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German Pages [568] Year 2017
Die Rote Gefahr
Zeithistorische Studien Herausgegeben vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam Band 58
Nikolas Dörr
Die Rote Gefahr Der italienische Eurokommunismus als sicherheitspolitische Herausforderung für die USA und Westdeutschland 1969–1979
2017 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Der Druck dieses Buches wurde durch Zuschüsse der Axel Springer Stiftung, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam ermöglicht.
Nikolas Dörr, geb. 1979, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen. Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung einer Dissertation, die an der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam eingereicht und am 15. Oktober 2014 verteidigt wurde.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Das Foto wurde am 19. Juni 1976 aufgenommen. Es zeigt in der Bundesrepublik Deutschland lebende italienische „Gastarbeiter“, die als Anhänger des Partito Comunista Italiano auf dem Weg nach Italien sind, um an der Parlamentswahl am 20. Juni 1976 teilzunehmen. (© Werek/Süddeutsche Zeitung Photo)
© 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat und Satz: Waltraud Peters, Potsdam Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50742-8
Inhalt
1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7
Einleitung ................................................................................................................... 9 Problemstellung ....................................................................................................... 13 Methodik................................................................................................................... 21 Thesen........................................................................................................................ 31 Untersuchungszeitraum......................................................................................... 34 Forschungsstand ...................................................................................................... 35 Quellenlage ............................................................................................................... 44 Aufbau der Arbeit.................................................................................................... 46
2.
Der Eurokommunismus – Etymologie, Verbreitung und Definition ................................................................................................................. 49 Definitionsmerkmale des Eurokommunismus ................................................. 55 Typen des parteipolitischen Kommunismus in Westeuropa nach 1968 .... 58
2.1 2.2 3.
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.6 3.7
Die Entwicklung und Bedeutung des Eurokommunismus im
Partito Comunista Italiano ........................................................................ 61 Die Entstehung des Partito Comunista Italiano ............................................... 65 Der Marxismus Antonio Gramscis: der blocco storico als Vorläufer des compromesso storico .................................................................................................. 67 Die svolta di Salerno ................................................................................................ 69 Die Parlamentswahl vom 18. April 1948 ........................................................... 77 Das Konzept des policentrismo...................................................................... 79 Die Modernisierung Italiens, das wirtschaftliche Dilemma der 1970er Jahre und die daraus resultierenden Folgen für den PCI .................. 82 Der PCI und die Niederschlagung des „Prager Frühlings“............................. 91 Der compromesso storico .......................................................................................... 98 Der Wandel der Sicherheitspolitik im Zuge des Eurokommunismus und die zunehmende Europäisierung des PCI ................................................101 Die Haltung des PCI gegenüber der NATO...................................................107 Die Parlamentswahlen 1976 und die Regierung der solidarietà nazionale .114 Die Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas in Ost-Berlin................................................................................................................124
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Inhalt
4.
Ängste und Hoffnungen – Die Rezeption und Darstellung des italienischen Eurokommunismus als Chance und Gefahr in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika ..........................................................................................................131 Die Bedrohungsszenarien ....................................................................................132 Die Schwächung der NATO unter besonderer Berücksichtigung der Südflanke..........................................................................................................134 „NATO should not be like a salad bar […]“ – Nordatlantikpakt und Eurokommunismus in der bundesdeutschen und US-amerikanischen Wahrnehmung.......................................................................................................145 Der italienische Eurokommunismus als innere Gefährdung der NATO ..............................................................................................................150 Die Sowjetisierung des Mittelmeeres ................................................................155 Der portugiesische Weg als Negativbeispiel ....................................................157 Die „Finnlandisierung“ Italiens..........................................................................165 Der eurokommunistische Domino-Effekt.......................................................168 Die Hoffnungsszenarien ......................................................................................172 Die Wiedervereinigung der Arbeiterbewegung und die Sozialdemokratisierung des Kommunismus....................................................173 Die Spaltung der kommunistischen Bewegung Europas ..............................176 Die zona rossa und die ökonomische und politische Stabilisierung Italiens durch den PCI .........................................................................................178 Der Transfer reformkommunistischer Ideen nach Osteuropa....................181
4.1 4.1.1 4.1.2
4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 5.
5.1
5.2 5.3 5.3.1
5.3.2 5.3.3 5.3.4
Die Beziehungen zwischen SPD und PCI als eine Form der „Nebenaußenpolitik“ im Kalten Krieg ........................................................185 Die gegenseitige Wahrnehmung von italienischem Kommunismus und Bundesrepublik Deutschland von der Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre............................................................................................................187 Ein Exkurs: Der PCI und die DDR...................................................................195 Ostpolitik im Westen – Die Kontakte zwischen PCI und SPD.................200 „Wir trafen uns in einem der besten Restaurants von Rom und hielten keine proletarische Diät“ – Die Intensivierung der Kontakte in den 1970er Jahren .........................................................................................................231 „The non-communist left is divided and confused on the issue“ – Europäische Sozialdemokratie und italienischer Eurokommunismus.......237 Der Veto-Akteur Craxi – der PCI als Konkurrent in den internationalen Parteibeziehungen des PSI .....................................................250 Der Eurokommunismus in der politischen Auseinandersetzung der Bundesrepublik Deutschland.......................................................................257
Inhalt
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5.3.5 Kommunisten in der Regierung? Die Kontroverse um eine Regierungsbeteiligung des PCI in der Phase der solidarietà nazionale.......273 5.4 Die Beziehungen zwischen SPD und PCI – ein Zwischenfazit ..................288 6.
Der PCI in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA im Kalten Krieg ....................................................................................................293 6.1 Containment Policy unter neuen Vorzeichen – Die US-amerikanische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in Italien unter den Präsidenten Nixon und Ford ..............................................................................304 6.1.1 Die Parlamentswahl 1972 und die langsame Rückkehr des PCI in den Fokus der Außen- und Sicherheitspolitik der USA .......................................317 6.1.2 „Voi italiani siete al centro delle preoccupazioni americane“ – Die US-Regierung und der italienische Eurokommunismus im Vorfeld der Wahlen von 1976 ...........................................................................................323 6.1.3 Das Schlüsseljahr 1976 .........................................................................................339 6.2 „[…] potentially the gravest political problem we now have in Europe“ – Wandel und Kontinuität der Italienpolitik in der Regierung Carter ........364 6.3 Die Wende in der Eurokommunismusfrage 1977/1978..............................384 6.4 Die USA und der italienische Eurokommunismus – ein Zwischenfazit...395 7. 7.1 7.2
Epilog: Der PCI in den 1980er Jahren ............................................................401 Die Suche nach einer neuen Identität...............................................................402 Der Wandel des PCI hin zur Sozialdemokratie..............................................417
8.
Fazit ..........................................................................................................................431
Abkürzungen......................................................................................................................451 Quellen- und Literaturverzeichnis.................................................................................457 Archive.....................................................................................................................457 Filme.........................................................................................................................462 Audioquellen ..........................................................................................................463 Verzeichnis der verwendeten Zeitungen und Zeitschriften.........................463 Gedruckte Quellen................................................................................................467 Sekundärliteratur...................................................................................................474 Internet ....................................................................................................................523 Statistiken ...........................................................................................................................525 Chronik ...............................................................................................................................527
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Inhalt
Danksagung ........................................................................................................................545 Personenregister.................................................................................................................547 Abbildungen.......................................................................................................................559
1. Einleitung
Am 14. Juni 1976 prangte ein finster dreinblickender Enrico Berlinguer auf der Titelseite des US-amerikanischen NachrichtenmagazinsTime. Der Generalsekretär des Partito Comunista Italiano (PCI) schickte sich mit seiner Partei an, die italienischen Parlamentswahlen sechs Tage nach Erscheinen des Magazins zu gewinnen. Ein strategisch zentraler NATO- und EG-Mitgliedsstaat stand somit vor einer eurokommunistischen Regierungsbeteiligung oder im Extremfall gar vor einer Volksfrontregierung unter eurokommunistischer Führung. Knapp drei Wochen zuvor hatte sich auch der Spiegel als führendes Nachrichtenmagazin in der Bundesrepublik Deutschland dem Thema gewidmet und ebenfalls mit Berlinguer getitelt. Allerdings erschien der italienische Kommunistenführer auf der Titelseite des Spiegels nicht groß, dunkel und gefährlich wie auf dem Time-Cover, sondern nachdenklich, klein und etwas verunsichert angesichts der neuen Popularität seiner Person und Partei im In- und Ausland. Die verschiedenen Darstellungen wurden durch die Titel noch verstärkt. Während der Spiegel die Frage „Sieg der Kommunisten?“ stellte, warnte das Time Magazine mit dem Schriftzug „The Red Threat“ deutlich vor einer Regierungsbeteiligung der Kommunisten in Italien. (Siehe Abb. 1 und 2).1 Die Titelseiten von Spiegel und Time stehen exemplarisch für den Umgang mit dem Eurokommunismus in den westlichen Staaten während der 1970er Jahre. Auch wenn der Begriff in den zeitgenössischen Debatten schwammig blieb und sich keine einheitliche Definition durchsetzte, kristallisierten sich zwei Merkmale heraus, die kennzeichnend für eurokommunistische Parteien waren: 1.) eine von der Parteiführung und der Parteibasis mehrheitlich akzeptierte, langfristige Reformbewegung hin zu einem westlich-liberalen Demokratieverständnis und 2.) eine umfassende Kritik am sowjetkommunistischen Modell. Die im Zuge der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 verstärkte Kritik am Sowjetkommunismus in einigen westeuropäischen kommunistischen Parteien (KP) hatte den Auftakt für einen intensivierten Austausch unter diesen gebildet. Inwieweit diese Parteien nun eine Anerkennung westlich-demokratischer Standards nicht nur aus taktischem Interesse, sondern aus innerer Überzeugung verfolgten und ob diese Entwicklung als eine gemeinsame eurokommunistische Bewegung zu kennzeichnen war, bildete in den 1970er Jahren die Grundlage für eine massenhafte Ausei-
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Titelseite des Time Magazine vom 14. Juni 1976, Titelseite des Spiegel vom 24. Mai 1976.
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nandersetzung mit dem Thema. Für die einen stellte der Eurokommunismus eine massive Gefahr für die westliche Sicherheit dar, für andere eine Chance zur Demokratisierung des Kommunismus. Vor allem auf Seiten der Kritiker kam es dabei zur Herausbildung von apokalyptischen Szenarien, falls die italienischen Eurokommunisten in die Regierung einziehen würden. Die Hysterie um eine eurokommunistische Bedrohung verschloss dabei häufig den Blick für die in der Realität existierenden Wandlungsprozesse in westeuropäischen kommunistischen Parteien. Was denn tatsächlich dieser Eurokommunismus war, über den alle schrieben, blieb seinerzeit weitestgehend verborgen. Diese Studie zeigt, dass der Eurokommunismus sich diesen zeitgenössischen Debatten entzieht, wenn man ihn von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus analytisch betrachtet. Denn empirisch lassen sich mittel- und langfristig keine einheitliche eurokommunistische Bewegung und kein mit Moskau abgestimmtes Täuschungsmanöver nachweisen. Allerdings bedurfte es großer Kenntnis der verschiedenen kommunistischen Parteien und ihrer Traditionen, um die Nuancen zwischen ihnen erkennen zu können. Legt man die oben genannten Definitionsmerkmale zugrunde, dann bleiben neben dem Partito Comunista Italiano nicht mehr viele Parteien übrig, die diese Kriterien über einen längeren Zeitraum erfüllten. Die meisten kommunistischen Parteien Westeuropas lehnten den Eurokommunismus ab oder nutzten ihn lediglich taktisch für einen kurzen Zeitraum. In der Wahrnehmung vor allem konservativer Kritiker handelte es sich aber um eine abgestimmte Strategie. Die Geschichte des Eurokommunismus ist somit primär eine Geschichte seiner Wahrnehmung. Und diese Wahrnehmung war zeitgenössisch deutlich stärker politisch als wissenschaftlich geprägt. Während sich in Westeuropa positive und negative Perzeptionen des Eurokommunismus in etwa die Waage hielten, wurde er in den USA fast durchgängig abgelehnt. Dieser bereits anhand des Eingangsbeispiels dargestellte Unterschied ist der Ausgangspunkt für die Konzeption dieser Studie. Die Phase des Eurokommunismus wird in dieser Arbeit daher nicht im Rahmen einer nationalen Parteien- oder Ideologiegeschichte untersucht, sondern in ihren Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen im Kalten Krieg. Der Eurokommunismus wird als sicherheitspolitische Herausforderung definiert, die innerhalb des westlichen Bündnisses als Chance oder Gefahr wahrgenommen wurde. Als Fallbeispiel dient die mit großem Abstand stärkste Partei des Eurokommunismus: Der Partito Comunista Italiano, der mit bis zu 1,81 Millionen Mitgliedern (1977) und 34,4 Prozent der Wählerstimmen bei Parlamentswahlen (1976) die größte und einflussreichste kommunistische Partei in den westlichen Staaten darstellte. Das Ziel des PCI war seit 1973, im Rahmen der Strategie des compromesso storico (dt. historischer Kompromiss), eine Regierung mit den italienischen Christdemokraten zu bilden. In mehrfacher Hinsicht handelte es sich dabei um eine besondere Ausgangslage die hochgradig polarisierte, weil sie sich der
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klassischen Ost-West-Logik entzog: Eine im Nachkriegsitalien noch stark an der Sowjetunion orientierte kommunistische Massenpartei wollte sich in einem geostrategisch zentralen Mitgliedsstaat der NATO von Moskau lösen und infolge demokratischer Wahlen die Regierung übernehmen. Wie reagierte der Westen darauf? Sollte man den Kommunisten Glauben schenken und am Ende möglicherweise einem Trojanischen Pferd Moskaus Einlass in die Machtzirkel des Westens gestatten? Diese Arbeit zeigt auf, dass es in den Staaten des westlichen Bündnisses keine einheitliche Position gegenüber der eurokommunistischen Herausforderung in Italien gab. Die unterschiedliche Wahrnehmung des italienischen Eurokommunismus zeigte sich besonders stark im Falle der USA und der Bundesrepublik Deutschland. In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde die eurokommunistische Entwicklung, bis auf wenige Ausnahmen, auf der politischen Ebene als massive Bedrohung der westlichen Sicherheit perzipiert. Im Gegensatz hierzu stellte sich das Bild in Westdeutschland differenzierter dar. Während im christdemokratischen und christsozialen Milieu die Haltung der US-Regierung gegenüber den Eurokommunisten weitestgehend geteilt wurde und es bei den Liberalen weder zu einer ausgeprägten Befürwortung noch zu einer Ablehnung kam, war in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ein großes Interesse an den Entwicklungen der eurokommunistischen Parteien, vor allem der italienischen, zu verzeichnen. Die SPD geriet dadurch in eine schwierige Situation. Als Partei, die zwischen 1969 und 1982 den Bundeskanzler und, in einer Koalition mit der Freien Demokratischen Partei (FDP), die Bundesregierung stellte, musste die SPD-Führung in ihrer Haltung zum Eurokommunismus größte Vorsicht walten lassen. Die Aufnahme von Gesprächen mit der größten kommunistischen Partei des Westens von Seiten der Bundesregierung war im Kalten Krieg aus politischen Gründen unmöglich. Abgesehen davon, dass das Außenministerium zwischen 1969 und 1982 von Ministern geführt wurde, die der FDP entstammten und dadurch dem sozialdemokratischen Einfluss von vornherein Grenzen gesetzt waren, war die Gefahr einer innenpolitischen Instrumentalisierung solcher Kontakte durch die CDU/CSU-Opposition zu groß. Hinzu kamen die engen Beziehungen zur US-Regierung sowie die deutschen Bündnisverpflichtungen im Rahmen der NATO und die Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft, die eine entsprechende Kontaktaufnahme staatlicherseits verhinderten. Da die Kontakte zum PCI jedoch für die außen- und sicherheitspolitische Strategie der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung im Zuge der Neuen Ostpolitik einen Nutzen versprachen, entschied sich die SPD-Führung um Willy Brandt frühzeitig
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für die Etablierung einer inoffiziellen „Parteiaußenpolitik“ gegenüber den italienischen Kommunisten. Die sozialdemokratische „Nebenaußenpolitik“2 richtete sich dabei nicht gegen die Hauptaußenpolitik des Auswärtigen Amtes, sondern ergänzte und unterstützte diese, indem die italienischen Kommunisten beispielsweise Vorstellungen über die Neue Ostpolitik in die Hauptstädte der sozialistischen Staaten Osteuropas übermittelten. Diese Form der sozialdemokratischen „Nebenaußenpolitik“ stand im Untersuchungszeitraum die meiste Zeit über konträr zur staatlichen US-amerikanischen Außenpolitik, die direkte Gespräche mit PCIVertretern ablehnte und einen konfrontativen Kurs gegenüber dem italienischen Eurokommunismus verfolgte. Parteibeziehungen zum PCI wurden von USamerikanischer Seite weder von den Demokraten noch von den Republikanern eingeleitet. Am Beispiel des PCI lassen sich daher zwei gänzlich unterschiedliche außen- und sicherheitspolitische Strategien vergleichen und bewerten, die sich im Falle der anderen zum Eurokommunismus gezählten großen Parteien Parti Communiste Français (PCF) und Partido Comunista de España (PCE) nicht zeigten.3 Denn die französischen Kommunisten wurden, wie später dargestellt wird, von beiden Seiten auch in ihrer kurzen Reformphase nicht als verlässlicher Partner angesehen. Ein langfristiges Veränderungspotenzial des PCF wurde in den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik mehrheitlich verneint. Den spanischen Kommunisten wurde zwar Wandlungsfähigkeit attestiert, primäre Partner blieben in der post-francistischen Transitionsphase jedoch der sozialdemokratische Partido Socialista Obrero Español (PSOE) für die SPD bzw. die aus verschiedenen kon-
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Zum Begriff der „Nebenaußenpolitik“ siehe: Ulrich Lappenküper: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1990, München 2008, S. 112. In noch stärkerem Maße setzte die SPD-Führung das Mittel der „Nebenaußenpolitik“ in den 1980er Jahren gegenüber den regierenden kommunistischen Parteien in den sozialistischen Staaten Osteuropas ein. Vgl. Bernd Rother: Willy Brandts Außenpolitik. Grundlagen, Methoden und Formen, in: Ders. (Hrsg.): Willy Brandts Außenpolitik, Wiesbaden 2014, S. 335–357; ders./Wolfgang Schmidt: Einleitung. Gemeinsame Sicherheit. Internationale Beziehungen und deutsche Frage 1982–1992, in: Helga Grebing/Gregor Schöllgen/Heinrich August Winkler im Auftrag der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung (Hrsg.): Willy Brandt, Berliner Ausgabe, Band 10, Gemeinsame Sicherheit. Internationale Beziehungen und deutsche Frage 1982–1992, Uwe Mai/Bernd Rother/Wolfgang Schmidt (Bearbeiter), Bonn 2009, S. 30–35. Zur Entwicklung des Eurokommunismus im PCE siehe: Fritz René Allemann: Spaniens Linke – zurück aus dem Untergrund, in: Dieter Oberndörfer (Hrsg.): Sozialistische und kommunistische Parteien in Westeuropa, Band 1: Südländer, Opladen 1978, S. 200–231. Zur Entwicklung des Eurokommunismus im PCF siehe: Wolfgang Jäger: Die Sozialistische und die Kommunistische Partei Frankreichs, in: Ebenda, S. 35–55, 65–93.
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servativen, christdemokratischen, liberalen und zentristischen Parteien und Bewegungen entstandene Unión de Centro Democrático auf US-amerikanischer Seite. Es kam demnach nicht zu einer speziell auf den PCE zugeschnittenen außen- und sicherheitspolitischen Strategie. Im italienischen Fall gingen die Einschätzungen der eurokommunistischen Entwicklung zwischen den US-Regierungen und der SPD in den 1970er Jahren hingegen deutlich auseinander. Die Kontrastierung beider Strategien zeigt somit nicht nur die klassischen Konfliktlinien des Kalten Krieges auf, sie offenbart auch die in der historischen Forschung häufig unterbelichteten Divergenzen innerhalb des westlichen Bündnisses. Schließlich wird offenbar, dass sowohl die US-Regierungen als auch die SPD in ihrer Funktion als Regierungspartei in ihrer Politik gegenüber den italienischen Kommunisten nicht frei von äußeren und inneren Einflüssen agierten, sondern in hohem Maße mit nationalen und internationalen Akteuren verflochten waren. Internationale Allianzen wie die NATO oder die Sozialistische Internationale, Schwesterparteien wie die italienischen Sozialisten und Sozialdemokraten und Bündnispartner wie Frankreich und Großbritannien oder auch der Vatikan mussten beachtet werden. Auch die Innenpolitik wirkte auf die Außen- und Sicherheitspolitik in beiden Staaten zurück, so etwa die italoamerikanische Gemeinschaft in den USA oder die italienischen „Gastarbeiter“ in der Bundesrepublik. Darüber hinaus spielte das besondere Verhältnis der reformorientierten Westkommunisten zur Sowjetunion, der DDR und den anderen sozialistischen Staaten eine wichtige Rolle. Die Betrachtung des italienischen Eurokommunismus als Gegenstand der internationalen Beziehungen im Kalten Krieg ist demnach weitaus komplexer als dies in den bisherigen Arbeiten zum Thema dargestellt wurde. Gerade diese Sonderstellung verlangt nach Multiperspektivität und einer transnationalen Herangehensweise. Um diese komplexen Verflechtungen nachvollziehen zu können, waren Recherchen in 20 Archiven in sechs Staaten nötig. Auf diese Weise können nicht nur die politische Wahrnehmung und die Strategien im Umgang mit dem italienischen Eurokommunismus erklärt werden. Vielmehr können erstmals die vielfältigen internen und externen Verflechtungen in die Arbeit miteinbezogen werden.
1.1 Problemstellung Mit der Popularisierung des Begriffes im Jahr 1975 wurde der Eurokommunismus, insbesondere die erfolgreiche italienische Variante, innerhalb kürzester Zeit zu einem zentralen Thema der internationalen Politik. Regierungen, Parteien, Nachrichtendienste und staatliche Forschungsinstitute widmeten sich einer Analyse dieser Entwicklung im westeuropäischen Kommunismus. Fast durchgängig zählten diese Analysen neben dem PCI auch den Parti Communiste Français und
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den Partido Comunista de España zum Eurokommunismus – größtenteils ohne dabei die deutlichen Unterschiede zwischen diesen Parteien zu beachten. Was denn genau unter Eurokommunismus verstanden werden konnte, blieb dabei unklar. Die zum Eurokommunismus gezählten Parteien definierten den von außen in die kommunistische Bewegung hineingetragenen Begriff nicht und lieferten auch nur wenige gemeinsame Stellungnahmen. Die definitorische Offenheit des Konzepts trug jedoch maßgeblich zu seinem Erfolg bei. Je nach politischer Einstellung konnten Ängste oder Hoffnungen in den Eurokommunismus hineininterpretiert und dadurch auch instrumentalisiert werden. Von der bevorstehenden Sowjetisierung Westeuropas, die durch die Eurokommunisten eingeleitet werden würde, bis zur Demokratisierung der sozialistischen Diktaturen Osteuropas durch einen Transfer der eurokommunistischen Ideen reichten die westlichen Interpretationen. Vor allem in zwei der innenpolitisch am wenigsten vom Eurokommunismus betroffenen Staaten des Westens wurde der Begriff begierig aufgenommen und verwendet: in den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland. Offensichtlich bestand in beiden Staaten das Bedürfnis nach einem Begriff, der als Referenzpunkt für vorhandene Ängste und Hoffnungen im Kalten Krieg dienen konnte. Auf der parteipolitischen Ebene waren in den 1970er Jahren in beiden Staaten hingegen nur äußerst kleine kommunistische Parteien aktiv, die bei nationalen Wahlen nie mehr als 0,3 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnten. Darüber hinaus lehnten die Communist Party USA (CPUSA)4 und die Deutsche Kommunistische Partei (DKP)5 den Eurokommunismus vehement ab und verblieben somit im moskautreuen Lager. Selbst in den
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Zum Umgang der CPUSA mit dem Eurokommunismus siehe: Harvey Klehr: The Communist Experience in America. A Political and Social History, New Brunswick (New Jersey) 2010, S. 127. Die Initiierung eines eurokommunistischen Reformkurses in der DKP wurde vereinzelt betrieben, so etwa in den 1980er Jahren durch die Zeitschrift „Düsseldorfer Debatte“ oder auch durch Wolfgang Abendroth. Die Parteiführung um den DKP-Vorsitzenden Herbert Mies setzte jedoch konsequent einen sowjetfreundlichen Kurs durch und schloss wiederholt Anhänger einer eurokommunistischen Option aus der Partei aus. Vgl.: Uli Schöler: Wolfgang Abendroth und der „reale Sozialismus“. Ein Balanceakt, Berlin 2012, S. 156–161; Eckhard Jesse: Literaturführer Parlamentarische Demokratie, Opladen 1981, S. 241f. Zum Umgang der DKP mit dem Eurokommunismus siehe allgemein: Dietrich Staritz: Der „Eurokommunismus“ und die DKP, in: Bernhard Blanke (Hrsg.): Die Linke im Rechtsstaat, Band 2 – Bedingungen sozialistischer Politik 1965 bis heute, Berlin (West) 1979, S. 133– 154; Ulrike Borchardt: Die Haltung der DKP zum Eurokommunismus, in: Dieter S. Lutz (Hrsg.): Eurokommunismus und NATO. Zukunftsprobleme europäischer Sicherheit, Bonn 1979, S. 163–168.
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zahlreichen Subgruppen des kommunistischen und linkssozialistischen Milieus beider Staaten konnte sich der Eurokommunismus kaum durchsetzen. Vereinzelte Ansätze wie im Falle der von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) abhängigen Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW), wo sich eine eurokommunistisch orientierte Gruppe um die Zeitschrift „Die Klarheit“ sammelte, scheiterten innerhalb kürzester Zeit.6 Zwar wurde die Entwicklung des Eurokommunismus in den diversen westdeutschen7 und US-amerikanischen8 Gruppierungen des linken Spektrums wahrgenommen und auch diskutiert, einen parteipolitischen Durchbruch erlebte der Ansatz jedoch nicht. Die Entwicklung des Eurokommunismus erregte jedoch nicht nur das Interesse der Politik, sondern wurde zumindest in Westeuropa auch gesellschaftlich breit diskutiert. Vor allem in der Bundesrepublik Deutschland wurde die eurokommunistische Entwicklung mit großem Interesse verfolgt. ARD und ZDF zeigten Berichte über die Parteitage von PCI und PCF, den Feste de l'Unità9 und den kommunistischen Gipfeltref-
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Vgl. Thomas Klein: SEW – die Westberliner Einheitssozialisten. Eine „ostdeutsche“ Partei als Stachel im Fleische der „Frontstadt“?, Berlin 2009, S. 262–268; Olav Teichert: Die Sozialistische Einheitspartei Westberlins. Untersuchung der Steuerung der SEW durch die SED, Kassel 2011, S. 127ff.; „Krach In Honeckers Filiale. Durchbruch des Eurokommunismus in der SEW“ von Walter Osten, in: Vorwärts, 19.06.1980, S. 6. Insbesondere der vom ehemaligen MSB Spartakus-Vorstandsmitglied Christof Kievenheim 1976 initiierte Arbeitskreis Westeuropäische Arbeiterbewegung (AWA) und die Sozialistischen Studiengruppen (SOST) befassten sich bis Anfang der 1980er Jahre ausführlich mit dem Eurokommunismus. Vgl. hierzu exemplarisch: Arbeitskreis Westeuropäische Arbeiterbewegung (Hrsg.): Eurokommunismus und marxistische Theorie der Politik. Das Argument, Band 44, Berlin (West) 1979; Sozialistische Studiengruppen (SOST): Thesen zum Eurokommunismus, in: Beiträge zum wissenschaftlichen Sozialismus, Heft Nr. 21, 1/1979, S. 38–45; Christof Kievenheim: „Eurokommunismus“ und „realer Sozialismus“, in: SoPo, 9. Jahrgang, Nr. 2/1977, S. 100–107. Vgl. David Plotke: Eurocommunism and the American Left, in: Carl Boggs/David Plotke (Hrsg.): The Politics of Eurocommunism. Socialism in Transition, Montreal 1980, S. 396– 404 Vgl. Tagesschau – Jahresrückblick 1976: „Euro-Kommunisten auf Distanz zu Moskau“, in: http://www.tagesschau.de/jahresrueckblick/meldung220160.html (Abruf am 29.05.2014). Die Feste de l'Unità wurden von der Parteizeitung des PCI (l’Unità) in zahlreichen Kommunen und Regionen Italiens ausgerichtet. Auf nationaler Ebene stellte das Fest eine Massenveranstaltung dar, an der vor allem in den 1970er Jahren namhafte Künstler als Unterstützer des PCI auftraten. In Frankreich fand ebenfalls ein jährliches fête de l’Humanité der kommunistischen Parteizeitung statt.
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fen10. Um das öffentliche Informationsbedürfnis zu befriedigen, brachten die Landeszentralen für politische Bildung entsprechende Publikationen heraus.11 Politik- und Sozialwissenschaftler, Journalisten, Publizisten, Studierende, Mittler der historisch-politischen Bildung und sogar Kirchenvertreter arbeiteten sich an ihm ab. So gab beispielsweise der Evangelische Presseverband in Bayern im Juni 1979 in der Reihe „Brennende Fragen für Christen von heute“ eine vom Pfarrer und Theologen Wieland Zademach erstellte Monografie zum Eurokommunismus heraus.12 Gleiches galt für die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin13, die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle Mönchengladbach14 und den Europäischen Kartellverband Christlicher Studentenverbände.15 Kaum eine Tageszeitung kam Mitte bis Ende der 1970er Jahre eine Woche ohne Berichte über die neuesten Entwicklungen zum Thema aus. Werner Maibaum formulierte daher 1978 bezogen auf den Eurokommunismus: „Kaum ein bedeutender Leitartikler, der sich seitdem nicht in Einschätzungen und Prognosen versucht hätte.“16 Das Phänomen „Eurokommunismus“ erreichte sogar die Popkultur. Der Film Berlinguer ti voglio bene unter der Regie von Giuseppe Bertolucci, des jüngeren Bruders von Bernardo Bertolucci, mit dem späteren Oscar-Preisträger Roberto Benigni in der Hauptrol-
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Vgl. Karsten Krampitz: Für Freiheit und Demokratie. Der kurze Frühling des Eurokommunismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 61. Jahrgang, Nr. 7/2016, S. 117. So beispielsweise die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin: Rainer Holzer: Eurokommunismus – was ist das?, Berlin (West) 1978; und die bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit: Leopold Grünwald: Eurokommunismus, München 1981. Wieland Zademach: Eurokommunismus – Weg oder Irrweg. Auskunft über den gegenwärtigen Stand, München 1979. Siegfried Parche im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin West (Hrsg.): Eurokommunismus und der christlich-marxistische Dialog, Stuttgart 1979. Friedrich Graf von Westphalen: Eurokommunisten – Wölfe im Schafspelz?, Kirche und Gesellschaft Nr. 48, Köln 1978. Robert Prantner (Hrsg.): Eurokommunismus – eine Herausforderung. Symposium anlässlich der Journalistentagung 1978 des Europäischen Kartellverbands Christlicher Studentenverbände in Wien, Wien 1979. Werner Maibaum: Die Perzeption des „Eurokommunismus“ in der Bundesrepublik Deutschland, in: Liberal, Nr. 12/1978, S. 914.
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le, wurde zwar in der Bundesrepublik kaum rezipiert, erreichte aber bereits mit der Erstaufführung 1977 in Italien Kultstatus.17 Im Kalten Krieg stellte der Eurokommunismus in mehrfacher Hinsicht ein Kuriosum dar, das festgefügte Grenzen ins Wanken brachte. Zum einen war er als vermeintlich westlich-demokratischer Kommunismus eine ideologische Provokation des Sowjetkommunismus, die zeitweise zu einem eigenen Ost-West-Konflikt innerhalb der kommunistischen Bewegung Europas führte. Zum anderen überschritten die eurokommunistischen Reformer die Grenzen der Konferenz von Jalta. Italien galt als Teil der westlichen Einflusssphäre, was auch von Stalin in der direkten Nachkriegsphase, als eine kommunistische Machtübernahme in Italien infolge eines Bürgerkriegs durch tausende kampferprobte und bewaffnete Partisanen möglich schien, respektiert worden war. Mitte der 1970er Jahre standen nun die italienischen Kommunisten vor der Möglichkeit, legal infolge demokratischer Wahlen in die Regierung einziehen zu können. Schließlich stellte sich die Frage, wie genau ein westlicher, demokratisierter Kommunismus aussehen könnte. Hinzu kam, dass der Höhepunkt des Eurokommunismus Mitte bis Ende der 1970er Jahre mit einer Krise der NATO und einer generellen sicherheitspolitischen Verunsicherung des Westens im Kalten Krieg zusammenfiel. Der französische NATO-Austritt 1966, der Zypernkonflikt zwischen den beiden Mitgliedsstaaten Griechenland und Türkei, der schließlich den griechischen Austritt aus der militärischen Integration nach sich zog, der Dauerkonflikt zwischen Großbritannien und Spanien um Gibraltar, der erzwungene Abzug britischer Truppen von Malta, sowjetfreundliche Regime in den arabischen Mittelmeeranrainerstaaten und der Nahost-Konflikt schürten vor allem an der Südflanke des westlichen Verteidigungsbündnisses Ängste vor einem verstärktem Einfluss der Sowjetunion. Darüber hinaus herrschte weitgehende Unsicherheit über die politische Zukunft der postfaschistischen Transitionsstaaten Portugal, Spanien und Griechenland. Der potenzielle Einzug eurokommunistischer Parteien in die Regierungen südeuropäischer Staaten wurde daher als besondere Gefahr wahrgenommen. Kritiker des Eurokommunismus, so auch die US-Regierungen, sahen die entsprechenden Parteien als Teil eines Kommunismus, der weltweit auf dem Vormarsch schien. Tatsächlich änderte sich in den 1970er Jahren die geostrategische Weltlage nachhaltig. Auf allen Kontinenten schlossen sich, insbesondere kurz zuvor dekolonialisier-
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Berlinguer ti voglio bene, Italien 1977, Regie: Giuseppe Bertolucci. Siehe hierzu auch: Carlo Celli: The Divine Comic. The Cinema of Roberto Benigni, Lanham (Maryland) 2001, S. 23–31.
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te, Staaten dem Kommunismus an.18 Die meisten von ihnen wurden innerhalb kürzester Zeit abhängig von der Sowjetunion. Vor allem der Sieg Nordvietnams über die Vereinigten Staaten, der 1973 mit den Verträgen von Paris besiegelt wurde, wirkte sich auf die Mentalität des Westens im Allgemeinen und der USA im Besonderen aus. Der endgültige Verlust Angolas an die Kommunisten knapp zwei Jahre später schien zu bestätigen, dass die USA und ihre westlichen Verbündeten trotz eines hohen Ressourceneinsatzes einen militärischen Erfolg nicht mehr garantieren konnten. Hinzu kam die äußerst instabile Lage Italiens in den 1970er Jahren, die sich unter anderem durch einen massiven Links- und Rechtsterrorismus, das inneritalienische Nord-Süd-Gefälle, die Mafia-Problematik, hohe Inflationsraten, Wirtschafts- und Finanzprobleme und häufige Regierungswechsel auszeichnete. Aus Sicht der Kritiker war daher kein Platz für eurokommunistische Experimente in Westeuropa, das in den 1970er Jahren vor allem aus USamerikanischer Perspektive in enger Loyalität zur NATO und den Vereinigten Staaten stehen sollte. Insbesondere in der Amtszeit Henry Kissingers, der zwischen 1969 und 1977 erst das Amt des Nationalen Sicherheitsberaters des Präsidenten und anschließend das des US-Außenministers bekleidete, war der Kampf gegen den Eurokommunismus auch ein Widerstand gegen ein eigenständiges Westeuropa und gegen eine sich nach links öffnende Sozialdemokratie. Ein Eurokommunismus, der eine Zusammenarbeit der beiden jahrzehntelang verfeindeten Pfeiler der Arbeiterbewegung nicht mehr ausschloss, war für Washington noch gefährlicher, weil er die enge Anbindung der westeuropäischen Staaten an die USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gefährdete. Dies galt insbesondere für Italien, das seit der Befreiung vom Faschismus sehr enge Beziehungen zu den Vereinigten Staaten pflegte. Mitte der 1970er Jahre steuerte die Angst vor einem eurokommunistischen Europa auf den Höhepunkt zu. Die christdemokratische Minderheitsregierung in Italien war seit den Wahlen im Juni 1976 vom Stimmverhalten des PCI im Parlament abhängig, in Frankreich arbeiteten Kommunisten und Sozialisten an einem gemeinsamen Wahlsieg, in Portugal hatten die Kommunisten nach dem Ende der Diktatur eine dominante Stellung eingenommen und
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Alleine im dem Jahrfünft zwischen 1970 und 1975 wurden unter anderem Äthiopien, Benin, Guinea-Bissau, Kap Verde, die Republik Kongo, Libyen, Madagaskar, Mosambik, Sambia, São Tomé und Príncipe, Somalia in Afrika und der Irak, Kambodscha, Laos, Syrien und Vietnam auf dem asiatischen Kontinent zu sozialistischen Einparteienstaaten (teilweise mit einem Blockparteiensystem). Auch in Mittel- und Südamerika hatten kommunistische Parteien und Guerillabewegungen Zulauf. In Chile war der Sozialist Salvador Allende 1970 gar mit kommunistischer Unterstützung in einer demokratischen Abstimmung ins Präsidentenamt gewählt worden.
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auch in Spanien und Griechenland waren die gerade relegalisierten KPs äußerst aktiv. Als sich dann am 3. März 1977 mit Enrico Berlinguer (PCI), Santiago Carrillo (PCE) und Georges Marchais (PCF) die drei Protagonisten19 des Eurokommunismus öffentlichkeitswirksam in Madrid trafen, schien es offensichtlich: Der Eurokommunismus war anscheinend kein Märchen von Verschwörungstheoretikern, sondern Realität. Im Anklang an den Eröffnungssatz des 1848 erschienenen Manifests der Kommunistischen Partei20 von Karl Marx und Friedrich Engels konstatierte der bundesdeutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher knapp zwei Monate nach dem Treffen der drei kommunistischen Generalsekretäre: „Jetzt geht das Gespenst des Eurokommunismus um.“21 In den westlichen Staaten wurde nun, mehrheitlich von konservativer Seite, vor einer gemeinsamen Strategie der Westkommunisten gewarnt. Die eurokommunistischen Reformbemühungen sah man lediglich als eine raffinierte Taktik zur Machterreichung der in Wahrheit weiterhin sowjettreuen Parteien, wobei häufig das Bild vom Trojanischen Pferd verwendet wurde.22 Andererseits konnte man fragen, ob sich die Situation nicht anders darstellte und es der westeuropäische Kommunismus war, der von dem Gespenst der Sozialdemokratisierung heimgesucht wurde. Kevin Devlin, der sich im Auftrag von Radio Free Europe ausgiebig mit dem Eurokommunismus beschäftigte, verwies bereits 1968 in Anlehnung an den zitierten Satz des Kommunistischen Manifests auf den zentralen Theoretiker des Revisionismus: „There is a specter haunting Western European Communism; it is the specter of Eduard
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Zu den Biografien der drei Generalsekretäre siehe: Giuseppe Fiori: Vita di Enrico Berlinguer, 2. Aufl., Rom 2014; Paul Preston: The Last Stalinist. The Life of Santiago Carrillo, London 2014; Thomas Hofnung: Georges Marchais. L'inconnu du Parti communiste français, Paris 2001. „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.“ Hans-Dietrich Genscher zitiert in: Der Spiegel, Nr. 21, 16.05.1977, S. 150. So zum Beispiel von Rudolf Titzck (CDU), 1971–1979 Innenminister, 1979–1983 Finanzminister, 1983–1987 Landtagspräsident von Schleswig-Holstein, am 11. August 1977: „Laokoon, der trojanische Priester, warnte vergebens: Die Trojaner zogen das Pferd, in dessen hölzernem Bauch sich die tapfersten griechischen Krieger verbargen, als Weihegeschenk an die Göttin Athene in ihre Mauern. Als die griechischen Helden nachts das Tor der Stadt öffneten, war das Schicksal Trojas besiegelt. Arglosigkeit hatte der List Vorschub geleistet. Wer sich heute anschickt, die Mauern der freiheitlichen Demokratie zu zerbrechen, braucht sich nicht einmal mehr zu tarnen. Unter der Flagge des ‚Eurokommunismus‘ stehen Westeuropas Kommunisten bereit zum Einzug ins Europa-Parlament, äußerlich nicht mehr Revolutionäre mit Lederjacke, sondern Männer im Maßanzug. […] Ihr Ziel, der Vollzug der ‚kommunistischen Weltrevolution‘, hat sich nicht geändert.“ Rudolf Titzck zitiert in: Barbara Timmermann (Hrsg.): Dokumente zum Eurokommunismus, Frankfurt am Main, Berlin (West), München 1979, S. 106f.
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Bernstein.“23 Die Mehrheit der gemäßigten Linken Westeuropas war fasziniert vom Eurokommunismus. So hielt ihn der portugiesische Sozialistenchef Mário Soares seinerzeit für „die wichtigste ideologische Strömung, die in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg aufgetreten ist.“24 Viele Sozialdemokraten, Sozialisten und undogmatische Linke hofften auf die Entstehung eines demokratischen, von der Sowjetunion unabhängigen Kommunismus, der irgendwann vielleicht sogar die Wiedervereinigung der Arbeiterbewegung ermöglichen und für eine Demokratisierung Osteuropas sorgen könnte. Die zona rossa, die dauerhaft kommunistisch regierten Regionen Italiens, galt darüber hinaus vielen Linken als herausragender Beweis eurokommunistischer Regierungsfähigkeit, die auch auf nationaler Ebene zu einer Stabilisierung Italiens beitragen könne. Dementsprechend wirkte der Eurokommunismus im Westen, vor allem die durch den PCI vertretene Form, polarisierend. Auch in den Medien wurden entsprechende Darstellungen der eurokommunistischen Protagonisten aufgegriffen, wie die folgenden zwei Beispiele illustrieren. (Siehe Abb. 3 und 4).25 Marchais und Berlinguer streuen dem Volk Sand in die Augen. Im Hintergrund wütet Breschnew im Kreml gegen die Eurokommunisten. Der himmlische Lenin muss ihn mit den Worten beruhigen (so die Original Bildunterschrift): „Nicht doch, Leonid – das sind zwei ganz clevere Burschen …“. Zum Begriff der Außen- und Sicherheitspolitik Außen- und Sicherheitspolitik werden in dieser Arbeit als Einheit betrachtet. Dabei wird auf den erweiterten Begriff von Sicherheit rekurriert.26 Der PCI stellte zwar durchaus ein klassisches militärisches Sicherheitsproblem dar, indem eine Regierungsübernahme der Kommunistischen Partei Italiens ihr die Verfügungs-
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Kevin Devlin: Prospects of Communism in Western Europe, in: Richard Voyles Burks (Hrsg.): The Future of Communism in Europe, Detroit 1968, S. 21. Siehe hierzu auch: Kurt Marko: Ein Gespenst geht um … das Eurokommunistische Manifest, in: Deutsche Studien, 15. Jahrgang, September 1977, S. 215–232. Mário Soares zitiert in: Der Spiegel, Nr. 21, 16.05.1977, S. 150. „Trojanisches Pferd am Scheideweg“, Karikatur von Horst Haitzinger, abgedruckt in: Rainer Holzer: Eurokommunismus – was ist das?, Berlin (West) 1978, S. 5 (Original in: Die Welt, 18.04.1977). „Die Sandmännchen“, Karikatur von Hanns Erich Köhler, abgedruckt in: Ebenda, S. 32 (Original in: FAZ, 13.07.1977). Siehe zum Ansatz: Christopher Daase: Die Historisierung der Sicherheit. Anmerkungen zur historischen Sicherheitsforschung aus politikwissenschaftlicher Sicht, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, 38. Jahrgang, Nr. 3/2012, S. 387–405.
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gewalt über das Militär und vor allem Zugang zu den Machtzirkeln der NATO, so unter anderem auch der Nuklearen Planungsgruppe, gesichert hätte. Darüber hinaus stellten die italienischen Kommunisten in der Phase des Eurokommunismus jedoch auch eine politisch-kulturelle und ideologische Herausforderung dar. Die scheinbar sicheren Blockgrenzen wurden durch westlich-demokratische Kommunisten gefährdet. In weiten Teilen der politischen Elite beiderseits des Atlantiks galten demokratische Kommunisten in den 1970er Jahren als ein Oxymoron. Die von den italienischen Eurokommunisten verfolgte Auflösung dieses Gegensatzes verunsicherte im Westen und gefährdete daher auch seit Jahrzehnten festgefügte Mentalitäten. Mit Mitteln der klassischen Sicherheitspolitik konnte dem Zuspruch des PCI Mitte der 1970er Jahre in Italien nicht begegnet werden. Zwar wurden auf US-amerikanischer Seite eine militärische Intervention im Falle eines kommunistischen Wahlsiegs diskutiert und entsprechende Pläne auch erstellt, wichtiger waren jedoch Maßnahmen, die sicherheitspolitische Ziele verfolgten, aber unterhalb der Schwelle der klassischen Militärpolitik blieben. Hierzu zählte auf US-amerikanischer Seite insbesondere eine verstärkte Kulturdiplomatie, die unter anderem einen erhöhten Austausch von Studierenden, Wissenschaftlern und Nachwuchspolitikern zwischen Italien und den USA beinhaltete. Darüber hinaus wurde die sicherheitspolitische Dimension im Hinblick auf die Eindämmung des Eurokommunismus spätestens seit Mitte der 1970er Jahre auch in Politikfeldern wie beispielsweise Energie-, Umwelt- oder Agrarpolitik in den italoamerikanischen Beziehungen mitbedacht. Die deutschen Sozialdemokraten versuchten das Sicherheitsdilemma, das der italienische Eurokommunismus verursachte, hingegen durch die direkte Einbindung der PCI-Führung in gemeinsame Gespräche, Konferenzen und weitere Veranstaltungen zu erreichen. In diesem Sinne nutzten beide Seiten außenpolitische Instrumente, um sicherheitspolitischen Nutzen zu erzeugen.
1.2 Methodik Die Erforschung des Eurokommunismus leidet bisher an einer eingeschränkten Sichtweise. Es fehlt an Arbeiten, die einen multiperspektivischen und transnationalen Ansatz verfolgen. Wie bereits erwähnt, können außen- und sicherheitspolitische Strategien einzelner Akteure nicht losgelöst von den zahlreichen Verflechtungen analysiert werden. Ein solches Vorgehen bleibt, wie bereits mehrere Studien beweisen, unvollständig. Mit der Methodik der histoire croisée wird diese
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Forschungslücke in dieser Studie geschlossen.27 Der Ansatz eignet sich insbesondere für die Anwendung auf den Eurokommunismus, da dieser zeitgenössisch in hohem Maße transnationale Reaktionen hervorrief, die zu komplexen Verflechtungen und Transfers führten.28 Durch die Unsicherheit über die tatsächlichen Motive eurokommunistischer Parteien eignete sich der Begriff, wie bereits erwähnt, als Projektionsfläche für Ängste und Hoffnungen, die ebenfalls transnationale Wirkung entfalteten, so beispielsweise die Angst vor einem eurokommunistischen Domino-Effekt. Der Ansatz der histoire croisée ist insbesondere nützlich, um die multilaterale Aushandlung einer gemeinsamen Strategie gegenüber dem italienischen Eurokommunismus, wie sie beispielsweise auf dem G7-Treffen 1976 in Puerto Rico stattfand, zu untersuchen.29 Aber auch vermeintlich uni- oder bilaterale Entscheidungen können nicht, wie in den bereits vorliegenden Arbeiten geschehen, losgelöst von weiteren Verflechtungen analysiert werden.30 So löste der Kontakt der deutschen Sozialdemokraten zum PCI weitreichende Reaktionen aus, die wiederum die sozialdemokratische Strategie gegenüber dem italienischen Eurokommunismus beeinflussten. Beispielsweise wurde die Minderheit der Kritiker der Kontakte zum PCI in der SPD, so etwa Helmut Schmidt, von der britischen Labour-Regierung, Teilen der Sozialistischen Internationale und durch Bettino Craxi gestärkt, die sich gegen intensive Beziehungen zu den italienischen Kommunisten aussprachen. Auch die US-Regierungen und die NATO übten in dieser Frage partiell Druck auf die SPD aus. Innenpolitisch wurden die Kontakte zur größten kommunistischen Partei Westeuropas von CDU und CSU instrumentalisiert, die in ihrer Haltung zum italienischen Eurokommunismus wiederum vom Vatikan, den italienischen Christdemokraten, der Südtiroler Volkspartei und
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Zum Ansatz der Histoire croisée siehe: Michael Werner/Bénédicte Zimmermann: Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, 28. Jahrgang, Nr. 4/2002, S. 607–636; Matthias Middell: Kulturtransfer und transnationale Geschichte, in: Ders. (Hrsg.): Dimensionen der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte. Festschrift für Hannes Siegrist zum 60. Geburtstag, Leipzig 2007, S. 49–69. Zum Ansatz der transnationalen Geschichte siehe: Philipp Gassert, Transnationale Geschichte, Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 29.10.2012, URL: http://docupedia.de/zg/Transnationale_Geschichte_Version_2.0_Philipp_Gassert?oldid =106481 (Abruf am 02.05.2014). Das G7-Gipfeltreffen in Puerto Rico wird in den folgenden Abschnitten ausführlich erläutert. So etwa bei: Frédéric Heurtebize: Le péril rouge. Washington face à l'eurocommunisme, Paris 2014.
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international auch von den britischen Konservativen beeinflusst wurden. Die genannten Faktoren trugen maßgeblich dazu bei, dass die Beziehungen zum PCI von Seiten der SPD nie offiziell formalisiert wurden. Schließlich blenden die bisherigen Studien auch die Rolle ideologischer Transfers weitgehend aus. Die Betrachtung des italienischen Eurokommunismus als Gegenstand der internationalen Beziehungen im Kalten Krieg ist demnach weitaus komplexer als dies in den bisherigen Arbeiten zum Thema dargestellt wurde. Sowohl in den zeitgenössischen als auch in den aktuellen Publikationen zur Thematik wird die Haltung gegenüber den eurokommunistischen Parteien auf die politische Entscheidungsebene reduziert. Politische Kulturen und Sozialisationserfahrungen, symbolhafte Gesten und Handlungen, mit dem Eurokommunismus verbundene Ängste und Hoffnungen wurden bislang weitestgehend ausgeblendet. Dabei spielten gerade sozialpsychologische Entwicklungen zwischen den beteiligten Akteuren und kulturelle Prägungen eine zentrale Rolle in der Wahrnehmung und Bewertung des italienischen Eurokommunismus. Teilweise lassen sich die außen- und sicherheitspolitischen Strategien erst auf Basis dieser Faktoren verstehen und erklären. Methodisch ist daher eine umfassende Herangehensweise zentral, die kulturelle Einflüsse und die „Politisierung von Ängsten und Unsicherheitsempfindungen“31 einbezieht. Die jungen Forschungsfelder der Neuen Politikgeschichte und der Sicherheitsgeschichte liefern neue Forschungsansätze, um die Wahrnehmung des Eurokommunismus und die darauf aufbauende Politik umfassend erklären zu können. Autorinnen und Autoren wie Eckart Conze, Bernd Greiner, Ursula Lehmkuhl, Johannes Paulmann und Susanne Schattenberg haben hierzu innovative Beiträge geliefert.32 In dieser Arbeit werden daher die
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Vgl. Eckart Conze: Sicherheit als Kultur. Überlegungen zu einer „modernen Politikgeschichte“ der Bundesrepublik Deutschland, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 53. Jahrgang, Nr. 3/2005, S. 368. Ders.: Securitization. Gegenwartsdiagnose oder historischer Analyseansatz, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, 38. Jahrgang, Nr. 3/2012, S. 453–467; Bernd Greiner: Angst im Kalten Krieg. Bilanz und Ausblick, in: Ders./Christian Th. Müller/Dierk Walter (Hrsg.): Angst im Kalten Krieg, Hamburg 2009, S. 7–31; Ursula Lehmkuhl: Diplomatiegeschichte als internationale Kulturgeschichte. Theoretische Ansätze und empirische Forschung zwischen Historischer Kulturwissenschaft und Soziologischem Institutionalismus, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, 27. Jahrgang, Nr. 3/2001, S. 394–423; dies.: Entscheidungsprozesse in der internationalen Geschichte. Möglichkeiten und Grenzen einer kulturwissenschaftlichen Fundierung außenpolitischer Entscheidungsprozesse, in: Wilfried Loth/Jürgen Osterhammel (Hrsg.): Internationale Geschichte. Themen – Ergebnisse – Aussichten, München 2000, S. 187–207; Johannes Paulmann: Internationa-
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Ansätze der Neuen Politikgeschichte und historischen Sicherheitsforschung auf die Thematik angewendet.33 Bislang vernachlässigte Faktoren im Umgang mit dem Eurokommunismus in Italien wie Verflechtungen und ideologische Transfers, das Entstehen von Netzwerken, die Instrumentalisierung von Ängsten und Hoffnungen sowie die Bildung von Vertrauen oder Misstrauen zwischen den beteiligten Akteuren können auf diese Weise erstmals ausführlich untersucht werden. Dies gilt auch für die Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure in die Geschichte von Außen- und Sicherheitspolitik. Auf Basis prägender Faktoren wie der Sozialisation der entsprechenden Akteure und der vorherrschenden politischen Kultur lassen sich Prädispositionen erklären, die einen wichtigen Beitrag zur Übertragung des generellen Feindbilds „Kommunismus“ auf den italienischen Eurokommunismus im US-amerikanischen Fall und zu einer Öffnung gegenüber jenen Ansätzen bei deutschen So-
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ler Vergleich und interkultureller Transfer. Zwei Forschungsansätze zur europäischen Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, in: Historische Zeitschrift, 267. Band, Nr. 3/1998, S. 649–685; Susanne Schattenberg: Diplomatie als interkulturelle Kommunikation, in: Zeithistorische Forschungen, 8. Jahrgang, Nr. 3/2011, S. 457–462. Neben den in der vorigen Anmerkung genannten Werken siehe zum methodischen Ansatz auch: Patrick Bormann/Thomas Freiberger/Judith Michel (Hrsg.): Angst in den Internationalen Beziehungen, Göttingen 2010; Ragnhild Fiebig-von Hase/Ursula Lehmkuhl (Hrsg.): Enemy Images in American History, Providence 1997; Eckart Conze/Ulrich Lappenküper/Guido Müller (Hrsg.): Geschichte der internationalen Beziehungen. Erneuerung und Erweiterung einer historischen Disziplin, Köln 2004; Ute Frevert/Heinz-Gerhard Haupt (Hrsg.): Neue Politikgeschichte. Perspektiven einer historischen Politikforschung, Frankfurt am Main 2005; Friedrich Kießling: Der „Dialog der Taubstummen“ ist vorbei. Neue Ansätze in der Geschichte der internationalen Beziehungen des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Historische Zeitschrift, 275. Band, Nr. 3/2002, S. 651–680; Marcel van der Linden: Transnationale Arbeitergeschichte, in: Gunilla Budde/Sebastian Conrad/Oliver Janz (Hrsg.): Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien, Göttingen 2006, S. 265–274; Wilfried Loth: Angst und Vertrauensbildung, in: Jost Dülffer/Wilfried Loth (Hrsg.): Dimensionen internationaler Geschichte, München 2012, S. 29–46; Frank Ninkovich: Das Ende der Paradigmen. Die kulturgeschichtliche Wende und die Globalisierung der amerikanischen Diplomatiegeschichte, in: Manfred Berg/Philipp Gassert (Hrsg.): Deutschland und die USA in der Internationalen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Detlef Junker, Stuttgart 2004, S. 58–79; Georg Schild: Kommunisten-Phobie. Angst und Hysterie in den USA im Kalten Krieg, in: Birgit Aschmann (Hrsg.): Gefühl und Kalkül. Der Einfluß von Emotionen auf die Politik des 19. und 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2005, S. 86–100; Cornel Zwierlein: Sicherheitsgeschichte – ein neues Feld der Geschichtswissenschaften, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, 38. Jahrgang, Nr. 3/2012, S. 365–386.
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zialdemokratinnen und -demokraten geleistet haben. Für die grundsätzliche Frage, ob dem italienischen Eurokommunismus mit Vertrauen oder Misstrauen begegnet wurde, war insbesondere die Informationsgewinnung der Akteure zentral. Geschah diese primär über die Auswertung indirekter Informationen, so etwa über die Analyse von Publikationen, Medienberichten und die Gespräche mit Dritten, oder vor allem über die direkte Kommunikation? Die Studie zeigt, dass die USamerikanischen Akteure weitestgehend auf indirekte Informationen setzten, während die Strategie der deutschen Sozialdemokraten auf direkter Kommunikation basierte. Die unterschiedliche Informationsgewinnung beeinflusste maßgeblich die Wahrnehmung des PCI als Chance oder Gefahr. Um Gespräche mit den italienischen Eurokommunisten zu beginnen und somit die Basis für einen Vertrauensaufbau zu legen, war zuerst ein Vertrauensvorschuss nötig. Einen solchen Vorschuss bezeichnete Niklas Luhmann in seinem 1968 erschienenen Werk „Vertrauen – Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität“ als „riskante Vorleistung“, bei der das Risiko darin liegt, dass „der Schaden beim Vertrauensbruch größer sein kann als der Vorteil, der aus dem Vertrauenserweis gezogen wird.“34 Trotz der Gefahr eines Vertrauensbruchs ist die gegenseitige Bestätigung und Verstärkung des Vertrauensvorschusses nur durch Kommunikation möglich.35 Im Umkehrschluss kann, wie in zahlreichen kommunikationspsychologischen Experimenten nachgewiesen wurde, Vertrauensbildung bei einem Ausschluss von Kommunikation nicht stattfinden.36 Durch die Inkaufnahme des Risikos eines Vertrauensbruchs wird ein Vertrauensvorschuss gewährt, der sich mittel- und langfristig positiv auf die gegenseitigen Beziehungen auswirkt. Im Fall der Kontakte zwischen SPD und PCI bedeutete dies, dass mit fortschreitendem Vertrauen, die Partner gegenseitig berechenbarer wurden und sich Komplexität reduzierte, indem sie sich gegenseitig Verständnis für die jeweiligen Positionen entgegenbrachten.37 Eine Täuschung der sozialdemokratischen Gesprächspartner
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Niklas Luhmann: Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 2. Aufl., Stuttgart 1973, S. 23f. Vgl. James L. Loomis: Communication, the Development of Trust, and Cooperative Behaviour, in: Human Relations, Vol. 12, Nr. 4/1959, S. 305–315. In Loomis Experiment wurde nachgewiesen, dass Personen, die miteinander kommunizieren, eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen sich zu vertrauen und eine kooperative Beziehung aufzubauen. Vgl. Luhmann: Vertrauen, S. 46. Siehe hierzu auch den Ansatz von Pierre-Frédéric Weber zur Erklärung der Vertrauensbildung zwischen der bundesdeutschen und polnischen Regierung: Pierre-Frédéric Weber: Angst in der polnischen Deutschlandpolitik nach 1945. Realität, Instrumentalisie-
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durch die italienischen Kommunisten war somit bereits zu Beginn der 1970er Jahre unwahrscheinlich geworden. Die Erwartungssicherheit war dadurch signifikant erhöht.38 Im US-amerikanischen Fall gab es diesen Vertrauensvorschuss nicht, da das Risiko im Vergleich zum potenziellen Nutzen als zu groß eingeschätzt wurde. Der Wunsch der italienischen Kommunisten nach direkten Kontakten wurde von den US-Administrationen daher abgewiesen, was den Vertrauensaufbau zwischen beiden Akteuren unmöglich machte, denn „wer sich von vornherein als unansprechbar darstellt […] erwirbt kein Vertrauen, weil er keine Lern- und Prüfungsmöglichkeiten offeriert.“39 Durch den weitgehenden Ausschluss direkter Kommunikation entstand ein weiteres Problem für die USRegierungen der 1970er Jahre. Da der Misstrauende durch den Ausschluss der Kommunikation signifikant weniger Informationen über den Gegenüber zur Verfügung hat, wird er von dieser geringeren Informationsfülle stärker abhängig als der Vertrauende. Durch den Ausschluss direkter Kommunikation basiert die Abhängigkeit des Misstrauenden nicht nur auf weniger, sondern häufig auch auf qualitativ schlechterer Information, da beispielsweise Informationen durch Dritte bewusst oder unbewusst verfälscht weitergegeben werden. Zusätzlich entsprach ein grundsätzliches Misstrauen in der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik dem dort seinerzeit vorherrschenden Theoriemodell internationaler Politik. Die Theorie des klassischen Realismus geht von einer Anarchie im internationalen System aus, die zur Unsicherheit über das künftige Verhalten der Akteure führt.40 Diese Unberechenbarkeit verlangt nach grundsätzlichem Misstrauen in den Außenbeziehungen. Der Logik des si vis pacem para bellum folgend, muss ständig mit dem schlimmstmöglichen Verhalten der Akteure gerechnet werden. Logische Folge ist eine konfrontative Strategie in der Außen- und Sicherheitspolitik, die Risiken weitestgehend vermeidet. Die unterschiedlichen Haltungen der zentralen Akteure in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und den US-Regierungen der 1970er Jahre gegenüber dem italienischen Eurokommunismus lassen sich also nicht alleine durch kurzfris-
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rung, Nebenwirkungen auf dem Weg zum Abbau, in: Bormann/Freiberger/Michel (Hrsg.): Angst, S. 142–146. Zum Zusammenhang zwischen Erwartungssicherheit und Vertrauen siehe: Jörg Baberowski: Erwartungssicherheit und Vertrauen. Warum manche Ordnungen stabil sind, und andere nicht, in: Ders. (Hrsg.): Was ist Vertrauen? Ein interdisziplinäres Gespräch, Frankfurt am Main, New York 2014, S. 7–29. Luhmann: Vertrauen, S. 68. Siehe hierzu das Grundlagenwerk des klassischen Realismus: Hans Joachim Morgenthau: Politics Among Nations. The Struggle for Power and Peace, New York 1948.
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tige, politische Erwägungen erklären. Die Handlungsentscheidungen der Akteure im Umgang mit dem italienischen Eurokommunismus basierten vielmehr auf drei zentralen Faktoren: der Politischen Kultur, der politischen Sozialisation der Akteure und der zugrundeliegenden außen- und sicherheitspolitischen Strategie. Politische Kultur Politische Kultur bezeichnet im wissenschaftlichen Sprachgebrauch die Gesamtheit der grundlegenden politischen Meinungen, Einstellungen und Werte einer Gemeinschaft.41 Für die vorliegende Studie ist die Wirkung der entsprechenden politischen Kulturen auf die außen- und sicherheitspolitischen Wahrnehmungen, Analysen und Entscheidungen gegenüber dem italienischen Eurokommunismus zentral. Die Hochphase des Eurokommunismus fiel in eine Zeit der tiefen Verunsicherung der US-amerikanischen Politik und Gesellschaft. Die als traumatisch empfundene Niederlage im Vietnamkrieg, der Watergate-Skandal oder auch die im späteren Verlauf dieser Arbeit ausführlich thematisierten Offenbarungen von nachrichtendienstlichen Operationen durch das Church- und das Pike-Committee sind hierbei zu nennen. Hinzu kam eine tiefsitzende Furcht vor kommunistischer Täuschung und Unterwanderung in den USA. Die Politik gegenüber dem PCI muss daher vor dem Hintergrund eines „anti-Communist organizing principle of American foreign policy“42 gesehen werden. Einer offenen Haltung gegenüber dem eurokommunistischen Experiment in Italien waren daher in den republikanischen Administrationen der Präsidenten Richard Nixon (1969–1974) und Gerald Ford (1974–1977) und auch der Regierung des Demokraten James Earl („Jimmy“) Carter (1977–1981) von vornherein Grenzen gesetzt. Während im US-amerikanischen Fall auch knapp zwanzig Jahre nach Ende der McCarthyÄra der Antikommunismus einen zentralen Einfluss hatte, gab es in der Bundesrepublik Deutschland in der Post-68er-Phase ein größeres gesellschaftliches und politisches Interesse am westeuropäischen Kommunismus. Neben der geografischen Nähe lag dies auch an einer stärkeren Rezeption der entsprechenden Kulturen, die sich unter anderem durch Urlaube vor Ort oder auch durch den Konsum von Literatur und Filmen, etwa der Don Camillo und Peppone-Filmreihe, äußerte. Insbesondere in den Kreisen der Neuen Linken und im sozialdemokratischen Milieu stieß der Eurokommunismus auf großes Interesse. In diesem Zusammen-
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Vgl. Christian Fenner: Politische Kultur, in: Dieter Nohlen (Hrsg.): Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1996, S. 565. Elizabeth D. Sherwood: American Foreign Policy towards West European Communism. The Italian and French Cases, Santa Monica 1983, S. 1.
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hang ist es wichtig darauf zu verweisen, dass es in den Vereinigten Staaten im Gegensatz zur Bundesrepublik keine sozialdemokratische Massenpartei gab. Die kleinen Gruppen des demokratisch-sozialistischen Milieus in den USA43 konnten keine vergleichbare außen- und sicherheitspolitische Wirkung wie die SPD entfalten, die im Untersuchungszeitraum bis zu einer Million Mitglieder umfasste und in ein breites internationales Netzwerk integriert war. Dies hatte zur Folge, dass dem westeuropäischen Kommunismus in der bundesdeutschen Debatte eine Wandlungsfähigkeit nicht wie im US-amerikanischen Fall von vornherein abgesprochen wurde. Erst auf dieser Basis konnten sich im Rahmen der Kontakte zur SPD Gesprächskanäle mit dem Partito Comunista Italiano entwickeln, die dann zu einer gemeinsamen Vertrauensbasis führten und somit wiederum die Grundlage für einen intensiveren Austausch bereiteten. In den Vereinigten Staaten gelang es – trotz massivem Informationsbedarfs – nicht, einen adäquaten Gedankenaustausch mit den italienischen Kommunisten zu institutionalisieren. Politische Sozialisation Die individuelle Aneignung von politischen Kenntnissen, Fähigkeiten, Einstellungen und Werten innerhalb einer Gemeinschaft wird als „politische Sozialisation“ bezeichnet.44 Die vorliegende Arbeit geht von der Annahme aus, dass sich die unterschiedlichen Sozialisationserfahrungen der US-amerikanischen und bundesdeutschen Akteure grundlegend auf das Verhalten gegenüber dem italienischen Eurokommunismus auswirkten. Das tatsächliche Erleben von Kommunisten im gemeinsamen Widerstand gegen Nationalsozialismus und Faschismus, aber auch im Spanischen Bürgerkrieg war auf Seiten der deutschen Sozialdemokraten in vielen Fällen gegeben. In den USA hatten hingegen die wenigsten Akteure direkt mit Kommunisten zusammengearbeitet. Ein Großteil der in den 1970er Jahren maßgeblichen Mitarbeiter im State Department, dem Pentagon, in der Central Intelligence Agency (CIA) und im National Security Council (NSC) war während der McCarthy-Jahre politisch im Sinne eines strikten Antikommunismus sozialisiert worden und übertrug dieses Feindbild auch auf den italienischen Eurokommunismus. Diese spezifischen Sozialisationserfahrungen führten zu deutlichen Unterschieden zwischen der Wahrnehmung des italienischen Eurokommunismus
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Hierzu zählten Mitte der 1970er Jahre vor allem die Social Democrats USA, Socialist Party USA, Democratic Socialist Organizing Committee und New American Movement. Vgl. Ulrich Meyer: Politische Sozialisation, in: Uwe Andersen/Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 5. aktual. Aufl., Opladen 2003, online: http://www.bpb.de/wissen/ 09083461160689165296602950396651,0,0,Politische_Sozialisation.html (Abruf am 09.03.2014).
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in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten. Daraus folgt die Annahme, dass „Kommunismus“ in den USA auch in der Phase des Eurokommunismus nicht als außen- und sicherheitspolitische Analysekategorie verwendet werden konnte, sondern direkt als pejorativ besetzter Kampfbegriff perzipiert, abgelehnt und bekämpft wurde. Der Eurokommunismus, vor allem die erfolgreiche italienische Variante, provozierte auf US-amerikanischer Seite Urängste vor einem doktrinären Stalinismus, die einer rationalen Grundlage zwar entbehrten, als sozialpsychologischer Faktor jedoch Wirkung entfalten konnten.45 Folge hiervon war ein Pauschalisierungsimpuls gegenüber dem Eurokommunismus, wie er sich bereits während der McCarthy-Ära in den 1950er Jahren gezeigt hatte.46 Anderslautende Ansätze wie beispielsweise die Kritik von Präsident Carters Außenminister Cyrus Vance an einer „inordinate fear of communism“47 konnten sich in der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik langfristig nicht durchsetzen. Auf Seite der deutschen Sozialdemokraten führte die Erfahrung des direkten Kontakts zu Kommunisten hingegen zu einer Grundlage für die Gespräche mit dem PCI, da beide Seiten Theorie, Geschichte und Habitus des Gegenübers aus praktischer Erfahrung kannten. Nicht selten konnten dabei beide Seiten auf konkrete gemeinsame Erfahrungen zurückblicken, so beispielsweise PCI-Generalsekretär Luigi Longo, der mit dem in der SPD für die Kontakte zu den italienischen Kommunisten zuständigen Leo Bauer während des Zweiten Weltkriegs gemeinsam interniert gewesen war. Diese Gemeinsamkeiten und das Verständnis füreinander erzeugten im Sinne Luhmanns einen Vertrauensvorschuss, der komplexreduzierend wirkte und die ausführliche Informationsgewinnung durch Gespräche ermöglichte.48 Selbstverständlich führten die negativen Erfahrungen deutscher Sozialdemokraten, die von der Sozialfaschismusthese, dem Hitler-StalinPakt über die inneren Konflikte in den internationalen Brigaden während des Spanischen Bürgerkriegs bis zu den Verfolgungen in der SBZ/DDR gereicht hatten, zu äußerster Vorsicht im Umgang. Eine generelle und grundlegende Ablehnung von Kontakten fand auf Basis der politischen Sozialisation jedoch nicht statt.
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Siehe hierzu auch den Ansatz von Wilfried Loth: Loth: Angst und Vertrauensbildung, S. 29–46. Vgl. Michael J. Heale: American Anti-Communism. Combating the Enemy Within, 1830–1970, Baltimore, London 1990, S. 167–190. Breck Walker: Vance, Cyrus, in: Ruud van Dijk (Hrsg.): Encyclopedia of the Cold War, Band 1, New York 2008, S. 937. Vgl. Luhmann: Vertrauen, S. 23–32.
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Außen- und sicherheitspolitische Strategie Die außen- und sicherheitspolitischen Strategien sowie deren theoretische Vorannahmen beeinflussten Perzeption und Analyse des italienischen Eurokommunismus in hohem Maße. Henry A. Kissinger mit seiner auf der Theorie des klassischen Realismus basierenden Balance-of-Power-Politik und Zbigniew K. Brzezinski als einer der wichtigsten Totalitarismustheoretiker49 ordneten als Nationale Sicherheitsberater der Präsidenten Nixon, Ford und Carter den italienischen Eurokommunismus offensichtlich auch im Hinblick auf seine Bedeutung für die internationale Politik anders ein als die sozialdemokratischen Akteure in der Bundesrepublik. Im Zuge der Neuen Ostpolitik orientierten sich diese auch im Kontakt mit dem PCI an dem 1963 von Egon Bahr geprägten Credo „Wandel durch Annäherung“, während im US-amerikanischen Fall ein eurokommunistischer Wandel des PCI entweder als Täuschungsmanöver oder als Gefahr für das internationale Gleichgewicht von vornherein abgelehnt wurde. Diese theoretischen Grundannahmen wurden auch durch die entsprechenden Think Tanks widergespiegelt, die in beiden Staaten, so vor allem die RAND Corporation für die USRegierung und das Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien (BIOst) für die Bundesregierung, einen großen Einfluss auf die Haltungen zum italienischen Eurokommunismus ausübten. Darüber hinaus ordneten beide Seiten den italienischen Eurokommunismus geopolitisch unterschiedlich ein. Für die US-Regierungen war Italien primär ein strategisch wichtiger Mitgliedsstaat des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses. Der PCI wurde in seiner Politik somit an den Folgen für die Weltpolitik gemessen. Für die bundesdeutschen Sozialdemokraten war der Maßstab hingegen die deutsche Teilung, die Verbesserung der Kontakte zu den sozialistischen Staaten in Osteuropa und eine Stärkung Westeuropas. Ein weiterer zentraler Unterschied bestand schließlich darin, dass der italienische Eurokommunismus für die SPD eine ideologische Herausforderung darstellte und eine entsprechende Auseinandersetzung nötig machte, während die ideologische Komponente des Eurokommunismus auf USamerikanischer Seite nur in geringem Maße Interesse hervorrief und daher zwischen den verschiedenen Formen des europäischen Kommunismus kaum differenziert wurde.
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Vgl. Carl J. Friedrich/Zbigniew K. Brzezinski: Totalitarian Dictatorship and Autocracy, Cambridge (Massachusetts) 1965.
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1.3 Thesen Auf Basis der soeben skizzierten Grundannahmen lassen sich folgende neun Thesen aufstellen, die in der vorliegenden Studie untersucht werden: 1. Der Eurokommunismus war keine genuin kommunistische Konzeption. Der Begriff wurde von außen in die kommunistische Bewegung hineingetragen und erlangte Mitte bis Ende der 1970er Jahre erst durch seine positiven und negativen Zuschreibungen eine derart hohe Wirkmächtigkeit.50 Die Gemeinsamkeiten der als eurokommunistisch titulierten Parteien wurden extern, primär von Vertretern westlicher Politik und Medien, überschätzt. Zwar kam es zeitweise zu einer Übernahme des Begriffs in der kommunistischen Bewegung und in wenigen Fällen, insbesondere auf der Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien Europas in Ost-Berlin 1976, zu einem abgestimmten Vorgehen der entsprechenden Parteien. Die meiste Zeit über blieben die Strategien der Parteien, so vor allem der compromesso storico des PCI oder die union de la gauche des PCF, jedoch national orientiert. 2. Der Eurokommunismus eignete sich durch seine Ungenauigkeit als Projektionsfläche im Kalten Krieg und konnte von außen mit positiven oder negativen Erwartungen verknüpft werden. Dadurch wurde der Begriff hochgradig politisiert und emotionalisiert. Eurokommunismus wurde daher zeitgenössisch primär als politischer Kampfbegriff und nicht als wissenschaftlich definierter Analysebegriff verwendet. Es müssen daher zwei Eurokommunismus-Begriffe unterschieden werden: Zum einen existiert der in den 1970er und frühen 1980er Jahren wirkungsmächtige, von außen konstruierte und dann zeitweise auch in der kommunistischen Bewegung übernommene Begriff des Eurokommunismus. Zum anderen kann Eurokommunismus als wissenschaftliche Analysekategorie für einen bestimmten Typus von reformorientierten kommunistischen Parteien verwendet werden. Denn auch wenn es in der Realität keine mittel- oder langfristig angelegte gemeinsame Strategie der eurokommunistischen Parteien gab, kam es doch in
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PCE-Generalsekretär Santiago Carrillo kritisierte beispielsweise den Begriff auf der Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien Europas in Ost-Berlin 1976 explizit: „In letzter Zeit wurde in uns fernstehenden Kreisen von ‚Eurokommunismus‘ gesprochen. Der Terminus ist sehr unglücklich gewählt; es gibt keinen Eurokommunismus, weil nichteuropäische kommunistische Parteien, wie die japanische, nicht unter diesen Begriff eingeordnet werden können.“ Santiago Carrillo zitiert in: François Bondy: Eurokommunismus – das Wort und die Sache, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Nr. 11/1977, S. 1031.
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einigen westlichen kommunistischen Parteien zeitgleich zu ähnlichen Entwicklungen die unter dem Begriff Eurokommunismus subsumiert werden können. 3. Als größte Partei des Eurokommunismus stellte der PCI eine besondere Herausforderung für den Westen dar. Dies galt vor dem Hintergrund der hohen strategischen Wertigkeit Italiens insbesondere im Bereich der Sicherheitspolitik. Diese Herausforderung wurde unterschiedlich beantwortet. In der Bundesrepublik perzipierte die Führung der SPD, die in Form einer Nebenaußenpolitik seit 1967 Kontakte zum PCI unterhielt, den Wandlungsprozess der italienischen Kommunisten im Zuge des Eurokommunismus als Chance und etablierte eine kooperative Strategie im Umgang mit ihm. Die US-Regierungen Nixon, Ford und mit Einschränkungen auch Carter nahmen diese Entwicklung hingegen als massive Bedrohung der westlichen Sicherheit wahr und implementierten eine entsprechend konfrontative Strategie zur Verhinderung einer kommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien. 4. Die Wahrnehmung des italienischen Eurokommunismus wurde maßgeblich durch die Informationsgewinnung beeinflusst. Diese geschah in den USRegierungen fast ausnahmslos indirekt über Konkurrenzparteien, den Vatikan und die Auswertung des Schriftguts, während im Falle der SPD direkte und indirekte Informationen kombiniert wurden. Neben kulturellen und geografischen Faktoren spielten im Falle der Beziehungen von SPD und PCI vor allem die gemeinsame Herkunft aus der Arbeiterbewegung und der antifaschistische Widerstand für die beteiligten Akteure eine zentrale Rolle. Darüber hinaus arbeiteten Wissenschaft und Politik im deutschen Fall eng zusammen, während die USRegierungen nur in geringem Maße einen solchen Austausch suchten. 5. Die Ablehnung des italienischen Eurokommunismus war in den USA deutlich stärker gesellschaftlich determiniert als in der Bundesrepublik. Der Höhepunkt des italienischen Eurokommunismus (1976/77) fiel mit einer Krisenphase der NATO und einer massiven innen- und außenpolitischen Verunsicherung der US-amerikanischen Gesellschaft im Zuge des Watergate-Skandals und des verlorenen Vietnamkriegs zusammen. Zusätzlich wirkten dort langfristige Mentalitäten, die einen tief verwurzelten Antikommunismus beinhalteten. 6. Während die Beziehungen der SPD zum PCI dem Konzept „Wandel durch Annäherung“ entsprachen, ist die Politik der US-Regierungen gegenüber dem italienischen Eurokommunismus als Weiterführung der Containment-Politik der Nachkriegszeit zu charakterisieren. Die Strategien im Umgang mit dem italienischen Eurokommunismus fügten sich entsprechend in ein wiederkehrendes Muster der Außen- und Sicherheitspolitik beider Akteure ein. 7. Der Eurokommunismus, definiert als sowjetkritischer Kommunismus mit Orientierung am westlich-demokratischen Parteienmodell, stellte eine Reaktion auf die Schwächung des Kommunismus in westlichen Staaten nach der Nieder-
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schlagung des „Prager Frühlings“ 1968 dar. Gleichzeitig ist er als Antwort auf die Herausforderung der westeuropäischen Sozialdemokratie zu verstehen, die im „sozialdemokratischen Jahrzehnt“51 der 1970er Jahre zumindest auf parteipolitischer Ebene den Kommunismus ins Abseits drängte und in allen Staaten Westeuropas – mit Ausnahme Italiens, San Marinos und Zyperns – zur stärksten Partei in der Linken aufstieg.52 Im Rahmen des Parteienwettbewerbs um Wählerstimmen und Mitglieder kam es zu einer Orientierung an den erfolgreicheren sozialdemokratischen Parteien und somit zu einer Aufweichung doktrinärer Positionen.53 Die unter dem Oberbegriff „Eurokommunismus“ zusammengefassten Reformen in den 1970er Jahren müssen daher als Reaktion auf den Niedergang der kommunistischen Ideologie verstanden werden, die eine langfristig angelegte Transformation des PCI ermöglichten.54 8. Die Haltungen gegenüber dem italienischen Eurokommunismus hatten Rückwirkungen auf den PCI. So kam es im Zuge des Kontakts zwischen SPD und italienischen Kommunisten zu einem Transfer von sozialdemokratischen Vorstellungen über Politik, während im US-amerikanischen Fall durch den Eindruck einer sich in die Innenpolitik eines souveränen Staates einmischenden Supermacht
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Vgl. Bernd Faulenbach: Das sozialdemokratische Jahrzehnt. Von der Reformeuphorie zur neuen Unübersichtlichkeit. Die SPD 1969–1982, Bonn 2011. In Finnland lag das kommunistisch dominierte Wahlbündnis SKDL in den vier Parlamentswahlen der 1970er Jahre (1970, 1972, 1975, 1979) nur jeweils knapp hinter den Sozialdemokraten. Zumindest der Partito Comunista Italiano zeigte dabei im Zuge des Eurokommunismus Ansätze des „catch-all-Party“-Konzepts von Otto Kirchheimer. Vgl. Otto Kirchheimer: Der Wandel des westeuropäischen Parteisystems, in: Politische Vierteljahresschrift, 6. Jahrgang, Nr. 1/1965, S. 20–41. Harald Neubert ist daher zuzustimmen, wenn er postuliert: „De facto handelte es sich um die Ausdrucksform einer tiefen, seit langem herangereiften Krise dieser Bewegung im Ganzen, eines als notwendig begriffenen Erneuerungsstrebens der sich zum E[urokommunismus, d. Verf.] bekennenden Parteien, d. h. um deren Suche nach einem Ausweg aus der Krise und nach einer erfolgversprechenden Politik. In der Konsequenz wirkte der E[urokommunismus, d. Verf.] jedoch wegen des Unvermögens der ikB [internationalen kommunistischen Bewegung, d. Verf.], sich zu erneuern, als Ferment ihrer weiteren Erosion und ihres schließlichen Zerfalls.“ Harald Neubert: Eurokommunismus, in: Wolfgang Fritz Haug (Hrsg.): Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Band 3, Ebene bis Extremismus, Hamburg 1997, S. 980. Siehe hierzu auch: Harald Neubert: Der sogenannte Eurokommunismus. Ein widersprüchliches Phänomen von Krise, Erneuerungsstreben und Erosion der kommunistischen Bewegung, in: Gerd Laudel/ Wolfgang Scheler (Hrsg.): Linkes Denken im 20. Jahrhundert. Eine Auswahl. Teil IV, Leipzig 2002, S. 66–81.
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ungewollt die gegen die eurokommunistischen Reformen gerichteten VetoAkteure im PCI gestärkt wurden. 9. Die Außen- und Sicherheitspolitiken der USA und der Bundesrepublik gegenüber dem Eurokommunismus können nicht losgelöst von weiteren Akteuren der nationalen und internationalen Politik betrachtet werden. Starke Verflechtungen existierten im US-amerikanischen Fall vor allem mit der NATO, der Democrazia Cristiana (DC) und dem Vatikan und im Fall der SPD insbesondere mit dem Partito Socialista Italiano (PSI) und der Sozialistischen Internationale (SI). Weitere internationale Akteure wie die Regierungen von Frankreich und Großbritannien im Westen, der Spezialfall Jugoslawien oder die Führungen der Sowjetunion bzw. KPdSU und der DDR bzw. SED im Osten müssen ebenso in ihrem Einfluss auf den italienischen Eurokommunismus beachtet werden.
1.4 Untersuchungszeitraum Von der direkten Nachkriegszeit bis Ende der 1960er Jahre lässt sich keine grundlegende Divergenz zwischen der US-amerikanischen und der bundesdeutschen Italienpolitik feststellen. Beide Staaten verfolgten in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik eine Unterstützung der Democrazia Cristiana und eine Zurückdrängung des kommunistischen Einflusses in der italienischen Politik bei gleichzeitiger Integration des Landes in die Europäischen Gemeinschaften55 und die NATO. Selbstverständlich bestand ein massiver Unterschied in den Möglichkeiten der Einflussnahme beider Staaten in und auf Italien. Nichtsdestotrotz kann von einer ähnlich gearteten Interessenlage ausgegangen werden, die nur in Sonderfällen, so vor allem in der Südtirolfrage und der Wiedergutmachung von nationalsozialistischen Kriegsverbrechen in Italien, voneinander abwich.56 Diese Situation änderte sich im Hinblick auf die Haltung gegenüber dem italienischen Kommunismus erst in den späten 1960er Jahren. Mit den beiden Machtwechseln 1969 hin zur republikanischen Administration unter Präsident Richard M. Nixon in Washington und der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt in Bonn wandelte sich die Italienpolitik in ihrer Haltung zum PCI in beiden Staaten grundlegend. Aufgrund der kontinuierlichen Zuge-
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Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Europäische Atomgemeinschaft. Vgl. Christian Vordemann: Deutschland-Italien 1949–1961. Die diplomatischen Beziehungen, Frankfurt am Main u. a. 1994, S. 84–107, 184–192.
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winne der italienischen Kommunisten in den Parlamentswahlen seit 1948 stellte sich Ende der 1960er Jahre erstmals seit der unmittelbaren Nachkriegszeit die Frage, wie man mit einer kommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien umgehen würde. An diesem Punkt setzt diese Arbeit an und verfolgt die Strategien der US-Regierungen und der SPD-Führung gegenüber dem italienischen Eurokommunismus bis 1979. Der Abschluss des zentralen Untersuchungszeitraums wird von der italienischen Parlamentswahl im Juni 1979 gebildet, da nach dieser Wahl die seit 1976 bestehende Notwendigkeit einer kommunistischen Tolerierung der christdemokratischen Minderheitsregierung entfiel und das Thema in der Folgezeit deutlich an außen- und sicherheitspolitischer Brisanz für beide Staaten verlor.
1.5 Forschungsstand Mit der Entstehung des Begriffs im Jahre 1975 wurde in Westeuropa und etwas später in Nordamerika eine Publikationswelle zur Thematik ausgelöst, die bis in die frühen 1980er Jahre „lexikalische Ausmaße“57 annahm.58 In diesen Jahren galt ein Artikel zum Eurokommunismus als ein Must-have in der Publikationsliste von Politikwissenschaftlern.59 Auch Soziologen, Philosophen und Staatsrechtler beschäftigten sich mit der Materie. Zwischen 1976 und 1979 erschienen mehr als 50 deutschsprachige Monografien und Sammelbände zum Thema. Teilweise erreichten Bücher über den Eurokommunismus auf dem Höhepunkt der Publikationswelle eine für wissenschaftliche Werke enorm hohe Auflagenzahl. Der Sammelband „Eurokommunismus – Fakten, Analysen, Interviews“60, den der Politikwissenschaftler Heinz Timmermann 1978 herausgab, wurde beispielsweise in einer
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Frithjof Schmidt: Die Metamorphosen der Revolution. Der Wandel des Revolutionsbegriffs von Blanqui bis zum Eurokommunismus, Frankfurt am Main, New York 1988, S. 12. Ein Großteil der Literatur zur Thematik wurde 1987 in einer Bibliografie veröffentlicht. Nachteil dieser Publikation ist, dass nur wenige der zahlreichen deutsch- und italienischsprachigen Werke aufgeführt sind: Olga A. Narkiewicz: Eurocommunism, 1968–1986. A Select Bibliography, London, New York 1987. Zur Entwicklung der Eurokommunismusforschung siehe ausführlich: Nikolas Dörr: Eurokommunismus als Teil der historischen Kommunismusforschung: DocupediaZeitgeschichte, 06.01.2014, URL: http://docupedia.de/zg/Eurokommunismus (Abruf am 03.03.2015). Heinz Timmermann (Hrsg.): Eurokommunismus. Fakten, Analysen, Interviews, Frankfurt am Main 1978.
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Auflagenhöhe von 20 000 Exemplaren gedruckt und fand eine ebenso hohe Abnehmerzahl.61 Selbst italienische Bücher wie der 1975 erschienene Roman Berlinguer e il Professore über das fiktive Zustandekommen des compromesso storico im Jahr 1980, der ein hohes Maß an Kenntnis über das politische System Italiens und die Gesellschaft des Landes voraussetzte, wurden umgehend ins Deutsche übersetzt und erfolgreich verkauft.62 Ebenso kam es in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre zu zahlreichen wissenschaftlichen Konferenzen zum Thema, die das hohe Interesse am Eurokommunismus widerspiegelten. Bei der vom Management Institut Hohenstein veranstalteten Tagung zum Thema „Eurokommunismus und die politische und wirtschaftliche Zukunft Europas“ am 29./30. November 1977 im Intercontinental Hotel in Frankfurt am Main waren die Zuhörer sogar bereit, einen Beitrag von 880 DM zu entrichten.63 Zu Beginn der 1980er Jahre ebbte die Publikationswelle rasch ab. Die letzten größeren Werke entstanden 1984 im Zuge des überraschenden Todes von Enrico Berlinguer und dem erneuten Bruch der union de la gauche durch den PCF. In den Folgejahren verschwand das Thema weitestgehend aus dem Blickfeld der Politikwissenschaft, da sich die Frage eines westlichen Wandels der entsprechenden kommunistischen Parteien mit der eigenen Auflösung, Umwandlung, Spaltung oder ihrem Bedeutungsverlust nicht mehr stellte.
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Vgl. Ralf Hoffrogge: Fordismus, Eurokommunismus und Neue Linke. Thesen zu Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen Arbeiterbewegung und linker Szene in der BRD, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2012, S. 261 (dort: Anmerkung 40). In dem 1975 veröffentlichten Werk blickt der Sekretär des ehemaligen Vorsitzenden der italienischen Christdemokraten Amintore Fanfani im Jahr 2000 auf die Ereignisse des Jahres 1980 und folgende zurück. Fiktiv wird der Zusammenschluss von Democrazia Cristiana und Partito Comunista Italiano unter dem Signum des compromesso storico dargestellt. Das ursprünglich anonym erschienene Buch wurde ein großer Erfolg in Italien und erreichte eine Auflagenzahl von 320 000 Exemplaren. Noch vor der italienischen Parlamentswahl 1976 wurde es ins Deutsche übersetzt und im Stuttgarter Seewald Verlag publiziert. Vgl. Anonymus [Gianfranco Piazzesi]: Berlinguer und der Professor. Eine politische Phantasmagorie, Stuttgart 1976, S. 154 (Original: Anonimo [Gianfranco Piazzesi]: Berlinguer e il Professore, Mailand 1975). AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus allgemein, 1/HEAA000407, Programm „Eurokommunismus und die politische und wirtschaftliche Zukunft Europas“ des Management Instituts Hohenheim, 1977; „Steffen erklärt Managern, was er unter Eurokommunismus versteht“ von Ingeborg Schawohl, in: Die Welt, 30.11.1977.
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Die Geschichtswissenschaft nahm sich nur zögernd des Themas an. Die ersten größeren Studien entstanden in den Jahren ab der Jahrtausendwende.64 Die Bewertung des Eurokommunismus kann aber nicht ausschließlich, wie in der bislang vorliegenden Literatur zur Thematik standardmäßig erfolgt, auf die Frage reduziert werden, ob die entsprechenden Parteien weiterhin moskautreu waren oder sich wirklich westlich-demokratischen Standards annäherten. Schließlich hatte selbst einer der größten Kritiker des Eurokommunismus, der damalige USAußenminister Henry Kissinger, diese Frage als weniger wichtig erachtet: „Wir können nicht den Fortschritt kommunistischer Parteien ermutigen oder einen Präzedenzfall schaffen, in dem unsere Untätigkeit den Erfolg einer kommunistischen Partei befördert. Wie weit solch eine Partei Moskaus Linie unterstützt, ist dabei uninteressant.“65 Von der zeithistorischen Forschung in Deutschland ist der Eurokommunismus, abgesehen von wenigen Ausnahmen, die meist einen Bezug zur DDR/SED-Geschichte aufweisen, bislang nur in geringerem Maße bearbeitet worden.66 Dies hängt zum einen mit der verlagerten Schwerpunktsetzung der
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Vgl. Elena Aga Rossi/Gaetano Quagliariello (Hrsg.): L’altra faccia della luna. I rapporti tra PCI, PCF e Unione Sovietica, Bologna 1997; Maud Bracke/Thomas Ekman Jørgensen: Western European Communism after Stalinism. Comparative Approaches, San Domenic 2002; Maud Bracke: Which Socialism, Whose Détente? West European Communism and the Czechoslovak Crisis of 1968, Budapest, New York 2007; Nikolas Dörr: Wandel des Kommunismus in Westeuropa. Eine Analyse der innerparteilichen Entwicklungen in den Kommunistischen Parteien Frankreichs, Finnlands und Italiens im Zuge des Eurokommunismus, Berlin 2006; Vassilis Fouskas: Italy, Europe, the Left. The Transformation of Italian Communism and the European Imperative, Aldershot, Brookfield (Vermont) 1998; Frédérique Valentin-McLean: La révolte des intellectuels communistes dans les années 1970, Paris 2006. Henry Kissinger zitiert in: „Vom Umgang mit Kommunisten. Eine US-Debatte, die auch uns angeht“ von Theo Sommer, in: Die ZEIT, 16.04.1976, S. 1. Vgl. Arnd Bauerkämper/Francesco Di Palma (Hrsg.): Bruderparteien jenseits des Eisernen Vorhangs. Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen Parteien West- und Südeuropas (1968–1989), Berlin 2011; ders.: Der Eurokommunismus und seine Rezeption durch die SED (1968–1976), in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2012, S. 233–248; ders.: Die SED, die Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) und die Kommunistische Partei Italiens (PCI) von 1968 bis in die Achtzigerjahre. Ein kritischer Einblick in das Dreiecksverhältnis, in: Deutschland Archiv, 43. Jahrgang, Nr. 1/2010, S. 80–89; Nikolas Dörr: Der Eurokommunismus als sicherheitspolitisches Problem für die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika am Beispiel des Partito Comunista Italiano (PCI), in: Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien, Nr. 45/46/2009, S. 45–49; Manfred Steinkühler: Die SED und der PCI. Rückblick eines Angehörigen des Auswärtigen Dienstes, in: Deutschland Archiv, 43. Jahrgang, Nr. 6/2010, S. 1016–1023; Michael Mayer: „Machterschleichung auf Filzpantoffeln“. Die
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historischen Kommunismusforschung in Deutschland seit der Wiedervereinigung hin zur Geschichte der DDR und der sozialistischen Diktaturen Osteuropas zusammen. Zum anderen ist Cold War History als eigenständiger Arbeitsbereich der Zeitgeschichte im anglophilen Sprachraum deutlich verbreiteter als in Deutschland.67 Über den Eurokommunismus als Herausforderung für die Bundesrepublik Deutschland im Kalten Krieg liegen daher bislang nur wenige Artikel vor.68 Im Gegensatz hierzu muss man konstatieren, dass bundesdeutsche Politik- und Sozialwissenschaftler in der internationalen Eurokommunismusforschung der 1970er Jahre führend gewesen waren. Dies gilt insbesondere für die meist 20 bis 50 Seiten langen Berichte des Bundesinstituts für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien69 in Köln, welches dem Bundesministerium des Innern unterstand.70
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Bundesrepublik, die DDR und die mögliche Regierungsbeteiligung der kommunistischen Parteien in Frankreich und Italien in den Siebzigerjahren, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2010, S. 127–141; Ulrich Pfeil: Sozialismus in den Farben Frankreichs. SED, PCF und „Prager Frühling“, in: Deutschland Archiv, 43. Jahrgang, Nr. 2/2001, S. 235–245. Erst im März 2015 ist mit dem Berliner Kolleg Kalter Krieg/Berlin Center for Cold War Studies, getragen vom Hamburger Institut für Sozialforschung, dem Institut für Zeitgeschichte, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der HumboldtUniversität zu Berlin, ein Versuch zur Institutionalisierung der Cold War Studies in Deutschland unternommen worden. Vgl. Michele Di Donato: Il rapporto con la socialdemocrazia tedesca nella politica internazionale del Pci di Luigi Longo (1967–1969), in: Dimensioni e problemi della ricerca storica. Rivista del Dipartimento di studi storici dal medioevo all'età contemporanea dell'Università La Sapienza di Roma, Nr. 2/2011, S. 145–172; Nikolas Dörr: Das Fazit des Eurokommunismus. Ergebnisse der Konferenz „Vom Eurokommunismus zur sozialen Demokratie?“/“Dall’eurocomunismo alla socialdemocrazia?“ in der Villa Vigoni vom 19. bis 21. April 2009, in: Perspektiven DS – Zeitschrift für Gesellschaftsanalyse und Reformpolitik, 26. Jahrgang, Nr. 1/2009, S. 162–167; ders.: Der Eurokommunismus als Herausforderung für die europäische Sozialdemokratie. Die Beispiele Frankreich und Italien, in: Perspektiven DS – Zeitschrift für Gesellschaftsanalyse und Reformpolitik, 27. Jahrgang, Nr. 2/2010, S. 83–102; ders.: Die Auseinandersetzungen um den Eurokommunismus in der bundesdeutschen Politik 1967–1979, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2012, S. 217–232; Hoffrogge: Fordismus, Eurokommunismus und Neue Linke; Bernd Rother: „Era ora che ci vedessimo.“ Willy Brandt e il Pci, in: Contemporanea. Rivista di storia dell'800 e del '900, Vol. 14, Nr. 1/2011, S. 61–82. Das BIOst war 1966 aus dem 1961 gegründeten Bundesinstitut zur Erforschung des Marxismus-Leninismus/Institut für Sowjetologie hervorgegangen. Es diente der Bundesregierung primär als Think Tank für die Erforschung des Kommunismus. Im Jahr 2000 wurde das BIOst aufgelöst und seine Mitarbeiter in die Stiftung Wissenschaft und Politik
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Die nationale Dimension der entsprechenden kommunistischen Parteien in der Phase des Eurokommunismus ist vor allem in Italien und Frankreich bereits qualitativ und quantitativ gut erforscht.71 Für den italienischen Eurokommunismus ist insbesondere die von Silvio Pons verfasste Monografie Berlinguer e la fine
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(SWP) integriert. Zum BIOst siehe: Heinz Brahm: Drehscheibe der Osteuropaforschung. Das Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien, in: Osteuropa, 55. Jahrgang, Nr. 12/2005, S. 163–175. Siehe exemplarisch: Heinz Timmermann: Vor dem historischen Niedergang? Entwicklungen und Perspektiven der kommunistischen Parteien Westeuropas, Köln 1989; ders.: Spaniens Kommunisten. Aufstieg und Niedergang, Köln 1987; ders.: Die französische KP im Zeichen historischen Niedergangs und politischer Selbstisolierung, Köln 1987; ders.: Italiens Kommunisten zwischen Stagnation und Wandel. Die IKP nach dem XVII. Parteitag vom April 1986, Köln 1986; ders.: Die KPdSU und die Westkommunisten in den 80er Jahren, Köln 1982; ders.: Demokratische Sozialisten, Eurokommunisten und der Westen, Köln 1979; Sophie G. Alf: Die Italienische KP und das Europa-Parlament. Konzeptionen und Aktivitäten, Köln 1980; Borys Lewytzkyj: Zur Auseinandersetzung mit dem Eurokommunismus in der UdSSR, Köln 1977; Wolfgang Berner: Zum XII. Kongress der italienischen KP in Bologna, Köln 1969; ders.: Die KP Italiens und die ägyptischen Kommunisten 1956–1958, Köln 1967. Vgl. Nello Ajello: Il lungo addio. Intellettuali e PCI dal 1958 al 1991, Rom, Bari 1997; Franco Andreucci: Da Gramsci a Occhetto. Nobiltà e miseria del PCI (1921–1991), Pisa 2014; Francesco Barbagallo: Enrico Berlinguer, Rom 2006; ders./Albertina Vittoria (Hrsg.): Enrico Berlinguer, la politica italiana e la crisi mondiale. Atti del Convegno organizzato a Sassari, 18–19 giugno 2004, Rom 2007; Jean-Paul Brunet: 1920–1982 Histoire du PCF, Paris 1996; Giuseppe Chiarante: La fine del PCI. Dall'alternativa di Berlinguer all'ultimo Congresso (1979–1991), Rom 2009; Stéphane Courtois/Marc Lazar: Histoire du Parti communiste français, 2. Aufl., Paris 2000; Giancarlo Feliziani: Razza di comunista. La vita di Luciano Lama, Rom 2009; Paolo Franchi: Giorgio Napolitano. La traversata da Botteghe Oscure al Quirinale, Mailand 2013; Giorgio Galli: Storia del PCI (Livorno, 1921-Rimini, 1991), Mailand 1993; Roberto Gualtieri: L'Italia dal 1943 al 1992. DC e PCI nella storia della Repubblica, Rom 2006; Cyrille Guiat: The French and Italian Communist Parties. Comrades and Culture, London, Portland 2003; Alexander Höbel: Il PCI di Luigi Longo (1964–1969), Neapel 2010; ders./Marco Albeltaro (Hrsg.): Novant'anni dopo Livorno. Il PCI nella storia d'Italia, Rom 2014; Hofnung: Georges Marchais; Valentine Lomellini: Les relations dangereuses. French Socialists, Communists and the Human Rights Issue in the Soviet Bloc, New York 2012; Leonardo Raito: Enrico Berlinguer e il sogno eurocomunista, Rovigo 2013; Gino G. Raymond: The French Communist Party during the Fifth Republic. A Crisis of Leadership and Ideology, New York 2005; Antonio Rubbi: Il mondo di Berlinguer, Rom 1994; Paolo Turi: L'ultimo segretario. Vita e carriera di Alessandro Natta, Padua 1996; Walter Veltroni (Hrsg.): Quando c'era Berlinguer, Mailand 2014; Jean Vigreux: Waldeck Rochet. Une biographie politique, Paris 2000; Albertina Vittoria: Storia del PCI 1921–1991, Rom 2006.
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del comunismo aus dem Jahr 2006 als Standardwerk hervorzuheben.72 Ein ebenso guter Forschungsstand ist für das Verhältnis von PCI und PCF zur Sowjetunion73 und gegenüber der europäischen Einigung74 zu konstatieren. Im italienischen Fall liegen auch mehrere Regional- und Lokalstudien vor.75 Hinzu kommen Monografien zu Spezialthemen wie der Haltung des PCI gegenüber dem italienischen Linksterrorismus, dem Nahostkonflikt, Afrika, der Blockfreienbewegung, dem Putsch in Chile, dem Verhältnis zum PCF oder der kubanischen Revolution.76 In
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Silvio Pons: Berlinguer e la fine del comunismo, Turin 2006. Vgl. Aga Rossi/Quagliariello (Hrsg.): L’altra faccia della luna; Elena Aga Rossi/Victor Zaslavsky: Stalin and Togliatti. Italy and the Origins of the Cold War, Stanford 2011; Silvio Pons: Meetings between the Italian Communist Party and the Communist Party of the Soviet Union, Moscow and Rome, 1978–80, in: Cold War History, Vol. 3, Nr. 1/2002, S. 157–166; ders.: La politica internazionale di Berlinguer negli anni dell „Unità Nazionale“. Eurocomunismo, NATO e URSS (1976–1979), in: Agostino Giovagnoli/Luciano Tosi (Hrsg.): Un ponte sull’Atlantico. L’alleanza occidentale 1949–1999, Mailand 2003, S. 181–197; Valerio Riva: Oro di Mosca. I finanziamenti sovietici al PCI dalla Rivoluzione d’Ottobre al crollo dell’URSS, Mailand 1999; Joan B. Urban: Moscow and the Italian Communist Party. From Togliatti to Berlinguer, Ithaca (New York) 1986; Victor Zaslavsky: Die Finanzierung der Kommunistischen Partei Italiens durch die Sowjetunion, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2010, S. 129–146. Vgl. Maud Bracke: From the Atlantic to the Urals? Italian and French Communism and the Question of Europe, 1956–1973, in: Journal of European Integration History, Vol. 13, Nr. 2/2007, S. 33–53; Francesco Di Palma/Wolfgang Müller (Hrsg.): Kommunismus – Europa – Nation. Europapolitik und -vorstellungen der europäischen kommunistischen Parteien 1945–1989, Paderborn 2015; Richard Dunphy: Contesting Capitalism? Left Parties and European Integration, Manchester, New York 2004; Paolo Ferrari: In cammino verso Occidente. Berlinguer, il PCI e la comunità europea negli anni '70, Bologna 2007; Fouskas: Italy, Europe, the Left; Mauro Maggiorani: L'Europa degli altri. Comunisti italiani e integrazione europea (1957–1969), Rom 1998; ders./Paolo Ferrari (Hrsg.): L'Europa da Togliatti a Berlinguer. Testimonianze e documenti, 1945–1984, Bologna 2005; Linda Risso: Against Rearmament or against Integration? The PCI and PCF’s Opposition to the European Defence Community and the Western European Union, 195055, in: Journal of European Integration History, Vol. 13, Nr. 2/2007, S. 11–31. Vgl. Joachim Gatterer: „Rote Milben im Gefieder“. Sozialdemokratische, kommunistische und grün-alternative Parteipolitik in Südtirol, Innsbruck, Wien, Bozen 2009; Bruno Maida (Hrsg.): Alla ricerca della simmetria. Il PCI a Torino 1945–1991, Turin 2004; Dolores Negrello (Hrsg.): Il PCI padovano nell'ultimo '900. Dissensi e antagonismi politici, Mailand 2004; Massimo Papini (Hrsg.): C'era una volta il Pci. Storia della federazione anconetana (1944–1991), Ancona 2011; Libero Traversa: Comunisti a Milano. I settant'anni di vita del Pci a Milano tra storia e testimonianza, Mailand 2002. Vgl. Paolo Borruso: Il PCI e l'Africa indipendente. Apogeo e crisi di un'utopia socialista (1956–1989), Florenz 2009; Marco Galeazzi: Il PCI e il movimento dei paesi non al-
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den letzten Jahren sind zusätzlich Publikationen zur Situation kleinerer kommunistischer Parteien des Eurokommunismus entstanden.77 Ein Desiderat der Eurokommunismusforschung stellen insbesondere wissenschaftliche Publikationen dar, die den Umgang mit dem Eurokommunismus aus unterschiedlichen Blickwinkeln untersuchen. Dies gilt insbesondere für den Eurokommunismus als Gegenstand der internationalen Beziehungen während des Kalten Krieges. Dieser Befund gilt sowohl für die Rezeption des Eurokommunismus in den Staaten des westlichen Bündnisses als auch für seine Rezeption in den sozialistischen Staaten Osteuropas. So steht beispielsweise eine Studie über die sowjetische Perzeption des Eurokommunismus aus. Gleiches gilt für die Positionierung der Volksrepublik China in der Eurokommunismusfrage. Eine wissenschaftliche Abhandlung über die Beziehungen zwischen der SED, dem PCF und dem PCI ist aktuell im Entstehen.78 Ein Desiderat ist darüber hinaus die Intellek-
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lineati. 1955–1975, Mailand 2011; Marc Lazar: Maisons rouges. Les partis communistes français et italien de la Libération à nos jours, Paris 1992; Marco Di Maggio: Alla ricerca della terza via al Socialismo. Il PC italiano e francese nella crisi del comunismo (1964– 1968), Neapel 2014; Alessandro Naccarato: Difendere la democrazia. Il PCI contro la lotta armata, Rom 2015; Onofrio Pappagallo: Il PCI e la rivoluzione cubana. La „via latino-americana al socialismo“ tra Mosca e Pechino (1959–1965), Rom 2009; Luca Riccardi: L'internazionalismo difficile. La „diplomazia“ del PCI e il Medio Oriente dalla crisi petrolifera alla caduta del muro di Berlino (1973–1989), Soveria Mannelli 2013; Alessandro Santoni: Il PCI e i giorni del Cile. Alle origini di un mito politico, Rom 2008. Vgl. Paula Abal Medina: Escritos urgentes. Nikos Poulantzas y el eurocomunismo de izquierda, in: Andamios. Revista de Investigación Social, Vol. 8, Nr. 17/2011, S. 287–322; Peter Ackers: Gramsci at the Miners’ Strike. Remembering the 1984–1985 Eurocommunist Alternative Industrial Relations Strategy, in: Labor History, Vol. 55, Nr. 2/2014, S. 151–172; Charlotta Brylla: Die schwedische kommunistische Partei und der Eurokommunismus, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2010, S. 81–91; Maximilian Graf: The Rise and Fall of „Austro-Eurocommunism“. On the „Crisis“ within the KPÖ and the Significance of East German Influence in the 1960s, in: Journal of European Integration History, Vol. 20, Nr. 2/2014, S. 203–218; Keith Laybourn: Marxism in Britain. Dissent, Decline and Re-emergence 1945–c.2000, London, New York 2006; Nicolas Naif: L'eurocommunisme en Belgique. Crises et débats autour d'une voie belge au socialisme, 1954–1982, Brüssel 2004; Nikolaos Papadogiannis: Red and Purple? Feminism and young Greek Eurocommunists in the 1970s, in: European Review of History, Vol.22, Nr. 1/2015, S. 16–40; Peter Read/Marivic Wyndham: Eurocommunism and the Concertación. Reflections on Chilean European Exile 1973–1989, in: Journal of Iberian and Latin American Research, Vol. 21, Nr. 1/2015, S. 116–125. Siehe hierzu das Habilitationsprojekt von Francesco Di Palma an der Freien Universität Berlin: Die SED, die kommunistische Partei Frankreichs (PCF) und die kommunistische Partei Italiens (PCI) von 1968 bis 1989/90. Beziehungen, Verflechtungen, PolicyMaking,
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tuellengeschichte des Eurokommunismus in Deutschland und den USA, so wie sie beispielsweise von Frédérique Valentin-McLean und Marco Di Maggio für Frankreich sowie von Thomas Kroll für verschiedene kommunistische Parteien in der Nachkriegszeit erstellt wurde.79 Die vorliegende Studie schließt die Lücke einer multiperspektivischen Neuen Politikgeschichte, die insbesondere an einer Erweiterung der Diplomatiegeschichte orientiert ist. Auf diese Weise kann der italienische Eurokommunismus erstmals umfassend als Herausforderung für den Westen im Kalten Krieg untersucht werden. Für den US-amerikanischen Fall liegen bereits einige zeithistorische Artikel und Monografien zur Auseinandersetzung mit dem Eurokommunismus vor. Zu nennen ist hierbei vor allem der autobiografische Bericht des ehemaligen USBotschafters in Rom Richard N. Gardner80 aus dem Jahre 2005 und die grundlegende Monografie von Alessandro Brogi aus dem Jahr 2011.81 Die bislang vorliegenden Arbeiten, die fast ausschließlich bilateral angelegt sind und der Politikwissenschaft oder einer klassischen Diplomatiegeschichte entstammen, können die unterschiedlichen Herangehensweisen an den italienischen Eurokommunismus jedoch nicht umfassend erklären, weil Verflechtungen mit weiteren Akteuren und entscheidungs- und handlungsbeeinflussende Faktoren wie nicht-staatliche Akteure, politische Sozialisationserfahrungen oder auch kulturelle Prädispositionen unbeachtet bleiben.82 Auch wird der italienische Eurokommunismus bislang nur
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http:www.geschkult.fu-berlin.de/e/fmi/institut/arbeitsbereiche/ab_bauerkaemper/Mitar beiter/Di_Palma_Francesco.html#Forschung /Abruf am 02.04.2016). Vgl. Marco Di Maggio: Les Intellectuels et la stratégie communiste. Une crise d'hégémonie (1958–1981), Paris 2013; Thomas Kroll: Kommunistische Intellektuelle in Westeuropa. Frankreich, Österreich, Italien und Großbritannien im Vergleich (1945–1956), Köln u. a. 2007; Valentin-McLean: La révolte des intellectuels communistes. Einen ersten Ansatz für eine Intellektuellengeschichte des Eurokommunismus in der Bundesrepublik bietet: Thomas Kroll: Eurokommunismus und linke Intellektuelle in der Bundesrepublik Deutschland. Eine transnationale Debatte (1975–1980), in: Axel Schildt (Hrsg.): Von draußen. Ausländische intellektuelle Einflüsse in der Bundesrepublik bis 1990, Göttingen 2016, S. 234–255. Richard N. Gardner: Mission Italy. On the Front Lines of the Cold War, New York 2005. Alessandro Brogi: Confronting America. The Cold War between the United States and the Communists in France and Italy, Chapel Hill 2011. Allerdings untersucht dieses Werk den gesamten Zeitraum des Kalten Krieges und konzentriert sich dabei vor allem auf die direkte Nachkriegsphase, die die Hälfte des Werkes einnimmt. Die Phase des Eurokommunismus wird daher nicht ausgiebig behandelt. Vgl. Valerio Bosco: L'amministrazione Nixon e l'Italia. Tra distensione europea e crisi mediterranee, 1968–1975, Rom 2009; James E. Dougherty/Diane K. Pfaltzgraff: Eurocommunism and the Atlantic Alliance, Cambridge (Massachusetts) 1977; Roy God-
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in seiner Ablehnung behandelt. Neben einer erstmaligen ausführlichen Definition der Ängste in Bezug auf den PCI werden in dieser Arbeit daher auch die Hoffnungen, die insbesondere von der demokratischen Linken Westeuropas vertreten wurden, dargestellt und analysiert. Weitgehend vernachlässigbar sind die zeitgenössischen italienischen Werke über das Verhältnis der US-Regierung zum italienischen Eurokommunismus, da diese an einer mangelnden Quellenbasis und zumindest in Teilen an einem politischen Impetus leiden.83 Die vorliegende Studie schließt an die vorhandenen Arbeiten der Cold War Studies an und soll als Fallbeispiel des Umgangs einer blockübergreifenden Herausforderung im Kalten Krieg verstanden werden.84 Sie trägt dazu bei, die klassi-
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son/Stephen Haseler: Eurocommunism. Implications for East and West, London 1978; Frédéric Heurtebize: The Union of the Left in France, 1971–1981. A Threat to NATO? The View from Washington, in: Journal of Transatlantic Studies, Vol. 9, Nr. 3/2011, S. 244–256; ders.: Le péril rouge; Olav Njølstadt: Come tenere i comunisti fuori dal governo senza ingerenze. L’amministrazione Carter e l’Italia (1977–1978), in: Passato e presente, Nr. 45/1998, S. 57–84. ders.: The Carter Administration and Italy. Keeping the Communists Out of Power without Interfering, in: Journal of Cold War Studies, Vol. 4, Nr. 3/2002, S. 56–94; Austin Ranney/Giovanni Sartori (Hrsg.): Eurocommunism: The Italian Case, Washington D.C. 1978; Irwin Wall: Les États-Unis et l’eurocommunisme, in: Relations Internationales, Nr. 119, 2004, S. 363–380; ders.: L’amministrazione Carter e l’eurocomunismo, in: Ricerche di storia politica, Nr. 2/2006, S. 181–196; Caroline Webb: Eurocommunism and Foreign Policy, London 1979. Vgl. Achille Albonetti: Gli Stati Uniti e il PCI. Da Kissinger a Carter, Rom 1978; Guido Gerosa: L'Italia di Carter, Mailand 1978; Bino Olivi: Carter e l'Italia. La politica estera americana, l'Europa e i comunisti italiani, Mailand 1978. Siehe hierzu insbesondere: Ennio Di Nolfo: La guerra fredda e l’Italia. 1941–1989, Florenz 2010; Carole Fink: Cold War. An International History, Boulder (Colorado) 2014; André Fontaine: La guerre froide, 1917–1991, Paris 2006; John Lewis Gaddis: Strategies of Containment. A Critical Appraisal of American National Security Policy during the Cold War, Oxford, New York 2005; ders.: The Cold War. A New History, New York 2005; Bernd Greiner: Kalter Krieg und „Cold War Studies“, in: DocupediaZeitgeschichte, 11.02.2010, http://docupedia.de/zg/Cold_War_Studies (Abruf am 07.05.2014); ders./Christian Th. Müller/Dierk Walter (Hrsg.): Heiße Kriege im Kalten Krieg, Hamburg 2006; dies. (Hrsg.): Krisen im Kalten Krieg, Hamburg 2008; Bernd Greiner/Christian Th. Müller/Claudia Weber (Hrsg.): Ökonomie im Kalten Krieg, Hamburg 2010; Bernd Greiner/Tim B. Müller/Claudia Weber (Hrsg.): Macht und Geist im Kalten Krieg, Hamburg 2011; Bernd Greiner/Tim B. Müller/Klaas Voß (Hrsg.): Erbe des Kalten Krieges, Hamburg 2013; Silvio Pons/Federico Romero (Hrsg.): Reinterpreting the End of the Cold War. Issues, Interpretations, Periodizations, London, New York 2005; Bernd Stöver: Der Kalte Krieg, 1947–1991. Geschichte eines radikalen Zeitalters, München 2003.
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schen Konfliktlinien des Kalten Krieges zu hinterfragen, indem sie gänzlich unterschiedliche Bedrohungsperzeptionen und damit einhergehende Spannungen innerhalb und zwischen den westlichen Staaten offenlegt. Methodisch geht die Arbeit dabei über die Ansätze einer klassischen Diplomatiegeschichte hinaus und analysiert beispielsweise persönliche Beziehungen, symbolische Gesten und Instrumente der Kulturdiplomatie. Auf diese Weise werden neue Erklärungen für das Verhalten von Akteuren im Kalten Krieg möglich. In diesem Zusammenhang ist der zentrale Stellenwert der Wahrnehmung und Kommunikation für außen- und sicherheitspolitische Entscheidungen zu nennen, den diese Studie unterstreicht.
1.6 Quellenlage Erstmals werden in dieser Studie die Erkenntnisse aus der Archivrecherche zusammen mit der Auswertung des veröffentlichten englischen, deutschen, französischen und italienischen Schrifttums in einer größeren Arbeit multiperspektivisch untersucht. Um diesem Ansatz gerecht zu werden, wurden Archive in Italien, den Vereinigten Staaten von Amerika, Deutschland, Belgien, Österreich und Großbritannien konsultiert. Maßgeblich waren hierbei insbesondere die Aktenbestände der außen- und sicherheitspolitischen Akteure. Im US-amerikanischen Fall sind daher die Akten des National Security Advisers (NSA) bzw. National Security Councils als wichtigster Beratungsinstanz des Präsidenten in Sicherheitsfragen, die Bestände des State Department als zentralem außenpolitischen Akteur inklusive der Kommunikation mit den europäischen Botschaften und Konsulaten sowie die Akten der Central Intelligence Agency als einflussreichstem Auslandsnachrichtendienst der 1970er Jahre von hoher Bedeutung. Die entsprechenden Quellenbestände befinden sich in den National Archives II (NAII) in College Park (Maryland) sowie den Presidential Libraries von Gerald Ford (GFPL) und Jimmy Carter (JCPL) in Ann Arbor und Atlanta. Zusätzlich wurde das digitalisierte Archiv der Richard Nixon Presidential Library (RNPL) genutzt. Zur Skizzierung von Kontinuitätslinien der Containment-Politik in Italien während der Nachkriegsphase wurden darüber hinaus Akten in der George-C.-Marshall-Research Library (GML) in Lexington (Virginia) konsultiert. Im bundesdeutschen Fall befinden sich zentrale Quellen in den Beständen der Internationalen Abteilung des SPD-Parteivorstands im Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) in der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Bonn sowie in den Einzelnachlässen der jeweiligen Gesprächsführer. Hinzu kommen die entsprechenden Aufzeichnungen aus dem Willy-Brandt- (WBA) und Helmut-SchmidtArchiv (HSA) im AdsD, dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes (PAAA) in Berlin und in geringerem Maße Dokumente aus dem Bundesarchiv (BArch) in
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Koblenz. Die Nachzeichnung des italienischen Eurokommunismus sowie der Rezeption der entsprechenden außen- und sicherheitspolitischen Strategien innerhalb des PCI basieren größtenteils auf Archivstudien im Archivio del Partito Comunista Italiano (APCI) in der Fondazione Istituto Gramsci (FIG) in Rom. Insbesondere die Bestände der Führungsgremien (Direzione, Ufficio politico, Comitato centrale, Segretaria), der Auslandsabteilung (Estero) sowie die Nachlässe von Enrico Berlinguer (Fondo Berlinguer) und Luigi Longo (Fondo Longo) sind hierbei zu nennen. Um die entsprechenden transnationalen Verflechtungen beachten zu können, wurden darüber hinaus die Akten des Archivs der NATO (NA) in deren Hauptquartier in Brüssel, Quellen zur Sozialistischen Internationale im AdsD und im Bruno-Kreisky-Archiv (BKA) in Wien sowie das digitalisierte Archiv der Margaret Thatcher Foundation (MTF) eingesehen. Für das Verständnis der innenpolitischen Dimension des italienischen Eurokommunismus in der Bundesrepublik sind neben dem AdsD Quellenbestände in dem Archiv des Liberalismus in der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Gummersbach (AdL), dem Archiv für Christlich-Demokratische Politik in der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Augustin (ACDP) sowie dem Archiv für Christlich-Soziale Politik in der Hanns-Seidel-Stiftung in München (ACSP) konsultiert worden. Um an Informationen aus in der Bundesrepublik und den USA gesperrten oder unvollständigen Akten zu internationalen Gipfeltreffen zu gelangen, musste in einigen Fällen der Umweg über die britischen National Archives in London, Kew (TNA) gegangen werden. Bezüglich der Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien Europas 1976 in Ost-Berlin wurden auch Akten aus der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-BArch) hinzugezogen. Einen weiteren Quellenkorpus bilden die zeitgenössischen Fachpublikationen zur Thematik sowie entsprechende Artikel in Zeitungen und Zeitschriften. Darüber hinaus stellen zeitgenössische Schriften, Autobiografien und Erinnerungen der beteiligten Akteure einen Quellenbestand dar. Zusätzlich wurden mit damaligen Protagonisten Zeitzeugeninterviews geführt. Aus quellenkritischen Gründen dienten diese Gespräche primär der generellen atmosphärischen Rekonstruktion. Für diese Arbeit konnten erstmals nahezu alle Materialien zum Eurokommunismus in den jeweiligen Archiven eingesehen werden. So war es möglich, erst kürzlich freigegebene Dokumente aus dem Archiv des Partito Comunista Italiano, den amerikanischen National Archives, dem NATO-Archiv und dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes auszuwerten. Auch konnten erstmals bislang gesperrte Dokumente aus dem Willy-Brandt-Archiv und den Archiven der USPräsidenten Gerald Ford und Jimmy Carter genutzt werden. Interessant waren hierbei vor allem bislang unter Verschluss gehaltene Analysen des amerikanischen Auslandsnachrichtendienstes CIA zum Eurokommunismus.
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1.7 Aufbau der Arbeit Die Arbeit folgt primär einem chronologischen Aufbau in der Darstellung des Umgangs der SPD und der US-Regierungen mit dem Partito Comunista Italiano, wobei der Schwerpunkt auf den 1970er Jahren und somit der Hochphase des Eurokommunismus liegt. Im Mittelpunkt stehen dabei die jeweilige Perzeption, Analyse sowie die daraus hervorgehende außen- und sicherheitspolitische Strategie gegenüber dem PCI. Die Perspektive der italienischen Kommunisten wird dabei mit einbezogen. Akteure, die einen signifikanten Einfluss auf die Haltungen der SPD und/oder der US-Regierungen ausübten, werden in Exkursen thematisiert. Hierzu zählen die SED, die Sozialistische Internationale, die NATO und Bettino Craxi als Protagonist der italienischen Sozialisten. Eingeleitet wird die Studie mit einer Auseinandersetzung über den Begriff des Eurokommunismus und die Schwierigkeiten einer wissenschaftlichen Definition. Diese thematische Einführung wird durch eine Darstellung der verschiedenen Typen kommunistischer Parteien in Westeuropa, die sich im Zuge der unterschiedlichen Haltungen zur Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 und der Entwicklung des Eurokommunismus Mitte der 1970er Jahre herausbildeten, abgeschlossen. Ausführlich wird anschließend die Entwicklung des reformkommunistischen Ansatzes im PCI dargestellt. Die herausgehobene Stellung der italienischen Kommunisten in der Phase des Eurokommunismus lässt sich nicht ohne die Kenntnis der theoretischen Entwicklungen von Antonios Gramscis Interpretation des Marxismus-Leninismus über Palmiro Togliattis Konzept des policentrismo bis hin zu Enrico Berlinguers compromesso storico verstehen. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Wandel der sicherheitspolitischen Strategie des PCI in den 1960er und 1970er Jahren gewidmet, wobei insbesondere die Haltung gegenüber der NATO und der Europäischen Gemeinschaft thematisiert wird. Dieses Kapitel verdeutlicht auch die Situation des PCI innerhalb des italienischen Parteiensystems. Ebenso wird in einem kurzen Exkurs die durch häufige Spaltungen und Umbenennungen gekennzeichnete Situation der parteipolitischen Linken in Italien erläutert, da diese in ihrer Komplexität für den Leser andernfalls schwer zu verstehen ist. Das Kapitel schließt mit einer Darstellung der italienischen Parlamentswahl und der Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas in Ost-Berlin, die beide im Juni 1976 stattfanden und den vorläufigen Höhepunkt des politischen, wissenschaftlichen und medialen Interesses am Eurokommunismus markierten. Gemäß der These, wonach der Eurokommunismus weniger eine tatsächlich vorhandene Strategie kommunistischer Parteien in westlichen Staaten war, sondern vielmehr ein von außen aufgeladenes und teilweise sogar bewusst instrumen-
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talisiertes Phänomen, folgt ein Kapitel zu Ängsten und Hoffnungen. In diesem werden die mit dem italienischen Eurokommunismus verbundenen zentralen Ängste (Kommunisten in der NATO, Sowjetisierung des Mittelmeeres, portugiesischer Weg, „Finnlandisierung“ Italiens, eurokommunistischer Domino-Effekt) und Hoffnungen (Wiedervereinigung der Arbeiterbewegung und die Sozialdemokratisierung des Kommunismus, Spaltung der kommunistischen Bewegung Europas, ökonomische und politische Stabilisierung Italiens, Übertragung reformkommunistischer Ideen nach Mittelost- und Osteuropa) analysiert. Einen Schwerpunkt nimmt dabei die Angst vor einer weiteren Schwächung der NATO durch ein eurokommunistisches Italien ein. Dieses Szenario war seinerzeit das häufigste Argument gegen eine Regierungsbeteiligung des PCI und kann in seiner Wertigkeit vor allem für die US-Regierungen nicht überbetont werden. Daher wird dieser Abschnitt um eine Charakterisierung der NATO-Südflanke in den 1970er Jahren ergänzt. Nur vor dem Hintergrund eines massiven Bedrohungsgefühls durch die Krisenherde im Mittelmeerraum kann die Angst vor einem Erfolg des Eurokommunismus in Italien verstanden werden. Die mit dem italienischen Eurokommunismus verbundenen Ängste und Hoffnungen bilden den Hintergrund für die beiden anschließenden Großkapitel. Diese setzen sich mit der Haltung der SPD und anschließend mit der Perzeption, Analyse und politischen Strategie der US-Regierungen gegenüber dem PCI zwischen 1969 und 1979 auseinander. An den Hauptteil der Arbeit schließt sich ein Epilog über die Entwicklung des PCI nach der Phase des Eurokommunismus bis zur Umwandlung der Partei zu Beginn des Jahres 1991 an. Das Abschlusskapitel fasst schließlich die Ergebnisse zusammen und bewertet den Umgang der SPD und der US-Regierungen mit dem italienischen Eurokommunismus hinsichtlich der verfolgten Ziele und erreichten Wirkungen.
2. Der Eurokommunismus – Etymologie, Verbreitung und Definition
Über den Ursprung des Begriffs „Eurokommunismus“ herrschte mehrere Jahre Unklarheit.1 Verschiedene Personen beanspruchten die Wortschöpfung für sich oder sie wurde ihnen unterstellt. Als Urheber wurden unter anderem der italienische Philosoph Augusto Del Noce und Arrigo Levi, seinerzeit Direktor der Turiner Tageszeitung La Stampa, genannt.2 Auch Zbigniew Brzezinski, ab 1977 Sicherheitsberater von US-Präsident Carter, sollte den Begriff geprägt haben.3 Otto von Habsburg unterstellte während eines Vortrags in Würzburg sogar Walter Ulbricht, die Bezeichnung „Eurokommunismus“ 1946 in ebenso täuschender Weise wie die Eurokommunisten der 1970er Jahre gezielt eingeführt zu haben.4 Mittlerweile gilt als gesichert, dass der jugoslawische Journalist Frane Barbieri den Begriff zuerst verwendete.5 Als Journalist der in Mailand erscheinenden italienischen Tageszeitung Il Giornale Nuovo6 beschrieb er in dem Artikel Le scadenze di Breznev (dt. „Die Fälligkeiten Breschnews“) in der Ausgabe vom 26. Juni 1975 die Reformansätze westeuropäischer kommunistischer Parteien als Eurokommunismus.7 Wenig beachtet blieb in der zeitgenössischen Auseinandersetzung, dass der Autor den Eurokommunismus in seinem Artikel primär als Herausforderung für die Sowjetunion und nicht für die westlichen Staaten beschrieben hatte. Innerhalb von kürzester Zeit setzte sich der von Barbieri geprägte Neologismus als Oberbegriff für tatsächliche oder vermeintliche Reformvorhaben in den kommunistischen Parteien Westeuropas durch. Auch wurde „Eurokommunis-
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Vgl. Helmut König: Eurokommunismus. Chance oder Gefahr?, Würzburg 1977, S. 7f. Vgl. Philip Elliott/Philip Schlesinger: Eurocommunism – their Word or Ours?, in: David Childs (Hrsg.): The Changing Face of Western Communism, London 1980, S. 39f.; Manfred Spieker: Demokratie oder Diktatur? Zur Ideologie des Eurokommunismus, in: Politische Vierteljahresschrift, 19. Jahrgang, Nr. 1/1978, S. 24f.; Wolfgang Leonhard: Eurokommunismus. Herausforderung für Ost und West, München 1978, S. 9. Vgl. Marco Cesarini Sforza/Enrico Nassi: L’eurocomunismo, Mailand 1977, S. 19. ACSP, Nachlass Heinrich Aigner, 26, „Eurokommunismus. Ein Trick aus dem Osten“ von Alex Peter, in: Bayernkurier, 18.02.1978. Zur Wortschöpfung siehe auch das Interview mit Frane Barbieri in: Manfred Steinkühler (Hrsg.): Eurokommunismus im Widerspruch. Analyse und Dokumentation, Köln 1977, S. 389–392; Bondy: Eurokommunismus, S. 1029ff. Die Zeitung nennt sich seit 1983 nur noch Il Giornale. „Le scadenze di Breznev” von Frane Barbieri, in: Il Giornale Nuovo, 26.06.1975.
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Der Eurokommunismus – Etymologie, Verbreitung und Definition
mus“ für die reformorientierte Politik außereuropäischer kommunistischer Parteien in westlichen Staaten verwendet. Bereits zeitgenössisch wurde die Begriffswahl jedoch aus verschiedenen Gründen kritisiert. Zum einen wurde bemängelt, dass „Eurokommunismus“ eine gemeinsame politische Linie der entsprechenden Parteien suggeriere, die es in der Realität nie über einen längeren Zeitraum gegeben habe.8 Zum anderen wurde die semantische Einschränkung auf den europäischen Raum bemängelt, da der Begriff auch auf zahlreiche außereuropäische Parteien angewandt wurde.9 Wolfgang Leonhard zählte in seinem Werk „Eurokommunismus – Herausforderung für Ost und West“ beispielsweise die kommunistischen Parteien Japans und Australiens sowie den 1971 aus einer Abspaltung der Kommunistischen Partei Venezuelas hervorgegangenen Movimiento al Socialismo zu den eurokommunistischen Parteien.10 Andere Autoren rechneten auch die Kommunistische Partei Brasiliens, die Vereinigte Sozialistische Partei Mexikos, die Kommunistische Partei Indiens (Marxisten) oder die israelische Maki, der nach der Spaltung 1965 kleinere Teil der Kommunistischen Partei Israels, dem Eurokommunismus zu.11 Auch im afrikanischen Kommunismus wurden entsprechende Parallelen gesehen.12 Abseits der großen Kommunistischen Partei Japans, die zeitweise bis zu 400 000 Mitglieder in sich vereinen konnte und in den 1970er Jahren mit Ergebnissen von durchschnittlich zehn Prozent der Wählerstimmen über einen gewissen Einfluss im japanischen Parlament verfügte, ist die Frage, ob kleine Parteien wie die australische KP zum Eurokommunismus gezählt werden können, vernachlässigbar.13 Aufgrund ihres mangelnden Einflusses spielten diese Parteien weder national noch international eine bedeutende Rolle. Die Hinzuzählung von Parteien aus Staaten der „Dritten Welt“ zum Eurokommunismus ist generell abzulehnen, da diese nicht in
8 Vgl. Leonhard: Eurokommunismus, S. 11. 9 Bei aller berechtigten Kritik am Präfix „Euro“, vor allem im Hinblick auf das Beispiel der 10 11 12 13
japanischen KP, sollte allerdings beachtet werden, dass der Schwerpunkt des Eurokommunismus immer deutlich in Westeuropa lag. Vgl. Leonhard: Eurokommunismus, S. 317–342. Vgl. Grünwald: Eurokommunismus, S. 74–81. Vgl. Allison Drew: Communism in Africa, in: Stephen A. Smith (Hrsg.): The Oxford Handbook of the History of Communism, Oxford, New York 2014, S. 295. Zum japanischen Eurokommunismus siehe: Peggy L. Falkenheim: Eurocommunism in Asia. The Communist Party of Japan and the Soviet Union, in: Pacific Affairs, Nr. 1/1979, S. 64–77; Tadasi Takahasi: Die KP Japans und der Eurokommunismus, in: Politische Studien, Nr. 255, Jan./Febr. 1981, S. 77–90.
Der Eurokommunismus – Etymologie, Verbreitung und Definition
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einem westlichen Umfeld agierten und daher das primäre Definitionsmerkmal einer eurokommunistischen Partei verfehlten.14 Andere Autoren nutzten den Begriff, um sämtliche Reformbestrebungen in kommunistischen Parteien zu beschreiben. Dies galt vor allem für Reformbestrebungen in den Staatsparteien Osteuropas.15 Da auch diese Parteien eine gänzlich andere Funktion in einem mit den eurokommunistischen Parteien nicht vergleichbaren Umfeld wahrnahmen, ist diese Ausdehnung aus wissenschaftlicher Sicht abzulehnen. Zumindest in ihrer Vorbildwirkung für die Eurokommunisten sind jedoch die kommunistischen Parteien in Jugoslawien und zeitweise auch Rumänien zu nennen. Im rumänischen Fall rückten die meisten eurokommunistischen Parteien Ende der 1970er Jahre vom dortigen Machthaber Nicolae Ceaușescu allerdings wieder ab, da sie sich mit der zunehmend diktatorischen Politik vor Ort nicht identifizieren wollten.16 Eine besonders starke Vorbild- und Schutzfunktion für den Partito Comunista Italiano hatten die jugoslawischen Kommunisten, wobei zu bemerken ist, dass die ebenfalls autoritäre Ausprägung des TitoRegimes nicht kritisiert wurde.17 Raymond Aron sah im jugoslawischen Staatsund Parteichef Tito gar den „Ahnherr und Patron des Eurokommunismus“18. Trotz der umfassenden Kritik etablierte sich der Begriff „Eurokommunismus“ innerhalb kürzester Zeit im allgemeinen und wissenschaftlichen Sprachgebrauch. Alternative Begriffsvorschläge konnten sich nicht durchsetzen, obwohl es nicht an ihnen mangelte. So war „Reformkommunismus“ ein zu ungenauer, „National-
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Vgl. Rick Simon: Eurocommunism, in: Daryl Glaser/David M. Walker (Hrsg.): Twentieth-century Marxism. A Global Introduction, London, New York 2007, S. 82. Vgl. Grünwald: Eurokommunismus, S. 61–73; Helmut Richter/Günter Trautmann (Hrsg.): Eurokommunismus. Ein dritter Weg für Europa?, Hamburg 1979, S. 240–245; Hermann Vogt (Hrsg.): Eurokommunismus. Ein Reader, Berlin (West) 1978, S. 10 (dort: Anmerkung 6). Vgl. Cezar Stanciu: Nicolae Ceauşescu and the Origins of Eurocommunism, in: Communist and post-communist studies, Vol. 48, Nr. 1/2015, S. 83–95; Heinz Timmermann: „Neue Einheit“ im Weltkommunismus. Bemerkungen zur Interessenallianz zwischen rumänischen und westeuropäischen Kommunisten, Köln 1972. Vgl. Thomas Brey: Zu den Grundlagen des Eurokommunismus. Der Jugoslawische Marxismus, in: Der Donauraum, 23. Jahrgang, Nr. 1/1978, S. 125–153; Heinz Timmermann: Italien, ein Jugoslawien des Westens? Zur innen- und außenpolitischen Konzeption der italienischen KP, Köln 1971. Für die frühen Beziehungen zwischen PCI und BdKJ siehe: Marco Galeazzi: Togliatti e Tito. Tra identità nazionale e internazionalismo, Rom 2005; Maurizio Zuccari: Il dito sulla piaga. Togliatti e il Pci nella rottura fra Stalin e Tito, 1944– 1957, Mailand 2008. „KPF contra Eurokommunismus“ von Raymond Aron, in: Die Weltwoche (Zürich), 28.12.1977.
