im

Dich mit mir zu versöhnen? — Verletzt und er­

schrocken entzog sie ihm eilte weiter:

Also

hastig

ihre Hand, und

nicht Dein Herz!

flüsterte er

mit erstickter Stimme, da blickte sie athemlos auf ihn zurück,

ihm mit Hand und.Tuch winkend,

und fetzte dann hastig ihren Weg fort.

Eduard

folgte ihr nicht weiter. —

Völlig erschöpft erreichte Natalie das HauS und ihr Zimmer, und Erinnerung

des

erst hier zu völlig klarer

Vorgefallenen gelangend, warf sie

es sich lebhaft vor,

die begehrte Versicherung nicht

ohne Zögern gegeben zu haben.

War

sie doch

Eduards Verlobte, und hatte ihm bereits gestan­

den, daß er ihr das Theuerste auf Erden sei.

Un­

willig über sich, zärtlich mit seinem Bilde beschäf­ tigt, schrieb sie ihm sogleich einige Zeilen, welche

diese Gefühle mit einer Innigkeit ausdrückten, die ihn befriedigen verfügend,

mußte; dann

sich zu

der Tante

brachte sie den Abend heiterer hin denn

seit lange, und ordnete für den folgenden Morgen

106 die Absendung ihres Briefes an. Friedens

glücklichen

einer

und

Süße Bilder des Zukunft

erfüllten

ihre Seele, ruhig schlief sie ein, und erwachte mit der angenehmen Vorstellung, daß Eduard gewiß,

ihrer Bitte gemäß, bald sich einstellen werde.

Frühstücks

rend ihres

Wah­

kehrte der Bote zurück, und

der Brief, welcher ihr überreicht wurde, machte ihr Herz

erstarren, denn sie erkannte die eigene Hand­ Der'Diener brachte die mündliche Nach­

schrift.

richt daß der jüngere Herr von Werdenfels be­

reits wahrend

der Nacht

nach

England abgereißt

sei. — Der Schmerz, dem Natalie sich jetzt hingab, war um

so ergreifender,

da sie sich wohl bewußt

war,

denselben verdient und herbei geführt zu ha­

ben.

Zahllose Thränen

flössen dem Andenken des

einzig Geliebten, des tief Betrauerten, und vergeb­

lich suchte wenigstens

die Tante nach Trostgründen,

im

Gebiete

Hatte Eduard oder

herzlich,

würde sie

Möglichkeit

lagm.

nur eine Zeile, gleichviel ob kalt

für

daran

der

welche

Natalie zurück

gelassen, so

die Möglichkeit geknüpft haben

ihm zu schreiben, und alle Empfindungen zu schil-

dern,

welche ihre Seele bestürmten.

Es ohne die-

107 sen

Anlas zu thun,

dazu fehlte ihr der Muth;

sie fürchtete sich vor einer Demüthigung, welche zu

ertragen

sie sich nicht

traute.

Die

Standhaftigkeit genug zu­

Ereignisse der letzten Zeit hatten sie

schon zu tief gebeugt, die Borstellung an Eduard zu schreiben, um vielleicht dann von ihm abgewie­ sen zu werden,

erfüllte sie mit wahrem Schauer.

Di* Surrte hoffte noch auf einen Besuch des altern

Herrn

von Werdenfels,

aver

digte sich schriftlich, seiner Gesundheit als Vorwand gedenkend, und

somit war auch

diese

Erwartung

getauscht.

Iran;

verließ das Haus so bald der Arzt es

gestattete, und ohne seiner Wünsche und Vorschläge

weiter zu gedenken.

Zwei Monate später hielt er

um Nataliens Hand an, welche ihm, sehr ge­

gen den Wunsch der Tante, eine abschlägige Ant­

wort ertheilte.

Dem unerachtet setzte er durch Nei­

gung und Zartgefühl

bestimmt, seine Bewerbung

mit feurigem Eifer fort, und als er sich nach Jah­

ren gezwungen sah, jede Hoffnung aufzugeben, be­

wies er Natalien fortwährend eine Aufmerksam­ keit, welche seinem Herzen zu wahrer Ehre gereichte. Eduard hatte das ihm zugedachte Legat für seine

108 Person abgelehnt, und es einigen entfernten, unber

mittelten Verwandten des Testator's zugewiesen.

Nach Art aller Personen von schwachem Cha­ rakter

war die Tante eifrig bemüht Nataliens

Kummer durch Zerstreuungen mancher Art zu überdie Wintermonate brachte si> mit dieser,

täuben;

abwechselnd,

den

in

Hauptstädten

verschiedenen

Deutschlands zu, und auch

die

bessere IahrsSM

würd» großectlchells zu unmuthigen Reisen benutzt.

Natalie beruhigte sich allmälig, aber die Erinne­

rung

an Eduard blieb

unauslöschlich

ihrer Seele

vielleicht so

eingeprägt, weit das Bewußtsein ei-,

ner Schuld 'sich daran knüpfte.

Einige Bewerbun?

gen um ihre Hand standhaft ausschlagend, galt sie

bald in der Welt für eine kalte, herzlose Schönheit; und

war eben die Tiefe ihres Gemüths an

doch

ihr das

Beachtenswertheste,

wer aber

natürlich weichen Sinn eine kalte, seite

annimmt,

bei

einem

ruhige Außen­

wird in der Welt mehr verletzen

als wohlthun. —

Der

Baronin

Berg

mehr denn Einmal in

begegnete

Natalie

den größeren Hauptstädten,

denn da diese und ihr Gemahl sehr unerwartet zu

einer reichen Erbschaft gelangt waren, ließen sie da-

109 heim auf ihrem Gute alles verändern und verschö­ einstweilen mit ihrer kleinen Familie ihren

nern,

es ihnen eben am

Wohnsitz da aufschlagend, wo

Die liebevolle, lebhafte Frau fühlte

Besten gefiel.

sich tief über Nataliens

Schicksal

beunruhigt,

überall forschte sie mit einiger Aengstlichkeit nach Eduards Verhältnissen, immer mit Genugthuung

vernehmend, daß er noch unvermählt sei.

Nata­

lie liebte ihn noch, sie läugnete es der Freundin

nicht, und da diese ohne Weiteres ähnliche Gesin­

ihm vorausetzte, so erschien die Tren-

nungen bei

ihr

nung

eine Thorheit, welche vernünftige

als

sehr wohl

Menschen

thun würden zu vermitteln.

Oft auch äußerte sie mit naiver Trostlosigkeit ihre Natalie

Besorgniß,

daß

werde,

sie eigensinnig bei

beharrend

da

auch

die

unverheirathet

bleiben

früheren Gefühlen

günstigsten

Anträge ablehne.

Bedenke, äußerte sie oft fast weinend, daß Du be­

reits vierundzwanzig Jahre zählst,

lie,

liebste Nata­

kannst, willst Du Eduard nicht vergessen,

so laß mich

geeignete Schritte thun, welche zur

Versöhnung führen ähnlicher

Art

der Zeit,

wo

werden.«

bliebm

wir

völlig

Alle Vorstellungen fruchtlos,

Natalie in

und

zu

der Freundin

110 Wohnung finden,

zählte diese bereits zwei Jahre

mehr.

Im steten Briefwechsel mit der Baronin ste­ war das Lieblingsthema Nataliens Ver-

hend,

heirathung

nie von derselben außer Acht

und sie hatte diese endlich

ihr zu

Zeit zu

kommen,

beschworen, um

gelassen, auf kurze

die Bekanntschaft

des Grafen Sternheim, Eduards Oheim, zu

Der Letzte war während der verflossenen

machen.

Jahre von London nach Paris und Petersburg ver­

setzt

worden, und

eben jetzt aus Wahl nach Eng­

land zurück gekehrt, von wo aus er eine Reise nach dem Vaterlands beabsichtigte.

Die Baronin schrieb,

daß Werdenfels im fortgesetzten Briefwechsel mit

dem Oheim gestanden und sie jetzt diesen mit List in

ihr Haus

gelockt habe,

damit Natalie ihn

und vor allen Dingen ihm gefallen

kennen

lerne,

möge.

Der Vorwand, äußerte sie, mich unter sei­

ner meisterhaften Anleitung in der Musik vervoll­ kommnen

zu

wollen,

hat ihn bewogen auf einige

Wochen in unser Haus zu kommen, und ich werde

mich nun der thigen

haben.

tyrannischen

Musik - Freundes

Alles

für

Dich!

Anleitung

und Kenners

mein

dieses zu

wü­

fügen

Wahlspruch

ist

111 wirklich: für Gott und Dich! So bleibe denn nur

dieses mal nicht aus

und störe mir den liebsten

Plan meines Herzens nicht.« Gerührt durch so viel wahre Zuneigung, begab

sich unverzüglich auf die Reise.

Natalie

Erst

am zweiten Tage nach ihrer Ankunft gelangte sie zu ganz ungestörtem Beisammensein mit der Freun­ din, welche ihr für den Tag die Ankunft des Kam­

Werdenfels ankündigte, der sehr

merherrn von

seines Oheims

muthmaslich um

einige

Tage

scherzend wieder

gemeldet habe.

sich auf

willen,

Für Dich, fügte sie

eine erwünschte Gelegenheit Dich

hinzu,

gewöh­

an den Namen Werdenfels zu

nen, nur vergiß über den Neffen dm viel wichti­ geren Oheim nicht.«

Kurz

dem

vor

erschien

Mittagsessen

Graf

Sternheim mit seinem Neffen; Natalie wagte nicht aufzusehen als jener naher

trat,

und seine

Stimme, diese wohl erinnerte, klangreiche Stimme, machte sung

wurde,

im

ihr Herz erbeben.

aufblickend, gewahrte

Aeußeren

Kammerherr

als

Mit erzwungener Fas­

der Fremde

ihr

vorgestellt

sie zu wahrer Befriedigung, daß

keine

Aehnlichkeit

Werdenfels

besaß

vorhanden den

sei.

feinsten

112 Weltton, und

durch seine Persönlichkeit sich nicht gewannen ihm

besonders Vortheilhast auszeichnend,

dennoch der unendlich einnehmende Ausdruck seiner, durch Kurzsichtigkeit fast

immer halb geschlossenen

Augen, das durch Herz und Geist hervor

des

Lächeln

Natalie

Herz. —

gar manches

erröthete bei

seiner Anrede,

sanfte Blick seiner forschend auf sie ge­

aber der

richteten Augen,

auf die

Blicke

gerufene

Mundes,

angenehmen

die

Anerkennung,

welche

seine

schmeichelhafteste Weise ihr zollten,

gaben ihr bald eine etwas sichere Haltung. —

Auf der Freundin Anordnung, talie ihren

Platz

dem

zwischen

bekam

Na­

Hausherrn und

dem Grafen, welcher Letzte ihr nur höchst oberflach-

liche Aufmerksamkeit schenkte.

Nach seinem Sinne

war diese nicht schön, nicht jung, nicht vornehm ge­

nug,

seine

Beachtung zu

erregen, und er ließ sie

in der Unterhaltung, nothwendiger Höflichkeit unbe­

schadet,

das volle Uebergewicht des eingewurzelten

Aristocraten und des gelehrten,

ten Weltmannes fühlen. schick

sich

bemühend,

künstlerisch gebilde-

Mit dem ihr eignen Ge­

Saiten

anzuschlagen,

für

welche sie bei ihrem Nachbarn Empfänglichkeit vor­ aussetzen durfte, gestaltete dennoch seine hochmüthige

113 Uebcrhebung

das

Gespräch

zur drückendsten Last.

Ein flüchtig erzwungenes Lächeln, eine im leisesten halb verständlich

Gemurmel

hingeworfene Erwie­

derung, waren die errungenen Vortheile, deren sie

sich zrs rühmen aufschlug,

begegneten

des

Blicke

Schwachen

hatte, und

Herrn des

so ost sie die Augen

die

denselben

schalkhaften

dem die

von Werdenfels, nur

Oheims

zu

wohl

bekannt

waren.

Der Caffee wurde auf dem reizenden Balcon eines Gartmsaals eingenommen, als die antangende

Post augenblicklich so viel Bewegung und Nach­ frage erregte, als damit auf dem Lande gewöhnlich

damit verbunden zu sein pflegt. überreichte Graf,

jedem

das

welcher eine

murmelte

ihm

große

diese flüchtig

Der Hausherr

Bestimmte

und

der

Anzahl Briefe erhielt,

ansehend,

vor

sich

hin:

Aus Paris — Rom — Florenz '— Neapel —

Vovay — bei dem Letzten verweilte er betrachtend, und

sagte

mit einer Art Freude: Von meinem

Neffen! — Dieser Bries wurde zuerst gelesen und nach einer Pause äußerte er beifällig: Ganz artig, recht

gelungen! dann

sich zur Baronin wendend

fügte er erläuternd hinzu: Mein Neffe hat auf ei-

5**

114 ner Reise durch die Schweiz sich eben jetzt längere

Zeit am Leman aufgehalten, und was er mir dar­ über meldet,

ist in der That nicht übel.«

es nur Reiseskizze ist,

Wenn

entgegnete die Baronin ihn

lebhaft anblickend, so sein Sie so gütig, lieber Graf,

und theilen Sie uns diese mit.« Nataliens Herz pochte fast hörbar, sie sah

ihre Arbeit,

während

von Werdenfels sie anscheinend

flüchtig,

unverwandten

Herr

Blickes

aber sehr aufmerksam gann sich räuspernd

auf

beobachtete.

Der Graf be­

den Vortrag einer sehr wah­

ren und unmuthigen Schilderung eines Ausenthalt's in Vevay, und jeder horchte dem ihn minder oder mehr interessanten Inhalte,

lich verstummend,

als der Vorleser plötz­

den Brief zusammen legte, und

verstimmt äußerte: Ich muß sehr um Entschuldigung bitten — meine Stimme ist gänzlich rauh —

es

ist völlig

zu lesen.

unmöglich,

bei solcher Hitze Deutsch

Es ist zu solchem Behuf die geschmack­

loseste Sprache,

welche mir

unbrauchbar für Jemanden, Gehör

und

einige

bekannt ist; durchaus

der ein etwas feines

Reizbarkeit

der

Kehle besitzt.

Der kleine Versuch hat mich völlig heiser gemacht.« Niemand wagte eine Entgegnung,

und da allge-

115 meines

wenigstens nicht auf Bei­

Stillschweigen

stimmung zu deuten pflegt,

versank

der Graf in

ziemlich üble Laune, aus welcher ihn die ihn stets ängstlich

Baronin

beobachtende

schläge erweckte,

mit

Vor­

dem

noch vor dem Thee ein schwieriges

Musikstück versuchen

zu

wollen.

Der Hausherr

empfahl sich leise mit einem einladenden Seitenblick

auf Herrn

von Werdenfels, einer

lächelnd,

mit

Hauptes

begegnete,

verneinenden und

welcher demselben

Bewegung

des

mit den Uebrigen sich in

das Musikzimmer verfügte.

Die Baronin

holte

geschäftig Noten

herbei,

und schob mit Werdenfels Hülfe die Sessel zu­ recht,

indessen der Graf

vornehm nachlässig

hin

und wieder ging und endlich an's Instrument tre-"

tend, einige Ackorde

viel

tadelnden

Langsam nahm Berg

ein,

griff,

Worten

er seinen

schlug

welche er mit eben so über

Platz

dasselbe

begleitete.

neben

Frau von

die Eingangsackorde hart und

entschieden an, und begann dann mit ihr den Vor­

trag einer sehr schwierigen Sonate, während dessel­

ben, durch Worte und Geberden, das leichte, glän­

zende Spiel seiner Begleiterin tadelnd,

indessen er

mit Harte das Instrument behandelnde ihren zier-

116 lichen Läufen

folgte.

Werdenfels

von

Herr

hatte seinen Platz neben Natalien gewählt, welche

er leise unterhielt und dadurch seinen Oheim zu­ weilen

mißbilligender

zu

Bewegung

des Kopfes

veranlaßte, so daß jener fast der Muth, leisesten Entgegnung mangelte.

nate zu Ende gespielt war,

erhob

augenblicklich, indem er halb

wie gewöhnlich zu schnell,

der Graf sich

gegen die Baronin

»Recht gut,

gewendet äußerte:

auch zur

Nachdem die So­

nur das Tempo

das ist,«

fügte er lä­

chelnd hinzu, »kein Natur- sondern ein zeitgemä­

ßes Uebel,

und

deshalb um

so

vermeidbarer.«

Auf lebhafte Bitten der angenehmen Wirthin, welche Natalie furchtsam mit einstimmte,

sich wieder an's Instrument,

in

setzte er

einige seiner eigenen

Compositionen vorzutragen. — Diese glichen ihm unverkennbar, hochtrabende Einleitungen und äu­

ßerst künstliche Ausführung,

nur mitunter durch

kräftige Klarheit überraschend, eine Fülle des Stof­

fes, aber harte, eigenthümliche Behandlung desselben. Zuweilen drehte er vom Instrumente sich ab,

zu

den Damen hin, einiges Belehrende mitzutheilen, wobei seine Blicke auf Natalien streiften, dadurch

ermuthigt,

kleine

Anmerkungen

die

wagte,

117 indessen scheinbar überhört,

oder nur durch

einzelne Laute beantwortet wurden,

welche zwischen

welche

Billigung und Mißbilligung schienen.

die Mitte zu halten

Noch war es ihr nicht gelungen,

weder

ein freundliches, oder nur besonders höfliches Wort

vom Oheim zu erlangen,

dieser Beziehung

sich

sichtlich

des

an

indessen der Neffe es in

beiden nicht fehlen ließ, und

liebenswürdigen

Zuwachses

der

Hausgenossen freute. In den folgenden Tagen wurden manche hüb­ sche Spazierfahrten unternommen, wobei der Graf, der Vieles in der Welt gesehn, einige Verschönerungs­

plane entwarf, die indessen, wie so manche Theorie, dem gesunden Sinne ziemlich unausführbar erschie­

nen.

Natalie äußerte gelegentlich innige Freude

über die das Schloß umgebenden Anlagen, größtentheils

aus Rasenflachen bestanden,

bis an den See erstreckten,

die sich

und deren Einförmig­

keit durch einzelne Baume und Gebüsche und unterbrochen wurde.

welche

gehoben

Der Graf blickte sie bei

dieser Aeußerung von der Seite an, und entgegnete: »Schon öfter habe ich zu bemerken Gelegenheit ge­

habt,

wie Sie dem verkehrten Geschmack anhan­

gen, den ich der Verständlichkeit halber den Anglo-

118 manischen nennen mögte, und

der auch aus diesen

Das Al­

Anlagen unverkennbar hervor leuchtet.

les wäre recht artig an einem andern Platze, nur

hier paßt es nicht.

Der richtige Geschmack begehrt

unabweisbar in unserem Norden Blumenstöcke in

der Wohnungen,

der Nahe

duftende,

glanzende

Blüthenpartien, welche die Sinne erfrischen und be­

leben.

Weiter

entfernt

mag man dann Bäume

und Gesträuch dulden und anpflanzen, und Rasen­ plätze nach Belieben anlegen.

Zm Süden ist es damit ein Anderes, dort,

wo die Segnungen einer ewig unerschöpflichen Na­ tur überall hervor keimen,

schwellen

und blühen,

keiner eigentlichen Vorbereitung.

bedarf es

Alles

ist dort recht, wie der Zufall es fügt; will man

nun aber machen,

ein solches Leben

uns

hier anschaulich

so sollte man auch dabei einen schicklichen

Maaßstab anlegen, und die nachgcahmten italieni­ schen Villen

nur mit Weinreben, Pappeln, Man­

del- und Maulbeerbäumen, so wie mit Mais, Kür­ bissen und in einem Worte, nur mit solchen "Bäu­

men und Pflanzen umgeben, welche dort anzutref­ fen sind, und unter unserm Himmelsstriche aus­ dauern.«

119 »Ich habe,«

entgegnete Natalie,

»nie den

Anblick großer Steinmassen mit den kleinlichen Par­

tien

eines

recht

Blumengartens

finden

vereinbar

können.«

Der Graf warf aus seinen blitzenden Augen nur einen Blick auf Natalie,

gegen die übrige Gesellschaft,

und äußerte dann

wie er gesonnen sei,

die gesammelten, ähnlichen Erfahrungen bens

seinem Neffen

vorzulegen,

und

in

seines Le­

zur Benutzung für

dessen

keinen Zweifel setze, da

Bellforst

Geschmack

gelautertem

er ein junger Mann von

Einsicht und der besten Bildung sei. — Der Name

Bellforst lockte eine Purpurglut auf Natali­ ens Wangen an

dieser

und Herr von Werdenfels,

sichtlichen

Gemüthsbewegung

der

lebhaften

Antheil zu nehmen schien, lenkte das Gespräch mit

großer Zartheit auf andere Gegenstände. — Seine

auffallende Beflissenheit veranlaßte die Baronin ge­

legentlich zu einigen Neckereien,

welche Natalie

stets mit schwermüthigem Lächeln erwiederte.

We­

nige Tage waren auf solche Weise vergangen, als ein Zufluß von Gästen das häusliche Leben leben­

diger gestaltete. Welt

Der Graf genoß in

der großen

den Ruf eines gelehrten Mannes,

so

wie

120 denjenigen eines Kunstkenners, und wurde deshalb, aus Moderücksicht,

schon

aufgesucht und

überall

Gegen Manner behauptete er

verwöhnt.

gemeinen eine Art kalter Würde,

im All­

und selbst seine

Höflichkeit gewann den Anstrich des Herablassenden, weshalb

er im Ganzen wenig

beliebt

war.

Da­

men fanden, wenn schön und vornehm, keinen An­ laß

sich

über seinen Mangel

zu beklagen,

schaft,

eher vielleicht,

an Aufmerksamkeit

bei näherer Bekannt­

über eine fast zu vertrauliche Annäherung.

Seine, von ihm sehr geschätzten Eompositionen, ga­ ben eitlen Frauen das Mittel in die Hände, sich durch

Bewunderung derselben bei dem Verfasser in Gunst zu setzen, welcher

der

Eitelkeit

sich durch

mitunter

zu

einen wahren Rausch Aeußerungen

verleiten

ließ,, welche bei einem geistreichen Mann für ziem­

lich unbegreiflich gelten konnten. —

Unter dm Fremden, die sich

sammelt hatten,

im Schlosse ver­

zeichneten zwei Damen auf sehr

entgegen gesetzte Weise sich aus; die Gräfin Adel­

heid von W. durch ein wenig angenehmes Aeußere,

und wahrhaft glänzenden Verstand,

und de­

ren Nichte, die Gräfin.Emma, durch jene unver­ gleichliche Schönheit, welche die erste, volle Jugend-

121 blüthe,

und die

anmuthigste Regelmäßigkeit der

Formen und der Züge, verbunden mit dem glän­ zendsten Colorit allein zu verleihen vermögen.

Grä­

fin Adelheid trat als entschiedene Verehrerin des Gräfin auf, und seine Unterhaltung fast allein in

Anspruch nehmend, musicirte sie häufig mit ihm, seine Compositionen über Alles setzend, was ihr bis dahin in ähnlicher Weise vorgekommen

sei.

Die

junge Gräfin hielt sich mit einiger Kälte, aber an-

spruchslos,

zu Natalien,

wodurch Herrn von

Werdenfels, der diese fortwährend lebhaft bewun­

derte,

die Aufgabe

erleichtert

beiden zu

wurde,

huldigen. Eines Abends mit Gräfin Emma von ei­ nem Spaziergange heimkehrend, wurde sie von die­

ser auf eine Gruppe von Herren aufmerksam ge­ macht, welche im innern Hofe sich befand. talie blickte kaum flüchtig hin,

Na­

da sie aber an

jener Gesellschaft vorüber mußten, und sie dm Blick zum Gruße erhob, gewahrte sie zu unnennbarer Erschütterung Eduard

von Werdenfels,

den

alle anwesende Männer umgaben, und der so eben angelangt schien.

Ihr Athmen stockte,

schim am Boden zu.wurzeln,

ihr Fuß

und nur mit Auf-

6

122 bietung aller moralischen Kraft

vermogte sie den

Weg fortzusetzen, und im Borübergehn flüchtig zu Sie

grüßen.

und

doch

meinte kaum

hatte

wahrgenommen,

hingesehn

sie Eduards

auf sie

welches

zu haben,

leuchtendes

Mühsam erreichte sie das Haus,

Auge

war.

gerichtet

und die Gräfin

stumm begrüßend, verfügte sie sich in ihr Zimmer,

-die ersten Augenblicke dort fast bewußtlos hinbringend.

Gleich

Natalie

die Baronin ein, und

darauf trat

innig in ihre Arme schließend rief sie

freudig aus: »Sahst Du ihn bereits? Er ist hier! und Du, vielgeliebter Engel,

wirst endlich,

glücklich werden!« Natalie richtete

Armen auf:

»O Emilie,

endlich

sich in ihren

wenn Du um

so war es

Kommen wußtest, so war es grausam, nicht recht, mich hieher zu bescheiden.

Was

was muß er von mir denken!« — »Süßes,

richtes Wesen!

warst

seine

einst gehörtest Du

verlobte Braut,

sein

ihm

an,

wird, thö­ Du

nur Mißverständnisse

trennten Euch, und Deine Bedenklichkeiten entsprin­ gen aus der kleinen Ueberspannung,

poetischen Gemüthem nun ich wußte

um seine

welche Euch

einmal eigen ist.

