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German Pages 32 [37] Year 1913
Die
Schnellbahnfrage Eine wirtschaftlich-technische Untersuchung auf Grund des Schnellbahnplanes Gesundbrunnen—Rixdorf von
EMIL S C H I F F
Berlin W . V E R L A G VO|N M. K R A Y N 1912
Seitdem der Zeitpunkt, an dem der Zweckverband Groß-Berlin in Wirksamkeit treten soll, in greifbare Nähe gerückt ist, zeigt die Stadt Berlin Eile, Verkehrsaufgaben größten Umfanges und größter Bedeutung zu erledigen, mit denen sie sich vorher allzuviel Zeit gelassen hat. Ein Jahrzehnt haben die Streitigkeiten mit der Großen Berliner Straßenbahn g e d a u e r t ; sie haben zu Zuständen geführt, für die der Ausdruck Verkehrselend von allen beteiligten Seiten widerspruchslos angewendet wurde, aber im Sommer 1911 mußte ein neuer, bis 1949 laufender Vertrag mit der Straßenbahn durchgepeitscht werden. Die Gelegenheit, die Straßenbahnen zu mäßigem Preise in den Besitz der Stadt zu bringen, ist nicht wahrgenommen worden, obschon die Stadt dann über ein Verkehrsunternehmen von den glänzendsten Möglichkeiten der Entwicklung und des Ertrages verfügt hätte, mit dem sie auch andere Aufgaben des Verkehrs und Aufgaben der Wohnungsfürsorge aufs beste hätte stützen und fördern können. Der Zweckverband wird die Straßenbahn infolge der großen Fehler des neuen Vertrages nur unter schweren Opfern erwerben können, wenn er sie nicht schon zum nächsten Termine erwirbt, was bei der Fülle seiner Aufgaben schwer sein dürfte 1 ). Auch andere Groß-Berliner !) Vgl. Schiff, der neue Berliner Straßenbahn-Vertrag (Elektrotechnische .Zeitschrift 1911, Heft 42, oder Dokumente des Fortschrittes, 1911, Heft 11).
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Gemeinden, besonders Wilmersdorf, das der StraßenbahnGesellschaft eine neunzigjährige Zustimmung erteilt hat, haben dem Zweckverbande vorgegriffen und seine Aufgaben erschwert und verteuert. Nur vom Zweckverbande, der schon am 1. April 1912 zu arbeiten beginnen wird, kann daher erhofft werden, daß er mit der in großen technisch-wirtschaftlichen Fragen geradezu verhängnisvollen Eigenbrödelei der beteiligten Gemeinden brechen und die Groß-Berliner Verkehrsaufgaben, soweit das noch möglich ist, in planvoller Weise unter richtiger Würdigung der Erfordernisse und gerechter Verteilung der Lasten und E r t r ä g e lösen wird. Billigkeitsgefühl und richtige Erkenntnis des eigenen wie des allgemeinen Vorteiles müßten im Vereine mit politischer Vornehmheit die G e meinde Berlin dazu führen, die so lange verzögerten Aufgaben nicht noch schnell vor Inkrafttreten des Zweckverbandes zu erledigen, sondern der kommenden Neuorganisation zu überlassen. Statt dessen bietet sich dem sachlich Prüfenden das Schauspiel, daß Eigenbrödelei, Parteiinteresse, Unkenntnis der volkswirtschaftlichen und technischen Verhältnisse und mißverstandenes Gemeininteresse zu unzeitigen und unzweckmäßigen Entschlüssen geführt haben und führen. Nicht anders verhält es sich mit der Entscheidung,, zu der der Magistrat in der seit zehn Jahren schwebenden Angelegenheit einer Schnellbahn vom Gesundbrunnen nach Rixdorf gelangt ist. W i e weit insbesondere die Stadt Berlin mit der jetzt geplanten schleunigen Erledigung der Sache den eigenen Vorteil, und wie weit sie den Vorteil der nördlichen und südlichen V o r o r t e zum eigenen Schaden fördern würde, ist sehr fraglich; wahrscheinlich wäre im Zweckverbande eine günstigere Verteilung der Lasten und des Wagnisses zu erreichen. W a s aber am meisten gegen die jetzt geplante Lösung spricht, sind die schweren volkswirtschaftlich-sozialen Bedenken, die von unabhän-
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gigen Fachleuten mit seltener Einhelligkeit erhoben werden, und der Umstand, daß der eine der beiden in W e t t b e w e r b stehenden Entwürfe nicht ohne Vorurteil behandelt worden ist. Magistrat und einige Stadtverordnete haben kein Hehl daraus gemacht, daß die Schwebebahn für sie nicht mehr in Betracht komme, seitdem die Anbieterin den Ergänzungsantrag bei der Aufsichtsbehörde gestellt habe. In Wirklichkeit ist der Plan, in den die Continentale Oesellschaft für elektrische Unternehmungen ein Kapital an Geist und Geld gesteckt hat, so schleppend und — mindestens seit einer Reihe von Jahren — so wenig wohlwollend behandelt worden, daß das Vorgehen der Anbieterin durchaus verständlich, wenn nicht selbstverständlich, war. Zudem hat sie lediglich von ihrem gesetzlichen Rechte Gebrauch gemacht, woraus in einem Rechtsstaate niemand ein Vorwurf gemacht werden darf. Schließlich aber haben öffentliche Organe keinerlei Recht, sich von einem anderen Gesichtspunkte als dem des ihnen anvertrauten Gemeininteresses leiten zu lassen; ob ihnen das Vorgehen eines Unternehmers mißfällt, ist — wofern es nicht rechtlich und moralisch anfechtbar ist — gleichgiltig. Wenn man aber ein wenig in die Verhältnisse einblickt, findet man außer dem erwähnten Beweise von Unsachlichkeit noch weitere auffällige Kennzeichen einer unzureichenden Behandlung des Schwebebahnplanes. Die Anbieterin hat auf eine Reihe wichtiger Eingaben nicht einmal eine Antwort von den städtischen Organen erhalten, obschon der Name Petersens, des Urhebers des Entwurfes, eine völlig genügende Gewähr für die Wichtigkeit dessen bietet, was die von ihm vertretene Unternehmerin in der Schnellbahnfrage vorzubringen hatte. Auch findet sich im Berichte über die Septembersitzung der Stadtverordneten kein Anzeichen dafür, daß die Versammlung darüber aufgeklärt worden wäre, daß sich die Unternehmerin im März zu einer ver-
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traglichen Bindung an den Zehnpfennigtarif bereit erklärt hat; der Mangel solcher Bereitwilligkeit war aber in der vorhergegangenen Vorlage des Magistrates als wesentliches Bedenken gegen den Plan einer Schwebebahn hingestellt worden. Ein Stadtverordneter konnte in dieser Sitzung sogar von einem Zurückziehen des Zehnpfennigtarifes durch die Anbieterin sprechen und daran die für sie ungünstigsten Folgerungen knüpfen, ohne daß er vom Magistrate dahin berichtigt worden wäre, daß das Gegenteil richtig sei. Auch hat in dieser Sitzung der Stadtbaurat Berlins den Stadtverordneten eine Zeichnung vorgeführt, die eine Standbahn mit schmalerer Mittelstütze, als für die Schwebebahn früher entworfen worden war» zeigte. Dieser Vergleich mußte bei Laien die Vorstellung erwecken, als ob es sich hierbei um einen grundsätzr liehen Unterschied zugunsten der Standbahn handele; als Techniker hätte der Baurat aber hinzufügen müssen, daß es eine leicht lösbare Konstruktionsaufgabe sei, auch die Stütze der Schwebebahn noch etwas schmaler zu bauen. Ein seltsamer Widerspruch zeigt sich ferner in der Beurteilung der Anwendbarkeit der Schwebebahn für enge Straßen. In der Magistratsvorlage vom 15. November 1910 war ausdrücklich erklärt worden, daß die Gesellschaft den Nachweis der Ausführbarkeit des Baues in den engen Straßen, die in Betracht kämen, im allgemeinen erbracht hätte. Diese Ueberzeugung bestarid schon vor Ausführung der Probestrecke; daß sie durch deren Ausführung nicht erschüttert wurde, beweist der Umstand, daß wenige Zeilen nach dieser Erklärung Bericht über die — damals schon drei Jahre alte — Ausführung der Probestrecke erstattet wird, ohne daß die Ueberzeugung von ihrer Zulässigkeit in engen Straßen mit einem Worte eingeschränkt wird. Jetzt — in der Februar-Vorlage — werden sogar sechs Streckenteile, die etwas breiter als der mit der Probestrecke belegte Straßenteil sind, als zu eng für eine Schwebebahn