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kommunismus“ hingegen ein die internationale Dimension des Eurokommunismus negierender Begriff. „Neo-Kommunismus“ war wiederum nicht spezifisch genug, um sich von anderen Formen des Kommunismus abgrenzen zu können.19 Die Bezeichnung „Weißer Kommunismus“, welche die bürgerlich-liberale Dimension des Eurokommunismus herausstellen sollte, setzte sich ebenfalls nicht durch.20 „NATO-Kommunismus“ spielte auf die positivere Haltung des PCI zum westlichen Verteidigungsbündnis seit 1968 an, war jedoch als Übertreibung unbrauchbar für die tatsächliche Bezeichnung der italienischen Eurokommunisten.21 Regionalspezifische Bezeichnungen für das Phänomen der sich wandelnden kommunistischen Parteien ließen die Praktikabilität des Begriffs „Eurokommunismus“ vermissen, obwohl diese der Realität eher entsprachen als der favorisierte Oberbegriff.22 Die genannten Beispiele weisen auf ein zentrales Problem des Eurokommunismus-Begriffs hin: Es bildete sich keine einheitlich akzeptierte wissenschaftliche Definition heraus. Was unter „Eurokommunismus“ verstanden werden sollte, blieb weitestgehend offen und schwammig. Gleichzeitig trug dieses Faktum entscheidend zum Erfolg des Begriffs bei. Er konnte relativ frei interpretiert werden und eignete sich daher für jeden, der ihn verwenden oder auch instrumentalisieren wollte. Dies führte dazu, dass „Eurokommunismus“ innerhalb von kürzester Zeit zu einem politischen Kampfbegriff wurde. Je nach Zielsetzung konnte er mit Hoffnungen oder Ängsten, mit Lob oder Warnungen aufgeladen werden. Eine Trennung zwischen dem politischen Kampfbegriff „Eurokommunismus“ und einer wissenschaftlichen Analysekategorie „Eurokommunismus“ fand in der bereits dargestellten Publikationswelle kaum statt. De facto ist in den meisten zeitgenössischen Werken zur Thematik eine politisch beeinflusste, persönliche Einschätzung des Eurokommunismus mit Beschreibungen sowie seltener mit wissenschaftlichen Analysen verknüpft. Der Italienexperte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) Heinz-Joachim Fischer formulierte diesen Umstand im Jahr 1986: „Selbst Wissenschaftler haben sich der Frage des ‚Euro-Kommunismus‘ ange-
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Vgl. Arrigo Levi: Eurocommunism. Myth or Reality?, in: Paolo Filo della Torre/Edward Mortimer/Jonathan Story (Hrsg.): Eurocommunism. Myth or Reality?, New York 1979, S. 9f. Vgl. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus allgemein, 1/HEAA000408, Bundespresseagentur, Internationaler Frühschoppen „Wie weiß wird Europas roter Gürtel“, 08.02.1975. Vgl. Brogi: Confronting, S. 312. So zum Beispiel Gallokommunismus im französischen, Iberokommunismus im spanischen oder Italokommunismus im italienischen Fall.
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nommen – und am Ende wenig mehr erkundet als das, was ihrem politischen Standpunkt entsprach.“23 Die Folge waren entsprechende Publikationen, die sich – sei es implizit oder explizit – für oder gegen den Eurokommunismus aussprachen.24 Die Einschätzungen zum Eurokommunismus variierten daher je nach politischer Zielsetzung zwischen „Lenins treuen Jüngern“25 und einer linken Variante der Sozialdemokratie.26 Es gibt somit zwei Eurokommunismus-Begriffe: Zum einen existiert der in den 1970er Jahren wirkungsmächtige, von außen konstruierte, mit Zuschreibungen aufgeladene und dann zeitweise auch in der kommunistischen Bewegung übernommene Begriff des Eurokommunismus. Zum anderen kann der Begriff „Eurokommunismus“, wie in dieser Arbeit verwendet, als wissenschaftliche Analysekategorie für einen bestimmten Typus von reformorientierten kommunistischen Parteien in den 1970er und frühen 1980er Jahren benutzt werden. Denn auch wenn es in der Realität keine mittel- oder langfristig angelegte gemeinsame Strategie der eurokommunistischen Parteien gab, kam es doch in einigen westlichen kommunistischen Parteien zeitgleich zu ähnlichen Phänomenen, die unter dem Begriff „Eurokommunismus“ subsumiert werden können. Vor allem zwei grundlegende Merkmale fallen dabei auf: Abkehr vom oder zumindest deutliche Kritik am Sowjetkommunismus und Hinwendung zu einem westlich-demokratischen
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„Im linkssozialistischen Mantel“ von Heinz-Joachim Fischer, in: FAZ, 17.04.1986, S. 12. Vgl. Detlev Albers: Demokratie und Sozialismus in Italien. Der „historische Kompromiss“ und die Strategie der Parteien und Gewerkschaften, Frankfurt am Main, New York, 1978; ders./Josef Hindels/Lucio Lombardo Radice (Hrsg.): Otto Bauer und der „Dritte“ Weg. Die Wiederentdeckung des Austromarxismus durch Linkssozialisten und Eurokommunisten, Frankfurt am Main, New York 1979; Arbeitskreis Westeuropäische Arbeiterbewegung (Hrsg.): Eurokommunismus und marxistische Theorie; Henry A. Kissinger: Communist Parties in Western Europe. Challenge to the West, Stanford 1977; Helmut König: Der rote Marsch auf Rom. Entstehung und Ausbreitung des Eurokommunismus, Stuttgart 1978; Helga Koppel: Klassenkämpfe in Italien heute, Frankfurt am Main 1972; dies.: Die Entwicklung der Kommunistischen Partei Italiens zur Massenpartei, Marburg 1974; Silvius Magnago: Die Gefahren des Eurokommunismus, in: Friedrich Zimmermann (Hrsg.): Anspruch und Leistung. Widmungen für Franz Josef Strauß, Stuttgart 1980, S. 127–142; Alexander Scheurer/Reinhold West: Die Genese und Konsequenz des historischen Kompromisses – ein Versuch über Italien, Kassel 1978; Hans-Georg Wehling/Peter Pawelka (Hrsg.): Eurokommunismus und die Zukunft des Westens, Heidelberg 1979. Clemens M. Hutter: Eurokommunisten. Lenins treue Jünger, Krefeld 1978. Vgl. Anton Pelinka: Sozialdemokratie und Eurokommunismus. Zur Unmöglichkeit einer inhaltlichen Abgrenzung, in: Heinz Gärtner/Günter Trautmann (Hrsg.): Ein dritter Weg zwischen den Blöcken? Die Weltmächte, Europa und der Eurokommunismus, Wien 1985, S. 167–178.
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Parteienmodell. Beide Kriterien müssen in Theorie und Praxis umgesetzt werden und eine gewisse Kontinuität aufweisen, um nicht jede taktische Anpassung unter den Typ „Eurokommunismus“ fassen zu müssen. Nimmt man diese Grundvoraussetzungen und eine kontinuierliche eurokommunistische Reformphase von mindestens fünf Jahren als Kriterien, kann man nur die große Kommunistische Partei Italiens, die mittelgroßen Parteien Spaniens und Griechenlands (Inlandsrichtung) sowie die kleineren KPs Großbritanniens und San Marinos zu dem Typ der eurokommunistischen Parteien zählen.27 Auch die Mehrheit der finnischen KP war eurokommunistisch eingestellt, musste auf sowjetischen Druck hin bis Mitte der 1980er Jahre jedoch Rücksicht auf die orthodox-kommunistische Minderheit nehmen.28 Die Verwirrung bezüglich des Eurokommunismus betraf nahezu alle politischen Richtungen. Die Sowjetführung befürchtete eine Sozialdemokratisierung des westeuropäischen Kommunismus, die ein weiteres Schisma der kommunistischen Bewegung hätte auslösen können. Die US-Regierungen, die NATO und konservative Beobachter in den westlichen Staaten befürchteten eine Taktik eigentlich sowjettreuer Parteien. Sozialdemokraten warnten vor einer Vereinnahmung durch die Eurokommunisten inklusive einer späteren Unterdrückung der eigenen Parteien in Volksfrontregierungen, sahen jedoch auch die Chance auf einen demokratisierten Kommunismus. Die an sich mit der UdSSR in Konflikt stehende Führung der Volksrepublik China schien zwar mit der sowjetkritischen Haltung der Eurokommunisten einverstanden, befürchtete aber wiederum eine Schwächung der NATO gegen eine potenzielle sowjetische Aggression infolge der Regierungsbeteiligung von Eurokommunisten in Westeuropa.29 Innerhalb der kommunistischen Bewegung wurde der Eurokommunismus zeitweise sogar zu
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Auf die geringe Landesgröße bezogen stellte der Partito Comunista Sammarinese allerdings eine Massenpartei dar. Mit seinem ehemaligen Generalsekretär und damaligen Parteipräsidenten Ermenegildo („Gildo“) Gasperoni konnte die Partei ab Oktober 1978 einen der zwei „Capitani Reggenti“, also das Staatsoberhaupt San Marinos, stellen. Vgl. PAAA, Bestand B 26, Zwischenarchiv, Bd. 123285, Vermerk des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland Mailand an das Auswärtige Amt zu den neuen Staatsoberhäuptern (Capitani Reggenti) in San Marino. Zum Partito Comunista Sammarinese siehe auch: Donald F. Busky: Communism in History and Theory. The European Experience, Westport (Connecticut) 2002, S. 57f. Zur Entwicklung dieser Sonderform in der finnischen KP siehe: Dörr: Wandel des Kommunismus, S. 45–60. JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Brzezinski Office File, Box 41, CIA Memorandum, Office of Political and Regional Analysis, ohne Datum [1977], S. 2 (PRESNET NLC-15-41-9-3-8).
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einem Synonym für antisowjetisches Verhalten. So untermauerte 1978 beispielsweise Khalid Bakdasch, der Generalsekretär der syrischen Kommunisten, seine Loyalität gegenüber der KPdSU, indem er dem KGB versicherte, dass es unter ihm keinen Carrillo und Marchais geben werde.30 Die Verwirrung ging so weit, dass der US-Präsident und der albanische Diktator Enver Hoxha fast zeitgleich vor dem Eurokommunismus warnten. Während Hoxha dabei proklamierte „Eurokommunismus ist Antikommunismus“31, versuchten Ford und Kissinger genau das Gegenteil zu beweisen.32 In der Zielsetzung waren sie sich jedoch überraschend einig: Der Eurokommunismus stellte eine Gefahr für die eigenen Ziele dar und musste daher bekämpft werden.
2.1 Definitionsmerkmale des Eurokommunismus Den Eurokommunismus zu definieren, ist ein problematisches Unterfangen, da sich, wie bereits erwähnt, nie eine einheitliche theoretische Basis herausbildete. Die wenigen gemeinsamen Grundsätze eurokommunistischer Parteien ergeben sich aus verschiedenen Dokumenten. Hierzu zählen vor allem die Abschlusserklärungen der gemeinsamen Treffen dieser Parteien.33 Sucht man nach einem Grundlagenwerk, wird man am ehesten Santiago Carrillos Eurocomunismo y estado aus dem Jahre 1977 zitieren müssen.34 Allerdings zeichnet sich auch diese Publikation deutlich durch die nationale Erfahrung der spanischen Kommunisten aus und
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Vgl. Christopher Andrews/Vasili Mitrokhin: Das Schwarzbuch des KGB, Band 2, Moskaus Geheimoperationen im Kalten Krieg, Berlin 2006, S. 309. Enver Hoxha: Eurokommunismus ist Antikommunismus, Dortmund 1980. Hoxha ließ das Originalwerk (Eurokomunizmi është antikomunizëm, Tirana 1980) vom Institut für Marxistisch-Leninistische Studien beim ZK der Partei der Arbeit Albaniens in zahlreiche Sprachen übersetzen. Vgl. Kissinger: Communist Parties in Western Europe. Die gemeinsamen Deklarationen von PCI und PCE bzw. PCI und PCF sind abgedruckt in: Filo della Torre/Mortimer/Story (Hrsg.): Eurocommunism, S. 330–338. Hinzu kam die vielbeachtete Publikation von PCI und PCF zur Sicherheitspolitik aus dem Jahre 1973: Enrico Berlinguer/Georges Marchais: Democrazia e sicurezza in Europa, Rom 1973. Zu den Beziehungen zwischen PCI und PCF in der Phase des Eurokommunismus siehe: Alex MacLoed: The PCI‘s relations with the PCF in the Age of Eurocommunism, May 1973–June 1979, in: Studies in Comparative Communism, Vol. 13, Nr. 2-3/1980, S. 168–196. Santiago Carrillo: Eurocomunismo y estado, Barcelona 1977 (deutsche Ausgabe: Santiago Carrillo: Eurokommunismus und Staat, Hamburg, Berlin [West] 1977).
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kann daher nicht direkt auf die anderen Parteien des Eurokommunismus übertragen werden. Darüber hinaus schrieb Carrillo das Buch als politischer Praktiker und nicht als Theoretiker des Eurokommunismus.35 Der PCE-Generalsekretär benennt in seinem Werk „Demokratie, Mehrparteiensystem, Parlament und repräsentative Institutionen, Volkssouveränität, die regelmäßig über allgemeine Wahlen ausgeübt wird, vom Staat und von den Parteien unabhängige Gewerkschaften, Freiheit für die Opposition, Menschenrechte, religiöse Freiheiten, Freiheit des kulturellen, wissenschaftlichen, künstlerischen Schaffens und Entfaltung der Mitbestimmung des Volkes in den breitesten Formen auf allen Ebenen und in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens“36 als Definitionsmerkmale des von den Eurokommunisten angestrebten Sozialismus. Offensichtlich wird hierbei ein theoretisches Grundproblem des Eurokommunismus, das sich spätestens seit Ende der 1970er Jahre auch in der Praxis offenbarte: Eine Abgrenzung zum Demokratischen Sozialismus erschien kaum noch möglich. Die Sozialismusdefinition Carrillos hätte zeitgleich auch aus den Parteiprogrammen der SPD, der Labour Party, des Parti Socialiste oder der schwedischen Sozialdemokraten stammen können. Im namensgebenden Artikel Barbieris wurde Eurokommunismus lediglich als Umschreibung für kommunistische Parteien Westeuropas gebraucht, die sich in Richtung westlicher Demokratievorstellungen reformieren wollten und dadurch in Konflikt mit der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) gerieten, dafür aber im Gegenzug einen gewissen Erfolg bei Wahlen und in der Mitgliedergewinnung verzeichnen konnten. Diese Basisdefinition krankte daran, dass sie lediglich individuelle Prozesse einzelner kommunistischer Parteien beschrieb. Eine gemeinsame Strategie konnte aus dieser Definition nicht abgelesen werden. Tatsächlich stieg der Austausch unter den als eurokommunistisch bezeichneten Parteien seit den frühen 1970er Jahren an. Dennoch kam es erst spät zu weitergehenden gemeinsamen Initiativen. Den Höhepunkt stellte dabei das Treffen der Generalsekretäre der drei großen Parteien des Eurokommunismus am 3. März 1977 in Madrid dar.37 Allerdings führte das Treffen nicht zu einer langfristigen
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„Carrillo is not a political theoretician but rather a politician. Thus his arguments are not entirely smooth on the theoretical level.“ Jiří Valenta: Coalition Strategies and Tactics in Marxist Thought, in: Trond Gilberg (Hrsg.): Coalition Strategies of Marxist Parties, Durham (North Carolina) 1989, S. 52. Carrillo: Eurokommunismus und Staat, S. 119. Die gemeinsame Deklaration der Generalsekretäre von PCI, PCF und PCE ist abgedruckt in: Hans-Joachim Veen: Sozialismus, Kommunismus und die Integration Westeuropas, Melle 1978, S. 69f.
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gemeinsamen Strategie der drei Parteien. Bereits ein halbes Jahr später scherte der PCF unter Führung von Georges Marchais aus der Reihe der eurokommunistischen Parteien aus, brach die union de la gauche mit den französischen Sozialisten und attackierte die Reformkommunisten in Italien und Spanien. Der Handschlag zwischen den drei westeuropäischen Kommunisten in der spanischen Hauptstadt schien jedoch anderes zu suggerieren. (Siehe Abb. 5).38 Kritiker des Eurokommunismus sahen ängstlich in die hintergründig lächelnden Gesichter dreier sowjettreuer Kommunisten. Befürworter hofften auf das eurokommunistische Experiment , das weder wie im „Prager Frühling“ 1968 von der Sowjetunion noch, wie im Falle der Regierung der Unidad Popular in Chile 1973, von den Vereinigten Staaten zerstört werden sollte. Insbesondere die italienischen Kommunisten erhöhten im Zuge des Eurokommunismus ihre internationale Aktivität. So war es bereits vor dem Treffen in Madrid zu gemeinsamen Erklärungen zwischen PCI und PCE (12. Juli 1975), PCI und PCF (15. November 1975) und einem gemeinsamen öffentlichen Auftritt der beiden Generalsekretäre Berlinguer und Marchais am 3. Juni 1976 in Paris gekommen. Während der Kundgebung in der französischen Hauptstadt benutzte Berlinguer den Begriff „Eurokommunismus“ erstmals in der Öffentlichkeit.39 Hinzu kamen in der Presse und Publizistik weniger beachtete Deklarationen, so unter anderem zwischen dem PCI und der Kommunistischen Partei Japans im September 1975 und zwischen der Communist Party of Great Britain (CPGB) und den italienischen Kommunisten im April 1976.40 Abseits der Parteiebene kam es auch zu vermehrten Treffen zwischen dem eurokommunistischen Gewerkschaftsvorsitzenden der Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL)41 und Vertretern des kommunistischen Dachverbands in Frankreich, der
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Enrico Berlinguer, Santiago Carrillo und Georges Marchais am 03. März 1977 in Madrid. Vgl. Silvio Pons: The Rise and Fall of Eurocommunism, in: Melvyn P. Leffler/Odd Arne Westad (Hrsg.): The Cambridge History of the Cold War, Band 3. Endings, Cambridge, New York 2010, S. 54. Vgl. Sergio Segre: Wer hat Angst vor dem Eurokommunismus? – Der italienische Weg zum Sozialismus, in: Manfred Spieker (Hrsg.): Der Eurokommunismus – Demokratie oder Diktatur?, Stuttgart 1979, S. 111ff. In den 1970er Jahren kann man von drei einflussreichen Gewerkschaftsdachverbänden in Italien sprechen. Die CGIL war kommunistisch orientiert und mit 4,3 Millionen Mitgliedern 1977 der mit Abstand größte Dachverband, die Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL) hatte als christdemokratische Gewerkschaft 2,8 Millionen Mitglieder, die Unione Italiana del Lavoro (UIL) als sozialdemokratisch-sozialistisch-linksliberale Gewerkschaft knapp eine Million eingeschriebene Anhänger. Vgl. Timmermann (Hrsg.): Dokumente zum Eurokommunismus, S. 21.
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Confédération Générale du Travail (CGT).42 Die aus diesen Treffen hervorgegangenen, meist bilateralen Kommuniqués stellen die einzigen gemeinsam erarbeiteten Grundlagendokumente des Eurokommunismus dar. Mit Ausnahme der Jahre 1975 bis 1977 kam es nicht einmal zu einer weitergehenden strategischen Abstimmung zwischen den zentralen Parteien des Eurokommunismus. Ein ernsthafter Versuch der Herausbildung einer einheitlichen eurokommunistischen Theorie wurde nie unternommen. Dafür standen vor allem die Protagonisten Berlinguer und Marchais dem Konzept einer gemeinsamen strategischen Linie zu kritisch gegenüber. Man muss daher konstatieren, dass die Faszination des Eurokommunismus zwar in hohem Maße transnational war, seine Ausarbeitung jedoch größtenteils national verlief. Erst durch seine Aufladung als politischer Kampfbegriff wurde er von außen zu einer vermeintlich starken und geschlossenen Bewegung im Weltkommunismus gemacht. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass in denjenigen Staaten des westlichen Bündnisses, in denen die Angst vor einer geschlossenen und erfolgreichen kommunistischen Bewegung am größten war, mehrheitlich die Bezeichnung „Eurokommunismus“ verwendet wurde (so vor allem in den USA, der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien), während der Begriff in den Staaten, die über starke kommunistische Parteien verfügten, nur im geringerem Maße verwendet wurde, da dort primär die nationalen Wege zum Sozialismus (compromesso storico, union de la gauche) debattiert wurden. Es ist daher angebracht von einem spezifischen italienischen Eurokommunismus zu sprechen.
2.2 Typen des parteipolitischen Kommunismus in Westeuropa nach 1968 Benutzt man Eurokommunismus als wissenschaftliche Analysekategorie, lassen sich in Westeuropa vier Typen kommunistischer Parteien im Untersuchungszeitraum identifizieren. In die erste Gruppe fallen die der Sowjetunion gegenüber weiterhin loyalen Parteien. Die größte und einflussreichste Partei dieses Typs
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Zum Verhältnis von PCI und PCF zu den kommunistischen Gewerkschaften in der Phase des Eurokommunismus siehe: Lutz Raphael: Partei und Gewerkschaft. Die Gewerkschaftsstrategien der kommunistischen Parteien Italiens und Frankreichs seit 1970, Münster 1984; Michael Braun: Die italienischen Gewerkschaften und die Kommunistische Partei in der „Nationalen Solidarität“ (1976–1979). Zwischen Einheit und Spaltung, Frankfurt am Main u. a. 1992.
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stellte in den 1970er Jahren der Partido Comunista Português (PCP) mit knapp 120 000 Mitgliedern unter seinem Generalsekretär Álvaro Cunhal dar.43 Die Deutsche Kommunistische Partei muss ebenfalls zu dieser Gruppe gezählt werden. Diese moskautreuen Parteien standen auch in den Krisenmomenten nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968, dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan 1979 und der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen 1981 in enger Loyalität zur KPdSU. Der Eurokommunismus hatte auf sie keine signifikante Wirkung. Es kam in diesen Parteien zu keinen Reformen im Hinblick auf die innerparteiliche Demokratie. In ihrer Außen- und Sicherheitspolitik ordneten sie sich dem Konzept des „Proletarischen Internationalismus“ unter. Eurokommunisten wurden hingegen genauso kritisiert wie osteuropäische Dissidenten. Mário Soares, der Vorsitzende der Sozialisten in Portugal und spätere Staatspräsident, umschrieb diesen Umstand 1979 folgendermaßen: „Ma per Cunhal i paesi dell’est sono sempre il paradiso e i dissidenti sono agenti dell’imperialismo.“44 Die Parteien des zweiten Typus lassen sich als taktische Reformer beschreiben. Sie orientierten sich weitestgehend an der KPdSU. Aus machtpolitischen und vor allem wahltaktischen Gründen gaben sie jedoch zeitweise nach außen einen Reformkurs vor, der durch symbolische Handlungen ergänzt wurde. Der Eurokommunismus wirkte durch seine hohe Popularität auf diese Parteien attraktiv. Sie adaptierten ihn daher zeitweise, um an dem Erfolg von Parteien wie dem PCI partizipieren zu können. Inhaltlich blieb der Großteil dieser Parteiführungen jedoch an der KPdSU orientiert. Die Parteien des zweiten Typus kehrten spätestens nach dem Ende des Eurokommunismus zu einer orthodox-kommunistischen Orientierung zurück. Prägnantestes Beispiel hierfür ist der PCF mit seinen radikalen Politikwechseln 1977 und 1984. Der dritte Typus bezeichnet reformorientierte Parteien, die sich in den 1970er Jahren nachhaltig von der sowjetischen Bevormundung lösen konnten. Diese Entwicklung wurde zusätzlich durch ausgiebige programmatische und institutionelle Reformen untermauert. Hierzu zählten beispielsweise die Abschaffung des demokratischen Zentralismus, der Verzicht auf die Forderung nach der Diktatur
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Zum PCP siehe: Carlos A. Cunha: The Portuguese Communist Party's Strategy for Power 1921–1986, New York 1992; Heinz Ramseier: Die Kommunistische Partei Portugals, in: Alfons Dalma et al.: Euro-Kommunismus. Italien, Frankreich, Jugoslawien, Spanien, Portugal, Zürich 1977, S. 89–108. Diese und die folgenden Übersetzungen stammen vom Verfasser: „Aber für Cunhal sind die Länder des Ostens immer das Paradies und die Dissidenten sind Agenten des Imperialismus“, in: FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0427, 1881, „Intervista con Soares, leader del Ps portoghese“ von Fausto De Luca in: La Repubblica, 07.10.1979.
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des Proletariats und die Einführung von parteiinternen Minderheitenrechten. Dieser Typus von Parteien kann als „eurokommunistisch“ bezeichnet werden. Ihm lassen sich vor allem der Partito Comunista Italiano sowie zumindest bis in die frühen 1980er Jahre die spanischen Kommunisten zuordnen. Im Falle kleiner kommunistischer Parteien, die über eine sowjetkritische Mehrheit verfügten, konnte die KPdSU ihre Macht und Mittel ausspielen: entweder um einen Ausschluss der reformorientierten Protagonisten zu erreichen, so beispielsweise bei der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) 1969/1970, oder, wie im Falle der australischen KP 1971, der norwegischen KP 1975 oder der schwedischen KP 1977, um eine Spaltung zu provozieren.45 In einigen dieser Fälle nutzten die sowjetischen Kommunisten in Abhängigkeit stehende Bruderparteien wie die SED, um zusätzlichen Druck auf die entsprechenden KPs aufzubauen.46 Bei der Kommunistischen Partei Italiens konnte die KPdSU keine offene Spaltung initiieren, da der reformorientierte Flügel zu groß war. Der vierte Typus stellt einen Sonderfall dar. Er wurde von Parteien gebildet, die einen Proporz zwischen eurokommunistischen Reformern und der Sowjetunion gegenüber loyalen Kommunisten in der Besetzung von Parteiämtern einführten, um die Spaltung der Partei zu verhindern. Häufig geschah dies auf Druck der KPdSU hin. Bis zur Abspaltung der Partei Demokraattinen Vaihtoehto 1986 traf dies beispielsweise auf die Kommunistische Partei Finnlands zu.47
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Vgl. Heinz Timmermann: Methoden und Muster sowjetischer Einflußnahme auf die Westkommunisten, Köln 1982, S. 11f.; PAAA, Bestand B 42, Zwischenarchiv, Bd. 132765, Vermerk der bundesdeutschen Botschaft Stockholm an das Auswärtige Amt zu den Abgrenzungsbestrebungen der kommunistischen Partei Vpk (Linkspartei der Kommunisten), 03.08.1977, Stockholm. So übte die SED zum Beispiel Druck auf die Reformer in der KPÖ aus. Vgl. Maximilian Graf/Michael Rohrwasser: Die schwierige Beziehung zweier „Bruderparteien“. SED, KPÖ, Ernst Fischer und Franz Kafka, in: Jochen Staadt (Hrsg.): Schwierige Dreierbeziehung. Österreich und die beiden deutschen Staaten, Frankfurt am Main 2013, S. 137– 178; Heinz Timmermann: Grundpositionen und Spielräume der SED am Beispiel ihres Verhältnisses zu den westeuropäischen Kommunisten, Köln 1984, S. 7f.; Maximilian Graf: Parteifinanzierung oder Devisenerwirtschaftung? Zu den Wirtschaftsbeziehungen von KPÖ und SED, 1946–1989, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2014, S. 229–247. Auch gegenüber den kommunistischen Parteien in Dänemark und Norwegen übte die SED Druck aus. Vgl. PAAA, Bestand B 38, Zwischenarchiv, Bd. 115122, Fernschreiben der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR an das Auswärtige Amt über die Beratungen der SED mit den KPen Dänemarks und Norwegens, 14.06.1977, Berlin (Ost). Vgl. Christian Zänker: Die endgültige Spaltung der finnischen Kommunisten, in: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, Nr. 1/1987, S. 83–88.
3. Die Entwicklung und Bedeutung des Eurokommunismus im Partito Comunista Italiano
Die Erklärungen für die Entstehung einer reformkommunistischen Bewegung in Westeuropa sind vielfältig. Betrachtet man die zwei größten Parteien, die in der zeitgenössischen Debatte dem Eurokommunismus zugerechnet wurden, erkennt man, dass es keine einheitliche Entwicklung hin zu einer eurokommunistischen Reformpolitik gab. Vielmehr standen die Wege des Partito Comunista Italiano und des Parti Communiste Français einander diametral gegenüber. Während die italienische Entwicklung zum Eurokommunismus als evolutionär beschrieben werden kann, muss die französische als revolutionär bezeichnet werden, da sie mehrere abrupte Wechsel der politischen Linie beinhaltete. Die Mehrheit der zeitgenössischen Werke widmete sich insbesondere der theoretischen Entwicklung des Eurokommunismus.1 Häufig wurde in diesen Publikationen gefragt, ob es sich beim Eurokommunismus überhaupt noch um eine Form des Marxismus-Leninismus handele. Tatsächlich bedeuteten die Reformen, die man unter dem Signum „Eurokommunismus“ zusammenfasste (Abschaffung des demokratischen Zentralismus, Verzicht auf eine gewaltsame Revolution, Anerkennung der Abwählbarkeit von Regierungen, Verzicht auf das Transmissionsriemenprinzip, Akzeptanz parteiinterner Kritiker u. a.), einen weitgehenden Verzicht auf die Konzepte Lenins in Theorie und Praxis. Lucio Lombardo Radice, Mitglied des ZK des PCI, sagte hierzu 1977 im Spiegel: „Nach meiner
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Vgl. Albers/Hindels/Lombardo Radice (Hrsg.): Otto Bauer und der „Dritte“ Weg; Armen Antonian: Toward a Theory of Eurocommunism. The Relationship of Eurocommunism to Eurosocialism, New York 1987; Arbeitskreis Westeuropäische Arbeiterbewegung (Hrsg.): Eurokommunismus und marxistische Theorie; Fernando Claudin: Eurocommunism and Socialism, London 1978; Bertrand Julian de Clercq: Eurocommunisme en Westers Marxisme, Meppel, Antwerpen 1979; Helga Grebing: Der Revisionismus. Von Bernstein bis zum Prager Frühling, München 1977, S. 241–265; Annie Kriegel: Un autre communisme?, Paris 1977; Karin Priester: Eurokommunismus und Pluralismus, in: Frankfurter Hefte, 35. Jahrgang, Nr. 3/1980, S. 13–22; George Schwab (Hrsg.): Eurocommunism, the Ideological and Political-Theoretical Foundations, Westport (Connecticut) 1981; Mohit Sen/Dilip Bose: Eurocommunism or Scientific Socialism, Neu Dehli 1979; Rafael de la Vega: Ein Revisionismus gegen Lenin? Kritische Betrachtungen über den ‚Eurokommunismus‘ am Beispiel Spanien, in: Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften, 19. Jahrgang, Heft 102, 1977, S. 228–239.
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Ansicht sollte sich unsere Partei auf Marx alleine berufen.“2 Cris [sic] Shore hat die Entwicklung des PCI daher treffend als „escape from Leninism“3 bezeichnet. Das Verhältnis zu Lenin stellte eine der zentralen Auseinandersetzungen zwischen Eurokommunisten und Sowjetkommunisten, aber auch zwischen Eurokommunisten und Sozialdemokraten dar.4 Die konsequente Umsetzung der als eurokommunistisch bezeichneten Reformen brachte Parteien wie den PCI letztendlich auch theoretisch in die Nähe der westeuropäischen Sozialdemokratie der 1970er Jahre: „In dieser Hinsicht kann man den Eurokommunismus auch in gewisser Weise als Wiederaufnehmen oder Weiterentwicklung der Gedanken der ‚frühen Revisionisten‘ sehen, die das, was von Marx und Engels Werken bereits veröffentlicht worden war, nicht im Sinne eines einseitigen ‚Ökonomismus‘ interpretierten, sondern an Leitgedanken anknüpften, die auf eine ethische, moralische und kulturelle Erneuerung der menschlichen Gesellschaft abzielten (Karl Korsch und Georg Lukács, Eduard Bernstein und Karl Kautsky, Antonio Gramsci).“5 Tatsächlich offenbaren die Quellen jedoch, dass die kontinuierlich stärker werdende Abwendung vom sowjetischen Marxismus-Leninismus-Verständnis weniger auf theoretischen Vorarbeiten beruhte, sondern vielmehr eine pragmatische Anpassung an reale Gegebenheiten darstellte. In der politischen Praxis verfolgte der PCI bereits seit der svolta di Salerno6 1944 eine reformorientierte Politik, die allerdings anfänglich von der Sowjetunion gedeckt wurde und daher primär aus taktischen Gründen erfolgte. Infolge von Nikita Chruschtschows Geheimrede und Palmiro Togliattis Polyzentrismusthese veränderte der PCI sukzessive seine Kommunismusinterpretation, spätestens seit der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 auch gegen den sowjetischen Willen. Der Eurokommunismus gab der Parteiführung in den 1970er Jahren die Möglichkeit, Organisation, Außenbeziehungen und Theorie dieser reformorientierten Praxis weiter anzupassen und die Abhängigkeit der Partei von der KPdSU zu vermindern. Für den PCI stellte der Eurokommunismus somit eine Transitionsphase dar, die in Anlehnung an den programmatischen Wandel der SPD 1959 als kommunistisches Bad Go-
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Lucio Lombardo Radice zitiert in: Der Spiegel, Nr. 51, 12.12.1977, S. 132. Cris Shore: Italian Communism. The Escape from Leninism, London, Concord (Massachusetts) 1990. Vgl. Luciano Canfora: La crisi dell’est e il Pci, Bari 1990, S. 87. Klaus Kellmann: Pluralistischer Kommunismus? Wandlungstendenzen eurokommunistischer Parteien in Westeuropa und ihre Reaktion auf die Erneuerung in Polen, Stuttgart 1984, S. 42. Die svolta di Salerno wird in den folgenden Abschnitten erläutert.
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desberg beschrieben werden kann.7 1980 griffen der kommunistische Parteiphilosoph Angelo Bolaffi und Giacomo Marramao dieses Beispiel auf und fragten ihre eigene Partei im PCI-Theorieorgan Rinascita: „Chi ha paura di Bad Godesberg?“8 Dennoch darf im italienischen Fall die theoretische Vorleistung Antonio Gramscis für die Entwicklung des PCI keinesfalls unterschätzt werden.9 Allerdings kann Gramsci nicht allein als maßgeblich für die Herausbildung eines westlichorientierten Reformkommunismus bezeichnet werden. Schließlich existierte dessen Theorie auch als sich der PCI in der direkten Nachkriegsperiode weitestgehend der Führung durch die KPdSU unterordnete. Gramscis Schriften stellten vielmehr eine Art Werkzeug zur theoretischen Rechtfertigung der Reformpolitik des PCI dar. Als solches wurde Gramsci seit den 1970er Jahren wieder verstärkt genutzt, so vor allem in dem auf Gramscis Konzept des blocco storico basierenden compromesso storico von Enrico Berlinguer. Zentrale Akteure der italienischen Kommunisten hatten frühzeitig erkannt, dass der Sowjetkommunismus zumindest in Italien langfristig nicht zukunftsfähig sein würde. Die Sowjetunion konnte demnach nicht dauerhaft als Vorbild dienen. Mitte der 1970er Jahre gab es erste Tendenzen hin zu einer Sozialdemokratisierung des PCI, die sich in den 1980er Jahren kontinuierlich verstärkten. So antwortete Paolo Spriano, Historiker und ZK-Mitglied des PCI, am 16. Juli 1976 auf die Frage des Journalisten Lanfranco Vaccari, ob sich die italienischen Kommunisten in Richtung Sozialdemokratie bewegen würden: „If there is one thing that does not bother us, it is to be accused of revisionism.“10 Zwei Jahre später erklärte der ehemalige EG-Kommissar und damalige Abgeordnete im Europäischen Parlament Altiero Spinelli11: „The voters the Communists attract are, ideologically
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Zur Entstehung und Umsetzung des Godesberger Programms siehe: Kurt Klotzbach: Der Weg zur Staatspartei. Programmatik, praktische Politik und Organisation der deutschen Sozialdemokratie 1945 bis 1965, Berlin (West) 1982, S. 356–494. Dt. „Wer hat Angst vor Bad Godesberg?“. Angelo Bolaffi/Giacomo Marramao: Chi ha paura di Bad Godesberg?, in: Rinascita, Nr. 37, 19.09.1980, S. 29–31. Der Artikel erschien auch in deutscher Übersetzung: Angelo Bolaffi/Giacomo Marramao: Wer hat Angst vor Bad Godesberg?, in: PROKLA – Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik, 10. Jahrgang, Nr. 4/1980, S. 55–64. Vgl. Kroll: Kommunistische Intellektuelle, S. 464–474. Paolo Spriano zitiert in: Norman Kogan: The Italian Communist Party. The Modern Prince at the Crossroads, in: Rudolf L. Tökés (Hrsg.): Eurocommunism and Détente, New York 1978, S. 68. Altiero Spinelli (1907–1986), 1924 Mitglied des PCdI, 1928–1937 Haft wegen antifaschistischen Widerstands gegen die Mussolini-Diktatur, anschließend bis 1943 Verbannung, 1937 Ausschluss aus dem PCdI wegen seiner Kritik an Stalin, 1941 Mitverfasser des
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speaking, Social Democratic votes. This is not a party of militants – it is a party of millions of ordinary, reform-hungry people, and the apparat12 at grass-root levels is also Social Democratic much more than Marxist or Leninist.“13 Mit dem Eurokommunismus konnte die kommunistische Basis an diesen kulturellen Wandel vom Kommunismus sowjetischer Prägung hin zur westeuropäischen Sozialdemokratie gewöhnt werden. Als Übergangsphase zwischen diesen beiden Extrempunkten spielte der Eurokommunismus innerparteilich eine zentrale Rolle. In den Außenbeziehungen der Partei diente der Eurokommunismus zur Neuverortung im westeuropäischen Parteiensystem und zum Aufbau neuer Kontakte abseits der bestehenden Beziehungen zur KPdSU und zu den kommunistischen Bruderparteien. Erst auf diese Weise konnte die PCI-Führung um Berlinguer und dessen Nachfolger eine Alternative aufbauen, die mit zunehmender Entfremdung von der KPdSU wichtiger wurde und letztendlich den Weg in die Sozialistische Internationale ebnete. Eine derart massive Kritik an der Sowjetunion und den kommunistischen Diktaturen Osteuropas wie nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan Ende 1979 oder nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen im Dezember 1981 wäre ohne die in den 1970er Jahren aufgebauten Kontakte zu westeuropäischen Partnern, vor allem zur SPD, undenkbar gewesen. Ohne diese neuen Beziehungen wären die italienischen Kommunisten international vollkommen isoliert gewesen. Für den PCI hatte der Eurokommunismus somit eine innere und äußere Funktion. Zentrale Wegmarken für die Entwicklung eines eigenständigen kommunistischen Profils des PCI waren vor allem die Polyzentrismusthese Palmiro Togliattis 1956, deren Verstärkung und Ausformung in Togliattis Memoriale di Yalta 1964 sowie Enrico Berlinguers Artikelserie Riflessioni sull'Italia dopo i fatti del Cile im Theorieorgan Rinascita 1973, welche die bereits erwähnte Strategie des compromesso storico begründete. Im Folgenden wird die Entwicklung der Kommunistischen Partei Italiens mit einer Konzentration auf die genannten Wendepunkte
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proeuropäischen Manifests von Ventotene, 1970–1976 EG-Kommissar für Industrie, Handel, Forschung, Technologie und Zollfragen (verschiedene Zuschnitte des Kommissariats während seiner Amtszeit), 1976 Kandidatur als unabhängiger Linker auf der Liste des PCI bei den italienischen Parlamentswahlen, 1976–1979 Abgeordneter im italienischen Abgeordnetenhaus, 1976–1986 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Obwohl er selbst nicht mehr Mitglied des PCI war, galt Spinelli in den 1970er und 1980er Jahren als der führende Europapolitiker der italienischen Kommunisten. Kursiv im Original. Altiero Spinelli: How European are the Italian Eurocommunists?, in: George R. Urban (Hrsg.): Eurocommunism. Its Roots and Future in Italy and Elsewhere, London 1978, S. 186.
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dargestellt, da sie für das weitere Verständnis des Eurokommunismus im PCI unabdingbar ist.
3.1 Die Entstehung des Partito Comunista Italiano Gegründet wurde die Kommunistische Partei Italiens am 21. Januar 1921 als Abspaltung von der Sozialistischen Partei während deren XVII. Parteitags in der toskanischen Hafenstadt Livorno im dortigen Teatro San Marco.14 Die Revolutionisten im Partito Socialista Italiano um Amadeo Bordiga und Antonio Gramsci hatten sich zuvor für eine vollständige Annahme der 21 Bedingungen für den Beitritt zur Dritten Internationale ausgesprochen, was sowohl von den Reformisten als auch den Maximalisten15 in der Partei abgelehnt wurde.16 Zwar hatte die Mehrheit im PSI für einen Anschluss an die Internationale gestimmt, der geforderte Ausschluss der Reformisten war jedoch ebenso wie die Umbenennung von Sozialistische in Kommunistische Partei Italiens abgelehnt worden. Die Folge war die Spaltung der Partei. Von ihrer Gründung bis zur Auflösung der Kommunistischen Internationale (Komintern) 1943 nannte sich die neugegründete Partei Partito Comunista d’Italia – Sezione della Internazionale Comunista (PCdI), anschließend Partito Comunista Italiano.17 Einen ersten Achtungserfolg konnte die seinerzeit knapp
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Vgl. John M. Cammet: Antonio Gramsci and the Origins of Italian Communism, Stanford 1967, S. 141–155. Innerhalb der italienischen Sozialisten gab es seinerzeit eine ausgeprägte Flügelbildung zwischen den Maximalisten (socialisti massimalisti) und Reformisten (socialisti riformisti). Erstere verfolgten sozialistische Maximalziele und setzten sich daher für eine harte Opposition gegen die Regierung ein. Letztere waren offen für Kompromisse und Koalitionen, um sukzessive Erfolge für die Arbeiterklasse zu erreichen. Die Spannungen zwischen beiden Flügeln führten vor allem in den 1920er Jahren zu zahlreichen Abspaltungen größerer und kleinerer Parteien und Gruppen. Vgl. Giuseppe de Rosa: Sozialismus und Kommunismus in Italien, in: Oberndörfer (Hrsg.): Sozialistische und kommunistische Parteien, S. 140. Die verschiedenen Parteinamen zeigten die von der Sowjetunion vorgegebenen, unterschiedlichen politischen Rahmenbedingungen an. Während Partito Comunista d’Italia (Kommunistische Partei von Italien) verdeutlichte, dass es im Rahmen der Komintern nur nationale Sektionen der kommunistischen Weltbewegung geben könne, stand die Namensänderung in Partito Comunista Italiano (Kommunistische Partei Italiens) 1943 für die – seinerzeit in der Realität allerdings kaum existierende – Unabhängigkeit der Kommunistischen Partei von sowjetischer Bevormundung im nationalen Kontext. Ähn-
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vier Monate alte Partei bei den italienischen Parlamentswahlen am 15. Mai 1921 feiern. Mit über 300 000 Wählerstimmen erreichte der PCdI 4,6 Prozent und damit 15 Sitze in der Abgeordnetenkammer. Fünf Jahre später wurde die Partei von der Mussolini-Diktatur verboten, existierte und agierte aber weiterhin klandestin im Untergrund. In der Gründungsphase zeichnete sich die Partei durch Auseinandersetzungen der Führungsfiguren Bordiga und Gramsci aus. Letzterer sprach sich nach der Parteigründung – im Einklang mit der Komintern – für eine Einheitsfront mit den Sozialisten gegen den Faschismus aus. Bordiga lehnte dies vehement ab. Der Gramsci-Flügel setzte sich im Januar 1926 auf dem Exil-Parteikongress im französischen Lyon durch und Bordiga wurde schließlich 1930 aufgrund seiner Unterstützung Trotzkis aus dem PCdI ausgeschlossen.18 Infolge der Inhaftierung der beiden Führungsfiguren Gramsci und Bordiga durch die faschistische Regierung Mussolinis und der anschließenden Verbannung auf die nördlich von Sizilien gelegenen Insel Ustica wurde Palmiro Togliatti 1927 zum neuen Parteiführer bestimmt. Die Kommunistische Partei ordnete sich in der Folgezeit der Führung durch die Komintern unter.19 Gramsci wurde nach Anklage und Prozess in Rom in das Gefängnis im apulischen Turi verbracht und blieb bis 1937 inhaftiert.20 Zu Beginn des Jahres 1929 begann er mit der Aufzeichnung seiner politischen und ökonomischen Theorien, die später unter dem Namen Quaderni del carcere (dt. Kerker- bzw. Gefängnishefte) bekannt wurden. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich in der Haft dramatisch. Er erkrankte unter anderem an Tuberkulose und erlitt im August 1932 eine Hirnblutung. Nach dem Aufenthalt in verschiedenen Häftlingskrankenhäusern und Kliniken wurde Gramsci im April 1937 offiziell aus der Haft
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liche Namensänderungen fanden aus taktischen Gründen auch bei anderen kommunistischen Parteien statt. So hieß der Parti Communiste Français ursprünglich Section Française de l`International Communiste (Französische Sektion der Kommunistischen Internationale). Bordiga gründete 1943 in Opposition zum PCI den anschließend weitgehend bedeutungslosen Partito Comunista Internazionalista. Zu Bordiga siehe: Franco Livorsi: Amadeo Bordiga. Il pensiero e l'azione politica, 1912–1970, Rom 1976. Einen Schwerpunkt auf die Niederlage Bordigas gegen den Gramsci-Flügel im PCI legt folgende Biografie: Arturo Peregalli/Sandro Saggioro: Amadeo Bordiga. La sconfitta e gli anni oscuri (1926– 1945), Mailand 1998. Vgl. Eric Hobsbawm: Revolutionaries. Revised and updated Edition, London 1999, S. 36– 49. Zur Biografie Gramscis siehe ausführlich: Giuseppe Fiori: Das Leben des Antonio Gramsci. Eine Biographie, Berlin 2013.
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entlassen, starb aber bereits wenige Tage später am 27. April an einer weiteren Hirnblutung in Rom.
3.1.1 Der Marxismus Antonio Gramscis: der blocco storico als Vorläufer des compromesso storico Gramscis Hauptwerke entstanden größtenteils während seiner Haftzeit zwischen 1929 und 1935. Neben den Quaderni del carcere gelten vor allem seine im Gefängnis verfassten Briefe als Grundlagen des Gramscianismus. Ihre Wirkung konnten Gramscis Aufzeichnungen erst nach seinem Tode entfalten. Seine Schwägerin Tatiana („Tania“) Schucht konnte die Schriften nach dem Ableben Gramscis an sich nehmen und 1938 nach Moskau senden. Erst nach Kriegsende konnten die Werke in Italien in einer sechsbändigen Ausgabe, die zwischen 1948 und 1951 editiert wurde, erscheinen.21 Gramscis Interpretation unterscheidet sich in weiten Teilen vom sowjetischen Marxismus-Leninismus. Auch wenn sich der PCI bis in die 1950er Jahre eng an die KPdSU anlehnte, spielte die Konzeption Gramscis immer eine wichtige Rolle im Selbstverständnis der italienischen Kommunisten. In den Phasen der Auseinandersetzung mit Moskau, so vor allem bei der Verkündung von Togliattis Polyzentrismusthese, der Kritik am Einmarsch in die ČSSR und der Periode des Eurokommunismus, wurde auf Gramscis Schriften zurückgegriffen. Die zentrale Rolle spielte hierbei sein Hegemoniekonzept, das sich deutlich von dem sowjetischen Modell der Machteroberung unterschied.22 Hegemonie verstand Gramsci als konsensuales Prinzip der Machtausübung: „Hegemonie beruht auf Zustimmung, Gleichberechtigung, Anerkennung, auf Konsens seitens derer, auf die sie sich erstreckt.“23 Nach Gramsci konnte sich in einem westeuropäischen Staat mit entwickeltem Bürgertum eine gewaltsame Revolution nach bolschewistischem Vorbild nicht langfristig durchsetzen. In einem solchen Staat würde eine zahlenmäßig kleine Avantgardepartei von Berufsrevolutionären mit einem gewaltsamen Umsturz keinen dauerhaften Erfolg haben, da die Gegner einer sozialistischen Revolu-
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Vgl. Wolfgang Fritz Haug: Einleitung, in: Antonio Gramsci: Gefängnishefte. Band 1, hrsg. von Klaus Bochmann/Wolfgang Fritz Haug im Auftrag des Deutschen GramsciProjekts, Hamburg 1991, S. 36f. Zu Gramscis Hegemoniekonzept siehe auch: Thomas R. Bates: Gramsci and the Theory of Hegemony, in: James Martin (Hrsg.): Antonio Gramsci. Critical Assessments of Leading Political Philosophers, London, New York 2002, S. 245–262. Harald Neubert: Antonio Gramsci. Hegemonie – Zivilgesellschaft – Partei. Eine Einführung, Hamburg 2001, S. 67.
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tion erfolgreich Gegenwehr leisten könnten. Die Nichtbeachtung des Gegensatzes zwischen der größtenteils bürgerlichen Zivilgesellschaft und einer proletarischen Führung verhindere einen langfristig erfolgreichen Aufbau des Sozialismus, wie Harald Neubert betont: „Wie wir aus der Geschichte des Scheiterns dieses sowjetischen Sozialismusmodells wissen, ließ sich die Missachtung des Dualismus von politischer und ziviler Gesellschaft auch im Sozialismus nicht auf Dauer unterdrücken. Im Endeffekt artikulierte sich die Zivilgesellschaft nicht als Pendant, sondern in einem gesellschaftlichen Konflikt als Gegensatz zur politischen Gesellschaft, was wesentlich zum Zusammenbruch des Sozialismus beitrug.“24 Der von Gramsci „Hegemonialapparat“ genannte Bereich der Medien, Kunst und Erziehung müsse vielmehr kommunistische Überzeugungsarbeit leisten, um anschließend auch die Institutionen des „Zwangsapparates“ wie Justiz, Polizei und Militär zu Anhängern des Kommunismus zu machen.25 Dementsprechend sollte eine kommunistische Partei in westlichen Staaten hochgradig kompromissbereit sein: „Hieraus folgt, wenn man Gramscis sehr theoretisch formulierte Aussage in die gesellschaftspolitische Praxis übersetzt […], dass es den Herrschenden gelingen muss und auch gelingt, in einem historischen Block26 möglichst viele an der Herrschaft nicht Beteiligte, das heißt ‚Subalterne‘, ideologisch an sich zu binden, Gemeinsamkeiten mit ihnen zu konstruieren. Wenn das gelingt, ist Hegemonie derer, die im Block das Sagen haben, auf konsensualer Basis gewährleistet.“27 Diese theoretische Fundierung, von Lucio Magri als „Gramsci-Genom“28 beschrieben, prägte in den folgenden Jahrzehnten die Politik der italienischen Kommunisten. Als „kommunistischer Revisionist“29 beeinflusste Gramsci maßgeblich die folgenden Generalsekretäre des PCI. Sowohl Togliattis Konzept des policentrismo als auch Berlinguers compromesso storico beriefen sich auf ihn.30 Auch das theoretische Hauptwerk des spanischen Generalsekretärs Santiago Carrillo „Eurokommunismus und Staat“ lässt sich in weiten Teilen als Fortentwicklung von Gramscis Konzept des blocco storico lesen. Dies gilt vor allem für die Abschnitte, die sich mit einer veränderten, positiven Haltung der Eurokommunisten gegen-
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Ebenda, S. 62. Vgl. de Rosa: Sozialismus und Kommunismus, S. 146ff. Kursiv im Original. Neubert: Antonio Gramsci, S. 84. Lucio Magri: Der Schneider von Ulm, Hamburg 2014, S. 48. Leszek Kołakowski: Die Hauptströmungen des Marxismus. Entstehung, Entwicklung, Zerfall, Band 3, München 1979, S. 243. Vgl. Eric Hobsbawm: How to Change the World. Marx and Marxism, 1840–2011, London 2011, S. 336f.
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über den vermeintlichen „Zwangsapparaten“ Militär und Polizei beschäftigen.31 Die Wiederentdeckung Gramscis im Zuge des Eurokommunismus wurde darüber hinaus durch die vom Philosophen und PCI-Mitglied Valentino Gerratana in den 1970er Jahren herausgegebene neue Gesamtausgabe der Quaderni del carcere unterstützt.32
3.1.2 Die svolta di Salerno Unter seinem Nom de Guerre Ercole Ercoli stieg Palmiro Togliatti in Moskau zu einem Führungsmitglied der Komintern auf. Der italienische Generalsekretär übernahm aus dem Exil heraus die Führung der Widerstandstätigkeit des PCdI, die sich nach dem Sturz der faschistischen Regierung am 25. Juli 1943 intensivierte. Innerhalb der resistenza mit sozialistischen, katholischen, liberalen und weiteren Widerstandskämpfern nahmen die Kommunisten eine zentrale Stellung ein und leisteten einen hohen Blutzoll. Als vorteilhaft in der Guerillakriegsführung gegen die deutschen Besatzer erwies sich die Kampferfahrung eines Teils der kommunistischen Partisanen aus dem Spanischen Bürgerkrieg.33 Ende März 1944 kehrte Generalsekretär Togliatti nach Italien zurück und etablierte im April mit Rückendeckung Stalins34 eine neue Strategie, die als svolta di
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Vgl. Carrillo: Eurokommunismus und Staat, S. 59–83. Antonio Gramsci: Quaderni del carcere, 4 Bände, hrsg. von Valentino Gerratana, Turin 1975. Vgl. Christian Grywatsch: Kontinuität im Wandel. Pci – Pds – Ds. Der Prozess der Sozialdemokratisierung der italienischen Kommunisten (1980–2000), Berlin 2006, S. 48. Der spätere PCI-Generalsekretär Luigo Longo zählte unter seinem Nom de Guerre Gallo zur Führung der Internationalen Brigaden. Vgl. Pierre Broué/Emile Témime: Ausländische Freiwillige und Internationale Brigaden, in: Wolfgang Schieder/Christof Dipper (Hrsg.): Der Spanische Bürgerkrieg in der internationalen Politik (1936–1939), München 1976, S. 233–248. Über den Einfluss Stalins auf Togliatti gibt es, insbesondere in der italienischen Zeitgeschichtsforschung, unterschiedliche Meinungen. Auffällig ist, dass nach dem Tode Togliattis die sowjetische Industriestadt Stawropol-Wolschskij zu Ehren des PCIGeneralsekretärs in Toljatti (die Schreibweise ist eine Folge der deutschen Transkription aus dem Kyrillischen) bzw. Togliattigrad umbenannt wurde. Die Eigenständigkeit Togliattis gegenüber Stalin wurde vor allem in der Hochphase des Eurokommunismus Mitte bis Ende der 1970er Jahre betont, so unter anderem bei: Ernesto Ragionieri: Palmiro Togliatti. Per una biografia politica e intellettuale, Rom 1976. Neuere Ansätze stellen hingegen die Sowjethörigkeit Togliattis und dessen klare Unterordnung gegenüber Stalins Interessen heraus. Donald Sassoon schreibt hierzu im Vorwort von Aldo Agostis Togliatti-Biografie: „Regardless of the differences he [Togliatti, d. Verf.] had with Stalin
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Salerno (dt. Wende von Salerno) bekannt wurde.35 Benannt ist sie nach der Hafenstadt Salerno, die knapp 50 Kilometer südlich von Neapel liegt. Dort wurde unter Führung von Marschall Pietro Badoglio am 22. April 1944 die erste Regierung unter Einschluss der italienischen Kommunisten gebildet. Mit der svolta di Salerno kam es zur Formierung des PCI als partito nuovo. Diese „Partei neuen Typs“ sollte, wie zahlreiche andere kommunistische Parteien, in dem politischen System eines Staates agieren, der zur westlichen Einflusssphäre gehörte. Der PCI entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit von einer Kader- zu einer Massenpartei. Nicht das Ziel der gewaltsamen sozialistischen Revolution sollte verfolgt werden, sondern vielmehr ein kontinuierliches Wirken im Sinne der Sowjetunion von innen heraus war die Absicht. Diesem Zweck dienten auch die Vorfeldorganisationen der Partei, die weitestgehend dem von Lenin postulierten Prinzip des Transmissionsriemens entsprachen. Ziel Stalins war die Etablierung eines Mitspracherechts in der italienischen Innenpolitik, die Intensivierung des Krieges gegen das nationalsozialistische Deutschland und die faschistische Republik von Salò sowie die rasche Redemokratisierung der italienischen Gesellschaft.36 Dementsprechend orientierte sich der PCI maßgeblich an den sowjetischen Vorgaben bzw. nach dessen Gründung 1947 am Kommunistischen Informationsbüro (Kominform).37 Zu Lenins Konzept der „Partei neuen Typs“ gab es allerdings einen markanten Unterschied. Der PCI wandelte sich nicht nur aus taktischen Gründen zum partito nuovo. Neben den Vorgaben Stalins kam es zu einer tatsächlichen „qualitativen
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and his successors, he knew and probably believed that there was no other choice open to a leader of a communist party than complete subordination to the ‚vanguard state‘.“ Donald Sassoon: Foreword, in: Aldo Agosti: Palmiro Togliatti. A Biography, London, New York 2008, S. XVI. Siehe hierzu ausführlich: Donald Sassoon: Togliatti e il partito di massa, Rom 2014. Ähnlich argumentieren auch: Elena Aga Rossi/Victor Zaslavsky: Stalin and Togliatti. Italy and the Origins of the Cold War, Stanford 2011. Sehr kritisch gegenüber Togliatti ist die, allerdings mit politischem Impetus aus konservativem Blickwinkel von einem Mitglied von Silvio Berlusconis ehemaliger Partei Forza Italia verfasste, Biografie von Giancarlo Lehner: Giancarlo Lehner: Palmiro Togliatti. Biografia di un vero Stalinista, Mailand 1991. Zur svolta di Salerno siehe ausführlich: Aurelio Lepre: La svolta di Salerno, Rom 1966. „Der UdSSR ging es darum, von jeglichem Revolutionsversuch Abstand zu nehmen und eine Übereinkunft mit Badoglio und der Monarchie sowie eine nationale Vereinigung aller antifaschistischen Kräfte herbeizuführen.“ De Rosa: Sozialismus und Kommunismus, S. 149. Vgl. Silvio Pons: Togliatti, il PCI e il Cominform, in: Aga Rossi/Quagliariello (Hrsg.): L’altra faccia della luna. S. 263–287.
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Veränderung“38 des PCI. Zumindest Teile der Parteiführung und der Mitgliedschaft waren nach den Erfahrungen der Mussolini-Diktatur davon überzeugt, auf demokratischem Wege kommunistische Politik betreiben und so, in Anlehnung an Gramsci, die Bevölkerungsmehrheit überzeugen zu können.39 Innerhalb der Partei machte sich dieser Wandel auch personell bemerkbar. Ehemals ausgeschlossene Parteimitglieder wurden wieder aufgenommen, so beispielsweise Umberto Terracini, der wegen seiner kritischen Haltung gegenüber dem Hitler-Stalin-Pakt die Partei hatte verlassen müssen. Anhänger einer gewaltsamen sozialistischen Revolution nach russischem Vorbild wurden nach und nach entmachtet. Hierzu zählte mit dem Sekretär des Zentralkomitees (ZK) für Organisationsfragen Pietro Secchia auch Togliattis Stellvertreter, der die Akzeptanz der demokratischen Spielregeln als bloße Taktik auf dem Weg zur Machterreichung betrachtete. Secchia verlor 1954 seinen Einfluss im PCI und wurde in seiner Funktion als Organisationssekretär durch den liberaleren Giorgio Amendola ersetzt.40 Um Akzeptanz für die Kommunisten zu erzeugen, sollte Togliatti vorerst auf die Forderung nach der Umwandlung Italiens in eine Republik verzichten, aktiv in der Regierung mitarbeiten und jedwede Bürgerkriegsrhetorik unterlassen. Mit dieser Wende öffnete sich die Partei für eine Regierung der nationalen Einheit, die zumindest für eine Übergangszeit die Zusammenarbeit mit ehemaligen Faschisten, Monarchisten und bürgerlichen Parteien akzeptierte. Zeichen dieses Wandels war auch die Änderung des Parteinamens von Partito Comunista d'Italia – Sezione della Internazionale Comunista in Partito Comunista Italiano im Jahre 1943 gewesen. Nach der Befreiung Italiens entwickelte sich der PCI nicht nur zur mitgliederstärksten Partei Italiens. Mit bis zu 2,25 Millionen Mitgliedern wurden die italienischen Kommunisten zu einer der größten Parteien in Westeuropa.41 Durch die Regierungsbeteiligung der Kommunisten wurde Generalsekretär Togliatti am 22. April 1944 stellvertretender Ministerpräsident Italiens. Mit Fausto Gullo stellte der PCI darüber hinaus den Minister für Land- und Forstwirt-
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Bruno Schoch: Die internationale Politik der italienischen Kommunisten, Frankfurt am Main, New York 1988, S. 46. Vgl. Karin Priester: Hat der Eurokommunismus eine Zukunft? Perspektiven und Grenzen des Systemwandels in Westeuropa, München 1982, S. 149–158; Schoch: Die internationale Politik, S. 45–54. Vgl. Grywatsch: Kontinuität im Wandel, S. 55. Vgl. Ebenda, S. 422.
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schaft.42 Hinzu kamen die Staatssekretäre im Finanz- und Kriegsministerium.43 Nach dem Rücktritt Badoglios am 8. Juni blieb der PCI Teil der neuen Regierung unter dem Sozialdemokraten Ivanoe Bonomi (Juni 1944 bis Juni 1945) sowie anschließend in der Regierung des Partito d'Azione44-Mitglieds Ferruccio Parri (Juni bis Dezember 1945). In letzterer Regierung übernahm Togliatti das Amt des Justizministers und behielt es auch in der ersten Regierung von Alcide De Gasperi (Dezember 1945 bis Juli 1946). In diesen Mehrparteienkoalitionen, die alle zentralen Parteien Italiens bis auf die Faschisten beinhalteten und sich weitestgehend aus den politischen Kräften des Comitato di Liberazione Nazionale (CLN)45 zusammensetzten, konnten die Grundlagen für die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung (Assemblea Costituente) und das Referendum über die künftige Staatsform gelegt werden. Die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung fand am 2. Juni 1946 statt und endete mit einer Enttäuschung für die beiden großen Linksparteien PCI und PSIUP46, die zusammen nur knapp 39 Prozent der Stimmen erhielten. Größte
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Vgl. Eric D. Weitz: Popular Communism. Political Strategies and Social Histories in the Formation of the German, French and Italian Communist Parties 1919–1948, Ithaca (New York) 1992, S. 31f. Mario Palermo wurde Staatssekretär im Kriegsministerium, Antonio Pesenti Staatssekretär im Finanzministerium. Der Partito d’Azione (PdA) wurde im Juli 1942 als antifaschistische Widerstandspartei gegründet. In ihrer politischen Ausrichtung stand die Partei in der Tradition des liberalen Sozialismus von Giustizia e Libertà. Während der PdA in der Widerstandsbewegung eine zentrale Rolle eingenommen hatte, verlor er nach der Rückkehr Italiens zur Demokratie rasch an Bedeutung. Infolge parteiinterner Streitigkeiten und dem enttäuschenden Ergebnis von lediglich 1,45 Prozent der Stimmen bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung 1946 wurde der PdA im April 1947 schließlich aufgelöst. Der Großteil der Anhänger wurde Mitglied im Partito Socialista Italiano oder im linksliberalen Partito Repubblicano Italiano. Zum PdA siehe: Giovanni De Luna: Storia del Partito d'azione, 1942–1947, 2. Aufl., Rom 1997. Der CLN wurde als nationales Befreiungskomitee im Anschluss an den Waffenstillstand der Regierung Badoglio mit den Alliierten im sizilianischen Cassibile im September 1943 in Rom gegründet. Der CLN diente der Koordination der weiteren Widerstandstätigkeiten gegen die von Deutschen besetzten Gebiete Italiens. Mitglieder des CLN waren die zentralen Parteien, die bislang den Widerstand organisiert hatten (insbesondere die Kommunisten, Sozialisten, Christdemokraten, Liberalen und der Partito d’Azione). Unter dem Namen Partito Socialista Italiano di Unità Proletaria (PSIUP) agierten zwei politische Parteien Italiens. Hier ist der Partito Socialista Italiano gemeint, der sich zwischen 1943 und 1947 so nannte. Als Linksabspaltung des PSI existierte zwischen 1964 und 1972 erneut ein Partito Socialista Italiano di Unità Proletaria.
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Partei wurde mit Abstand die als Nachfolgerin des 1926 vom Mussolini-Regime verbotenen, katholischen Partito Popolare Italiano neu gegründete Democrazia Cristiana. Die neue christdemokratische Partei wurzelte im katholischen Antifaschismus und zeichnete sich bis zu ihrer Auflösung im Januar 1994 durch eine starke Flügelbildung zwischen Linkskatholizismus und Rechtskonservatismus aus. Gleichzeitig sprach die Partei alle gesellschaftlichen Gruppen an und wurde so zu einer klassischen Volkspartei, die zwischen 1944 und 1994 an allen italienischen Regierungen beteiligt war und bis auf wenige Ausnahmen den Regierungschef stellte.47 Vorfeldorganisationen wie die Associazioni Cristiane dei Lavoratori Italiani (ACLI) oder der christdemokratische Gewerkschaftsbund CISL verkörperten darüber hinaus für katholische Wähler eine attraktive Alternative zu den Angeboten der Kommunisten und Sozialisten. Mit knapp über 35 Prozent der Wählerstimmen stellte die Democrazia Cristiana die größte Fraktion in der verfassungsgebenden Versammlung. Die Christdemokraten lagen damit fast 20 Prozentpunkte vor den Kommunisten, die mit lediglich 18,9 Prozent der Stimmen auch hinter den Sozialisten blieben. Das zeitgleich stattfindende Referendum über die künftige Staatsform wurde hingegen zu einem Erfolg der Linksparteien, die zusammen mit den Liberalen für die Abschaffung der Monarchie eingetreten waren. Mit einer Zustimmungsquote von 54,3 Prozent für die Einführung der Republik war eine Mehrheit erreicht worden, die insbesondere in den kommunistisch dominierten Regionen Emilia-Romagna und Toskana äußerst deutlich ausfiel. In der verfassungsgebenden Versammlung gab es zwar eine knappe MitteRechts-Mehrheit von Christdemokraten, Liberalen, Monarchisten und Konservativen, diese führte jedoch nicht zu einem abgestimmten Vorgehen dieser Parteien. Zum einen galten Abgeordnete der äußeren Rechten als diskreditiert, zum anderen gab es in der DC und den liberalen Parteien ausgeprägte linke Flügel, die eine Zusammenarbeit mit den Sozialisten und Kommunisten nicht von vornherein ausschlossen. Gegenüber der politischen Rechten und der katholischen Kirche zeigte sich Togliatti kompromissbereit. Als Justizminister hatte er am 22. Juni 1946 sogar eine weitreichende Amnestie für Verbrechen im Zusammenhang mit der Repub-
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Vgl. Carlo Masala: Die Democrazia Cristiana 1943–1963. Zur Entwicklung des partito nazionale, in: Michael Gehler/Wolfram Kaiser/Helmut Wohnout (Hrsg.): Christdemokratie in Europa im 20. Jahrhundert/Christian Democracy in 20th Century Europe/La démocratie chrétienne en Europe au XXe siècle, Wien, Köln, Weimar 2001, S. 355f.
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blica Sociale Italiana erlassen.48 Mehrmals warb der PCI-Generalsekretär darüber hinaus für ein Aktionsbündnis der Christdemokraten mit Kommunisten und Sozialisten. Die Übernahme der 1929 von Benito Mussolini mit dem Vatikan ausgehandelten Lateranverträge in die neue Verfassung konnte die Democrazia Cristiana im März 1947 nur mit Unterstützung der Kommunisten durchsetzen.49 Alcide De Gasperi hielt dieses Entgegenkommen jedoch für bloße Taktik und verweigerte sich einer Zusammenarbeit mit dem PCI.50 Gleiches galt für den Vatikan, der die kommenden Wahlen auf die Entscheidung „essere con Cristo o contro Cristo“51 (dt. mit oder gegen Christus sein) herunterbrach. Diese dezidiert antikommunistische Haltung wurde von den Christdemokraten und den rechten Parteien in den ersten Nachkriegswahlen propagandistisch genutzt. So plakatierte das rechte Wahlbündnis Blocco Nazionale für die Parlamentswahlen 1948 die auf den Don Camillo und Peppone-Autor Giovannino Guareschi zurückgehende Mahnung „Nel segreto della cabina elettorale Dio ti vede, Stalin no!“ (dt. „Im Geheimnis der Wahlkabine sieht Dich Gott, aber nicht Stalin!“) (Siehe Abb. 6).52 Schließlich ordnete Papst Pius XII. am 1. Juli 1949 per Dekret die Exkommunikation von Mitgliedern kommunistischer Parteien an, was insbesondere in Italien eine abschreckende Wirkung entfaltete und sich negativ auf den PCI auswirkte.53 Die Respektierung der Jalta-Linie führte dazu, dass die italienischen Kommunisten nicht gewaltsam die Macht anstrebten. 1944 waren die kommunistischen Partisanen zwar schwer bewaffnet und zumindest in Teilen kampfbereit, Togliatti lehnte einen Kampfbefehl jedoch ab.54 Zum einen basierte die Ablehnung eines Bürgerkrieges auf Stalins Anweisung, zum anderen war sich Togliatti bewusst, dass
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Vgl. Hans Woller: Die Abrechnung mit dem Faschismus in Italien 1943 bis 1948, München, Wien 1996, S. 380f. Vgl. Marco De Nicolò: Lo stato nuovo. Fausto Gullo, il PCI e l’assemblea costituente, Cosenza 1996, S. 23–28. Vgl. de Rosa: Sozialismus und Kommunismus, S. 152f. Vgl. Monique Scheer: Catholic Piety in the Early Cold War Years; or, How the Virgin Mary Protected the West from Communism, in: Thomas Lindenberger/Marcus M. Payk/Annette Vowinckel (Hrsg.): Cold War Cultures. Perspectives on Eastern and Western European Societies, New York 2012, S. 130 (Original in: Robert A. Ventresca: The Virgin and the Bear. Religion, Society and the Cold War in Italy, in: Journal of Social History, Vol. 37, Nr. 2/2003, S. 439). Wahlplakat des Blocco Nazionale für die Parlamentswahlen 1948. Vgl. Der Spiegel, Nr. 30, 21.07.1949, S. 16. Vgl. Fernando Claudin: Italien. Die verhinderte Revolution (1945–1948), in: Kritik der politischen Ökonomie. Beiträge des internationalen Marxismus, Nr. 13/1977, S. 54–83.
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eine kommunistische Revolution in Italien von den Westalliierten nicht geduldet werden würde. Neben US-amerikanischen Soldaten im Land und ökonomischer Abhängigkeiten von den Westmächten, die einen langfristig erfolgreichen Umsturz unwahrscheinlich erscheinen ließen, wusste Togliatti, dass Italien in Jalta der anglo-amerikanischen Einflusssphäre zugeschlagen worden war. Ein gewaltsames Vorgehen gegen diese Entscheidung hätte möglicherweise zu einem ähnlichen Ausgang wie in Griechenland geführt: einer totalen kommunistischen Niederlage im Bürgerkrieg.55 Togliatti akzeptierte auch den Ausschluss aus der Regierung De Gasperi im Mai 1947 und rief nicht, wie von zahlreichen ehemaligen Partisanen erhofft, zu einer gewaltsamen Revolution auf. Nach dem Attentat auf Togliatti am 14. Juli 1948 durch den 24-jährigen Antikommunisten Antonio Pallante kam es erneut zu einer Umsturzmöglichkeit, als tausende Anhänger des PCI gewaltsam gegen den Anschlag auf ihren Generalsekretär protestierten. Hierbei gab es mehrere Todesfälle und hunderte Verletzte auf Seiten der Kommunisten und der Staatsmacht. Aber erneut hielt die PCI-Führung ihre Anhänger zurück und beruhigte zusammen mit der CGIL die Situation, die sich endgültig entspannte, als bekannt wurde, dass Togliatti überleben würde. Ein Exkurs: Der PCI im italienischen Parteiensystem und die italienische Linke Dem italienischen Politikwissenschaftler Giovanni Sartori folgend, musste sich der PCI nach dem Ende des Faschismus in einem Parteiensystem bewähren, das als „polarisierter Pluralismus“ bezeichnet werden kann.56 Eine hohe Anzahl von Parteien im italienischen Parlament, in den meisten Legislaturperioden lag sie bei über zehn, und eine ausgeprägte ideologische Distanz vom Neofaschismus bis hin zum Kommunismus charakterisierten dieses Parteiensystem. Innerhalb dieses Gefüges war die Democrazia Cristiana von den ersten Nachkriegswahlen bis zu ihrem Zusammenbruch in den frühen 1990er Jahren die dominierende Partei. Der Partito Comunista Italiano stellte im gleichen Zeitraum die größte Oppositionspartei dar, war jedoch von der Regierungsbeteiligung ausgeschlossen, was einen bipartismo imperfetto zur Folge hatte.57 In diesem verhinderten Zweiparteiensystem waren die Christdemokraten die meiste Zeit über auf Koalitionspart-
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Vgl. de Rosa: Sozialismus und Kommunismus, S. 151. Vgl. Giovanni Sartori: European Political Parties. The Case of Polarized Pluralism, in: Joseph La Palombara/Myron Weiner (Hrsg.): Political Parties and Political Development, Princeton 1966, S. 137–176. Vgl. Giorgio Galli: Il bipartismo imperfetto. Comunisti e democristiani in Italia, Bologna 1966.
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ner zur Regierungsbildung angewiesen. Diese fanden sie zumeist im Lager der kleinen Mittelparteien bei den beiden liberalen Parteien Partito Repubblicano Italiano (PRI) und Partito Liberale Italiano (PLI) sowie den Sozialdemokraten des Partito Socialista Democratico Italiano (PSDI). Ab 1963 kam es auch zu centrosinistra-Koalitionen mit dem Partito Socialista Italiano, der, allerdings mit großem Abstand zu Christdemokraten und Kommunisten, in Mitgliedszahlen und Wahlergebnissen, drittgrößten Partei Italiens. Die italienische Linke wurde bis Anfang der 1990er Jahre von drei Parteien repräsentiert: Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten. Ab Mitte der 1960er Jahre kam es zusätzlich zur Gründung von Kleinparteien der politischen Linken, die sich teilweise über mehrere Legislaturperioden im Parlament halten konnten.58 Im Vorfeld der ersten Parlamentswahlen nach dem Krieg kam es am 11. Januar 1947 zur Abspaltung der Sozialdemokraten unter Führung von Giuseppe Saragat und Ivan Matteo Lombardo als Partito Socialista dei Lavoratori Italiani von der Sozialistischen Partei Italiens. Die Sozialisten benannten sich nach dieser Trennung wieder in Partito Socialista Italiano um.59 Die neue Sozialdemokratische Partei Italiens zeichnete sich durch einen dezidierten Antikommunismus und eine proamerikanische Politik aus. Der NATO und der europäischen Einigung stand sie positiv gegenüber.60 Im Gegensatz zu PCI und PSI konn-
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Zu diesen Parteien zählten der Partito Socialista Italiano di Unità Proletari (PSIUP), die Democrazia Proletaria (DP) und der Partito di Unità Proletaria (PdUP), der sich nach einer Fusion ab 1974 Partito di Unità Proletaria per il Comunismo (PdUP per il comunismo) nannte. Die Diskrepanzen zwischen Reformisten und Revolutionisten innerhalb der Sozialistischen Partei hatten bereits im Juli 1912 zur Abspaltung des kurzlebigen Partito Socialista Riformista Italiano unter Führung von Leonida Bissolati und 1922 zum Ausschluss des rechten Parteiflügels, der sich daraufhin unter Filippo Turati als Partito Socialista Unitario konstituierte, geführt. Saragat blieb bis zu seinem Lebensende überzeugter Antikommunist. Auch in seiner Zeit als italienischer Staatspräsident (1964–1971) nutzte er seine Position, um den PCI zu diskreditieren. So bezeichnete er den kommunistischen Generalsekretär Luigi Longo trotz dessen offener Kritik an der KPdSU infolge der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ gegenüber US-Präsident Richard Nixon als „Soviet Officer“ und den PCI als „more devoted to the interests of Moscow than was, for example, the French Communist Party“. Giuseppe Saragat zitiert in: Memorandum of Conversation, Rome, February 27, 1969, in: United States Department of State (Hrsg.): Foreign Relations of the United States (FRUS), Vol. XLI, Western Europe, NATO, 1969–1972, Washington D.C. 2012, S. 621ff. Zu Saragats Einstellung gegenüber dem PCI siehe auch: WBA im AdsD, A 9 (geheim), 30, Protokoll des Gesprächs zwischen Willy Brandt und Giuseppe Saragat am 12. Juli 1970 in Castelporziano, 17.07.1970, Bonn.
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te sie auch nach dem Ausschluss der genannten Parteien im Mai 1947 Bestandteil der Regierung von Ministerpräsident De Gasperi bleiben. Die Sozialdemokraten avancierten wie die Democrazia Cristiana zu einer Dauerregierungspartei der ersten italienischen Republik. Im Dezember 1949 spaltete sich der Partito Socialista Unitario unter Führung von Giuseppe Romita von den Sozialdemokraten ab, schloss sich jedoch im Mai 1951 wieder mit ihnen zusammen. Ab Januar 1952 nannten sich die Sozialdemokraten dann Partito Socialista Democratico Italiano. Diesen Namen behielt die Partei bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1998 bei.61 Die Sozialisten beendeten erst 1956, nach der Geheimrede Chruschtschows und der Niederschlagung des Aufstands in Ungarn, die enge Aktionsgemeinschaft mit den Kommunisten. In der Öffentlichkeit war der PSI bis dato vor allem als kommunistisches Anhängsel wahrgenommen worden. In den folgenden Jahren leiteten die Sozialisten eine Rechtswende ein. Ab Dezember 1963 kam es zu Regierungskoalitionen mit den Christdemokraten und weiteren Parteien der rechten und linken Mitte, den sogenannten centro-sinistra-Koalitionen. Zwischen 1966 und 1969 kam es darüber hinaus zu einer wenig erfolgreichen Wiedervereinigung von Sozialistischer und Sozialdemokratischer Partei. Aufgrund der mangelnden Popularität der centro-sinistra-Regierungen setzte im PSI seit Ende der 1960er Jahre wieder eine Linkswende ein, die erst von der Übernahme des Postens des Generalsekretärs durch Bettino Craxi 1976 beendet wurde.
3.1.3 Die Parlamentswahl vom 18. April 1948 Die Wahlen des italienischen Parlaments62 vom 18. April 1948 wurden weltweit beachtet. Umfragen hatten zuvor eine Mehrheit der miteinander verbündeten Kommunisten und Sozialisten prophezeit. Zusammen traten beide Parteien im Fronte Democratico Popolare an. Im Vorfeld der Wahlen kam es zu einer massiven Einflussnahme durch die Vereinigten Staaten und den Vatikan, die eine Volksfrontregierung infolge demokratischer Wahlen verhindern wollten. Die Democrazia Cristiana profilierte sich im Wahlkampf, mit Unterstützung des Vatikans und der US-Regierung, erfolgreich als Partei der Freiheit. Das Sym-
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Eine Ausnahme bildeten die ersten Jahre nach Beendigung der Fusion mit dem PSI von 1969 bis 1971, in denen sich die Sozialdemokratische Partei Partito Socialista Unitario (PSU) nannte. Das italienische Parlament besteht aus zwei Kammern: Camera dei deputati (Abgeordnetenhaus) und Senato della Repubblica (Senat der Republik). Der Senat verfügt über weniger Abgeordnete als das Abgeordnetenhaus. Formal sind beide Kammern gleichgestellt. In der Praxis wird dem Abgeordnetenhaus größere Bedeutung zugemessen.
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bol der DC auf den Wahlzetteln war das Parteiemblem, ein Schild mit der deutlichen Aussage „Libertas“.63 Wahlplakate der Christdemokraten zeigten die Freiheitsgöttin, die mit dem Libertas-Schild die Werte Vaterland, Familie und Freiheit vor dem von einer roten Hand geworfenen Hammer-und-Sichel-Symbol beschützt. Dieses Wahlplakat war nur mit einer Aussage versehen: „Difendetemi!“ (dt. „Verteidige mich!“). Andere Plakate zeigten die DC als Verteidigerin der Festung Italien vor den roten Massen oder eine Mutter, die ihre Kinder vor den anrückenden Kommunisten beschützt. Letzteres Plakat war mit dem Schriftzug versehen: „Madre! Salva i tuoi figli dal Bolscevismo! Vota Democrazia Cristiana“ (dt. „Mutter! Rette Deine Kinder vor dem Bolschewismus! Wähle Democrazia Cristiana“) (Siehe Abb. 7).64 Letztlich erlitt die Volksfront am Wahltag eine deutliche Niederlage. Während die Democrazia Cristiana mit 305 von 574 Sitzen (48,5 Prozent der Stimmen) im Abgeordnetenhaus und 131 von 237 Mandaten (48,1 Prozent) im Senat eine klare absolute Mehrheit erreichte, konnte der Fronte Democratico Popolare in beiden Parlamentskammern nur knapp 31 Prozent der Wählerstimmen für sich verbuchen.65 Abseits der antikommunistisch ausgerichteten Sozialdemokraten um Saragat, die als Unità Socialista angetreten waren, erreichten alle anderen Parteien in der hochgradig emotionalisierten und bewusst polarisierten Wahl niedrige Ergebnisse.66 Im Mai 1948 bildete De Gasperi erneut eine Regierung des centrismo, der sich, trotz der absoluten Mehrheit der Christdemokraten, die Sozialdemokraten, Links- und Nationalliberalen anschlossen. Infolge der Wahlniederlage von 1948 entschieden sich die Kommunisten und die Sozialisten unter Führung von Pietro Nenni, bei Wahlen zukünftig als einzelne Parteien anzutreten, aber weiter an dem Ziel eines Volksfrontbündnisses festzuhalten. Dennoch konnten beide Parteien in den Parlamentswahlen von 1953 und 1958 nur geringe Stimmenzuwächse verbuchen, während die Democrazia Cristiana, trotz deutlicher Verluste 1953, kontinuierlich mehr als 40 Prozent der Wählerstimmen erhielt. Der PCI war somit Mitte der 1950er Jahre in einer ambivalenten Situation. Einerseits hatte sich die Partei als mit Abstand größte und erfolgreichste Partei in
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Vgl. Martin Clark: Modern Italy. 1871 to the Present, Harlow, New York 2008, S. 390. Wahlplakate der Democrazia Cristiana für die Parlamentswahlen 1948. Zum komplexen Wahlrecht und -system der ersten italienischen Republik siehe: Stefan Köppl: Das politische System Italiens. Eine Einführung, Wiesbaden 2007, S. 101ff. Mit wenigen Abgeordneten waren so unter anderem die Monarchisten (PNM), Nationalliberalen und Konservativen (BN), Linksliberalen (PRI), Neofaschisten (MSI), Bauern (PCd'I) und Regionalparteien (SVP, PSd’Az) im Parlament vertreten.
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der italienischen Linken etabliert. Zum Jahreswechsel 1955/56 waren mehr als zwei Millionen Italiener eingeschriebene Mitglieder des PCI. Alleine der kommunistische Jugendverband FGCI konnte mehr als 350 000 Mitglieder vorweisen.67 Andererseits waren die Kommunisten seit 1947 in einer conventio ad excludendum von der Regierung ausgeschlossen. Innerhalb des italienischen Parteiensystems war der PCI isoliert. Nur der Partito Socialista Italiano arbeitete mit den Kommunisten zusammen und auch diese Verbindung wurde nach der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands 1956 gelöst.
3.2 Das Konzept des policentrismo „Der Weg, den ihr [die Sowjets, d. Verf.] eingeschlagen habt, um an die Macht zu gelangen und eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, ist nicht in all seinen Aspekten verbindlich für die anderen Länder; denn ein solcher Weg kann und soll in jedem Land seine besonderen Merkmale haben. Unsere Aufgabe ist es, einen italienischen Weg zu entwerfen. Er muß die historische Entwicklung des Landes, seine gesellschaftliche Struktur, die Ausrichtung und die Zielsetzungen der großen Arbeitermassen und ihrer Organisationen berücksichtigen. Er muß es uns ermöglichen, in den unserem Land eigenen Formen das Bündnis zwischen Arbeiterklasse, Bauern und Mittelschichten zu verwirklichen und die große Mehrheit des Volkes für die Sache der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft zu gewinnen. […] Aber wir wollen, daß dieser Kampf auf dem Boden der Demokratie ausgefochten wird. […] Denn wir sind nicht Anhänger der Gewalt um der Gewalt willen.“68 Mit diesen Worten legte Palmiro Togliatti 1956 sein Konzept des policentrismo dar. Er nutzte damit drei Jahre nach dem Tode Stalins die sich bietende Gelegenheit, um sein umstrittenes Konzept publik zu machen. Gegenüber Stalin hatte Togliatti noch weitestgehend Loyalität bewahrt, obwohl er sich beispielsweise dessen Wunsch nach der Übernahme des Vorsitzes des Kominform erfolgreich widersetzen konnte.69 Togliatti ging dabei deutlich über die Kritik des PCF-
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Vgl. Grywatsch: Kontinuität im Wandel, S. 422. Palmiro Togliatti zitiert in: de Rosa: Sozialismus und Kommunismus, S. 159f. Das vollständige Referat Togliattis ist abgedruckt in: Palmiro Togliatti: La Via Italiana al Socialismo, in: Ders. (Hrsg.): Problemi del Movimento Operaio Internazionale (1956– 1961), Rom 1962, S. 121–169. Vgl. Heinz Timmermann: Konflikt und Krise im Weltkommunismus. Teil I: Modellvarianten der Einheit und der Zusammenarbeit in der kommunistischen Weltbewegung, Köln 1971, S. 4.
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Generalsekretärs Maurice Thorez hinaus. Während Letzterer Chruschtschows Argumentation eines ausgeuferten Personenkults unter Stalin folgte, ging Togliatti einen Schritt weiter und kritisierte die generelle „bürokratische Degeneration des sowjetischen Herrschaftssystems“70. Auf reformorientierte Kommunisten im PCF, so vor allem auf den kommunistischen Studentenverband UEC, entfaltete der policentrismo eine große Anziehungskraft, die in den meisten Fällen jedoch von der sowjetorientierten Führung mit Parteiausschlüssen geahndet wurde.71 Der Polyzentrismus kann als Konzept zur Dezentralisierung des Kommunismus interpretiert werden. Togliatti verneinte ein kommunistisches Weltzentrum. Dies habe es unter Lenin und Stalin gegeben, aber seit dem Tode des Letztgenannten sei eine neue Phase angebrochen. Es gäbe nun verschiedene nationale Varianten des Sozialismus, die gegenseitig respektiert werden müssten. Der italienische KP-Chef mahnte mit dem policentrismo auch Korrekturen der Theorien von Marx und Lenin an. Nach Meinung Togliattis konnte der Sozialismus auch in und mit den Institutionen eines bürgerlichen Staates aufgebaut werden. In der Tradition Gramscis forderte er einen Verzicht auf die gewaltsame Machtübernahme nach dem Vorbild der Oktoberrevolution. Der PCI sollte vielmehr zusammen mit anderen fortschrittlichen Kräften, insbesondere dem Partito Socialista Italiano und dem Arbeitnehmerflügel der Democrazia Cristiana, auf parlamentarischem Wege Politik betreiben. Dazu gehörten auch die Akzeptanz eines Mehrparteiensystems und der Abwählbarkeit der Regierung.72 Togliatti folgend musste der Marxismus-Leninismus kontinuierlich neuen Gegebenheiten angepasst werden. Dieser sollte somit nicht, wie im Falle der Sowjetunion unter Stalin geschehen, zu einem unumstößlichen und nicht kritisierbaren Dogma erstarren. So sagte der PCI-Generalsekretär am 15. September 1956 auf einer Veranstaltung im toskanischen Livorno: „Wir werden nie einen Katechismus unserer Ideologie und unserer Politik verfassen, und wer einen Katechismus sucht, möge nicht zu uns kommen.“73 Aus Sicht der Sowjetführung war eine eingeschränkte Autonomie kommunistischer Parteien in Westeuropa akzeptabel, wenn dies aus innenpolitischen Grün-
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François Furet: Das Ende der Illusion. Der Kommunismus im 20. Jahrhundert, 2. Aufl., München, Zürich 1998, S. 584. Vgl. Christoph Kalter: Die Entdeckung der Dritten Welt. Dekolonisierung und neue radikale Linke in Frankreich, Frankfurt am Main, New York 2011, S. 109, 243. Vgl. de Rosa: Sozialismus und Kommunismus, S. 160ff. Palmiro Togliatti zitiert in: Ebenda, S. 161 (Original in: Palmiro Togliatti: Per un Congresso di Rafforzamento e di Rinnovamento, in: Ders. [Hrsg.]: Problemi del Movimento Operaio Internazionale, S. 188f.).
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den opportun erschien. Die ideologische Führung musste in solchen Fällen jedoch weiterhin der KPdSU vorbehalten bleiben und auch außen- und sicherheitspolitisch musste strikte Loyalität gegenüber der Sowjetunion gewahrt werden.74 Togliattis Konzept ging aber weit darüber hinaus. Dass es sich beim policentrismo nicht um ein kurzfristiges taktisches Manöver des PCI handelte, zeigte sich an dessen kontinuierlicher Fortentwicklung. In Interviews betonte Togliatti, insbesondere nach der gewaltsamen Niederschlagung des Aufstands in Ungarn im Herbst 1956, dass jede kommunistische Partei vollkommen autonom agieren müsse.75 Allerdings ist zu beachten, dass sich die PCI-Führung nicht öffentlich gegen den Einmarsch in Ungarn positionierte, sondern auf dem VIII. Parteikongress im Dezember 1956 das sowjetische Vorgehen verteidigte.76 Mit dem Manifesto dei 101 protestierten 101 namhafte italienische Kommunisten gegen die Niederschlagung.77 Darunter befanden sich bedeutende Wissenschaftler und Künstler des Landes, so unter anderem Italo Calvino, Renzo De Felice, Lucio Colletti und Enzo Siciliano. Ein Teil der Unterzeichner brach kurze Zeit später mit dem PCI, während der Rest weiter Mitglied der Partei blieb, sich größtenteils jedoch in die innere Emigration zurückzog.78 Neben jenen Intellektuellen verlor der PCI bis Ende des Jahres 1957 knapp 200 000 Mitglieder, was jedoch die Massenbasis der Partei nicht gefährdete.79 1957/58 hatte der PCI immer noch 1,8 Millionen Mitglieder.80 Die überwiegende Solidarität mit dem sowjetischen Vorgehen hatte somit nur in geringem Maße negative Konsequenzen für die Parteistruktur.81 Allerdings
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Vgl. Vogt (Hrsg.): Eurokommunismus, S. 26f. AdsD, Bestand Leo Bauer, Personalia „Palmiro Togliatti“, 1/LBAA000032, Interview mit Palmiro Togliatti von K. S. Karol, 20.05.1963, S. 6. Vgl. Dal rapporto all‘ VIII. Congresso del pci. La situazione internazionale e il movimento internazionale comunista, 8 dicembre 1956, in: Togliatti (Hrsg.): Problemi del movimento operaio internazionale, S. 209–236. Vgl. Giancarlo Pajetta: Le crisi che ho vissuto. Budapest, Praga, Varsavia, Rom 1982, S. 83–109. Vgl. Thomas Kroll: Demokratie und Stalinismus im politischen Glauben der kommunistischen Intellektuellen Italiens während des Kalten Kriegs (1945–1956), in: Petra Terhoeven (Hrsg.): Italien, Blicke. Neue Perspektiven der italienischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 2010, S. 179–182. Vgl. Marcel vom Lehm: Westdeutsche und italienische Historiker als Intellektuelle? Ihr Umgang mit Nationalsozialismus und Faschismus in den Massenmedien (1943/45– 1960), Göttingen 2012, S. 284. Vgl. Grywatsch: Kontinuität im Wandel, S. 422. Vgl. Silvio Pons: The Italian Communist Party between East and West, 1960–964, in: Wilfried Loth (Hrsg.): Europe, Cold War and Coexistence, 1953–1965, London, Portland 2004, S. 99.
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führte diese Haltung zum endgültigen Bruch der einst engen Partnerschaft durch den Partito Socialista Pietro Nennis.82 Togliatti selbst arbeitete seine Theorie eines italienischen Weges zum Sozialismus bis zu seinem Tod am 21. August 1964 während eines Urlaubs in Jalta auf der Krim weiter aus. Sein politisches Testament (memoriale di Yalta)83 ergänzte den policentrismo um eine deutliche Kritik an den herrschenden Verhältnissen in der Sowjetunion.84 Breschnew wirkte auf der Beerdigung Togliattis in Rom auf die PCI-Führung ein, um eine Veröffentlichung des Dokuments zu verhindern.85 Aber der neue Generalsekretär Luigi Longo schrieb nicht nur das Vorwort zur Veröffentlichung, sondern unterstützte gegen den Wunsch des KPdSU-Generalsekretärs die Verbreitung des Memorandums von Jalta. Durch die Auslandsabteilung des ZKs des PCI wurde das Dokument innerhalb kürzester Zeit in mehrere Sprachen übersetzt, so unter anderem ins Deutsche.86 Das politische Testament Togliattis stieß in West- und Osteuropa auf großes Interesse und wurde in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt.87 Togliattis Nachfolger Longo knüpfte daran an und erweiterte das Polyzentrismuskonzept, indem er den christlich-marxistischen Dialog intensivierte und Beziehungen abseits der kommunistischen Bruderparteien, insbesondere zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, aufbaute.
3.3 Die Modernisierung Italiens, das wirtschaftliche Dilemma der 1970er Jahre und die daraus resultierenden Folgen für den PCI Das italienische Wirtschaftswunder, der miracolo economico, veränderte seit den frühen 1950er Jahren nachhaltig die italienische Gesellschaft, was sich auch auf die Zusammensetzung der Mitgliedschaft des PCI auswirkte. In den Jahren zwischen
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Vgl. Spencer M. Di Scala: Renewing Italian Socialism. Nenni to Craxi, New York 1988, S. 108–113. Der Text ist in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Palmiro Togliatti: Reden und Schriften. Eine Auswahl, Frankfurt am Main 1967, S. 210–225. Vgl. Neubert: Linie Gramsci - Togliatti - Longo - Berlinguer, S. 100–108. Vgl. „Das politische Testament des Genossen Togliatti“, in: FAZ, 08.09.1964, S. 5. Auslandsabteilung des Zentralkomitees der K.P.I. (Hrsg.): Memorandum des Genossen Togliatti zu den Fragen der internationalen Arbeiterbewegung und ihrer Einheit. Bulletin für das Ausland Nr. 23, 05.09.1964, Rom. Vgl. „Das politische Testament des Genossen Togliatti“, in: FAZ, 08.09.1964, S. 5f; „Das Vermächtnis Palmiro Togliattis“, in: Die Welt, 09.09.1964, S. 6; „Memorandum des Genossen Palmiro Togliatti“, in: Neues Deutschland, 11.09.1964, S. 6.
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1951 und 1961 wies das italienische Bruttosozialprodukt ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 5,8 Prozent auf, in den folgenden zehn Jahren bis 1971 immerhin noch einmal ein durchschnittliches Wachstum von 4,9 Prozent. Die krisengeschüttelten Jahre von 1971 bis 1977 hingegen wiesen nur noch eine durchschnittliche Wachstumsrate von 2,8 Prozent jährlich auf.88 In Norditalien kam es nach dem Kriegsende zu einer raschen und erfolgreichen Industrialisierung. Darüber hinaus setzte in Nord- und Mittelitalien in den 1950er Jahren der Massentourismus ein. Im Süden des Landes und auf den beiden Inseln Sardinien und Sizilien, dem sogenannten Mezzogiorno, kam es jedoch nicht zu einer äquivalenten Entwicklung. Diese Regionen blieben weiterhin größtenteils agrarisch geprägt. Die Folge war eine massive Binnenwanderung aus Süditalien in den Norden. Innerhalb von zwei Jahrzehnten (1951 bis 1971) sank der Anteil der Beschäftigten im Agrarsektor landesweit von 42,2 auf 17,2 Prozent, während der Anteil im Dienstleistungssektor von 25,7 auf 38,5 Prozent und der in der Industrie von 32,1 auf 44,3 Prozent anstieg.89 Die soziale Schichtung Italiens veränderte sich dadurch signifikant. Insbesondere die Zahl von Angestellten, Mitarbeitern im Öffentlichen Dienst und Bau- und Industriearbeitern stieg in den 20 Jahren zwischen 1951 und 1971 an, während der Anteil von selbstständigen Bauern und Landarbeitern deutlich sank.90 Zahlreiche Binnenmigranten aus dem Süden fanden Arbeit in den Unternehmen der norditalienischen Großindustrie wie Alfa Romeo, Montedison, FIAT, Olivetti oder Pirelli. Der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige US-Botschafter in Rom Hugh Gardner Ackley gibt allerdings zu bedenken, dass der soziale Wandel nicht mit der ökonomischen Entwicklung Schritt hielt und sich insbesondere in Süditalien keine moderne Sozialstruktur herausbildete. Mit anderen Problemen hatte der Norden zu kämpfen, wo sich vor allem die Integration süditalienischer Arbeiter als schwierig erwies: „Life in the new industrial suburbs of the North brought freedom, stimulus, opportunities for independence and creativity; but equally it produced isolation, anomie, rebellion, and sometimes anarchy.“91 An der Lösung dieser Herausforderung, zeitgenössisch in Filmen des späten Neorealismo wie
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Vgl. Gardner Ackley: Down to the Drain to Bangladesh?, in: Challenge – The Magazine of Economic Affairs, Vol. 22, Nr. 1/1979, S. 7. Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen Bildung – Italien, Bonn 1982, S. 16. Vgl. Christian Jansen: Italien seit 1945, Göttingen 2007, S. 38. Ackley: Down to the Drain, S. 9.
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Rocco e i suoi fratelli (1960)92 von Luchino Visconti dargestellt, scheiterten die christdemokratisch geführten italienischen Regierungen, was signifikant zum Aufstieg des PCI beitrug. Die meist sozial entwurzelten Arbeiter trafen im Norden auf eine gut ausgebaute kommunistische Partei- und Gewerkschaftsorganisation. Industriestädte wie Sesto San Giovanni in der Lombardei, aufgrund des hohen Anteils von Kommunisten auch Stalingrado d'Italia genannt, entwickelten sich so zu lokalen Hochburgen des Partito Comunista Italiano. Durch die Binnenwanderung kam es zu einer verstärkten Urbanisierung mit zahlreichen sozialen Problemen, die unter anderem zu einer politischen Radikalisierung führten. Zusätzlich waren einige der jungen Binnenmigranten von der zunehmend moderaten Politik des PCI im Zuge des compromesso storico enttäuscht. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich an den Universitäten des Landes.93 Der reformorientierte kommunistische Gewerkschaftsführer Luciano Lama wurde beispielsweise bei seinem Auftritt an der Universität in Rom im Februar 1977 mit dem Ruf „Lamas gehören nach Tibet“ von den Studierenden verspottet.94 Hatten bis Ende der 1970er Jahre die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die auf der Suche nach Arbeit aus dem Süden in den Norden gezogen waren, ihre Hoffnung in den PCI und entsprechende soziale Reformen gesetzt, wurde ein Teil nun Mitglied linksextremistischer Terrorgruppen wie den Brigate Rosse, Nuclei Armati Proletari und Prima Linea95: „Moretti96 noted that the Red Brigades and like-minded revolutionaries moved into the vacuum created by the PCI.“97 Im Gegensatz zur RAF in der Bundesrepublik rekrutierten sich die Brigate
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Rocco und seine Brüder (Rocco e i suoi fratelli [ital.]/Rocco et ses frères [frz.]), Italien/Frankreich 1960, Regie: Luchino Visconti. Vgl.: Jan Kurz: Die Universität auf der Piazza. Entstehung und Zerfall der Studentenbewegung in Italien 1966–1968, Köln 2001, S. 243–310. Vgl. Hans Woller: Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert, München 2010, S. 316. Vgl. Mario Baccianini/Luigi Fenizi: From Student Protest to Terrorism. Italy 1968–1977, in: Dieter Dowe (Hrsg.): Jugendprotest und Generationenkonflikt in Europa im 20. Jahrhundert. Deutschland, England, Frankreich und Italien im Vergleich. Vorträge eines internationalen Symposiums des Instituts für Sozialgeschichte Braunschweig, Bonn und der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 17.–19. Juni 1985 in Braunschweig, Bonn 1986, S. 303– 308. Mario Moretti (geb. 1946) war Führungsmitglied der Brigate Rosse und 1978 maßgeblich an der Entführung und Ermordung von Aldo Moro beteiligt. 1981 wurde er verhaftet und anschließend zu mehrfacher lebenslänglicher Haftstrafe verurteilt. 1994 wurde er unter Auflagen begnadigt. Laut eigener Aussage hat Moretti den entführten Moro selbst erschossen. Richard Drake: Apostles and Agitators. Italy's Marxist Revolutionary Tradition, Cambridge (Massachusetts) 2003, S. 223.
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Rosse vornehmlich aus Mitgliedern des Jugendverbandes der Kommunistischen Partei und weniger aus der Neuen Linken.98 Ebenso kam es zur Abspaltung linker Klein- und Splitterparteien vom PCI wie dem Partito di Unità Popolare per il Comunismo. Der Terrorismus in Italien überstieg die Anschläge rechter und linker Gruppen in den anderen westeuropäischen Staaten deutlich. Den Höhepunkt erreichte die Terrorwelle Ende der 1970er Jahre. 1977 wurden 2124 Anschläge mit 31 Toten, im Jahre 1978 sogar 2365 Anschläge mit terroristischem Hintergrund und 37 Todesopfer gezählt.99 209 verschiedene Gruppen bekannten sich zu mindestens einem der Anschläge, wobei zu bemerken ist, dass ein und dieselbe Terrorgruppe häufig unterschiedliche Bezeichnungen verwendete, um Polizei und Geheimdienste in die Irre zu führen. Den weitaus größten Teil der Anschläge verübten die Brigate Rosse, gefolgt von Prima Linea.100 Ackley verweist in seiner Ursachenanalyse auf die strukturelle Schwäche Italiens im Finanz- und Wirtschaftsbereich. Außerhalb der kommunistischen Staaten hatte Italien Ende der 1970er Jahre neben Spanien den größten staatlichen Industriesektor Europas.101 Durch Staatsholdings wie IRI, Eni, Efim und Enel dominierte die Regierung weitgehend die Energie- und Metallindustrie, das Verkehrs- und Transportgewerbe sowie den Bankensektor.102 Mitte der 1970er Jahre war der italienische Staat durch Staatsbetriebe, -holdings oder Anteile an privaten Unternehmen an 60 Prozent des Gesamtumsatzes in der metallverarbeitenden Industrie, 44 Prozent im Erdölsektor, 30 Prozent im Bereich Elektronik und 24 Prozent in der Nahrungsmittelindustrie beteiligt.103 Die Staatsholding IRI war in den frühen 1980er Jahren der größte Staatskonzern in den westlichen Staaten und
98 Vgl. Walter Laqueur: The New Terrorism. Fanaticism and the Arms of Mass Destruction, New York 1999, S. 28.
99 Vgl. Alberto Ronchey: Guns and Gray Matter. Terrorism in Italy, in: Foreign Affairs, Vol. 57, Nr. 4/1979, S. 939f. 100 Zu den Brigate Rosse siehe: Robert C. Meade: Red Brigades. The Story of Italian Terrorism, Basingstoke 1990; zu Prima Linea siehe: Sergio Segio: Miccia corta. Una storia di Prima linea, Rom 2005. 101 Vgl. Christof Dipper: Mediterrane Industrialisierung – eine Skizze, in: Anna Esposito et al. (Hrsg.): Trier–Mainz–Rom. Stationen, Wirkungsfelder, Netzwerke. Festschrift für Michael Matheus zum 60. Geburtstag, Regensburg 2013, S. 386. 102 Vgl. Diana Agosti im Auftrag des Ministerpräsidialamts der Italienischen Republik, Abteilung für Information, Verlagswesen und Literarisches, Künstlerisches und Wissenschaftliches Urheberrecht (Hrsg.): Italien heute, Rom 1985, S. 65–69. 103 Vgl. Helmut Drüke: Grundwissen Italien. Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Opladen 2000, S. 79.
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das drittgrößte Unternehmen in Europa.104 Abseits von Wirtschaftstraditionen, die in ihrer Autarkielogik bis auf den Faschismus zurückgehen, war die massive Verstaatlichung von Industrieunternehmen die Folge von politischen Zwängen gewesen. Die zentralen Parteien DC, PCI, PSI und PSDI verfolgten in den ersten zwei Jahrzehnten nach Kriegsende mehrheitlich eine Politik der Wirtschaftsplanung mit hohem Einfluss des Staates.105 Verstärkt wurde dies in den centrosinistra-Koalitionen der 1960er Jahre. So forderte die Führung des Partito Socialista Italiano beispielsweise die Nationalisierung der Elektrizitätsindustrie und weiterer Bereiche. Außerdem wurden auch unrentabel gewordene staatliche Industrien beibehalten, um die Arbeitsplätze künstlich zu erhalten und somit unzufriedene Wähler nicht in die Arme der Kommunisten zu treiben. Zusätzlich war der massive Ausbau staatlicher Unternehmen dem massiven Klientelismus und Nepotismus in der italienischen Politik geschuldet.106 Ein besonderes Ärgernis stellte in diesem Zusammenhang die im politischen System Italiens ausgeprägte Macht der Parteiflügel, der correnti, dar. Dieses System führte zu einem exzessiven Klientelismus, um alle correnti der Regierungsparteien befriedigen zu können.107 Dadurch kam es zu einer Aufblähung des Staatsapparates, die sich insbesondere in der Vielzahl von nationalen Ministerien, die häufig mit bis zu vier Staatssekretärsposten ausgestattet waren, zahlreichen Behörden und vor allem einer Masse an, zumeist ineffizient wirtschaftenden, staatlichen und halbstaatlichen Unternehmen niederschlug.108 So gab es beispielsweise ein eigenes Ministerium für Staatsbeteiligungen (Ministero delle Partecipazioni Statali).109 Diese abfällig als correntocrazia bezeichnete Regierungsform verantworteten vor allem die Christdemokratische, Sozialistische und Sozialdemokratische Partei Italiens.110 Aufgrund der weitreichenden Macht der regierenden politischen Parteien und nur schwach ausgeprägter unabhängiger Kontrollinstanzen wurde die erste italienische Republik auch als partitocrazia bezeichnet.111 Der PCI war im Gegensatz zu den genannten Parteien nur in
104 105 106 107 108 109 110 111
Vgl. Jansen: Italien, S. 74. Vgl. Ebenda. Vgl. Ackley: Down to the Drain, S. 10f. Vgl. Theodor Wieser/Frederic Spotts: Der Fall Italien. Dauerkrise einer schwierigen Demokratie, Frankfurt am Main 1983, S. 21ff. Vgl. Isabel Kneisler: Das italienische Parteiensystem im Wandel, Wiesbaden 2011, S. 88ff. Vgl. Agosti: Italien heute, S. 65–69. Vgl. Giampaolo Calchi Novati (Hrsg.): Dizionario dei Termini Politici, Mailand 1971, S. 41. Vgl. Damian Grasmück: Das Parteiensystem Italiens im Wandel. Die politischen Parteien und Bewegungen seit Anfang der neunziger Jahre unter besonderer Berücksichtigung der Forza Italia, Marburg 2000, S. 23–26.
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geringem Maße davon betroffen, was sich in den Mani Pulite-Untersuchungen112 der 1990er Jahre herausstellte. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass der PCI nie offizieller Bestandteil der Regierung wurde und daher von zahlreichen Möglichkeiten zum Klientelismus (Ministerien, Behörden, staatseigene Betriebe, staatsnahe Verbände) ausgeschlossen blieb. Die im Vergleich zu Christdemokraten, Sozialisten, Sozialdemokraten und Liberalen stärkere Geschlossenheit der italienischen Kommunisten und die geringer ausgeprägte Flügelbildung wirkten vor diesem Hintergrund seit den 1960er Jahren zunehmend attraktiv auf italienische Wählerinnen und Wähler.113 Ein weiteres Problem stellte in den 1970er Jahren die Macht der Gewerkschaften dar, die in fast allen Wirtschaftsbereichen erfolgreich als Veto-Akteur gegen die Regierung und notwendige Umstrukturierungsmaßnahmen agieren konnten. Hatte sich der Stundenlohn des italienischen Arbeitnehmers in den 1960er Jahren durchschnittlich um zehn Prozent pro Jahr erhöht, schafften es die Gewerkschaften in den Jahren 1973 bis 1976, eine jährliche Lohnsteigerungsrate von 25 Prozent und von 1976 zu 1977 gar von 28 Prozent durchzusetzen.114 Alleine die Lohnkosten in der Industrie stiegen von 1974 auf 1975 um 34,2 Prozent.115 Diese
112 Der Begriff „Mani Pulite“ (dt. „saubere Hände“) bezeichnet großangelegte Untersuchungen der italienischen Justiz insbesondere in den Jahren 1992 bis 1994. Durch die Untersuchungen wurden tausende Fälle von Amtsmissbrauch, Korruption, Steuerhinterziehung, Erpressung, Mafiakontakten, illegaler Parteienfinanzierung und anderen Straftaten durch Mandatsträger und politische Beamte offenbart. Betroffen waren vor allem Politiker der DC, des PSI und des PSDI. Am prominentesten ist hierbei der ehemalige Ministerpräsident Bettino Craxi, der wegen seiner Verurteilung 1994 nach Tunesien flüchtete. Dieses kriminelle Verflechtungssystem wird seitdem als „Tangentopoli“ (dt. „Bestechungsstadt“) bezeichnet. Mit den Mani Pulite-Untersuchungen brach das politische System der ersten italienischen Republik 1994 endgültig zusammen. Alle wichtigen Parteien lösten sich auf und es kam zu einer Wahlrechtsreform. Das politische Chaos wurde von Silvio Berlusconi, einem ehemaligen Anhänger Craxis, genutzt, der mit seiner neugegründeten Mitte-Rechts-Partei Forza Italia die Parlamentswahlen am 27. März 1994 gewann und anschließend Ministerpräsident wurde. Zu Mani Pulite siehe: David Moss: Mani Pulite, in: Gino Moliterno (Hrsg.): Encyclopedia of Contemporary Italian Culture, London, New York 2000, S. 495–497. Zu den kriminellen Verstrickungen von DC und PSI siehe: Michael Braun: Italiens politische Zukunft, Frankfurt am Main 1994, S. 34– 104. 113 Vgl. Hans Limmer/Franz Neumann: Die Entwicklung des Kommunismus in Westeuropa, in: Wolfgang Schneider (Hrsg.): Kommunismus international, 1950–1965. Probleme einer gespaltenen Welt, Köln 1965, S. 73. 114 Vgl. Ackley: Down to the Drain, S. 12. 115 Vgl. Donald C. Templeman: The Italian Economy, New York 1981, S. 45.
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Lohnsteigerungen gingen teilweise deutlich über die nach der scala mobile116 festgelegten Steigerungsraten hinaus. Diesem Mechanismus folgend wurden die Löhne vierteljährlich automatisch an die Inflationsrate angepasst. Da ab 1979 auch die italienischen Beamten auf Druck der Gewerkschaften in den Modus der scala mobile eingegliedert wurden, kam es zu einem deutlichen Haushaltsdefizit der italienischen Regierung. Diese enormen Lohnsteigerungen konnten in Verbindung mit den an sich schon hohen Kosten durch den fast vollständigen Import von Energie- und Industrierohstoffen nicht durch Produktionssteigerungen ausgeglichen werden. Folge hiervon war eine Erhöhung der Preise, die, aufgrund der Vereinbarungen in der scala mobile, erneut den Lohn-Preis-Kreislauf anheizte und somit zu einem massiven Anstieg der Inflationsrate führte.117 Die durchschnittliche jährliche Inflationsrate Italiens betrug zwischen 1974 und 1978 16,4 Prozent im Vergleich zu 6,6 Prozent zwischen 1970 und 1973.118 Hinzu kam die Abhängigkeit vom Öl, das für drei Viertel des italienischen Energiebedarfs verwendet wurde und vollständig importiert werden musste.119 Der Internationale Währungsfonds (IWF) konnte die notwendige Erhöhung von Steuern und Abgaben zur Deckung des immensen Haushaltsdefizits Mitte der 1970er Jahre ebenso wenig durchsetzen wie eine Abschaffung oder zumindest eine Modifikation der scala mobile. Die Gewerkschaften stellten sich unter dem Motto „La scala mobile non si tocca!“120 allen Versuchen von Ministerpräsident Giulio Andreotti entgegen, das System zu reformieren.121 Umfassende finanz- und wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Besserung der Situation, wie der vom christdemokratischen Finanzminister Filippo Maria Pandolfi vorgeschlagene Pandolfi-Plan, wurden daher
116 Die scala mobile war eine gesetzlich festgelegte Lohngleitklausel, welche die Löhne kontinuierlich der Inflationsrate anpasste. Die dadurch ausgelöste Lohn-Preis-Spirale trug in den 1970er Jahren erheblich zur Masseninflation Italiens bei. Die italienische Inflationsrate lag zu Beginn des Jahres 1980 bei über 20 Prozent. IWF und Weltbank forderten 1976/77 die Abschaffung der scala mobile als Gegenleistung für einen dringend benötigten Kredit Italiens. Doch erst unter Ministerpräsident Bettino Craxi wurde die scala mobile nach einem Volksentscheid 1985 in ihrer Wirkung entschärft und schließlich 1992 abgeschafft. 117 Vgl. Ackley: Down to the Drain, S. 12. 118 Vgl. Templeman: Italian Economy, S. 146. 119 Vgl. Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens, Band 3, Vom Kalten Krieg bis zum Mauerfall, München 2014, S. 664. 120 „Fassen Sie die scala mobile nicht an!“ Vgl. Roberto Franzosi: The Puzzle of Strikes. Class and State Strategies in Postwar Italy, Cambridge (UK) u. a. 1995, S. 307f. 121 Vgl. Ackley: Down to the Drain, S. 13.
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nicht oder nur teilweise umgesetzt.122 Die Ansätze einer Austeritätspolitik wurden zwar ab 1976 von den Kommunisten unterstützt, führten jedoch wiederum zu einer Radikalisierung der extremen Linken und einem Mitglieder- und Wählerverlust an der kommunistischen Basis. Die Veränderung der Sozialstruktur und der Aufschwung des PCI Nachdem der PCI von 1954 bis 1968 einen langsamen, aber kontinuierlichen Mitgliederrückgang von 2,15 auf 1,5 Millionen erlebt hatte123, stieg die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder bis ins Jahr 1976 wieder auf 1,81 Millionen an.124 Bei einer Einwohnerzahl von knapp 55 Millionen war zum Jahreswechsel 1976/77 statistisch gesehen jeder 30. Italiener Mitglied der Kommunistischen Partei.125 Von diesem Jahr an verlor der PCI bis zu seiner Auflösung 1991 stetig Mitglieder, fiel jedoch nie unter die Grenze von einer Million eingeschriebenen Parteigängern. Die Sozialstruktur des PCI veränderte sich vor allem in den 1960er und 1970er Jahren nachhaltig. So sank der Anteil der Arbeiter an der Mitgliedschaft signifikant von 53,4 Prozent im Jahre 1945 auf 40,7 Prozent 1977. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil von Akademikern um mehr als das Dreifache von 0,6 auf 2,2 Prozent an. Die gleiche Entwicklung war beim Anteil der Studenten zu beobachten. Angestellte und Techniker verdoppelten ihren prozentualen Anteil beinahe von 3,6 auf 6,7 Prozent.126 Als vorteilhaft erwies sich hierbei, dass der PCI, im Gegensatz zu den meisten anderen kommunistischen Parteien, nicht nur auf Betriebszellen als Organisationseinheit setzte, sondern die Mitgliedschaft auch nach dem Wohnortprinzip organisierte.127 1976 waren nur noch 5,5 Prozent der Grundorganisationen des PCI an Betriebe gekoppelt, während es beim PCF 34,7 Prozent waren. Den 653 Betriebssektionen der Kommunistischen Partei Italiens
122 Vgl. Jansen: Italien, S. 183f. 123 Ausnahmen bilden die Jahre 1960 und 1964, in denen die Mitgliederzahl im Vergleich zum Vorjahr in geringem Maße anstieg. 124 Vgl. Grywatsch: Kontinuität im Wandel, S. 422. 125 In die Statistik sind auch alle Kinder und Jugendlichen eingerechnet, die wegen ihres Alters noch nicht Parteimitglied hätten werden können. Noch deutlicher war der Nachkriegseinfluss des PCI. 1947 war statistisch gesehen jeder 21. Italiener Mitglied der Kommunistischen Partei. 126 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000461, Mitten in der Furt: Die KPI besteht 60 Jahre von Holger Quiring, 20.01.1981, Rom, S.14. 127 Vgl. Heinz Timmermann: Aspekte der innerparteilichen Struktur und Willensbildung bei den „Eurokommunisten“, in: Hannelore Horn/Alexander Schwan/Thomas Weingartner (Hrsg.): Sozialismus in Theorie und Praxis. Festschrift für Richard Löwenthal zum 70. Geburtstag am 15. April 1978, Berlin (West), New York 1978, S. 473f.
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standen 11 401 Wohngebietssektionen gegenüber.128 Dadurch konnte der PCI bereits frühzeitig auch außerhalb der klassischen Arbeiterschaft Mitglieder rekrutieren, so vor allem Selbstständige, Studenten und Hausfrauen.129 Öffentlichkeitswirksam war die Aufnahme oder zumindest Kandidatur von bekannten Wissenschaftlern und Künstlern auf Listen des PCI. Die italienischen Kommunisten avancierten dadurch in den 1970er Jahren zu einem intellektuellen Anziehungspunkt für die gesamte westeuropäische Linke. Eric Hobsbawm stellte, allerdings mit großer Sympathie für den PCI, diesen Aspekt in seiner Autobiografie besonders heraus: „From the start I found myself getting on exceptionally well with Italian communists, possibly because so many were intellectuals, but also because they were disarmingly kind.“130 Auch kam es zu einer Säkularisierung der italienischen Gesellschaft, die sich insbesondere seit den späten 1960er Jahren bemerkbar machte und dem PCI zugutekam. Durch die von Papst Johannes XXIII. veröffentlichten Enzykliken mater e magistra (1961) und pacem in terris (1963) sowie dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) wurde darüber hinaus der Dialog zwischen Kommunisten und Katholiken erleichtert.131 Für gläubige Wähler senkte sich dadurch die Hemmschwelle, um bei Wahlen für den PCI zu votieren oder sogar Mitglied zu werden.132 Verstärkt wurde dieser Effekt in den 1970er Jahren, als mit Enrico Berlinguer ein Befürworter der Zusammenarbeit mit der Democrazia Cristiana Generalsekretär wurde. Dessen Frau Letizia (geb. Laurenti) war gläubige Katholikin, die nicht nur regelmäßig die Messe besuchte, sondern auch die Kinder im katholischen Glauben erzog.133 Die Attraktivität des PCI für katholische Wähler erhöhte sich daher signifikant in der Phase des Eurokommunismus.134
128 129 130 131
Vgl. Timmermann (Hrsg.): Dokumente zum Eurokommunismus, S. 18f. Vgl. Grywatsch: Kontinuität im Wandel, S. 53. Eric Hobsbawm: Interesting Times. A Twentieth-Century Life, London 2002, S. 352. Zur Haltung des PCI gegenüber dem Zweiten Vatikanischen Konzil siehe ausführlich: Lorenzo Ettorre: Il PCI e il Concilio Vaticano II. Dal partito dei cattolici al cattolicesimo, Rom 2014. 132 Vgl. Karl Peter Fritzsche: Die politische Kultur Italiens, Frankfurt am Main 1987, S. 156f. 133 Vgl. Bruno Vespa: L'amore e il potere. Da Rachele a Veronica, un secolo di storia italiana, Rom, Mailand 2007, S. 311–316. 134 Zur Rolle der Religion im italienischen Eurokommunismus siehe: Adolf Hampel: Neue Bewegung im politischen Katholizismus Italiens, in: Frankfurter Hefte, 32. Jahrgang, Nr. 7/1977, S. 13–23; ders.: Grundlagen euro-kommunistischer Religionskritik. Antonio Gramsci (1891–1937) und die religiöse Frage, in: Gerhard Dautzenberg et al. (Hrsg.): Theologie und Menschenbild. Ewald Link zum 65. Geburtstag am 15.4.1977 gewidmet, Frankfurt am Main u. a. 1978, S. 203–210.
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Zum Aufschwung des PCI in den 1970er Jahren trug jedoch vor allem die Enttäuschung über die centro-sinistra-Regierungen von Christdemokraten und Sozialisten bei. Diese erfüllten die an sie gestellten hohen Erwartungen nicht. Als einzige realistische Alternative, nachdem ein mögliches Bündnis von Christdemokraten und Neofaschisten im Zuge der Tambroni-Krise 1960 diskreditiert worden war, blieb nun nur noch eine Regierungsbeteiligung des PCI. Die massive Unzufriedenheit der meisten Wähler mit den häufig hochgradig instabilen135, korrupten und ineffizienten Regierungen des centro-sinistra führte daher zu vermehrten Wahlentscheidungen für den PCI, der sich wiederum seit den späten 1960er Jahren deutlich sowjetkritischer zeigte.
3.4 Der PCI und die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ Für die wenige Jahre später „Eurokommunisten“ genannten Reformkommunisten in Westeuropa hatte die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ im August 1968 traumatische Auswirkungen. Gerade die Reformen in der ČSSR hatten die Möglichkeit eines nationalen Weges zum Kommunismus aufgezeigt und die reformorientierten Westkommunisten in ihrem Handeln bestärkt. Antonio Gramscis Modell einer kulturellen Hegemonie, die auf freiwilliger Entscheidung des Volkes beruhen sollte, schien im Zuge des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ erstmals in der Realität bestätigt zu werden. Eine demokratisierte Variante des Marxismus-Leninismus schien somit nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis möglich zu sein. Gefahr strahlten allerdings die beiden Vetomächte Sowjetunion und USA aus. Beiden war es möglich, entsprechende kommunistische Reformversuche in Westeuropa zu torpedieren – sei es durch den Entzug finanzieller Mittel, die Förderung von kommunistischen Konkurrenzparteien oder durch die Etablierung und Stärkung einer moskauorientierten innerparteilichen Fraktion durch die Sowjetunion oder sei es durch offizielle Warnungen, Geheimdienstoperationen oder gar militärische Maßnahmen durch die Vereinigten Staaten. Aus der Perspektive der Reformer im PCI hatte die Zerstörung des tschechoslowakischen Reformkommunismus nicht nur die „imperialistischen“ Tendenzen der Sowjetführung offenbart. Vielmehr schien aus ihrem Blickwinkel der demokratische Kommunismus durch eine Großmacht angegriffen und, zumindest vor-
135 In den elf Jahren von der ersten bis zur vorerst letzten centro-sinistra-Koalition (1963– 1974) amtierten insgesamt zwölf Regierungen. Von 1980 bis zum Ende der ersten italienischen Republik 1994 kam es zu 13 weiteren centro-sinistra-Regierungen.
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erst, zerstört worden zu sein. Fast die gesamte Parteispitze des PCI, so vor allem Luigi Longo, Enrico Berlinguer, Giorgio Amendola und Carlo Galluzzi, hatten Alexander Dubčeks Reformkurs unterstützt.136 Die Kritik am Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen fiel dementsprechend deutlich aus. Kurz nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ gab Generalsekretär Longo ein vielbeachtetes Interview, in welchem er den Einmarsch verurteilte und das Konzept des policentrismo verteidigte: „Für uns sind die Autonomie, die Unabhängigkeit und die nationale Souveränität eines jeden Staates, die Autonomie und Souveränität jeder Kommunistischen Partei unverrückbare Prinzipien. Wir stimmen zwar zu, daß das Schicksal und die Zukunft des Sozialismus in einem Lande nicht nur die Kommunisten, die Demokraten und das Volk dieses Landes interessieren, sondern auch die Kommunisten, die Demokraten und die Völker aller Länder; jedoch kann dieses Prinzip unserer Meinung nach auf keinen Fall als ein Recht zur militärischen Intervention in das innere Leben einer anderen Kommunistischen Partei oder eines anderen Landes werden.“137 Auch gegenüber der „Normalisierung“ in der Tschechoslowakei zeigte sich der PCI kritisch. Der neue Machthaber Gustáv Husák ließ gar den Korrespondenten von L’Unità in Prag im Februar 1972 wegen zu kritischer Berichterstattung ausweisen.138 Die Kritik an der sowjetischen Führung nach dem Einmarsch in Prag stellte jedoch keineswegs einen endgültigen Bruch mit der KPdSU dar. Abgesehen von der notwendigen innerparteilichen Rücksichtnahme auf die sowjettreue Minderheit um Armando Cossutta war eine zu weitgehende Kritik aus taktischen und strategischen Gründen gefährlich für die italienischen Kommunisten. Mit der Il Manifesto-Gruppe hatte sich eine radikale linke Opposition im PCI gebildet, die
136 Siehe hierzu auch: Document No. 29. Report on the Visit of Luigi Longo, Italian CP General Secretary, to Czechoslovakia, May 5–7, 1968 (Excerpts), in: Jaromír Navráti (Hrsg.): The Prague Spring 1968, Budapest, New York 1998, S. 126ff. Die deutliche Unterstützung Dubčeks durch den PCI wurde auch vom Bundesnachrichtendienst registriert. Vgl. Erich Dethleffsen, Führungsbeauftragter für Auswertung des BND: Vortrag über die Krise in der ČSSR, 7. August 1968, in: Andreas Hilger/Armin Müller: „Das ist kein Gerücht, sondern echt.“ Der BND und der „Prager Frühling“ 1968, Studie Nr. 4 der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945–1968, Marburg 2014, S. 137. 137 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, „Die Prager Krise“. Interview mit Luigi Longo in: L’Astrolabio, September 1968, Nr. 35, S. 2. 138 Vgl. Hans Brisch/Ivan Volgyes (Hrsg.): Czechoslovakia, the Heritage of Ages Past. Essays in Memory of Josef Korbel, Boulder (Colorado), New York 1979, S. 192. Im Dezember 1973 wurde der L’Unità-Korrespondent erneut aus der ČSSR ausgewiesen.
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trotz der Parteiausschlüsse gegen Manifesto-Mitglieder 1969 einflussreich blieb. Ähnlich verhielt es sich mit Lotta Continua, die sich 1969 um die Führungsfigur Adriano Sofri aus den Studentenprotesten gebildet hatte.139 Maoistisch orientierte Splittergruppen und -parteien hätten eine zu weitgehende Sowjetkritik des PCI propagandistisch in ihrem Sinne nutzen können. Und schließlich war die Sowjetunion, trotz eines relativ hohen Grades an Selbstfinanzierung des PCI unter anderem durch Mitgliedsbeiträge, weiterhin wichtig für die Parteifinanzen.140 Über parteieigene Firmen bzw. Beteiligungen des PCI an Unternehmen wie Eumit und Restital wurde der Großteil des italienischen Handels mit sozialistischen Staaten abgewickelt, inklusive entsprechender Provisionen für die Kommunistische Partei.141 Michael Ledeen und Claire Sterling konstatierten daher: „The PCI has taken the lead in stimulating Italian commerce with Third World and Comecon countries, and party secretary Enrico Berlinguer often sounded like a minister of foreign commerce without portfolio during a visit to Guinea, Guinea-Bissau, and Algeria last December […].“142 Tatsächlich floss das „Gold aus Moskau“143 nach der Kritik am Einmarsch in Prag nicht mehr im gleichen Umfang wie zuvor. Der sowjetische Anteil an den Gesamteinnahmen der italienischen Kommunisten sank im Laufe der 1970er Jahre deutlich.144 Neben der Bestrafung des PCI zeigte auch eine strategische Neuorientierung der Auslandsfinanzierung durch die KPdSU
139 Zur Gründung von Il Manifesto und Lotta Continua siehe: Antonio Lenzi: Die Entstehung der italienischen revolutionären Linken. Das Beispiel von „Il Manifesto“ und „Lotta Continua“, in: Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien, 15. Jahrgang, Nr. 1/2016, S. 13–32. 140 Zur Finanzierung des PCI durch die KPdSU siehe ausführlich: Zaslavsky: Die Finanzierung der Kommunistischen Partei Italiens durch die Sowjetunion. Die finanzielle Unterstützung des PCI durch die Sowjetunion war zeitgenössisch bereits bekannt. Vgl. Michael Ledeen/Claire Sterling: Italy’s Russian Sugar Daddies, in: The New Republic, Vol. 174, Nr. 14/1976, S. 16–21; Theodor Leuenberger/Werner Gysin: Der Historische Kompromiss. Chancen und Grenzen des Eurokommunismus, Berlin (West) 1979, S. 294ff.; Heinz Timmermann: Probleme der Parteienfinanzierung bei den italienischen und französischen Kommunisten, Köln 1971. 141 Vgl. Charis Pöthig: Italien und die DDR. Die politischen, ökonomischen und kulturellen Beziehungen von 1949 bis 1980, Frankfurt am Main u. a. 2000, S. 390ff.; Nestore Di Meola: I misteri della Stasi e di Eumit, in: Critica Sociale, Nr. 9/1996, S. 25–36. 142 Ledeen/Sterling: Sugar Daddies, S. 21. 143 Vgl. Valerio Riva: Oro di Mosca. I finanziamenti sovietici al PCI dalla Rivoluzione d’Ottobre al crollo dell’URSS, Mailand 1999. 144 Vgl. Coit Dennis Blacker: The Soviet Perception of European Security, in: Derek Leebaert (Hrsg.): European Security. Prospects for the 1980s, Lexington (Massachusetts) 1979, S. 157.
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Folgen. Vor allem die Befreiungsbewegungen in Afrika, Süd- und Mittelamerika sowie Asien sollten auf sowjetischen Kurs gebracht oder auf diesem gehalten werden. Dementsprechend wurden nun verstärkt Geldmittel von Westeuropa in diese Regionen verlagert. Auf diese Weise machten die sowjetischen Kontributionen 1974 nur noch 20 Prozent der Gesamteinnahmen des PCI in Höhe von 36,6 Millionen US-Dollar aus.145 Die verminderte finanzielle Abhängigkeit von der KPdSU hatte jedoch auch Vorteile für die italienischen Kommunisten, da sie zu einem größeren Spielraum für die Eigenständigkeit führte. Giorgio Amendola schlug deswegen 1971 vor, die finanzielle Hilfe der Sowjetunion gänzlich abzulehnen. Die Zahlungen gingen jedoch weiter und beliefen sich in den 1970er Jahren jährlich auf durchschnittlich zwei Millionen US-Dollar.146 Zu beachten ist hierbei, dass die im folgenden Abschnitt dieser Arbeit ausführlich dargestellten Zahlungen der US-Regierungen unter den Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford an die Democrazia Cristiana und weitere antikommunistische Parteien Italiens gemäß des 1976 vom Ausschuss für Belange der US-Nachrichtendienste des Repräsentantenhauses veröffentlichten Pike-Reports knapp 65 Millionen Dollar betrugen.147 Neben den genannten Punkten sprach der Einfluss ehemaliger ResistenzaKämpfer gegen die endgültige Abwendung vom Sowjetkommunismus.148 Zahlreiche von ihnen hatten zwar Ende der 1960er Jahre ihren ehemals schier unerschütterlichen Glauben an die Sowjetunion verloren, schreckten allerdings vor einem Bruch mit ihr zurück. Zum einen hätte ein solcher Bruch in ihren Augen die automatische Aufwertung des „Klassenfeindes“, so vor allem der USA, zur Folge gehabt. Zum anderen hätte diese Abkehr für viele langjährige Mitglieder des PCI, insbesondere derjenigen, die bereits in der Partisanenbewegung für die Kommunisten gekämpft hatten, schwere persönliche Folgen nach sich gezogen. Viele von
145 NAII, CIA-Research Study „Soviet Policy and European Communism“ von Gene Wicklund, Oktober 1976, S. 17f. (PRESNET: CIA-RDP79T00889A000800190001-1). 146 Vgl. Brogi: Confronting America, S. 309. Eine deutlich höhere Summe wird in einer entsprechenden CIA-Studie vom Oktober 1976 genannt. Diese geht Mitte der 1970er Jahre von jährlichen Zuwendungen von 4,5 bis 7,5 Millionen US-Dollar aus. NAII, CIAResearch Study „Soviet Policy and European Communism” von Gene Wicklund, Oktober 1976, S. 17 (PRESNET: CIA-RDP79T00889A000800190001-1). 147 Vgl. United States of America, Congress, House of Representatives, Select Committee on Intelligence (Hrsg.): CIA. The Pike Report, hrsg. von der Bertrand Russell Peace Foundation, Nottingham 1977, S. 193. 148 Vgl. Alexander Höbel: Il Pci, il '68 cecoslovacco e il rapporto col Pcus, in: Studi Storici, Vol. 42, Nr. 4/2001, Themenheft „L'Italia repubblicana negli anni Settanta”, S. 1145– 1172.
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ihnen hatten den Großteil ihres bisherigen Lebens dem Kampf für den Kommunismus unter weltweiter Führung der Sowjetunion gewidmet und dafür massive Opfer in Kauf genommen. Eine zu weitgehende Kritik an der Sowjetunion war somit gleichzeitig eine Infragestellung der individuellen Lebensleistung. Trotz dieser Einschränkungen kam es nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ zu einer bislang ungekannten direkten und vor allem öffentlichen Kritik am Mutterland des Kommunismus durch die PCI-Führung. Der Kontakt zwischen den italienischen Kommunisten und der KPdSU wurde vorerst eingefroren und erst im November 1968 wieder aufgenommen, als sich die beiden Parteispitzen in Budapest trafen. Dem von der sowjetischen Seite geäußerten Wunsch einer verstärkten Anti-NATO- und Anti-USA-Propaganda – dem die französischen Kommunisten nach ähnlichen Beratungen kurz zuvor widerstandslos nachgekommen waren – wurde von Berlinguer allerdings eine klare Absage erteilt.149 Zeitlich fiel der Einmarsch in Prag in eine Phase des Übergangs an den Spitzen der beiden wichtigsten westeuropäischen KPs. Mit Luigi Longo und Waldeck Rochet hatten 1968 zwei ehemalige Widerstandskämpfer den Posten des Generalsekretärs von PCI bzw. PCF inne, die – im Falle Waldeck Rochets zumindest zeitweise – reformorientierte Ansätze verfolgten, aber noch weit vom späteren Eurokommunismus entfernt waren.150 Bereits unter Longo und Waldeck-Rochet zeichnete sich jedoch eine Linie ab, die später maßgeblich für beide Parteien werden sollte. Während Longo prinzipiell reformorientierter Kommunist war und den von Togliatti eingeschlagenen Weg des Polyzentrismus weiter ausbaute, schienen Waldeck Rochets Reformvorschläge und seine Sowjetkritik mehr auf taktischen Erwägungen denn auf wirklicher Überzeugung zu beruhen. Georges Marchais, der wegen Waldeck Rochets angegriffener Gesundheit bereits seit Ende 1968 de facto die Parteiführung übernommen hatte, führte den Zick-Zack-Kurs seines Vorgängers weiter. Enrico Berlinguer, der wegen der Erkrankung Longos seit 1969 inoffiziell die Führung des PCI übernommen hatte, wurde hingegen explizit aufgrund seiner Autonomiebestrebungen an die Parteispitze gewählt und entwickelte sich zu einem Protagonisten des Eurokommunismus.151
149 Vgl. Brogi: Confronting, S. 310. 150 Zu Longo und Waldeck Rochet siehe ausführlich: Alexander Höbel: Il PCI di Luigi Longo (1964–1969), Neapel 2010; Jean Vigreux: Waldeck Rochet. Une biographie politique, Paris 2000. 151 Vgl. Salvador Forner Muñoz/Heidy Senante Berendes: La crisis del comunismo en Europa occidental. Entre el eurocomunismo y el colapso del bloque soviético, in: Historia y politica. Ideas, procesos y movimientos sociales, Nr. 33, Januar–Juni 2015, S. 306.
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Die neue Strategie des PCI, die auf einen Ausbau der Unabhängigkeit von Moskau hinauslief, alarmierte die Sowjetführung. Am 12./13. März 1971 kam es zu einem Treffen zwischen Breschnew und einer achtköpfigen, von Berlinguer angeführten PCI-Delegation. Die italienische Parteiführung erhoffte sich die Billigung Breschnews für den italienischen Sonderweg, was auch John Volpe, dem US-Botschafter in Rom, nicht verborgen blieb: „Berlinguer is said to have sought Brezhnev’s approval for the PCI line of past several years during which Italian comrades have made an overture toward Brandt’s Social Democrats, supported his Ostpolitik152 and called for the abolition of opposing blocs in Europe.“153 Breschnews Zustimmung blieb den italienischen Kommunisten jedoch versagt. Die Prawda nutzte den Austausch, um Berlinguers Äußerungen in ein sowjetfreundliches Licht zu rücken. Zwar hatte Berlinguer wie üblich das gemeinsame Kommuniqué unterzeichnet, dessen Inhalt wurde anschließend allerdings verfälscht wiedergegeben. Einleitend wurde in der Prawda betont, dass sich der PCI allen Punkten der kommunistischen Weltkonferenz in Moskau 1969 angeschlossen habe, was nicht der Wahrheit entsprach. Seinerzeit hatte die Partei nur einen Punkt des Schlussdokuments ratifiziert und die übrigen, unter anderem die generelle Verdammung des Maoismus und die Unterstützung der Intervention in der Tschechoslowakei, verneint. Das Kommuniqué des Gesprächs zwischen KPdSU und PCI wurde nur in seinen prosowjetischen Teilen im sowjetischen Zentralorgan abgedruckt. Teilweise wurden Passagen aus ihrem Zusammenhang gerissen, so beispielsweise ein Abschnitt über die Verdammung des Anti-Sowjetismus, der vom Schluss an den Anfang des Dokuments transferiert wurde und so den Eindruck erweckte, als hätte der PCI nicht nur den Anti-Sowjetismus in Italien, sondern weltweit verurteilt. Andere Bereiche des Kommuniqués wurden von der Prawda gar nicht erwähnt. Hierzu zählten die Hinweise auf die Eigenständigkeit einer jeden KP und das Recht auf nationale Wege zum Sozialismus, auf die Berlinguer gedrängt hatte. In einem Interview mit L’Unità am 18. März 1971 reagierte Berlinguer, indem er darauf hinwies, dass der Prawda-Artikel in einigen Punkten nicht den Geist und die Worte des gemeinsamen Kommuniqués darstelle. Explizit erwähnte er, dass der PCI nur einen von vier Sektionen des Abschlussdokuments von 1969 ratifiziert habe. Die Prawda druckte die Reaktion von Berlinguer nicht ab.154 In
152 Kursiv im Original. 153 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 7 IT to POL 7 IT, POL 7 IT 2/22/73, Box 2392, Telegramm von John Volpe an Secretary of State, 27.03.1971, Rom, S. 5. 154 Ebenda, S. 2ff.