Ja,

Ankunft, mein Bruder hat

die Reise bis Bevay mit ihm gemacht, und durch

123 diesen ließ ich ihn einladen, hieher zu kommen, wo er den Oheim finden werde.«

aber ich

»Du meinst es gut, theure Emilie,

daß ich mein Zimmer nicht

schwöre Dir feierlich,

verlassen werde, chen giebst,

bis Du mir

das heilige Verspre­

Dich in mein Verhältniß zu Wer­

denfels nicht mischen zu wollen. men wie es will, ich kann alles

Mag

tragen,

es kom­

nur keine

Erniedrigung; gieb mir Dein Wort, daß Du uns ruhig willst gewähren lassen, oder ich sehe ihn gar

nicht wieder, mag man darüber sagen, was man will.« Die Wangen der Baronin färbten sich: »Nun

wohl,«

entgegnete sie unmuthig, »so habe Seinen

Willen, sei noch einmal kalt und stolz,

und stoße

Dein Glück zum zweiten Mal von Dir.«

Natalie schlug die Augen schwermüthig em­ por: »Ich bin nicht

da selbst Du mich

stolz,

aber sehr unglücklich,

verkennst.

Was Du Ueber-

spannung nennst, ist nur weibliches Zartgefühl, und ich danke Gott, der mir es gab. mittlung

Ein durch Ver­

begründetes Glück ist kein reines,

vom

Himmel geschenktes, und wenig laßt sich darauf

bauen.

Ueberlaß mich

jetzt meinem Nachsinnen,

6*

124 und

willst Du

hernach

wahrhaft gütig

so komme

sein,

abzuholen.«, — Jene

mich

winkte beja­

küßte dann mitleidig ihre Stint,

hend,

und ver­

ließ sie.

Nach einer Stunde kehrte

die Baronin

zu

Natalien zurück, derm erster Blick heim Eintre­

ten in den Saal auf Eduard fiel,

obgleich dieser,

ziemlich im Hintergründe, einen Sessel yebew Grä­

fin Emma eingenommen hatte. schlug sie

men Begrüßung,

Bei seiner stum­

zu Boden-,

den Blick

und hörte ihn bald darauf ruhig einiges über seine

Reise mittheilen.

Der gefaßte Ton seiner Stimme

gab ihr den Muth zu

ihm hinzusehn,

seine Au­

gen waren mit jenem ernsten, forschenden Ausdruck auf sie gerichtet,

wohl bekannt

früher her nur zu

von

war, und von dem es schwer hielt, Das Gespräch wurde bald so all­

sich loszureißen.

gemein,

der ihr

daß sie während

der Aufregung desselben

öfterer wagte auf ihn hinzusehen, um in dem wohl­

bekannten .Bilde

des

Freundes

die

fremdartigen

Züge aufzufassen, welche Zeit und Jahre demselben

aufgedrückt hatten. ker geworden,

Eduard

war bedeutend stär­

und seine dadurch imposantere Ge­

stalt, verbunden mit einer auffallend geraden Hal-

125 des Kopfes, gaben ihm

tung

einen Anschein von

Stolz, der, so bald er redete, durch den einnehmenden Zug des Mundes, durch die Milde der dunklen Augen, auf angenehme Weise widerlegt wurde.

Sein

ganzes

Benehmen erschien

äußerst

einfach,

und die glückliche, zwanglose Wahl des Ausdruckes

deutete auf jene tiefe, richtige Bildung, welche we­

nig Bevorzugte sich anzueignen

furchtsam gestand

verstehen. — Fast

sich Natalie,

daß sie nie ge­

wagt haben würde den Mann beherrschen

zu wol­

len, der jetzt sich ihr darstellte, aber wie es ihm ein

Leichtes gewesen sein würde, sie zu leiten.

Der Kammerherr von Werdenfels, welcher wie gewöhnlich seinen Platz neben Natalien ge­

nommen,

welche die

zulenkte,

und dieser eine Aufmerksamkeit

Augen seines Vetters mitunter

bewies,

beiden

machte jene jetzt leise scherzend, auf die

Mißlaune des Oheims aufmerksam, welcher empört,

die allgemeine Aufmerksamkeit sich

um Eduard

drehen zu sehn, den Theetisch verließ, und in einer

Ecke des Zimmers Platz nahm.

tete es,

Niemand beach­

Gräfin Adelheid ausgenommen,

welche

mit großer Unruhe zu ihm hin blickte; als Edu­ ard dadurch, wie durch ein wiederholtes Räuspern

126 des Oheims aufmerksam gemacht, endlich aüfstand,

und nun auch die Baronin wie zufällig in jenem

Winkel

des

Zimmers

sich begab,

und

auf

die

schmeichelhafteste Weise ihn anredete, gelang es dem gemeinsamen Bemühen ihn der Gesellschaft zurück

zu geben.

Von Gräfin

Adelheid

durch

eine

steudige Ausrufung begrüßt, welche der Graf halb

dankbar halb verdrießlich

aufnahm,

wurde durch

diese der Faden der Unterhaltung frisch und leben­ dig namentlich über die Eigenthümlichkeit der Hoch­ lande angeknüpft, welche ihr, so wie beiden Herrn,

dem Oheim wie dem Neffen, wohl bekannt waren.

Der Letzte

richtete manche

Schilderung

an

seine

schöne Nachbarin, welche derselben mit jenem an-

muthigen, naiven Erstaunen horchte, welches jungen, und

namentlich nicht sehr geistreichen Damen ei­

gen zu sein pflegt. — Nicht ohne tiefe Erregung sah Natalie dieser Unterhaltung zu, bemüht dm Eindruck, den sie empfand, ihrem Nachbar zu ver­ bergen,

sie

welcher

mit aufmerksamer Unruhe zu

beobachten schien. Später am Abend hatte Eduard eine lange Unterredung mit dem Oheim, welche besonders die

Interessen

der

Gegenwart

berührte.

Der

Graf

127 theilte in seiner vornehm nachlässigen Weise einige

Notizen über

die Hausgenossen mit;

der Gräfin

Emma gedachte er mit kurzem Lobe als einer selt­

samen Schönheit, dagegen länger,

und mit einiger

Vorliebe bei den Geistesvorzügen der älteren Grä­

Die Baronin nannte er, nicht ohne

fin verweilend.

einige Gutmüthigkeit, eine schöne, gute Frau, und mußte nun zuletzt, wie es schien mit Widerstreben,

Nataliens gedenken.

»Diese junge Dame,« äu­

ßerte er, den Neffen scharf in's Auge fassend, »war

Dir früher wohl bekannt, und so bleibt mir wenig zu sagen übrig.

Jetzt erscheint sie mir für beson­

dere Beachtung

weder

noch schön

jung,

genug,

und jedenfalls zu sehr bemüht, sich geltend zu ma­

chen.

Männer in einer Lage

gelangen in

der That zu

und es mag

ost

gleich der meinigm,

seltsamen

schwer halten,

Erfahrungen,

mit Zartheit alle

Ansprüche abzulehnen, welche an unsern Titel, un­ sere Besitzungen,

und folglich

Person

werden.

gemacht

In

scheinbar gn unsere solcher Beziehung

habe ich in den verflossenen acht Tagen sehr eigene

Betrachtungen

anzustellen

Veranlassung

gehabt.

Die Einbildungen der jungen Dame nahmen einen

Flug, den ich einigermaßen zu ermäßigen mich ge-

128 zwungen sah, weßhalb denn nun derselbe sich

zu Deinem Better Werd enfels

scheint.



Solche

gewöhnliche Gefallsucht

ganz

hatte von jeher für mich etwas Verletzendes.

Gräfin Adelheid

bis

herabzustimmen

vermag

Die

ich fteilich von jener

Schwachheit nicht gänzlich frei zu sprechen, indessen

bei dieser, kommen Ansprüche des Ranges und des Geistes in Erwägung, welche jene zu entschuldigen nicht vermögen:«

Eduard

war im Begriff mit Lebhaftigkeit

etwas zu erwiedern,

verstummte

besserer Ueberlegung, und lenkte

wie nach

worin der Oheim rasch

seine Geldangelegenheiten,

und lebendig eingehend,

jedoch,

das Gespräch auf

eben so viel Kenntniß als

Ordnungssinn entwickelte.

Nachdem

Eduard

den

Grafen

verlassen,

blieb er noch einige Zeit in seinem Zimmer wach, in ruhiger Betrachtung, das ihm angenehme Be­

wußtsein genießend, sich wieder in der Heimath un­ ter befreundeten Menschen

zu

wissen.

Mit Er­

schütterung gedachte er des unerwarteten Zusammen­

treffens mit Natalie;

er hatte sie nie vergessen,

nie ihrer sich mit Gleichgültigkeit erinnert,

wenn

gleich die Zeit seine Gefühle für sie sehr herab ge-

129 stimmt hatte.

Jetzt sie wiedersehend, war es ihm

daß

sogleich völlig klar,

er nach ihr keine Frau

angetroffen habe, deren Ausdruck,-deren Benehmen

für ihn

gleich

unwiderstehlich

gewesen

Die Aeußerung seines Oheims,

Ormenstein weder

wäre.

daß Fraulein von

noch schön genug sei,

jung

um Aufmerksamkeit erregen zu können,

von jenem wohl erklärlich, vom Zauberglanze



war ihm

hatte er sie doch nie verklärt

anscheinend

der Liebe

gesehen, nie dazu bevorrechtigt, in die Tiefen dieser herrlichen Augen blicken dürfen.

Was wußte jener

von ihrem Geiste, ihrer Schönheit, beide standen

materiellen Begriffe

über seine

Bei der zweiten Betrachtung

weit erhaben. —

des Oheims verweilte

er seufzend, denn diese schien ihm leider nicht ganz

unhaltbar, und er meinte die traurigen Folgen ih­ rer Gefallsucht empfunden zu haben. — Die Ueber­

zeugung, daß Natalie ihn doch einmal, wenig­ stens zu Anfänge geliebt habe,

war seiner Seele

mehr und mehr

je

Verfolge

der Zeit

entschwunden;

ihrer gedachte,

leuchtete es ihm ein, Phantasie,

ruhiger er im

um

so

klarer

wie er nur zum Spiel ihrer

ihrer Eitelkeit

gedient,

Herz, vielleicht ihr selber unbewußt,

und

daß ihr

diesem Bünd-

130 Nisse fremd geblieben sei.

Daß

Franz in seiner

Bewerbung nicht glücklicher gewesen, war ihm mehr noch eine Bestätigung der gefaßten Ansicht,

wie

Natal ^gefallen, aber nicht selber lieben wolle.—

Lebhaft beklagte er, ihr hier so unerwartet begegnet

zu sein,

und

wenn gleich ihr

voraussetzen ließ, berühre,

so lag doch etwas in demselben, welches

Gefühl

sein

erster Gruß nicht

daß das Wiedersehn sie lebhaft

verletzend, ihm

Mißbehagen

wahres

einflöste, und zu dem Entschlüsse bestimmte, seinen Aufenthalt so sehr als thunlich abzukürzen.

Den

Kopf in die Hand gelehnt saß er eine

Weile am Fenster, auf den Garten, den See hin­

blickend, auf alle jene Umgebungen, welche ihn an die erste volle Blüthe seines Liebesglücks erinnerten.

Er war nicht mehr der leicht erregte, feurige Jüng­ ling,

der Ernst des Mannes,

nicht alleinige Bedingung sich in seinem

des

welchem

Glücks

ganzen Wesen aus.

die Liebe

ist, sprach

Zwar gedachte

er der Vergangenheit nicht ohne zärtliche Wehmuth, jedoch

ohne

jene

Störung der Ruhe,

welche ihn

früher um den Schlaf der Nacht, um die Heiter­

keit des Tages gebracht hatte.

Gelassen stand er

131 endlich auf, sich schlafen zu legen, und alles schloß bald die Augen zum ruhigen Schlummer.

folgenden

Am

Morgen

begab

Eduard sich

früh in den Garten, und gewahrte an den Balcon

vorübergehend die Baronin und Natalie,

welche

in

erfreulicher Einsamkeit mit einander früh­

stückten.

Frau von Berg erwiederte seinen Gruß

dort

durch die freundliche Einladung ihr Frühstück zu theilen und in

ihr

zur

wenig

Augenblicken befand er sich

Seite, welche ihn neckend befragte, ob er

seinen Thee

ohne

alle

Zugaben

eines

englischen

Frühmals zu genießen im Stande sein werde? —

Er lehnte dankend Alles ab, was spottend hergerechnet wurde, und fügte lächelnd hinzu: Uebrigens denken Sie nicht, wie leicht man sich in alle Lan­

desgebräuche fügt und

findet.«

genehm

Und

mitunter sogar sie sehr an­

die

Heimath

und

deren

Gebrauche vergißt, nicht wahr? — Das wenigstens habe ich nicht geäußert und dürfte

es

vielleicht auch nicht, denn im Bergessen

mag leicht die größte Philosophie des Lebens und

der Weisheit liegen.

Kaum

waren

Glücklich wer vergessen kann!

diese

Worte über Eduard-

Lippen, so errötheten Alle, die Baronin unterbrach

132 zuerst die etwas peinliche Pause und äußerte, ihn

wohlwollend anblickend: Wie sehr

übrigens verändert,

haben Sie sich

das Bild des schlanken Jüng­

lings muß man aufgeben, wenn noch eine Aehnlichkeit gelten

soll, auch Ihr Haar ist völlig dunkel

geworden.« — Er lächelte: Folgen der Jahre und

des Alters,

aber ich hoffe Sie werden auf andere

Weise mich vortheilhafter verändert finden und in

solcher Beziehung

nigstens

ist das Dahineilen der Zeit we­

befriedigender.

Abgelegte Irrthümer, auf­

gegebene Wünsche, mehr und mehr erlangter Gleichmuth, bilden nach und nach aus dem verworrenen

Jünglingsgemüthe

Mannes.

dm

gediegenen

Charakter

des

Aus dem Fehlerhaften geht am Ende

Besserung, aus Irrthümern reinere Erkenntniß her­

vor.«

Nicht doch,

ich bin überzeugt, ger;

in

entgegnete die Baronin heiter, Sie waren ftüher liebenswürdi­

der Unvollkommenheit

immer etwas Einnehmendes.

der Jugend

liegt

Thun Sie sich mir

gegenüber ja nichts auf Ihre Gesetztheit zu Gute, denn ich

bin überzeugt Sie errangen dieselbe auf

Kosten Ihres Herzens.«

Werdenfels seufzte, sehr wahr,

entgegnete

er, jedoch vielleicht in anderem Sinne, als Sie die-

133 ses annehmen mögen.« — Natalie hörte schwei­

dieser Unterredung

gend und

erschüttert

Eduard,

dessen Zartgefühl ihn das Gesagte be­

reuen ließ,

lenkte das Gespräch auf die mancherlei

Veränderungen, waren,

zu,

und

welche im Garten vorgenommen

sich darüber mit liebenswürdiger Offenheit, theils weniger billigend aussprechend.

theils lobend,

Er tadelte das Vorhandmsein einiger Baume und meinte,

eines

Damm könnten sich

gewissen

jeder Baum,

bei Gartenanlagen

Erbarmungsflnnes

nicht erwehren,

der einem großartigen Plan geopfert

werden müsse,

thue ihnm in der Seele (eil), und

sie hätten manche Verschonung

Gewissen, da auf Anlaß

der Art aus dem

ihrer Fürbitten wahrhaft

vortreffliche Ideen nur mangelhaft, und dem Sinne des Ganzen

entgegen,

Ich bin überzeugt,

Barons

ausgeführt werden könnten.

fügte er hinzu,

daß nach des

Sinn jene beiden Eichm nicht mehr vor­

handen sein würden.«

Die Ihr

Baronin erröthete:

über

diese

Gegmwart

nicht.

Misfallm

Friedrichs

Bitte,

schönm

äußern Sie Bäume

in

Ihr Männer müßt

immer zerstören! ich denke Sie werden in Bellforst

134 nur zu viel lichten,

und

hernach vergeblich nach

Schatten sich sehnen.« Gleich nach meiner Ankunft in England be­

stellte ich in der Heimath genaue Zeichnungen aller Umgebungen Bellforsts, welche mit großer Genau­

igkeit entworfen fast jedm Baum angaben.

Nach­

dem ich auf diese Weise einen sichtlichen Ueberblick gewonnen, ordnete ich Alles in meinem Sinn, nach

den vortrefflichen

Allee

Mustern, welche man überall in

findet,

England

am

und

Hause

als

namentlich

ein

Opfer

wird die große

meiner

Pläne

fallen.«

O

wie Schade! rief Natalie unwillkürlich.

Eduard

blickte

etwas überrascht

auf, ihn

freute der Antheil, welcher in dieser Aeußerung sich aussprach,

und doch verdroß

es ihn zugleich, daß

die ersten Worte, welche sie nach acht Jahrm an

ihn richtete, einen Tadel seiner Ansichten ausspraSich

chm. er:

leicht

gegen sie verbeugend, entgegnete

Ich kann nur auf das Gesagte zurück kom-

mm, in diesem Bedauern spricht der echt weibliche

Sinn

sich aus,

Vorhandenes

erhalten zu wollen,

und in der That, darf man die Damm in solcher

Beziehung durchaus zu dm Conservativm zählen.«

135 Natalie wagte, tief erröthend,

nicht

den

Blick zu ihm zu erheben, die ersten Worte, welche Eduard an sie richtete, bezeichneten am besten das

ftemde Verhältniß,

vollkommen

eingetreten war,

ihnen

zwischen

welches

und die schmerzlichste Be­

wegung sagte ihr nur zu

deutlich,

wie

sehr ihr

Herz ihm noch ergeben, wie sehr es ihrer Freundin gelungen sei,

im Grunde desselben die Hoffnung

noch zu erhalten. —

Graf Sternheim gesellte

sich jetzt zu ihnen; Natalie räumte hastig einen

Korb mit Arbeit

auf dem

Sessel neben

ihr bei

Seite, diesen dem Grafen auf solche Weise-schwei­

gend

anbietend.

Er verbeugte sich kalt, ohne ihn

einzunehmen, und warf einen Blick auf den Neffen, den dieser, die Einbildung des Oheims

belächelnd,

mit einer Art Einverständniß erwiederte. gewahrend, fühlte Natalie sich

Beides

tief verletzt, die

eigentliche Ansicht des Grafen kam ihr nicht in den Sinn, chen

und

so wähnte sie dm Grund ihrer höfli­

Beflissenheit

errathen

und

verspottet.

Der

Graf nahm Eduards rhm angebotenen Platz ne­

ben der Baronin, und jener stand noch einm Augmblick wie unschlüssig, als der Kammerherr W e rdenfels

erschien,

welchen Natalie als ihren

136 Erretter aus

peinlichsten Verlegenheit fteund-

der

lich lächelnd empfing, und der den Platz neben ihr

mit so verbindlicher Eile einnahm, daß ihr tief ge­ Gefühl

kranktes

richtet fühlte.

sich wenigstens

in

etwas aufge­

begegnete sie dem Blick

Unbefangen

seiner Augen, und beide waren bald in ein lebhaf­

tes Gespräch verwickelt, indessen Eduard, der seinen Platz ihnen gegmüber genommen hatte, feinen Blick ernst und nachdenkend auf Natalien ruhen ließ. Die

beiden Gräfinnen,

durch den "Garten machten,

welche

einen

Gang

wurden jetzt von der

Baronin freundlich angerufen, und von den Herrm mit

Auszeichnung

trug

eine Papierrolle

begrüßt.

Gräfin

Adelheid

in der Hand, und auf eine

deshalb an sie gerichtete Frage des Grafen, ließ sie mit schalkhafter Koketterie ihn eine

Composttionen wahrnehmen. chelt,

seiner eignen

Er lächelte geschmei­

und die Gräfin äußerte, wie ein Musikhest

für sie den gleichen Werth mit einem geistreichm

Buche habe.

Noten sind

Worte, fügte sie hinzu, und Novellen

bilden

für den, der ihre Sprache zu lösen versteht

Man

welche

denkt

Tragödien,

Romane

im Allgemeinm,

nur der hörbare Vortrag

mache ihren Sinn verständlich, wie unrichtig! No-

137 tm muß man lesen gleich einem Gedichte.

Wie

sehr, lieber Herr Graf, spricht diese Ihre Composi-

tion »der Abschied von Rom« mich an,

welche

emste Tiefe, welche des Gegenstand's würdige Me­

lancholie! cs ist elegische Musik! —

Ich glaube in der That, entgegnete der Graf,

mit

musikalischen Dichtung etwas geleistet

dieser

obwohl auch meine

zu haben,

heiteren

einige sehr artige Dinge enthalten. nug ist man bisher nie auf eine

Arbeiten

Seltsam ge­

Art

musikali­

scher Improvisation verfallen; man spielt nach auf­

gegebenen Thematen, was will das sagen! wie anders dagegen,

wenn

ein genialer Componist erstände,

jede Aufgabe so fort in Noten setzte, und z. B.

auch anderen gestattete, solche dann auf der Stelle

vorzutragen.

Das wäre originell und würde ein

eigenthümliches Talent verrathen. Versuch,

Machen wir den

geben Sie mir gnädigst eine Aufgabe,

und zeigen Sie uns hernach durch Ihren schönen Vortrag, wie ich dieselbe zu lösen im Stande war.«

Die Gräfin legte ihre wirklich hübsche Hand an die unschöne Stirn: Was giebt man Jhnm nun? —- Wohl denn, ein Gefühlsthema: von der Geliebten.«

Der Abschied

138 Der Graf langte eine Brieftasche hervor, zog

aus freier Hand rasch und geschickt die erforderlichen

Linim,

und- schrieb

dann mit großer Geläufigkeit

die Noten hinein, wahrend die Gräfin in etwas ge­

zierter Stellung und halb über ihn gebeugt seinen schöpferischen Handen unverwandten — Fast nie,

Blickes folgte.

flüsterte Kammerher Werdenfels

Natalien zu,

hat mich Jemand so gelangweilt

als mein gelehrter Oheim, was er sagt, verstehe ich

selten, da er zu schnell und zu leise spricht, was ich errathe, spricht mich nicht an, und selbst seine werth­

vollen, gelehrten Forschungen lassen mich kalt, wie seine Musik z fast beneide ich, fügte er fein lächelnd

hinzu,

die

Gräfin

um

ihren glücklichen Eifer.«

Natalie antwortete nur durch ein einverstandenes

Lächeln,

ihre Blicke und Gedanken waren auf die

Gräfin Emma gerichtet,

welche neben Eduard

saß,

mit

und

sich

freundlich

diesem unterhielt.

Nicht ohne schmerzliche Unruhe gewahrte Natalie,

wie sie die sthönen,

ihn richtete,

unvergleichlichen

Augen auf

welcher nicht ohne Wohlgefallen sich

im Glanze derselben zu sonnen schim; so — aber

nein,

ganz

anders noch,

Auge gesehn, und sie

hatte

er einst ihr in's

hatte den Blick zurück ge-

139 glücklich gefühlt. —

und sich

geben,

Natalie

entfernte sich in dem Augenblick, wo der Graf seine

vollendete,

Aufgabe

Beleidigung

Art

eine

und Eduard, welcher darin gegen

feinen Oheim sah,

zugleich folgernd ihre Gleichgültigkeit gegen

nahm

ihn daraus ab. — Gegen Mittag brachte die lien einen faßte bei

Muth, noch

Uebergabe derselben zärtlich ihre Hände;

Muth, geliebtes Leben,

gut

Baronin Nata­

Straus schöger Treibhausblumm und

endens

Jene

gewiß Alles wird

schüttelte

ttaurig

das

Haupt: Glaubst Du das wirklich, Emilie? kannst Du mir ehrlich

daß Du es glaubst? —

sagen,

Der Widerwille seines Oheims, meine frühere Schuld,

Emmas leicht, Du

Die Baronin erröthete

Schönheit. —

noch verschiedenes hinzusiügen,

könntest

Deine übertriebene

Besorgniß, Dein

Widerstreben

mich handeln zu lassen, und des Kammerherm von Werdenfels

unglückselige

bar hegt dieser

mehr

als

Anwesenheit.

Offen­

flüchtige Bewunderung

gegen Dich, und Eduard besaß immer eine Hin­ neigung zur Eifersucht.

Hatte ich Dich ruhig

O, meine schönen Plane.'

bei

der Tante gelassen, so

würde er vielleicht dort Dich aufgesucht haben, und

140 als meine künstlichen

Alles wäre besser gegangen,

Anordnungen

es

fügen

zu

vermögen.

Abreisen

darfst Du jetzt nicht, das würde vermeidbares Auf­

sehn erregen, und so müssen wir hoffen, der Him­ mel werde das Ende günstig lenken.^ —

Einige Tage verflossen unter geselligen

Ver­

gnügungen, welche Natalien nur Pein brachten.

Eduard und sie vermieden mit gleicher Beflissen­ heit einander zu nahen,

und wechselten,

schweigender Uebereinkunft, ander.

wie in

nie eine Sylbe mitein­

Der Grundton seines Wesens war eigent­

lich ganz derselbe geblieben, natürliche Anlage zum Ernst, mit lebhafter Empfänglichkeit für Heiterkeit

und Scherz verbunden, und eine fast immer gleiche

Stimmung

machten

ihn

zu

einem

angenehmen

Mitglieds des häuslichen wie des geselligen Lebens, und wo

er sich

zeigte,

Auszeichnung zu Theil.

wurde ihm anerkennende Natalie freute sich des­

sen mit innerem Stolze, nur darüber sich beunru­ higend, daß Gräfin Emma die allgemeine günstige Stimmung mit zu großer Vorliebe zu theilen schien.

An einem Tage,

wo

man auszuruhen

brachte die Baronin Kupferstiche und neu

nene Bücher herbei,

beschloß, erschie­

unter andern italienische Rei-

141 seskizzen, welche ihr sehr kürzlich erst zugesandt wa­

ren.