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bezeichnet; nicht erwähnt wird aber, daß der Engpaß in der Brunnenstraße, obschon es sich nicht als unerläßlich herausgestellt hat, mit geringem Wagnis für die Stadt umgangen werden kann, und daß es ein Leichtes ist oder mindestens gewesen wäre, die Hankestraße bei Niederreißung des Scheunenviertels zu verbreitern. Auch die noch etwas schmaleren beiden Strecken in der Brückenund Dirksenstraße müssen herhalten, obgleich die Brückenstraße ohne Opfer für die Stadt umgangen werden soll und die Dirksenstraße nur einseitig mit Häusern besetzt ist; an der andern Seite der Dirksenstraße liegt nämlich der Stadtbahndamm, dem sich die Schwebebahn unmittelbar anschmiegen würde, so daß ihr Abstand von den Häusern größer als bei erheblich breiteren Straßen mit zwei Häuserreihen wäre. Diese Beweise einer einseitigen und unsachlichen Behandlung der Angelegenheit würden, so schwer sie wiegen, nicht ausreichen, die Ablehnung des Antrages des Magistrates zu empfehlen, wenn nicht gewichtige sachliche Bedenken dagegen vorlägen. Alle Sachverständigen warnen aber grundsätzlich davor, Untergrundbahnen, die das zweifache bis dreifache Anlagegeld wie Hochbahnen erfordern, zu bauen, soweit keine unbedingte Notwendigkeit oder keine ganz ungewöhnlich günstigen Voraussetzungen für den Ertrag vorliegen. Denn fast alle in der W e l t bestehenden Stadtschnellbahnen sind unwirtschaftlich geblieben, nur drei — und darunter nicht eine einzige reine Untergrundbahn — geben ausreichende V e r zinsung, und bei den meisten ist der größte Teil des Kapitals endgiltig verloren. Selbst aber, wenn ausnahmsweise eine Verzinsung erreichbar ist, ist es Volkswirt* schaftlich doch verkehrt — und wäre für u n s e r e Geldwirtschaft gewiß nicht angebracht —, mehr Kapital festzulegen, als zur angemessenen Erreichung des Zweckes nötig ist. Natürlich kann auch der Tarif einer Unter-
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grundbahn nicht so günstig sein wie bei einer Bauweise, die einen Bruchteil an Jahreskosten für Tilgung und Verzinsung des Anlagegeldes erfordert. Auch die eifrigsten Wahrnehmer ihres persönlichen Interesses, die städtischen Grundbesitzer, handeln unwirtschaftlich, wenn sie aus Angst vor Wertminderungen durch Hochbahnen ausschließlich Untergrundbahnen verlangen. Was längst von Sachverständigen erklärt worden ist, bestätigt jetzt auch die Steuerbehörde, daß nämlich bei den der Hochbahn anliegenden Grundstücken auch nach Ausscheidung der durch Umbau oder Neubau ertragsfähiger gewordenen Grundstücke eine allgemeine Steigerung der Nutzerträge von Jahr zu Jahr stattgefunden hat. Bei Untergrundstrecken ist hingegen festgestellt und auch an Berliner Beispielen nachzuprüfen, daß zwar in der Nähe der Haltestellen, nicht aber auf den dazwischenliegenden Strecken auf Wertsteigerung zu rechnen ist. Hier ist vielmehr mit einer Verringerung des Verkehrs und einem Sinken der Bedeutung der Strecke als Geschäftsgegend zu rechnen. Neben diesem irrtümlichen Bedenken sind es Schönheitsgründe, die gewöhnlich gegen die Hochbahn ins Feld gef ü h r t werden. Dieses Bedenken erscheint aber weit übertrieben, denn wir könnten sehr zufrieden sein, wenn unsere Mietskasernen, die wir überall, nicht nur in einigen Straßen, sehen und nicht nur vorübergehend, sondern dauernd benutzen müssen, das künstlerische Empfinden nicht mehr verletzten als der überdies künstlerisch noch entwicklungsfähige Hochbahnbau. Insbesondere muß die Lösung des Vorwurfes einer Schwebebahnstrecke, wie wir sie in der Brunnenstraße sehen, jedem konstruktiv empfindenden Auge geradezu verblüffend elegant erscheinen. Und wieviele Denkmäler besitzt die Reichshauptstadt, die es mehr verdienten, in die Erde vergraben zu werden, als selbst unsere Hochbahn, die immerhin viel schwerfälliger als eine Schwebe-
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bahn wirken muß! Auf alle Fälle ist aber der Geldbeutel des Arbeiters weit schonungsbedürftiger als der hier so stark auftretende Schönheitssinn des Hausbesitzers. V o m Standpunkte des doch auch erheblich beteiligten Fahrgastes, und zwar vom gesundheitlichen und psychischen Standpunkte, fällt die Entscheidung zweifellos zugunsten des Fahrens in Licht und Luft statt in künstlich gemilderter Grabesnacht, die den Gedanken an einen Betriebsunfall besonders schrecklich macht; kennt doch jeder Fahrgast das unwillkürliche Befreit-Aufatmen, wenn der Zug aus dem Tunnel wieder zur Oberwelt aufsteigt. Schwerer als das Schönheitsbedenken wiegt der Einwand wegen zu enger, winkliger Straßen; w o aber aus diesem Grunde eine Oberflächen-Standbahn nicht mehr möglich ist, kann eine Schwebebahn immerhin noch ausführbar sein, da ihre Konstruktionsbreite etwa 2 m g e ringer ist und ihr einschieniges Geleis praktisch noch einen Krümmungshalbmesser von 50 m gegen 200 m des Standbahngeleises zuläßt. Technische Bedenken gegen die Schwebebahn, insbesondere gegen ihre Betriebssicherheit, können nach den in Barmen-Elberfeld gemachten Erfahrungen nicht geltend gemacht werden, ihre wirtschaftliche Ueberlegenheit gegenüber Untergrundbahnen ist aber gewaltig. Die für die Linie Gesundbrunnen—Rixdorf geplante Untergrund- und Hochbahn würde nach der ursprünglichen Vorlage des Magistrates eine Anlagekapital von etwa 84 Millionen Mark erfordern; würden die als Hochbahn geplanten Endstrecken von zusammen etwa 3,2 km auch als Untergrundbahn ausgeführt werden, so würden sich die Kosten einschließlich der von der A E G verlangten kapitalisierten Entschädigung für erwarteten Minderertrag um etwa 13,6 Millionen Mark erhöhen. In dem Verlangen der Stadtverordneten, auch die Endstrecken unterirdisch zu führen, zeigt sich übrigens be-
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reits deutlich eine der verhängnisvollen Folgen des Bauens von Untergrundbahnen: weil der eine Stadtteil eine Untergrundbahn besitzt, glaubt sich der andere als minderwertig behandelt, wenn er mit einer sichtbaren Bahn ausgestattet werden soll, eine Anschauung, die von manchen Persönlichkeiten aus parteipolitischer Taktik ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen unterstützt wird. Uebersehen wird hierbei, daß die breite Masse der Bevölkerung den größten Vorteil aus geringen Betriebskosten und dem dadurch ermöglichten günstigsten Tarife zieht, und daß Kapitalien,' die an der einen Stelle festgelegt sind, an der anderen fehlen müssen. Das gilt sogar von werbend angelegten Mitteln, während hier der Mehraufwand im wesentlichen als nicht werbend anzusehen ist; denn der größte Teil der Mehrkosten einer Untergrundbahn entfällt nicht auf die eigentliche Bahnanlage, sondern auf den Umbau der zahlreichen im Unter*gründe von Großstadtstraßen verlegten technischen Einrichtungen, auf Notbauten, Unterfahrungen, Grunderwerb und andere Nebendinge. Die Mehrkosten des Untergrundbaues sind auch von d e m Gesichtspunkt aus unfruchtbar, daß sie keinerlei Erhöhung des Verkehrs eintragen. Die neuerdings aufgetauchte Behauptung, daß der Bau von Unterpflasterstrecken erheblich verbilligt worden sei, ist eine unzulässige Verallgemeinerung der unter besonders günstigen Voraussetzungen bei einigen Vorortstrecken gemachten Erfahrungen. Im allgemeinen kostet (nach Wittig) das Kilometer zweigleisiger Strecke bei Untergrundbahnen 5—10 Mill. M., bei Stand-Hochbahnen und Schwebebahnen 2—3 Mill. M., bei Damm- und Einschnittbahnen 1—1,5 Mill. M. Gerade in Berlin sind so ungünstige Bodenverhältnisse, daß schon dadurch ein Vergleich mit Paris, wo die Anlagekosten infolge ungewöhnlich günstiger Bodenverhältnisse nur etwa 3,5 Mill. M.