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der italienischen Presse wurden die Unterschiede zwischen Breschnew und Berlinguer hingegen deutlich benannt. Die Haltungen beider Parteien zur Niederschlagung des „Prager Frühlings“ und gegenüber der Volksrepublik China seien momentan nicht vereinbar. Zeitgleich erhöhte die KPdSU über den Weltgewerkschaftsbund (WGB) den Druck auf den kommunistischen Gewerkschaftsdachverband CGIL, der sich in noch höherem Tempo als die Partei von einer prosowjetischen Linie entfernte.155 Mittelfristige Folge hiervon war, dass sich die reformorientierte CGIL-Führung 1974 dem sozialdemokratisch geprägten Europäischen Gewerkschaftsbund anschloss und schließlich kurz vor dem Kongress in Prag 1978 aus dem WGB austrat.156 Auf dem XIII. Parteikongress des PCI im März 1972 in Mailand wurde Berlinguer offiziell zum neuen Generalsekretär gewählt. Sein Vorgänger Longo erhielt das rein repräsentative Ehrenamt des Parteipräsidenten. Die Differenzen mit der KPdSU verstärkten sich durch die Brüskierung der von Reformern gesäuberten KP-Delegation aus der Tschechoslowakei. Deren sowjetfreundliches Grußwort durfte nicht öffentlich verlesen, sondern lediglich unter den Teilnehmern als Schriftstück verteilt werden.157 Durch den Einbau von loyalem Personal in die Parteispitze begann Berlinguer darüber hinaus, den Einfluss von sowjettreuen Kommunisten in der PCI-Führung zu reduzieren. So rückten unter anderem die reformorientierten Mitglieder Luciano Barca, Edoardo Perna, Luigi Petroselli, Elio Quercioli und Renzo Imbeni vom Jugendverband FGCI in das Zentralkomitee des PCI auf. Berlinguer bereitete dadurch einen langfristig angelegten Strategiewechsel vor, der in den Folgejahren für nationales und internationales Aufsehen sorgen sollte.
155 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 1970– 1973, Economic, From LAB 9 ISR to LAB 3-3 ITF, LAB IT 1/1/70, Box 1407, Research Study „The Italian Labor Resurgence: Its Origins and Implications“, Bureau of Intelligence and Research, State Department, 09.11.1971, Washington D.C., S. 32. Siehe hierzu auch: Heinz Timmermann: I comunisti italiani. Considerazioni di un socialdemocratico tedesco sul Partito comunista italiano, Bari 1974, S. 120ff. 156 Vgl. Heinz Oskar Vetter: Notizen. Anmerkungen zur internationalen Politik, Köln 1983, S. 45ff. 157 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 1970– 1973, Political & Defense, From POL 12 IT to POL 14 IT, POL 12 IT 1/4/71, Box 2393, Telegramm von Graham Martin an SecStat, 17.03.1972, Rom, S. 1.
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3.5 Der compromesso storico Mit dem Konzept des compromesso storico legte Enrico Berlinguer Ende des Jahres 1973 den Grundstein für den italienischen Eurokommunismus. Auch wenn er vor allem auf die italienische Innenpolitik abzielte, war sein Auslöser doch außenpolitischer Natur gewesen. Am 11. September 1973 war die Regierung des demokratisch gewählten chilenischen Staatspräsidenten Salvador Allende gewaltsam gestürzt worden.158 Jener von der chilenischen Rechten um den späteren Diktator Augusto Pinochet mit Unterstützung der US-Regierung, insbesondere der CIA159, durchgeführte Militärputsch wirkte auch auf die kommunistischen Parteien Westeuropas zurück. Die negative Erfahrung mit der Vetomacht USA im Fall des chilenischen Staatsstreiches hatte PCI-Generalsekretär Berlinguer die Grenzen kommunistischer Machtzunahme in einem westlichen, für die Vereinigten Staaten wichtigen Land aufgezeigt. Informationen der US-Botschaft in Santiago de Chile zufolge hatte die Führung des PCI in diesem Sinne die chilenische Bruderpartei bereits drei Wochen nach der Wahl des Unidad Popular-Kandidaten Allende zum Präsidenten am 3. November 1970 aufgefordert, äußerst behutsam bei ihren Reformen zu sein, um die US-Regierung und innerchilenische Veto-Akteure nicht unnötig zu provozieren.160 Berlinguer übertrug die Erfahrung des chilenischen Staatsstreiches in seinen drei wegweisenden Rinascita-Artikeln unter dem Titel Riflessioni sull'Italia dopo i fatti del Cile von Ende September bis Mitte Oktober 1973 auf die italienische Situation und akzeptierte damit die Tatsache der Einflussmöglichkeiten der USA, des Vatikans und rechter Kreise in Italien.161 Politik konnte im Italien der 1970er Jahre in Berlinguers Augen nicht langfristig – wahrscheinlich nicht einmal mittelfristig, wenn man die nur knapp drei Jahre andauernde Amtszeit Allendes in Chile bis zu seinem Sturz bedenkt – und grundlegend gegen die Interessen der Vereinig-
158 Allende war als Kandidat der Sozialisten, Kommunisten, Sozialdemokraten, Linksliberalen und linken Christdemokraten gewählt worden. 159 Zur Rolle der US-Regierung siehe: Lubna Z. Qureshi: Nixon, Kissinger, and Allende. U.S. Involvement in the 1973 Coup in Chile, Lanham (Maryland) 2009. 160 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 7 IT to POL 7 IT, POL 7 IT 1/1/70, Box 2392, Telegramm der US-Botschaft Santiago de Chile an die US-Botschaft Rom, 29.10.1970, Santiago de Chile. 161 Die drei Artikel sind in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Enrico Berlinguer: Für eine demokratische Wende. Ausgewählte Reden und Schriften 1969–1974, Berlin (Ost) 1975, S. 360–386.
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ten Staaten gemacht werden. Der Nachrichtendienst des State Department berichtete daher Ende des Jahres 1976 folgerichtig an Außenminister Kissinger: „Berlinguer’s strategy is to avoid a Chilean-type situation in Italy.“162 Wollte man als Partito Comunista in Italien Regierungsverantwortung übernehmen, musste man daher frühzeitig einen Ausgleich mit den maßgeblichen innenpolitischen Kräften suchen und finden sowie eine Strategie der vertrauensbildenden Maßnahmen gegenüber der US-Regierung initiieren. Diese Erkenntnisse stellten die Basis des sogenannten compromesso storico dar. Selbstverständlich bedeutete dieser Strategiewechsel keine Akzeptanz des chilenischen Putsches an sich. Auch in der eurokommunistischen Phase war der PCI weiterhin eine zutiefst US-kritische Partei, wenn auch nicht mehr derart radikal gegen die Vereinigten Staaten eingestellt wie beispielsweise die französischen Kommunisten. Neben der Vetomacht der USA sah ein Großteil der PCI-Führung zu Beginn der 1970er Jahre auch die Gefahr eines rechtsgerichteten Putsches in Italien. Eine Zusammenarbeit der drei tragenden politischen und gesellschaftlichen Säulen des Landes – Kommunismus, Sozialismus und Katholizismus – war somit angebracht. Nicht zuletzt hatten das Bekanntwerden des für Sommer 1964 geplanten Putsches (piano solo) des Chefs der Militärpolizei Giovanni De Lorenzo durch Journalisten des Magazins l'Espresso im Mai 1967, der in der Nacht zum 8. Dezember 1970 abgebrochene, neofaschistische Putschversuch von Fürst Junio Valerio Borghese sowie zahlreiche rechts- und linksextremistische Terroranschläge das Potenzial eines Staatsstreiches aufgezeigt.163 Zwischen 1969 und 1974 kamen alleine durch Anschläge rechtsterroristischer Gruppen 50 Menschen ums Leben.164 Darunter waren unter anderem die verheerenden Anschläge auf der Piazza Fontana vor der Banca Nazionale dell'Agricoltura in Mailand am 12. Dezember 1969 (17 Tote, 88 Verletzte), auf eine antifaschistische Kundgebung in Brescia mit acht Toten am 28. Mai. 1974 (acht Tote, 102 Verletzte) und auf den Schnellzug Italicus in der Nähe von Bologna am 4. August 1974 (zwölf Tote, 48 Verletzte). Berlinguer hatte zudem das hohe Ergebnis des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) bei den Parlamentswahlen vom 7. Mai 1972 vor Augen. Die Neofaschisten hatten sich vor den Wahlen mit den Monarchisten des Partito Democratico Italiano di
162 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (9), Box 8, Briefing Memorandum von Harold H. Saunders an Henry Kissinger, 02.12.1976, Washington D.C., S. 9. 163 Vgl. Friederike Hausmann: Kleine Geschichte Italiens seit 1943, Berlin (West) 1989, S. 54f., 66–70. 164 Vgl. Petra Terhoeven: Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Italien, Blicke. Neue Perspektiven der italienischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 2010, S. 11.
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Unità Monarchica zu einem Wahlbündnis vereinigt und mit 8,7 Prozent (Abgeordnetenhaus) bzw. 9,1 Prozent (Senat) knapp 2,8 Millionen Wählerstimmen erhalten. Aus den genannten Gründen verweigerte sich Berlinguer dem Ziel einer reinen Linksregierung, die vom PSI als „sozialistische Alternative“ zu den christdemokratisch geführten Regierungen präferiert wurde. Vor dem bereits erwähnten Hintergrund nahm der Generalsekretär des PCI an, dass eine rein quantitative Mehrheit im Parlament zwar für eine Regierungsbildung ausreichen, aber nicht die tatsächlichen Machtverhältnisse in Italien widerspiegeln würde.165 Die Rücksichtnahme auf die politische Rechte, den Vatikan und die Haltung der USRegierung war für Berlinguer daher ein zentraler Aspekt der Strategie des PCI. Zusätzlich war eine potenzielle Zusammenarbeit mit dem PSI durch die massiven Flügelkämpfe innerhalb des Partito Socialista Italiano Mitte der 1970er Jahre unattraktiv für die Kommunisten geworden. Eine stabile Regierungsbildung wäre durch diese innerparteilichen Auseinandersetzungen im PSI kaum möglich gewesen. Strategisch sollte der compromesso storico auf eine Koalitionsregierung zwischen Kommunisten und Christdemokraten hinauslaufen, der sich im Idealfall die weiteren Parteien des arco costituzionale (dt. Verfassungsbogens), also Sozialisten, Sozialdemokraten, National- und Linksliberale, anschließen sollten. Eine solche Mehrheit hätte einerseits die strukturellen Probleme Italiens lösen sollen. Andererseits wollte der PCI in dieser Konstellation gemäß Gramscis Hegemoniekonzepts bürgerliche und christliche Wähler von seiner Leistungsfähigkeit überzeugen. Außerhalb des PCI erhielt der compromesso storico jedoch nur wenig prominente Unterstützung, so beispielsweise von Ugo La Malfa, Führungsfigur des linksliberalen Partito Repubblicano Italiano und ehemaliger stellvertretender Ministerpräsident Italiens.166 Der compromesso storico stellte eine konsequente Weiterentwicklung von Gramscis blocco storico und Togliattis policentrismo dar. In Anlehnung an Gramscis Konzept der kulturellen Hegemonie sollten die Bevölkerung und die staatlichen Institutionen auf demokratischem Wege vom Kommunismus überzeugt werden. Mit dem Begriff „Kompromiss“ wollte Berlinguer verdeutlichen, dass es
165 Im Endeffekt blieb die Möglichkeit einer kommunistisch-sozialistischen Regierungskoalition in Italien hypothetisch. Beide Parteien bekamen in der Parlamentswahl vom 20. Juni 1976 gemeinsam zu wenige Mandate, um eine Regierung bilden zu können. Um die Regierung ohne die Christdemokraten und Neofaschisten stellen zu können, hätten sich alle anderen im Parlament vertreten Parteien (PCI, PSI, PSDI, PRI, DP, PLI, PR, SVP, PdUP) zu einer Koalition zusammenschließen müssen. 166 Vgl. Ugo La Malfa: Communism and Democracy in Italy, in: Foreign Affairs, Vol. 56, Nr. 3/1978, S. 476–488.
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sich nicht um eine kurzfristige Taktik handelt, sondern um eine ernstgemeinte, langfristig angelegte Strategie, die Kompromissfähigkeit von Kommunisten und Christdemokraten erfordern würde.167 Dementsprechend wurde der compromesso storico ab 1973 auch zur strategischen Leitlinie auf kommunaler und regionaler Ebene.168 Während der italienische Generalsekretär den Ausgleich mit nichtkommunistischen Parteien und Staaten im Westen suchte, war die sowjetische Staats- und Parteiführung alarmiert über den von Berlinguer eingeleiteten Strategiewechsel und startete eine Kampagne zur Diskreditierung des italienischen KPChefs. Insbesondere der spätere KPdSU-Generalsekretär und Staatschef Juri W. Andropow, seinerzeit Leiter des KGB, und Politbüromitglied Michail A. Suslow wollten den als revisionistisch empfundenen Eurokommunismus offensiv bekämpfen.169 In diesem Zusammenhang wird ein Attentatsversuch des KGB zusammen mit dem bulgarischen Geheimdienst auf Berlinguer vermutet. Während des Besuchs des italienischen Generalsekretärs in Sofia im Oktober 1973 kam es zu einem schweren Unfall, als ein LKW mit hoher Geschwindigkeit in die eigentlich geschützte und auf einer gesperrten Straße verkehrende Kolonne in den Wagen mit Berlinguer fuhr. Berlinguers Übersetzer starb, Berlinguer und zwei weitere Insassen wurden verletzt. Bislang gibt es jedoch keinen eindeutigen Beweis, dass der Autounfall auf dem Weg zum Flughafen am 3. Oktober von den entsprechenden Geheimdiensten initiiert wurde.170 Berlinguer selbst und der Großteil der Führungsriege des PCI gingen von einem geplanten Attentat aus, hielten sich jedoch aus strategischen Erwägungen mit Vorwürfen gegenüber der Sowjetführung in der Öffentlichkeit zurück.171
3.5.1 Der Wandel der Sicherheitspolitik im Zuge des Eurokommunismus und die zunehmende Europäisierung des PCI Außen- und Sicherheitspolitik spielten nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang eine untergeordnete Rolle in der italienischen Politik. Fragen der Innen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik standen im Mittelpunkt des italienischen Interes-
167 Vgl. de Rosa: Sozialismus und Kommunismus, S. 171ff. 168 Zur kommunalen Strategie des compromesso storico siehe ausführlich am Beispiel Turin: Stephen Hellman: Italian Communism in Transition. The Rise and Fall of the Historic Compromise in Turin, 1975-1980, New York 1988. 169 Vgl. Pons: The Rise and Fall of Eurocommunism, S. 57–60. 170 Zu dem vermeintlichen KGB-Attentat auf Berlinguer siehe: Giovanni Fasanella/Corrado Incerti: Sofia 1973. Berlinguer deve morire, Rom 2005. 171 Vgl. hierzu die entsprechenden Interviews in der filmischen Dokumentation „Quando c'era Berlinguer“, Italien 2014, Regie: Walter Veltroni, 27:02 bis 30:34 Min.
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ses.172 Mit dem beginnenden eurokommunistischen Transformationsprozess mussten sich die Kommunisten als erste Partei Italiens ausführlicher mit diesem Themenfeld beschäftigen. Im Zuge dieser Neuorientierung kam es zu einer verstärkten Tätigkeit der kommunistischen Fraktion und Partei zu sicherheitspolitischen Themen.173 Zwischen 1972 und 1979 gingen die meisten Anfragen im italienischen Parlament zur italienischen Verteidigungspolitik von der Fraktion des PCI aus.174 Ebenso erhöhte sich die Anzahl von Publikationen zum Thema Außen- und Sicherheitspolitik im parteieigenen Verlag Editori Riuniti.175 Mit der Institutionalisierung des Centro Studi di Politica Internazionale (CeSPI) erarbeitete sich der PCI seit 1978 einen beachtlichen Informationsvorsprung in der Außen- und Sicherheitspolitik Italiens. Dieser wurde auch von US-amerikanischer Seite registriert. So bemerkte US-Botschafter Richard N. Gardner Ende des Jahres 1979, nach einer Unterredung mit Giorgio Napolitano zur Nachrüstungsdebatte, dass ausgerechnet der PCI das genaueste Datenmaterial zur Verteilung taktischer und strategischer Waffen in West- und in Osteuropa aufbieten könne.176 Das internationale Studienzentrum des PCI legte dann auch 1982 die erste fundierte Studie in Italien zur Problematik der Mittelstreckenraketen in Europa vor.177 Erst einige Jahre später zogen die anderen italienischen Parteien nach und gründeten eigene außen- und sicherheitspolitische Studienzentren nach dem Vorbild des CeSPI. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten erkannte ein Teil der westeuropäischen Regierungen und Parteien die neue sicherheitspolitische Verantwortungsbereitschaft des PCI an. Sogar Giulio Andreotti respektierte als konservativer Christdemokrat in gewissen Grenzen die erfolgte Wandlung des PCI im Bereich der Sicherheitspolitik. So bemerkte er während einer Unterredung mit USPräsident Carter am 26. Juli 1977 im Weißen Haus: „But the fact is that the PCI
172 Vgl. Arbeitsgruppe Eurokommunismus am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (Hrsg.): Eurokommunismus und westeuropäische Sicherheitspolitik, Hamburg 1978, S. 59. 173 Zur Neuausrichtung der Sicherheitspolitik des PCI im Zuge des Eurokommunismus siehe ausführlich: Michael Strübel: Neue Wege der italienischen Kommunisten. Zur Außenund Sicherheitspolitik der KPI (1973–1981), Baden-Baden 1982, S. 187–236. 174 Vgl. Hans Benedikter: Eurokommunismus. Der große Bluff, Bozen 1978, S. 205. 175 Vgl. Michael Strübel: Die Sicherheitspolitik der Kommunistischen Partei Italiens (KPI), in: Lutz (Hrsg.): Eurokommunismus und NATO, S. 60. 176 Vgl. Gardner: Mission Italy, S. 237; Lawrence L. Whetten: New International Communism. The Foreign and Defence Policies of the Latin European Communist Parties, Lexington (Massachusetts), Toronto 1982, S. 62. 177 Gianluca Devoto (Hrsg.): Dossier euromissili. Riarmo e sicurezza europea. Una ricerca, Bari 1982.
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has changed from recent years – there are no more demonstrations against NATO, and there is PCI support for the armed forces.“178 Die Anerkennung des Partito Comunista Italiano als einflussreiche Stimme in der westeuropäischen Sicherheitspolitik zeigte sich insbesondere Ende des Jahres 1976, als der Politische Ausschuss der Westeuropäischen Union (WEU) dem führenden PCI-Außenpolitiker Sergio Segre die Aufgabe übertrug, den Bericht zur Umsetzung der KSZE-Schlussakte in den Gremien der WEU anzufertigen.179 Gleichzeitig wurde durch die Vergabe der Berichterstattung an Segre die sicherheitspolitische Brisanz des Themas „Eurokommunismus“ deutlich. Vor allem die US-Regierung witterte durch eine mögliche Akzeptanz des Segre-Berichts das Eindringen des Eurokommunismus in die sicherheitspolitischen Institutionen des Westens „durch die Hintertür“180. Hinter den Kulissen wirkte die US-Regierung deswegen auf Abgeordnete in der Parlamentarischen Versammlung der WEU ein, um die Annahme von Segres Bericht in der Vollversammlung zu verhindern. Obwohl er bereits von der entsprechenden WEU-Kommission mit 17 gegen eine Stimme und einer Enthaltung angenommen worden war, wurde letztendlich nicht in der Vollversammlung über den Bericht abgestimmt. Segre zog ihn selbst zurück, nachdem der Druck in der Parlamentarischen Versammlung der WEU, den vor allem der CSU-Abgeordnete Günther Müller und der britische Konservative Frederic Bennett initiiert hatten, zu groß geworden war. Das verstärkte sicherheitspolitische Engagement war einer der Gründe für den Wandel des PCI zu einer proeuropäischen Partei. Einen wichtigen Schritt in der Europäisierung des PCI „dagli Urali a Strasburgo“181 (dt. „vom Ural nach Straßburg“) stellte der erstmalige Einzug von PCI-Abgeordneten in das Europäische Parlament am 11. März 1969 dar.182 Um die sicherheitspolitische Abhängigkeit von den USA zu minimieren, bedurfte es aus Sicht der italienischen Kommunisten einer intensivierten Zusammenarbeit der westeuropäischen Staaten in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei offenbarte die PCI-Führung eine doppelte Naivität: Weder war zu erwarten, dass sich die EG-Mitgliedsstaaten mittelfristig auf eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einlassen würden, noch
178 179 180 181
Giulio Andreotti zitiert in: Gardner: Mission Italy, S. 102. Vgl. Strübel: Sicherheitspolitik, S. 51f. „USA gegen ‚Eurokommunismus‘ durch die Hintertür“, in: Die Welt, 22.06.1977. Paolo Ferrari: In cammino verso Occidente. Berlinguer, il PCI e la comunità europea negli anni '70, Bologna 2007, S. 39. 182 Vgl. Ebenda. Als erste PCI-Abgeordnete zogen Giorgio Amendola, Giovanni Bertoli, Francesco D’Anglosante, Nilde Jotti, Silvio Leonardi, Agide Samaritani und Mauro Scoccimarro in das Europäische Parlament ein.
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hätte sich eine solche kurz- und mittelfristig als ernsthafte Alternative zur von den USA dominierten NATO entwickeln lassen. Positive Folgen zeigten die entsprechenden Initiativen dennoch. Vor allem in diesem Politikfeld kam es dadurch zu einer Annäherung an die Position der SPD-Linken. So übermittelte der damalige stellvertretende Juso-Vorsitzende Karsten D. Voigt 1973 der PCI-Führung die bis dato nur intern diskutierte Fassung der SPD-Strategie für die zukünftige Politik der Europäischen Gemeinschaft.183 Segre wies die Mitglieder des ZK-Sekretariats ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei um ein streng vertrauliches Dokument handelte, das nicht nach außen gelangen dürfe.184 In dem Strategiepapier hieß es unter anderem, dass eine verstärkte Zusammenarbeit mit antikapitalistischen Kräften angestrebt werden solle, die nicht in der Sozialistischen Internationale vertreten sind. Explizit wurden PCI und PCF als Beispiele genannt.185 Insbesondere auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik entwickelte der PCI eine starke europapolitische Identität. Hatten die italienischen Kommunisten in den 1950er Jahren noch zusammen mit der französischen Bruderpartei vehement gegen die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) gekämpft186, sprach sich die PCI-Führung im Zuge des Eurokommunismus für einen gemeinsamen europäischen Verteidigungsbeitrag aus. Prägnant formulierte Altiero Spinelli diese Position: „Heute kann Europa seine Verantwortlichkeiten erst selbst bestimmen, wenn es sich in Richtung auf eine Art politische Union hin entwickelt. In dem Moment, wo ihm das gelungen ist, wird die Frage einer gemeinsamen europäischen Verteidigung wieder auftauchen, und wir werden uns damit auseinandersetzen müssen.“187 Diametral zu dieser Politik positionierte sich der PCF, der vor allem in Fragen der Außen- und Verteidigungspolitik weiterhin keinerlei europäische Zusammenarbeit unterstützte.188 Ein prägnantes Beispiel hierfür stellt die unterschiedliche Positionierung zum Bericht „Europäische Zusammenarbeit bei der Rüstungsbeschaffung“ dar, der 1978 vom CDU-Europaabgeordneten Egon Klepsch erstellt wurde. Der im Auftrag des Europäischen Parlaments verfasste
183 FIG, APCI, Estero, 1973, mf 065, 1101–1106, „Progetto di documento per una strategia della SPD nella comunita’europea“ von Karsten D. Voigt, ohne Datum [1973]. 184 FIG, APCI, Estero, 1973, mf 065, 1100, Note per Berlinguer et al. von Sergio Segre, 27.10.1973, Rom. 185 FIG, APCI, Estero, 1973, mf 065, 1106, „Progetto di documento per una strategia della SPD nella comunita’europea“ von Karsten D. Voigt, ohne Datum [1973]. 186 Vgl. Risso: Against Rearmament or against Integration?, S. 11–31. 187 Altiero Spinelli zitiert in: Strübel: Neue Wege, S. 205. 188 PAAA, Bestand B 38, Zwischenarchiv, Bd. 115122, Gesprächsgrundlage zum Thema „Eurokommunismus und EP“ anlässlich des Besuchs des EP-Präsidenten am 23./24.5.77 in Bonn, 18.05.1977, Bonn.
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Bericht forderte eine verstärkte Zusammenarbeit der EG-Staaten bei der Rüstungsbeschaffung, um die Abhängigkeit von Rüstungsexporten aus den Vereinigten Staaten zu reduzieren. Der PCI unterstützte das im Bericht definierte Ziel einer Europäischen Agentur für Rüstungsbeschaffung vorbehaltslos, während die französischen Kommunisten eine Europäisierung der Rüstungspolitik vehement ablehnten.189 Die Divergenzen zwischen den zwei größten kommunistischen Parteien Westeuropas wurden auch durch eine Studie der US International Communication Agency (USICA) belegt. Die Daten waren zwischen März und Juni 1979 unter 38 italienischen und zwölf französischen KP-Kandidaten für die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament sowie durch eine Umfrage in der jeweiligen Mitgliederbasis gesammelt worden.190 Bei beiden Parteien musste der Umfrage nach davon ausgegangen werden, dass im Falle einer Regierungsbeteiligung der NATO weniger Priorität eingeräumt werden würde. Ebenso sprachen sich die Mehrheit der Kandidaten und der Parteibasis in beiden Fällen für eine Reduzierung der Verbindungen zwischen EG und USA aus. Im PCI wurde die von der Parteispitze formulierte Formel der Äquidistanz zwischen den zwei Supermächten präferiert.191 Ein deutlicher Unterschied zeigte sich in der Frage, ob die Verteidigungspolitik national oder multilateral ausgerichtet sein sollte. Im Falle der französischen Kommunisten entschied sich die deutliche Mehrheit für eine nationale Verteidigung, was von den meisten PCI-Kandidaten abgelehnt wurde.192 Keiner der zwölf PCF-Kandidaten sprach sich für eine Intensivierung der Verteidigung im westeuropäischen Rahmen aus, aber sieben von zwölf wollten die Verteidi-
189 Vgl. Strübel: Sicherheitspolitik, S. 52f. 190 JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 6/1/781/20/81, Box IT-5, Public Opinion Findings underline Feebleness of French (PCF) and Italian (PCI) Communist Support for Collective Defense, 16.07.1980, Washington D.C., S. 1. 191 JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 6/1/781/20/81, Box IT-5, Memorandum von Richard L. Cohen an Christine Dodson, 24.07.1980, Washington D.C. 192 JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 6/1/781/20/81, Box IT-5, Public Opinion Findings underline Feebleness of French (PCF) and Italian (PCI) Communist Support for Collective Defense, 16.07.1980, Washington D.C., S. 1.
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gungsausgaben im nationalen französischen Rahmen erhöhen.193 Im italienischen Fall wollten nur vier von 38 Kandidaten im westeuropäischen und lediglich zwei im nationalen italienischen Rahmen die Verteidigungsausgaben erhöhen. Die größten Unterschiede zwischen PCI und PCF gab es in der Frage zur Haltung gegenüber der EG: 31 von 38 italienischen Kandidaten begrüßten die zunehmende Einigung Europas, aber keiner der zwölf französischen Kommunisten unterstützte diese Entwicklung.194 Darüber hinaus sprachen sich 84 Prozent der PCI-Basis für die europäische Einigung aus, was in etwa dem damaligen italienischen Landesdurchschnitt entsprach, der bei 87 Prozent lag. Im Falle der PCFBasis waren es lediglich 56 Prozent Zustimmung im Vergleich zum Landesdurchschnitt von 71 Prozent.195 In den Folgejahren hielten die italienischen Kommunisten die Forderung nach einer gemeinsamen westeuropäischen Sicherheitspolitik aufrecht.196 Im Gegensatz zum PCF, der negative Folgen für die heimische Agrarwirtschaft befürchtete, sprach sich die PCI-Führung auch für den raschen EGBeitritt Griechenlands, Spaniens und Portugals nach deren Redemokratisierung aus.197 Da der PCI jedoch innerhalb der kommunistischen Fraktion mit dieser Haltung weitestgehend isoliert war, kam es vor allem in den 1980er Jahren zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit der sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament.198 Der PCI konnte dabei auf die etablierten Beziehungen zur SPD und zum Parti Socialiste zurückgreifen.199 Die italienischen Kommunisten versuchten sogar, allerdings erfolglos, durch ihre Kontakte den linken Flügel der britischen Labour Party von einer proeuropäischen Politik zu überzeugen.200
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Ebenda, S. 3. Ebenda, S. 4. Ebenda, S. 4f. FIG, APCI, Fondo Enrico Berlinguer, Varia, Busta 64, fasc. 53, Materiali documentari per riunione su temi sicurezza europea del 2 febbraio 1984 von Giuseppe Boffa und Gianluca Devoto, S. 3. WBA im AdsD, A 11.15, 10, Die Thesen der kommunistischen Partei Italiens für den Kongress vom 20.–25. März in Rom, Dezember 1978, S. 13. Zur kritischen Haltung des PCF siehe: Renata Fritsch-Bournazel: Die französische KP und das Europa-Parlament. Konzeptionen und Aktivitäten, Köln 1980. Vgl. Piero Fassino: Per passione, Mailand 2003, S. 189. Vgl. Giuseppe Boffa: La questione della sicurezza, in: Fabio Giovannino (Hrsg.): Un nuovo europeismo. Sinistra italiana e Spd a confronto. Supplemento al numero 5 di Democrazia e diritto 1985, Rom 1985, S. 95–98. Vgl. Kogan: Italian Communist Party, S. 112. Zur Rezeption des italienischen Eurokommunismus in der britischen Labour Party siehe: Michele Di Donato: I comunisti italiani e la sinistra europea. Il PCI e i rapporti con le socialdemocrazie (1964-1984), Rom 2015, S. 195–200.
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Zusammenfassend muss man festhalten, dass der PCI spätestens seit Mitte der 1970er Jahre die NATO grundlegend akzeptierte, nicht jedoch die sicherheitspolitische Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten. Da der Warschauer Pakt für die italienischen Eurokommunisten als sowjetdominiert ausfiel, eine Mitarbeit in den NATO-Gremien jedoch bis Mitte der 1980er Jahre undenkbar war, blieben als sicherheitspolitische Alternativen nur die Blockfreienbewegung und die EG. Die Blockfreien wurden auf Seiten des PCI zwar mit Sympathie gesehen, jedoch als zu disparat und letztendlich zu schwach eingeschätzt, um einen Gegenpol zu den beiden militärischen Blöcken bilden zu können.201 So blieb nur die, in der Realität eher naive, Hoffnung auf ein sicherheitspolitisch weitestgehend unabhängiges Westeuropa. Dies war ein wichtiger Grund für das starke europapolitische Engagement der Partei im Zuge des Eurokommunismus, das wiederum zu Meinungsverschiedenheiten mit mehreren kommunistischen Bruderparteien und zu einer weiteren Annäherung an die westeuropäische Sozialdemokratie führte.202 Darüber hinaus löste das Ziel des PCI, langfristig eine europäisierte Verteidigungspolitik zu etablieren, bei konservativen Kritikern Angst vor einer „Finnlandisierung“203 Westeuropas aus.204
3.5.2 Die Haltung des PCI gegenüber der NATO In der Argumentation gegen den italienischen Eurokommunismus spielte, aufgrund der besonderen militärstrategischen Lage Italiens, die vermeintliche Schwächung der NATO durch eine kommunistische Regierungsbeteiligung eine zentrale Rolle. Die grundsätzliche Ablehnung der NATO, die seit Gründung des Nordatlantikpakts ein wesentliches Merkmal des PCI gewesen war205, wurde in Folge der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ durch Truppen des Warschauer Pakts
201 Vgl. Michael Strübel: Die italienischen Kommunisten und die Bewegung der Blockfreien, in: Heinz Gärtner/Günter Trautmann (Hrsg.): Ein dritter Weg zwischen den Blöcken? Die Weltmächte, Europa und der Eurokommunismus, Wien 1985, S. 349–360; Galeazzi: Il PCI e il movimento dei paesi non allineati. 202 Zur Entwicklung der Europapolitik des PCI siehe ausführlich: Maggiorani/Ferrari (Hrsg.): L’Europa da Togliatti a Berlinguer. 203 Der Begriff „Finnlandisierung“ wird in den folgenden Abschnitten ausführlich erläutert. 204 Vgl. Pierre Hassner: The PCI, Eurocommunism, and Universal Reconciliation. The International Dimension of the Golden Dream, 1975–1979, in: Simon Serfaty/Lawrence Gray (Hrsg.): The Italian Communist Party. Yesterday, Today, and Tomorrow, Westport (Connecticut) 1980, S. 223. 205 Vgl.: Andrea Guiso: La colomba e la spada. „Lotta per la pace“ e antiamericanismo nella politica del Partito Comunista Italiano. 1949-1954, Soveria Mannelli 2006, S. 5–186.
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auf dem XII. Parteitag des PCI 1969 in Bologna erstmals abgeschwächt.206 Im Gegensatz zu der bis dato von der KPdSU übernommenen Anti-NATO-Position setzten sich die italienischen Kommunisten nun objektiver mit dem westlichen Verteidigungsbündnis auseinander. Generalsekretär Luigi Longo forderte unter der Losung „NATO raus aus Italien – Italien raus aus der NATO“ eine neutrale Position des Landes.207 Das Ziel einer asymmetrischen Abrüstung des Westens zugunsten der Sowjetunion wurde hingegen aufgegeben. Nichtsdestotrotz war die Haltung des PCI gegenüber dem westlichen Verteidigungsbündnis weiterhin primär „anti-Atlantic“208. So hieß es in einem Protokoll des ZK des PCI im gleichen Jahr: „Battaglia contro la NATO e battaglia di lunga durata.“209 Neben der Überwindung der Blockkonfrontation und einem Austritt Italiens aus der NATO waren Ende der 1960er Jahre der Abzug aller US-amerikanischen Militärbasen aus Italien, der italienische Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag, die Unterstützung antikolonialer Bewegungen, die Beendigung der US-Kriegsführung in Vietnam sowie die Anerkennung der DDR und der bestehenden Grenzen in Europa die wichtigsten sicherheitspolitischen Ziele des PCI.210 Als zentral wurde die Situation beider deutscher Staaten betrachtet: „Nodo dei problemi europei è la questione tedesca, noi diciamo guistamente; ciò significa che noi dobbiamo, prima di tutto nel partito, approfondire e definire il discorso sulla socialdemocrazia tedesca.“211 In einigen sicherheitspolitischen Fragen, so vor allem in der gemeinsamen positiven Haltung zum Atomwaffensperrvertrag, sollte der Kontakt zur SPD intensiviert werden. Auch um die Überwindung der Blöcke zu erreichen, sollte mit der christdemokratischen Linken in Italien und der deutschen Sozialdemokratie zusammengearbeitet werden.212
206 Zum XII. Parteitag des PCI siehe: Enrico Berlinguer: La questione comunista. 1969– 1975, Rom 1975, S. 3–41; Wolfgang Berner: Zum XII. Kongress der italienischen KP in Bologna, Köln 1969. 207 Arbeitsgruppe Eurokommunismus (Hrsg.): Eurokommunismus, S. 70f. 208 Bracke: From the Atlantic to the Urals?, S. 50. 209 „Der Kampf gegen die NATO ist ein Kampf von langer Dauer.“ FIG, APCI, Estero, 1969, mf 0305, 0406, „Gli attuali sviluppo della lotta contro la NATO e per il superamento dei blocchi militari”, verbale della riunione della 1° commissione del comitato centrale, 09.07.1969, Rom. 210 Ebenda. 211 „Wir sagen mit Recht: Kern des Problems in Europa ist die deutsche Frage; dies bedeutet, dass wir zunächst in der Partei den Diskurs über die deutsche Sozialdemokratie definieren und vertiefen müssen.“, in: Ebenda. 212 Ebenda.
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Einen Schritt weiter ging Enrico Berlinguer, seit März 1972 neuer Generalsekretär des PCI, auf dem XIV. Parteitag 1975 in Rom, indem er erklärte, dass jeder einseitige Austritt eines Staates aus einem der beiden Militärblöcke die Entspannungspolitik behindern würde: „È anche per questo che abbiamo affermato che noi non poniamo la questione dell’uscita dell’Italia dal Patto atlantico, in quanto questa eventualità, e ogni altra uscita unilaterale dall’uno o dall’altro blocco, in una situazione come quella europea, non solo non sono effettuabili, ma finirebbero per ostacolare o persino arrovesciare quel processo di distensione internazionale che risponde agli interessi di tutti i popoli e che si presenta concretamente come la sola via attraverso la quale si possa giungere al graduale superamento dei blocchi stessi.“213 Insbesondere die internationalen Faktoren der Entwicklung des compromesso storico hatten zu einer Neubewertung der NATO beigetragen.214 Wie bereits erwähnt, hatte der Militärputsch in Chile Berlinguer das ökonomische, politische und militärische Vetopotenzial westlicher Staaten, vor allem der USA, auch gegen eine demokratisch gewählte Linksregierung deutlich vor Augen geführt.215 Der PCI-Generalsekretär sprach daher im Zusammenhang mit dem US-amerikanischen Einfluss von einer „begrenzten Souveränität“216 Italiens. Dass der Fall Chile durchaus auf die italienische Situation übertragbar war, zeigte sich beispielsweise beim Staatsbesuch des christdemokratischen Ministerpräsidenten Emilio Colombo und seines Außenministers Aldo Moro in Washington D.C. im Februar 1971. Schon damals, zwei Jahre vor der Verkündung des compromesso storico, hatte US-Präsident Richard Nixon davor gewarnt, dass die Machtübernahme Allendes in Chile als Konsequenz der Verharmlosung der kommunistischen Bedrohung eingetreten sei und dies auch in Italien mit den entsprechenden
213 „Deswegen haben wir gesagt, dass wir die Frage nach dem Austritt Italiens aus der NATO nicht stellen, denn diese Möglichkeit, genau wie jeder andere unilaterale Austritt aus einem der Blöcke, in einer Situation wie der in Europa, kann nicht nur nicht ausgeführt werden, sondern würde letztendlich den internationalen Entspannungsprozess behindern, der den Interessen der Menschen entspricht und sich in der Praxis als einziger Weg darstellt, die beiden Blöcke schrittweise zu überwinden.“ Enrico Berlinguer: La politica internazionale dei comunisti italiani. 1975–1976, Rom 1976, S. 19f. 214 Vgl. Heinz Timmermann: La dimensione della politica estera nel „Compromesso storico“. Annotazioni al XIV Congresso del Partito comunista italiano, in: Sergio Segre/Lorenzo Bedeschi/Rocco Cerrato/Stefano Pivato (Hrsg.): A chi fa paura l’eurocomunismo, Rimini, Florenz 1977, S. 199–210. 215 Vgl. Antonio Varsori: L’Italia nelle relazioni internazionali dal 1943 al 1992, Rom, Bari 1998, S. 192f. 216 Enrico Berlinguer zitiert in: de Rosa: Sozialismus und Kommunismus, S. 177.
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Folgen geschehen könne.217 Eine dogmatische Politik gegen die Sicherheitsinteressen der NATO und der USA konnte somit aus Berlinguers Perspektive langfristig nicht erfolgreich sein.218 In den folgenden Jahren prägte die von Berlinguer formulierte Position, dass der europäische Entspannungsprozess eng mit einem strategischen Gleichgewicht von NATO und Warschauer Pakt verknüpft sei, die Haltung des PCI gegenüber dem Nordatlantikpakt.219 Die Annäherung der italienischen Kommunisten an die NATO führte zu einer skurrilen Auseinandersetzung während des Wahlkampfes im Jahre 1976. Mit Nino Pasti220 stellte sich der ehemalige stellvertretende NATO-Kommandeur für nukleare Angelegenheiten in Europa (Assistant Supreme Commander for NATO Nuclear Affairs in Europe) auf der vom PCI unterstützten Liste unabhängiger Linker zur Wahl zum italienischen Senat.221 Ausgerechnet der ehemalige NATO-General warf jedoch im Wahlkampf der PCI-Führung ihre neutrale Haltung gegenüber dem Nordatlantikpakt angesichts der seiner Meinung nach aggressiven, US-dominierten NATO-Politik vor.222 Den vorläufigen Höhepunkt der neuen sicherheitspolitischen Position des PCI stellte das Interview von Generalsekretär Berlinguer mit dem Journalisten und Schriftsteller Giampaolo Pansa vom Corriere della Sera kurz vor den Parlamentswahlen im Juni 1976 dar. Der italienische Generalsekretär sagte, er fühle sich auf der Seite der NATO sicherer, weil er dort nicht die Angst habe, das unge-
217 Vgl. Agostino Giovagnoli: Il partito italiano. La Democrazia cristiana dal 1942 al 1994, Rom, Bari 1996, S. 145. 218 Vgl. Steinkühler (Hrsg.): Eurokommunismus im Widerspruch, S. 55f. 219 Vgl. Schoch: Die internationale Politik, S. 278ff. 220 Im Zuge der Debatte um den NATO-Doppelbeschluss verließ Nino Pasti (1909–1992) im März 1982 die Fraktion. Pasti hatte sich vehement für die einseitige Stationierung der SS 20 eingesetzt und sich somit deutlich auf die sowjetische Seite geschlagen – eine Haltung, die innerhalb des PCI nur noch eine Minderheit teilte. Als Aktivist der Organisation „Generale für den Frieden“ war er, wie sich später herausstellte, als Spion der Sowjetunion tätig. Siehe hierzu auch die aus sowjetfreundlicher Perspektive verfasste und vom Weltfriedensrat herausgegebene Publikation: Nino Pasti: Die Euro-Raketen und das allgemeine Kräftegleichgewicht zwischen NATO und Warschauer Pakt, Helsinki 1980. Zu Pastis Spionagetätigkeit siehe: Vittorfranco S. Pisano: The Dynamics of Subversion and Violence in Contemporary Italy, Stanford (Kalifornien) 1987, S. 123f. 221 Vgl. Matthew Evangelista: Atomic Ambivalence. Italy's Evolving Attitude toward Nuclear Weapons, in: Giampiero Giacomello/Bertjan Verbeek (Hrsg.): Italy's Foreign Policy in the Twenty-First Century. The New Assertiveness of an Aspiring Middle Power, Lanham (Maryland) 2011, S. 127f. 222 Vgl. Kevin Devlin: Eurocommunism. Between East and West, in: Leebaert (Hrsg.): European Security, S. 251f.
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rechte Schicksal Alexander Dubčeks erleiden zu müssen.223 Bereits zwei Monate zuvor hatte Berlinguer in einem Gespräch mit dem französischen Botschafter François Puaux erklärt, dass im Falle einer kommunistischen Regierungsbeteiligung Italien in der NATO bleiben werde und nicht so weit gehen würde wie Frankreich, das 1966 die militärische Kommandostruktur des Bündnisses verlassen hatte.224 In die gleiche Richtung gingen die sicherheitspolitischen Aussagen der PCI-Führungsmitglieder Lucio Lombardo Radice und Alberto Jacoviello.225 Wenige Tage nach seinem vielbeachteten Interview stellte Berlinguer in seiner Rede auf der Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien Europas 1976 in Ost-Berlin vor dem anwesenden KPdSU-Generalsekretär Breschnew klar, dass der italienische Weg zum Sozialismus innerhalb des Rahmens der internationalen Allianzen liege, zu denen Italien gehöre.226 Sergio Segre ergänzte in einem Artikel in der US-amerikanischen Fachzeitschrift Foreign Affairs, dass ein Austritt Italiens aus der NATO das fragile Gleichgewicht zwischen den beiden Blöcken zerstören und dadurch die Détente gefährden würde. Der PCI würde daher keine unilateralen Schritte Italiens anstreben, sollte er Teil der Regierung werden.227 Die neue Haltung des PCI gegenüber der NATO wurde nun sogar vereinzelt von Protagonisten des linken Flügels der deutschen Sozialdemokratie kritisiert. So mahnte das spätere SPD-Vorstandsmitglied Detlev Albers im Jahre 1978: „Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass sich sowohl die NATO, wie die EG-Mitgliedschaft Italiens als zusätzliche politische Fessel gegenüber den von der italienischen Linken angestrebten Gesellschaftsveränderungen erweisen.“228
223 Das Interview ist abgedruckt in: Enrico Berlinguer: La politica internazionale dei comunisti italiani. 1975–1976, Rom, 1976, S. 149–160 (Original in: Corriere della Sera vom 15. Juni 1976). 224 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Italy-State Department Telegrams to SECSTAT-NODIS (4), Box 9, Telegramm von John Volpe an Henry Kissinger, 14.04.1976, Rom, S. 3. 225 Lucio Lombardo Radice: „Wir akzeptieren die US-Stützpunkte“, in: Der Spiegel, Nr. 51, 12.12.1977, S. 130ff.; Alberto Jacoviello: The Italian Situation and NATO, in: Survival, Vol. 18, Nr. 4/1976, S. 166–167. 226 Vgl. Devlin: Eurocommunism, S. 251. 227 Vgl. Sergio Segre: The „Communist Question“ in Italy, in: Foreign Affairs, Vol. 54, Nr. 4/1976, S. 699ff. 228 Detlev Albers zitiert in: Kellmann: Pluralistischer Kommunismus?, S. 333.
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Neben einer positiveren Haltung gegenüber der NATO intensivierte der PCI seine Kontakte zu den Befreiungsbewegungen in Afrika und dem Nahen Osten.229 Seit Anfang der 1970er Jahre versuchten sich die italienischen Kommunisten als Initiator einer neuen Sicherheitspolitik im Mittelmeerraum, die Gruppen wie den FLN, den Frente POLISARIO oder die PLO umfassten.230 In diese Strategie wurden auch Parteien und Bewegungen eingebunden, die nicht aus Anrainerstaaten des Mittelmeeres stammten, so beispielsweise die iranische Tudeh-Partei, die Eritreische Volksbefreiungsfront oder der südafrikanische ANC.231 Zu diesem Zweck wurden vermehrte Treffen sowie eigene Konferenzen durchgeführt. Die entsprechenden Konferenzen waren von einem starken Antiamerikanismus geprägt und wurden von der US-Regierung und der NATO-Führung entsprechend kritisch beobachtet.232 Die zweite Konferenz progressiver, sozialistischer und kommunistischer Parteien und Bewegungen im Mittelmeerraum vom 20. bis 25. Juni 1977 auf Malta offenbarte jedoch bereits massive Meinungsverschiedenheiten der Teilnehmer.233 Zusätzlich war sie von einem radikalen Antizionismus geprägt. Der
229 FIG, APCI, Commissioni permanenti del c.c., 1970, mf 067, 23, Brief von Enrico Berlinguer, 13.02.1970, Rom. 230 APCI, Estero, 1976, mf 0281, 0301, „Intervista con Arafat“, in: L’Unità, 24.12.1976; FIG, APCI, Estero, 1978, mf 0398, 1978, „Incontro PCI-FLN e tra Pajetta e Arafat“, in: L’Unità, 02.01.1979; FIG, APCI, Estero, 1978, mf 0398, 2045, Incontro PCI con una delegazione del Polisario, in: L’Unità, 16.11.1978; FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0427, 1846, „PCF, PCI e PCE solidali con il Fronte Polisario“ in: L’Unità, 05.11.1979. 231 FIG, APCI, Estero, 1976, mf 0243, 1853, „Incontro a Roma fra i due Pertiti Ribadito impegno di solidarietà del PCI con il Tudeh dell’Iran“, in: L’Unità, 26.10.1976; FIG, FIG, APCI, Estero, 1976, mf 0281, 0529, Messaggio del CC del PCI all’African National Congress per la giornata degli Eroi del Sud Africa, in: L’Unità, 16.11.1976; FIG, APCI, Estero, 1978, mf 0398, 2045, Incontro PCI con FPLE, in: L’Unità, 11.11.1978. 232 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 1970– 1973, Political & Defense, From POL 7 IT to POL 7 IT, POL 7 IT 1/1/70, Box 2392, Telegramm der US-Botschaft Rom an Secretary of State, 20.05.1971, Rom. 233 Teilnehmer waren unter anderem die folgenden Parteien und Bewegungen: PLO (Palästina), FLN (Algerien), Sozialistische Partei Zyperns, Parti Socialiste Unifié (Frankreich), PASOK (Griechenland), Baath-Partei (Irak), Sozialistische Fortschrittspartei des Libanon, Arabisch Sozialistische Union des Libanon, Labour Party (Malta), Sozialistische Union der Kräfte des Volkes (Marokko), Nationale Union der Kräfte des Volkes (Marokko), Parti Socialiste (Frankreich), PSI (Italien), PCI (Italien), Kommunistische Partei des Libanon, AKEL (Zypern), Mauretanische Volkspartei, BdKJ (Jugoslawien), PFLP (Palästina), FROLINAT (Tschad), ANC (Südafrika), POLISARIO (Westsahara), Sozialistische Partei Uruguays. Vgl. FIG, APCI, Estero, mf 0298, 2283, „I problemi del Mediterraneo discussi a Malta da partiti socialisti“ von Arminio Savioli, in: L’Unità, 29.06.1977.
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PCI kritisierte anschließend das Fehlen wichtiger sozialdemokratischer Parteien und nicht zuletzt den zu starken Einfluss Muammar al-Gaddafis.234 Aufgrund der unterschiedlichen Interessen und politischen Strategien setzte sich die angestrebte, abgestimmte Politik kommunistischer und sozialistischer Parteien sowie der Befreiungsbewegungen im Mittelmeerraum langfristig nicht durch. So spielte die dritte Konferenz vom 15. bis 18. Mai 1979 in Athen für die sicherheitspolitische Strategie des PCI lediglich eine untergeordnete Rolle. Die italienischen Kommunisten entsandten mit Vittorio Orilia und Remo Salati nur noch eine zweitrangige Delegation.235 Die weitere Entwicklung des PCI gegenüber dem Nordatlantikpakt zeigte, dass es sich bei der Neuausrichtung der Sicherheitspolitik nicht um rein wahltaktische Manöver gehandelt hatte.236 Auf dem XV. Parteikongress des PCI 1979 in Rom wurde der notwendige Verbleib Italiens in der NATO auch im Parteiprogramm festgeschrieben.237 Begründet wurde dies erneut mit der Gefährdung des Gleichgewichts zwischen den Blöcken, wenn Italien aus der NATO ausscheiden würde.238 Altiero Spinelli erklärte die Aufgabe der Forderung nach einem NATOAustritt Italiens darüber hinaus mit der Schutzfunktion Italiens für den eigenständigen Weg des titoistischen Jugoslawiens: „Nähme Italien eine neutrale Position ein, wäre es möglich, daß Jugoslawien genauso endet wie die ČSSR 1968. Das wollen die Kommunisten nicht.“239 Diese neue außen- und sicherheitspolitische Doktrin bezeichnete der außenpolitische Experte des PCI Sergio Segre im Anklang an die sozial-liberale Ostpolitik der Bundesregierung als „unsere Westpolitik“240. Dass die Festlegung auf die NATO-Mitgliedschaft im kommunistischen Parteiprogramm keinem Opportunismus entsprang, wurde durch die Tatsache untermauert, dass Ende des Jahres 1979 nur noch eine Minderheit von 37 Prozent
234 FIG, APCI, Estero, mf 0298, 2284, „Il Quinto Mondo di Gheddafi (o i dannati della terra a convegno)“ von Arminio Savioli, in: L’Unità, 30.06.1977. 235 FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0410, 1901, „Per un Mediterraneo di pace“, in: L’Unità, 21.05.1979. 236 „The fact that it has not been reversed despite a later decline in PCI electoral strength suggests that it was strategically significant and not just a politically expedient move for the 1976 elections.“ Whetten: New International Communism, S. 41. 237 Vgl. Strübel: Sicherheitspolitik, S. 56f. 238 Vgl. Giancarlo Pajetta: Zu den außenpolitischen Konzeptionen der italienischen Kommunisten, in: Osteuropa, Nr. 5/1982, S. 409f. 239 Altiero Spinelli zitiert in: Helmut Richter/Günter Trautmann (Hrsg.): Eurokommunismus. Ein dritter Weg für Europa?, Hamburg 1979, S. 73. 240 Sergio Segre zitiert in: Devlin: Eurocommunism, S. 251.
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der Italiener davon überzeugt war, dass Italien einem militärischen Bündnis angehören sollte.241 Ähnliche Entwicklungen gab es auch bei den spanischen Kommunisten im Zuge des Eurokommunismus.242 PCE-Generalsekretär Santiago Carrillo befürwortete die Verlängerung des spanisch-amerikanischen Militärabkommens und somit auch den vorläufigen Verbleib US-amerikanischer Militärbasen in Spanien, allerdings nur unter der Bedingung des Verzichts auf die Lagerung von Nuklearwaffen. Ein NATO-Beitritt Spaniens war jedoch aus Perspektive Carrillos nicht zwingend erforderlich.243 Ähnlich wie der PCI argumentierte auch der spanische Generalsekretär mit der Bedrohung Jugoslawiens durch die Sowjetunion. So äußerte er die Vermutung, dass die Sowjetführung insgeheim einen spanischen NATO-Beitritt befürworte, da der strategische Wert überschaubar sei und Spanien bereits zur US-amerikanischen Einflusssphäre gehöre. Vielmehr könne die KPdSU-Führung den spanischen NATO-Beitritt als Vorwand zu einer Machtausdehnung in den sowjetischen Randgebieten nutzen, so vor allem in Jugoslawien.244
3.6 Die Parlamentswahlen 1976 und die Regierung der solidarietà
nazionale Im Jahre 1976 erlebte der „Eurokommunismus“ endgültig seinen Durchbruch in der öffentlichen Wahrnehmung. Medien wie Der Spiegel brachten Artikelserien über das Thema, das TIME Magazine bildete Enrico Berlinguer auf der Titelseite ab und im Fernsehen liefen Dokumentationen über das neue kommunistische Phänomen. Insbesondere zwei Ereignisse machten 1976 zum Schlüsseljahr des Eurokommunismus: die innerhalb von wenigen Tagen stattfindenden italienischen Parlamentswahlen am 20. Juni und die Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien Europas vom 29. bis 30. Juni in Ost-Berlin. Die Wahlen vom 20. Juni 1976 brachten dem PCI einen bis dato ungekannten Erfolg ein. Die Partei erhielt mit 34,4 Prozent bei den Wahlen zum Abgeordne-
241 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, VIP Visits File, Italy, through Japan, Box 8, Briefing Paper der USICA, 17.01.1980, Washington D.C., S. 1. 242 Vgl. Predrag M. Grujić: Von Marx bis Berlinguer. Klassischer Marxismus und Eurokommunismus, Freiburg, Würzburg 1979, S. 103f. 243 WBA im AdsD, A 11.15, 17, Brief von Bruno Kreisky an Willy Brandt mit Bericht über ein Gespräch mit Santiago Carrillo, 05.10.1979, Wien, S. 3. 244 Ebenda, S. 4.
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tenhaus und 33,8 Prozent zum Senat mehr als jede dritte Wählerstimme und lag nur noch knapp hinter den Christdemokraten. Insgesamt hatten über 12,6 Millionen Italiener für die Kommunisten votiert. Außer dem PCI hatten alle anderen wichtigen Parteien Verluste zu beklagen. Neben der Democrazia Cristiana betraf dies vor allem deren mögliche Koalitionspartner PSI, PLI, PRI und PSDI. Auch die Neofaschisten des MSI hatten deutliche Verluste zu verzeichnen. Lediglich der erstmals angetretene, linksliberale Partito Radicale und die Democrazia Proletaria245, eine linke Konkurrenzgründung zum PCI, konnten mit 1,1 (vier Mandate) bzw. 1,5 Prozent (sechs Mandate) im Abgeordnetenhaus einen Achtungserfolg erzielen. Die regionalen Parteien Union Valdôtaine246 und Südtiroler Volkspartei247 konnten ihr Ergebnis aus dem Jahr 1972 halten. Vor allem die Strategie des Partito Socialista, die auf einen Einschluss des PCI in eine Notstandsregierung und eine spätere linke Alternative von PSI und PCI ausgerichtet gewesen war, hatte sich nicht ausgezahlt. Die Folge war eine Rechtswende der Partei nach den Wahlen, die sich personell in der Ablösung von Francesco De Martino durch Bettino Craxi als Vorsitzendem manifestierte. Infolge der Wahlen übernahm der PCI den Vorsitz von sieben Parlamentsausschüssen. Darunter waren die wichtigen Ausschüsse für Verteidigung, Finanzen und Haushalt. Der National Security Council der US-Regierung sah den dadurch entstandenen Machtzuwachs der Kommunisten als gefährlich an: „This will probably give the party more influence in certain areas of domestic policy than it would have won with two or three minor cabinet portfolios.“248 Gleichzeitig stellten die Kommunisten nun mit Pietro Ingrao – ab 1979 mit Leonilde („Nilde“)
245 Die Democrazia Proletaria entstand 1975 als Zusammenschluss eines Großteils des Partito di Unità Proletaria per il Comunismo mit Mitgliedern der Il Manifesto-Gruppe und weiterer linker Kleinparteien. 246 Zum Sonderfall der autonomen italienischen Region Aostatal (it. Valle d'Aosta, frz. Vallée d'Aoste) siehe: Stuart Woolf: The Political Discourse of Italian Regionalism. The Example of the Valle d’Aosta, in: Christof Dipper/Lutz Klinkhammer/Alexander Nützenadel (Hrsg.): Europäische Sozialgeschichte. Festschrift für Wolfgang Schieder, Berlin 2000, S. 403–412. 247 Zum Sonderfall der autonomen italienischen Region Trentino-Südtirol (it. Trentino-Alto Adige) siehe: Eveline Hermannseder: Europas letzte große Volksparteien. Die ChristlichSoziale Union und die Südtiroler Volkspartei im Vergleich, Baden-Baden 2014, S. 250– 279. 248 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Country File Italy, Box 5, „Italy: Changed Political Situation” von John McLaughlin, in: The National Intelligence Daily, 30.08.1976.
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Jotti – den Präsidenten bzw. die Präsidentin des Abgeordnetenhauses. Ebenso war ein massiver Mitgliederzuwachs zu verzeichnen, der 1977 zu 1,81 Millionen Mitgliedern führte und die Kommunistische Partei Italiens somit zu einer der mitgliederstärksten Parteien der gesamten westlichen Welt machte.249 Alleine im Wahljahr 1976 traten 174 000 neue Mitglieder dem PCI bei.250 Darüber hinaus war die kommunistische Parteizeitung L‘Unità mit 337 000 Exemplaren im Jahre 1976 die drittauflagenstärkste Tageszeitung Italiens.251 Auch das theoretische Organ des PCI Rinascita erreichte eine wöchentliche Auflagenhöhe von 40 000. Hinzu kamen 300 Zeitungen und Zeitschriften mit einer Jahresauflage von 11,5 Millionen Exemplaren, die auf lokaler, provinzialer oder regionaler Ebene vom PCI vertrieben wurden.252 Das Bewusstsein über die eigene Stärke zeigte die Partei auch nach außen, so etwa durch die Wahlplakate, die der PCI in den Parlamentswahlen 1972 und 1976 verwendete. Inhaltlich auf die italienische Trikolore, die weitgehend von der roten Flagge mit Stern, Hammer und Sichel verdeckt wird, und das Parteikürzel reduziert, sticht nur die selbstbewusste Aufforderung „vota comunista“ (dt. „wählt kommunistisch“) hervor. (Siehe Abb. 8).253 Die Kommunisten reüssierten auch bei Kommunalwahlen. Zu Beginn des Jahres 1977 wurden unter anderem die italienischen Großstädte Rom, Turin, Neapel, Florenz und Bologna von kommunistischen Oberbürgermeistern verwaltet. In Mailand, Genua und Venedig wurden zusätzlich sozialistische Bürgermeister mit den Stimmen des PCI gewählt.254 Mehr als die Hälfte der italienischen Bevölkerung wurde seinerzeit kommunal und/oder regional von Kommunisten regiert.255 Insgesamt stellten die Kommunisten Mitte der 1970er Jahre knapp 35 000 kommunale Abgeordnete.256 Insbesondere der prestigeträchtige Erfolg des PCI-Kandidaten Giulio Carlo Argan als erster Nicht-Christdemokrat bei den Wahlen zum Oberbürgermeister der Hauptstadt Rom im Jahre 1976 hatte hierbei für Aufmerksamkeit gesorgt. Vor den Wahlen hatte Kardinal Ugo Poletti, Stellvertreter des Papstes in der ita-
249 250 251 252 253 254
Vgl. Lazar: Maisons rouges, S. 398. Vgl. de Rosa: Sozialismus und Kommunismus, S. 184. Vgl. Timmermann (Hrsg.): Dokumente, S. 14. Vgl. de Rosa: Sozialismus und Kommunismus, S. 184. Wahlplakat des PCI für die italienische Parlamentswahl 1972. Zum Erfolg des Munizipalkommunismus siehe: Peter Lange: The PCI at the Local Level. A Study of Strategic Performance, in: Donald L. Blackmer/Sidney Tarrow (Hrsg.): Communism in Italy and France, Princeton, London 1975, S. 259–304. 255 Vgl. David I. Kertzer: Politics & Symbols. The Italian Communist Party and the Fall of Communism, New Haven 1996, S. 38. 256 Vgl. Der Spiegel, Nr. 6, 02.02.1976, S. 85.
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lienischen Hauptstadt, die Römer davor gewarnt, dass Rom eine Stadt ohne Gott werden würde, wenn der Kandidat des PCI gewänne.257 Eric Hobsbawm kommentierte die Haltung des Vatikans mit Ironie, indem er darauf hinwies, dass die überraschend vorhersehbare Verflüssigung des geronnenen Blutes von San Gennaro258 in Neapel auch unter der dortigen kommunistischen Administration weiterhin auftrat.259 Das Ergebnis der Parlamentswahl vom 20. Juni 1976 machte die Mehrheitsbildung für eine neue christdemokratisch geführte Regierung kompliziert. Eine absolute Mehrheit hatte die DC deutlich verfehlt, der Dauerkoalitionspartner PSI verweigerte sich einer erneuten Regierungsbeteiligung und der neofaschistische MSI fiel seit der Tambroni-Krise 1960 als gouvernementaler Partner aus. Im Sinne der Strategie des compromesso storico war die passive Duldung einer christdemokratischen Minderheitsregierung unter Giulio Andreotti als Ministerpräsident durch die Fraktion des PCI die Lösung. In dieser Regierung der „non sfiducia“ (dt. „Nicht-Misstrauen“) enthielten sich die kommunistischen Abgeordneten bei Abstimmungen im Parlament und verschafften so der christdemokratischen Minderheitsregierung die nötige Mehrheit. Die ambivalente Position des PCI als Unterstützer der DC zeigte sich wenige Wochen nach der Wahl der Regierung Andreotti. Während der Sitzung des ZK vom 18. bis 20. Oktober 1976 warnte Parteipräsident Luigi Longo vor einer zu starken Identifikation mit den Maßnahmen der christdemokratischen Regierung260, während Giorgio Amendola eine weitere Intensivierung der von der Re-
257 Vgl. Horst Schlitter: Italien. Industriestaat und Entwicklungsland, Hannover 1977, S. 82. Zur Reaktion des Vatikan auf den kommunistischen Wahlsieg in Rom siehe auch: Arnold Künzli: Eurokommunismus. Aufzeichnungen aus Italien und Jugoslawien, Basel 1977, S. 33f. 258 San Gennaro (Heiliger Januarius) ist der Stadtpatron von Neapel. Der Legende nach wurde das Blut von Gennaro bei seiner Enthauptung (wahrscheinlich im Jahre 305) von einer Frau in einer Phiole aufgefangen. Seit dem Mittelalter wird das „Blutwunder von Neapel“ gefeiert, wenn sich das Blut verflüssigt. Dies gilt unter gläubigen Neapolitanern als Zeichen für ein erfolgreiches Jahr der Stadt. 259 Eric Hobsbawm: Fractured Times. Culture and Society in the Twentieth Century, London 2013, S. 213. 260 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Country File Italy-Norway, Box 5, Italian Communists Troubled by Internal Dissent, 21.10.1976, S. 2.
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gierung Andreotti eingeleiteten Austeritätspolitik forderte.261 Von Seiten der Basis musste sich Berlinguer zunehmend des Vorwurfs der Sozialdemokratisierung der Kommunistischen Partei erwehren.262 Gegenüber der Sowjetführung wurde die kritische Distanz jedoch kontinuierlich ausgebaut. So blieb Berlinguer den Feierlichkeiten anlässlich Breschnews 70. Geburtstag im Dezember 1976 in Moskau demonstrativ fern.263 Knapp ein Jahr nach den Wahlen kam es im Juli 1977 zu einer Programmabsprache zwischen DC und PCI, die eine aktive Unterstützung der Regierung durch die Kommunisten im Parlament einleitete. Die Verhandlungen zwischen beiden Parteien wurden inner- und außerhalb Italiens aufmerksam verfolgt. Der Handschlag der beiden Verhandlungsführer Berlinguer und Moro ließ in den Augen der meisten Beobachter den compromesso storico in die Nähe seiner Verwirklichung rücken, was wiederum Ängste und Hoffnungen im In- und Ausland schürte.264 (Siehe Abb. 9).265 Die neue Programmabsprache führte im Bereich der Inneren Sicherheit zu einem Ausbau der Polizei und ihrer Befugnisse. Bis auf die Frage der Neuorganisation der Polizeigewerkschaft unterstützte der PCI weitestgehend die von der DC vorgeschlagenen Anti-Terror-Maßnahmen, was ihn in eine konträre Position zu den eigenen Reformvorschlägen für die Polizei und die Armee brachte.266 Auch im wirtschaftspolitischen Bereich widersetzte sich der PCI nicht der DC-Forderung nach Intensivierung der Austeritätspolitik. Des Weiteren wurde die Aufwertung der Regionen und der kommunalen Ebene beschlossen. Vage formuliert blieben
261 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (9), Box 8, Briefing Memorandum von Harold H. Saunders an Henry Kissinger, 02.12.1976, Washington D.C., S. 3. 262 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Country File Italy, Box 5, Italian Parties Prepare for Opening of Parliament von John McLaughlin, 22.09.1976, S. 2. 263 Vgl. Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats I. Klasse Kühn, 22.12.1976, in: Institut für Zeitgeschichte im Auftrag des Auswärtigen Amts (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, 1976, Band 2, 1. Juli bis 31. Dezember, München 2007, S. 1683. 264 Zum Verhältnis der beiden politischen Protagonisten Berlinguer und Moro siehe: Emanuele Bernardi: Aldo Moro and Enrico Berlinguer, in: Erik Jones/Gianfranco Pasquino (Hrsg.): The Oxford Handbook of Italian Politics, Oxford 2015, S. 368–377. 265 Handschlag zwischen Aldo Moro und Enrico Berlinguer am 3. Mai 1977 in Rom. 266 Vgl. die Vorschläge des PCI zur Reform von Polizei und Armee in: Joachim Bischoff/Jochen Kreimer (Hrsg.): Sozialismus für Italien. Programm einer gesellschaftlichen Umgestaltung, Hamburg, Berlin (West) 1977, S. 203–208.
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hingegen die Pläne für eine Reform des Bildungswesens, die Neuregelung des Mediensektors und hinsichtlich der Neubesetzung öffentlicher Spitzenämter.267 Die Tolerierung der christdemokratischen Minderheitsregierung stellte die Kommunisten auf eine harte Probe. Insbesondere die vom Internationalen Währungsfonds verordnete Austeritätspolitik führte zu massiven Differenzen zwischen der PCI-Führung und der kommunistischen Basis. Meinungsverschiedenheiten zwischen Christdemokraten und Kommunisten gab es vor allem im wirtschaftspolitischen Bereich. So forderte der PCI eine langfristige und strukturelle Reform des Wirtschaftssektors, während die DC kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen präferierte. Für Regierungschef Andreotti bot die Tolerierung Vorteile. Infolge der Unterstützung durch den PCI konnte auch die CGIL in ihrem Kampf gegen die Austeritätspolitik gebändigt werden.268 Der kommunistisch dominierte Gewerkschaftsverband war in diesen Jahren deutlich kompromissbereiter als die sozialistisch dominierte UIL bzw. die christdemokratische CISL, was auch der US-Regierung nicht verborgen blieb.269 Lucio Magri, Protagonist der Il ManifestoGruppe und seinerzeit Vorsitzender des Partito di Unità Proletaria per il Comunismo, hatte in diesem Sinne bereits kurz nach dem Beginn der kommunistischen Tolerierungspolitik festgestellt: „Rather than using the P.C.I. to control the economic crisis, Andreotti uses the economic crisis to control the P.C.I.“270 Entgegen der Befürchtung des US-Außenministeriums kam es durch die indirekte Einbindung in die Regierungsmehrheit jedoch nicht zu einer Akzeptanz des PCI in breiten Schichten der katholischen Landbevölkerung. Vielmehr entwickelten sich, durch die Nichtbetonung sozialer Themen wie Abtreibung und der Beziehung Staat-Kirche sowie gleichzeitiger Unterstützung der Austeritätspolitik
267 JCPL, Staff Material, Europe, USSR, and East/West, Box 21, CIA Intelligence Memorandum „Italy’s New Program Agreement: How Significant?“, 15.07.1977, S. 2–5 (PRESNET NLC-23-21-8-1-4). 268 Vgl. Karl Kühne: Eurokommunismus. Ursprünge, Wirtschaftspolitik und Rolle der Gewerkschaften, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 28. Jahrgang, Nr. 9/1977, S. 545–557. 269 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (9), Box 8, Briefing Memorandum von Harold H. Saunders an Henry Kissinger, 02.12.1976, Washington D.C., S. 5. 270 Lucio Magri zitiert in: JCPL, White House Central File, Subject File, Countries, Executive CO 75 4/1/79-1/25/80 through Confidential CO 78 8/1/79-1/20/81, CO 75 General 1/20/77-1/20/81, Box CO-37, „For ever creeping? The Italian political situation between the all-too familiar and the unpredictable“ von Pierre Hassner, Januar 1977, S. 3.
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Andreottis, massive Differenzen mit der eigenen Parteibasis.271 Durch diese christdemokratische Politik der „Aushungerung durch Umarmung“272 gegenüber den Kommunisten erhöhte sich spätestens Ende des Jahres 1977 der Druck der kommunistischen Basis, endlich eigene Minister in die Regierung zu entsenden. Ugo La Malfa, Vorsitzender der linksliberalen Republikanischen Partei, forderte in einem Artikel am 6. November 1977 erstmals die offizielle Aufnahme des PCI in die Regierungsmehrheit. Berlinguers Kritik an der KPdSU habe ihm so viel Glaubwürdigkeit verliehen, dass es an der Zeit sei, den PCI in die Verantwortung zu nehmen. Ende November 1977 übernahm Berlinguer diese Position und forderte die Anerkennung der parlamentarischen Stärke des PCI, indem dieser offiziell in die Regierungsfraktion aufgenommen werde. Anfang Januar 1978 legte sich die DC darauf fest, den PCI nicht an der Regierung zu beteiligen. Allerdings bot Andreotti an, die gemeinsame Programmvereinbarung zwischen DC und PCI vom Sommer 1977 zu überarbeiten. Wenige Tage später trat Ministerpräsident Andreotti am 16. Januar 1978 zurück, erhielt jedoch von Staatspräsident Giovanni Leone erneut den Auftrag zur Regierungsbildung. Andreotti konsultierte daraufhin alle Parteien des Verfassungsbogens. Der PCI hielt in dieser Phase seine Forderung nach einer offiziellen Regierungsbeteiligung inklusive eigener Minister aufrecht, deutete aber gleichsam an, dass die Parteiführung gesprächsbereit sei. Während Giulio Andreotti, Aldo Moro und Benigno Zaccagnini bereit waren, den PCI in die parlamentarische Regierungsmehrheit mit aufzunehmen, blockierte der rechte DC-Flügel um Arnaldo Forlani, Mariano Rumor und Emilio Colombo dieses Vorhaben. Letztendlich konnte sich Moro in einer gemeinsamen Sitzung der DC-Fraktionen von Abgeordnetenhaus und Senat durchsetzen, indem sich die Mehrheit für den Einschluss des PCI in die Regierungsfraktion entschied. Dadurch wurde die erneute Bildung einer DCAlleinregierung ohne Minister des PCI möglich. Diese Regierung der solidarietà nazionale fußte auf der parlamentarischen Unterstützung der Fraktionen von DC, PCI, PSI, PSDI und PRI.273 Von den Parteien des arco costituzionale hatte sich nur der kleine Partito Liberale Italiano gegen eine Unterstützung ausgesprochen.
271 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (9), Box 8, Briefing Memorandum von Harold H. Saunders an Henry Kissinger, 02.12.1976, Washington D.C., S. 6. 272 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Internationale Beziehungen – Italien, 1/BFAA001530, Kurzbericht aus Italien: Regierungskrise am toten Punkt von Holger Quiring, 21.02.1979, Rom, S. 1. 273 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000459, Italiens Regierungskrise: Genesis, Etappen, Lösung, Perspektiven von Holger Quiring, 21.03.1978, Rom.
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Bereits am 7. Februar 1978 hatte Berlinguer die italienische Regierungskrise beendet, indem er die Forderung des PCI nach Ministerposten zurückzog und sich mit der offiziellen Aufnahme des PCI in die parlamentarische Regierungsfraktion zufrieden gab. Wie vereinbart wurde eine neue Programmabsprache zwischen beiden Parteien ausgearbeitet. Als Gegenleistung für die Aufnahme in die Regierungsfraktion musste sich der PCI in diesem Dokument zu zahlreichen Programmpunkten der Christdemokraten bekennen. Hierzu zählten ein klares Bekenntnis zur NATO- und EG-Mitgliedschaft Italiens, ein Verzicht auf Verstaatlichungen und die Unterstützung der Regierung in ihrem Kampf gegen den Terrorismus. Am 8. März wurde die neue Vereinbarung fertig gestellt, der neben DC und PCI auch PSI, PSDI und PRI zustimmten. Wenige Tage später konnte die neue Regierung von Ministerpräsident Andreotti vereidigt werden. In ihrer politischen Symbolik und ihren Folgen kaum zu überschätzen war die Entführung des populären ehemaligen Ministerpräsidenten und DC-Parteipräsidenten Aldo Moro durch die Brigate Rosse am 16. März 1978, dem Tag der Abstimmung über die christdemokratisch-kommunistische Regierungskoalition im Parlament. Nicht weniger symbolträchtig war der Ablageort der Leiche Moros in der Via Caetani, wo sie am 9. Mai 1978 exakt in der Mitte der beiden Parteizentralen der Democrazia Cristiana und des Partito Comunista Italiano aufgefunden wurde. Der „einflussreichste Verfechter des [historischen, d. Verf.] Kompromisses in der Christlich-Demokratischen Partei“274 war in der Nacht zuvor umgebracht worden. Moros Entführung und Ermordung lösten eine Vielzahl von Problemen und Zwängen für den PCI aus. Nun musste sich die Partei endgültig bekennen: Entweder konnte man auf die radikale Linke, die sich im Zuge der Ereignisse von 1968, des Ausschlusses der Il Manifesto-Gruppe 1969 und der Entstehung linksterroristischer Gruppen, insbesondere den Brigate Rosse, gebildet hatte, zugehen.275 Oder die Kommunistische Partei musste sich als Ordnungsfaktor profilieren und eine klare Trennlinie zum Linksextremismus ziehen. So oder so verlor der PCI eine große Wählergruppe. Die radikale Linke hatte bis zur Entführung Moros aus Mangel an erfolgversprechenden Alternativen größtenteils weiterhin den Partito Comunista gewählt. Die in Folge der Strategie des compromesso storico ab 1973 neu hinzugewonnenen Wähler der Mittelschicht erwarteten hingegen ein klares Bekenntnis zur Verfolgung der Linksterroristen. Die PCI-Führung um Berlinguer entschied sich für letztere Variante, was zahlreiche Implikationen nach sich zog: Die nunmehr fast bedingungslose Unterstützung der christdemokrati-
274 Dietmar Stübler: Geschichte Italiens. 1789 bis zur Gegenwart, Berlin (West) 1987, S. 253. 275 Zur Entstehung der linken Protestbewegungen in Italien siehe: Tobias Hof: Staat und Terrorismus in Italien 1969–1982, München 2011, S. 40–48.
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schen Regierung sowie der – häufig von Alt- oder Neofaschisten durchsetzten – Geheimdienste und Polizeidienststellen wurde nun erwartet, um das Leben Moros zu retten und die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten.276 Als Gegenzug wurde der PCI von den regierenden Christdemokraten von dem Vorwurf freigesprochen, der Linksterrorismus gehe von der Kommunistischen Partei aus.277 Die eigene politische Agenda des PCI wurde für einen Zeitraum von mehreren Monaten hintangestellt. Sogar Christdemokraten wie der Präsident des italienischen Arbeitgeberverbandes Confindustria Guido Carli räumten ein: „Gerade in diesen Tagen hat die Haltung der KPI gegenüber der wachsenden Gefahr des Terrorismus gezeigt, daß diese Partei aus Menschen besteht, die die Kenntnis der Gesetze mit der Entschlossenheit verbinden, diese anzuwenden und für ihre Anwendung zu sorgen.“278 Gleichzeitig geriet die Kommunistische Partei dadurch selbst in das Schussfeld der Linksterroristen. Bereits am 17. November 1977 hatten die Brigate Rosse einen Anschlag auf Carlo Castellano, PCI-Funktionär aus Genua und Mitglied des Regionalvorstands in Ligurien, verübt, bei dem dieser mit mehreren Schüssen in die Beine schwer verletzt wurde.279 Mit Guido Rossa, PCI-Mitglied und Gewerkschafter, wurde im Januar 1979 in Genua erstmals gezielt ein Kommunist von Linksterroristen exekutiert, weil er gegen die Brigate Rosse vor Gericht als Zeuge ausgesagt hatte.280 Die Ermordung Rossas hatte eine weitere Radikalisierung zur Folge. Insbesondere die Basis wandte sich zusehends von Berlinguers kompromissbereitem Kurs ab und machte den amerikanischen Einfluss im Zuge der strategia della tensione (dt. Strategie der Spannung) für den italienischen Terrorismus verantwortlich. Während Rossas Beerdigung skandierten Teilnehmer: „Away, away, servants of the CIA.“281 Die bereits seinerzeit offensichtliche Verwicklung
276 Vgl. Johannes Hürter: Regieren gegen Terrorismus. Die Beispiele Westminster, Bonn und Rom in den 1970er Jahren, in: Ders. (Hrsg.): Terrorismusbekämpfung in Westeuropa. Demokratie und Sicherheit in den 1970er und 1980er Jahren, Berlin, München, Boston 2015, S. 74–77. 277 Vgl. Tobias Hof: Anti-Terrorismus-Politik in Italien 1969–1982, in: Johannes Hürter/Gian Enrico Rusconi (Hrsg.): Die bleiernen Jahre. Staat und Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland und Italien 1969–1982, München 2010, S. 23. 278 Guido Carli zitiert in: AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000461, Mitten in der Furt: Die KPI besteht 60 Jahre von Holger Quiring, 20.01.1981, Rom, S. 11. 279 Vgl. Der Spiegel, Nr. 51, 12.12.1977, S. 126. 280 Vgl. Rossana Lucchesi: RAF und Rote Brigaden – Deutschland und Italien von 1970 bis 1985, Berlin 2013, S. 276f.; Ronchey: Guns and Gray Matter, S. 940. 281 JCPL, White House Central File, Subject File, Countries, Executive CO 74 9/10/801/20/81 through Executive CO 75 8/1/77-3/31/79, CO 75 Executive 8/1/77-3/31/79,
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verschiedener italienischer Sicherheitsbehörden und Politiker sowie ausländischer Geheimdienste wurde vom PCI allerdings kaum thematisiert. Tatsächlich unterstützten die westlichen Staaten spätestens nach der Ermordung Aldo Moros italienische Antiterroreinheiten in ihrem Training, wie Quellen des US-amerikanischen National Security Councils offenbaren: „We are quietly providing the Italians with modest anti-terrorism training. […] The Germans, French, and British are helping quietly as well.“282 Die Verpflichtung zur Unterstützung der Democrazia Cristiana verbat öffentliche Kritik, während die Führung des PCI die difesa della repubblica283 (dt. Verteidigung der Republik) in den Vordergrund stellte, was vor allem bei jugendlichen Mitgliedern an der Basis für Unmut sorgte.284 Viele von ihnen wandten sich nun endgültig von der Kommunistischen Partei ab und schlossen sich den seit den späten 1960er Jahren weitgehend autonom agierenden Strömungen des Operaismus und weiterer linker Splittergruppen wie den Indiani Metropolitani an.285 Auf diese Weise kam es beispielsweise im Rahmen von Fabrikbesetzungen zu spektakulären Aktionen, die häufig spontan durchgeführt wurden, entsprechende Medienaufmerksamkeit erreichten und sogar Vorbildwirkung für die parteiungebundene Linke in der Bundesrepublik entfalteten.286 Damit stellten sich die Anhänger des Operaismus konträr zur staatstragenden Rolle des PCI und des kommunistischen Gewerkschaftsdachverbandes CGIL. Auch die neue Programmabsprache zwischen DC und PCI geriet zu einem einseitigen Pakt zugunsten der Christdemokraten Andreottis. Keine der sozialen Programmpunkte der Kommunisten wurde umgesetzt, bis der Partito Comunista im Januar 1979 der Democrazia Cristiana das Vertrauen im Parlament entzog.287 Berlinguers Hoffnung, der PCI würde durch seine Zurückhaltung gegenüber den
282 283 284 285 286 287
Box CO-36, Brief von Richard Gardner an David Aaron, 02.02.1979, Rom; Ronchey: Guns and Gray Matter, S. 940. JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Trip File, President, Guadeloupe 1/4-6/79, NSC Briefing Book [II], Box 16, NSC Meeting, ohne Datum [1979], S.2. Vgl. Giancarlo Pajetta: A difesa della repubblica, in: Rinascita, 21.04.1978. Vgl. David Priestland: Weltgeschichte des Kommunismus. Von der Französischen Revolution bis heute, München 2009, S. 596. Zur Theorie und Entwicklung des Operaismus siehe: Steve Wright: L'assalto al cielo. Per una storia dell'operaismo, Rom 2008. Vgl. Sven Reichardt: Authentizität und Gemeinschaft. Linksalternatives Leben in den siebziger und frühen achtziger Jahren, Berlin 2014, S. 32, 126f. Vgl. Francesco Barbagallo: Il PCI dal sequestro di Moro alla morte di Berlinguer, in: Gabriele de Rosa/Giancarlo Monina (Hrsg.): L’Italia repubblicana nella crisi degli anni settanta. Band 4 – Sistema politico e istutizioni, Soveria Mannelli 2003, S. 86ff.
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Christdemokraten nach der Moro-Entführung bzw. -Ermordung innerhalb der italienischen Gesellschaft und auch im westlichen Ausland als verantwortungsbewusste, staatstragende Partei wahrgenommen werden, erfüllte sich nicht. Damit war der compromesso storico gescheitert, obwohl er von Berlinguer nicht umgehend aufgegeben wurde.
3.7 Die Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas in Ost-Berlin Nur neun Tage nach den italienischen Parlamentswahlen begann am 29. Juni 1976 die inner- und außerhalb der kommunistischen Bewegung mit Spannung erwartete, zweitägige Konferenz europäischer kommunistischer Parteien in der Hauptstadt der DDR.288 Diese Konferenz nimmt in der Reihe kommunistischer Gipfeltreffen eine Sonderrolle ein. Letztmalig wurde vor den Augen der Weltöffentlichkeit und in einem internationalen Maßstab versucht, den Zusammenhalt des kommunistischen Lagers in Europa nach außen zu demonstrieren und ein Schisma zwischen den eurokommunistischen und den loyal zur Sowjetunion stehenden Parteien zu verhindern. Knapp drei Monate vor Beginn der Konferenz hatte sich der Konflikt zwischen den eurokommunistischen Parteien und der KPdSU noch einmal ausgeweitet, als Georges Marchais und Santiago Carrillo demonstrativ dem XXV. Parteitag der sowjetischen Kommunisten vom 24. Februar bis 5. März 1976 in Moskau fernblieben. Lediglich Berlinguer nahm als Generalsekretär einer der drei großen eurokommunistischen Parteien teil, hielt jedoch eine provokante Rede.289 In dieser betonte er unter anderem die Akzeptanz der NATO und der EG durch den PCI.290 Die Ost-Berliner Konferenz wurde in einem internen Bericht des Politischen Komitees der NATO dementsprechend als „damage limiting operation“291 für die Sowjetführung bezeichnet.
288 Zur Konferenz siehe ausführlich: Heinz Timmermann: Die Konferenz der europäischen Kommunisten in Ost-Berlin. Ergebnisse und Perspektiven, Köln 1976. 289 Vgl. Blacker: The Soviet Perception, in: Leebaert (Hrsg.): European Security, S. 155f. Sie hierzu auch die Originalaufnahme von Berlinguers Rede in Moskau in der filmischen Dokumentation: Quando c'era Berlinguer, Italien 2014, Regie: Walter Veltroni, 37:39 bis 39:30 Min. 290 Vgl. Christian Zänker: Die Abkehr der italienischen Kommunisten von Moskau (1964– 1983), Frankfurt am Main u.a. 1987, S. 80–85. 291 NA, Political Affairs 1971–1975, CM(76)53, Conference of European Communist Parties, Report by the Political Committee von E. F. Jung, 20.08.1976, Brüssel, S. 1.
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Kommunistische Gipfeltreffen waren seit der Auflösung des Kominform immer ein Zeichen der Krise gewesen. Bereits die erste kommunistische Weltkonferenz vom 14. bis 16. November 1957 in Moskau sollte die Reihen der kommunistischen Weltbewegung nach der Verunsicherung durch den XX. Parteitag der KPdSU und die Niederschlagung des ungarischen Aufstands wieder schließen. Die Weltkonferenz vom 10. November bis 1. Dezember 1960 in Moskau war durch den sowjetischen Konflikt mit der Volksrepublik China nötig geworden. Schließlich war die letzte kommunistische Weltkonferenz vom 5. bis 17. Juni 1969 den Folgen der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ knapp zehn Monate zuvor geschuldet. Das maoistische China nahm letztmalig 1960 teil. Die folgende Weltkonferenz im Jahre 1969 wurde von der chinesischen KP im Einklang mit den meisten kommunistischen Parteien Asiens boykottiert.292 Eine generelle Verurteilung Maos wurde jedoch durch die italienischen und spanischen Teilnehmer abgelehnt. Die italienische KP trat im Zuge von Togliattis Polyzentrismuskonzept in den Konferenzen bereits ab 1957 als Kritiker einer für alle kommunistischen Parteien verbindlichen Führungsrolle durch die KPdSU auf.293 Als Folge der Autonomiebestrebungen im europäischen Kommunismus wurden ab 1967 Regionalkonferenzen etabliert. Die erste europäische Konferenz kommunistischer Parteien fand vom 24. bis 26. April 1967 im tschechoslowakischen Karlovy Vary statt. Die massiven Divergenzen im europäischen Kommunismus zeigten sich bereits an dem Fernbleiben der Parteien aus Jugoslawien, Rumänien, Albanien, Norwegen, Island und den Niederlanden. Trotz der Meinungsverschiedenheiten war die Vorbereitung der Konferenz rasch erfolgt. Lediglich ein Treffen im Februar 1967 in Warschau hatte hierfür ausgereicht.294 Gänzlich anders verlief die Vorbereitung für die Konferenz in Ost-Berlin neun Jahre später. Offensichtlich auf Wunsch der KPdSU war die Initiative hierfür im November 1973 von den kommunistischen Parteien Bulgariens, Ungarns und der DKP ausgegangen.295 Bereits zwei Monate später führten die westeuropäischen KPs vom 26. bis 28. Januar 1974 eine eigene Konferenz in Brüssel durch, um sich
292 Zur Positionierung der kommunistischen Parteien im sino-sowjetischen Konflikt siehe: Hermann Weber: Demokratischer Kommunismus? Zur Theorie, Geschichte und Politik der kommunistischen Bewegung, Neuauflage nach der Ausgabe von 1969, Berlin (West) 1979, S. 263–272. 293 Vgl. Vogt (Hrsg.): Eurokommunismus, S. 24f. 294 Vgl. Kevin Devlin: The Challenge of Eurocommunism, in: Problems of Communism, Vol. 26, Nr. 3, Januar–Februar 1977, S. 1f. 295 Vgl. Ebenda, S. 2; Steinkühler (Hrsg.): Eurokommunismus im Widerspruch, S. 284.
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gegenüber dem sowjetischen Wunsch einer gesamteuropäischen Kommunistenkonferenz zu positionieren.296 Letztlich entschieden sich auch die sowjetkritischen Parteien in Westeuropa für eine solche Konferenz, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt würden. An der Vorbereitung der Ost-Berliner Konferenz nahmen daher sowohl der sowjetloyale als auch der eurokommunistische Flügel des europäischen Kommunismus teil. Die erste Vorbereitungskonferenz vom 16. bis 18. Oktober 1974 in Warschau war gemeinsam von der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei und dem PCI organisiert worden.297 Gegenüber den sowjetkritischen Parteien hatte die KPdSU dort zahlreiche grundsätzliche Zugeständnisse machen müssen, so vor allem die Respektierung des Konsensprinzips und der Verzicht auf eine Verurteilung nicht teilnehmender Parteien.298 Dadurch konnten fast alle kommunistischen Parteien Europas zur Teilnahme bewegt werden.299 Hierzu zählten auch der Bund der Kommunisten Jugoslawiens und die Kommunistische Partei Rumäniens. Die zweite Vorbereitungskonferenz vom 19. bis 21. Dezember 1974 in Bukarest war von größerem Druck der sowjettreuen Parteien gekennzeichnet, der zwar nicht zu einem Abbruch der Gespräche führte, die Planungen aber deutlich schwieriger und somit auch langwieriger gestaltete. Letztlich entschied man sich, die weitere Vorbereitung von einem Redaktionskomitee mit Mitgliedern verschiedener europäischer KPs in Ost-Berlin durchführen zu lassen. Erst nach mehreren Entwürfen konnten sich die Teilnehmer auf ein Abschlussdokument einigen, das als Grundlage während der Konferenz dienen sollte.300 Aus Sicht der italienischen Kommunisten hatte die SED in den Vorbereitungen überraschenderweise eine moderate und vermittelnde Position zwischen den Konfliktparteien eingenommen und dadurch die Absage der Konferenz verhindert, wie Sergio Segre anlässlich der Teilnahme an einer Sitzung des „Bergedorfer Gesprächskreises“ am 7. Juli 1975 dem deutschen Sozialdemokraten Günter Markscheffel berichtete.301 Kurz zuvor hatte die PCI-Führung ihre Forderungen
296 Zur Brüsseler Konferenz siehe: Heinz Timmermann: Die Brüsseler Konferenz westeuropäischer Kommunistischer Parteien vom 26.–28. Januar 1974, Köln 1974. 297 Vgl. Heinz Timmermann: Das Konsultativtreffen der kommunistischen Parteien Europas in Warschau (16.–18.10.1974), Köln 1974. 298 Vgl. Zänker: Abkehr, S. 66f. 299 Vgl. Heinz Timmermann: Das Tauziehen um die gesamteuropäische Kommunistenkonferenz, Köln 1975. 300 Vgl. Zänker: Abkehr, S. 68f., 72ff., 86f. 301 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Brief von Günter Markscheffel an Willy Brandt, 14.07.1975, Bonn, S. 3.
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für die Teilnahme gegenüber der SED erneut bekräftigt.302 Offensichtlich war auch der KPdSU das Zustandekommen der Konferenz mittlerweile wichtiger als die vollständige Durchsetzung der eigenen Interessen. Eine weitere Verhärtung der Fronten wurde daher von sowjetischer Seite knapp ein Jahr vor dem Beginn der Konferenz nicht mehr angestrebt und die SED-Führung entsprechend informiert.303 Durch die langwierigen Verhandlungen kam es zu einer deutlichen Verzögerung der Konferenz, die ursprünglich Mitte des Jahres 1975 hatte stattfinden sollen und eine Verlegung in das Jahr 1976 notwendig machte.304 Zentrale Streitpunkte waren vor allem die Haltung zum „Proletarischen Internationalismus“, die Einschätzung der Lage in Portugal und die Position gegenüber den USA und der NATO gewesen. Die erzwungene Akzeptanz der meisten Forderungen von Italienern, Spaniern, Franzosen, Jugoslawen und Rumänen durch die KPdSU beeinflusste den Ablauf der Konferenz nachhaltig. Zwar konnte die Sowjetführung mit der Teilnahme der Eurokommunisten, der Rumänen und vor allem der Jugoslawen, die nach Jahrzehnten erstmals wieder teilnahmen, nach außen hin einen scheinbaren Erfolg verbuchen. Doch musste die KPdSU mit der Konferenz von Ost-Berlin langfristig einen hohen Preis zahlen: „Es war das definitive ‚Aus‘ einer, wie auch immer gearteten, monolithisch ausgerichteten kommunistischen Bewegung.“305 Insgesamt waren auf der Konferenz 29 Delegationen vertreten.306 Neben der Partei der Arbeit Albaniens, die sich seinerzeit unter dem Vorsitz von Enver Hoxha an der Volksrepublik China orientierte, hatten lediglich die Isländische Volksallianz und die eurokommunistische Inlandsrichtung der griechischen KKE ihre Teilnahme verweigert.307 Das Abschlussdokument unter dem Titel „Für Frieden, Sicherheit, Zusammenarbeit und sozialen Fortschritt in Europa“ bezog sich in weiten Teilen auf die
302 SAPMO-BArch, Abt. Internationale Verbindungen, DY/30/IV B 2/20/508, Bericht über die Konsultation des Genossen Paul Markowski mit Vertretern des ZK der Italienischen Kommunistischen Partei am 19. und 20. Mai 1975 in Rom. 303 SAPMO-BArch, Abt. Internationale Verbindungen, DY/30/IV B 2/20/491, Vermerk über einen Anruf des Genossen Sagladin am 07.05.1975, Ost-Berlin, 07.05.1975, S. 1f. 304 Vgl. Peter C. Ludz: Die aufgeschobene Gipfelkonferenz der europäischen kommunistischen Parteien, in: APuZ, B5/76, 31. Januar 1976, S. 3–15. 305 Zänker: Abkehr, S. 87. 306 Die Delegationen und die entsprechenden Delegationsleiter sind aufgeführt in: Steinkühler (Hrsg.): Eurokommunismus im Widerspruch, S. 290f. 307 Zum Sonderfall der beiden griechischen kommunistischen Parteien siehe: Heinz Timmermann: Griechenlands Eurokommunisten, Anmerkungen zum Programm und Profil der Inlands-KP, Köln 1984.
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KSZE-Schlussakte von Helsinki.308 Im Gegensatz zu bisherigen Verlautbarungen kommunistischer Konferenzen hatten sich in dem Dokument die sowjetkritischen Parteien weitgehend durchgesetzt. Hierzu zählte insbesondere die Festschreibung des Rechts einer jeden Partei auf einen eigenständigen Weg zum Sozialismus.309 Die Zusammenarbeit mit sozialdemokratischen Parteien wurde begrüßt, ebenso der Dialog mit Katholiken und anderen Christen, und auf jugoslawischen Druck hin wurde eine Passage über die positive Rolle der Blockfreienbewegung aufgenommen.310 Wie in den Vorbereitungssitzungen vereinbart, blieben Angriffe auf die nicht teilnehmenden Parteien und die Volksrepublik China aus. Gleiches galt gegenüber der NATO, der EG und den Vereinigten Staaten von Amerika. Die besondere Rolle der UdSSR für die kommunistische Weltbewegung wurde nur in sehr geringem Maße erwähnt.311 Abseits der prinzipiellen Anerkennung der sowjetischen Strategie der „friedlichen Koexistenz“ und einiger Angriffe auf den Imperialismus in der „Dritten Welt“ konnte die KPdSU somit keine Vorteile aus dem Abschlussdokument ziehen. Noch deutlicher zeigte sich die Diskrepanz zwischen den eurokommunistischen und sowjettreuen Parteien in den Redebeiträgen ihrer jeweiligen Generalsekretäre.312 Die eurokommunistischen Parteien hatten zuvor durchgesetzt, dass alle Reden der Generalsekretäre ungekürzt im Neuen Deutschland erscheinen mussten.313 Während so beispielsweise die sowjettreuen Kommunistenführer Todor Schiwkow und Ismail Bilen für die bulgarische bzw. türkische KP kritisierten, dass die Rolle der Sowjetunion im Abschlussdokument zu wenig gewürdigt werde und ihre Parteien weiterhin am „Proletarischen Internationalismus“ festhalten würden, stellten die Eurokommunisten Berlinguer, Carrillo und Marchais das Gegen-
308 Das Abschlussdokument „Für Frieden, Sicherheit, Zusammenarbeit und sozialen Fortschritt in Europa“ ist abgedruckt in: Steinkühler (Hrsg.): Eurokommunismus im Widerspruch, S. 23–30. 309 Vgl. Ebenda, S. 292, 298. 310 Vgl. Ebenda, S. 294, 298f. 311 Vgl. Zänker: Abkehr, S. 87ff. 312 In den sowjetorientierten osteuropäischen Staatsparteien zeigte nur die Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei unter János Kádár ein gewisses Verständnis für die Eurokommunisten. Vgl. Robert Wesson: Eurocommunism and Eastern Europe, in: Milorad M. Drachkovitch (Hrsg.): East Central Europe. Yesterday, Today, Tomorrow, Stanford 1982, S. 69; PAAA, Bestand B 38, Zwischenarchiv, Bd. 115122, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Budapest an das Auswärtige Amt zum Treffen Kadar-Berlinguer in Budapest vom 1. bis 3. Oktober 1977, 06.10.1977, Budapest. 313 Vgl. Zänker: Abkehr, S. 94.
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teil heraus.314 Besonderes Aufsehen erregte die Rede des spanischen Generalsekretärs Carrillo, der die KPdSU offen kritisierte: „Wir wurden eine Art neue Kirche mit unseren Märtyrern und Propheten. Jahrelang war Moskau, wo unsere Träume begannen, Wirklichkeit zu werden, unser Rom. Wir sprachen von der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, als wäre sie unsere Weihnacht. Das war unsere Kinderzeit. Heute sind wir erwachsen. […] Es besteht jedoch kein Zweifel daran, daß wir Kommunisten heute kein Führungszentrum haben, an keine internationale Disziplin gebunden sind.“315 Berlinguers nicht weniger sowjetkritischer Beitrag wurde von Günter Gaus als Rede von „historischem Rang in der Geschichte der kommunistischen Bewegung“316 charakterisiert. Der italienische Generalsekretär betonte wie Carrillo, dass es für den europäischen und internationalen Kommunismus kein Zentrum mehr gäbe. Auch die unterschiedlichen Standpunkte der kommunistischen Parteien Europas und die „langwierige und mühsame“317 Vorbereitung der Konferenz verschwieg er nicht. Die Erfahrungen des direkten Kontakts zu sozialdemokratischen Parteien wurden von ihm als nützlich beschrieben.318 Gleichzeitig offenbarten seine Ausführungen, dass es sich beim Eurokommunismus nicht um ein konkretes Konzept handelte: „Welche Wege, welcher Sozialismus? Die von den Sozialdemokratien beschrittenen Wege haben sich, obgleich sie in diesem oder jenem Land bestimmte Verbesserungen in den Lebensbedingungen der Werktätigen erreichten, als unfähig erwiesen, zu einer wirklichen Überwindung des Kapitalismus zu führen. Andererseits entsprechen die in den Ländern Osteuropas verfolgten Modelle nicht den besonderen Bedingungen und den Orientierungen der großen Arbeiter- und Volksmassen der Länder des Westens.“319 In diesem Sinne beschrieb Berlinguer den Eurokommunismus als Ideologie des Dritten Weges zwischen westeuropäischer Sozialdemokratie und sowjetischem Marxismus-Leninismus. Da der PCI nie Regierungsverantwortung übernehmen sollte, konnte sich dieser Dritte Weg in Form des Eurokommunismus nicht in der Praxis bewähren. Spätestens Mitte der 1980er Jahre standen die eurokommunistischen Parteien daher vor dem Dilemma, sich zwischen Sowjet-
314 Vgl. Steinkühler (Hrsg.): Eurokommunismus im Widerspruch, S. 287f. 315 Santiago Carrillo zitiert in: Ebenda, S. 376f. 316 PAAA, Bestand B 150, Bd. 351, Fernschreiben der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR an das Auswärtige Amt mit einer Einschätzung zur Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien Europas in Ost-Berlin von Günter Gaus, 01.07.1976, Berlin (Ost), S. 1. 317 Enrico Berlinguer zitiert in: Steinkühler: Widerspruch, S. 324f., 330f. 318 Vgl. Ebenda, S. 329. 319 Enrico Berlinguer zitiert in: Ebenda, S. 328.
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kommunismus und Sozialdemokratie positionieren zu müssen. Während sich die französischen Kommunisten für erstere Option entschieden, sprach sich die Mehrheit des PCI letztlich für eine Sozialdemokratisierung der Partei aus. Diese Entwicklung war von Berlinguer nicht intendiert gewesen. Aber bereits auf der Konferenz von Ost-Berlin wurde offenkundig, dass die entstandenen Risse innerhalb der kommunistischen Bewegung Europas nicht mehr zu kitten waren.320 Der 1970 aus dem PCF ausgeschlossene Roger Garaudy kommentierte dies in Le Monde folgendermaßen: „Die kommunistische Internationale wurde im Jahre 1943 aufgelöst. Aber erst am 1. Juli 1976 ist diese Entscheidung mit der Konferenz der 29 europäischen kommunistischen Parteien, die soeben in Berlin stattfand, in Kraft getreten.“321
320 Vgl. Heinz Timmermann: Moskau und der europäische Kommunismus nach der Gipfelkonferenz von Ost-Berlin, Köln 1977. 321 Roger Garaudy zitiert in: Steinkühler (Hrsg.): Eurokommunismus im Widerspruch, S. 288 (Original: Roger Garaudy: Désacralisation du mythe soviétique et espérance socialiste, in: Le Monde, 09.07.1976).
4. Ängste und Hoffnungen – Die Rezeption und Darstellung des italienischen Eurokommunismus als Chance und Gefahr in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika
Die Auseinandersetzung über den Eurokommunismus, insbesondere seine italienische Variante, wurde in den USA und Westdeutschland nicht nur auf Grundlage reiner Fakten geführt. Das schwer zu definierende Phänomen „Eurokommunismus“ löste auf der einen Seite Unsicherheiten aus, die sich in Ängsten manifestierten. Auf der anderen Seite wurden Hoffnungen mit einer entsprechenden Entwicklung der kommunistischen Parteien verbunden. Da der Kenntnisstand über die tatsächliche Zusammenarbeit der dem Eurokommunismus zugerechneten Parteien bis auf wenige gemeinsame Deklarationen weitestgehend unklar war und dies auch für das Wissen über den wahren Einfluss reformkommunistischer Ideen in den betreffenden Parteien galt, waren einer wissenschaftlichen Analyse Grenzen gesetzt. Hinzu kamen weitere Faktoren, die den Eurokommunismus hochgradig politisierten, wobei es dafür bewusste und unbewusste Ursachen gab. Gezielt und somit bewusst wurde vor allem der italienische Eurokommunismus von Kritikern als Gefahr für die Sicherheit des Westens, insbesondere der NATO, dargestellt. Unbewusst wirkten die bereits dargestellten Einflüsse der politischen Sozialisation der entscheidenden Akteure und die politische Kultur. So wurde beispielsweise der von deutschen Sozialdemokraten als traumatisch erlebte Aufstieg des Nationalsozialismus häufig auf den Bruch der Arbeiterbewegung im Ersten Weltkrieg zurückgeführt. Die Beziehungen der SPD zum PCI deckten sich zwar anfangs mit dem rationalen Wunsch, die Beziehungen zu den sozialistischen Staaten Europas zu verbessern und waren daher ein früher Teil der Neuen Ostpolitik, die in diesem Fall politisch und geografisch im Westen verortet war. Die Entwicklung des PCI während des Eurokommunismus offenbarte den durch die direkten Kontakte gut informierten Sozialdemokraten in der Bundesrepublik jedoch frühzeitig, dass durch die italienische KP mehr als nur die Übermittlung der Vorstellungen einer Neuen Ostpolitik in die Schaltzentralen der kommunistischen Parteien Osteuropas möglich war. Deren immer stärker werdende Kritik an der Sowjetunion und Abkehr vom orthodoxen marxistisch-leninistischen Politikverständnis führten zu weitgehenden Hoffnungen, die für einige Protagonisten der SPD die Wiederannäherung zwischen den beiden Pfeilern der Arbeiterbewegung beinhaltete. Insbesondere im italienischen Fall schien langfristig sogar ein Wandel der KP zur Sozialdemokratie möglich.
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Vor allem im konservativen Lager stellten die Bedrohungsszenarien eine Mischung aus einer tatsächlichen Gefährdungsanalyse, die beispielsweise auf den zunehmenden Einfluss der Sowjetunion an der Südflanke der NATO verwies, und einer gefühlten Bedrohung dar, die auf Basis internalisierter Feindbilder Ängste vor einem eurokommunistischen Täuschungsversuch evozierte. Während in Westeuropa Bedrohungs- und Hoffnungsszenarien im Hinblick auf den italienischen Eurokommunismus gleichermaßen verbreitet waren, dominierte in den Vereinigten Staaten die Debatte über den Eurokommunismus als Gefährdung des Westens. Im Folgenden werden die im Zusammenhang mit dem italienischen Eurokommunismus zentralen Bedrohungs- und Hoffnungsszenarien dargestellt und bewertet. Sie stellen den Hintergrund für die daran anschließende Darstellung des Umgangs der SPD und der US-Regierungen mit dem italienischen Eurokommunismus dar.
4.1 Die Bedrohungsszenarien Bernd Greiner beginnt die Einleitung des Sammelbands „Angst im Kalten Krieg“ mit einem Szenario aus dem renommierten Collier‘s Magazine, das den einprägsamen Titel Russia‘s Defeat and Occupation 1952–1960 – Preview of the War We Do Not Want trägt. Nach der Ermordung Titos durch KGB-Agenten und sowjetischen Terroranschlägen in den USA beginnt der dritte Weltkrieg, der nach Atombombenabwürfen auf beiden Seiten Mitte der 1950er Jahre mit der USamerikanischen Befreiung der Sowjetunion endet.1 Es handelte sich dabei nicht nur um ein fiktives literarisches Szenario, denn ausgewiesene Sicherheitsexperten, auch aus Regierungskreisen, hatten Teile zu dem Text beigesteuert. Russia‘s Defeat and Occupation 1952–1960 steht stellvertretend für den Großteil der USamerikanischen Szenarien im Kalten Krieg. Sie waren Ausdruck der Angst vor der kommunistischen Bedrohung und sollten die Gesellschaft für diese Gefahr sensibilisieren. Solche Szenarien vermittelten, dass nur eine konsequent antikommunistische Einstellung der Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten und insbesondere der US-Regierung die Gefahr einer kommunistischen Unterwanderung abwenden konnte. Dieses Muster kehrte ein knappes Vierteljahrhundert später in den entsprechenden Szenarien zum Eurokommunismus wieder. Aus
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Vgl. Greiner: Angst im Kalten Krieg, in: Ders./Müller/Walter (Hrsg.): Angst im Kalten Krieg, S. 7–15.
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Perspektive der US-Regierung war der Eurokommunismus sogar noch gefährlicher als der Sowjetkommunismus. Als vermeintlich westlich gewandelter und dialogbereiter Kommunismus bestand eine besondere Gefahr der Täuschung und der Infiltration. Ein Atomkrieg gegen die sowjetische Armee konnte gewonnen werden. Im Notfall war die Zweitschlagfähigkeit gesichert. Den Eurokommunismus nahm man hingegen möglicherweise gar nicht als Bedrohung war und ließ – so die dominierende Befürchtung in den US-Administrationen der 1970er Jahre – eine Unterwanderung der westlichen Gesellschaften zu. Wie ein Trojanisches Pferd, so die Annahme konservativer Kritiker, würden die Eurokommunisten in westliche Regierungen einziehen und in die engsten Zirkel der NATO und der Europäischen Gemeinschaft gelassen werden, um anschließend die Ziele des Sowjetkommunismus zu verwirklichen.2 Die Bedrohungsszenarien hatten somit nicht nur eine politische und/oder militärische Planungsfunktion, sondern sie sollten direkt in die Gesellschaft wirken, um „Ängste vor Kommunismus und Krieg wach zu halten.“3 In den Warnungen vor dem italienischen Eurokommunisten kristallisierten sich fünf Bedrohungsszenarien heraus, die in verschiedenen Kontexten wiederholt vorgetragen wurden und die Gefährdungsdebatte bestimmten: Der italienische Eurokommunismus als innere Gefährdung der NATO Die Sowjetisierung des Mittelmeeres Der portugiesische Weg Die „Finnlandisierung“ Italiens Der eurokommunistische Domino-Effekt Von zentraler Bedeutung war dabei die Warnung vor einer Schwächung der NATO durch die Eurokommunisten.4 Dieses Argument wurde in beinahe jedem Szenario und jeder öffentlichen Verlautbarung von Kritikern vorgetragen. Die Situation des Nordatlantikpakts vor dem Hintergrund eurokommunistischer Wahlerfolge in den 1970er Jahren stellt daher den Schwerpunkt in der Darstellung der Bedrohungsszenarien dar.
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Vgl. Carl Marzani: The Promise of Eurocommunism, Westport (Connecticut) 1980, S. 282. Greiner: Angst im Kalten Krieg, S. 14. Zur Stärke der kommunistischen Parteien in den NATO-Mitgliedsstaaten siehe: Nikolas Dörr: NATO and Eurocommunism. The Fear of a Weakening of the Southern Flank from the mid-1970s to mid-1980s, in: Journal of European Integration History, Vol. 20, Nr. 2/2014, S. 247.
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4.1.1 Die Schwächung der NATO unter besonderer Berücksichtigung der Südflanke Vor dem Hintergrund des französischen Austritts aus der militärischen Integration der NATO und zunehmender Differenzen zwischen den Bündnispartnern kam es seit Mitte der 1960er Jahre zu einer Diskussion über die zukünftige strategische Ausrichtung des Nordatlantikpakts. Folge hiervon war die Erarbeitung eines Grundlagenpapiers durch Pierre Harmel, ehemaliger belgischer Premierund damaliger Außenminister, das auf der Tagung des NATO-Ministerrats am 13./14. Dezember 1967 als neue strategische Leitlinie angenommen wurde.5 Harmels Bericht Future Tasks of the Alliance über die Zukunftsfähigkeit des Nordatlantikpakts definierte die Notwendigkeit eines militärischen Abschreckungspotenzials der NATO nicht als Gegensatz zur Etablierung von Entspannungsbemühungen gegenüber kommunistischen Staaten.6 Dem Harmel-Bericht folgend war Frieden nur möglich, wenn Verteidigungsfähigkeit und Entspannung Hand in Hand gingen. Die Mitgliedsstaaten sollten sich deswegen um eine Verbesserung ihrer Beziehungen zur Sowjetunion und den anderen kommunistischen Staaten bemühen. Um ein weiteres Auseinanderdriften der Allianz zu verhindern, sollten diese Initiativen zwischen den NATO-Staaten koordiniert werden. Als Konsequenz des Harmel-Berichts wurde die seit 1957 gültige NATO-Strategie, umgangssprachlich als Massive Retaliation bezeichnet, mit dem Dokument MC 14/3 durch die neue Strategie der Flexible Response abgelöst. Diese umfasste, im Gegensatz zur vorherigen, auf einen nuklearen Gegenschlag festgelegten Strategie, mehrere Optionen, um auf einen Angriff der Sowjetunion und ihrer Verbündeten flexibel reagieren zu können. Die Entspannungsbemühungen der NATO nach außen wurden allerdings von massiven äußeren Bedrohungen und inneren Konflikten begleitet, die zu einer deutlichen Schwächung der NATO beitrugen.7 Diese Krisenphase der Allianz erreichte durch die eurokommunistischen Wahlerfolge Mitte bis Ende der 1970er Jahre ihren Höhepunkt. Konflikte und Bedrohungen wie der Austritt Frankreichs aus der militärischen Integration der NATO im Jahr 1966, der Zypernkonflikt und die daraus folgenden Spannungen zwischen der
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Siehe hierzu ausführlich: Helga Haftendorn: Die Entstehung und Wirkung des HarmelBerichtes der NATO von 1967, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 40. Jahrgang, Nr. 2/1992, S. 169–221. The Future Tasks of the Alliance, Report of the Council – „The Harmel Report“, in: http://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_26700.htm (Abruf am 02.05.2015). PAAA, Bestand B 150, Bd. 347, Fernschreiben (geheim) der bundesdeutschen Vertretung bei der NATO an das Auswärtige Amt mit einer Vorschau auf die NATO-Ministerkonferenz vom 20./21. Mai 1976 in Oslo, 12.05.1976, Brüssel, S. 2f.
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Türkei und Griechenland mit dem Höhepunkt des Ausscheidens Griechenlands aus der militärischen Integration der NATO, die „Kabeljaukriege“ zwischen Großbritannien, Island und zeitweise auch der Bundesrepublik Deutschland, der erzwungene Abzug britischer Truppen von Malta, die sowjetnahen Regime des arabischen Sozialismus im südlichen und östlichen Mittelmeerraum, die Dauerkrise zwischen dem Vereinigten Königreich und Spanien wegen Gibraltar sowie der Nahost-Konflikt mit den militärischen Auseinandersetzungen im Sechstagekrieg 1967, dem anschließenden „Abnutzungskrieg“ und dem Jom-Kippur-Krieg 1973 schwächten das nordatlantische Bündnis nachhaltig.8 Diese Krisenherde betrafen bis auf die Kabeljaukriege den Mittelmeerraum und damit die Südflanke, die bereits 1974 in einem internen NATO-Bericht als „one of the world’s most politically unstable areas“9 definiert worden war. Im Folgenden werden diese Konfliktherde aufgeführt und erläutert, da sie Anlass für eine massive Verunsicherung in der NATO und den Mitgliedsstaaten waren. Die eurokommunistischen Wahlerfolge der 1970er Jahre, insbesondere diejenigen des PCI, müssen vor dem Hintergrund dieser bereits existierenden Krise des Nordatlantikpakts betrachtet werden, da sie die bestehenden Ängste verstärkten und ein besonderes sicherheitspolitisches Problem für die NATOStaaten darstellten. Island Nachdem die isländische Regierung bereits 1952 und 1958 die Fischereigrenzen des Landes unilateral ausgeweitet und damit einen Protest Großbritanniens ausgelöst hatte, kam es 1972 zu einer erneuten, weitaus größeren Erweiterung auf 50 Seemeilen.10 Zwei Jahre später kündigte die isländische Regierung die Erweiterung auf 200 Seemeilen an. Konnten die daraus resultierenden Konflikte zwischen der britischen und isländischen Regierung 1972 noch durch US-amerikanische Vermittlung beigelegt werden, kam es ab Ende 1975 zu Auseinandersetzungen zwischen isländischen Fischer- und Küstenwachbooten auf der einen und britischen Fischerbooten, die von Kriegsschiffen der Royal Navy begleitet wurden, auf der
8 Vgl. Instability and Change on NATO’s Southern Flank. A Work Group Analysis, in: Leebaert (Hrsg.): European Security, S. 107–134.
9 NA, Defence Planning 1971–1975, Flanks, DPC/D(74)9, Alliance Defence Problems for the Planning Committee, Report of the Defence Planning Committee, 07.06.1974, Brüssel, S. 12. 10 Eine Seemeile misst 1852 Meter.
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anderen Seite.11 Nachdem mehrere Boote schwer beschädigt worden waren und es zum Einsatz von Schusswaffen gekommen war, wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten zeitweise abgebrochen. Der morgendliche CIABericht an US-Präsident Gerald Ford konstatierte: „Iceland and the UK have reached an absolute political deadlock.“12 Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger bezeichnete Island im Zusammenhang mit der Kabeljau-Krise retrospektiv als „the most arrogant small nation he had encountered.“13 Für die NATO stellte der Konflikt eine große Gefahr dar.14 Island unterhielt zwar selbst keine Streitkräfte, war aber aufgrund seiner Lage von höchster geostrategischer Wertigkeit in einem potenziellen Konflikt mit der Sowjetunion. Zu diesem Zweck wurden im Südwesten Islands die US- und NATO-Basis in Keflavik und die Versorgungsstation in Hvalfjördur unterhalten. Hinzu kamen wichtige Abhöranlagen. Nach der Drohung der isländischen Regierung, die NATOBasis in Keflavik zu schließen und zusätzlichem Druck durch die USAdministration lenkte die britische Regierung schließlich im Juni 1976 ein und erkannte die neuen Fischereigrenzen an. Die in den meisten Publikationen als eurokommunistisch eingestufte isländische Partei „Volksallianz“ verstärkte zusätzlich die Angst vor einem Ausscheiden des strategisch wichtigen Islands aus der NATO.15 1968 hatte sich die Volksallianz aus linken Sozialdemokraten und reformorientierten Kommunisten offiziell gegründet, nachdem bereits seit 1956 eine entsprechende Wahlallianz bestanden
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Zu den sogenannten Kabeljaukriegen siehe ausführlich: Andrew Welch: The Royal Navy in the Cod Wars. Britain and Iceland in Conflict 1958–1961, 1972–73, 1975–76, Liskeard 2006. Auch die Bundesregierung legte Protest gegen die Ausweitung der isländischen Fischereizonen ein. Siehe hierzu ausführlich: Katrin Rupprecht: Der deutsch-isländische Fischereizonenstreit 1972–1976. Krisenfall für die NATO? Anhand der Akten des Auswärtigen Amtes, Frankfurt am Main 2011. GFPL, Dale Van Atta Papers, Intelligence Chronological File: December 7, 1975, Intelligence Documents December 10, 1975, Box 10, CIA Morning Summary, 10.12.1975, S. 3. Henry Kissinger zitiert in: Ásgeir Jónsson: Why Iceland? How One of the World's Smallest Countries Became the Meltdown's Biggest Casualty, New York 2009, S. 10. PAAA, Bestand B 150, Bd. 347, Vermerk (geheim) betreffend Islands strategische Bedeutung für die NATO, 04.05.1976, Bonn. RNPL, NSC, NSSM 134 Policy Toward Iceland von Henry Kissinger, 15.07.1971, Washington D.C.; RNPL, NSC, National Security Decision Memorandum 137 Policy Toward Iceland von Henry Kissinger, 13.10.1971, Washington D.C.; RNPL, NSC, National Security Decision Memorandum 234 US-Icelandic Defense Negotiations von Henry Kissinger, 02.10.1973, Washington D.C.
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hatte.16 In den 1960er und 1970er Jahren fiel die Partei durch hohe Wahlergebnisse bei Parlamentswahlen auf. Die Wahlen des Jahres 1978 markierten den Höhepunkt, als die Volksallianz mit 22,9 Prozent die zweitstärkste Partei im Althing, dem isländischen Parlament wurde.17 Da sich die Volksallianz gegen die USamerikanische Basis und die NATO-Mitgliedschaft Islands aussprach, galt eine Regierungsübernahme in einer Volksfrontregierung mit den Sozialdemokraten als äußerst gefährlich für die NATO. Nachdem die Volksallianz bereits zwischen 1971 und 1974 Teil einer Regierungskoalition mit der zentristischen Fortschrittspartei und der kleineren Union der Liberalen und Linken gewesen war, wurde die Partei 1978 erneut als Juniorpartner in die von der Fortschrittspartei geführte Regierung aufgenommen. Da trotz anderslautender Rhetorik von Mitgliedern der Volksallianz die NATO-Mitgliedschaft Islands und die US-Basis in Keflavik auch in der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung beibehalten wurden und sich vor allem die zweite Regierungsbeteiligung als instabil erwies, kam es letztlich nicht zu der befürchteten Schwächung der NATO im Falle Islands. Gibraltar Seit dem Frieden von Utrecht 1713 befindet sich das an der Südspitze der iberischen Halbinsel gelegene Gibraltar in britischem Besitz. Mit seiner Lage am Ausgang des Mittelmeers zum Atlantisches Ozean, der Straße von Gibraltar, ist die Kronkolonie seitdem eine wichtige militärstrategische Basis für das Vereinigte Königreich. Die spanischen Ansprüche auf das Gebiet führten seit dem Sieg der Falange um Francisco Franco im Spanischen Bürgerkrieg 1939 verstärkt zu Spannungen mit der britischen Regierung. Nach dem deutlich probritischen Ergebnis des gibraltarischen Referendums 1967 und der Veröffentlichung der Gibraltar Constitution Order im Mai 1969 ließ der spanische Diktator im Juli desselben Jahres die knapp 1,2 Kilometer lange Grenze zu Spanien schließen.18 Erst nach der Redemokratisierung Spaniens wurde sie 1982 teilweise und im Vorfeld des spanischen EG-Beitritts 1985 wieder vollständig geöffnet. Für die NATO war Gibraltar im Kalten Krieg von hoher Bedeutung. Mit dem dortigen britischen Flottenstützpunkt ließ sich die Meeresenge und somit das westliche Mittelmeer militärisch kontrollieren. Trotz der faschistischen Franco-
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Vgl. Klaus Kellmann: Die kommunistischen Parteien in Westeuropa. Entwicklung zur Sozialdemokratie oder Sekte?, Stuttgart 1988, S. 38–41. Vgl. Grétar Thór Eythórsson/Detlef Jahn: Das politische System Islands, in: Wolfgang Ismayr (Hrsg.): Die politischen Systeme Westeuropas, 3. Aufl., Opladen 2003, S. 175. Vgl. Dennis S. Morris/Robert H. Haigh: Britain, Spain and Gibraltar 1945–1990. The Eternal Triangle, London, New York 1992, S. 35–46.
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Diktatur unterhielt die NATO gute Beziehungen zu Spanien. In regelmäßigen Abständen kam es jedoch zu Protesten der spanischen Regierung gegen die Nutzung Gibraltars als NATO-Stützpunkt.19 Im Zuge der Redemokratisierung nach Francos Tod wurde eine zukünftige NATO-Mitgliedschaft des südeuropäischen Staates umgehend diskutiert. Die Rolle Gibraltars wurde dabei als Hindernis gesehen. Neben der Ablehnung einer spanischen NATO-Mitgliedschaft aufgrund der britischen Haltung in der Gibraltar-Frage befürchtete man in den späten 1970er Jahren eine Instrumentalisierung dieser Problematik durch die spanischen Kommunisten und den in der seit 1979 autonomen spanischen Region Katalonien vertretenen Partido Socialista Unificado de Cataluña (PSUC).20 Mit dem Beitritt Spaniens zur NATO 1982 kam es dann zwar grundsätzlich zu einer Stärkung der NATO-Südflanke, die jedoch durch die aus spanischer Perspektive nach wie vor ungelöste Gibraltar-Frage und der weiterhin aktiven Kommunistischen Partei Spaniens als potenziell gefährdet eingestuft wurde.21 Malta Nach der maltesischen Unabhängigkeit im Jahre 1964 blieb der Inselstaat unter den Regierungen der konservativen Nationalist Party eng mit dem Vereinigten Königreich verbunden. Auch die britischen Marinebasen blieben nach finanziellen Zusagen aus London erhalten. Sicherheitspolitisch spielten diese Standorte eine wichtige Rolle in der strategischen Absicherung des östlichen Mittelmeeres.22 Durch den Ausbau der sowjetischen Flotte geriet Malta zunehmend in das Blickfeld des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses und der US-Regierung.23 Die NATO ließ 1968 sogar eine Studie zur Sicherheitslage im Mittelmeer unter be-
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Zum Problem der Nutzung Gibraltars durch die NATO siehe exemplarisch den Protest der spanischen Regierung: NA, Political Affairs 1966–1970, Gibraltar, PO/66/40, 31.01.1966. Zum PSUC siehe: Gregorio López Raimundo/Antoni Gutiérrez Díaz: El PSUC y el eurocomunismo, Barcelona 1981. Vgl. Peter Gold: Gibraltar. Spanish or British? London, New York 2005, S. 46–51. Zur militärstrategischen Wertigkeit der britischen Basen auf Malta im Kalten Krieg siehe: Robert Holland: Blue-Water Empire. The British in the Mediterranean since 1800, London 2012, S. 283–344. RNPL, NSC, NSSM 135 Policy Toward Malta von Henry Kissinger, 17.07.1971, Washington D.C.; RNPL, NSC, National Security Decision Memorandum 176 Bilateral Aid for Malta von Henry Kissinger, 14.07.1972, Washington D.C.
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sonderer Berücksichtigung Maltas erarbeiten.24 Mit dem Wahlsieg der Malta Labour Party 1971 und dem anschließenden Linkskurs von Partei und Regierung unter Ministerpräsident Dom Mintoff geriet diese scheinbar sichere Bastion der NATO jedoch ins Wanken25, was sowohl bei der italienischen als auch bei der Bundesregierung zu Ängsten führte.26 Mintoff handelte unverzüglich einen neuen Stationierungsvertrag mit der britischen Regierung aus. Erst nach der Unterzeichnung des neuen Verteidigungsabkommens zwischen Großbritannien und Malta Ende März 1972, welches das vorherige Werben der Sowjetunion um Stützpunktrechte vorerst beendete, zeigte man sich im NATO-Hauptquartier vorübergehend beruhigt.27 Jener bis 1979 laufende Vertrag räumte den britischen Truppen zwar weiterhin das Recht auf die bisherigen Basen ein, hatte aber eine deutliche Zunahme der britischen, NATO- und EG-Finanzhilfen für Malta zur Folge. Das problematische Verhältnis zwischen dem eigenwilligen, mehr sozialistisch denn sozialdemokratisch orientierten Mintoff und der britischen Regierung sowie vor allem der NATO verschlechterte sich in den Folgejahren rapide. Mit der Einführung der parlamentarischen Republik im Dezember 1974 wurde die britische Königin Elizabeth II. als maltesisches Staatsoberhaupt abgelöst, innenpolitisch kam es zu Verstaatlichungen und währungspolitisch wurde die maltesische Lira vom britischen Pfund abgekoppelt. Alarmierend war aus Sicht der NATO jedoch vor allem die Kündigung des Truppenstationierungsabkommens durch die maltesische Regierung. Während die letzten britischen Truppen bis zum 1. April 1979 die Insel verlassen mussten, intensivierte Mintoff die Beziehungen zur Sowjetunion und zu anderen sozialistischen Staaten sowie insbesondere zum von Muammar al-Gaddafi diktatorisch regierten Libyen. In diesem Zusammenhang warnte Willy Brandt Ministerpräsident Mintoff bereits 1976 davor, dass Malta zu
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NA, Political Affairs 1966–1970, Malta, PO/68/259, An Appreciation of the Strategic Situation in the Mediterranean with particular Reference to the Security in Malta, 08.05.1968, Brüssel. Im Gegensatz zu den meisten südeuropäischen Staaten spielte die 1969 als Linksabspaltung der Labour Party gegründete Communist Party of Malta im politischen System keine Rolle. Die maltesischen Kommunisten kamen nie über die Rolle einer Splitterpartei hinaus. Bei ihrer einzigen Teilnahme an nationalen Parlamentswahlen erreichte die Communist Party of Malta im Mai 1987 lediglich 0,1 Prozent der Stimmen. WBA im AdsD Bonn, A 9 (geheim), 29, Protokoll des Gesprächs zwischen Willy Brandt und Francesco De Martino am 16. September 1971 in Bonn von Colette Bouverat, 30.09.1971, Bonn, S. 4f. NA, Political Affairs 1971–1975, Mediterranean, CM(72)30, Report on the situation in the Mediterranean December 1971–April 1972, 04.05.1972, Brüssel, S. 8.
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einem „libyschen Protektorat“28 werden könne.29 Nichtsdestotrotz wurde 1980 ein Verteidigungsabkommen Maltas mit Libyen geschlossen. Ebenso kam es zur Erteilung von Nutzungsrechten für maltesische Häfen an die Sowjetunion. Für Italien war die maltesische Neuorientierung aufgrund der geografischen Nähe besonders problematisch. Ende 1976 hatte Ministerpräsident Andreotti daher den Sicherheitsberater des US-Präsidenten Brent Scowcroft gewarnt: „It is of strategic importance to deny the USSR military access to Malta.“30 Auch gegenüber Bundeskanzler Helmut Schmidt wies Andreotti auf die Problematik hin.31 Offiziell erklärte sich Malta mit dem Abzug der Briten 1979 für neutral. Mintoff zeichnete sich zusätzlich durch einen offenen Antiamerikanismus aus. So warnte der Ministerpräsident den US-Botschafter in La Valletta davor, Malta weiterhin wie eine Prostituierte in den internationalen Beziehungen zu gebrauchen, die man mit Geld kaufen könne, wenn man sie brauche und ansonsten nicht beachte.32 Darüber hinaus warf er Botschafter Robert P. Smith vor, dass die Republikanische Partei von US-Präsident Ford die konservative maltesische Opposition gegen die Malta Labour Party unterstütze.33 Die Unsicherheit über die sicherheitspolitische Ausrichtung Maltas im Kalten Krieg hielt bis Ende der 1980er Jahre an. Zwar entspannte sich das Verhältnis der NATO zu Malta nach dem Rücktritt Mintoffs als Ministerpräsident im Dezember 1984, aber erst mit der Übernahme der Regierung durch den Konservativen Edward Fenech Adami im Mai 1987 kam es zu einer Normalisierung.
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PAAA, Bestand B 150, Bd. 346, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft La Valletta an das Auswärtige Amt mit einer Mitteilung von Herrn Brandt über vertrauliche Unterrichtung Mintoffs über sein Treffen mit Gaddafi am 15. April von Willy Brandt, 17.04.1976, La Valletta, S. 1. Vgl. hierzu auch den Brief von Helmut Schmidt an Willy Brandt vom 01. Juli 1976, in: Meik Woyke (Hrsg.): Willy Brandt, Helmut Schmidt. Partner und Rivalen. Der Briefwechsel (1958–1992), Bonn 2015, S. 679f. (Nr. 473). GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Visits by Foreign Leaders 8/76 Finland-12/76 Italy, Box 7, „Meeting with Italian Prime Minister Giulio Andreotti“ von Brent Scowcroft, Dezember 1976, Washington D.C., S. 11. HSA im AdsD, 1/HSAA006707, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt von Hans Arnold, 23.11.1977, Rom. GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Malta-State Department Telegrams to SECSTATE-EXDIS, Box 9, Telegramm des US-Botschafters Malta an Henry Kissinger, 16.10.1975, La Valletta, S. 1. Ebenda.
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Zypern Knapp vier Jahre vor Malta war Zypern im August 1960 unabhängig geworden. Bereits kurz nach der Unabhängigkeit von Großbritannien kam es zu Konflikten zwischen der griechischen und türkischen Bevölkerungsgruppe der Insel. Diese eskalierten Ende 1963, als Staatspräsident Erzbischof Makarios III. umfassende Verfassungsänderungen ankündigte, die die Rechte der türkischen Minderheit beschneiden sollten.34 Dies führte zu einem Auszug der türkisch-zypriotischen Minister und Beamten aus der gemeinsamen Regierung und der Verwaltung. Zur Wiederherstellung des Friedens und der Einhaltung des Waffenstillstandes zwischen beiden Bevölkerungsgruppen vom 10. August 1964 wurden fortan UNOBlauhelme auf der Insel stationiert. Radikale Vertreter beider Fraktionen, die auf griechisch-zypriotischer Seite den vollständigen Anschluss der Insel an Griechenland, Enosis genannt, forderten und sich auf türkisch-zypriotischer Seite für die Teilung der Insel mithilfe einer militärischen Intervention der Türkei aussprachen, erhielten in den Folgejahren Zulauf. Staatspräsident Makarios, der sich für die zypriotische Unabhängigkeit und Neutralität aussprach, wurde hingegen seit der Übernahme der griechischen Regierung durch eine Militärjunta 1967 nachhaltig geschwächt. Mit Unterstützung der griechischen Militärdiktatur führte Georgios Grivas, der bereits den militärischen Kampf der griechisch-zypriotischen Widerstandsorganisation EOKA gegen die britischen Truppen für die Unabhängigkeit Zyperns in den 1950er Jahren angeführt hatte35, mit der EOKA-B seit 1971 einen Guerillakrieg gegen den zunehmend links orientierten Staatspräsidenten Makarios und die türkische Minderheit auf Zypern. Knapp drei Monate nach dem Tod von Grivas gelang der rechtsgerichteten zypriotischen Nationalgarde am 15. Juli 1974 ein Staatsstreich gegen Präsident Makarios. Als Reaktion hierauf landeten türkische Truppen am 20. Juli 1974 in Nordzypern.36 Aus den 38 Prozent der Insel, die türkisch besetzt wurden, flohen 200 000 griechische Zyprioten in den Süden, während 60 000 türkische Zyprioten in den Nordteil flüchteten. Ebenso begann die türkische Regierung umgehend mit einer breit angelegten Ansiedlungspolitik im Norden, um den türkischen Bevölkerungsanteil auf der Insel zu erhöhen. Auch nach dem Sturz der Militärdiktatur in Griechenland und der Wiederherstellung der zivilen Regierung Zyperns mit Staatspräsident Makari-
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Vgl. James Ker-Lindsay: The Cyprus Problem. What Everyone Needs to Know, Oxford, New York 2011, S. 31ff. Zur EOKA und Grivas siehe: Doros Alastos: Cyprus Guerrilla. Grivas, Makarios and the British, London 1960. Vgl. William Mallinson: Cyprus. A Modern History, London, New York 2005, S. 75–88.
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os im Dezember 1974 hielt die Türkei Nordzypern weiterhin militärisch besetzt. De facto hat die international anerkannte zypriotische Regierung seitdem nur die Oberhoheit über den westlichen und südlichen Teil der Insel. Seit der Unabhängigkeit Zyperns verfügt die britische Regierung im Süden der Insel über zwei autonome Militärbasen in Akrotiri und Dekelia, die einen international anerkannten Sonderstatus als Sovereign Base Areas genießen und von der griechischen, türkischen und zypriotischen Regierung 1959 in den Züricher und Londoner Abkommen garantiert wurden. Die Basen nehmen zusammengenommen insgesamt knapp drei Prozent der zypriotischen Landesfläche ein. Die Garantien für die Anlagen wurden auch während der Eskalation des Zypernkonflikts und der Okkupation Nordzyperns nicht angetastet. Dennoch galt eine militärische Auseinandersetzung zwischen den beiden hochgerüsteten NATO-Partnern Türkei und Griechenland als reale Gefahr für den Bestand des Bündnisses. Als Reaktion auf die türkische Besetzung Nordzyperns trat die griechische Regierung am 14. August 1974 aus der militärischen Integration der NATO aus. Die griechische Regierung erlaubte der US-Armee nur noch Bewegungen auf griechischen US-Basen, die im nationalen Interesse ihres Landes stehen.37 Mit der Verhängung eines Waffenembargos gegenüber der Türkei durch den US-Kongress am 5. Februar 1975 hatte auch dieser NATO-Staat kurzzeitig vor einem Austritt aus dem Bündnis gestanden. Das Embargo traf die türkische Regierung in besonderem Maße, weil das dortige Militär fast ausschließlich von US-amerikanischen Waffenexporten abhängig war. Erst im Oktober 1975 wurde das Waffenembargo gegen die Türkei gelockert, was US-Präsident Ford dankbar zur Kenntnis nahm.38 Henry Kissinger und sein Berater Helmut Sonnenfeldt hatten bereits nach der Verhängung des Embargos die Entscheidung des Kongresses massiv kritisiert, da sie zum Antiamerikanismus in der Türkei beitrage, eine Kompromisslösung in der Zypernfrage erschwere und die NATO somit nachhaltig destabilisiere.39 Auch auf die italienische Situation hatte der NATO-Austritt Griechenlands Auswirkungen.
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GFPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, IT 35 International Monetary Fund to IT 50 North Atlantic Treaty Organization 6/30/75 (executive), IT 50 NATO 1/1/75-4/30/75, Box 4, Bericht „The North Atlantic Alliance: Retrospect and Prospect“, 02.05.1975, Washington D.C., S. 14. GFPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, IT 50 North Atlantic Treaty Organization 7/1/75 (executive) to IT 52 Organization of American States, IT 50 NATO 7/1/75-12/31/75, Box 5, Brief von Gerald Ford an James Abdnor, 06.10.1975, Washington D.C. HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Bericht von Horst Ehmke an Willy Brandt, Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher über seine Reise nach New York und Washington D.C. vom 02.–10.09.1975, 15.09.1975, Bonn, S. 8.
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Die PCI-Führung machte deutlich, dass sie gegen eine Aufstockung von US- oder NATO-Militärbasen in Italien durch amerikanisches Militärpersonal war, das in Griechenland nicht mehr erwünscht war.40 Auch der Partito Socialista Italiano schloss sich dieser Forderung an.41 Neben dem für die NATO destabilisierenden Effekt des Zypernkonflikts führte auch die starke Stellung der Kommunisten auf der Insel zu Ängsten in den Mitgliedsstaaten des Nordatlantikpakts. Die moskautreue kommunistische Fortschrittspartei des werktätigen Volkes (AKEL) gewann in den Parlamentswahlen der 1970er Jahre durchgehend mehr als 30 Prozent der Wählerstimmen und stellte von 1970 bis 1985 die stärkste Fraktion im zypriotischen Parlament.42 Erst Ende 1980 kehrte Griechenland, nach der Zusage großzügiger Wirtschaftshilfen durch die US-Regierung, wieder in die militärische Integration der NATO zurück.43 Der Zypernkonflikt und die hohen Wahlergebnisse der AKEL belasteten allerdings auch danach das Verhältnis zum Nordatlantikpakt. Der arabische Sozialismus Zusammen mit Elementen der islamischen Religionslehre stellte der MarxismusLeninismus in der Form des arabischen Sozialismus die ideologische Leitlinie der meisten Befreiungsbewegungen in Nordafrika und der arabischen Halbinsel dar.44 Ausgehend von den Modernisierungserfolgen der ägyptischen Regierung unter Gamal Abdel Nasser seit Mitte der 1950er Jahre und dem erzwungenen Rückzug Großbritanniens, Frankreichs und Israels in der Suez-Krise erlebte der arabische Sozialismus eine Blütezeit. Neben Gaddafi in Libyen folgten insbesondere die algerische FLN und die tunesische Befreiungsbewegung dieser Ideologie. Auch der Frente Polisario vertrat diese Position im Westsaharakonflikt mit dem westlich orientierten Marokko. Weitere arabische Staaten schlossen sich dem arabischen Sozialismus an, wobei häufig nationale Sonderformen wie der Baathismus in Irak
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GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (1), Box 8, Memorandum von A. Denis Clift an Henry Kissinger, 10.09.1974, S. 2. GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Country File Ireland-Italy, Box 5, The Italian Political and Economic Situation on the Eve of President Leone’s Visit to the US, 17.09.1974, Washington D.C., S. 5. Zur AKEL siehe: Kellmann: Die kommunistischen Parteien in Westeuropa, S. 218–229. Vgl. Die ZEIT, 24.10.1980, S. 8. Zu den Grundlagen des Arabischen Sozialismus und seiner Entstehung siehe: Abdel Moghny Said Salama: Arab Socialism, London 1972.