Aufsehn

Dieses

Frau von Berg

zu

Werk

veranlaßte

Bemerkung,

wie selten

erregende der

eigentliche Abentheuer in jedes Menschen Leben vor­

kommen

müßten,

da selbst die geistreichsten und

gewandtesten Schriftsteller

der Art anzufüh­

wenig

ren wüßten. — Der Graf belächelte die Bettachtung

halb mitleidig:

»Wenn Sie,« entgegnete er, »un­

ter Abentheuer Mord und Raub verstehen, so muß

ich freilich beschämt bekennen,

daß mein Leben ein

sehr Abentheuerleeres war ; gleichwohl sind mir sehr

artige

Dinge

verschmäht,

begegnet,

Andere redend

habe es

ich

aber

oder

immer

handelnd in den

Begegnissen meines Lebens auftceten zu lassen, da­ rin eine Rücksicht

beobachtend,

welche freilich nach

der Sitte unserer skrupellosen

Zeit

geschmackt erscheinen

Die Baronin nahm

die

mag.«

kleine Abfertigung

Eduard wie es

heiter

als höchst

hin,

und

ab­

befragte

ihm in solcher Beziehung ergan­

gen sei. — Dieser erwiederte scherzend, daß er noch

nicht zu gleicher Selbstverleugnung wie sein Oheim gelangt sei,

und sehr beschämt sich fühlen

würde,

wenn er kein Abentheuer mitzutheilen hatte. — Nachdenkend

die Hand an

die

Stirn legend

142 sagte

er unschlüssig:

Was

theile ich Ihnen nur

mit? — Nun wohl, ein kleines Ereignis/ welches mich lange wehmüthig beschäftigt hat. — Wahrend

meines Aufenthalts in Frankreich verweilte ich län­ dessen mildes Clima und an-

gere Zeit in Pau,

muthige Umgebung mich fesselten.

Bon dort aus

unternahm ich Streifereien in die poetischen Wild­

nisse der Pyrenäen.

Es war bereits Herbst,

das

Laub begann sich hin und wieder zu vergolden, der

Himmel zeigen,

jene wundervollen Lichter und Farben

zu

dieser malerischen Jahreszeit eigen­

welche

mich

thümlich sind. — Ganz meinen Neigungen

hingebend, unternahm ich große Fußtouren bald in

diesem, bald in jenem Dörfchen übernachtend, und überall mich gut ausgenommen sehend.

feuchtwarmen

Tage,

voraussehen ließ,

wegen auf ein schon tiefen Thäte zu,

der noch

ging

vor Abend

Regen

ich auf romantischen Fuß­

früher besuchtes Dörfchen im

so langsam,

schönheit verweilend,

An einem

daß

so bei jeder Natur­

der Abend sich sichtlich

mehr und mehr herabsenkte,

ohne daß ich deshalb

meine Schritte beflügelt hätte.

Die feuchte Atmo­

sphäre entlockte den gewürzhaften Bergkräutern wah­

ren Balsamhauch,

und öfterer warf ich mich

am

143 Boden nieder, theils um zu ruhen, theils um kleine

Büschel wilden Thym's zu pflücken, der hier über­

all wuchernd hervorsprießt. Ein feiner Sprühregen mahnte mich zuerst an Beschleunigung meiner Schritte, und sich mehr und

mehr verdichtend, hüllte er alle Gegenstände in Däm­ Rasch schritt ich jetzt vorwärts,

merung ein.

bis

ich beim Umbiegen um eine Felsecke erstaunt vor zwei weiblichen Gestalten stehen blieb, entgegen traten.

welche mir

Die Eine, eine alte Bäuerin, trug

nicht im Anzuge, aber in Haltung und Blick einen,

ich mogle sagen, derung,

rührenden Ausdruck von Verwil­ theilweise um den Nacken hän­

den ihre,

genden weißen Haare noch mehr hervorhobm. wurde von einer

jungen Bäuerin geführt,

Sie welche

jedem Maler zum Modell der Schönheit hatte die­

nen

können,

obgleich

kein Schimmer von Rothe

ihr reizendes Antlitz belebte. — Die alte Frau be­

trachtete mich stutzend mit großer Aufmerksamkeit, faßte

eine meiner Hände,

welche sie

das

Haupt

schmerzlich schüttelnd langsam wieder fallen ließ, und sagte dann mit leiser tonloser Stimme: Hast Du

meinen Sohn nicht

gesehen? — Ich

blickte auf

das junge Mädchen z ein einziger Blick in ihre fee-

144 lenvollen Augen verständigte mir Alles,

verneinte ich die Frage.

und sanft

Jene sah mich mit rüh­

rendem Zweifel an: Du sahst ihn nicht? Wie trau­ rig! dann muß ich weiter; Jemand wird ihn doch

gesehen haben.«

Plötzlich

ihre Stimme bis

zum

innigsten Flehen modulirend, fügte sie hinzu; Ver­

schweige es mir nicht; steh' ich bin eine alte Frau, und sehr müde,

warum soll ich weitergehen, wenn

Du ihn sahst?

Habe Mitleid

kranken Mutter.«

Ton ihrer Stimme,

mit einer armm,

Ihr Anblick, der tief gebeugte bewegten mich: »Gewiß,

ich

sah ihn nicht,« entgegnete ich betheuemd.

Nicht? — Dann müssen wir weiter,

Su­

sette.« Das junge Mädchen faßte bittend ihre Hand:

»Liebe,

liebe Mutter,

nicht mehr.

heute finden wir Joseph

Seht cs regnet, da wird er nicht auf

dem Wege sein.« Er nicht auf dem Wege?

dem Wetter gefragt,

o er.hat viel nach

wenn es galt Dich zu sehen.

Willst Du nicht mit, so gehe ich allein, seine Mut-

ter soll er wenigstens finden.«

Vermittelnd versuchte ich einzutreten, und machte zuletzt darauf aufmerksam, wie sehr die arme Su-

145 fette vom Regen leide; diese Betrachtung fand so­ gleich Eingang.

»Die arme Susette! am Ende verliere ich sie

c^uch, und dann muß ich beide suchen, das ist viel



schwerer.

Kommt

aber

Joseph

auch

gewiß

heute nicht?« — Nach vielen Betheuerungen,

Fall sein werde,

gelang

daß es nicht der

es sie zum Umkehren zu

bewegm; es war fast finster geworden und erst nach einiger Zeit und nachdem der Regen aufgehört chatte,

trat der Mond hinter Wolken hervor.

Das junge

Mädchen ging, als des Weges am kundigsten, vor­

an, indessen ich die arme alte Frau auf dem schwie­

rigen Pfade führte und leitete;

sie

war jetzt ganz

stills und seufzte nur mitunter wie im Jammer ver­ gehend; mitleidig vertröstete ich sie auf den folgen­ den Tag. — Das Antlitz zu mir hindrehend, schüt­

telte sie den Kopf, und flüsterte geheimnisvollDu

bist noch

jung,

aber ich

will Dir etwas anver-

tixiuen, daran wirst Du denken Dein Lebelang: — wir suchen Joseph täglich — aber finden können wir ihn nicht, bracht.

denn ich — ich habe ihn umge­

Susette weiß es nicht — bie denkt im-

7

146 mer er wird wieder kommen, arme Susette! — und wieder seufzte sie herzbrechend. Während ihrer Rede mogte ein unwillkürliches Zucken meines Armes meine innere Empfindung ver­

rathen, denn sie sah jetzt beim Schein des Mondes

mit ihren

armen,

verwilderten Zügen

bleichen,

flehend auf mich hin, und sagte leise bittend: Stoße weil ich ihn ermordet

mich nicht in den Abgrund,

habe — laß mich noch am Leben — vielleicht, viel­

leicht findet Susette ihn dennoch,

sie hat ihn nicht

wissen!

schwarzen Augen

getödtet,

wer kann

es

ihre schönen,

haben nur etwas dazu mit bei­

getragen. «

Ein unheimliches Gefühl erschütterte mich

dieser

seltsamen Gesellschaft,

ich den Weg fort.

Endlich erreichten wir das Dorf,

am Eingänge desselben blieb Susette vor

Hause stehen,

in

und schweigend setzte

einem

und auf ihren Ruf trat eine Magd

mit einer Laterne zu uns, deren Schein jetzt, wo sie

das Regentuch zurückschlug, die wundervolle Schön­ heit des Mädchens beleuchtete. traurig,

so

Sie blickte mich so

dankbar und unschuldig an,

wie bezaubert sie schweigend anstarrte.

Ihnen recht sehr,

mein Herr,

daß ich

»Wir danken

sind Sie

bekannt

147 hier am Orte? sonst wird Fanchette sich ein Ver­

gnügen daraus

machen Ihre Führerin zu sein.«

Die Begleitung ablehnend,

nahm ich fast zögernd

von einem Anblicke Abschied,

der sich mir so tra­

gisch schön, in so auffallend malerischer Beleuchtung niemals wieder dargeboten hat, denn auch die Strah­

len des Mondes sielen auf das reizendste Antlitz. Ganz von meinem Abentheuer erfüllt, erfuhr

ich im Wirthshause Nachstehendes: Joseph Loi-

sier war der Sohn einer

armen Witwe,

welche

nichts besaß als eine kleine Hütte und eine geringe,

durch die Sparsamkeit ihres verstorbenen Mannes

für sie

erworbene Leibrente,

daher

er schon früh

auf eigene Thätigkeit sich angewiesen sah.

Su­

sette dagegen, einzige Tochter eines reichen Man­

nes und im Wohlstände erzogen,

kannte die Ent­

behrungen des Lebens nicht, und legte deshalb auch

wenig Werth auf dessen Güter.

ganzen Dorfe

wohl ^angesehen,

Jeseph war im

und galt für

den

schönsten Burschen weit und breit, auch Susette ward als eine Schönheit gepriesen, und beide sahen

und bewundertm sich so oft, bis aus Anerkennung

die glühendste Leidenschaft entsprang.

Susettens

Vater, aufgebracht über eine, seiner Meinung nach

7*

148 so unsinnige Liebe,

untersagte Joseph

jeden Zu­

tritt in sein Haus und so bienten Kummer,

Hin­

dernisse und Heimlichkeit nur dazu, die vorhandene Flamme

anzufachen.

lebhafter

Endlich

kam

Zeit, wo Joseph der Eonscription verfiel, sette war in Verzweiflung;

hatte

Vater

der

um sie zu

Su­

begütigen

wenn Joseph

geäußert,

einst

die

nicht Soldat zu werden brauche, lasse sich vielleicht

über eine Verbindung noch einmal reden; vergebens flehte sie jetzt,

den Geliebten

dieser möge einen Stellvertreter für

veranstalten,

einzigen Kindes

auf

und

Unerbittlich lehnte der Vater

diesen Vorschlag

ab,

einen armen Schwiegersohn an­

indem er äußerte:

nehmen,

das Glück seines

solche Weise begründen. —

sei Thorheit,

ihn sich

erkaufen,

völlige

Raserei. — Der trügerische Ausspruch hatte gleich­ wohl bei Josephs Mutter Hoffnungen erregt, de­

nen sie nicht mehr

zu

entsagen

Leidenschaft des Sohnes,

vermogte.

Sufettens Liebe und Trauer immer mehr gernd,

mit

wagte sie

endlich

furchtsam

beibringen,

und

stei­

zögernd,

zu treten,

Joseph

der Arbeit eine Wunde am

Bein sich

dem Vorschläge hervor

möge bet

Die

durch Schilderungen von

diese wolle sie

durch

künstliche Mittel

149 aufhalten, und es könne dann nicht schwer fallen,

die Verletzung für einen verjährten Schaden aus­ zugeben ,

wodurch

seine Freigebung ahne Zweifel

dürste bewirkt werden.

Stumm vor Uebercaschung und Unwillen be­

trachtete Joseph

die Mutter; Helle Rothe ergoß

sich über sein Antlitz und er stand rasch aus um

das Zimmer zu verlassen.

Weinend

folgte jene,

aber als er die Thüre öffnete, trat ihm Susette entgegen und ihre ihn umschlingenden Arme ver­

wehrten ihm den Ausgang. lichen Empfindungen,

Ueberwältigt von pein­

suchte Loisier'sich frei zu

machen, da trat seine Mutter hinzu:

»Laß ihn,

Susette, er liebt uns nicht, wie wir ihn lieben, Dich nicht, seine arme Mutter nicht; den gering­

sten Schmerz vermag er nicht um unserer willen zu erdulden, trotzig wollte er eben fort.« — Jo­

seph erbleichte auf erschreckende Weise,

in seinem

Auge spiegelte sich Verachtung: »Keinen Schmerz?< sagte er gepreßt, äußern.

»o das darf nur meine Mutter

Alles, Alles kann, will ich für Euch thun,

nur betrügen nicht, es ist gegen meine Natur; ich habe es nie gekonnt, schon als Kind nicht.« —

150 Traurig und ermüdend würde die Herzählung

der Ueberredung sein, durch welche mütterliche Liebe und die Schmeichelworte der zärtlichsten Leidenschaft den Sieg über ein einfach, rechtliches Gemüth er­

rangen.

endlich

Als Joseph

halb

verzweifelnd

einwilligte, beschwor Susette ihn liebkosend, fast fußfällig,

sich nicht gefährlich zu verletzen.

Beim

Holzspalten für seine Mutter brachte er eine Wunde am Bein sich bei,

behandelte.

welche jene nun auf ihre Weifte

Der Tag erschien, der Joseph in die

Stadt berief, und Su fettens Vater hatte dieser

gestattet von ihm Abschied nehmen zu dürfen. Ihre

Thränen überströmten

sein bleiches Antlitz, immer

drückte sie ihn wieder an ihr Herz:

»O Joseph,

mir ist zu Sinne als ob wir uns nimmer Wieder­ sehn würden; sage, o sage mir Ein Wort des Tro­

stes, sage, daß Du Deine Susette noch

»Mehr als mein Leben,

für Dich, für Dich habe

ich Alles gethan, mehr als ich antworten kann.

liebst.«

hier und dort ver­

Aber nun laß mich

fort; wenn

ich wiederkehre — dann wollen wir fröhlich sein —

ich auch Susette, ich verspreche es Dir.« einen Kuß

sanft bei

auf ihre Stirn drückend, Seite,

um

schob

Noch

er sie

der harrenden Mutter Lebe-

151 wohl

zu sagen.

Diese schloß

in seine Arme,

er

drückte ihre Hande, vermied aber sie anzusehn. bemerkte es sogleich,

Sie

und sah tief bekümmert auf

ihn hin:

»Hast Du keinen Blick für mich, Jo­

seph?«

Er schlug die Augen gen Himmel, heiße

Thränen entstürzten denselben: immer ein gehorsamer Sohn,

von ganzer

Seele.

Nur

»Mutter,

und ich liebe Euch

heute

laßt mir Ruhe;

Lebt wohl,

mir ist zu Muthe wie niemals früher.

lebt wohl;

leb

meine Susette

ich war

auch Du wohl.«

Hastig stürzte er fort, um niemals wiederzukehren. Joseph langte in der Stadt an; der Marsch den Zustand

dahin hatte

verschlimmert,

und er

aufrecht zu erhalten.

seines

vermogte kaum

mehr

sich

Der Arzt, welcher die angeb­

lich alte Wunde untersuchte,

den Kopf,

Beins natürlich

schüttelte ungläubig

und auf dessen Erklärung

sier als Betrüger hart angelassen,

wurde Lvi­

und in's Ho­

spital gesandt; von dort aus meldete er der Mutter

dm traurigen Ausgang ihrer List. —, Erschütternde Gemüthsbewegung

der

mannigfachsten Art

zogen

ihm ein Fieber zu, welches seine Genesung verzö­

gerte.

Nachdem Joseph hergestellt war, wurde er

seinem Capitän vorgestellt, der ihn mit einer Kalte

152 betrachtete, welche durch das einnehmende Aeußere des

jungen Soldaten etwas gemildert wurde. Dich schlecht empfohlen,«

kann

ein

»Du hast

redete er ihn an,

»wie

junger Bursche sich fürchten Soldat zu

werden; wie kann ein Mann überhaupt Furcht em­

pfinden.«

Joseph schlug die Augen mit einem

Ausdrucke auf, vor welchem der Offizier unwillkür­ lich das seinige senkte:

»Ich bin schuldig,

mein

Capitan, aber ich hoffe Ihnen künftig zu beweisen, L>aß

Furcht mein

stimmte.«

trauriges

nicht

Vorhaben

be­

Jener lächelte wohlwollend: »Ich glaube

Dir, beweise, daß Du ein braver Bursche bist, und

Alles soll vergessen sein.«

Kaum

im

Gebrauche der

Waffen

eingeübt,

mußte Joseph mit dem Regiments nach Spanien

aufbrechen.

Die Beschwerde des Marsches, die Glut

des Clima's ließen ihn vielfältig an den Folgen

der früheren Wunde

leiden,

welche mitunter sich

öffnend, eine Schonung erheischte, welche Loisier

derselben theils nicht widmen konnte

Von seinen Vorgesetzten ausgezeichnet, Cameraden geliebt,

noch wollte. von seinen

war seine kriegerische Laufbahn

eine ehrenvolle, und es erregte allgemeine Theilnahme, als er nach einem hitzigen Treffen vermißt und end-

153 lich scheinbar tödtlich verwundet, zwischen Leichen auf­ gefunden wurde. Seine Jugendkraft besiegte den Tod,

aber er war für lange undiensttüchtig, und wurde mit andern Genesenden in die Heimath zurück geschickt. —

Mit wehmüthiger Freude nahte er sich dem Vaterlande und seiner ehemaligen Garnison,

ließ

dieselbe erreichte,

ein

bevor er

unglücklicher

Stoß die

Wunde am Beine von Neuem aufbrechen,

mußte bei

werden,

seiner Ankunft

von wo

jedoch

und er

in's Hospital geschafft

er seiner Mutter sogleich

schrieb

und sie'dringend einlud ihn zu besuchen; sein Herz

sehnte sich nach ihr,

nach Kunde von der geliebten

Susette. Ein Fieber verschlimmerte

als

endlich aller Schmerz

arme Joseph

die Wunde,

derselben

seine Genesung für

aufhörte,

und der

fast vollendet

hielt, erklärte ihm der Wundarzt, nicht ohne Scho­

nung, daß sein Leben jetzt von seiner StandhaftigküL abhange, des Beins

denn dieses sei nur durch Abnehmen

noch zu retten.

Der junge Mann er;

bebte schauernd, er ein Krüppel! er, dessen Gestalt

überall Aufsehn erregt hatte! und Susette — der Gedanke an diese füllte sein Auge mit Thränen. —

Schweigend

gab er dann

durch ein

Zeichen seine

154 Zustimmung,

und

ertrug die Operation mit einer

Standhaftigkeit,

welche die lebhafteste Theilnahme

für ihn einflöste.

Nach Beendigung derselben ver­

fiel er in Phantasten, welche als Folgen eines hef­ tigen Wundsiebers dennoch geordnete Gedanken aus­

sprachen. Schmerz! wiederholte er oft, o den Schmerz

nicht,

scheuste ich

aber die Schande,

löschliche Schande des Betrugs. Keiner mehr,

daß

die unaus­

Nun glaubt wohl

ich den Schmerz scheue!

Auch

an meinem Muthe zweifelt Niemand; ich ließ mein Blut hinströmen, damit sie sahen, ich fürchte mich

nicht, mein Blut und mein Leben. vorbei,

ich

habe nichts mehr zu

Nun ist Alles geben.

Arme,

arme Mutter, das endet traurig! — Susette, meine Susette,

ich war Dir treu bis in den Tod.«

Gegen Abend

wurden diese Phantasien leiser,

sie verklangen wie Geisterhauch, gänzlich.

Da öffnete sich die Thüre, eine alte Frau

schwankte händeringend herein, Der Kranke Versuch

endlich schwieg er

schlug

dem Bette nahend.

die Augen auf,

der rührende

zu einem Lächeln umschwebte den bleichen

Mund: Meine Mutter!

flüsterte er kaum hörbar,

und mit diesen Lauten verhauchte sein Leben. —

155 Von diesem Augenblick

an war es um die

Vernunft der armen Frau geschehn,

und die Zer­

rüttung derselben gab sich dadurch kund,

daß sie

unaufhörlich nach ihrem Sohn verlangte, unablässig

im Lande umher irrend, ihn aufsuchte, seine Wie­

derkehr stets erwartend.

Seit Josephs Tode war

nie ein Wort über ihre Lippen gekommen, welches

nicht auf ihn Bezug gehabt hätten

ihre rührende

Gestalt, ihre sanften Fragen erregten überall Mit­ leid.

Susette

verging vor Gram,

und sich als

Veranlassung zu dem Tode des Geliebten betrach­ tend, schlug sie jeden Heirathsantrag standhaft aus.

Nach des Vaters Tode die arme Mutter ihres Jo­

sephs zu sich in's Haus nehmend und liebevoll für dieselbe sorgend,

büßte sie in stiller Reue ein Ver­

gehen, welches, als sie dazu rieth, in ihren Augen

keines war. Ich konnte das Dörfchen nicht verlassen ohne

am andern Morgen noch einmal an der Hütte vor­ über zu gehen.

Die schöne Sustne^^war vor dem

Hause mit Aufbinden einiger Weinranken beschäf­ tigt.

Ein leichtes Roth färbte ihre Wangen, als

sie den Gefährten der abendlichen Wanderung er­ blickte;

nur schweigend begrüßte ich sie,

und sah

156 mit seltsamen Empfindungen auf die herrlichen, ge­

fühlvollen Augen, welche ein trauriges Geschick da­ zu bestimmt hatte,

schmerzliche Thränen zu vergie­

Ihre Trauer hatte etwas poetisches, und den­

ßen.,

noch lag Beunruhigung in dem Gedanken, so viel Jugend und Schönheit einsam,

ohne Schutz und

Liebe, auf Erden zu wissen.« Alle schwiegen eine Weile, nachdem Eduard

seine Erzählung beendet hatte,

und

dieser wandte

sich an die Baronin mit der-Frage, ob dieses Er­

gebniß für ein Abentheuer gelten könne.

sanft das Haupt: That,

Sie beugte

»Für ein trauriges.«

In der

äußerte der Graf, eine recht artige Episode,

ein echter Novellenstoff.«

Natalie hatte Eduards Mittheilung mit

klopfenden Herzen angehört, und sah bewegt, nicht ohne schmerzliche Aufwallung, wie Emma's Au­ gen während

derselben

richtet waren, und

fest

auf den Erzähler ge­

die seinigen halb gesenkt, wie

durch einen Schleier von Wehmuth und Zärtlichkeit, die holden Blicke zurück gaben.

Andere das

So hatte jetzt eine

unbestrittene Recht ihn

so ansehn zu

dürfen, er dasjenige der Erwiederung, und von al­ len früheren Banden der Liebe und Treue war ihr

157 als die schmerzlichste Erinnerung.

nichts geblieben,

es aber noch ein Fädchen geheimer Sim-

— Gab

Augenblick so verletzender Be­

welches im

pathie,

trachtung

Eduards

Blick auf sie hin zog? —

Beide sahen sich im Fluge mit jenem tiefen, düstern

Ausdruck der Leidenschaft

welchen ungestörte,

an,

ungekränkte Liebe nicht kennt.

Es

war nur

ein

schnell vorüber gehender Moment, dann vermied er

für den übrigen Theil des Abends, wie jetzt immer,

ihren

zu

Augen

begegnen,

Nachbarin sich widmend,

ganz

denn

seiner

schönen

dieses war Gräfin

Emma beständig, und es mogte für ziemlich un­ entschieden gelten, ob mehr durch ihr, ob mehr durch

sein

Gräfin

Bemühen.

Adelheid

schien

Vorliebe ihrer Nichte auf alle Weise zu und

That

der

in

Eduard

nur

konnte

eine

die

billigen,

Verbindung

mit

als vortheilhaft betrachtet werden;

sein Vater war vor Jahren im Auslande gestorben,

und

er

im uneingeschränkten Besitz eines ansehnli­

chen Vermögens. Für den

folgenden Tag war eine Landpartie

in eine ziemlich entlegene Gegend verabredet, Emma

äußerte große Freude darüber,

sich ihr im

Dorwege,

und Eduard bot

galant als Führer, in der

158 ihm wohlbekannten Gegend an, indessen ihre Tante mit dem Grafen das Mitnehmen der Zeichenmap­

pen verabredete, mit jenem

Der Hausherr,

gen, im

und

die Baronin

sich

scherzhaft

mitzunehmende Verrathe

über

berieth.

kein Freund solcher Untemehmun-

mahnte ziemlich erfolglos davon ab, und ließ

Hintergründe die Aussicht auf ein sehr schlecht

tes Mittagsmahl Gemahlin

durchschimmern,

versicherte,

daß sie

wogegen

wenigstens

seine

für die

Mitnahme einer vortrefflichen Pastete Sorge tragen

werde.

Bei

Diese Aeußerung

schlug ihn völlig nieder:

liebes Kind, Du bist eine ganz

dieser Hitze?

vortreffliche Frau, aber davon verstehst Du nichts; die Pastete würde völlig zu Grunde gehn.

nur hier den Herrn Dieser im

gab

Grafen,

Frage

der ein Kenner ist.«

einige leise Winke, wie man sich

allgemeinen rücksichtlich der Vorbereitungen für

ländliche Feste zu

verhalten habe, und obgleich er

die Beschädigung der Pastete im Geiste vorher sah, bei seiner heitern Freundin auf die volle Beobach­

tung

so

Sicherheit

wichtiger zählend,

Vorsichtsmaßregeln

so

wurde es

ihm

nicht

mit

doch auch

schwer, diese gänzlich aufzugeben, und einem völlig ungewissen und ungesicherten Schicksal entgegen zu

159 Unter mancherlei Berathungen, eigentlich un­

gehn.

ter mancherlei Widerreden

schloß der Abend, ohne

daß der wichtige Punkt der Proviantirung gänzlich

wäre erledigt worden. Nur Eduard und Emma,

die

an

der Beredung keinen Antheil genommen,

schienen sich völlig befriedigt zu trennen.