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im Durchschnitt auf das Bahnkilometer betragen, hinfällig wird. Die geplante Bahn bietet auch sonst viele Hindernisse für den Untergrundbau und ist deshalb hinsichtlich der Anlagekosten am ehesten mit der Strecke vom Potsdamer Platze nach dem Spittelmarkte zu vergleichen ; diese Linie hat aber die ungeheure Summe von 10 Mill. M. für das Kilometer verschlungen. Dem entspricht auch der Kostenanschlag, der — bei Führung der Südstrecke durch den Kottbuser Damm statt, wie früher geplant, durch die Urbanstraße — für eine reine Untergrundbahn mit Kraftwerk, Unternehmergewinn, von der Stadt Berlin gefordertem Zuschüsse und Kosten der Finanzierung etwa 100 Mill. M. vorsieht. Dieser Betrag erfordert allein für Abschreibung wegen technischer Entwertung, Tilgung der erheblichen vertragsmäßigen Heimfallast und nur 4 v. H. Kapitalverzinsung einen jährlichen Aufwand von etwa 5 Mill. M. Da von der Unternehmerin mit einer Einnahme von durchschnittlich 11 Pf. auf den Reisenden gerechnet wird — die Hochbahngesellschaft erzielt bei einem teureren Tarif und einer zweiten Wagenklasse von erhöhtem Fahrpreise 13 Pf. auf den Reisenden —, ist allein zur Aufbringung dieses Betrages ohne die eigentlichen Betriebskosten eine Verkehrsziffer von etwa 45 Millionen Reisenden jährlich nötig. Berücksichtigt man dazu die erfahrungsmäßigen unmittelbaren Beiriebskosten von 6—7 Pf. auf den Reisenden, so sind auch bei Berücksichtigung des Zuschusses der Stadt für Minderertrag infolge Aenderung der Linie etwa 100 Mill. Reisende im Jahre nötig, um nur die oben bezeichnete notdürftige Wirtschaftlichkeit zu ermöglichen. Der ursprüngliche Entwurf gemischter Bauart, der 84 Mill. M. Anlagekosten bedingen sollte, legte bei günstigem Betriebskoeffizienten der Ertragsrechnung 70 Mill". Reisende im Jahre zugrunde, womit die Verzinsung von 4 v. H. aber nur für 80 Mill. M. herausgerechnet werden konnte.
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Auch nach dieser, von beteiligter Seite angestellter Rechnung 1 ) wären also etwa 87 Mill. Reisende nötig, um 4 v. H. Zinsen von etwa 100 Mill. M. aufzubringen. Bei der jetzt auf 9,2 km herabgesetzten Streckenlänge ergibt sich also nach den vorstehenden Rechnungen die Notwendigkeit eines Verkehrs von 9,5—10,8 Mill. Reisenden auf das Bahnkilometer. Die Größenordnung dieser Ziffern bleibt auch bei wesentlicher Herabsetzung immer noch ungeheuerlich. Außerdem beträgt die volle Leistungsfähigkeit der veranschlagten Anlagen 80 Mill. Reisende, und diese Zahl entspricht zugleich dem Höchstmaße dessen, was Stadtschnellbahnen, und zwar auch nur auf kurze Strecken, zu leisten vermögen. Man erlebt also das bei ernsthaften Ertragsrechnungen völlig ungewohnte Schauspiel, daß zur Erzielung einer knappen Verzinsung von 4 v. H. von Anfang an mit aufs höchste geschraubten Annahmen gerechnet wird. Denn wenn auch kurze Strecken mitunter ungewöhnlich hohe — wenn auch nicht derart hohe — Verkehrsziffern zeigen, so ist doch die genannte Ziffer als Durchschnitt für die ganze Linie nach allen bisherigen Erfahrungen nicht zu vertreten. Die Berliner Stadt- und Ringbahn hatte im Jahre 1910 einen Verkehr von 3,5 Mill., die Ringbahn allein einen Verkehr von nur 2,3 Mill., die Stadtbahn allerdings einen Verkehr von 7,8 Mill. Reisenden, womit sie übrigens nach langer Entwicklung an der ungefähren Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt ist. Diese Ziffer bedeutet einmal aber nur den Durchschnitt eines Teiles — und zwar des günstigsten Teiles — des Unternehmens; dann aber und vor allem ist diese Entwicklung nur durch einen Tarif möglich geworden, mit dem eine Bahn, die auf eine regelrechte Verzinsung angewiesen ist, besonders also ein Privatunternehmen, niemals in W e t t b e w e r b treten kann. ') Pforr, Gedanken über Schnellbahnen (ohne Jahr und Verlag)
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Denn die Berliner Stadt- und Ringbahn ist ein gemeinnütziges Unternehmen der Preußischen Eisenbahn-Verwaltung, das die Anlagekosten nicht verzinst. Die Einnahme auf den Fahrgast beträgt nur etwa 6,7 Pf. im Durchschnitte 1 ). Der erhebliche Mehrpreis von etwa 65 v. H. auf die Einzelfahrt, mit dem das geplante Unternehmen rechnen muß, bedingt aber eine erhebliche Verringerung der Benutzung, besonders infolge der größeren W e t t bewerbsfähigkeit der Straßenbahnen und Omnibusse. Ein solcher Mehrpreis spielt bei einer werktäglich viermaligen Fahrt, wie sie bei den regelmäßigen Berliner Benutzern in Betracht kommt, eine g r o ß e Rolle und beeinflußt die Wahl der Wohnung und somit die Verkehrsdichte erheblich. Selbst die Centrai-London-Bahn, die einzige Londoner Bahn und überhaupt einzige reine Untergrundbahn, die bis auf 4 v. H. Dividende gekommen ist, hat im Jahre 1905 nur 4,3 Millionen Reisende auf das Bahnkilometer erreicht; im Jahre 1908 war die Zahl aber auf 3,5 Mill. zurückgegangen, ein Beweis, daß die größere Ziffer nur auf vorübergehenden Umständen beruhte 2 ). Ungewöhnlich günstig ist außerdem nur die Ziffer der Pariser Metropolitain-Bahn mit 5,3 Mill. Reisenden auf das Bahnkilometer im J a h r e 1906; ihre Höhe erklärt sich aber daraus, daß diese Schnellbahn mangels erheblichen W e t t b e w e r b e s von Straßenbahnen und Omnibussen auch einen Verkehr besorgt, der sonst diesen Verkehrsmitteln zufällt 3 ). Im allgemeinen kann als Durchschnitt, wenn keine ungünstigen Voraussetzungen vorliegen, ein Verkehr von 3 Mill. Reisenden auf das Bahnkilometer, wie ihn auch die Berliner Hoch- und Hierbei sind die Zeitkarten mit 4 Fahrten täglich gerechnet. 3
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Im Jahre 1910 erhielten nur die Vorzugsaktien 4 v. H., die anderen
Arten 2 und 3 v. H. 8
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Petersen, Die Verkehrsaufgaben d. Verbandes Groß-Berlin (Berlin 1911
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Untergrundbahn aufweist, angenommen werden. Selbst Groß-New-York hat nicht über 3 Mill. Reisende auf das Bahnkilometer aufzuweisen, obschon die jährliche Gesamtzahl der Fahrten auf den Kopf der Bevölkerung im Jahre 1907 403 gegen 312 in Berlin betrug. Chicago mit 383, Philadelphia mit 412 und Groß-Boston mit 494 jährlichen Fahrten übertrafen die Zahl Groß-Berlins zum Teil noch weit erheblicher, während die Londoner Zahl mit der Berliner Ziffer genau übereinstimmte 1 ). Unter diesen Umständen kann auch nicht damit gerechnet werden, daß die doppelte tägliche Fahrt zur Arbeitstätte und zurück, die im Gegensatze zu englischen und amerikanischen Verhältnissen für einen Teil der Berliner Benutzer in Betracht kommt, die Durchschnittszahl von 3 Mill. Reisenden ausschlaggebend beeinflußt. Die Art und Weise, wie demgegenüber versucht worden ist, die für den Plan einer Untergrundbahn nötige Verkehrsziffer herauszurechnen, findet in den Erfahrungstatsachen keine Stütze. Es wurde beispielsweise der Hochbahngesellschaft auf Grund des Ergebnisses von 1905 eine Verkehrssteigerung von etwa 7 v. H. aufs Jahr vorausgesagt 2 ); die Steigerung hätte also in den Jahren 1907 bis einschließlich 1910 — in arithmetischer Reihe — 28 v. H. betragen müssen. Der kilometrische Durchschnitt, der 1906 3,016 Mill. Reisende betrug, ist aber nur auf 3,2 Mill. Reisende im Jahre 1910, also in 4 Jahren nur um 6,1 v. H., gestiegen; freilich ist das zum Teil darauf zurückzuführen, daß ein Teil der hinzugekommenen Baulänge von insgesamt 5,2 km einen geringen Verkehr aufweist. Mit Strecken von. minderer Güte hat aber jede Bahn zu rechnen, und man darf auch aus dem Ergebnisse einer besonders günstigen Teillinie oder aus einer anfänglich starken Verkehrszunahme keine allgemeinen Schlüsse ziehen. Wenn man !) Wittig, Schnellverkehr (Berlin 1909) Pforr, G e d a n k e n über S c h n e l l b a h n e n