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und Syrien entstanden. Auch wenn das sozialistische Element des arabischen Sozialismus im Zuge der von arabischer Seite als verheerend wahrgenommenen Niederlage gegen Israel im Sechstagekrieg 1967 an Einfluss verlor, waren die meisten nordafrikanischen Staaten weiterhin sozialistisch orientiert und dem Westen gegenüber kritisch eingestellt. So war in den 1970er Jahren der Einfluss der Sowjetunion in den südlichen Mittelmeeranrainerstaaten Algerien und Tunesien deutlich größer als der des Westens, während in Ägypten Nassers Nachfolger Muhammad Anwar as-Sadat in den 1970er Jahren eine prowestliche Wende vollzog.45 Libyen Der südliche Mittelmeerraum galt spätestens seit der Machtergreifung Muammar al-Gaddafis durch einen Militärputsch am 1. September 1969 als gefährdet. Gaddafis politische Agenda stellte eine Mischung aus Elementen des Islam und des Sozialismus dar, die er in seinem 1975 publizierten „Grünen Buch“ zusammenfasste.46 Eine deutliche Anti-NATO-Politik untermauerte Libyens Abkehr vom Westen. Nach dem Abschluss mehrerer Abkommen mit der Sowjetunion verstärkte sich ab 1975 die Gefährdung für die Südflanke des Nordatlantikpakts. Insbesondere der westliche Zugriff auf die nunmehr verstaatlichten libyschen Erdölvorkommen war damit praktisch unmöglich. Darüber hinaus betrieb Gaddafi eine aktive Politik der Destabilisierung Westeuropas. Hierzu zählten unter anderem die bereits erwähnten, teilweise erfolgreichen, Avancen gegenüber der maltesischen Regierung und die geheime Unterstützung linker Terrorgruppen wie der Irish Republican Army (IRA) mit Waffenlieferungen, welche diese wiederum für Terroranschläge in Nordirland und England einsetzte.47 Der Nahost-Konflikt und der libanesische Bürgerkrieg Infolge des für Israel siegreichen Sechstagekrieges im Juni 1967 und der Eroberung des Sinai, des Gaza-Streifens, der Golan-Höhen und des Westjordanlandes inklu-
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Zum Einfluss der Sowjetunion auf die arabischen Staaten in den 1970er Jahren siehe: Tareq Y. Ismael: The Communist Movement in the Arab World, London, New York 2005, S. 71–83. Vgl. Dirk Vandewalle: A History of Modern Libya, 2. Aufl., Cambridge (New York) 2012, S. 76–136. Vgl. J. Bowyer Bell: The Secret Army. The IRA, 3. Aufl., New Brunswick (New Jersey) 1997, S. 556–571; Andrew Mumford: The Counter-Insurgency Myth. The British Experience of Irregular Warfare, Milton Park, Abingdon (New York) 2011, S. 120f.
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sive Ost-Jerusalems kam es zu einer Destabilisierung der östlichen Mittelmeerregion. Nach dem sogenannten Schwarzen September, dem erzwungenen Abzug der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) aus Jordanien 1970/71, wählte die PLO unter Führung von Jassir Arafat Beirut als neuen Sitz der Bewegung. Der Südlibanon geriet dadurch unter den Einfluss der PLO, was die fragile ethnischreligiöse Zusammensetzung des libanesischen Staates schwächte und zu einem Bürgerkrieg führte, der den Libanon bis Ende der 1980er Jahre massiv destabilisierte.48 Der ehemals westlich orientierte Libanon fiel dadurch als Kooperationspartner der NATO im östlichen Mittelmeerraum aus. Darüber hinaus zeigte der Jom-Kippur-Krieg die militärische Verwundbarkeit Israels auf. Der Überraschungsangriff unter Führung ägyptisch-syrischer Truppen im Oktober 1973 hatte Israel zeitweise an den Rand einer Niederlage gedrängt.49 Nur durch massive Unterstützung der Vereinigten Staaten konnte Israel die Angreifer zurückschlagen und den Status quo erhalten. Der Verlauf des Krieges zeigte nicht nur die Bedrohung des einzig verlässlichen westlichen Verbündeten im Nahen Osten auf, sondern offenbarte durch die Erhöhung der Erdölpreise durch die arabischen Staaten und der anschließenden ersten Ölkrise auch die ökonomische Verwundbarkeit des Westens.
4.1.2 „NATO should not be like a salad bar […]“50 – Nordatlantikpakt und Eurokommunismus in der bundesdeutschen und USamerikanischen Wahrnehmung Die krisenhafte Situation der NATO führte in den Vereinigten Staaten zu einer besonderen Aufmerksamkeit für die kommunistischen Parteien Westeuropas. Deren zunehmende Popularität verstärkte die bestehenden Ängste vor einer Desintegration des Bündnisses. Alarmiert durch die deutlichen Zugewinne des Partito Comunista Italiano bei den italienischen Regionalwahlen am 15. Juni 1975 forderte das House of Representatives die Erarbeitung eines ausführlichen Berichts zur Situation der NATO unter besonderer Berücksichtigung der Südflanke. Zu die-
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David Hirst: Beware of Small States. Lebanon, Battleground of the Middle East, New York 2010, S. 75–242. Ägypten, Syrien und Libyen waren zum Zeitpunkt des Angriffs in einem, de facto relativ losen, konföderativen Staatenbund als „Föderation Arabischer Republiken“ zusammengefasst, der 1977 aufgelöst wurde. JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 1/20/775/31/77, Box IT-5, NATO: Pressures from the Southern Tier. Report of a Study Mission to Europe, Oktober 1975, Washington D.C., S. 12.
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sem Zweck reiste unter der Leitung des demokratischen Abgeordneten Leo J. Ryan eine Gruppe von Mitgliedern des Commitee on International Relations vom 5. bis 27. August 1975 nach Westeuropa. Vor Ort sollten sich die Abgeordneten einen Eindruck verschaffen. Neben Gesprächen in verschiedenen Staaten war dafür auch ein Gespräch im NATO-Hauptquartier SHAPE in Belgien geplant.51 Ursprünglich plante die Delegation auch direkte Gespräche mit Vertretern des Partito Comunista Italiano, um ungefilterte Informationen über den italienischen Eurokommunismus zu erhalten. Auf Druck der US-amerikanischen Botschaft in Rom wurde diese Idee jedoch verworfen.52 Der abschließende Bericht der US-Delegation unter dem Titel „NATO: Pressures from the Southern Tier. Report of a Study Mission to Europe“ legte seinen Schwerpunkt auf die Situation kommunistischer Parteien, die vor allem in Italien und Portugal ein Problem für die NATO darstellen würden. Neben dem italienischen Eurokommunismus und dem Einfluss der portugiesischen Kommunisten wurde das absehbare Ende der amerikafreundlichen Diktatur in Spanien als ein Unsicherheitsfaktor für Südeuropa benannt.53 Darüber hinaus sei die NATO durch die antiamerikanische Haltung der türkischen Regierung nach Etablierung des Waffenembargos durch den US-Kongress und den Rückzug Griechenlands aus der militärischen Integration im Zuge des Zypernkonflikts nachhaltig geschwächt worden. Als eine weitere Gefahr bezeichnete der Bericht die ökonomische Situation einiger westeuropäischer Staaten. Die Militärhaushalte aller Mitgliedsstaaten des Nordatlantikpakts seien infolge der weltweiten Rezession nach der ersten Ölkrise unter großem Druck geraten, was zu Kürzungen bei den Verteidigungsausgaben führen könne. Aus militärischen und abschreckungstechnischen Gründen sollte die US-Regierung darauf hinwirken, dass die finanzielle Ausstattung der NATO-Armeen nicht verringert werde.54 Neben dieser ökonomischen und der politischen Gefahr für den Nordatlantikpakt sah der RyanBericht auch eine psychologische. Denn im Zuge der Détente-Politik würde die eigentliche Rolle der NATO als militärisches Verteidigungsbündnis in den Augen
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Ebenda, S. 1f. Ebenda, S. 10. Francisco Franco starb knapp drei Monate nach der Europareise der Kongressabgeordneten am 20. November 1975 in Madrid. JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 1/20/775/31/77, Box IT-5, NATO: Pressures from the Southern Tier. Report of a Study Mission to Europe, Oktober 1975, Washington D.C., S. 2ff.
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vieler Westeuropäer, aber auch zahlreicher Nordamerikaner, keine große Rolle mehr spielen.55 Schwerpunkt des Berichts war die Situation der Südflanke. Während im portugiesischen Fall bis zur Beruhigung der post-revolutionären Konflikte zwischen den einzelnen Gruppierungen Zurückhaltung angemahnt wurde, sollte im postfrankistischen Spanien von Seiten der US-Regierung auf eine möglichst schnelle NATO-Mitgliedschaft gedrängt werden. Im Falle Italiens war die mögliche Regierungsbeteiligung des PCI zentrales Thema. Die deutlichste Ablehnung einer kommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien fand die Delegation des Repräsentantenhauses im NATO-Hauptquartier SHAPE: „There is a considerable resistance at NATO headquarter to the idea that NATO should change to allow for future changes in the governments of the southern tier countries, including possible participation of indigenous Communist parties. The view was expressed that NATO should not be like a salad bar where each country can take and give only what it wants or finds convenient.“56 Insgesamt schätzten die NATOVertreter die militärische Situation als gut an der Nordflanke, sich verbessernd im Zentrum und deutlich schwächer werdend an der Südflanke ein.57 Im Hinblick auf Italien hielt Ryan einen Wahlsieg des PCI in den kommenden Parlamentswahlen für möglich, vor allem weil die italienischen Kommunisten jährlich von bis zu 54 Millionen US-Dollar an sowjetischen Finanzhilfen profitieren würden.58 Er empfahl daher eine ausgiebige Vorbereitung der US-Regierung auf diesen Fall. So sollten unter anderem entsprechende Szenarien für die US-amerikanische Außenund Sicherheitspolitik erstellt werden.59 Zusammenfassend kritisierte der Bericht die bisherige Ignoranz der US-Regierung gegenüber den Entwicklungen des italienischen Eurokommunismus: „We can no longer pretend that the PCI does not exist, officially. The attitude of the PCI toward the United States just might be influenced to some extent by our attitude toward the PCI.“60 Das Bureau of Intelligence and Research (INR), der Nachrichtendienst des USamerikanischen Außenministeriums, prognostizierte nach den italienischen Parlamentswahlen vom 20. Juni 1976 in einem Memorandum an Henry Kissinger
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Ebenda, S. 1. Ebenda, S. 12. Ebenda, S. 12f. Ebenda, S. 7. Ebenda, S. 2. Ebenda.
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einen erhöhten Einfluss des PCI auf die Außen- und Sicherheitspolitik.61 Harold H. Saunders, als Assistant Secretary of State for Intelligence and Research Direktor des INR, erwartete insbesondere eine Reduzierung des italienischen Verteidigungsbeitrags für die NATO. Neben Kürzungen im Verteidigungshaushalt rechnete er mit dem Ziel einer Restrukturierung der NATO, um die Dominanz der USA im Bündnis zu verringern. Eine Änderung dieser Politik sei nur zu erwarten, wenn die Sowjetunion verstärkten Druck auf Jugoslawien ausüben würde. Zum Schutz der eigenen und der jugoslawischen Eigenständigkeit könnte der PCI in diesem Fall eine stärker NATO- und US-freundliche Position einnehmen.62 Gemäß dem Parteiprogramm der italienischen Kommunisten sei ein Austritt Italiens aus der NATO allerdings aktuell kein Ziel des Partito Comunista Italiano. Die Ernennung von Personen für hohe sicherheitspolitische Ämter sei zwar nicht direkt vom PCI steuerbar, allerdings könne Ministerpräsident Andreotti, aufgrund des Einflusses der Kommunisten im Parlament, nun keine expliziten Antikommunisten mehr in diese Positionen berufen. Eine besondere Gefahr stelle die neue parlamentarische Stärke des PCI in den sicherheitspolitisch relevanten Ausschüssen dar. So könnten die Kommunisten unter anderem die notwendige Umstrukturierung des italienischen Militärgeheimdienstes Servizio Informazioni Difesa (SID) beeinflussen.63 Ähnlich wie schon der Bericht der Delegation des Repräsentantenhauses 1975 kritisierte das Memorandum an den Außenminister die Probleme in der Informationsgewinnung über die italienischen Kommunisten. Da diese fast ausschließlich über Kontakte zur Democrazia Cristiana laufen würden, könne man nur indirekt auf den PCI wirken.64 Auch in Westdeutschland ging ein signifikanter Prozentsatz der Bevölkerung von einer verminderten Verteidigungsfähigkeit der NATO im Falle einer kommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien aus. Die US Information Agency sammelte hierzu Ende des Jahres 1977 Daten mit Hilfe eines Fragebogens, der die Einstellungen der Bundesbürger zum Eurokommunismus und dessen Verhältnis zur NATO erfasste.65 Zbigniew K. Brzezinski war als Sicherheitsberater von Prä-
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GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (9), Box 8, Briefing Memorandum von Harold H. Saunders an Henry Kissinger, 02.12.1976, Washington D.C., S. 2–8. Ebenda, S. 8. Ebenda, S. 8f. Ebenda, S. 10. JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 6/1/77-
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sident Carter zusammen mit Robert E. Hunter, Westeuropaexperte im National Security Council, in die Konzeption des Fragebogens eingebunden gewesen.66 Dieser fragte insbesondere die Haltung zum Eurokommunismus ab. So sollten die größten kommunistischen Parteien Westeuropas in ihrer Abhängigkeit von Moskau eingeschätzt werden. Hinzu kamen Fragen zur Haltung gegenüber der NATO und den USA. Weitere Fragen bezogen sich auf die Auswirkungen einer kommunistischen Regierungsbeteiligung in Frankreich auf das Verhältnis zur Bundesrepublik, zur NATO und zur EG.67 Die Teilnehmer der Umfrage sollten darüber hinaus angeben, ob die Vereinigten Staaten ihren Einfluss nutzen würden, um kommunistische Parteien in Westeuropa von Regierungsbeteiligungen abzuhalten und welche Meinung sie persönlich dazu einnähmen.68 Ebenso wurde abgefragt, für welche Seite sich der Parti Communiste Français im Falle einer Krise zwischen Frankreich und der Sowjetunion entscheiden würde.69 In der Bundesrepublik wurde die Umfrage im November 1977 durchgeführt und zeigte besorgniserregende Ergebnisse für die US-Administration. So gaben nur 37 Prozent der Befragten an, dass sie noch Vertrauen in die US-Verpflichtung zum Schutz Westeuropas hätten, wenn der PCF in die französische Regierung eintrete. An eine Schwächung der NATO durch eine kommunistische Regierungsbeteiligung in einem ihrer Mitgliedsstaaten glaubten 40 Prozent der Befragten.70 36 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass sie in einem solchen Falle
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12/31/77, Box IT-5, USIA Survey Questionnaire on Eurocommunism Issues, 01.11.1977, Washington D.C. JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 6/1/7712/31/77, Box IT-5, Memorandum von Gregory F. Treverton an Zbigniew Brzezinski, ohne Datum [November 1977]; JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 6/1/77-12/31/77, Box IT-5, Brief von Harold E. Engle an Robert Hunter, 04.11.1977, Washington D.C. JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 6/1/7712/31/77, Box IT-5, USIA Survey Questionnaire on Eurocommunism Issues, 01.11.1977, Washington D.C., S. 3f. Ebenda, S. 5. Ebenda, S. 2. JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 1/1/785/31/78, Box IT-5, Memorandum von Gregory F. Treverton an Zbigniew Brzezinski, 04.01.1978, Washington D.C.
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überhaupt kein Vertrauen mehr in die durch US-Armee und NATO garantierte Sicherheit Westeuropas hätten.
4.1.3 Der italienische Eurokommunismus als innere Gefährdung der NATO Der Erfolg der eurokommunistischen Parteien führte im Westen nicht nur zu politischen, sondern auch militärischen Unsicherheiten. In den nach Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland wichtigsten NATO-Mitgliedsstaaten in Europa erlebten die kommunistischen Parteien Italiens und Frankreichs einen deutlichen Aufschwung. Auch im für die westeuropäische Sicherheit ebenfalls wichtigen und potenziellen NATO-Mitgliedsstaat Spanien war der PCE eine zu beachtende Größe. Die NATO-Führung räumte daher in der Hochphase des Eurokommunismus der Beobachtung und Analyse der politischen Situation in diesen Staaten oberste Priorität ein.71 Da Frankreich 1966 aus der militärischen Integration der NATO ausgeschieden war, stellte vor allem die militärische Stärke Italiens – 1978/79 verfügte der Staat über eine Armee von 362 000 Soldaten72 – eine Gefahr für die NATO dar, wenn das Land vom PCI regiert werden würde. Hans-Christian Pilster, ehemaliger Chef des Amtes für Militärkunde der Bundeswehr, warnte in diesem Zusammenhang vor dem überdurchschnittlich guten Verhältnis zwischen den Verwaltungen in kommunistisch regierten Städten und Regionen Italiens und den Militärdienststellen. Darüber hinaus mahnte Pilster an, dass die Politik des PCI auf die unteren Dienstgrade der italienischen Armee zunehmend attraktiv wirke.73 Italien galt seinerzeit als strategisch wichtiges Mitglied der NATO, obwohl die italienischen Streitkräfte nur über weitgehend veraltete Ausrüstung verfügten74 und der italienische Staat aufgrund der schwierigen finanziellen Situation Mitte bis Ende der 1970er Jahre unterdurchschnittliche 2,4 Prozent seines Bruttosozialprodukts für den Militärhaushalt ausgab.75 Für die Verteidigung der NATO-
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GFPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, IT 50 North Atlantic Treaty Organization 7/1/75 (executive) to IT 52 Organization of American States, IT 50 NATO 7/1/75-12/31/75, Box 5, Pressemitteilung „President’s Meeting with NATO Secretary General Joseph Luns“, 10.02.1976, Washington D.C. Vgl. Lutz: Eurokommunismus und NATO, S. 17. Hans-Christian Pilster: Eurokommunismus. Eine Gefahr für die Sicherheit der NATO?, in: Politische Studien, Nr. 247, Sept./Okt. 1979, S. 462. Vgl. Lutz: Eurokommunismus und NATO, S. 17. Das geringe italienische Militärbudget wurde von Seiten der Mitgliedsstaaten und der NATO explizit kritisiert. Vgl. PAAA, Bestand B 150, Bd. 347, Fernschreiben (geheim)
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Südflanke galt Italien jedoch als unverzichtbar. Neben der hohen Anzahl einsatzfähiger Soldaten war die italienische Armee innerhalb des westlichen Militärbündnisses in Teilbereichen führend, die als zentral für die Sicherung des Mittelmeeres und der Alpenregion im Falle eines Angriffs der Armeen des Warschauer Paktes galten.76 Hierzu zählten vor allem die Fallschirm- und Gebirgsjäger, die Schnellboote der italienischen Marine sowie die Spezialeinheit der Kampftaucher.77 Zusätzlich diente Italien als Basis von strategisch und taktisch zentralen Einheiten des Nordatlantikpakts. Unter anderem war auf der zu Sardinien gehörenden Inselgruppe La Maddalena eine Basis für atomar betriebene U-Boote untergebracht und ATAF, die fünfte taktische Luftflotte der NATO, war in Vicenza sowie die VI. US-Flotte in Gaeta bzw. Neapel stationiert.78 Auch war das NATO Defence College, die zentrale Ausbildungsstätte des Bündnisses, in Rom beheimatet. In mehreren Basen, die sich größtenteils im Nordosten Italiens befanden, wurden darüber hinaus im Rahmen der Nuklearen Teilhabe Atomwaffen der NATO gelagert, die im Falle eines Einsatzes bereitgestellt worden wären.79 Schließlich befand sich AFSOUTH, das Hauptquartier der NATO für Südeuropa, in Neapel.80
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der bundesdeutschen Vertretung bei der NATO an das Auswärtige Amt mit einer Vorschau auf die NATO-Ministerkonferenz vom 20./21. Mai 1976 in Oslo, 12.05.1976, Brüssel, S. 3. Als besonders gefährdet galt darüber hinaus das im Nordosten Italiens, an der Grenze zu Jugoslawien, gelegene „Gorizia Gap“. Vgl. Bernd Lemke: Die Allied Mobile Force 1961 bis 2002, Berlin, Boston 2015, S. 185f. Vgl. Gerhard Schreiber: Italiens Marine 1978. Bestandsaufnahme und Ausblick, in: Marine-Rundschau, Nr. 1/1979, S. 42–44; Rainer Mennel: Die wehrgeographische Bedeutung Italiens für die Südflanke der NATO, in: Wehrkunde, Nr. 3/1974, S. 143. Ende 1974 hatten die USA 13 700 Personen an militärischem Personal in Italien stationiert. Vgl. GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 9/24/74-9/30/74, Box 28, „Meeting with President Leone“ von Henry Kissinger, September 1974, Washington D.C., S. 3. Die Nukleare Teilhabe bezeichnet das Recht auf Mitentscheidung über die Dislozierung und den Einsatz von Atomwaffen durch Staaten, die selbst keine solchen Waffen besitzen. Im Rahmen des Nordatlantikpakts gilt dies für die Bundesrepublik Deutschland, Italien, Belgien, Türkei und die Niederlande (zeitweise auch Griechenland). Diese Staaten nehmen an der nuklearen Planung der NATO teil und stellen die Logistik (Lagerung, Trägersysteme) für den Einsatz von Nuklearwaffen. Das Recht auf Nukleare Teilhabe im Rahmen der NATO von Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrages war und ist umstritten. Für eine umfassende Liste der militärischen Einheiten und Institutionen der NATO und der USA im damaligen Italien siehe: Darlene Weidler Vatikiotis: The Implications of Eu-
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Die besondere Rolle, die Italien auf Basis der eben dargestellten Faktoren für das Nordatlantische Verteidigungsbündnis spielte, ließ eine mögliche kommunistische Regierungsbeteiligung als besondere Gefahr erscheinen. Eine solche hätte Mitglieder des PCI zur Teilnahme an Sitzungen von Gremien der NATO berechtigt, wenn sie die entsprechenden Minister- und Staatssekretärsposten übernommen hätten. Als brisant wurde insbesondere die mögliche Teilnahme an den Sitzungen der Nuklearen Planungsgruppe der NATO (NPG) angesehen, da diese für die Koordinierung der Atomwaffenstrategie des Bündnisses verantwortlich zeichnete.81 Auch die deutsche Vertretung im NATO-Hauptquartier gab gegenüber dem Bundeskanzleramt zu bedenken, dass die italienische Regierung über das Recht auf Zugang zu „hochsensitiven Informationen auf nuklearem Gebiet“82 verfüge und in der Kommandostruktur des Bündnisses wichtige Dienstposten besetze. Zwar hatte die PCI-Führung frühzeitig verkündet, im Falle einer Regierungsbeteiligung auf das Verteidigungsressort verzichten zu wollen, die Ängste innerhalb der NATO wurden dadurch jedoch kaum gemindert.83 Wie in den Worten von Hans-Christian Pilster drastisch geschildert, schien eine NATO mit kommunistischer Beteiligung für die Mehrzahl der westlichen Sicherheitspolitiker undenkbar: „Ob zu einer Amputation oder zu einer aseptischen Behandlung des infizierten Gliedes des Bündnisses zu schreiten ist, wird ein pragmatischer Entschluß sein.“84 Auch in der Nordatlantischen Versammlung85 beschäftigte man sich Mitte der 1970er Jahre ausgiebig mit der Frage, wie mit einer eurokommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien umgegangen werden sollte. Für die 22. Jahrestagung
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rocommunism for the NATO Alliance. A Case Study of Italy and the PCI, unveröffentliche Master Thesis an der US Naval Postgraduate School, Monterey (Kalifornien), 1980, S. 131, online: http://calhoun.nps.edu/bitstream/handle/10945/17613/implicationsofeu00vati.pdf (Abruf am 30.08.2015). „Die NPG ist das wesentliche Instrument, mit dessen Hilfe die NATO-Regierungen Grundsätze und Richtlinien für die militärische Planung und Verfahren für wirksame Konsultation und Entscheidungsfindung hinsichtlich des möglichen defensiven Einsatzes von Kernwaffen durch die NATO erarbeiten können.“ Kommuniqué der Nuklearen Planungsgruppe der NATO, verabschiedet auf der 15. Ministertagung am 11./12. Juni 1974 in Bergen, in: AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Materialien NATO, 1/BFAA001151, Bulletin der Bundesregierung, Nr. 75, 22.06.1974, Bonn, S. 743. PAAA, Bestand B 150, Bd. 349, Analyse der Auswirkungen möglicher italienischer Wahlergebnisse für den Bundeskanzler (hier: NATO) von Josef Holik, 11.06.1976, Bonn, S. 4. Vgl. Pilster: Eurokommunismus, S. 464. Ebenda, S. 468. Heutzutage die Parlamentarische Versammlung der NATO,
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vom 14. bis 19. November 1976 in Williamsburg (Virginia) wurde daher das Thema „Übernahme von Regierungsgewalt durch kommunistische Parteien“ auf die Tagesordnung gesetzt. In einer vom Politischen Ausschuss ausgearbeiteten Entschließung wandte sich die Versammlung deutlich gegen die Regierungsbeteiligung von kommunistischen Parteien in Mitgliedsstaaten der NATO: „Die Versammlung […] vertritt die Auffassung, daß es die öffentliche Meinung im Hinblick auf die Fortführung der notwendigen Verteidigungspolitik für den Westen negativ beeinflussen würde, wenn man den Erklärungen einiger der erwähnten kommunistischen Parteien Glauben schenken würde.“86 Ähnlich äußerte sich die Atlantic Treaty Association (ATA), die wichtigste Vorfeldorganisation der NATO, in einer Resolution auf ihrer 23. jährlichen Versammlung vom 26. bis 29. August 1977 in Reykjavik. Die ATA forderte darin eine äußerst sorgfältige Analyse eurokommunistischer Parteien, da diese Meister der Täuschung seien.87 Wenige Monate nach der italienischen Parlamentswahl gab der damalige NATO-Oberbefehlshaber für Europa und spätere US-Außenminister General Alexander Haig zu bedenken, dass Westeuropa gegenüber dem Kommunismus nicht mehr „den Impuls der Angst spürt“88. Knapp ein Jahr später bemerkte er vor der Versammlung der Westeuropäischen Union in Paris, dass im Falle kommunistischer Regierungsbeteiligungen in NATO-Staaten gravierende Probleme bei der Übermittlung geheimer Sicherheitsinformationen entstünden und ebenso der Verteidigungspolitik weniger Relevanz eingeräumt werden würde.89 Neben der möglichen Regierungsbeteiligung oder gar -übernahme von eurokommunistischen Parteien wurde vor allem die Teilnahme von Abgeordneten von PCI, PCF und weiterer KPs an der parlamentarischen Versammlung der NATO als Gefahr perzipiert. Die Nordatlantische Versammlung setzte das Thema nach dem Einzug zweier kommunistischer Abgeordneter aus Italien und einem aus Frankreich in den Ausschuss für Verteidigung und Rüstungsfragen der Parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union auf die Tagesordnung. Das
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AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Materialien NATO, 1/BFAA001151, Bundestagsdrucksache 8/27, Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung, 30.12.1976, Bonn, S. 6. JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 6/1/7712/31/77, Box IT-5, Final Resolution of the XXIIIrd Annual Assembly of the Atlantic Treaty Association, 26.–29.08.1977, Reykjavik, S. 2. Alexander Haig zitiert in: AdsD, Nachlass Eugen Selbmann, NATO, 91/1, AmerikaDienst der US-Botschaft Bonn, Oktober 1976, S. 1. „Haig warnt vor dem Eurokommunismus“, in: Süddeutsche Zeitung, 01.12.1977.
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internationale Sekretariat erarbeitete vor der Sitzung Anfang April 1977 in Reykjavik zu diesem Zweck eine Tischvorlage zum Thema. Es wurde darauf hingewiesen, dass im Falle einer der nationalen Parlamente entsprechenden proportionalen Zusammensetzung der Delegationen für die Nordatlantische Versammlung Kommunisten aus Italien, Frankreich, Portugal, Griechenland und Island an den Sitzungen teilnehmen könnten. Der CSU-Politiker Richard Jaeger, der in Reykjavik einen ausführlichen Vortrag über die Gefahren des Eurokommunismus hielt, vertrat während der Sitzung die Auffassung, dass die Arbeit der Nordatlantischen Versammlung sinnlos werde, wenn Kommunisten partizipieren dürften.90 Kommunisten in der parlamentarischen Versammlung der NATO wären eine „contradictio in adjectis“91. Jaeger, der auch Präsident der Atlantic Treaty Association war, plädierte daher für die Einstellung der Arbeit der Versammlung, wenn kommunistische Abgeordnete ein Mandat erhielten. Denn dies sei immer noch besser, als dem Feind in die Hände zu arbeiten.92 Jaegers Aussagen hatten auch eine innenpolitische Komponente, da es vor allem deutsche Sozialdemokraten gewesen waren, die sich zuvor für die, dem nationalen Proporz entsprechende, Aufnahme kommunistischer Abgeordneter ausgesprochen hatten. Der Vorwurf des Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemaligen CDU-Generalsekretärs sowie Bundesfamilienministers Bruno Heck, wonach manche Sozialdemokraten von einer neuen Sicherheitspolitik träumten, die eine um Eurokommunisten bereicherte NATO gegen die Westpolitik ausspiele, war jedoch aus der Luft gegriffen.93 In der Sitzung der Nordatlantischen Versammlung in der isländischen Hauptstadt entspann sich schließlich eine lange Diskussion über die Akzeptanz von Kommunisten, in der sich erwartungsgemäß die Vertreter der meisten christdemokratischen und konservativen Parteien vehement gegen eine kommunistische Beteiligung aussprachen.94 Letztendlich fasste man den Beschluss, den bislang praktizierten Ausschluss kommunistischer Abgeordneter so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Allerdings stellte dieser Entschluss der Nordatlantischen
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ACSP, Nachlass Richard Jaeger, A:291, Redemanuskript für die Sitzung des Ständigen Ausschusses der Nordatlantischen Versammlung am 1./2. April 1977 in Reykjavik, ohne Datum [März 1977]. Ebenda, S. 2. Ebenda, S. 3. ACDP, Nachlass Bruno Heck, 01-022, 015/2, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, SWR II, „Wort zur Politik“, Bruno Heck zu Fragen des Eurokommunismus am 31. Juli 1976, 02.08.1976. ACSP, Nachlass Richard Jaeger, A:291, Kurzbericht über die Sitzung des Ständigen Ausschusses der Nordatlantischen Versammlung am 1./2. April 1977 in Reykjavik, 04.04.1977, Bonn, S. 2ff.
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Versammlung nur eine Empfehlung dar, da die nationalen Parlamente für die Entsendung der Delegierten verantwortlich zeichneten. Bis zum Einzug der ersten Abgeordneten des Partito Comunista Italiano im Jahre 1984 wurde ihr jedoch Folge geleistet.95
4.1.4 Die Sowjetisierung des Mittelmeeres Bis in die 1960er Jahre hinein galt das Mittelmeer als sicherheitspolitisch vom Westen dominiert. Mit den britischen Basen in Gibraltar, Malta und Zypern sowie den NATO-Mitgliedsstaaten Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Türkei war die Südflanke der NATO gegen einen potenziellen Angriff der Warschauer Pakt-Truppen ausreichend gesichert. Diese Einschätzung änderte sich radikal bis Mitte der 1970er Jahre. Die Konfliktdichte im Mittelmeerraum hatte sich innerhalb von wenigen Jahren so sehr intensiviert, dass die Sicherheit des westlichen Bündnisses als gefährdet eingeschätzt wurde und der italienische Ministerpräsident Mariano Rumor das Gebiet in Anlehnung an das „soft underbelly“-Konzept96 Winston Churchills als den „weichen Unterleib Europas“97 bezeichnete. Bereits Ende der 1960er Jahre war der mediterrane Raum in den Fokus sicherheitspolitischer Planungen gerückt. Die Sowjetunion hatte ihre dortige Flotte massiv verstärkt. Die US-Vertretung bei der NATO erarbeitete unter dem Titel The Mediterranean – A Problem for Alliance Security ein entsprechendes Arbeitspapier.98 Laut NATO-Angaben befanden sich im September 1968 45 sowjetische Marineeinheiten im Mittelmeer. Darunter waren nach Informationen der NATO elf Unterseeboote, zwei Landungsschiffe, ein Helikopterträger der Moskwa-Klasse, zwei Kreuzer und zehn Zerstörer der Kashin-Klasse.99 Hinzu kamen verstärkte
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ACSP, Nachlass Richard Jaeger, A:291, U 40 SC (77) 25 – Minutes of the meeting of the Standing Committee held in Reykjavik, 1./2. April 1977, International Secretariat, S. 13. Vgl. Nigel Knight: Churchill. The Greatest Briton Unmasked, Cincinnati (Ohio), Newton Abbot 2009, S. 240–255. WBA im AdsD Bonn, A 9 (geheim), 30, Protokoll des Gesprächs zwischen Willy Brandt und Mariano Rumor am 14. Juli 1970 in Rom, 23.07.1970, Bonn, S. 8. NA, Defence Planning 1966-1970, Security – International, RDC(68)62, The Mediterranean – A Problem for Alliance Security, Working Paper prepared by the US Delegation, 13.03.1968, Brüssel. NA, Political Affairs 1966-1970, Adriatic Area, Annex to CR(68)53, Statement by the Chairman of the Military Committee: Recent Reinforcement of Russian Ships in the Mediterranean von Nigel Henderson, 28.10.1968, Brüssel, S. 18f. Zur Stärke der sowjetischen Flotte im Mittelmeer siehe auch: Wolfgang Heisenberg/Dieter S. Lutz (Hrsg.): Si-
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Beratertätigkeiten sowjetischer Militärexperten in Ägypten und Algerien.100 Bezogen auf die Situation der NATO im Mittelmeer konstatierte daher ATAPräsident Richard Jaeger, der auch Vizepräsident des Deutschen Bundestags war, im Mai 1975: „Man kann nur sagen: hier läuft alles nach den Wünschen der Sowjetunion.“101 Das Auswärtige Amt ließ im gleichen Jahr einen Maßnahmenkatalog zur „Abwehr kommunistischen Vordringens im Mittelmeerraum“ erstellen.102 Der griechische Außenminister Dimitrios Bitsios betonte im Nordatlantikrat, dass durch die strategische Neuausrichtung der sowjetischen Flotte erstmals in der Geschichte der NATO die Südflanke stärker bedroht sei als die Nordflanke.103 Mariano Rumor forderte vor dem Hintergrund der sowjetischen Expansion im Mittelmeer eine verstärkte Unterstützung Italiens durch die westlichen Staaten.104 Infolge des Ausscheidens Frankreichs aus der militärischen Integration der NATO war Italien in seiner sicherheitspolitischen Wertigkeit für die USA und den Nordatlantikpakt gestiegen. Durch den Ausbruch des Konflikts um Zypern zwischen den NATO-Staaten Türkei und Griechenland trat nun auch letztere Nation aus der militärischen Integration aus, während der türkische Verbleib im Nordatlantikpakt unsicher geworden war. Hinzu kam ein instabiler Transformationsprozess im postfaschistischen Portugal. Italien erschien somit als letzte sichere Bastion des Bündnisses im Mittelmeerraum.105 Durch den Aufschwung des Partito Comunista Italiano wurde die Verankerung Italiens im Nordatlantikpakt jedoch Mitte der 1970er Jahre vor allem von Seiten der USA und konservativer Politiker in den westeuropäischen Staaten als gefährdet angesehen. In einer Besprechung mit US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und weiteren Spitzenbeamten des Pentagon und State Department hieß es: „If we abdicate in the
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cherheitspolitik kontrovers. Konventionelle Militärpotentiale NATO/WP 1949–1986 aus offenen Quellen, Bonn 1990, S. 274. NA, Political Affairs 1966-1970, Mediterranean Area, PO/68/524, The General Situation in the Mediterranean Area, 10.10.1968, Brüssel, S. 2. ACSP, Nachlass Richard Jaeger, C:224, Nachrichten aus der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Rede von Richard Jaeger in der Bundestagsdebatte über die Empfehlungen und Entschließungen der Nordatlantischen Versammlung, 15.05.1975, Bonn, S. 5. PAAA, Bestand B 150, Bd. 335, Stellungnahme (geheim) zur Abwehr kommunistischen Vordringens im Mittelmeerraum, 09.09.1975, Bonn. NA, Political Affairs 1971–1975, Flanks, CR(74)60 IIB, Summary record of a Council meeting, 12./13.12.1974 in Brüssel, 17.01.1975, Brüssel, S. 19. Ebenda, S. 18. Vgl. Giampaolo Valdevit: Gli Stati Uniti e il Mediterraneo. Da Truman a Reagan, Mailand 1992, S. 162–165.
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Mediterranean that would lead to Soviet domination there and the whole southern flank (Italy, Greece, Turkey) gets rolled up.“106 Der CDU-Vorsitzende Helmut Kohl forderte nach einem Gespräch mit dem spanischen Ministerpräsidenten Adolfo Suárez, dass man die Zange abwehren müsse, die „im Osten SowjetKommunismus und im Süden Euro-Kommunismus heißt.“107 Und der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler mahnte: „Am Ende einer solchen Entwicklung könnte die Sowjetunion ohne militärische Eroberung kraft ihres Übergewichts Westeuropa ihr kommunistisches Gesellschaftssystem diktieren.“108 Ein potenzieller Wahlsieg des PCI war somit mehr als ein Erfolg der Kommunisten in Westeuropa. Er öffnete in den Augen zahlreicher westlicher Beobachter Tür und Tor für eine stärkere politische und militärische Präsenz der UdSSR im mediterranen Raum. Ein möglicher Gürtel erfolgreicher (euro)kommunistischer Parteien von Griechenland, Zypern, Italien, San Marino, Frankreich bis nach Spanien und Portugal schürte daher Ängste vor einer Sowjetisierung des Mittelmeeres. Eine solche Entwicklung beinhaltete zusätzlich die Gefahr einer Spaltung der NATO und der EG. Vor allem in den Vereinigten Staaten wurde für einen solchen Fall die Option präferiert, einen Block antikommunistischer Staaten unter Führung der USA zu bilden, dem die Bundesrepublik Deutschland, Japan und Großbritannien angehören sollten. Dieser hätte dann den Kontrast zu dem kommunistischen Einfluss in den Regierungen Italiens und weiterer Mittelmeeranrainerstaaten bilden sollen.109
4.1.5 Der portugiesische Weg als Negativbeispiel Mit der „Nelkenrevolution“ endete am 25. April 1974 nach mehr als vier Jahrzehnten die Rechtsdiktatur des Estado Novo in Portugal.110 Die Diktatur António
106 Minutes of Defense Review Panel Meeting, Washington D.C., April 29, 1976, 9:36– 11:48 a.m., in: United States Department of State (Hrsg.): Foreign Relations of the United States (FRUS), Vol. XXXV, National Security Policy, 1973–1976, Washington D.C. 2014, S. 352. 107 Helmut Kohl zitiert in: „Kohl: Euro-Kommunismus ist Teil des Welt-Kommunismus“ von Rolf Görtz, in: Die Welt, 23.05.1977. 108 Heiner Geißler zitiert in: Maibaum: Die Perzeption des „Eurokommunismus“, S. 922. 109 Vgl. Hans Günter Brauch: Eurokommunismus und europäische Sicherheit aus Sicht der USA. Schlußfolgerungen für demokratische Sozialisten, in: Gerhard Kiersch/Reimund Seidelmann (Hrsg.): Sicherheit und Entspannung in Europa. Die Antwort des Demokratischen Sozialismus, Frankfurt am Main, Köln 1977, S. 112. 110 Zur Nelkenrevolution und der anschließenden Entwicklung Portugals siehe: Hugo Gil Ferreira/Michael W. Marshall: Portugal's Revolution. Ten Years On, Cambridge, New
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de Oliveira Salazars bzw. ab 1970 Marcelo Caetanos war zuvor weitgehend von den US-Regierungen gedeckt und unterstützt worden.111 Nach der kurzen Regierungsphase (Mai bis Juli 1974) des liberalen Adelino da Palma Carlos amtierte von Juli 1974 bis September 1975 eine prokommunistische Militärregierung unter Ministerpräsident Vasco Gonçalves, der als linksgerichteter Oberst zu den Protagonisten des Movimento das Forças Armadas zählte. Die Westorientierung des NATO-Mitgliedstaats Portugal geriet durch die Nelkenrevolution nunmehr in Gefahr. In den ersten Monaten nach dem Sturz der Regierung Caetano gab es, vor allem aufgrund der Angst vor einer möglichen Konterrevolution rechter Kreise, in weiten Teilen der Sozialisten und Kommunisten den Wunsch nach Vereinigung aller Linkskräfte. So feierten hunderttausende Kommunisten und Sozialisten zusammen den Tag der Arbeit am 1. Mai 1974 in Lissabon. Nach der Konsolidierung des Übergangs versuchte die Sowjetführung jedoch durch den straff organisierten Partido Comunista Português unter Führung des charismatischen und sowjettreuen Álvaro Cunhal die Hoheit über die politische Linke zu Lasten der Sozialisten zu gewinnen.112 Insbesondere während der politischen Krise im März/April 1975 schickte sich der PCP an, seinen Einfluss in der Militärregierung zu nutzen, um politische Kontrahenten auszuschließen. Dem sowjetischen Druck auf die portugiesischen Sozialisten, eine gemeinsame Linksunion mit den Kommunisten einzugehen, gab der Partido Socialista unter Führung von Mário Soares mit westlicher Unterstützung jedoch nicht nach. Nach der Niederschlagung eines rechten Putschversuchs am 11. März 1975 kam es zu einer deutlichen Linkswende der portugiesischen Regierung, die weitgehende Verstaatlichungen und eine Kollektivierung der Landwirtschaft einleitete. In den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung am 25. April 1975 erreichten die Kommunisten allerdings nur 12,5 Prozent der Stimmen, während die Sozialisten mit 37,9 Prozent stärkste Partei vor dem konservativ-liberalen Partido Social Democrata wurden, der 26,4 Prozent erzielte. Die Verfassung wurde in weiten Teilen sozialistisch geprägt und die Politik der Verstaatlichungen lief vorerst weiter. Infolge des Übergangs von der prokommunistischen Regierung von Vasco Gonçalves zu einer demokratisch gewählten, gerieten die Kommunisten
York 1986. Für eine detaillierte Chronologie siehe: Manuel do Nascimento: La Révolution des Oeillets au Portugal. Chronologie d'un combat pacifiste/A Revoluçao dos Cravos em Portugal. Cronologia de um combate pacifico, Paris 2009. 111 Vgl. Mary Nolan: The Transatlantic Century. Europe and the United States, 1890–2010, Cambridge 2012, S. 281. 112 NAII, CIA-Research Study „Soviet Policy and European Communism“ von Gene Wicklund, Oktober 1976, S. 11f. (PRESNET: CIA-RDP79T00889A000800190001-1).
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unter Druck, ihren Einfluss zu minimieren.113 Die Massendemonstrationen des „heißen Sommers“ 1975 gipfelten am 25. November 1975 in einem kommunistischen Putschversuch, der jedoch scheiterte.114 In den Folgemonaten konnte die neue Regierung unter Ministerpräsident José Baptista Pinheiro de Azevedo die Lage im Land beruhigen, ein erneuter kommunistischer Putschversuch konnte allerdings auch 1976 und 1977 nicht ausgeschlossen werden. Westlich orientierte Politiker warnten vor entsprechenden Vorbereitungen des PCP mit Hilfe der Sowjetunion und der DDR. So bemerkte Sozialistenchef Soares im Mai 1976 gegenüber einer Delegation der SPD: „Der PS liegen jedoch genügend Beweise dafür vor, daß die KP auf ihre Politik der Infiltration und der Vorbereitung eines Putsches nicht verzichtet hat. Ende letzter Woche kam auf dem Flughafen Lissabon eine für die DDR-Botschaft bestimmte Sendung an. Es handelte sich um 35 große Kisten. Da dies bereits die dritte Sendung innerhalb weniger Wochen war und sie jedes Mal vom gleichen DDR-Diplomaten abgeholt wurde, der auf seine diplomatische Immunität pochte, bestand in gewissen militärischen Kreisen ein Verdacht über den Inhalt der Sendung. Da sich der Außenminister Melo Antunes gerade in Bulgarien befand und der DDR-Diplomat nicht rechtzeitig am Flughafen war, ergriffen die Militärs die Initiative und öffneten die Kisten. Es handelte sich bei dem Inhalt der Kisten um Teile eines starken Senders und elektronischer Abhörgeräte. Die Sendung wurde konfisziert.“115 Die portugiesische Krise wirkte sich auch auf die italienischen Kommunisten aus. Besonders deutlich wurde dies auf dem XIV. Parteikongress des PCI vom 18. bis 23. März 1975 in Rom. Die Democrazia Cristiana hatte unter Führung ihres stellvertretenden Parteivorsitzenden Attilio Ruffini eine Delegation zum Parteikongress des PCI entsandt. Was ursprünglich als ein positives Zeichen gegenüber dem compromesso storico wirkte, wurde während des Parteikongresses zu einem massiven Problem für die italienischen Kommunisten. Denn die Delegation der DC zog sich unter Protest zurück, nachdem bekannt geworden war, dass das portugiesische Militär mit Unterstützung des Partido Comunista Português der christdemokratischen Partei die Teilnahme an den Parlamentswahlen verboten
113 Vgl. Tad Szulc: Lisbon & Washington. Behind the Portuguese Revolution, in: Foreign Policy, Nr. 21/1975–1976, S. 3–62. 114 Vgl. Kenneth Maxwell: The Making of Portuguese Democracy, Cambridge, New York 1995, S. 156f. 115 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Portugal, 1/HEAA000403, Aufzeichnung eines Gesprächs mit Mario Soares am 11. Mai 1976 in Lissabon von Veronika Isenberg, 12.05.1976, S. 2.
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hatte.116 Der PCI hatte sichtlich Probleme, diese Situation zu entschärfen, da der Ausschluss der Christdemokraten in Portugal dem Konzept des compromesso storico diametral entgegenstand. Die folgenden drei Kongresstage waren von der Diskussion über die Situation in Portugal geprägt. Erst in seiner Abschlussrede ging Generalsekretär Berlinguer ausführlicher darauf ein und betonte, dass die Gewährleistung demokratischer Freiheiten allen Gruppierungen im Staat zuteilwerden müsse.117 In Portugal machte hingegen Kommunistenführer Cunhal zeitgleich seine Position deutlich und erklärte, dass es in Portugal keine bourgeoise Demokratie geben werde und die demokratischen Freiheiten Westeuropas nicht passend für die aktuellen politischen Bedürfnisse seines Landes seien.118 Der USBotschafter in Rom, John Volpe, sprach sich dafür aus, die Vorfälle in Portugal für den Wahlkampf der Democrazia Cristiana auszunutzen.119 Entgegen der Hoffnung der US-Regierung konnte die DC jedoch kaum Kapital aus dem Ausschluss der Christdemokraten von den portugiesischen Wahlen schlagen.120 Der Einfluss auf die italienischen Regionalwahlen im Juni 1975 fiel deutlich geringer aus als erwartet.121 Der langjährige moderate Kurs des PCI wurde durch die Aktionen der portugiesischen Kommunisten allerdings öffentlich torpediert und die Gegner einer kommunistischen Regierungsbeteiligung erhielten neue Argumente.122 Berlinguer selbst war sich der Gefahr eines Wahlsiegs der doktrinären portugiesischen Kommunisten oder gar eines erfolgreichen kommunistischen Putschversuches für die internationale Anerkennung der Reformpolitik des PCI bewusst. Neben einer
116 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Eurokommunismus, 1/BFAA001936, Erfahrungsbericht über eine Dienstreise nach Italien (Rom) vom 17. bis 24.3.1975 von Heinz Timmermann, April 1975, Köln, S. 14f. 117 Ebenda, S. 15; „Italian Communists: A Portuguese Connection“ von Claire Sterling, in: Washington Post, 28.03.1975. 118 Vgl. Ebenda. 119 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (1), Box 8, Memorandum von Henry Kissinger an Gerald Ford, ohne Datum [März 1975], S. 2. 120 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/75-7/31/75, Box 28, „Your Meeting with Giovanni Agnelli“ von Henry Kissinger, 22.05.1975, Washington D.C., S. 2. 121 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy-State Department Telegrams, From SECSTATE-NODIS (3), Box 8, Telegramm von Henry Kissinger an John Volpe, 04.08.1975, Washington D.C., S. 2. 122 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (1), Box 8, Memorandum von Henry Kissinger an Gerald Ford, ohne Datum [März 1975], S. 1.
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erneuten Diskreditierung des europäischen Kommunismus hätte dies als Argument der US-Regierung für eine verstärkte antikommunistische Politik in Westeuropa dienen können.123 Während die französischen Kommunisten Cunhal unterstützten124, wurde die portugiesische KP für ihr Verhalten massiv von der Führung des PCI kritisiert.125 Klaus Harpprecht berichtete nach einer Unterredung mit Berlinguer an Brandt: „Meine Gesprächspartner ließen durchblicken, daß lediglich die KPF Cunhal sehr weitgehend unterstütze.“126 Besonderes Aufsehen erregte die gemeinsame Erklärung Berlinguers mit dem Generalsekretär des Partito Socialista Italiano Francesco Di Martino vom 16. August 1975, die in den beiden Parteizeitungen l‘Unità und Avanti! erschien. Auch nahm der PCI nun die portugiesischen Sozialisten vor sowjetischen Verbalattacken in Schutz.127 Zuvor hatte eine Delegation des PCI im Januar 1975 am Parteitag der portugiesischen Sozialisten teilgenommen, während der Parteitag des PCP boykottiert worden war.128 Der XIV. Parteikongress und die Reaktionen des PCI auf die Ereignisse in Portugal wurden in den USA negativ rezipiert: „… the Italian Communists congress, which was supposed to be triumphal, has been a flop.“129 Da das Verbot der Wahlteilnahme der portugiesischen Christdemokraten ausgerechnet während Berlinguers dreistündiger Eröffnungsrede bekannt wurde, konstatierte Claire
123 Vgl. Mario Del Pero: Distensione, bipolarismo, e violenza. La politica estera americana nel Mediterraneo durante gli anni `70 – Il caso portoghese e le sue implicazioni per l’Italia, in: Agostino Giovagnoli/Silvio Pons (Hrsg.): L’Italia repubblicana nella crisi degli anni settanta. Band 1. Tra guerra fredda e distensione, Soveria Mannelli 2003, S. 129–140. 124 Vgl. Valentine Lomellini: A Window of Opportunity? Eurocommunism(s) and Détente, in: Elena Calandri/Daniele Caviglia/Antonio Varsori (Hrsg.): Détente in Cold War Europe. Politics and Diplomacy in the Mediterranean and the Middle East, London 2012, S. 91; Donald Sassoon: One hundred Years of Socialism. The West European Left in the Twentieth Century, 4. Aufl., London, New York 2014, S. 544. 125 „Berlinguer attackiert Portugals KP“ von Albert Wucher, in: Süddeutsche Zeitung, 11.06.1975; „Schelte für Portugals KP“ von Horst Schlitter, in: Frankfurter Rundschau, 30.07.1975. 126 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, „Bericht für Willy Brandt“ von Klaus Harpprecht, 17.07.1975, S. 4. 127 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Italien – Kommunistische Partei Italiens (KPI), 1/BFAA001561, Parlamentarisch-Politischer Pressedienst, 05.09.1975, S. 1f. 128 Zu den unterschiedlichen Strategien von PCI und PCF im Umgang mit der Situation in Portugal siehe ausführlich: Alex MacLeod: La révolution inopportune. Les partis communistes français et italien face à la Révolution portugaise (1973–1975), Montreal 1984. 129 „Italian Communists: A Portuguese Connection“ von Claire Sterling, in: Washington Post, 28.03.1975.
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Sterling in der Washington Post: „The timing, depending on which side you’re on, could hardly have been worse, or better.“130 In den Staaten des westlichen Bündnisses wurden die Entwicklungen im NATO-Mitgliedsstaat Portugal mehrheitlich mit größter Sorge verfolgt. USAußenminister Kissinger betonte bereits im Oktober 1974 gegenüber dem portugiesischen Präsidenten Francisco da Costa Gomes: „Our biggest fear is that elections will not be held and that Portugal will slip into a Marxist-oriented military dictatorship.“131 Entsprechende Aussagen Cunhals untermauerten die Ängste im Westen: „Wir Kommunisten richten uns nicht nach den Spielregeln der Wahlen. Nein, nein, nein, Wahlen sind mir gleichgültig, vollständig gleichgültig. Ich sage Ihnen, Wahlen haben nichts oder nur sehr wenig mit der Dynamik einer Revolution zu tun.“132 Gegenüber Cunhal hielt Berlinguer auch in den Folgejahren kritische Distanz. Anfang Oktober 1979 besuchte zwar eine PCI-Delegation, der neben Generalsekretär Enrico Berlinguer noch Antonio Rubbi, Gaetano Di Marino und Antonio Tatò angehörten, den PCP in Lissabon. Auf Druck des PCI wurde in die Abschlusserklärung mit dem PCP jedoch ein Passus aufgenommen, der bekräftigte, dass beide Parteien mit dem Respekt vor der Verfassung ihrer Länder agierten. Auch wurde darauf hingewiesen, dass es in einigen Punkten Differenzen zwischen beiden kommunistischen Parteien gab.133 Berlinguer legte Wert darauf, auch mit Sozialistenchef Mario Soares zusammenzutreffen.134 Die hohe Wertigkeit der italienischen Kommunisten und vor allem Berlinguers zeigte sich darin, dass die PCI-Delegation ebenfalls von Staatspräsident António dos Santos Ramalho Eanes, Ministerpräsidentin Maria de Lourdes Pintasilgo und dem Präsidenten der Verfassungskommission Ernesto Melo Antunes zu einer Unterredung
130 Ebenda. 131 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 121 Poland 10/8/74 (2) (Exec) to CO 122 Portugal (Exec), CO 122 Portugal 8/9/74-12/31/74, Box 42, „Meeting with Francisco da Gosta Gomes, President of Portugal“ von Henry Kissinger, Oktober 1974, Washington D.C., S. 2. 132 Álvaro Cunhal zitiert in einem Interview mit der italienischen Journalistin Oriana Fallaci. ACSP, Nachlass Heinrich Aigner, 125, „‚Der Kissinger-Report.‘ Eine aktuelle Analyse des Eurokommunismus“, Bericht der NBC, ausgestrahlt vom ZDF am 16.01.1978 um 22:55 Uhr, BPA – Nachrichtenabteilung, 18.01.1978, S. 39. 133 FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0427, 1830, „Comunicato congiunto sui colloqui PCIPCP“, in: L’Unità, 08.10.1979. 134 FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0427, 1823, „Lisbona: colloqui di Berlinguer con Cunhal e Soares“ von Augusto Pancaldi, in: L’Unità, 04.10.1979.
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eingeladen wurde. Il Manifesto titelte anschließend, dass Berlinguer wie ein Staatsoberhaupt in Portugal empfangen worden sei.135 Sorgen bereiteten der US-Regierung auch die zu Portugal gehörenden Azoren. Die Inselgruppe im Atlantik galt aufgrund ihrer strategischen Lage und mit ihrem US-Luftwaffenstützpunkt als unverzichtbar für die NATO.136 Die strategische Wertigkeit der Azoren hatte sich erst kurz vor der Nelkenrevolution gezeigt, als die US-amerikanische Unterstützung Israels während des Jom-Kippur-Krieges auf einen Tankzwischenstopp auf den Inseln angewiesen war, da die meisten europäischen Partner aus Angst vor weiteren ölpolitischen Maßnahmen der arabischen Staaten dem US-Militär keine Landegenehmigung erteilt hatten.137 Im Zuge der Nelkenrevolution gingen im National Security Council mehrere Berichte über eine verstärkte Tätigkeit der Kommunistischen Partei auf den Azoren ein.138 Zusätzlich ergab sich die Gefahr einer potenziellen Souveränität der Inselgruppe gegenüber Portugal, da sich eine Unabhängigkeitsbewegung gebildet hatte.139 Um die demokratische Stabilisierung Portugals nicht zu gefährden, unterstützte die USRegierung ausdrücklich nicht die antikommunistische, pro-amerikanische Unabhängigkeitsbewegung auf den Azoren.140 Trotz der eher geringen Berührungspunkte mit dem PCI und zeitweise massiver gegenseitiger, öffentlicher Kritik wurde die Politik der portugiesischen Kom-
135 FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0427, 1878, „Eurocomunismo – Berlinguer in Portogallo accolto come un capo di stato“ in: Il Manifesto, 06.10.1979. Insgesamt berichteten mehr als 20 italienische Tageszeitungen über Berlinguers Reise nach Portugal und Spanien. Vgl. FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0427, 1867-1869, Dossier „Il viaggio di Enrico Berlinguer in Portogallo e in Spagna“, Ufficio stampa del PCI, 12.10.1979, Rom. 136 Vgl. Alexander Cooley: Base Politics. Democratic Change and the U.S. Military Overseas, Ithaca (New York) 2008, S. 159–174. 137 Vgl. „Whose Azores?“, in: Newsweek, 07.04.1975, S. 9. 138 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 121 Poland 10/8/74 (2) (Exec) to CO 122 Portugal (Exec), CO 122 Portugal 1/1/75-8/31/74, Box 42, Brief von P. Raingeard De LaBletiere an Strom Thurmond, 25.03.1975, San Miguel (Azoren); GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 121 Poland 10/8/74 (2) (Exec) to CO 122 Portugal (Exec), CO 122 Portugal 1/1/75-8/31/74, Box 42, Memorandum von Bob Wolthuis an Brent Scowcroft, 24.04.1975, Washington D.C. 139 JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, Executive IT 45/A 1/20/77-1/20/81 through Executive IT 67 6/1/78-1/20/81, IT 67 1/20/775/31/77, Box IT-5, NATO: Pressures from the Southern Tier. Report of a Study Mission to Europe, Oktober 1975, Washington D.C., S. 5. 140 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 122 Portugal (Gen) to Romania 3/31/76 (exec), CO 122 Portugal, Box 43, Brief von Joseph Kingsbury-Smith an Ronald Nesson, 03.04.1975, Rom.
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munisten während der Transitionsphase als Negativbeispiel für eine potenzielle Regierungsbeteiligung der Eurokommunisten genannt. Innerhalb der deutschen Sozialdemokratie wurde der portugiesische Kommunismus ebenfalls als Gefahr rezipiert und die Sozialisten unter Mário Soares großzügig unterstützt, was von sowjetischer Seite Kritik hervorrief.141 US-Präsident Carter bedankte sich im März 1977 explizit bei Bundeskanzler Schmidt für das Engagement.142 In der direkten Phase nach der Nelkenrevolution hatte es vereinzelt sogar Sozialdemokraten gegeben, die sich aus pragmatischen Gründen für die Einbindung des PCP in die Regierung aussprachen. So wandte sich Horst Ehmke in einem Gespräch mit Henry Kissinger und Helmut Sonnenfeldt im September 1975 gegen einen Ausschluss der Kommunisten aus der Regierung, um das Verhältnis zu den einflussreichen kommunistischen Elementen im Militär nicht zu verschlechtern und verstärkten Einfluss auf den weiteren Kurs des PCP nehmen zu können.143 Aus Sicht Ehmkes waren zwei Gründe für die generelle Anti-Position gegenüber dem PCP bei Kissinger und Sonnenfeldt ausschlaggebend: Zum einen argwöhnten beide, dass die Kommunisten in der Regierung negative Auswirkungen auf die NATO haben würden. Zum anderen befürchteten sie eine Aufwertung der sozialistisch-kommunistischen union de la gauche144 in Frankreich, wenn die USRegierung eine sozialistisch-kommunistische Regierungskoalition in Portugal dulden würde.145 Ehmke sprach sich für weitere bilaterale Konsultationen aus, da er „amerikanische Kurzschlüsse“146 in dieser Frage befürchtete. Trotz der klaren Ablehnung der Kommunisten in Portugal durch Kissinger und Sonnenfeldt wa-
141 Vgl. 02.03.1976, Botschafter Sahm, Moskau, an das Auswärtige Amt, in: Institut für Zeitgeschichte im Auftrag des Auswärtigen Amts (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, 1976, Band 1, 1. Januar bis 30. Juni, München 2007, S. 332f. (dort: Anmerkung 12). 142 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, President’s Correspondence with Foreign Leaders File, Fiji through Germany, Federal Republic of: Chancellor Helmut Schmidt, 2-4/77, Box 6, Brief von Jimmy Carter an Helmut Schmidt, 05.03.1977, Washington D.C. 143 HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Bericht von Horst Ehmke an Willy Brandt, Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher über seine Reise nach New York und Washington D.C. vom 02.-10.09.1975, 15.09.1975, Bonn, S. 5. 144 Zur „union de la gauche“ siehe: Stéphane Courtois/Marc Lazar: Histoire du Parti communiste français, 2. Aufl., Paris 2000, S. 367–379. 145 HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Bericht von Horst Ehmke an Willy Brandt, Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher über seine Reise nach New York und Washington D.C. vom 02.–10.09.1975, 15.09.1975, Bonn, S. 5. 146 Ebenda.
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ren laut Ehmke deren negative Emotionen gegenüber den italienischen Kommunisten noch heftiger.147 In den Folgejahren wurde offensichtlich, dass die Sozialisten innerhalb der portugiesischen Linken ihre deutliche Mehrheit stabilisieren würden. Der PCP hielt auch in den 1980er Jahren seine orthodox-kommunistischen Linie aufrecht und brach daher nicht in die Wählerschichten der Sozialistischen und der Sozialdemokratischen Partei ein. Der damalige portugiesische Ministerpräsident Francisco de Sá Carneiro gab daher gegenüber Bundeskanzler Schmidt ironisch zu Protokoll: „Gott schütze Cunhal!“148
4.1.6 Die „Finnlandisierung“ Italiens „Finland is officially neutral, but as a result of the ‚special‘ relationship with the USSR since World War II, relations with Moscow are its primary concern. Nearly all foreign policy decisions are first measured against their impact on relations with the Soviet-Union.“149 Mit diesen Worten definierte im August 1976 Sicherheitsberater Scowcroft das Problem der „Finnlandisierung“ gegenüber US-Präsident Ford. Der Begriff geht auf die besondere Rolle Finnlands im Zweiten Weltkrieg zurück.150 Mit der Niederlage gegen die Sowjetunion im Winterkrieg (November 1939 bis März 1940) und vor allem als Kriegspartei an der Seite der Wehrmacht in dem anschließenden Fortsetzungskrieg (Juni 1941 bis September 1944) geriet Finnland in die sowjetische Einflusssphäre. Im Gegensatz zu anderen angrenzenden Kriegsgegnern der Sowjetunion konnte die finnische Regierung die Unabhängigkeit des Landes nach Kriegsende bewahren. Im Zuge der Etablierung der Paasikivi-Kekkonen-Linie151 als außen- und sicherheitspolitischer Doktrin blieb Finn-
147 Ebenda, S. 6. 148 Gespräch des Bundeskanzlers Schmidt mit Ministerpräsident Sá Carneiro, 14.04.1980, in: Institut für Zeitgeschichte im Auftrag des Auswärtigen Amts (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, 1980, Band 1, 1. Januar bis 30. Juni, München 2011, S. 585. 149 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Visits by Foreign Leaders 8/76 Finland-12/76 Italy, Box 7, „Meeting with President Urho Kekkonen of Finland“ von Brent Scowcroft, August 1976, Washington D.C., S. 2. 150 Für einen Überblick siehe: Tiina Kinnunen/Ville Kivimäki (Hrsg.): Finland in World War II, Leiden 2011. 151 Der Name geht auf die beiden Architekten der finnischen Neutralitätspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg zurück: Juho Kusti Paasikivi (Premierminister 1944–1946, Staatspräsident 1946–1956) und Urho Kekkonen (Premierminister 1950–1953, 1954–1956,
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land zwar ein westlich-demokratischer Staat mit marktwirtschaftlichem System, musste aber während des Kalten Krieges Rücksicht auf die Belange des sowjetischen Nachbarn nehmen.152 „Finnlandisierung“ bezeichnete demnach als Oberbegriff sämtliche Versuche der Sowjetunion, ihren Einfluss gegenüber anderen Staaten durch militärischen, politischen oder ökonomischen Druck so groß werden zu lassen, dass eine Politik gegen die sowjetischen Interessen nicht mehr möglich war.153 Obwohl der Begriff erstmals 1953 vom österreichischen Außenminister Karl Gruber gebraucht wurde, erhielt er seine Prägung erst ab 1966 durch Richard Löwenthal.154 In den 1970er Jahren nutzten ihn vor allem konservative Politiker wie Franz Josef Strauß als Kritik an einer ihrer Meinung nach zu devoten oder naiven Politik gegenüber der UdSSR.155 Infolge einer Regierungsbeteiligung der italienischen Eurokommunisten wurde von Kritikern eine sicherheitspolitische Neutralisierung Italiens erwartet, die entweder den direkten Austritt aus der NATO beinhalten oder durch die Verringerung des italienischen Verteidigungsbeitrags eine Schwächung des Bündnisses auslösen würde. Den Kritikern folgend, könne gegen die Sowjetunion, wenn der PCI erst einmal in der Regierung sei, keine Politik mehr gemacht werden, da die italienischen Kommunisten die heimische Wirtschaft intensiv mit der sowjetischen verflechten würden. Italien würde somit zwar nicht de jure zum sowjetischen Machtbereich zählen, de facto wäre der Staat aber vom sowjetischen Einfluss abhängig und somit „finnlandisiert“.156 Dass Finnland aufgrund seiner langen Grenze mit der Sowjetunion, massiven Gebietsverlusten an die UdSSR (so vor allem der Großteil Kareliens), einem starken ökonomischen Austausch und nicht
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Staatspräsident 1956–1982). Zur Paasikivi-Kekkonen-Linie siehe: Osmo Jussila/Seppo Hentilä/Jukka Nevakivi: Politische Geschichte Finnlands seit 1809. Vom Großfürstentum zur Europäischen Union, Berlin 1999, S. 275ff. Vgl. Marco Rimanelli: The A to Z of NATO and other International Security Organizations, Lanham (Maryland), Toronto, Plymouth 2009, S. 269. Vgl. Jacques Arnault: Finlande, „Finlandisation“, Union Soviétique, Paris 1986, S. 41–48. Zur „Finnlandisierungsthese“ siehe auch: Ulrich Wagner: Finnland und die UdSSR. Das sogenannte Finnlandisierungsproblem (I. Teil), in: Osteuropa, Nr. 6/1975, S. 423–433, (II. Teil), in: Osteuropa, Nr. 7/1975, S. 463–476. Vgl. Walter Laqueur: The Political Psychology of Appeasement. Finlandization and Other Unpopular Essays, New Brunswick (New Jersey) 1980, S. 7. Vgl. Agilolf Keßelring: Die Nordatlantische Allianz und Finnland 1949–1961. Perzeptionsmuster und Politik im Kalten Krieg, München 2009, S. 8. Vgl. Karl Heinz Pütz: Atlantische Beziehungen und Eurokommunismus. Die KPI in der Außenpolitik der USA, in: Politische Vierteljahresschrift, 21. Jahrgang, Nr. 1/1980, S. 35.
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zuletzt historisch-politischer Gegebenheiten157 eine Sonderstellung für die Sowjetunion einnahm und daher kaum mit dem Mittelmeerstaat Italien verglichen werden konnte, wurde zeitgenössisch kaum thematisiert. Lediglich die in beiden Staaten große und einflussreiche kommunistische Partei zeigte eine Parallele zwischen Italien und Finnland auf. Dies galt insbesondere für die in beiden Parteien mehrheitliche Orientierung am Eurokommunismus.158 Dennoch etablierte sich die „Finnlandisierung“ als politischer Kampfbegriff gegen den Eurokommunismus. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Günther Müller warnte vor einer „Finnlandisierung“ der Bundesrepublik, wenn der Eurokommunismus hierzulande weiterhin derart verharmlost werden würde.159 Und auf internationalen Konferenzen kamen US-amerikanische Sicherheitspolitiker zu dem Schluss, dass die Sowjetunion durch den Einfluss der Eurokommunisten Westeuropa vermehrt ihre Politik diktieren könne. Die Folge sei eine „increased Communist infiltration into the unions, the media and the socialist parties of Britain and Northern Europe.“160 Die „Finnlandisierung“ sollte daher von der US-Regierung gegenüber den westeuropäischen Partnern als große Gefahr dargestellt werden.161 Richard McCormack, späterer Under Secretary of State for Economic and Agricultural Affairs unter Präsident George H. W. Bush und seinerzeit Wissenschaftler am konservativen American Enterprise Institute, warnte Carters Sicherheitsberater Brzezinski 1977 in einer selbsterstellten Studie vor einer Verharmlosung der Eurokommunisten: „Whether or not Communists play by the ballotbox, their creed is incompatible with pluralism.“162 McCormack warnte vor einem zu laxen Umgang mit dem Kommunismus, der in der Vergangenheit unter den demokratischen
157 Finnland war bis zur Unabhängigkeit am 6. Dezember 1917 infolge der Oktoberrevolution Teil des russischen Zarenreiches gewesen. 158 Die Kommunistische Partei Finnlands (SKP) agierte nach dem Zweiten Weltkrieg primär in dem kommunistisch dominierten Wahlbündnis SKDL. Vgl.: Ulrich Wagner: Finnlands Kommunisten. Volksfrontexperiment und Parteispaltung 1966–1970, Stuttgart u. a. 1971. 159 „Kreml, schau, wie brav ich bin!“ von Günther Müller, in: Neue Bildpost, 28.12.1980. Die „Neue Bildpost“ ist eine konservativ-katholische Wochenzeitung, die seit 1952 als Boulevardzeitung erscheint. Die „Neue Bildpost“ kann als speziell an Katholiken gerichtete Variante der „Bild-Zeitung“ verstanden werden. 160 JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, General IT 67 1/20/77-1/20/81 through Confidential IT 71-1 1/20/77-1/20/81, Box IT-6, Multinational Conference on New Dimensions for the Defense of the Atlantic Alliance, 1977, S. 26. 161 Ebenda, S. 29. 162 Ebenda, S. 30.
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Präsidenten Truman und Kennedy zum „Verlust“ Festlandchinas bzw. Kubas geführt habe.163 Vor dem Hintergrund eines aus seiner Perspektive naiven Umgangs mit dem Eurokommunismus prophezeite er schließlich: „All Europe would become Finlandized.“164 Auch der damalige Vorsitzende des linksliberalen Partito Repubblicano Italiano und spätere italienische Regierungschef Giovanni Spadolini nutzte den Vorwurf der Finnlandisierung: „Noi siamo contro ogni ‚finlandizzazione‘ dell’Europa.“165 Trotz der in der Realität eher geringen Gefahr einer „Finnlandisierung“ Italiens wurde die Angst vor einer solchen, insbesondere von konservativer Seite, wiederholt geschürt. Die „Finnlandisierung“ stellte somit in den Warnungen vor einer Regierungsbeteiligung des PCI ein wichtiges Argument der Kritiker des Eurokommunismus dar.
4.1.7 Der eurokommunistische Domino-Effekt Die unter US-Präsident Dwight D. Eisenhower 1954 erstmals formulierte Domino-Theorie war ursprünglich auf den süd- und südostasiatischen Raum konzentriert. Sie postulierte die Gefährdung benachbarter Staaten durch den Kommunismus, wenn Französisch-Indochina kommunistisch werden würde. Neben Vietnam, Kambodscha und Laos würde sich gemäß der Theorie der Kommunismus auch sukzessive in Thailand, Burma, Pakistan, Indien, Nepal, Afghanistan und dem Iran durchsetzen. Wie eine Dominoreihe würde sich die Ausbreitung in den Nahen Osten, nach Nordafrika und schließlich bis nach Europa fortsetzen.166 Innerhalb von wenigen Jahren avancierte die Domino-Theorie zu einer Grundkonstante der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik. James S. Olson und Randy Roberts bezeichnen sie daher als „central to the way Americans interpreted the world“167.
163 JCPL, White House Central File, Subject File, Countries, Executive CO 75 4/1/791/25/80 through Confidential CO 78 8/1/79-1/20/81, CO 75 General 1/20/771/20/81, Box CO-37, Memorandum von Richard McCormack an Zbigniew Brzezinski, 23.06.1977, S. 1, 4. 164 Ebenda, S. 11 165 „Wir sind gegen jedwede ‚Finnlandisierung‘ Europas.“ FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0427, 1906, „Sui missili Usa si misurerà l’autonomia del Pci da Mosca“ in: Avvenire, 11.10.1979. 166 Vgl. James S. Olson/Randy Roberts: Where the Domino Fell. America and Vietnam, 1945-2010, 6. Aufl., Hoboken (New Jersey) 2014, S. 25f. Zur Dominotheorie siehe allgemein: Frank A. Ninkovich: Modernity and Power. A History of the Domino Theory in the Twentieth Century, Chicago 1994. 167 Olson/Roberts: Where the Domino Fell, S. 25.
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Im Zuge des Aufstiegs des Eurokommunismus erlebte die Domino-Theorie eine Umwidmung auf die westeuropäischen Verhältnisse. Der Theorie nach würde eine kommunistische Regierungsübernahme in Italien oder Frankreich zuerst die Völker in den südeuropäischen Staaten zu einer Wahl der kommunistischen Parteien animieren. Vor allem die Transitionsstaaten Griechenland, Portugal und Spanien seien dafür, aufgrund der noch nicht ausgebildeten demokratischen Staatsbürgerkultur nach dem Ende der Diktaturen, anfällig. Anschließend würden sich die Kommunisten auch in den kleinen Mittelmeerstaaten Zypern, San Marino und Malta rasch durchsetzen und es käme zeitgleich zu einer Ausbreitung nach Mittel- und Nordeuropa. Dort seien vor allem die skandinavischen Staaten, aber auch Belgien, Luxemburg und die Niederlande gefährdet, weil es dort bereits größere kommunistische Parteien gäbe. Letztlich würde mit jeder weiteren kommunistischen Regierungsbeteiligung die Gefahr einer nächsten ansteigen, da die bereits kommunistischen Staaten entsprechende Unterstützungsmaßnahmen für die noch nicht regierenden KPs einleiten würden. Lediglich die Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien könnten mit maßgeblicher Hilfe der USA dem Domino-Effekt entzogen werden, würden sich langfristig jedoch nicht gegen ein kommunistisches Europa behaupten können. Durch die politische Instabilität zahlreicher arabischer, afrikanischer, asiatischer sowie süd- und mittelamerikanischer Staaten könnte sich, ausgehend von Westeuropa und unter maßgeblicher Mithilfe der Sowjetunion, eine kommunistische Weltherrschaft etablieren. Die Vereinigten Staaten wären spätestens dann gefährdet, wenn neben dem Großteil Mittel- und Südamerikas auch Mexiko kommunistisch werden würde. Eine semantische Weiterentwicklung der Domino-Theorie stellte im Zuge des Eurokommunismus die vaccination theory dar, die den italienischen Kommunismus als ansteckende Krankheit betrachtete und daher eine Isolierung desselben sowie Schutzmaßnahmen für die angrenzenden Staaten einforderte.168 Aus Sicht der US-Regierung war deshalb vor der italienischen Parlamentswahl am 20. Juni 1976 ein Eingreifen erforderlich. Kurz vor der Wahl griff Henry Kissinger erstmals seit dem Ende des Vietnamkrieges in seiner Argumentation wieder auf die DominoTheorie zurück. Dass er dies ausgerechnet auf der jährlichen Tagung der American Society of Newspaper Editors tat, musste als deutliches Zeichen an die amerikanischen Medien interpretiert werden, die Domino-Theorie verstärkt auf den Eurokommunismus anzuwenden. Wörtlich warnte der US-Außenminister: „I believe that the advent of communism in major European countries is likely to produce a sequence of events in which other European Countries will also be tempted to
168 Vgl. Pütz: Atlantische Beziehungen, S. 31.
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move in the same direction.“169 Gleichzeitig warnte Kissinger vor einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Westeuropa und den USA, falls kommunistische Parteien in die Regierungen Italiens oder Frankreichs einzögen. Die Überschätzung des Einflusses der italienischen Kommunisten und die daraus resultierende Hysterie um einen potenziellen Domino-Effekt durch die Regierungsbeteiligung von Kommunisten in Italien zeigten sich eindrücklich in einer Warnung von John Connally. Der ehemalige Schatzminister im Kabinett von USPräsident Nixon und Gouverneur von Texas wies darauf hin, dass neben den im Zuge einer Regierungsbeteiligung des PCI zu erwartenden kommunistischen Machtübernahmen in Frankreich, Spanien und Portugal durch ideologische und materielle Transfers auch kommunistische Revolten in Mexiko sowie in ganz Mittel- und Südamerika möglich seien.170 Die USA seien durch den italienischen Eurokommunismus also direkt bedroht.171 Die Ängste der US-Regierung wurden zusätzlich durch den Vormarsch der Sowjetunion in Afrika, Mittel- und Südamerika sowie Ostasien geschürt. Vor allem der Verlust Angolas wurde von Kissinger als klare Niederlage des Westens interpretiert.172 Ende des Jahres 1975 hatten von der Sowjetunion unterstützte Truppen Kubas und der MPLA in der Schlacht bei Kifangondo die von den USA und Südafrika unterstützten Einheiten der UNITA und FNLA besiegt.173 Angola wurde in der Folge ein kommunistischer Einparteienstaat mit enger Anbindung an die Sowjetunion.174 Auch auf der Münchner Wehrkunde-Konferenz175 wurde das Thema Eurokommunismus diskutiert. Vor dem Hintergrund des Verlusts von Angola an die Kommunisten wenige Wochen zuvor führte die Möglichkeit kommunistischer Regierungsbeteiligungen in Italien, Frankreich und weiteren westeuropäischen Staaten auf der Konferenz zu „zusätz-
169 Henry Kissinger zitiert in: Sherwood: American Foreign Policy, S. 18. 170 Zum Einfluss des Eurokommunismus auf die Vereinigte Sozialistische Mexikos siehe: Barry Carr: Mexican Communism, 1968–1983. Eurocommunism in the Americas?, San Diego 1985. 171 Vgl. Rodolfo Brancoli: Spettatori interessati. Gli Stati Uniti e la crisi italiana 1975–1980, Mailand 1980, S. 123f. 172 Vgl. Bernd Greiner: Amerikanische Außenpolitik von Truman bis heute. Grundsatzdebatten und Strategiediskussionen, Köln 1980, S. 158. 173 Vgl. Klaas Voß: Washingtons Söldner. Verdeckte US-Interventionen im Kalten Krieg und ihre Folgen, Hamburg 2014, S. 247–295. 174 Zum Einfluss der Sowjetunion im angolanischen Bürgerkrieg siehe ausführlich: Arthur Klinghoffer: The Angolan War. A Study in Soviet Policy in the Third World, Boulder (Colorado) 1980. 175 Heutzutage die Münchner Sicherheitskonferenz.
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lichem Erschrecken“176, wie die FAZ bemerkte. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und spätere NATO-Generalsekretär Manfred Wörner, seinerzeit in Helmut Kohls Schattenkabinett als Verteidigungsminister vorgesehen, sah die Hauptaufgabe der NATO daher in der „Eindämmung der kommunistischen Macht auf allen Ebenen“177. Tatsächlich waren Mitte der 1970er Jahre in den Parlamenten von 25 souveränen westeuropäischen Staaten 17 kommunistische Parteien vertreten.178 Von einer Regierungsbeteiligung waren die meisten dieser Parteien jedoch weit entfernt. Kurz nach der italienischen Parlamentswahl sollte sich zudem auf der Konferenz in Ost-Berlin zeigen, dass in der kommunistischen Bewegung Europas ein tiefer Riss zwischen prosowjetischen und eurokommunistischen Parteien entstanden war. In der Realität schien daher nur für einen äußerst kurzen Zeitraum ein begrenzter, mediterraner Domino-Effekt möglich. Unter der charismatischen Führung François Mitterrands und mit theoretischer Unterfütterung durch die sozialistische Denkfabrik Centre d'études, de recherches et d'éducation socialiste (CERES) konnte das Konzept sozialistisch-kommunistischer Bündnisse kurzzeitig als reale Option für Südeuropa betrachtet werden. In den Wirren der Transition Spaniens, Portugals und Griechenlands wurde eine solche Möglichkeit für denkbar gehalten. Zusammen mit Frankreich, Italien, San Marino, Zypern sowie den drei genannten Transitionsstaaten hätte es zu einem roten Gürtel vom östlichen Mittelmeer bis nach Gibraltar kommen können. Allerdings zeigte sich rasch, dass zum einen vor allem die sozialistischen Parteien in Portugal und Spanien einer Zusammenarbeit mit den Kommunisten ablehnend gegenüberstanden. Zum anderen handelte es sich um äußerst unterschiedliche Kommunismen, die beispielsweise eine Zusammenarbeit zwischen dem sowjetisch orientierten PCP und dem eurokommunistisch ausgerichteten PCI von vornherein unwahrscheinlich machten.
176 „NATO in der Talsohle“ von Ernst-Otto Maetzke, in: FAZ, 24.02.1976. 177 Manfred Wörner zitiert in: Ebenda. 178 Vertreten waren kommunistische Parteien am Stichtag 1. Januar 1976 in den nationalen Parlamenten von Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Luxemburg, Monaco, Niederlande, Norwegen, Portugal, San Marino, Schweden, der Schweiz, Spanien und Zypern. Hinzu kamen regionale kommunistische Parteien in semiautonomen Gebieten bzw. Regionen mit speziellem Status wie Grönland (ab 1979), Nordirland oder Katalonien (ab 1980). Keine kommunistischen Abgeordneten gab es in den nationalen Parlamenten der Bundesrepublik Deutschland, Großbritanniens, Irlands, Österreichs sowie in den westeuropäischen Kleinstaaten Andorra, Liechtenstein und Malta. Der Vatikanstaat verfügte als souveräner westeuropäischer Staat nicht über ein Parlament.
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Die Gefährdung der westlichen Sicherheit durch einen eurokommunistischen Domino-Effekt basierte somit weniger auf einer realen Bedrohungslage. Vielmehr waren es psychologische Faktoren, die zur Annahme eines solchen Effekts führten: „The threat of Communist participation in West European governments touched the most sensitive nerve in American postwar history – that of the fear of the spread of Communism.“179
4.2 Die Hoffnungsszenarien Neben den soeben dargestellten Bedrohungsszenarien bildeten sich in den 1970er Jahren auch in der bisherigen Forschung kaum beachtete positive Erwartungen heraus, die mit dem Eurokommunismus verknüpft waren. Dabei wurden Hoffnungen und Wünsche in die entsprechenden Parteien projiziert, wobei dies, wie im Falle der Bedrohungen, insbesondere auf den Partito Comunista Italiano als größte und einflussreichste eurokommunistische Partei zutraf. In diesem Abschnitt stehen die von der sozialdemokratischen Linken in der Bundesrepublik geäußerten Hoffnungen im Vordergrund. Andere Akteure werden dabei weitestgehend ausgeblendet, obwohl auch diese Interessen mit dem Eurokommunismus verbanden. Zu nennen sind hierbei unter anderem das titoistische Jugoslawien, das die eurokommunistische Forderung nach eigenständigen Wegen zum Sozialismus verteidigte, und zeitweise auch die Führung der Volksrepublik China, die das sowjetkritische Element in den eurokommunistischen Parteien positiv hervorhob.180 Nicht alle Hoffnungen waren von einem generell positiven Kommunismusbild geprägt. Vielmehr gab es auch auf Seiten der deutschen Sozialdemokratie massive Vorbehalte gegen eine zu weitgehende Zusammenarbeit mit den Eurokommunisten. Dennoch wurde deren reformistisches Potenzial von einem Großteil der sozialdemokratischen Akteure nicht von vornherein verneint. Vor allem durch persönliche Kontakte kam es zu einer Differenzierung in der Wahrnehmung und Analyse des Eurokommunismus, die im Fall der französischen Kommunisten zu einer Rezeption als Bedrohung und bei der italienischen Variante zur Rezeption
179 Sherwood: American Foreign Policy, S. 19. 180 Vgl. Robin Alison Remington: Eurocommunism and Yugoslavia, in: Vernon V. Aspaturian/Jiří Valenta/David P. Burke (Hrsg.): Eurocommunism Between East and West, Bloomington 1980, S. 202–222; Barbara Barnouin: Dissonant Voice in International Communism, in: Harish Kapur (Hrsg.): The End of an Isolation. China after Mao, Dordrecht, Boston, Hingham (Massachusetts) 1985, S. 216f., 220f.
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als Chance führten. Das Resultat waren unterschiedliche Szenarien, die von einer Konvergenz sozialdemokratischer und eurokommunistischer Politik bis hin zur Instrumentalisierung der entsprechenden Parteien gegen den „real existierenden Sozialismus“ reichten. Im Folgenden werden die mit dem Eurokommunismus verbundenen Hoffnungen in der sozialdemokratischen Linken der Bundesrepublik Deutschland dargestellt und bewertet.
4.2.1 Die Wiedervereinigung der Arbeiterbewegung und die Sozialdemokratisierung des Kommunismus „Der Wunsch nach Wiedervereinigung der Getrennten schwang in Ehmkes Rede mit.“181 Mit diesen Worten charakterisierte Heinz-Joachim Fischer Ende des Jahres 1977 in der FAZ einen Diskussionsbeitrag des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD im Deutschen Bundestag zum Eurokommunismus. Tatsächlich tauchte das Motiv der Überwindung der Spaltung der Arbeiterbewegung oder zumindest einer deutlichen Annäherung zeitgenössisch immer wieder in Reden und Publikationen auf.182 Wie Peter Brandt et al. feststellten, geschah dies meist positiv konnotiert von Anhängern der politischen Linken: „Diese Haltung war typisch für eine ganze Generation von Kommunisten, Exkommunisten, Linkssozialisten und Sozialdemokraten.“183 Größtenteils handelte es sich dabei um Aussagen von Befürwortern einer Zusammenarbeit mit ausgewählten eurokommunistischen Parteien. In den meisten Fällen bezog sich diese positive Haltung gegenüber dem Eurokommunismus nur auf den Partito Comunista Italiano, da man im spanischen Fall den Kontakt zu den Sozialisten für wichtiger hielt und im französischen Fall der Wandlung des PCF misstraute. Insbesondere für deutsche Sozialdemokraten war vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Diktatur und der deutschen Teilung das Ziel der Überwindung der Spaltung „emotional, ja vielfach sentimental begründet“184. Die Hoffnung auf eine wiedervereinigte Arbeiterbewegung schien bei vielen SPD-Politikern, vor allem des linken Parteiflügels, immer wieder durch, wenn es um den italienischen Eurokommunismus ging. So berichtete Klaus Harpprecht über ein Treffen mit dem PCI-Spitzenpolitiker Ser-
181 „Ablehnung und Skepsis gegenüber dem Eurokommunismus“ von Heinz-Joachim Fischer, in: FAZ, 02.12.1977. 182 Vgl. Uli Schöler: Ein Gespenst verschwand in Europa. Über Marx und die sozialistische Idee nach dem Scheitern des sowjetischen Staatssozialismus, Bonn 1999, S. 15. 183 Peter Brandt et al.: Karrieren eines Außenseiters. Leo Bauer zwischen Kommunismus und Sozialdemokratie 1912–1972, Bonn 1983, S. 277. 184 Ebenda, S. 277.
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gio Segre im Oktober 1973 in Rom: „Er [Segre, d. Verf.] versuchte nicht nur, mir den Eindruck zu vermitteln, seine Partei sei eine etwas straffer organisierte Sozialdemokratie (er selbst könnte Sozialdemokrat sein).“185 Günter Markscheffel vertrat die Auffassung, die Politik der italienischen Kommunisten führe zur Überwindung der Spaltung der Arbeiterbewegung.186 Leo Bauer hoffte beim PCI auf die „demokratische Evolution des Kommunismus“187, die eine Basis für die Wiedervereinigung darstellen könnte. Ehmke stellte anlässlich des Todes von Enrico Berlinguer die rhetorische Frage, „was denn eigentlich die reformorientierte Praxis der KPI von der sozialdemokratischen Praxis unterscheidet?“188 Heinrich August Winkler folgend hielt auch Willy Brandt, zumindest langfristig gesehen, die Überwindung der Spaltung zwischen den reformkommunistischen Parteien des Eurokommunismus und sozialdemokratischen Parteien für möglich.189 So erwähnte der Parteivorsitzende der SPD während eines Aufenthalts in Rom die Möglichkeit, dass sich der Reformflügel des PCI wieder mit den Sozialisten vereinen könnte.190 Sein Interesse am italienischen Eurokommunismus war daher auch durch diese Hoffnung motiviert.191 Auch der französische Sozialistenchef François Mitterrand zeigte großes Interesse an den Debatten über eine Wiedervereinigung von Sozialdemokraten und Kommunisten. Nach einem Treffen mit Bettino Craxi und Sergio Segre stellte er heraus, dass nicht die Differenzen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten entscheidend seien, sondern nur die Unterschiede zwischen den beiden Linksparteien und der politischen Rechten.192 In geringem Maße setzten sich auch Wissenschaftler und Journalisten mit dem Ziel der Überwin-
185 Klaus Harpprecht: Im Kanzleramt. Tagebuch der Jahre mit Willy Brandt, Reinbek 2000, S. 354. 186 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus allgemein, 1/HEAA000406, Brief von Günter Markscheffel an Willy Brandt, 03.03.1976, Bonn, S. 2. 187 Brandt et al.: Karrieren eines Außenseiters, S. 276. 188 Horst Ehmke: Berlinguer und die europäische Linke, in: Die Neue Gesellschaft, Nr. 8/1984, S. 722. 189 Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Band 2, Deutsche Geschichte 1933–1990, Sonderausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004, S. 455, 461f. Siehe kritisch hierzu: Judith Michel: Willy Brandts Amerikabild und -politik 1933– 1992, Göttingen 2010, S. 401 (dort: Anmerkung 1663). 190 PAAA, Bestand B 150, Bd. 346, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtiges Amt zum Zwischenaufenthalt des Parteivorsitzenden der SPD, Altbundeskanzler Willy Brandt in Rom am 14. und 15.04.1976 von Hermann MeyerLindenberg, 15.04.1976, Rom, S. 2. 191 Vgl. Faulenbach: Das sozialdemokratische Jahrzehnt, S. 510. 192 FIG, APCI, Estero, 1978, mf 0365, 1268, „Mitterrand: ‚Il dibattito non deve pregiudicare l’unità delle sinistre‘“, in: L’Unità, 03.09.1978.
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dung der Spaltung der Arbeiterbewegung für eine kooperative Strategie im Umgang mit dem italienischen Eurokommunismus ein. Statt eines rein konfrontativen Vorgehens sollte der PCI dadurch auf einen Pfad der Sozialdemokratisierung geführt werden und eine spätere Wiedervereinigung der Arbeiterbewegung unter demokratischem Vorzeichen ermöglicht werden.193 Kritiker des Eurokommunismus nutzten dieses Szenario wiederum in der politischen Auseinandersetzung als Vorwurf. Konservative Politiker wie der Christsoziale Heinrich Aigner erhöhten dadurch den Druck auf den politischen Kontrahenten.194 Egon Bahr wurde nach seiner Rede an der Georgetown University in Washington von Aigner vorgeworfen, dass er der vom PCI propagierten sozialdemokratisch-kommunistischen Annäherung den Vorzug vor der deutschen Einigung einräume.195 Auch der FDPSpitzenpolitiker Martin Bangemann attestierte den Sozialdemokraten 1978 die Projektion von Wunschvorstellungen in die eurokommunistischen Parteien, die auf eine Konvergenz hinauslaufen würde, während er gleichzeitig bemängelte, dass Konservative häufig unter einer „seltsamen Berührungsangst“196 gegenüber dem Eurokommunismus litten. Auf Seiten der italienischen Kommunisten bezog man sich in der Phase des Eurokommunismus nur vereinzelt auf eine potenzielle Wiedervereinigung der Arbeiterbewegung. Zwar hatte Giorgio Amendola bereits im Januar 1965 die Gründung einer großen, vereinigten Arbeiterpartei aus PCI und PSI vorgeschlagen und dafür umgehend massive Kritik von der Sowjetführung erfahren. Sein Ziel war jedoch primär innenpolitischer Natur gewesen, um die bevorstehende Vereinigung von Sozialisten und Sozialdemokraten zu verhindern.197 Erst Ende der 1970er Jahre kam es zu vermehrten Stellungnahmen von PCI-Führungspolitikern in Richtung einer Wiedervereinigung. So betonte Sergio Segre auf einer Konferenz des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien zum Thema „Die Politik der Italienischen KP vor ihrem XV. Parteitag“ am
193 Vgl. Maibaum: Die Perzeption des „Eurokommunismus“, S. 924; Hans-Peter Riese: Der Prager Frühling und der Eurokommunismus, in: L‘76 – Zeitschrift für Demokratie und Sozialismus, Nr. 3/1977, S. 145. 194 ACSP, Nachlass Heinrich Aigner, 2/2, „Grundsätze der CSU-Landesgruppe zur ersten europäischen Direktwahl am 10. Juni 1979“, Grundsatzreferat von Heinrich Aigner vom 11./12. Januar 1979 in Kreuth, S. 14f. 195 ACSP, Nachlass Heinrich Aigner, 11, Nachrichten aus der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, „Heinrich Aigner über die Ausführungen von Egon Bahr in den USA über die deutsche Frage“, 01.12.1978, Bonn. 196 Martin Bangemann: Liberale und der Eurokommunismus, in: Liberal, Nr. 8/1978, S. 578. 197 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, Vermerk von Alexander Kohn-Brandenburg, 13.10.1967, Bonn, S. 1f.
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14. Dezember 1978, dass gerade der Eurokommunismus „erhebliche Vorleistungen“198 für eine Wiederannäherung von Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten in Westeuropa erbracht habe. Auf dieser Basis könnten weitere Schritte erfolgen. Giorgio Napolitano schrieb 1985, spätestens mit dem XV. Parteikongress des PCI im Jahre 1979 sei die Möglichkeit für eine Überwindung der Spaltung der Arbeiterbewegung etabliert worden. Westeuropäische Sozialdemokratie und italienische Kommunisten sollten sich nunmehr als einheitliche westeuropäische Linke betrachten. „Sozialdemokratisch“ zu sein sei für den PCI kein „liquidatorisches Etikett“ mehr.199 Zu diesem Zeitpunkt war die Wiedervereinigung von PCI und PSI, aufgrund der Rechtswende der Sozialisten unter Craxi, allerdings kein Thema mehr. Eine sozialdemokratische Wende der italienischen Kommunisten, die in der Hochphase des Eurokommunismus nur vereinzelt Anhänger hatte, wurde Mitte der 1980er Jahre jedoch bereits breit diskutiert.
4.2.2 Die Spaltung der kommunistischen Bewegung Europas Der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky äußerte sich 1976 folgendermaßen über den Generalsekretär des PCI: „Wenn das ehrlich ist, was Berlinguer vertritt, dann hört er auf, ein Kommunist zu sein.“200 Der SPÖ-Vorsitzende sprach damit eine Hoffnung an, die bei zahlreichen westeuropäischen Sozialdemokraten im Zuge des Eurokommunismus weit verbreitet war: die Hoffnung auf ein weiteres Schisma der kommunistischen Bewegung Europas und ihre damit einhergehende Schwächung. Mitte der 1970er Jahre war der europäische Kommunismus keineswegs mehr monolithisch. Mit dem frühzeitig eingeschlagenen Sonderweg Jugoslawiens unter Tito, der Abwendung Albaniens von der UdSSR, dem rumänischen Nationalkommunismus und verstärkter Tätigkeit maoistischer, trotzkistischer und weiterer Gruppen innerhalb der westeuropäischen Linken galt der marxistisch-leninistische Sowjetkommunismus bereits vor dem Aufkommen des Eurokommunismus als geschwächt. Der XX. Parteitag der KPdSU und die Niederschlagung des Aufstands in Ungarn 1956 hatten zwar kein weitreichendes Schisma der kommunistischen Bewegung Europas ausgelöst, in einigen Staaten, so in Dänemark und Island, war es jedoch zu einer Spaltung der Kommunisten ge-
198 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Ergebnisbericht über eine Vortragsveranstaltung im BIOst von Wolfgang Berner, 19.12.1978, Köln, S. 8. 199 Giorgio Napolitano: Die Grenzen überwinden. Die PCI, die Sozialdemokratie und die Zukunft der Linken in Europa, in: Neue Gesellschaft, Nr. 1/1985, S. 53–56. 200 Bruno Kreisky zitiert in: Die ZEIT, Nr. 29, 09.07.1976, S. 5.
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kommen. Darüber hinaus hatte mit der Verkündung der Polyzentrismusthese durch Palmiro Togliatti ein langsamer, aber kontinuierlicher Wandlungsprozess in der großen italienischen KP begonnen. Vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen mit Kommunisten verfolgten insbesondere Sozialdemokraten in der Bundesrepublik Deutschland diese Entwicklung mit großem Interesse, wobei kommunistische Parteien primär als Konkurrenten wahrgenommen wurden.201 Infolge der Spaltung des europäischen Kommunismus sollte zum einen das sowjetische Herrschaftssystem in Osteuropa destabilisiert werden. Zum anderen erhoffte man sich dadurch Vorteile für die Sozialdemokratie in westeuropäischen Staaten mit starken kommunistischen Parteien. Letztere würden durch ein weiteres Schisma geschwächt werden und die Sowjetunion als Schutzmacht verlieren. Die Sowjetführung hatte daher große Angst vor der Herausbildung einer reformorientierten, demokratisch-sozialistischen Linken aus Eurokommunisten und Sozialdemokraten.202 Sowjettreue Kommunisten wie der tschechoslowakische Generalsekretär Vasil Biľak warnten deswegen frühzeitig vor einer derartigen Entwicklung: „Die Eurokommunisten wie auch die Afrokommunisten oder Asiakommunisten sind nur bestrebt, die internationale kommunistische Bewegung in geographische Zonen und verschiedene Gebiete auseinanderzuschlagen.“203 Ausgerechnet der Trotzkist Ernest Mandel, von der Bundesregierung 1972 als „Gefahr für die bürgerliche Verfassung“204 mit einem Einreiseverbot belegt, legte eine der genauesten Analysen zu diesem Thema vor.205 Mandel wies in seiner Darstellung explizit darauf hin, dass der Eurokommunismus primär Schäden in den osteuropäischen Diktaturen anrichten werde. Gleichzeitig war er sich bewusst, dass ein Bruch mit der Sowjetunion und die Hinwendung zum Reformismus langfristig zu einer Sozialdemokratisierung der eurokommunistischen Parteien führen werden.206
201 Vgl. Horst Ehmke: Mittendrin. Von der Großen Koalition zur Deutschen Einheit, Berlin 1994, S. 258. 202 Vgl. Heinz Timmermann: Moskau und die Linke in Westeuropa. Aspekte und Perspektiven des Verhältnisses zu den Eurokommunisten und den demokratischen Sozialisten, Köln 1980, S. IIf. 203 Vasil Biľak zitiert in: Heribert Korfmacher: Moskau und der Eurokommunismus, in: APuZ, B 13/78, S. 6. 204 Der Spiegel, Nr. 20, 15.05.1978, S. 186 205 Ernest Mandel: Die drei Gesichter des Eurokommunismus, in: Was tun, Nr. 10/1977, S. 9–12; ders.: Kritik des Eurokommunismus. Revolutionäre Alternative oder neue Etappe in der Krise des Stalinismus?, Berlin (West) 1978, S. 55–65. 206 Vgl. Der Spiegel, Nr. 20, 15.05.1978, S. 186. Eine andere Auffassung vertrat Leszek Kołakowski. Er sah die Möglichkeit einer Annäherung des Eurokommunismus an die Sozial-
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4.2.3 Die zona rossa und die ökonomische und politische Stabilisierung Italiens durch den PCI Eine weitere Hoffnung, die mit dem italienischen Eurokommunismus verbunden wurde, zielte auf die ökonomische und politische Stabilisierung Italiens durch die Einbindung des PCI in die Regierung ab. Durch die italienischen Kommunisten sollten die massiven Probleme der partitocrazia wie Korruption, Nepotismus, Ämterhäufung und Ineffizienz minimiert sowie die Regierungen stabiler werden. Insbesondere Anhänger des linken Flügels der deutschen Sozialdemokratie verwiesen dabei auf den Erfolg des Munizipal- und Regionalkommunismus in Italien. Mit dem Austausch von Delegationen oder individuellen Urlaubsreisen machte man sich ein Bild von der Situation vor Ort und kreierte auf diese Weise eine eigene „Toskana-Fraktion“ innerhalb der SPD.207 Es kam sogar zu Anfragen von SPD-Kommunalpolitikern bei der Parteizentrale der italienischen Kommunisten, um ausführlichere Informationen über die kommunalpolitischen Konzepte des PCI zu erhalten.208 Neben dem schwedischen Wohlfahrtsstaat wurde in der sozialdemokratischen Linken der Bundesrepublik so vor allem die sogenannte zona rossa mythisch überhöht.209 Beide Modelle symbolisierten eine langfristig erfolgreiche linke Politik, die von den Wählern honoriert wurde.210 Die „rote Zone“ umfasste die italienischen Regionen Emilia-Romagna, Toskana, Umbrien sowie Teile der Region Marken, die seit Ende des Faschismus größtenteils durchgängig kommunistisch regierte Kommunen aufwiesen.211 Auf dem Höhepunkt der elektoralen Stärke des PCI 1975/76 weiteten die Kommunisten diese Zone auf die Regionen Piemont, Latium und Ligurien aus. Konträr zur zona rossa existierte die zona bianca in Nordostitalien, in welcher die Democrazia Cristiana bis zum Ende
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demokratie als äußerst gering an. Vgl. Vogt (Hrsg.): Eurokommunismus, S. 23 (dort: Anmerkung 17). Zur „Toskana-Fraktion“ siehe: Daniella Seidl: „Wir machen hier unser Italien …“. Multilokalität deutscher Ferienhausbesitzer, Münster u. a. 2009, S. 85–88. Vgl. exemplarisch: FIG, APCI, Estero, 1973, mf 046, 403, Brief von Manfred Baier (SPD Rohr/Stuttgart) an den PCI in Reggio Emilia, 27.03.1973, Stuttgart. Vgl. Thomas Winkelmann: „Sind die Schweden glücklicher als wir?“ Das skandinavische Wohlfahrtsmodell in der bundesdeutschen Diskussion der 1960er und 1970er Jahre, in: Beate Binder et al. (Hrsg.): Ort. Arbeit. Körper. Ethnografie europäischer Modernen, Münster u. a. 2005, S. 372ff. Sie hierzu das Beispiel Reggio Emilia in: Guiat: The French and Italian Communist Parties, S. 121–159. Zur Wahlgeografie Italiens siehe: John A. Agnew: Place and Politics in Modern Italy, Chicago 2002, S. 77–110.
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der ersten italienischen Republik eine hegemoniale Stellung besaß.212 Die bereits in der Verfassung von 1948 festgeschriebenen Regionalverwaltungen wurden erst im Zuge der Dezentralisierung Italiens im Jahre 1970 eingeführt, weil von christdemokratischer Seite die Übernahme der Regierungen in der zona rossa durch den PCI befürchtet wurde. Zwar erhielten die Kommunisten ab 1970 wie erwartet durchgängig die Mehrheit in den entsprechenden Parlamenten und sie stellten ebenso die Regionalregierungen. Aufgrund der geringen Kompetenzen der Regionen führte dies jedoch kaum zu einem stärkeren Einfluss auf nationaler Ebene. Vor allem die Emilia-Romagna und die Toskana blieben auch nach der Umwandlung des PCI als Hochburgen der jeweiligen Nachfolgeparteien bis hin zum 2007 gegründeten Partito Democratico erhalten. Allerdings erreichten diese nicht mehr die deutlichen Mehrheiten der Kommunisten.213 Die kommunistisch regierten Städte innerhalb der zona rossa galten in den 1970er Jahren in der westeuropäischen Linken als Beispiele einer effizienten und weitgehend korruptionsfreien Kommunalverwaltung. Darüber hinaus galt der dortige Einfluss der Mafia und anderer krimineller Organisationen als gering. In den jahrzehntelang kommunistisch dominierten Kommunen war vom PCI eine umfangreiche soziale Infrastruktur aufgebaut worden, die Kulturzentren, Kooperativen und in nahezu jeder Stadt ein casa del popolo (dt. Haus des Volkes) umfasste.214 Die Stabilität der meisten kommunistischen Regierungen in der zona rossa stellte einen positiven Unterschied zur christdemokratischen und sozialistischen Regierungsführung in Süd- und Nordostitalien sowie auf nationalstaatlicher Ebene dar. Das „emilianische Modell“ einer Alternative zur Dauerregierungspartei DC wurde daher von der bundesdeutschen Linken gerne aufgegriffen.215 Als das Symbol erfolgreicher kommunistischer Kommunalpolitik galt vor allem die Hauptstadt der Emilia Romagna Bologna.216 Dort hatte der Partito Comunista
212 Vgl. Ebenda, S. 95. 213 Vgl. Mario Caciagli: Tra Internazionalismo e localismo. L’area rossa, in: Meridiana, Nr. 16/1993, S. 89–93; Carlo Baccetti/Mario Caciagli: Dopo il Pci e dopo l’Urss. Una subcultura rossa rivisitata, in: Polis, Nr. 3/1992, S. 537–568. 214 Vgl. Harald Bodenschatz/Tilman Harlander: Ansätze einer alternativen Urbanistik in Italien, in: Leviathan – Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Nr. 4/1978, S. 574–605; dies.: Bologna – Kommunalpolitik an der Wende?, in: Die Bauwelt, Nr. 8/1978, S. 295–298. 215 Vgl. Karin Priester: Hat der Eurokommunismus eine Zukunft? Perspektiven und Grenzen des Systemwandels in Westeuropa, München 1982, S. 172f. 216 Vgl. Peter Debold/Astrid Debold-Kritter: Die Planungspolitik Bolognas, in: Die Bauwelt, Nr. 33/1974, S. 1112–1134; Max Jäggi/Roger Nüller/Sil Schmid: Das rote Bologna, Zürich 1976; Die kooperierenden Lehrstühle für Planung an der RWTH Aachen (Hrsg.): Sozialorientierte Stadterhaltung als politischer Prozess. Praxisberichte und Analysen zu
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Italiano eine Hegemonialstellung inne. Mit 104 500 eingeschriebenen Kommunisten war Mitte der 1970er Jahre fast jeder vierte Einwohner Bolognas Mitglied des PCI.217 Für die westeuropäische Sozialdemokratie stellte Bologna ein Anknüpfungspunkt dar, weil dort kein dezidierter Antikapitalismus praktiziert, sondern, wie es die Politikwissenschaftlerin Karin Priester formuliert, eine „extensivsozialstaatliche Reformpolitik“ betrieben wurde.218 Dies beinhaltete eine massive Förderung des sozialen Wohnungsbaus219, der Kinderbetreuung, des Ausbaus von Schulen und der Universität sowie von öffentlichen Sportplätzen.220 Im Bereich der schulischen Erziehung, der Integration behinderter Menschen, des Umgangs mit Kranken und vor allem in der Psychiatrie wurde frühzeitig auf reformpädagogische Konzepte zurückgegriffen, die von Teilen der bundesdeutschen Linken als vorbildlich angesehen wurden.221 Darüber hinaus war ein Großteil der Böden in kommunaler Hand verblieben oder sogar zurückgekauft worden.222 Von sozialdemokratischen Befürwortern wurden dabei häufig die Probleme der kommunistischen Verwaltungen in der zona rossa ignoriert, so vor allem die hohe Verschuldung und eine Entfremdung des PCI von der radikalen Linken durch eine kompromissbereite Politik auch auf kommunaler Ebene.223 So berichtete der bundesdeutsche Botschafter Hermann Meyer-Lindenberg im April 1976 an das Auswärtige Amt: „Allem Anschein nach hat sich die KPI in der bisherigen Verantwortung auf lokaler und regionaler Ebene im Großen und Ganzen bewährt. Gute Leistungen, von denen ich mich selbst auf Dienstreisen überzeugen konnte, werden allerdings durch eine Verschuldung erkauft, die derjenigen von der DC
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Reformprojekten in Bologna und ausgewählten deutschen Städten, Köln u. a. 1976; Peter A. Ulram: Zwischen Bürokratie und Bürger. Sozialistische Kommunalpolitik in Wien, Stockholm und Bologna, Wien 1978. Vgl. Priester: Hat der Eurokommunismus eine Zukunft?, S. 176. Vgl. Ebenda, S. 173. Zu Beginn der 1970er Jahre waren 34,7 Prozent der Wohnungen in Bologna dem sozialen Wohnungsbau zu zurechnen, aber nur 7,4 Prozent in Rom bzw. 15,0 Prozent in Mailand. Vgl. Ebenda, S. 174. Vgl. Ebenda, S. 174f. Siehe hierzu exemplarisch den Bericht einer Studiengruppe aus West-Berlin, die 1982 eine Exkursion in das von einer kommunistisch-sozialistschen Koalition regierte Florenz unternahm: Jutta Schöler (Hrsg.): Schule ohne Aussonderung in Italien. Eine Exkursionsgruppe berichtet von ihren Erfahrungen, Berlin (West) 1983. Siehe hierzu ausführlich: Harald Bodenschatz: Städtische Bodenreform in Italien. Die Auseinandersetzung um das Bodenrecht und die Bologneser Kommunalplanung, Frankfurt am Main, New York 1979. Vgl. Priester: Hat der Eurokommunismus eine Zukunft?, S. 188f.
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regierten Körperschaften nicht nachsteht.“224 Nichtsdestotrotz sollte eine Einbindung des PCI in die nationale Regierung im Zuge des compromesso storico eine soziale und wirtschaftliche Stabilisierung Italiens bewirken und mit einer entsprechend großen Mehrheit auch die Instabilität italienischer Regierungen beenden. Insbesondere in den 1970er Jahren wurde diese Option in der politischen Linken der Bundesrepublik verstärkt debattiert. Nach zahlreichen Skandalen hochrangiger christdemokratischer, sozialistischer und sozialdemokratischer Politiker in Italien (beispielsweise im Zuge der Lockheed-Affäre), einer infolge von Rechtsund Linksterrorismus unsicher gewordenen Lage und großen Wirtschafts- und Finanzproblemen sollte das Modell einer effizienten Verwaltung in den kommunistisch regierten Kommunen und Regionen des Landes seine Wirkung auch auf der nationalen Ebene entfalten. Durch die indirekte Einbindung des PCI in die Regierung der solidarietà nazionale bis 1979 kam es jedoch nicht zu den gewünschten positiven Effekten. Der PCI konnte nur in geringem Maße eigene Akzente setzen und entfremdete sich zusehends von seiner Basis. Die Hoffnung einer Übertragung der Politik in der zona rossa auf die nationale Ebene verlor dadurch in den 1980er Jahren auch in der sozialdemokratischen Linken der Bundesrepublik sukzessive an Anhängern.225
4.2.4 Der Transfer reformkommunistischer Ideen nach Osteuropa Kurz nach dem Kongress sozialdemokratischer Partei- und Regierungschefs Westeuropas im dänischen Helsingør meldete sich Olof Palme am 20. Februar 1976 mit einer vielbeachteten Rede zum Verhältnis von Kommunismus und Demokratie zu Wort. Der schwedische Ministerpräsident prognostizierte, dass die Eurokommunisten mit drei grundlegenden Prinzipien der marxistisch-leninistischen Theorie in Konflikt geraten würden: dem „Proletarischen Internationalismus“, der Diktatur des Proletariats und dem demokratischen Zentralismus. Gleichzeitig kritisierte Palme die Panikmache zahlreicher konservativer Politiker in Westeuropa und den USA. Denn durch die Übertragung reformkommunistischer Ideen nach Osteuropa und in die Sowjetunion sah er im Eurokommunismus eine größe-
224 PAAA, Bestand B 150, Bd. 346, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt zur innenpolitischen Lage Italiens von Hermann Meyer-Lindenberg, 09.04.1976, Rom, S. 2. 225 Siehe hierzu ausführlich: Franz Walter: Abschied von der Toskana. Die SPD in der Ära Schröder, Wiesbaden 2004.
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re Herausforderung für Moskau als für die Sicherheit des Westens.226 Auch deutsche Sozialdemokraten schlossen sich der Analyse von Palme an und forderten in der Hoffnung auf einen Transfer reformistischer Konzepte nach Osteuropa eine Unterstützung eurokommunistischer Parteien.227 So erwartete Horst Ehmke von dem „ideologischen Westwind“228 der Eurokommunisten eine Ermutigung der Reformer in den Staatsparteien der sozialistischen Staaten Osteuropas. Aus dem gleichen Grund forderten die Juso-Vorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul und der damalige Oberbürgermeister von Frankfurt am Main Rudi Arndt in einem Ergänzungsantrag für den SPD-Parteitag in Hamburg im November 1977 eine positivere Darstellung des Eurokommunismus: „Wer eine ernsthafte und differenzierte Bewertung dieser Entwicklung in den westeuropäischen kommunistischen Parteien verweigert, arbeitet den orthodox kommunistischen Parteien in Osteuropa in die Hand und beraubt die demokratische Opposition in der ČSSR und in anderen osteuropäischen Staaten einer ihrer wesentlichen Hoffnungen.“229 Willy Brandt schien ebenfalls, zumindest in der Phase von Glasnost und Perestroika, auf einen Transfer eurokommunistischer Ideen nach Osteuropa zu hoffen.230 Auch der Planungsstab im Auswärtigen Amt mutmaßte, durch den Eurokommunismus „könnten liberalere Tendenzen innerhalb des Warschauer Paktes gefördert werden“231. Tatsächlich rekurrierten Dissidenten in den osteuropäischen
226 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus allgemein, 1/HEAA000408, Schreiben der bundesdeutschen Botschaft Stockholm an das Auswärtige Amt, Referat 204, 04.03.1976, Stockholm, S. 3. 227 Vgl. Dieter Dettke (Hrsg.): Das Porträt Horst Ehmke. Reden und Beiträge, Bonn 1980, S. 251. 228 Horst Ehmke: Sozialdemokratie und Eurokommunismus, in: Götz Hohenstein (Hrsg.): Der Umweg zur Macht. Euro-Kommunismus, München 1979, S. 228. Ähnlich argumentierte auch der ehemalige SPD-Vorsitzende von Schleswig-Holstein und Parteivorstandsmitglied Jochen Steffen. Vgl. Jochen Steffen: Die Auswirkungen des Eurokommunismus auf die östlichen Diktaturen – schwächt der Eurokommunismus Moskaus Einfluß in Westeuropa?, in: Ebenda, S. 129–146. 229 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Kommission für internationale Beziehungen, 1/BFAA000539, Anlage zu den Änderungsvorschlägen des Leitantrags von Heidemarie Wieczorek-Zeul und Rudi Arndt, 1977, S. 1f. 230 Vgl. Rother/Schmidt: Einleitung, in: Grebing/Schöllgen/Winkler (Hrsg.): Berliner Ausgabe, Band 10, S. 63f., 106. 231 PAAA, Bestand B 150, Bd. 346, Vermerk (vertraulich) zu den britischen Auffassungen zu einer möglichen kommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien vom Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt, 22.04.1976, Bonn, S. 5.
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Staaten wiederholt auf den Eurokommunismus.232 Rudolf Bahro war beispielsweise von der Idee des compromesso storico fasziniert, plante ein entsprechendes Forschungsprojekt und erhoffte sich durch ihn eine theoretische Basis zur Wiedervereinigung aller Parteien der Arbeiterbewegung.233 Auch Robert Havemann und Wolf Biermann setzten Hoffnungen in den Eurokommunismus.234 Diese erreichten während der Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien Europas Ende Juni 1976 in Ost-Berlin ihren Höhepunkt.235 Biermann baute gar eine entsprechende Anspielung in seinen Auftritt am 13. November 1976 in Köln ein. So sang er in dem Lied „So oder so“: „Die BRD braucht eine KP, wie ich sie wachsen und reifen seh‘, unter Italiens Sonnenschein, so soll es sein, so soll es sein, so wird es sein.“236 Auch in Polen fand beispielsweise Adam Michnik in der Konzeption des compromesso storico eine Inspirationsquelle.237 Die Sowjetführung war sich dieser Gefahr bewusst und leitete sowohl offizielle als auch geheimdienstliche Maßnahmen ein, um ein weiteres Vordringen eurokommunistischer Ideen im sowjetischen Machtbereich zu verhindern. Folge hiervon war eine sowjetische Offensive, die mit allen Druckmitteln bis hin zur Forcierung einer Parteispaltung arbeitete.238 Derartige Maßnahmen waren vor allem bei den schwedischen und spanischen Kommunisten erfolgreich. In beiden Fällen kam es zu einer Abspaltung der sowjetorientierten Minderheit, die die Gesamtpartei nachhaltig schwächte. Den dänischen Kommunisten wurde darüber hinaus mit einem Ende der finanziellen Unterstützung gedroht. Anfang Januar 1977 kam es nach CIA-Informationen zu
232 Vgl. Jiří Pelikán/Manfred Wilke (Hrsg.): Menschenrechte. Ein Jahrbuch zu Osteuropa, Reinbek 1977, S. 411–457. 233 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus allgemein, 1/HEAA000406, Konzeption für ein Forschungsvorhaben „Allgemeine Theorie des Historischen Kompromisses“ von Rudolf Bahro, 26.11.1979; Guntolf Herzberg/Kurt Seifert: Rudolf Bahro – Glaube an das Veränderbare. Eine Biographie, Berlin 2002, S. 229f. 234 Vgl. Alexander Amberger: Bahro – Harich – Havemann. Marxistische Systemkritik und politische Utopie in der DDR, Paderborn 2014, S. 273; Hermann Weber: Kommunistische Bewegung und realsozialistischer Staat. Beiträge zum deutschen und internationalen Kommunismus, Köln 1988, S. 104–115. 235 Vgl. Wolfgang Templin: Robert Havemann, in: Bernd Florath (Hrsg.): Annäherungen an Robert Havemann. Biographische Studien und Dokumente, Göttingen 2016, S. 505. 236 Wolf Biermann: Das geht sein’ sozialistischen Gang, Dokumentation, Köln, 13. November 1976, 2 Audio CDs, Wolf Biermann Liederproduktion Alto (Indigo) 2011. Das Zitat findet sich auf der ersten CD, Lied Nr. 1 „So soll es sein (neue Fassung)“, ab 04:21Min. 237 Vgl. Agnes Arndt: Rote Bürger. Eine Milieu- und Beziehungsgeschichte linker Dissidenz in Polen (1956–1976), Göttingen, Bristol (Connecticut) 2013, S. 208ff. 238 JCPL, Staff Material, Global Issues, Box 10, CIA Bericht „The Soviet View of the Dissident Problem since Helsinki”, Mai 1977, S. 9f. (PRESNET NLC-28-10-3-1-6).
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einem Geheimtreffen loyaler kommunistischer Parteien in Moskau.239 Dort sollten Strategien gegen die Ausbreitung des Eurokommunismus erörtert werden. Insbesondere die Kommunistischen Parteien Portugals und Österreichs wurden angewiesen, prosowjetische Propaganda bei den Kommunisten in Westeuropa zu betreiben.240 Dass das Phänomen „Eurokommunismus“ nicht mehr nur auf Westeuropa konzentriert war, zeigte sich auch daran, dass ebenso die Vertreter der Kommunistischen Partei Uruguays aufgefordert wurden, propagandistisch gegen den Eurokommunismus in Lateinamerika vorzugehen.241 Letztlich wurde die Förderung reformkommunistischer Bewegungen in Osteuropa und der Sowjetunion durch die Unterstützung eurokommunistischer Parteien in den westeuropäischen Staaten und den USA kaum umgesetzt. Dagegen sprach die weit verbreitete Angst vor einem Täuschungsmanöver der Eurokommunisten. Anhänger einer Balance of Power-Logik wie Henry Kissinger strebten darüber hinaus keine Veränderung des Mächtegleichgewichts und somit auch keine Destabilisierung der sozialistischen Staaten durch eurokommunistische Einflüsse an. In der sozialdemokratischen Wahrnehmung des italienischen Eurokommunismus spielte die Hoffnung auf einen Transfer der reformorientierten Ideen in die sozialistischen Staaten jedoch eine wichtige Rolle.
239 Ebenda, S. 9f. 240 Ebenda. 241 Ebenda, S. 10.
5. Die Beziehungen zwischen SPD und PCI als eine Form der „Nebenaußenpolitik“ im Kalten Krieg
„Für einen deutschen Sozialdemokraten ist die Befassung mit dem Eurokommunismus mehr als ein akademischer Vortrag, sie ist notwendigerweise ein Teil jener Auseinandersetzung mit den Kommunisten, die die Geschichte der SPD seit etwa einem halben Jahrhundert mit geprägt hat; denn in der Abgrenzung zum Kommunismus hat die Sozialdemokratie wesentliche Elemente ihres eigenen Selbstverständnisses entwickelt.“1 Mit diesen Worten leitete Horst Ehmke sein Referat zum Verhältnis zwischen Sozialdemokratie und Eurokommunismus auf einer Konferenz zum Thema im November 1977 in Frankfurt am Main ein. Als eine sich wandelnde kommunistische Partei stellte der PCI für die deutsche Sozialdemokratie eine besondere Herausforderung dar. Nach den äußerst negativen Erfahrungen der Spaltung der Arbeiterbewegung während des Ersten Weltkriegs, der Sozialfaschismusthese, der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED in der Sowjetischen Besatzungszone mitsamt anschließender Verfolgung und Unterdrückung der Sozialdemokraten, der erzwungenen Sowjetisierung Osteuropas und der Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni 1953 waren auch gegenüber dem westeuropäischen Kommunismus große Berührungsängste vorhanden.2 Infolge der Teilung Deutschlands war Kurt Schumachers bereits 1930 erfolgte Beurteilung, wonach Kommunisten rotlackierte Faschisten seien, für einen Großteil der SPD weiterhin gültig.3 Darüber hinaus hatten viele sozialdemokratische Spitzen-
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Ehmke: Sozialdemokratie und Eurokommunismus, S. 226. Vgl. Historische Kommission beim SPD-Parteivorstand (Hrsg.): Das Demokratieverständnis bei Sozialdemokraten und Kommunisten, Bonn 1993; Bernd Faulenbach/Heinrich Potthoff (Hrsg.): Sozialdemokraten und Kommunisten nach Nationalsozialismus und Krieg. Zur historischen Einordnung der Zwangsvereinigung, Essen 1998; Beatrix Bouvier: Ausgeschaltet! Sozialdemokraten in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR, 1945–1953, Bonn 1996; Uli Schöler: Sozialdemokratie und Kommunismus – Streiflichter einer Jahrhundertbilanz, in: Arno Klönne/Eckart Spoo/Rainer Butenschön (Hrsg.): Der lange Abschied vom Sozialismus. Eine Jahrhundertbilanz der SPD, Hamburg 1999, S. 64f. Vgl. Heinrich Potthoff: Kurt Schumacher – Sozialdemokraten und Kommunisten, in: Dieter Dowe (Hrsg.): Kurt Schumacher und der „Neubau“ der deutschen Sozialdemokratie nach 1945. Referate und Podiumsdiskussion eines Kolloquiums des Gesprächskreises Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn am 12./13. Oktober 1995, Bonn 1996, S. 137. Zu Schumachers Einstellung gegenüber dem Kommunismus siehe auch: Mike Schmeitzner: Der Totalitarismusbegriff Kurt Schumachers. Politische Intention und prak-
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Die Beziehungen zwischen SPD und PCI
politiker wie Willy Brandt die Angriffe von sowjettreuen Kommunisten auf demokratische Sozialisten und Anarchisten im Spanischen Bürgerkrieg vor Ort erlebt.4 Dennoch kam es ab 1967 zu Gesprächskontakten zwischen der größten kommunistischen Partei in der westlichen Welt und der SPD. Aber noch viel mehr als das bloße Zustandekommen der Gespräche muss die Intensität der Kontakte zwischen beiden Parteien überraschen. Trotz der problematischen gemeinsamen Vergangenheit und der anfänglichen Vorsicht entstand eine vertrauensvolle Beziehung zwischen beiden Parteien, die bis hin zu individuellen Freundschaften der deutschen und italienischen Protagonisten reichte. Da die Beziehungen auf Partei- und nicht auf Regierungsebene verliefen, bietet sich, wie bereits in der Einleitung erwähnt, der Begriff der „Nebenaußenpolitik“ an. Dieser Terminus wurde in der deutschen Debatte der 1980er Jahre ursprünglich zur Beschreibung der Politik des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß benutzt, der abseits der Bundesregierung eine rege, eigenständige außenpolitische Aktivität entfaltete. Diese Form der „bayerischen Außenpolitik“5 erregte seinerzeit den Unmut des Auswärtigen Amtes und des zuständigen Ministers Hans-Dietrich Genscher. Auch die Kontakte zwischen SPD und PCI wurden nicht von der Bundesregierung initiiert und gesteuert, sondern von den beiden Parteizentralen in Bonn und Rom. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, kam es auch hier zeitweise zu Differenzen, so beispielsweise mit dem christdemokratischen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, der sich von seinem sozialdemokratischen Koalitionspartner hintergangen fühlte, oder auch innerparteilich mit Helmut Schmidt, der sich unter anderem 1976 im Rahmen der Sozialistischen Internationale gegen jedwede Zusammenarbeit mit Kommunisten aussprach. Die Offenheit beider Seiten und der damit verbundene Vertrauensvorschuss zeigten dennoch positive Folgen. Hierzu zählen frühzeitige Unterrichtungen über an sich interne Auseinandersetzungen im kommunistischen Lager durch den PCI, so zum Beispiel nach der
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tische Wirksamkeit, in: Ders. (Hrsg.): Totalitarismuskritik von links. Deutsche Diskurse im 20. Jahrhundert, Göttingen 2007, S. 249–281. Hierzu Willy Brandt retrospektiv: „Die Kommunisten versuchten, den AnarchoSyndikalisten dort, wo sie am stärksten waren, das Kreuz zu brechen. Das gelang ihnen nicht gleich, aber es gelang. Zum anderen wurde der Terror gegen die links-sozialistische POUM mobilisiert.“ Willy Brandt: Barcelona 37 – Madrid 77, in: L‘76 – Zeitschrift für Demokratie und Sozialismus, Nr. 3/1977, S. 60. Lappenküper: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, S. 112.
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kommunistischen Weltkonferenz in Moskau 1969, oder auch Vermittlungstätigkeiten, wenn es um die Pläne der Neuen Ostpolitik6 ging. Vor dem Hintergrund eines Überblicks über die Wahrnehmung des italienischen Kommunismus in der Bundesrepublik vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die 1960er Jahre und einem Exkurs zu dem Verhältnis des PCI zur ostdeutschen Staatspartei SED wird im Folgenden die besondere Beziehung zwischen deutschen Sozialdemokraten und italienischen Kommunisten dargestellt und analysiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den späten 1960er Jahren und der Hochphase des Eurokommunismus in den 1970er Jahren. Gesondert wird auf die Sozialistische Internationale und Bettino Craxi eingegangen, da beide Akteure einen wichtigen Einfluss auf die Kontakte zwischen SPD und PCI ausübten. Das gleiche gilt für die Darstellung der Auseinandersetzungen um die „richtige“ Haltung zum Eurokommunismus in der bundesdeutschen Politik.
5.1 Die gegenseitige Wahrnehmung von italienischem Kommunismus und Bundesrepublik Deutschland von der Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre Italien und Deutschland wiesen sowohl vor wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg offensichtliche Parallelen auf, die weder über- noch unterschätzt werden dürfen.7 Neben der späten staatlichen Einigung Italiens 18618 bzw. Deutschlands 18719, den rechtsgerichteten Diktaturen des Faschismus unter Benito Mussolini
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Zur Entstehung und Implementierung der Neuen Ostpolitik siehe ausführlich: Faulenbach: Das sozialdemokratische Jahrzehnt, S. 80–141. Zur internationalen Wahrnehmung der Neuen Ostpolitik siehe: Carole Fink/Bernd Schaefer (Hrsg.): Ostpolitik, 1969–1974. European and Global Responses, Cambridge, New York 2009. Vgl. Christof Dipper: Ferne Nachbarn. Aspekte der Moderne in Deutschland und Italien, in: Ders. (Hrsg.): Deutschland und Italien 1860–1960. Politische und kulturelle Aspekte im Vergleich, München 2005, S. 1–28. Im Zuge des Risorgimento kam es 1861 zur Gründung des Königreiches Italien. Die staatliche Einigung Italiens galt jedoch erst mit dem Erwerb Venetiens infolge des preußischösterreichischen Krieges 1866 und der Annexion Roms im Jahre 1870 infolge des deutschfranzösischen Krieges als abgeschlossen. Zur italienischen und deutschen Nationalstaatsbildung siehe vergleichend, mit einer deutlichen Akzentuierung auf die beiden politischen Protagonisten Camillo Benso Graf von Cavour bzw. Otto von Bismarck: Gian Enrico Rusconi: Cavour und Bismarck. Zwei Staatsmänner im Spannungsfeld von Liberalismus und Cäsarismus, München 2013.
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bzw. des Nationalsozialismus unter Adolf Hitler10 und der gemeinsamen Kriegsführung als Achsenmächte11 zeigten sich auch nach Kriegsende ähnliche Entwicklungen. Beide Staaten erlebten eine Dominanz christdemokratischer Regierungen inklusive Wirtschaftswunder bzw. miracolo economico und mit Konrad Adenauer sowie Alcide De Gasperi standen zwei im politischen Katholizismus verwurzelte, vom Großteil der Bevölkerung als charismatisch empfundene Führungspersönlichkeiten an der Regierungsspitze.12 Außen- und sicherheitspolitisch orientierten sich Italien und die junge Bundesrepublik an den Vereinigten Staaten, wurden 1949 bzw. 1955 Mitglied der NATO und verfolgten eine Politik der europäischen Einigung.13 Mit Triest und dem Saarland hatten beide Staaten darüber hinaus ein vergleichbares Territorialproblem. Nicht zuletzt mussten Italien und Westdeutschland die moralischen und materiellen Folgen der Diktaturen und des Krieges bewältigen. Obwohl die neue italienische Regierung nach dem Sturz Mussolinis dem Deutschen Reich am 13. Oktober 1943 den Krieg erklärt hatte, versagten die Alliierten Italien die Anerkennung als verbündeter Staat. Italien wurde dadurch zu einem alleato nemico, einem „feindlichen Verbündeten“.14 Der im Zuge der Pariser Friedensverhandlungen im Februar 1947 unterzeichnete Friedensvertrag zwischen Italien und den Alliierten trat am 15. September desselben Jahres in Kraft. Neben der Abtretung von Fiume/Rijeka sowie weiterer Gebiete an Jugoslawien, des Dodekanes an Griechenland, kleinerer Grenzkorrekturen zugunsten Frankreichs, der Wiederherstellung der Unabhängigkeit Albaniens und dem Verlust der afrikanischen Kolonien kam es auch zur vorläufigen Abtretung von Triest und Umgebung, die in das Freie Territorium Triest übergingen. Vor allem der Verlust dieser Hafenstadt wurde in den Folgejahren zu einem diplomatischen Streitpunkt, wobei die italienische Regierung bereits kurze Zeit nach Inkrafttreten
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Vgl. Wolfgang Schieder: Faschistische Diktaturen. Studien zu Italien und Deutschland, Göttingen 2008; Maurizio Bach/Stefan Breuer: Faschismus als Bewegung und Regime. Italien und Deutschland im Vergleich, Wiesbaden 2010. Vgl. Lutz Klinkhammer/Amedeo Osti Guerrazzi/Thomas Schlemmer (Hrsg.): Die „Achse“ im Krieg. Politik, Ideologie und Kriegführung 1939–1945, Paderborn u. a. 2010. Vgl. Gian Enrico Rusconi: Adenauer und De Gasperi, in: Klaudia Ruschkowski/Wolfgang Storch (Hrsg.): Deutschland – Italien. Aufbruch aus Diktatur und Krieg, Dresden 2013, S. 51ff. Vgl. Jens Petersen: Adenauer und De Gasperi. Politische Grundentscheidung für den Westen, in: Renato Cristin (Hrsg.): Vie parallele/Parallele Wege. Italia e Germania 1944– 2004/Italien und Deutschland 1944–2004, Frankfurt am Main u. a. 2005, S. 67–74. Vgl. David W. Ellwood: L’alleato nemico. La politica dell’occupazione anglo-americana in Italia, 1943–1946, Mailand 1977.
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des Friedensvertrages Unterstützung durch die Westmächte in der Triestfrage erhielt.15 Nach der Teilung des Freien Territoriums Triest im Oktober 1954 zwischen Italien und Jugoslawien kam es vorerst zu einer Befriedigung der italienischen Ansprüche, wenn man von den auch danach anhaltenden Protesten der Neofaschisten absieht. Endgültige Rechtssicherheit wurde jedoch erst durch den italo-jugoslawischen Vertrag von Osimo am 10. November 1975 hergestellt. Aus ökonomischen, außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen favorisierte die Mehrheit der Italiener nach dem Krieg eine rasche Wiederannäherung an Westdeutschland. Damit verbunden war ein weitgehender Verzicht auf Reparationsforderungen.16 1948 gab es ein erstes Handelsabkommen zwischen Italien und dem Vereinigten Wirtschaftsgebiet der Westzonen („Trizone“).17 Nach der Wiedereinrichtung des Auswärtigen Amtes 1951 tauschten beide Staaten umgehend Botschafter aus, nachdem es ab 1946 bereits eine italienische Militärmission in den westdeutschen Besatzungszonen gegeben hatte.18 Am 2. Dezember 1950 war darüber hinaus ein erstes bundesdeutsches Generalkonsulat in Rom eröffnet worden, das 1951 durch ein Konsulat in Mailand, 1952 durch Konsulate in Genua und Palermo und 1953 durch eine Vertretung in Neapel ergänzt wurde.19 Bereits im Juni 1951 reiste Bundeskanzler Adenauer zu einem Besuch nach Rom.20 De Gasperi kam im Gegenzug 1952 als erster auswärtiger Regierungschef zu einem Staatsbesuch nach Bonn.21 Hinzu kam eine innenpolitische Komponente. Da sich PCI und der seinerzeit weitgehend den Kommunisten folgende PSI22 vehement für Präferenzbeziehungen zur SBZ bzw. ab 1949 zur DDR aussprachen, war in den gegenseitigen Beziehungen der christdemokratisch geführten Nachkriegsregierungen in Italien und Westdeutschland eine gemeinsame antikommunistische Politik sinnvoll. Diese wiederum schloss Angriffe auf den ehemaligen Kriegsgegner weitgehend aus. Deutsche Kriegsverbrechen in Italien wurden in der
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Vgl. Vordemann: Deutschland-Italien 1949–1961, S. 45f. Vgl. Maximiliane Rieder: Deutsch-italienische Wirtschaftsbeziehungen. Kontinuitäten und Brüche 1936–1957, Frankfurt am Main, New York 2003, S. 366–372. Vgl. Vordemann: Deutschland-Italien 1949–1961, S. 177. Vgl. Ebenda, S. 51f. Vgl. Ebenda, S. 50. Vgl. Ebenda, S. 57f. Vgl. Konrad Adenauer: Erinnerungen, Band 3, 1955–1959, Stuttgart 1967, S. 255. Unter seinem Generalsekretär Pietro Nenni (1891–1980) folgten die Sozialisten in der Nachkriegszeit bis zur Niederschlagung des Aufstands in Ungarn 1956 weitgehend dem PCI. In dieser Phase wurde der PSI in der italienischen Öffentlichkeit als „Anhängsel“ der Kommunisten betrachtet. So wurde Nenni beispielsweise 1951 von der Sowjetführung der internationale Stalin-Friedenspreis verliehen.
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Nachkriegszeit von Seiten der italienischen Regierung kaum thematisiert, um das Verhältnis gegenüber der Bundesrepublik nicht unnötig zu gefährden. Die oppositionelle Linke, so vor allem der Partito Comunista Italiano, hielt jedoch auch in diesen Jahren die Erinnerung an die deutschen Verbrechen wach. Die Rolle des kommunistischen Widerstands in der Resistenza war bereits während des Krieges zu einer Legitimationsgrundlage des demokratischen Italiens und vor allem zu einem zentralen Bezugspunkt des PCI aufgebaut worden.23 In ähnlicher Weise gilt dies auch für den Partito Socialista Italiano.24 Bis zur Absetzung Mussolinis durch den Faschistischen Großrat am 25. Juli 1943 war die Resistenza eine kleine Bewegung des Widerstands gewesen. Erst mit der Gründung der faschistischen Republik von Salò am 8. September 1943 und der Besetzung Norditaliens durch deutsche Truppen wurde sie zu einer Massenbewegung.25 Die Angst vor einer Deportation ins Deutsche Reich spielte für den Massenzulauf der Resistenza eine entscheidende Rolle.26 Insgesamt wurden ca. 600 000 Italiener nach der deutschen Besetzung deportiert und häufig als Zwangsarbeiter im Reich eingesetzt.27 Trotz ihrer zahlenmäßigen Stärke ist der militärische Beitrag der Resistenza nicht annähernd mit dem der Alliierten gleichzusetzen. In der Befreiung Italiens hatte sie militärisch gesehen lediglich eine unterstützende Funktion. Aus moralischer Perspektive war sie hingegen zentral. Mit dem Ende des italienischen Faschismus wurde die Resistenza zu einem Mythos verklärt, dessen politische Bedeutung deutlich größer wurde als die militärische je gewesen war.28 In den letzten Monaten vor Kriegsende wechselten mit der sich abzeichnenden Niederlage der Repubblica Sociale Italiana (RSI) zahlreiche Faschisten auf die Seite der Widerstandsbewegung, um nach Kriegsende eine Strafmilderung oder gar einen Straferlass zu errei-
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Vgl. Kroll: Kommunistische Intellektuelle, S. 428. Vgl. Jens Späth: Was heißt Antifaschismus nach 1945? Das Beispiel der italienischen Sozialisten in westeuropäischer Perspektive, in: Archiv für Sozialgeschichte, 53. Jahrgang, 2013, S. 288–296. Vgl. Vordemann: Deutschland-Italien 1949–1961, S. 19–23. Vgl. Brunello Mantelli: Von der Wanderarbeit zur Deportation. Die italienischen Arbeiter in Deutschland 1938–1945, in: Ulrich Herbert (Hrsg.): Europa und der „Reichseinsatz“. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Deutschland 1938–1945, Essen 1991, S. 55. Vgl. Vordemann: Deutschland-Italien 1949–1961, S. 21f. Vgl. Claudio Natoli: Antifaschismus und Resistenza in der Geschichte des italienischen Einheitsstaats, in: Jens Petersen/Wolfgang Schieder (Hrsg.): Faschismus und Gesellschaft in Italien. Staat – Wirtschaft – Kultur, Köln 1998, S. 307–327; Jens Petersen: Wandlungen des italienischen Nationalbewußtseins nach 1945, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken, Band 71, 1991, S. 710.