Natalie dachte nicht an Schlaf, und war gesonnen ihren traurigen Betrachtungen nachzuhan­

gen,

als

ein Brief auf dem Tische vor ihr sie

unerwartet darin störte.

Die Hast, mit welcher sie

ihn erfaßte, die Enttäuschung beim Anblick einer völlig fremden Handschrift, zeigte ihr am deutlich­

sten , was

ihr bethörtes Herz

zu hoffen gewagt

habe. — Der Brief war von dem Kammerherrn von Werdenfels, und enthielt eine eben so zärt­ liche, als ehrfurchtsvolle Bewerbung um ihre Hand; zu Nataliens Beruhigung sprach er die Hoff­

nung nicht aus, ihre Neigung zu besitzen, sondem nur diejenige, daß es ihm einst gelingen werde sich dieselbe zu erwerben. —

worrenen

Verhältnissen

Der Zuwachs zu so ver­

bekümmerte sie sehr, und

als die Baronin am folgenden Morgen zu ihr ein­ trat, erklärte sie dieser, ohne weitere Angabe der

Gründe, daß heftiger Kopfschmerz nach völlig durch-

160 Wachter

Nacht

ihr

es

unmöglich

Landpartie Theil zu nehmen.

mache an der

Jene äußerte liebe­

volle Theilnahme, ohne gegen ihre Gewohnheit auf

Rücknahme des Entschlusses zu dringen, und bald sah

Natalie

nur

ihrem

von

der Gesellschaft an.

Zimmer

die Abfahrt

Alle blickten zu ihr empor und

Eduard und der Graf begrüßten sie

kalter Höflichkeit.

mit

Der Erste beschäftigte sich einzig

mit der schönen Emma, welche darauf bestand,

den am Wagen der Baronin für die Dienerschaft angebrachten

Sitz

einnehmen

zu

wollen;

nach

scherzhaftem Streit half er ihr hinauf, und schwang

gewandt und Adelheid

lachend

sich nach,

ihren Platz zur

indessen Gräfin

Seite des

Grafen

in dessen Wagen erhielt; eine Anordnung, welcher dieser, sich mehr nachgebend als erheitert, zu fügen

schien.

Nataliens Blick war fest auf Eduard

gerichtet,

der keinen für sie hatte,

pries sie sich

glücklich, wenigstens

und erschüttert während dieses

Tages nicht mit ansehen zu dürfen / was ihr fast das Herz brach.

Der

Morgen

verging ihr im unerfreulichen

Sinnen und erst am Nachmittage begab sie sich,

bei

mild bewölkter Luft in den Garten; bald ihr

161 Lieblingsplätzchen

am

See

erreichend,

Dadurch verlockt,

Welle bewegte.

den keine

bestieg sie die

kleine Gondel und war im Begriff die Ruder zu erfassen, als eine wohlbekannte Stimme ihr lebhaft zurief: Einen Äugenblick, Natalie — laß mich Dir

Fast erschrocken

helfen.«

blickte sie

zurück,

aber bevor sie noch im Stande war sich zu besinnen,

war Franz

im Boote und zu ihren Füßen; unge­

stüm ergriff er ihre Hande und rief, diese mit Küs­

sen bedeckend:

So

seh ich Dich wieder, Dich md-

lich wieder! Engel! Angebetete! —Betroffen machte

Natalie einen Versuch ihn aus seiner knieenden Stellung zu bringen, rasch sprang er empor, drückte

sie mit sanfter Gewalt auf eine Bank nieder, und erfaßte

dann

mit

Boot pfeilschnell

die

Ruder,

das

mit

Gebüsch

be­

Behendigkeit

einer

kleinen,

wachsenen Insel zulenkend.

Nach wenigen Augen­

blicken hatte er dort angelegt, und an's Ufer sprin­

gend, Natalien eben dorthin geleitet,

Kaum entzog

an Widerrede nur denken konnte. einiges

bevor sie

Gebüsch sie der Beobachtung, als Franz

abermals

mit größter

liens Füßen

warf,

Leidenschaft sich zu Nata­ die erschüttert und erschreckt

eine Bewegung machte ihm zu entfliehen.

7

Beson-

162 neuer sich empor richtend, sagte er lebhaft: Beruhige Dich

theure Freundin,

süße,

meine

erklären;

laß mich Dir Alles

überraschende

Gegenwart,

meine

Wünsche und Hoffnungen. — Sanft ihren Arm

in den seinigen

ein,

legend,

schlug

er

einen Fußpfad

der zu einem schattigen Ruheplätzchen führte.

Später sah man zwei Personen sich an's jenseitige

Ufer begeben,

und erst mit einbrechender Dämme­

rung kehrte Natalie in das Schloß zurück.

Einige von

Stunden später kam die Gesellschaft

ihrer Landpartie heim, Natalie begab sich

nicht hinab, und harrte mit klopfendem Herzen des

Besuchs ihrer Freundin.

Nach kurzer Zeit pochte

es leise an ihre Thüre, verwundert sich empor rich­

tend, sah

treten.

sie zu ihrer Bestürzung Eduard ein­

Unwillkürlich

Lippen und,

glitt sein

Natalie!

seinigen zurück,

Name über

ihre

hauchte es leise von den

dann fügte er sanft hinzu,

ob er

unangemeldet zu so ungewöhnlicher Stunde wirklich eintreten dürfe. —

Natalie deutete schweigend

auf einen Seffel, der am Tische neben den Divan

ftand, er setzte sich, und das Haupt etwas zu ihr hinbeugend, sagte er leise und innig: Wie viel hat sich

begebm,

seit wir

uns zuletzt sahen! mit wie

163 unseliger Eifersucht

unbegründeter,

mals

das

einzige

Glückseligkeit

des

Band,

Lebens

ich da­

zerriß

welches

knüpfte;

an

die

ich zerriß

es,

mich

aber blieb der frei gewordene und dennoch gefangene

Vogel,

der ein Stückchen der früheren Fessel über­

all mit nachschleppt.

ich

Theure Natalie, nie habe

Sie vergessen; als ich

Sie hier wieder sah,

nach so manchen

entschwundenen Jahren, traf es

mich gleich

elektrischen Schlage.

einem

Ihr kal­

ter Grus drängte die Gefühle meines Herzens zu­ rück,

mein

unseliger

alle

Stolz und

Zweifel er­

wachten, geflissentlich wich ich Ihnen aus, während jede

hörte.

Herzens

meines

Huldigung

nur Ihnen ge­

Kann dies aufrichtige Gestandniß mir nicht

Verzeihung erwerben? —

Geliebte Natalie wil­

ligen Sie ein, wieder wie ehemals der Engel mei­

nes Lebens zu

Versicherung

sein.

willen,

Vergeben Sie mir, um der

daß

Sie

die

Einzige sind,

welche ich je wahrhaft geliebt habe, die Einzige — Sie weinen? — meine Natalie, sagen Sie mir

ein Wort des Sie

Trostes

und der Hoffnung, sagm

mir, daß Sie mich nicht hassen.«

sen? o Eduard,

Sie has­

meine Thorheit, meine tief be­

reute Thorheit trennte uns;

jetzt ist Alles zu spät,

164 ich bin nicht mehr frei — heute, eben heute

gab ich Franz von Hollen mein Wort. — Wer­

denfels war lebhaft aufgesprungen: Darauf war ich nicht vorbereitet! rief er in heftiger Aufregung, dann ein Knie vor Natalien beugend, fügte er

innig hinzu: Unser Geschick ist dennoch unzertrenn­ lich — Du liebst mich, Du hast nie einen Andern

geliebt — jetzt wage ich zu sagen, daß ich es weiß; der holdeste Verrath hat es mir offenbart.

nichts vermag

Nein,

uns zu trennen •— Franz wird

dem aufrichtigen Geständnisse

Nachsicht

schenken,

er wird Dir Dein Wort zurück geben, und Du

wirst die Gattin des

Mannes werden,

den Du

liebst, und der Dich anbetet.« Bleich, wie abwehrend, legte Natalie die

Hand auf seinen Arm und flüsterte mit erstickter Stimme: Es ist zu spat — Franz kann mir mein Wort nicht zurück geben — denn ich bin — ich

bin

ihm

heute

angetraut

— ich bin seine

Frau.«

Eduard raffte sich empor, er bebte wie von

Fieberfrost geschüttelt, sein dunkles Auge traf Na­ talie durchdringend, fast drohend: Ist das wahr?

165 rief er heftig:

Mit der Liebe zu mir im Herzen!

— fügte er wie unwillkürlich hinzu.

Natalie starrte ihn fast leblos an, endlich sagte sie mit gefaltenen Händen zu ihm aufsehend:

Verdammen Sie mich nicht ungehört, Ihre Kälte — Nein, entgegnete er bewegt, ich erlasse Dir jede Aufklärung, ich kann und will nichts mehr hören.

Dein Mangel an Glauben und Treue

hat mein

Glück für immer zerstört.«

Er ging,

in der Thür

blieb

er stehen, und

blickte auf die bleiche Gestalt der noch immer Ge­ liebten, zurück,

er

sanft:

dann sich ihr wieder nahend, sagte

mir

Geben Sie

zum letzten Mal im

Leben Ihre liebe, schöne Hand.« drückte

Sie that es, er

dieselbe an sein Herz: Ich scheide in Frie­

den Natalie — sein Sie glücklich — sehen Sie mich noch einmal an — sagen Sie mir noch Ein Wort, dann scheide ich.«

Eduard!

hauchte sie leise, Natalie! ent­

gegnete er mit leidenschaftlicher Wehmuth, dann ge­ waltsam von ihrem Anblick sich losreißend, verließ

er langsam sehend,

das

Zimmer,

welche seinen

zu

derjenigen zurück­

letzten Blick mit furchtsamer

Sehnsucht auffaßte. —

166 Schaudernd schloß Eduard die Thüre: Nun sehe ich Sie niemals wieder! dachte er, und o thö­

richtes Herz!

kein Sturm vermöge

Du wähntest,

mehr Dich zu erschüttern, und blutend, blutend,

reißest Du Dich

von ihr los.« — Nachdem die

erste, furchtbare Aufregung sich gelegt, verfügte er sich in das Zimmer seines

folgenden

Morgen

diesem nach

Oheims,

kurzer Einleitung den Entschluß

mittheilend, am

abreisen zu wollen.



Der

Graf, welcher nicht ohne einige Aufregung im Ge­ mache auf und ab ging,

blickte ihn

verwundert

an: So rasch entschlossen! wohin denn jetzt? —

Vorläufig nach Bellforst. — Der Oheim lächelte. Ah! Du willst Dir die Schwingen nicht lahmen

lassen, ich billige das.

gefährlich,

Schöne Damen sind immer

besonders auf dem Lande, wo es an

mannigfacher Zerstreuung fehlt- und die Gräfin ist

wirklich ungewöhnlich schön- man könnte sich fan­ gen lassen! Solches würde jedoch von Dir schwerlich zu billigen sein, da die Familie gänzlich unbegütert

ist.

Für mich wäre die Partie schon annehmbarer,

wenn es nicht selbst bei einem reichen Manne für Thorheit gelten

Mädchen

zu

müßte,

Heimchen.

ein

völlig

unbemitteltes

Deine plötzliche Abreise

167 misfällt

mir auf einige Weise,

denn ein Mann

sollte nie so sehr aus dem Gleichgewichte

schöner

Besonnenheit kommen, um eine Fessel rauh, und ohne den erforderlichen Anstand abzustreifen.

Auch

ich werde in wenigen Tagen abreifen, dieses aber zuvor, vielleicht heute noch gelegentlich mittheilen;

Schonung ist man immer dem zarteren Geschlechte schuldig, dessen reizbare Nerven Berücksichtigung er­ heischen. — Die heutige Partie hat mich in etwas

verstimmt, das Essen war verabscheuungswürdig; sehr natürlich! wenn man dergleichen ohne die ge­

hörige Vorbereitung unternimmt; die Pastete förm­ lich zu Grunde gegangen, und der Wein lauwarm

dazu, die seltsame Grille, mich immer mit der Grä­ fin Adelheid

zusammen zu bringen!

Der Anblick

ihres ältlichen Gesichtes war mir wahrend der lan­ gen Fahrt höchst lästig

— cs

verstimmte mich,

und ich verkenne in solcher Anordnung die Umsicht unserer liebenswürdigen

Wirthin.

die gute Gräfin auch

hegen mag, in die Flucht

jagt sie mich

damit nicht.

Welche

Ideen

Kann mein Muth

Dich nicht zu längerem Bleiben veranlassen? —

Eduard äußerte sich ablehnend,

ohne weite­

rer Gründe zu gedenken, und als er bald daraus

168 der Baronin seine Absicht mittheilte, las er in ihren verstörten Mienen,

Wahrheit legte sie

ihr

daß

bereits

wenigstens

bekannt

ein Theil der

Wehmüthig

sei.

»Ich meinte

die Hand auf seinen Arm:

es gut,« sagte sie sanft, »vergeben Sie mir, wenn

ich Gefühle weckte, welche ohne

meine Mittheilung

in solcher Stärke nicht erwacht sein würden.«

dieselbe legend,

ersuchte

Er

und einen Brief in

küßte ihre Hand mit Wärme,

solchen nach seiner

er sie,

Abreise Natalien übergeben zu wollen. —

Dieser Brief enthielt in wehmüthigen Abschiedsgruß.

»unser Verhältniß

Eduard,

wenigen Zeilen einen

»Lasten Sie,« schrieb friedlich

völlig

sich

lösen, o Natalie, zwei Menschen, die mit unend­

licher Zuneigung an einander hingen, welche wieder, und immer wieder,

durch unrichtige Auffassung der

Verhältnisse geschieden wurden, sollen diese am Schei­

dewege,

bei einer Trennung für diese Welt,

und unfreundlich von einander scheiden?

trüge es nicht. unendlich

Ich er­

Nein, ich scheide als Freund, mit

wehmüthiger

Dankbarkeit

Sie haben mich geliebt — ewig danken fest halten, darin Versöhnung.

schroff

von

Ihnen,

will ich den Ge­

liegt Wonne,

Trost und

Leben Sie wohl, ich ehre Franzens

169 Rechte, aber ich beleidige diese nicht, wenn ich Ih­

nen feierlich wiederhole: Sie allein habe ich geliebt. —

Sein

Sie

glücklich

wünsche es,

ich



ja

theure Natalie, ich habe den Muth es zu wün­

ich liebe Sie zu sehr,

schen,

um Sie nicht über

Alles zu achten und zu verehren.«

Als die Baronin am folgenden Morgen den Brief übergah,

war Eduard bereits

seit Stunden

fort; beide Freundinnen sanken sich stumm, nend in die Arme,

wei­

und jene drang jetzt auf eine

welche ihr bis dahin nur in zusam­

Erläuterung,

menhängenden Worten geworden war. Die Unterredung,

welche so

unerwartet zwi­

schen Franz und Natalie Statt fand, von seiner Seite in

rung

seiner

ihr mit, Berg-

lebhafter,

bestand

rührender Schilde­

unveränderten Neigung.

wie er durch seinen Freund,

von Eduards Ankunft

Er

theilte

Baron von

unterrichtet wor­

den, und alle Qualen der Eifersucht erduldet habe.

Die fortgesetzten Berichte stockend hinzu,

hatten ihm

des Barons,

fügte

er

einige Beruhigung ge­

währt und der Hoffnung Raum gegeben, daß Zeit und Entfernung

welche

eine Leidenschaft

ermäßigt

so sichtlich nicht gemacht sei,

habe,

beide Theile

170 zu

beglücken.

Während er so

trachtungen sich hingegeben,

ermuthigenden Be-

sei der Befehl an ihn

ergangen, sich ohne Aufschub beim Regiments ein-

welches

zufi'nden,

befehligt sei,

Oesterreich aufzubrechen.

ungesäumt

Nur dadurch',

nach

daß er die

Reise in undenkbarer Hast zurückgelegt, sei es ihm

einige

gelungen

Stunden für

die Zusammenkunft

mit Natalien zu gewinnen. hinzu,

habe Mitleid mit mir,

Und so,

fügte er

bereite Dir nicht

das unabwendbare Gefühl der Reue, mich trostlos, mit Verzweiflung

im Herzen,

ungewissen

einem

Erfülle end­

Schicksale entgegen gesandt zu haben.

lich den letzten Wunsch Deines Oheims, stoße nicht um einer,

vielleicht unerwiederten Zuneigung willen

ein Herz zurück,

welches Dir seit acht Jahren un­

wandelbar ergeben war.

Denke an Eduard,

wundere ihn — ich habe nichts dawieder,

weiß, daß meine Zeit kommen wird, gut sein,

ich

ihm

denn ich

wo Du mir

mich lieben wirst wie ihn.

sein augenblickliches Glück.

be­

So gönne

Alles scheint

mir günstig, sei Du es auch, süßeste Liebe meines

Lebens;

dort in der Mühle einkehrend,

zu Deinem Mädchen, und

schickte ich

damit sie Dich vorbereite,

erfuhr zu unaussprechlicher Wonne,

daß Du

171 und

zu Hause

allein

ich Dich beraubt, sein,

Natalie,

theure

mit

Gegen meinen Witten habe

meiner Verzweiflung.

zu

wärst.

habe Mitleid mit meiner Sorge,

Na tat re,

nur wenn Du

einwilligst mein

darf ich zu Deinen Gunsten verfügen;

sterbe ich >unvermahlt, fallen die Güter,

wie Du

weißt,

So

entfernten Verwandten

mir Deine liebe Hand

anheim.

— heute noch.

gieb

Ich war

bereits im Dorfe beim Prediger — Alles ist ver­ abredet; ich führe Dich über den See, mein Wagen erwartet uns, in einer Stunde stehen wir vor dem

Altar, und werde,

ich

gelobe vor Gott

was ich

so wahr ich an ihn glaube.

ich Dich hieher zurück,

halten

Dann bringe

wir scheiden,

ich

mit

der

Seligkeit im Herzen, daß Du mein bist, Du mit

der Ueberzeugung, mich über allen Ausdruck beglückt zu haben.« —

Auf ähnliche Weise bestürmte der gutmüthigste und ungestümste aller Liebhaber die arme Nata­ lie, die halb betäubt ihn anhörte. suchte

sie durch

ein

Vergebens ver­

aufrichtiges Gestandniß

ihrer

Neigung für Eduard ihn zu überzeugen- daß sie

seine Bewerbung nicht verdiene^ seine Bitten, und leider mehr noch die Ueberzeugung,

daß jener viel-

8*

172 leicht schon

Abend

am

als

Emmas Verlobter

heim kehren werde, bestimmten ihr Schicksal.

der

Feststellung

Geschicks

ihres

hoffte

sie

In

eine

Schmerz und Demüthigung zu

Schutzwehr gegen

finden. Halb willenlos ließ sie sich von Framz über den See

rudern und brachte den Weg

Kirche stumm und

in Thränen

hin.

bis zur

Hier erst

traf sie das volle Gewicht ihres Vorhabens, sanft zog sie ihre Hand aus derjenigen des überglückli­

chen Bräutigams: »Laß

mir,« sagte sie

»nur einige Augenblicke zu stillem Gebete.«

bewegt, Gerührt

sie zum Altar der kleinen Kirche leitend, verließ er

sie dort.

kniete

Demüthig

die unbeglückte Braut

den Stufen nieder, gestärkt erhob sie sich, Franz

nach

einer Weile mit

an

und als

dem Diener des

Herrn die Kirche betrat, streckte sie ihm die Hand mit jenem Seelenausdrucke entgegen, der nicht Liebe und Glück, aber Frieden und Treue verheißt.

Seegen wurde gesprochen,

Der

und während die nöthi­

gen Bescheinigungen ausgefertigt wurden, ging das junge

Paar im

Pfarrgarten

auf und

ab.



Franz äußerte ein wahrhaft rührendes Entzücken,

173 und stellte es Natalien frei,

oder als

fallene verschweigen, seine Frau

ihrer Freundin

Gesellschaft sich

seine

und

geben

kund

ob sie das Vorge­ Braut,

wolle,

oder

versammelten

der

denn

für die

Verschwiegenheit des Predigers bürge dessen eigener

»Handle wie Du willst,« fügte er hinzu,

Vortheil.

»mir genügt bis zu meiner Rückkehr die süße Ueber­

zeugung, daß Du

für immer mein

ich in diesem Feldzuge, kehre ich

wieder,

so

so

bist.

Bleibe

traure sanft um mich,

empfange

mich gütig.

Ge­

denke des Freundes, dessen Namen Du jetzt trägst, und der Dir für alle Fälle Vortheile sichert,

die

Dich erfreuen werden.« Natalie

hob

das

thränenschwere Auge zu

ihm empor: »O Franz, kannst Du denken, daß

irdische Güter mich bestimmten?« —

Sanft küßte er die Zähren von ihren Wangen: »Meine Liebe bestimmte Dich,

Glück und

und

diese findet

Wonne darin, lDir zurück zu geben,

mit Dir zu theilen,

was Du einst als Dein Ei­

genthum betrachtetest.«

Nach kurzer Frist befanden

in dem kleinen Nachen; mütze

abgelegt,

und

beide

sich wieder

Franz hatte die Reise­

Natalie

betrachtete

mit

174 schmerzlicher Empfindung die schöne, freie durch , die

Fülle des dunklen Haares leicht beschattete und nun umwölkte Stirn, Iugendglanz jetzt

das offne Auge,

durch Wehmuth

zögernd handhabte er die Ruder,

dessen kräftiger

umflort

war;

jeder Schlag der­

selben brachte ihn dem Augenblicke der Trennung welchen zu beschleunigen er sich gleichwohl

näher,

gezwungeü sah. — Allein mit ihm,

samen Elemente,

auf dem ein­

von seiner Geschicklichkeit,

Leitung abhängend,

seiner

erschien sie sich recht eigentlich

als sein Eigenthum und in dem Augenblicke,

wo

sie vielleicht für immer von einander schieden, schloß sie ihn mit einer Wahrheit der Empfindung an

ihr Herz, wovon die Ueberzeugung in seine Seele

überging. —

Die Baronin hörte

der Mittheilung so uner­

warteter Ereignisse mit Spannung

gegnete sie sanft:

»Es

zu,

dann ent­

ist anders gekommen als

ich hoffte und wünschte, möge nun Alles glücklich enden!

Eine so seltsame Begebenheit wird zu viel­

fachem Gerede Anlaß

was

das Richtige sein

geben und kaum weiß mag.

ich

Nach meiner An­

sicht stelle ich Dich heute der Gesellschaft als Braut

175 vor, später findet sich schon Alles, auf eine schickli­ chere Weise.«

die Gesellschaft am Mittage versammelt

Ms

war, faßte die Baronin der Freundin Hand, derselben als Braut vorstellend.

Zögernd

diese

nannte

sie den Namen des Bräutigams, schelmisch an der Spannung

der Gräfin Adelheid

sich ergötzend,

indessen leicht aufwallende Nöthe auf den Wangen der schönen Emma

nen Rache

sie zu

veranlaßte. —

Beendigung

der klei­

Innerlich tief erschüt­

tert, aber mit äußerer Fassung empfing

Natalie

die Glückwünsche; zum ersten Mal wurde ihr eine höfliche Anrede des Grafen zu Theil,

halb

welcher sie

verwundert betrachtete, und im Stillen kaum

begriff wie es

möglich sei, im sechsundzwanzigsten

Jahre eine so glänzende Heirath zu schließen.

Die­

sem übermüthigen Manne gegenüber empfand Na­ talie

das

wohlthätige einer festen Stellung

Leben, aber ach!

im

auf andere Weise hatte ihr Herz

dieselbe zu erreichen gehofft! — Schon

merherrn

früher hatte die Baronin den Kam­

von

Werdenfels mit großer Zartheit

die unerwartete Kunde

mitgetheilt; sie erschütterte

ihn tief, erst als er den Namen des Bräutigams

176 erfuhr, freier athmend, war es ihm für den Augen­

den Mann

blick Erleichterung,

zu kennen,

nicht

welchen zu beneiden er im Herzen dringenden An­

laß fand.

welche

So

war eine Verbindung

geschlossen,

drei Herzen tief bewegte und betrübte, und

nur Eines so sehr beglückte, als die Umstande sol­ Nach wenigen Tagen reißte Na­

ches gestatteten.

talie

zur Tante

zurück auf einem Umwege das

Städtchen vermeidend,

um

nicht aufsuchen zu dürfen. den hin fuhr, lagen

Frau

von Nord eck

Als sie über die Hai­

waren diese bereits abgeblüht, und

braun und

grau in Staubwolken

gehüllt,

ohne eine Spur des früheren Reizes von ihr.

Bild

Ein

des Lebens, dachte sie schluchzend, eine Blü-

thenzeit giebt es immer, aber abgeblüht versinkt sie

in Nacht,

um erst an jenem ewigen Morgen neu

zu ersprießen.« — Kurz

vor dem Gute der Tante

begegnete ihr ein Reisewagen, ein Gruß der Hand, ein

leidenschaftlicher

sagte ihr das der

das

Land

letzte

zum

Blick

aus

Lebewohl; zweiten

geliebten

Augen,

es war Eduard,

Mal

verließ,

ihrer

Nähe zu entfliehen.

Sehr nach und

nach

theilte Natalie

der

Tante das Vorgefallene mit, welches von dieser mit

177 Freudm ausgenommen wurde.

»Du hast, äußerte

sie, die Poesie des Lebens hinreichend kennen gelernt, und

magst

Dir

sagen,

ob

diese dornenlos ist.