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aber selbst die seit 1906 hinzugekommenen 5,2 km Bahnlänge der Hochbahngesellschaft mit nur einem Drittel ansetzt, ergibt sich immer nur ein Durchschnitt von weniger als 4 Mill. Reisenden jährlich auf das Bahnkilometer. Und wenn man noch weitergeht und die zu erwartende Ziffer, etwa mit Rücksicht auf die größere Einwohnerdichte der an die neue Bahn grenzenden Stadtteile, um weitere 30 v. H. höher, also auf etwa 5,2 Mill., schätzt, bleibt immer noch ein unüberbrückbarer Abstand gegen die benötigte Ziffer. Dabei kann nicht verkannt werden, daß mindestens die Strecke der Hochbahngesellschaft vom Wittenbergplatze bis zur Friedrichstraße eine ungewöhnliche Verkehrsdichte und, was für die Wirtschaftlichkeit besonders wertvoll ist, eine besonders günstige Wagenbesetzung aufweist. Einer Ertragsrechnung darf man aber auf alle Fälle nur Durchschnittsziffern, wie sie sich aus den Erfahrungen anderer vergleichbarer Stadtbahnen ergeben, zugrunde legen, zumal Groß-Berlin an Einwohnerzahl und Wohlstand hinter London, N e w York und Paris zurücksteht. Es genügt aber noch nicht, die Schätzung des Verkehrs künstlich hochzuschrauben, sondern auch die Ausgaben müssen künstlich niedrig angesetzt werden, um das notwendige Mindestmaß einer Verzinsung zu errechnen; das erhellt daraus, daß, abgesehen von dem mindestens für den Anfang sehr günstig geschätzten Betriebskoeffizienten von 50 v. H., einem Anlagegelde von 84 Mill. M. ganze 650 000 Mark Abschreibungen gegenübergestellt sind, obwohl nicht nur die gewöhnliche Abschreibung wegen Entwertung durch Altern und Abnutzung, sondern auch die Tilgung der Heimfallast zu berücksichtigen ist. Die gesamten Anlagen auf städtischem Eigentum, also der ganze Bahnkörper mit Leitungsnetz und sonstiger Ausrüstung, geht nämlich nach dem Vertrage bei Ablauf der Zustimmung kostenlos an die Stadt über; das bedeutet aber
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die rechtliche und wirtschaftliche Notwendigkeit der Tilgung einer Heimfallast, die mit 75 Mill. M. wohl nicht zu hoch geschätzt ist. Die Tilgung dieser Last etwa auf eine spätere Zeit, für die man Gewinn erhofft, verschieben zu wollen, wäre rechtlich unzulässig 1 ). Nun wird eingewendet, daß es der Stadt Berlin gleichgiltig sein könne, wenn sich die AEG bei der Erfolgschätzung verrechnet haben sollte, ganz abgesehen davon, daß man dieser Unternehmerin zutrauen dürfe, daß sie sich nicht zu ihrem Schaden' verrechne. Die letzte Erwägung hat allerdings manches für sich, wenn auch der Ehrgeiz, es im Baue solcher Anlagen der Gesellschaft Siemens & Halske nachtun, einen Teil der sachlichen Bedenken besiegt haben mag und immerhin fraglich ist, ob die Aktionäre der Gesellschaft mit dieser Ausdehnung der Unternehmertätigkeit zufrieden sind. Verläßt man sich in diesem Punkte aber ganz auf die AEG, so kann man doch nur schließen, daß diese nicht die Leidtragende sein wird, obschon die Ertragsrechnung, die sie im stillen Kämmerlein für den eigenen Bedarf aufgestellt haben dürfte, ganz anders aussehen mag, als öffentlich zugegeben wird. Die AEG ist in der Finanzierung von Geschäften sehr geschickt, und Finanzkünstler bleiben gewöhnlich nicht an Geschäften hängen, deren Ertrag zweifelhaft ist; im Vertragsentwurf ist ja auch nicht zur Bedingung gemacht, daß die AEG einen Teil der Aktien der zu gründenden Gesellschaft behalten müsse. Die AEG erlangt aber durch die Gründung eines selbständigen Unternehmens nicht nur die Möglichkeit, in der Anlage festgelegte Mittel leichter flüssig zu machen, sondern auch den Vorteil, einen Unternehmergewinn auf die Anlage berechnen zu können; bliebe sie rechtlich Eigentümerin der Bahn, so wäre das gesetzlich nicht zulässig, ')
V g l . Schiff, W e r t m i n d e r u n g e n an Betriebsanlagen (Berlin,
1909).
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sondern sie müßte die Anlagen dann nach § 261,3 HGB zu den Herstellungskosten im Abschlüsse einsetzen. Damit sollen die finanziellen, betriebstechnischen und verwaltungsmäßigen Gründe, die eine rechtlich selbständige Form für die Bildung des Unternehmens nahelegen, nicht als unerheblich hingestellt werden; die begründende Bemerkung des Magistrates aber, daß eine selbständige Gesellschaft gegründet werden müsse, weil der Betrieb von Bahnen nicht im Geschäftsbereiche der Gesellschaft liege, fordert durch ihre — vielleicht nicht ungewollte — Harmlosigkeit zu dieser Feststellung heraus. Die AEG verdient also zunächst als Baufirma an dem Bau der Anlagen einen großen Betrag; in der Tagespresse ist er auf 20 Mill. M. geschätzt worden. Sie kann ferner nach dem Vertrage den Berliner Elektrizitätswerken, ihrer Tochtergesellschaft, eine gewaltige Absatzsteigerung durch Stromlieferung an die neue Bahn verschaffen. Das würde beträchtliche Erweiterungsbauten der Berliner Elektrizitätswerke bedingen, die von der AEG mit entsprechendem Gewinne ausgeführt werden würden. Wird aber der Bau eines eigenen Kraftwerkes für das Bahnunternehmen vorgezogen, so verdient die AEG nicht nur am reinen Bahnbaue, sondern auch am Baue dieses Werkes. Weiter rechnet die AEG wohl im Zusammenhange mit der geplanten Bahn auf den Bau von Anschlußlinien, die in der wirtschaftlicheren Bauweise der Hochbahn, vielleicht sogar in der billigsten Form, als Damm- oder Einschnittbahnen, ausgeführt werden dürften. Vielleicht kann auch die Weiterführung der Bahn nach dem Muster der Westendlinie der Hochbahngesellschaft von Zuschüssen der Anlieger abhängig gemacht und damit das Betriebswagnis abgewälzt werden. Schließlich würden der AEG daraus, daß sie im Baue von Schnellbahnen nicht mehr so erheblich gegen die Gesellschaft Siemens & Halske und gegen amerikanische Unternehmer zurückstände, Vor2
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teile bei anderen Wettbewerben erwachsen. Wenn sie sich aber selbst in einem gewissen Umfange mit Kapital beteiligen will oder muß, so braucht das zunächst nicht mit barem Oelde zu geschehen, sondern kann mit dem Unternehmergewinn oder einem Teile davon geschehen; dieser Umstand und die sonst erreichbaren Vorteile haben zur Folge, daß für die AEG immer noch Gewinn bedeuten kann, was für die sonst Beteiligten Verlust ist. Selbstverständlich kann innerhalb unserer Wirtschaftsordnung der AEG kein Vorwurf daraus gemacht werden, wenn sie in dieser Weise kaufmännisch rechnet, und wenn der andere Teil nicht rechnen kann. Dieser hat sich allerdings, als er diesen Vertrag einzugehen beschloß, über wichtigste wirtschaftliche und — wie schon öfter geschehen ist — auch über wichtigste soziale Bedenken hinweggesetzt. Nur Kurzsichtige können sich damit trösten, es sei Sache der AEG oder der von dieser zu gründenden Gesellschaft, ob die Bahn Ertrag abwerfe oder nicht. Wer volkswirtschaftlich denkt, muß sich sagen, daß die großen Baukosten, die Gewinne der Baufirma und der finanzierenden Banken und die Fehlbeträge an der notwendigen Tilgung und Verzinsung letzten Endes auf die eine oder andere Art von der Allgemeinheit aufgebracht werden müssen, daß die unfruchtbare Aufwendung von Kapital stets einen Verlust für die allgemeine Wirtschaft bedeutet, und daß das so aufgewendete Geld für andere notwendige Unternehmen fehlen muß. Wer wirtschaftlich denkt, muß sich auch sagen, daß mit dem gleichen Aufwände die zweifache bis dreifache Bahnlänge als Hochbahn gebaut und in viel kürzerer Zeit fertiggestellt werden könnte. Und wer sozial denkt, wird steh nicht darüber hinwegsetzen können, daß für einen Teil dieser möglichen Ersparnis die der Berliner Bevölkerung bitter nötigen Großstadtlungen in Gestalt öffentlicher Parkanlagen geschaffen werden könnten.