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chen.29 Den Höhepunkt der Resistenza stellte der Aufstand gegen die deutschen Besatzer und die RSI am 25. April 1945 dar. Sieben Tage später kapitulierte die Wehrmacht in Italien. Anschließend kam es zu zahlreichen willkürlichen Tötungen tatsächlicher oder vermeintlicher Faschisten. Knapp 30 000 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein.30 Nach dem Ende der faschistischen und nationalsozialistischen Diktatur setzte sich im Zuge des beginnenden Kalten Krieges in Italien und Westdeutschland eine antikommunistisch ausgerichtete Politik durch, die in Italien 1947 zum Ausschluss des PCI aus der Regierung und in der Bundesrepublik 1956 zum Verbot der KPD durch das Bundesverfassungsgericht führte.31 Die beiden Regierungschefs unterstützten sich in dieser Haltung gegenseitig. Adenauer warnte öffentlich vor einem Erstarken des Kommunismus in Italien.32 Die italienische Regierung unterstützte im Gegenzug vorbehaltlos die bundesdeutsche Haltung gegenüber der DDR. So untersagte Außenminister Carlo Sforza im Februar 1950 allen diplomatischen Vertretungen Italiens, Schritte zu unternehmen, die als eine Anerkennung der DDR gewertet werden könnten.33 Deutliche Unterstützung erhielten die Anerkennungsbemühungen der DDR hingegen durch den PCI und zumindest in den ersten Nachkriegsjahren auch durch den PSI. Die Kommunisten vermittelten das in der italienischen Linken lange Zeit vorherrschende dichotome Bild Deutschlands. Auf der einen Seite stand die schlechte „faschistische“ Bundesrepublik, auf der anderen Seite die gute „sozialistische“ DDR.34 Dieses Deutschlandbild wurde insbesondere durch die linken Medien gepflegt und verbreitet.35
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Vgl. Hans Woller: „Ausgebliebene Säuberung?“ Die Abrechnung mit dem Faschismus in Italien, in: Klaus-Dietmar Henke/Hans Woller (Hrsg.): Politische Säuberung in Europa. Die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg, München 1991, S. 161. Vgl. Vordemann: Deutschland-Italien 1949–1961, S. 25. Vgl. Ebenda, S. 64, 172. Vgl. Ebenda, S. 175. Eckart Conze weist zu Recht darauf hin, dass ein Unterschied in der Wahrnehmung der kommunistischen Bedrohung zwischen De Gasperi und Adenauer bestand. Für den Italiener war der Kommunismus in Form des PCI primär eine innenpolitische Gefährdung, während Adenauer, spätestens nach dem KPD-Verbot, den Kommunismus vor allem als äußere Bedrohung perzipierte. Vgl.: Eckart Conze: Al di là di miti e leggende. Il posto di Alcide De Gasperi nella storia europea, in: Ders./Gustavo Corni/Paolo Pombeni (Hrsg.): Alcide De Gasperi. Un percorso europeo, Bologna 2005, S. 296. Vgl. Vordemann: Deutschland-Italien 1949–1961, S. 165. Vgl. Antonio Missiroli: Un rapporto ambivalente. Le due Germanie viste dall’Italia. 1945–1989, in: Storia e Memoria, Vol. 5, Nr. 1/1996, S. 99–103. Vgl. Vordemann: Deutschland-Italien 1949–1961, S. 115ff.
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Lediglich die Publikationen des kleinen sozialdemokratischen PSDI wichen davon ab. Gegenüber der SPD hielt der PCI kritische Distanz. In der Nachkriegszeit galt die deutsche Sozialdemokratie als eine Partei, die Hitler nicht verhindert und 1914 mehrheitlich den deutschen Kriegseintritt unterstützt hatte.36 Bis in die 1960er Jahre sah der Großteil der PCI-Mitglieder die deutschen Sozialdemokraten als „Verräter“37 der Arbeiterbewegung an. Abseits des linken Milieus herrschte jedoch schon kurz nach dem Krieg ein positives Bild der Bundesrepublik vor. Neben dem in den 1950er Jahren einsetzenden Massentourismus westdeutscher Urlauber nach Italien trug hierzu vor allem das auch in den Medien dargestellte enge Verhältnis zwischen den beiden Regierungschefs bei.38 Adenauer stellte diese vertrauensvolle Beziehung in seiner Autobiografie explizit heraus: „Mit De Gasperi verband mich eine aufrichtige Freundschaft.“39 Ebenso zu erwähnen sind die von der italienischen Bevölkerung stark beachteten Sommerurlaube, die Adenauer ab 1957 im norditalienischen Dorf Cadenabbia verbrachte.40 Die Ablehnung des Kommunismus, auch seiner italienischen Variante, war in der Bundesrepublik der 1950er und frühen 1960er Jahren politisch und gesellschaftlich weitestgehend akzeptiert. Lediglich die KPD hielt bis zu ihrem Verbot Beziehungen zum PCI aufrecht. Die SPD hingegen sah in dem 1947 als Abspaltung von den Sozialisten entstandenen Partito Socialista dei Lavoratori Italiani, der 1952 in Partito Socialista Democratico Italiano umbenannt wurde, ihren primären Ansprechpartner in Italien.41 Der größere Partito Socialista Italiano wurde von den deutschen Sozialdemokraten zwar ebenfalls als Schwesterpartei angesehen, aufgrund dessen Nähe zu den Kommunisten in der direkten Nachkriegszeit jedoch nachrangig behandelt. Die Aktionsgemeinschaft mit dem PCI wurde von Seiten der Sozialisten erst 1956 nach der gewaltsamen Niederschlagung des
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Zur kritischen Sicht des PCI auf die SPD bis Mitte der 1960er Jahre siehe: Christine Scheib: Die italienische Diskussion über die deutsche Ost- und Entspannungspolitik (1966-1973), Frankfurt am Main u. a. 2001, S. 247–251. Ebenda, S. 248. Vgl. Pietro Scoppola: Alcide De Gasperi und Konrad Adenauer. Ähnlichkeiten und Unterschiede, in: Rusconi/Woller (Hrsg.): Parallele Geschichte?, S. 203–215. Adenauer: Erinnerungen, S. 255. Vgl. Günter Buchstab: Adenauer in Cadenabbia. Vortrag anläßlich der Veranstaltung „Cadenabbia als literarischer Ort“, 17. Januar 2007 im Wallraf-Richartz-Museum, online: http://www.kas.de/wf/doc/kas_10042-544-1-30.pdf?070806130714 (Abruf am 22.03. 2014). Vgl. Carlo Masala: Italia und Germania. Die deutsch-italienischen Beziehungen, 19631969, 2. Aufl., Köln 1998, S. 127–132.
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Ungarn-Aufstands beendet. Im gleichen Jahr gab der sozialistische Generalsekretär Pietro Nenni den 1951 von der Sowjetunion verliehenen Internationalen Stalin-Friedenspreis zurück. Erst im Zuge dieser Lösung des PSI von den Kommunisten und dem Beginn der centro-sinistra-Koalitionen mit den Christdemokraten im Jahre 1963 intensivierten sich die Beziehungen zwischen der SPD und dem Partito Socialista Italiano. Zusätzlich trug der innenpolitisch geringere Einfluss des PSDI dazu bei. In den Parlamentswahlen der 1950er Jahre gewannen die italienischen Sozialdemokraten weniger als fünf Prozent der Stimmen und verblieben auch danach, mit Ausnahme der kurzen Phase der Fusion mit dem PSI von 1966 bis 1969, im Status einer Kleinpartei.42 Noch zu Beginn der 1960er Jahre sah die SPD-Führung einen Machtzuwachs des PCI als Gefährdung für die innere Stabilität Italiens und die westliche Sicherheit im Allgemeinen an.43 Dennoch gab es in der bundesdeutschen Politik und Wissenschaft bereits in den 1950er Jahren Unterschiede in der Wahrnehmung des italienischen Kommunismus im Vergleich zum sowjetischen MarxismusLeninismus. Deutlich ausgeprägter als in den Vereinigten Staaten wurde ab 1956 Togliattis Polyzentrismusthese rezipiert, durch Italienurlaube erlebte auch Otto Normalverbraucher Kommunisten vor Ort und kulturelle Transfers vermittelten ein humanes Bild der italienischen Variante.44 Im Gegensatz zu den USA entstand auf diese Weise in Westdeutschland schon frühzeitig das Bild eines milden, maximal rhetorisch aggressiv gesinnten, im Innern aber kompromissbereiten Kommunismus in Italien. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist der Erfolg der „Don Camillo und Peppone“-Filmreihe in der Bundesrepublik, die auf den seit 1950 in deutscher Übersetzung erscheinenden Büchern von Giovannino Guareschi aufbaute, die ebenfalls eine Massenauflage erreichten.45 Die Filmreihe wurde zwischen 1953 und 1965 gedreht, lief erfolgreich in den bundesdeutschen Kinos und wird seit-
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Durch die Übernahme des Präsidentenamtes durch den langjährigen PSDI-Parteivorsitzenden Giuseppe Saragat von 1964 bis 1971 und die häufigen Regierungsbeteiligungen des PSDI konnte sich die Partei jedoch vor allem in staatlichen Unternehmen und Behörden eine personelle Machtbasis verschaffen, die deutlich stärker war als die relativ schwachen Wahlergebnisse vermuten lassen. Vgl. Pöthig: Italien und die DDR, S. 165. Für die Bedeutung des gegenseitigen Transfers durch den Italienurlaub in einer kommunistisch dominierten Stadt siehe am Beispiel Rimini: Till Manning: Die Italiengeneration. Stilbildung durch Massentourismus in den 1950er und 1960er Jahren, Göttingen 2011, S. 255–275. Die Auflage betrug 1953 bereits knapp 500 000 Exemplare. Vgl.: Jens Petersen: Italienbilder – Deutschlandbilder. Gesammelte Aufsätze, Köln 1999, S. 304.
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dem häufig im Fernsehen wiederholt.46 Die Figur des Giuseppe Bottazzi, der unter seinem Kampfnamen „Peppone“ Chef einer lokalen Sektion des PCI in der Emilia-Romagna ist, zeigt gleich mehrfach grundlegende Züge des späteren italienischen Eurokommunismus auf: Peppone gibt sich zwar nach außen antiklerikal, ist aber dennoch gläubiger Katholik, der heimlich sein Kind von Priester Don Camillo taufen lässt. Allgemein verbindet ihn eine Hass-Liebe mit dem katholischen Priester, der in seinen Predigten mehr oder weniger offene Wahlwerbung für die Democrazia Cristiana betreibt. Ist Don Camillo in Not, steht ihm der Kommunist Peppone jedoch immer bei. Betont wird in den Filmen das beide verbindende Element des Antifaschismus. Beide Figuren kämpften gemeinsam in der Resistenza gegen die Mussolini-Diktatur und die deutschen Besatzer. Dieser antifaschistische Grundkonsens und die beiderseitigen positiven Erfahrungen – in Rückblenden wird gezeigt, wie sich beide gegenseitig aus gefährlichen Situationen retten – können als Vorwegnahme der Idee des compromesso storico interpretiert werden. Auch wird der Munizipalkommunismus als erfolgreich dargestellt: Die Einrichtung eines Gemeindehauses, eine funktionierende Infrastruktur und ein effektives Katastrophenmanagement als es zur Überschwemmung des Dorfes kommt, nachdem der Po über die Ufer getreten ist, sind Bestandteile der in den Filmen dargestellten Lokalpolitik des PCI in der zona rossa. Nicht zuletzt wird gezeigt, dass der italienische Kommunist Peppone von der Realität in der Sowjetunion wenig überzeugt ist, als er dorthin eingeladen wird. Bei aller Fiktionalität der Geschichten Guareschis stellen Don Camillo und Peppone eine, wenn auch übersteigerte, Wiedergabe der realen Situation in kommunistisch regierten Kleinstädten der Po-Ebene in den 1950er und 1960er Jahren dar. Der Guareschi-Biograf Alessandro Gnocchi hat diese Art der Literatur tref-
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Le Petit Monde de Don Camillo (frz.)/Don Camillo (ital.), Frankreich/Italien 1952, Regie: Julien Duvivier; Le Retour de Don Camillo (frz.)/Il Ritorno di Don Camillo (ital.), Frankreich/Italien 1953, Regie: Julien Duvivier; La Grande Bagarre (frz.)/Don Camillo e l'onorevole Peppone (ital.), Frankreich/Italien 1955, Regie: Carmine Gallone; Don Camillo monsignore … ma non troppo (ital.), Italien 1961, Regie: Carmine Gallone; Il compagno Don Camillo (ital.), Italien 1965, Regie: Luigi Comencini. Der Dreh für einen sechsten Teil der Reihe mit den Originalschauspielern wurde 1970 begonnen. Der Film mit dem Titel Don Camillo et les Contestataires (frz.)/Don Camillo e i giovani d'oggi (ital.), Frankreich/Italien, Regie: Christian Jaque, wurde jedoch nicht vollendet. Nach dem Tod des Don Camillo-Darstellers Fernandel im Februar 1971 lehnte der PepponeDarsteller Gino Cervi die weitere Mitwirkung ab. Der Film wurde daraufhin mit neuen Darstellern gedreht und kam 1972 unter dem Titel „Don Camillo und das rothaarige Mädchen“ in die bundesdeutschen Kinos, konnte jedoch nicht an den Erfolg der Vorgänger anknüpfen.
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fend als „Erfindung der Wahrheit“ bezeichnet.47 In der Hochphase des Kalten Krieges wurde dem deutschen Kinobesucher und Fernsehzuschauer auf diese Weise eine menschliche Form des Kommunismus gezeigt, die er selbst als Urlauber in der Toskana oder den anderen Regionen der kommunistisch dominierten zona rossa erleben konnte. Neben der Don Camillo und Peppone-Filmreihe wurden auch die sozialkritischen Werke des neorealismo und nicht zuletzt auch die des umstrittenen Ex-PCI-Mitglieds Pier Paolo Pasolini in der Bundesrepublik breiter und intensiver rezipiert als in den Vereinigten Staaten.48
5.2 Ein Exkurs: Der PCI und die DDR Da sich mit der Democrazia Cristiana in der Nachkriegszeit eine dezidiert antikommunistische und vom Vatikan beeinflusste Partei als dominierende politische Kraft durchsetzte und die italienischen Regierungen eine klare Westbindung vollzogen, kam es von staatlicher Seite zu einer deutlichen Ablehnung der Anerkennung der DDR.49 Die DDR-Regierung versuchte daher in den ersten Nachkriegsjahrzehnten primär über kulturpolitische Maßnahmen Einfluss in Italien zu erlangen.50 Auf politischer Ebene hatte sie mit dem PCI und zeitweise auch mit dem PSI mächtige Fürsprecher, die allerdings aufgrund der conventio ad excludendum gegenüber den Kommunisten nur wenig Einfluss auf das Regierungshandeln hatten. Basis für die Beziehungen zwischen SED und PCI war insbesondere die gegenseitige Überbetonung des Antifaschismus. Während die SED-Führung den PCI als einzig wahre antifaschistische Kraft in einem ansonsten zum Faschismus tendierenden italienischen Staat ansah – und dabei die Leistungen christlich, sozialdemokratisch und liberal orientierter Widerständler unbeachtet ließ –, nahmen die italienischen Kommunisten die DDR als den antifaschistischen, sozia-
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Alessandro Gnocchi: Don Camillo & Peppone. L'invenzione del vero, Mailand 1995. Vgl. Marcus Stiglegger: Von Berlin nach Salò. Sexualisierung von Politik im italienischen Kino der 1970er, in: Hans Michael Bock/Jan Distelmeyer/Jörg Schöning (Hrsg.): Tenöre, Touristen, Gastarbeiter – Deutsch-italienische Filmbeziehungen, München 2011, S. 119– 132; Pier Paolo Pasolini: Dokumente zur Rezeption seiner Filme in der deutschsprachigen Filmkritik 1963-85 (Red.: Michael Hanisch), Berlin 1994. Zu den Beziehungen zwischen Italien und der DDR siehe ausführlich: Pöthig: Italien und die DDR. Zu den kulturellen Beziehungen zwischen Italien und der DDR siehe ausführlich: Magda Martini: La cultura all'ombra del muro. Relazioni culturali tra Italia e DDR (1949–1989), Bologna 2007.
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listischen Gegenpart einer vermeintlich imperialistischen, faschistischen Bundesrepublik Deutschland wahr.51 PCI-Generalsekretär Togliatti übte nach Gründung der DDR im Oktober 1949 daher vehemente Kritik an der Regierung von Ministerpräsident De Gasperi, da diese einseitig Beziehungen zur Bundesrepublik pflege.52 Autoritäre Entwicklungen der DDR-Staatsführung wurden von den italienischen Kommunisten in der direkten Nachkriegszeit weitestgehend ignoriert. Ebenso wurden die Blockparteien als ausreichende Vielfalt eines demokratischen Parteiensystems angesehen. Im Hinblick auf die anfängliche Vorsicht der SPDFührung gegenüber den kommunistischen Vorschlägen eines gemeinsamen Gesprächs war vor allem die Zustimmung des PCI zur Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED im April 1946 zentral. Kommunistische Politiker und Wissenschaftler in Italien betonten unisono mit der SED-Führung die vermeintliche Freiwilligkeit der Vereinigung der beiden Arbeiterparteien.53 In den Folgejahren gab es eine enge Anlehnung der italienischen Kommunisten an die KPdSU: „Der Glaube an die Sowjetunion erwies sich in Italien bis 1953 als genauso immun gegen kritische Einwände und Argumente wie in den übrigen kommunistischen Bewegungen Westeuropas.“54 Dies galt auch für die propagandistische Unterstützung der Niederschlagung des Volksaufstands in der DDR vom 17. Juni 1953.55 Als sich im Zuge der Wiederbewaffnung und des NATOBeitritts der Bundesrepublik die Angst vor einer Militarisierung Westdeutschlands in Italien verstärkte, versuchte die DDR-Führung mit Hilfe des PCI und des PSI eine Offensive für ein positives Bild des sozialistischen Deutschlands zu starten. Hierzu zählten Publikationen in den kommunistischen und sozialistischen Medien Italiens, Sportaustauschprogramme und eine ausgeprägte Kulturdiplomatie. Zu nennen sind hierbei vor allem die Gründung des Centro Thomas Mann in Rom im Jahre 195756 und die 1963 erfolgte Institutionalisierung der DeutschItalienischen Gesellschaft als Unterorganisation der Liga für Völkerfreundschaft.57 Die Niederschlagung des Aufstands in Ungarn 1956 wurde von der PCIFührung nicht mehr so vorbehaltslos unterstützt wie diejenige 1953 in der DDR.
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Vgl. Pöthig: Italien und die DDR, S. 119ff. Vgl. Ebenda, S. 59–64. Vgl. Ebenda, S. 60 (dort: Anmerkungen 49, 50). Kroll: Kommunistische Intellektuelle, S. 462. Vgl. Pöthig: Italien und die DDR, S. 81. Vgl. Andrea La Bella: Die italienischen Kommunisten und die Deutsche Demokratische Republik, in: Gustavo Corni/Christof Dipper (Hrsg.): Italiener in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert. Kontakte, Wahrnehmungen, Einflüsse, Berlin 2012, S. 513ff. Vgl. Pöthig: Italien und die DDR, S. 87, 147–159, 296ff.
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Dennoch kann man nicht von einem Massenprotest sprechen. Mehrere – auch namhafte – Mitglieder wie Antonio Giolitti58 übten zwar öffentliche Kritik oder traten aus dem PCI aus, die Parteiführung hielt sich jedoch mit direkter Kritik an der Sowjetunion zurück. Hinter verschlossenen Türen forderte Togliatti allerdings eine Erklärung für das sowjetische Vorgehen.59 Zu ernstzunehmenden Differenzen mit Ost-Berlin kam es durch die Veröffentlichung von Togliattis Polyzentrismusthese im Jahre 1956 und seines politischen Testaments, des memoriale di Yalta, 1964, die beide von der DDR-Führung abgelehnt wurden, sowie durch die gänzlich unterschiedlichen Positionen zum Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968.60 Trotz zunehmender Uneinigkeit setzte sich der PCI bis zur endgültigen Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen Italien und der DDR am 18. Januar 1973 für die offizielle Anerkennung ein. Die Kontakte, die der PCI seit Ende der 1960er Jahre zu sozialdemokratischen Parteien Westeuropas aufbaute, wurden von der SED jedoch misstrauisch gesehen.61 So erwiderte Hermann Axen im Dezember 1967 auf den Hinweis von Carlo Galluzzi und Sergio Segre, dass sich in den sozialdemokratischen Parteien der Bundesrepublik Deutschland, Skandinaviens, Belgiens und Frankreichs eine Linksentwicklung durchgesetzt habe und nun Gespräche möglich seien: „Wir nehmen Ihre Einschätzungen mit Dank zur Kenntnis, aber sie sehen, wir schätzen die Rolle und Politik der SP-
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Antonio Giolitti (1915–2010) schloss sich als Enkel des ehemaligen Regierungschefs Giovanni Giolitti in der Resistenza den Kommunisten an. 1957 trat der Parlamentsabgeordnete wegen der Haltung gegenüber der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands aus dem PCI aus und in den PSI ein. Für diesen amtierte er später als Minister für Haushaltsfragen und EG-Kommissar für Regionalpolitik. Nach einer Auseinandersetzung mit Parteichef Craxi trat er 1985 aus dem PSI aus und wurde 1987 als Unabhängiger auf der Liste des PCI in den Senat gewählt. Zu Giolittis Kritik am PCI im Zuge der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands siehe ausführlich: Gianluca Scroccu: Alla ricerca di un socialismo possibile. Antonio Giolitti dal PCI al PSI, Rom 2012, S. 85–157. Vgl. Pöthig: Italien und die DDR, S. 99f. Vgl. Fiammetta Balestracci: Zwischen ideologischer Diversifikation und politischkulturellem Pragmatismus. Die Beziehungen zwischen der Partito Comunista Italiano und der SED (1968–1989), in: Arnd Bauerkämper/Francesco Di Palma (Hrsg.): Bruderparteien jenseits des Eisernen Vorhangs. Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen Parteien West- und Südeuropas (1968–1989), Berlin 2011, S. 168ff. Vgl. Hermann Wentker: Außenpolitik in engen Grenzen. Die DDR im internationalen System 1949–1989, München 2007, S. 311f.
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Führer anders ein. Wir führen mit diesen Verbündeten von Strauß und Kiesinger keinen Dialog.“62 Durch die öffentliche Unterstützung von Dissidenten in der DDR kam es zu einer weiteren Belastung der Beziehungen.63 Die SED-Führung wurde beispielsweise durch das Zusammentreffen von Lucio Lombardo Radice, Mitglied des ZK des PCI, mit Robert Havemann im Februar 1977 in Ost-Berlin diskreditiert.64 Ebenso wurden Havemanns regimekritische Werke im PCI-Verlag publiziert.65 Auch Wolf Biermann wurde in seiner Haltung gegenüber der SED unterstützt. Wenige Wochen nach der Ausbürgerung Biermanns kam es nach einem Konzert in Florenz am 19. Dezember 1976 zu einem Zusammentreffen mit dem renommierten Komponisten Luigi Nono, der als PCI-Mitglied umgehend über Biermanns Ausführungen zur Situation in der DDR an die Parteiführung berichtete. Interessant war für die PCI-Führung vor allem, dass sich Biermann als Teil der eurokommunistischen Entwicklung sah: „Da poco tempo è iniziata una capacità di critica di dissenso da comunisti (e non da destra): a questo ha dato grande contributi il convegno dei partiti comunisti di Berlino e la conoscenza delle posizioni dei partiti italiano, francese, spagnolo; il mio ‚caso‘ fa parte di questo processo.“66 Auch im Falle Rudolf Bahros schlug sich der PCI auf die Seite des Dissidenten. Die italienischen Kommunisten entsandten 1978 mit Angelo Bolaffi ein hochrangiges Parteimitglied zum „Kongress für und über Rudolf Bahro“ in West-Berlin. Im Namen des „Komitees für die Freilassung Rudolf Bahros“ bedankte sich Rudolf Steinke im September 1979 persönlich bei Berlinguer für die kritischen Wor-
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Hermann Axen zitiert in: Pöthig: Italien und die DDR, S. 180 (Original: SAPMO-ZPA, Abt. Internationale Verbindungen, DY 30/IVA2/20/505; Bestand Büro Ulbricht, DY 30/JIV2/202/377). Vgl. Intelligence Memorandum, prepared in the Directorate of Intelligence, Central Intelligence Agency, RPM 77–10184, July 15 1977, Washington D.C., in: United States Department of State (Hrsg.): Foreign Relations of the United States (FRUS), Vol. VI, Soviet Union, 1977–1980, Washington D.C. 2013, S. 162f. Vgl. Martini: La cultura, S. 258–265; „Eurokommunist aus Überzeugung“ von Hartmut Jäckel, in: Die ZEIT, Nr. 48, 28.11.1982. Vgl. Pöthig: Italien und die DDR, S. 226. „Seit kurzem gibt es von Kommunisten (und nicht von rechts) die Fähigkeit zur kritischen Dissidenz: Dazu hat die Konferenz der kommunistischen Parteien in Ost-Berlin und das Wissen über die Positionen der italienischen, französischen, spanischen Parteien einen großen Beitrag geleistet; mein ‚Fall‘ ist Teil dieses Prozesses.“ Wolf Biermann zitiert in: FIG, APCI, Estero, 1977, mf 0288, 1507, Nota al compagno Berlinguer, comp. Tortorella, comp. Serri sull’incontro con il compagno Wolf Biermann von Luigi Nono, 11.01.1977.
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te der PCI-Führung gegenüber der Behandlung Bahros und Havemanns sowie für die Bereitschaft, die Fälle objektiv in L’Unità darzustellen.67 L’Unità berichtete auch ausführlich und kritisch über die Ausreise des Schriftstellers Klaus Poche im Herbst 1979 nach dessen Ausschluss aus dem Schriftstellerverband der DDR im Juni des gleichen Jahres.68 Im Gegenzug kam es zu großem Interesse der ostdeutschen Dissidenten am italienischen Eurokommunismus.69 Anregungen der PCIFührung, junge DDR-Schriftsteller wie Jurek Becker und Ulrich Plenzdorf für Lesungen nach Italien reisen zu lassen, wurden darüber hinaus von der SEDFührung generell abgelehnt.70 Nachdem die Parteibeziehungen zwischen Rom und Ost-Berlin im Zuge der tschechoslowakischen Krise kaum noch existent gewesen waren, kam es nach der diplomatischen Anerkennung der DDR durch Italien ab Januar 1973 zu einem Neuanfang. Obwohl mit Enrico Berlinguer vom 3. bis 7. Dezember des gleichen Jahres erstmals ein Generalsekretär des PCI in die DDR reiste71, in einigen Fragen eine Übereinstimmung erzielt werden konnte und sich die beiden Parteichefs Honecker und Berlinguer bereits zwei Jahrzehnte zuvor in der Führung des Weltbundes der Demokratischen Jugend kennengelernt hatten, führte der eurokommunistische Kurs des PCI seit Mitte der 1970er Jahre erneut zu Spannungen zwischen beiden Parteien.72 Zwar erschien Ende 1974 ein Buch mit Reden und Schriften Honeckers in Italien und somit erstmals in einem Staat des westlichen Bündnisses.73 Und 1975 publizierte der Ost-Berliner Dietz Verlag einen vom damaligen Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED74 herausge-
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FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0427, 1783–1784, Brief von Rudolf Steinke an Enrico Berlinguer, 19.09.1979, West-Berlin. FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0427, 1781, „Lo scrittore Klaus Poche lascia la RDT“, in: L’Unità, 07.09.1979. Vgl. Ulrich Mählert: Kleine Geschichte der DDR, 7. Aufl., München 2010, S. 129f.; Dominik Geppert: Störmanöver. Das „Manifest der Opposition“ und die Schließung des Ost-Berliner „Spiegel“-Büros im Januar 1978, Berlin 1996, S. 36f. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus SED, 1/HEAA000404, Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen und sozialistischen Parteien Westeuropas, FESStudie, April 1976, Bonn, S. 19. Vgl. „Spaghetti in Ost-Berlin“ von Hansjakob Stehle, in: Die ZEIT, Nr. 51, 14.12.1973, S. 4. Vgl. Pöthig: Italien und die DDR, S. 366–389. Erich Honecker: La politica della Repubblica Democratica Tedesca per il benessere e la pace. Prefazione di Sergio Segre, Mailand 1974. Am 21. Dezember 1976 wurde das Institut zur Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED umbenannt.
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gebenen Band von Schriften und Reden Berlinguers, wobei zahlreiche Abschnitte über die Kritik am „real existierenden Sozialismus“ und über den demokratischen Weg zum Sozialismus ausgespart wurden.75 Das tatsächliche Verhältnis zwischen SED und PCI offenbarte sich allerdings hinter den Kulissen der öffentlichen Politik. So teilte Sergio Segre dem SPD-Parteivorstand beispielsweise mit, dass Kurt Hager den PCI auf dem XIV. Parteikongress der italienischen Kommunisten als einen „Haufen verkappter Sozialdemokraten“76 beschimpft hatte.77 Ein Abbruch der Beziehungen war jedoch aus Perspektive der SED in dieser Phase nicht opportun und auch von der KPdSU nicht gewünscht. Die geringen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die reformorientierten Kommunisten in Italien sollten vor dem Hintergrund der Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien Europas im Juni 1976 in Ost-Berlin nicht leichtfertig aufgegeben werden.78 Vielmehr sollte die SED in der Hochphase des Eurokommunismus als „intermédiaire privilégié“79 zwischen west- und osteuropäischem Kommunismus agieren.80
5.3 Ostpolitik im Westen – Die Kontakte zwischen PCI und SPD Die Pläne einer Neuen Ostpolitik und einer Neubewertung des Verhältnisses zur DDR auf Seiten der SPD stellten Ende der 1960er Jahre ein zentrales Motiv für
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Berlinguer: Für eine demokratische Wende. Siehe hierzu auch: AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus SED, 1/HEAA000404, Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen und sozialistischen Parteien Westeuropas, FES-Studie, April 1976, Bonn, S. 21. Kurt Hager zitiert in: HSA, 1/HSAA006240, Bericht über den XIV. Parteikongress des PCI vom 18.–23. März 1975 in Rom von Günter Markscheffel, ohne Datum [März 1975], S. 8. Siehe hierzu auch Hagers Kritik in: Martin McCauley: Marxism-Leninism in the German Democratic Republic. The Socialist Unity Party (SED), London, Basingstoke 1979, S. 223. Vgl. Nikolas Dörr: Die Beziehungen zwischen der SED und den kommunistischen Parteien West- und Südeuropas. Handlungsfelder, Akteure und Probleme, in: Arnd Bauerkämper/Francesco Di Palma (Hrsg.): Bruderparteien jenseits des Eisernen Vorhangs. Die Beziehungen der SED zu den kommunistischen Parteien West- und Südeuropas (1968– 1989), Berlin 2011, S. 48–65. Anne-Marie Le Gloannec: Le parti communiste de la RDA et l'eurocommunisme, in: Revue française de science politique, 29. Jahrgang, Nr. 1/1979, S. 31. Vgl. Heinz Timmermann: Die Beziehungen Ost-Berlins zu den jugoslawischen und zu den „Eurokommunisten“, Köln 1977, S. 32ff.
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die Aufnahme von Gesprächen zwischen Vertretern des Partito Comunista Italiano und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands dar. Bis zur ersten Kontaktaufnahme hatte es zwischen beiden Parteien keinerlei offiziellen Austausch gegeben, obwohl sich Politiker und Mitarbeiter von PCI und SPD bereits vorher vereinzelt begegnet waren. Diese, teils flüchtigen, teils intensiveren, Kenntnisse des Anderen sollten in dem nun beginnenden Austausch zwischen beiden Parteien eine wichtige Rolle einnehmen. Am Mittwoch, dem 20. September 1967, kam es zu einem Treffen zwischen Alberto Jacoviello und Günter Markscheffel81, dem Chefredakteur des Sozialdemokratischen Pressedienstes, im Bonner Büro Markscheffels. Jacoviello, seinerzeit verantwortlicher L‘Unità-Redakteur für Außenpolitik, war durch die Vermittlung des Regierungsrates Hans Stercken, der damals als Referent für West- und Südeuropa im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung arbeitete, auf Markscheffel aufmerksam gemacht worden.82 Bei dem Treffen stellte sich heraus, dass sich Jacoviello und Markscheffel bereits lose über gemeinsam besuchte internationale Konferenzen kannten. Jacoviello berichtete Markscheffel, er sei im Auftrag des Zentralkomitees des PCI angereist. Man sei dort zu der Überzeugung gelangt, dass die Außenpolitik der Großen Koalition positive Elemente enthalte und man wolle daher nicht mehr die offizielle Haltung der KPdSU und der SED gegenüber der Bundesregierung teilen.83 Jacoviello betonte gegenüber Markscheffel: „Beson-
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Günter Markscheffel (1908–1990) war von 1928 bis 1933 als Journalist der sozialdemokratischen Zeitung „Waldenburger Bergwacht“ in Schlesien tätig. Von den Nationalsozialisten wurde er verhaftet, konnte nach seiner Freilassung jedoch ins Saarland fliehen. 1936 ging er nach Frankreich ins Exil, wo er unter anderem als Vorstandsmitglied des Landesverbandes Deutscher Sozialdemokraten in Frankreich aktiv Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur leistete. 1939 wurde er interniert, konnte jedoch kurze Zeit später nach Südfrankreich flüchten. Nach Kriegsende war Markscheffel von 1950 bis 1957 für die SPD Abgeordneter des Landtages von Rheinland Pfalz, anschließend bis 1970 Chefredakteur des Sozialdemokratischen Pressedienstes und von 1970 bis 1974 persönlicher Referent von Bundespräsident Gustav Heinemann. Danach arbeitete er als freier Journalist und Berater des SPD-Parteivorstands, wobei Markscheffel insbesondere als Experte für die politische Szene Frankreichs galt. AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, Vermerk von Günter Markscheffel an Willy Brandt, 21.09.1967, Bonn. Bereits vor der Kontaktaufnahme durch den PCI hatte Helmut Schmidt als Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag in der Fraktionssitzung vom 11. April 1967 dafür plädiert im Rahmen der Entspannungspolitik auch mit den Kommunisten in Prag, Moskau, Budapest, Rom und Paris zu kooperieren. Vgl. Winfried Becker/Hans-Günter Hockerts/Hans-Peter Schwarz im Auftrag der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (Hrsg.): Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundes-
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ders die Ostberliner Haltung werde im Zentralkomitee der KPI immer mehr verurteilt.“84 Ziel des PCI sei es nun, in einer öffentlichen Erklärung zu verkünden, dass die neue Bundesregierung nicht als Fortsetzung früherer Bundesregierungen verurteilt werden könne. Zur Information wolle man vorher ein nicht öffentliches Gespräch mit einer SPD-Delegation führen. Jacoviello bat Markscheffel, sein Anliegen an die zuständigen Stellen weiterzuleiten. Dieser wandte sich daraufhin an Hans-Eberhard Dingels, den Internationalen Sekretär im SPD-Parteivorstand, und unterrichtete den Parteivorsitzenden Willy Brandt. Leo Bauer wurde anschließend von Brandt beauftragt, die Ernsthaftigkeit des Gesprächsangebots in Rom zu überprüfen. Der Spiegel zitierte Brandt gegenüber Bauer später mit den Worten: „Du mußt an Ort und Stelle entscheiden, ob das Sinn hat.“85 Die Anregung Jacoviellos zu einem Informationsgespräch wurde auch vom damaligen Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rom, Alexander Kohn-Brandenburg, positiv beurteilt. Obwohl er zu bedenken gab, dass es sich um eine „üble Falle“86 der Kommunisten handeln könnte, in die mit der SPD auch die kurzzeitig mit den Sozialdemokraten im Partito Socialista Unificato wiedervereinigte Sozialistische Partei Italiens tappen würde. Leo Bauer wurde von Willy Brandt aus vielerlei Gründen als ideale Persönlichkeit zur Überprüfung der Ernsthaftigkeit der PCI-Kontaktaufnahme auserkoren. Der 1912 in der ostgalizischen Kleinstadt Skalat geborene Bauer war während der Weimarer Republik nach knapp dreijähriger SPD-Mitgliedschaft 1931 zur SAP und anschließend 1932 zur KPD gewechselt.87 Dort lernte er die Struktur und Politik einer der bestorganisierten kommunistischen Parteien weltweit von innen kennen. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde er im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 vom Studium der Rechtswissenschaften und der Nationalökonomie ausgeschlossen, später verhaftet und inhaftiert. Bauer emigrierte nach seiner Freilassung in das seinerzeit noch unbesetzte Frankreich. 1939 wurde er dort interniert. Kurz vor seiner Auslieferung an das Deutsche
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tag, Sitzungsprotokolle 1966–1969, Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 8/IV, Bettina Tüffers (Bearbeiterin), Düsseldorf 2009, S. 77. Alberto Jacoviello zitiert in: AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, Vermerk von Günter Markscheffel an Willy Brandt, 21.09.1967, Bonn. Willy Brandt zitiert in: Der Spiegel, Nr. 15, 08.04.1968, S. 27. AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, Vermerk von Alexander Kohn-Brandenburg, 13.10.1967, Bonn, S. 1. Zu Leo Bauers Biografie siehe ausführlich: Brandt et al.: Karrieren eines Außenseiters.
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Reich flüchtete er 1940 unter dem Decknamen Rudolf Katz in die Schweiz, wo er schließlich 1942 in Genf wegen illegalen Aufenthalts und kommunistischer Tätigkeit inhaftiert wurde.88 Während der Internierung im Pariser Stade Roland Garros hatte er den ebenfalls im Exil befindlichen und internierten italienischen Kommunisten Luigi Longo kennengelernt, der nach dem Tode Togliattis 1964 zum Generalsekretär des PCI aufsteigen sollte. Als dieser während der Internierung erkrankte, pflegte ihn Bauer.89 Auf diese persönliche Beziehung zu Longo konnte Bauer später aufbauen. Nach dem Krieg kehrte er nach Deutschland zurück und engagierte sich für die KPD in Hessen, für die er bis 1949 Fraktionsvorsitzender im Landtag war. Nachdem Bauer 1949 in die DDR übergesiedelt und Mitglied der SED geworden war, fiel er bereits kurze Zeit später einer parteiinternen Säuberung im Zuge der Noel Field-Kampagne zum Opfer. 1952 verurteilte ihn ein sowjetisches Militärgericht zum Tode. Später wurde das Urteil zu 25jähriger Lagerhaft in Sibirien umgewandelt. Im Jahre 1955 wurde Bauer in die Bundesrepublik entlassen, wo er erneut SPD-Mitglied wurde. Als Journalist des Stern konnte er durch seine Kontakte am 28. Oktober 1964 ein Interview mit dem neuen PCI-Generalsekretär Luigi Longo in Rom führen.90 Das Interview erschien kurze Zeit später in L‘Unità und im Stern. Schon damals zeigte sich Bauer von der offenen Haltung der italienischen Kommunisten beeindruckt. So merkte er positiv an, dass er in der parteieigenen Buchhandlung im PCI-Hauptsitz problemlos die sowjetkritischen Biografien von Isaac Deutscher über Stalin und Trotzki kaufen konnte. Die Bücher hatte man laut Bauer sogar offen im Schaufenster ausgelegt.91
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Vgl. Bernd-Rainer Barth/Karin Hartewig: Bauer, Leo(pold), in: Helmut MüllerEnbergs/Jan Wielgohs/Dieter Hoffmann (Hrsg.): Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon, Sonderausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000, S. 47. AdsD, Bestand Leo Bauer, Interview mit Luigi Longo, 1/LBAA000023, Brief von Leo Bauer an Frau A. De Fonzo, 30.09.1964, S. 2. Vgl. Brandt et al.: Karrieren eines Außenseiters, S. 273ff. AdsD, Bestand Leo Bauer, Mitarbeit beim „Windrose“-Projekt „Westliche Kommunisten“, 1/LBAA000024, Brief von Leo Bauer an Herrn Geißler, „Windrose“-Filmproduktion, Exposé zu einer Filmproduktion über westliche Kommunisten, 05.07.1964, Abschnitt II, S. 2. Ähnlich äußerte sich auch der ansonsten dem PCI gegenüber kritische Italien-Korrespondent Peter Schmid: „In einer Buchausstellung der KPI im Parteilokal des apulischen Städtchens Alberobello fand ich neben zahlreichen Publikationen über die Kunst der Liebe nicht nur Bücher der Antikommunisten Koestler und Camus vertreten, sondern sogar das jüngste Werk Ignazio Silones mit dem Titel ‚Sicherheits-Ausgang‘, in welchem dieser autobiographisch mit der diskussionslosen, papageienhaften Verdammung
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Nach Abstimmung mit Willy Brandt und Herbert Wehner flog Bauer Ende Oktober 1967 nach Rom. Dort traf er mit Sergio Segre, ZK-Mitglied und persönlicher Sekretär von Generalsekretär Longo, zusammen und legte ein Schreiben des Parteivorsitzenden vor.92 Segre war seinerzeit mit einer Ost-Berlinerin verheiratet, sprach fließend Deutsch und galt als ehemaliger L’Unità-Redakteur in der DDR als Deutschlandexperte des PCI.93 In ausführlichen Vorgesprächen am 1. und 2. November 1967 bereitete Bauer zusammen mit seinen Gesprächspartnern vom PCI Carlo Galluzzi, Sergio Segre, Alberto Jacoviello und Luciana Reichlin das Treffen von Delegationen beider Parteien vor.94 Bauer legte Wert darauf, dass die Gespräche an einem neutralen Ort in Rom und nicht in der PCI-Parteizentrale in der Via delle Botteghe Oscure stattfinden sollten.95 Nach seiner Rückkehr berichtete er an Brandt, dass er von der Ernsthaftigkeit der PCI-Führung überzeugt ist: „Mein Eindruck ist also, daß das Bemühen der Italiener um Informationsgespräche mit der SPD und anderen sozialdemokratischen Parteien zumindest zur Zeit weniger althergekommenen Volksfrontabsichten entspricht als vielmehr dem Versuch, in den innerkommunistischen Auseinandersetzungen anders auftreten zu können. Und das scheint mir wichtig und interessant.“96 Das reformorientierte PCI-Führungsmitglied Giorgio Amendola hatte sich bereits 1965 für einen Dialog mit der SPD eingesetzt, da diese „die einzige Vertretung der Arbeiterklasse in der Bundesrepublik“97 sei. Aber erst infolge der gegenseitigen diplomatischen Anerkennung Rumäniens und der Bundesrepublik Anfang des Jahres 1967 wurden die Schritte der neuen, von der SPD forcierten Ost-
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Trotzkis durch die Internationale seine eigene Absage an den Kommunismus begründet. ‚Dogmatismus ist der Tod jeder Bewegung‘, erklärte mir der lokale Parteichef, ein junger Arzt, auf meinen fragenden Blick. ‚Nur in der Diskussion finden wir den wahren Weg; darum dürfen wir sie nicht scheuen und die Bücher unserer Gegner nicht ignorieren.‘“ Peter Schmid: Italiens einsame Kommunisten, in: Roland Hill et al. (Hrsg.): Kommunistische Parteien im Westen. England, Frankreich, Italien, Skandinavien, Frankfurt am Main, Hamburg 1968, S. 146. FIG, APCI, Estero, 1967, mf 0545, 1810, Notiz von Willy Brandt, 26.10.1967, Bonn. Vgl. Heinz Timmermann: Im Vorfeld der neuen Ostpolitik – Der Dialog zwischen italienischen Kommunisten und deutschen Sozialdemokraten 1967/68, in: Osteuropa, Nr. 6/1971, S. 392. AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Bericht über die Reise nach Rom und die dort geführten Gespräche von Leo Bauer, 09.11.1967, Hamburg. Ebenda, S. 3. Ebenda, S. 5. Timmermann: Im Vorfeld der neuen Ostpolitik, S. 391.
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politik für die italienischen Kommunisten glaubhaft. Die Hallstein-Doktrin gehörte somit zwar noch nicht de jure, aber de facto der Vergangenheit an. Eine weitere wichtige Voraussetzung der Gespräche war darüber hinaus, dass die deutsche Sozialdemokratie im Gegensatz zu den meisten politischen Kräften in Westeuropa und Nordamerika die Veränderungen im westeuropäischen Kommunismus frühzeitig registriert, analysiert und debattiert hatte. Einen besonderen Stellenwert hatten dabei auch schon vor den ersten Gesprächen die theoretischen Ansätze des PCI. So hatte beispielsweise noch vor der Kontaktaufnahme durch die italienischen Kommunisten am 20. und 21. Mai 1967 in der sozialdemokratischen Bildungsstätte Georg-von-Vollmar-Schule98 im oberbayerischen Kochel am See eine Arbeitstagung über die von Togliatti angestoßene „Frage des Kommunismus in der Phase des Polyzentrismus“ stattgefunden.99 Am 13. November wurden die Mitglieder des PCI-Politbüros über das bevorstehende Treffen informiert. Explizit wies Galluzzi hierbei auf die Ängste der SPD vor einem Konflikt mit den Sozialisten Nennis, aber auch mit Bundeskanzler Kiesinger hin.100 Die erste Zusammenkunft zwischen führenden Vertretern beider Parteien fand schließlich vom 28. bis 30. November 1967 in Rom statt. Der Großteil der Gespräche wurde im Hotel Hilton geführt. Teilnehmer waren auf deutscher Seite der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag und SPDPräsidiumsmitglied Egon Franke, Fried Wesemann, der als Informationsdirektor beim SPD-Parteivorstand fungierte, und Leo Bauer. Auf italienischer Seite nahmen Enrico Berlinguer, Carlo Galluzzi und Sergio Segre an den Gesprächen teil. Berlinguer war seinerzeit bereits stellvertretender Generalsekretär des PCI und somit die kommende Führungsfigur der Partei. Carlo Galluzzi war als Mitglied der Direktion für die Auslandskontakte zuständig und Parlamentsabgeordneter. Sergio Segre war, wie bereits erwähnt, Mitglied des ZK und ein enger Vertrauter von Generalsekretär Longo. Zum Mittagessen am 29. November stieß zusätzlich der Vorsitzende des kommunistischen Gewerkschaftsdachverbandes CGIL Luciano Lama sowie zum abschließenden Mittagessen am 30. November auch Luigi Longo hinzu. Zum Auftakt hatte es nach der Anreise der drei Sozialdemokraten am 28. November ein Abendessen mit allen Beteiligten im Hotel gegeben. Am folgenden Tag wurde in drei Plenarsitzungen die Tagesordnung abgehandelt.
98 1968 wurde die Georg-von-Vollmar-Schule in Georg-von-Vollmar-Akademie umbenannt. 99 AdsD, Bestand Leo Bauer, Allgemeine und persönliche Korrespondenz A-Z, 1/LBAA000006, Brief von Waldemar von Knoeringen an Leo Bauer, 26.04.1967, München. 100 FIG, APCI, Estero, 1967, mf 0545, 1812–1813, Nota per L’Ufficio Politico von Carlo Galluzzi, 13.11.1967, Rom.
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Nach einer abschließenden Plenarsitzung am 30. November reisten die deutschen Teilnehmer im Anschluss an das gemeinsame Mittagessen im Restaurant Il Fungo wieder ab. Die zentralen Themen des Gesprächs stellten die Entspannungspolitik, die Möglichkeit zu Gewaltverzichtserklärungen der Bonner Regierung, die deutschdeutschen Beziehungen, die mögliche Wiederzulassung der KPD in der Bundesrepublik und die Debatte über die Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages dar. Die Tagesordnung des Treffens lautete folgendermaßen101: a) Bericht über die Lage in Italien und in der Bundesrepublik Deutschland. Haltung der Parteien zu innenpolitischen Problemen. Berichterstatter: Enrico Berlinguer für den PCI und Egon Franke für die SPD b) Die Stellung des PCI und der SPD zur internationalen Lage und die außenpolitischen Vorstellungen beider Parteien. Berichterstatter: Enrico Berlinguer für den PCI und Egon Franke für die SPD c) Diskussion über einzelne außenpolitische Fragen: I.) Gewaltverzicht II.) Atomwaffensperrvertrag III.) Europäische Friedensregelung IV.) Teilnahme kommunistischer Abgeordneter am Europäischen Parlament d) Praktische Schlussfolgerungen und Verschiedenes. Am zweiten Tag der Gespräche hielt Berlinguer einen ausführlichen Vortrag zur weltpolitischen Lage, wobei er die gemeinsame Kritik der deutschen Sozialdemokraten und italienischen Kommunisten am US-amerikanischen Vorgehen im Vietnamkrieg hervorhob. Die italienische Seite zeigte dabei Verständnis für die Zurückhaltung der SPD mit offener Kritik, da die Vereinigten Staaten als Schutzmacht für West-Berlin weiterhin benötigt würden.102 Als langfristiges Ziel des PCI bezeichnete Berlinguer die Überwindung der militärischen Blöcke und die Etablierung eines kollektiven Sicherheitssystems in Europa. Kurz- und mittelfristig setze sich der PCI vor allem für die Reduzierung der militärischen Präsenz der USA in Westeuropa, die Anerkennung der DDR und die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültiger Grenze durch die Bundesrepublik ein. Die Hallstein-Doktrin wurde kritisiert und von den Delegierten des PCI als „assurda e anacronistica“103 (dt. absurd und anachronistisch) beschrieben. In mehreren
101 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Protokoll „Gespräch mit KPI“, 15.12.1967, Bonn, S. 1. 102 FIG, APCI, Estero, 1967, mf 0545, 1824, Protokoll des Gesprächs mit Vertretern der SPD am 29./30.11.1967 in Rom, ohne Autor. 103 Ebenda.
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Punkten herrschte Einigkeit zwischen den Delegationen, so beispielsweise in der Kritik an den Rechtsdiktaturen in Griechenland, Portugal und Spanien sowie in der Forderung nach der Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages durch die bundesdeutsche und italienische Regierung. Mit besonderem Interesse vernahmen die Sozialdemokraten den Wunsch der italienischen Kommunisten, Abgeordnete in das Europäische Parlament zu entsenden.104 Streitpunkte waren der Wunsch Berlinguers nach diplomatischer Unterstützung der italienischen Regierung gegenüber Österreich in der Südtirolfrage und die PCI-Forderung nach Wiederzulassung der KPD in der Bundesrepublik.105 Insbesondere die Aufhebung des KPD-Verbots wurde von italienischer Seite als „sehr wesentlich“106 betrachtet. Bereits im März 1967 hatte sich Max Reimann als Erster Sekretär des ZKs der illegalen westdeutschen KPD in einem sechsseitigen Brief an die PCI-Führung gewandt und um deren Unterstützung für eine Wiederzulassung einer kommunistischen Partei in der Bundesrepublik Deutschland gebeten.107 Egon Franke entgegnete auf die PCI-Forderung, dass eine Wiederzulassung aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 17. August 1956 rechtlich nicht möglich sei, man aber unter Umständen eine Neugründung unter einem anderen Namen durchführen könne.108 Es sei allerdings unklar, ob die SED-Führung diese Option momentan für gut befände. Von großem Interesse für die SPD-Delegation waren auch die Informationen über die Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien Europas, die im April
104 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Zusammenfassender Bericht über das Gespräch mit der Kommunistischen Partei Italiens von Egon Franke, Fried Wesemann und Leo Bauer, 15.12.1967, Bonn, S. 5. 105 FIG, APCI, Estero, 1967, mf 0545, 1837, Posizione del P.C.I. su alcuni problemi della politica europea, ohne Autor, ohne Datum [November 1967]. 106 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Zusammenfassender Bericht über das Gespräch mit der Kommunistischen Partei Italiens von Egon Franke, Fried Wesemann und Leo Bauer, 15.12.1967, Bonn, S. 3. 107 FIG, APCI, Estero, 1967, mf 0545, 1741–1746, Brief von Max Reimann an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Italiens, März 1967. 108 Schließlich kam es knapp zehn Monate nach dem Gespräch, im September 1968, zur Gründung der Deutschen Kommunistischen Partei. Zur Position der SPD gegenüber der Wiedergründung einer kommunistischen Partei siehe ausführlich: Jens Schultz: Sozialdemokratie und Kommunismus. Die Auseinandersetzung der SPD mit dem Kommunismus im Zeichen der Neuen Ostpolitik 1969–1974, Mannheim 2009, S. 58–74 (online unter: http://d-nb.info/1034286447/34, Abruf am 02.04.2014).
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1967 im tschechoslowakischen Karlovy Vary bzw. Karlsbad stattgefunden hatte.109 So erfuhren die Sozialdemokraten, dass es Berlinguer und Longo auf der Konferenz gelungen war, einen Ausschluss der Rumänen aus der kommunistischen Bewegung, aufgrund deren demonstrativen Fernbleibens, zu verhindern. Vor allem Walter Ulbricht hätte dies vehement gefordert.110 Insbesondere zwischen dem SED-Generalsekretär und Galluzzi sei es zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen. Leo Bauer berichtete: „Galluzzi erklärte, daß Ulbricht in Karlsbad erklärt habe, die DDR sei das Zentrum der Demokratie in Europa. Dem habe er widersprochen mit dem Hinweis, es gebe Kräfte, die an diese Demokratie nicht glaubten und außerdem seien die Italiener auch Demokraten.“111 Zusammenfassend hielt Bauer fest: „Das Interesse der italienischen Seite besteht hauptsächlich darin, aus der Isolierung in Europa herauszukommen […] Unser Interesse ergibt sich daraus, was an allgemeinen Berichten und besonders zur Karlsbader Konferenz beigebracht wurde. Dabei nimmt die KPI innerhalb des kommunistischen Lagers eine objektive Haltung zur Bundesrepublik ein und bildet so ein Gegengewicht zu Ulbricht.“112 Gänzlich anders wurde die Kommunistenkonferenz auf Seiten der US-Regierung und der NATO beurteilt. Harlan Cleveland, USBotschafter bei der NATO, warnte im Nordatlantikrat seinerzeit explizit vor den Volksfrontinitiativen, die von den anwesenden KPs in Karlovy Vary beschlossen worden wären. Die auf Basis der dortigen Beschlüsse geschürten Ängste vor einer von der Sowjetunion instrumentalisierten Volksfront vermeintlich unabhängiger KPs in Westeuropa prägte die US-amerikanische Perzeption des Eurokommu-
109 Zur Kommunistenkonferenz in Karlovy Vary/Karlsbad siehe ausführlich: Wolfgang Berner: Die Karlsbader Konferenz der kommunistischen Parteien Europas. Analyse, Köln 1967. 110 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Protokoll „Gespräch mit KPI“, 15.12.1967, Bonn, S. 7. 111 Ebenda, S. 16. Tatsächlich hob Willy Brandt die Haltung Longos gegenüber der Bundesrepublik auf der Konferenz von Karlovy Vary in seinem Bericht in der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages am 28. April 1967 positiv hervor. Vgl. Karl Dietrich Bracher/Klaus Hildebrand/Rudolf Morsey/Hans-Peter Schwarz im Auftrag der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (Hrsg.): Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages, Sitzungsprotokolle 1965–1969, Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 13/V, erster Halbband Dezember 1965 bis Dezember 1967, Joachim Wintzer/Wolfgang Hölscher/Stephanie Urbach/Benedikt Wintgens (Bearbeiter), Düsseldorf 2006, S. 445. 112 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Protokoll „Gespräch mit KPI“, 15.12.1967, Bonn, S. 16.
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nismus in den Folgejahren. Lediglich der deutsche Repräsentant im Nordatlantikrat Wilhelm G. Grewe erwähnte die kritischen Äußerungen Luigi Longos gegenüber dem Konferenzverlauf im Allgemeinen und Walter Ulbricht im Speziellen.113 Insbesondere der kommunistische Gewerkschaftsführer Luciano Lama hinterließ einen äußerst positiven Eindruck bei den deutschen Sozialdemokraten.114 Lama wirkte wie ein Mann, der „von allen ideologischen Belastungen frei ist“115, berichtete Bauer nach dem Treffen. Die Position der CGIL im Weltgewerkschaftsbund wurde in den Gesprächen von italienischer Seite gar als „superrevisionistisch“116 beschrieben. Lama deutete den Austritt der CGIL aus dem kommunistisch dominierten Weltgewerkschaftsbund an117 und bat gleichzeitig um die Vermittlung von Kontakten zum Deutschen Gewerkschaftsbund.118 Darüber hinaus betonte er, dass er die CGIL keinesfalls als Transmissionsriemen der Partei im Sinne Lenins betrachte. Aus diesem Grunde sei er auch entschlossen, sein Mandat im Parlament und seine Parteifunktion niederzulegen.119 Neben den größeren politischen Themen wurden auch praktische Probleme in den Gesprächen angesprochen. So erwähnte die PCI-Delegation beispielsweise die Schwierigkeiten italienischer „Gastarbeiter“ in der Bundesrepublik, die an den Parlamentswahlen in Italien teilnehmen wollten und dafür in die Heimat fahren müssten, dies aber oft unterließen, weil sie Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes hätten. Ebenso wies man die anwesenden Sozialdemokraten darauf hin, dass der italienische Auslandsrundfunk in der Bundesrepublik fast ausnahmslos die Sichtweise der Democrazia Cristiana wiedergebe. Und nicht zuletzt wurde bemängelt, dass die Parteizeitung L‘Unità in Westdeutschland nicht vertrieben werden dürfe und die Beratungsstelle des kommunistischen Gewerkschaftsdachverbandes (INCA) keine Auslandsbüros in der Bundesrepublik eröffnen könne.
113 NA, Political Affairs 1966-1970, Psychological Action, CR(67)22, Summary record of a Council meeting, 16./17.05.1967 in Paris, 07.06.1967, Paris, 11f., S. 20. 114 Zu Luciano Lama siehe ausführlich: Giancarlo Feliziani: Razza di comunista. La vita di Luciano Lama, Rom 2009. 115 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Protokoll „Gespräch mit KPI“, 15.12.1967, Bonn, S. 8. 116 Ebenda, S. 7. Zur Politik der CGIL in der Phase des Eurokommunismus siehe: Raphael: Partei und Gewerkschaft, S. 101–122. 117 Die CGIL trat schließlich im Juli 1974 in den sozialdemokratisch dominierten Europäischen Gewerkschaftsbund ein und kurz vor dem Kongress in Prag im April 1978 aus dem Weltgewerkschaftsbund aus. 118 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Protokoll „Gespräch mit KPI“, 15.12.1967, Bonn, S. 7f. 119 Ebenda, S. 7.
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Franke versprach im Namen der SPD, sich für praktische Verbesserungen in diesen Fällen einzusetzen. Bauer betonte nach der Rückkehr, dass mit Egon Franke sogar der Protagonist der sogenannten „Kanalarbeiter“120, also des rechten SPD-Flügels, im Anschluss an das Gespräch der Meinung war, dass der Kontakt von Nutzen sei und man beginnen müsse, zwischen Kommunisten und Kommunisten zu unterscheiden.121 Nicht ohne Grund hieß es im Bericht für die SPD-Führung: „Sie [die KPI, d. Verf.] wünsche einen italienischen Weg zum Sozialismus, der nicht der der Sowjetunion sein könne.“122 Um die italienischen Sozialisten nicht zu brüskieren, informierte Willy Brandt auf der Tagung westeuropäischer Sozialistenführer in London am 2. Dezember 1967 Pietro Nenni und erläuterte den Grund für die Kontakte der SPD zum PCI.123 Die folgenden Wochen und Monate zeigten, dass die Gespräche von beiden Seiten positiv aufgenommen wurden. Nachdem Bauer in einem Brief an Segre mitgeteilt hatte, „daß die Begegnung für meine Freunde und mich sehr eindrucksvoll war und auch hier positiv beurteilt wird“124, trat Segre im Januar 1968 mit einem vielbeachteten Artikel in der kommunistischen Theoriezeitschrift Rinascita unter dem Titel „Öffnet dem Gespräch die Türen“ für die verstärkte Dialogbereitschaft mit sozialdemokratischen Parteien ein.125 Segre konstatierte, dass die Arbeiterbewegung aktuell an einem zentralen Problem leide: der problematischen Beziehung zwischen den beiden wichtigsten Pfeilern der Arbeiterbewegung, also
120 Die „Kanalarbeiter“ waren vor allem in den 1960er und 1970er Jahren eine der einflussreichsten Strömungen der SPD-Bundestagsfraktion. Politisch stellten sie den rechten Flügel der Partei dar, der eher zu konservativen und gewerkschaftsnahen Positionen neigte. Der Begriff „Kanalarbeiter“ wurde 1957 als ironische Selbstbezeichnung durch den SPDBundestagsabgeordneten Karl Herold geprägt. Zu den „Kanalarbeitern“ siehe: Annekatrin Gebauer: Der Richtungsstreit in der SPD. „Seeheimer Kreis“ und „Neue Linke“ im innerparteilichen Machtkampf, Wiesbaden 2005, S. 94–99. 121 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI und SPD/BdKJ, 1/LBAA000011, Entwurf eines Briefes von Leo Bauer an Bruno Kreisky, ohne Datum [1969], S. 1. 122 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Protokoll „Gespräch mit KPI“, 15.12.1967, Bonn, S. 3. 123 Vgl. „La Ostpolitik alle Botteghe Oscure“ von Giovanni Russo, in: Corriere della Sera, 28.09.1971; Timmermann: Im Vorfeld der neuen Ostpolitik, S. 397. 124 FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1408, Brief von Leo Bauer an Sergio Segre, 04.01.1968, Hamburg. 125 AdsD, Nachlass Eugen Selbmann, Kommunismus, 212/1, „Öffnet dem Gespräch die Türen“ von Sergio Segre, Rinascita, 12.01.1968.
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zwischen den Sozialdemokraten und Kommunisten.126 Positive Entwicklungen auf beiden Seiten würden nun jedoch einen Dialog möglich machen. Segre hob hervor, dass sich insbesondere die SPD erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg kritischer gegenüber der US-Politik zeigen würde. Zeichen hierfür seien die sozialdemokratische Kritik an den Bombardierungen Nordvietnams und am griechischen Militärputsch sowie die Pläne für eine europäische Friedensregelung. Auf Seiten der Kommunisten sei die Erklärung von Karlovy Vary als Zeichen für eine Dialogbereitschaft mit Sozialdemokraten zu verstehen.127 In der Folgezeit kam es zu einem regen Austausch, der sich vor allem zwischen Bauer und Segre abspielte.128 In einem Telefongespräch kündigte Bauer Ende Januar 1968 an, dass das nächste Treffen aus Gründen der Geheimhaltung in Hamburg und nicht in Bonn stattfinden würde.129 Auch ließ er durchblicken, dass ein namentlich nicht genannter enger Vertrauter Brandts als Gesprächspartner teilnehmen werde. Zwischen den Zeilen las Segre heraus, dass es sich um Egon Bahr handeln würde.130 Ende Januar 1968 kam es schließlich in München zu einem Gegenbesuch der PCI-Delegation.131 Segre erwähnte dort, dass er die meisten Bruderparteien in Osteuropa über die Kontakte zur SPD informiert habe.132 Hierzu zählten neben der SED und der KPdSU auch die ungarischen, tschechoslowakischen und jugoslawischen Kommunisten.133 Darüber hinaus war der PCF-Generalsekretär Wal-
126 Ebenda, S. 1. 127 Ebenda, S. 6. 128 FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1411, Brief von Sergio Segre an Leo Bauer, 11.01.1968, Rom; FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1436, Brief von Leo Bauer an Sergio Segre, 15.01.1968, Hamburg; FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1455, Brief von Sergio Segre an Leo Bauer, 26.02.1968, Rom; FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1502– 1503, Brief von Leo Bauer an Sergio Segre, 16.09.1968, Bonn; FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1531, Brief von Leo Bauer an Sergio Segre, 17.12.1968, Bonn. Am 7. April 1968 kam es zusätzlich zu einem kurzen Privatbesuch Bauers bei Segre in Rom. FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1482–1483, Notiz über das Treffen Segre-Bauer am 07.04.1968 in Rom, 17.04.1968, Rom. Am 30. August 1968 lud Segre Bauer zu einem erneuten Meinungsaustausch nach Rom ein. FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1496, Brief von Sergio Segre an Leo Bauer, 30.08.1968, Rom. 129 Tatsächlich fand das Treffen dann in München statt. 130 FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1439, Notiz von Sergio Segre über einen Anruf Leo Bauers, 23.01.1968. 131 FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1441, Incontro dei compagni Galluzzi e Segre con una delegazione della SPD, 30.01.1968. 132 Vgl. Philipp Gassert: Kurt Georg Kiesinger, 1904–1988. Kanzler zwischen den Zeiten, München 2006, S. 597ff. 133 Vgl. Timmermann: Im Vorfeld der neuen Ostpolitik, S. 393.
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deck Rochet unterrichtet worden.134 Vor allem SED-Vertreter hätten sich abfällig zu den Kontakten zur SPD geäußert: „Das sind doch alles Kapitalisten, ihr werdet das schon noch merken.“135 An diesem Treffen nahm neben Leo Bauer erwartungsgemäß auch der enge Brandt-Vertraute Egon Bahr teil.136 Dieser erläuterte ausgiebig die Neue Ostpolitik der SPD, die weiterhin auf großes Interesse beim PCI stieß.137 Für den damaligen Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt galt im Umgang mit dem Sowjetkommunismus: „Steter Tropfen höhlt den Monolith.“138 Der PCI war für Bahr daher ein „potentieller Verbündeter für Wandel durch Annäherung“139. Bahr berichtete den Gesprächsteilnehmern, dass es auch einen fruchtbaren Dialog der SPD-Führung mit der jugoslawischen und rumänischen KP gäbe. Er offenbarte zudem Interesse an einem Dialog mit dem PCF und der finnischen KP. Als nächsten Schritt der gegenseitigen Beziehungen empfahl Bahr, dass eine Delegation der CGIL deutsche Gewerkschaften besuchen sollte. Interesse sei dort vorhanden. Auch die Einladung eines L‘UnitàKorrespondenten zum SPD-Parteitag 1968, der weitere Austausch von Dokumenten, welche die jeweilige Position der Parteien erläutern sollten, gegenseitige Publikation von Texten in den entsprechenden Zeitschriften, ein erneutes inoffizielles Treffen von Delegationen beider Parteien im März oder April 1968 und nicht zuletzt ein mögliches Zusammentreffen von Brandt mit Longo in Rom wurden von Bahr vorgeschlagen.140 Tatsächlich reiste Bauer in der Woche nach dem Münchener Treffen erneut nach Rom, um mit Galluzzi und weiteren Mitgliedern der PCI-Führung den künftigen Kontakt zu besprechen.141 Als Zeichen des guten Willens setzte sich Brandt im Anschluss an das Treffen in München bei seinem christdemokratischen italienischen Amtskollegen Amintore Fanfani für die Erteilung von Diplomatenvisa für die Reise einer SED-
134 Vgl. Alexander Höbel: Il PCI di Luigi Longo (1964–1969), Neapel 2010, S. 433. 135 Der Spiegel, Nr. 15, 08.04.1968, S. 27. Wie Philipp Gassert nachgewiesen hat, fand das Gespräch nicht wie im Spiegel datiert Ende März, sondern bereits Ende Januar 1968 statt. Das Datum 6. und 7. März 1968 wurde unter anderem von Brandt et al. verbreitet. Vgl. Gassert: Kurt Georg Kiesinger, S. 597f.; Brandt et al.: Karrieren eines Außenseiters, S. 282. 136 Vgl. Höbel: Il PCI, S. 433. 137 Vgl. Egon Bahr: „Das musst du erzählen.“ Erinnerungen an Willy Brandt, Berlin 2013, S. 215f. 138 Egon Bahr: Zu meiner Zeit, München 1996, S. 251. 139 Ebenda. 140 FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1446–1447, Incontro dei compagni Galluzzi e Segre con una delegazione della SPD, 30.01.1968. 141 Vgl. Carlo Galluzzi: La svolta. Gli anni cruciali del Partito comunista italiano, Mailand 1983, S. 180.
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Delegation unter Leitung von Politbüromitglied Paul Verner nach Rom ein.142 Neben der Funktion einer Geste des Vertrauens gegenüber dem PCI sollten die italienischen Kommunisten der SED-Delegation die Vorschläge der SPD näher erläutern.143 Am 14. Februar 1968 traf die ostdeutsche Delegation in Rom ein.144 Neben Verner nahmen Werner Jarowinsky, Alois Bräutigam, Alfred Kurella und Klaus Mehlitz sowie von italienischer Seite Luigi Longo, Carlo Galluzzi, Sergio Segre, Armando Cossutta, Arturo Colombi und Pietro Ingrao an den Konsultationen teil.145 Neben den Gesprächen mit dem PCI kam es auch zum Zusammentreffen mit Vertretern des PSI und des linkssozialistischen PSIUP.146 Kurze Zeit später weilte der SPD-Vorsitzende und Bundesaußenminister im Februar 1968 anlässlich des Staatsbesuchs von Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger in Rom. Dort traf er während des Empfangs von Staatspräsident Giuseppe Saragat auch kurz mit Luigi Longo zusammen, der als Generalsekretär der zweitgrößten Parlamentsfraktion geladen worden war.147 In diesem halbstündigen Gespräch ging es vor allem um die Möglichkeit der Wiederzulassung der KPD in der Bundesrepublik, die Anerkennung der bestehenden Grenzen in Europa, die staatliche Anerkennung der DDR und die europäische Sicherheitspolitik im Allgemeinen.148 Auch Bundeskanzler Kiesinger sprach kurz mit dem PCI-Generalsekretär über die Möglichkeit einer neuen kommunistischen Partei in der Bundesrepublik.149 Dem Corriere della Sera folgend soll Staatspräsident Saragat schließlich
142 FIG, APCI, Estero, 1971, mf 0162, 0825, „La Ostpolitik alle Botteghe Oscure“ von Giovanni Russo, in: Corriere della Sera, 28.09.1971. 143 Vgl. Pöthig: Italien und die DDR. S. 181f. 144 Der Politikwissenschaftler und damalige Brzezinski-Berater William E. Griffith behauptet, dass es ein Zusammentreffen einer SPD-Delegation mit Longo und Verner in Rom gegeben habe. Dort habe man sich auf den Vorschlag des PCI geeinigt, die Wiederzulassung einer kommunistischen Partei in der Bundesrepublik in Form der DKP zu verfolgen. Eine solche Zusammenkunft ist durch die Aktenlage jedoch nicht nachweisbar. Vgl. William E. Griffith: Die Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1981, S. 202. 145 Vom 18. bis 20. März kam es darüber hinaus zu einem Treffen der seinerzeit in der Bundesrepublik illegalen KPD mit Vertretern des PCI in Rom. 146 Vgl. Johannes Lill: Die DDR und Italien (1949–1973). Möglichkeiten und Grenzen für den Ausbau der bilateralen Beziehungen, in: Ulrich Pfeil (Hrsg.): Die DDR und der Westen. Transnationale Beziehungen 1949–1989, Berlin 2001, S. 254. 147 Vgl. Antonio Rubbi: Il mondo di Berlinguer, Rom 1994, S. 117f. 148 Vgl. Timmermann: Im Vorfeld der neuen Ostpolitik, S. 395. 149 Vgl. I segreti della politica internazionale, intervista a Sergio Segre, in: Mauro Maggiorani/Paolo Ferrari (Hrsg.): L'Europa da Togliatti a Berlinguer. Testimonianze e documenti, 1945–1984, Bologna 2005, S. 169; Gespräch des Bundeskanzlers Kiesinger mit dem sowjetischen Botschafter Zarapkin, 01.03.1968, in: Institut für Zeitgeschichte im Auftrag
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beide mit den Worten unterbrochen haben: „Cosa state combinando, un’altra grande coalizione?“150 Während dieses Aufenthalts in seiner Funktion als Außenminister wurde Brandt offensichtlich vom Bundesnachrichtendienst (BND) beobachtet, der anschließend einen Bericht über das Zusammentreffen von Brandt mit Longo anfertigte.151 Besonders aufmerksam wurde der SPD-Bundesparteitag in Nürnberg vom 17. bis 21. März 1968 und vor allem die Rede des Vorsitzenden von der PCI-Führung verfolgt.152 Willy Brandts Plädoyers für eine Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages und die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze bis zu einer endgültigen Friedensregelung entsprachen zentralen Vorstellungen der italienischen Kommunisten.153 Die auf dem Nürnberger Parteitag verabschiedeten Sozialdemokratischen Perspektiven im Übergang zu den siebziger Jahren wurden vom PCI positiv aufgenommen und umgehend für den Gebrauch der eigenen Parteigliederungen ins Italienische übersetzt.154 Die gemeinsame Gesprächs- und Vertrauensbasis erweiterte sich dadurch zusehends. Aufgrund der Gefahr der innenpolitischen Instrumentalisierung der Gespräche durch den politischen Kontrahenten, vor allem vor dem Hintergrund der bevorstehenden Parlamentswahl in Italien am 19. Mai und der baden-württembergischen Landtagswahl am 28. April 1968, wurde vorerst Stillschweigen über die Treffen zwischen SPD und PCI vereinbart. Nichtsdestotrotz kam es wenige Wochen nach der Zusammenkunft in München zur Veröffentlichung der Kontakte, die zu einer ersten ernsthaften Belastungsprobe für die Beziehung zwischen beiden Parteien wurde. Infolge eines Berichts in der konservativen Wochenzeitung Christ und Welt am 8. März 1968 war die SPD-Führung gezwungen, sich in einer Pres-
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des Auswärtigen Amts (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, 1968, Band 1, 1. Januar bis 30. Juni, München 1999, S. 286f. „Was arrangieren sie, eine weitere Große Koalition?“ FIG, APCI, Estero, 1971, mf 0162, 0825, „La Ostpolitik alle Botteghe Oscure“ von Giovanni Russo in Corriere della Sera, 28.09.1971. Vgl. Stefanie Waske: Mehr Liaison als Kontrolle. Die Kontrolle des BND durch Parlament und Regierung 1955–1978, Wiesbaden 2009, S. 151. Brandts Referat „Die Kontinuität der Politik. Rede auf dem Parteitag der SPD in Nürnberg am 18. März 1968“ ist abgedruckt in: Willy Brandt: Der Wille zum Frieden. Perspektiven der Politik. Mit einem Vorwort von Golo Mann, Frankfurt am Main 1973, S. 126– 133. Bericht von Alberto Jacoviello in: L’Unità, 19.03.1968, S. 12; Sergio Segre in: Rinascita, Nr. 13, 29.03.1968, S. 30f. FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1412–1435, Prospettive socialdemocratiche nel passaggio agli anni ´70, ohne Datum [Januar 1968].
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semitteilung zu den Kontakten zu äußern.155 Am 4. April 1968 informierte das SPD-Präsidium über die Gespräche mit dem PCI, die Teilnehmer und die wichtigsten Inhalte. Um den Kontakten den Eindruck eines offiziellen Austausches zweier Parteidelegationen zu nehmen, fand Pressesprecher Frank Sommer eine verklausulierte Formulierung: „Die SPD-Vertreter handelten mit Wissen der Parteiführung, jedoch in eigener Verantwortung.“156 Berichte des Bayernkurier, wonach es auch zu einem Treffen zwischen dem SPD-Parteivorsitzenden Brandt und PCI-Generalsekretär Longo gekommen sei, wurden zurückgewiesen.157 Beide hätten sich nur während des bereits erwähnten Empfangs von Staatspräsident Saragat begrüßt. Korrigiert wurde darüber hinaus der SPD-Pressedienst vom 2. April 1968, in dem gemutmaßt worden war, dass es eines Tages zu einer Koalition von Kommunisten und Christdemokraten in Italien kommen könne. Das SPDPräsidium distanzierte sich explizit von dieser Einschätzung.158 Die Veröffentlichung der Kontakte löste ein breites Medienecho aus. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitierte die konservative italienische Tageszeitung Il Tempo mit den Worten: „Die Sozialdemokraten von Bonn werden nunmehr von den Kommunisten nicht mehr als Sozialverräter bezeichnet. Aber sie beginnen, es zu verdienen, von uns allen Verräter Europas und des Westens genannt zu werden.“159 Leo Bauer stellte daraufhin in der Frankfurter Rundschau klar, dass die SPD weiter den Kontakt zum PCI und anderen kommunistischen Parteien suchen werde, da „sich die kommunistischen Parteien weder aus Ost- noch aus Westeuropa hinauskatapultieren ließen“160. Er bekräftigte seine Auffassung, wonach der SED im kommunistischen Lager nicht das Interpretationsmonopol über die Bundesrepublik und ihre Deutschlandpolitik überlassen werden sollte.161 Die-
155 Vgl. Der Spiegel, Nr. 15, 08.04.1968, S. 27 156 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Handschriftliche Aufzeichnung über die Gespräche der SPD mit der KPI von Frank Sommer an „Welt am Sonntag“, 07.04.1968, Bonn, S. 1. 157 Vgl. Bayernkurier, 06.04.1968, 13.04.1968. 158 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, SPD-Pressemitteilung, 04.04.1968, Bonn, S. 1f. 159 AdsD, Depositum Egon Bahr, KPI 1965–1973, 1/EBAA001062, „Polemik nach dem Treffen SPD-KPI“, in: FAZ, 04.04.1968. 160 „SPD wird weiter mit KPI sprechen“ von Volkmar Hoffmann, in: Frankfurter Rundschau, 05.04.1968, S. 1. 161 Schon 1964 berichtete Bauer anlässlich eines Filmprojekts zum westeuropäischen Kommunismus: „Von den meisten italienischen kommunistischen Führern ist nur Negatives über das Zonenregime, über die Mauer in Berlin und besonders über Ulbricht zu hören.“ AdsD, Bestand Leo Bauer, Mitarbeit beim „Windrose“-Projekt „Westliche Kommu-
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se positive Darstellung der Gespräche wurde neben der Frankfurter Rundschau auch von der Süddeutschen Zeitung geteilt, die den PCI gar als „Anti-SED“162 beschrieb. Bauer stellte auch die Fortschritte im PCI heraus, die seit der Verkündung von Togliattis Polyzentrismusthese gemacht worden waren und betonte den Vorbildcharakter der italienischen Kommunisten: „Die Wirkung Togliattis beispielsweise auf die Kommunisten in der Tschechoslowakei sei unverkennbar.“163 Wenige Tage später berichtete Der Spiegel in seiner Ausgabe vom 8. April 1968 erstmals über die Kontakte und beschrieb die Treffen folgendermaßen: „Drei Bonner Sozialdemokraten und drei italienische Kommunisten trafen sich im Dachgarten der römischen Luxus-Herberge ‚Cavalieri Hilton‘ bei feinen Appetithäppchen zu vertraulichem Gespräch. Drei Monate später kamen zwei der Cavalieri-Gäste abermals zusammen: beim Weißwurstessen in Münchens ‚Bayerischem Hof‘. Dort versprachen sich die Unterhändler der SPD und der Kommunistischen Partei Italiens (KPI), ihre Zusammenkünfte geheim zu halten und fortzusetzen. Doch bevor sie sich wiedersehen konnten, war der Klassenfeind ihnen auf der Spur.“164 Aufgrund des Medienechos konstatierte der SFB-Journalist Gerd Kolbe am 10. April: „Die Kettenreaktion, welche die Gespräche sozialdemokratischer Funktionäre mit italienischen Kommunisten auslöste, hat eher komische, ja sogar burleske Züge.“165 Auch in den folgenden Jahren waren die Gespräche von SPD-Politikern mit italienischen Kommunisten Thema der deutschen und internationalen Presse. So schrieb die französische Tageszeitung Le Monde anlässlich eines Besuchs von Außenminister Brandt bei seinem christdemokratischen italienischen Amtskollegen Aldo Moro in Rom am 1. September 1969: „Entre le S.P.D. et le P.C.I. les contacts ont été fréquents depuis quelques mois et à un niveau élevé. Il n’est pas inimaginable que les dirigeants des deux partis socialistes sondent M. Willy Brandt pour discerner si, une fois devenu chancelier, il utiliserait encore de tels intermédiaires.“166 In Großbritannien warf der rechtskonservative Tory-Parla-
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nisten“, 1/LBAA000024, Brief von Leo Bauer an Herrn Geißler, „Windrose“-Filmproduktion, Exposé zu einer Filmproduktion über westliche Kommunisten, 05.07.1964, Abschnitt II, S. 6. „SPD führt Geheimgespräche mit Italiens KP“, in: Süddeutsche Zeitung, 01.04.1968. „SPD wird weiter mit KPI sprechen“ von Volkmar Hoffmann, in: Frankfurter Rundschau, 05.04.1968, S. 2. Der Spiegel, Nr. 15, 08.04.1968, S. 27. FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1476, SFB, „Politik vom Tage” von Gerd Kolbe, 10.04.1968. „Entretiens Brandt-Moro à Rome“, in: Le Monde, 02.09.1969.
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mentsabgeordnete Geoffrey Stewart-Smith im Vorwort seines 1973 erschienenen Sammelbandes mit dem vielsagenden Titel „Brandt and the Destruction of NATO“ den Sozialdemokraten vor, sie hätten den PCI „as a continous link between the West German Socialists and the East German Communists and other Warsaw Pact states“167 genutzt. Auch in der bundesdeutschen Presse waren entsprechende Artikel häufig persönlich gegen Willy Brandt gerichtet. Beispielsweise betitelte die Welt am Sonntag die sozialdemokratischen Kontakte zum PCI im November 1970 als „ein Gespenst aus des Bundeskanzlers jüngster Vergangenheit“168 und wärmte somit das kurze Zusammentreffen von Brandt und Longo knapp zweieinhalb Jahre zuvor erneut auf. Vor dem Artikel der Welt am Sonntag war in italienischen Medien berichtet worden, dass sich Brandt während des Staatsbesuchs mit dem damaligen Bundeskanzler Kiesinger in Rom „hinter dem Rücken des Bonner Partners“169 mit PCI-Generalsekretär Longo getroffen habe. Der PCI habe anschließend die Position der SPD in die kommunistischen Parteizentralen in Moskau und Osteuropa übermittelt, was dort der Ostpolitik zum Durchbruch verholfen habe. SPD-Pressesprecher Frank Sommer hatte diesem Vorwurf bereits nach den ersten Meldungen 1968 deutlich widersprochen: „Eines der böswilligen Gerüchte spricht von einem Gespräch zwischen dem SPDVorsitzenden Bundesaußenminister Willy Brandt und dem italienischen Kommunistenführer Longo, das angeblich ‚hinter dem Rücken des Kanzlers‘ stattgefunden habe. Daran ist natürlich kein Wort wahr. Ein solches Gespräch hat es nie gegeben. Im übrigen ist der Bundeskanzler über die Gespräche zwischen Vertretern der SPD und der KPI unterrichtet worden.“170 Auch in der italienischen Presse wurden die Gespräche zwischen beiden Parteien aufmerksam rezipiert. Die Botschaft der Bundesrepublik in Rom informierte das Auswärtige Amt nach den ersten Pressemeldungen in Italien darüber, dass die meisten Zeitungen und Zeitschriften bemängelt hätten, man gäbe der Kommunistischen Partei Italiens einen Kredit, „den sie nicht verdiene, insbesondere in den Augen der öffentlichen Mei-
167 Geoffrey Stewart-Smith: Introduction, in: Ders. (Hrsg.): Brandt and the Destruction of NATO, Richmond 1973, S. 3. 168 „Traf sich Willy Brandt heimlich mit Italiens KP-Chef Longo?“ von Kurt Leissler, in: Welt am Sonntag, 22.11.1970. 169 Ebenda. 170 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Handschriftliche Aufzeichnung über die Gespräche der SPD mit der KPI von Frank Sommer an „Welt am Sonntag“, 07.04.1968, Bonn, S. 1f.
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nung Italiens, die bisher in der KPI die größte Gefahr für die demokratischen Institutionen Italiens sehe“171. Bereits am 4. April 1968 hatte das Präsidium der SPD den Bericht seines Mitglieds Egon Franke über die Gespräche zwischen SPD und PCI „mit Befriedigung“172 zur Kenntnis genommen. Doch nach dem Wirbel um die Veröffentlichung der Kontakte und vor dem Hintergrund bevorstehender Wahlen vereinbarte man vorerst keinen konkreten Termin für weitere Treffen zwischen beiden Parteien, sondern wollte schriftlichen Austausch halten.173 Dieser sollte zwischen Leo Bauer, der seit 1968 Chefredakteur der Neuen Gesellschaft war, und Sergio Segre privat abgestimmt werden. Nach den Bundestagswahlen und der Regierungsübernahme der SPD in einer Koalition mit der FDP wurden die Kontakte ab Oktober 1969 wieder intensiviert.174 Hierbei spielte insbesondere der publizistische Dialog in den Theoriezeitschriften beider Parteien, Neue Gesellschaft und Rinascita, eine zentrale Rolle.175 Auch auf persönlicher Ebene liefen die Kontakte weiter, wenngleich vorerst nicht mehr primär über die SPD-Parteizentrale. Bauer reiste als Privatperson im April, Juni und Oktober 1968 nach Rom, um sich mit Segre und weiteren Führungspolitikern des PCI zu treffen.176 Bei dem Treffen am 2. Oktober berichtete Bauer, dass die vereinigten italienischen Sozialisten und Sozialdemokraten sehr negativ auf die Kontakte zwischen der SPD und dem PCI reagiert hätten. Dies würde die SPD jedoch nicht davon abhalten, die informellen Beziehungen weiterzuführen.177 Ebenso nahm Bauer nicht in seiner Funktion als SPD-Politiker, sondern offiziell als Chefredakteur der Neuen Gesellschaft am Parteikongress des PCI im Februar 1969 in Bologna teil. Er war sich jedoch bewusst, dass man ihn dort trotzdem als Delegierten der SPD ansehen würde.178 Unsicherheiten über den Status von Bauer waren auf Seiten des PCI dadurch entstanden,
171 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Fernschreiben der Deutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt, Ministerbüro, 08.09.1969, Rom. 172 Timmermann: Im Vorfeld der neuen Ostpolitik, S. 396. 173 Ebenda; Rinascita, Nr. 13, 29.03.1968, S. 31. 174 Vgl. Mauro Maggiorani: L'Europa degli altri. Comunisti italiani e integrazione europea (1957–1969), Rom 1998, S. 272f. 175 Vgl. Rinascita, Nr. 41, 10.10.1969, S. 3–6; Rinascita, Nr. 44, 07.11.1969, S. 9f; Neue Gesellschaft, Nr. 5/1969, S. 476–490. 176 Vgl. Scheib: Die italienische Diskussion, S. 244. 177 FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1526, Incontro del compagno Segre con Bauer, 2 ottobre 1968, Roma, 03.10.1968, Rom. 178 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Brief von Leo Bauer an Willy Brandt, 11.02.1969, Bonn.
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dass er vom Internationalen Sekretär im SPD-Parteivorstand und nicht über die Neue Gesellschaft als Teilnehmer angemeldet worden war.179 Beeindruckt berichtete Bauer nach seiner Rückkehr an Brandt: „Die italienischen Kommunisten haben fast einstimmig ihre Ablehnung des Einmarsches in die ČSSR und die Verurteilung der Breschnew-Doktrin bestätigt. Während des Kongresses kam es zu Demonstrationen und Ovationen für die Tschechoslowakei. Die sowjetische Delegation ebenso wie die Delegationen der in die ČSSR einmarschierten Truppen wurden gezwungen, stehend Dubček zu feiern. Nur die SED-Delegation klatschte nicht. […] Alle Versuche der Ostblockdelegationen, die Bundesrepublik als revanchistisch usw. zu brandmarken, riefen nicht das geringste Echo der 5 000 Delegierten und Gäste hervor.“180 Bauer erwähnte auch, dass der Einmarsch neben den italienischen Kommunisten auch von den KP-Delegationen aus Spanien, Japan, Belgien und Finnland verurteilt worden war.181 Wie vertrauensvoll die persönlichen Kontakte mittlerweile waren, zeigte sich an der kontinuierlichen gegenseitigen Unterrichtung beider Parteien. Nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings ließen Egon Franke und Leo Bauer die Entschließung des SPD-Parteivorstands zu den Ereignissen in Prag umgehend ihren Gesprächspartnern Berlinguer, Segre und Galluzzi zukommen.182 Letzterer übermittelte im Gegenzug die entsprechenden Beschlüsse und Stellungnahmen der PCI-Führung.183 Ebenso informierte Galluzzi seinen sozialdemokratischen Gesprächspartner Bauer direkt nach der Rückkehr von der Vorbereitungssitzung zur kommenden kommunistischen Weltkonferenz 1969 in Moskau und bat um ein Treffen mit ihm.184 Bauer flog daraufhin nach Rom, wo ihn Galluzzi über die heftigen Differenzen zwischen den reformorientierten und moskauorien-
179 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI und SPD/BdKJ, 1/LBAA000011, Brief von Armando Cossutta an den SPD-Parteivorstand, 02.01.1969, Rom; AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Brief von Hans-Eberhard Dingels an Armando Cossutta, 25.01.1969, Bonn. 180 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Bericht über die Teilnahmen an den Parteikongressen des PCI in Bologna und des BdKJ in Belgrad von Leo Bauer, ohne Datum [1969], S. 1. 181 Ebenda. 182 FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1488–1494, Brief von Egon Franke und Leo Bauer an Enrico Berlinguer, Sergio Segre und Carlo Galluzzi, 28.08.1968, Bonn. 183 FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1495, Brief Carlo Galluzzi an Egon Franke, 30.08.1968, Rom. 184 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Brief von Leo Bauer an Willy Brandt, 25.03.1969, Bonn.
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tierten kommunistischen Parteien informierte. Brandt hatte bereits Anfang Januar 1969 sein Einverständnis für eine Fortführung der Gespräche gegeben.185 In Rom kam es dann am 29. und 30. März 1969 auch zu einem erneuten Zusammentreffen von Bauer mit Berlinguer und Segre.186 Bauers lobender Artikel über den Parteikongress des PCI im Vorwärts vom März 1969 war zuvor in der Parteizentrale der italienischen Kommunisten mit Wohlwollen aufgenommen worden.187 Während des Gesprächs wurde deutlich, dass der PCI in Person von Galluzzi vor allem wegen seiner Ablehnung einer pauschalen Verurteilung der Volksrepublik China sowie der Forderung nach einer offenen Diskussion des Einmarsches in der Tschechoslowakei von der KPdSU, den östlichen Bruderparteien und auch von den französischen Kommunisten heftig kritisiert worden war.188 Der PCI, so versicherte Galluzzi Bauer, werde keinen Resolutionen auf der kommunistischen Weltkonferenz zustimmen, die die Bundesrepublik Deutschland oder die SPD als revanchistisch verurteilen würden.189 Galluzzi erwähnte ebenfalls, dass er während der Vorbereitungskonferenz von einer hochrangigen KPdSU-Delegation um den sowjetischen Ministerpräsidenten Alexei Kossygin, Parteiideologe Michail Suslow und den Internationalen Sekretär des ZK Boris Ponomarjow nach den Kontakten zur SPD befragt worden sei.190 Des Weiteren berichtete Galluzzi, „daß die Sowjets und die SED systematisch innerhalb der Reihen der KPI gegen die politischen Konzeptionen der KPI-Führung intrigieren“191. Max Reimann192 hatte die italie-
185 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Aktennotiz von Leo Bauer an Willy Brandt, 05.01.1969, Bonn, S. 2. 186 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Bericht über die Begegnung mit der KPI am 29. und 30. März 1969 in Rom von Leo Bauer, 01.04.1969, Bad Godesberg, S. 1. 187 FIG, APCI, Estero, 1969, mf 0308, 1308–1311, „Un partito comunista indipendente“ di Leo Bauer, articolo apparso sul Vorwaerts 20. febbraio 1969, 12.03.1969, Rom. 188 Zur kommunistischen Weltkonferenz in Moskau 1969 siehe ausführlich: Heinz Timmermann: Mehr Vielfalt als Einheit. Eine Nachlese zum Moskauer Kommunistenkonzil, Köln 1969. 189 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Bericht über die Begegnung mit der KPI am 29. und 30. März 1969 in Rom von Leo Bauer, 01.04.1969, Bad Godesberg, S. 1f. 190 Ebenda. 191 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI und SPD/BdKJ, 1/LBAA000011, „Gespräch mit Carlo Galluzzi und Sergio Segre am 25. Juni 1969 in Rom“ von Leo Bauer, 27.06.1969, Bonn, S. 2. 192 Max Reimann (1898–1977) war der Delegierte der seinerzeit illegalen westdeutschen KPD auf der Moskauer Weltkonferenz. Ab 1971 fungierte er als Ehrenvorsitzender der neugegründeten DKP.
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nischen Kommunisten sogar explizit vor den Kontakten mit der SPD gewarnt.193 Gegenüber der im September 1968 neu gegründeten Deutschen Kommunistischen Partei nahm der PCI eine äußerst kritische Haltung ein. Vor allem die Angriffe auf die SPD wurden intern verurteilt. So hieß es in dem vom Delegationsleiter Anselmo Gouthier verfassten Bericht an die Parteiführung nach dem Parteitag der DKP in Essen im April 1969: „Come è chiaramente emerso nei colloqui avuti con i vari dirigenti del partito, il giudizio che essi danno sul gruppo dirigente della S.P.D. è categoricamente negativo. […] Il giudizio infatti sulla politica della S.P.D. è estremamente severo, analogo o identico a quello che viene datto dalla S.E.D.: la partecipazione della S.P.D. alla ‚grande coalizione‘ ha rafforzato, aggiornandola, a linea reazionaria tradizionale, all’intero con le leggi di emergenza, in politica estera avviando quella ‚Ostpolitick‘ [sic], che punta alla disgregazione dei paesi socialisti, all’isolamento della D.D.R. ecc. […] Sul congresso hanno espresso guidizio estremamente favorevole i compagni del PCUS, polacchi, ungheresi, della S.E.D.“194 Innenpolitisch wurden die Kontakte zwischen deutschen Sozialdemokraten und italienischen Kommunisten weiter instrumentalisiert. So waren die SPDPCI-Gespräche Inhalt einer kleinen Anfrage des CSU-Abgeordneten Lorenz Niegel in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. November 1971. Der Oppositionspolitiker wollte wissen, inwieweit jetzige Mitglieder oder Berater der sozial-liberalen Bundesregierung an den Gesprächen mit den italienischen Kommunisten teilgenommen hatten. Bundeskanzleramtschef Horst Ehmke referierte im Namen der Bundesregierung die Teilnehmer und stellte fest, dass außer dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen Egon Franke kein Berater oder
193 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI und SPD/BdKJ, 1/LBAA000011, „Gespräch mit Carlo Galluzzi und Sergio Segre am 25. Juni 1969 in Rom“ von Leo Bauer, 27.06.1969, Bonn, S. 5. 194 „Wie in Diskussionen mit verschiedenen Führern der Partei klar geworden ist, ist das Urteil über die Leitungsebene der SPD kategorisch negativ. […] Das Urteil über die Politik der SPD ist in der Tat außergewöhnlich ernst, ähnlich oder identisch dem der SED: Die Beteiligung der SPD an der Großen Koalition hat die traditionelle reaktionäre Linie gestärkt und erneuert, mit den Notstandsgesetzen, mit dem Beginn der Ostpolitik in der Außenpolitik, die auf den Zerfall der sozialistischen Staaten abzielt, auf die Isolation der DDR etc. […] Auf dem Parteitag haben sie sich äußerst zugeneigt gegenüber den Genossen der KPdSU, aus Polen, Ungarn und von der SED gezeigt.“ FIG, APCI, Estero, 1969, mf 0308, 1313, Nota informativa sul primo congresso della Deutsche Kommunistische Partei a Essen, 12–13 aprile 1969 von Anselmo Gouthier, 22.04.1969, Rom.
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Mitglied der jetzigen Regierung teilgenommen hatte.195 Die Bundestagsdebatte fand auch die Aufmerksamkeit der PCI-Führung, die sie für den internen Gebrauch ins Italienische übersetzen ließ.196 Knapp fünf Monate nach der Anfrage forderten die CSU-Bundestagsabgeordneten Richard Jaeger und Walter Becher in einem Brief an Egon Franke den Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen auf, öffentlich Auskunft über die „Geheimverhandlungen“ zwischen SPD und PCI zu geben.197 Franke wies das Anliegen – nach eineinhalbmonatiger Wartezeit – schroff ab: „Mein politisches Verhalten war in den zurückliegenden Jahrzehnten völlig eindeutig und wird es auch bleiben und bedarf Ihnen gegenüber keiner Klarstellung.“198 Wie bereits erwähnt, wusste auch der Bundesnachrichtendienst frühzeitig über die Kontakte Bescheid.199 Unklarheit besteht bis heute darüber, wer dem BND die entsprechenden Informationen zuspielte.200 Kaum vertrauenswürdig scheint in
195 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus/AG Süd-Westeuropa/Europa, 1/HEAA000772, Stenografischer Bericht der Sitzung des Deutschen Bundestages am 04.11.1971, S. 8531f. 196 FIG, APCI, Estero, 1972, mf 053, 1617, Nota per Longo, Berlinguer, Pajetta, Ufficio di Segretaria von Sergio Segre, 15.01.1972 [in der Quelle fälschlicherweise als 1971 angegeben, d. Verf.], Rom. 197 ACSP, Nachlass Richard Jaeger, C: 240, Brief von Richard Jaeger und Walter Becher an Egon Franke, 14.04.1972, Bonn. 198 ACSP, Nachlass Richard Jaeger, C: 240, Brief von Egon Franke an Richard Jaeger und Walter Becher, 31.05.1972, Bonn. 199 Vgl. Jens Wegener: Die Organisation Gehlen und die USA. Deutsch-amerikanische Geheimdienstbeziehungen, 1945–1949, Berlin, Münster 2008, S. 126. 200 Mehrere Quellen vermuten, dass der Gesprächsteilnehmer und Informationsdirektor beim SPD-Parteivorstand Fried Wesemann die entsprechenden Informationen weitergegeben hat. Wesemann, der später kurzzeitig als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten des Bundesnachrichtendienstes im Gespräch war, verfügte über gute Kontakte zum BND. Vgl. Waske: Mehr Liaison als Kontrolle, S. 149f.; Berliner Extra-Dienst, 03.04.1968, S. 2. Peter Merseburger vermutet mit Verweis auf die US-amerikanische Ausgabe der Autobiografie Reinhard Gehlens, dass die Informationen über die SPD-PCI-Gespräche durch italienische Geheimdienste an den BND weitergegeben wurden. Vgl. Peter Merseburger: Willy Brandt, 1913–1992. Visionär und Realist, München 2002, S. 540. Auch der SFBJournalist Gerd Kolbe berichtete von der Unterrichtung der Democrazia Cristiana über die PCI-SPD-Gespräche durch den italienischen Auslandsnachrichtendienst. Vgl. FIG, APCI, Estero, 1968, mf 0552, 1477, SFB, „Politik vom Tage“ von Gerd Kolbe, 10.04.1968. Der Corriere della Sera berichtete hingegen, dass ein enger Vertrauter von Franz Josef Strauß zeitgleich mit dem Treffen zwischen der SPD- und PCI-Delegation in München im Januar 1968 im gleichen Hotel gewesen sein soll und anschließend den BND
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diesem Zusammenhang die Aussage Reinhard Gehlens. Dieser behauptete in seinem 1980 postum erschienenen Buch „Verschlußsache“, dass Brandt Bundeskanzler Kiesinger nicht über die Gespräche mit dem PCI informiert hatte, was er als damaliger Präsident des BND nach Bekanntwerden durch „verschiedene nachrichtdienstliche Quellen“201 unverzüglich nachgeholt habe. Laut Philipp Gassert wurde Kiesinger jedoch erst im Januar 1968 durch Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß in Kenntnis gesetzt.202 Kiesinger habe daraufhin ein Gespräch mit Wehner geführt, der anschließend einen Bericht über die SPD-PCI-Gespräche an den Bundeskanzler übersandt habe, bevor dieser zu dem bereits erwähnten Staatsbesuch nach Italien reiste. Heinz Timmermann folgend hat Wehner die Spitzen von CDU/CSU zusätzlich am 4. April 1968 im Kreßbronner Kreis, dem informellen Koalitionsausschuss, persönlich über die SPD-PCI-Kontakte unterrichtet.203 Helmut Bärwald, bis 1971 Leiter des Referats für gesamtdeutsche Fragen beim SPD-Parteivorstand, führte die Kenntnisse des BND in seinem 1976 erschienenen Werk „Trojanische Kavallerie“ auf „erprobte zuverlässige Quellen innerhalb der italienischen KP“204 zurück. In dieser Publikation zitierte Bärwald ausführlich, allerdings ohne Quellenangaben, aus BND-Berichten über die SPDPCI-Kontakte. Durch seine vehemente Ablehnung der Zusammenarbeit mit den Eurokommunisten und der sozial-liberalen Ostpolitik im Allgemeinen, seinem 1971 vollzogenen Austritt aus der SPD verbunden mit einer zunehmenden politischen Rechtsorientierung und enger Kontakte zum Bundesnachrichtendienst ist es möglich, dass Bärwald selbst Informationen über die sozialdemokratischen Gespräche mit dem PCI weitergab.205 Die CIA war ebenfalls über die Gespräche zwischen den beiden Parteien informiert, stufte diese seinerzeit jedoch offensichtlich als nachrangig ein.206 Alexander Höbel zufolge hatte der enge Beziehungen zur US-Botschaft pflegende PSDI-Politiker Antonio Cariglia durch Kontakte zur italienischen Polizei und den Geheimdiensten entsprechende Informationen
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informiert habe. Vgl. FIG, APCI, Estero, 1971, mf 0162, 0825, „La Ostpolitik alle Botteghe Oscure” von Giovanni Russo, in: Corriere della Sera, 28.09.1971. Reinhard Gehlen: Verschlußsache, Mainz 1980, S. 121f. Vgl. Gassert: Kurt Georg Kiesinger, S. 595ff; Waske: Mehr Liaison als Kontrolle, S. 150. Vgl. Timmermann: Im Vorfeld der neuen Ostpolitik, S. 398. Helmut Bärwald: Trojanische Kavallerie. Anmerkungen zum psychologisch-politischen Krieg gegen die Freiheit, München 1976, S. 46. Die Publikation erschien im rechtsgerichteten Schild-Verlag. Bereits 1974 war bekannt geworden, dass Bärwald regelmäßig Informationen aus der SPD-Parteizentrale an den BND weitergebgeben hatte. Vgl. Gassert: Kurt Georg Kiesinger, S. 596, 601.
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erhalten und diese an die diplomatische Vertretung der Vereinigten Staaten in Rom weitergegeben.207 Nach den Bundestagswahlen vom 28. September 1969 und der anschließenden Regierungsbildung von SPD und FDP unter Bundeskanzler Brandt kam es am 1. und 2. November 1969 zu einem weiteren Treffen zwischen Bauer und Berlinguer, Galluzzi und Segre. Letzterer hatte die Zusammenkunft bei einem Telefonat mit Bauer angeregt, um die Informationsgespräche zwischen SPD und PCI nach den Wahlen wieder aufzunehmen. In einem mit „streng vertraulich“ markierten Aktenvermerkt an Brandt und Wehner berichtete Bauer von den Gesprächen.208 Inhaltlich hatte man sich mit den Ideen für ein Kolloquium zu Fragen der europäischen Sicherheit auseinandergesetzt, das während eines Gesprächs zwischen Wehner, Bahr, Franke, Bauer, Berlinguer, Galluzzi und Segre am 29. April 1969 im Bonner Erich-Ollenhauer-Haus besprochen worden war.209 Ebenso sollte die parteiübergreifende Diskussion in den beiden Theoriezeitschriften Rinascita und Neue Gesellschaft weiter intensiviert werden.210 Während des Gesprächs mit Bauer machte die PCI-Delegation deutlich, dass sie die Initiative zu einer neuen Ostpolitik der sozial-liberalen Bundesregierung begrüßt. Ebenso berichteten Berlinguer, Segre und Galluzzi, dass in Moskau, Budapest, Bukarest, Sofia und Prag mindestens Teile der dortigen KP-Führungen auf die Gesprächsangebote Bonns eingehen wollten.211 Nach der Bundestagwahl berichtete der italienische Kommunist Giorgio Signorini, der sich als Beobachter des PCI für die Bundestagswahlen in Bonn aufgehalten hatte, von seinen Unterredungen mit Willy Brandt, Herbert Wehner und
207 Vgl. Höbel: Il PCI, S. 431f. Auffällig ist bei Höbel, dass die US-Botschaft erst drei Monate nach den Gesprächen die Informationen an das State Department übermittelte (vgl. ebenda, dort: Anmerkung 81). 208 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Aktenvermerk von Leo Bauer an Willy Brandt und Herbert Wehner, 07.11.1969, Bonn. 209 Vgl. Schoch: Die internationale Politik, S. 347f. Willy Brandt sollte ursprünglich an dem Gespräch teilnehmen, sagte dann jedoch kurzfristig ab. Christine Scheib vermutet auf Basis eines Zeitzeugengesprächs mit Carlo Galluzzi, dass sich Brandt nicht der Gefahr der Kompromittierung durch das Bekanntwerden von Gesprächen mit PCI-Vertretern in der SPD-Parteizentrale aussetzen wollte. Vgl. Scheib: Die italienische Diskussion, S. 245. 210 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Aktenvermerk von Leo Bauer an Willy Brandt und Herbert Wehner, 07.11.1969, Bonn, S.1. 211 Ebenda, S.1f.
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Karl Schiller an Generalsekretär Longo.212 Brandt habe ihm vermittelt, dass er zwischen SPD und PCI vor allem in der Europa- und Sicherheitspolitik viele gemeinsame Positionen sehe.213 Auch Wehner hätte die Entwicklung der italienischen Kommunisten begrüßt. In der ersten Sitzung des Zentralkomitees nach der Bundestagswahl wurden die neuen Machtverhältnisse in Bonn am 13. November 1969 im Hinblick auf die Folgen für Europa ausgiebig diskutiert und für gut befunden.214 Leo Bauers angeschlagener Gesundheitszustand, die knappen Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag für die neue Regierungskoalition und nicht zuletzt die starke Kritik an den Kontakten vom politischen Kontrahenten CDU/CSU215 führten dazu, dass Bauer Ende Dezember 1969 Segre vorerst um eine Aussetzung weiterer Informationsgespräche bat.216 Der schriftliche Austausch wurde jedoch fortgeführt und vereinzelt kam es zu gegenseitigen Besuchen Segres bei Bauer und vice versa.217 Peter Brandt et al. berichten über mindestens 15 Treffen von Vertretern beider Parteien zwischen der ersten Zusammenkunft im November 1967 und Herbst 1971.218 Auch kam es zu Teilnahmen deutscher Sozialdemokraten an Veranstaltungen der italienischen Kommunisten, so bei-
212 FIG, APCI, Estero, 1969, mf 0308, 1326-1327, Nota per il compagno Longo da Giorgio Signorini, 29.10.1969, Rom. 213 Vgl. Michele Di Donato: Il rapporto con la socialdemocrazia tedesca nella politica internazionale del Pci di Luigi Longo (1967–1969), in: Dimensioni e problemi della ricerca storica. Rivista del Dipartimento di studi storici dal medioevo all'età contemporanea dell'Università La Sapienza di Roma, Nr. 2/2011, S. 159. 214 FIG, APCI, Commissioni permanenti del c.c., 1969, mf 067, 14, Brief von Umberto Gardia, 30.10.1969, Rom. 215 Zur Reaktion des Koalitionspartners CDU/CSU nach Bekanntwerden der Gespräche zwischen SPD und PCI 1967/68 siehe ausführlich: Gassert: Kurt Georg Kiesinger, S. 595–602; Dirk Kroegel: Einen Anfang finden! Kurt Georg Kiesinger in der Außenund Deutschlandpolitik der Großen Koalition, München 1997, S. 220–223. 216 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Brief von Leo Bauer an Sergio Segre, 30.12.1969, Bonn, S. 1f. 217 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Bericht von Leo Bauer über Begegnung mit Sergio Segre und Enrico Berlinguer am 29. Juli 1970 im Büro von S. Segre in der Unità, August 1970, Bonn; AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Bericht von Leo Bauer über Begegnung mit Sergio Segre am 18. Oktober 1970 in Rom, 20.10.1970, Bonn; AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Brief von Karl-Ludolf Hübener an Sergio Segre, 07.12.1971, Bonn. 218 Brandt et al.: Karrieren eines Außenseiters, S. 287f.
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spielsweise bei der vom Centro Studi di Politica Economica des PCI veranstalteten Konferenz „I comunisti italiani e l’Europa“ vom 23. bis 25. November 1971 in Rom.219 Karl-Ludolf Hübener, der als Redakteur der Neuen Gesellschaft als eines von drei SPD-Mitgliedern an der PCI-Konferenz teilnahm, hob anschließend in seinem Bericht positiv hervor: „Erstaunlich, daß sich die KPI mit ihrem EuropaKonzept einem derart offenen Forum stellte.“220 Der Vertreter der italienischen Sozialisten auf der Konferenz monierte ihm gegenüber, dass es in der Neuen Gesellschaft mehr Artikel zum PCI als zum PSI gäbe. Hübener berichtete daraufhin an den SPD-Parteivorstand: „Ich hatte den Eindruck, daß die PSI sich ein wenig vernachlässigt fühlt.“221 Besonders aufschlussreich war ein im Flüsterton geführtes Gespräch zwischen den Vertretern der dänischen und tschechoslowakischen KP sowie der SED, das Hübener beim Essen belauscht hatte und von ihm wiedergegeben wurde: „Die KPI sagte vor einigen Jahren: Wir gehen diesen Schritt und nicht weiter. Dann sagte sie ein wenig später: Dieser Schritt und dann ist Schluß. Und jetzt … wie weit die wohl noch gehen?‘“222 Auch konnte Hübener feststellen, dass den anderen europäischen KPs, mit Ausnahme der französischen, jugoslawischen und belgischen Kommunisten, „die ganze Richtung, sprich: der von der italienischen KP eingeschlagene Weg, nicht behagt“223. Ein besonders heikles Thema der SPD-PCI-Gespräche stellte die Personalie Herbert Kappler dar.224 Der Nationalsozialist Kappler war als Chef des Sicherheitsdienstes und der Sicherheitspolizei in Rom einer der Hauptverantwortlichen für das Massaker in den Fosse Ardeatine am 24. März 1944 gewesen.225 Nachdem Kappler im Mai 1945 gefangen genommen worden war, verurteilte ihn ein Militärgericht in Rom am 20. Juli 1948 zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe. Laut Urteil hatte Kappler einerseits die Vergeltungsmaßnahme in den Fosse Ardeatine mit 335 Toten für einen Partisanenangriff in der Via Rasella befehligt, zum
219 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Bericht von Karl-Ludolf Hübener, 02.12.1971, Bonn. 220 Ebenda, S. 2. 221 Ebenda, S. 6. 222 Ebenda, S. 5. 223 Ebenda. 224 Zum Fall Kappler und den italienischen Reaktionen siehe ausführlich: Petra Terhoeven: Deutscher Herbst in Europa. Der Linksterrorismus der siebziger Jahre als transnationales Phänomen, München 2014, S. 493–500. 225 Vgl. Felix Nikolaus Bohr: Ermittlung nicht erwünscht. Das geplante „Restverfahren“ im Fall Herbert Kappler: Ein Zeugnis deutscher und italienischer Vergangenheitspolitik (1959–1961). In: Themenportal Europäische Geschichte (2012), URL: http://www.europa.clio-online.de/2012/Article=528 (Abruf am 09.04.2014).
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anderen hatte er von der jüdischen Gemeinde in Rom 50 Kilogramm Gold erpresst. Trotz der Aushändigung des Goldes war es später zur Deportation von ca. 1 000 römischen Juden gekommen, von denen nur zehn die Konzentrationslager überlebt hatten. Schon im Juli 1955 hatte der bundesdeutsche Botschafter Clemens von Brentano dem italienischen Außenminister Gaetano Martino die Bitte um die Begnadigung Kapplers übermittelt. Eine Rolle dürften dabei innenpolitische Erwägungen gespielt haben, da die seinerzeit mit CDU, CSU und FDP koalierenden Deutsche Partei und Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten Druck zugunsten Kapplers aufgebaut hatten.226 Auf die Bitte der Regierung Adenauer wurde jedoch nicht eingegangen. 1958 kam es zu einem zweiten Versuch, der von Botschafter Manfred Klaiber übermittelt wurde. Geheime Pläne der italienischen Regierung, Kappler nach einem Bußgang zu den Ardeatinischen Höhlen freizulassen, wurden allerdings nicht umgesetzt. In den Folgejahren entwickelte sich Kappler vor allem für die linken Parteien und Verbände zum „Inbegriff des deutschen Terrorregimes in Italien“227. Insbesondere seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre intensivierte Kappler seine Bemühungen um eine vorzeitige Entlassung aus der italienischen Haft. So wandte er sich schriftlich an den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und weitere Mitglieder der Bundesregierung sowie an führende Stellen der Kirchen. Leo Bauer forderte deswegen am 14. Februar 1969 eine Einschätzung der bundesdeutschen Botschaft in Rom zu den NS-Kriegsverbrechern Herbert Kappler und Walter Reder an.228 Reder, der als Major an dem Massaker in Marzabotto mit mindestens 770 Toten teilgenommen hatte, war am 31. Oktober 1951 von einem Militärgericht in Bologna zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt worden. Im März 1969 erhielt Bauer die angeforderten Aufzeichnungen von Reinhard Wilke, dem Leiter des Ministerbüros im Auswärtigen Amt.229 Die Freilassung Reders wurde nach Übermittlung des Berichts von Bauer nicht weiterverfolgt, da dieser zwar 1934 die Einbürgerung im Deutschen Reich erwirkt hatte, diese aber nicht gültig gewesen sei und er somit weiterhin österreichischer Staatsbürger war, was auch 1956 vom Staat Österreich anerkannt wurde. Der Fall Kappler belastete jedoch weiterhin die deutschitalienischen Beziehungen.
226 Vgl. Vordemann: Deutschland-Italien 1949–1961, S. 71ff. 227 Ebenda, S. 74. 228 Das Motiv Leo Bauers für eine Freilassung Kapplers dürfte eine Mischung aus politischem Kalkül gegenüber nationalen Kreisen in der Bundesrepublik und tatsächlichem Mitleid gewesen sein. Vgl. Brandt et al.: Karrieren eines Außenseiters, S. 288ff. 229 AdsD, Bestand Leo Bauer, Mitarbeiter der SPD-Führung für besondere Aufgaben, 1/LBAA000014, Brief von Reinhard Wilke an Leo Bauer, 17.03.1969, Bonn.
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Auch Bundeskanzler Brandt diskutierte das Thema mit seinem italienischen Amtskollegen Emilio Colombo im April 1971.230 Knapp ein halbes Jahr später schrieb Kappler an Brandt und brachte in dem Brief zum Ausdruck, dass er im Gefängnis bleiben würde, wenn dies dem Frieden und den deutsch-italienischen Beziehungen diene.231 Bauer teilte, nach Rücksprache mit Brandt und Wehner, den Inhalt des Briefes den italienischen Kommunisten Longo, Segre und Pajetta in einem Gespräch am 14. November mit. Dieser Vertrauensbeweis beeindruckte die Führungsmitglieder des PCI nachhaltig. Gegenüber Wehner erklärte Bauer: „Am Dienstag sagte mir Willy, es sei angeregt worden, die Nobelpreisverleihung zu benutzen, um zu versuchen, über die besonderen Beziehungen in Rom etwas für Herrn Kappler zu tun. Er fragt mich, was ich davon halte. Du kennst ja meine Einstellung zu dieser Geschichte. Ich habe sofort ja gesagt. Aus diesem Grunde werde ich am Samstag abend nach Rom fliegen. Es ist gesichert, daß ich am Sonntag vormittag Longo sehe.“232 Giancarlo Pajetta, der selbst als Partisan gegen die nationalsozialistische Besetzung Italiens gekämpft hatte und dessen Bruder Giuliano im KZ Mauthausen inhaftiert gewesen war, schlug während des Gesprächs mit Bauer vor, dass Kappler ein Gnadengesuch an den italienischen Staatspräsidenten richten solle. In diesem solle er alle seine Taten offen zugeben, öffentlich bereuen und vor dem Faschismus warnen. Darauf könnte dann der PCI Bezug nehmen und müsste somit nicht eigenständig in der Causa Kappler die Initiative ergreifen, was innerparteilich kaum durchsetzungsfähig wäre. Die eigene Basis würde dagegen rebellieren, dem PCI nahestehende Organisationen von Widerstandskämpfern ebenso und linke Gruppen wie Il Manifesto würden dies umgehend gegen die Kommunistische Partei instrumentalisieren. Darüber hinaus setze sich bereits der neofaschistische MSI öffentlich für die Freilassung Kapplers sein. Eine gleichlautende Forderung des PCI würde die Faschisten öffentlich aufwerten und war daher unmöglich. Man würde sich hinter verschlossenen Türen jedoch nicht grundsätzlich gegen eine Überstellung Kapplers nach Deutschland weh-
230 WBA im AdsD, A 9 (geheim), 30, Protokoll des Gesprächs zwischen Willy Brandt und Emilio Colombo am 02. April 1971 in Bonn von Colette Bouverat, 14.04.1971, Bonn, S. 15. 231 AdsD, Bestand Leo Bauer, Mitarbeiter der SPD-Führung für besondere Aufgaben, 1/LBAA000014, Brief von Herbert Kappler an Willy Brandt, 24.10.1971, Militärgefängnis Gaeta. 232 AdsD, Bestand Leo Bauer, Mitarbeiter der SPD-Führung für besondere Aufgaben, 1/LBAA000014, Brief von Leo Bauer an Herbert Wehner, 12.11.1971, Bonn, S. 1.
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ren.233 Pajetta regte erneut an, dass Willy Brandt in einer Rede, im Idealfall in der Dankesrede bei der Entgegennahme des kurz zuvor an ihn verliehenen Friedensnobelpreises, auch die Opfer des Faschismus und die positive Rolle der Widerstandsbewegungen erwähnen könnte.234 Brandt handelte, sicherlich auch aus innerer Überzeugung, dementsprechend. In seiner Rede am 11. Dezember 1971 in Oslo hieß es: „Den Männern und Frauen des Widerstandes gegen Hitler bin ich gerade auch hier ein Wort tiefen Respekts schuldig. Ich grüße die ehemalige Résistance in allen Ländern.“235 Nach weiteren diplomatischen Bemühungen kam es 1976 zur Begnadigung Kapplers, die jedoch aufgrund des öffentlichen Drucks nach kurzer Zeit wieder zurückgenommen wurde. Inzwischen hatte sich auch eine interfraktionelle Arbeitsgruppe im Deutschen Bundestag gegründet, die sich mit der Causa Kappler beschäftigte.236 Neben dem PCI teilte nun auch der PSI den deutschen Sozialdemokraten mit, sich einer Amnestie Kapplers nicht mehr widersetzen zu wollen.237 Im Folgejahr wurde Kappler wegen einer Krebserkrankung in ein römisches Militärkrankenhaus verlegt. Mit Unterstützung seiner Frau floh er am 15. August 1977 von dort aus in die Bundesrepublik, wo er wenige Monate später am 9. Februar 1978 im niedersächsischen Soltau verstarb.238 Folge der Flucht Kapplers, der seit seiner Verurteilung als „Symbolfigur des Bösen im italienischen Widerstandsmythos“239 galt, war eine Kampagne zahlreicher europäischer kommunistischer Parteien gegen die Bundesrepublik Deutschland. Auffällig war hier-
233 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI und SPD/BdKJ, 1/LBAA000011, „Betrifft: Herbert Kappler“ von Leo Bauer, 15.11.1971, Bonn, S. 1. 234 Ebenda, S. 3. 235 Vortrag des Bundeskanzlers Willy Brandt zum Thema „Friedenspolitik in unserer Zeit“ in der Universität Oslo am 11. Dezember 1971 anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises, online unter: www.willy-brandt.de/fileadmin/brandt/downloads/ Rede_Willy_Brandt_Nobelpreis_1971.pdf, S. 11 (Abruf am 19.09.2013). 236 PAAA, Bestand B 150, Bd. 350, Haftsache Kappler, Stellungnahme und Information für den Herrn Bundeskanzler von Herrn Dr. Dreher, 23.06.1976, Bonn. 237 WBA im AdsD, A 11.13, 7, Vermerk an Willy Brandt von Hans-Eberhard Dingels, 08.03.1976, Bonn. 238 Vgl. Felix Nikolaus Bohr: Flucht aus Rom. Das spektakuläre Ende des „Falles Kappler“ im August 1977, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 60. Jahrgang, Nr. 1/2012, S. 120– 128. 239 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Erinnerungen von Rolf Lahr, 15.12.1975, Rom, S. 8.
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bei die Zurückhaltung des PCI im Vergleich zum PCF.240 Wolfgang Berner schrieb in diesem Zusammenhang, dass die Humanité die Unità „bei weitem an Gehässigkeit in der gegen die Bundesrepublik gerichteten Polemik“241 übertreffe. Während das Verhältnis der SPD zu den italienischen Kommunisten durch die Flucht Kapplers nur kurzzeitig in Mitleidenschaft gezogen wurde, zeigte sich eine deutliche Verschlechterung des allgemeinen Deutschlandbildes in Italien, was auch Bettino Craxi gegenüber Bundeskanzler Schmidt kritisch anmerkte.242 Die gegen die Bundesrepublik gerichteten Angriffe der französischen Kommunisten bewiesen der SPD-Führung erneut die potenziellen Probleme eines engeren Kontakts zum PCF. Während man in der SPD grundsätzlich den Kontakt zu den italienischen Kommunisten aufrechterhalten wollte, sah man die Entwicklungen im Parti Communiste Français kritischer. Vor allem sorgte sich die SPD-Führung um den kommunismusfreundlichen Kurs des 1969 neugegründeten Parti Socialiste. Auf dem Parteikongress in Épinay-sur-Seine vom 11. bis 13. Juni 1971 hatte mit François Mitterrand ein klarer Befürworter der Zusammenarbeit mit dem PCF die Parteiführung übernommen. Bereits ein Jahr zuvor hatte eine hochrangige SPD-Delegation um Herbert Wehner, Hans Apel, Hans-Jürgen Wischnewski, Hans-Eberhard Dingels und Günter Markscheffel die PSFührungsmitglieder Alain Savary, Robert Pontillon und Robert Verdier vor einer Zusammenarbeit mit dem seinerzeit noch deutlich größeren PCF gewarnt.243 Die Vorbehalte gegenüber einer sozialistisch-kommunistischen Zusammenarbeit in Frankreich sollten sich in den Folgejahren ausweiten.
240 FIG, APCI, Segreteria, 1977, mf 0299, 0147, Presseerklärung des PCI-Sekretariats zur Flucht Herbert Kapplers, 16.08.1977, Rom; FIG, APCI, Segreteria, 1977, mf 0299, 0148, „Un insulto grave e una sfida grave“, in: L‘Unità, 17.08.1977. 241 Wolfgang Berner: Die Haltung der kommunistischen Parteien Frankreichs, Italiens und Spaniens zur Bundesrepublik Deutschland, Kurzinformation des Bundesinstituts für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien, Köln 1977, S. 9. 242 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000459, Vermerk über das Gespräch des Bundeskanzlers mit Bettino Craxi von Ministerialdirigent Loeck, 09.11.1977, Bonn, S. 4. 243 AdsD, Nachlass Günter Markscheffel, Nr. 38, Aktennotiz zu dem Gespräch zwischen deutschen Sozialdemokraten und französischen Sozialisten am 19. Januar 1970 von Günter Markscheffel, ohne Datum [Januar 1970], S. 2.
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5.3.1. „Wir trafen uns in einem der besten Restaurants von Rom und hielten keine proletarische Diät“244 – Die Intensivierung der Kontakte in den 1970er Jahren Nach dem Tode Leo Bauers am 18. September 1972 herrschte Unsicherheit darüber, wie und ob die Kontakte zwischen beiden Parteien weitergeführt werden konnten. Zum Jahreswechsel 1971/1972 hatte der Chefredakteur der Neuen Gesellschaft noch auf eine längerfristige Zusammenarbeit mit Segre gehofft: „Deshalb möchte ich Ihnen und Ihrer lieben Gattin auf diesem Wege meine herzlichsten Glückwünsche zum neuen Jahr übermitteln, mit der Hoffnung, daß es auch im nächsten Jahr Leo Bauer gibt, der helfen kann, einige nützliche Dinge zu entwickeln.“245 Bauer hatte durch seine freundschaftlichen Beziehungen zu Segre und anderen italienischen Kommunisten eine Basis geschaffen, die nun ersetzt werden musste. Doch die Beziehungen waren inzwischen derart gefestigt, dass auf Seiten der SPD mit Klaus Harpprecht und Horst Ehmke andere Führungspersonen die Verantwortung für die Kontakte übernahmen.246 Während Willy Brandt und auch Herbert Wehner kontinuierliches Interesse an den Kontakten zum PCI zeigten, blieb Helmut Schmidt weitestgehend außen vor und schien sich nur in geringem Maße für die Thematik zu interessieren. Dies änderte sich auch nicht nach dem Kanzlerwechsel im Mai 1974. Erst als eine Regierungsbeteiligung der italienischen Kommunisten vor den Wahlen 1976 in den Bereich des Möglichen rückte, äußerte sich Schmidt öffentlich zu Italien und kritisch zu einer Einbindung des PCI in die Regierungsverantwortung. Im Gegensatz zu Brandt, Bahr, Ehmke, Franke und anderen Spitzenpolitikern der SPD traf er allerdings nie per-
244 Egon Bahr zitiert in: AdsD, Depositum Egon Bahr, KPI 1965–1973, 1/EBAA001062, Protokoll des Gesprächs zwischen Egon Bahr und Sergio Segre am 15.10.1973 in Rom (nur für W.B.), ohne Datum [Oktober 1973], S. 1. 245 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Brief von Leo Bauer an Sergio Segre, 15.12.1971, Bonn, S. 1. 246 Vgl. Klaus Harpprecht: Schräges Licht. Erinnerungen ans Überleben und Leben, Frankfurt am Main 2014, S. 494–497. Am 16. Oktober 1973 meldete Segre an Berlinguer, Novella, Amendola und das ZK-Sekretariat, dass er eine längere Unterredung mit Klaus Harpprecht gehabt hätte. Dieser sei von Brandt beauftragt worden, die Kontakte zum PCI wieder aufzunehmen, nachdem diese seit dem Tode Leo Bauers unterbrochen gewesen waren. Harpprecht wurde von Segre als „un socialdemocratico aperto, e che fa un’impressione positiva“ (dt. „ein offener Sozialdemokrat, der einen positiven Eindruck macht“) beschrieben. FIG, APCI, Estero, 1973, mf 065, 1075, Nota per Berlinguer, Novella, Segretaria, Amendola von Sergio Segre, 16.10.1973, Rom.
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sönlich mit Enrico Berlinguer zusammen.247 Egon Bahr hatte hingegen wiederkehrend mit führenden italienischen Kommunisten Kontakt, so beispielsweise am 15. Oktober 1973 in Rom. In seinem anschließenden Bericht an den Parteivorsitzenden unterstrich er die gute Gesprächsatmosphäre, die ihm offener und ungezwungener erschien als Diskussionen mit manchen Parteigenossen.248 Segre hatte gegenüber Bahr betont, dass die Beziehungen zur Democrazia Cristiana in manchen Politikfeldern besser seien als zum PSI. Bahr hielt entsprechend fest: „Das Lied der DC sang er fast enthusiastisch.“249 Auch hatte Segre die positive Haltung der italienischen Christdemokraten gegenüber der sozial-liberalen Ostpolitik, die sie auch gegenüber der Schwesterpartei CDU artikulieren würden, erwähnt. Im Hinblick auf die SPD notierte Bahr nach dem Gespräch: „Es wurde klar erkennbar: PCI will von den sozialdemokratischen Parteien als Partner akzeptiert werden.“250 Deutlich wurde auch fünf Jahre nach dem Einmarsch die Verurteilung der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ durch den PCI. Segre verwies auf das letzte Gespräch Berlinguers mit Breschnew in Moskau, in dem der italienische Generalsekretär den Einmarsch erneut missbilligt habe. Auch äußerte sich Segre kritisch über einen nicht genannten PCI-Funktionär, der auf Einladung von Gustáv Husák Urlaub in der ČSSR gemacht hatte.251 Bahr erwähnte in dem Gespräch mehrmals das harte Schicksal von Dissidenten in der Tschechoslowakei und bat den PCI um entsprechende Einflussnahme. Segre entgegnete, dass der PCI seit der Niederschlagung keine offiziellen Beziehungen zur Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei unterhalte und daher derzeit nicht aktiv werden könne. Bahr bat jedoch darum, dass der PCI die italienische Regierung auf die Thematik hinweisen solle, damit diese offiziell an Husák appellieren und entsprechend Druck ausüben könne. Diese seltsam anmutende Dreiecksdiplomatie kommentierte Bahr mit den Worten: „Einem Kommunisten sagen, er solle den Einfluß seiner Partei bei seiner nicht-kommunistischen Regierung nutzen, um eine kommunistische Regierung zur Menschlichkeit gegenüber nicht-totalitären kommunistischen
247 „Einen anderen Sohn Sardiniens habe ich leider nie getroffen: Enrico Berlinguer.“ Helmut Schmidt: Die Deutschen und ihre Nachbarn, Menschen und Mächte, Teil II, Berlin 1990, S. 324. 248 AdsD, Depositum Egon Bahr, KPI 1965-1973, 1/EBAA001062, Protokoll des Gesprächs zwischen Egon Bahr und Sergio Segre am 15.10.1973 in Rom (nur für W.B.), ohne Datum [Oktober 1973], S. 1. 249 Ebenda, S. 2. 250 Ebenda, S. 4. 251 Ebenda.
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Intellektuellen zu überreden – das hat seine Ironie.“252 Segre informierte Bahr auch über das Ziel einer Konferenz kommunistischer Parteien Europas. Die Konferenz solle über zwei bis drei Jahre mit vier bis fünf Vorbereitungskonferenzen organisiert werden. Es sei nicht das erklärte Ziel, zwanghaft eine einstimmige Abschlusserklärung zu verfassen. Wenn es Meinungsverschiedenheiten bei den angedachten Themen Verteidigung, Finanz- und Wirtschaftspolitik, europäische Politik und Institutionen, regionale Wanderungsprobleme und Wandlung der Gesellschaft gäbe, würde man bilaterale Erklärungen erarbeiten und die Unterschiede klar benennen.253 Dem offensichtlich auf die KPdSU zurückgehenden Vorschlag der bulgarischen KP, erneut eine kommunistische Weltkonferenz einzuberufen, stehe man hingegen skeptisch gegenüber. Berlinguer habe Breschnew mitgeteilt, dass eine solche Konferenz nicht als Plattform gegen die Volksrepublik China dienen dürfe, Zwang zur ideologischen Konformität ausgeschlossen werden müsse und die Weltkonferenz erst nach einer Europakonferenz der westeuropäischen KPs stattfinden könne.254 Auch Günter Markscheffel hielt seine Kontakte zum PCI aufrecht und nahm beispielsweise als Gast am XIV. Parteikongress der italienischen Kommunisten vom 18. bis 23. März 1975 in Rom teil. Dort erzählte ihm der CGIL-Vorsitzende Lama, dass der Europabeauftragte der US-amerikanischen AFL-CIO, Irving Brown, mit entsprechenden Finanzmitteln versucht habe, autonome Gewerkschaftsgruppen aufzubauen, um die CGIL zu schwächen. Dieses Unterfangen sei jedoch misslungen.255 Markscheffel zeigte sich beeindruckt von Berlinguers knapp dreistündigem Einführungsreferat, in dessen außenpolitischem Teil betont wurde, dass Westeuropa als eigenständiger Faktor zwischen den Supermächten USA und UdSSR agieren müsse. Dieser „Dritte Weg“ könne sich auch positiv auf den Dialog zwischen beiden Mächten auswirken, da ein unabhängiges Westeuropa als Vermittler zwischen Washington und Moskau agieren könne. Einen Beitrag hierzu sollte die von den italienischen Kommunisten befürwortete Direktwahl des Europäischen Parlaments liefern. Ein Austritt aus der NATO wurde abgelehnt. Die USA wurden lediglich für die Unterstützung korrupter und die Menschenrechte missachtender Regime in Asien, so vor allem in Südvietnam, Südkorea und
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Ebenda. Ebenda, S. 4f. Ebenda, S. 5. AdsD, Nachlass Günter Markscheffel, Nr. 22, Bericht vom 14. Kongress des PCI in Rom vom 18.–23. März 1975 von Günter Markscheffel, S. 7.
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den Philippinen, kritisiert.256 Auch gab es organisatorische Reformen während des Kongresses, so wurde beispielsweise das Politbüro offiziell abgeschafft.257 Wenige Wochen nach dem Parteikongress nahm Sergio Segre am 7. Juli an einer Sitzung des Bergedorfer Gesprächskreis der Körber-Stiftung teil und traf anschließend mit Markscheffel in Bonn zusammen, wo er ihn über das Vorbereitungstreffen für die Konferenz der kommunistischen Parteien Europas informierte.258 Der enge Brandt-Vertraute Klaus Harpprecht weilte wenige Tage später vom 9. bis 12. Juli 1975 in Rom, um die Beratungen zwischen dem PCI und den ebenfalls reformorientierten spanischen Kommunisten mit deren Generalsekretär Santiago Carrillo zu verfolgen. In seinem anschließenden Bericht an Brandt kennzeichnete er die gemeinsame Erklärung der italienischen und spanischen Kommunisten als „klare Frontlinie gegenüber der in die Orthodoxie zurückfallenden KPF und vor allem der KPP Cunhals“259. Harpprecht schloss seinen Bericht mit der rhetorischen Frage zum Kommuniqué der PCI-PCE-Gespräche: „Man mag sich fragen, was an diesem Dokument noch kommunistisch ist?“260 Neben den Kontakten über die Partei hatte sich seit 1970 auch ein primär wissenschaftlicher Austausch der Auslandsabteilung der italienischen Kommunisten mit dem Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien etabliert. Von deutscher Seite lag die Federführung der Kontakte bei dem Politologen und SPD-Mitglied Heinz Timmermann. Auf Einladung des PCI verfolgte Timmermann mit seinem Kollegen Wolfgang Berner 1972 als Beobachter den XIII. Parteikongress des PCI in Mailand. In den folgenden Jahren wiederholte sich diese Teilnahme der BIOst-Wissenschaftler: Im März 1975 wohnte Timmermann als Beobachter dem XIV. Parteikongress des PCI in Rom bei, im März 1979 nahmen Timmermann und Berner an dem XV. Parteikongress erneut in Rom teil.261 Wiederholt war Timmermann auch Teilnehmer der für die italienischen Kommunis-
256 HSA im AdsD, 1/HSAA006240, Bericht über den XIV. Parteikongress des PCI vom 18.–23. März 1975 in Rom von Günter Markscheffel, ohne Datum [März 1975], S. 2. 257 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Eurokommunismus, 1/BFAA001936, Erfahrungsbericht über eine Dienstreise nach Italien (Rom) vom 17. bis 24.3.1975 von Heinz Timmermann, April 1975, Köln, S. 23. 258 AdsD, Nachlass Günter Markscheffel, Nr. 22, Brief von Günter Markscheffel an Willy Brandt, 14.07.1975, S. 3. 259 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, „Bericht für Willy Brandt“ von Klaus Harpprecht, 17.07.1975, S. 1. 260 Ebenda, S. 3. 261 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000460, Bericht über eine Dienstreise anläßlich des 15. Kongresses der KP Italiens im Zeitraum 29.3.–6.4.1979 von Wolfgang Berner und Heinz Timmermann, Mai 1979, Köln.