Menschen wie Franz werden immer in der Welt für rein prosaisch gelten und dennoch ist eben in

den Tiefen seines Gemüthes die echte, wahre Poesie, -Treue, Ausdauer,

pfindung.

Wahrheit und Kraft der Em­

Sei eine gute, treue Frau, und^Du

wirst glücklich werden.«

Im ruhigen Fortteben bei der Tante versöhnte Natalie sich mehr und mehr mit ihrem Geschicke; Briefe von Franz, welche den Abdruck seines Ge­

müthes trugen, und warm, einfach und herzlich die

lebendigste Sehnsucht,

die

frische Jugendhoffnung

auf künftiges Glück aussprachen, beschäftigten sie an­

genehm, und immer ängstlicher wurde ihre Sorge

um ihn.

Als er nach beendigtem Feldzuge leicht

verwundet heimkehrte, wurde ihm ein Empfang zu Theil, der sein liebevolles Herz zufrieden stellte, und mit Entzücken führte er seine Natalie auf sein schönes Besitzthum ein.

Ihre Wünsche erforschend,

ihrem Geschmack vertrauend, überließ er ihr jegliche Anordnung, welche Annehmlichkeit und Verschöne­

rung zum Zweck hatte.

Als Soldat daran gewöhnt,

178 sich viel

mit seinen Untergebenen zu beschäftigen,

widmete

er denen,

standen,

große Sorgfalt und Theilnahme;

welche ihm jetzt so viel näher

sein Beispiel angeleitet,

ihr

bis dahin

durch

ging Natalie in solche,

fremde Interessen des Lebens ein,

und ihr scheinbar einförmiges Leben gestaltete sich und mannigfaltig.

reich

Seltsam wandelte bald

das ganze Verhältnis sich um, und sie, welche ftüher sich geistig hoch über Franz gestellt hatte, blickte

jetzt in mancher Beziehung zu ihm seine klaren Lebensansichten

hinauf,

auf

Seine

sich stützend.

Festigkeit, das absichtliche Nichtbeachten ihrer kleinen

Schwächen, die Güte, mit welcher er diese niemals rügte,

derung. herzlich,

erweckten

ihre Dankbarkeit

Ihr Verhältnis zu

ihm

und

Bewun­

war liebevoll,

voll Zartheit, aber ohne jenen poetischen

Hauch, von welchem sie früher geträumt,

der sie

das eigene Bild in der Verklärung unablässiger An­ betung erblicken ließ

und auch jetzt noch zuweilen

ihre Brust mit Sehnsucht hob. — Von Eduard hörte sie selten, er war nach * * * gegangen,

dort später zum Gesandten ernannt.

und

Ich bin glück­

lich, sagte sie sich bei der Erinnerung an ihn,, aber

wer

am Himmel seines Lebens

einst ein Meteor

179 aufgehen sah,

vergessen.«

der wird,

Den Grafen

daß dieser zum

der kann es nie gänzlich

betreffend,

vernahm sie,

höchsten Erstaunen der Tante um

Gräfin Emma sich beworben und, von dieser aus­

geschlagen,

sich

für

eine Zeit mürrisch

auf seinen

Gütern vergraben habe.

Nach zwei Jahren rief der Wiederausbruch des Krieges Franz

zu seinem früheren Berufe zurück.

Er schied, im Vorgefühl des nahen Todes mit un­

endlicher Liebe, mit besonnener Ruhe, und als Na­ talie ihn wieder, und immer wieder in ihre Arme

schloß, ihn nicht lassen, sich nicht beruhigen konnte,

äußerte

er

in

überwallender Empfindung:

»Uttb

hätte ich nur diesen Augenblick des Glücks gelebt,

so würde ich mein Geschick von Herzen segnen.« —

Franz siel zu Anfang

des russischen Feld­

zuges; ein mildes Geschick ersparte ihm die Qua­

len,

welche viele seiner Gefährten vor ihrem Ende

dort erlebten.

Natalie empfing

die Kunde mit

unendlichem Schtnerz, so schlug es nun nicht mehr, dies einfach edle Herz, und alle ihre Entwürfe, ihr festes Vornehmen, immer liebevoller für ihn leben

zu

wollen/

zerrannen

in Nichts.

Ganz

verlassen

fühlte sie sich, niedergebeugt vom Schicksal, da lei-

180 der ihre

kinderlos geblieben

Ehe

war.

Nachdem

der erste erschütterndste Schmerz überwunden, begab

Natalie sich

zur Tante,

dieser das Versprechen

gebend, wenigstens immer die rauhere Jahreszeit bei

ihr zubringen zu wollen; ganz konnte sie von dem Eigenthum sich nicht losreißen,

sehr geliebt hatte,

wo

welches Franz so

wo er so sehr geliebt war,

und

sie selber manche Schöpfung ihres Geschmacks

wachsen und gedeihen, manches gute Werk in Segen erblühen sah.

Nach

dem

der Frühling

furchtbar strengen Winter erschien

doppelt

anmuthig,

Natalie

war

noch bei der Tante'und ging wie ftüher Stunden­

lang allein in der wundervollen Gegend umher, trau­ ernd des Freundes gedenkend,

der in den verflosse­

nen Jahren sie

geschützt und geleitet hatte.

war sie allein,

und sollte nie mehr

Jetzt

ein Wort von

den Lippen vernehmen, über welche für sie nur Laute

der Liebe und

des Friedens

mehr war ihr ein Blick

gegangen waren, nie

in seine treuen Augen ge­

stattet. — O ein verlorenes Gut erlangt doppelten Werth. —

Lange hatte Natalie vermieden den Pfad zu

betreten, der sie einst dem Abschiede von Eduard

181 entgegengeführt, endlich leitete mehr Zufall als Ab­ sicht ihre Schritte dorthin.

Ein leiser Schauer über­

flog sie beim Anblick der kleinen Pforte.

»Hatte

ich, dachte sie sinnend, hier, hier an dieser Stätte

ein freundliches,

begütigendes Wort gesagt — Ei­

nes von den unzähligen, welche für ihn in meinem

Herzen

waren — so würde Eduard hier leben,

hier glücklich sein.«

Seufzend suchte sie die Pforte

zu öffnen, diese war unverschlossen, und ungehindert

ging sie dem Rasensitze zu, wo damals,

ten Mal, Eduards Arm sie umfing.

zum letz­ Ihr Auge

füllte sich mit Thränen, eine Erinnerung verwebte sich mit der andem, beide verschmolzen in einander.

Ihr Blick richtete sich allmälig auf die prächtigen Bäume umher, welche, zart belaubt, magische Schat­ ten warfen, auf den Teppich von Moos, Gräsem

und zierlichen Waldblumen zu ihren Füßen, welcher

Frühlingsduft aushauchte.

Alles umher war so ju­

gendfrisch, Alles in ihrem Herzen todt, bis auf die Erinnerung. So saß sie lange sinnend,

träumend,

und

stand endlich auf sich an den Fluß hinab zu be­ geben, an dessen Ufern Bell forst lag; um eine

Ecke biegend, vernahm sie Fußtritte und gewahrte,

182 die Augen aufschlagend, Eduard, der vor ihr stand. Beide erbebten,

rief er bewegt,

»Natalie!

eine

Weite stand er regungslos ihr gegenüber, dann leb­

haft ihre Hand mir,

aber ich

rungen

erfassend fagce er innig: Vergieb kann Dich hier,

der Vergangenheit,

Jedes

begrüßen.

bei allen Erinne­

nicht als

andere Band

eine Fremde

ist zwischen uns

zerrissen, so laß mich zu Dir reden dürfen wie ein Bruder, sprich Du in dem Sinne einer Schwester zu mir;

Mal diese

Arm

Natalie,

o

letzte

gewahre mir zum

Gunst.«

Sanft

legte

letzten

er ihrm

in den seinigen, mit ihr weiter gehend,

das

Beben ihrer Gestalt, ihre Erschütterung empfindend, welche wo möglich die ftinige noch vermehrte.

»Du

hier?« flüsterte sie leise.

Ein Ausdruck tiefen Seelenleidens überflog sein

Antlitz: »Für kurze Zeit — ich habe manches hier zu ordnen.«

»Du bleibst nicht?« — Sein Auge begegnete schwermüthig dem

gen, war.

welches

furchtsam

fragend

ihri­

auf ihn gerichtet

»Nein, ich bleibe nicht, bald kehre ich nach

* * * zurück — vielleicht einst — nach Jahren —

kehre ich wieder.«

Schweigend gingen beide weiter,

183 endlich war ein lieblicher Ruheplatz erreicht, welcher

eine weite Uebersicht der malerischen Gegend gestat­

Stumm blickten sie umher und dann ein­

tete.

ander an, mit dem schweigenden Geständnisse, daß

sie das Alles miteinander hätten genießen und thei­ len können.

Die rührende, in tiefe Trauer gehüllte Gestalt

Nataliens lockte Thränen in Eduards Auge, er setzte sich zu ihr,

erfaßte ihre Hand und sagte

»Du betrauerst

sanft:

den treusten Freund;

ich

weiß, Du warst glücklich.« Sie machte eine bejahende Bewegung.

»Es

freut mich, es freut mich innig, dann fügte er tief ergriffen hinzu,

leglich,

mein Herz sagt cs mir unwider­

es war eine andere Art des Glücks,

Du vereint

mit

mir empfunden

hattest.

als

Treue

Pflichterfüllung, die Anerkennung, die Du Franz

unmöglich versagen konntest,

den,

machten Dich zufrie­

glücklich, aber mit mir,

o Natalie,

mit

mir warst Du auf andere Weise es gewesen!«

Sie sah ihn an,

ihr umflortes Auge blickte

rührend in das seinige,

er drückte ihre Hand und

sagte gepreßt: »Ich weiß es, und danke Dir für

die süße Bestätigung.

Wunderbar gestaltet sich un-

184 ser Geschick — es ist ein Wiedersinden und Ver­

geliebtes Herz,

lieren — denn ich — Natalie,

ich bin seit wenigen Monaten vermahlt. — Mein Glück gleicht dem, welches Du fandest, ihm man­

gelt Eines

nur — der süße, poetische Lebenshauch

echter, wahrer, einziger Liebe. — Es ist kein Fre­ vel, wenn ich tiefen Schmerz empfinde, Dich wie­

der einsam in der Welt zu sehn, ohne daß mein

Arm Dich schützen und führen darf. ten werde ich treu sein,

Meinen Pflich­

wie Du den Deinigen es

warst — aber Natalie — nie werde, nie kann ich Dich vergessen.

Unter glücklichen Verhältnissen

in der Welt lebend,

habe ich es dennoch mit un­

widerleglicher Wahrheit empfunden,

selbst die Zeit, welche hinbrachte,

ich

die

Zeit,

ja

in Unfrieden mit Dir

war beseligender denn Allcs- Andere.«

Unter Thränen blickte sie zu ihm auf: »Der Name

Deiner Frau?« — »Clementine.« jung?« — »Zwanzig Jahr.«

»Ist sie noch Natalie legte

ihre zarte Hand auf die seinige: »Gewiß Eduard,

es

ist besser so — mein Frühling ist abgeblüht,

Du selber würdest an meiner Seite früher gealtert haben; Alles endet so würdiger.

Meine Thorheit

hat das Leid unseres Lebens veranlaßt, und als

185 ich das Verschuldete bereuend, nach ersehntem Glücke

die Hand verlangend ausstreckte,

raubten Ueberei-

lung, Misverstehen und Eifersucht es mir von neuem

und auf immer.«

vorgebeugt,

ihre

Sie hatte das Haupt etwas Thränen

sielen

auf Eduards

Hand: Vergiebst Du mir? Von Herzen? fragte sie leise.

Unfähig eine Sylbe zu erwiedern, antwortete

er nur durch eine Bewegung des Kopfes.

Stumm gingen beide denselben Pfad zurück,

die Pforte war erreicht, dieselbe,

leise,

vom

uns

scheiden,

lebwohl für immer.

in sein

schloß

hier laß

zögewd öffnete Eduard

bleiches Gesicht,

sagte Natalie

Er schwieg, und

breitete

sie blickte überwältigt

Schmerz die Arme gegen ihn aus. er sie an

seine Brust,

wo sie

Innig

früher,

in

guten Stunden, so oft in hingebender Liebe geruht

hatte.

Sie schlug die Augen zu den seinigm auf,

beide blickten fest, mit dem treusten Ausdrucke sich

an,

und schieden dann,

ihre gegenseitigen Namm

sich zuflüstewd, für immer von einander. —

Natalie lebte fortan ein stilles, zurückgezogenes Leben, ihre Reichthümer auf würdige Weise anwen­ dend, und in Herzens- und Geistesbildung immer mehr

fortschreitend.

Eduard

blieb im Auslande

8**

186 seiner gewählten Laufbahn getreu. Beiden hatte das Problem ungelöst bleiben sollen, ob es ein Glück giebt, wie sie es träumten, und ob die Poe­ sie, der zarte Liebeshauch des Gefühls, in der Ehe fortblühen und bestehen kann. So blieb minde­ stens die reiche Täuschung zum Ersatz für vielleicht entzaubernde Wirklichkeit. —

Fanny.

An

einem

junger deutscher

schönen

Frühlingstage

stand

ein

Maler auf den Altan des Gast­

hofes in Amalfy, und betrachtete die ihn umgeben­ den

Gruppen von Reisenden

aus

den verschieden­

sten Landern.

Sein junges Künstlerauge war be­

sonders

sehr

einer

reizenden

Dame

zugewendet,

welche im Vorgrunde neben einem Manne stand,

der kaum dreißig Jahre zahlen mogte,

denkender Blick regten.

und

Die großen

hohe Gestalt Beachtung er­

strahlenden Augen des Man­

nes ruhten auf der herrlichen Gegend, Ausdrucke

und dessen

lag mehr als

in seinem

das Gefühl des Augen­

blickes; das Erkennen göttlicher Allmacht, ein fester Glaube,

und

auszusprechen.

hohe Zuversicht

schienen sich darin

Schweigend, aber sichtlich ergriffen,

legte er seine Hand auf den Arm seiner Gefährtin;

freundlich blickte diese zu ihm auf: Wirst Du mich nicht thöricht nennen, Horace, wenn ich Dir ge-

188 stehe, daß ich selbst hier, in dieser fremdartigen Um­

gebung, an Fairyhile mich erinnert fühle? —

Wunderbar,

zaubervoll treten für mich unter allen

Verhältnissen einzelne

Züge

dieses

lieben

Der junge Mann zog seine Hand zurück,

hervor.

ich besitze keine so blühende Phantasie,

er

Bildes

Nenne es Phantasie, Auffassungsgabe

kalt.

oder Thorheit, innige

davon

Wesen

entgegnete

aus.«

Anhänglichkeit macht

Der

Fremde

das

unterdrückte

sichtlich eine Erwiederung, fuhr mit der Hand über

die Stirn und blickte melancholisch lächelnd auf die lieblichen Fernen hin.

Mit dem Blicke des Kunstkenners, mit dem­ jenigen jugendlicher Neugier,

folgte der Maler je­

der Bewegung dieser Beiden, absichtlich seine Stel­ lung

so

wählend, daß sie im Fortgehen an ihm

vorüber mußten.

Als nun nach einer Weile das

Paar sich entfernte, ersah die schöne Fremde einen

Straus wilder Haideblüthen, den der Maler an sei­ ner Mütze trug, und äußerte lächelnd gegen ihren Begleiter, mit einer leichten Bewegung der Hand:

Erinnerung

an England! —

Hastig

nahm der

Maler den Straus, und überreichte denselben ehr-

erbiethigst der Fremden, welche mit einem anmuthi-

189 die willkommene Gabe

gen Neigen des Hauptes

entgegen nahm, wobei sie den Geber flüchtig, aber mit sichtlicher Ueberraschung anblickte. — Der Ma­

ler forschte sogleich nach dem Namen der Reisenden:

Lord und Lady länder.

entgegnete ein Eng­

Delmour,

2sn den Altan gelehnt, verharrte der Ma­

ler in sinnender Stellung; er lein,

sein gedankenvolles

Gegenstände

ohne sie

hin,

befand sich bald al­

Auge schweifte über

die

zu unterscheiden, seine

lebendige Einbildungskraft vergegenwärtigte ihm das

Bild der Fremden,

und mit dem Entwürfe eines

reizenden Gemäldes beschäftigt, war er, des Haupt­

gegenstandes gewiß, nur bemüht würdige Umgebun­

gen für

diesen

Delmour

der

zu

ersinnen.

Lichtpunkt

Lange

seiner

blieb

Lady

phantastischen

Traume, aber kein ahnendes Vorgefühl sagte ihm von den Ergebnissen der Zukunft.

Kaum

17 Jahre alt ward Fanny Gran­

ville die Gemahlin Lord Delmours; ohne Nei­

gung von ihrer Seite, und vornehmlich in Veran­

lassung der Vorstellungen ihres Vaters, neral Granville,

des Ge­

welcher fein einziges Kind auf

190 das

zärtlichste

ihr

Glück

liebte und durch

fest

und

sicher

zu

diese Verbindung

begründen hoffte.

Lord Delmours Bewerbung mußte in jeder Be­

ziehung

ehrenvoll

und

schmeichelhaft

erscheinen,

denn im Besitze großer Reichthümer und eines glan­ zenden Namens, ausgestattet mit seltenen Geistes­

und Herzensgaben, gewahrte auch

keit

einen

wohlthuenden

Stolz

und

entschiedene Kalte,

Werth verkannt glaubte.

schaft gebildet, Täuschungen,

Edel und ge­

nicht abschreckend,

recht, mist, aber

da

seine Persönlich­

Eindruck.

zeigte er nur wo

er

seinen

Durch Welt und Leiden­

bekannt mit dem Leben und seinen war er von Fanny's frischem Ju­

gendmuthe, der offnen Kindlichkeit ihres Benehmens

lebhaft

angezogen worden.

vorzugsweise mit tigt,

und ohne

Der General hatte sich

Erziehung seiner Tochter beschäf­

daß ör es

beabsichtigte, ging ein

Theil seiner Selbständigkeit auf deren Gemüth über. Wohlgefallen gewahrte der Vater die

Nicht ohne

Entwickelung

eines

Eharakters, welcher ein Abbild

des seinigen war, und einen seltsamen,

aber ange­

nehmen Gegensatz zu Fanny's völlig weiblichem

Wesen und der Grazie ihrer Bewegungen abgab.

Das

Herz

des

jungen Mädchens schlug frei

191 und unbefangen;

in dem bewegtesten Leben,

wo

eine Gestalt die andere verdrängte, hatte sie kaum

Zeit gefunden, ein Interesse zu fassen; kein anderes

Bild stand demjenigen Lord Delmours im Wege und dennoch gab sie ihre Zusage seufzend, zögernd,

von

innern Schauern ergriffen.

Sie war so jung

noch, so glücklich gewesen bis dahin, und das Le­ dem Landsitze des Generals,

ben in Fairyhile,

er­

schien ihr wie ein unmuthiges Feenmährchen, über

welches hinaus

und

nichts

Wirklichkeit

Und das

vermag. Alles!

die

zu

bieten

Alles sollte sie aufgeben, das

ihr schien, völlig ohne Grund.

wie es

Die lieben theuern Eltern, wie verlassen mußten sie sich fühlen,

einsam,

ganzer

wenn

da auch

ihre

Fanny fort war, doppelt

Frederik,

Seele zugethan

war,

der

nach

derselben

von

Verlauf eines

Jahres zu seiner ferneren Ausbildung ebenfalls aus

dem Vaterhause scheiden sollte. In Fredeuk hatte der General den Sohn ei­ nes

schottischen Edelmannes und

Namens Graham,

Jugendfreundes,

ausgenommen,

nachdem der

Vater ihn bei seinem Tode als sechsjährige Waise mit zerrütteten Vermögensumständen zurück gelas­

sen.

Da

aus

einer genauen Berechnung hervor

192 ging, daß die verschuldeten Güter in zwanzig Jah­

ren wieder frei sein könnten, falls die ganze Ein­ nahme auf

Abbezahlung

der Schulden

verwandt

werde, so war des Generals Entschluß bald gefaßt,

bis

zu

dem gedachten Zeitpunkte

sein Kind zu betrachten. ung

einer

längliches

als

so

Frederik

als

Zur vollständigen Erreich­

liebevollen Absicht hatte er ein hin­

Capital ausgesetzt, und

an dem Tage,

in solcher Beziehung alles in Richtigkeit

ge­

bracht worden, umschloß er den Knaben mit wahr­ haft väterlicher Liebe,

demselben gelobte.

bis —

mit einer Liebe,

welche er

zum letzten Athmenzuge zu erhalten

sanfte Lady Granville

Auch die

widmete ihrem Pflegesohn die zärtlichste Sorgfalt,

welcher seinerseits sich

mehr und mehr

ßen Theilnahme werth

zeigte.

einer gro­

Neben den glück­

lichsten Anlagen wogten indessen diejenigen, welche

ihm

wohlwollten,

Hinneigungen

der

Sinnesart

nicht verkennen, welche dem Glücke des Lebens sel­ ten förderlich

zu sein

pflegen;

eine ungemäßigte,

überwallende Heftigkeit und bei einem festen,

unbeugsamen Auftreten, deutenden

Entscheidungen,

Geschmacks und der

ost

ein Schwanken bei unbe­

bei

Neigung,

Gegenständen

des

welche den besten

193 Beweis

lieferte, wie selbst in den herrlichsten Ge­

müthern Gegensätze vorkommen, von denen der for­ schende Blick tiefsinnig sich abwendet.

Auch

der

Abschied

von

Frederik

mußte

Fanny schwer aufs Herz fallen; da sie fünf Jahre alter war,

hatte sie ihm

allezeit im Verhältnisse

einer gereiften Schwester gegenüber gestanden und als solche Rechte auf sein Gemüth ausgeübt, deren wohlthätiger Einfluß sich- in seinem ganzen Wesen

offenbarte.

Bei der gefährlichen

Natur

desselben

konnte Fanny sich nicht ohne sorgenvolles Nach­ von ihm trennen, und der Faden aller die­

denken

ser häuslichen Leiden und Freuden sollte nun durch

Lord

Delmours Bewerbung gab

durchschnitten >wer-

den Vorstellungen

den.

Sie

nach,

jedoch nicht,

ohne wiederholt

ihres

Vaters

zu betheuern,

daß sie keine Liebe für Lord Delmour empfände. Der General nahm diese Versicherung lächelnd auf:

Seine Bewerbung ist freilich sehr alltäglich, ent­ gegnete er mit einer Art von Ironie. Augen nicht,

ihre

füllten

sich

mit Thränen: Ich

wiederholte sie feierlich. Hand und

Fanny's

liebe ihn

Der General faßte

blickte sie fest und durchdringend

an: Meine Tochter kann nur eine gute Frau wer-

9

194 dm, und sie wird ein überraschendes Glück finden, und ihr Geschick preisen;

damit sei es genüge

Unmittelbar nach

seiner Verheirathung begab

Delmour sich

mit seiner jungen Gemahlin

Lord

auf Reisen.

möge

ihrer

Er gehörte zu denjenigen, welche ver­

Anlagen

geistigen

für ein praktisches

Leben wie geschaffen erscheinen; ein reger, auf Thä­

gerichteter Sinn,' ein durchdringender Blick,

tigkeit

und eine durch überlegende Vernunft gemilderte Le­ bendigkeit,

im

Staate

hatten ihn einem hohen Wirkungskreise

zuführen

wie dieses

müssen,

sich

im

Kleinen schon durch die vortreffliche Verwaltung sei­ Aus Wahl entzog ec

ner Besitzungen kund gab. sich diesem Berufe,

borenen

indem er dem gleichfalls ange­

Hange zur Unabhängigkeit nachgab,

und

so vom Wirken des Tages abgewendet, oft zu ernst,

zu nachsinnend

und zartfühlend

für das

gewöhn­

liche Leben erscheinen mogte.

Lord Delmour len Richtungen

hatte früher Italien in al­

durchstreift,

es ergötzte ihn,

dort

den Führer, den Lehrer seiner jugendlichen Gefähr­ tin abgeben doch

eines

zu können.

wurde ihm

die

Verhältnisses,

Zn

dieser Beziehung je­

erste Täuschung, rücksichtlich welches sein reicher Geist im

195 voraus

vielleicht mit allzu anspruchsvollen Farben

ausgeschmückt hatte.

Fanny's

Erstaunen über

viele, nie zuvor gesehene Gegenstände unterhielt ihn Anfangs auf das Angenehmste, obgleich er häufig

bei ihr mehr Verwunderung als Vergnügen wahr­

zunehmen glaubte.

Mit seltener Geschichtskunde ver­

einigte Lord Delmour die großartigsten Ansichten

über Welt und Menschen;

unwillkürlich verwebte

er diese in alle Aufklärungen, welche Fanny rück­

sichtlich des classischen Bodens

und so

Unterhaltung die anziehendsten Reize

mußte seine

gewähren,

verlangte,

wenn seiner Gattin nicht das sicherste

aller Verstandigungsmittel, wahre Neigung nämlich, gefehlt hätte.

Wäre sie durch das Band wirkli­

cher Liebe mit Lord Delmour verbunden gewesen, so würde sie das Belehrende aufgefaßt, das ihr Unverständliche errathen, das Anmuthige gewürdigt

haben;^rmn aber hörte sie ihn nicht

selten mit

Zwang an, er bemerkte es, stockte und schloß die

Unterredung mit Kälte.