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Weiß der Berliner Magistrat nicht, daß 99 v. H. der eingeborenen, also rund 100 v. H. der ärmeren Bevölkerung Groß-Berlins rhachitisch sind," und daß die ungeheuer verbreitete Tuberkulose zum großen Teil eine Wohnungskrankheit ist! Das große Mittel aber, das einer Gemeinde zu Gebote steht, ist die Aufschließung billiger und gesunder Wohngegenden zur Schaffung gesundheitlich und sittlich menschenwürdiger Wohnungen für die ärmere Bevölkerung. Die erste Vorbedingung hierfür ist für eine Großstadt die planmäßige Anlage zureichender Schnellverbindungen. Gegenüber dieser Forderung des Tages ist es nicht vertretbar, 50 bis 60 Millionen Mark nutzlos in die Erde zu vergraben.• Die Stadt Berlin ist aber auch unmittelbar stark an der Ertragsfrage beteiligt. Zunächst gilt das wegen der Tilgung und Verzinsung von nicht weniger als der Hälfte des Anlagekapitals, wofür die Stadt Berlin die Haftung übernehmen will 1 ). Hierbei handelt es sich in Gemäßheit des Vertrages um Jahreswerte bis zu 5 v. H. für Zinsen und Tilgung, also bis zu annähernd 2,5 Mill. M., für die die Stadt zu haften hätte. Der gesamte Reingewinn der Hochbahngesellschaft betrug aber im 10. Geschäftsjahre erst 1,59 Mill. M. neben einer Ausgabe von 0,44 Mill. M. Zinsen für Schuldverschreibungen.- Die Stadt hat auch in üblicher Weise für das von ihr weggegebene große Recht der Wegebenutzung eine Abgabe von den Roheinnahmen und eine Beteiligung am Gewinne zu beanspruchen ; sie ist also unmittelbar daran beteiligt, ob und wieviel Gewinn erzielt wird. Während aber die Gewinnaussicht bei einer Untergrundbahn ganz in der Luft sch\vebt, müßte sie bei einer Anlage, die nur einen ') Die Millionen-Zuschüsse zum Bau, die die Stadt nach den neueren Verhandlungen leisten soll, sind bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung wie die sonstigen Baukosten behandelt.
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Bruchteil an Tilgung und Verzinsung des Kapitals erfordern würde und infolge eines günstigeren Tarifes mit einer höheren Verkehrsziffer rechnen könnte, unvergleichlich günstiger sein. Bei dem geplanten Unternehmen ist aber nicht nur ein Gewinnanteil sehr zweifelhaft, sondern auch die Bestimmungen über die Abgabe von den Einnahmen sind derart, daß für längere Zeit auf gar keine und später auf keine nennenswert^ Abgabe zu rechnen ist. Denn für die ersten acht Jahre, wird von der Stadt, obschon sie einen so großen Teil des Wagnisses trägt, auf jede Abgabe verzichtet, soweit nicht Jahresgewinne über 4,25 v. H. des Aktienkapitals erzielt w e r d e n ; überhaupt aber beträgt die Abgabe bei einer jährlichen Roheinnahme von weniger als 1 Mill. M. auf das Bahnkilometer nur 2v. H. der Fahrgeldeinnahme und steigt erst dann um 0,25 v. H . mit je 0,125 Mill. M. Mehreinnahme. Eine Einnahme von I Mill. M. auf das Bahnkilometer entspricht aber bei I I Pf. Durchschnittseinnahme auf den Reisenden einem Verkehr von etwa 83 Millionen Reisenden. Eine solche Verkehrsziffer ist aber ungefähr das Dreifache eines günstigen Durchschnittes für Stadtbahnen im allgemeinen und auch der Berliner Hochbahn im besonderen. Wie wenig ernst daher die h ö h e r e n Sätze des Entgelts zu nehmen sind, bedarf keiner Betonung. Auch der Hinweis auf die Zukunft ist hinfällig, denn einmal soll nicht n u r für die Enkel oder Urenkel gesorgt werden, und vor allem läßt sich die Leistungsfähigkeit einer Bahn nicht beliebig steigern; die veranschlagte Ziffer entspricht aber schon annähernd der größten Zuglänge und schnellsten Zugfolge, die für das geplante Unternehmen in Betracht kommen. Rechnet man mit einer Ziffer von 40 Mill. Reisenden, die schon erheblich über dem Durchschnitte liegt, so würden die Einnahmen an Fahrgeld auf das Kilometer etwa 480 000 M., die Abgaben an die Stadt
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insgesamt also ungefähr ganze 88 000 M. für ein Jahr betragen. Das ist die Gewinnaussicht, die der Gewährung so großer Rechte und der Uebernahme so großen Wagnisses gegenübersteht. Die Stadt ist aber noch stärker unmittelbar an der Höhe der Anlagekosten und der Ertragsfrage beteiligt, denn sie rechnet mit einem späteren Erwerbe des Unternehmens. Es ist also für sie von der größten Wichtigkeit, ob sie ein mehr oder minder oder gar nicht einträgliches Unternehmen zu erwerben Gelegenheit hat. Sie kann auch durch Umstände, die sich nicht voraussehen lassen, gezwungen sein, das Unternehmen ohne Rücksicht auf eine etwaige Unwirtschaftlichkeit zu erwerben; ja gerade bei unwirtschaftlichen Unternehmen von öffentlicher Bedeutung kann eine solchc Zwangslage — das belegt die Geschichte des Eisenbahnwesens — am leichtesten eintreten. Und auch die Höhe der Anlagekosten ist im Erwerbsfalle von größter Bedeutung. Allerdings ist der Erwerbspreis, wenigstens bei Erwerb nach dem 30. Geschäftsjahre, ein E r t r a g s w e r t ; damit werden aber auch die Schulden der Gesellschaft erworben. Allein die Teilschuldverschreibungen der Untergrundbahn würden aber bei Gründung etwa 50 Mill. M. gegenüber etwa 20 Mill. M. bei einer Schwebebahn betragen, und dieses Verhältnis dürfte sich im Laufe der Zeit jedenfalls nicht zugunsten der Untergrundbahn verschieben. Bei Erwerb zum 30. Geschäftsjahre liegt die Sache noch viel ungünstiger für die Stadt, weil sie dann, unbeschadet der gezeigten Belastung, mindestens einen dem Grundkapitale der Gesellschaft gleichkommenden Betrag mit 15 v. H. Zuschlag zahlen muß; das Grundkapital hängt aber natürlich von den Anlagekosten ab. Mit alledem sind aber Wagnis und offenbarer Schaden, denen sich die Stadt Berlin aussetzt, keineswegs erschöpft, sondern Stadt und Bevölkerung können auch unmittelbar
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schwer in Mitleidenschaft g e z o g e n werden. Bei einem Unternehmen, das keinen genügenden Ertrag abzuwerfen vermag, pflegt es auf die Dauer um die Unterhaltung und Erneuerung der Anlagen und noch mehr um eine Entwicklung, wie sie die fortschreitende Zeit erfordert, schlecht bestellt zu sein; bei einem großen Verkehrsunternehmen ist das von ganz besonderer Bedeutung, da Hunderttausende darunter leiden können. Eine weitere naheliegende Wahrscheinlichkeit ist die Erhöhung der Tarife, in die trotz allen Verträgen gewilligt werden müßte, um schlimmere Folgen abzuwenden, oder die Uebernahme in städtisches Eigentum und Abwälzung des Ausfalles auf die Steuerzahler. Wenn man auch heute im Hinblick auf die Gründerin des geplanten Unternehmens nicht zu befürchten braucht, daß es notleidend werden könnte — obschon das bei Privatbahnen häufig vorgekommen ist und in Amerika noch häufig genug vorkommt —, so vergesse man nicht, daß es sich um ein Unternehmen für lange Dauer handelt, und daß allein die Vertragsfrist neunzig Jahre beträgt. Schon die Zukunft eines so verwickelten, trustartigen Wirtschaftsgebildes, wie es die A E G ist, kann aber niemand auch nur auf einige Jahrzehnte voraussagen, zumal schon von der Art der leitenden Männer Unvorherzusehendes abhängt; hier aber muß überdies mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß die A E G nach einem gewissen Zeiträume, vielleicht schon bald, an dem Unternehmen nicht mehr mit Geld beteiligt ist. Denn der V e r t r a g enthält keine Verpflichtung hierzu, wie er übrigens auch umgekehrt keinen Schutz dagegen enthält, daß sich die A E G wie bei den Berliner Elektrizitätswerken die Hälfte — oder überhaupt einen nennenswerten T e i l — neuauszugebender Aktien ohne A u f g e l d sichert, statt daß dieses Aufgeld, wie es üblich und billig ist, in die Taschen des Unternehmens selbst fließt. V o m Standpunkte der Stadt, die das Unter-