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ten zentralen Feste de l'Unità, wobei er explizit als Wissenschaftler des BIOst und nicht als Delegierter der SPD auftrat, was vor Ort jedoch kaum unterschieden wurde.262 Neben dem Gesandten der Parteiführung für die Kontakte zum PCI konnte die SPD mittlerweile auf ein gut informiertes Netzwerk sozialdemokratischer Italienexperten bauen. Zu diesem gehörte neben Heinz Timmermann unter anderem die Journalistin und damalige Italien-Korrespondentin von Spiegel, Stern und ZDF Birgit M. Kraatz.263 Auch in der bundesdeutschen Botschaft in Rom gab es, allerdings nur vereinzelt, Experten, die sich mit dem italienischen Eurokommunismus auseinandersetzten und die Beziehungen zwischen SPD und PCI für grundsätzlich sinnvoll hielten. Insbesondere Manfred Steinkühler, späterer Generalkonsul in Mailand, wurde dabei von deutschen Sozialdemokraten und italienischen Kommunisten für seine Aufgeschlossenheit gegenüber dem Reformprozess des PCI positiv herausgestellt. Darüber hinaus gab es einen engen Austausch mit dem Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rom. Mitte der 1970er Jahre wurde in der SPD-Parteizentrale, dem Bonner ErichOllenhauer-Haus, die Analyse des Eurokommunismus institutionalisiert. Neben den italienischen Kommunisten sah man auch im Falle der relegalisierten kommunistischen Parteien in Spanien, Portugal und Griechenland erhöhten Informationsbedarf. Außerdem strebte der französische Sozialistenführer François Mitterrand eine Koalition mit dem PCF an. Auch bei den skandinavischen kommunistischen Parteien erkannte man Wandlungstendenzen. In der Abteilung für internationale Beziehungen beim Parteivorstand der SPD wurde daher Mitte 1975 eine Arbeitsgruppe etabliert.264 Um Angriffen wegen vermeintlicher Nähe zum Kom-
262 PAAA, Bestand B 26, Zwischenarchiv, Bd. 110216, Vermerk der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt zu den angeblichen Kontakten SPD-KPI, 15.09.1976, Rom. Timmermanns Teilnahme als Mitarbeiter einer Bundesbehörde an Veranstaltungen des PCI wurden 1977 gar in einer Frage des Abgeordneten Gerd Langguth (CDU) im Deutschen Bundestag thematisiert. Vgl. Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 43. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 28. September 1977, Plenarprotokoll 8/43, Anlage 19, S. 3300. 263 Vgl. Birgit M. Kraatz: Still und heimlich im Chambre séparée. Über die langsame Annäherung von KPI und SPD in Rom, in: Karlheinz Bentele et al. (Hrsg.): Metamorphosen. Annäherungen an einen vielseitigen Freund. Für Horst Ehmke zum Achtzigsten, Bonn 2007, S. 264–270; Klaus Harpprecht: Im Kanzleramt. Tagebuch der Jahre mit Willy Brandt, Reinbek 2000, S. 351–357, 435ff. 264 Die Aktenlage zur AG Süd-Westeuropa ist äußerst dünn, wie Horst Ehmke bei Recherchen zu einem Buchprojekt selbst bemerkte. Vgl. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus/AG Süd-Westeuropa/Europa, 1/HEAA000772, Brief von Horst Ehmke an die Mitglieder AG Süd-Westeuropa, 19.01.1994, Bonn; AdsD, Bestand Horst
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munismus vorzubeugen, wurde sie „AG Südwesteuropa“ benannt.265 Hauptaufgabe der in späteren Protokollen verkürzt „AG Südeuropa“ genannten Gruppe sollte „eine Analyse der Tendenzen und Aktivitäten kommunistischer Parteien in Westeuropa und im Mittelmeerraum“266 sein. Den Vorsitz übernahm mit Prof. Dr. Horst Ehmke einer der profiliertesten Außenpolitiker der Partei. Das Einladungsschreiben erging am 3. Juli 1975 an die Mitglieder Bruno Friedrich, Peter Blachstein, Hans-Eberhard Dingels, Egon Bahr, Erwin Kristoffersen, Kurt Müller, Eugen Selbmann, Karsten D. Voigt und Hans-Jürgen Wischnewski. Die Gewinnung von Bundesminister Hans Matthöfer als zusätzlichem Mitglied wurde in der ersten Sitzung am 6. November 1975 beschlossen.267 An weiteren Sitzungen nahmen auch Siegfried Bangert, Horst Heidermann, Veronika Isenberg, Ernst J. Kerbusch, Gerhard O. Kleipsties, Klaus Lindenberg, Guntram von Schenck, Gerhard Stümpfig und Klaus Wettig teil.268 Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass die Mitglieder der Arbeitsgruppe private Gespräche mit den kommunistischen Parteien vor Ort führen dürfen. Allerdings sollten diese Gespräche nicht im offi-
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Ehmke, Eurokommunismus/AG Süd-Westeuropa/Europa, 1/HEAA000772, Brief von Antje Sommer an Horst Ehmke, 12.01.1994, Bonn. Ein Aktenplan wurde zwar erstellt, aber kaum genutzt. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus/AG SüdWesteuropa/Europa, 1/HEAA000772, Aktenplan zur Arbeitsgruppe Süd- und Westeuropa beim PV, ohne Datum. Vgl. Ehmke: Mittendrin, S. 254f. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus/AG Süd-Westeuropa/Europa, 1/HEAA000772, Brief von Horst Ehmke an die Mitglieder der AG Süd-Westeuropa, 03.07.1975. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus/AG Süd-Westeuropa/Europa, 1/HEAA000772, Protokoll der AG Südeuropa von Veronika Isenberg vom 06.11.1975, 20.11.1975, S. 1. AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Tageskopien Juni 1976, 9507, Protokoll der Sitzung der AG Südeuropa am 23.6.1976 von Gerhard O. Kleipsties, 24.06.1976, Bonn; AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus/AG SüdWesteuropa/Europa, 1/HEAA000772, Protokoll der AG Südeuropa vom 10. November 1976 von Veronika Isenberg, 12.11.1976; AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus/AG Süd-Westeuropa/Europa, 1/HEAA000772, Einladung zur Sitzung der AG Süd-Westeuropa von Hans-Eberhard Dingels, 01.12.1976; AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Arbeitskreis Südeuropa, 1/BFAA000994, Kurzprotokoll der Sitzung am 26. September 1978 von Friedrich C. Brunke, 10.10.1978, Bonn.
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ziellen Auftrag der Arbeitsgruppe oder gar der Partei stattfinden, um eine Instrumentalisierung der Kontakte zu verhindern.269 1978 wurde die Arbeitsgruppe von der Kommission für internationale Beziehungen beim Parteivorstand der SPD zur Friedrich-Ebert-Stiftung verlagert. Zum neuen Sekretär des Arbeitskreises wurde der FES-Mitarbeiter Friedrich C. Brunke ernannt. Für den Wechsel vom SPD-Parteivorstand zur FES wurden von Ehmke mehrere Gründe benannt. Hierzu zählten neben den eigenen Forschungskapazitäten der Ebert-Stiftung und den Kontakten zu anderen wissenschaftlichen Instituten der bessere rechtliche Status, der eine Einladung ausländischer Gäste ermöglichen würde, ohne sofort die Partei in die Nähe von diesen zu rücken. Letztlich sprach auch die konkrete Verankerung der Stiftung mit ihren Büros vor Ort in Südeuropa für den Wechsel zur FES.270 Nach dem Höhepunkt der Eurokommunismusdebatte wurde die Tätigkeit des Arbeitskreises Ende April 1980 beendet.271 Durch die Institutionalisierung der AG Südeuropa reagierte die Partei rechtzeitig auf den zunehmenden Einfluss des Themas „Eurokommunismus“ in Westeuropa Mitte der 1970er Jahre. Aber nicht nur in der Auseinandersetzung mit den politischen Kontrahenten war die Haltung zum Eurokommunismus mittlerweile ein wichtiges Thema, das nicht nur in Expertenzirkeln, sondern auch in der Tagespresse ausgiebig diskutiert wurde. Vielmehr wurde die „richtige“ Haltung zum Eurokommunismus, und hierbei vor allem gegenüber seiner italienischen Variante, zu einem Streitpunkt innerhalb der europäischen Sozialdemokratie.
5.3.2 „The non-communist left is divided and confused on the issue“272 – Europäische Sozialdemokratie und italienischer Eurokommunismus „Keinerlei Zusammenarbeit mit Kommunisten“ entgegnete Bundeskanzler Helmut Schmidt dem französischen Sozialistenführer François Mitterrand, als dieser bei dem Treffen sozialdemokratischer Regierungs- und Parteichefs Westeuropas im ostdänischen Helsingør im Januar 1976 die von ihm initiierte Zusammenarbeit
269 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus/AG Süd-Westeuropa/Europa, 1/HEAA000772, Protokoll der AG Südeuropa von Veronika Isenberg vom 06.11.1975, 20.11.1975, S. 2. 270 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Arbeitskreis Südeuropa, 1/BFAA000994, Kurzprotokoll der Sitzung am 26. September 1978 von Friedrich C. Brunke, 10.10.1978, Bonn, S. 1f. 271 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Arbeitskreis Südeuropa, 1/BFAA000994, Brief von Peter Thelen an die Mitglieder des AK Südeuropa, 29.04.1980, Bonn. 272 WBA im AdsD, A 13, 16, Eurocommunism. An analysis prepared for the Socialist International von Gino Bianco, 28.05.1977, S. 1.
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mit Kommunisten für die europäischen Schwesterparteien weiterempfahl.273 Bereits knapp eineinhalb Jahre zuvor war es auf der Konferenz sozialdemokratischer Parteiführer am 29. und 30. Juni 1974 in Chequers, dem Landsitz des britischen Premierministers, zu Auseinandersetzungen über die Haltung der westeuropäischen Sozialdemokraten gegenüber den Kommunisten gekommen. Dort hatte Mitterrand sein Modell der Einbindung von Kommunisten propagiert und teilweise Entrüstung ausgelöst.274 Bruno Kreisky hatte seinerzeit explizit darauf hingewiesen, „daß der Kommunismus auch in der Phase der Entspannung Kommunismus bleibe“275. Vor diesem Hintergrund hatte der Internationale Sekretär des SPD-Parteivorstands Dingels schon im August 1974 davor gewarnt, dass Mitterrand im Westen und der griechische Sozialistenchef Andreas Papandreou im Osten des Mittelmeeres zu „Befürwortern der Auflösung der Allianz“276 [gemeint ist die NATO, d. Verf.] werden könnten. Für besonderes Aufsehen hatten auch die Gespräche des französischen Oppositionsführers mit der Sowjetführung am 24. April 1975 in Moskau gesorgt. Im offiziellen Kommuniqué der Unterredung ließ Mitterrand verlauten: „Die kommunistischen Aktivisten stehen an der Front im Kampf für die Verteidigung der Arbeiter.“277 Gegenüber seinen hochrangigen sowjetischen Gesprächspartnern, dem Parteiideologen Michail Andrejewitsch Suslow und dem Vorsitzenden der Internationalen Abteilung des ZKs der KPdSU Boris Nikolajewitsch Ponomarjow, kritisierte Mitterrand die westeuropäische Sozialdemokratie: „Lassen Sie uns hoffen, daß der Sozialismus Chancen hat, damit im Westen zu siegen. Innerhalb der Sozialistischen Internationale, der wir angehören, waren wir zum Beispiel vor einigen Jahren die einzige Partei, die eine Allianz mit der Kommunistischen Partei akzeptierte.“278 Auch sprach er davon, dass die Linke in Südeuropa auf dem Weg der Einigung wäre und wandte sich gegen eine Diffamierung der sowjetorientierten portugiesischen Kommunisten.279 Vor diesem Hintergrund warnte Dingels vor einem neuen Sozialismuskonzept Mitter-
273 Helmut Schmidt zitiert in: Der Spiegel, Nr. 6, 02.02.1976, S. 82. 274 HSA im AdsD, 1/HSAA006240, Vermerk über die sozialdemokratische Parteiführerkonferenz in Chequers am 29./30. Juni 1974 von Hans-Eberhard Dingels, 02.07.1974. 275 Bruno Kreisky zitiert in: Ebenda, S. 3. 276 AdsD, Depositum Egon Bahr, Ausschuss für Internationale Beziehungen 1971–1976, 1/EBAA001093, Brief von Hans-Eberhard Dingels an Hans-Jürgen Wischnewski, 19.08.1974, Bonn, S. 2. 277 François Mitterrand zitiert in: AdsD, Depositum Egon Bahr, Ausschuss für Internationale Beziehungen 1971-1976, 1/EBAA001092, Übersetzung des Kommuniqués nach den Gesprächen Mitterrands in Moskau am 24. April 1975, S. 3. 278 François Mitterrand zitiert in: Ebenda, S. 10f. 279 Ebenda, S. 15.
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rands, das deutlich links der SI stehe und die Zusammenarbeit mit Kommunisten beinhalte.280 Ein halbes Jahr vor den italienischen Parlamentswahlen und der damit einhergehenden Möglichkeit eines Wahlsiegs des PCI sollten die Auseinandersetzungen über eine Zusammenarbeit mit Eurokommunisten auf der Konferenz im Gewerkschaftszentrum Hoejstrupgaard in Helsingør ihren Höhepunkt erreichen.281 Mit Willy Brandt, Helmut Schmidt (Bundesrepublik Deutschland), François Mitterrand (Frankreich), Felipe González (Spanien), Mário Soares (Portugal), Bruno Kreisky (Österreich), Anker Jørgensen (Dänemark), Harold Wilson, James Callaghan (Großbritannien), Francesco De Martino (Italien), Conor Cruise O’Brien (Irland), Joop den Uyl (Niederlande), Dom Mintoff (Malta), Olof Palme (Schweden), Kalevi Sorsa (Finnland), Georges Spénale (Frankreich, Präsident des Europäischen Parlaments) und weiteren Politikern war der Großteil der westeuropäischen Regierungschefs sowie die gesamte Elite der europäischen Sozialdemokratie und der SI zu dieser Konferenz erschienen. Von Einigkeit war jedoch wenig zu spüren. Spätestens nach dem Referat Mitterrands kam es zu einer massiven Auseinandersetzung über die Frage des sozialdemokratischen Umgangs mit dem Eurokommunismus. Dingels beschrieb Mitterrands Rede in seinem Bericht als „eigenwillige Interpretation des Kräfteverhältnisses der politischen Parteien in Südeuropa“, welches zur „Rechtfertigung seines eigenen Bündnisses mit der Kommunistischen Partei Frankreichs“ diene.282 Mitterrand hatte auf die Situation in Island und Schweden verwiesen, wo Kommunisten zur Regierungsfraktion gehörten bzw. die sozialdemokratische Minderheitsregierung Olof Palmes duldeten. Ebenso hatte er deutlich gemacht, dass er sich von niemandem in seiner Konzeption abbringen lassen werde. Dies führte in der Aussprache zu vehementer Kritik. Soares und González wiesen die postulierte Vorbildwirkung für Portugal und Spanien zurück. Helmut Schmidt warnte vor den „politischen und psychologischen Rückwirkungen solcher Vorstellungen auf Mitgliedsländer des westlichen Bündnisses
280 AdsD, Depositum Egon Bahr, Ausschuss für Internationale Beziehungen 1971–1976, 1/EBAA001092, Vorlage für das Präsidium der SPD über die Gespräche Mitterrands in Moskau von Hans-Eberhard Dingels, 20.05.1975, Bonn. 281 HSA im AdsD, 1/HSAA006669, Programmablauf der Konferenz sozialdemokratischer Parteivorsitzender und Regierungschefs Europas in Helsingør, 15.01.1976. 282 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus allgemein, 1/HEAA000406, „Konferenz der sozialdemokratischen Parteivorsitzenden und Regierungschefs am 18. und 19.01.1976 in Helsingør/Dänemark“ von Hans-Eberhard Dingels, 20.01.1976, Bonn, S. 3.
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und der Europäischen Gemeinschaft“283. Auch sollte Mitterrand offen gegenüber anderslautenden Vorschlägen von Sozialdemokraten bleiben.284 In die gleiche Richtung gingen die Ausführungen des britischen Premierministers Harold Wilson285, der nach seinem Rücktritt als Regierungschef knapp drei Monate später Interesse an dem Amt des SI-Präsidenten bekundete.286 Will man die Haltungen der Protagonisten der Sozialistischen Internationale zum Eurokommunismus und zum PCI seinerzeit zusammenfassen, so erhält man ein disparates Bild: Helmut Schmidt und Harold Wilson waren aus historischen, politischen und ökonomischen Erwägungen generell gegen jedwede Zusammenarbeit mit den Eurokommunisten im Allgemeinen und den italienischen Kommunisten im Speziellen. François Mitterrand und der PASOK-Vorsitzende Andreas Papandreou hingegen hielten eine solche Kooperation mindestens für Südeuropa und Skandinavien für ein nachahmenswertes und sinnvolles Modell. Insbesondere Papandreou attackierte die Kritiker Mitterrands scharf.287 Kurz nach der Konferenz verstärkte er seine Angriffe, wobei er insbesondere die SPD kritisierte, die er am 21. Januar während einer öffentlichen Rede in Athen als „Träger des amerikanischen Imperialismus“288 bezeichnete. Es handelte sich hierbei nach Informationen der bundesdeutschen Botschaft um den dritten direkten verbalen Angriff gegen die SPD innerhalb der letzten Monate.289 Ebenso sprach sich der PASOK-Vorsitzende gegen militärische Stützpunkte der NATO und der USA auf griechischem Boden aus. Als natürliche Verbündete Griechenlands nannte Papandreou vielmehr „nationale Befreiungsfronten, Dritte Welt, gewisse mediter-
283 Ebenda, S. 4. 284 Zu Schmidts Ablehnung der französischen Linksunion und seinem angespannten Verhältnis zu Mitterrand siehe: Hélène Miard-Delacroix: Partenaires de choix? Le Chancelier Helmut Schmidt et la France, Bern u. a. 1993, S. 98–111. 285 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus allgemein, 1/HEAA000406, „Konferenz der sozialdemokratischen Parteivorsitzenden und Regierungschefs am 18. und 19.01.1976 in Helsingør/Dänemark“ von Hans-Eberhard Dingels, 20.01.1976, Bonn, S. 4. 286 Vgl. Bernd Rother: Überwindung des Eurozentrismus. Erinnerung an Willy Brandts Wahl zum SI-Vorsitzenden, in: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, Nr. 12/2006. S. 48f. 287 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Kommunismus, 1/BFAA001952, Pressespiegel Januar 1976, S. 4, FAZ „Sozialistische Angriffe auf die SPD“. 288 Andreas Papandreou zitiert in: HSA im AdsD, 1/HSAA006633, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Athen an das Auswärtige Amt, das Bundeskanzleramt und das Bundespresseamt, 22.01.1976, Athen. 289 Ebenda.
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rane Völker und ‚sozialistische Kräfte, die sich nicht mit dem Imperialismus identifizieren‘“290. Moderater zeigte sich der schwedische Premierminister Olof Palme. Ihm zufolge sollte die Frage einer Zusammenarbeit mit Kommunisten von jeder sozialdemokratischen Partei selbst vor Ort entschieden werden. Er selbst ließ seine sozialdemokratische Minderheitsregierung von der mehrheitlich eurokommunistischen Vänsterpartiet kommunisterna (dt. Linkspartei-Kommunisten)291 im schwedischen Riksdag tolerieren. Auch Kalevi Sorsa sprach sich im Namen der finnischen Sozialdemokraten für eine Zusammenarbeit mit moderaten Kommunisten aus. Die südeuropäischen Sozialistenführer Mário Soares aus Portugal und Felipe González aus Spanien waren nicht generell gegen eine Zusammenarbeit mit reformorientierten Kommunisten, lehnten diese aber für ihre eigenen Länder kategorisch ab. Der dänische Ministerpräsident Anker Jørgensen kritisierte sogar die USA für ihren harten Umgang mit dem PCI und forderte eine Chance für die eurokommunistischen Parteien.292 Willy Brandt sprach sich als Vorsitzender der größten sozialdemokratischen Partei Europas und designierter Präsident der SI für eine kontinuierliche Beobachtung der Eurokommunisten aus. Dennoch kann man Brandt unterstellen, dass es sich bei ihm um eine Beobachtung mit Sympathie handelte, wenn es den PCI betraf, da der italienische Eurokommunismus Ähnlichkeiten mit der politischen Strategie Brandts aufwies.293 Auch als SPD-Vorsitzender äußerte sich Brandt öffentlich nur mit zurückhaltender Sympathie zum italienischen Eurokommunismus, so beispielsweise in seiner Rede anlässlich des 30. Jahrestages der Eröffnung
290 Andreas Papandreou zitiert in: Ebenda. 291 Zur schwedischen Linkspartei-Kommunisten siehe: Bernd Henningsen: Die Linke in Schweden. Geschichte, Programme, Politik, in: Hans Rühle/Hans-Joachim Veen (Hrsg.): Sozialistische und kommunistische Parteien in Westeuropa, Band 2: Nordländer, Opladen 1979, S. 187–197. 292 Vgl. Gespräch des Bundeskanzlers Schmidt mit Ministerpräsident Jørgensen, 13.01.1978, in: Institut für Zeitgeschichte im Auftrag des Auswärtigen Amts (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, 1978, Band 1, 1. Januar bis 30. Juni, München 2009, S. 67. 293 Zur Strategie Brandts als SI-Präsident siehe: Bernd Rother: Between East and West – Social Democracy as an Alternative to Communism and Capitalism. Willy Brandt’s Strategy as President of the Socialist International, in: Leopoldo Nuti (Hrsg.): The Crisis of Détente in Europe. From Helsinki to Gorbachev, 1975–1985, London, New York 2009, S. 217–229; Bernd Rother: Ein dritter Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus? Selbstverständnis und Strategien der Sozialistischen Internationale unter der Führung von Willy Brandt 1976–1992, in: Ders. (Hrsg.): Willy Brandt. Neue Fragen, neue Erkenntnisse, Bonn 2011, S. 229–248.
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des Karl-Marx-Hauses in Trier am 4. Mai 1977.294 Kritischer war Brandt gegenüber den französischen Kommunisten eingestellt, vertraute jedoch weitestgehend Mitterrand, der ihn von seiner Strategie gegenüber dem PCF überzeugt hatte.295 Im Gegensatz hierzu musste man bei dem österreichischen Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden Kreisky eine Beobachtung mit deutlicher Skepsis – auch gegenüber den italienischen Kommunisten – verzeichnen. Kreisky warnte bereits nach Bekanntwerden der ersten Kontakte zwischen SPD und PCI vor einem zu großen Glauben an die Wandlungsfähigkeit der italienischen Kommunisten. Während eines Empfangs anlässlich des Parteitages der Sozialistischen Partei Österreichs im Jahre 1968 hatte er beispielsweise prognostiziert, dass der PCI in spätestens einem halben Jahr wieder vollends auf die sowjetische Linie einschwenken werde.296 In der Hochphase des Eurokommunismus unterstellte die USBotschaft in Wien Kreisky jedoch eine „personal fascination“297 für die Möglichkeit des Wandels eurokommunistischer Parteien. Kreisky empfahl allerdings eine Strategie, die einen möglichst vorsichtigen Umgang mit dem Eurokommunismus vorsah.298 Nach Meinung des österreichischen Bundeskanzlers sollte man die Parteien sich selbst überlassen, da es in Zukunft entweder zu einer Entwicklung in Richtung westlich-demokratischer Standards käme und sie somit nicht mehr als originär kommunistische Parteien angesehen werden könnten oder sie sich zu einem orthodoxen Kommunismus sowjetischer Prägung zurückentwickeln würden. Im letzteren Fall käme es zu massiven Austritten der reformorientierten Mitglieder.299 Da der PSI direkt von der Frage des sozialdemokratischen Umgangs mit dem italienischen Eurokommunismus betroffen war, spielte die Partei eine Sonderrolle. Auf der einen Seite stand ihr Nationaler Sekretär Francesco De Martino
294 Vgl. Iring Fetscher (Hrsg.): Geschichte als Auftrag. Willy Brandts Reden zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Berlin (West), Bonn 1981, S. 44f. 295 Vgl. Hélène Miard-Delacroix: Willy Brandt, Paris 2013, S. 234f. 296 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI und SPD/BdKJ, 1/LBAA000011, Aktenvermerk an Willy Brandt von Hans Hermsdorf, 08.10.1968, Bonn, S. 2. 297 JCPL, Donated Historical Material – Mondale, Walter F., Box 122, Telegramm der USBotschaft Wien an Cyrus Vance, 02.05.1977, Wien, S. 1 (PRESNET NLC 133-122-6-66). 298 Vgl. „Ich traue den Kommunisten nicht.“ Österreichs Bundeskanzler Kreisky über Sozialdemokraten, Eurokommunismus und Entspannung, in: Der Spiegel, Nr. 11, 07.03.1977, S. 134. 299 JCPL, Donated Historical Material – Mondale, Walter F., Box 122, Telegramm der USBotschaft Wien an Cyrus Vance, 02.05.1977, Wien, S. 1 (PRESNET NLC 133-122-6-66).
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für eine enge Zusammenarbeit mit den Eurokommunisten des PCI und unterstützte so Mitterrands Position.300 Auf der anderen Seite gab es den rechten Parteiflügel um Bettino Craxi, der dies ablehnte. Vor allem die Einschätzungen Craxis zum PCI waren weniger von den potenziellen Folgen für die europäische Sozialdemokratie geprägt, sondern primär Möglichkeiten der innenpolitischen Instrumentalisierung geschuldet.301 Die Differenzen bezüglich der richtigen Haltung zum Eurokommunismus wurden auch außerhalb der SI aufmerksam verfolgt. So kritisierte Boris Ponomarjow, dass der Streit um eine sozialdemokratisch-kommunistische Zusammenarbeit die europäische Sozialdemokratie offensichtlich dominiere.302 Auch im Politmagazin Panorama der ARD wurden im Februar 1976 die Meinungsverschiedenheiten auf der Konferenz von Helsingør thematisiert.303 SI-Generalsekretär Bernt Carlsson musste sich in einem Interview mit der BBC Fragen nach den Differenzen innerhalb der SI-Parteien über den Umgang mit dem Eurokommunismus stellen.304 Die Auseinandersetzungen in Helsingør wurden auch von der USRegierung registriert. Auffällig ist, dass die Analyse sich größtenteils auf die Haltung der Regierungen stützte. So wurde primär Bundeskanzler Schmidts ablehnende Haltung gegenüber der Zusammenarbeit mit Kommunisten erwähnt, während die Einschätzungen Brandts, Ehmkes und anderer Spitzenpolitiker der SPD kaum beachtet wurden. Die finanziellen Hilfen der sozial-liberalen Bundesregierung zur Stabilisierung Italiens wurden explizit gelobt, die Parteikontakte zwischen SPD und PCI hingegen nur in einem Nebensatz erwähnt.305
300 Vgl. Giovanni Bernardini: Stability and Socialist Autonomy. The SPD, the PSI and the Italian Political Crisis of the 1970s, in Journal of European Integration History, Vol. 15, Nr. 1/2009, S. 105. 301 Auf die besondere Situation des PSI und Bettino Craxis wird im Kapitel „Der VetoAkteur Craxi – der PCI als Konkurrent in den internationalen Parteibeziehungen des PSI“ ausführlich eingegangen. 302 Vgl. Boris Ponomarjow: Vor einer historischen Wahl. Zur Politik der Sozialistischen Internationale, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 22. Jahrgang, Nr. 2/1977, S. 177. 303 WBA im AdsD, A 19, 11, Interviewanfrage ARD/Panorama an Willy Brandt, 12.01.1976. 304 WBA im AdsD, A 13, 8, Brief von Bernt Carlsson an Hans-Eberhard Dingels mit Interviewfragen des BBC-Reporters Werner Volkmer, 23.05.1978, London, S. 1. 305 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Subject File, Box 17, Interagency Group Memorandum „The European Communist Parties”, 06.06.1977, S. 23f. (PRESNET NLC-7-17-5-2-9).
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Es ist davon auszugehen, dass Willy Brandt spätestens nach Helsingør erkannte, welche Sprengkraft das Thema „Eurokommunismus“ für die Sozialistische Internationale haben würde. Auf dem SI-Kongress in Genf vom 26. bis 28. November 1976 wurde der SPD-Vorsitzende erwartungsgemäß zum Präsidenten gewählt. In seiner Antrittsrede ging er explizit auf die Eurokommunisten ein: „Uns begegnet auch das Phänomen, das – unscharf und mißverständlich – als Eurokommunismus bezeichnet wird. Ich vermute, es gäbe ihn nicht, wäre er nicht von der Vitalität, von der Konkurrenz der westeuropäischen Sozialdemokratie mit herbeigezwungen. Für mich ist noch nicht entschieden, wo es sich um Taktik im Interesse der Macht handelt und wo um Entwicklung aus Erkenntnis. Die bekannte Ostberliner Konferenz vor einigen Monaten hat hierüber nur bedingt Aufschluß gegeben. Man muß ernst nehmen, daß die Repräsentanten jener Parteien, von denen hier die Rede ist, Kommunisten bleiben wollen; man muß auch zur Kenntnis nehmen, daß einige von ihnen gewillt scheinen, sich dem Wagnis der Demokratie auszusetzen. Nur der politisch Unsensible wird sagen können, dies sei von geringem Interesse.“306 Obwohl er sich zu Beginn seiner Amtszeit als Präsident um eine Klärung der Haltung der SI zum Eurokommunismus bemühte, galt sein Augenmerk spätestens ab 1978 anderen Themen. Da jedoch gleichzeitig der Dialog mit dem PCI auf Parteiebene fortgesetzt wurde, ist davon auszugehen, dass Brandt das heikle Thema aus den Debatten in der SI heraushalten wollte, um die Einheit der europäischen Sozialdemokratie zu wahren. Schon vor der Amtsübernahme Brandts war die Spaltung der europäischen Sozialdemokratie aufgrund der unterschiedlichen Haltungen zum Eurokommunismus in den Bereich des Möglichen gerückt. Mitterrand hatte erstmals im Mai 1975 zu einem Treffen der sozialistischen Parteien Südeuropas in sein Landhaus im südwestfranzösischen Latche geladen. Dorthin waren die Vorsitzenden der spanischen, portugiesischen, italienischen und griechischen Sozialisten sowie André Cools, einer der beiden Vorsitzenden der belgischen Sozialisten, gekommen. Das Nachfolgetreffen fand ein knappes halbes Jahr später am 24. und 25. Januar 1976 in Paris statt und eine weitere Konferenz der sozialistischen Parteien des südlichen Europas am 7. und 8. Mai 1977 in Madrid. Nach der ersten Tagung 1975 hatte es massive Differenzen zwischen einigen SI-Mitgliedsparteien gegeben, da befürchtet wurde, Mitterrand wolle ein neues sozialistisches Gremium etablieren.307 Folge dieses Disputs war,
306 Rede vor dem Kongress der Sozialistischen Internationale am 26. November 1976 in Genf, in: Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, online: http://www.willy-brandt.org/ fileadmin/brandt/ Downloads/Rede_SI-Kongress_1976.pdf (Abruf am 04.03.2014). 307 Zu Mitterrands Initiative siehe: Michele Di Donato: Un socialismo per l’Europa del Sud? Il PS di François Mitterrand e il coordinamento dei partiti socialisti dell’Europa meridio-
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dass 1976 auch der Generalsekretär der SI sowie weitere sozialdemokratische Parteien Westeuropas als Beobachter eingeladen wurden. Mitterrands Strategie zielte darauf ab, eine eigene Machtbasis für die geplante, in der SI aber extrem umstrittene sozialistisch-kommunistische Regierungskoalition im Zuge der union de la gauche in Frankreich zu etablieren.308 Mit dem zwischen französischen Sozialisten und Kommunisten 1972 gemeinsam erarbeiteten Regierungsprogramm, dem programme commun309, war auf Mitterrands Initiative hin die Basis für eine Volksfrontregierung in Frankreich gelegt worden.310 Allerdings erhielt der französische Sozialistenführer nicht die gewünschte Rückendeckung der südeuropäischen Sozialdemokraten.311 Die portugiesischen Sozialisten widersetzten sich Mitterrand, indem sie auf ihre Erfahrungen mit dem dogmatischen und strikt moskauorientierten portugiesischen Kommunistenchef Álvaro Cunhal verwiesen. Felipe González lehnte eine Volksfrontpolitik à la française für Spanien ebenfalls ab. Willy Claes wies darauf hin, dass für die belgischen Sozialisten die Christdemokraten erster Ansprechpartner seien. Ähnlich äußerte sich auch Lydie Schmit für die Luxemburger Sozialistische Arbeiterpartei. Mitterrand entgegnete seinen Kritikern: „They say I will be France’s Kerensky, but are they sure I may not be Ramadier?“312 Er verwies damit auf den ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Paul Ramadier, der 1947 die Kommunistische Partei aus der französischen Regierung ausgeschlossen und sich der Marshallplanhilfe angeschlossen hatte, während Alexander F. Kerenski, der allerdings kein Sozialdemokrat war, bekanntlich im Zuge der Oktoberrevolution 1917 von den Bolschewiki gestürzt worden
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nale, in: Michelangela Di Giacomo et al. (Hrsg.): Nazioni e narrazioni tra l'Italia e l'Europa. Atti del Convegno „Persistenze o rimozioni 2011“ presso la Fondazione Lelio o Lesli Basso-Issoco in occasione del 150o dell'unità d'Italia, con il patrocinio del Comitato per le celebrazioni di Italia 150, Rom 2013, S. 234–251. Zur Strategie Mitterrands im Umgang mit dem PCF siehe: Nikolas Dörr: François Mitterrand und der PCF – Die Folgen der rééquilibrage de la gauche für den Parti Communiste Français, in: Mitteilungen des Instituts für deutsches und internationales Parteienrecht und Parteienforschung Düsseldorf (PRuF), Nr. 1/2011, S. 43–52. Parti Communiste Français (Hrsg.): Programme commun de gouvernement du Parti communiste français et du Parti socialiste (27 juin 1972), Paris 1972. 1973 trat zusätzlich der linksliberale Mouvement des radicaux de gauche (MRG) dem programme commun bei. Auch in der US-Regierung sah man die Gefahr, dass am Ende von Mitterrands Strategie „der Schwanz mit dem Hund wedeln“ könnte. Vgl. „Will the Tail Wag the Dog?“ von Cyrus Leo Sulzberger II., in: The New York Times, 17.04.1974. François Mitterrand zitiert in: JCPL, Jimmy Carter Papers Pre-Presidential, 1976 Presidential Campaign, Western Europe and the Common Market through Portugal Problems, Box 141, France’s Government and Policy, „After Gaullism?“.
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war. Im Endeffekt nahmen die Teilnehmer der Mitterrand-Treffen nur eine Reihe von Empfehlungen an, die zwar Informationsgespräche mit Kommunisten, aber auch mit Liberalen und Christdemokraten vorsahen.313 Der Parti Socialiste versuchte Mitterrands Strategie offensiv zu vertreten. In einem Gespräch mit Markscheffel verwies der Leiter der Internationalen Abteilung im PS-Vorstand Robert Pontillon darauf, dass die Zusammenarbeit mit dem PCF bislang vor allem den Sozialisten genutzt habe.314 Tatsächlich war der Parti Socialiste bei den, allerdings weniger wichtigen, französischen Kantonalwahlen am 7. und 14. März 1976 erstmals landesweit stärkste Partei vor dem PCF geworden. Umfragen sahen den PS für die kommenden Parlamentswahlen ebenfalls vor den Kommunisten. Pontillon gab sich jedoch nicht der Illusion einer sowjetkritischen KP hin. Vielmehr gab er zu, dass auch der PCF im Zweifelsfall immer „auf ein letztes Wort aus Moskau warten“315 würde. Diese Einschätzung wurde auch von Léo Hamon bestätigt, der als linker Gaullist unter Premierminister Jacques Chaban-Delmas Staatsminister und Regierungssprecher gewesen war. Markscheffel berichtete nach einem Gespräch mit Hamon an Brandt, dass es in der letzten Sitzung des Politbüros des PCF zu einer heftigen Auseinandersetzung um das programme commun gekommen sei. Generalsekretär Marchais habe seinen Kritikern entgegnet: „Je mehr die Kommunisten in diesen Ländern [den westlichen Industriestaaten, d. Verf.] den Klassenkampf predigten, desto geringer werde ihre Anhängerschaft in der Arbeiterschaft.“316 Ebenso hätte sich Marchais erhofft, den PS durch das gemeinsame Programm von seinem „reformistischen Kurs“ abzubringen.317 Für die SPD wurde die Neupositionierung des Parti Socialiste zunehmend zu einem Problem.318 Mitterrands Rede auf dem Parteitag der Sozialisten in Dijon 1976 richtete sich massiv gegen den Radikalenerlass von 1972, inklusive der
313 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus allgemein, 1/HEAA000406, „Die Konferenz der Sozialistischen Parteien Südeuropas in Paris“ von Veronika Isenberg, 26.01.1976. 314 AdsD, Nachlass Günter Markscheffel, Nr. 22, Brief von Günter Markscheffel an Willy Brandt mit der Aufzeichnung von in Paris geführten Gesprächen Markscheffels am 11. und 12. Oktober 1976, 13.10.1976, S. 1. 315 Robert Rontillon zitiert in: Ebenda, S. 2. 316 Ebenda, S. 6. 317 Ebenda. 318 Vgl. Ulrich Lappenküper: Prekäres Vertrauen. François Mitterrand und Deutschland seit 1971, in: Reinhild Kreis (Hrsg.): Diplomatie mit Gefühl. Vertrauen, Misstrauen und die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, München, Boston 2015, S. 87f.
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damit einhergehenden Berufsverbote319 in der Bundesrepublik, und appellierte an antideutsche Ressentiments: „Ja, es handelt sich um Gewalt bei dieser Hexenjagd im öffentlichen Dienst gegen unsere sozialistischen Genossen, die gegen jede Regel ihres Berufes aus ihrem Amt entfernt werden. […] Ich behaupte, daß das ein Akt der Gewaltanwendung ist, wie auch das Los der Arbeiter, die höllischen Arbeitsbedingungen am Fließband ausgesetzt sind und die keine Zeit zum Leben haben! […] Nach dem, was ich sagte, muß ich jedoch auch sagen, daß ich nicht akzeptieren kann, daß in der Bundesrepublik Deutschland unter der Verantwortung der Sozialdemokratie die Entfernung aus dem öffentlichen Dienst eines jeden weiter praktiziert wird, der nicht ein Diener der herrschenden Ideologie ist.“320 In die gleiche Richtung gingen die Äußerungen von Mitterrands kommunistischem Bündnispartner PCF.321 In einem Artikel von Laurent Salini in L’Humanité wurde der SPD beispielsweise vorgeworfen „der Großbourgeoisie noch besser als Strauß zu dienen“322. Auch die NATO wies in ihrem halbjährlichen Geheimbericht zu Subversive and Intelligence Activities darauf hin, dass sich die Propaganda gegen die Berufsverbote in der Bundesrepublik zunehmend zu einem Betätigungsfeld der westeuropäischen kommunistischen Parteien entwickelt.323 In einem persönlichen Gespräch Willy Brandts mit François Mitterrand am Rande der UNESCO-Konferenz am 23. Juni 1976 in Paris zeigte sich der SPDVorsitzende nicht erfreut über die Etablierung des „Komitees zur Verteidigung der bürgerlichen und beruflichen Rechte in der Bundesrepublik Deutschland“ durch den Parti Socialiste.324 Mitterrand entgegnete Brandt zwar, dass er der SPD nicht schaden wolle, die Verteidigung der Freiheitsrechte jedoch ein zentraler
319 Zum Radikalenerlass und den Berufsverboten siehe ausführlich: Dominik Rigoll: Staatsschutz in Westdeutschland. Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr, Göttingen 2013, S. 340–395. 320 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Tageskopien Juni 1976, 9507, Auszug aus der Rede von François Mitterrand auf dem Parteitag der PSF in Dijon betr. Radikalenerlaß, 21.06.1976, S. 1f. 321 PAAA, Bestand B 150, Bd. 346, Vermerk (vertraulich) zur Haltung der Bundesregierung zur Entwicklung der westeuropäischen kommunistischen Parteien, 30.04.1976, Bonn, S. 3. 322 Laurent Salini zitiert in: Berner: Die Haltung, S. 13. 323 NA, Political Affairs 1971–1975, CM(76)71, Half-yearly Review of Subversive and Intelligence Activities, Report by the NATO Special Committee, 24.11.1976, Brüssel, S. 10. 324 Vgl. Hélène Miard-Delacroix: Willy Brandt, Helmut Schmidt und François Mitterrand. Vom Komitee gegen „Berufsverbote“ 1976 bis zum Streit um die Mittelstreckenraketen 1983, in: Horst Möller/Maurice Vaïsse (Hrsg.): Willy Brandt und Frankreich, München 2005, S. 236ff.
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Punkt seiner Politik sei.325 Brandt bot Mitterrand daraufhin an, eine eigene Delegation in die Bundesrepublik zu entsenden, um sich selbst vor Ort zu informieren.326 Auch in den Medien wurde vereinzelt darauf hingewiesen, dass Mitglieder der Kommunistischen Partei Italiens in der EG-Verwaltung zum Teil hohe Posten bekleiden würden, während eine vergleichbare Karriere durch den Radikalenerlass in der Bundesrepublik verhindert worden wäre.327 In der Folgezeit kam es zu keiner einheitlichen Position der Sozialistischen Internationale in der Eurokommunismusfrage. Aufgrund der Erfahrungen von Helsingør und der Konferenzen südeuropäischer Sozialisten wurde eine breite Debatte über das Thema als Gefährdung der Einheit der SI aufgefasst.328 Wenn es zu Differenzen zwischen den SI-Mitgliedsparteien über den richtigen Umgang mit Kommunisten kam, intervenierte Brandt daher auch persönlich. So ermahnte er beispielsweise den ehemaligen Vorsitzenden der britischen Labour Party Harold Wilson im November 1977: „Of course there may be different opinions about certain actual political developments in Western Europe. But I do not believe that this is the right way to debate about differing points of view between two member parties of the Socialist International, this the more as you – as well as François Mitterrand – are Vicepresidents of our organization.“329 Wilson hatte zuvor die Strategie Mitterrands in dem von ihm verfassten Artikel „The Impact of Eurocommunism on the Western Alliance“ in der Zeitschrift Labour & Trades Union Press Service deutlich angegriffen und Mitterrands Namen sogar zu einem Kampfbegriff in der politischen Auseinandersetzung gemacht: „For some two years now, starting with the Socialist Leaders’ Conference at Elsinore330, I have been warning against these developments and particularly against the menacing proposals and plans for electoral alliances between Social Democrats and Communists in individual countries, aiming at the formation of Socialist-Communist
325 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Tageskopien Juni 1976, 9507, Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Willy Brandt und François Mitterrand am 23. Juni 1976 in Paris von Veronika Isenberg, 25.06.1976, Bonn, S. 2. 326 Vgl. Hélène Miard-Delacroix: Le défi européen, de 1963 à nos jours. Histoire francoallemande, Band 11, Villeneuve-d’Ascq 2011, S. 176f. 327 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus allgemein, 1/HEAA000408, Bundespresseagentur, Internationaler Frühschoppen „Wie weiß wird Europas roter Gürtel“, 08.02.1975, S. 4. 328 AdsD, Depositum Egon Bahr, Sozialistische Internationale 1976, 1/EBAA001084, Aufzeichnung über die Bürositzung der Sozialistischen Internationale am 29./30.05.1976 von Veronika Isenberg, 31.05.1976, Bonn, S. 5. 329 WBA im AdsD, A 11.15, 26, Brief von Willy Brandt an Harold Wilson, 22.11.1977. 330 Elsinore ist die englische Bezeichnung für die dänische Stadt Helsingør.
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governments – what I named ‚Mitterrandisme‘ after the French Socialist Leader.“331 Wilson warnte in dem Artikel insbesondere vor den französischen Atombomben, die im Falle einer Regierungsbeteiligung des PCF infolge einer sicherheitspolitischen Kehrtwende auch gegen die USA eingesetzt werden könnten.332 Die italienischen Kommunisten hielt Wilson für die Selbstbewusstesten der „Eurocommunist breed“333, was den PCI besonders gefährlich mache. Als Warnung vor einer sich dem Eurokommunismus gegenüber naiv verhaltenden Sozialdemokratie zitierte er einen bekannten englischen Limerick: „There was a young lady of Riga, who went for a ride on a Tiger. They ended the ride, with the lady inside, and a smile on the face of the Tiger.“334 Wilson schloss den Artikel mit einer klaren Aufforderung an die westeuropäische Sozialdemokratie, die Mitterrands Strategie mit einer Krankheit gleichsetzte, die sich auch über den Ärmelkanal nach Großbritannien ausbreiten könnte und daher große Ähnlichkeit mit der von Henry Kissinger propagierten DominoTheorie aufwies: „But for European Democratic Socialists the answer is clear. Whatever the outcome in France, Mitterrandisme has no part to play in the life or sympathies of our individual parties: equally we must withhold any international support, shun it like the plague – for its infection would recognize no international boundaries, the Channel not excepted.“335 Kissinger hatte sich selbst vor der Konferenz an Wilson, Callaghan und Brandt gewandt und vor den Folgen der Zunahme des Einflusses des PCI auf das europäisch-amerikanische Verhältnis und die NATO gewarnt.336 In seiner deutlichen Ablehnung wurde er vom britischen Außenminister David Owen unterstützt, der die Avancen zu einer Zusammenarbeit, die von der eurokommunistischen Communist Party of Great Britain ausgingen und von linken Labour-Abgeordneten um das ehemalige CPGB-Mitglied Eric Heffer aufgegriffen wurden, ablehnte.337 Zur Klärung des Umgangs mit dem Eurokommunismus ließ der Parteivorstand 1979/80 eine eigene Analyse erstellen,
331 WBA im AdsD, A 11.15, 26, Labour & Trades Union Press Service, Vol. 11, Nr. 9/November 1977, S. 1. 332 Ebenda, S. 2. 333 Ebenda. 334 Ebenda, S. 1. 335 Ebenda, S. 4. 336 PAAA, Bestand B 150, Bd. 342, Vermerk (vertraulich) zum Brief Kissingers an Brandt über die westeuropäischen kommunistischen Parteien, 16.01.1976, Bonn. 337 Vgl. „Owen warnt vor Eurokommunismus“ von Fritz Wirth, in: Die Welt, 21.11.1977.
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die größtenteils die ablehnenden Meinungen Wilsons, Callaghans und Owens wiedergab.338 Zwar gab es in geringem Maße Kontakte zwischen der Labour Party und dem PCI. So war eine PCI-Delegation unter Führung von Giancarlo Pajetta und Enrico Berlinguers Bruder Giovanni beispielsweise auf dem Parteitag der Labour Party im Oktober 1978 in Blackpool vertreten.339 Diese Kontakte erreichten jedoch nicht die Intensität der Beziehungen zwischen den italienischen Kommunisten und den deutschen Sozialdemokraten.340 Bereits vor der Übernahme der SI-Präsidentschaft durch Willy Brandt hatte Günter Markscheffel angeregt, das Verhältnis der Sozialistischen Internationale zu den kommunistischen Parteien zu klären.341 Daher wurde beim italienischen Sozialisten Gino Bianco, der seinerzeit Mitarbeiter des Stabes in der Londoner Zentrale der SI war, eine Studie in Auftrag gegeben. Bianco konnte allerdings keinen gemeinsamen Nenner der westeuropäischen Mitgliedsparteien der SI ausmachen und musste in seinem Bericht über die sozialdemokratische Haltung zum Eurokommunismus Mitte 1977 konstatieren: „The non-communist left is divided and confused on the issue.“342 In der Analyse wurde zwar konstatiert, dass es sich beim Eurokommunismus um „the most important ideological current that has emerged in Europe since the Second World War“343 handele, die uneinheitlichen Positionen der eurokommunistischen Parteien gegenüber der Sowjetunion und Osteuropa sowie in der Sicherheitspolitik wurden jedoch deutlich kritisiert.344
5.3.3 Der Veto-Akteur Craxi – der PCI als Konkurrent in den internationalen Parteibeziehungen des PSI Auch die Beziehungen zur eigentlichen italienischen Schwesterpartei, dem Partito Socialista Italiano, bedurften Mitte der 1970er Jahre einer Klärung durch die SPD. Während die italienischen Sozialdemokraten des PSDI mit Wahlergebnissen zwischen 3,4 Prozent und 4,1 Prozent in den Jahren 1976 bis 1983 nur noch eine
338 Labour Party (Hrsg.): The Dilemma of Eurocommunism, London 1980. 339 FIG, APCI, Estero, 1978, mf 0365, 1285, 77 Congresso del Partito Laburista a Blackpool, in: L’Unità, 1., 2., 5., 6.10.1978. 340 BKA, VII.1. Länderboxen, Pakistan, Peru, Portugal, „Treffen der Sozialistischen Internationale in Porto“, in: Süddeutsche Zeitung, 13.03.1976. 341 AdsD, Nachlass Günter Markscheffel, Nr. 22, Überlegungen zur Neuordnung der Aufgaben der Sozialistischen Internationale von Günter Markscheffel, 07.08.1976, S. 8. 342 WBA im AdsD, A 13, 16, Eurocommunism. An analysis prepared for the Socialist International von Gino Bianco, 28.05.1977, S. 1. 343 Ebenda. 344 Ebenda, S. 15.
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marginale Rolle spielten, kam es beim PSI mit der Wahl Bettino Craxis345 zum neuen Generalsekretär 1976 zu einer politischen Wende, die sich auch auf das Verhältnis zur SPD auswirkte.346 Bereits die ersten Gespräche zwischen SPD und PCI Ende der 1960er Jahre hatten mit zeitlicher Verzögerung zu einem Eklat zwischen den beiden Mitgliedsparteien der SI geführt. Wenige Monate später veröffentlichte der SPD-Pressedienst am 2. April 1968 einen Text zu den Kontakten zwischen SPD und PCI, der in einem Satz die italienische Schwesterpartei massiv düpierte: „In Italien hält man sogar die Möglichkeit nicht für ganz ausgeschlossen, daß es eines Tages zur Bildung einer christlich-demokratischkommunistischen Koalition kommen könne.“347 Auch wenn es durch den christlich-marxistischen Dialog im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils und die von Papst Johannes XXIII. im April 1963 veröffentlichte Enzyklika pacem in terris zu einer erweiterten Kommunikationsbereitschaft zwischen DC und PCI gekommen war, lag der compromesso storico Berlinguers seinerzeit noch in weiter Ferne. Die Pressemitteilung führte zu einem mehrfachen Eklat: Der PSI fühlte sich als Schwesterpartei der SPD übergangen, da die Sozialisten in dieser christdemokratisch-kommunistischen Regierungskonstellation keinerlei Mitspracherechte gehabt hätten. Aus Sicht der Sozialisten war eine Koalition von DC und PCI das worst-case-Szenario. PSI-Generalsekretär Pietro Nenni protestierte daher umgehend bei Herbert Wehner.348 Bereits wenige Tage zuvor hatte Alexander Kohn-Brandenburg, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rom, den SPD-Parteivorstand darauf hingewiesen, dass er schon am 29. November 1967, also während der ersten Gespräche zwischen Vertretern beider Parteien, von einem hochrangigen Politiker des PSU349 angerufen worden war, der ihn zu den an sich geheimen Gesprächen zwischen SPD und PCI befragt hatte. Die Namen
345 Zu Bettino Craxi siehe ausführlich: Massimo Pini: Craxi. Una vita, un'era politica, Mailand 2006. 346 Vgl. Heinz Timmermann: Die Sozialistische Partei Italiens im Wandel. Von der Aktionseinheit mit den Kommunisten zum „modernen Reformismus“ Craxis, Köln 1984. 347 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, SPD-Pressedienst, 02.04.1968, S. 2. 348 Vgl. „In Bonn fiel nur ein Stichwort, da platzten in Rom die Bomben“, in: Die Welt, 06.04.1968. 349 Zwischen 1966 und 1969 waren die italienischen Sozialisten des PSI und Sozialdemokraten des PSDI in dem Partito Socialista Unificato (auch PSI–PSDI Unificati genannt) wiedervereinigt. Nach dem enttäuschenden Ergebnis bei den Parlamentswahlen 1968 wurde die Verbindung wieder gelöst.
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der Gesprächsteilnehmer seien dem Anrufer bereits bekannt gewesen.350 Nach einer Unterredung mit der PSU-Führung schrieb Kohn-Brandenburg knapp drei Monate später warnend an Hans-Eberhard Dingels: „Unsere italienischen Genossen meinen, daß wenn solche Gespräche je fortgeführt werden sollten, dann nicht mehr in Italien!“351 Neben den italienischen Sozialisten und Sozialdemokraten stieß man zusätzlich den eigenen Bonner Koalitionspartner CDU/CSU und die italienische Regierungspartei DC vor den Kopf, indem man den Christdemokraten Koalitionsfähigkeit mit Kommunisten unterstellte. Diese Feststellung degradierte die italienischen Sozialisten de facto zu einer Randerscheinung im italienischen Parteiensystem. Mit dieser weitgehenden Prognose – fünf Jahre bevor diese Konstellation durch den compromesso storico überhaupt aktuell werden konnte – hatte der SPD-Pressedienst vehement gegen das Gebot der Solidarität der Parteien der Sozialistischen Internationale verstoßen. Die Folge hiervon war, dass Wehner umgehend ein Entschuldigungstelegramm an Nenni senden und sich von der Meldung des parteieigenen Pressedienstes distanzieren musste.352 Der stellvertretende Parteivorsitzende und Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen beteuerte gegenüber Nenni, dass es sich bei der Pressemitteilung um eine Einzelmeinung von SPD-Informationsdirektor Fried Wesemann gehandelt habe. Die Haltung der SPD würde dadurch nicht wiedergegeben. Der Internationale Sekretär des SPD-Parteivorstandes berichtete in dieser Phase an Schatzmeister und Präsidiumsmitglied Alfred Nau, dass die SPD-PCI-Gespräche „zu einem beträchtlichen Wirbel in der italienischen Innenpolitik und im gerade jetzt stattfindenden Wahlkampf geführt“353 hätten. Der Teilnahme am XXXVIII. Parteikongress der Sozialisten Ende Oktober 1968 in Rom wurde von der SPD daher eine hohe Wertigkeit beigemessen, um die Verstimmungen, die sich aufgrund der Gespräche zwischen italienischen Kommunisten und deutschen Sozialdemokraten aufgebaut hatten, auszuräumen.354 Nichtsdestotrotz hatten die Beziehungen zwischen SPD und PSI massiv unter den Gesprächen mit den italienischen Kommunisten gelit-
350 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, Aufzeichnung von Alexander Kohn-Brandenburg, 28.03.1968, Bonn. 351 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, Brief von Alexander Kohn-Brandenburg an Hans-Eberhard Dingels, 23.06.1968, Livorno, S. 2. 352 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, Telegramm von Herbert Wehner an Pietro Nenni, 03.04.1968. 353 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, Brief von Hans-Eberhard Dingels an Alfred Nau, 18.04.1968. 354 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Allg. Schriftwechsel H-N, 10512, Brief von Hans-Eberhard Dingels an Hans-Jürgen Wischnewski, 10.09.1968.
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ten. Darüber hinaus waren die Sozialisten nach der erfolglosen Vereinigung mit dem PSDI zutiefst gespalten. Leo Bauer musste in jenem Jahr an das ErichOllenhauer-Haus berichten: „Die Sozialistische Partei Italiens ist in fünf Fraktionen gespalten. Am kommunistischen Parteitag nahm von jeder Fraktion je ein Vertreter teil. Das Auftreten war nicht besonders glücklich.“355 Die folgenden Jahre zwischen 1968 und 1976 waren somit von einer geringen Intensität der Beziehungen zwischen SPD und PSI geprägt, während die Gespräche mit dem PCI in unverminderter Ernsthaftigkeit weitergeführt wurden. Erst Bettino Craxi erkannte dieses Defizit in der internationalen Wahrnehmung der italienischen Sozialisten und bemühte sich nach seiner Wahl zum neuen Generalsekretär der Sozialisten im Jahre 1976 um eine Wiederannäherung von SPD und PSI. Dass Craxi dies auch aus innenpolitischen Erwägungen tat, war offensichtlich. Denn die Kontakte zur in den 1970er Jahren weltweit anerkannten westeuropäischen Sozialdemokratie hatten auch zur Anerkennung des PCI in den bürgerlichen Kreisen der italienischen Gesellschaft beigetragen. Craxi versuchte, dieses Heft wieder in seine Hand zu bekommen. So forderte er beispielsweise bei einem Treffen mit dem SPD-Vorsitzenden Brandt am 18. September 1976 in Heilbronn, dass die SPD den PSI über ihre künftigen Kontakte zu den italienischen Kommunisten im Vorfeld informieren solle.356 Ehmke versicherte Craxi daraufhin, dass er ihn zukünftig über Kontakte der SPD zu anderen italienischen Parteien unterrichten werde.357 Medienberichte, die aussagten, dass nun der PCI und nicht mehr die Sozialisten und Sozialdemokraten die bevorzugten Gesprächsteilnehmer der SPD in Italien wären, wurden nun umgehend zurückgewiesen. So ließ Ehmke einen Artikel des La Stampa-Redakteurs Gaetano Scardocchia, der nach einem Gespräch mit ihm genau dies behauptet hatte, über die bundesdeutsche Botschaft, den SPD-Parteivorstand und durch einen Artikel im PSIParteiorgan Avanti! richtigstellen.358 Scardocchia, der zwischen 1986 und 1990
355 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Bericht über die Teilnahmen an den Parteikongressen des PCI in Bologna und des BdKJ in Belgrad von Leo Bauer, ohne Datum [1969], S. 2. 356 WBA im AdsD, A 11.15, 10, Aufzeichnungen über das Gespräch zwischen Willy Brandt und Bettino Craxi am 18. September in Heilbronn, 23.09.1976, S. 1. 357 HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Vermerk von Horst Ehmke an Willy Brandt, Helmut Schmidt, Hans Koschnick, Wilhelm Dröscher und Hans-Jürgen Wischnewski über seinen Rom-Besuch vom 25.–29. Oktober 1976, 02.11.1976, Bonn, S. 1. 358 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Reisetätigkeit Horst Ehmke, 11623, Brief von Peter Bazing, Auswärtiges Amt, an Hans-Eberhard Dingels, 22.10.1976, Bonn; AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Reisetätigkeit Horst Ehmke, 11623, Telegramm der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt,
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Chefredakteur der Stampa war, hatte die SPD in seinem Artikel – durchaus der Realität entsprechend – in drei Gruppen bezüglich ihrer Haltung zum italienischen Eurokommunismus eingeteilt: Der linke Flügel um die Jusos, die deutlich für die Regierungsbeteiligung des PCI seien, die vorsichtige Gruppe um Willy Brandt, die eine kommunistische Regierungsbeteiligung im Rahmen einer breiten Koalition akzeptieren würde und schließlich der rechte Parteiflügel um Helmut Schmidt, der aus pragmatischen, ideologischen und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten eine Regierungsbeteiligung ablehnen würde.359 Die Vorsitzende der deutsch-italienischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag und SPDVorstandsmitglied Anke Martiny-Glotz wurde von Scardocchia folgendermaßen zitiert: „Brandt glaubt an die Sozialdemokratie als europäische Kraft und verfolgt die italienische Auseinandersetzung mit größerer Aufmerksamkeit; Schmidt ist ein kühler, emotionsloser Mann, der ein Auge für die praktischen Probleme hat: Die italienische Krise stellt eine Gefahr für die Bundesrepublik dar, wir können keine Insel der Stabilität bleiben, wenn die Nachbarländer nicht stabil sind.“360 Ehmke konnte die dadurch entstandenen Differenzen mit Craxi während eines Gesprächs mit ihm in Rom ausräumen.361 Zusätzlich beorderte Craxi wenige Monate nach seiner Wahl zum PSI-Generalsekretär mit Gian Paolo Segala erstmals einen eigenen Mitarbeiter der Sozialisten nach Bonn, um den Kontakt zur SPD zu intensivieren und kontinuierlich über die Bundesrepublik zu berichten.362 In bis dato ungewohnter Schärfe ließ Craxi als Parteichef seiner Ansicht nach zu weitgehende Belobigungen des PCI durch deutsche Sozialdemokraten kritisieren. Nach einem Interview der italienischen Wochenzeitung L’Espresso mit Karsten D. Voigt, in dem der stellvertretende Sprecher für Außenpolitik der Bundestagsfraktion die guten Kontakte zum PCI den problematischen Kontakten zum PSI gegenübergestellt hatte, sah sich der PSI-Auslandssekretär Carlo Ripa di Meana zu einer Intervention bei Horst Ehmke genötigt: „Wir haben die Herstellung von guten Beziehungen zwischen der KPI und der SPD verfolgt und auch geför-
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21.10.1976, Rom; „SPD fordert Berichtigung von der ‚Stampa‘“, in: FAZ, 21.10.1976, S. 5. AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Reisetätigkeit Horst Ehmke, 11623, „Italien und die KPI aus Bonner Sicht. Interview mit dem sozialdemokratischen Fachmann Ehmke“, Artikel aus La Stampa vom 14. Oktober 1976, S. 3. Anke Martiny-Glotz zitiert in: Ebenda, S. 6. HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Vermerk von Horst Ehmke an Willy Brandt, Helmut Schmidt, Hans Koschnick, Wilhelm Dröscher und Hans-Jürgen Wischnewski über seinen Rom-Besuch vom 25.–29. Oktober 1976, 02.11.1976, Bonn, S. 1. AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Parteivorsitzender Willy Brandt, 10902, Brief von Bettino Craxi an Willy Brandt, 27.10.1976, Rom.
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dert, doch können wir unsere lebhafte Besorgnis über die Entwicklung und die Bedeutung nicht verschweigen, die sie auf Grundlage solcher Erklärungen wie derjenigen Voigts nehmen können. Da die KPI ihre Beziehungen zur SPD polemisch gegen uns auszunutzen sucht, sieht sich die SPI [Sozialistische Partei Italiens, d. Verf.] genötigt, polemisch und öffentlich vor der nationalen und internationalen öffentlichen Meinung Stellung zu nehmen […]“363 Auch versuchte Craxi, allerdings mit mäßigem Erfolg, den Terminus „Eurosozialismus“ dem populären Begriff „Eurokommunismus“ entgegenzusetzen.364 Der XLI. Parteitag des PSI vom 28. März bis 2. April 1978 in Turin führte zu einer Konsolidierung des Kurses von Craxi. Die Flügel, vor allem der des Ex-Generalsekretärs und ehemaligen stellvertretenden italienischen Ministerpräsidenten Francesco De Martino, mussten sich nun ebenfalls hinter Craxi stellen.365 Craxi konnte somit seine Vorstellung eines Umbaus der Sozialistischen Partei vorantreiben. Ehmke meldete an Brandt, dass Craxi nach dem Turiner Parteikongress „unbestrittener“ und „unbeschränkter“366 Anführer des PSI sei, was man daran erkenne, dass er fast alle bezahlten Parteimitarbeiter entlassen und auch die Ehrenamtlichen nach Hause geschickt habe, um eine Neustrukturierung des Partito Socialista vorzunehmen.367 Auf dem Parteitag wurde Craxis Kurs der Entideologisierung der Sozialisten deutlich. In seiner Öffnungspolitik orientierte er sich explizit an der SPD. Darüber hinaus distanzierte sich Craxi von Berlinguer, dem er vorwarf, bezüglich der Lösung von Moskau noch „mitten in der Furt“368 zu stecken. Auf kommunaler Ebene, so beispielsweise in Venedig, wurden Koalitionen zwischen Sozialisten und Kommunisten auf Craxis Druck hin beendet.369 In den Folgejahren intensivierte der Sozialistenchef die Abgrenzung vom PCI.370 Auch in seiner Funktion als einer
363 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000459, Brief von Carlo Ripa di Meana an Horst Ehmke, 03.11.1978, Vancouver, S. 2. 364 Vgl. Di Scala: Renewing, S. 195. 365 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Sozialistische Partei Italiens (PSI), 11804, Vorlage für die Präsidiumssitzung am 3.4.1978 von Hans-Eberhard Dingels, 03.04.1978, Bonn. 366 HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Vermerk von Horst Ehmke an Willy Brandt über seinen Rom-Besuch vom 20.–25. Juli 1978, 28.07.1978, Bonn, S. 5. 367 Ebenda. 368 „SPD als Vorbild für Italiens Sozialisten“, in: Bonner Rundschau, 04.04.1978. 369 HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Vermerk von Horst Ehmke an Willy Brandt über seinen Rom-Besuch vom 20.–25. Juli 1978, 28.07.1978, Bonn, S. 6. 370 Vgl. Marco Gervasoni: Una guerra inevitabile. Craxi e i comunisti dalla morte di Berlinguer al crollo del muro, in: Gennaro Acquaviva/Marco Gervasoni (Hrsg.): Socialisti e comunisti negli anni di Craxi, Venedig 2011, S. 65–99.
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der Vizepräsidenten der Sozialistischen Internationale wehrte sich Craxi vehement gegen eine weitere sozialdemokratische Würdigung der italienischen Kommunisten. So verhinderte er beispielsweise die Teilnahme François Mitterrands als Chef der Delegation des Parti Socialiste am PCI-Parteikongress 1979, um eine Aufwertung der Kommunisten vor den ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament zu verhindern.371 Nach der innerparteilichen Erneuerung kam es in den 1980er Jahren auch zu einem Wiedererstarken der Sozialistischen Partei im italienischen Parteiensystem. Hatte der PSI in den drei Parlamentswahlen der 1970er Jahre durchgehend weniger als zehn Prozent der Wählerstimmen erreicht, errang die Partei bei den Wahlen 1983 mit 11,4 Prozent das beste Ergebnis seit 1968. Im August 1983 konnte Craxi darüber hinaus erfolgreich das Amt des italienischen Ministerpräsidenten für sich beanspruchen. Er wurde damit nach dem Linksliberalen Giovanni Spadolini der zweite nicht christdemokratische Ministerpräsident Italiens seit Kriegsende, wenn man die kurze Periode der Amtszeit des Partito d’Azione-Mitglieds Ferruccio Parri von Juni bis Dezember 1945 außer Acht lässt. Craxi blieb bis April 1987 im Amt. Seine Regierung wies damit eine für die erste italienische Republik äußerst hohe Stabilität auf. Durch Craxis kontinuierliches Bemühen um eine Intensivierung der Kontakte zur SPD und der größeren Wertigkeit seiner Partei durch die verbesserten Wahlergebnisse, der PSI-Regierungsbeteiligung und vor allem seiner Position als Regierungschef geriet der PCI in eine Konkurrenzsituation in seinen Kontakten zur SPD und der europäischen Sozialdemokratie, die aufgrund der strukturellen Schwäche von PSI und PSDI seit mehr als einem Jahrzehnt nicht in diesem Maße bestanden hatte. Craxi setzte seine Machtposition in der italienischen Regierung, dem PSI und der Sozialistischen Internationale offensiv ein, um sich selbst als neuer Präferenzpartner der SPD und der gesamten westeuropäischen Sozialdemokratie zu empfehlen. Gegenüber Ehmke beschwerte er sich zum Beispiel nachdrücklich über den Kontakt zwischen dem kommunistischen Generalsekretär Berlinguer und dem SPD-Vorsitzenden Brandt seit 1979 im Europäischen Parlament, der dem PSI „ungeheuer geschadet habe“372. Durch die Verbesserung der Position der italienischen Sozialisten bis Ende der 1980er Jahre, Craxis Bemühungen um enge Kontakte zur SPD und der westeuropäischen
371 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000460, Bericht über eine Dienstreise anläßlich des 15. Kongresses der KP Italiens im Zeitraum 29.3.–6.4.1979 von Wolfgang Berner und Heinz Timmermann, Mai 1979, Köln, S. 41. 372 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000461, Vermerk für Willy Brandt und Helmut Schmidt über eine Rom-Reise vom 4. bis 8. Januar 1982 von Horst Ehmke, 11.01.1982, Bonn, S. 3.
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Sozialdemokratie und den Einflussverlust des PCI auf politischer Ebene373, waren die Parteibeziehungen zwischen SPD und PSI spätestens Ende der 1980er Jahre wieder auf hohem Niveau angesiedelt. Insbesondere nach Craxis Wahl zum Ministerpräsidenten im August 1983 übte dieser vermehrten Druck auf die SPD aus. Die Treffen zwischen PCI und SPD sollten nicht mehr eine so große Außenwirkung entfalten und SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz, der besondere Sympathien für die italienischen Kommunisten hegte, sollte von den Treffen ausgeschlossen werden.374 Gegenüber dem PCI sah Craxi 1987 nur noch zwei Optionen: Den „französischen Weg“, wonach eine Zusammenarbeit nur möglich sei, wenn die Sozialisten stärker als die Kommunisten wären, was Jahrzehnte dauern könnte, oder den „italienischen Weg“, was bedeute, dass sich der PCI in einer Regierung ungeachtet der Mehrheitsverhältnisse dem PSI unterordnen müsse und die Sozialisten somit den Ministerpräsidenten stellen würden. Eine solche Koalition könne zusammen mit den laizistischen Parteien ohne die Christdemokraten gebildet werden.375 Ende März 1987 legte Craxi sogar ein Veto gegen ein Treffen einer SI- mit einer PCI-Delegation ein, war aber einverstanden mit einem Treffen von Willy Brandt und Generalsekretär Alessandro Natta.376 Dennoch kann man nicht davon sprechen, dass die Kontakte zum PCI auf Druck Craxis vermindert oder gar eingestellt wurden. Die SPD verbesserte lediglich wieder ihre Beziehungen zu den italienischen Sozialisten und behielt – gegen den Willen Bettino Craxis – auch weiterhin ihren intensiven Austausch mit den italienischen Kommunisten bis zu deren Umwandlung in den Partito Democratico della Sinistra (PDS) und dessen anschließende Aufnahme in die Sozialistische Internationale bei.
5.3.4 Der Eurokommunismus in der politischen Auseinandersetzung der Bundesrepublik Deutschland Im Wahljahr 1976 wurde die Debatte um den italienischen Eurokommunismus besonders emotional geführt. Bereits Ende Dezember 1975 war es zu einem
373 Der PSI legte bei jeder Wahl zum italienischen Abgeordnetenhaus zwischen 1972 und 1987 an Prozentpunkten zu (von 9,6 Prozent im Jahre 1972 auf 14,3 Prozent im Jahre 1987), während der PCI von 1976 bis 1987 kontinuierlich an Prozentpunkten verlor (von 34,4 Prozent im Jahre 1976 auf 26,6 Prozent im Jahre 1987). 374 WBA im AdsD, A 13, 165, Vermerk von Veronika Isenberg an Willy Brandt, 24.03.1987. 375 Ebenda, S. 2. 376 WBA im AdsD, A 13, 165, handschriftlicher Vermerk von Hans-Eberhard Dingels an Willy Brandt, 30.03.1987.
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Streitgespräch zwischen Horst Ehmke und dem Protagonisten des rechten CDUFlügels und hessischen Landesvorsitzenden Alfred Dregger zum Thema „Wird Europa rot?“ gekommen.377 Ehmke führte die demokratischen Entwicklungen des Eurokommunismus auf die sozial-liberale Entspannungspolitik zurück. Dregger subsumierte den Eurokommunismus hingegen unter dem Sowjetkommunismus: „Es gibt innerhalb des kommunistischen Lagers Meinungsverschiedenheiten über die einzuschlagende Taktik, im Ziel stimmen alle kommunistischen Parteien und alle kommunistischen Staaten überein, nämlich den Kommunismus in der ganzen Welt durchzusetzen.“378 Dregger kritisierte auch die Selbstbezeichnung führender Sozialdemokraten als „demokratische Sozialisten“. Dadurch würde eine Nähe zum Kommunismus hergestellt, die problematische Folgen haben könne. Er verwies dabei auf das Beispiel Marburg, wo die lokale SPD mit der DKP kurzzeitig eine Aktionsgemeinschaft gebildet hatte. Ehmke antwortete darauf, indem er betonte, dass es für die SPD keinen Unterschied zwischen Sozialdemokraten und demokratischen Sozialisten gebe.379 Knapp vier Wochen später wurde Willy Brandt wegen seinen Äußerungen über die italienischen Kommunisten vom politischen Kontrahenten scharf angegriffen. Der SPD-Vorsitzende selbst thematisierte die Kontakte zum PCI in seinem 1976 erschienenen Werk „Begegnungen und Einsichten“ relativ offen.380 Aber nachdem er im Januar 1976 mit dem Spiegel ein Interview über den PCI geführt hatte, in welchem er bemerkte, dass es interessante Entwicklungen bei den italienischen Kommunisten gäbe381, kam es zu Verbalattacken der CDU/CSUFraktion im Bundestag. Der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat für die anstehende Bundestagswahl Helmut Kohl warf Helmut Schmidt die Abhängigkeit „von sozialistischen Kräften in der SPD“ vor, der CDU-Bundestagsabgeordnete Friedrich Vogel warnte vor einer Volksfrontpolitik der Sozialdemokraten und ein namentlich nicht genannter Berater Kohls bezeichnete Brandts Interview mit dem Spiegel als „Gottesgeschenk“, das man braten wolle, bis es nicht mehr ginge.382 Der
377 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus/AG Süd-Westeuropa/Europa, 1/HEAA000772, DFS Report vom 22.12.1975 – „Wird Europa rot?“. 378 Ebenda, S. 2. 379 Ebenda, S. 2f. 380 Willy Brandt: Begegnungen und Einsichten. Die Jahre 1960–1975, Hamburg 1976, S. 290f. 381 „Es gibt interessante Entwicklungen in der kommunistischen Welt. Da laufen wir doch nicht mit Scheuklappen durch die Welt und sagen, da gibt es nichts. Da gibt es wirklich sehr interessantes.“ Willy Brandt zitiert in: Der Spiegel, Nr. 5, 26.01.1976, S. 24. 382 Der Spiegel, Nr. 6, 02.02.1976, S. 25.
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damalige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Karl Carstens sprach davon, dass der deutsche Bürger es „endgültig leid sei, in das Halbdunkel sozialdemokratischer Ostpolitik und in eine undurchsichtige Annäherung an kommunistische Parteien hineingezogen zu werden“383. Intern sah Kohl die Debatte über eine christdemokratisch-kommunistische Regierungskoalition in Italien jedoch vor allem als potenzielles Problem für die CDU im kommenden Bundestagswahlkampf.384 Um Angriffen des politischen Kontrahenten vorzubeugen, aktualisierte der SPDParteivorstand 1977 die bereits im Februar 1971 veröffentlichte Stellungnahme „Zum Verhältnis von Sozialdemokratie und Kommunismus“.385 War die Veröffentlichung im Jahr 1971 vor allem entstanden, um potenziellen Vorwürfen einer vermeintlichen Zusammenarbeit mit der im September 1968 neu gegründeten DKP von vornherein zu begegnen, beschäftigte sich die aktualisierte Neuauflage 1977 auch mit dem Verhältnis der SPD zum Eurokommunismus. So hieß es im Nachwort von Willy Brandt: „Ein komplizierendes Element ist dabei das, was man trotz aller Unterschiedlichkeit ‚Eurokommunismus‘ nennt. […] Es gehört zur Lage in diesem Kontinent, daß wir zur Sicherung des Friedens auch kommunistische Partner brauchen.“386 Auch in der bundesdeutschen Presse offenbarte sich die innenpolitische Spaltkraft der Eurokommunismusdebatte. So unterstellte beispielsweise der konservative Politikwissenschaftler Hans-Joachim Veen der SPD in der FAZ eine deutliche Nähe zum Eurokommunismus.387 Die sozialdemokratischen Parteien Westeuropas bezeichnete er als „aufnahmebereitesten Resonanzboden“ für eurokommunistische Ideen. Veen verwies in dem Artikel darauf, dass die Sozialdemokraten zum Abbau der „traditionell hohen politisch-psychologischen Hemmschwelle gegenüber kommunistisch-marxistischem Denken“ beigetragen hätten. Auch attestierte er eine „Gefühllosigkeit gegenüber totalitärem Denken von links“388. Verschiedene „radikalsozialistische, zum Teil marxistische Linkskräfte“ hätten in den großen
383 Karl Carstens zitiert in: Der Tagesspiegel, 01.02.1976, S. 16. 384 ACDP, CDU-Bundespartei, 07-001, 962, Ergebnisprotokoll der Sitzung des Bundesvorstands der CDU vom 14. Januar 1976 in der Politischen Akademie Eichholz von KarlHeinz Bilke, 27.01.1976, Bonn. 385 Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.): Zum Verhältnis von Sozialdemokratie und Kommunismus. Bonn 1971; ders.: Zum Verhältnis von Sozialdemokratie und Kommunismus. Neuauflage mit einem Nachwort von Willy Brandt, Bonn 1977. 386 Ebenda, S. 15f. 387 „Zurück in die alte weltanschauliche Heimat“ von Hans-Joachim Veen, in: FAZ, 29.11.1979, S. 10. 388 Ebenda.
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sozialdemokratischen Parteien Westeuropas im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Eurokommunismus an Boden gewonnen. Hierzu zählte Veen vor allem die von ihm so genannte „Auslands- und Europa-SPD“, den CERES-Flügel des Parti Socialiste, die Tribune Group der britischen Labour Party sowie die dänischen und norwegischen Sozialdemokraten.389 Die niederländische Partij van de Arbeid (PvdA) hatte laut Veen mit Max van den Berg sogar einen überzeugten Sozialisten zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Auch seien bereits von den Gewerkschaften starke Impulse in Richtung einer Zusammenarbeit mit den Eurokommunisten ausgegangen. Die Sozialdemokraten bezeichnete Veen daher als „der gewichtigste Unsicherheitsfaktor im europäischen Parteiensystem“390. Laut Veen gab es deutlich erkennbare Konvergenzlinien zwischen Eurokommunisten und Sozialdemokraten. Er nannte vor allem den Bereich der Außenund Sicherheitspolitik. Das Ziel beider Seiten sei ein „neutralistisch-pazifistischer Kurs zwischen den Blöcken“, der die Voraussetzung für die Überwindung des Blocksystems darstelle. Veen warnte in diesem Zusammenhang vor der „Finnlandisierung“ Westeuropas und somit vor der „totalen Erpreßbarkeit durch die Sowjetunion“391. In einer Replik auf den Veen-Artikel verteidigte Heinz Timmermann wenige Monate später die Haltung der SPD gegenüber dem Eurokommunismus.392 Auch Hans-Dietrich Genscher äußerte sich als Vorsitzender des Koalitionspartners kritisch zu Brandts Spiegel-Interview und betonte, kein „VolksfrontEuropa“393 zu wollen. In Hintergrundgesprächen zwischen US-Diplomaten und FDP-Politikern wurde deutlich, dass Genscher bezüglich des Eurokommunismus zur Position der CDU neigte.394 Im Falle eines Wahlsiegs des PCI in Italien 1976
389 Vgl. Hans-Joachim Veen: Eurokommunismus – Auswirkungen in Westeuropa und Folgen für den Ostblock. 20 Thesen, in: Hans-Joachim Veen et al. (Hrsg.): Wandel im Kommunismus?, Zürich 1979, S. 20. 390 „Zurück in die alte weltanschauliche Heimat“ von Hans-Joachim Veen, in: FAZ, 29.11.1979, S. 10. 391 Ebenda. 392 „Eurokommunisten und demokratische Sozialisten“ von Heinz Timmermann, in: FAZ, 12.04.1980, S. 7. 393 Hans-Dietrich Genscher zitiert in: „Wer hat Lenin gepachtet?“ von Heinz Timmermann, in: Die ZEIT, Nr. 25, 11.06.1976, S. 50. 394 Siehe hierzu auch die Ausführungen Genschers zum Eurokommunismus in der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages am 8. März 1978 in: Winfried Becker/Hans-Günter Hockerts/Marie-Luise Recker/Hans-Peter Schwarz im Auftrag der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (Hrsg.): Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages, Sitzungsprotokolle 1976–1980,
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sah der Außenminister ähnlich der von Henry Kissinger für die US-Administration vertretenen Domino-Theorie eine „Ansteckungsgefahr“395 für die südeuropäischen Staaten. Seine Ablehnung des Eurokommunismus begründete er unter anderem mit seiner Herkunft aus der DDR, die ihn sensibel für kommunistische Täuschungsversuche gemacht habe.396 Gleichzeitig stand er mit seiner skeptischen Haltung gegenüber dem PCI Bundeskanzler Schmidt nahe.397 Genscher ergriff in der Frage einer Regierungsbeteiligung des PCI 1976 selbst die Initiative und forderte von den beiden liberalen Parteien Italiens, PLI und PRI, hinter verschlossenen Türen eine klare Ablehnung jedweder Zusammenarbeit mit den Kommunisten.398 Der FDP-Vorsitzende machte deutlich, dass im Falle einer Kooperation mit dem PCI die italienischen Parteien den im März 1976 gegründeten Bund Liberaler und Demokratischer Parteien Europas verlassen müssten. Sollten sie dies nicht tun, würde die FDP austreten.399 Innerhalb des Auswärtigen Amts setzte man Hoffnungen auf die Bündelung der zentristischen Kräfte und die kurzzeitig in Italien diskutierte Fusion der beiden liberalen Parteien mit dem PSDI.400 Diese zentristische Partei hätte eine Wiederherstellung einer stabilen MitteRechts-Koalition ermöglichen sollen. Gegenüber dem Eurokommunismus gerieten die Liberalen in eine ambivalente Situation. Größtenteils nahm man die entsprechenden Entwicklungen bei der italienischen und anderen kommunistischen Parteien als Gefahr für die Freiheit
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Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 13/VIII, erster Halbband Januar 1977 bis Oktober 1978, Joachim Wintzer/Wolfgang Hölscher/Benedikt Wintgens (Bearbeiter), Düsseldorf 2013, S. 556f. PAAA, Bestand B 150, Bd. 333, Aufzeichnung des Vieraugengesprächs zwischen Bundesaußenminister Genscher und Außenminister Callaghan am 24. Juli 1975 in Hamburg von Gisela Siebourg, 31.07.1975, Bonn, S. 5. PAAA, Bestand B 150, Bd. 347, Vermerk (vertraulich) über das Gespräch von Bundesminister Genscher mit Außenminister Rumor am 3. Mai 1976 in Brüssel, 04.05.1976, Bonn, S. 1f. JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Brzezinski Office File, Box 34, Memorandum von Phil Kaplan an Tony Lake, 09.06.1977, Washington D.C., S. 11 (PRESNET NLC-15-34-3-14-0). PAAA, Bestand B 150, Bd. 347, Vermerk (vertraulich) über das Gespräch von Bundesminister Genscher mit Außenminister Rumor am 3. Mai 1976 in Brüssel, 04.05.1976, Bonn, S. 2. PAAA, Bestand B 150, Bd. 347, Vermerk (geheim) über das Gespräch des Bundesministers mit Ministerpräsident Chirac am 13. Mai 1976 in Paris, 14.05.1976, Bonn, S. 6. PAAA, Bestand B 150, Bd. 347, Vermerk (vertraulich) zur Unterrichtung über die Lage in Italien und mit der Bitte, die operativen Vorschläge zu genehmigen an Bundesminister und Staatssekretär, 04.05.1976, Bonn, S. 5.
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des Westens wahr. Gleichzeitig sollte der sozialdemokratische Regierungspartner nicht über die Maßen angegriffen werden. Vorsichtig wurden die Reformversuche der eurokommunistischen Parteien als „bündnisinterne Interessenabweichungen“401 bezeichnet. Die deutlichen Angriffe von CDU/CSU wurden von FDPPolitikern jedoch weitestgehend abgelehnt. Die Polarisierung im Wahlkampf 1976 wurde durch den christdemokratischen Wahlkampfslogan „Freiheit statt Sozialismus“, der zuvor im baden-württembergischen Landtagswahlkampf als „Freiheit oder Sozialismus“ getestet worden war, deutlich betont.402 Die Aussage, die direkt an dem Verhältnis der Sozialdemokraten zum Kommunismus ansetzte, wurde von liberaler Seite als „semantisches Trauerspiel“403 kritisiert. Der wahrscheinliche Machtzuwachs sozialistischer und kommunistischer Parteien in Westeuropa im Zuge der Redemokratisierung Griechenlands, Portugals und Spaniens wurde allerdings als Gefahr perzipiert.404 Auf dem Europakongress am 3. Februar 1979 in Aachen fasste der stellvertretende FDP-Parteivorsitzende Uwe Ronneburger die Position seiner Partei zusammen: „Die Haltung der beiden ‚Großen‘ gegenüber dem Phänomen des sogenannten Eurokommunismus ist interessant: Die Konservativen schlagen entweder vor Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammen, oder sie verschließen aus Ratlosigkeit ganz fest die Augen. Und in der SPD scheint man drauf und dran zu sein, die Gefahren des europäischen Kommunismus zu verharmlosen.“405 Bezogen auf Italien versuchte die FDP die in der aufgeheizten Debatte über eine Regierungskoalition von Christdemokraten und Kommunisten fast marginalisierten liberalen Parteien PLI und PRI406 zu unter-
401 Reinhardt Rummel: Neue Entwicklungen in der atlantischen Partnerschaft, in: Liberal, Nr. 11/1977, S. 840. 402 Vgl. Eckart Conze: Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009, S. 490. 403 Michael Harscheidt: Der Hitlerismus von „Freiheit oder/statt Sozialismus“. Studie über ein semantisches Trauerspiel, in: Liberal, Nr. 8–9/1976, S. 632–646. 404 AdL, Bestand FDP-Bundespartei, A44 Bundesfachausschuß für Außenpolitik, A44-32, Ergebnisprotokoll der 4. Tagung des Bundesfachausschusses für Außen-, Deutschlandund Europapolitik der F.D.P. am 27./28. Januar 1978 in Bonn von Herbert Willner, 07.03.1978, Bonn, S. 5. 405 Uwe Ronneburger zitiert in: AdL, Bestand FDP-Bundespartei, A1 Bundesparteitag, A1693, Stenographische Niederschrift der Bundesvertreterversammlung der FDP am 3. Februar 1979 in Aachen, 21. 406 Am 20. Juni 1976 erreichte der PRI 3,1 Prozent der Wählerstimmen (14 Mandate) und der PLI nur 1,3 Prozent (fünf Mandate) bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus.
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stützen.407 So traf sich Außenminister Genscher während seines Rombesuchs im Februar 1975 öffentlichkeitswirksam mit Giovanni Malagodi, dem Vorsitzenden des PLI und ehemaligen Vorsitzenden der Liberalen Internationale, zu einem Gedankenaustausch über die Zusammenarbeit beider liberalen Parteien.408 Auch kam es in den 1970er und frühen 1980er Jahren zu mehreren gemeinsamen Veranstaltungen der Friedrich-Naumann-Stiftung mit italienischen Stiftungen des Liberalismus sowie dem Besuch liberaler Spitzenpolitiker in Italien, so beispielsweise von Altbundespräsident Walter Scheel, der sich während seiner Romreise vom 1. bis 3. Juli 1981 mit dem PLI-Vorsitzenden Valerio Zanone traf.409 Für die Unionsparteien spielte die vermeintliche Grundsatzentscheidung zwischen einem freiheitlich-pluralistischen und einem sozialistischen Gesellschaftsmodell für Europa eine zentrale Rolle in der Wahlkampfstrategie für die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament im Juni 1979.410 Damit konnte die CDU jedoch nur eine Minderheit der Wahlbevölkerung erreichen. Laut einer repräsentativen Emnid-Umfrage waren Ende des Jahres 1978 nur 35 Prozent der Bundesbürger der Meinung, dass es sich bei der anstehenden Europawahl um eine Entscheidung zwischen Freiheit und Sozialismus handelte, während 60 Prozent dies verneinten und fünf Prozent unschlüssig waren.411 Obwohl 54 Prozent der Befragten keine Unterschiede zwischen dem Euro- und dem Sowjetkommunismus erkannten, zeigten die 40 Prozent, die sich dieser Gleichsetzung widersetzten, ein im internationalen Vergleich überproportional hohes Differenzierungsvermögen der bundesdeutschen Gesellschaft in der Beurteilung des Eurokommunismus.412
407 AdL, Bestand FDP-Bundespartei, A44 Bundesfachausschuß für Außenpolitik, A44-26, Ergebnisprotokoll der 7. Tagung des Bundesfachausschusses für Außen-, Deutschlandund Europapolitik der F.D.P. am 12./13.03.1976 in Wachtberg-Niederbachem von Herbert Willner, 05.05.1976, Bonn, Anhang II, S. 2f. 408 AdL, Bestand Hans-Dietrich Genscher, N52, N52-91, Vermerk von Karl Walter Lewalter an Hans-Dietrich Genscher über das Gespräch mit Giovanni Malagodi am 21. Februar 1975 in Rom, 24.02.1975, Bonn, 59f. 409 AdL, Bestand Walter Scheel, N82, N82-263, Brief von Jürgen D. Wickert an Hanno Hartmann mit Anhang, 10.07.1981, Rom. 410 ACDP, CDU-Bundespartei, 07-001, 996, Ergebnisprotokoll der Sitzung des erweiterten Bundesvorstandes vom 29. Januar 1979 in Bonn von Hellmut Holle mit Anlage „Grundlagen für den Europawahlkampf“. 411 Ähnliche Ergebnisse zeigte eine Umfrage des Allensbach-Instituts, die im Sommer 1977 feststellte, dass nur noch eine Minderheit von 36 Prozent der Bundesbürger einen Gegensatz zwischen Freiheit und Sozialismus sehen würde. ACDP, CDU-Bundespartei, 07-001, 1333, Analyse „Die Bundesrepublik kurz vor der Europa-Wahl“, Januar 1979, S. 5. 412 „Umfrage: Keine Sonderstellung für den Euro-Kommunismus“ von Heinz Vielain, in: Die Welt, 07.10.1978.
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Vor dem Hintergrund einer potenziellen sozialdemokratisch-kommunistischen Mehrheit im künftigen Europäischen Parlament hatte Franz Josef Strauß ursprünglich „Freiheit statt Volksfront“413 als Wahlkampfslogan bevorzugt, was auch vom führenden Europapolitiker der CSU Heinrich Aigner unterstützt wurde.414 Wie ein Interview mit Aigner zeigte, wurden die Sozialdemokraten von Unionsseite häufig als Steigbügelhalter der Eurokommunisten wahrgenommen: „Wer hat sich denn unter dem Zeichen der Roten Rose in der geballten Faust, dem Volksfrontzeichen von Mitterrand und den Jusos vereinigt? Doch eben auch die SPD des über den politischen Wolken schwebenden moskauhörigen Willy Brandt und den militanten Anhängern von Ehmke und Bahr, die sich am liebsten morgen schon mit den Eurokommunisten ins Lorbeerbett legen würden.“415 Ein zentrales Thema der Unionsparteien im Umgang mit der sozialdemokratischen Haltung zum Eurokommunismus war der Kampf gegen die sozial-liberale Ostpolitik, so beispielsweise in der Artikelserie „Eurokommunismus und Volksfront – Moskaus Strategie zur Beherrschung Europas“ von Hans Graf Huyn, CSUBundestagsabgeordneter und außenpolitischer Berater von Strauß, die vom 7. bis 10. Juni 1977 im Münchener Merkur erschien: „Derselbe Willy Brandt unterhält als Vorsitzender der deutschen Sozialdemokraten enge Verbindungen zu den sogenannten ‚Eurokommunisten‘ etwa in Rom, mit denen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in konspirativer internationaler Volksfrontzusammenarbeit in der ‚via delle botteghe oscure‘ – der Straße der dunklen Geschäfte – jene Ostverträge vorbereitet hat, die Breschnew später als einen großen Sieg Moskaus und des Kremls bezeichnete.“416 Mit den Titeln der jeweiligen Artikel, „Auf der Suche nach willfährigen Schafen“ und „Erst umarmen – und dann ersticken“, wurde darüber hinaus erneut die vermeintliche Naivität der SPD im Umgang mit den Eurokommunisten thematisiert. Ignoriert wurde dabei häufig, dass vereinzelt auch Protagonisten von CDU und CSU Kontakt zu italienischen Kommunisten gesucht hatten. Hierzu zählte beispielsweise der ehemalige Innen-, Außen- und Verteidigungsminister Gerhard Schröder, der sich während seines Aufenthalts als
413 Vgl. Der Spiegel, Nr. 1, 01.01.1979, S. 41. 414 ACSP, Nachlass Heinrich Aigner, 8, Pressemitteilung von MdB Heinrich Aigner, ohne Datum [1978], Bonn. 415 Heinrich Aigner zitiert in: ACSP, Nachlass Heinrich Aigner, 11, „Europawahlen – Risiken und Chancen. Interview mit Heinrich Aigner“, in: Wirtschaftsbild – Informationsund Kontaktorgan im Dienste der Sozialen Marktwirtschaft, Nr. 1/1978, Sonderausgabe, S. 18. 416 „Auf der Suche nach willfährigen Schafen“ von Hans Graf Huyn, in: Münchner Merkur, 07.06.1977.
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Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages in Rom im November 1975 unter anderem mit italienischen Kommunisten traf und dies auch gegenüber der Presse nicht verleugnete.417 In den wenigen Fällen, in denen sich Unionspolitiker für einen offeneren Umgang mit den italienischen Eurokommunisten aussprachen, wurden sie parteiintern massiv kritisiert. Ein Beispiel hierfür ist Hans Filbinger, der den ehemaligen CDU-Generalsekretär Kurt Biedenkopf im März 1979 für dessen differenzierte Haltung gegenüber dem PCI verbal attackierte. Filbinger, der wenige Monate zuvor am 7. August 1978 wegen seiner Rolle als Militärrichter der Kriegsmarine während des Nationalsozialismus von seinem Amt als baden-württembergischer Ministerpräsident zurückgetreten war, erklärte im Gegensatz zu Biedenkopf den Aufschwung der Eurokommunisten mit der Vernachlässigung der Vermittlung christlicher Werte gegenüber der Jugend.418 Problematisch war für CDU und CSU, dass die Schwesterpartei Democrazia Cristiana seit den Wahlen von 1976 auf die Duldung des PCI im Parlament angewiesen war. Auf einen entsprechenden Hinweis Ehmkes in einer Bundestagsdebatte entgegnete der CDU-Außenpolitiker Alois Mertes, dass dies nur notwendig sei, weil die Sozialisten eine Koalition mit der DC abgelehnt hätten.419 Nichtsdestotrotz war die christdemokratisch-kommunistische Kooperation in Italien ein Dorn im Auge der Unionsparteien. Nach Berichten der CDU-Auslandsabteilung konnte spätestens Ende des Jahres 1977 nicht mehr von einem geschlossenen Widerstand der italienischen Christdemokraten gegen eine offizielle kommunistische Regierungsbeteiligung ausgegangen werden. Seit dem gemeinsamen Programmkompromiss mit den Kommunisten habe in der DC „ein Abrutschprozeß
417 ACDP, Nachlass Gerhard Schröder, 01-483, 156/2, BPA, DLF „Interview der Woche“, Gerhard Schröder über Gespräche in Italien, SPD und anderes, 16. 11.1975; Der Spiegel, Nr. 6, 02.02.1976, S. 25. 418 Vgl. „CDU wappnet sich für Berührung mit dem Eurokommunismus“, in: Süddeutsche Zeitung, 05.03.1979. 419 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus/AG Süd-Westeuropa/Europa, 1/HEAA000772, Stenografischer Bericht der Sitzung des Deutschen Bundestages am 24.01.1979 in Bonn, S. 10303. In die gleiche Richtung hatte zuvor bereits der Präsident der parlamentarischen Versammlung der WEU und ehemalige Bundesminister Kai-Uwe von Hassel argumentiert. Vgl. ACSP, Nachlass Heinrich Aigner, 11, „Warum wollen wir Europa?“ von Kai-Uwe von Hassel, in: Wirtschaftsbild – Informations- und Kontaktorgan im Dienste der Sozialen Marktwirtschaft, Nr. 1/1978, Sonderausgabe, S. 9f.
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in Richtung nach links eingesetzt“420. Als Beispiel wurde vom Leiter des CDUAuslandsbüros die enge Zusammenarbeit von DC und PCI in der Region Sizilien genannt.421 Die CDU-Führung setzte sich daher für die Stärkung des rechten Parteiflügels der DC ein.422 Der Idee, inoffizielle Kontakte zum neofaschistischen MSI als Gegenpol zur Stärke des linken DC-Flügels aufzunehmen, wurde jedoch eine Absage erteilt.423 Als problematisch erwiesen sich nun die nur schwach ausgeprägten Beziehungen zu den italienischen Christdemokraten, die sich insbesondere aus der heterogenen Zusammensetzung der DC ergaben. Deren ausgeprägter linker Flügel, der einer Zusammenarbeit mit den Sozialisten und zumindest in Teilen auch mit den Kommunisten wohlwollend gegenüberstand, war den Interessen der CDU diametral entgegengesetzt.424 Seit der persönlichen Freundschaft zwischen De Gasperi und Adenauer hatte es nur in äußerst geringem Maße einen Austausch zwischen beiden Parteien gegeben.425 Neben der DC war für CDU und CSU der Vatikan die wichtigste Informationsquelle zur italienischen Innenpolitik.426 Die CSU hielt zusätzlich enge Kontakte zur Südtiroler Volkspartei aufrecht, deren langjähriger Parteiobmann (Vorsitzender) Silvius Magnago eng mit Franz Josef Strauß befreundet war und ihm entsprechende Einschätzungen zum
420 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Vermerk zum bevorstehenden Besuch in Rom von Henning Wegener an Hans Filbinger, 14.12.1977, Bonn, S. 2. 421 Ebenda. 422 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Vermerk über die Schwierigkeiten im Verhältnis der DC zur CDU von Henning Wegener an Helmut Kohl und Heiner Geißler, 05.12.1977, Bonn. 423 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Vermerk über den MSI von Heinrich Böx an Horst Teltschik, 01.03.1977, Bonn. 424 Vgl. Carlo Masala: Die CDU und die Democrazia Cristiana, 1949–1969. Eine schwierige Beziehung, in: Historisch-Politische-Mitteilungen. Archiv für Christlich-Demokratische Politik, 3. Jahrgang, 1996, S. 156–162. 425 Vgl. Ders.: Italia und Germania, S. 118–127. 426 ACDP, Nachlass Theodor Sautter, 01-721, 007/2, Aktennotiz zum Gespräch zwischen Staatssekretär Agostino Casaroli, Theodor Sautter und Herbert Kremp am 8. Juni 1976 von Brigitte Meurer, 19.07.1976, Bonn; ACDP, Nachlass Gerhard Schröder, 01-483, 182/1, Bericht über die Beurteilung der italienischen Innenpolitik durch den Vatikan von der bundesdeutschen Botschaft beim Hl. Stuhl an das Auswärtige Amt, 15.10.1975, Rom. In Einzelfällen, so beispielsweise bei Gesprächen mit dem Nuntius, wurde der italienische Kommunismus auch von der Bundesregierung mit Vertretern des Vatikans besprochen. Vgl. PAAA, Bestand B 150, Bd. 345, Vermerk über ein Gespräch des Bundeskanzlers mit dem neu akkreditierten Nuntius del Mestri am 3. März 1976 von Herrn Loeck, 09.03.1976, Bonn, S. 3f.
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italienischen Kommunismus lieferte.427 Die Unionsparteien wurden auch vom US-amerikanischen Bündnispartner angehalten, ihren Einfluss bei der DC auszunutzen. So berichtete der Leiter des CDU-Auslandsbüros Heinrich Böx in einem Brief an den stellvertretenden Parteivorsitzenden Heinrich Köppler vor dessen Italienreise 1976: „Die Amerikaner haben die CDU zu verschiedenen Malen gebeten, ihren ganzen Einfluß bei der DC für eine Reform geltend zu machen.“428 Helmut Kohl machte dementsprechend während seines Besuchs in Rom die Vorbehalte der CDU gegenüber einer kommunistischen Regierungsbeteiligung deutlich und sicherte der DC die volle Unterstützung im Falle einer Neuwahl zu.429 Auch der damalige stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU Hans Filbinger sollte die Ablehnung einer offiziellen Koalition mit dem PCI in seinem anstehenden Gespräch mit Ministerpräsident Andreotti wiederholen, aufgrund der angespannten Situation zwischen beiden Parteien jedoch auch Verständnis für die schwierige Lage der DC zeigen.430 Tatsächlich waren die Beziehungen zwischen den Schwesterparteien CDU/CSU und DC in der Phase der solidarietà nazionale äußerst angespannt. Die Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom berichtete, dass sich Ministerpräsident Andreotti ausgerechnet beim sozialdemokratischen Bundeskanzler Schmidt über das Unverständnis von CDU und CSU für seine Politik beklagt habe.431 Auch im Vorfeld der Gründung der Europäischen Demokratischen Union (EDU)432 gab es
427 Vgl. Magnago: Die Gefahren des Eurokommunismus, S. 127–142. 428 ACDP, Nachlass Heinrich Köppler, 01-258, 016/3, Brief von Heinrich Böx an Heinrich Köppler, 20.01.1976, Bonn, S. 2. 429 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Vermerk zum bevorstehenden Besuch in Rom von Henning Wegener an Hans Filbinger, 14.12.1977, Bonn, S. 3. 430 Ebenda. 431 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Telex von Erich B. Kusch und Rudolf Schloz an Bruno Heck, 07.12.1977, Rom. 432 Die EDU wurde auf Initiative von CDU und ÖVP im April 1978 als Zusammenschluss von 18 christdemokratischen und konservativen Parteien Westeuropas gegründet. Da die Erweiterung der 1976 gegründeten Europäischen Volkspartei um konservative Parteien von einigen christdemokratischen Mitgliedsparteien verhindert wurde, sollte die EDU als Alternativorganisation für Parteien der rechten Mitte fungieren. In der Folgezeit wurde die Haltung zum Eurokommunismus zu einem wichtigen Thema der EDU. Vgl. MTF, Archive, Conservative Party: European Democrat Union Conference Resolutions („Second Party Leaders’ Conference“), 20.07.1979, Appendix 9 „Eurocommunism“, http://www.margaretthatcher.org/document/112548 (Abruf am 12.05.2014); MTF, Archive, Conservative Party: European Democrat Union Conference Minutes („Second Party Leaders’ Conference“), 20.07.1979, S. 6,
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entsprechende Konflikte. Die Democrazia Cristiana weigerte sich, einer Parteienorganisation beizutreten, der die stark antikommunistisch ausgerichteten britischen Konservativen angehören würden.433 Tatsächlich waren die Tories unter ihrer seit Februar 1975 amtierenden Vorsitzenden Margaret Thatcher zu einem der stärksten Kritiker der italienischen Christdemokraten avanciert.434 In einem anklagenden Brief teilte der DC-Parteivorsitzende Benigno Zaccagnini Helmut Kohl seine Auffassung mit.435 Der Konflikt ging so weit, dass Zaccagnini im November 1977 ein zweitägiges Treffen mit den belgischen Christdemokraten, die sich gegenüber der kommunistischen Tolerierung der DC offen gezeigt hatten, veranstaltete und zeitgleich einen geplanten Besuch bei der CDU, die die Tolerierung ablehnte, offiziell aus Krankheitsgründen absagen ließ.436 Für die CDU zog die Annäherung der italienischen Christdemokraten an den PCI auch innenpolitische Implikationen nach sich. Mehrmals wurde der von den Unionsparteien geäußerte Vorwurf einer zu großen Nähe der SPD gegenüber eurokommunistischen Parteien mit dem Hinweis entkräftet, dass es ausgerechnet die italienischen Christdemokraten seien, die ihre Regierung im Parlament von Eurokommunisten tolerieren lassen oder auf andere Weise mit ihnen kooperieren würden.437
http://margaretthatcher.org/document/112547 (Abruf am 12.05.2014). 433 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Vermerk von Henning Wegener an Helmut Kohl u. a., 21.12.1977, Bonn. 434 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Pressemitteilung des Conservative Central Office zur Rede „Europe as I see it“ von Margaret Thatcher in Rom, 24.06.1977, London. 435 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Brief von Benigno Zaccagnini an Helmut Kohl, 06.12.1977, Rom. 436 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Vermerk über die Beziehungen der DC zu den belgischen Christdemokraten von Henning Wegener an Helmut Kohl u. a., 23.11.1977, Bonn; ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Vermerk betreffend Termine für den Besuch Moro/Zaccagnini in Bonn von Henning Wegener an Herrn Dr. Bergsdorf u. a., 23.09.1977, Bonn. 437 So beispielsweise Horst Ehmke (SPD) in der Bundestagsdebatte vom 24. Januar 1979 in Erwiderung der Vorwürfe des CSU-Abgeordneten Walter Althammer: „Ich weiß gar nicht, warum Sie hier die eurokommunistischen Parteien als Kinderschreck aufbauen; denn im Europäischen Parlament arbeiten Sie doch mit Ihnen zusammen. Wenn ich das jetzt nicht ganz falsch im Kopf habe, ist der augenblicklich amtierende Präsident des Europäischen Parlaments, der italienische Christdemokrat Colombo, mit Stimmen der italienischen Kommunisten gewählt worden. Ich habe nicht gehört, daß Sie diese Stimmen im Europäischen Parlament zurückgewiesen hätten.“ (Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 131. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1979, Plenarprotokoll 8/131, S. 10303). Vgl. ebenso die Ausführungen Willy Brandts in: Deutscher Bundestag,
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Ein weiterer Streitpunkt zwischen beiden Parteien waren die Beziehungen der Democrazia Cristiana zur Ost-CDU. Kohl und andere christdemokratische Spitzenpolitiker drängten auf ein Einfrieren der Kontakte, was von der DC-Führung aber nicht konkret bestätigt wurde. Die CDU drohte, den Fall in die EVP zu tragen, um „die Ost-CDU in Westeuropa von der Kontaktarbeit mit demokratischen Parteien abzuschneiden“438. Bereits mit der Einwanderung der ersten „Gastarbeiter“ aus Italien entstand darüber hinaus eine Angst vor einer kommunistischen Infiltration.439 So hieß es im Verfassungsschutzbericht über die „Infiltration ausländischer Arbeitergruppen“ im Jahre 1965: „Die italienischen Arbeiter wurden durch die Auslandssektion der Kommunistischen Partei Italiens (KPI) betreut. Zu diesem Zweck hielten sich häufig Parteifunktionäre aus Italien im Bundesgebiet auf. Italiener, die zum Jahresende in ihre Heimat reisten, wurden in größeren Städten von Empfangskomitees der KPI begrüßt.“440 Mit dem Aufschwung des PCI und vermehrter Tätigkeit der Partei im Ausland verstärkte sich diese Angst vor allem in der CDUParteizentrale. So kritisierte das CDU-Auslandsbüro im März 1977, dass das Gastarbeiterradio Radio Colonia vor allem kommunistische Beiträge ausstrahle. Um dem entgegenzuwirken sollte ein Arbeitskreis „Italiener in der CDU“ ge-
Stenographischer Bericht, 6. Sitzung, Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1976, Plenarprotokoll 8/6, S. 75. 438 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Vermerk über die Kontakte der DC zur Ost-CDU von Henning Wegener an Heiner Geißler, 12.07.1977, Bonn. 439 BArch, B 136/3800, Bundeskanzleramt, Verfassungsschutz, Kommunistische Partei (KPD) und kommunistische Tarnorganisationen, Jahresbericht des Bundesministers des Innern über die kommunistische Tätigkeit 1965, Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz, 03.05.1966, Bonn; BArch, B 136/3799, Bundeskanzleramt, Verfassungsschutz, Kommunistische Partei (KPD) und kommunistische Tarnorganisationen, Politische Tätigkeit von Gastarbeitern; BArch, B 136/3800, Bundeskanzleramt, Verfassungsschutz, Kommunistische Partei (KPD) und kommunistische Tarnorganisationen, Kommunistische Infiltration italienischer Arbeiter in der Bundesrepublik Deutschland. Siehe hierzu auch: Manuela Bojadžijev/Massimo Perinelli: Die Herauforderung der Migration. Migrantische Lebenswelten in der Bundesrepublik in den siebziger Jahren, in: Sven Reichardt/Detlef Siegfried (Hrsg.): Das Alternative Milieu. Antibürgerlicher Lebensstil und linke Politik in der Bundesrepublik Deutschland und Europa 1968–1983, Göttingen 2010, S. 143f. 440 BArch, B 136/3800, Bundeskanzleramt, Verfassungsschutz, Kommunistische Partei (KPD) und kommunistische Tarnorganisationen, Jahresbericht des Bundesministers des Innern über die kommunistische Tätigkeit 1965, Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz, 03.05.1966, Bonn, S. 51.
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gründet werden, dem auch ein Raum im Haus des CDU-Landesverbands Rheinland zur Verfügung gestellt werden könnte.441 Bereits fünf Jahre zuvor hatte das Thema für Aufsehen gesorgt, als sich Ende Februar 1972 Bundesinnenminister Genscher mit den Innenministern der Bundesländer getroffen hatte, um über das Problem der Anwerbung italienischer Arbeiter durch PCI und MSI zu beraten, was auch von der US-amerikanischen Botschaft in Rom registriert worden war.442 Wenige Tage später flog im März 1972 der christdemokratische Außenminister Aldo Moro nach Bonn, um in der italienischen Botschaft über die Initiativen des PCI zur Gewinnung von Mitgliedern und Wählern unter den 400 000 italienischen „Gastarbeitern“ in der Bundesrepublik zu sprechen. Kurz zuvor hatten sich Auslandssektionen der Kommunistischen Partei Italiens in Köln und Stuttgart gegründet sowie entsprechende Gewerkschaftsgruppen organisiert. In Köln waren 60 Delegierte bei der Gründungsveranstaltung anwesend, die 1020 kommunistische Parteimitglieder in Norddeutschland repräsentierten.443 Weitere Ortsgruppen des PCI wurden in der Folgezeit unter anderem in Darmstadt und Frankfurt am Main sowie in Zürich, Basel, Neuchâtel, Brüssel und Luxemburg gegründet. Der nordrhein-westfälische Innenminister Willi Weyer (FDP) hielt die Gründungen in der Bundesrepublik für illegal und betonte gegenüber Radio Colonia, dass das Grundgesetz nur deutsche politische Organisationen als Parteien anerkenne.444 Ende des Jahres 1975 waren laut der internen Statistik des PCI 1634 Mitglieder in Nord- und Westdeutschland sowie West-Berlin in 21 Ortsvereinen oder Betriebsgruppen und 2 080 in Süddeutschland in 36 Ortsvereinen oder Betriebsgruppen organisiert.445 Hinzu kamen weitere 2 465 eingeschriebene PCIMitglieder in Belgien, 788 in Luxemburg, 256 in Großbritannien, 125 in den Niederlanden, 95 in Schweden und 7 686 in der Schweiz, wobei ein Großteil auf den italienischsprachigen Teil des Landes entfiel.446 Für das Jahr 1978 gibt Bruno
441 ACDP, Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU, V-III-009, 004, Vermerk über Italienische Gastarbeiter und CDU von Hans-Herbert Holzamer an Frau Ingeborg Hoffmann (Hoya), MdB, 15.03.1977, Bonn. 442 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 12 IT to POL 14 IT, POL 12 IT 1/4/71, Box 2393, Telegramm der US-Botschaft Rom an SecStat, 15.03.1972, Rom. 443 FIG, APCI, Estero, 1972, mf 053, 1625, Trasmissione del 8/2/1972 di Radio Colonia, 23.02.1972, Rom. 444 Ebenda. 445 FIG, Fondo Enrico Berlinguer, Varie, Busta 66, fasc. 69, Partiti comunisti e partiti socialisti nell’Europa capitalista, Stand 10.11.1975. 446 Ebenda.
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Groppo insgesamt 226 Parteisektionen des PCI im Ausland an.447 Daneben gab es zusätzlich zehn federazioni, welche die nächsthöhere Gliederungsebene des PCI darstellten und über hauptamtliche Mitarbeiter verfügten. Die federazioni in Stuttgart und Köln umfassten 1979 beispielsweise 1 800 bzw. 1 600 eingeschriebene PCI-Mitglieder.448 Nachdem es vor allem in der Bundesrepublik und der Schweiz in den Medien zu kritischer Berichterstattung über den Aufbau von lokalen PCI-Verbänden im Ausland gekommen war449, riet das kommunistische Führungsmitglied Ugo Pecchioli davon ab, die Gründungen, wie bislang üblich, in L’Unità und anderen kommunistischen Medien öffentlich zu thematisieren.450 Neben dem PCI gründeten auch andere italienische Parteien Unterstützergruppen und Auslandssektionen in der Bundesrepublik, so beispielsweise der neofaschistische MSI mit seinen „Tricolor Komitees“, die als Comitato Tricolore Italiani nel Mondo von der römischen Parteizentrale des MSI aus verwaltet wurden.451 Die Neofaschisten entfalteten zusätzlich eine rege Publikationstätigkeit in der Bundesrepublik. So schrieb Bruno Zoratto, MSI-Aktivist und Metallarbeiter bei Daimler-Benz in Stuttgart452, zahlreiche Bücher, die vor einer kommunistischen Unterwanderung der italienischen „Gastarbeiter“ warnen sollten, die taiwanesischen Inseln Quemoy und Matsu mit West-Berlin verglichen und als Ort der Freiheit darstellten, die DDR für den Mord am „Genossen“ Benito Corghi453
447 Bruno Groppo: Le Parti communiste italien à la veille du XVIe Congrès national, in: Communisme. Revue d’études pluridisciplinaires, Nr. 3/1983, S. 188. 448 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000461, Mitten in der Furt: Die KPI besteht 60 Jahre von Holger Quiring, 20.01.1981, Rom. 449 Vgl. Der Spiegel, Nr. 8, 14.02.1972, S. 32ff. 450 FIG, APCI, Estero, 1972, mf 053, 1624, Nota per l’Ufficio politico e l’Ufficio di Segretaria von Ugo Pecchioli, 08.02.1972 [im Dokument fälschlicherweise als 1971 angegeben, d. Verf.], Rom. 451 Vgl. Petra Rosenbaum: Neofaschismus in Italien, Frankfurt am Main, Köln 1975, S. 16f. 452 Vgl. Der Spiegel, Nr. 6, 07.02.1983, S. 29. 453 Tatsächlich war mit dem italienischen LKW-Fahrer Benito Corghi am 5. August 1976 am Grenzübergang Hirschberg ein Mitglied des PCI von DDR-Grenztruppen erschossen worden. Da Corghi seine Papiere am DDR-Grenzübergang vergessen hatte, lief er, nachdem er mit seinem LKW bereits die Grenze zur Bundesrepublik überquert hatte, zurück, um diese an sich zu nehmen. Nachdem Corghi der Aufforderung der Grenztruppen nicht nachkam, wurde er von diesen erschossen. Die ZEIT beschrieb diesen ungewöhnlichen Umstand folgendermaßen: „Zum ersten Mal ist ein Mensch, der den Schüssen der DDRGrenzwächter zum Opfer fiel, unter dem Zeichen von Hammer und Sichel und mit den Klängen der Internationale zu Grabe getragen worden.“ Die ZEIT, 13.08.1976, S. 10. Die Witwe Corghis soll gegenüber Klaus Gysi, dem Botschafter der DDR in Italien, auf das Testament Togliattis hingewiesen haben, in dem der PCI-Generalsekretär schon 1964 die
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angriffen oder die Zusammenarbeit von SPD und DGB mit dem PCI kritisierten.454 Die höchsten Mitgliedszahlen unter den italienischen „Gastarbeitern“ hatte Mitte der 1970er Jahre jedoch mit Abstand der Partito Comunista Italiano. Nach Informationen der US-Botschaft in Rom hatten sich die SPD und der DGB bereit erklärt, die Aktionen des PCI zu tolerieren, während CDU und CSU die Gründung kommunistischer Auslandsorganisationen strikt ablehnten.455 Auch der eng mit dem BND kooperierende Stauffenberg-Dienst456 von CDU/CSU sah darin eine Gefährdung, da Italiener besonders „anfällig“ für den Kommunismus seien.457 In der Realität schloss sich jedoch nur die Minderheit italienischer Arbeiter den Gewerkschaften und den Auslandssektionen der Parteien an und der Ertrag für den PCI war minimal.458 Die Angst vor einer (euro)kommunistischen Unterwanderung trug insbesondere bei Unionspolitikern maßgeblich zu einem Rückfall in eine aggressive Kalte-Kriegs-Rhetorik bei.459 So rief der frühere SPD- und damali-
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kaum nachvollziehbare Langsamkeit in der Überwindung des Stalinismus in den sozialistischen Staaten Osteuropas angeprangert hatte. Vgl. Bruno Zoratto: DDR-Mord am Genossen Corghi. Italienische Opfer der SED/StasiWillkür, Böblingen 1991; ders.: Inseln der Freiheit. Quemoy/Matsu und Westberlin – die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten, Böblingen 1989; ders.: Volksfront in Aktion. Zusammenarbeit der SPD und des DGB mit den italienischen Kommunisten, Stuttgart 1981; ders.: Kommunistische Subversion bei den italienischen Gastarbeitern in Deutschland, Stuttgart 1978. NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 7 IT to POL 7 IT, POL 7 IT 1/1/72, Box 2392, Telegramm von Graham Martin an Secretary of State, 03.03.1972, Rom, S. 2. Der Stauffenberg-Dienst war nach der Amtsübernahme Willy Brandts Ende 1969 von CDU/CSU-nahen Mitarbeitern der deutschen Nachrichtendienste, Politikern und Personen aus der freien Wirtschaft unter Führung des BND-Agenten Christoph von Stauffenberg inoffiziell gegründet worden, um Informationen zu beschaffen, die gegen die sozial-liberale Ostpolitik eingesetzt werden konnten. Weitere Führungspersonen waren Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein und Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. Der Dienst war bis zur Amtsübernahme Helmut Kohls 1982 aktiv. Siehe hierzu ausführlich: Stefanie Waske: Nach Lektüre vernichten! Der geheime Nachrichtendienst von CDU und CSU im Kalten Krieg, München 2013. Vgl. Olga Sparschuh: Die Wahrnehmung von Arbeitsmigranten aus dem „Mezzogiorno“ in deutschen und norditalienischen Großstädten, in: Oliver Janz/Roberto Sala (Hrsg.): Dolce Vita? Das Bild der italienischen Migranten in Deutschland, Frankfurt am Main, New York 2011, S. 104f. Vgl. am Beispiel der kommunistischen Organisation im Volkswagen-Werk in Wolfsburg: Hedwig Richter/Ralf Richter: Die „Gastarbeiter-Welt“. Leben zwischen Palermo und Wolfsburg, Paderborn 2012, S. 153–165. Vgl. Waske: Nach Lektüre vernichten!, S. 162.
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ge CSU-Bundestagsabgeordnete Günther Müller während der italienischen Regierungskrise im Januar 1978 die Democrazia Cristiana nicht nur dazu auf, dem Drängen der Kommunisten nach Ministerämtern keinesfalls nachzugeben. Er forderte die italienischen Christdemokraten vielmehr auf, im Zweifelsfall eine Regierung aus PCI und PSI an die Macht kommen zu lassen, um anschließend „den Kampf im Volk, an der Basis gegen die Volksfront aufzunehmen“460. Müller schloss seinen populistischen Aufruf zum Bürgerkrieg in Italien mit Worten, die an faschistische Semantik erinnern lassen: „Ein reinigendes Gewitter ist auch für Italien besser als ein schleichender Machtwechsel.“461 Obwohl die Analyseabteilung der Hauptabteilung Politik in der CDUBundesgeschäftsstelle bereits im Januar 1978 darauf hingewiesen hatte, dass „Volksfront“ als Begriff in der Wahlkampfführung wenig praktikabel sei, wurde der Vorwurf gegenüber der Sozialdemokratie, sie wolle mit den Eurokommunisten eine Volksfront für Europa etablieren, aufrechterhalten.462 Die Analyse verwies auf eine Befragung des Allensbach-Instituts, die eine geringe Kenntnis der Bundesbürger bezüglich des Begriffes „Volksfront“ offenbart hatte. Lediglich sieben Prozent hatten bei dem Begriff an die Zusammenarbeit von Kommunisten mit Sozialdemokraten gedacht. Weitere elf Prozent hatten immerhin spontan „Kommunismus“ mit dem Begriff assoziiert. Den geringsten Kenntnisgrad hatten ausgerechnet die Anhänger von CDU/CSU aufzuweisen, die mit dem Begriff mobilisiert werden sollten.463
5.3.5 Kommunisten in der Regierung? Die Kontroverse um eine Regierungsbeteiligung des PCI in der Phase der solidarietà nazionale Nach den italienischen Parlamentswahlen vom 20. Juni 1976 konnte keine stabile Regierung gegen den PCI gebildet werden. Die gute Kenntnis der italienischen Situation auf Seite der deutschen Sozialdemokraten zeigte sich unter anderem
460 „Der ‚Stiefel‘ im roten Sumpf“ von Günther Müller, in: Neue Bildpost, 29.01.1978. 461 Ebenda. 462 So argumentierte beispielsweise der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler: „Das Wahlprogramm der SPD läßt hier nur einen Schluß zu: Die SPD schont die Eurokommunisten, um sich im Verbund mit ihren sozialistischen Bruderparteien die Tür zur Volksfront in Europa offen zu halten.“ ACDP, CDU-Bundespartei, 07-001, 1333, „Das Europawahlprogramm der SPD – Ein Programm sozialistischer Gesellschaftsveränderung“ von Heiner Geißler, 21.12.1978, Bonn, S. 12. 463 ACDP, CDU-Bundespartei, 07-001, 1333, Analyse „Volkspartei statt Volksfront“ von Winfried Ockenfels, 09.01.1978, Bonn.
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daran, dass Holger Quiring464 in seinem Bericht an Brandt vier Tage vor der Wahl prognostiziert hatte, dass eine Minderheitsregierung der DC unter Tolerierung des PCI die wahrscheinlichste Variante des Wahlausgangs sei.465 Tatsächlich trat genau diese Konstellation ein. Die Kommunisten hatten mit 34,4 Prozent ein Rekordergebnis erzielt, die Sozialisten versagten sich einer weiteren Regierungszusammenarbeit mit der DC und die kleineren Parteien der rechten und linken Mitte hatten zu wenige Mandate erzielt, um eine Koalition mit den Christdemokraten bilden zu können. Die meisten westlichen Regierungen gingen in dieser Situation von einer Realisierung des compromesso storico und somit von einer Regierungsbeteiligung des PCI aus. Politische Konsequenzen des Wahlergebnisses wurden auf dem G7-Gipfel der führenden Wirtschaftsnationen in Puerto Rico am 27. und 28. Juni 1976 debattiert.466 Offiziell wurde die unklare Situation in Italien nach dem hohen Stimmenzuwachs des PCI nicht auf die Tagesordnung gesetzt467, inoffiziell beherrschte sie jedoch die Gespräche.468 Bereits sechs Wochen vor dem Treffen hatten Bundeskanzler Schmidt und der britische Premierminister Callaghan vereinbart, dass die Situation in Italien in den Planungen für den Gipfel stets mitbedacht werden müsse und die italienische Regierung, aufgrund der innenpolitisch unklaren Situation, vorerst nicht an den Vorbereitungen für Puerto Rico beteiligt werden solle.469 Callaghan stand dabei unter ähnlich innenpolitischem Druck wie der Bun-
464 Holger Quiring war damals in der SPD-Presseabteilung tätig und beobachtete für den SPD-Parteivorstand die italienischen Parlamentswahlen vor Ort. Später wurde er Leiter des FES-Büros in Rom. 465 WBA im AdsD, A 11.13, 20, Bericht über die Beobachtung und Schlußphase des italienischen Wahlkampfes von Holger Quiring, 16.06.1976, Dortmund, S. 5. 466 Teilnehmer des Gipfeltreffens waren Gerald Ford (USA), James Callaghan (Vereinigtes Königreich), Valéry Giscard d’Estaing (Frankreich), Takeo Miki (Japan), Pierre Yves Elliott Trudeau (Kanada), Helmut Schmidt (Bundesrepublik Deutschland), Aldo Moro (Italien) sowie weitere Regierungsmitglieder und deren Stäbe. 467 Die offizielle Tagesordnung beinhaltete folgende Punkte: 27.6. 16–19 Uhr: Wirtschaftslage und Zahlungsbilanzprobleme, 28.6. 09–11.30 Uhr: Internationaler Handel und OstWest-Wirtschaftsbeziehungen, 28.6., 13.30–15 Uhr: Nord-Süd-Dialog und Energie. PAAA, Bestand B 150, Bd. 350, Aufzeichnung der Gipfelgespräche im Dorado Beach Hotel, San Juan, Puerto Rico vom 27. bis 28. Juni 1976 von Ministerialdirektor Dr. Dieter Hiss, 05.07.1976, Bonn, S. 2. 468 Vgl. Duccio Basosi/Giovanni Bernardini: The Puerto Rico Summit of 1976 and the end of Eurocommunism, in: Nuti (Hrsg.): The Crisis of Détente, S. 256–267. 469 PAAA, Bestand B 150, Bd. 347, Vermerk über das Telefongespräch des Herrn Bundeskanzlers mit Premierminister Callaghan am 13. Mai 1976, 19.10 Uhr, 13.05.1976, Bonn, S. 2f.
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deskanzler.470 Während US-Präsident Ford die Einheit der NATO und somit die Sicherheit des Westens gefährdet sah, stand für Schmidt die ökonomische Situation Italiens und Westeuropas im Vordergrund. Beide perzipierten den kommunistischen Wahlerfolg allerdings als Gefahr und wollten den Präzedenzfall einer von den wirtschaftlich stärksten Nationen der Welt akzeptierten Regierungsbeteiligung von Kommunisten in einem westlichen Staat vermeiden. Während des gemeinsamen Mittagessens der vier Staats- bzw. Regierungschefs Gerald Ford, Valéry Giscard d’Estaing, James Callaghan und Helmut Schmidt machte der französische Staatspräsident den Einfluss des Kommunismus nach der Wahl in Italien zum Thema. Schnell war man sich einig, dass Italien keine internationalen Kredite mehr erhalten solle, wenn der PCI Bestandteil der nächsten Regierung werden würde.471 Dies zeigte sich auch an der weitestgehend konsensualen Debatte, die beispielsweise durch das Protokoll der britischen Regierungsdelegation belegt wird.472 Schmidt selbst hatte sich schon vor dem Gipfeltreffen festgelegt und das weitere Vorgehen an den Wahlausgang bzw. die anschließende Regierungsbildung gekoppelt. So hieß es in der Vorbesprechung mit dem Vizepräsidenten der Bundesbank Otmar Emminger, Finanzminister Hans Apel, Außenminister HansDietrich Genscher, Wirtschaftsminister Hans Friderichs, Landwirtschaftsminister Josef Ertl und dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Egon Bahr zu Puerto Rico: „Über die Verlängerung des bilateralen deutschen Notenbankkredits an Italien wird erst nach den italienischen Wahlen gesprochen.“473 Die Ablehnung weiterer Kredite im Falle einer kommunistischen Regierungsbeteiligung sollte jedoch nicht nach außen kommuniziert werden, um
470 MTF, Speeches, interviews & other statements, House of Commons PQs, 22.07.1976, http://www.margaretthatcher.org/document/103081 (Abruf am 12.05.2014). 471 Vgl. Kristina Spohr: The Global Chancellor. Helmut Schmidt and the Reshaping of the International Order, Oxford 2016, S. 25f. 472 TNA (Kew), Prime Minister's Office: Correspondence and Papers, 1974–1979, PREM 16/978, Italy, Italian political situation: UK/US/French/German contact on aid to Italy and reaction to electoral gains by the Communist Party of Italy, Protokoll der britischen Regierungsdelegation eines Mittagessens der Staats- und/oder Regierungschefs sowie Außenminister der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland von E. A. J. Ferguson, 28.06.1976, S. 1. 473 HSA im AdsD, 1/HSAA006677, Ergebnisvermerk zum Ministergespräch beim Bundeskanzler zur Vorbereitung der Konferenz von Puerto Rico von Dieter Hiss, 23.06.1976, Bonn, S. 3. Siehe hierzu auch: PAAA, Bestand B 150, Bd. 349, Stellungnahme der Bundesregierung zum Wahlergebnis sowie Analyse hinsichtlich der Auswirkungen der Wahlen in Italien auf unsere weitere Politik gegenüber Italien, 14.06.1976, Bonn.
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die Regierungsbildung in Italien nicht noch weiter zu erschweren. Bundeskanzler Schmidt führte allerdings umgehend nach Beendigung des Gipfeltreffens ein Hintergrundgespräch mit sieben US-amerikanischen Wirtschaftsjournalisten, in welchem er sich deutlich über die italienischen Verhältnisse mokierte. Schmidt machte während des Gesprächs öffentlich, was vereinbarungsgemäß hätte geheim bleiben sollen: das Versagen weiterer Kredite im Falle der Regierungsbeteiligung des PCI. Ein Journalist der Washington Post verstieß gegen das Schweigegebot und publizierte die Äußerungen des Bundeskanzlers.474 Schmidts „verbaler Einmarsch“475 in Italien löste ein massives mediales und politisches Echo aus. Selbst Schmidt-Freund Giscard d’Estaing ließ über den Elysée-Palast offiziell verbreiten, dass die französische Regierung von außen kommende Stellungnahmen zu innenpolitischen Situationen in Partnerstaaten ablehne.476 Dabei verschwieg der Präsident jedoch, dass er wenige Tage nach Ende des Gipfeltreffens noch mit dem Bundeskanzler einer Meinung gewesen war. So hieß es in dem Vermerk über das Vier-Augen-Gespräch zwischen Schmidt und Giscard d’Estaing am 5. Juli 1976 in Hamburg: „Die beiden Gesprächspartner bestätigen die in Puerto Rico im Kreise der Vier im Hinblick auf Italien getroffenen Vereinbarungen.“477 Ähnlich verlief das Gespräch von Bundesverteidigungsminister Georg Leber mit US-Präsident Gerald Ford, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Sicherheitsberater Brent Scowcroft am 2. Juli. In der entsprechenden Aufzeichnung heißt es: „Der Präsident eröffnete das Gespräch mit einer Würdigung des Beitrags des Herrn Bundeskanzlers in Puerto Rico, der von allen hoch geschätzt worden sei.“478 Tatsächlich kann davon ausgegangen werden, dass Schmidts Ausführungen den Meinungen Giscard d’Estaings, Fords und Callaghans entsprochen hatten.479 In einem
474 Vgl. Hartmut Soell: Helmut Schmidt. Band 2, 1969 bis heute. Macht und Verantwortung, München 2008, S. 453f. 475 Der Spiegel, Nr. 31, 26.07.1976, S. 23. 476 Vgl. Ebenda, S. 19. Zu Giscard d’Estaings Haltung gegenüber dem Eurokommunismus mit einem deutlichen Schwerpunkt auf die Innenpolitik siehe: Frédéric Heurtebize: Le président Giscard d’Estaing face à l’eurocommunisme, 1974–1981, in: Revue d’histoire diplomatique, Vol. 126, Nr. 1/2013, S. 69–84. 477 PAAA, Bestand B 150, Bd. 351, Vermerk (geheim) über das Vier-Augen-Gespräch des Bundeskanzlers mit Präsident Giscard am 5. Juli 1976 in Hamburg von Herrn Leonberger, 13. Juli 1976, Bonn, S. 3. 478 PAAA, Bestand B 150, Bd. 351, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Washington an das Auswärtige Amt über das Gespräch des Bundesverteidigungsministers mit Präsident Ford, Verteidigungsminister Rumsfeld und General Scowcroft am 2. Juli 1976, 13.07.1976, Washington D.C. 479 Vgl. Francesco Barbagallo: Enrico Berlinguer, Rom 2006, S. 271f.
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Gespräch zwischen Bundeskanzler Schmidt, Bundesaußenminister Genscher, USAußenminister Kissinger und dessen Berater Sonnenfeldt am 23. Mai in Erftstadt war bereits vor dem Gipfeltreffen in Puerto Rico weitgehende Einigkeit erzielt worden. So teilten Schmidt und Genscher die Auffassung Kissingers, wonach eine Übernahme von Schlüsselministerien durch PCI-Politiker „verheerende Folgen“ haben würde, die auch in der Bundesrepublik zu einem Rechtsruck führen könnten.480 Auch war man sich einig darüber, dass der neuen italienischen Regierung finanziell geholfen werden solle, sofern der PCI nicht Bestandteil der Regierung werden würde.481 Vereinbart wurde ebenfalls, dass die Staats- bzw. Regierungschefs der USA, Frankreichs, Großbritanniens und der Bundesrepublik bereits mehrere Stunden vor den Delegationen aus Italien, Japan und Kanada anreisen sollten, um die politische Lage in Italien besprechen und eine gemeinsame Haltung festlegen zu können.482 Kissinger setzte große Hoffnungen auf Schmidt. Zum einen sah er in ihm einen verlässlichen, atlantisch orientierten Partner. Zum anderen erhoffte sich der US-Außenminister, dass Schmidt den linken SPD-Flügel ins Abseits stellen und dadurch die Versuche sozialdemokratischer Parteien Europas, einen Dialog mit Eurokommunisten zu beginnen, beenden würde.483 Explizite Kritik erntete der Bundeskanzler vor allem von der französischen Linken. Pierre Mauroy, stellvertretender Vorsitzender des Parti Socialiste und späterer französischer Premierminister, wies auf die Ähnlichkeiten zu „amerikanischen Auffassungen“484 bei Schmidt hin, was aus Perspektive der französischen
480 Die Befürchtung, dass eine kommunistische Regierungsbeteiligung in Italien (und Frankreich) in der Bundesrepublik zu einer Rechtsentwicklung führen könnte, wiederholte Schmidt auch gegenüber dem kanadischen Premierminister Pierre Trudeau. Vgl. Gespräch des Bundeskanzlers Schmidt mit Ministerpräsident Trudeau in Vancouver, 07.07.1977, in: Institut für Zeitgeschichte im Auftrag des Auswärtigen Amts (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, 1977, Band 2, 1. Juli bis 31. Dezember, München 2008, S. 909. 481 23.05.1976, Gespräch des Bundeskanzlers Schmidt und des Bundesministers Genscher mit dem amerikanischen Außenminister Kissinger auf Schloß Gymnich, in: Institut für Zeitgeschichte im Auftrag des Auswärtigen Amts (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, 1976, Band 1, 1. Januar bis 30. Juni, München 2007, S. 680f. 482 PAAA, Bestand B 150, Bd. 348, Vermerk über das Gespräch des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers mit Secretary of State Kissinger am 23. Mai 1976 von Ministerialdirektor Dr. Jürgen Ruhfus, 24.05.1976, Bonn, S. 2f. 483 Vgl. Brogi: Confronting, S. 334f. 484 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Internationale Beziehungen – Italien, 1/BFAA001530, Bundespresseamt: Pierre Mauroy zu den Erklärungen Bundeskanzler Schmidts bezüglich der Wirtschaftshilfe an Italien, 21.07.1976.
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Linken einer Ohrfeige gleichkam. Entsprechend nahmen die Äußerungen Schmidts zu Italien auch während des Gesprächs zwischen den Vorstandsdelegationen von SPD und Parti Socialiste am 21. Juli 1976 einen breiten Raum ein. Die PS-Delegation erklärte hierzu, dass der PCI auf dem Wege zur Demokratie sei und daher die Analyse von Schmidt und der anderen Regierungschefs in Puerto Rico grundlegend falsch sei.485 Jean Kanapa486 sah durch Schmidts Aussagen „die neuen Herrschaftsambitionen des neuen deutschen Imperialismus in Europa“487 bestätigt. Französische Kommunisten demonstrierten gegen die Äußerungen des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden mit dem Slogan „Non au chantage! Liberté pour les peuples!“, die österreichische Kronen Zeitung schrieb, dass sich Schmidt zum „Oberbundeskanzler von Italien“ gemacht hätte und auch in Resteuropa kam es zu massiver Kritik am bundesdeutschen Regierungschef.488 Die Jusos um ihre Vorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul forderten von Schmidt eine klare Distanzierung von seinen Äußerungen betreffend der Regierungsbildung in Italien.489 „So ein Echo hat es bisher noch nicht gegeben“490, bemerkte der stellvertretende Regierungssprecher Armin Grünewald im Hinblick auf die Proteste. Der Spiegel gab Schmidts Haltung pointiert wider: „Da der Hanseat Schmidt – getreu der Hamburger Überzeugung, südlich von Harburg fange der Balkan an – den Römern ohnedies kaum anderes als Schlamperei zutraut, signalisiert er ihnen schon seit geraumer Zeit, daß harte Deutsche Mark nur noch nach innen- und wirtschaftspolitischen Fortschritten gezahlt werde, und dies vor allem deshalb, weil nach Ansicht des Kanzlers der Fünf-Milliarden-Kredit quasi spurenlos versicker-
485 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Hans-Jürgen Wischnewski, 11609, Aufzeichnung eines Gesprächs der Vorstandsdelegationen von PS und SPD am 21.7.1976 von Veronika Isenberg, 22.07.1976, S. 4. 486 Jean Kanapa galt bis zu seinem Tod am 5. September 1978 als führender intellektueller Kopf der französischen Kommunisten. Zuletzt war er Politbüromitglied und Leiter der Auslandsabteilung des PCF. Zu Kanapa siehe ausführlich: Gérard Streiff: Jean Kanapa 1921–1978. Une singulière histoire du PCF, Paris 2001. Zur Eurokommunismuskonzeption Kanapas siehe: Jean Kanapa: A „New Policy“ of the French Communists?, in: Foreign Affairs, Vol. 55, Nr. 1/1977, S. 280–294. 487 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Italien – Kommunistische Partei Italiens (KPI), 1/BFAA001561, Bundespresseamt, Jean Kanapa zu den Äußerungen Bundeskanzler Schmidts bezüglich Wirtschaftshilfe an Italien, 18.07.1976. 488 Vgl. Der Spiegel, Nr. 31, 26.07.1976, S. 19–23. 489 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Italien – Kommunistische Partei Italiens (KPI), 1/BFAA001561, Pressemitteilung – Jusos: Schmidt soll sich distanzieren, 20.07.1976. 490 Armin Grünewald zitiert in: Der Spiegel, Nr. 31, 26.07.1976, S. 19.
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te.“491 Unterstützung erhielt Schmidt vom stellvertretenden Pressesprecher des Weißen Hauses John G. Carlson, der zu Schmidts Aussagen bemerkte: „Ich hätte an dem, was der Kanzler gesagt hat, nichts auszusetzen.“492 Die italienische Regierung beschwerte sich darüber, dass die in Puerto Rico anwesenden italienischen Delegierten, Ministerpräsident Moro, Finanzminister Colombo und Außenminister Rumor, keine Kenntnis von der Zusammenkunft der vier Staats- bzw. Regierungschefs erlangt hätten. Dennoch reagierte die DC moderat, weil führende Christdemokraten um Andreotti von einem Schaden für die Kommunisten ausgingen. Unerwähnt blieb dabei weitgehend, dass sich Schmidt nicht nur gegen die Kommunisten, sondern auch für eine Erneuerung der Dauerregierungspartei Democrazia Cristiana und für einen drastischen Abbau der Ministerämter und des Verwaltungsapparats stark gemacht hatte. So hatte der Bundeskanzler knapp zwei Monate vor den italienischen Parlamentswahlen an die DC gerichtet gesagt: „Wer den Weg der stetigen Reform und des stetigen Ausbaus der sozialen Sicherheit und des sozialen Ausgleichs vorangeht und nicht stehenbleibt, der hat eines Tages den historischen Kompromiß nicht notwendig.“493 Schmidt erkannte allerdings rasch, dass sich die außenpolitische Indiskretion in einen innenpolitischen Punktgewinn ummünzen ließ.494 Öffentlich verkündete der Bundeskanzler nun: „Wir würden aber gegen die elementaren Interessen unseres Volkes handeln, wenn wir durch finanzielle Hilfen kommunistische Parteien in unseren Partnerstaaten förderten oder prämierten, die mit Freiheit und sozialer Gerechtigkeit etwas ganz anderes meinen als wir.“495 Mit seiner massiven Kritik an der potenziellen kommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien nahm er CDU und CSU den Wind aus den Segeln ihrer „Freiheit oder/statt Sozialismus“Kampagne. Grünewald ließ demnach verlauten: „Der Kanzler hat vielen deut-
491 Ebenda, S. 21. 492 John G. Carlson zitiert in: AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Italien – Kommunistische Partei Italiens (KPI), 1/BFAA001561, Nachrichtenspiegel des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, 19.07.1976, Bonn, S. 1. 493 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Konferenzen 1976, 1/BFAA000649, Pressemitteilung der Rede Helmut Schmidts auf der sozialdemokratischen Fachkonferenz „Internationale Politik“, 10.04.1976, Bonn, S. 5. 494 Dass Schmidts Warnung vor einer kommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien keiner Wahlkampftaktik entsprungen war, zeigte sich unter anderem daran, dass der Bundeskanzler seine Vorbehalte auch knapp ein Jahr nach den italienischen Parlamentswahlen auf dem G7-Gipfel in London (07./08. Mai 1977) wiederholte. Vgl. Enrico Böhm: Die Sicherheit des Westens. Entstehung und Funktion der G7-Gipfel (1975–1981), München 2014, S. 244. 495 Helmut Schmidt zitiert in: Der Spiegel, Nr. 31, 26.07.1976, S. 20.