Wenn sich ferner das un-

verholenste Sehnen nach den Eltern, nach Frederik, nach Fairyhill aussprach,

welches

sie über

die schönsten Punkte Italiens erhob, so war zwar

Lord Delmour anfänglich über so viele Anhäng-

9*

196 lichkeit gerührt, hörte ihre Klagen gütig an, ging ein in ihre Betrachtungen,

erschien ihm diese

und

indessen

allmälig

unablässige Sehnsucht unerfreu­

lich, und alle Vergleichungen

von einer Einseitig­

keit, über welche er sein Mißfallen durch plötzliches Verstummen,

längeres Stillschweigen zu

oder

er­

kennen gab, welches von Fanny, die gleich einem Kinde alle Gedanken ihrer Seele auszusprechen ge­

wohnt war,

entweder gänzlich übersehen,

So

kehrt gedeutet wurde.

fiel diese Reise,

so beglückend hätte sein können, leer aus;

Lady Delmour

land zurück,

ihr Gatte

oder ver­ welche

ziemlich freuden­

sehnte sich

nach Eng­

nach einem Wesen,

fähig

ihn zu verstehen, der tiefen Richtung seiner Ansich­ ten

zu

folgen, die

überwallende Innigkeit

Gefühls zu erwiedern.

tentheils den Anblick malerischer Gegenden,

gend

sah

er den,

in

seines

Schweigend genoß er größ-

diesem

Clima

so

schwei­ wunder­

vollen Uebergängen von Licht und Schatten,

dem

die Fernen verklärenden Duste zu, und wenn dann sein Herz im

sehnsüchtigen Wunsche nach Mitthei­

lung lauter pochte, geöffneten Lippen,

so schlossen sich

doch die halb

aus Besorgniß, daß

Gattin die Erinnerung

bei seiner

an Fairyhill den entzücken-

197 den

Reizen der

Gegenwart

in

den Weg

treten

Lord

Del-

werde. —

Unter solchen

Umständen

mour die Rückkehr ins hinaus, indem

als dieses

er unter

stieg

Fanny in

weit

heimischen Dache ein Glück

zu finden hoffte, welches

blühen

Vaterland nicht so

anfänglich beabsichtigt worden,

dem

hatte

schob

wollen.

in der Fremde ihm nicht Schon

Fairyhill

nach

aus

ö

Monaten

dem Reisewagen

und begrüßte ihre Eltern und alle theuern, wohlbe­

kannten Räume keit,

die so

mit einem Jubel,

herzgewinnend

einer Innig­

daß auch Lord

war,

Delmour dem Ergüsse dieser Seligkeit nicht ohne

Rührung zuschauen konnte.

so

viel treue,

vermogte,

Die Frau, deren Herz

hingebende Anhänglichkeit zu fassen

war die seinige

und er

durfte hoffen,

einst über Alles von ihr geliebt zu werden.

Durch­

drungen von dieser Ansicht, zeigte er in seinem Be­

nehmen die nachsichtsvollste Güte;

Wochen vergin­

gen, bevor der Abreise gedacht wurde, und als die­

ses endlich geschah,

schlossen hervorquellende Thrä­

nen aus Fannys Augen ihm die Lippen, so daß

noch

ferner geraume Zeit verstrich,

Abreife bestimmte Tag

bevor der zur

endlich heran rückte.

Der

198 Stammsitz

seiner Familie,

sich

wohin

die

beiden

Gatten begaben,

überbot Fairyhill an Schönheit

der Gegend

an

wie

der

Großartigkeit

Anlagen,

aber Fanny hatte keine Augen dafür, und Lord Delmour,

welcher diese Besitzung leidenschaftlich

liebte, fand im Stillen

jeden Vergleich unmöglich,

jeden Vorzug abgeschmackt.

Das Leben auf dem Lande, in einer entzücken­

den Gegend, unter den ansprechendsten Umgebungen

forderte

zu

einer

Thätigkeit

Geistesansprechenden

auf, während es Lord De^minrrs Herzen

zusagen

mußte, einen geeigneten Weg ausfindig zu machen,

auf welchem das Gemüth seiner Fanny gewonnen und

tung

demselben eine angewiesen

seine Bemühungen

Bildung

ihrer Lage .entsprechende Rich­

werden

könnte.

in Beziehung

seiner Gemahlin

blieben

Auch

auf die geistige

nicht ohne Erfolg,

für

eine heitere Zufriedenheit, eine gelassene die Umstände

mit milder Fassung beherrschenden Laune blieb gegen

der Sinn

verschlossen,

über die nächsten Umgebungen rend nach der Heimath hinüber schweiften.

indem

ihre

hinweg,

da­

Blicke

fortwäh­

und Wiege ihrer Kindheit

199 Dem General wurde noch die Freude zu Theil,

eine Enkelin zu sehen, welche er mit tausend Freudenthränen

Indien

begrüßte.

hatte

Ein früherer Aufenthalt in

die Gesundheit des Generals unter­

graben, langwierige Körperleiden lähmten nach und

nach seine moralische Kraft und

so sehnte er sich

nach der fröhlichen Gesellschaft seiner Fanny und noch auch den Wunsch,

hatte weder die Energie

ihre häufig allzu verlängerten Besuche im väterli­

chen Hause einzuschränken. — Zu seiner Beruhi­ gung sagte er sich oft, daß er bald,

vielleicht sehr

bald sein liebes Kind niemals mehr sehen werde. Lord

Delmour

verehrte

seinen

Schwiegervater

herzlich und im Stillen ähnliche Betrachtungen an­

stellend, wagte er es nicht,

die letzten Tage eines

so vortrefflichen Mannes durch Auflehnung

gegen

dessen Wünsche zu trüben. Nach vier Jahren starb der General, so tief,

so liebevoll betrauert,

wie er es verdiente.

Lady

Granville trug den Schmerz mit sanfter, religiö­

ser Ergebung,

Fanny

mit der ganzen Verzweif­

lung eines im Leiden noch ungeprüften Gemüthes. Lord Delmour bewieß ihr die zärtlichste Sorgfalt

und indem die ersten Thränen wahren Kummers

200 jede Schuld für ihn austilgten, wurde zugleich Al­

les dasjenige, worüber er geglaubt hatte sich bekla­ gen zu müssen, der Vergessenheit übergeben.

die

nachdem

Fanny ging,

Schmerzes überwunden,

Mit

erste Heftigkeit

des

keine wesentliche Verände-

mng vor, sie schloß sich mit vermehrter Innigkeit an ihre Mutter,

trauriger war;

wie an Frederik,

Veranlassung

für ihren Gemahl

dieselben,

nach

der bei so

Fairyhill

beschieden

blieben ihre Gesinnungen

sie erschien gleich freundlich,

aufmerksam

und mittheilend, aber nie drang die Ueberzeugung

sich ihm auf, daß er ihr das Theuerste, das Liebste auf Erden sei,

und eben dieser Gewißheit be­

ach!

durfte er unabweislich zu seinem, Glücke.

Monate­

lang dachte Lord Delmour nicht daran Mutter

und Tochter trennen zu wollen, geschah,

fand

er Nachgiebigkeit,

als

dieses, endlich

aber

auch nur

diese. — Das Leben

in

Woodhall gestaltete sich

wie

früher, äußerlich auf alle Weise angenehm, in Wahr­

heit

aber

eines

beglückenden Reizes

Nach Ablauf der

mour. seine Frau

ermangelnd.

Traurigkeit führte Lord

nach

London, und

ihr Wesen nicht ohne Spannung

Del­

beobachtete

bei den glanzen-

201 den Festen, welchen sie hier beiwohnte.

del konnte indessen Lady

Blick,

Delmour

Kein Ta­

treffen,

kein

nicht das leiseste Zeichen der Gunst wurde

einem Andern zu Theil und vielleicht erschien nie-'

mals eine reizende, Gefallsucht.

ausgezeichnete Frau freier von

Mit einer Unruhe, über welche er ver­

geblich sich zu täuschen strebte, chatte Lord Del­ mour der Vorstellung Raum gegeben, daß es ei­ nem

Andern vorbehalten

sei,

so liebevolle Herz dieser Frau higt, aber nicht um

das kalte und doch zu erwärmen;

sehr vieles glücklicher,

beru­

sah er

nun, wie sie sich unbefangen und tadellos in einer

ihr fremden Welt bewegte.

O,

hatte

nicht eben

die Neuheit der Gegenstände, das Gefühl des Allein­ seins, unter einer unermeßlichen Menschenmenge, sie mit größerer Innigkeit ihm entgegen führen müssen, der durch Gesetz und Neigung dazu bestimmt war,

ihr Schutz und Freund zu sein!

Hier wie überall

blieb ihr Benehmen unverändert und jede Hoffnung

auf ein

innigeres Verhältniß aufgebend,

zog sein

stolzes Herz sich mit immer wachsender Kälte von

ihr zurück,

ohne daß sie diese nur wahrzunehmen

geschienen hätte. — Getrennter als jemals kehrten

die Gatten in die vereinigendste Einsamkeit zurück.

202 In London hatte Fanny täglich Briefe an ihre

Mutter,

zuweilen auch an Frederik geschrieben, verlassen,

der sich anschickte Oxford zu

um eine

Reise ins Ausland anzutreten z jetzt in Woodhall,

war ihr erster Gedanke einen Besuch in Fairyhill

Früher war von ihr ein solches Vor­

abzustatten.

bittende Weise in

haben stets auf sehr freundliche, Anregung

gebracht worden,

seit aber Lord Del-

mour sichtlich in seinem Benehmen erkaltete, trat auch sie selbständiger auf, und ihre Vorschläge tru­ gen mehr und mehr das Gepräge

eines. bestimm­

ten

von

ihrem Gemahl

jede Aeußerung

des Mißfallens

kalt,

Willens. aber

Sie

ohne

wurden

ausgenommen.

Einen Augenblick schien es, als ob dieser Ehe ein nmer Morgen aufgehen werde, da Fanny, de­ ren rege Lebendigkeit beständiger Thätigkeit bedurfte,

mit

großem Antheil in Lord

gung für Parkanlagen

Delmours Nei­

einging.

Beglückt

durch

dieses Theilnehmen kam er ihr freundlich entgegen

und wer sie mit einander gesehn hätte, wie sie ver­ traulich über Veränderungen sich beredeten, es ge­

wahrt hätte, wie Lord Delmour, welcher immer artig und höflich,

hier ein kleines Hinderniß aus

203 dem Wege räumte, dort seiner Frau die Hand bot,

um Schwierigkeiten diese Beide

Für ihn

haben.

erleichtern,

zu

der würde für

ein paradiesisches Glück sich

begann

geträumt

der That ein neues

in

Dasein, er hatte zum ersten Mal die Empfindung, daß seine

Frau

denn

dahin war

bis

sich

in

ihrem Eigenthum

es ihm

fühle,

stets erschienen als

betrachte sie sich wie einen Gast, dem es unter be­

freundetem Dache zwar zu Sinne sei. gisches

wohl,

aber nicht heimisch

Gleiche Liebhaberei knüpfte ein ma­

Band und so

vertraulicher als

hatten sie

je zuvor einige Wochen mit einander verlebt,

als

Lord Delmour eines Tages mit einer Zeichnung

zu seiner Gemahlin eintrat und reichend,

nachzugeben gesonnen,

ihr dieselbe über­

daß er ihren Ansichten

lächelnd äußerte, und

einige

ihren Anordnungen opfern werde.

schone

Baume

Freundlich blickte

sie zu ihm auf, und sagte dann, das Auge wieder

auf ihre Arbeit senkend:

»Wenn ich

wirklich so

großen Einfluß besitze, mögte ich ihn auf der Stelle

zu, einer Bitte benutzen.«

Lord Delmour über­

hörte das ungewisse in Fannys Stimme nicht; es

that seinem gütigen Herzen wehe,

schwer werden konnte ihm

daß es

ihr

ihr Anliegen mitzuthei-

204 len, und er entgegnete mit großer Herzlichkeit, es

ihn

beglücke jeden

ihrer Wünsche zu

Lady Delmour erröthete und

von

nicht aufsehend, sagte sie stockend:

ist so ganz' allein — ich

daß

erfüllen.

ihrer Arbeit

»Meine Mutter

so lange nicht in

war

Fairyhill.« — Lord Delmours Gemüthsbewegung war so heftig, daß er einen Augenblick unter lebhaf­ tem Farbenwechsel schwieg,

daß

am

dann aber

folgenden Morgen Alles zu

bereit sein lag etwas,

werde.

In

entgegnete,

ihrer Abreise

Ton seiner Stimme

dem

wovor Fannys Herz erbebte, sie sah

auf, und begegnete einem Blick seiner Augen, vor

welchem sie

den ihrigen niederschlug.

Sie wollte

antworten und versichern, daß die Gewährung ihres Wunsches keiner Eile bedürfe,

haft erschüttert, eine Sylbe

aber bevor sie,

leb­

hervor bringen konnte,

hatte Lord Delmour bereits das Zimmer verlassen.

Unschlüssig

ob sie bleiben

oder

ihm

folgen

solle,

war sie mit ihrem Entschlüsse noch nicht zu Stande,

als sie ihren Gemahl bereits das Schloß zu Pferde Tief ausathmend,

blickte sie ihm

zum ersten Mal erwachte

ein Gefühl des

verlassen

nach,

sah.

Unrechts in ihrer Seele, welches

ohne Zweifel eine

Verständigung veranlaßt haben würde,

hätte nicht

205 D^lmours,

der Zufall einen Freund Lord

Brown, wart nicht

Sir

herbeigeführt, dessen vermittelnde Gegen­

eben

das Bewußtsein,

doch

aber

die

Aeußerung jeder Uneinigkeit aufhob. — Lord Delmour empfing den lange entbehrten

Freund

mit der herzlichsten Ueberraschung,

er sah

ein wenig bleich und ernst aus, aber sein Beneh­

men war wahrend des ganzen Tages und

thestnehmend.

Sir Brown,

Amerika sich aufgehalten,

unbefangen

der

lange

in

seinen Freund seit

hatte

dessen Verheirathung nicht gesehn,

und gehörte zu

welche

ohne Mißgunst

den

kindlichen Menschen,

Theil nehmen,

und durch ihre innige Freude an

allem Guten jegliches erst in stellen.

das geeignetste Licht

Lord Delmours anscheinendes Glück be-

seligre ihn, und alles bewundernd

und betrachtend,

ward er durch den Anblick der kleinen Lucie auf den Gipfel der Freude gestellt.

Er spielte auf die

artigste Weise mit dem Kinde, wobei er zum Oef-

teren

mit

Herzgewinnendem

»Mein Gott,

wie

glücklich

Ausdrucke

ausrief:

bist Du Delmour,

erkennst Du es auch so recht von ganzer Seele?« Lord Delmour liebkoste statt aller Antwort dem anmuthigen Kinde, nur ein leises Zucken seiner Lip-

206 Au

verstand.

darauf,

daß

welche Fanny wohl

Erwiederung,

pen gab eine

ihrer Bestürzung sagte am

folgenden Morgen

er ihr bald

8

um

Uhr

Alles zu ihrer Abreise bereit sein werde,

wobei er

welcher

ihm den

des glücklichen Zufalls

gedachte,

Freund in einem Augenblick

zuführe,, wo so

liebe

Gesellschaft doppelt wünschenswerth erscheinen müsse. Vergebens

suchte Fanny in seinen Augen zu le­

sen, denselben versöhnend

zu begegnen, er vermied

sie anzusehen und vertiefte sich Tages

in

für den Rest des

ein sehr ernstes Gespräch

über Amerika

und dessen politische Verhältnisse. Am folgenden Morgen verließ Lady D e l m o u r

Woodhall,

halb mit,

halb

gegen ihren Wunsch.

Lord Delmour nahm zärtlichen Abschied von sei­

ner

Tochter,

welche er

wieder und immer wieder

in seine Arme faßte, als aber Fanny ihm nahte, wich er

ihr,

einer Umarmung geschickt aus,

seine Hand

bietend,

und

in den Wagen.

nun Alles zur Abfahrt

bereit war,

freundlich grüßend am

Schlage

half

Wie

Sir Brown

stand,

begegnete

der Blick Lady Delmours dem Auge ihres Ge­

mahls, welches ernst, ohne Zürnen, aber auch ohne

Trauer

und

Milde

auf sie

gerichtet war.

Sie

207 schaute ihn forschend

an,

wie es wohl begegnet,

daß man, in Spannung über die Gesinnung An­ derer, zur Mittheilung

der eigenen halb

nicht gelangen kann.

Sie wollte ihm zutächeln,

da war es zu spät,

unbewußt

der fortrollende Wagen entzog

alles ihrer Wahrnehmung. Lady Delmour brachte die zur Reise erfor­

derlichen Tage in entschieden unerfreulicher Stim­ mung

und erst.die Thürme von Fairyhill

hin,

weckten ein

fröhliches

Gefühl in

Der Empfang that das Uebrige; sewagen hielt,

rung des Kindes,

freudige Ausrufungen, Bewunde­

welches das Köpfchen neugierig

aus dem Schlage reckte,

lich

hemmten sogar die ersten

und Lady Delmour stieg end­

lächelnd und grüßend

freuend,

so wie der Rei­

strömte von allen Seiten die Die­

nerschaft herbei,

Hülfsleistungen,

ihrem Innern.

aus,

des Jubels sich

welcher die Zögerung veranlaßte.

Lady

Granvilles Empfang war so herzlich wie immer,

sie drückte Tochter und Enkelin abwechselnd in ihre

Arme: Wie gütig ist Lord Delmour, daß er mir mein theuerstes Kind schickt,

sagte sie lebhaft,

nie kannst Du ihn genug lieben,

o

nie das Anden­

ken Deines Vaters hinreichend segnen, der diese glück-

208 liehe

Wahl

leitete!

Ein



Schatten flog über

Lady Delmour's Züge, Thränen verdunkelten ihr

Auge, und sie verbarg so

unabweisliche Gemüths­

bewegung in den Armen ihrer Mutter.

Ihre erste

Sorge war jetzt an Lord Delmour zu schreiben,

ihr Brief enthielt keine Entschuldigung,

theurung der Reue,

und doch sprach

unverkennbar in jedem Worte

wort

ihr zeigte,

sie

aus,

keine Be-

diese sich so

daß die Ant­

verstanden worden, benti

sei

diese war freundlich, fast herzlich zu nennen. Schlüsse seines Briefes

Am

äußerte Lord Delmour,

daß er nicht, wie sie dieses wünsche, den Zeitpunkt

ihrer Rückkehr

bestimme,

sondern die

Feststellung

desselben ihrem eigenen Gutbesinden überlassen wolle. Jede Sorge war jetzt von Lady Delmour's

Herzen genommen

und sich der peinlichen Vorstel­

lungen entschlagend,

überließ sie sich aller Fröhlich­

keit, welche sie in Fairyhill stets zu beseelen pflegte,

um so lebendiger, als sie in Betreff einer baldigen

Rückkehr die besten Vorsatze gefaßt hatte. — Diese hafteten indessen leider nicht lange, der Zauber eines Aufenthalts in Fairyhill zog einen magischen Schleier über

dieselben und

machte das

nächsten Pflichten abwendig.

beste Herz

seinen

Nachdem es zu einer,

209 wenn gleich schweigenden Erörterung über die häu­ figen Besuche gekommen war,

eine

durste Fanny an

baldige Wiederkehr nicht denken,

und

so

be­

schloß sie bald, da keine lebhaftere Stimme in ih­ rem Herzen für Lord D e l m o u r sprach, halb

aus Unbesonnenheit,

halb

eigenwilliger Nei­

ihre Anwesenheit nicht so sehr zu beschrän­

gung, ken,

aus

sie in

wie

erster,

sich vorgenommen.

reuevoller Aufwallung es

Fairyhill wurde selten von Be­

suchenden leer, durch Fanny's Gegenwart mehrte sich die Zahl der Gäste, und ein Tag folgte heiter

dem andern.

Lady Granville, welcher die Rück­

sichten der Pflicht über Alles gingen, reits an die Abreise

lächelnd

schüttelte

zu

begann be­ aber Fanny

mahnen,

das Köpfchen und

ersuchte Lord

Delmour ihr noch 8 Tage zu gestatten. Erwiederung

Seine

war freundlich und bewilligend, aber

ein zweites Anliegen der Art ließ er in seiner Ant­ wort unberührt, und von dem Augenblicke an ent­

hielten

seine Briefe,

athmeten,

welche Kälte und Mißfallen

nur wenige Zeilen,

welche größtentheils

2ucie betrafen. An einem Posttage, an welche mein erwarteter Brief Lord

Delmour's

ausblieb,

drang Lady

9**

210 Granville sehr ernst darauf,

daß ihre Tochter

zurück kehren möge: » Willst Du vorher schreiben,« äußerte sie, »so ersuche Lord Delmour,

daß er

mir die Freude erzeige Dich von

hier abzuholen.«

Schweigend begab Fanny

auf ihr Zimmer,

um ihrem Manne zu

sich

schreiben;

lange starrte sie

Herzen auf das Papier hin,

mit

laut pochendem

und

als der Brief endlich vollendet,

Gewebe schmeichelnder Bitten,

war

ein

sanfter, anerkennen­

der Worte und zärtlicher Betheurungen.

Mit auf­

gestütztem Kopfe,

mit von Thränen erfüllten Au­

gen blickte LaVy

Delmour' auf diese Zeilen nie­

der: Glücklich, flüsterte sie leise, glücklich diejenige, der solche Worte aus

überströmenden Herzen zu­

fließen 1 ich — ich suche darnach, und'wenn ich sie

gefunden,

so

ist

nicht

alles Wahrheit.«

Völlig

gesammelt, übergab sie nach einer Weile diesen Brief ihrer Mutter, welche den Tag berechnete,

chem sie auf Lord Delmour's

an wel­

Ankunft hoffen

dürften.

Lord Delmour's

Eintreffen verzögerte sich

über Erwarten, auch eine Antwort blieb aus, wel­

ches beide Damen lebhaft beunruhigte.

Fairyhill

liegt in einem reizenden Thäte von bedeutenden Hö-

211 hen umschlossen, und über jene Höhen zieht in un­

zähligen Windungen der Weg hin,

so daß

zum

Schlosse sich

jeder Ankommende lange im Voraus

zu gewahren ist. — Eines Abends,

als Fanny

mit ihrer Mutter im Freien Platz genommen, blickte sie in der Ferne eine Reihe Wagen,

einer Caravane

langsam daher zogen,

gleich

und

Die Wagen

denen ein einzelner Reiter voran ritt.

kamen bei einer Biegung

er­

welche

des Weges nicht wieder

zum Vorschein, und hielten muthmaßlich beim Wirthshause im Thäte,

aber der Reiter traf nach einiger

Zeit in dem Schloßhof ein. augenblicklich,

merdiener; ihr Herz,

es

Fanny erkannte ihn

war Lord Delmour's Kam­

weissagende,

düstere Ahnungen ergriffen

und als ein herbei eilender Diener jeder

von den Damen einen Brief übergab, eilte sie mit dem ihrigen, wankenden Schrittes, in das Schloß

und auf ihr Zimmer.

Dort angelangt, warf sie sich vor einem Sessel

nieder und das Gesicht tief verbergend, stieß sie Laute des Schmerzes aus,

welche einem gepreßten,

nungsvollen Herzen entquollen.

ah­

Lange verharrte sie

in dieser Stellung, seufzend, ächzend, räusch ihre Besinnung rege machte.

bis ein Ge­

Erschrocken er-

212 hob sie sich, unwillkürlich mit einem flehenden Blick löste sie das

gen Himmel

empor sehend,

des Briefes,

ein Strahl von Hoffnung drang in

Siegel

ihre Seele, da las sie das Folgende.

»Schmerzlich werfe ich es mir vor,

meinem Charakter

völlig

fremdes

so weit zwischen uns hat kommen lassen.

hat ein Wahn mich betrogen, lang festhielt.

daß ein

Schwanken

es

Seltsam

an den ich Jahre­

Ich glaubte, irriger Weise, daß es

mir gelingen werde, die Frau, welche ich liebte, zu

bilden,

zu veredeln, und an der,

durch mich her­

vorgerufenen Vollkommenheit mich dann

erheben.

selber zu

Thörichter Glaube! — ich habe die Frau,

welche ich liebte, herabgewürdigt bis zur List,

zur

Verstellung. — Hier ist die Grenze und so auf­

gefordert

habe ich Muth zur Entscheidung bekom­

men; der Gedanke an Trennung, welcher lange in

meiner Seele schlummerte, ist zum festen Entschlüsse geworden.

Die tiefsten,

machen ihn unwandelbar.

traurigsten Betrachtungen Der Augenblick, wo ich,

dem Selbstbeherrschung so wenig fremd ist, entschie­

denes Misfallen äußerte,

mußte zum Wendepunkt

meines Geschicks werden,

oder es in tiefere Nacht

versenken.

Das

ist geschehen.

— Geduld,

Ver-

213 trauen und Zuneigung sind in meiner Seele erkal­ tet,

nichts weckt sie wieder. — Ich würde fortan

nicht mehr gütig,

nicht mehr gerecht sein können,

und so gebe ich Ihnen, mit ernster, trauriger Ueber-

legung, ihre Freiheit zurück, aber tragen Sie meinen

Namen,

bis Sie vielleicht einst gegen einen an­

dern ihn vertauschen. — Unsere Lucie bleibt Ihnen,

gewiß,

Sie werden eine gute Mutter sein, nichts

berechtigt mich daran zu zweifeln, denn mein un­ ablässig von Ihnen zurückgestoßenes Herz verkennt

die herrlichen Eigenschaften des Ihrigen nicht.

Sie

würden den Mann, den Sie geliebt hatten, unend­

lich beglückt haben. — Alles auf unsere Angelegenheiten Bezug ha­

bende

werde ich mit Lady Granville verabreden

und bitte, Sie wollen — zum Letztenmal — meinen Anordnungen sich fügen. — Leben Sie wohl, Fanny,

ich spreche dieses Wort mit einem Bewußtsein aus, woran ich die Erinnerung niemals verlieren werde.