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nehmen für wirtschaftlich hält, wäre eine solche Vorsicht nicht nur von theoretischer Bedeutung gewesen. Man bedenke aber auch, daß mit dem Nachgeben gegenüber dem Verlangen nach Untergrundbahnen ein folgenschweres Beispiel geschaffen wird; das hat sich wiederholt und auch schon bei diesem Plane gezeigt. Schon heute begegnet man in nicht sachverständigen Kreisen allgemein der Forderung, die von politisch oder geschäftlich parteiischer Seite genährt wird, daß für eine Stadt wie Berlin nur Untergrundbahnen in Betracht kämen, während alle Sachverständigen diese Ansicht für ungefähr ebenso berechtigt halten, wie wenn verlangt würde, daß alle Mietskasernen Fassaden aus Muschelkalkstein erhalten. Der Aufwand für den Bau von Untergrundbahnen in Groß-Berlin dürfte aber in absehbarer Zukunft, wie Petersen wohl nicht zu hoch schätzt, 600 Mill. M. betragen, wovon etwa die Hälfte als uneinträgliche Geldanlage anzusehen wäre. Unternehmer, die die Gemeinden von so großem Wagnisse wirksam entlasten, werden sich auf die Dauer nicht finden, wie ja auch in New-York, London und Philadelphia der Bau von Schnellbahnen infolge des gleichen Fehlers fast ganz ins Stocken geraten ist. Die Gemeinden würden also entweder das Verkehrsi e d ü r f n i s zum schwersten Schaden der Bevölkerung, die besonders in ihren Erwerbsmöglichkeiten und ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden würde, unbefriedigt lassen oder die Steuern bedeutend erhöhen müssen. Eine solche Erhöhung der Lasten wäre aber um so drückender, als ohnedies, wie in den Kreisen der Berliner Verwaltung angenommen wird, die vom Zweckverbande zu erfüllenden Aufgaben nicht ohne Erhöhung der Gemeindesteuern zu erfüllen sein werden. Diese Erwägungen sind durchaus zeitgemäß, denn der Zweckverband wird bereits organisiert und die demnächst von der Stadt auf eigene Kosten zu erbauenden beiden Schnellbahnen werden große
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Summen verschlingen und wahrscheinlich noch weniger ertragreich werden als die Bahn Gesundbrunnen—Rixdorf. Welche Kapitalien Schnellbahnen verschlingen können, lehrt Groß-New-York mit 4 Mill. Einwohnern, das schon nahezu 3 Milliarden Mark in Stadtbahnen festgelegt hat. Genau so gefühlsmäßig, nicht aber sachlich und sachverständig begründet, wie die meisten Gesichtspunkte, die zugunsten von Untergrundbahnen vorgebracht werden, sind im wesentlichen die Bedenken, die gegen Hochbahnen und besonders Schwebebahnen ins Feld geführt werden. Zieht man aber die Vorurteile ab, so bleibt so w e n i g übrig, daß es gegen die Ersparnis an Anlagegeld und gegen den sicheren Mehrertrag nicht ins Gewicht fällt. Als wesentlichstes Bedenken wird hervorgehoben, daß durch die Genehmigung einer Schwebebahn die Einheitlichkeit des ganzen Berliner Schnellbahnsystems in Frage gestellt werden würde. Von einer solchen Einheitlichkeit ist aber überhaupt keine Rede, da unsere größte und verkehrsreichste Stadt-Schnellbahn, die Stadt- und Ringbahn, eigentümlich, verwaltungsmäßig und technisch ein ganz selbständiges und anders angelegtes Unternehmen ist und auch nach Einführung des elektrischen Betriebes sein wird. Die Errichtung einer gemeinsamen Verwaltungsspitze für die übrigen Bahnen wird aber, wenn sie einmal in eine Hand kommen sollten, durch ihre technische Verschiedenheit nicht gehindert sein; betriebstechnisch werden sie jedoch auch dann selbständig bleiben müssen. Das wesentliche Kennzeichen einer betriebsmäßigen Einheitlichkeit ist nämlich der Anschlußbetrieb mit Wagenübergang; in diesem Punkte kann aber von einer Einheitlichkeit keine Rede sein, weil die W a g e n profile der Stadtbahn, der Hoch- und Untergrundbahn und des Entwurfes der Nord-Südbahn sämtlich voneinander abweichen. Aber selbst, w o das nicht der Fall ist, ist es anerkannter betriebstechnischer Grundsatz, daß bei
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Schnellbahnen mit großer Zugdichte die Unabhängigkeit der einzelnen Linien mit Rücksicht auf die Betriebssicherheit und die Leistungsfähigkeit der Anlagen unbedingt zu wahren ist. Die Gefährlichkeit von Verzweigungen beim Zweiminutenbetrieb ist offenbar und wäre schon ein genügender Grund gegen die betriebsmäßige Abhängigkeit einer Linie von Anschluß- und Kreuzungslinien; die Unabhängigkeit erhöht aber auch durch Ermöglichung größerer Zugdichte die Leistungsfähigkeit der Betriebe, wie geschätzt wird, um 30—50 v. H. Auch infolge der sehr verschiedenen Verkehrsdichte, die für Stammstrecken und Anschlußlinien in Betracht zu kommen pflegt, ist eine Kuppelung der Betriebe unzweckmäßig und unwirtschaftlich. Diesen Erfahrungen entspricht auch der Betrieb, wie er sich bei allen weltstädtischen Schnellbahnen tatsächlich herausgebildet h a t : selbst ein wenig bequem eingerichteter Umsteigebetrieb wird dem Anschlußbetriebe vorgezogen. Ein gut eingerichteter Umsteigebetrieb bedeutet aber gewiß keinen Zeitverlust, wenn man die dadurch ermöglichte schnellere Zugfolge auf der Hauptstrecke berücksichtigt. Wesentlicher ist die Einwendung, daß bei der Schwebebahn die praktische Möglichkeit fehlt, sie mit Unterpflasterstrecken zu verbinden. Ob dieses Bedenken ausschlaggebend ist, das System zu verwerfen, kann nur nach dem Einzelfalle entschieden werden. Bei dem hier behandelten Entwürfe ist die Frage jedenfalls in genügender Weise gelöst. Als wirklich zu eng für eine Schwebebahn kommt nur ein Teil der Brückenstraße in Betracht; diesen Engpaß würde die Anbieterin aber mit einem Durchbruche durch die Hinterhäuser umgehen. Auch wäre sie s t a t t dessen bereit, zu einerVerbreiterung der Straße l,5:Mill. Mark beizutragen. Die Umgehung des engen Teiles der Brunnenstraße zwischen Rosentaler Tor und Invalidenstraße von 330 m Länge ist, wie die Probestrecke erwiesen hat,