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schen Menschen aus der Seele gesprochen.“496 Klaus Bölling, Leiter des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung und Regierungssprecher, musste sich von Journalisten die Frage gefallen lassen, ob wegen des Bundestagswahlkampfs nun „eine Art Wettlauf in Anti-Kommunismus“497 ausbreche. CDU/CSU standen somit vor dem Dilemma, sich entweder dem sozialdemokratischen Bundeskanzler anzuschließen oder ihn ebenfalls für die Einmischung in innere Angelegenheiten Italiens zu kritisieren, was sie vorher jedoch selbst gefordert hatten. Zumindest die CDU/CSU-Fraktionsführung entschied sich für letztere Variante und griff Schmidt wegen der Einmischung öffentlich an. Dies führte wiederum den vorherigen Verbalangriff des CDU-Fraktionsvorsitzenden Karl Carstens ad absurdum, der von der SPD in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages am 11. Mai 1976 genau das gefordert hatte: „Was werden die Amerikaner tun, wenn in Italien eine kommunistische Regierung die Macht übernimmt? Werden die amerikanischen Stützpunkte in Neapel und an anderen Stellen in Italien bleiben? Glauben Sie, meine Damen und Herren von der SPD, daß der deutsche Steuerzahler bereit sein wird, weiterhin Milliardenbeträge über die EG zur Verfügung zu stellen, damit in Italien ein kommunistisches Regierungsexperiment finanziert wird? Das können Sie doch ernsthaft nicht annehmen. Deswegen muß man sagen, was andere Staatsmänner, der französische Staatspräsident und der amerikanische Präsident, gesagt haben: Der Eintritt von Kommunisten in die Regierung eines NATO-Staates, insbesondere Italiens, würde zu einer schweren Belastung sowohl der NATO wie der Europäischen Gemeinschaft führen.“498 In der Tat hatte die Bundesrepublik in den Jahren zuvor besondere Verantwortung für Italien gezeigt und durch die Bundesbank beispielsweise 1974 einen Kredit in Höhe von fünf Milliarden DM an Italien vergeben. Dieser laut Schmidt „ungewöhnlich große Währungsbeistand“499 musste im Wahljahr 1976 von der fast zahlungsunfähigen italienischen Regierung gestundet werden. Insgesamt beliefen sich die italienischen Schulden beim IWF und den EG-Staaten 1976 auf 17 Milliarden USDollar.500
496 Armin Grünewald zitiert in: Ebenda, S. 19. 497 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Italien – Kommunistische Partei Italiens (KPI), 1/BFAA001561, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Interview mit StS Klaus Bölling, 23.07.1976. 498 Karl Carstens zitiert in: AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Informationen der Sozialdemokratischen Fraktion im Deutschen Bundestag, 21.07.1976, Bonn, S. 1. 499 Helmut Schmidt zitiert in: Der Spiegel, Nr. 31, 26.07.1976, S. 20. 500 Ebenda, S. 21.
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Auf die Beziehungen zum PCI wirkten sich Schmidts Äußerungen erwartungsgemäß negativ aus.501 Giancarlo Pajetta stellte für die Kommunistische Partei Italiens klar: „Ich hoffe, daß Schmidt seinen diplomatischen Stil verfeinert, vor allem nach einem Sieg bei den Bundestagswahlen, den ich der SPD durchaus wünsche. Aber wir erkennen Breschnews KPdSU nicht als Führungspartei an – und ganz sicher nicht die SPD des Kanzlers Schmidt.“502 Allerdings sollte der negative Einfluss auf die Kontakte nicht überschätzt werden, da Schmidt an den Gesprächen mit den italienischen Kommunisten nicht partizipierte, sondern lediglich informiert wurde. Darüber hinaus war der PCI-Führung Schmidts kritische Haltung auch schon vor seinen Äußerungen im Zuge des Puerto Rico-Gipfeltreffens bekannt gewesen. Zehn Tage nach Ende des Gipfeltreffens in Puerto Rico kam es zu einem Folgetreffen vier hochrangiger Diplomaten der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland in Paris.503 Ziel dieser Zusammenkunft am 9. Juli war die Abstimmung einer gemeinsamen Politik gegenüber der italienischen Regierung. Einigkeit herrschte darin, dass die führenden Politiker der Democrazia Cristiana für umfassende Reformen der italienischen Wirtschafts- und Finanzpolitik gewonnen werden sollten. Darüber hinaus sollten die vier beteiligten Regierungen möglichst viele italienische Entscheidungsträger auf privatem Wege kontaktieren und von einer Zusammenarbeit mit den PCI abbringen.504 Sechs Tage später berichtete Kissinger an Schmidt und Genscher, dass er den Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen William W. Scranton nach Italien beordert habe, um Gespräche im Sinne der Vereinbarung von Paris zu führen. In der kommenden Woche werde auch Henry Cabot Lodge Jr., seinerzeit Sondergesandter der US-Regierung beim Vatikan, für entsprechende Gespräche nach Italien reisen. Zusätzlich deutete Kissinger an, dass er bei AFL-CIO-Präsident George Meany anfragen werde, ob dieser Lane Kirkland oder Irving Brown nach Italien
501 Vgl. I segreti della politica internazionale, intervista a Sergio Segre, in: Maggiorani/Ferrari (Hrsg.): L'Europa, S. 1681f. 502 Giancarlo Pajetta zitiert in: Der Spiegel, Nr. 31, 26.07.1976, S. 22. 503 Teilnehmer waren der enge Kissinger-Berater Helmut Sonnenfeldt (USA), Deputy Parliamentary Under-Secretary of State Reginald A. Hibbert (Großbritannien), Yves Carnac (Frankreich) und der kurze Zeit später zum beamteten Staatssekretär im Auswärtigen Amt ernannte Günther van Well (Bundesrepublik Deutschland). 504 PAAA, Bestand B 150, Bd. 351, Vermerk über die Vorschläge zur Fühlungnahme mit italienischen Persönlichkeiten im Zusammenhang mit der Regierungsbildung und der Ausarbeitung eines Regierungsprogramms, 09.07.1976, Bonn.
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entsenden könne.505 Schmidt erwiderte, dass er einen namentlich genannten Vertreter für Gespräche mit Politikern von PSI und PSDI nach Italien geschickt habe.506 Nach seiner Wahl zum italienischen Ministerpräsidenten versuchte Giulio Andreotti bei der Bundesregierung Unterstützung für die Tolerierung durch die Kommunisten zu erhalten. In einem fünfseitigen Brief informierte er Bundeskanzler Schmidt am 20. Oktober 1976 über die geplanten wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen der italienischen Regierung.507 Der angestrebte Austeritätskurs sollte beruhigend auf Schmidt wirken. In dieser angespannten Phase der deutsch-italienischen Beziehungen flog Horst Ehmke nach Rom, um vom 25. bis 29. Oktober Gespräche vor Ort zu führen. Hierbei war insbesondere das Zusammentreffen mit dem PCI-Generalsekretär informativ. Berlinguer teilte Ehmke mit, dass er sich bewusst sei, in welch schwieriger Situation der PCI stecke, weil er die Austeritätspolitik Andreottis indirekt unterstütze. Von Kritikern wie Ernest Mandel wurde die Kommunistische Partei Italiens in dieser Phase sogar abwertend als „Apologetin der Austeritätspolitik“508 bezeichnet. Dennoch sah Berlinguer keinen anderen Weg, das Verantwortungsbewusstsein des PCI und dadurch Regierungsfähigkeit zu demonstrieren.509 Der compromesso storico sollte weiterhin die strategische Leitlinie der italienischen Kommunisten darstellen. Offensichtlich wurde für Ehmke, dass Berlinguer auch bislang undenkbare Reformen für den PCI im wirtschafts- und finanzpolitischen Bereich anstrebte, so unter anderem eine Änderung der scala mobile, die zuvor unter Kommunisten als unantastbar gegolten hatte.510 Berlinguer wollte sich dabei vor allem die SPD zum Vorbild nehmen, deren „Orientierungsrahmen 85“511 er bereits in italienischer Überset-
505 PAAA, Bestand B 150, Bd. 351, Aufzeichnung über das Gespräch des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers mit Präsident Ford und Außenminister Kissinger am 15. Juli 1976, 15.07.1976, Washington D.C., S. 4. 506 Ebenda, S. 5. 507 HSA im AdsD, 1/HSAA006595, Brief von Giulio Andreotti an Helmut Schmidt, 20.10.1976, Rom. 508 Mandel: Kritik des Eurokommunismus, S. 161. 509 HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Vermerk von Horst Ehmke an Willy Brandt, Helmut Schmidt, Hans Koschnick, Wilhelm Dröscher und Hans-Jürgen Wischnewski über seinen Rom-Besuch vom 25.–29. Oktober 1976, 02.11.1976, Bonn, S. 3. 510 Ebenda, S. 4. 511 Peter von Oertzen/Horst Ehmke/Herbert Ehrenberg (Hrsg.): Theorie und Praxis der deutschen Sozialdemokratie. Orientierungsrahmen `85 – Text und Diskussion, Bonn 1976. Zur Entstehung und Wirkung siehe: Heinrich Potthoff/Susanne Miller: Kleine Geschichte der SPD. 1848–2002, 8. aktual. und erw. Aufl., Bonn 2002, S. 242ff.
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zung auf dem Schreibtisch liegen hatte, wie er Ehmke mitteilte.512 Wenige Tage nach seinen Gesprächen in Rom traf sich Ehmke mit dem Schatten-Außenminister der US-Demokraten Cyrus Vance in New York. Vance zeigte sich hochinteressiert an Ehmkes Eindruck der italienischen Kommunisten. Im Gegensatz zur amtierenden republikanischen Administration betonte Vance, dass man eine Lösung des italienischen Problems nicht durch einen blinden Antikommunismus verbauen dürfe.513 Kurz nach der Amtsübernahme Jimmy Carters wurde jedoch offenkundig, dass die liberale Haltung von Vance gegenüber dem italienischen Eurokommunismus in der US-Regierung nicht mehrheitsfähig war. Karsten D. Voigt berichtete bereits nach seiner USA-Reise vom 12. bis 28. Mai 1978 von dem massiven Konflikt zwischen Sicherheitsberater Brzezinski und Außenminister Vance in der Eurokommunismusfrage. Voigt hatte ebenfalls erkannt, dass Carter eher zu Brzezinski neigte und Vance daher zunehmend isoliert werde.514 Der USPräsident demonstrierte seine kritische Haltung auch in einem öffentlichen Town Meeting während seines Besuchs in der Bundesrepublik am 19. Juli 1978, in dem er sich in der West-Berliner Kongresshalle den Fragen von Bürgern stellte. In einer seiner längsten Antworten stellte Carter seine Ablehnung des Eurokommunismus dar und artikulierte die Hoffnung „daß freie Menschen die richtige Entscheidung treffen“515. Insbesondere nach der Erneuerung der Programmabsprache mit dem PCI im Juli 1977 entfaltete die Andreotti-Regierung eine „sehr rege außenpolitische Akti-
512 HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Vermerk von Horst Ehmke an Willy Brandt, Helmut Schmidt, Hans Koschnick, Wilhelm Dröscher und Hans-Jürgen Wischnewski über seinen Rom-Besuch vom 25.–29. Oktober 1976, 02.11.1976, Bonn, S. 3. Dies galt auch für das Programm der britischen Labour Party. FIG, APCI, Estero, 1973, mf 046, 405–413, Riassunto del documento programmatico del Partito Laburista Inglese, 22.06.1973, Rom. Giorgio Napolitano folgend wurde auch die Edition der Briefe von Willy Brandt, Bruno Kreisky und Olof Palme in starkem Maße von der PCI-Führung rezipiert. Vgl. Rother: „Era ora che ci vedessimo“, S. 67 (Original: Giorgio Napolitano: Dal Pci al socialismo europeo. Un'autobiografia politica, Rom 2005, S. 215). 513 HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Vermerk von Horst Ehmke an Willy Brandt und Helmut Schmidt über sein Gespräch mit Cyrus Vance in New York am 30.10.1976, 03.11.1976, Bonn, S. 4. 514 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Arbeitsgruppe USA, 11921, Bericht über eine Reise in die USA vom 12. bis 28.5.1978 von Karsten D. Voigt, 12.06.1978, Bonn, S. 2. 515 Jimmy Carter zitiert in: AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Arbeitsgruppe USA, 11921, Town Meeting Präsident Carters mit Bürgern in der Berliner Kongresshalle, Amerika-Dienst der US-Botschaft Bonn, 19.07.1978, S. 13.
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vität“516, wie die bundesdeutsche Botschaft feststellte. Andreotti wollte damit den Eindruck vermeiden, dass sich die Westorientierung der italienischen Außenpolitik durch das Zugehen auf die Kommunisten grundlegend ändern würde. So trafen im September 1977 innerhalb weniger Wochen unter anderem der britische Premierminister James Callaghan und der spanische Ministerpräsident Adolfo Suárez mit Andreotti zusammen.517 Ein ursprünglich geplantes Gespräch von Schmidt und Andreotti am 19. August in Verona war nach der überraschenden Flucht Herbert Kapplers in beiderseitigem Einvernehmen kurzfristig abgesagt worden.518 Die Flucht Kapplers führte zu vereinzelten, gegen Westdeutschland gerichteten Ausschreitungen in Italien. Zusätzlich angeheizt wurde die Atmosphäre nach den Selbstmorden der RAF-Häftlinge in der JVA StuttgartStammheim in der Nacht zum 18. Oktober 1977, die in Teilen der italienischen Gesellschaft als Beispiel deutscher Willkürjustiz gegenüber Linken gedeutet wurden.519 Am 1. Dezember 1977 wurde das Treffen in der Villa Sigurtà in Valeggio sul Mincio in der Nähe Veronas nachgeholt. Die innenpolitische Dimension solcher Treffen für die Democrazia Cristiana wurde auch von bundesdeutscher Seite stets mitbedacht. So heißt es in dem Vermerk an Bundeskanzler Schmidt: „Andreotti könnte sich damit auch innenpolitisch wieder größere Handlungsfreiheit gegenüber der KPI verschaffen.“520 In dieser politisch instabilen Phase stand man auf Seiten der SPD italienischen Parteineugründungen äußerst skeptisch gegenüber.521 Mit explizit antikommunistischer Ausrichtung hatte sich 1976 vor allem
516 HSA im AdsD, 1/HSAA006707, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt und das Bundeskanzleramt von Herrn Mühlen, 09.08.1977, Rom. 517 Ebenda. 518 HSA im AdsD, 1/HSAA006707, Vermerk von Herrn Zeller an Helmut Schmidt, 08.09.1977, Bonn. 519 HSA im AdsD, 1/HSAA006707, Pressemitteilung des Bundespresseamtes zu einem Interview mit Giulio Andreotti über die jüngsten antideutschen Ausschreitungen in Italien, 04.11.1977. Siehe hierzu auch: Petra Terhoeven: Morte accidentale di tre anarchici? Reazioni della sinistra italiana alla ,notte della morte di Stammheim‘, in: Christoph Cornelißen/Brunello Mantelli/Petra Terhoeven (Hrsg.): Il decennio rosso. Contestazione sociale e conflitto politico in Germania e in Italia negli anni Sessanta e Settanta, Bologna 2012, S. 295–327. Zur Rezeption des „Deutschen Herbsts“ in Italien siehe zusammenfassend: Dies.: Deutscher Herbst in Europa. Der Linksterrorismus der siebziger Jahre als transnationales Phänomen, München 2014, S. 467–504. 520 HSA im AdsD, 1/HSAA006707, Vermerk von Herrn Zeller an Helmut Schmidt, 08.09.1977, Bonn, S. 2. 521 Eine Ausnahme bilden die Parteibeziehungen zur kurzlebigen Sozialdemokratischen Partei Südtirols. Am 19. September 1979 empfing Willy Brandt den Vorsitzenden und Südtiroler Landtagsabgeordneten Wilhelm („Willi“) Erschbaumer in Bonn. AdsD, Inter-
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aus enttäuschten PSI- und PSDI-Mitgliedern unter Führung von Giovanni Marzolino der Partito della Social Democrazia Europea gebildet. Die Hoffnungen auf eine rasche Anerkennung durch die SPD und die Sozialistische Internationale erfüllten sich jedoch nicht.522 Erfolge blieben der Splitterpartei versagt, die nach wenigen Jahren wieder aufgelöst wurde. Mit deutlicher Verspätung wurden die Entwicklungen bei den italienischen Kommunisten nun auch in den USA thematisiert. Vor Willy Brandts USA-Reise im März 1977 wies ihn der bundesdeutsche Botschafter in Washington D.C. explizit darauf hin, dass Gespräche über den Eurokommunismus zu erwarten seien.523 Brandt selbst sprach das heikle Thema vor Ort nur in geringem Maße an, so unter anderem kurz in seinem Vortrag am Massachusetts Institute of Technology am 9. März 1977.524 Immerhin konnte Karsten D. Voigt nach einer USA-Reise Ende des Jahres 1977 einräumen, dass sich der Kenntnisstand über den Eurokommunismus in den USA verbessert habe.525 Im Vergleich zur bundesdeutschen Debatte waren jedoch immer noch große Unterschiede festzustellen. Auf dem Bundesparteitag der SPD vom 15. bis 19. November 1977 in Hamburg gab es beispielsweise zahlreiche Anträge und Diskussion zum Thema.526 Während die Jusos und der linke Parteiflügel verstärkte Kontakte zum PCI forderten, warnte der rechte Flügel vor den Eurokommunisten. Einer der wichtigsten Vertreter der letztgenannten Gruppe war die damalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Annemarie Renger: „Die führenden Kader der kommunistischen Parteien
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nationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Sozialdemokratische Partei Südtirols (SPS), 11811, Aufzeichnung zum Besuch Willi Erschbaumers in Bonn am 19.9.1979 von Veronika Isenberg, 20.09.1979, Bonn; PAAA, Bestand B 26, Zwischenarchiv, Bd. 101430, Vermerk des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland Mailand an das Auswärtige Amt zu den Wahlen in der autonomen Region Trient-Südtirol, 22.11.1973, Mailand. AdsD, Depositum Egon Bahr, Ausschuss für Internationale Beziehungen 1971–1976, 1/EBAA001093, Telegramm von Giovanni Marzolino an Helmut Schmidt, 10.08.1976, Rom. AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Reise von Willy Brandt in die USA, 11592, Brief von Botschafter Berndt von Staden an Willy Brandt, 08.02.1977, Washington D.C. AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Reise von Willy Brandt in die USA, 11592, Rede von Willy Brandt am MIT, 09.03.1977, S. 10. AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, USA, 1/BFAA001948, Bericht über die USA-Reise vom 31.10.1977 bis 5.11.1977 von Karsten D. Voigt, 28.02.1977, Bonn, S. 2f. Vgl. Peter Böhme/Christa Damkowski/Christian Schmidt: Sozialdemokratie und Eurokommunismus. Eine Einschätzung, Bonn 1978, S. 1. Die genannte Publikation stellte eine Reaktion der Jusos auf die zahlreichen Auseinandersetzungen mit dem Eurokommunismus auf dem Hamburger Parteitag dar.
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Westeuropas versuchen mit taktischen Methoden (Manövern), sich den veränderten Bedingungen ihrer Staaten (oder westlichen Demokratien) anzupassen, ohne dabei ihre Organisationsstrukturen zu verändern und überkommene Bindungen und Loyalitäten aufzugeben. […] Das Fehlen einer gemeinsamen Wahlplattform dieser Parteien beweist die mangelnde Übereinstimmung in zentralen europäischen Fragen.“527 Ähnlich positionierten sich auch Bundesverteidigungsminister Georg Leber528 sowie der Präsident des Bundes der Sozialdemokratischen Parteien der Europäischen Gemeinschaft und SPD-Schatzmeister Wilhelm Dröscher529, der während des Parteitags überraschend verstarb. Auf Seiten der SPD-Linken sprachen sich unter anderem Jochen Steffen, Erhard Eppler, der große SPD-Bezirk Hessen Süd und der SPD-Landesverband Schleswig-Holstein in ihren Anträgen für einen offenen Umgang mit den Eurokommunisten aus.530 Der PCI befand sich nach drei Jahren Tolerierung der christdemokratischen Minderheitsregierung auf seinem XV. Parteikongress vom 30. März bis 3. April 1979 in Rom in einer „Grenzsituation“531. Kurz zuvor hatten die italienischen Kommunisten die Unterstützung der Regierung der solidarietà nazionale beendet. Für den kommenden Wahlkampf drohte ein interner Kampf der Minderheit der moskautreuen Traditionalisten gegen die eurokommunistische Mehrheit der Reformer. Die Flügelbildung zeichnete sich auch in den Parteitagsreden ab. Armando Cossutta, der Protagonist einer sowjetorientierten Politik im PCI, forderte eine Rückkehr zu einer engeren Anbindung an die KPdSU: „Die KPI kann nicht auf den demokratischen Zentralismus und die Bindung an die KPdSU verzichten.“532 Pietro Ingrao entgegnete ihm auf dem Parteikongress: „Wir haben von der UdSSR und von der Oktoberrevolution gelernt, ich sehe nichts Schlechtes darin,
527 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Kommission für internationale Beziehungen, 1/BFAA000539, Änderungsvorschläge des Leitantrags von Annemarie Renger, 1977, S. 1f. 528 Vgl. Peter C. Ludz: Eurocommunism and Its Influence on the Social Democratic Party in West Germany, in: Schwab (Hrsg.): Eurocommunism, S. 63. 529 Vgl. Dieter S. Lutz: Das Eurokommunismus-Problem aus der Sicht der CDU, CSU, FDP und SPD, Hamburg 1979, S. 23. 530 Vgl. „Südhessische SPD zum Eurokommunismus“, in: Süddeutsche Zeitung, 23.08.1977; „Warnung vor Pauschalurteil“ von Reinhard Voss, in: Frankfurter Rundschau, 23.08.1977; „Eppler: Minimalkonsens in Europa“, in: FAZ, 05.09.1977. 531 WBA im AdsD, A 11.15, 10, Telex von Holger Quiring an Siegfried Bangert, 02.04.1979, Rom, S. 1. 532 Armando Cossutta zitiert in: AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Der XV. Parteitag der Kommunistischen Partei Italiens. Bericht des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung Rom, 09.04.1979, S. 2.
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wenn wir auch von den Geschicken der Sozialdemokratien lernen.“533 Generalsekretär Berlinguer versuchte, die Parteiflügel zusammenzuhalten, was ihn in eine schwierige Position brachte.534 Sein Einführungsreferat dauerte zweieinhalb Stunden und musste als Spagat zwischen den Flügeln interpretiert werden, wobei er betonte, dass die Reformbereitschaft des PCI nicht zurückgenommen werde.535 Gegenüber der Forderung Cossuttas erwiderte Berlinguer: „Daß eine kommunistische Partei und ein sozialistischer Staat sich einer Partei, einer fortschrittlichen Volksbewegung oder einer demokratischen, aber nichtkommunistischen Regierung näher fühlt als einer anderen kommunistischen Partei oder einem sozialistischen Staat“536 sei durchaus möglich. Auch sprach der Generalsekretär darüber, dass aktuell Westeuropa und nicht die Sowjetunion oder Osteuropa der Bezugspunkt für die Politik der italienischen Kommunisten sei. Namentlich erwähnte er die Bundesrepublik Deutschland, die trotz der internationalen Spannungen „Sinn für Verantwortung und Ausgleich“537 gezeigt habe. Tatsächlich offenbarte sich auf dem Parteikongress, dass die Reformer in der deutlichen Mehrheit waren und die Unterstützung der Christdemokraten in der Regierung nur kritisiert wurde, weil der PCI keine Erfolge durch sie erzielt hatte. So wurde beispielsweise Artikel 5 des Statuts gestrichen, der jedes Parteimitglied auf den Marxismus-Leninismus verpflichtete, und das Prinzip des demokratischen Zentralismus wurde im Sinne von mehr Diskussion und mehr Teilhabe der Mitglieder an Entscheidungen modifiziert.538 Dennoch mussten die bundesdeutschen Beobachter bei vielen Delegierten „emotional noch starke Bindungen an das Land und die Partei der Oktoberrevolution“539 feststellen. Auf Druck von Craxi hatte die SPD keine offizielle Delegation entsandt, obwohl der PCI darum gebeten hatte.540 Deswegen konnten nur das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rom um
533 Pietro Ingrao zitiert in: Ebenda, S. 3. 534 Vgl. Ulrike Borchardt/Michael Strübel: Eurokommunismus – Eine Zwischenbilanz, Hamburg 1979, S. 13. 535 WBA im AdsD, A 11.15, 10, Telex von Holger Quiring an Siegfried Bangert, 02.04.1979, Rom, S. 1. 536 Enrico Berlinguer zitiert in: AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000460, Bericht über eine Dienstreise anläßlich des 15. Kongresses der KP Italiens im Zeitraum 29.3.–6.4.1979 von Wolfgang Berner und Heinz Timmermann, Mai 1979, Köln, S. 34. 537 Enrico Berlinguer zitiert in: Ebenda, S. 37ff. 538 Ebenda, S. 44. 539 Ebenda, S. 33. 540 WBA im AdsD, A 11.15, 10, Fernschreiben von Hans-Eberhard Dingels an Holger Quiring, 02.04.1979; WBA im AdsD, A 11.15, 10, Telex von Holger Quiring an HansEberhard Dingels, 02.04.1979, Rom.
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Holger Quiring sowie Heinz Timmermann und Wolfgang Berner vom BIOst dem SPD-Parteivorstand über den Kongress berichten. Während des Parteitages hatte die nur noch von PSDI und PRI unterstützte christdemokratische Regierung Andreottis am 1. April 1979 die Vertrauensabstimmung im Senat verloren, woraufhin Staatspräsident Alessandro („Sandro“) Pertini das Parlament auflöste und Neuwahlen ausschrieb. Die anschließende Parlamentswahl erbrachte am 3. Juni deutliche Verluste in Höhe von vier Prozentpunkten für die Kommunisten, während die Christdemokraten nur leicht verloren und Craxis Sozialisten sowie vor allem der linksliberale Partito Radicale hinzugewannen. Der PCI büßte insbesondere in seiner traditionellen Wählerklientel Stimmen ein.541 Noch deutlicher wurden die Verluste des PCI bei der eine Woche später stattfindenden ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments. Mit 29,6 Prozent der Stimmen fielen die Kommunisten erstmals seit 1972 bei einer landesweiten Wahl wieder unter die Marke von 30 Prozent.542 Vor den Wahlen hatte der PCI eine Aktionsgemeinschaft mit westeuropäischen Sozialisten und Sozialdemokraten angestrebt, die von diesen jedoch mehrheitlich abgelehnt worden war.543 Einen weiteren Stimmenrückgang musste der PCI bei den Regionalwahlen am 17. Juni 1979 in der autonomen italienischen Region Sizilien hinnehmen. Im August konnte der ehemalige Innenminister Francesco Cossiga schließlich eine neue Regierung unter christdemokratischer Führung mit PLI und PSDI als Koalitionspartnern bilden, die im Parlament auch von den Sozialisten, den Republikanern, der SVP und der Union Valdôtaine unterstützt wurde. Die Kommunisten wurden dadurch im italienischen Parteiensystem wieder isoliert.
5.4 Die Beziehungen zwischen SPD und PCI – ein Zwischenfazit Das Kapitel hat gezeigt, dass die Beziehungen zwischen der SPD und dem PCI eine langanhaltende Kontinuität von knapp einem Vierteljahrhundert aufwiesen.
541 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000460, Politischer Jahresbericht des Büros Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung für das Jahr 1979 von Holger Quiring, 21.12.1980, Rom, S. 6. 542 Zu der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments 1979 vgl.: Nikolas Dörr: Die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament als Herausforderung für die kommunistische Bewegung Europas, in: Di Palma/Müller (Hrsg.): Kommunismus – Europa – Nation, S. 261–273 543 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000459, Bericht aus Italien: Die KPI am Vorabend der Europa-Wahlen von Holger Quiring, Dezember 1978, S. 2.
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Obwohl die Kontakte nie offiziell formalisiert wurden, gingen sie in ihrer Intensität weit über das normale Maß einer Parteibeziehung hinaus. Es ist daher angebracht von einer Nebenaußenpolitik zu sprechen, die die staatliche Außen- und Sicherheitspolitik unterstützte und ergänzte. Was staatlicherseits aus innen- und außenpolitischen Gründen nicht möglich war, konnten die deutschen Sozialdemokraten über die Parteikontakte erreichen. Ihren Beitrag zu einem Gelingen der sozial-liberalen Ostpolitik haben die Beziehungen geleistet. Die Rühmung der SPD-PCI-Kontakte als „Wurzel der späteren sozialliberalen Ostpolitik“544 ist jedoch übertrieben. Bei aller wichtigen Vermittlungs- und Überzeugungstätigkeit der italienischen Kommunisten wurden die entsprechenden Entscheidungen letztendlich doch in Moskau bzw. den entsprechenden Hauptstädten der sozialistischen Staaten Osteuropas getroffen. Die Reduktion der Gespräche auf eine alleinige Vermittlerfunktion der sozial-liberalen Ostpolitik greift zu kurz und vernachlässigt die Funktion der Beziehungen ab Mitte der 1970er Jahre.545 Schon Peter Brandt et al. stellten 1983 fest: „Die unmittelbare Bedeutung des Kontakts zwischen PCI und SPD nahm mit der Aufnahme der Verhandlungen Bonns mit Moskau, Ost-Berlin und Warschau ohne Frage ab. Bedeutungslos wurde er nicht, wenn man die historischen Perspektiven vor allem der PCI im Auge behält.“546 In der wissenschaftlichen Betrachtung der Gespräche zwischen SPD und PCI ist es daher zentral, den gesamten Verlauf von 1967 bis zur Umwandlung der italienischen KP im Jahre 1991 zu betrachten, wobei der eurokommunistischen Hochphase in den 1970er Jahren eine Schlüsselstellung zukommt. Festzuhalten bleibt, dass beide Parteien von den Kontakten profitierten. In dieser Win-Win-Situation bekam der PCI die gewünschte Anerkennung durch die größte und einflussreichste sozialdemokratische Partei Europas. Dadurch konnten weitere Kontakte etabliert und kontinuierlich ein neuer Rückhalt außerhalb der Moskauer Machtsphäre aufgebaut werden. Obwohl zu Beginn der Gespräche 1967 kaum damit gerechnet werden konnte, trug die SPD auf diese Weise in erheblichem Maße in einem fast zweieinhalb Jahrzehnte andauernden Prozess zum endgültigen Wandel der größten kommunistischen Partei des Westens in eine sozialdemokratische Partei bei. Es ist dabei zu beachten, dass der Wandlungsprozess des PCI deutlich vor dem Beginn von Michail Gorbatschows Reformpolitik einsetzte. Mit ihrer Gesprächsbereitschaft gegenüber den italienischen Kommunisten legten die deutschen Sozialdemokraten die Basis für einen Vertrauens-
544 Claus Arndt: Spuren der Zeit. Politische und persönliche Erinnerungen aus einem halben Jahrhundert, Düsseldorf 1991, S. 192. 545 So zum Beispiel bei: Pöthig: Italien und die DDR, S. 184f. 546 Brandt et al.: Karrieren eines Außenseiters, S. 287.
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aufbau gegenüber dem PCI. Schon zu Beginn der Kontakte wurde die Leitlinie vorgegeben: „Wir sollten uns weiter in der NG [Neuen Gesellschaft, d. Verf.] mit den Vorstellungen der KPI auseinandersetzen, ihre demokratischen Angebote theoretisch testen und durchleuchten und durch kontinuierliche Berichterstattung auch das in unserer Partei mangelnde Differenzierungsvermögen zwischen solchen und solchen Kommunisten ein wenig mildern.“547 Diese Fähigkeit zur Wahrnehmung von Unterschieden innerhalb des kommunistischen Lagers war ein essentieller Vorteil in der späteren Betrachtung und Analyse des italienischen Eurokommunismus. Darüber hinaus erreichten die deutschen Sozialdemokraten einen Informationsvorsprung durch die direkten Kontakte mit dem PCI. Sie waren demnach deutlich weniger auf Analysen von dritter Seite angewiesen. Ein weiterer Punkt, der massive Konsequenzen für die Analyse der Entwicklungen im PCI zur Folge hatte, war die Betrachtung der Partei in ihrer Funktion innerhalb der italienischen Gesellschaft. Aussagen wie die von Leo Bauer in dem vom Westdeutschen Rundfunk produzierten „Internationalen Frühschoppen“ am 13. Juli 1969 verdeutlichten diese Auseinandersetzung mit den kommunistischen Parteien auf Basis ihrer gesellschaftlichen Funktion: „Bei den Kommunisten, bei bestimmten kommunistischen Parteien erleben wir jetzt das Phänomen, den Widerspruch, daß sie auf der einen Seite noch eine sehr harte Aussage machen, theoretischer Art, ideologischer Art, daß sie aber in der Innenpolitik, in der praktischen Arbeit so arbeiten, wie zum Beispiel in Bologna oder im Pariser Stadtrat oder im Ceinture rouge de Paris, wo sie seit Jahrzehnten eine ganz hervorragende Arbeit geleistet haben. Und dadurch, dadurch und nicht durch ihre Ideologie, sondern durch ihre praktische Arbeit eine Verbindung zu den Massen bekommen haben.“548 Unausgesprochen referierte Bauer damit ein anderes Konzept der Machterreichung. Vor allem die italienischen Kommunisten verfolgten mit dem Prinzip der weitgehend erfolgreichen Arbeit auf Lokal-, Provinz- und Regionsebene in der zona rossa das Hegemoniekonzept Gramscis, welches sich offensichtlich deutlich besser mit einer pluralistisch organisierten westeuropäischen Demokratie vereinbaren ließ als die leninsche Revolutionstheorie und dadurch auch auf sozialdemokratische Spitzenpolitiker wie Peter Glotz faszinierend wirkte.549
547 AdsD, Bestand Leo Bauer, Leo Bauer als Gesprächsführer im Dialog SPD/PCI, 1/LBAA000010, Bericht von Karl-Ludolf Hübener, 02.12.1971, Bonn, S. 7. 548 Leo Bauer zitiert in: Brandt et al.: Karrieren eines Außenseiters, S. 276. 549 Vgl. Bernd Faulenbach: Willy Brandt, München 2013, S. 99. Auch nach dem Ende des Eurokommunismus rekurrierten sozialdemokratische Politiker auf Gramscis Hegemoniekonzept. Siehe hierzu exemplarisch: Wolfgang Thierse: Mit eigener Stimme sprechen, München, Zürich 1992, S. 153.
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Infolge der Gespräche zwischen SPD und PCI kam es zu einem ideologischen Transfer. Bereits Mitte der 1970er Jahre wies die Politik des PCI vor Ort in den kommunistisch regierten Kommunen, Provinzen und Regionen deutliche sozialdemokratische Züge auf. Die Motive für die Kontakte änderten sich daher bei den Sozialdemokraten im Laufe der Gespräche. Nun standen nicht mehr nur die Vermittlungsfunktion für die Ideen der Neuen Ostpolitik und der Wunsch nach Informationen aus dem kommunistischen Lager im Vordergrund. Seit Mitte der 1970er und noch stärker in den 1980er Jahren wurde die Option eines Wandels des PCI hin zur Sozialdemokratie deutlich, wie auch Klaus Harpprecht in seiner Autobiografie bestätigt: „Bei meinen Visiten in der Via della Botteghe Oscure, dem kommunistischen Hauptquartier, standen kaum mehr Fragen der Ostpolitik zur Debatte; wir wollten vielmehr erkunden, ob die Wandlung der PCI zu einer linkssozialistischen, jedoch demokratischen, der Freiheit verpflichteten und vor allem europäisch orientierten Partei gelingen könne.“550 Die These, die SPD habe die Kontakte zum PCI primär aus wirtschaftspolitischem Interesse gesucht, um im Zweifelsfall auch ein kommunistisches Italien als Exportmarkt der Bundesrepublik zu erhalten, ist in diesem Zusammenhang auf Basis der Quellenlage als abwegig zu bezeichnen.551 Die ursprünglich von Berlinguer gehegte Hoffnung auf einen „Dritten Weg“ zwischen Sowjetkommunismus und Sozialdemokratie konnte sich nicht durchsetzen, obwohl auch dieser auf Seiten des linken SPD-Flügels mit Sympathie betrachtet wurde. Die im Zuge des Eurokommunismus begonnene Transition des PCI wurde durch die Kontakte zur SPD bestärkt. Die beteiligten Akteure konnten dabei in relativ kurzer Zeit eine Vertrauensbasis etablieren. „Gegenseitiger Respekt und freundschaftliche Beziehungen“ waren die Folgen.552 Eine wichtige Voraussetzung hierfür war die politische Sozialisation der Akteure in der nationalsozialistischen bzw. faschistischen Diktatur, die über die Erfahrung des Verbots der Partei, Verfolgung, Exil und Widerstand eine gemeinsame Basis konstituierte. Gerade die daraus entstandenen persönlichen, vertrauensvollen Beziehungen eröffneten der SPD einen Informationsvorsprung, indem die italienischen Kommunisten zunehmend auch Interna aus der kommunistischen Bewegung, so etwa nach den Vorbereitungstreffen zu den europäischen Kommunistenkonferenzen 1967 und 1976, an die deutschen Gesprächspartner weitergaben.
550 Harpprecht: Schräges Licht, S. 496. 551 Diese These wurde von der US-amerikanischen Sowjetexpertin Angela Stent Yergin vertreten: Angela Stent Yergin: West Germany’s Südpolitik. Social Democrats and Eurocommunism, in: Orbis, Nr. 1/1979, S. 51–71. 552 Vgl. Giorgio Napolitano: Gegenseitiger Respekt und freundschaftliche Beziehungen, in: Bentele et al. (Hrsg.): Metamorphosen, S. 271f.
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Nicht zuletzt spielte auch die Person Willy Brandts eine große Rolle. Seine politische Sozialisation als überzeugter Anhänger einer starken Arbeiterbewegung und früher Widerstandskämpfer gegen die nationalsozialistische Diktatur sowie seine internationale Erfahrung führten auch auf Seiten des PCI zu großem Respekt. Als charismatische Führungspersönlichkeit der europäischen Linken übte er nicht nur auf Sozialdemokraten, sondern auch auf einen Großteil reformorientierter Kommunisten in West- und Osteuropa eine starke Anziehungskraft aus. Sergio Segre betonte diesen wichtigen Aspekt auch im Vergleich zu den Kontakten zu anderen sozialdemokratischen Parteien: „Io ho avuto molti rapporti con Mitterrand, con i portoghesi, con gli spagnoli, con gli svedesi, ma quelli con la SPD sono quelli che sono andati più a fondo, perché Brandt era un personaggio straordinario: una passione politica, culturale, di grandissimo livello.“553 Brandts Autorität als Parteivorsitzender und seit 1976 auch als Präsident der SI konnte die Kontakte zum PCI auch gegenüber der Kritik von Anhängern des rechten Flügels der SPD schützen. Ein Abbruch der Beziehungen zu den italienischen Kommunisten von Seiten der deutschen Sozialdemokratie stand trotz wiederkehrender Skepsis bei Führungsfiguren der Parteirechten wie Helmut Schmidt und Annemarie Renger seit dem Beginn der Kontakte 1967 daher nie ernsthaft zur Debatte. Gleiches gilt für die Verflechtungen mit den italienischen Schwesterparteien PSI und PDSI, die sich in direkten Kontakten zur SPD oder auch im Rahmen der Sozialistischen Internationale – dort unter anderem von führenden Politikern der britischen Labour Party unterstützt – gegen eine zu enge Beziehung zwischen deutschen Sozialdemokraten und italienischen Kommunisten wandten.
553 „Ich habe viele Treffen mit Mitterrand gehabt, mit den Portugiesen, mit den Spaniern, mit den Schweden, aber die mit der SPD waren diejenigen, die tiefer gegangen sind, denn Brandt war ein außergewöhnlicher Charakter: eine Leidenschaft für Politik, Kultur, auf allerhöchstem Niveau.“ I segreti della politica internazionale, intervista a Sergio Segre, in: Maggiorani/Ferrari (Hrsg.): L'Europa, S. 168.
6. Der PCI in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA im Kalten Krieg
Bis zum Zweiten Weltkrieg zeigten die Vereinigten Staaten von Amerika nur ein untergeordnetes sicherheitspolitisches Interesse an Italien. Vor allem der 1921 gegründete und 1926 von der faschistischen Diktatur verbotene Partito Comunista Italiano wurde aufgrund seines eher geringen Einflusses in den Anfangsjahren als weitgehend vernachlässigbare Größe eingeschätzt. Mit dem Machtantritt Mussolinis galt die „bolschewistische Gefahr“ für Italien in den USA endgültig als gebannt.1 Dies änderte sich erst infolge des massiven Zuspruchs der Kommunisten im Widerstand gegen deutsche Nationalsozialisten und italienische Faschisten.2 Die Außen- und Sicherheitspolitik der US-Regierung war seinerzeit primär auf den pazifischen Raum ausgerichtet und der gesamte Mittelmeerraum galt mit den Stützpunkten in Gibraltar sowie auf Malta und Zypern als britisch dominiert.3 Mit dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 änderte sich dies grundlegend. Insbesondere Italien galt fortan aufgrund seiner militärstrategischen Lage – hierbei sei insbesondere die Möglichkeit zur Kontrolle des Mittelmeeres, die Rolle als Brückenkopf nach Afrika und zum Nahen Osten sowie die Funktion als potenzieller Frontstaat gegenüber den seit Kriegsende kommunistischen Staaten Ost- und Südosteuropas erwähnt – als unverzichtbar für die sicherheitspolitischen Vorstellungen der Vereinigten Staaten und der im April 1949 gegründeten NATO.4
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Vgl. Michael Behnen: Die USA und Italien 1921–1932, Band 1, Demokratie, Dollars und Faschismus, Münster 1998, S. 50–62. Vgl. Duane R. Clarridge/Digby Diehl: A Spy for All Seasons. My Life in the CIA, New York 1997, S. 177. Vgl. Michael Behnen: Die USA und Italien 1921–1932, Band 2, Aufrüstung, Handel, Expansion, Münster 1998, S. 505–510. Zur militärstrategischen Lage Italiens während des Kalten Krieges siehe: Leopoldo Nuti: U.S. Forces in Italy. 1945–1963, in: Simon W. Duke/Wolfgang Krieger (Hrsg.): U.S. Military Forces in Europe. The Early Years. 1945–1970, Boulder 1993, S. 249–272; Luigi Caligaris: Italiens Rolle bei der Verteidigung Europas, in: Militärpolitik Dokumentation, Nr. 68-69/1989, S. 69–74; Lothar Rühl: Die strategische Situation des Mittelmeerraumes und der Zustand der NATO-Südostflanke. Von der Vormachtstellung zur Herausforderung des Westens, in: Europäische Wehrkunde – Zeitschrift für Wehrfragen, Nr. 8/1976, S. 385– 391; Rainer Mennel: Die wehrgeographische Bedeutung Italiens für die Südflanke der NATO, in: Wehrkunde, Nr. 3/1974, S. 140–144; Stefano Silvestri/Maurizio Cremasco: Il
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Um diesen nunmehr strategisch wichtigen Staat im westlichen Bündnis zu verankern, war die US-amerikanische Italienpolitik von der Befreiung vom Faschismus bis zum Ende des Kalten Krieges auf eine Eindämmung des Einflusses des PCI hin ausgerichtet. Zwar hielt man in der US-Regierung den Ausbruch eines kommunistischen Guerillakrieges zur Machteroberung in Italien für unwahrscheinlich, das State Department arbeitete jedoch auf Basis ähnlicher Entwicklungen in Griechenland einen detaillierten Notfallplan aus.5 Im Falle einer gewaltsamen kommunistischen Machtübernahme in Norditalien sollte die italienische Regierung umgehend bei der US-amerikanischen um Hilfe zur Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustands bitten.6 Dieses Hilfeersuchen hätte der US-Regierung die völkerrechtlich gedeckte Möglichkeit gegeben, mit militärischen Maßnahmen gegen eine kommunistische Besetzung Norditaliens vorzugehen. Während das Szenario einer gewaltsamen Machteroberung des PCI jedoch grundsätzlich als eher unwahrscheinlich angesehen wurde, galt die Möglichkeit einer Regierungsübernahme der Kommunistischen Partei infolge der Mehrheit in demokratischen Parlamentswahlen als gegeben.7 Das State Department ging Ende Januar 1948 von circa 40 Prozent der Wählerstimmen für die Volksfrontliste aus Kommunisten und Sozialisten in der Wahl im April 1948 aus.8 Einen Monat später waren es immerhin noch 37 Prozent.9 Die Folge eines kommunistischen
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fianco sud della NATO, Mailand 1980; Joseph C. Rallo: Italy, in: Douglas J. Murray/Paul R. Viotti (Hrsg.): The Defence Policies of Nations. A Comparative Study, Baltimore, London 1989, S. 290–310. Für Griechenland hatte der Planungsstab des State Department im Fall einer kommunistischen Machteroberung eine umgehende Stärkung der militärischen Position der USA im Mittelmeer und die sofortige Aufnahme eines antikommunistischen Guerillakampfes im Untergrund inklusive verstärkter nachrichtendienstlicher Tätigkeit empfohlen. Ebenso sollten die Vereinten Nationen mit politischem und finanziellem Druck dazu gebracht werden, die neue Regierung nicht anzuerkennen. GML, Xerox 2051-PPS/8, Policy Planning Staff, Department of State, „United States Policy in the Event of the Establishment of Communist Power in Greece“, 18.09.1947, Washington D.C., S 96f. GML, Xerox 2051-PPS/8, Policy Planning Staff, Department of State, „Possible Action by the US to assist the Italian Government in the Event of Communist Seizure of North Italy and the Establishment of an Italian Communist ‚Government‘ in that Area“, 24.09.1947, Washington D.C., S 106f. GML, Xerox 2050/865.00/10-2247, CIA Secret Report „The Current Situation in Italy“, 10.10.1947, S. 4. GML, Xerox 2050/865.00/1-2848, Telegramm des Secretary of State an den USBotschafter in Rom, 29.01.1948, Washington D.C., S. 1. GML, Xerox 2050/865.00/2-2548, Telegramm der US-Botschaft Rom an den Secretary of State, 25.02.1948, Rom.
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Wahlsiegs war für die US-Regierung offensichtlich: „[…] a Communist electoral victory will also mean a victory for Soviet policy regarding Italy as opposed to the policy of the US.“10 Neben den strategischen Komponenten sprachen aus US-amerikanischer Sicht die hohe Anzahl von geplanten NATO-Stützpunkten auf italienischem Staatsgebiet inklusive dem späteren NATO-Hauptquartier Europa-Süd sowie die VI. USFlotte im Mittelmeer mit ihrem Kommando in Neapel dafür, sich intensiv für die Verhinderung einer kommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien einzusetzen. Darüber hinaus befürchtete man in den USA, basierend auf der Dominotheorie, im Falle einer Regierungsübernahme durch den PCI eine kommunistische Sogwirkung für Frankreich sowie früher oder später für Spanien und Portugal, wo seinerzeit die kommunistischen Parteien noch im Widerstand gegen die faschistischen Diktaturen aktiv waren. Nach der Gründung des Kominform 1947, den Erfahrungen mit dem Bürgerkrieg in Griechenland, dem verstärkten sowjetischen Druck auf die Türkei sowie dem Aufstieg des Parti Communiste Français zur stärksten Partei Frankreichs bei den ersten Nachkriegswahlen am 21. Oktober 1945 war die US-amerikanische Regierung um Präsident Harry S. Truman vor den italienischen Parlamentswahlen am 18. April 1948 besonders alarmiert.11 Als Warnzeichen für einen möglichen kommunistischen Wahlerfolg wurde insbesondere der starke Anstieg kommunistischer Wählerstimmen bei den Regionalwahlen im konservativ geprägten Sizilien am 20. April 1947 angesehen. Die Volksfrontliste von PCI und PSI hatte dort 30,4 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten und somit die Christdemokraten überraschend deutlich geschlagen. In einer Unterredung mit dem damaligen Außenminister George C. Marshall machte der italienische Botschafter in Washington D.C. Alberto Tarchiani auf den massiven finanziellen Einsatz des PCI aufmerksam. Die Kommunisten hätten für die Wahl in Sizilien umgerechnet knapp zwei Millionen US-Dollar in Wahlpropaganda investiert. Dieses Geld stamme größtenteils aus Moskau und gelange über Jugoslawien nach Italien.12 In seinen Ausführungen nahm Tarchiani die spätere Angst der kommenden USRegierungen vor einem eurokommunistischen Dominoeffekt vorweg: „If Moscow succeeds in establishing a Communist Italy it will have gained a highly strategic
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GML, Xerox 2050/865.00/3-148, Telegramm der US-Botschaft Rom an den Secretary of State, 01.03.1948, Rom, S. 1. Vgl. Melvyn P. Leffler: A Preponderance of Power. National Security, the Truman Administration and the Cold War, 1945-1952, Stanford 1992, S. 213f. GML, Xerox 2050/865.00/5-1647, Memorandum of Conversation Secretary of State and Italian Ambassador, 16.05.1947, Washington D.C.
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position. Italy as a base would serve to flank Greece and Turkey, to extend Communist influence north to Germany and Austria and west to France and Spain. It would also facilitate Communist penetration into North Africa, an area to which Moscow is attaching increasing importance.“13 Während die US-Regierung im Falle Frankreichs primär auf die positiven Effekte der Wirtschaftshilfe, vor allem des umgangssprachlich als Marshallplan bezeichneten European Recovery Program, setzen musste, war dies in Italien nur ein Baustein der Strategie gegen die Ausbreitung des Kommunismus.14 Nichtsdestotrotz zeigte auch der Marshallplan politische Wirkung im Italien der direkten Nachkriegszeit.15 Der durch den National Security Act im Juli 1947 neu etablierte National Security Council (NSC) der Vereinigten Staaten um Präsident Truman fasste die Position der US-Regierung bezüglich Italien und dem PCI in einem Geheimprotokoll vom 10. Februar 1948 folgendermaßen zusammen: „The United States should make full use of its political, economic and, if necessary, military power in such manner as may be found most effective to assist in preventing Italy from falling under the domination of the USSR either through external armed attack or through Soviet-dominated Communist movements within Italy, so long as the legally elected Government of Italy evidences a determination to oppose such Communist aggression.“16 Als notwendige Maßnahme forderte der NSC unter anderem „actively combatting Communist propaganda in Italy by an effective US information program and by all other practical means“17. Die antikommunistische Grundkonstante der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik gegenüber Italien wurde in den USA seinerzeit kaum kritisiert. Sie stellte vielmehr in der Phase des Second Red Scare, kulminierend in der McCarthy-Ära, eine „noncontroversial American policy“18 dar.19
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Ebenda, S. 2. In Frankreich konnten die USA nicht den gleichen Einfluss ausüben wie in Italien. Frankreichs Rolle als alliierte Siegermacht, der französische Weltmachtstatus sowie das stärker ausgeprägte Nationalbewusstsein, verbunden mit einem latenten Antiamerikanismus, verhinderten dies. Zur Entwicklung des französischen Antiamerikanismus siehe: David Strauss: Menace in the West. The Rise of French Anti-Americanism in Modern Times, Westport (Connecticut) 1978. Vgl. David W. Ellwood: The Propaganda of the Marshall Plan in Italy in a Cold War Context, in: Hans Krabbendam/Giles Scott-Smith (Hrsg.): The Cultural Cold War in Western Europe, 1945–1960, London, Portland 2003, S. 225–236. United States Department of State (Hrsg.): Foreign Relations of the United States (FRUS), Vol. III, Western Europe, 1948, Washington D.C. 1974, S. 767. Ebenda, S. 768. Sherwood: American Foreign Policy, S. 3.
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Bestandteil dieser konfrontativ orientierten außen- und sicherheitspolitischen Containment-Strategie war eine Politik, die eine massive Unterstützung der nichtkommunistischen Parteien Italiens einleitete.20 Bereits mehr als ein Jahr vor den Parlamentswahlen hatte der italienische Botschafter in den Vereinigten Staaten Außenminister Marshall auf die enorme Bedeutung US-amerikanischer Hilfen für die ökonomische und politische Stabilisierung Italiens hingewiesen und damit indirekt eine Unterstützung der nicht-kommunistischen Parteien gefordert.21 Tatsächlich war Italien in den ersten Jahren nach dem Krieg unter den europäischen Staaten mit am stärksten von US-amerikanischer Hilfe abhängig. In einer geheimen Studie kam der wenige Wochen zuvor neu gegründete Auslandsnachrichtendienst Central Intelligence Agency im Oktober 1947 zu der Schlussfolgerung: „The stability of the existing Government depends primarily on its stability to obtain adequate economic support from the United States.“22 In diesem Sinne sollte die erste Geheimoperation des neuen Nachrichtendienstes kurze Zeit nach Erstellung der Studie einen Wahlerfolg der Kommunisten in Italien verhindern.23 Von der amerikanischen Unterstützungspolitik profitierte allen voran die Democrazia Cristiana.24 Auch die Marshallplanhilfe war insbesondere in Italien und Frankreich gegen die Erfolge der dortigen kommunistischen Parteien gerichtet.25 Bis zur italienischen Parlamentswahl im April 1948 lieferten 600 Schiffe 3,25 Millionen Tonnen Kohle, 850 000 Tonnen Weizen, 12 000 Tonnen getrocknetes Gemüse und mehrere Tausend Tonnen Fisch, Fleisch, Milch, Seife und Samen
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Zur McCarthy-Ära siehe: Albert Fried: McCarthyism. The Great American Red Scare. A Documentary History, New York 1997; Ted Morgan: Reds. McCarthyism in TwentiethCentury America, New York 2003. Zum „First Red Scare“ siehe: Robert K. Murray: Red Scare. A Study of National Hysteria, 1919–1920, Minneapolis 1955. Zur Containment-Strategie der Nachkriegsjahre siehe: John Lewis Gaddis: Strategies of containment. A Critical Appraisal of American National Security Policy during the Cold War, Oxford, New York 2005, S. 24–86. GML, Xerox 2050/711.65/2-2847, Memorandum of Conversation between Secretary of State and Italian Ambassador, 28.02.1947, Washington D.C. GML, Xerox 2050/865.00/10-2247, CIA Secret Report „The Current Situation in Italy“, 10.10.1947, S. 3. Vgl. Njølstadt: The Carter Administration, S. 64. Vgl. Mario Del Pero: The Role of Covert Operations in US Cold War Foreign Policy, in: Heike Bungert/Jan G. Heitmann/Michael Wala (Hrsg.): Secret Intelligence in the Twentieth Century, London, Portland 2003, S. 73. Vgl. Wilfried Loth: Die Teilung der Welt. Geschichte des Kalten Krieges 1941–1955, erw. Neuausgabe, München 2000, S. 188–191.
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nach Italien.26 Diese zu Beginn unter der Organisation der United Nations Relief and Rehabilitation Administration verschifften Waren wurden in der italienischen Öffentlichkeit größtenteils der Hilfe der Vereinigten Staaten zugeschrieben. Vor allem die Democrazia Cristiana machte deutlich, dass nur eine US-freundliche Regierung in Italien – vertreten durch sie selbst – die Weiterlieferung garantieren könne. Kurz vor der Parlamentswahl gaben in einer repräsentativen Umfrage 75 Prozent der Befragten an, dass sie vom Marshallplan gehört hatten und 70 Prozent vertraten die Meinung, dass er Italien helfe.27 Auch wurde Italien rasch wieder in den Kreis der akzeptierten Nationen aufgenommen und die Annäherung der USA, Großbritanniens und Frankreichs an Italien in der Triest-Frage sorgte ebenfalls für positive Stimmung gegenüber den Westmächten in Italien.28 Dieser Punkt wurde von der CIA als enorm wichtig erachtet, da eine mangelnde amerikanische Abstimmung mit der italienischen Regierung in der Triest-Frage Wähler in die Arme der Kommunisten treiben würde.29 Auf der sozialen Ebene warben darüber hinaus massenhafte Briefsendungen von Italoamerikanern an ihre Verwandten und Freunde in Italien für ein Wahlkreuz bei nicht-kommunistischen Parteien und allgemein für eine US-freundliche Haltung.30 Auf Vorschlag des USBotschafters in Rom, James Clement Dunn, hatte das State Department beschlossen, Italoamerikaner zu bitten, entsprechende Briefe anlässlich der Wahlen zu formulieren bzw. vorformulierte Briefe zu nutzen und an Freunde und Verwandte in Italien zu senden. Nicht wenige dieser Briefe trafen zusammen mit Geschenken aus den USA ein.31 Von Seiten des State Department wurde allerdings bedauert, dass die meisten Italoamerikaner aus Süditalien stammten, wo es ohnehin eine christdemokratische Mehrheit gab.32 Luigi Sturzo33 folgend entfalteten diese Sen-
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Vgl. Joanne Pellegrino: Under the Shadow of the Hammer and Sickle. Italy, April 18, 1948, New York 1967, S. 34. Vgl. Ebenda, S. 35. Zur Triest-Frage nach dem Zweiten Weltkrieg siehe: Glenda Sluga: Trieste. Ethnicity and the Cold War, 1945–1954, in: Journal of Contemporary History, Vol. 29, Nr. 2/1994, S. 285–303. GML, Xerox 2050/865.00/10-2247, CIA Secret Report „The Current Situation in Italy“, 10.10.1947, S. 4. Vgl. Rolf Steininger: Der Kalte Krieg. Die neue Geschichte, Erfurt 2016, S. 41. Vgl. Pellegrino: Under the Shadow, S. 37. GML, Xerox 2050/865.00/2-2448, Memorandum des State Department von Raymond E. Murphy, 27.02.1948, Washington D.C., S. 2. Luigi Sturzo (1871–1959) hatte als katholischer Priester im Jahre 1919 den christdemokratischen Partito Popolare Italiano gegründet, war dann vor dem Mussolini-Regime geflohen und verbrachte die Jahre 1940 bis 1946 im Exil in New York, wo er unter anderem
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dungen jedoch auch in Süditalien eine massive proamerikanische Wirkung und erhöhten den an sich schon hohen Anteil christdemokratischer Wähler noch einmal deutlich.34 Der US-Botschafter in Rom ergänzte diese Einschätzung in einem Brief an den Außenminister zwei Monate vor den Parlamentswahlen: „Every action of the US will have a direct bearing on the outcome. [...] We must demonstrate convincingly that peace and independence belong to western civilization as does subjugation and tyranny to the totalitarian system of Soviet Union.“35 Neben der Hilfe für die Christdemokraten wurde im State Department die Unterstützung der kleinen Sozialdemokratischen Partei und des rechten Flügels der Sozialisten als essentiell im Kampf gegen die Kommunistische Partei Italiens angesehen.36 Insbesondere der amerikafreundliche sozialdemokratische PSLI, die Vorläuferpartei des Dauerkoalitionspartners der Christdemokraten PSDI, unter Führung des späteren Staatspräsidenten Giuseppe Saragat erhielt dadurch ausgiebige US-Unterstützung.37 Im Fall des in den Nachkriegsjahren in einer Aktionsgemeinschaft mit dem PCI verbündeten Partito Socialista Italiano wies das State Department die US-Botschaft in London an, bei der britischen Labour Party für die Unterstützung der kommunismuskritischen Minderheit bei den italienischen Sozialisten zu werben.38 Auch von Seiten des Vatikans wurde die US-Regierung angehalten, ihren Einfluss gegen die Kommunisten zu nutzen.39 Nach Ansicht des Vatikans waren die kommunistischen bzw. sozialistischen Parteizeitungen L‘Unità und Avanti! finanziell deutlich besser ausgestattet als die nicht-kommunistischen Medien. Über den irischen Botschafter ließ der Vatikan daher seinen Wunsch nach 21 Millionen US-Dollar geheimer Unterstützung für antikommu-
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mit dem Office of Strategic Services und dem Office of War Information zusammenarbeitete und Informationen über die italienische Widerstandsbewegung lieferte. Als „Graue Eminenz“ der Democrazia Cristiana kehrte er anschließend nach Italien zurück. 1953 wurde er zum Senator auf Lebenszeit ernannt. Zu Sturzo siehe ausführlich: Eugenio Guccione: Luigi Sturzo, Palermo 2010. „The Real Crisis in Italy“ von Hanson Baldwin, in: The New York Times, 08.04.1948. GML, Xerox 2050/865.00/2-748, Telegramm des US-Botschafters in Rom an den Secretary of State, 08.02.1948, Rom, S. 4f. GML, Xerox 2050/711.65/5-448, Memorandum des Director for European Affairs an Secretary of State, 04.05.1948, Washington D.C., S. 2. GML, Xerox 2050/865.00/2-2448, Memorandum des State Department von Raymond E. Murphy, 27.02.1948, Washington D.C. GML, Xerox 2050/865.00/2-2548, Telegramm des State Department an den USBotschafter in London, 02.03.1948, Washington D.C., S. 2f. Vgl. Fidelius Schmid: Gottes schwarze Kasse. Der Papst und die zwielichtigen Geschäfte der Vatikanbank, Köln 2013, S. 70f.
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nistische Presseorgane mitteilen.40 Tatsächlich lässt sich die exakte Höhe der USamerikanischen Zuwendungen nicht ermitteln. Wahrscheinlich bewegt sich die Summe für antikommunistische Maßnahmen in Italien zwischen zehn und 20 Millionen US-Dollar während der Präsidentschaft Trumans.41 Der massive finanzielle und personelle Aufwand der Vereinigten Staaten trug entscheidend mit zur Verhinderung eines kommunistischen Wahlsiegs am 18. April 1948 bei.42 Hatte die CIA zu Beginn der Wahlkampagne in ihrer Analyse eine Mehrheit für die gemeinsame Wahlliste des PCI mit dem PSI prognostiziert43, kam es am Wahltag zu einer deutlichen Niederlage der Kommunisten, die mit den verbündeten Sozialisten im Fronte Democratico Popolare nur 31 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen in beiden Kammern erhielten, während die amerikafreundlichen Christdemokraten um Spitzenkandidat Alcide De Gasperi mit 48,5 und 48,1 Prozent der Stimmen absolute Mehrheiten im Abgeordnetenhaus und im Senat erreichten.44 Zu Beginn der 1950er Jahre wurde dieser immense finanzielle, personelle und logistische Aufwand der USA in Italien deutlich zurückgefahren.45 Grund hierfür war, neben den finanziellen Folgen des im Juni 1950 ausgebrochenen Koreakrieges, dass die meisten Ziele der US-Regierung erreicht worden waren: Der Versuch, eine Volksfront von Kommunisten und Sozialisten zu bilden, war nach den Wahlen 1948 vorerst für beendet erklärt worden. Der PCI erhielt in den Parlamentswahlen 1948 und 1953 relativ niedrige Wahlergebnisse um 20 Prozent der Wählerstimmen und verzeichnete gleichzeitig einen Mitgliederverlust. Seit dem Ausschluss der Kommunisten aus der Regierung von Ministerpräsident Alcide De Gasperi im Mai 1947 – nach Konsultationen mit US-Präsident Truman in den
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GML, Xerox 2050/865.00/3-648, Telegramm von J. Graham Parsons (US-Botschafter im Vatikan) an das State Department, 06.03.1948, Vatikanstadt. Vgl. Leffler: A Preponderance of Power, S. 196. Vgl. Ella Timothy Smith: The United States, Italy and the NATO. 1947–1952, New York 1991, S. 169–173; Regine Igel: Terrorjahre. Die dunkle Seite der CIA in Italien, München 2006, S. 64–67; Michael Holzman: James Jesus Angleton, the CIA, and the Craft of Counterintelligence, Amherst 2008, S. 75–99. Vgl. Ella Timothy Smith: United States Security and the Integration of Italy into the Western Bloc, in: Francis H. Heller/John R. Gillingham (Hrsg.): NATO. The Founding of the Atlantic Alliance and the Integration of Europe, New York 1992, S. 82f. Vgl. Donald Sassoon: Contemporary Italy. Politics, Economy and Society since 1945, London, New York 1986, S. 167. Vgl. Brogi: Confronting, S. 326.
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USA46 – galt der PCI als isoliert im italienischen Parteiensystem. Zusätzlich war unter der Führung von Jay Lovestone, David Dubinsky und Irving Brown eine vom US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverband American Federation of Labor (AFL)47 finanziell und ideologisch unterstützte Spaltung der CGIL erfolgreich durchgeführt worden, um den großen Einfluss der Kommunisten im Gewerkschaftsbereich zu reduzieren.48 Dwight D. Eisenhower ernannte nach Übernahme des Präsidentenamts mit Clare Boothe Luce im Mai 1953 eine Republikanerin und überzeugte Antikommunistin zur neuen US-Botschafterin in Rom.49 Die gläubige Katholikin suchte engen Kontakt zum Vatikan unter Papst Pius XII. und intensivierte die psychologische Kriegsführung gegen den PCI.50 Einen großen Einfluss spielte dabei das Hollywoodkino, welches zur weiten Verbreitung eines positiven Amerikabildes in der italienischen Bevölkerung beitrug. Der PCI etablierte zwar als erste italienische Partei eine eigene Abteilung für Filmkultur und förderte damit eine cineastische kommunistische Subkultur.51 Diese konnte je-
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Vgl. Carlo Pinzani: May 1947. The End of the Left’s Participation in the Government, in: Ekkehart Krippendorff (Hrsg.): The Role of the United States in the Reconstruction of Italy and West Germany. 1943–1949. Papers presented at a German-Italian Colloquium held at the John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Berlin (West) 1981, S. 322–329; John L. Harper: America and the Reconstruction of Italy, 1945–1948, Cambridge, New York 1986, S. 111–117. 1955 fusionierte die AFL mit dem Congress of Industrial Organizations (CIO) und wird seitdem AFL-CIO abgekürzt. Vgl. Alessandro Brogi: The AFL and CIO between „Crusade“ and Pluralism in Italy, 1944–1963, in: Geert Van Goethem/Robert Anthony Waters Jr. (Hrsg.): American Labor’s Global Ambassadors. The International History of the AFL-CIO during the Cold War, New York 2013, S. 59–83; Ted Morgan: A Covert Life. Jay Lovestone. Communist, Anti-Communist, and Spymaster, New York 1999, S. 189–194; Julia Angster: Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie. Die Westernisierung von SPD und DGB, München 2003, S. 168f. Zur Einflussnahme der AFL auf italienische Arbeiter siehe ausführlich: Ronald L. Filippelli: American Labor and Postwar Italy, 1943–1953. A Study of Cold War Politics, Stanford 1989. Vgl. Federico Robbe: L'impossibile incontro. Gli Stati Uniti e la destra italiana negli anni Cinquanta, Mailand 2012, S. 71–79. Vgl. Alessandro Brogi: Ambassador Clare Boothe Luce and the Evolution of Psychological Warfare in Italy, in: Cold War History, Vol. 12, Nr. 2/2012, S. 270ff. Vgl. Mino Argentieri: The Italian Communist Party in Propaganda Films of the Early Post-War Period, in: Luciano Cheles/Lucio Sponza (Hrsg.): The Art of Persuasion. Political Communication in Italy from 1945 to the 1990s, Manchester, New York 2001, S. 74.
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doch während der 1950er Jahre nicht die Hegemonie der katholischen und amerikafreundlichen Kinoszene durchbrechen.52 Dieses System, in dem die italienischen Kommunisten um jeden Preis von einer Regierungsbeteiligung ferngehalten werden sollten, geriet seit den frühen 1960er Jahren in eine Krise. Denn die bislang scheinbar sichere strukturelle Mehrheit der Christdemokraten in Verbindung mit Kleinparteien der rechten und linken Mitte geriet durch den kontinuierlichen Aufschwung des PCI in Gefahr.53 Ende der 1950er Jahre hatten nur wenige Experten im State Department die strategische Notwendigkeit erkannt, einen Dialog mit Nennis Sozialisten zu beginnen. George Lister, der 1957 seinen Dienst als Diplomat in der US-Botschaft in Rom antrat, übernahm diesen für die USA schwierigen Part. Rückendeckung erhielt er dabei anfangs zwar von US-Botschafter James D. Zellerbach, nicht aber vom State Department, das unter Außenminister John Foster Dulles jedwede Politik der Annäherung an die italienischen Sozialisten ablehnte. 1961 wurde Lister nach Washington D.C. zurückberufen. Kurze Zeit später begann er als ItalienExperte für den linksliberalen Kennedy-Berater Arthur M. Schlesinger Jr. zu arbeiten. Nach der Amtsübernahme John F. Kennedys im Januar 1961 änderte sich auch die Haltung gegenüber den italienischen Sozialisten. Durch die Kontakte von Lister wurden erstmals italienische Sozialisten, die mit dem PCI brechen wollten, im Weißen Haus empfangen.54 Im Juli 1963 zeigte sich der US-Präsident während einer längeren Unterredung öffentlich mit Pietro Nenni. Dies wurde zu Recht als Wandel in der US-amerikanischen Italienpolitik interpretiert. Nach längerem Zögern stimmte der US-Präsident einem grundlegenden Strategiewechsel in der Italienpolitik zu und sprach sich für eine christdemokratischsozialistische Koalition aus, nachdem sich der Partito Socialista Italiano infolge der Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn 1956 endgültig von der engen Anlehnung an die Kommunistische Partei Italiens gelöst hatte.55 Im Gegenzug musste
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Vgl. Stephen Gundle: Between Hollywood and Moscow. The Italian Communists and the Challenge of Mass Culture 1943–1991, Durham 2000, S. 75–105. Gemeint sind hier die Koalitionen des centro-destra mit dem Partito Liberale Italiano, dem Partito Repubblicano Italiano und dem Partito Socialista Democratico Italiano. Vgl. Gregory Krauss: George Lister, Italy, 1957–1963, Research Paper (George C. Marshall Research Library), S. 2ff. Zur Haltung der US-Regierung gegenüber der „apertura a sinistra“ in den 1960er Jahren siehe: Leopoldo Nuti: Gli Stati Uniti e l’apertura a sinistra. Importanza e limiti della presenza americana in Italia, Rom 1999; ders.: Missiles or Socialists? The Italian Policy of the Kennedy Administration, in: Douglas Brinkley/Richard T. Griffiths (Hrsg.): John F. Kennedy and Europe, Baton Rouge 1999, S. 129–147.
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sich Nenni klar zum Nordatlantikpakt bekennen.56 Anfang Dezember 1963 kam es dann zur ersten Mitte-Links-Regierung in Italien. Mit dieser Konstellation konnten die USA die Kommunisten in Italien erneut isolieren. Die centro-sinistraKoalitionen zwischen Democrazia Cristiana und Partito Socialista Italiano beendeten vorerst die Spekulationen über eine mögliche Volksfrontregierung in Italien. Kurz zuvor hatte der rechte DC-Flügel noch mit Unterstützung der EisenhowerAdministration versucht, eine christdemokratische Regierung mit parlamentarischer Unterstützung des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano zu bilden. Der Versuch mit dem christdemokratischen Ministerpräsident Fernando Tambroni endete allerdings in einem Fiasko. Die Regierung hielt sich aufgrund massiver Proteste nur vier Monate und musste letztlich im Juli 1960 zurücktreten.57 Von da an galt eine christdemokratische Regierung mit Unterstützung der Neofaschisten sowohl innenpolitisch als auch in der US-Regierung als politisch diskreditiert.58 Durch die deutliche parlamentarische Mehrheit der centro-sinistra-Regierungen wurde der elektorale Aufschwung des PCI von den USA bis Ende der 1960er Jahre nicht als direkte Gefahr wahrgenommen, obwohl die Kommunisten seit 1948 bei jeder Parlamentswahl prozentual hinzugewinnen konnten.59 Mit dem PCI und dem 1964 aus Protest gegen die centro-sinistra-Koalitionen von Mitgliedern des linken PSI-Flügels neu gegründeten Partito Socialista Italiano di Unità Proletaria hatten die Parteien der äußeren Linken in der Parlamentswahl vom 19. Mai 1968 erstmals über 30 Prozent der Stimmen für das Abgeordnetenhaus gewonnen. Zusammen mit der kurzzeitig vereinigten Sozialistischen und Sozialdemokratischen Partei, die unter dem Namen PSI–PSDI Unificati bzw. Partito Socialista Unificato (PSU) antrat, war eine parlamentarische Mehrheit der Parteien, die sich ideologisch links der Mitte positionierten, nur knapp verfehlt worden.60
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Vgl. Sergio Romano: Lo scambio ineguale. Italia e Stati Uniti da Wilson a Clinton, Rom, Bari 1995, S. 48f. Vgl. Henry Stuart Hughes: The United States and Italy, Cambridge (Massachusetts), London 1979, S. 211–214 Vgl. Robbe: L'impossibile incontro, S. 244–264. Vgl. die Wahlergebnisse in: Jansen: Italien, S. 34. Vgl. Leo J. Wollemborg: Stars, Stripes, and Italian Tricolor. The United States and Italy. 1946–1989, New York 1990, S. 131f.
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6.1 Containment Policy unter neuen Vorzeichen – Die USamerikanische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in Italien unter den Präsidenten Nixon und Ford In den republikanischen US-Administrationen der 1970er Jahre wurde dem propagierten Wandel der italienischen Kommunisten durch die entscheidenden sicherheits- und außenpolitischen Akteure, also dem Präsidenten, dem Nationalen Sicherheitsberater sowie dem Außen- und Verteidigungsminister kein Glauben geschenkt. Es lässt sich konstatieren, dass diese US-Regierungen die Reformen Berlinguers nur als Taktik ansahen. Im Vordergrund der US-Rezeption stand daher die seinerzeit vielzitierte Gefahr eines Trojanischen Pferdes der KPdSU. Folge dieser primär negativen Wahrnehmung des italienischen Eurokommunismus war die Ausbildung einer konfrontativen Strategie im Umgang mit dem PCI, die in ihrer Ausrichtung an die Eindämmungsstrategie der Nachkriegszeit erinnerte.61 Diese äußerte sich vor allem in verdeckten Finanzierungen von als antikommunistisch eingestuften Parteien und Organisationen Italiens sowie ausgiebigen antikommunistischen Kampagnen vor Wahlen.62 Insgesamt sollen in den Jahren zwischen 1946 und 1976 knapp 75 Millionen US-Dollar zur US-amerikanischen Einflussnahme in Italien verwendet worden sein.63 Eine zentrale Rolle spielte hierbei, wie in der direkten Nachkriegszeit, der Auslandsnachrichtendienst CIA.64 Am 5. November 1968 votierte das amerikanische Wahlvolk für Richard Milhous Nixon als neuen Präsidenten. Mit ihm wurde am 20. Januar 1969 erstmals seit acht Jahren ein Republikaner als Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten von Amerika in Washington D.C. vereidigt. Zusammen mit seinem Vizepräsidentschaftskandidaten Spiro Theodor Agnew, der knapp ein Jahr vor Nixon im Oktober 1973 wegen eines Bestechungsskandals zurücktreten musste, konnte er eine überraschend deutliche Mehrheit im Electoral College und bei den gewonnenen
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Zur Eindämmungspolitik der USA siehe: Sara L. Sale: The Shaping of Containment. Harry S. Truman, the National Security Council, and the Cold War, Saint James, New York 1998. Vgl. Daniele Ganser: NATO’s Secret Armies. Operation Gladio and Terrorism in Western Europe, London, New York 2005, S. 75. Vgl. United States of America, Congress, House of Representatives, Select Committee on Intelligence (Hrsg.): CIA. The Pike Report, hrsg. von der Bertrand Russell Peace Foundation, Nottingham 1977, S. 16; Schoch: Die internationale Politik, S. 296; Wieser/Spotts: Der Fall Italien, S. 208. Vgl. Mario Margiocco: Stati Uniti e PCI. 1943–1980, Rom, Bari 1981, S. 125–128.
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Staaten verbuchen.65 Nixon wurde primär als Hoffnungsträger einer verunsicherten Nation gewählt. Nur wenige Monate vor der Wahl war der Favorit auf die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten und ehemalige Attorney General66 Robert F. („Bobby“) Kennedy, genau wie sein Bruder knapp fünf Jahre zuvor, einem Attentat zum Opfer gefallen. Der Demokrat Lyndon B. Johnson hatte als Nixons Vorgänger das Land mit seiner Reformpolitik zwar modernisiert, aber durch die Maßnahmen gegen die Diskriminierung schwarzer US-Bürger den kulturellen und politischen Gegensatz zwischen den liberalen Nord- und den konservativen Südstaaten drastisch verschärft. Zudem hatte er mit der Intensivierung des US-Engagements den Vietnamkrieg radikalisiert. Zum Zeitpunkt der Wahl Nixons waren mehr als eine halbe Million US-Soldaten in Vietnam stationiert. Allein im Wahljahr 1968 kamen mehr als 16 000 US-Soldaten in dem südostasiatischen Land ums Leben. Vor allem die Ende Januar 1968 begonnene Tet-Offensive hatte das militärische Selbstbewusstsein der Vereinigten Staaten nachhaltig beschädigt.67 Das Massaker amerikanischer Soldaten in dem vietnamesischen Dorf My Lai vom März 1968 konnte zwar bis Ende des folgenden Jahres vertuscht werden, löste dann jedoch einen öffentlichen Schock über die extremen Gewalttaten aus. Knapp 500 Einwohner des Dorfes waren von US-Soldaten ermordet worden, darunter auch Kinder und Senioren.68 Nixons Kampagne war daher auf die Wiederherstellung des US-amerikanischen Selbstbewusstseins ausgerichtet und traf damit den Wunsch der Masse. Als ehemaliger Vizepräsident des beliebten
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Das Gespann Nixon-Agnew gewann 301 Wahlmännerstimmen, die Mehrheit in 32 Bundesstaaten und 43,4 Prozent der Wählerstimmen, während der demokratische Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidat Hubert Humphrey bzw. Edmund Muskie lediglich 191 Wahlmännerstimmen, die Mehrheit in 13 Bundesstaaten sowie im District of Columbia und 42,7 Prozent der Wählerstimmen erhielten. Mit dem ehemaligen Demokraten George Wallace erhielt ein unabhängiger Kandidat – Wallace trat für die American Independent Party an – eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Wahlmännerstimmen (46), gewonnenen Staaten (5) und Wählerstimmen (13,5 Prozent). Wallace schadete vor allem dem demokratischen Kandidaten, da er Wähler der Demokraten, die nicht mit Lockerungen der Rassentrennung einverstanden waren, auf seine Seite zog. Zur Kampagne und Präsidentschaftswahl 1968 siehe auch: Darcy G. Richardson: A Nation Divided. The 1968 Presidential Campaign, Lincoln 2002. Der Attorney General in der US-Regierung entspricht dem deutschen Bundesminister der Justiz. Zur Tet-Offensive und ihrer Auswirkungen siehe ausführlich: Marc Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. Die Tragödie in Asien und das Ende des amerikanischen Traums, 9. Aufl., München 2010, S. 160–186 Vgl. Jürgen Heideking/Christof Mauch: Geschichte der USA, 6. Aufl., Tübingen, Basel 2008, S. 348f.
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Präsidenten Dwight D. Eisenhower von 1953 bis 1961 verkörperte Nixon die im US-amerikanischen Bewusstsein größtenteils positiv konnotierten 1950er Jahre. Nixons Wahlkampfbotschaften versprachen eine Rückkehr zu Ruhe, Ordnung und stabilen Verhältnissen in einem verunsicherten Land. Außenpolitisch sollte ein klarer Antikommunismus die Leitlinie der US-Politik darstellen. Im Wahlkampf hatte die zunehmende Faszination für kommunistische Parteien in Westeuropa kaum eine Bedeutung gehabt, während der allgemeine Trend der jüngeren Generation im Zuge der Ereignisse von 1968 zu einer, häufig nicht parteipolitisch gebundenen, Linken in den USA durchaus mit Sorge wahrgenommen worden war. Bei Nixon hatte sich bereits in jungen Jahren eine tief sitzende Angst vor kommunistischen Täuschungsversuchen manifestiert. Schon während seines ersten Italienbesuchs als Kongressabgeordneter im Jahre 1947 hatte sich der spätere US-Präsident von der vermeintlichen Täuschungsfähigkeit der italienischen Kommunisten tief beeindruckt gezeigt: „While we were in Rome, for example, Communist posters for the upcoming municipal elections were plastered all over the city. These posters did not feature the hammer and sickle, or any other Communist symbol, nor did they depict the joys of some future worker’s state. Instead, they were huge heroic pictures of the nineteenth-century patriot Garibaldi – who would have turned over in his grave had he known that his life’s devotion to Italy and freedom was being manipulated by an international statist ideology ruled from Moscow.“69 Die Fortführung und Intensivierung von Kennedys reformorientierter linksliberaler Innenpolitik durch Johnson hatte einen Freiraum entstehen lassen, der für viele US-Amerikaner nach „restoring national pride and revamping the image of the nations as a firm and militant cold warrior“70 verlangte. Diese Leerstelle füllte Nixon mit seiner Präsidentschaftskampagne, die als „spiritual campaign“71 mit den zentralen Inhalten Patriotismus und Antikommunismus geführt wurde, nahezu perfekt aus. Sein Wahlsieg kann daher als die logische Folge der soeben skizzierten Unsicherheiten bezeichnet werden. Doch abseits der kurzen Phase der Euphorie nach der amerikanischen Mondlandung am 21. Juli 1969 trug Nixons Präsidentschaft nicht zu einer Wiederentdeckung des amerikanischen Selbstbewusstseins im In- und Ausland bei. Vielmehr war dessen Amtszeit von weiteren Verunsicherungen geprägt, die paradoxerweise seine Wiederwahl im November 1972 mit einer der größten Mehrheiten in der
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Richard Nixon: The Memoirs of Richard Nixon, New York 1978, S. 52. Brogi: Confronting, S. 300. Ebenda, S. 296.
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amerikanischen Geschichte begünstigten.72 Mit George McGovern, Senator aus South Dakota, hatte die Demokratische Partei einen prononciert linksliberalen Kandidaten für die Wahlen 1972 aufgestellt, der infolge einer Kolumne des konservativen Journalisten Robert D. Novak als Kandidat von „Amnesty, Abortion and Acid“ in die Geschichte einging.73 Tatsächlich war McGovern ein Anhänger weitgehender Liberalisierungen, womit er die Haltung der „great silent majority“ – wie Nixon in einer Fernsehansprache im November 1969 die aus seiner Sicht stillschweigende Mehrheit im Gegensatz zu den jugendlichen Anti-KriegsDemonstranten, Hippies und anderen linken Gruppen genannt hatte – deutlich verfehlte.74 Strategische und taktische Fehler McGoverns trugen zu einer weiteren Verschlechterung seiner Chancen bei.75 Insbesondere die Absage namhafter Demokraten für die Position des Vizepräsidentschaftskandidaten, unter ihnen der Bruder des ermordeten Präsidenten Senator Edward („Ted“) Kennedy und Senator Walter Mondale, sowie die letztendliche Nominierung des Senators von Missouri Thomas F. Eagleton, die kurz vor der Wahl wegen des Bekanntwerdens seiner zurückliegenden psychischen Probleme und anschließender psychiatrischer Behandlung wieder zurückgezogen werden musste, führten zu einem Absturz McGoverns in der Wählergunst.76
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Nixon gewann mit Vizepräsident Agnew 520 Wahlmännerstimmen, 60,7 Prozent der Wählerstimmen und alle Bundesstaaten bis auf Massachusetts und den District of Colombia, die an seinen demokratischen Herausforderer McGovern gingen. Vgl. Robert D. Novak: The Prince of Darkness. 50 Years Reporting in Washington, New York 2007, S. 224f. Zum Konzept der „great silent majority“ und den Folgen von Nixons Ansprache siehe auch die Ergebnisse der Konferenz „Inventing the ‚Silent Majority‘: Conservative Mobilization in Western Europe and the United States in the 1960s and 1970s“ vom 18. bis 20. April 2013 am Deutschen Historischen Institut in Washington D.C.; Tagungsbericht von Kevin Rick in: H-Soz-u-Kult, 10.06.2013, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ tagungsberichte/id=4848 (Abruf am 24.02.2014). Zu McGoverns Wahlkampf siehe: Gary Hart: Right from the Start. A Chronicle of the McGovern Campaign, New York 1973. Zu den massiven Auseinandersetzungen innerhalb der Demokratischen Partei während der Vorwahlen siehe den von Hunter S. Thompson an der Schnittstelle zwischen Literatur und Journalismus verfassten Bericht: Hunter S. Thompson: Fear and Loathing. On the Campaign Trail ‘72, San Francisco 1973. Vgl. James N. Giglio: The Eagleton Affair. Thomas Eagleton, George McGovern, and the 1972 Vice Presidential Nomination, in: Presidential Studies Quarterly, Vol. 39, Nr. 4/2009, S. 647–676. Letztendlich nominierte McGovern kurz vor der Präsidentschaftswahl den relativ unbekannten ehemaligen US-Botschafter in Frankreich Robert Sargent („Sarge“) Shriver Jr. als Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten.
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Mit dem 1923 in Fürth geborenen und 1938 vor den Nationalsozialisten über London in die USA geflüchteten Harvard-Professor Henry Alfred Kissinger machte Nixon nach seiner Vereidigung einen Westeuropaexperten zum Nationalen Sicherheitsberater. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem Demokraten Walt Rostow, der sich als Sicherheitsberater von Präsident Johnson inhaltlich weniger mit Europa, sondern vor allem mit ökonomischen Fragen und der „Dritten Welt“ befasst hatte, konzentrierte sich Kissinger wieder verstärkt auf die europäische Situation und das Thema Sicherheitspolitik. Den Höhepunkt dieser Neuorientierung sollte das Year of Europe 1973 darstellen. In der Praxis kam es jedoch zu keiner Annäherung der US-Administration an die westeuropäischen Regierungen.77 Kissinger zeigte von Beginn seiner Amtszeit an vielmehr ein geringes Vertrauen in die mehrheitlich von Sozialdemokraten geführten westeuropäischen Regierungen. So bezeichnete er im April 1973 Willy Brandt gegenüber Jay Lovestone abwertend als „small man trying to play a big role, and always crying“78. Auch sah er den Wahlerfolg der SPD 1969 als negatives Beispiel einer zu sanften Politik gegenüber der Linken. In diesem Zusammenhang sagte er über Bundeskanzler Kiesinger: „The Socialists never would have gained power in Germany if that nice idiot hadn’t taken them into a coalition. That makes them respectable. The same would happen in Italy.“79 Ähnlich pejorative Aussagen in Bezug auf Brandt sind auch von US-Präsident Nixon dokumentiert.80 Nach Auffassung des Sicherheitsberaters war die Herausbildung einer gemeinsamen europäischen Identität zwar akzeptabel, der Orientierungspunkt der westeuropäischen Staaten müsse jedoch der Nordatlantikpakt bleiben und eine enge Anbindung an die Vereinigten Staaten sei unerlässlich. Die Europaskepsis des National Security Advisers kulminierte in der vielzitierten Bemerkung, dass Europa schließlich keine Telefonnummer habe, die er anrufen könne.81 Egon Bahr warf Kissinger daher vor, dass
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Vgl. Catherine Hynes: The Year That Never Was. Heath, the Nixon Administration and the Year of Europe, Dublin 2009; Andrew J. Pierre: What Happened to the Year of Europe?, in: The World Today, Vol. 30, Nr. 3/1974, S. 110–119. Henry Kissinger zitiert in: Morgan: A Covert Life, S. 345f. Henry Kissinger zitiert in: Brogi: Confronting, S. 333. Vgl. Daniela Münkel: Willy Brandt, die Ostpolitik und die USA, in: Werner Kremp/Michael Schneider (Hrsg.): Am Sternenbanner das Geschick der Arbeiterklasse. 150 Jahre Beziehungen zwischen deutscher Sozialdemokratie und den USA, Trier 2013, S. 234. Vgl. Richard Holbrooke: To End a War, New York 1998, S. 241. Siehe zu den Bemühungen um ein einheitliches westeuropäisches Auftreten im „Year of Europe“ auch: Claudia Hiepel: Willy Brandt und Georges Pompidou. Deutsch-französische Europapolitik zwischen Aufbruch und Krise, München 2012, S. 230–248.
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die westeuropäischen Staaten durch das Year of Europe lediglich mehr Lasten, aber weniger Verantwortung tragen sollten.82 Gegenüber Brandt wiederholte Kissinger seine Warnung vor der Herausbildung einer europäischen Identität, die „sich offensichtlich von Amerika deutlich abheben oder gar eine feindliche Grundeinstellung haben müsse“83. Kissinger hatte bereits in den frühen 1960er Jahren vor Kennedys Zustimmung zur Regierung des centro-sinistra zwischen DC und PSI gewarnt. Knapp zehn Jahre nach der ersten christdemokratisch-sozialistischen Koalition hatte sich für ihn bestätigt, dass die Zustimmung der USA das Gegenteil von dem erbracht hatte, was ursprünglich beabsichtigt worden war, nämlich die Isolierung des PCI.84 Gegenüber Bundesverteidigungsminister Georg Leber sagte Kissinger, dass sich die Regierung von John F. Kennedy durch die amerikanische Zustimmung zur apertura a sinistra der „Zerstörung“ der Möglichkeit einer demokratischen Regierung in Italien mitverantwortlich gemacht hätte.85 Er traf sich dabei in seiner negativen Einschätzung mit Franz Josef Strauß, der ebenso deutlich vor der Billigung der Linksöffnung in Italien durch die Kennedy-Administration gewarnt hatte.86 Vor dem Hintergrund des 1973 endgültig verlorenen Vietnamkrieges, verstärkter sowjetischer Einflussnahme in Afrika und der anhaltend starken linksgerichteten Guerillabewegungen in Mittel- und Südamerika sah Kissinger Mitte der 1970er Jahre nun auch Westeuropa unter dem Einfluss des Eurokommunismus in seiner engen Anbindung an die USA wanken. Kommunistische Regierungsbeteiligungen hatte es, abseits der kurzen Nachkriegsphase, in der westeuropäische kommunistische Parteien Bestandteil der ersten Allparteienregierungen in einigen Staaten geworden waren, außer in Finnland und Island nicht mehr gegeben. In einigen Staaten war es gar zum Verbot dieser Parteien gekommen: sei es in Portugal, Spanien, Griechenland und der Türkei durch Rechts- bzw. Militärdiktaturen, sei es im Fall der Bundesrepublik Deutschland durch das Urteil des Bundesverfassungs-
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Vgl. Peter Hoeres: Außenpolitik und Öffentlichkeit. Massenmedien, Meinungsforschung und Arkanpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen von Erhard bis Brandt, München 2013, S. 486f. WBA im AdsD Bonn, A 9 (geheim), 32, Protokoll des Gesprächs zwischen Willy Brandt und Henry Kissinger am 04.03.1974 von Herrn Weber, 06.03.1974, Bonn, S. 5. Vgl. Henry A. Kissinger: Memoiren. 1968–1973, München, 1979, S. 114f. PAAA, Bestand B 150, Bd. 351, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Washington an das Auswärtige Amt über das Gespräch zwischen Außenminister Kissinger und Bundesverteidigungsminister Leber am 1.7., 10.45–11.30 Uhr, 01.07.1976, Washington D.C. Vgl. Tim Geiger: Atlantiker gegen Gaullisten. Außenpolitischer Konflikt und innerparteilicher Machtkampf in der CDU, CSU 1958–1969, München 2008, S. 229.
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gerichts im August 1956.87 In den meisten Staaten Westeuropas sank darüber hinaus der Einfluss kommunistischer Parteien. Zwar konnten die großen KPs in Italien und Frankreich ihren Stand in den 1950er Jahren halten, einen deutlichen Zuwachs verzeichneten sie jedoch erst wieder ab Ende der 1960er Jahre. Die USamerikanische Außen- und Sicherheitspolitik beschäftigte sich daher von den frühen 1950er bis in die späten 1960er Jahre hinein nur noch marginal mit dem westeuropäischen Kommunismus. Spätestens mit dem Zäsurjahr 195688 und den damit einhergehenden massiven Mitgliederverlusten und abnehmenden Wahlergebnissen für beinahe alle kommunistischen Parteien in Westeuropa wurde der westeuropäische Fokus zugunsten des sowjetischen, südostasiatischen und lateinamerikanischen weitgehend aus dem Blickwinkel verloren. Sicherheitspolitische Ressourcen wurden somit auf die letztgenannten Gebiete konzentriert und aus Westeuropa abgezogen. Mit Beginn der 1970er Jahre standen jedoch erstmals seit der direkten Nachkriegsphase kommunistische Parteien in Westeuropa wieder an der Schwelle zur Regierungsverantwortung. Der PCI in Italien erreichte 1976 fast 35 Prozent der Wählerstimmen89, die französischen Kommunisten scheiterten bei den Parlamentswahlen 1973 und 1978 nur knapp an einer linken Mehrheit mit dem Parti Socialiste in der union de la gauche90, die kommunistischen Parteien in Portugal, Griechenland und Spanien waren mit knapp zehn Prozent der Stimmen bei den jeweils ersten freien Parlamentswahlen nach dem Ende der Diktaturen zwar schwächer, aber mit ihren zahlreichen Mitgliedern und der hohen Mobilisierungs-
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Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17.08.1956 – 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, 85. Vgl. Thomas Großbölting: Entstalinisierungskrisen im Westen. Die kommunistischen Bewegungen Westeuropas und das Jahr 1956, in: Ders./Roger Engelmann/Hermann Wentker (Hrsg.): Kommunismus in der Krise. Die Entstalinisierung 1956 und die Folgen, Göttingen 2008, S. 233–249. Das für westeuropäische kommunistische Parteien überdurchschnittliche Ergebnis von mehr als 25 Prozent der Wählerstimmen und Mandate, welches die italienischen Kommunisten seit den Parlamentswahlen 1963 kontinuierlich erreichten, wurde bis zur Umwandlung der Partei 1991 gehalten. Nur im Falle der kleinen, eng mit dem PCI kooperierenden san marinesischen KP (Partito Comunista Sammarinese) und der zypriotischen AKEL war der durchschnittliche Wert für eine westeuropäische KP im gleichen Zeitraum ähnlich hoch. Hohe Wahlergebnisse erreichte auch die finnische KP, die jedoch nicht eigenständig, sondern zusammen mit kleineren Gruppierungen in dem Wahlbündnis SKDL antrat. Vor den Parlamentswahlen im März 1978 verließ der PCF überraschend im September 1977 die Linksunion, was maßgeblich zur Verhinderung einer sozialistisch-kommunistischen Mehrheit beitrug. Vgl. George Ross: Workers and Communists in France. From Popular Front to Eurocommunism, Berkeley, Los Angeles 1982, S. 266–279.
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fähigkeit einflussreiche Größen in den nationalen politischen Systemen. Neben den kommunistischen Parteien in den romanischen Ländern kam es ebenso in den skandinavischen Staaten und vor allem in Finnland und Island zu einem deutlichen Zuwachs der kommunistischen bzw. linkssozialistischen Parteien. Lediglich Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland schienen in den 1970ern mit ihren kleinen kommunistischen Parteien vom Phänomen der in ihrem Mitgliederbestand und Einfluss rasch anwachsenden KPs weitgehend verschont zu bleiben. Nixon und Kissinger waren geprägt von dem Erfolg, den die konfrontative Strategie gegenüber dem italienischen Kommunismus im Rahmen der Containment-Policy in den direkten Nachkriegsjahren gezeigt hatte. In den Augen beider hatten sich die Einmischung in die inneren Angelegenheiten befreundeter Nationen, der hohe finanzielle und personelle Aufwand und die direkte Konfrontation mit dem Kommunismus ausgezahlt. Dementsprechend reagierte die NixonAdministration mit einer Erneuerung der Containment-Strategie auf den Aufschwung des Kommunismus in Italien.91 Erstes Zeichen dieser wiederentdeckten Wertigkeit Italiens für die USamerikanische Außen- und Sicherheitspolitik war die Berufung von Graham A. Martin zum neuen US-Botschafter in Rom am 30. Oktober 1969. Sein Vorgänger, der Demokrat Hugh Gardner Ackley, galt als unscheinbarer Wirtschaftsexperte, der sich verhältnismäßig wenig in die italienische Innenpolitik eingemischt hatte. Martin, ein erfahrener Spitzendiplomat, begann hingegen umgehend mit der Umsetzung der neuen US-Strategie, welche die Zurückdrängung des Kommunismus in Italien mit der Zurückdrängung des Sowjetkommunismus gleichsetzte.92 Botschafter Martin gab später zu Protokoll, dass niemals zuvor ein Diplomat so einfache Instruktionen erhalten habe: „Barrer la route à la gauche en Italie et repousser le pays à droite si possible.“93 Nach dem Scheitern der centro-sinistra-Koalition des christdemokratischen Ministerpräsidenten Mariano Rumor im August 1969 ließ das Weiße Haus erstmals seit 1948 ein Szenario für eine potenzielle kommunistische Regierungsbeteiligung erstellen. Beteiligt waren CIA, Pentagon und die US Information Agency.94
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Vgl. Bosco: L'amministrazione Nixon e l'Italia, S. 118–135. „The Italian political situation was perceived by the Administration as another one of those ‚battles against the Russians‘.“ Sherwood: American Foreign Policy, S. 21. Graham A. Martin zitiert in: Irwin Wall: Les États-Unis et l’eurocommunisme, in: Relations Internationales, Nr. 119/2004, S. 368. NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-1 ISR-US to POL 6 IT, POL 1 IT 1/20/70, Box
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Als Ergebnis wurde festgehalten, dass nur die Unterstützung weiterer MitteLinks-Koalitionen eine Option im Hinblick auf die Verhinderung einer kommunistischen Regierungsbeteiligung böte, obwohl alle Beteiligten, inklusive Außenminister William P. Rogers, ihre Unzufriedenheit mit der Regierungseffizienz der DC-PSI-Koalitionen deutlich machten. Nach der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen Christdemokraten und Sozialisten zur erneuten Bildung einer Regierung unter dem alten Ministerpräsidenten Rumor, die schließlich im März 1970 abgeschlossen werden sollten, schrieb Außenminister Rogers resigniert an Präsident Nixon: „The Italians may muddle through as they have done for the past twenty years.“95 Die Hoffnungen auf die Rückkehr zu stabilen Mitte-RechtsRegierungen hatte die US-Administration zu Beginn der 1970er Jahre jedoch noch nicht aufgegeben. Acht Monate nach seiner Ankunft in Italien teilte der neue US-Botschafter Martin, der zuvor zwischen 1963 und 1967 Botschafter in Thailand gewesen war, dem Präsidenten und dem Außenminister seine Zielsetzung mit: „I think there is a real possibility to move this country back toward center. I am certainly going to try. When I told the President that after Bangkok I was a bit afraid of being bored in Rome, he grinned and said that would be the least of my worries. He was so right.“96 Dementsprechend wurden die Gedankenspiele von Staatspräsident Giuseppe Saragat begrüßt, das Parlament erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs vorzeitig aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben, wenn die Chancen für die zentristischen Parteien PSDI, PLI, PRI und vor allem für die DC gut stünden. In einem solchen Fall könne man, so US-Botschafter Martin, zusammen mit dem Vatikan eine aktive Unterstützung der Christdemokraten einleiten, um wieder eine centro-destra-Regierung zu erhalten. Diese wiederum würde in vielen außen- und sicherheitspolitischen Bereichen den US-Interessen nützen, denn eine solche Mitte-Rechts-Regierung „could more aggressively support our basically common positions in NATO“97. Da es jedoch zu keiner günstigen Ausgangsposition kam, sondern der PCI in Umfragen kontinu-
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2391, Memorandum von Martin J. Hillenbrand an Secretary of State, 20.01.1970, Washington D.C. NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-1 ISR-US to POL 6 IT, POL 1 IT 1/20/70, Box 2391, Memorandum von William Rogers an Richard Nixon, 22.01.1970, Washington D.C. NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-1 ISR-US to POL 6 IT, POL 1 IT 1/20/70, Box 2391, Telegramm von Graham Martin an Richard Nixon und das State Department, 12.06.1970, Rom. Ebenda.
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ierlich hinzugewann, wurden die Planungen für eine vorzeitige Parlamentswahl nicht umgesetzt. Nach Aussage des damaligen stellvertretenden US-Botschafters in Rom, Wells Stabler, sollte Martin neben dem Kampf gegen ein Anwachsen des Kommunismus in Italien auch den centro-sinistra-Koalitionen ein Ende bereiten und die in der Nixon-Administration ungeliebte Sozialistische Partei Italiens dadurch wieder in die Opposition zwingen.98 Dies sei Teil eines Drei-PunktePlans gewesen, der folgende Aspekte umfasste: 1. Den Widerstand der USA gegen den PCI demonstrieren, 2. Die DC unterstützen, 3. Wieder eine Mitte-RechtsRegierung etablieren.99 Mit dem gleichzeitigen Kampf gegen PCI und PSI ignorierte die Nixon-Administration jedoch die Gelegenheit, den Kommunisten durch eine weitere Aufwertung der Sozialisten die Basis zu entziehen. Eine Unterstützung der moderaten Kräfte im PSI hätte den Kommunisten vermutlich deutlich mehr Schaden im Hinblick auf Wähler- und Mitgliederverluste zugefügt. Gleichzeitig hätte eine offensive Unterstützung der centro-sinistra-Koalitionen die Möglichkeit einer kommunistischen Regierungsbeteiligung deutlich sinken lassen. Am 12. Februar 1970 wurde das National Security Study Memorandum 88 erlassen, welches den Außenminister, den Verteidigungsminister und den Direktor der CIA aufforderte, eine Studie über die politischen Entwicklungen im nördlichen Mittelmeerraum zu erstellen. Der Schwerpunkt sollte dabei auf Maßnahmen gegen ein weiteres Anwachsen der Kommunistischen Partei Italiens gelegt werden.100 Die anschließenden Vorschläge von Botschafter Martin umfassten politische Propagandamaßnahmen, so zum Beispiel häufigere Staatsbesuche zur Betonung der engen Verbundenheit der USA mit Italien, die finanzielle und ideologische Unterstützung antikommunistischer Parteien und als letzte Maßnahme im Falle einer kommunistischen Regierungsübernahme die mögliche Unterstützung eines Staatsstreiches.101 Im Falle des abgebrochenen, rechtsgerichteten BorghesePutsches102 Ende des Jahres 1970 warnte Botschafter Martin das State Department
98 Vgl. Interview mit Wells Stabler, in: Sherwood: American Foreign Policy, S. 25. 99 Ebenda. 100 Vgl. Ebenda, S. 21f. 101 Vgl. Alan A. Platt/Robert Leonardi: American Foreign Policy and the Postwar Italian Left, in: Political Science Quarterly, Vol. 93, Nr. 2/1978, S. 212. 102 Junio Valerio Borghese (1906–1974) war im Zweiten Weltkrieg Leiter einer UnterwasserSpezialeinheit der italienischen Marine. Nach dem italienischen Waffenstillstand kämpfte er ab 1943 auf Seiten der faschistischen Repubblica Sociale Italiana weiter. Borghese wurde mehrmals von der Wehrmacht ausgezeichnet. Nach der alliierten Gefangenschaft wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt, die er auf Druck des Office of Strategic Services jedoch nicht absitzen musste. In den Nachkriegsjahren wurde Borghese zu einer der Führungsfiguren des neofaschistischen MSI, 1951 dessen Ehrenpräsident. Später trat er aus dem MSI
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allerdings frühzeitig vor einer Unterstützung, da ein fehlgeschlagener Putschversuch unverzüglich zu einer Aufwertung der Linken in Italien geführt hätte, während ein erfolgreicher Putschversuch nur mit extremen Unterdrückungsmaßnahmen hätte aufrechterhalten werden können. Beide Optionen waren aus Sicht des Botschafters nicht im US-Interesse.103 Bereits seit der Amtsübernahme von Martin als Botschafter in Rom hatte es Gerüchte über einen bevorstehenden Putschversuch in Italien gegeben. Im Gegensatz zu vorherigen Putschplänen sollten nun nicht mehr nur Alt- und Neofaschisten, sondern auch führende Mitglieder der politischen Klasse und des Militärs involviert sein.104 Nach Informationen der USBotschaft war der Staatsstreich ursprünglich für Mitte des Jahres 1970 geplant gewesen. Die Führung des PCI hatte erst kurz vor dem geplanten Datum am 25. Mai 1970 davon erfahren, was laut dem US-Botschafter zur Folge hatte: „[…] not a single top Italian Communist slept in his own bed that night.“105 Nach der Verlegung sollte der Putsch nun in der zweiten Augustwoche 1970 durchgeführt werden. Dieses Datum bot sich an, da im Ferragosto106 der Großteil der römischen Bevölkerung im Urlaub und auch alle öffentlichen Stellen und Ämter nur minimal besetzt gewesen wären. Vito Miceli, seinerzeit Chef des S.I.O.S. Esercito Italiano107, habe dafür Colonel James Clavio angewiesen, verschiedene militärische Kommandostrukturen zu instruieren.108 Der Botschaftsbericht erläuterte weiter,
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aus, um verstärkt in der außerparlamentarischen Rechten wirken zu können. Nach dem gescheiterten Putschversuch 1970 flüchtete Borghese in das von Franco regierte Spanien, wo er in Cádiz verstarb. NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-2 IT-US to POL 7 IV CST, POL IT-USSR, Box 2397, Telegramm von Graham Martin an Secretary of State, 07.08.1970, Rom, S. 5. Ebenda, S. 1. Ebenda. „Ferragosto“ bezeichnet im Italienischen den katholischen Feiertag Mariä Himmelfahrt am 15. August. Dieses Datum wird traditionell von vielen Italienern genutzt, um in den Sommerurlaub zu fahren. Der Name geht auf die lateinische Bezeichnung „feriae Augusti“ zurück. Der Servizio informazioni operative e situazione - Esercito Italiano (S.I.O.S. Esercito Italiano) war der Nachrichtendienst des Generalstabs des Heeres. Den drei Militärfachnachrichtendiensten des S.I.O.S. war 1965 bis 1977 der Nachrichtendienst des Verteidigungsministeriums Servizio Informazioni Difesa (SID) übergeordnet. Miceli leitete von 1969 bis 1970 den S.I.O.S. Esercito Italiano, anschließend von Oktober 1970 bis Oktober 1974 den SID. NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-2 IT-US to POL 7 IV CST, POL IT-USSR, Box 2397, Telegramm von Graham Martin an Secretary of State, 07.08.1970, Rom, S. 1.
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dass Miceli zusammen mit General Enzo Marchesi, dem Stabschef im Verteidigungsministerium, über die Rückendeckung der meisten Kommandeure verfüge. Darüber hinaus sei Miceli von Marchesi für die Nachfolge von Admiral Eugenio Henke als Chef des Militärgeheimdienstes SID vorgesehen.109 Ein ungenannter US-amerikanischer Geschäftsmann habe die Botschaft zudem informiert, dass auch große Teile der Carabinieri und der Confindustria den Coup unterstützen würden.110 Die Polizei sei hingegen nicht involviert, da diese „too ‚infiltrated‘ by the Communists“111 sei. Dieser Geschäftsmann sollte im Namen der Putschisten ausloten, ob die US-Regierung einen solchen Coup d‘État anerkennen und Kontakt zu einem der Protagonisten aufnehmen würde. Ein US-Diplomat, so der Bericht des Botschafters, habe sich daraufhin mit einem der Putschisten in einem Außenbezirk von Rom getroffen. In dem Gespräch sei offenbart worden, dass Junio Valerio Borghese Anführer der Organisation sei, die sich Fronte Nazionale (FN) nenne. Die Organisation bestehe größtenteils aus pensionierten Militärs, die jedoch weit verzweigte Kontakte in die Armee, zu Industriellen und auch zu Gewerkschaftern hätten. Die Organisation sei nicht monarchistisch orientiert und eine direkte Verbindung zu einer politischen Partei bestehe nicht. Die Motivation der Putschisten sei „nationalistic, anti-communist and pro-american“112. Die Gruppe verfüge über eine ernstzunehmende paramilitärische Substruktur.113 Nach Informationen der Putschisten habe es bereits Kontakte zur CIA gegeben, die jedoch keinen Kommentar zu den Putschplänen abgegeben habe.114 US-Botschafter Martin informierte das State Department darüber, dass er versuchen werde, Borghese von einem Abbruch der Putschpläne zu überzeugen.115 Außenminister Rogers warnte in seinem Antwortschreiben vor „disastrous results“116 im Falle des Scheiterns eines Putschversuchs von rechts. Botschafter Martin nutzte die
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Ebenda, S. 2. Ebenda. Ebenda, S. 2f. Ebenda, S. 4. Ebenda, S. 3. Ebenda, S. 4. Ebenda, S. 5. NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-2 IT-US to POL 7 IV CST, POL IT-USSR, Box 2397, Telegramm von William Rogers an US-Botschaft Rom, 10.08.1970, Washington D.C.
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Krisensituation im Übrigen auch, um vier weitere Mitarbeiterstellen in seiner Botschaft beim Außenministerium zu beantragen.117 Am 26. August informierte der Botschafter den Außenminister, dass der Putschplan erneut verschoben worden sei. Grund sei, dass die Putschisten die Verkündung der Steuererhöhung durch den neuen Ministerpräsidenten Emilio Colombo am 28. August abwarten wollten. Diese werde, so die Annahme der Verschwörer, im Volk negativ aufgenommen werden und daher die breite Unterstützung eines Staatsstreiches wahrscheinlicher machen. Der Informant betonte noch einmal, dass die halb-zivile, halb-militärische Regierung nach dem Staatsstreich engen Kontakt zu den USA suchen werde, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Ein neuer Kontaktmann stellte sich als kommender Außenminister vor, der eine enge Führung der Putsch-Regierung durch die USA anstrebe.118 In seinem Bericht an den Außenminister kommentierte der Botschafter diese Bemerkung mit Ironie: „This, of course, is additional reason to discount possibility of success since I’ll never be lucky enough to have Foreign Ministers that amenable to my guidance.“119 Martin gab diese neuen Informationen zusätzlich an Admiral Henke als Chef des italienischen Militärgeheimdienstes SID weiter. Am 1. September informierte Martin das State Department, dass nach einem weiteren Gespräch mit dem Kontaktmann die Pläne für den Staatsstreich deutlicher geworden seien: Zuerst sollten TV- und Radiostationen besetzt werden, vor allem durch den Einsatz von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen der Carabinieri. Der Informant hatte von 100 000 paramilitärischen Anhängern gesprochen, die in Gruppen von 40 bis 50 Personen agieren würden. Die Aufständischen gingen von einer schnellen Anerkennung durch die US-amerikanische und französische Regierung aus. Die bundesdeutsche Regierung würde das neue Regime wohl erst nach der US-Regierung anerkennen. Kommunistische Besetzungen von Firmen und ein möglicher Generalstreik durch Linkskräfte sollten von den paramilitärischen Kräften gewaltsam verhindert werden.120 Martin warnte den Außenmi-
117 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-2 IT-US to POL 7 IV CST, POL IT-USSR, Box 2397, Telegramm von Graham Martin an Secretary of State, 11.08.1970, Rom. 118 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-2 IT-US to POL 7 IV CST, POL IT-USSR, Box 2397, Telegramm von Graham Martin an Secretary of State, 26.08.1970, Rom, S. 1. 119 Ebenda, S. 2. 120 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-2 IT-US to POL 7 IV CST, POL IT-USSR, Box 2397, Telegramm von Graham Martin an Secretary of State, 01.09.1970, Rom, S. 1ff.
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nister vor der Stärke der Verschwörer: „The FN para-military force does, in fact, exist, is estimated to have considerable capability.“121 Letztlich wurde der Staatsstreich von der zweiten Augustwoche auf die Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1970 verlegt, aber in letzter Minute abgebrochen. Die Gründe hierfür sind bis heute nicht vollständig geklärt. Indizien deuten darauf hin, dass der Widerstand in der christdemokratisch geführten Regierung Italiens und das Veto der US-Regierung den Abbruch ausgelöst haben.122 Erst 1971 wurden die Putschpläne von der kommunistischen Zeitung Paese Sera öffentlich gemacht, was zu einer deutlichen Verschärfung der politischen und gesellschaftlichen Krise Italiens führte.
6.1.1 Die Parlamentswahl 1972 und die langsame Rückkehr des PCI in den Fokus der Außen- und Sicherheitspolitik der USA Zu einem Schwerpunktthema der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik entwickelte sich Italien erst wieder Mitte der 1970er Jahre. Der Eurokommunismus, insbesondere die italienische Variante, wurde nun als „fundamental threat to the American national interest“123 wahrgenommen und die entsprechenden finanziellen und personellen Mittel wieder aufgestockt. Noch zu Beginn seiner Amtszeit hatte Außenminister Rogers Präsident Nixon davor warnen müssen, dass die Einflussmöglichkeiten auf die italienische Politik durch den Abzug von Personal und finanziellen Ressourcen im Vergleich zur direkten Nachkriegszeit drastisch gesunken seien: „While we do not possess the resources we once had to influence the Italian scene, there are some things we can do to let our views be known. […] We must avoid a stance of taking Italian support for granted. […] We must keep the problem under close scrutiny and continually assess the means of using our resources to make our views known in a discreet, but effective fashion.“124 Dass Außenminister Rogers zu Beginn des Jahres 1971 seine Warnung an
121 Ebenda, S. 2. 122 Vgl. Maurizio Dianese/Gianfranco Bettin: La strage. Piazza Fontana. Verità e memoria, Mailand 1999, S. 165–169. Auch hatte der ungenannte US-amerikanische Geschäftsmann, der als Verbindungsglied zwischen den Putschisten und der US-Botschaft diente, die ablehnende Haltung der US-Regierung übermittelt, wie Botschafter Martin dem Außenminister mitteilte. NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 1970-1973, Political & Defense, From POL 17-2 IT-US to POL 7 IV CST, POL IT-USSR, Box 2397, Telegramm von Graham Martin an Secretary of State, 10.08.1970, Rom, S. 1. 123 Sherwood: American Foreign Policy, S. 1. 124 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-1 ISR-US to POL 6 IT, POL 1 IT 1/20/70, Box
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den Präsidenten wiederholen musste, zeigt, dass Italien in den frühen 1970er Jahren zwar wieder zu einem Thema der Außen- und Sicherheitspolitik in den USA geworden war, jedoch noch keine Schwerpunktsetzung für nötig befunden wurde.125 Vorsichtig versuchte Willy Brandt Präsident Nixon auf Veränderungen im kommunistischen Lager aufmerksam zu machen, wobei er besonders hervorhob, dass Parteien wie der PCI nun auf Propagandainitiativen gegenüber Westdeutschland verzichten würden, was den Zusammenhalt des kommunistischen Lagers schwäche.126 Der Bundeskanzler wies Nixon auch auf den Einfluss „fortgeschrittener Kreise in der kommunistischen Welt“127 hin, den man nicht unterschätzen solle. Brandt sagte, dass man manchmal Dinge nur beeinflussen könne, wenn man diese als Tatsache anerkenne, obwohl man sie nicht schätze.128 Nichtsdestotrotz wurden die Veränderungen im italienischen Kommunismus von der USAdministration zu Beginn der 1970er Jahre nur in geringem Maße rezipiert. Dies gilt auch für das Anwachsen der kommunistischen Anhängerschaft seit 1968.129 Im Hinblick auf die italienischen Parlamentswahlen 1972 und vor allem 1976 sollte sich dies deutlich ändern. Eine besondere Rolle spielte dabei die Wiederaufnahme von finanziellen Hilfen für antikommunistische Parteien in Italien.130 Nach dem Wechsel von Graham A. Martin nach Rom kam es deswegen zu Differenzen mit der CIA, da der neue Botschafter selbst über alle verdeckten Unterstützungsleistungen entscheiden wollte.131 Die Auseinandersetzung zwischen dem CIA-Chef in Rom Howard E. („Rocky“) Stone und Botschafter Martin gingen so weit, dass Letzterer androhte, Stone nicht mehr ins Botschaftsgebäude zu lassen und ihn zurück nach Washington zu schicken, wenn er seinen Protest gegen die Finanzierung des neofaschistischen Geheimdienstchefs Vito Miceli nicht einstel-
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2391, Memorandum von William Rogers an Richard Nixon, 22.01.1970, Washington D.C., S. 4f. NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-1 ISR-US to POL 6 IT, POL 1 IT 1/20/70, Box 2391, Memorandum von William Rogers an Richard Nixon, 05.01.1971, Washington D.C., S. 3f. WBA im AdsD Bonn, A 9 (geheim), 30, Protokoll des Gesprächs zwischen Willy Brandt und Richard Nixon am 28. und 29.12.1971 in Key Biscane, 29.12.1971, Miami, S. 7. Ebenda, S. 38. Ebenda. Von 1968 bis 1973 erhöhte sich die Mitgliederzahl des PCI um mehr als 120 000 eingeschriebene Anhänger. Vgl. Grywatsch: Kontinuität im Wandel, S. 422. Vgl. Godfrey Hodgson: The US Response, in: Filo della Torre/Mortimer/Story (Hrsg.): Eurocommunism, S. 288–292. Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 22f.
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le.132 Nach Aussage Martins wollte er mit der Unterstützung Micelis demonstrieren, dass man die antikommunistischen Kräfte in Italien langfristig und weitgehend vorbehaltslos unterstützen werde.133 Letztendlich erhielt Botschafter Martin Rückendeckung von US-Präsident Nixon.134 Dieser hatte bereits kurz nach seiner Amtseinführung im National Security Council erklärt, dass die Neofaschisten in Italien das geringere Übel im Vergleich zu den Kommunisten seien.135 Knapp zehn Millionen US-Dollar wurden daraufhin vor den italienischen Parlamentswahlen am 7. Mai 1972 verdeckt zur Unterstützung antikommunistischer Parteien und Organisationen ausgegeben.136 Während der Großteil des Geldes an die Christdemokraten floss, entschied sich der neue Botschafter, 800 000 US-Dollar an General Miceli zu geben, der seinerzeit den italienischen Militärgeheimdienst Servizio Informazioni Difesa leitete.137 Wie der Pike-Report 1976 offenbarte, hatte die CIA vor solch einer Aktion gewarnt: „The Ambassador was unmoved by CIA warnings that the man was clearly linked to anti-democratic elements of the right, and went ahead with the funding.“138 Tatsächlich saß Vito Miceli von 1976 bis 1987 als Abgeordneter des neofaschistischen MSI im italienischen Abgeordnetenhaus. Als besonders problematisch wurde im Pike-Report empfunden, dass es keinerlei Absprachen mit Miceli über die Verwendung des Geldes gegeben hatte: „Control over funding was so loose that there was no way of checking to see if funds were being expended for the purposes for which they said they were to be used.“139 Durch die Verwicklung seines Nachrichtendienstes in nie vollständig geklärte Terroranschläge wurde ebenso bezweifelt, dass eine solche Unterstützung den Interessen der USA gedient habe. Trotz der massiven Unterstützungsleistungen an antikommunistische Parteien und Organisationen konnte die US-Regierung ein weiteres Anwachsen der kommunistischen Wählerstimmen bei den Parlamentswahlen am 7. Mai 1972 nicht verhindern. Sowohl im Abgeordnetenhaus mit 27,1 Prozent der Stimmen als auch
132 Vgl. United States of America, Congress, House of Representatives, Select Committee on Intelligence (Hrsg.): Pike Report, S. 210ff. 133 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 24. 134 United States of America, Congress, House of Representatives, Select Committee on Intelligence (Hrsg.): Pike Report, S. 193f. 135 Vgl. Wall: Les États-Unis, S. 368. 136 Vgl. United States of America, Congress, House of Representatives, Select Committee on Intelligence (Hrsg.): Pike Report, S. 193; Sherwood: American Foreign Policy, S. 24. 137 Vgl. United States of America, Congress, House of Representatives, Select Committee on Intelligence (Hrsg.): Pike Report, S. 195. 138 Ebenda. 139 Ebenda, S. 211.
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im Senat mit 28,1 Prozent140 reüssierte der PCI. Mehr als neun Millionen Italiener hatten bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus für die Kommunisten gestimmt. Größter Wahlgewinner war jedoch der neofaschistische MSI, der sein Ergebnis in beiden Häusern fast verdoppeln konnte und mit 8,7 bzw. 9,1 Prozent der Stimmen viertstärkste Kraft im Parlament wurde. Eine Regierungsbildung gegen die beiden auf der nationalen Ebene von der politischen Machthabe ausgeschlossenen Parteien PCI und MSI wurde somit schwierig. Allerdings war eine kommunistische Regierungsbeteiligung 1972 noch kein breit debattiertes Thema. Außenminister Rogers warnte Präsident Nixon im Dezember jedoch eindringlich: „For the first time since the 1930’s, moderate and conservative forces will face a reasonably united Communist-Socialist alliance.“141 Besondere Sorge bereiteten der USRegierung Gedankenspiele in der italienischen Armee über einen Militärputsch im Falle der Regierungsübernahme durch den Partito Comunista Italiano. In einem Bericht von Botschafter Martin hieß es dazu: „For some time I have been aware of an increasing restiveness within the Italian military forces over what some elements consider an unacceptable acceleration of the ‚leftward drift‘ of the Government.“142 Der Botschafter selbst teilte nach einem Gespräch mit General Marchesi in einem Bericht an Außenminister Rogers mit, dass die US-Regierung die Unterstützung eines Militärputsches als letzte Option nicht ausschließen sollte: „General Marchesi is of the opinion, which I generally share, that an armed force intervention could succeed without considerable bloodshed only if it were crystal clear to the majority of the people that conditions demanded it, that the armed forces and the Carabinieri were unified in their approach, and that such action have the backing of enough senior political figures to provide at least an aura of legitimacy.“143 Als die Gerüchte über einen Rechtsdrift in der italienischen Armee an die Öffentlichkeit gelangten, musste der italienische Verteidigungsminister, der Sozialdemokrat und stellvertretende Ministerpräsident Mario Tanassi, vor dem Verteidigungsausschuss des Senats bekräftigen, dass die italienische Armee apoli-
140 Für die Wahlen zum Senat war der PCI eine Listenverbindung mit dem PSIUP eingegangen. 141 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 12 FR to POL 15 FR, POL 14 FR 3/4/70, Box 2273, Memorandum von Außenminister William Rogers an Präsident Richard Nixon, 19.12.1972, Washington D.C., S. 1. 142 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From DEF Defense Affairs ISR-A to DEF IT-US, DEF 1/1/70 IT, Box 1751, Telegramm der Botschaft Rom an Secretary of State, 04.04.1971, Rom, S. 1. 143 Ebenda, S. 2.
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tisch sei und subversive Versuche, die Armee zu beeinflussen, zurückgewiesen werden würden.144 In dieser beginnenden Krisensituation wurde Graham Martin 1973 als Botschafter nach Südvietnam beordert. Neuer Vertreter der Vereinigten Staaten in Rom wurde John A. Volpe. Der republikanische Politiker wurde 1908 in Wakefield, Massachusetts, als Kind italienischer Einwanderer aus den Abruzzen geboren. 1960 war er zum Gouverneur von Massachusetts gewählt worden und vor seiner Berufung zum Botschafter Minister für das Transportwesen im Kabinett Nixon gewesen. Somit entsandte Nixon im Februar 1973 einen hochrangigen Politiker nach Rom. Volpe sprach fließend Italienisch und hatte mit Jennie Benedetto ebenfalls ein Kind italienischer Einwanderer geheiratet. Als eine seiner ersten Amtshandlungen beendete Volpe zwar die Finanzierung Vito Micelis, war aber ansonsten im Vergleich zu seinem Vorgänger Martin „no less fervent in his commitment to excluding the Left, and in particular the Communists, from participation in the national government“145. Volpe änderte umgehend zentrale Abläufe in den diplomatischen Vertretungen der USA in Italien. So konnten fortan die Konsulate146 direkt dem Außenministerium berichten und um authentische Informationen zu erhalten, hatte Botschafter Volpe beim State Department um die generelle Genehmigung für den diskreten Kontaktaufbau zu ausgewählten Kommunisten gebeten. In Volpes Strategie sollte der unmittelbare Austausch mit dem PCI eine zentrale Stellung einnehmen: „The Country Team is agreed that there is a need for increased working level contacts with the PCI for the specific purpose of obtaining more profound insights into the policies and operations of the party.“147 In seinem Antwortschreiben forderte Kissinger den Botschafter auf, verstärkt Kontakte zu den Sozialisten aufzubauen und erinnerte ihn daran, dass „[…] our objective is to encourage the PSI towards the Christian Democrats and away
144 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From DEF Defense Affairs ISR-A to DEF IT-US, DEF 1/1/70 IT, Box 1751, Telegramm der Botschaft Rom an Secretary of State, 13.10.1972, Rom, S. 2. 145 Interview mit Wells Stabler, in: Sherwood: American Foreign Policy, S. 27. 146 Die Vereinigten Staaten verfügten seinerzeit, aufgrund der engen familiären Beziehungen der Italoamerikaner, über eine außergewöhnlich hohe Anzahl von Konsulaten in Italien. Neben der Botschaft in Rom gab es 1974 in den Städten Florenz, Genua, Mailand, Neapel, Palermo, Triest und Turin US-Konsulate. 147 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy-State Department Telegrams, From SECSTATE-EXDIS (2), Box 8, Telegramm von John Volpe an Arthur A. Hartman, 25.06.1975, Rom.
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from the Communists“148. Der Aufbau von Beziehungen zur Kommunistischen Partei Italiens wurde Volpe somit verweigert, da nach Auffassung des State Department jedweder Kontakt zu einer Aufwertung des PCI führe. Auf der unteren Botschaftsebene und über die Konsulate wurden in Ausnahmefällen jedoch Gespräche mit PCI-Mitgliedern genehmigt149, so beispielsweise im Juni 1979 zwischen dem Leiter des US-Konsulats in Bologna und dem damaligen PCIKommunalpolitiker in Modena Luciano Guerzoni.150 Solche Gespräche hatte es auch in den Jahren zuvor gegeben, so zum Beispiel Anfang des Jahres 1970 zwischen einem rangniederen US-Diplomaten und dem PCI-Führungspolitiker Giuseppe Boffa.151 Diese Kontakte verfehlten aufgrund der vielen Restriktionen und Formalitäten allerdings das Ziel eines weitergehenden Informationsaustausches. Dennoch hatte es Volpe besser als sein Vorgänger verstanden, zusätzliche Informationen über den PCI zu gewinnen. Allerdings konnte der neue Botschafter diese Haltung nur kurze Zeit bewahren. Kissinger, der seit Ende September 1973 auch Außenminister im Kabinett Nixon war und somit nun auch de jure die beiden zentralen Ämter in der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik auf sich vereinigte, war weiterhin gegen einen zu engen Kontakt mit dem PCI. Die Informationsgewinnung sollte primär indirekt über die Auswertung der kommunistischen Presse und Publikationen sowie über Kontakte zu befreundeten Politikern der Democrazia Cristiana und Kleinparteien erfolgen. Auch wurde der Vatikan als indirekte Informationsquelle zur italienischen Situation und der Entwicklung des PCI genutzt. Mitarbeiter im Außenministerium berichteten, dass es keinen Zweck gehabt habe, Analysen zur Situation in Italien oder Frankreich an Kissinger zu senden, da er nicht bereit gewesen sei, seine Vorstellungen im Umgang mit dem Kommunismus in Westeuropa zu verändern. Kissinger habe abwei-
148 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy-State Department Telegrams, From SECSTATE-EXDIS, Box 8, Telegramm von Henry Kissinger an John Volpe, 28.06.1975, Washington D.C. 149 „Presently authorized contact with Italian Communists may be continued by designated Emboff [Embassy Officers, d. Verf.] and by Consular Officers but such contacts should not be expanded or raised.“ GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy-State Department Telegrams, From SECSTATE-EXDIS, Box 8, Telegramm von Henry Kissinger an John Volpe, 28.06.1975, Washington D.C. 150 FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0410, 1849, Nota sull’incontro con il console USA Johnston a Bologna von Luciano Guerzoni, 14.06.1979, Rom. 151 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 17-2 IT-US to POL 7 IV CST, POL IT-USSR, Box 2397, Telegramm von Graham Martin an Department of State, 05.03.1970, Rom.
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chende Meinungen zu seiner Strategie im Umgang mit dem Eurokommunismus demnach nur in einem äußerst geringen Rahmen geduldet. Da die italienische Situation von ihm primär in ihrer Auswirkung auf die Gleichgewichtspolitik gesehen wurde, kam auch den Berichten der US-Botschaft aus Rom eine geringere Bedeutung in der Entscheidungsfindung zu. In den Augen Kissingers war die Weiterführung der Détente nur möglich, wenn das eigene, westliche Lager geschlossen die Politik der USA unterstütze. Denn auf Seiten der Sowjetunion war aus Sicht Kissingers damit zu rechnen, dass die sowjetorientierten Diktaturen weiterhin der östlichen Supermacht folgen würden.152 Dies hatte zur Folge, dass „little or no attention was paid to the views of specialists, for decisions were made by generalists who held responsibility for the success of the Administration’s broader strategic goals“153. So kritisierte beispielsweise der US-Konsul in Mailand, Thomas Fina, dass seine ausführlichen Berichte zu keiner Zeit in die Entscheidungsfindung im Außenministerium einbezogen worden wären.154 Einig waren sich Außenminister Kissinger und Botschafter Volpe jedoch darin, dass die Akzeptanz der Kommunisten in der italienischen Gesellschaft rapide ansteige und nur noch der Vatikan, der Arbeitgeberverband Confindustria und der rechte DCFlügel sichere antikommunistische Bastionen im demokratischen Lager seien.155
6.1.2 „Voi italiani siete al centro delle preoccupazioni americane“156 – Die US-Regierung und der italienische Eurokommunismus im Vorfeld der Wahlen von 1976 Da nach den für die Kommunisten äußerst erfolgreich verlaufenden Regionalwahlen am 15. Juni 1975 ein Sieg des PCI in den Parlamentswahlen ein Jahr später in den Bereich des Möglichen rückte, wurden die antikommunistischen Maßnahmen intensiviert. Mittlerweile war Richard Nixon nach seinem Rücktritt im Zuge der Watergate-Affäre im August 1974 vom bisherigen Vizepräsidenten Gerald R. Ford im Weißen Haus ersetzt worden. Da Ford als unerfahrener Außen- und Sicher-
152 153 154 155
Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 28f. Ebenda, S. 29. Vgl. Ebenda, S. 83f (dort: Anmerkung 26). GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy-State Department Telegrams, From SECSTATE-EXDIS (1), Box 8, Telegramm von John Volpe an Henry Kissinger, 20.09.1974, Rom. 156 „Ihr Italiener seid im Zentrum der amerikanischen Sorgen.“ Eric Hobsbawm gegenüber dem PCI-Führungsmitglied und späteren italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano im Jahre 1975, in: Eric Hobsbawm/Giorgio Napolitano: Intervista sul Pci, Rom, Bari 1975, S. 85.
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heitspolitiker galt, war dieses Politikfeld nun fast ausschließlich in der Hand von dessen Außenminister und Sicherheitsberater Kissinger. Auch nach der Übernahme der Position des National Security Advisers durch General Brent Scowcroft im November 1975 blieb Außenminister Kissinger die bestimmende Kraft in der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik. Der italienische Staatspräsident Giovanni Leone wurde einen Monat nach Fords Amtsübernahme als erstes europäisches Staatsoberhaupt im September 1974 im Weißen Haus empfangen. Die USA hatten sich zuvor besonders über den prononcierten Antikommunismus des neuen italienischen Staatspräsidenten erfreut gezeigt.157 Das Treffen sollte vor allem der Stärkung der Beziehungen zwischen beiden Staaten dienen und eine deutliche Botschaft gegen ein weiteres Anwachsen der Kommunistischen Partei Italiens aussenden.158 Kissinger wies Präsident Ford vor dem Gespräch mit Leone auf drei Hauptprobleme Italiens hin: 1.) Die Schwäche der DC und des Koalitionspartners PSI, die wiederum von den Kommunisten genutzt werde, um sich „aggressive and confident“159 zu positionieren. 2.) Die finanzielle Situation Italiens, die das Land von ausländischer Hilfe abhängig mache, und die extrem hohe Inflationsrate von knapp 20 Prozent. 3.) Italiens neue sicherheitspolitische Wertigkeit im Mittelmeerraum im Zuge der diversen Krisen an der Südflanke der NATO (Griechenland, Portugal, Spanien, Zypern). Das italienische Staatsoberhaupt müsse daher unbedingt davon abgehalten werden, die Akzeptanz einer kommunistischen Regierungsbeteiligung in Erwägung zu ziehen.160 Selbst kleine Gesten wurden hierfür eingeplant. So sollte beispielsweise in jeder Rede, sogar bei jedem Trinkspruch, die Rolle Italiens für die NATO gewürdigt werden.161 Der Staatsbesuch von Staatspräsident Leone hatte durch die Schwächung der Mitte-Links-Koalition aus DC, PSI und PSDI unter Ministerpräsident Mariano Rumor eine starke politische Bedeutung erhalten. Besondere
157 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy-State Department Telegrams, From SECSTATE-EXDIS (1), Box 8, Telegramm von John Volpe an Henry Kissinger, 16.09.1974, Rom. 158 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 9/24/74-9/30/74, Box 28, „Meeting with President Leone“ von Henry Kissinger, September 1974, Washington D.C., S. 1. 159 Ebenda, S. 2. 160 Ebenda, S. 3. 161 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 9/24/74-9/30/74, Box 28, Suggested Themes for Dinner Toast – Leone Visit, 24.09.1974, Washington D.C.
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Sorge bereitete der US-Regierung, dass sich Teile des linken Flügels der Democrazia Cristiana um Ciriaco De Mita zunehmend für eine Gesprächsbereitschaft mit den Kommunisten einsetzten.162 Der National Security Council schätzte Ende 1974, dass knapp 30 Prozent der Mitglieder der DC zum linken Flügel gehörten.163 Die zunehmende Offenheit der beiden größten Koalitionsparteien DC und PSI gegenüber dem PCI führte beim Sicherheitsrat zur alarmierenden Feststellung: „The Social Democrats are the most ardent anti-Communists in the coalition.“164 Auch auf das Regierungshandeln konnte der PCI erstmals seit Ende der 1940er Jahre wieder Einfluss ausüben. Das Austeritätsprogramm der Regierung wurde im September 1974 von der kommunistischen Opposition verändert, da ihre entsprechende Initiative genug Stimmen aus den Regierungsfraktionen, vor allem von sozialistischen Abgeordneten, erhalten hatte. Auf diese Weise wurden unter anderem Steuererleichterungen für Personen aus niedrigen Einkommensschichten in das Gesetz mit aufgenommen.165 Wenige Wochen später trat die Regierung zurück. Ausgelöst worden war die Krise durch Vorwürfe des PSDIVorsitzenden und Finanzministers Mario Tanassi, der dem sozialistischen Koalitionspartner vorgeworfen hatte, gegen die Regierung zu arbeiten und die Kommunisten in die Regierung holen zu wollen.166 Erst am 23. November konnte unter Aldo Moro eine neue Regierung von Christdemokraten und linksliberalen Republikanern gebildet werden, die jedoch auf die Duldung der Sozialisten und Sozialdemokraten im Parlament angewiesen war. National Security Adviser Scowcroft warnte Präsident Ford wenige Tage nach der Vereidigung der neuen italienischen Regierung: „Recent limited electoral samplings indicate a significant
162 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Country File Ireland-Italy, Box 5, The Italian Political and Economic Situation on the Eve of President Leone’s Visit to the US, 17.09.1974, Washington D.C., S. 3. 163 Ebenda, S. 2. 164 Ebenda, S. 5. 165 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (1), Box 8, Memorandum von A. Denis Clift an Henry Kissinger, 10.09.1974, S. 1. 166 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (1), Box 8, Briefing Memorandum von Arthur A. Hartman an Henry Kissinger, 03.10.1974, S. 1.
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shift to the Socialists and Communists which appears to be the most pronounced of the past 20 years.“167 Nach der Amtsübernahme durch Ford wurden auf Drängen von Außenminister Kissinger die verdeckten Zahlungen an nicht-kommunistische Parteien wieder aufgenommen, wobei die DC erneut zur Hauptbegünstigten wurde.168 Der PikeReport offenbarte, dass es auch von italoamerikanischer Seite Druck auf den Präsidenten gegeben hatte: „It is known that during this period the President was indirectly approached by prominent international businessmen, who were former nationals of the allied country.“169 Insgesamt wurden sechs Millionen US-Dollar für entsprechende Maßnahmen in Italien bereitgestellt.170 Die Mittel wurden jedoch nicht direkt an die Parteiorganisation, sondern an führende, von der USRegierung als zuverlässig eingestufte Politiker gezahlt.171 Auf dem Höhepunkt der Panik vor einer kommunistischen Regierungsbeteiligung kurz vor der italienischen Parlamentswahl im Juni 1976 erwogen Kissinger und Volpe sogar, die Zahlungen an den Neofaschisten Miceli wieder aufzunehmen.172 Vielmehr als die finanziellen Unterstützungen bildete für Kissinger jedoch „a major personal campaign against the Communists“173 den Schwerpunkt der US-amerikanischen Maßnahmen in Italien. Bereits die Niederlage der Christdemokraten im Referendum über die Aufhebung des Gesetzes zur Ehescheidung am 12. Mai 1974174 und die italienischen
167 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (1), Box 8, Memorandum von Brent Scowcroft an Gerald Ford, 29.11.1974, S. 2. 168 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 30. 169 United States of America, Congress, House of Representatives, Select Committee on Intelligence (Hrsg.): Pike Report, S. 194. 170 Vgl. Ebenda, S. 16. 171 Vgl. Bogdan Denitch: The Communists Dilemma. Cooperation or Opposition, in: Challenge - The Magazine of Economic Affairs, Vol. 22, Nr. 1/1979, S. 21. 172 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 31. 173 Ebenda, S. 32. 174 Die US-Regierung hatte bereits frühzeitig vor einem Referendum über die Aufhebung des Rechts auf Ehescheidung gewarnt. In einer Studie des State Departments hatte sich zum Jahreswechsel 1970/71 gezeigt, dass sich lediglich Neofaschisten, Monarchisten und der Vatikan auf die Seite der Christdemokraten stellen würden und somit eine Polarisierung entstehen würde, die der DC schaden könnte. NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 1970-1973, Political & Defense, From POL 171 ISR-US to POL 6 IT, POL 1 IT 1/20/70, Box 2391, Intelligence Note „Italy: ‚Till the courts do you part‘ … maybe“, Bureau of Intelligence and Research, State Department, 03.12.1970, Washington D.C.