Versöhnt scheide ich von Ihnen, mir bleibt als Er­

satz für ein Glück, welches mir nicht beschieden war, die ernste Thätigkeit des Mannes,

der Wille für

das Gute, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

So bin ich nicht ganz zu beklagen. — Leben Sie

214 wohl,

mit meinem Willen werden Sie mich nie­

mals Wiedersehen, niemals in dieser Welt.

Ho race

Delmour. Halb sinnlos las Lady Delmour diese Zeilen

zu Ende, Klagelaute entrangen sich ihrer Brust, alles Blut drang ihr zum Herzen und drohte Erstickung,

bis endlich Thränen ihr Erleichterung gewährten.— Nach einer Weile trat Lady Granville bleich mit

gramvollem Antlitze zu sie tief ergriffm in

ihrer Tochter

ein,

ihre Arme schloß.

welche

Zu. allen

Trostgründen schüttelte Fanny schwermüthig

das

Haupt, ich kenne Lord Delmour, sagte sie schmerz­ lich,

Alles ist vorbei — ich habe sein Herz nicht

geschont, aber er vernichtet mich.

aus

dem

Hause meines

O ich :— ich —

Mannes

gewiesen gleich

einer Ehrlosen! Wohl meinem Vater,

daß er das

nicht erlebte! ■— Die Nacht verging beiden Damen völlig schlaf­

los z bleich wie der Tod, aber dem Anscheine nach gefaßt, erklärte Fanny am folgenden Morgen

ei­

nige Zeilen an Lord Delmour zu schreiben und

diese seinem Diener übergeben zu wollen.

Aus ih­

rem Briefe ging der Zwiespalt im Jnnem nur zu

deutlich hervor; Klagen, Vorwürfe, Stotz und sanf-

215 tes

Eingeständnis ihres

waren wechsels­

Unrechts

weise darin ausgesprochen in bemitleidenswerther Ver­

wirrung. — Als der Diener gemeldet wurde, erhob Lady Delmour sich von ihrem Sessel, auf den Tisch sich

Hand

Smith,

Gutenmorgen

begann sie leise, ich wollte — sie erhob

die Augen und Zügen

lehnend.

mit der

einen

gewahrte in

solchen

treuen Mannes

des

Ausdruck

von Schmerz und

Mitgefühl, daß sie völlig überwältigt schwieg.

Erstenmal im Leben,

empfand

sie

was

Zum

es heißt,

von Untergebenen sich bemitleidet zu wissen.

Nach

einer Pause fuhr sie mit Anstrengung fort:

Ueber-

bringen Sie Lord Delmour —• die heftige Rüh­ rung in Smith Zügen

ßer Fassung.

brachte sie abermals au­

»Gewiß Mylady« sagte dieser,

der

sie auch ohne Worte verstand, und rasch das Zim­

mer verlassend,

gen.

hervorstürzende Thränen zu verber­

Regungslos blieb Lady Delmour eine lange

Weile,

dann richtete sie den Blick

cher Wehmuth empor und sagte

mit schmerzli­

leise: Vorbei also

— geschieden von ihm, für diese Welt! — Lord Delmours Brief an Lady Granville mthielt die Gründe, welche ihn zur Scheidung ver­

anlaßten, mit dem Hinzufügen, daß sein Entschluß

216 unwiderruflich sei.

Er bestimmte seiner Frau

sehr reiches Jahrgeld mit der Bemerkung, nach Beseitigung

ein

daß er

aller bezüglichen Angelegenheiten

England auf zwei Jahre zu verlassen gedenke, um

eben dadurch Lady Delmours

Stellung zu

der

Welt zu erleichtern, und auch nach seiner Rückkehr jedes Zusammentreffen sorgfältig

vermeiden

werde.

Zugleich bat er in den ehrerbietigsten Ausdrücken

um Lady Granvilles ferneres Wohlwollen und um die Vergünstigung, seine Lucie zuweilen durch

ihre Vermittelung sehen

zu dürfen.

Die Wagen,

welche Smith geleitet, enthielten Lady Delmours sämmtliche Aussteuer, manche Dinge,

welche ihr

in Woodhall angenehm gewesen, und unter andern

ein Gemälde, gelegt; an

worauf sie immer besondern Werth

dieses war ein Zettel geheftet, worauf

von Lord Delmours Hand das Wort: »Anden­

ken« stand.

Einige Monate später verließ Lord Delmorrr England; Lady Granville hatte auf seine Bitte die kleine Lucie für ihn malen lassen,

und er

sandte als Erwiederung eine Menge der zierlichsten

Dinge für dieses ihm so theure Kind. — Fanny gelangte nach und nach zu einiger Ruhe;

gleich

217 allen Frauen in ähnlichen Verhältnissen, mißlichen und unerfreulichen Nachreden ausgesetzt, ließen jedoch

die Stellung ihrer Mutter, deren Ansehn und gro­ ßes Vermögen sie früher Gnade vor den Augen

der Welt finden, als dieses sonst vielleicht der Fall gewesen sein mögte.

Das immer angenehme, gesel­

lige Leben in Fairyhill trug dazu bei,

das Anden­

ken an die Vergangenheit weniger bitter zu machen.

Lady Delmours Benehmen zeigte ruhige Heiter­ keit,

aber in ihren Augen lag ein Ausdruck nach-

dmklichen Ernstes,

der bei ihren Freunden die Er­

innerung an Vergangenes stets wach erhalten mußte.

— Lord Delmour schrieb ab und an aus Ita­ später aus Griechenland

lien,

an Lady Gran­

ville, um Nachrichten von seiner Tochter zu

be­

kommen; Fanny's Name wurde weder in mittel-

noch unmittelbarer Beziehung jemals von ihm ge­ nannt.

Lady Granvilles Antworten waren ein­

fach und gütig, ganz ihrem Wesen angemessen, sie

schloß dieselben oft mit der Aeußerung, daß es ihrer

Tochter .wohl gehe,

gewöhnlich hinzufügend: Ich

weiß, daß Sie dafür nicht ohne Theilnahme sind.«

So verflossen

zwei

Jahre

und Lady Del­

mour fand sich von einer Schaar Bewerber um-

10

218 ringt, denen ihre stolze Kälte Hoffnung gestattete.

gleichwohl geringe

Der Gedanke an eine zweite

Verbindung hatte für sie etwas so schmerzlich Ab­ schreckendes, daß sie ihr als Unmöglichkeit erschien.

— Nach Lord Delmours Rückkehr führte die

Großmutter ihm seine kleine Lueie einige Meilen

von Fairyhill zu.

Dieser Tag war für Fanny

von unermeßlicher Bitterkeit, hundettmal stand sie im Begriff ihre Tochter zu begleiten, aber wie war

es möglich, wie konnte sie, steiwillig, den Mann Wiedersehn, der ihren Anblick für

wollte,

immer meiden

ihr einst so nahe und jetzt so ferne stand.

— Lady Granville kehrte tief erschüttert zurück; Lord Delmour hatte sie mit seinem Vorsatze be­ kannt gemacht sich in Irland niederlassen zu wol­ len, wo er ein ansehnliches Besitzthum besaß, und obwohl er die Gründe dieses Entschlusses nicht wei­

ter berührte, lagm diese doch nur zu klar vor. — »Nannte er meinen Namen gar nicht?« — fragte

Fanny

bewegt.

»Seinen Namen

nicht,

mein

Kind,« erwiederte Lady Granville mit Thränen,

»aber, als er beim Abschiede meine Hand faßte, las ich in seinem ausdrucksvollen Blick, in feinen gütigen Augm tausmd Grüße für Dich.«

219 Fast zwei Jahre vergingen abermals, wahrend derer Lord Delmour nur

paar Mal nach

ein

England kam, seine Lucie auf dieselbe Weise zu sehen.

Lady Granville fand

ihn unverändert

nur etwas ernster noch, und wenn es ihr Herz ver­ daß er den Namen

letzte,

ihrer Tochter niemals

nannte, so lag doch auch eben darin versöhnende

Tiefe des Gefühls.

In Ruhe und allmaliges Bergessen eingewiegt wurde Fanny plötzlich durch das Gerücht aufge­ schreckt, Lord Delmour sei bei einem Aufstande

in Irland

gefährlich verwundet worden. — Die

Bestätigung blieb nicht aus,

in dem Augenblicke,

wo er unerschrocken dem gewaltthätigen, gesetzlosen Beginnen einer Zahl Weißfüßler sich widersetzte und

vermittelnd einzuschreiten versucht hatte,

traf ihn

absichtlich,

eine Kugel aus dem Haufen,

ob

durch Zufall, blieb unermittelt,

da es dem Thäter

gelang

sich

der Entdeckung zu

entziehen.

ob

Lady

Granville sandte einen ihrer Diener nach Ir­ land, der ein von Lord Delmour dictirtes Schrei­ ben zurück brachte, mit der Versicherung, daß er hoffen dürfe nicht tödtlich verwundet zu

10*

sein, und

220 so bald als thunlich

in England eintreffen werde,

um unter einem milderen Himmel völlige Genesung

Diese Auskunft verbreitete wieder einige

zu suchen.

Ruhe in Fairyhill und die Nachrichten, welche regel­ mäßig von Lord Delmour

einliefen,

wiesen auf

eine langsam, aber sicher fortschreitende Herstellung hin. — Einige Monate

Ereignisse

nach diesem

ließ

Lady Delmour sich zu einem Besuche inder'Nach-

barschaft bereden und

rend,

früher von

dort zurück keh­

ihre Absicht gewesen, be­

als dieses Anfangs

gab sie sich sogleich in die Gemächer ihrer Mutter. Das Wohnzimmer war leer, wunderung

aber

zu ihrer Ver­

hörte sie in dem anstoßenden Cabinette

ungewöhnlich lebhaft reden.

Schon wollte sie um­

kehren, da ertönte eine Stimme, welche ihre Schritte

hemmte, ihr Herz

erbeben machte;

zweifelnd blieb

sie stehn

und hörte

Mylord,

verzeihen Sie es meiner Offenherzigkeit,

ihre Mutter

sagen:

»Nein

wenn ich Ihrer Ansicht nicht beipflichten kann, -ihr Benehmen

war vielleicht gerecht, aber sehr strenge,

und stand in keinem Einklänge mit dem bewunde­

rungswürdigen Edelmuthe Ihres Charakters.

raubten meiner Tochter

Sie

einen fleckenloftn Namen

221 jedes

und

wahre Lebensglück.«

»Es

kann sein,«

entgegnete LordDelmour, mit bewegter Stimme,

»daß ich jetzt anders denken, anders handeln würde, damals begehrte mein verwöhntes Herz,

geliebt zü

sein.«

In diesem Augenblick stieß Fanny die nur angelehnte Thür ohne Ueberlegung auf, Lord Del-

mour fuhr erfchrocken empor, auch die Lady er­ hob sich unwillkürlich.

Fanny stüzte sich schwan­

kend auf die Lehne eines Sessels:

»Ich kann es

nicht anhören, daß man Ihnen Vorwürfe macht, sagte sie abgebrochen,

ich — ich

allein bin

die

Schuldige.«

Lord Delmour schwieg tief erschüttert einige Sekunden und entgegnete dann, sich ihr nähernd,

mit der ihm eigenen einnehmenden Weise und ru­ higer Stimme: »Wir haben Beide gefehlt.

Mein

Unrecht ist von mir erkannt und bereut; von Ih­

nen darf ich dasselbe annehmrn, und so lassen Sie uns,

völlig versöhnt, von einander scheiden.«

Er

beugte sich aufF a nny sHand, drückte dieselbe herzlich,

und wollte das Zimmer verlassen.

»Gehen Sie

nicht,« sagte sie verwirrt, »o einen Augenblick noch,

222 »Nein, nein,«

damit ich zur Besinnung komme.«

entgegnete er sanft,

solche Augenblicke muß man

niemals verlängern, die Qual ist zu schmerzlich! — Ich muß, muß zuvor aus Ihrem Munde hören,«

begann sie athmenlos, und dann plötzlich das Haupt an seinen Arm lehnend, muth:

»Delmour,

sagte sie mit tiefer Weh­

soll ich mein Unrecht

nie,

nie wieder gut machen dürfen?« — Lord Delmour war aufs Höchste betroffen, er leitete sie zu einem Sessel und erwiederte: »Sie

sind zu sehr erschüttert

und überrascht,

mich für Sie denken und handeln.

lassen Sie

Ich will, ich

werde die Vergangenheit vergessen, und mich Ihrer

stets

mit Zuneigung

erinnern. — Bemhigen Sie

sich daher — sehen Sie in mir einen Freund, der

Ihnen immer unwandelbar ergeben sein wird,

der

Ihr Glück wünscht, der Ihnen von ganzem Herzen jede Kränkung vergeben hat.«

das Gesicht und

Fanny verhüllte

weinte schmerzlich, Lady Gran­

ville verließ leise das Zimmer.

Lord Delmour

verweilte in unschlüssiger Unruhe.

»Kann ich noch

etwas zu Ihrer Beruhigung sagen, kann ich irgend

erwas für Sie Sie

es aus,

thun, theure Fanny, so

sprechen

schenken Sie mir Ihr Vertrauen.«

223 Lady Delmour blickte unter Thränen zu ihm auf, sie suchte vergeblich zu reden und rief endlich mit gewaltsamer Anstrengung und indem sie Lord Del-

mours Hand ergriff: »O, aus Mitleid, mit dem quälenden Bewußtsein, welches mich verfolgt, denken, denken Sie an Lucie, und lassen Sie

mich wie­

der Ihre Fanny sein.« —

Lord Delmours

bleiche Züge wurdm von

noch tieferer Blässe überzogen, eine Erinnerung aus

Glück verheißenden Tagen stand vor ihm; das wa­ ren Fanny Granvilles bittende Augen,

der

Herzgewinnende Blick, mit welchem diese ein Unrecht gut zu machen verstand,

Ausdruck,

jetzt nachdem Alles

griffen wandte er schüttert:

und jetzt

sah

er diesen

zu spat war!

Er­

den Kopf ab und entgegnete er­

»O Fanny,

Sie ahnden nicht,

wie

Sie mich quälen! — Sie verheißen mir eine selige Zukunft, und diese enthält für mich nur ein frü­

hes Grab. — Die Wunde, welche ich empfing, ist äußerlich vemarbt, aber nicht geheilt; wird

von sehr

nicht so und Bitte Ihres

kurzer Dauer sein.

mein Leben

Weinm

Sie

Horen Sie auf dm Rath/auf die

Freundes,

vereinigen

nicht wieder mit dem seinigen

Sie Ihr Loos

— es ist zu spät.«

224 Lady Delmour stieß einen Laut des Jam­

mers aus,

schwankte, und würde zu Boden gefal­

len sein, hatte er nicht bestürzt sie aufrecht gehalten;

verzweiflungsvoll schlang sie die Arme um ihn und

Sanft richtete Lord Del­

weinte an seiner Brust.

mour ihr Haupt empor: länger,« sagte er mild,

»Ich widerstrebe nicht

»aber vergiß nicht, meine

Fanny, daß ich, ohne Rücksicht auf mich, Kummer Dir

ersparen wollte,

der bald,

den

zu bald

Dich treffen wird.« Nach kurzer Zeit wurde der Segen der Kirche

zum zweiten Mal über Lord und Lady Delmour gesprochen,

aber unter wie ganz

anderen Verhält­

nissen! — Das war die Braut nicht mehr, die in

strahlender Jugendschöne mit dem blühenden Kranze in

den vollen Locken vor 10 Jahren zum Altare

trat,

das nicht

der Bräutigam,

dessen glückselig

lächelnder Mund damals das Jawort sprach.

den Wangen dieser Braut blühten noch

Auf

die Rosen

der Jugend, aber die Unbefangenheit derselben leuch­

tete nicht mehr aus den Augen, aus denen jetzt die Erfahrung des Lebens und des Leides blickte. den

bleichen Zügen dieses Bräutigams

Aus

sprach die

Bestätigung einer, trüben Verheißung, aber zugleich

225 die Festigkeit einer Seele, welche auf Erden wenig

mehr wünscht,

dort oben aber Ersatz

für Alles zu

finden hofft. Zn Woodhall begann jetzt ein von dem frühe­ ren, völlig verschiedenes Leben; darauf,

ihrem Gatten das

Fanny sann nur

Dasein

angenehm

zu

machen und diese Bestrebung, welche ihn früher ent­ zückt haben würde, sand jetzt nur ernste, sanfte An­

erkennung.

Delmours

Lord

Streben

ganzes

ging dahin, den Sinn seiner Frau auf Höheres zu richten, sie mit dem Gedanken vertraut zu machen,

wie nahe sein Ende sei.

Er versuchte Alles sie mit

sich selber zu versöhnen,

ihr das quälende Bewußt­

sein zu raubm, seinen Tod auf gewisse Weise ver­

Bevor achtzehn Monate verflos­

anlaßt zu haben.

sen, stand sein edles Herz

die treuste

Pflege noch

für immer still,

ärztliche Kunst

weder

vermogten

sein Dasein zu verlängern. Einige Monate nach dem Tode ihres Gatten

kehrte Lady Delmour

zu ihrer Mutter zurück;

tief und schmerzlich traurend, nur durch

wußtsein

beruhigt,

viel als möglich

ihr

Unrecht eingesehen und so

gut gemacht zu haben.

beschäftigte sie sich

das Be­

Zärtlich

mit ihrer Lucie, welche jetzt

226 zehn Jahre zahlte und die liebenswürdigsten Anla­

gen entfaltete.

Ihr Dasein erschien ihr, in Bezug

auf sich, als ein völlig abgeschlossenes, und sie rich­ tete sich in Fairyhill auf eine Weise ein,

als ge­

denke sie ihr Leben dort zu beenden.

Nach im

beendigter Trauerzeit wurde das Leben

Schlosse, durch die Zahl 'zuströmender Gaste,

geselliger und lebendiger als je. jetzt eine der

Lady Delmour

reichsten Frauen Englands,

zog auf

alle Weise die Aufmerksamkeit der Männerwelt auf sich, ihre Reize, ihr seltsames Geschick, alle Vorzüge

einer glanzenden Lage vereinigten sich in dieser Be­

ziehung, um sie der

aufs

Neue als ein Gegenstand

Bewerbung hervor treten zu lassen. — Unter

die Zahl derjenigen, setzter Folge und

welche Fairyhill

in unausge­

oft sür langHeit besuchten, ge­

hörten zwei Personen,

welche sich durch hervorste­

chende Eigenschaften bemerkbar machten.

Lady Ge­

orgina Wallham, eine Verwandte Lady Del­ mour s,

verband

mit

höchst

seltener

Schönheit

zwar keinen ausgezeichneten Geist, aber die gewöhn­ liche Klugheit der Dummen, die gefährliche Waffe

eines überlegten Beginnens, einer versteckt aber be­ rechnet angelegten Intrigue.

Nur ihre unbegrenzte

227 Gefallsucht machte sie zuweilen ihren Planen unge­

treu und

vernichtete oft in einem

Augenblick das

mühsame Studium vieler Monde; ihr Herz bewog

sie zu keinen Abweichungen,

denn

sie

liebte

in

Wahrheit nur sich selber. — Ihre Annäherung au die Damen des Schlosses hing mit weit aussehen­

den Planen zusammen;

die Zeit,

der seit einigen Jahren

bei

der

wo Graham, Gesandtschaft in

Rußland angestellt war, zurückkehren und seine Gü­

ter antreten konnte,

stand nahe bevor.

Alle seine

Briefe, und Lady Granville theilte den Inhalt

derselben zum öfteren mit,

sprachen es aus,

daß

sein Herz noch frei und er gesonnen sei, unter sei­ nen holden

Landsmänninnen

zu wählen.

Graham

hatte

eine Gefährtin

sich

den Ruf eines lie­

benswürdigen Mannes, sein Name und die äußere Lage

entsprachen

Lady

Georginas

Ansprüchen

und so war sie sehr entschlossen den schwer zu Fes­

selnden für sich zu gewinnen. —

Neben ihr ragte

Lord Darville unter der Menge hervor, ohne ihr jedoch im mindesten zu gleichen.

ganten Aeußeren, dem Anstrich einer

scharfen

Eigenschaften

aber

Mit einem ele­

großer Kälte,

treffenden Ironie,

der seltensten Art.

mit

verband er

In seinem gan-

228 zen Benehmen lag keine Milde, aber seine Diener­

schaft liebte ihn abgöttisch und unter der Hülle des

indolenten,

übersättigten Weltmannes, verbarg er

eine nicht leicht zu erregende, aber dann auch un­ auslöschliche Tiefe des Gefühls. Die Frauen, welche Alles Ungewöhnliche lebhaft anzieht,

waren ihm

auf ausgezeichnete Weise gewogen und sein Verhält­ niß zu ihnen eben dadurch seltsam verkehrt, denn

seine flüchtige Aufmerksamkeit wurde als eine Gunst ausgenommen,

welche er mit eigensinniger Laune

bald gewährte, bald mtzog und dieses zwar, ohne

alle Gefallsucht.

Gefallen

war in seinen Augen

etwas so Leichtes, daß er es nicht des Erfolgs werth erachtete sich deshalb sonderlich zu bemühen,

zu­

gleich aber auch hegte er sehr ernste Begriffe von Ehre, und vermied auf alle Weise, zu Damen in Beziehungen genannt zu werden, welche denselben

nachtheilig hätten sein, oder in ihr Lebensglück stö­ rend eingreifen

können.

— Lady

Georginas

blendende Schönheit erregte seine Aufmerksamkeit,

und er verschmähte anscheinend die Huld keineswegs, mit welcher sie ihm entgegen kam, aber bei dem ersten Nebenbuhler, den ihre Eitelkeit ihm gab, zog er sich mit einer Kälte zurück, welche jedes Entge-

229 genkommen nicht wieder zu erwärmen vermogte. — Lady Delmours Geschick,

die ziemlich verbreitete

Kunde, daß sie noch niemals Liebe empfunden, regten seine Beachtung um Manches

ihrem

in

faßte,

eine

Wesen

Stimme im Innern fand. schaft und

so mehr,

er­

als er für

beantwortende

Er suchte ihre Bekannt­

nicht plötzlich,

aber

nach und

nach, in ewig steigender Anerkennung, tiefe, wahre

Neigung für sie, deren Erwiederung ihm mehr als

zweifelhaft blieb,

gleichwohl aber

ihn unwidersteh­

lich gefesselt hielt.

Auf diese Fairyhill sich

hatten

Weise

gestaltet,

als

die Verhältnisse

in

Grahams angekün­

digte, nahe bevorstehende Rückkehr allgemeine Freude

im Schlosse verbreitete. dieselbe nicht und

Nur Lord D a r v i l l e theilte

düstere Ahnungen stogen

durch

seine Seele, denen er vergeblich zu gebieten sich be­ mühte.

Frederik

schrieb

aus

Paris

an seine

Pflegemutter und ersuchte um die Bewilligung, einen Freund in Fairyhill einführen zu dürfen,

von dem

er seit Jahren fast unzertrennlich gewesen.

Freudig

ward alles zu seiner Ankunft vorbereitet, Lady Gran­ ville liebte ihn gleich einen Sohn,

die tröue,

Fanny hegte

liebevolle Gesinnung einer Schwester für

230 ihn, und bei der Dienerschaft lebte sein großmüthi­ ges, lebendiges, Heiterkeit verbreitendes Wesen noch

in wohlthuender Erinnerung. gebietrische Ungeduld

Sein Jähzorn, seine

waren freilich

auch nicht in

Vergessenheit gerathen, aber es giebt bevorzugte Mm-

schen,

deren Fehler man willig vergiebt,

Lichtpunkte sich erftmend,

nur der

welche dieselben glanzend

überstrahlen.

Endlich erschien der Tag seiner Ankunft; der Wagen in den Schloßhof rollte,

als

vergaß Lady

Granville ihre Jahre, die ruhige Würde, welche

sie nie zu verlassen pflegte, und eilte mit fast ju­

gendlicher Lebendigkeit ihm bis in die Vorhalle ent­

gegen.

So empfangt eine Mutter den Sohn, den

geliebtm, schmerzlich vermißten, endlich heimkehren­ den Sohn; Fanny hatte Frederiks Arm erfaßt,

lehnte das Haupt an seine Schulter,

und nannte

mit Thränen überwallender Rühmng seinen Namm. Mit der echten Herzlichkeit eines guten Menschen

erwiederte er den Empfang, der ihm zu Theil wurde, und als

endlich seine Pflegemutter ihn aus ihren

Armm ließ, er den Kopf aufrichtete, und mit dem

Blicke seelenvoller Liebe auf Lady Delmour, mit

herzlicher Theilnahme

auf die alten Diener umher-

231 sah,

in

da füllten alle Augm sich mit Thränen und aller Herzen war Segen für ihm

jedem zu,

Er nickte

begrüßte dann die Gästx seiner Pflege­

mutter und bot dieser den Arm, sie in ihre Gemä­

cher zurück zu geleiten.

Sie lehnte sich auf ihn,

bewachtste befriedigt seine jugmdlichen Züge,

guten,

Wohlwollen

blickenden

Augen

und

seine sagte,

im Gehen einen Augenblick vor dem Bildnisse ihres Gemahls verweilend: Mein Sohn,

meine Stütze,

mein Frederik! — Bewegt blickte Graham em­ por, stumm drückte er die verehrte Hand der Mut­

ter an seine Lippen, aber sein Herz schlug laut und stürmisch.