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nicht unerläßlich; trotzdem ist die Unternehmerin auch hier zu einer Umgehung mit Durchbruch durch die Hinterhäuser bereit,, wenn die Stadt 4 v. H. Zinsen der dadurch entstehenden Mehrkosten solange gewährleistet, bis die gleiche Verzinsung für die ganze Anlage erreicht ist; eine solche Haftung, die der Unternehmerin die Finanzierung erleichtern würde, ist so gut wie gar kein Wagnis. Bei Fahrpreisen von 10 Pf. bis zur 5. Haltestelle und 15 Pf. für weitere Fahrten, also einem immer noch wesentlich günstigeren Tarife, als er der AEQ bewilligt werden soll r würde die Unternehmerin der Schwebebahn aber auch die Kosten der Umgehung der Brunnenstraße bedingungslos tragen. Weiter wird die verwickelte Bauart der Weichen bei Schwebebahnen bemängelt. Soweit es sich hierbei um Mehrkosten der Weichen gegenüber anderen Bahnsystemen handelt, kommen sie gegenüber den sonstigen Ersparnissen an Anlagekosten nicht in Betracht; die Betriebssicherheit der Weichen ist aber durch jahrelangen störungsfreien Betrieb bei der Bahn Barmen-Elberfeld erwiesen. Es wird auch behauptet, daß die Stützen der Schwebebahn in engen Straßen den Verkehr hindern und Unfälle herbeizuführen geeignet s i n d . Die verkehrshemmende Wirkung wird aber durch die verkehrsregelnde Wirkung ausgeglichen; mar» baut ja sogar in engen Straßen Trottoirstreifen und Inseln ein — und zwar in fremden Weltstädten noch mehr als bei uns — mit der ausgesprochenen Absicht, durch das Hindernis den Verkehr in bestimmte Bahnen zu zwingen. Daß eine Gefährdung des Straßenverkehrs aber nicht eintritt, wird durch das Zeugnis des Polizeipräsidiums, wonach die Unfälle im Gebiete der Probestrecke in der Brunnenstraße nicht zugenommen haben, erwiesen. Diesen nichtigen oder doch in Wirklichkeit unwesentlichen und besonders im vorliegenden Falle nicht durchschlagenden Bedenken stehen eine Reihe Vorteile gegenüber, deren größter die verhältnismäßige Billigkeit der Anlage ist. Die geplante Schwebebahn würde für eine Strecke von 12 km mit den
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gesamten Kosten der Finanzierung und Gründung 4 0 Mill. M. r also etwa 60 Mill. M. weniger als die 9,2 km lange Unterpflasterbahn der AEG, kosten. Kraftwerk, Betriebsmittel und Wagenhallen der Schwebebahn sind hierbei für einen vorläufig reichlich hoch angenommenen. Verkehr von 50 Mill. Reisenden geplant, während die Kosten der Unterpflasterbahn bereits für 80 Mill. Reisende berechnet sind. Die Baukosten der Schwebebahn umfassen aber 2,8 km mehr Baulänge, wodurch jene Minderkosten in dem Sinne ausgeglichen werden, daß die beiden Endsummen vergleichbar sind. Das bedeutet bei 5 v. H. Jahreskosten für- Abschreibung, Tilgung der Heimfallast und Verzinsung eine jährliche Ersparnis von etwa 3 Mill. M., entsprechend einem Mindererfordernis an Verkehrsdichte um 50 — 60 Mill. Reisende jährlich. Die bedeutsamste Folge der mäßigen Anlagekosten ist aber der dadurch ermöglichte Tarife der alles schlägt, was in diesem Punkte bisher von elektrischen Stadt-Schnellbahnen geleistet worden ist, und sogar den Straßenbahntarif an Billigkeit übertrifft. Denn die Unternehmerin der Schwebebahn ist dem allgemeinen Interesse, das ihr maßgebender als das engere stadtfiskalische erschien, soweit entgegengekommen, einen Einheitstarif von 10 Pf. anzubietenman würde also von Reinickendorf bis Britz mit Schnellbahngeschwindigkeit für 10 Pf. fahren. Das ist eine Leistung, die man im Hinblick auf das Interesse der breiten Masse als großartig bezeichnen muß. In der Vorlage des Magistrates vom Februar wird eingewendet, daß die Unternehmerin sich nicht vertraglich an diesen Tarif binden wolle. Das ist zwar nicht mehr richtig, aber es ist doch von Interesse, was die Unternehmerin, die sich durch volkswirtschaftlich richtige B e weisführung auszeichnet, anfangs gegen eine solche Bindung, angeführt hat. Sie hat mit Recht eingewendet, daß sich die Entwicklung der Lebensbedingungen und der Kaufkraft des Geldes auf Jahrzehnte hinaus nicht übersehen lasse und die Festsetzung eines Tarifes auf neunzig Jahre wertlos sei, denn nach allen Erfahrungen habe die langsichtige Festlegung eines
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Tarifes bei wesentlicher Aenderung der Voraussetzungen niemals genützt. Man braucht auch in der Tat kein Volkswirtschaftler zu sein, um einzusehen, daß es ein widersinniger Versuch wäre, den Preis einer bestimmten Leistung auf sehr lange Zeit ohne Rücksicht darauf festzulegen, daß die Preise aller maßgebenden anderen Leistungen inzwischen erheblich, vielleicht um ein Mehrfaches, steigen können. Dazu kommt im besonderen, daß bei Kleinbahnen nach den ersten fünf Betriebsjahren der Aufsichtsbehörde das Recht zusteht, den Tarif festzusetzen, womit einer willkürlichen Erhöhung des Zehnpfennigtarifes, den die Unternehmerin e i n z u f ü h r e n bereit war, in ausreichender Weise ein Riegel vorgeschoben gewesen wäre. Trotzdem hat sich aber die Unternehmerin, da sie den Magistrat ihren Gründen nicht zugänglich glaubte, schriftlich bereit erklärt, den Einheitstarif von 10 Pf. auf eine zu vereinbarende Dauer vertraglich festzulegen, wenn die Annahme ihres Anerbietens davon abhinge; sie hat gleichzeitig um Angabe ersucht, auf welche Dauer der Magistrat die Verpflichtung wünsche. Eine Antwort hat sie hierauf nicht erhalten. Selbst wenn aber ein solches Anerbieten nicht vorgelegen hätte, hätte der Magistrat die angebliche Ablehnung einer dauernden Festlegung des Zehnpfennigtarifes unmöglich als Grund für die Nichtannahme des Anerbietens der Continentalen Gesellschaft heranziehen dürfen, da er gleichzeitig einem Vertrage zugestimmt hat, der den einheitlichen Zehnpfennigtarif ü b e r h a u p t n i c h t e r s t einführt und aller Voraussicht nach niemals wird einführen können. Dieses Bedenken war also nur ein Vorwand, und zwar angesichts der schließlichen Bereitwilligkeit der Unternehmerin ein Vorwand, der sogar der Form nach der Unterlage entbehrte. Dem Einheitstarife der Schwebebahn von 10 Pf. steht ein Tarif der Untergrundbahn gegenüber, der 10 Pf. für die Fahrt bis zur folgenden 4. Haltestelle, 15 Pf. bis zur 8. Haltestelle und 20 Pf. für darüber hinausgehende Fahrten vorsieht. Fahrten vor 7 Uhr morgens sollen mit Rückfahrt zu beliebiger Tageszeit 15 Pf. kosten. Bei sonst
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werktäglich viermaliger Fahrt bedeutet der Unterschied beider Tarife für den regelmäßigen Fahrgast, der über vier Haltestellen hinausfährt, jährlich 60 M. Für die Masse der Bevölkerung am Südende und Nordende der Bahn spielt ein solcher Unterschied eine große Rolle, denn diese Bevölkerung versteuert durchschnittlich weniger als 2000 M. Jahreseinkommen. Ein solcher Mehraufwand für Fahrgelder zu und von der Arbeitsstätte bedeutet bei einer wirtschaftlich möglichen — freilich oft nicht ausreichenden — Ausgabe von etwa 300 M. für Wohnungsmiete eine wesentliche Steigerung des Wohnungselendes mit seinen furchtbaren Folgen für die Gesundheit, Erwerbsfähigkeit und Sittlichkeit. Gegenüber diesem großen sozialen Gesichtspunkte sind alle Gründe, die für eine Untergrundbahn und gegen eine Schwebebahn ins Feld geführt werden, hinfällig. Das Volk braucht unbedingt die in Anlage und Tarif billigste Bahn, die betriebssicher und sonst annehmbar ist, damit möglichst viel billige und gesunde Wohngegenden erschlossen werden können und die mögliche Ausgabe für Wohnen nicht mehr als unbedingt nötig durch Fahrgelder beeinträchtigt wird. D a s i s t d e r s p r i n g e n d e P u n k t d e r g a n z e n F r a g e , und über diesen ist nicht hinwegzukommen, solange nicht unabhängige, anerkannte Fachleute begutachten, daß der Bau einer in Anlage und Tarif billigeren Bahn, als jetzt vorgeschlagen ist, unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnet. Das Anerbieten auf eine Schwebebahn gewährt aber nicht nur der Bevölkerung, sondern auch dem Stadtfiskus große Vorteile. Jede Haftung für die Verzinsung und Tilgung von Anleihen fällt fort. Der Erwerb des Unternehmens, und zwar eines sicher sehr einträglichen Unternehmens, wird der Stadt oder dem Zweckverbande auch schon nach zehn oder zwanzig Jahren, nicht erst nach dreißig Jahren wie bei der Untergrundbahn, ermöglicht. Auch die Bedingungen für die Beteiligung der Stadt an Einnahmen oder Gewinn sind praktisch viel günstiger. Es wird ein Entgelt von 1 v. H. bei
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4 0 0 000 M. Einnahme auf das Bahnkilometer, von 2 v. H. bei 5 0 0 000 M. und so fort bis zu 7 v. H. bei einer Einnahme von 1 Mill. und mehr mit gradliniger Interpolation, also z. B. 3,56 v. H. bei 656 000 M. Einnahme, angeboten; wahlweise wird der Stadt die Hälfte des Reingewinnes nach Verzinsung der Anlagekosten mit 6 v. H. angeboten. Bei den ausgezeichneten Ertragsaussichten einer Bahn, die 60 v. H. weniger als die Untergrundbahn kosten würde, sind der Stadt damit, unbeschadet der Billigkeit des Tarifes, wirkliche Qewinnaussichten von Bedeutung eröffnet, während ihre Aussichten bei einer Untergrundbahn für die ersten acht Jahre gleich Null und für später nicht viel besser sind. Neben den ausschlaggebenden wirtschaftlichen Vorzügen und der Erfüllung der technischen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Systems in engeren Verkehrsstraßen sind a b e r der Schwebebahn noch andere Vorzüge eigen. Der ganze Bau ist schlank und gefällig, die eigentlichen Bahnstreifen sind schmal — nur je 1,4 m breit —, und die Konstruktion ist in hohem Maße durchsichtig und versperrt den Ausblick nach oben und nach der Seite auch infolge der verhältnismäßig hohen Lage der Fahrbahn sehr wenig; die ganze Ausführung ist in dieser Hinsicht mit einer Stand-Hochbahn, die eine undurchsichtige Bettung von gegen 8 m Breite in geringer Höhe erfordert, auch wenn sie auf Mittelstützen statt Portalstützen errichtet wird, nicht zu vergleichen. Da die Wagen nur auf einer Schiene laufen und nicht mit Rücksicht auf die gewaltigen Tunnelkosten aufs knappste konstruiert werden müssen, können sie mit weit günstigerem Verhältnisse zwischen Fassungsraum und Gewicht gebaut werden, wodurch Anlagekosten und Ertrag weiter günstig beeinflußt werden. Die Wagen laufen stoßfrei und verhältnismäßig geräuschlos. Betriebsstörungen durch Witterungseinflüsse sind seltener als bei der StandHochbahn. Auch saugen die Wagen der Schwebebahn nicht, wie es im Tunnel der Untergrundbahn unvermeidlich ist, eine Staubwolke an, die durch die Oeffnungen der Wagen ein-
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dringt und sie erst recht zu dem macht, wozu ein kaiserlicher Mund sie gestempelt hat: zu Bazillenkutschen, Daß Wesentliches für die Schnellbahn spricht, hat die am meisten in Betracht kommende Bevölkerung wohl erkannt. Der Magistrat, der diesen bedeutungsvollen, seit 10 Jahren schwebenden Entwurf seit Jahren wie eine zu vernachlässigende Größe behandelt, kann nicht umhin, folgendes auszusprechen: «Trotzdem sind, wie wir hiermit hervorheben müssen, von zahlreichen Bewohnern und Vereinen der südlichen und nördlichen Stadtteile scharfe Proteste gegen die Erteilung der Zustimmung zu dem Projekt der AEG eingegangen. Die Interessenten aus dem Norden, insbesondere des Gesundbrunnens, ersuchen in eindringlichen Eingaben, endlich doch der dort herrschenden Verkehrsnot durch Erbauung einer Schnellbahn ein Ende zu machen, zu diesem Zwecke aber die Schwebebahn, nicht daß Projekt der AEG zu genehmigen, weil die Schwebebahn einen den Bedürfnissen der Bevölkerung mehr Rechnung tragenden billigeren Tarif versprochen habe." Da der Einwand des Magistrates, die Unternehmerin der Schwebebahn wolle sich auf den Zehnpfennigtarif nicht verpflichten, gegenstandslos geworden ist, da auch die Behauptung, d a ß enge Straßen diesen Entwurf hinderten, beseitigt ist, die anderen Bedenken aber schon an sich keiner sachlichen Prüfung standhalten, kann sich die Allgemeinheit mit der Vorlage des Magistrates nicht zufrieden geben. Darüber kann man nicht im Zweifel sein, wenn man auch nur die wesentlichsten Gesichtspunkte beider Entwürfe gegenüberstellt: auf der einen Seite Ersparnis von 60 Mill. M., sicherer Ertrag für Unternehmen und Gemeinde, Aussicht auf raschen Weiterbau und ein unerreicht billiger Tarif, auf der anderen Seite großes Wagnis der Stadt Berlin, teurerer Tarif, sicherer geldlicher Mißerfolg des Unternehmens, Gefahr späterer Tariferhöhung oder erzwungenen Erwerbes eines unwirtschaftlichen Unternehmens durch die Stadt und wahrscheinliches Stocken des Schnellbahnbaues oder erhöhte
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steuerliche Belastung. Das alles kennzeichnet eine wirtschaftliche Sachlage, die im Zusammenhange mit ihren sozialen Begleiterscheinungen zu bedeutsam ist, um bei recht unterrichteten Stadtverordneten ungewürdigt zu bleiben. Es muß daher gefordert werden, daß die Stadtverordnetenversammlung diese mangelhaft und unter der Suggestion des Untergrundbahngedankens vorbereitete Angelegenheit durch unabhängige Fachleute nachprüfen läßt, damit das Ergebnis erreicht wird, das den Interessen der Bevölkerung und Gemeinde am förderlichsten ist. Auch hat die Allgemeinheit Anspruch darauf, daß der Spruch der unparteiischen, sachkundigen Aufsichtsbehörde, bei der die Anbieterin, des langen Hinziehens müde, im Jahre 1909 das Ergänzungsverfahren beantragt hat, abgewartet wird. Schließlich hat auch die Unternehmerin der Schwebebahn dem Magistrat ein günstiges Anerbieten gemacht, den Bau für Rechnung der beteiligten Gemeinden gegen nur 4 Millionen M. Unternehmernutzen auszuführen. Dieses Angebot hat den Stadtverordneten nicht vorgelegen, und es fehlt der Nachweis, daß es nach Gebühr geprüft worden ist. Bei den mäßigen Anlagekosten der Schwebebahn würde der ganze Geldbedarf für ihre Herstellung weniger als die Summe betragen, für die die Stadt bei der Untergrundbahn zu haften hätte. Auch von der Betriebsführung könnte sich die Stadt durch ein Abkommen mit der Unternehmerin leicht entlasten. Sollte man nach gebührender Prüfung zu einer endgiltigen Ablehnung der Schwebebahn kommen, so liegt noch die dringliche Notwendigkeit vor, den vom Magistrate vorgelegten Vertragsentwurf für eine Untergrundbahn gründlichst nachzuprüfen, damit nicht wieder so schwere Fehler gemacht werden wie bei dem neuen Vertrage mit der Straßenbahn. Dieser Frage wird in besonderer Untersuchung nachzugehen sein.
M. K R A Y N , Verlagsbuchhandlung für Technische Literatur Berlin W . 5 7 , Kurfürstenstraße 11
In meinem. Verlage erschienen:
Schriften des Verbandes Deutscher Diplom-Ingenieure Ingenieurstudium und Verwaltungsreform Von w . Franz
Professor an der Technischen Hochschule zu Berlin
Preis
1,50
Mk.
Der Umschlagverkehr in Baumaterialien auf den Berliner Wasserstraßen und die Zweckmäßigkeit der Verwendung mechanischer Entladevorrichtungen für den Ziegeltransport Von ®r.