Als

dem

in

Alle

versammelt waren,

geräumigen Wohnzimmer

stellte Graham seinen Freund

vor, der bisdahin unbeachtet geblieben.

ville empfing ihn

mit Güte,

Lady Gran­

als aber Herr de

Walden Fanny vorgestellt wurde, blickte sie ihn

mit derjenigen Ueberraschung an, welche wir zu em­ pfinden pflegen,

als

ein uns

wenn

ein langst Gekannter uns

Fremder zugeführt wird.

Betroffen

und nachfinnend sah sie auf ihn hin; er selber half

ihr das Räthsel entwirren, flüchtig

indem er lächelnd und

auf^ein großes Gemälde blickte,

welches

232 die mittlere Wand des schönen Zimmers schmückte. Fanny folgte der Richtung, seiner Augen und wmdete den Blick-jetzt gleichfalls lächelnd auf ihn

rück; es war,

gestiegen,

zu­

als sei er aus dem Rahmen herab­

und stehe

um weniges alter,

vor ihr in Lebensfrische,

nur

nur der Blick etwas nachdenk­

licher, und in den Zügen mehr das Gepräge geist­ voller Entschlossenheit.

Es ist etwas Wunderbares

in der Magie stummer Verständigung, Beide schwie-

gm,

aber ihre Gedanken begegneten sich im

samen Einverständnisse.

selt­

De Walken hätte jetzt,

wo er gegenwärtig war, mit einem einzigen Pinsel­

striche die Aehnlichkeit vernichten mögen, welche nur zu unverkennbar hervorleuchtete, Fanny hegte ähn­

liche Wünsche; sie hatte dieses Bild immer vorzugs­ weise geliebt, nach ihrer Trennung von Lord Del-

mour war es ihr von diesem als Andenken nach­ gesandt,

und hundertmal hatte sie betrachtend da­

vor gestanden, und den Ausdruck jener Züge belobt,

welche sie jetzt vor sich sah, zu ihrem unermeßlichm

Erstaunen.

Das sehr hübsche Gemälde stellte eine Meeres­ bucht in südlicher Gegend dar,

ein kleiner Nachm

233 lag

zwischen Felsen und

demselben stand ein

in

junger Mann, mit der einen Hand das Ruder wie zum

Abstoßen anstemmend,

Gruste erhebend,

die

andere wie zum

den Blick nach oben, einem Fel­

senvorsprunge zugerichtet, auf welchem man undeut­

lich,

nebelverhüllt' verschiedene Gestalten

gewahrte.

Alles Landschaftliche in diesem Bilde war vortreff­ lich gehalten und

das Meer in jener klaren Ruhe

dargestellt, welche fast immer stille, sehnsüchtige Ge­

fühle

zu

erwecken

pflegt;

im Vor­

die Gestalt

grunde erschien meisterhaft ausgeführt und jetzt,

man wahrnahm,

daß

der Wirklichkeit

diese

lehnt, blieb es zweifelhaft,

da

ent­

ob der Maler ein Be-

gebniß seines Lebens dargestellt, oder ob jugendliche Eitelkeit ihn vermögt,

die Umgebung

als Zugabe

zu schaffen, um sein eigenes, allerdings bedeutendes

Abbild

der

Vergessenheit

zu

entreißen.



Lord

Darville hatte beide junge Manner forschend be­

trachtet,

als sich

aber

im Laufe der Unterredung

ergab, daß Herr de Walden ein Maler sei, ein flüchtiges Lächeln

Lippen,

der Beruhigung

flog

über seine

wogegen Lady Georgina Graham so­

wohl, als dessen Freund mit all' dem süßen Lieb­

reiz

empfing,

den sie bewußt sich anzueignen ver-

10**

234 stand.

Beide schienen von ihrer Schönheit sicht­

lich überrascht,

jedoch widmete Frederik sich

an

dem Tage so ausschließend seiner Pflegemutter, daß

ihm wenig Zeit zur Darlegung seiner Bewunderung blieb. — Nachdem

mer sich begeben,

am Abend alle auf ihr Zim­

überließ sich-jeder Einzelne den

verschiedenartigsten Betrachtungen. —- Frederik sah

sich zuerst in völliger Unabhängigkeit da wieder, wo und trauernd gedachte er

er seine Kindheit verlebt,

seines Pflegevaters,

dessen

er so Vieles verdankte.

vorsorgender Großmuth

Er selber stand nun

auf

wo alles Schwanken

dem Punkte seines Daseins,

ein Ende hat, ernstere Lebenszwecke sich geltend ma­ chen und die Begründung angen hmer Häuslichkeit am nächsten liegt.

Erfreuliche Vorstellungen beschäf­

tigten seine Einbildungskraft,

aber er fand keinen

Ruhepunkt für dieselben und überzeugte sich so am

sichersten, daß sein Herz noch ungefesselt sei.

Auch

dieser Gedanke erschien ibm wohlthuend, so war er noch Herr seines Geschicks und durfte von der Zu­

kunft das Beste erwarten.

Lady Georg ina s rei­

zendes Bild war von dieser Betrachtung nicht aus­ geschlossen;

ein

leichtes Lächeln begleitete dieselben,

und wetterfahren und

nicht ohne Eitelkeit sah

er

235 die Ereignisse kommender Tage so ziemlich im Geiste

voraus. Wahrend Frederik in rastloser Unruhe in fei­ nem Zimmer hin und wider ging, sich augenblick­

lich setzte, dann wieder aufsprang und so die ganze Erregsamkeit seines Gemüthes an

den Tag

lehnte de Walden in dem seinigen ruhig Fenster,

legte,

an ein

und blickte mit verschränkten Armen sin­

nend in die mondhelle Nacht hinaus.

Seine Ge­

danken folgten Einer Richtung, nur zuweilen durch

das Interesse unterbrochen,

welches die wechselnden

Lichter der Landschaft verliehen, blick ihm vergönnt war.

deren freier Ueber-

Gleich wie ein mit Leb­

haftigkeit Redender, durch äußere Erscheinungm ab­

gezogen, sich seinem Gegenstände mit immer regem Interesse sich wieder zuwendet, so rief auch er alles, alles Vergangene seiner Erinnerung zurück, augenblicklich davon abgewendet,

geistig

im Herzen dem­

selben immer nahe.

So hatte er sie wiedergesehen, die Frau, welche zuerst

einen tiefen Eindruck auf sein

Herz hervorgebracht,

jugendliches

wiedergesehen unter völlig ver­

änderten Verhältnissen,

um so

viele Jahre älter,

und dennoch so anziehend noch, so verführerisch an-

236 muthig.

Er rief sich zurück, daß das bewußte Ge­

mälde durch einen Freund, der in Rom sich befand,

während er abwesend war, an einen Engländer ver­ kauft worden sei und zweifelte jetzt nicht, daß der

Käufer Lord Delmour gewesen.

Die seltsame Ver­

kettung der Umstände, daß sein Bild,

welches nur

das Eine Mal von ihm entworfen, die Frau stets umgeben habe, an welche er eine bewundernde, fast

zärtliche Erinnerung nie verloren, gab ihm zu man­

nigfachen Betrachtungen Anlaß,

aber kein Lächeln

begleitete dieselben.

Lady Delmour gab sich ihrerseits dem Nach­ denken über die Ereignisse des Abends auf sehr na­

türliche Weise Hinz sie freute sich herzlich der Rück­ kehr ihres Bruders, wie sieFrederik nannte, und

verweilte nicht ohne einige Aufregung bei dem Um­ stande mit dem Bilde,

ohne

jedoch eines früheren

Zusammentreffens mit Herrn de Walden sich zu entsinnen. — Als sie spät

entschlummerte, spann

fort;

sie

befand sich

vor dem Gemälde, da erschien es ihr,

als ob die,

ein Traum diese Vorstellung

mit

unendlicher Treue wiedergegebenen Augen des

Malers Leben und einen veränderten Ausdruck bekä­ men,

als ob die ganze Gestalt sich zu ihr herab-

237 bewege.

Erschrocken wollte sie entfliehen,

Fuß schien sie zurück,

blickte

da sah sie die Gestalt de Waldens

die Ärme gegen sie ausbreiten,

stern:

aber ihr

am Boden gewurzelt, unruhig

Du entfliehst mir nicht,

hörte ihn leise flüdenn ich bin Dein

Geschick, und werde Dich ereilen!« Wenn die Nacht uns die Gestalten bedeuten­

der Personen als

eben so viele Visionen

vorführt,

pflegen solche phantastische Gebilde von einem Grauen,

einer Trauer und

einer Seligkeit begleitet zu sein,

wie man solche im bewußten Leben nicht auf gleiche Weise empfindet,

und schwer mag es halten,

gänzlich des Glaubens zu erwehren,

sich

es habe ein

magisches Band wechselseitiger Gedanken das Grund­

element derselben herbeigeführt. ost schwierig,

Deshalb scheint es

dem Gegenstand eines solchen Trau­

mes ohne einige innere Betroffenheit zuerst wieder

entgegen zu treten.

Lady Delmour empfand die

Wahrheit dieser Betrachtung, als sie am folgenden Morgen Herrn de Walden zuerst wieder erblickte, und die Befangenheit, welche er gegen seinen Willen

nicht gänzlich - bemeistern konnte,

erschien ihr wie

eine Art des Bewußtseins, gegen welches gleichwohl die Vernunft ankämpfen mußte.

238 Frederik

in

hatte

lebendiger Regsamkeit

bereits alle wohlbekannte Plätze der nächsten Um­

gebung aufgesucht und erschien erst spät zum Früh­

stück. nen,

Nachdem er die Seinen mit der ihm eige­

einnehmenden Weise begrüßt,

liebenswürdiger

Beflissenheit

suchte er mit

seinen

alles hervor,

Freund in deren Meinung zu heben und bestand nach '.dem Frühstück darauf,

sich

mit Herrn de

Walden und Lady Delmour auf deren Zim­

mer zu begeben,

Zeichnungen

damit

sehen

und

jener dort in Ruhe

beurtheilen

Gegenreden half und nach

befand

de Walden

sich

möge.

ihre

Kein

wenigen Augenblicken

in Lady Delmours

Wohnzimmer, an einem Tische ihr gegenüber, vor ihnen

eine

Entwürfen, währmd

große Mappe

welche

Frederik"

mit Zeichnungen

ihre Aufmerksamkeit

lebhaft

im Zimmer

und

fesselten,

umher

störte, die Thür eines Nebenzimmers öffnete, um Lucie neckend im Semen zu unterbrechen, dann

wieder zwischen Bücher und Arbeiten umher kramte und es an Anmerkungen nicht fehlen ließ. — De Walden

besah

ruhig

die

Zeichnungen,

welche

Fanny ihm darreichte, sein geistvolles Auge war

gesenkt, und da sie ihn, ihrer Meinung nach, völlig

239 unbeachtet

nur

gewahrte sie

betrachtete,

zuweilen

ein eigenes Leuchten desselben, welches einem Blitze

gleich die

vorliegenden Gegenstände überflog.

unbewußt sah sie fort und fort ihn an, sie endlich das

letzte Blatt

eine

Fast

und als

flüchtige

Skizze

ihm hinreichte, schlug er den Blick mit einem Aus­ druck zu ihr auf,

der in ihrer Seele

schene Erinnerungen

weckte.

die Umrisse von Amalfi;

Delmour sich

gen Mann Mütze

vor

über,

mit

hier, nach

mit

erlo­

im Geiste fühlte Lady

dorthin versetzt,

sie sah

den jun­

dem Haideblüthsträuschen an der

sich — dem

langst

Die Zeichnung zeigte

dort

Blicke

manchem

sah sie ihn sich gegmglühender

Bewunderung,

verflossenen Jahr,

mit dem

Ausdrucke, mit dem sanften, verleitenden Ausdrucke,

womit er im Traum

fliehst mir

ihr zugeflüstert:

nicht!« — Frederik

»Du

mt-

hatte sich dem

Tische genähert und fragte sich vorbeugend und die Hände auf denselben stützend; »Nun?« — de Wa lden sah den Freund mit einem Lächeln schalkhaf­

ter Verständigung an,

dann sich Lady Delmour

zuwendend, schüttelte er das Haupt ein wenig, aber

so freundlich, daß es gleich unmöglich erschien, den Tadel nicht zu verstehm oder dem Tadelnden zu

240 zürnen.

Fanny

erröthete

Frederik

und

brach

in unbezwingliches Lachen aus: »Tröste Dich, süße Fanny, äußerte er endlich, ich hatte es Dir vor­

aus sagen wollen; diese Herren sind zu eifersüchtig

als daß sie jemals ein Talent anerkennen sollten, welches sie

nicht

gebildet.

Werde de Waldens

Schülerin, er wünscht gewiß nichts mehr, und Du wirst sehen

wie bald er vom Tadel

zur Bewunde­

rung übergehn wird.«

De Walden

benutzte den scherzhaften

Vor­

schlag zu Anerbietungen, denen Frederik Eingang

verschaffte.

Lehrstunden wurden verabredet und der

Maler äußerte in einem Gespräche über seine Kunst im

Allgemeinen,

welche,

mit großer Klarheit, Ansichten,

ohne gleichwohl

bestimmte Beziehungen zu

enthalten, Lady Delmour tadelten und belehrten.

Frederik

erklärte gleich

zu Anfänge

Aufenthalts mit großer Herzlichkeit,

wie

seines

er keines­

wegs gesonnen sei, sich schon jetzt als Einsiedler in" seinen Hochlandsbergen zu begraben,

des

lang

entbehrten

Glückes

sondern

theilhaftig

müsse,

im Kreise der Seinen zu athmen und

leben.

Lady Granville schloß

Aeußerung liebkosend in

ihn

ihre Arme,

erst

werden zu

nach dieser

ihm die Zu-

241 stcherung gebend,

daß

ihm

in ihrem Hause

alle

Rechte eines Sohnes zustanden, und sie ihn drin­

gend auffordere dieselben zu benutzen. — Von die­ sem

folgte ein Fest,

Augenblicke

dem andern, Graham

war unermüdlich

sinnen und konnte sich die Rolle,

zusiel,

solchen Anlassen

Zeitvertreib

ein

sehr

im Er­

welche ihm bei

wohl gefallen

lassen.

Gewandt, angenehm und nach allen Seiten hin un­

abhängige

war er der Gegenstand

schmeichelhafter"

Aufmerksamkeit um so mehr, als er großen Werth auf solche allerdings

legte,

als

indessen Lord Darville,

sein Nebenbuhler

der

hatte gelten kön­

nen,

dieselbe mit kalter Nachlässigkeit

ließ.

Gleich diesen Beiden tauchte der Maler aus

unbeachtet

der Menge hervor, welche neben ihnen leer und un­

bedeutend erschien. —

Herr

de

Walden gehörte

denen man selbst

zu

den Wesen,

bei flüchtiger Bekanntschaft ein

ungewöhnliches Vertrauen zu

schenken geneigt ist,

welche offen und abgeschlossen sehr ernst und den­

noch gutmüthig mild, nur durch einige Schalkhaf­ tigkeit der Augen verrathen, daß jugendlicher Lebens­

muth sie beseele. gewöhnlichen

In

ihm

Künsttergrillen,

war keine

nichts von den

angenommene

242 oder erworbene Zerstreutheit,

nichts von der künst­

lichen Genialität, welche seine Genossen nicht selten

als unerläßlich betrachten.

Sein edles ruhiges Be­

nehmen mußte auf alle Weise ansprechend erscheinen und nie zeigte er sich einnehmender, als in Augen­

blicken, wo er, mit der natürlichen Lebendigkeit der

Jugend

lachend,

aus

seinem gewöhnlichm Emst

heraus trat.

Lady Georgina verdunkelte ihrerseits die rei­ zenden Frauen, ryhill einfanden, und

welche sich zu dm Festen in Faigleich einem leuchtendm Meteor,

obwohl Frederik keine unmuthige Erschei­

nung außer Acht ließ,

widmete er gleichwohl Lady

Georgina eine Aufmerksamkeit,

die bald zu be­

Vermuthungen Anlaß gab.

stimmten

ihres Triumphes genießmd,

Glückselig

siel zum Oefteren ein

Lächeln ihrer Huld dem Maler zu,

und es mogte

als ziemlich zweifelhaft erscheinen, ob er solche Gunst der eignen

Liebenswürdigkeit

oder dem Umstande

verdanke, Graham zu seinen Freundm zählm zu

dürfen.

Schon daß er ein Maler war, nahm die

Damen günstig für ihn ein,

welche allezeit großen

Werth darauf zu legm pflegen, von einem Solchm

anerkannt und gepriesen zu werden.

243 Lady Delmour nahm,

mehr oder minder,

fast Entzückt eilte der Ofsicier auf sie zu, und ein Knie beugmd und ehrer­

bietig

Hand

ihre

Theresa!

sehe

wirklich wieder? Hand: Ich

fassend,

ich



sagte

Sie wieder!

Sanft entzog

heiße Robena,

er lebhaft: O Sehe ich Sie

sie

ihm

ihre

entgegnete sie

leise.

Mit Leidenschaft legte er die Hand über seine Au­

gen: Robena! wiederholte er schmerzlich, und Er!

und Er! — Alle

blickten erstaunt einander an, nach lan­

ger Pause richtete der Fremde sich empor; Ich muß,

sagte

er

gesammelt,

mich

Ihnen

als

Capitain

Belleville vorstellen, und erscheine als Abgesand­

ter zweier von Ihnen geliebten Freunde. erliche Stille entstand.

sabeth

endlich

Eine fei­

Lebt Er? — fragte Eli-

athemlos.

Der Fremde

schwieg,

in seinem männlichen Gesichte sprach eine Rührung sich aus,

welche das Schlimmste verkündete.

Ei­

ner lebt, sagte er nach einer Weile, der Andere —

ich bringe Ihnen seine letztm Grüße und sein Ver-

351 »Robenas

mächtniß.

leiser Ausruf des Boden.

zu

lautlos

Man

entrang sich

Elisabeth

ein sank

trug sie auf ihr Zim­

der Fremde blieb mit Herm von Wer-

mer und

denstein,

ganz

Brust

Schmerzes,

welchem

mittheilte.

er seinen

traurigen Bericht

Dieser vernahm jetzt, daß gegen

seine Ahnung Löwen es sei, welchem das Todesloos gefallen: Wie lernten Sie den jungen Mann

kennen? — fragte er, seine Wehmuth bekämpfend.

Durch seinen Freund, Rittmeister von Werden­ beide befanden sich

stein, quartier, so

weit

verwundet im Haupt­

ein Zufall entdeckte es ihnm.

Hülfreich,

es thunlich war, theilte ich meine Sorg­

falt zwischen Beide.

gefährlich

Herr von Löwen war höchst

verwundet, man muthmaste spater mit

Recht, daß eine Kugel in der Wunde zurück geblie­ ben.

Bevor er sich einer neum Operation unter­

warf,

ließ

er mich rufen, und übergab mir diese

Brieftasche für Sie, und Auftrage an seinen Freund.

Er winkte mir dann mit der Hand und hieß mich gehn; mit unsäglicher Wehmuth

blickte ich

zum

Letztenmal in jene bedmtsamm Augm, welche nahe

daran waren sich für ewig zu schließen.

Körperlich

und geistig ermattet durch unsägliche Leiden, sah er

352 dem

Tode entgegen

wie man auf den beruhigen­

den Schlaf der Nacht sich freut.«

Tief erschüttert zog Herr von Werdenstein sich in ein Fenster zurück, wo er, halb mechanisch die Brieftasche öffnete, aus welcher ihm zu seinem

Befremden Robenas Verfügungen

zu

Bild,

so

deren Gunsten

wie verschiedene

entgegen

fielen.

Nach einer Weile wendete er sich dem jungen Fran­

zosen wieder zu, welcher in wohl berechneten Uebergängen das Gespräch dem Ziele zulmkte,

ihm zunächst am Herzen lag, digkeit

endlich tiefsinnig: Sie war

in Spanien? Wie seltsam!

verwirrend!

auch

mit südlicher Leben­

forschte er nach allen Robena betreffenden

Umstanden und sagte

niemals

welches

Und

wieder in

doch sah jenem

wie

Sinn­

ich sie dort und dann

Schlosse in Sachsen,

um

Mittemacht in der verhängnißvollen Geisterstunde.«

Dort im Schlosse langten wir Alle,

zufällig

sehr spät und unerwartet, kurz vor Ihrem Abmarsche

an; Robena war Ihnen in dem Augmblicke be­ gegnet, wo sie in ihr Zimmer sich verfügen wollte,

und theilte am

wenn auch heitm, mit.

folgenden Morgen

dieß Begebniß,

vielleicht nicht in allen seinen Einzeln-

353 »Aber Spanien? — Wie wollen Sie das er­ Sie können es nicht! —

klären?

Nein, es kann

nicht Alles zu kalter Wirklichkeit werden, ich halte

fest an dem süßesten Traume meines Lebens!« — »Erklären kann ich nichts, Robena hatte Geschwister,

nur muthmaßen.

diese mögen leicht in

verschiedene Länder zerstreut, und Sie durch Fami­ lienähnlichkeit getäuscht sein:«

»Es wäre möglich, denken.

nen;

Ich kann das

aber ich

mag es nicht

lieblichste Bild, nicht tren­

Robena und Theresa werden in meinen

Gedanken

ewig Eins

könnte ich wähnen,

sein.

Und

doch! —

Alles sei Täuschung,

o,

und ich

habe jenes Bildniß nie bei einem Andern gesehn!« Eapitain Belle Ville nahm, durch die Um­ stände gezwungen, am folgenden Tage Abschied. Er

betrachtete Robena mit der Gluth tiefer Liebe; es war als bb er ihr Bild seiner Einbildungskraft für

alle Zeiten einprägen wollte.

Sich von ihr verab­

schiedend, flüsterte er leise: Ich gehe nach Spanien!

und wenn ich dort Ihr Ebenbild nicht wiederfinde,

bin ich für immer unglücklich. Geheimnißvolle Nächte haben dieß Band gewoben und ich lasse davon nur

15**

354 mit meinem Leben!« —

Nicht ohne Theilnahme

sah man ihn scheiden. — Elisa beth erholte sich von ihrer Ohnmacht, gleich

ein Kranker,

wie

der aus

unfreiwilligem

Schlummer erwachend, Kopf und Sinn umdüstert,

die Kräfte ermattet tief wehmüthige,

fühlt.

Ihre Trauer war eine

indessen Robena ernst und ru­

hig die ihrige fast nur durch größere Schweigsam­

keit an den Tag legte. Nach zwei Monaten langte

Werdenstein bei seinen Verwandten an;

seine

Betrübniß hob Löwens Werth auf eine ergreifende

Weise hervor und er that Alles, die Erinnerung an

denselben im Kreise der Seinen auf ehrenvolle Weise zu erhalten.

Während der ersten Wochen mahnte

kein Wort Elisabeth an die gegebene

Zusage,

einst aber, als er allein mit ihr des Freundes ge­

dachte, fügte er bewegt hinzu:

getrennt,

Früher hat er uns

so laß uns jetzt durch ihn inniger verei­

nigt werden.

Giebst,Du mir jetzt Deine Hand,

Elisabeth? — Feierlich gab ihm diese die Rechtt, in ihrem klaren,

festen,

zu ihm aufgeschlagenen

Blick lag das Gelöbniß unwandelbarer Treue. — An ihrem Hochzeittage empfand Elisabeth

zuerst die Mahnung einer,

bis dahin nicht geahn-

355 beten Wahrheit. Nachdem Robena sie geschmückt,

blieb diese neben dem Sessel der Braut stehn, und

Thräne auf Thräne siel unaufhaltsam auf den schö­

nen Hals derselben herab.

Nicht befremdet,

aber

wie durch Eingebung aufgeklärt, blickte Elisabeth

erschrocken auf:

Robena, Du — sagte sie un­

willkürlich, und sah ihr in das bleiche Antlitz. Ein Blick der Verständigung war hinreichend, die Freun­

dinnen umschlossen sich fest, dann blickte Elisabeth trauernd empor:

weich,

Ich nehme ihn Dir, sagte sie

aber Du Robena!

ach Du weißt, was

ich verlor! — Du raubtest mir zuerst das Liebste, aber ich liebte Dich nur zärtlicher dafür!

Werdenstein kaufte in der Nähe von Dres­ den sich an,

und als Capitain Belleville nach

einem Jahre dorthin zurück kehrte, fand er die jun­ gen Gatten in glücklicher Häuslichkeit. Seine Nach­ forschungen in Spanien waren erfolglos geblieben, die alte Dame des Schlosses war gestorben, Nie­

mand wußte, wohin ihre junge Gefährtin sich ge­

wendet, und so kehrte er, entschlossen und unschlüs­ sig zugleich, zu dem Ebenbilde seiner ersten Neigung

zurück.

Seine ernstliche Bewerbung fand endlich Ge­

hör; so oft das unsichere Loos des Krieges ihn von

356 seiner Gattin trennte, kehrte diese in das Haus ihrer Pflegeeltern zurück, wo sie von Seiten der Mutter

späte, aber endliche Anerkennung, wenn gleich keine herzliche Liebe fand. Nachdem Napoleons Stem

versunken, nahm Oberst Velleville seinen Ab­

schied, und führte seine junge Gefährtin auf ein kleines Besttzthum am Fuße der. Pyreuäm, wo ein

ruhiges Leben in einer wunderbar reizenden Gegend

ihnen die ersehnte und wünschenswerthe Beftiedigung bot. —

Beide Freundinnen fühlten sich glücklich, wenn gleich auf andere Weise,

gehofft hatten;

wie sie einst zu werden

die Täuschungen des Lebens waren

dahin; die Wirklichkeit behauptete ihr ernstes, aber für sorglich

gebildete Gemüther gleich

den ihren

doch immer auch wohlthuendes Recht.

Leipzig, gedruckt bei W. Haack.