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Regionalwahlen am 15. Juni 1975 hatten angedeutet, was bei den kommenden Parlamentswahlen geschehen könnte.175 Der DC-Parteivorsitzende Amintore Fanfani hatte sich auf Druck des Vatikans und gegen den Rat zahlreicher Berater für eine harte Position im Ehescheidungsreferendum entschieden. Fanfani verknüpfte in der DC-Kampagne die Entscheidung für die Ehescheidung mit der Entscheidung für den Kommunismus, da der PCI frühzeitig zusammen mit den Sozialisten, Sozialdemokraten, Republikanern, Radikalen176 und Liberalen für dieses Recht eingetreten war.177 Die knapp über 59 Prozent Befürworter der Ehescheidung verursachten daher einen massiven psychologischen Schaden für die Christdemokraten, da die deutliche Mehrheit der Wahlbevölkerung nicht vor der Wahl einer als kommunistisch diffamierten Option zurückgeschreckt war.178 Das Schreckgespenst Kommunismus, welches die DC jahrzehntelang im Kalten Krieg erfolgreich gegen den PCI nutzen konnte, zeigte in den Zeiten der Détente nicht mehr ausreichend Wirkung. Neben dieser psychologischen Niederlage war die DC erstmals bei einer landesweiten Wahl parteipolitisch isoliert worden. Sämtliche potenziellen Koalitionspartner der Christdemokraten hatten sich in der Ehescheidungsfrage mit den Kommunisten verbündet. Lediglich die Neofaschisten des MSI unterstützten die Kampagne gegen das Recht auf Ehescheidung. In den Regionalwahlen vom 15. Juni 1975 hatte der PCI sein landesweites Ergebnis von 29,0 Prozent der Wählerstimmen im Jahre 1970 auf 33,4 Prozent verbessert und in sieben Regionen die Mehrheit erlangt.179 Neben den traditionellen kommunistischen Hochburgen Emilia-Romagna und Toskana konnte sich der PCI auch in Latium, Ligurien, Marken, Umbrien und im Piemont als stärkste
175 Zusätzlich verlor die DC deutlich bei den in der autonomen Region Sardinien separat stattfindenden Regionalwahlen am 16. Juni 1974. Die Christdemokraten büßten dort 6,3 Prozentpunkte ein, während die Kommunisten 7,0 Prozentpunkte hinzugewannen. 176 „Radikale“ bezieht sich hierbei auf die Anhänger des Partito Radicale unter Führung von Marco Pannella. Die Partei rekurrierte in ihrem Namen auf den liberalen Radikalismus. In der praktischen Politik zeichnete sich die Partei durch eine linksliberale Linie und einen dezidierten Antiklerikalismus aus. 177 Zum Verlauf der Debatte über die Ehescheidung in Italien siehe ausführlich: Mark Seymour: Debating Divorce in Italy. Marriage and the Making of Modern Italians, 1860– 1974, New York 2006, S. 213–222. 178 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Country File Ireland-Italy, Box 5, The Italian Political and Economic Situation on the Eve of President Leone’s Visit to the US, 17.09.1974, Washington D.C., S. 2. 179 Zu den Regionalwahlen 1975 siehe: Donald Sassoon: The Strategy of the Italian Communist Party. From the Resistance to the Historic Compromise, New York 1981, S. 225ff.
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Kraft durchsetzen. Die DC hingegen hatte mehr als drei Prozentpunkte verloren und erreichte nur noch 38,5 Prozent, obwohl US-Präsident Ford die italienischen Christdemokraten mit seinem Staatsbesuch vor den Regionalwahlen am 2. Juni 1975 demonstrativ hatte stärken wollen.180 Zusätzliches Erschrecken löste die Sozialstruktur der PCI-Wähler aus. Einer Studie der italienischen Politikwissenschaftler Giovanni Sartori und Alberto Marradi zufolge votierten 52,0 Prozent der 16- bis 17-Jährigen, 47,5 Prozent der 18- bis 19-Jährigen, 43,5 Prozent der 20- bis 24-Jährigen und 41,1 Prozent der 25- bis 34-Jährigen für den Partito Comunista Italiano. Erst bei den Wählern ab 35 Jahren fiel der PCI hinter die DC zurück und nur bei den Wählern ab dem 65. Lebensjahr erreichten die Kommunisten weniger als 20 Prozent Zustimmung.181 Acht Tage nach den Regionalwahlen gab Generalsekretär Berlinguer ein vielbeachtetes Interview im Time Magazine, in welchem er betonte: „Die grundsätzliche Bedeutung des Votums ist die Niederlage des Antikommunismus.“182 Bis dato hatte sich die Ford-Administration kaum öffentlich zum Thema „Eurokommunismus“ geäußert. Die italienischen Kommunisten sollten nicht unnötig durch öffentliche Warnungen der US-Regierung aufgewertet werden. Der massive Erfolg des PCI im Juni 1975 machte Kissinger jedoch deutlich, dass diese Strategie nicht länger beibehalten werden konnte. Ab sofort wurde eine aktive und öffentliche Oppositionspolitik gegenüber dem Eurokommunismus im Allgemeinen und seiner italienischen Variante im Speziellen betrieben. Die US-Botschaft in Rom schlug nach den Regionalwahlen mehrere Handlungsoptionen für die Italienpolitik der US-Regierung vor: ‐ Weiterhin Zurückhaltung in der Öffentlichkeit üben. ‐ Die Formation einer neuen Sammlungspartei der Mitte fördern, die insbesondere die Mitglieder der Sozialdemokraten, Liberalen und Republikaner umfassen könnte. ‐ Die Akzeptanz und Unterstützung des compromesso storico. ‐ Die Christdemokraten in einer Politik der Polarisierung unterstützen, um den Wähler zu einer Wahl zwischen Pro- und Antikommunisten zu zwingen. ‐ Die Regierungsparteien DC und PSI in Richtung einer Erneuerung drängen und deren Image in der italienischen Öffentlichkeit verbessern.
180 Vgl. König: Der rote Marsch, S. 274. 181 Vgl. Kogan: The Italian Communist Party, S. 82 (Original: Giacomo Sani: Mass Support for Italian Communism. Trends and Prospects. Paper presented at the Conference on „Italy and Eurocommunism. Western Europe at the Crossroads“, June 7–9, 1977, S. 21. 182 Interview mit Enrico Berlinguer im Time Magazine vom 23. Juli 1975, in: Pietro Valenza (Hrsg.): Der Historische Kompromiß, Berlin (West) 1976, S. 178.
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‐ Die Unterstützung eines rechtsgerichteten Militärputsches.183 US-Botschafter Volpe sprach sich vorerst dafür aus, die Christdemokraten weiterhin vorbehaltlos zu unterstützen, sie dabei vorsichtig zu einer Erneuerung der Partei zu bewegen, die vor allem die Verjüngung der Parteispitze umfassen sollte, und dabei keinerlei Konzessionen gegenüber den Kommunisten zu machen. Zur Umsetzung dieser Strategie regte Volpe in einem Brief an den Assistant Secretary of State for European Affairs im State Department Arthur A. Hartman Folgendes an: ‐ Kontakte auf höchster Ebene, vor allem Staatsbesuche des US-Präsidenten, des Vizepräsidenten, des Secretary of State sowie weiterer Minister und bekannter Kongressabgeordneter, bei der christdemokratisch geführten italienischen Regierung und entsprechende Gegenbesuche in den USA sollten intensiviert werden. ‐ Eine verstärkte Wirtschafts- und Finanzhilfe für die DC-geführte Regierung durch die USA, den IWF und die OECD. Auch technische Hilfe sollte in einigen Bereichen (zum Beispiel Nuklearenergie) geleistet werden. ‐ Intensivierung der Kontakte zur Democrazia Cristiana. Das im März 1975 gestartete Programm der US-Botschaft zur Unterstützung junger und führungsstarker DC-Politiker sollte fortgesetzt und intensiviert werden. Die größten Problemfälle der alten DC-Generation sollten zu einem Rückzug bewegt werden, während die jüngere Generation von DC-Politikern gefördert werden sollte. Volpe hob namentlich Francesco Cossiga, Antonio Bisaglia, Filippo Pandolfi und Giuseppe Zamberletti hervor. Vor allem dezidiert antikommunistische und reformorientierte Führungspersönlichkeiten der DC sollten in die USA eingeladen und dort von Regierungsmitgliedern empfangen werden. ‐ Der DC-Führung sollte klargemacht werden, dass die Korruption dringend abnehmen und die Effizienz von Regierung und Partei wieder steigen müsse. ‐ Die DC-Führung sollte bestärkt werden, vermehrt Technokraten in die Parteispitze und die Regierung zu berufen, so beispielsweise Giovanni Agnelli.184 Diesen Vorschlägen schlossen sich Kissinger und Ford weitestgehend an. Nach außen machte sich insbesondere die neue offensive Haltung der US-Regierung
183 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Italy-State Department Telegrams to SECSTAT-NODIS (3), Box 9, Telegramm von John Volpe an Arthur A. Hartman, 22.08.1975, Rom, S. 1f. 184 Ebenda, S. 2ff.
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gegen ein weiteres Anwachsen des PCI bemerkbar. In der August-Ausgabe des italienischen Nachrichtenmagazins Epoca sprach sich Botschafter Volpe deutlich gegen die Beteiligung des PCI an einer italienischen Regierung aus.185 Das Interview wurde umgehend als Reaktion der US-Regierung auf die Diskussionen bezüglich einer potenziellen kommunistischen Regierungsbeteiligung nach den Regionalwahlen verstanden. Auch wurde der Austausch zwischen führenden antikommunistischen Politikern, Unternehmern und Vertretern der Zivilgesellschaft beider Staaten intensiviert. Vizepräsident Nelson A. Rockefeller war bereits am 2. Mai 1975, knapp sechs Wochen vor den Regionalwahlen, mit dem äußerst einflussreichen Präsidenten des italienischen Arbeitgeberverbandes Confindustria und FIAT-Vorsitzenden Giovanni Agnelli zusammengetroffen. Rockefeller sollte Agnelli darauf aufmerksam machen, dass ein Wahlerfolg der Kommunisten zu einer negativen Reaktion in der US-Öffentlichkeit führen werde. Die italienischen Arbeitgeber sollten sich daher im Wahlkampf klar gegen den PCI positionieren.186 Vier Monate später reisten im Abstand weniger Wochen Mauro Leone, als Sohn des Staatspräsidenten in der Funktion eines persönlichen Sonderbeauftragten des Staatsoberhaupts187, und der italienische Außenminister und ehemalige Ministerpräsident Mariano Rumor nach Washington D.C. Leone traf Anfang September 1975 mit Vizepräsident Rockefeller und Sicherheitsberater Scowcroft zusammen. Alle waren sich einig, dass der Kampf gegen ein Anwachsen des Kommunismus in Italien nun offensiver betrieben werden müsse. Scowcroft ging davon aus, dass der PCI trotz seines Erfolges in nächster Zeit keine Regierungsbeteiligung fordern würde, was sich nur knapp zwei Jahre später als Fehlannahme herausstellen soll-
185 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (4), Box 8, Memorandum von Brent Scowcroft an Gerald Ford, November 1975, S. 2. 186 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/75-7/31/75, Box 28, „Your Meeting with Giovanni Agnelli“ von Henry Kissinger, 22.05.1975, Washington D.C., S. 4. 187 Der zum Zeitpunkt der Reise 27 Jahre alte Mauro Leone wurde von seinem Vater als inoffizieller Emissär eingesetzt, um die antikommunistische Unterstützung der USA zu intensivieren. Leones Besuch war nicht einmal Roberto Gaja, dem italienischen Botschafter in den Vereinigten Staaten, mitgeteilt worden. GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/75-3/31/76, Box 28, Memorandum von Robert Gates an Brent Scowcroft, 22.08.1975, Washington D.C.
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te.188 Er lobte zwar die Austeritätspolitik der christdemokratisch geführten Regierung, warnte aber vor einer weiterhin äußerst angespannten wirtschafts- und finanzpolitischen Situation Italiens, die in die Hände der Kommunisten spielen würde. Mit einer weiter ansteigenden Arbeitslosigkeit, einer Inflationsrate von knapp 20 Prozent und einem Handelsdefizit von 7,6 Milliarden US-Dollar könne die DC langfristig keine Mehrheiten erreichen.189 Knapp drei Wochen später machte US-Präsident Ford dem italienischen Außenminister Rumor die Haltung der Vereinigten Staaten nach dem kommunistischen Erfolg in den Regionalwahlen vom 15. Juni unmissverständlich deutlich: „We are unalterably opposed to Communist participation in the government of Italy, a member of an alliance conceived to resist Communist expansion.“190 Besondere Brisanz erhielt die Reise von Rumor durch eine kurz zuvor gehaltene Rede von Ministerpräsident Moro, in welcher er erstmals öffentlich seine Bereitschaft äußerte, mit führenden Politikern des PCI einen Meinungsaustausch über politische und wirtschaftliche Fragen zu initiieren.191 In der US-amerikanischen Regierung gab es massive Vorbehalte gegenüber Moros Kommunikationsbereitschaft mit den Kommunisten.192 Kissinger forderte daher in Einklang mit Rumor eine „strategy of attention“ der USRegierung gegenüber Italien.193 Die Gefahr einer kommunistischen Regierungsbeteiligung dürfe nicht mehr ignoriert werden. Ford, Kissinger und Scowcroft legten größten Wert auf eine Erneuerung der DC.194 Die US-Regierung versuchte sich nun vollends auf die Christdemokraten zu konzentrieren und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eine Aufwertung der kleinen Parteien der rechten und linken
188 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/75-3/31/76, Box 28, „Vice President’s Meeting with Mauro Leone“ von Brent Scowcroft, 03.09.1975, Washington D.C., S. 2. 189 Ebenda. 190 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/75-3/31/76, Box 28, „Meeting with Foreign Minister Rumor of Italy“ von Henry Kissinger, 23.09.1975, Washington D.C., S. 5. 191 Ebenda, S. 3. 192 Vgl. Mario Del Pero: L’Italia e gli Stati Uniti. Un legame rinnovato?, in: Federico Romero/Antonio Varsori (Hrsg.): Nazione, interdipendenza, integrazione. Le relazioni internazionali dell’Italia (1917–1989), Band 1, Rom 2005, S. 305–312. 193 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/75-3/31/76, Box 28, „Meeting with Foreign Minister Rumor of Italy” von Henry Kissinger, 23.09.1975, Washington D.C., S. 2. 194 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (3), Box 8, Memorandum von Henry Kissinger an Gerald Ford, 18.09.1975.
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Mitte zu vermeiden, um die Zersplitterung des Parteiensystems nicht noch weiter zu befördern. So wurde beispielsweise die vom Vizepräsidenten der italienischen Sozialdemokraten Pietro Longo im Herbst 1975 geäußerte Bitte um eine Einladung ins Weiße Haus abgelehnt.195 Ebenso ging die US-Regierung mit ihrer konfrontativen Strategie gegenüber dem Eurokommunismus nun an die Öffentlichkeit. So wurden den Parlamentsabgeordneten und eurokommunistischen Protagonisten im PCI Sergio Segre und Giorgio Napolitano öffentlichkeitswirksam Visa für die Einreise in die USA verweigert. Letzterer kritisierte, dass die Angst vor einem Fall Südeuropas in die Hände der Eurokommunisten in den USA geradezu psychotische Züge annehme.196 Fast zeitgleich bekundete Generalsekretär Berlinguer Interesse, sein politisches Programm vor Ort in den Vereinigten Staaten zu erläutern.197 Zwar waren in der Amtszeit Nixons vereinzelt italienische Kommunisten in die USA gereist. Diese waren jedoch in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder Senatoren als Teil einer Parlamentariergruppe gekommen. So waren mit Donato Scutari und Luigi Marras Ende September 1971 zwei Politiker des PCI als Teil der sechsköpfigen Delegation des Ausschusses für Landwirtschaft und Forsten des Abgeordnetenhauses nach Washington D.C. gereist.198 In einigen Fällen war es schon vorher zu aufsehenerregenden Aberkennungen der bereits erteilten Visa gekommen. So wurde die 1974 an den international renommierten Architekten und Stadtplaner Italo Insolera vergebene Einreiseerlaubnis zurückgezogen, nachdem bekannt geworden war, dass er kommunistisch regierte Kommunen stadtplanerisch beraten hatte und dem PCI nahestand.199 Im Falle von Segre und Napolitano stellte sich die Situation jedoch anders dar. Beide waren explizit als Führungspersönlichkeiten
195 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/75-3/31/76, Box 28, Memorandum von Donald Lowitz an Donald Rumsfeld, 31.10.1975, Washington D.C. 196 Hobsbawm/Napolitano: Intervista sul Pci, S. 86 197 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Italy-State Department Telegrams to SECSTAT-NODIS (3), Box 9, Telegramm von John Volpe an Henry Kissinger, 19.08.1975, Rom, S. 1. 198 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL 7 IT to POL 7 IT, POL 7 IT 1/1/70, Box 2392, Brief der italienischen Botschaft Washington D.C. an das State Department, 17.09.1971, Washington D.C. 199 Vgl. „U.S. Visa Policy Puzzles Communists“ von Sari Gilbert, in: The Washington Post, 05.08.1976.
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des Partito Comunista Italiano in die USA eingeladen worden.200 Während Napolitano von vier amerikanischen Professoren gebeten worden war, an der Harvard University einen Vortrag über den Eurokommunismus zu halten, sollte Segre an einer Konferenz des Council on Foreign Relations in Arden House in der Nähe New Yorks über die italienisch-amerikanischen Beziehungen teilnehmen. Vor allem Segres Einladung zur Konferenz hatte zuvor ein Presseecho ausgelöst. Segre war als führender Außenpolitiker der italienischen Kommunisten vom Programmdirektor des Council on Foreign Relations Zygmunt Nagorski während dessen Aufenthalts als Visiting Scholar der Rockefeller Foundation in der Villa Serbelloni in Bellagio am Comer See angefragt worden.201 Nagorski argumentierte anschließend in einem Artikel in der New York Times für einen Dialog mit den italienischen Eurokommunisten, blieb damit in den USA jedoch in der deutlichen Minderheit.202 Die meisten Kommentatoren sprachen sich weiterhin gegen Visaerleichterungen für westeuropäische Kommunisten aus.203 Nichtsdestotrotz hatte die Presse Nagorskis Vorstoß mehrheitlich als Testballon für eine Strategieänderung der Ford-Administration verstanden. Durch die Nähe Nagorskis zu einflussreichen Politikern im Council on Foreign Relations, so auch zu Außenminister Kissinger, war man fälschlicherweise von einer geplanten Aktion der USRegierung ausgegangen. Umso deutlicher wollte das State Department nun Position beziehen und verweigerte die Visa mit Verweis auf den aus der McCarthyZeit stammenden McCarran Internal Security Act von 1950 in Kombination mit dem Immigration and Nationality Act (auch McCarran–Walter Act genannt) von 1952. Nagorski musste auf Druck Kissingers zusätzlich seine Tätigkeit beim Council on Foreign Relations beenden. Botschafter Volpe wies Außenminister Kissinger darauf hin, dass den USA zwar kein direkter Schaden drohe, wenn sie PCI-Mitglieder einreisen lassen würden. Er ging allerdings davon aus, dass der PCI eine Änderung der Visabestimmungen innenpolitisch als US-amerikanische Ak-
200 GFPL, White House Central Files, Subject File, International Organizations, IT 35 International Monetary Fund to IT 50 North Atlantic Treaty Organization 6/30/75 (executive), IT 44 Interparliamentary Union, Box 4, Memorandum von A. Denis Clift an Brent Scowcroft, 30.10.1975, Washington D.C. 201 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 14. 202 „For a positive policy towards Italian reds“, von Zygmunt Nagorski, in: The New York Times, 25.07.1975. 203 Vgl. Richard Holbrooke: Washington Dateline. A little Visa Problem, in: Foreign Policy, Nr. 21, Winter 1975/1976, S. 241–247.
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zeptanz der italienischen Kommunisten zu seinen Gunsten instrumentalisieren würde.204 Die Verweigerung erhielt durch die fast zeitgleiche Erteilung eines Visums an Giorgio Almirante, den Vorsitzenden des neofaschistischen MSI, zusätzliche Brisanz.205 Dieser wurde in Washington gar von Abgeordneten des Kongresses, dem rechtskonservativen republikanischen Senator von South Carolina Strom Thurmond und Mitarbeitern des National Security Councils empfangen.206 Auch in der SPD-Parteizentrale registrierte man diese öffentliche Brüskierung der italienischen Kommunisten.207 Botschafter Volpe erfuhr erst durch eine Pressemitteilung des MSI von dem Empfang Almirantes durch Mitarbeiter des NSC und zeigte sich entsetzt. Er hatte vor solch einer Aktion gewarnt, weil sie von der linken Presse in Italien instrumentalisiert werden würde und somit gegen die Interessen der USA gerichtet sei.208 Auch in den Jahren zuvor waren immer wieder neofaschistische Politiker auf Einladung in die USA gereist. Am 7. Dezember 1970 war beispielsweise der Neofaschist Luigi Turchi für einen Informationsaustausch mit dem Country Officer für Italien Charles K. Johnson ins State Department nach Washington D.C. gekommen.209 Turchi warnte davor, dass DC und PSI bald die Sozialdemokraten und Republikaner fallen lassen würden, um sich vom PCI dulden zu lassen. Nach den nächsten Wahlen würden die Kommunisten Regierungspartei sein, wenn es zu keiner Änderung in der Haltung der US-Regierung komme. Denn außer dem MSI gäbe es keine antikommunistische Partei mehr in Ita-
204 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Italy-State Department Telegrams to SECSTAT-NODIS (3), Box 9, Telegramm von John Volpe an Henry Kissinger, 19.08.1975, Rom, S. 2. 205 Giorgio Almirante war überzeugter Anhänger Mussolinis gewesen und in der faschistischen Republik von Salò als Kultusminister direkt in die Diktatur eingebunden. Zu Almirante siehe ausführlich: Vincenzo La Russa: Giorgio Almirante. Da Mussolini a Fini, Mailand 2009. 206 Vgl. König: Der rote Marsch, S. 276. 207 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Notiz für Willy Brandt von Klaus Harpprecht, 21.10.1975, S. 2. 208 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Italy-State Department Telegrams to SECSTAT-NODIS (3), Box 9, Telegramm von John Volpe an Henry Kissinger, 30.09.1975, Rom, S. 1. 209 NAII, RG 59 General Records of the Department of State, Subject Numeric Files 19701973, Political & Defense, From POL IT-R to POL 17-1 IT-US, POL IT-US 2/4/70, Box 2396, Memorandum of Conversation von Charles K. Johnson, 07.12.1970, Washington D.C.
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lien. Turchi plädierte daher für eine stärke Unterstützung der neofaschistischen Partei und engeren Kontakten zur US-Botschaft in Rom.210 Nicht verhindern konnte die Ford-Administration die Einreise der PCIPolitiker Sergio Segre und Franco Calamandrei im Rahmen einer Delegation der italienischen Sektion der Interparlamentarischen Union (IPU) im November 1975, da beide in ihrer Funktion als Mitglieder des Abgeordnetenhauses (Segre) bzw. Senats (Calamandrei) von der US-amerikanischen Sektion der IPU eingeladen worden waren. Neben den beiden Kommunisten nahmen drei Christdemokraten, ein Sozialist, ein Liberaler, ein Republikaner, ein MSI-Abgeordneter und ein Sozialdemokrat an der Reise teil. Um die Missbilligung der Einreise zweier italienischer Kommunisten auszudrücken, wurde der geplante Empfang der italienischen IPU-Delegation durch den Vizepräsidenten von der US-Regierung kurzfristig abgesagt.211 Im Zuge der Visa-Affäre verschärfte die Ford-Regierung ihren Ton gegenüber den italienischen Kommunisten. Wegen des Aufschwungs des PCI wurde USBotschafter Volpe zu Konsultationen mit Präsident Ford und Außenminister Kissinger nach Washington beordert. Kurzzeitig hatten Ford und sein Stabschef im Weißen Haus, der spätere Vizepräsident Richard („Dick“) Cheney, von Volpe verlangt, seinen Botschafterposten aufzugeben und ins Wahlkampfteam des Präsidenten zu wechseln.212 Vor dem Hintergrund der medialen Massenwirkung des Themas „Eurokommunismus“ wollten sie einen Italienexperten im Stab haben. Sicherheitsberater Scowcroft konnte den Präsidenten jedoch davon überzeugen, dass Volpe vor Ort in Italien gebraucht werde und dort für die Ford-Administration von größerem Nutzen sei.213 Nach den Konsultationen mit Volpe in Washington D.C. gab Kissinger Anfang November 1975 vor dem einflussreichen International Relations Committee des Repräsentantenhauses einen Bericht über die Lage in Italien. Der Außenminister betonte im Hinblick auf die Verhinderung einer kommunistischen Regierungsbeteiligung: „[...] we’re giving Italy as much
210 Ebenda, S. 2. 211 GFPL, White House Central Files, Subject File, International Organizations, IT 35 International Monetary Fund to IT 50 North Atlantic Treaty Organization 6/30/75 (executive), IT 44 Interparliamentary Union, Box 4, Memorandum von Jeanne W. Davis an Jon Howe, 31.10.1975, Washington D.C. 212 GFPL, Richard Cheney Files, Campaign Subject File: Primary Campaign Local Media Interview Rehearsals 4/14/76, Volpe, John, Box 19, Memorandum von Brent Scowcroft an Gerald Ford, 21.09.1976, Washington D.C. 213 GFPL, Richard Cheney Files, Campaign Subject File: Primary Campaign Local Media Interview Rehearsals 4/14/76, Volpe, John, Box 19, Handschriftliche Aufzeichnungen von Brent Scowcroft, ohne Datum [1976], Washington D.C.
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advice and as much encouragement as we can.“214 Knapp vier Wochen später empfingen Außenminister Kissinger und dessen enger Berater Helmut Sonnenfeldt215 die US-amerikanischen Botschafter in Europa in London. Knapp sechs Monate vor den italienischen Parlamentswahlen war es für den Außenminister wichtig, die US-Diplomaten auf einen strikten Kurs gegen den Eurokommunismus einzuschwören.216 Kissinger erklärte gegenüber den Diplomaten, dass eine Unterstützung reformkommunistischer Kräfte definitiv keine Option für die US-Regierung darstelle. Sonnenfeldt ergänzte Kissingers Ausführungen um eine strategische Komponente, die später als „Sonnenfeldt-Doktrin“ bekannt wurde.217 Der enge Berater Kissingers betonte, dass das Interesse der Vereinigten Staaten an einer Veränderung in Osteuropa langfristig und nicht kurzfristig angelegt sei. Er wies darauf hin, dass der Eurokommunismus „innenpolitische Explosionen“218 in Osteuropa auslösen könne, die nicht im Interesse der USA lägen. Die Unterstützung des Eurokommunismus durch die Regierung der Vereinigten Staaten sei somit im doppelten Sinne kontraproduktiv. Zum einen verhelfe man Kommunisten in den Staaten Westeuropas zu Ansehen, zum anderen gefährde man durch die Verbreitung der eurokommunistischen Ideen bis nach Osteuropa die US-amerikanischen Entspannungsbemühungen mit der Sowjetunion. Auch in der NATO ging man davon aus, dass die Sowjetunion kein Interesse an selbständigen KPs in Westeuropa hatte, die den sowjetischen Hegemonialanspruch in Osteuropa angreifen und darüber hinaus das Ost-West-Gleichgewicht stören würden. Im entsprechenden
214 Henry Kissinger zitiert in: „Communist gains in Italy upset U.S.“, in: The New York Times, 09.11.1975, S. 15. 215 Helmut Sonnenfeldt (1926–2012). Der gebürtige Berliner entstammte einem jüdischen Elternhaus und wurde aus Schutz vor nationalsozialistischer Verfolgung von seinen Eltern 1938 auf eine englische Schule geschickt. 1944 emigrierte er in die USA, wo er mit seiner Familie, die vor den Nationalsozialisten geflüchtet war, wieder zusammentraf. Als Soldat der US-Army diente er unter anderem in der US-Militärverwaltung im Nachkriegsdeutschland. Nach seinem Studium begann er für das State Department zu arbeiten. Kissinger ernannte ihn nach Nixons Wahlsieg zum Mitglied des NSC. Bis zum Ende der Amtszeit von Präsident Ford war er als ranghoher Berater für Sowjet- und Osteuropafragen im Außenministerium tätig. Seine Beraterfunktion für den Außenminister brachte ihm den Spitznamen „Kissinger’s Kissinger“ ein. Vgl. Daniel Möckli: European Foreign Policy during the Cold War. Heath, Brandt, Pompidou and the Dream of Political Unity, London 2009, S. 179. 216 Vgl. die Ausführungen Helmut Sonnenfeldts in: Sherwood: American Foreign Policy, S. 16f. 217 Vgl. Thomas Alan Schwartz: Sonnenfeldt Doctrine, in: Ruud van Dijk (Hrsg.): Encyclopedia of the Cold War, Band 1, New York 2008, S. 813f. 218 König: Der rote Marsch, S. 278.
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Bericht des Political Committee der NATO hieß es 1976 dazu: „Pour leur part, les Soviétiques souhaitent la présence en Europe occidentale de partis communistes disciplinés qui soient suffisamment forts pour affaiblir la société occidentale, mais pas assez importants pour renverser l’équilibre Est-Ouest ou pour affirmer leur indépendance vis-à-vis de Moscou.“219 Im April 1976, wenige Wochen vor den italienischen Parlamentswahlen, wurden die Reden Kissingers und Sonnenfeldts vom State Department der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sonnenfeldts Äußerungen führten bei osteuropäischen Dissidentengruppen und deren Exilverbänden umgehend zu Protest. Vereinigungen wie das Coordinating Committee of Hungarian Organizations in North America, die Ukrainian National Association und der Polish American Congress wandten sich mit der Forderung nach Ablösung Sonnenfeldts an den Präsidenten.220 Auch die jugoslawische Regierung sah in der Sonnenfeldt-Doktrin eine Gefahr für ihre unabhängige Position in Südosteuropa.221 In den USA erregte die Sonnenfeldt-Doktrin ebenfalls Kritik, so beispielsweise von Roman Lee Hruska, Senator von Nebraska, und James L. Buckley, Senator von New York.222 Buckley
219 NA, Political Affairs 1971–1975, CM(76)53, Conférence des Partis Communistes Européens, Rapport du Comité politique von E.F. Jung, 20.08.1976, Brüssel, S. 9. 220 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 1-4 Communist Bloc 8/9/74 (Exec) to CO 1-7 Near East 4/30/76 (Exec), CO 1-4 Communist Bloc 4/1/761/20/77, Box 5, Brief von Istvan B. Gereban an Gerald Ford, 23.03.1976, Washington D.C.; GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 1-4 Communist Bloc 8/9/74 (Exec) to CO 1-7 Near East 4/30/76 (Exec), CO 1-4 Communist Bloc 4/1/76-1/20/77, Box 5, Brief von Joseph Lesawyer an Gerald Ford, 26.03.1976, Jersey City; GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 1-4 Communist Bloc 8/9/74 (Exec) to CO 1-7 Near East 4/30/76 (Exec), CO 1-4 Communist Bloc 4/1/761/20/77, Box 5, Brief von Aloysius A. Mazewski an Gerald Ford, 24.03.1976, Chicago. Für eine Zusammenfassung der Proteste osteuropäischer Gruppen siehe: GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 1-4 Communist Bloc 8/9/74 (Exec) to CO 1-7 Near East 4/30/76 (Exec), CO 1-4 Communist Bloc 8/9/74-3/31/76, Box 5, Memorandum von Myron B. Kuropas and Brent Scowcroft, 26.03.1976. 221 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 1-4 Communist Bloc 8/9/74 (Exec) to CO 1-7 Near East 4/30/76 (Exec), CO 1-5 Europe 6/1/76-1/20/77, Box 5, Memorandum von Brent Scowcroft an Gerald Ford, Washington D.C., Januar 1977, S. 3. 222 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 1-4 Communist Bloc 8/9/74 (Exec) to CO 1-7 Near East 4/30/76 (Exec), CO 1-4 Communist Bloc 4/1/761/20/77, Box 5, Brief von Roman L. Hruska an Gerald Ford, 30.03.1976, Washington D.C.; GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 1-4 Communist Bloc 8/9/74 (Exec) to CO 1-7 Near East 4/30/76 (Exec), CO 1-4 Communist Bloc
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monierte insbesondere die Allmacht Kissingers und seiner Berater in Fragen der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik: „Under the circumstances, I must reluctantly conclude that the President cannot claim to be fully in charge of foreign policy so long as he retains Henry Kissinger as his Secretary of State.“223 Auch NSC-Mitarbeiter Arthur Denis Clift wies auf das hohe Maß an Beschwerdebriefen zu diesem Thema hin.224 Darüber hinaus kam es zu Protesten in den Medien. Vor allem in der New York Times-Kolumne von Rowland Evans und Robert D. Novak wurde Stimmung gegen die Sonnenfeldt-Doktrin gemacht.225 In dem Artikel wurde behauptet, dass Sonnenfeldt gesagt habe, eine „organische Union“ zwischen Osteuropa und der Sowjetunion sei notwendig, um den dritten Weltkrieg zu verhindern. Die USA sollten daher jedwede Einmischung vermeiden. Präsident Ford geriet durch diese Proteste so sehr unter Druck, dass er die Freiheit Osteuropas zum Hauptthema seiner Rede auf der Wahlkampfkundgebung in Milwaukee am 2. April 1976 machte. Ebenso verzichtete Ford auf die Nennung der Sonnenfeldt-Doktrin und nutzte den Begriff der Détente während des Wahlkampfes kaum noch. Nach der Konferenz in London begann Kissinger eine Offensive gegen den Eurokommunismus, die sich vor allem in zahlreichen Reden und Artikeln zum Thema niederschlug. Während einer Pressekonferenz am 20. Januar 1976 in Kopenhagen bekräftigte Kissinger seine Ablehnung eurokommunistischer Regierungsbeteiligungen öffentlich: „Il nostro punto di vista è che la partecipazione dei comunisti ai governi europei avrà conseguenze per la Nato e nella politica internazionale in genere.“226 Gerald Ford betonte vor den italienischen Parlamentswahlen, dass die moralische Basis der Beistandsverpflichtung im Rahmen der NATO
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4/1/76-1/20/77, Box 5, Brief von James L. Buckley an Brent Scowcroft, 05.05.1976, Washington D.C. Ebenda, S. 3. GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 1-4 Communist Bloc 8/9/74 (Exec) to CO 1-7 Near East 4/30/76 (Exec), CO 1-4 Communist Bloc 4/1/761/20/77, Box 5, Memorandum von A. Denis Clift an Brent Scowcroft, 06.04.1976, Washington D.C. GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 1-4 Communist Bloc 8/9/74 (Exec) to CO 1-7 Near East 4/30/76 (Exec), CO 1-4 Communist Bloc 4/1/761/20/77, Box 5, „A Soviet-East Europe ‚Organic Union‘“ von Rowland Evans und Robert Novak, 1976. „Unser Standpunkt ist, dass die Beteiligung der Kommunisten an europäischen Regierungen Konsequenzen für die NATO und die internationale Politik im Allgemeinen haben wird.“ Henry Kissinger zitiert in: Mario Margiocco: Stati Uniti e PCI. 1943–1980, Rom, Bari 1981, S. 195.
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zerstört wäre, wenn von US-Soldaten verlangt werden würde, kommunistische Regierungen in Westeuropa gegen die Sowjetunion zu verteidigen. Das amerikanische Volk würde den Charakter des nordatlantischen Bündnisses in einem solchen Fall nicht mehr klar erkennen können.227 Aufsehen erregte vor allem Kissingers Prognose vor der American Society of Newspaper Editors am 13. April 1976, dass Westeuropa in fünf Jahren marxistisch dominiert sein könnte, wenn der Eurokommunismus weiterhin verharmlost werden würde.228 Die Warnungen Kissingers und Fords hatten vor dem Hintergrund des bevorstehenden amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs eine nicht zu unterschätzende innenpolitische Zielrichtung, mussten aber vor allem als Angriff auf die den Eurokommunisten gegenüber gesprächsbereiten Parteien, so vor allem die SPD, den Parti Socialiste und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Schwedens, und Regierungen in Westeuropa verstanden werden.
6.1.3 Das Schlüsseljahr 1976 Das Jahr 1976 war nicht nur das entscheidende Jahr im Hinblick auf eine kommunistische Regierungsbeteiligung in Italien. Im gleichen Jahr, nur wenige Monate nach der italienischen Parlamentswahl, fand am 2. November die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten statt. Dadurch bekam das Thema „Eurokommunismus“ für die USA zusätzlich eine starke innenpolitische Komponente. Präsident Ford geriet in den Vorwahlen der Republikanischen Partei unter massiven Druck durch die hohe Zustimmungsrate für seinen konservativeren Kontrahenten, den ehemaligen Gouverneur von Kalifornien Ronald Reagan. Die FordAdministration musste sich daher in der US-amerikanischen Öffentlichkeit noch stärker gegen den italienischen Kommunismus positionieren, um die Primaries gegen Reagan gewinnen zu können. Wie stark sich der Einfluss Reagans auf die Verschärfung der Position gegenüber dem italienischen Eurokommunismus auswirkte, zeigte sich an zahlreichen Eingaben, die Präsident Ford zum Thema erhielt. Alexander Velaj, Delegierter der Connecticut Republican State Convention und somit an den Vorwahlen direkt beteiligt, machte in einem Brief an Ford seine Wahlentscheidung von einer harten Haltung des Präsidenten gegenüber dem PCI abhängig. Velaj wies insbesondere auf seine italienische Verwandtschaft hin, die sich Sorgen um den Verbleib Italiens in der NATO mache, falls die Kommunisten
227 Vgl. Andreas Pott/Michael Strübel: Eurokommunismus aus Sicht der NATO, in: Lutz (Hrsg.): Eurokommunismus und NATO, S. 132. 228 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 33.
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in die Regierung einziehen würden.229 In seinem Antwortschreiben dankte ihm Ford und versicherte, dass die USA unter seiner Regierung weiterhin alles tun würden, um eine Regierungsbeteiligung des PCI zu verhindern.230 Während des Wahlkampfes 1976 und kurz vor den italienischen Parlamentswahlen bot sich mit William S. Caldwell gar ein ehemaliger Mitarbeiter des Außenministeriums an, um den Wahlkampf in Italien gegen die Kommunisten zu beeinflussen. Caldwell ging davon aus, dass ein kommunistischer Wahlsieg fatale Auswirkungen auf die Wiederwahl Fords haben würde. Vor allem würde sich die große italoamerikanische Gemeinschaft von Ford abwenden. Der 1921 geborene Caldwell war bereits 1948 im Diplomatischen Dienst der USA als Public Affairs Officer in Italien tätig gewesen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Diplomatischen Dienst hatte Caldwell in Minnesota über die Propagandamaßnahmen der US-Regierung im Vorkriegsitalien promoviert. Anschließend arbeitete er als Italienexperte am Research Institute on Communism der University of Southern California. Seinerzeit war Caldwell im Präsidentschaftswahlkampf als Co-Chairman der Ford-Unterstützergruppe Educators for Ford in Kalifornien aktiv. Caldwell fasste sein Engagement in die Worte: „Thus, as an expert on Italian politics and on Communication and Propaganda, I am uniquely qualified to serve my country again in helping defeat the Communists in the upcoming Italian General Elections.“231 Ähnliche Briefe sandte William S. Caldwell auch an Vizepräsident Nelson Rockefeller und den Kongressabgeordneten George Mahon, Vorsitzender des House Appropriations Committee, sowie am 11. und 15. Mai 1976 erneut an den Präsidenten.232 Das Angebot Caldwells wurde jedoch dankend abgelehnt.233
229 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/76-7/31/76, Box 28, Brief von Alexander Velaj an Gerald Ford, 17.06.1976, Greenwich (Connecticut). 230 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/76-7/31/76, Box 28, Brief von Gerald Ford an Alexander Velaj, 07.07.1976, Washington D.C. 231 Gerald R. Ford Library, Ann Arbor, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 12/6/76 (Exec) to CO 75 Japan 6/30/75, CO 72 Italy 5/1/76-1/20/77, Box 29, Brief von William S. Caldwell an Gerald Ford, 05.05.1976, Los Angeles, S. 2. 232 Gerald R. Ford Library, Ann Arbor, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 12/6/76 (Exec) to CO 75 Japan 6/30/75, CO 72 Italy 5/1/76-1/20/77, Box 29, Brief von William S. Caldwell an Nelson Rockefeller, 15.05.1976, Los Angeles; Gerald R. Ford Library, Ann Arbor, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 12/6/76 (Exec) to CO 75 Japan 6/30/75, CO 72 Italy 5/1/76-1/20/77, Box 29, Brief von William S. Caldwell an George Mahon, 04.05.1976, Los Angeles; Gerald R. Ford Library, Ann Arbor, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy
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Gleich zu Beginn des Jahres wurde die Ford-Administration in ihren Einflussmöglichkeiten auf den italienischen Wahlkampf eingeschränkt. Das House Select Committee on Intelligence, der Ausschuss für Belange der US-Nachrichtendienste des Repräsentantenhauses, veröffentlichte im Januar 1976 einen ausführlichen Bericht über geheime Tätigkeiten der CIA im Ausland.234 Eine prominente Stellung nahm dabei die bislang verdeckt erfolgte US-amerikanische Italienhilfe ein. Benannt wurde der bereits erwähnte Bericht nach dem Ausschussvorsitzenden Otis G. Pike, einem Abgeordneten der Demokratischen Partei aus New York.235 Insgesamt hatte das Pike-Komitee drei nachrichtendienstliche Operationen der USA zu beurteilen: Die Finanzierung der Democrazia Cristiana und anderer Parteien vor den italienischen Parlamentswahlen 1972, die CIAUnterstützung für die FNLA im Angola-Konflikt und die Beeinflussung der Kurden im Nordirak durch US-Nachrichtendienste.236 Das Komitee entschied sich letztendlich zur Veröffentlichung der Italien und Angola betreffenden Dokumente, aber gegen eine offene Publikation bezüglich der Beeinflussung der Kurden.237
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12/6/76 (Exec) to CO 75 Japan 6/30/75, CO 72 Italy 5/1/76-1/20/77, Box 29, Brief von William S. Caldwell an Gerald Ford, 11.05.1976, Los Angeles; Gerald R. Ford Library, Ann Arbor, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 12/6/76 (Exec) to CO 75 Japan 6/30/75, CO 72 Italy 5/1/76-1/20/77, Box 29, Brief von William S. Caldwell an Gerald Ford, 15.05.1976, Los Angeles. Gerald R. Ford Library, Ann Arbor, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 12/6/76 (Exec) to CO 75 Japan 6/30/75, CO 72 Italy 5/1/76-1/20/77, Box 29, Brief von Roland L. Elliott an William S. Caldwell, 11.06.1976, Washington D.C. GFPL, James E. Connor Files, Intelligence Community Subject File: Background Information about Intelligence Matters ca. November 1975, House Select Committee – Request for Declassification of Documents Concerning U.S. Covert Actions, Box 56, Extracts from CBS evening news – Daniel Schorr, 19.12.1975. Parallel zum Pike-Committee wurde 1975 auch im Senat unter dem demokratischen Senator von Idaho Frank Church ein Untersuchungsausschuss für die Kontrolle der USNachrichtendienste eingerichtet, der umgangssprachlich als Church-Committee bezeichnet wurde. Durch einen Bericht der Washington Post war bekannt geworden, dass es sich im Falle der Kurden um eine Bitte des Schahs von Persien gehandelt hatte, die Kurden im Nordosten des Irak durch die CIA mit Waffen zu versorgen. Die Details der Geheimdienstoperation blieben jedoch weiterhin geheim, nachdem das Pike-Komitee die Veröffentlichung mit dem Votum sechs zu sechs abgewiesen hatte. Vgl. „Pike Panel Bars Kurd Disclosure“ von George Lardner Jr., in: Washington Post, 20.12.1975. GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, Backchannel Messages, Europe-Latin America, Box 18, Telegramm von John Volpe an Brent Scowcroft, Henry Kissinger und George Bush, 16.01.1976, Rom.
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Der Pike-Report bezifferte die Unterstützungsleistungen der Nixon- und FordAdministrationen für antikommunistische Parteien und Gruppen in Italien auf insgesamt 65 Millionen US-Dollar.238 Nach der Veröffentlichung des Pike-Reports wurden die erst Ende 1975 wieder aufgenommenen verdeckten Zahlungen erneut eingestellt. Dies hatte mehrere Gründe. Zum einen hatte die Untersuchung des Ausschusses ergeben, dass die positiven Effekte der Zahlungen in keiner Relation zum finanziellen Aufwand standen. Vielmehr hatten die durchgesickerten Informationen über tatsächliche oder vermeintliche Unterstützungen zu einem Ansehensverlust der Democrazia Cristiana und der Vereinigten Staaten in Italien beigetragen. Zum anderen war der Druck der amerikanischen Öffentlichkeit zu groß geworden. Kurz nach dem Watergate-Skandal war die geheime Unterstützung von ausländischen Parteien und Politikern wenig populär in der US-amerikanischen Öffentlichkeit. Auch rechtlich konnte die Unterstützung seit der Ergänzung des Foreign Assistance Act durch den Hughes-Ryan Act von 1974 nicht mehr völlig klandestin durch die CIA geschehen, sondern musste zeitnah den verantwortlichen Geheimdienstausschüssen des Kongresses berichtet werden.239 Dadurch erhöhte sich jedoch die Gefahr einer Veröffentlichung der Operation durch Lücken in der Geheimhaltung mit entsprechenden negativen Folgeeffekten. Der National Security Council, die CIA sowie das State Department und Pentagon warnten daher vor einer Veröffentlichung des Pike-Reports und rieten dem Präsidenten, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Publikation zu verhindern.240 Auch US-Botschafter Volpe wandte
238 Vgl. United States of America, Congress, House of Representatives, Select Committee on Intelligence (Hrsg.): Pike Report, S. 193. Eine ausführlichere Beschreibung der Unterstützungsleistungen der US-Regierungen findet sich im Pike-Report in Anmerkung 448: Ebenda, S. 204f. 239 Der Hughes-Ryan-Act (benannt nach dem Senator Harold E. Hughes und dem knapp vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes im guyanischen Jonestown von Anhängern der Peoples Temple-Sekte erschossenen Abgeordneten des Repräsentantenhauses Leo Ryan) verpflichtete die US-Nachrichtendienste (v. a. die CIA) und das Pentagon, alle Geheimoperationen innerhalb eines bestimmten Zeitraums an die entsprechenden Ausschüsse des Parlaments zu melden. Auslöser waren dem Parlament vorenthaltene Geheimoperationen der Armee und der CIA in Vietnam, Kambodscha und Laos zu Beginn der 1970er Jahre gewesen. Vgl.: W. Thomas Smith Jr.: Encyclopedia of the Central Intelligence Agency, New York 2003, S. 132. 240 GFPL, James E. Connor Files, Intelligence Community Subject File: Background Information about Intelligence Matters ca. November 1975, House Select Committee – Request for Declassification of Documents Concerning U.S. Covert Actions, Box 56, Memorandum von Jack Marsh, Brent Scowcroft und Phil Buchen an Gerald Ford, Januar 1976, Washington D.C.; GFPL, James E. Connor Files, Intelligence Community Subject File:
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sich in einem Brief an die Mitglieder des House Select Committee on Intelligence gegen die Veröffentlichung, um Schaden von der amerikanischen Italienpolitik abzuwenden.241 In seinem Brief an Otis G. Pike gab Präsident Ford zu, dass es zumindest zwei bewilligte Geheimdienstoperationen gegeben hatte. Gleichzeitig bat er Pike darum, diese Programme geheim zu halten und einen Abschlussbericht des Komitees zu erarbeiten „without revealing the existence of, or details concerning, programs that should, in the national interest, remain unacknowledged“242. Nichtsdestotrotz wurde der Teil über die verdeckte US-Hilfe in Italien im PikeReport veröffentlicht. Zuvor waren bereits geheime Informationen an die Öffentlichkeit gelangt, die vor allem von dem Journalisten Daniel Schorr, der bereits auf Nixons Feindesliste von Kritikern gestanden hatte, recherchiert worden waren. Schorr beschrieb das Pike-Komitee später als „as leaky as any he ever covered“243. Der Pike-Report und die vorherigen Enthüllungen von Schorr wurden in den USA medial breit diskutiert und auch in Italien stark rezipiert. La Repubblica titelte am 16. Januar mit „Here are names of CIA in Italy“ und nannte Empfänger von US-amerikanischen Zuwendungen.244 Bereits kurze Zeit später zeigten sich erste Folgen. So bezeichneten im April 1976 in einer repräsentativen italienischen Umfrage 44 Prozent der Befragten die Christdemokraten als die am meisten an ausländische Interessen gebundene Partei des Landes. Der PCI, der als sowjetorientierte Partei der 1940er und 1950er Jahre jahrzehntelang als von außen beeinflusste Partei gegolten hatte, wurde hingegen von nur noch 13 Prozent der
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Background Information about Intelligence Matters ca. November 1975, House Select Committee – Request for Declassification of Documents Concerning U.S. Covert Actions, Box 56, Brief von William E. Colby an John Marsh, 30.12.1975, Washington D.C. GFPL, James E. Connor Files, Intelligence Community Subject File: Background Information about Intelligence Matters ca. November 1975, House Select Committee – Request for Declassification of Documents Concerning U.S. Covert Actions, Box 56, Brief von John Volpe an die Mitglieder des Select Committee on Intelligence, U.S. House of Representatives, 12.12.1975. GFPL, James E. Connor Files, Intelligence Community Subject File: Background Information about Intelligence Matters ca. November 1975, House Select Committee – Request for Declassification of Documents Concerning U.S. Covert Actions, Box 56, Brief von Gerald Ford an Otis G. Pike, 15.01.1976, Washington D.C. Daniel Schorr zitiert in: Andrew Downer Crain: The Ford Presidency. A History, Jefferson (North Carolina) 2009, S. 126. GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 12/6/76 (Exec) to CO 75 Japan 6/30/75, CO 72 Italy 8/9/74-4/30/76, Box 29, Brief von Jeanne W. Davis an J. de la Forest, 30.03.1976.
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Befragten genannt.245 Auch die Communist Party USA protestierte gegen die Einmischung der US-Regierung in den italienischen Wahlkampf. Ihr Vorsitzender Henry Winston und CPUSA-Generalsekretär Gus Hall wandten sich in einem Telegramm mit der Forderung an den US-Präsidenten, die Beeinflussung italienischer Wähler umgehend aufzugeben.246 Der Senat verlangte hingegen von der US-Regierung eine Intensivierung des Kampfes gegen den italienischen Eurokommunismus. Am 25. März brachten die Senatoren Edward W. Brooke, Pietro V. („Pete“) Domenici, Hiram L. Fong, Hubert Humphrey und Gale W. McGee eine Resolution ein, die verstärkte bi- und multilaterale Anstrengungen der USRegierung verlangte, um Italien fest in der NATO zu verankern.247 Dass die Resolution mit dem aussagekräftigen Titel „Expressing the Sense of Congress Regarding Democracy in Italy and Participation by Italy in North Atlantic Treaty Organization“ über Parteigrenzen hinaus entstanden war und mit Senatoren aus Hawaii, New Mexico, Wyoming, Minnesota sowie Massachusetts die gesamte geografische und kulturelle Spannbreite der USA repräsentierte, zeigte den weitgehenden Konsens einer verstärkt antikommunistischen Politik gegenüber Italien. Weitere Senatoren schlossen sich in den Folgetagen der Resolution an. Der Resolutionstext enthielt eine undifferenzierte Ablehnung des compromesso storico, die Senator Brooke als Mitinitiator dem Präsidenten persönlich übermittelte: „The dangers such an ‚historic compromise‘ would likely pose to personal freedom in Italy, to the functioning of the United States are self-evident in my opinion.“248 Ebenso sollte die US-Regierung auf Finanzhilfen für Italien festgelegt werden: „It is the sense of the Congress that the United States […] should stand ready to participate in efforts to provide financial assistance to Italy through the proposed OECD Special Financing Facility and/or other means deemed appropriate.“249
245 Vgl. Gianfranco Pasquino: Recenti trasformazioni nel sistema di potere della democrazia cristiana, in: Luigi Graziano/Sidney Tarrow (Hrsg.): La crisi italiana, Turin 1979, S. 625. 246 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 12/6/76 (Exec) to CO 75 Japan 6/30/75, CO 72 Italy 5/1/76-1/20/77, Box 29, Telegramm von Henry Winston und Gus Hall an Gerald Ford, 10.06.1976, New York. 247 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/76-7/31/76, Box 28, Senate Concurrent Resolution 105, 25.03.1976, Washington D.C. 248 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/76-7/31/76, Box 28, Brief von Edward W. Brooke an Gerald Ford, 01.04.1976, Washington D.C. 249 GFPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, IT 50 North Atlantic Treaty Organization 7/1/75 (executive) to IT 52 Organization of American
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Präsident Ford blieb nichts anderes übrig, als die Resolution öffentlich zu begrüßen.250 Neun Tage vor der italienischen Parlamentswahl wandte sich auch die zweite Kammer des Kongresses mit einer Resolution an den Präsidenten. Diese setzte sich jedoch kritisch mit der US-Einmischung in die inneritalienischen Verhältnisse auseinander und verlangte nun auch Informationen über die USamerikanischen Unterstützungsleistungen an italienische Parteien seit 1972; der Pike-Report hatte sich nur auf den Zeitraum vor den italienischen Parlamentswahlen 1972 konzentriert. In seiner Funktion als Vorsitzender des Committee on International Relations des Repräsentantenhauses forderte Thomas E. Morgan (Democrats) von der Regierung Aufklärung über „extraconstitutional means to solve the Italian political crisis“251. In dem präsidentiellen Antwortschreiben wies Sicherheitsberater Scowcroft die Aufforderung zu einer Stellungnahme des Präsidenten zurück, da diese nachrichtendienstliche Materie nicht das Repräsentantenhaus als Ganzes, sondern lediglich die entsprechenden Geheimdienstkomitees des Kongresses betreffe.252 In Italien hatte sich die Situation seit Januar 1976 drastisch verschärft, da der Partito Socialista Italiano der Regierung Moro, bestehend aus DC und PRI, die parlamentarische Unterstützung aufgekündigt hatte.253 Darüber hinaus kündigte PSI-Generalsekretär Francesco De Martino an, nach der Parlamentswahl nicht für eine Koalition mit den Christdemokraten zur Verfügung zu stehen, sofern diese nicht ebenso die Kommunisten in die Regierungskoalition aufnehmen würden. Auf dem Parteikongress der Sozialisten vom 3. bis 7. März in Rom stimmte eine
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States, IT 50 NATO 1/1/76-8/31/76, Box 5, Senate Concurrent Resolution 105, 25.03.1976, Washington D.C., S. 3. GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/76-7/31/76, Box 28, Brief von Gerald Ford an Edward W. Brooke, 17.05.1976, Washington D.C.; GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/76-7/31/76, Box 28, Memorandum von Brent Scowcroft an Gerald Ford, 17.05.1976, Washington D.C. GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/76-7/31/76, Box 28, House of Representatives Resolution 1295, 11.06.1976, Washington D.C., S. 3. GFPL, John Marsh Files, General Subject File: Immigration, Italy – Investigation of Alleged American Payments to Influence Italian Politics, 06/1976, Box 19, Brief von Brent Scowcroft an Thomas Morgan, 16.06.1976, Washington D.C. Vgl. „Jeden Morgen eine stille Andacht. Der römische Regierungschef Aldo Moro fürchtet Gott und die Kommunisten“ von Hansjakob Stehle, in: Die ZEIT, Nr. 17, 16.04.1976, S. 2.
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deutliche Mehrheit für diesen Strategiewechsel. Beobachter des National Security Council erkannten ein deutliches „anti-Christian Democratic sentiment“254 während des sozialistischen Parteitages. De Martino bezeichnete den neuen Linkskurs des PSI als zentrale politische Aufgabe, um den PCI in seinem eurokommunistischen Reformprozess zu unterstützen. Einer CIA-Studie folgend beruhte die Kursänderung der Sozialisten jedoch vielmehr auf der Hoffnung, am Aufschwung des PCI teilhaben zu können. Bereits nach der christdemokratischen Niederlage im Ehescheidungsreferendum 1974 und dem kommunistischen Wahlerfolg in den Regionalwahlen 1975 waren in der PSI-Führung erste Gedankenspiele angestellt worden, die enge Anbindung an die Christdemokraten zu beenden.255 Aufgrund der neuen Haltung des PSI ging Ministerpräsident Moro gegenüber US-Botschafter Volpe bereits im November 1975 von nur noch 60 Prozent Überlebenswahrscheinlichkeit seiner Regierung bis Frühjahr 1976 aus.256 Die Implementierung des compromesso storico schien durch die neue Strategie des PSI wahrscheinlicher. Verstärkt wurde diese Annahme durch „an increasing tendency to seek Communist support behind-the-scenes in parliament“257 durch den linken Flügel der Christdemokraten. Für die Sozialisten barg die Annäherung von DC und PCI ohne den PSI als Intermediär eine große Gefahr. Eine weitgehend diskreditierte, schwache DC in der Regierung und ein nicht regierungsfähiger PCI in der Opposition waren für den PSI ideal, da in einer solchen Situation die Christdemokraten immer auf die Stimmen der Sozialisten angewiesen waren. Eine christdemokratische Regierung und ein zumindest als Konsultationspartner der DC offen anerkannter PCI hätten die Sozialisten hingegen im Parteiensystem nahezu überflüssig gemacht. Diese Situation schien zum Jahreswechsel 1975/76 mit der gemeinsamen Kontraposition von DC und PCI gegenüber der sozialistischen Haltung zur Liberalisierung der Abtreibung erreicht zu sein. Darüber hi-
254 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Country File Italy, Box 5, Italian Socialist Congress Compounds Christian Democrat’s Problems von John McLaughlin, 09.03.1976, S. 1. 255 GFPL, Dale Van Atta Papers, Intelligence Chronological File: December 7, 1975, Intelligence Documents January 8, 1976, Box 10, CIA Staff Notes Western Europe-CanadaInternational Organizations, 08.01.1976, S. 19f. 256 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (4), Box 8, Memorandum von Brent Scowcroft an Gerald Ford, November 1975, S. 3. 257 GFPL, Dale Van Atta Papers, Intelligence Chronological File: December 7, 1975, Intelligence Documents January 8, 1976, Box 10, CIA Staff Notes Western Europe-CanadaInternational Organizations, 08.01.1976, S. 21.
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naus entstand der Eindruck, dass auch das Wirtschaftsprogramm der Regierung enger mit dem PCI als mit dem PSI, auf den die Regierung Moro eigentlich angewiesen war, abgesprochen worden war.258 Eine christdemokratisch-kommunistische Regierungskooperation oder gar -koalition schien somit Anfang des Jahres 1976 nicht mehr unwahrscheinlich. Laut einem Bericht des National Security Council war die Democrazia Cristiana seinerzeit in Reformer um Aldo Moro, die sich für einen intensivierten Dialog mit dem PCI einsetzten, und Konservative um Giulio Andreotti und Arnaldo Forlani, die sich gegen einen zu engen Kontakt mit dem PCI aussprachen, gespalten.259 Insbesondere Kissinger warnte vor Moros pragmatischem Umgang mit der Kommunistischen Partei und sprach sich gegenüber Präsident Ford für die Unterstützung Andreottis aus.260 Protagonisten der italienischen Mitte-Rechts-Parteien sowie des rechten DC-Flügels sahen in Moro deswegen gar ein Feindbild. Robert Strausz-Hupé, seit März 1976 US-amerikanischer NATO-Botschafter, berichtete dem National Security Council von einer Unterredung mit dem ehemaligen NATO-Generalsekretär und damaligen Senator des nationalliberalen Partito Liberale Italiano Manlio Brosio kurz vor den Wahlen. Brosio unterstellte Moro eine fatalistische Sichtweise, die eine Akzeptanz des compromesso storico bereits beinhalte. Zur sicherheitspolitischen Position des PCI merkte Brosio an: „Their real intent was to liquidate NATO.“261 Für Brosio stellte auch Papst Paul VI. kein sicheres Bollwerk gegen den Kommunismus dar. Denn dieser sei „weak and surrounded by a dubious clique ready to compromise with anybody“262. Die antikommunistische Politik des Vatikans sollte gemäß einer Einschätzung der US-Botschaft jedoch wenige Wochen später die entscheidenden Prozentpunkte für einen christdemokratischen Wahlsieg erbringen. Die Analyse der US-Botschaft ging von vier bis fünf Prozent mehr Wählerstimmen für die DC durch die vatikanische Propaganda aus.263 Tatsächlich hatte Papst Paul VI. am 24.
258 Ebenda. 259 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (4), Box 8, Memorandum von Brent Scowcroft an Gerald Ford, November 1975, S. 2f. 260 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (3), Box 8, Memorandum von Henry Kissinger an Gerald Ford, 18.09.1975, S. 3. 261 Manlio Brosio zitiert in: GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (6), Box 8, Memorandum von A. Denis Clift an Brent Scowcroft, 09.06.1976, S. 1. 262 Ders. zitiert in: Ebenda. 263 JCPL, Donated Historical Material – Mondale, Walter F., Box 121, Telegramm von John Volpe an Cyrus Vance, Januar 1977, Rom, S. 2 (PRESNET NLC 133-121-4-10-4).
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Mai, weniger als einen Monat vor den Wahlen, in einer ungewöhnlich deutlichen Stellungnahme vor den Gefahren des Kommunismus gewarnt.264 Durch die dem Katholizismus gegenüber offene Strategie des compromesso storico war der Vatikan enorm unter Druck geraten. So hatte der PCI seine Wahllisten 1976 explizit für gläubige Katholiken geöffnet. Unter anderem kandidierten daraufhin der ehemalige Chefredakteur von Il Popolo, der Parteizeitung der Democrazia Cristiana Raniero La Valle, der renommierte Turiner Professor für Kirchenrecht Paolo Brezzi und der Florentiner Religionsphilosoph Mario Gozzini für den Partito Comunista Italiano.265 Auch nach der Amtsübernahme von Jimmy Carter spielte der Vatikan weiterhin eine wichtige Rolle in der Strategie gegenüber dem italienischen Eurokommunismus.266 Carters Vizepräsident Walter Mondale sollte beispielsweise bei seinem Antrittsbesuch bei Papst Paul VI. darauf hinweisen, dass der Vatikan auch in Zukunft eine „strong countervailing power“267 zum PCI bilden müsse. Im Mai 1976 ließ der damalige CIA-Direktor und spätere US-Präsident George H. W. Bush auf Anweisung von Präsident Ford eine Analyse zur politischen Situation in Italien zusammenstellen.268 In dieser Studie listete die CIA wahrscheinliche Szenarien des Wahlausgangs auf.269 Die Analyse ging fälschlicherweise nicht davon aus, dass der PCI eine Vetoposition gegen die möglichen
264 „Papst griff in den Wahlkampf ein“ von Christa Peduto, in: Der Tagesspiegel, 25.05.1976. 265 Vgl. Schlitter: Italien, S. 81. 266 Vgl. Peter Nichols: The Vatican and Eurocommunism, in: Filo della Torre/Mortimer/ Story (Hrsg.): Eurocommunism, S. 307–317. 267 JCPL, Donated Historical Material – Mondale, Walter F., Box 121, Telegramm von John Volpe an Cyrus Vance, Januar 1977, Rom, S. 2 (PRESNET NLC 133-121-4-10-4). 268 GFPL, National Security Adviser, National Security Study Memoranda and Decision Memoranda, NSSMs File, NSSM 207 8/12/74, NSSM 242 US Policy towards Italy, Box 2, National Security Study Memorandum 242 von Brent Scowcroft, 04.05.1976, Washington D.C. 269 Bereits im April 1975 hatte Präsident Ford eine Studie zur Sicherheitspolitik der USA in Südeuropa in Auftrag gegeben. Vor dem Hintergrund potenzieller kommunistischer Regierungsbeteiligungen in Südeuropa und dem dadurch möglichen Austritt südeuropäischer Mitgliedsstaaten aus der NATO sollten kurz- und mittelfristige Handlungsoptionen für die USA ausgearbeitet werden. GFPL, National Security Adviser, National Security Study Memoranda and Decision Memoranda, NSSMs File, NSSM 207 8/12/74, NSSM 222 US and Allied Policy in Southern Europe, Box 2, National Security Study Memorandum 222 von Henry Kissinger, 22.04.1975, Washington D.C.
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Mitte-Links- und Zentrumskoalitionen erringen könne.270 Ein Teil der Protestwähler, die in den Regionalwahlen 1975 für die Kommunisten votiert hätten, würden nun wahrscheinlich aus Angst vor einem zu großen kommunistischen Einfluss auf die nationale Regierung vor deren Wahl zurückschrecken und stattdessen eher den PSI oder kleinere Linksparteien wählen.271 Sollte es zu deutlichen Verlusten an Wählerstimmen kommen, befürchtete der Geheimdienst jedoch das Auseinanderbrechen der Christdemokraten und somit eine völlige Neujustierung des italienischen Parteiensystems.272 Dieser Fall würde eine kommunistische Regierungsbeteiligung wahrscheinlicher machen und müsse möglichst verhindert werden. Innerhalb der verschiedenen US-Nachrichtendienste gab es allerdings unterschiedliche Auffassungen darüber, wie ernst die sicherheitspolitischen Folgen eines Wahlgewinns bzw. einer Regierungsbeteiligung der Kommunisten wären.273 US-Botschafter Volpe erhielt zweieinhalb Monate vor den Parlamentswahlen von Außenminister Kissinger den Auftrag, den Kontakt zu den diplomatischen Vertretungen Großbritanniens, der Bundesrepublik Deutschland und Frankreichs in Rom zu intensivieren, um im Idealfall eine gemeinsame Linie gegen eine kommunistische Regierungsbeteiligung zu etablieren.274 In den folgenden Wochen kam es zu Treffen von Volpe mit den genannten Botschaftern. Diese hatten, so Volpe, ähnliche Instruktionen durch ihre Regierungen erhalten. Während sich der bundesdeutsche und der britische Botschafter, Hermann Meyer-Lindenberg bzw. Guy Millard, mit Moros Bekenntnis zu einer Regierung ohne Kommunisten zufrieden gaben, forderte der französische Botschafter François Puaux im Namen
270 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (6), Box 8, Italy: The Electoral Outlook, CIA Study, 19.05.1976, S. 1. 271 Ebenda. 272 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (6), Box 8, Memorandum von George Bush an Gerald Ford, 20.05.1976, Washington D.C. 273 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (6), Box 8, Memorandum des National Intelligence Officer for Western Europe an George Bush, 19.05.1976, Washington D.C. 274 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy-State Department Telegrams, From SECSTATE-NODIS (3), Box 8, Telegramm von Helmut Sonnenfeldt und Arthur A. Hartman an John Volpe, 06.04.1976, Washington D.C., S. 2.
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seiner Regierung, stärkeren Druck auf die Christdemokraten auszuüben.275 Gegenüber Volpe bemerkte Meyer-Lindenberg, dass seiner Meinung nach die kritischen Bemerkungen von Bundeskanzler Schmidt im Deutschen Bundestag und von Außenminister Genscher in der Presse wichtig gewesen seien, um die positive Haltung Willy Brandts gegenüber dem PCI auszugleichen.276 Vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges und der von Deutschen in Italien begangenen Verbrechen sei es aber nicht angebracht, wenn die bundesdeutsche Regierung weitere Stellungnahmen zu inneritalienischen Themen abgebe.277 Andere europäische Partner wie Großbritannien, Irland, die Niederlande, Belgien, Luxemburg oder Dänemark sollten sich jedoch öffentlich mit Besorgnis zur Lage in Italien äußern.278 Die Bestätigung Benigno Zaccagninis als DC-Vorsitzender auf deren Parteikongress im März wurde von beiden Botschaftern begrüßt, da dieser trotz seiner 64 Jahre ein „neues Gesicht“279 der Christdemokraten darstelle. Kissinger selbst wies in dieser Phase wiederkehrend auf die Gefahren des italienischen Eurokommunismus hin und versuchte auch persönlich Einfluss auf die Haltung der deutschen Sozialdemokraten zum Eurokommunismus auszuüben. Nach dem Besuch des Unterausschusses „Entspannung“ der Nordatlantischen Versammlung am 19. und 20. Februar 1976 in Washington D.C. fasste der Bericht der Internationalen Abteilung des SPD-Parteivorstands zusammen: „Insbesondere Kissinger ist beunruhigt über die Stärke der westeuropäischen Kommunisten und sieht darin eine Bedrohung der Entspannung und einen destabilisierenden Faktor bei seinem ‚delikaten Kalkül‘ im Bezug auf das Ost-WestGleichgewicht. […] Es wird berichtet, daß streng geheime und heikle Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und den europäischen Alliierten stattgefunden haben und daß darüber diskutiert wurde, wie man gemeinsam an dieses Problem herangehen kann und wie notwendig es ist, die Öffentliche Meinung davon zu überzeugen, daß es gegen fundamentale westliche Interessen verstößt, freundschaftliche Beziehungen mit westeuropäischen Kommunisten zu fördern
275 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Italy-State Department Telegrams to SECSTAT-NODIS (4), Box 9, Telegramm von John Volpe an Henry Kissinger, 14.04.1976, Rom, S. 1ff. 276 Ebenda, S. 5. 277 Ebenda. 278 PAAA, Bestand B 150, Bd. 346, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt zur innenpolitischen Lage Italiens von Hermann Meyer-Lindenberg, 09.04.1976, Rom, S. 3. 279 Ebenda, S. 1.
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oder sie in dem Glauben zu bestärken, daß ihre Mitgliedschaft in Koalitionsregierungen toleriert werden könne.“280 Willy Brandt mahnte hingegen in seinen Bemerkungen für den Besuch des Unterausschusses eine differenzierte Betrachtung des Kommunismus an: „Als die NATO anfing – vor 27 Jahren – war in nicht wenigen Reden das Wort ‚world communism‘ zu finden. Heute haben wir nicht nur die beiden kommunistischen Großmachtzentren und auf Selbstständigkeit bedachte Gruppierungen. Wir haben auch kommunistische Mittelmachtzentren.“281 In einem Gespräch mit dem stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden und Bremer Bürgermeister Hans Koschnick wurden Kissingers Vorbehalte gegenüber Linksintellektuellen deutlich. So warnte der US-Außenminister vor einer Regierungsbeteiligung des PCI: „Berlinguer werde sich dann zwar zunächst anpassen und maßvoll verhalten und allen klugen Intellektuellen scheinbar recht geben, die eine Besserung der schwierigen Lage Italiens nur unter aktiver Mitarbeit der Kommunisten für möglich halten, nach einer gewissen Übergangszeit werde es jedoch ein böses Erwachen geben […].“282 Kissinger machte seine unnachgiebige Haltung gegenüber dem italienischen Eurokommunismus auch auf der Tagung des NATO-Ministerrats am 20. und 21. Mai 1976 in Oslo hinter verschlossenen Türen deutlich.283 Kurz vor den Parlamentswahlen kam es zwischen dem 6. und 13. Mai 1976 zu mehreren schweren Erdbeben im Nordosten Italiens. Hinzu kamen starke Regenfälle ab dem 13. Mai, die Erdrutsche verursachten. Neben 900 Toten und 1 700 Verletzten wurden 100 000 Menschen obdachlos.284 Die Ford-Regierung gab
280 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Nordatlantische Versammlung, 11889, Information über den Besuch des Unterausschusses „Entspannung“ in Washington am 19. und 20. Februar 1976, 26.02.1976, Bonn, S. 13f. 281 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Nordatlantische Versammlung, 11889, Bemerkungen zur Entspannung für den Unterausschuß „Entspannung“ der Nordatlantischen Versammlung von Willy Brandt, 05.03.1976, Bonn, S. 8. 282 PAAA, Bestand B 150, Bd. 348, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Washington an das Auswärtige Amt über das Gespräch Koschnick-Kissinger, 16.05.1976, Washington D.C., S. 1. 283 PAAA, Bestand B 150, Bd. 348, Vermerk (vertraulich) über die NATO-Ministerkonferenz in Oslo (20./21. Mai 1976), Diskussionen in der „Restricted Session“, 31.05.1976, Bonn, S. 6. 284 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (5), Box 8, Special Report to the President on the Earthquake in Italy von Daniel Parker, 17.05.1976, Washington D.C.
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umgehend 25 Millionen US-Dollar als Soforthilfe frei.285 Neben dem humanitären Aspekt sollte die Erdbebenhilfe das Bild der Vereinigten Staaten in Italien verbessern und den Eindruck der Democrazia Cristiana als schnell und effektiv agierende Partei vor den Parlamentswahlen im Juni wieder herstellen.286 Laut Daniel Parker, dem Special Coordinator for International Disaster Assistance des Präsidenten, sollte aus wahltaktischen Gründen vor allem der Beitrag der NATO zur Erdbebenhilfe hervorgehoben werden – wohlwissend, dass die NATO seinerzeit keine Ressourcen für solche Hilfsmaßnahmen hatte. „Our goal is to start reaching individual victims before the election“287, teilte Parker Präsident Ford mit. Man solle daher die Hilfsmaßnahmen von Armeen der NATO-Staaten in den Pressestatements als NATO-Hilfe darstellen.288 Das große Erdbeben vom 6. Mai und die teilweise schweren Nachbeben der Folgetage waren für die Christdemokraten und die US-Regierung somit Chance und Gefahr zugleich. Die linken Medien in Italien erinnerten umgehend an die Misswirtschaft und Korruption der DC nach dem schweren Erdbeben in Sizilien im Januar 1968. Auch wurde der Besuch von Vizepräsident Rockefeller im Erdbebengebiet als Wahlbeeinflussung zugunsten der DC abgelehnt.289 Tatsächlich wirkte sich das Beben auf die Wahlentscheidung Betroffener aus. Der Großunternehmer Jeno Paulucci, 1970 Gründer der National Italian American Foundation und anschließend externer Berater des US-Präsidenten in Italienfragen, konnte bei seinem Zusammentreffen mit Ministerpräsident Andreotti berichten: „The people in the tent camps spontaneously said that they had not voted for the Communists in the last election but would probably do so next time, to see if things might improve.“290 Gleichzeitig warnte Paulucci damit vor einem weiteren Versagen im Katastrophenmanage-
285 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/76-7/31/76, Box 28, Brief von Gerald Ford an den Präsidenten des Senats, 10.05.1976, Washington D.C.; GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/75-3/31/76, Box 28, Memorandum von George S. Springsteen an Brent Scowcroft, 03.10.1976, Washington D.C. 286 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (5), Box 8, Memorandum von Daniel Parker an Gerald Ford, 17.05.1976, Washington D.C., S. 1. 287 Ebenda, S. 3. 288 Ebenda. 289 Ebenda, S. 2. 290 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/76-9/30/76, Box 28, Meeting between Mr. Paulluci & Italian Premier Andreotti, 18.09.1976, Washington D.C., S. 2.
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ment, das sich vor allem in Korruption und mangelnder Hilfe für die Betroffenen ausdrückte. Da sich in den Prognosen vor der Wahl am 20. Juni 1976 ein Kopf-an-KopfRennen zwischen dem PCI und der DC abzeichnete, bereitete sich die USRegierung intern auf eine mögliche Regierungsbeteiligung der Kommunisten vor. Sicherheitsberater Scowcroft arbeitete für diesen Fall zusammen mit Arthur Denis Clift, dem Westeuropaexperten im National Security Council, ein Statement für den US-Präsidenten aus, in dem Ford einerseits betonen würde, dass er die Wahlentscheidung des italienischen Volkes selbstverständlich respektiere, andererseits aber deutlich Stellung gegen die Kommunisten beziehen sollte: „Communists in Western Europe have long advocated programs and values detrimental to NATO and to our mutual defense. It is the inevitable impact of such developments on the North Atlantic Alliance which is of concern to us.“291 Am Wahltag erreichte der PCI sein Rekordergebnis von 34,4 Prozent der Stimmen bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und 33,8 Prozent bei den Wahlen zum Senat. Das Ergebnis entsprach einem Gewinn von über sieben bzw. fünf Prozentpunkten und 227 bzw. 116 Mandaten in den beiden Kammern des italienischen Parlaments. Auch wenn der PCI für seine Verhältnisse ein weit überdurchschnittliches Ergebnis erzielte und 12,6 Millionen Italiener kommunistisch gewählt hatten, blieben die Christdemokraten knapp stärkste Partei des Landes. Da sich jedoch der Partito Socialista Italiano gegen eine Koalition mit der DC entschied, sofern nicht auch die Kommunisten in die Regierung aufgenommen werden würden, trat der Fall ein, dass eine stabile Regierungsbildung gegen den PCI nicht mehr möglich war. Die beiden größten Parteien Italiens mussten sich daher über eine Zusammenarbeit einigen, wenn keine direkten Neuwahlen angestrebt werden sollten, was vor allem auf Seiten der Christdemokraten aus Angst vor einem noch höheren kommunistischen Wahlergebnis vehement abgelehnt wurde.292 CIA-Direktor Bush kommentierte den Wahlausgang mit den Worten: „The Italian elections avoided the ‚worst case’ outcome but have solved noth-
291 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 4/1/76-7/31/76, Box 28, Memorandum von A. Denis Clift and Brent Scowcroft – Political Situation in Italy, 06.05.1976, Washington D.C., S. 1. 292 Vgl. Grant Amyot: The Italian Communist Party. The Crisis of the Popular Front Strategy, New York 1981, S. 212f.
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ing.“293 Die sich anbahnende parlamentarische Unterstützung einer christdemokratischen Regierung durch den PCI wurde von der US-Regierung äußerst kritisch gesehen. Außenminister Kissinger wies Botschafter Volpe an, Druck zugunsten einer anderen Konstellation auszuüben.294 Vor den Wahlen war es nach Informationen der CIA in rechten italienischen Kreisen sogar erneut zur Diskussion eines Putsches im Falle einer kommunistischen Regierungsbeteiligung gekommen.295 Das entsprechende Memorandum von CIA-Direktor Bush zeigt, dass die Möglichkeit zur Unterstützung eines solchen Staatsstreiches der extremen Rechten in Italien in der Administration von Präsident Ford zumindest in Erwägung gezogen wurde.296 Ähnliches gilt für den Planungsstab im britischen Außenministerium, der einen derartigen Staatsstreich in einem internen Dokument als „sauberen chirurgischen Coup“297 bezeichnete. Der Planungsstab im Auswärtigen Amt, dem die britischen Pläne vorlagen, lehnte diese Option ab. So hieß es im Bericht an Bundesminister Genscher: „Subversive oder militärische Intervention wird als unrealistisch und kontraproduktiv ausgeschlossen.“298 Bush sprach sich ebenfalls gegen eine solches Vorgehen aus, da ein Staatsstreich möglichweise scheitern und die moderaten Kräfte in Italien nachhaltig beschädigen würde. Ebenso könnte ein Staatsstreichversuch genau das Gegenteil seiner Intention bewirken: den Einschluss des PCI in eine Regierung des nationalen Notstands. In dem Bericht des CIA wurden explizit auf die Negativbeispiele des gescheiterten Putschversuchs von Junio Valerio Borghese im Dezember 1970 und die Pläne für einen Staatsstreich rechtsgerichteter Politiker und Militärs im Frühjahr und Sommer
293 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (6), Box 8, Memorandum von George Bush an Gerald Ford, 24.06.1976, Washington D.C. 294 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy-State Department Telegrams, From SECSTATE-NODIS (3), Box 8, Telegramm von Arthur A. Hartman an John Volpe, 09.07.1976, Washington D.C. 295 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (4), Box 8, Coup Plotting in Italy, 28.04.1976, S. 2. 296 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (4), Box 8, Memorandum von George Bush an Brent Scowcroft, 29.04.1976, Washington D.C. 297 Der Spiegel, Nr. 9, 25.02.2008, S. 56. Siehe hierzu auch: „Britain joined plot to overthrow a Communist Italian government“ von Sarah Delaney/Michael Evans, in: The Times (London), 14.01.2008, S. 31. 298 PAAA, Bestand B 150, Bd. 346, Vermerk (vertraulich) zu den britischen Auffassungen zu einer möglichen kommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien vom Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt, 22.04.1976, Bonn, S. 9.
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1974 verwiesen.299 Letztendlich akzeptierte die Regierung Ford die kommunistische Tolerierung als kleineres Übel im Vergleich zu einer offiziellen Regierungsbeteiligung der Kommunisten oder Neuwahlen, die wahrscheinlich einen noch deutlicheren Anstieg der Stimmen für den PCI mit sich gebracht hätten. Diese neue Haltung der US-Administration wurde umgehend auf eine harte Probe gestellt. In Italien wurden kurz nach der Regierungsbildung im Zuge des Lockheed-Skandals vermehrt Korruptionsvorwürfe gegenüber dem neuen christdemokratischen Ministerpräsidenten Andreotti geäußert. Die italienische Presse führte die Vorwürfe umgehend auf US-amerikanische Quellen zurück. Es wurde angenommen, dass die US-Regierung damit ein Zeichen gegen die kommunistische Tolerierungspolitik Andreottis setzen wolle. Das State Department reagierte umgehend und wies den US-Botschafter Volpe an, alle Anschuldigungen von sich zu weisen und sich öffentlich auf die Seite des Ministerpräsidenten zu stellen. Andreotti sollte durch die US-Unterstützung einerseits Zeit gewinnen, um eine mögliche Rechtswende der Sozialisten unter der neuen Führungsfigur Bettino Craxi abzuwarten und dadurch wieder eine stabile centro-sinistra-Koalition zu ermöglichen. Andererseits sollte er durch eigene politische Erfolge und eine Reform der DC wieder Wähler für die Christdemokraten gewinnen können. Nicht zuletzt sollte Andreotti auch gegen die Befürworter einer christdemokratischkommunistischen Annäherung in der Democrazia Cristiana, so vor allem gegen Aldo Moro, gestärkt werden. Vor diesem Hintergrund waren die Korruptionsvorwürfe gegenüber Andreotti von US-amerikanischer Seite unerwünscht und Außenminister Kissinger unterstrich gegenüber Botschafter Volpe: „The United States Government supports the Prime Minister and his government and wishes them every success in carrying out their announced program while insuring that undemocratic political forces will not enter the government.“300 Eine Woche nach der italienischen Parlamentswahl begann am 27. Juni 1976 das zweitägige Gipfeltreffen der sieben führenden Wirtschaftsnationen im knapp 20 Kilometer westlich der puerto-ricanischen Hauptstadt San Juan gelegenen Dorado Beach Hotel. Moros Einladung nach Puerto Rico hatte für die USRegierung aufgrund der inneritalienischen Situation bereits vor den Wahlen höchste Priorität gehabt, um das Vertrauen in die christdemokratische Regierung
299 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (4), Box 8, Coup Plotting in Italy, 28.04.1976, S. 2. 300 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy-State Department Telegrams, From SECSTATE-NODIS (3), Box 8, Telegramm von Henry Kissinger an John Volpe, 10.09.1976, Washington D.C.
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öffentlich zu unterstreichen.301 Ein Streitpunkt war im Vorfeld der offizielle Pressetext zur Einberufung des Gipfels gewesen. Aldo Moro wehrte sich gegen eine Passage, die beinhaltete, dass die teilnehmenden Nationen es begrüßen würden, wenn die aktuelle italienische Regierung an dem Gipfeltreffen teilnehmen könne. Moro und auch US-Botschafter Volpe302 zufolge hätte diese Passage die Möglichkeit der Abwahl der christdemokratischen Regierung in den Wahlen knapp eine Woche vor dem Gipfeltreffen impliziert und somit indirekt den Kommunisten in die Hände spielen können.303 Nach den Einwänden wurde die Passage entsprechend überarbeitet.304 Im Zuge der unklaren Mehrheitsverhältnisse nach den Wahlen forderte Moro eine noch stärkere Berücksichtigung Italiens in der internationalen Politik, welche die Unterstützung des Westens für eine christdemokratisch geführte Regierung untermauern sollte.305 Der Ausgang der Wahlen machte den richtigen Umgang mit dem kommunistischen Einfluss im italienischen Parlament nun zum inoffiziellen Hauptthema des Gipfeltreffens.306 Drei Tage vor Beginn wies CIA-Direktor Bush den Präsidenten darauf hin, dass insbesondere die Bundesrepublik, Frankreich und Großbritannien mögliche Finanzhilfen an Italien thematisieren würden.307 Die sieben anwesenden Regierungs- bzw. Staatschefs debattierten diese Frage mit ihren Stäben intern, um weiteren öffentlichen Druck
301 GFPL, National Security Adviser, Presidential Correspondence with Foreign Leaders, Italy-Prime Minister Aldo Moro, Box 2, Memorandum von Brent Scowcroft an John Volpe, 31.05.1976. 302 GFPL, National Security Adviser, Presidential Correspondence with Foreign Leaders, Italy-Prime Minister Aldo Moro, Box 2, Telegramm von John Volpe an Brent Scowcroft, 01.06.1976. 303 GFPL, National Security Adviser, Presidential Correspondence with Foreign Leaders, Italy-Prime Minister Aldo Moro, Box 2, Telegramm von John Volpe an Brent Scowcroft, 02.02.1976. 304 GFPL, National Security Adviser, Presidential Correspondence with Foreign Leaders, Italy-Prime Minister Aldo Moro, Box 2, Memorandum von Brent Scowcroft an John Volpe, 02.06.1976. 305 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/75-3/31/76, Box 28, „Vice President’s Meeting with Ambassador Sensi“ von Jon Howe, 15.09.1976, Washington D.C., S. 1. 306 Vgl. Giuliano Garavini: After Empires. European Integration, Decolonization, and the Challenge from the Global South 1957–1986, Oxford 2012, S. 211. 307 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Country File Italy, Box 5, Memorandum von George Bush an Gerald Ford, 24.06.1976, Washington D.C.
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vor der italienischen Regierungsbildung zu vermeiden.308 Der Fakt, dass die DC stärkste Partei in den Wahlen geblieben war, wurde von der CIA als wichtiger Meilenstein gesehen, um weitere Finanzhilfen der EG-Staaten, vor allem der Bundesrepublik Deutschland, für Italien zu sichern.309 Bundeskanzler Schmidt hatte bereits vor dem Gipfeltreffen in Puerto Rico angekündigt, die Finanzhilfen für Italien intern zur Debatte zu stellen und diese an die Bedingung zu koppeln, dass der PCI nicht offizieller Teil der Regierung werde.310 Moro selbst wurde als amtierender italienischer Regierungschef offensichtlich nicht direkt auf die Situation in Italien angesprochen. Nach seiner Rückkehr aus Puerto Rico sah er das Schweigen der Regierungschefs ihm gegenüber als Zeichen für die Billigung einer kommunistischen Tolerierungspolitik an.311 Sonnenfeldt machte in einem Telegramm an Botschafter Volpe deutlich, dass gegenüber der italienischen Öffentlichkeit kommuniziert werden solle, in Puerto Rico habe man lediglich eine informelle Diskussion über die Situation in Italien geführt, die zu keinen gemeinsamen Handlungsabsprachen geführt habe.312 Dennoch zeigten Schmidts öffentliche Äußerungen Wirkung. Giulio Andreotti beschwerte sich, dass dadurch die Bildung einer nichtkommunistischen Regierung schwerer geworden sei.313 Knapp zwei Wochen nach Ende des Gipfeltreffens lehnte es Andreotti aus Protest ab, den US-amerikanischen Schatzminister William E. Simon in Rom zu empfangen. Simon hatte sich
308 Vgl. Antonio Varsori: Puerto Rico (1976). Le potenze occidentali e il problema comunista in Italia, in: Ventunesimo Secolo, VII, Nr. 16/2008, S. 89–121. 309 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (6), Box 8, The Meaning of the Italian Elections: An Interim Assessment, CIA Study, 24. Juni 1976, S. 2. 310 Ebenda. 311 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Italy-State Department Telegrams to SECSTAT-NODIS (4), Box 9, Telegramm von John Volpe an Arthur A. Hartman, 08.07.1976, Rom. 312 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy-State Department Telegrams, From SECSTATE-NODIS (3), Box 8, Telegramm von Helmut Sonnenfeldt an John Volpe, 20.07.1976, Washington D.C. 313 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Italy-State Department Telegrams to SECSTAT-NODIS (4), Box 9, Telegramm von John Volpe an Henry Kissinger, 19.07.1976, Rom.
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ursprünglich über die Finanz- und Wirtschaftspolitik der neuen italienischen Regierung austauschen wollen.314 In der US-Regierung war man sich nach den Wahlen und der Programmabsprache zwischen DC und PCI über die parlamentarische Unterstützung der christdemokratischen Minderheitsregierung einig, dass nur eine Erneuerung der Democrazia Cristiana und die Wiederherstellung der centro-sinistra-Koalitionen zu einer Reduktion des kommunistischen Einflusses führen werde.315 Im Falle der Sozialisten wurde der unter Bettino Craxi eingeleiteten Rechtswende eine Schlüsselstellung eingeräumt.316 Allerdings gab eine Analyse des National Security Councils zu bedenken, dass die Sozialisten Ende September 1976 noch in knapp der Hälfte der 94 italienischen Provinzialregierungen und in sechs von 20 Regionalregierungen mit den Kommunisten koalierten.317 Ebenso formierte sich um den entmachteten Generalsekretär De Martino bereits eine Anti-Craxi-Fraktion im PSI, die weiterhin an der langfristigen Strategie einer kommunistischen Alternative mit dem PCI festhalten wollte. Im Falle der Christdemokraten sollte die Unterstützung der US-Regierung für Ministerpräsident Andreotti eine zentrale Rolle einnehmen. Die Abhängigkeit der Regierung von den Kommunisten sollte so gering wie möglich gehalten werden.318 Gleichzeitig wurden Maßnahmen ergriffen, um eine weitere Aufwertung des PCI zu unterbinden. So sollte Kissinger den designierten Präsidenten der Europäischen Kommission und LabourPolitiker Roy Jenkins davon abhalten, bei seinem Italienbesuch neben Vertretern der Christdemokraten und Sozialisten auch Enrico Berlinguer zu empfangen.319
314 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, Backchannel Messages, Europe-Latin America, Box 18, Telegramm von John Volpe an Brent Scowcroft und Henry Kissinger, 13.08.1976, Rom. 315 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/76-9/30/76, Box 28, „Meeting with Jeno Paulucci and Ambassador Volpe“ von Brent Scowcroft und William J. Baroody Jr., 16.09.1976, Washington D.C., S. 2. 316 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Country File Italy, Box 5, Italian Socialists Remain the Key to Formation of NonCommunist Coalition von John McLaughlin, 24.09.1976, S. 2f. 317 Ebenda, S. 3. 318 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 10/1/76-12/5/76, Box 28, Memorandum von Jon Howe an Nelson Rockefeller, ohne Datum [ca. Dezember 1976], S. 2. 319 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Italy-State Department Telegrams to
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Als dieser schließlich doch mit dem PCI-Generalsekretär zusammentraf, beschwerte sich Kissinger persönlich bei Premierminister und Parteichef Callaghan. Da Jenkins noch bis zum 10. September 1976 als britischer Innenminister amtierte, sah der US-Außenminister durch den Kontakt zu Berlinguer eine unnötige Aufwertung der italienischen Kommunisten durch die Regierung des Vereinigten Königreiches. Callaghan antwortete, dass Jenkins nicht in seiner Funktion als britisches Regierungsmitglied und Labour-Politiker, sondern als designierter Präsident der Europäischen Kommission mit Berlinguer zusammengetroffen war.320 Um die Reform der DC voranzutreiben, verzichtete Andreotti auf die Berufung eines Teils der überalterten Führungsspitze in die Regierung. So erhielten Moro, Rumor, Zaccagnini und Colombo keines der 20 Ministerämter. Als direkte Folge begann die US-Regierung Vertreter des christdemokratischen Reformflügels zu unterstützen, um deren Aufwertung, innerparteiliche Reformen und eine Verjüngung der Führungsspitze zu erreichen.321 Auch der italienische Staatspräsident Giovanni Leone verlangte durch seinen Vertrauten Federico Sensi eine Beratung der Democrazia Cristiana von Seiten der US-Regierung: „Sensi asked if it would be possible to establish a process of close consultations between Rome and the White House/State Department aimed at assisting the DC in its efforts to strengthen and broaden its base, to take advantage of voter disaffection with the smaller parties and to increase its effectiveness against the PCI.“322 Zuvor hatte sich Sensi im Namen des Staatspräsidenten für die konstruktive Haltung der USRegierung hinsichtlich der Korruptionsvorwürfe gegen Leone in der LockheedAffäre bedankt.323 Um den Wahlerfolg der Christdemokraten nicht zu gefährden, hatte die US-Regierung öffentliche Anschuldigungen gegenüber Leone unterlassen, obwohl seine Beteiligung an der Bestechungsaffäre um den Flugzeughersteller
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SECSTAT-NODIS (4), Box 9, Telegramm von John Volpe an Henry Kissinger, 04.08.1976, Rom. TNA (Kew), Prime Minister's Office: Correspondence and Papers, 1974-1979, PREM 16/978 ITALY. Italian political situation: UK/US/French/German contact on aid to Italy and reaction to electoral gains by the Communist Party ofItaly, Protokoll eines Gespräches zwischen Henry Kissinger und Prime Minister Callaghan, 05.08.1976. Zum inneren Zustand der DC im Wahljahr 1976 siehe: Roland Fröhlich: Die Democrazia Cristiana nach 30 Jahren Machtausübung, in: Der Bürger im Staat, Nr. 3/1976, S. 161–165. GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (4), Box 8, Memorandum von A. Denis Clift an Brent Scowcroft, 11.09.1976, S. 1. Ebenda.
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Lockheed offensichtlich gewesen war.324 Aber bereits vor den Wahlen deuteten Analysen an, dass die Affäre der Democrazia Cristiana geschadet hatte.325 Auch entsprechende NATO-Analysen zeigten eine signifikante Auswirkung des Skandals.326 Letztlich musste Leone aufgrund der erdrückenden Beweislast am 15. Juni 1978 von seinem Amt als italienisches Staatsoberhaupt zurücktreten.327 Als besonders problematisch erwies sich die angestrebte Erneuerung der Democrazia Cristiana. Kissinger räumte gegenüber dem Präsidenten ein, dass die Wahl Benigno Zaccagninis zum neuen Nationalen Sekretär der Partei im Juli 1975 zwar eine Verbesserung erbracht habe, diese jedoch bei weitem noch nicht ausreichend sei. Vielmehr seien weitere Reformschritte nötig, die von der USRegierung unterstützt werden müssten.328 So machten sich der National Security Council und das State Department Anfang August 1976 für ein Zusammentreffen des Vizepräsidenten mit dem ehemaligen FIAT-Vorstandschef und damaligen Senator Umberto Agnelli stark, der zum reformorientierten Flügel der DC gezählt wurde.329 Agnelli war direkt nach seiner Wahl in den Senat zum Sprecher einer
324 Die US-Regierung versuchte durch entsprechende Enthüllungen der eigenen Nachrichtendienste vor allem die italienischen Sozialdemokraten zu diskreditieren und damit von der Beteiligung christdemokratischer Politiker abzulenken. Der ehemalige Staatspräsident Saragat, seinerzeit erneut Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei, warf daraufhin Botschafter Volpe vor, dass die USA den PSDI zerstören wollten. GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy-State Department Telegrams (3), Italy-State Department Telegrams to SECSTAT-NODIS (4), Box 9, Telegramm von John Volpe an Henry Kissinger, 27.07.1976, Rom, S. 2. Zur italienischen Dimension der Lockheed-Bestechungsaffäre siehe: William D. Hartung: Prophets of War. Lockheed Martin and the Making of the Military-Industrial Complex, New York 2011, S. 123f., 130; Anthony Sampson: Il supermercato delle armi. Le industrie degli armamenti, i venditori, le bustarelle dalla Vickers alla Lockheed, Mailand 1977. 325 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (5), Box 8, Memorandum von Daniel Parker an Gerald Ford, 17.05.1976, Washington D.C., S. 1. 326 NA, Political Affairs 1971-1975, CM(76)71, Half-yearly Review of Subversive and Intelligence Activities, Report by the NATO Special Committee, 24.11.1976, Brüssel, S. 6. 327 Vgl. Robin Erica Wagner-Pacifici: The Moro Morality Play. Terrorism as Social Drama, Chicago 1986, S. 23. 328 GFPL, Dale Van Atta Papers, Intelligence Chronological File: December 7, 1975, Intelligence Documents December 13–15, 1975, Box 10, CIA Morning Summary, 15.12.1975, S. 2; GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (3), Box 8, Memorandum von Henry Kissinger an Gerald Ford, 18.09.1975, S. 3, 5. 329 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/76-9/30/76, Box 28, Memorandum von
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Gruppe von knapp 50 jüngeren DC-Abgeordneten gewählt worden. In einer vielbeachteten Rede vor der Fraktion machte sich Agnelli für tiefgreifende Reformen in der DC stark. Dem PCI dürfe nicht nur mit einem plumpen Antikommunismus begegnet werden. Vielmehr müssten die Christdemokraten substantielle Antworten anbieten. Agnellis Reformanstrengungen wurden jedoch vom rechten und linken DC-Flügel kritisch gesehen. Der rechte Flügel wehrte sich gegen die technokratische Orientierung Agnellis und forderte eine klare christlichkonservative Werteorientierung der DC-Politik, der linke Flügel misstraute Agnelli aufgrund seiner Herkunft aus einer reichen, norditalienischen Unternehmerfamilie grundsätzlich.330 Die Ford-Administration musste bald erkennen, dass eine Reform der Democrazia Cristiana weder kurz- noch mittelfristig durchzusetzen war, da einerseits zu wenig fähige, junge Führungskräfte zur Verfügung standen und andererseits der Einfluss der etablierten, die Partei seit Ende des Krieges führenden Parteigrößen Andreotti, Fanfani, Forlani, Moro, Piccoli, Rumor und Zaccagnini zu weitreichend war, um diese zu entmachten. Desillusioniert stellte der Nationale Sicherheitsrat knapp drei Monate nach der Wahl fest, dass momentan nur die Rückkehr zu den alten Rezepten helfen könne: „The key to reducing Communist influence in Italian government is a renewed Christian DemocraticSocialist coalition.“331 Zu diesem Zweck sollte es vom 5. bis 8. Dezember Gespräche zwischen Ford, Kissinger, Scowcroft sowie Ministerpräsident Andreotti und Außenminister Forlani in Washington D.C. geben. Die Ford-Regierung setzte dabei einen Großteil ihrer Hoffnungen in die taktischen Fähigkeiten Andreottis: „His personal prestige is an important factor in the success of his government – and with it the fate of non-Communist government in Italy – over the next few
Robert Gates an Brent Scowcroft, 10.08.1976, Washington D.C.; GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/76-9/30/76, Box 28, Memorandum von C. Arthur Borg an Brent Scowcroft, 09.08.1976, Washington D.C. 330 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files, Country File Italy, Box 5, Italian Parties Prepare for Opening of Parliament von John McLaughlin, 22.09.1976, S. 2. 331 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 8/1/76-9/30/76, Box 28, „Meeting with Jeno Paulucci and Ambassador Volpe“ von Brent Scowcroft und William J. Baroody Jr., 16.09.1976, Washington D.C., S. 2.
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month.“332 Neben der Auslotung einer erneuten Annäherung zwischen DC und PSI sollte der Ministerpräsident dazu verpflichtet werden, der Kommunistischen Partei trotz der Programmabsprache in keinem Fall Regierungsposten anzubieten.333 Knapp zwei Wochen später schaltete sich auch Staatspräsident Leone in die Erneuerungsdebatte der DC ein. Erneut nutzte er dabei inoffizielle Kanäle. Am 22. Dezember traf sich der Westeuropaexperte im National Security Council Arthur Denis Clift mit Enzo De Chiara, dem italoamerikanischen Cousin von Vittoria Leone, der Frau des italienischen Staatspräsidenten. De Chiara übermittelte Kissinger und Scowcroft eine Liste von führenden DC-Politikern, die Staatspräsident Leone in ihren Fähigkeiten und somit in ihrer Förderungswürdigkeit durch die USA bewertet hatte. Leone hatte dabei deren Fähigkeiten mit einem bis drei Sternen versehen. Das Bewertungssystem reichte von „these are the best men for a revitalized DC party“ bei einem Stern über „less certain“ bei zweien hin zu „DC members not worth any attention“ bei drei Sternen.334 Allerdings konnten das Gipfeltreffen und Leones klandestine Bewertungen keine Wirkung mehr entfalten, da die Ford-Administration ihre Strategie nur noch für eine kurze Zeit umsetzen konnte. Am 2. November 1976 – weniger als fünf Monate nach der italienischen Parlamentswahl – verlor Amtsinhaber Gerald Ford die amerikanischen Präsidentschaftswahlen gegen den Demokraten James Earl Carter und musste im folgenden Januar die Amtsgeschäfte an ihn abgeben.335 Knapp zweieinhalb Wochen nach der Präsidentschaftswahl richtete das National Strategy Information Center, ein der US-Regierung nahestehender Think
332 GFPL, White House Central File, Subject File, Countries, CO 72 Italy 8/9/74 (Exec) to CO 72 Italy 12/5/76 (Exec), CO 72 Italy 10/1/76-12/5/76, Box 28, Memorandum von Jon Howe an Nelson Rockefeller, ohne Datum [Dezember 1976], S. 2. 333 Ebenda, S. 1f. 334 GFPL, National Security Adviser, Presidential Country Files for Europe and Canada, Country File: Italy (1), Italy (7), Box 8, Memorandum von A. Denis Clift an Brent Scowcroft, 23.12.1976, S. 2. 335 Der ehemalige Gouverneur von Georgia (1971–1975) Jimmy Carter entschied mit seinem Vizepräsidentschaftskandidaten Walter Mondale relativ überraschend die Wahlen am 2. November 1976 für sich. Das Gespann Carter/Mondale gewann dabei 297 Wahlmänner, die Mehrheit in 23 Bundesstaaten sowie im District of Columbia und 50,1 Prozent der Stimmen im Vergleich zu 240 Wahlmännern, 27 gewonnenen Bundesstaaten und 48,0 Prozent für den amtierenden US-Präsidenten Gerald Ford und dessen VizeKandidaten Robert Joseph („Bob“) Dole. Ein Wahlmann stimmte im Electoral College für den nicht angetretenen Republikaner Ronald Reagan. Zu den Präsidentschaftswahlen 1976 siehe: Jacob R. Straus: Presidential Election 1976, in: Larry J. Sabato/Howard R. Ernst (Hrsg.): Encyclopedia of American Political Parties and Elections, New York 2007, S. 362f.
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Tank, zusammen mit weiteren Institutionen vom 18. bis 21. November 1976 im südenglischen Winchester eine internationale Konferenz zum Thema „New Dimensions for the Defence of the Atlantic Alliance“ aus, die sich schwerpunktmäßig mit der Gefährdung der NATO durch den Eurokommunismus beschäftigte. Teilnehmer waren primär konservative Politiker und Militärs, so unter anderem der Oberkommandierende der NATO-Streitkräfte (SACEUR) in Europa Alexander Haig, der außenpolitische Berater von Franz Josef Strauß und CSUBundestagsabgeordnete Hans Graf Huyn und der Kommandeur der Streitkräfte des südafrikanischen Apartheid-Regimes Admiral Hugo Biermann. Während der Konferenz sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich positive Erfahrungen mit der auswärtigen Finanzierung von antikommunistischen Gruppen und Parteien von einem Land ins andere übertragen ließen.336 Vorgeschlagen wurde ein öffentliches Bildungsprogramm in westlichen Staaten, welches über die Loyalität der Eurokommunisten gegenüber der Sowjetunion aufklären sollte. Auch sprach man sich dafür aus, Staaten Kredite zu verweigern, die Kommunisten in die Regierung aufnahmen. Die grundsätzliche Analyse des Eurokommunismus fiel eindeutig aus: „‚Eurocommunism‘ is not a benign evolution, independent of Moscow.“337 Im Kampf gegen den Einfluss der Sowjetunion wurde auch die Verringerung oder Streichung der Gelder an internationale Organisationen, namentlich genannt wurde die UNESCO, in Erwägung gezogen, da diese Organisationen vom KGB unterwandert seien.338 Ebenso sollten Privatpersonen aus NATOStaaten, die an wissenschaftlichen, politischen und kulturellen Veranstaltungen in der Sowjetunion teilgenommen hatten, eng überwacht werden.339 Die Ergebnisse der Konferenz flossen nach dem Regierungswechsel in den USA wenige Monate später in die Arbeit des National Security Councils ein.340
336 JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, General IT 67 1/20/77-1/20/81 through Confidential IT 71-1 1/20/77-1/20/81, Box IT-6, Multinational Conference on New Dimensions for the Defense of the Atlantic Alliance, 1977, S. 4, 8f. 337 Ebenda, S. 8. 338 Ebenda, S. 13. 339 Ebenda, S. 14. 340 JCPL, White House Central File, Subject File, International Organizations, General IT 67 1/20/77-1/20/81 through Confidential IT 71-1 1/20/77-1/20/81, Box IT-6, Brief von Victor Utgoff an Frank R. Barnett, 10.09.1977, Washington D.C.
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6.2 „[…] potentially the gravest political problem we now have in Europe“341 – Wandel und Kontinuität der Italienpolitik in der Regierung Carter Während der Oppositionszeit unter Nixon und Ford hatten sich die USDemokraten lange Zeit dem Thema „Eurokommunismus“ verschlossen. Carter versuchte es weitgehend auszuklammern, da es für ihn ein hohes Maß an politischem Konfliktpotenzial beinhaltete. Einerseits war für die Demokraten offensichtlich, dass ein Wahlgewinn nur mit einer antikommunistischen Ausrichtung zu erreichen war. Andererseits spielte eine ernst gemeinte Menschenrechtspolitik, die sich durch Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten auszeichnen sollte, eine zentrale Rolle in Carters Wahlkampf. Da das Thema „Eurokommunismus“ zum Jahreswechsel 1975/76 immer stärker an Brisanz gewann, war Carter im Vorwahlkampf der Demokratischen Partei gezwungen, seine ursprüngliche Haltung aufzugeben und seine Position in der Öffentlichkeit zu verdeutlichen. Dass Carter sogar in einem Interview mit dem Erotikmagazin Playboy auf seine Position zur Kommunistischen Partei Italiens angesprochen wurde, offenbart die Resonanz, die der Eurokommunismus nun auch in den USA erfuhr.342 Der Medienhype über eine potenzielle Regierungsbeteiligung des PCI „reached an advanced stage of reactionary paranoia“343. Zusätzlich verlangte jetzt auch die zum Großteil politisch konservativ orientierte italoamerikanische Wählerschaft eine Klärung der Position Carters.344 So kam es im Vorfeld der USPräsidentschaftswahlen 1976 vermehrt zu öffentlichen Statements von Politikern der Demokratischen Partei zum Eurokommunismus und insbesondere seiner italienischen Variante. Jimmy Carter und sein späterer National Security Adviser Zbigniew K. Brzezinski propagierten dabei größtenteils einen offeneren Umgang mit den italienischen Kommunisten.345 Auch lehnte Brzezinski Kissingers Domi-
341 Anmerkung von Zbigniew Brzezinski zum Memorandum von Cyrus Vance und W. Michael Blumenthal an Jimmy Carter zitiert in: Gardner: Mission Italy, S. 328. 342 Vgl. Playboy, Nr. 11/1976, S. 56. 343 Mario B. Mignone: Italy Today. Facing the Challenges of the New Millennium, New York 2008, S. 114. 344 Im Vorfeld der italienischen Parlamentswahlen im Juni 1976 hatte sich das „Americans for a Democratic Italy Committee“ unter Führung von Paul Peter Rao, einem Richter am United States Customs Court gegründet, um eine Wahlkampagne gegen den PCI zu unterstützen. Vgl. Time Magazine, 14.06.1976, S. 25. 345 Vgl. Michael A. Ledeen: Western European Communism and American Foreign Policy, New Brunswick (N.J.) 1987, S. 161–170.
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no-Theorie ab, da sich die eurokommunistische Problematik in größerem Ausmaße nur in Italien stelle.346 Eine Rolle spielten dabei auch persönliche Faktoren, da Kissinger und Brzezinski bereits seit zwei Jahrzehnten erst in einem wissenschaftlichen, dann in einem politischen Konkurrenzverhältnis zueinander standen und beide eine tiefe gegenseitige Abneigung verband.347 Von der bisherigen „paternalistic role“348 der USA gegenüber Italien sollte unter der neuen demokratischen Administration Abstand genommen werden. Kissingers bereits erwähnte Rede zum Eurokommunismus vor der Versammlung der amerikanischen Zeitungsherausgeber im April 1976 wurde von den wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Beratern Carters – Zbigniew Brzezinski, George Ball und Paul Warnke – gar als extremistisch kritisiert.349 Noch weiter ging Edward Kennedy, der als Führungsfigur der Demokraten, Senator von Massachusetts und als Bruder der politischen Ikonen John F. und Robert Kennedy besonderes Gewicht in der Partei besaß. Kennedy ging davon aus, dass die Eurokommunisten ein ernsthaftes Interesse an der Loslösung von Moskau hätten, ein neues kommunistisches Schisma provozieren würden und daher den Interessen der USA dienen könnten.350 Damit näherte sich Kennedy der Position des Großteils der westeuropäischen Sozialdemokratie an. Präsident Ford hingegen beharrte auf der kompletten Isolierung der italienischen Kommunisten durch die USA. In einer Wahlkampfrede in New Hampshire am 19. Februar 1976 betonte Ford explizit, seine Regierung „would vigorously oppose any Communist participation in the Italian government. I don’t think you can have a Communist government or Communist officials in a government and have that nation a viable partner in NATO.“351 Carter hingegen zeigte sich in einem Interview mit dem Magazin Newsweek am 18. Mai 1976 offener gegenüber dem PCI: „I believe we should support strongly the democratic forces in Italy, but still we should not close the doors to Communist leaders in Italy for friendship with us.“352 Diese Position der prinzipiellen Gesprächsbereit-
346 Vgl. „Critics attack Kissinger’s Europe Domino Theory“ von Jonathan Steele, in: Manchester Guardian Weekly, 25.04.1976, S. 6. 347 Vgl. Sabine Feiner: Weltordnung durch US-Leadership? Die Konzeption Zbigniew K. Brzezinskis, Wiesbaden 2000, S. 20f. (dort insbesondere: Anmerkung 30). 348 Sherwood: American Foreign Policy, S. 2. 349 Vgl. Brauch: Eurokommunismus und europäische Sicherheit, S. 105ff.; FIG, APC, Estero, 1976, mf 0228, 0790, „Polemica fra l’ex sottosegretario Ball e Kissinger sulla ‚questione comunista‘“, in: L’Unità, 24.04.1976. 350 Vgl. Njølstadt: The Carter Administration, S. 58. 351 Gerald Ford zitiert in: Wollemborg: Stars, Stripes, and Italian Tricolor, S. 194f. 352 JCPL, Jimmy Carter Papers-Pre-Presidential, 1976 Presidential Campaign, Issues Office, Stuart Eizenstat Files, Foreign Policy 10/76 through Hatch Act 7/76, Foreign Policy
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schaft mit den italienischen Kommunisten wurde auch vom Politologen und Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik Karl Kaiser nach dessen US-Reise im Mai 1976 in die SPD-Parteizentrale übermittelt.353 Carters moderatere Haltung zum italienischen Eurokommunismus wurde ihm während der zweiten landesweiten TV-Debatte zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten von Ford vorgeworfen.354 Die infolge von Carters Wahlkampf bei den italienischen Kommunisten vorhandene Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel der Beziehung zur USRegierung erfüllte sich jedoch nicht.355 In der Realpolitik gab es auch nach dem demokratischen Wahlsieg in den Präsidentschaftswahlen 1976 kaum Änderungen in der Haltung der US-Regierung zum Eurokommunismus. Man war sich im Falle Italiens weiterhin der Möglichkeit zur Einflussnahme bewusst. So schrieb Richard N. Gardner, der neue Botschafter der USA in Italien, direkt nach seiner Ernennung an Außenminister Cyrus Vance: „There is no other major country in the world in which American policy has a greater impact on internal political developments than it does in Italy.“356 Es gab nur wenige Protagonisten der demokratischen Administration, so vor allem Vance, die die strategischen Chancen des Eurokommunismus aus US-amerikanischer Perspektive erkannten. Allerdings wurde der Außenminister schnell vom Einfluss Brzezinskis in den Schatten gestellt.357 Vance selbst kritisierte Brzezinski in seiner Autobiografie massiv für dessen Einmischung in die Außenpolitik der USA: „Despite his stated acceptance of this principle, and in spite of repeated instructions from the President, Brzezinski
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10/76, Box 18, Statement by the Press Secretary, White House, 08.10.1976, Lawton (Oklahoma), S. 2. Siehe hierzu auch: „Will Carter Administration Embrace ‚Eurocommunism‘?“ von Bryan Lops, in: Human Events, Nr. 51, 18.12.1976, S. 5. AdsD, Depositum Egon Bahr, Ausschuss für Internationale Beziehungen 1971–1976, 1/EBAA001095, Carters außenpolitische Konzeptionen und Berater von Karl Kaiser, Mai 1976, Bonn, S. 3. JCPL, Jimmy Carter Papers-Pre-Presidential, 1976 Presidential Campaign, Issues Office, Stuart Eizenstat Files, Foreign Policy 10/76 through Hatch Act 7/76, Foreign Policy 10/76, Box 18, Statement by the Press Secretary, White House, 08.10.1976, Lawton (Oklahoma), S. 2. Das Zentralkomitee des PCI hatte in der Hoffnung auf eine veränderte Italienpolitik nach der Wahl Carters sogar erstmals eine Arbeitsgruppe „USA“ eingerichtet. FIG, APCI, Estero, 1977, mf 0310, 1192-1194, Nota sul alcune iniziative Italia-USA in corso von Franco Calamandrei, 18.01.1977. Siehe hierzu auch: Pons: Berlinguer, S. 158f. Gardner: Mission Italy, S. 68. Vgl. David S. McLellan: Cyrus Vance, Totowa (New Jersey) 1985, S. 28f., 31-36, 115– 119.
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would attempt increasingly to take on the role of policy spokesman. At first, his public appearances, press interviews, and anonymous ‚backgrounders‘ to journalists were simply a source of confusion. Eventually, as divergences grew wider between my public statements and his policy utterances, Brzezinski’s practice became a serious impediment to the conduct of our foreign policy.“358 Bereits Ende September 1977 machte Brzezinski mit einer Europareise, die ihn nach Paris, London und Bonn führte, deutlich, dass er in der Carter-Administration als Hauptansprechpartner für Außen- und Sicherheitspolitik wahrgenommen werden wollte. Vances Einschätzung, dass der Eurokommunismus, vor allem die italienische Variante, der Sowjetunion langfristig mehr Probleme bereiten werde als dem Westen, konnte sich daher auch in der demokratisch geführten US-Regierung nicht durchsetzen.359 Eine Regierungsbeteiligung des PCI wurde bis auf wenige Ausnahmen von der gesamten politischen Elite der USA abgelehnt. Die wenigen anderslautenden Stimmen, so zum Beispiel die des ehemaligen Beraters von John F. Kennedy und US-Botschafters in Indien John Kenneth („Ken“) Galbraith, wurden als linke Einzelmeinungen abgetan.360 Der Eurokommunismus wurde hingegen auch während der Amtszeit Carters, wie bei den republikanischen Vorgängerregierungen, primär als von Moskau gesteuert oder instrumentalisiert perzipiert.361 Auf die öffentlichen Drohungen Kissingers wurde zu Beginn von Carters Amtszeit zwar verzichtet. Nichtsdestotrotz setzte sich der konfrontativ orientierte Brzezinski innerhalb des ersten Jahres von Carters Präsidentschaft als bestimmende Figur in der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik gegen den kooperativ orientierten Vance durch.362 Carter selbst bestätigte die aggressivere Rolle seines Sicherheitsberaters in der Eurokommunismusfrage zwölf Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt in einem Interview: „Brzezinski was much more concerned about (Euro) Communist threat than I was. And I was probably more
358 Cyrus Vance: Hard Choices. Critical Years in Americas’s Foreign Policy, New York 1983, S. 35f. 359 Vgl. Pöthig: Italien und die DDR, S. 366–370. 360 FIG, APC, Estero, 1978, mf 0365, 1330, „Galbraith: l’Italia va bene e tutti ne siamo soddisfatti“ von Paolo Garimberti, in: La Stampa, 13.09.1978. 361 Vgl. Walter Laqueur: Europa vor der Entscheidung, München 1978, S. 144. 362 Letztendlich demissionierte Cyrus Vance desillusioniert im April 1980 in Folge der Iran Hostage Crisis und Edmund Muskie, der bis dato Senator von Maine gewesen war, übernahm für die letzten neun Monate der Amtszeit Carters den Posten des Außenministers. Die Sowjetführung bedauerte den Verlust von Vance als den eines Politikers der „Mäßigung und des Wirklichkeitssinnes“. Vgl. AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, Eurokommunismus, 1/BFAA001938, Ost-Informationen des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, 29.04.1980, Bonn, S. 13.
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concerned […] than Cyrus Vance.“363 Die Mehrheit stellte auch unter der von Demokraten geführten US-Administration die konfrontativ orientierte Fraktion. Lediglich der Stil im Umgang mit dem Eurokommunismus wurde modifiziert. Die Demokraten verfolgten nun eine „politique plus subtile, combinant le dialogue et la fermeté“364. Nach außen hin schlugen Präsident Carter, Außenminister Vance und Sicherheitsberater Brzezinski in ihrem ersten Amtsjahr moderatere Töne als ihre republikanischen Vorgänger an. Carter selbst äußerte sich nur in geringem Maße zu den italienischen Kommunisten. Sein Kenntnisstand über den westeuropäischen Kommunismus im Allgemeinen und den italienischen Kommunismus im Speziellen ist daher schwer einschätzbar. Grundsätzlich schien Carter den italienischen Kommunisten gegenüber „very relaxed“365 und im Zuge seiner Menschenrechtspolitik zumindest zu Beginn seiner Amtszeit offen für eine größere Kommunikationsbereitschaft. Unterbrochen wurden die Andeutungen einer Gesprächsbereitschaft mit dem PCI jedoch immer wieder durch antikommunistische Statements von Carter, die wahrscheinlich dem Wahlkampf geschuldet waren. So sagte Carter beispielsweise in seiner Rede auf der Democratic Issues Conference in Louisville (Kentucky) am 23. November 1975: „I would certainly hate to see Italy go Communist.“366 Die zentrale Rolle, die Italien für die US-amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik Ende der 1970er Jahre wieder spielte, zeigte sich unter anderem daran, dass der US-Vertreter in Rom der erste von Präsident Carter neu ernannte Botschafter wurde. Bereits kurz nach der Amtsübernahme hatte Außenminister Vance gegenüber Präsident Carter betont: „We need very urgently to have an outstanding Ambassador to Italy.“367 Der Demokrat Richard N. Gardner übernahm im März 1977 diesen für die USA zentralen Botschafterposten in Europa, nachdem sein republikanischer Vorgänger bereits kurz vor der Amtsübergabe von Ford an
363 Interview mit Jimmy Carter am 20. Oktober 1993 in Atlanta, zitiert in: Njølstadt: The Carter Administration, S. 68. 364 Wall: Les États-Unis, S. 367. 365 Sherwood: American Foreign Policy, S. 45. 366 Jimmy Carter zitiert in: United States of America, Congress, House of Representatives, Committee on House Administration (Hrsg.): The Presidential Campaign 1976, Vol. 1, Part 1: Jimmy Carter, Washington D.C. 1978, S. 82. 367 Cyrus Vance zitiert in: JCPL, Staff Offices, Speechwriter’s Office, Chronological File, 3/18/77 Swearing-In Ambassador [Richard N.] Gardner through 4/18/77 Energy Speech [3], 3/18/77 Swearing-In Ambassador [Richard N.] Gardner, Box 3, Remarks of the President and Ambassador Richard Gardner, 18.03.1977, Washington D.C., S. 1.
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Carter im Januar 1977 zurückgetreten war.368 Gardner, ein liberaler Professor für internationales Recht an der New Yorker Columbia University, der die Landessprache fließend beherrschte, galt als Symbolfigur und Hoffnungsträger eines neuen Umgangs der Vereinigten Staaten mit Italien.369 Gardner war im Wahlkampf neben Brzezinski und Vance einer der engsten außenpolitischen Berater Carters gewesen und wurde sogar für den Posten des Außenministers gehandelt. Dass der neue Präsident nun einen seiner wichtigsten Experten als Botschafter nach Italien sandte, wurde von den dortigen Medien mit großem Interesse wahrgenommen.370 Besonders Gardners Ehe mit der Italienerin Danielle Gardner (geb. Luzzatto), Tochter des Ökonomen Bruno Luzzatto aus Venedig und durch ihre Tätigkeit als Journalistin bei Rai TV landesweit bekannt, wurde von den einheimischen Medien positiv hervorgehoben.371 Die linken Tageszeitungen erinnerten daran, dass Bruno Luzzatto nach Einführung der Rassengesetzgebung in Italien mit seiner Familie in die USA emigriert war und lobten die Gardners als große antifaschistische Familie.372 Die linksliberale Tageszeitung La Repubblica schrieb vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den bisherigen US-Botschaftern, dass Gardner als Italienfreund und -kenner hoffentlich den Unterschied zwischen einem Botschafter und einem Prokonsul sowie einem befreundeten Staat und einer Kolonie kenne.373 Gardner wurde auch von der kommunistischen Presse als „ambasciatore del non intervento“374 (dt. „Botschafter der Nichteinmischung“)
368 GFPL, Ford Library Project File of Documents Declassified through the Remote Archive Capture (RAC) Program, NSA, Backchannel Messages, Europe-Latin America, Box 18, Telegramm von John Volpe an Gerald Ford, 06.01.1977, Rom. 369 Vgl. JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 1-4/78, Box 38, Italy 1-6/77, Italian Media Reaction to Designation of Richard N. Gardner as U.S. Ambassador to Italy, United States Information Agency, 1977; Wollemborg: Stars, Stripes, and Italian Tricolor, S. 232 370 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 14/78, Box 38, Italy 1-6/77, Italian Media Reaction to Designation of Richard N. Gardner as U.S. Ambassador to Italy, United States Information Agency, 1977, S. 3. 371 Ebenda. 372 Ebenda; L’Espresso, 12.01.1977, S. 6. 373 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 14/78, Box 38, Italy 1-6/77, Italian Media Reaction to Designation of Richard N. Gardner as U.S. Ambassador to Italy, United States Information Agency, 1977, La Repubblica, 07.01.1977, S. 5. 374 „Gardner ambasciatore del non intervento“ von Gianfranco Corsini, in: Paese Sera, 22.03.1977, S. 7.
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willkommen geheißen.375 Sein republikanischer Vorgänger John Volpe war hingegen als „John Golpe“376 – der „Staatsstreich-Botschafter“377 – gefürchtet gewesen.378 Die kommunistische Abendzeitung Paese Sera erhoffte sich von Gardner einen „more realistic attitude towards Eurocommunism“379. In den USA hatte die italoamerikanische Gemeinschaft seine Berufung hingegen größtenteils kritisiert. Zum einen wurde ein italienischstämmiger Botschafter gefordert, zum anderen erschien den mehrheitlich politisch konservativ geprägten Italoamerikanern Gardner als zu liberal.380 Die kurzfristig liberalere Haltung der neuen demokratischen US-Administration zeigte sich in dem ersten Memorandum zur Neuausrichtung der USamerikanischen Italienpolitik von Außenminister Cyrus Vance und Finanzminister W. Michael Blumenthal an Präsident Carter im März 1977.381 Explizit wurde hierin das Ziel der Nichteinmischung in inneritalienischen Angelegenheiten festgeschrieben. Dennoch wurde auch in diesem, relativ moderat gehaltenen, Schriftstück die antikommunistische Stoßrichtung explizit benannt: „Our policy should be aimed at preserving Italy’s democratic system and its western role. We need to approach this objective without, on the one hand, appearing to interfere in Italy’s domestic politics or, on the other, giving the impression that we favor accommodation with Communists or are indifferent to Italy’s political choices.“382 Im Gegensatz zu den Nixon- und Ford-Administrationen wollte man jedoch die US-
375 Andererseits war Gardner als Mitglied der Trilateralen Kommission und enger Freund Brzezinskis überzeugter Antikommunist, was in der Presse jedoch in den ersten Wochen seiner Amtszeit kaum thematisiert wurde. 376 „Golpe“ ist das italienische Wort für Staatsstreich/Putsch. 377 Vgl. Patrick Meney: L’Italie de Berlinguer, Paris 1976, S. 111. 378 Siehe hierzu auch: Paul Ginsborg: A History of Contemporary Italy. Society and Politics 1943–1988, London 1990, S. 374; Paolo Mastrolilli/Maurizio Molinari: L’Italia vista dalla CIA. 1948–2004, Rom, Bari 2004, S. 76–97. 379 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 14/78, Box 38, Italy 1-6/77, Italian Media Reaction to Designation of Richard N. Gardner as U.S. Ambassador to Italy, United States Information Agency, Kommentar von John Cappelli in Paese Sera, 07.01.1977, S. 3. 380 JCPL, Name Files, Richard N. Gardner, Gardner, Richard N. (Ambassador to Italy), 1/1/79-1/20/81, Brief von Joseph Fay an Jimmy Carter, 24.02.1977, Bloomfield (New Jersey). 381 Bereits am 1. Februar 1977 hatte Brzezinski ein präsidentielles Memorandum zur Neuausrichtung der US-amerikanischen Westeuropapolitik verfasst und darin den Eurokommunismus als zentrales Thema benannt. Vgl. Njølstadt: The Carter Administration, S. 67. 382 Memorandum von Cyrus Vance und W. Michael Blumenthal an Jimmy Carter zitiert in: Gardner: Mission Italy, S. 323.
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amerikanischen Vorbehalte gegen eine kommunistische Regierungsbeteiligung „more in private than in public“383 den entsprechenden Akteuren mitteilen. Um eine bessere Kenntnis über den PCI zu erreichen, strebte man darüber hinaus an, die Visa-Beschränkungen für Mitglieder kommunistischer Parteien zu überdenken und vorsichtig Kontakte zu einzelnen Führungsmitgliedern des PCI herzustellen.384 In einem Kommentar an Präsident Carter zum Memorandum des Außen- und Finanzministers vom 14. März 1977 wies Sicherheitsberater Brzezinski darauf hin, wie wichtig es für die Vereinigten Staaten sei, „to recognize the Italian problem as fundamentally political – and potentially the gravest political problem we now have in Europe“385. Im Gegensatz zur Auffassung des Sicherheitsberaters betonte Vance, dass der Erfolg des PCI nicht primär als Resultat einer revolutionär-kommunistischen Partei, sondern vielmehr als Erfolg einer Partei sozialer Reformen und effektiver Regierungsführung auf lokaler und regionaler Ebene verstanden werden müsse.386 Direkt nach der Amtsübernahme geriet die demokratische Administration unter massiven Druck konservativer Oppositionskräfte in der Eurokommunismusfrage. Eine zentrale Rolle spielte dabei das 1976 gegründete Committee on the Present Danger387, welches eindringlich vor einer sowjetischen Strategie warnte, die unter anderem beinhalte, die Reformversuche kommunistischer Parteien als taktische Maßnahme zur Machterreichung in Westeuropa einzusetzen.388 Bereits im März 1977 – knapp zwei Monate nach Carters Amtseinführung – führte die seinerzeit vielgelesene Kolumne der beiden konservativen Journalisten Rowland Evans und Robert D. Novak zu einer öffentlichen Debatte über Carters Italienpolitik. Evans und Novak hatten den neuen US-Präsidenten für dessen vermeintlich liberale Haltung gegenüber dem Eurokommunismus kritisiert und ihm vor-
383 Ebenda, S. 325. 384 Ebenda. 385 Anmerkungen von Zbigniew Brzezinski zum Memorandum von Cyrus Vance und W. Michael Blumenthal an Jimmy Carter zitiert in: Ebenda, S. 328. 386 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 43. 387 Das von konservativen Republikanern dominierte Committee on the Present Danger wurde 1976 offiziell wiedergegründet, nachdem es bereits in der Eisenhower-Ära ein solches Komitee gegeben hatte. Nach dem Wahlsieg Ronald Reagans in der Präsidentschaftswahl 1980 übernahmen zahlreiche Mitglieder des Committee on the Present Danger einflussreiche Positionen in der republikanischen US-Administration. Zur Entwicklung des Committee siehe: Jerry W. Sanders: Peddlers of Crisis. The Committee on the Present Danger and the Politics of Containment, Boston 1983. 388 Vgl. Ernst-Otto Czempiel/Carl-Christoph Schweitzer (Hrsg.): Weltpolitik der USA nach 1945. Einführung und Dokumente, Bonn 1984, S. 364f.
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geworfen, kein klares Konzept im Umgang mit den westeuropäischen Kommunisten zu besitzen: „The recent events show the President has not yet made his choice.“389 Tatsächlich offenbarte eine Analyse der CIA über die Erwartungen ausländischer Regierungen an die neue US-Regierung, dass in der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Liberalisierung im Umgang mit den italienischen Eurokommunisten gerechnet wurde. Ursache hierfür waren mehrere widersprüchliche Interviews von President-elect390 Carter gewesen, die im Ausland den Eindruck einer unklaren Position des kommenden Präsidenten beim Thema Eurokommunismus erzeugt hatten.391 Auch fünf Monate nach der Amtsübernahme stellte eine von CIA, State Department und Defense Intelligence Agency392 gemeinsam erstellte Studie fest: „All across the spectrum, there is considerable uncertainty about precisely what present US policy and precisely how the US will react if Communists do enter the French and Italian Governments.“393 Evans und Novak wiesen auch auf die Uneinigkeit der zentralen Berater des Präsidenten hin. Während Sicherheitsberater Brzezinski die Weiterführung einer harten Linie gegen die italienischen Kommunisten präferierte, sprach sich Außenminister Vance für einen Wandel im Umgang mit dem PCI aus.394 Mitte März 1977 verhinderte Brzezinski sogar ein dem italienischen Eurokommunismus gegenüber offeneres Statement des Präsidenten, welches von Vance formuliert worden war.395
389 „Carter’s Dilemma with Eurocommunists“ von Rowland Evans/Robert Novak, in: The Washington Post, 31.03.1977, S. A5. 390 Als „President-elect“ wird der gewählte US-Präsident vor dessen Amtseinführung bezeichnet. In diesem normalerweise zweieinhalb Monate andauernden Zeitraum, gilt der Amtsinhaber umgangssprachlich als „lame duck“. Von ihm wird erwartet, keine neuen politischen Initiativen bis zur Amtsübergabe an seinen Nachfolger zu ergreifen. 391 JCPL, Donated Historical Material – Mondale, Walter F., Box 227, CIA Intelligence Memorandum „Foreign Perceptions of the Incoming US Administration“, 07.01.1977, S. 8f. (PRESNET NLC 133-227-4-2-6). 392 Die DIA ist der Nachrichtendienst des US-Verteidigungsministeriums. 393 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Subject File, Box 17, Interagency Group Memorandum „The European Communist Parties“, 06.06.1977, S. III (PRESNET NLC-7-17-5-2-9). 394 Als Anhänger und Theoretiker des Totalitarismus lehnte Brzezinski generell die Unterscheidung verschiedener Kommunismen ab. Vgl. Zbigniew Brzezinski: The Grand Failure. The Birth and Death of Communism in the Twentieth Century, New York 1990. 395 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 14/78, Box 38, Italy 1-6/77, Telegramm von Zbigniew Brzezinski an Richard Gardner, USBotschaft Rom, mit einem Bericht von Rowland Evans und Robert Novak, 31.03.1977, Washington D.C.
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Diese divergierenden Meinungen setzten sich bis in die entsprechenden Stäbe fort. So gab es im Außenministerium Anhänger beider Positionen. Die neuen, zumeist jüngeren Mitarbeiter im State Department waren geprägt von Carters Menschenrechts- und Nichteinmischungspolitik und plädierten größtenteils für eine erhöhte Kommunikationsbereitschaft mit den italienischen Kommunisten, während die älteren, größtenteils in der McCarthy-Ära politisch sozialisierten Mitarbeiter nach der Kontinuität der aktiven Ablehnung des Eurokommunismus unter Nixon und Ford verlangten. Dadurch trafen zwei unterschiedliche Generationen von Analysten, Diplomaten und politischen Entscheidungsträgern aufeinander.396 Die Folge war ein „Amalgam for both points of view“397. Jimmy Carter scheiterte an der Lösung dieses Konflikts, da der Präsident selbst zwischen beiden Varianten schwankte und keine Grundsatzentscheidung fällte. Er gab daher die wenig griffige Formel von „non-indifferent non-interference“ für die amerikanische Italienpolitik aus, die einerseits die Nichteinmischung der USA dokumentierte, andererseits aber auch verdeutlichen sollte, dass die US-Regierung die weiteren Entwicklungen in Italien mit Aufmerksamkeit verfolgen werde.398 Nach der Kritik in der Washington Post und der Unsicherheit im westlichen Ausland über die Haltung der Regierung sah sich die Carter-Administration genötigt, am 6. April 1977 ein erstes öffentliches Statement zum Eurokommunismus abzugeben.399 Die Erklärung fasste die neue, flexiblere Haltung der Regierung zusammen. Jedwede Regierung, die durch Parteien gebildet werde, die grundlegenden westlichen Demokratievorstellungen entsprechen, würde von den USA akzeptiert werden, hieß es in dem Statement des Außenministeriums.400 Sicher-
396 Zum Konzept der Diplomatengenerationen siehe auch: Sönke Neitzel: Diplomatie der Generationen? Kollektivbiographische Perspektiven auf die Internationalen Beziehungen 1871–1914, in: Historische Zeitschrift, 296. Band, 2013, S. 84–113. 397 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 14/78, Box 38, Italy 1-6/77, Telegramm von Zbigniew Brzezinski an Richard Gardner, USBotschaft Rom, mit einem Bericht von Rowland Evans und Robert Novak, 31.03.1977, Washington D.C., S. 2. 398 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 45. 399 Die Erklärung des State Department vom 6. April 1977 ist abgedruckt in: Wollemborg: Stars, Stripes, and Italian Tricolor, S. 234f. 400 Olav Njølstadt gibt eine weitere Erklärung für den Inhalt des Statements. Ihm zufolge habe Mitterrand bei Carter um eine zurückhaltende Stellungnahme gebeten, da eine harte Haltung der US-Regierung Wähler in die Arme der französischen Kommunisten treiben würde und dadurch das Gewicht in der union de la gauche zugunsten des PCF verschieben könnte. Die französischen Wähler würden, so Mitterrand, auf jedwede US-
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heitsberater Brzezinski hatte eine härtere Formulierung präferiert, die sich explizit gegen eine von einer kommunistischen Partei dominierte oder beeinflusste Regierung wandte, war in diesem Fall jedoch überstimmt worden.401 In der Presse wurde das Statement größtenteils als Akzeptanz einer kommunistischen Regierungsbeteiligung aufgefasst, sofern der PCI keine Schlüsselministerien besetzen würde und Juniorpartner bliebe. Dies führte wiederum zum Protest Botschafter Gardners, der aus Rom eine deutliche Erklärung gegen eine Beteiligung des PCI in der Regierung forderte.402 Präsident Carter ergänzte daraufhin, auch auf Druck von Brzezinski, in einem Interview mit mehreren westeuropäischen Fernsehsendern am 25. April 1977 das Statement seines Außenministers: Die US-Regierung wünscht, dass „no totalitarian elements become either influential or dominant.“403 Am 3. Mai wurde der Text des Interviews vom Weißen Haus veröffentlicht.404 Tatsächlich wirkte sich der Druck der Kommunisten auf die italienische Regierung immer stärker aus. Umberto La Rocca, Andreottis persönlicher Experte für Außen- und Sicherheitspolitik, unterrichtete den stellvertretenden National Security Adviser David L. Aaron am 27. April 1977 darüber, dass der Ministerpräsident einen Umbau der Regierung zugunsten der Kommunisten in Erwägung ziehe. Statt einer reinen DC-Regierung sollten auch parteilose Abgeordnete, die auf den Listen des PCI gewählt worden waren, als Minister in die Regierung aufgenommen werden. Mitglieder der Kommunistischen Partei würden jedoch keinesfalls dazu gehören. Auch sollten diese technokratischen Minister keine Schlüsselpositionen wie das Finanz-, Justiz-, Verteidigungs- oder Außenressort übernehmen. Im Gegenzug für das personelle Entgegenkommen gegenüber dem PCI würde Andreotti inhaltliche Veränderungen in der Programmabsprache zu seinen Gunsten anstreben.405 Neuwahlen wollten sowohl die US-Regierung als auch Andreotti verhindern, da zehn Monate nach den Parlamentswahlen vom 20. Juni 1976 der Partito Comunista Italiano in Umfragen noch einmal zugelegt hatte und
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amerikanische Einmischungspolitik in westeuropäische Staaten mit einer Trotzreaktion antworten. Vgl. Njølstadt: The Carter Administration, S. 72ff. Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 59. JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 14/78, Box 38, Italy 1-6/77, Telegramm von Richard Gardner an Cyrus Vance, 08.04.1977, Rom. Jimmy Carter zitiert in: Sherwood: American Foreign Policy, S. 60. Vgl. Public Papers of the Presidents. Jimmy Carter, 1977, Band 1, Washington D.C. 1978, S. 777f. JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 14/78, Box 38, Italy 1-6/77, Memorandum von David Aaron für Jimmy Carter, 28.04.1977, Washington D.C.
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nun vor der Democrazia Cristiana rangierte.406 Obwohl der italienische Ministerpräsident von der Idee einer Einbindung PCI-naher Minister abgebracht werden konnte, erhöhte sich der Druck konservativer außen- und sicherheitspolitischer Experten auf die Carter-Administration zusehends. So meldete sich Kissinger vor dem Hintergrund einer möglichen Gesprächsbereitschaft mit den italienischen Kommunisten im Juni 1977 öffentlich zu Wort und forderte keinerlei Kontaktaufnahmen: „We must avoid giving the impression that we consider Communist success a foregone conclusion by ostentatious association or consultation with Communist leaders or by ambiguous declarations. United States hesitation or ambiguity can, however, contribute to it.“407 Auch der rechte Flügel der Demokratischen Partei übte Druck auf Carter aus. Einflussreiche Kongressabgeordnete wie Frank Annunzio, eine wichtige Stimme der italoamerikanischen Gemeinschaft und ehemaliger Vorsitzender der Stahlarbeitergewerkschaft, oder Claiborne Pell, Senator von Rhode Island und ehemaliger US-Diplomat in Italien, warnten den Präsidenten im März 1977 in Briefen vor einer zu nachgiebigen Politik gegenüber dem PCI.408 Die Abhängigkeit der italienischen Regierung vom Stimmverhalten des PCI hatte das Thema mehr denn je in den Fokus der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik gerückt. Jede diesen Aspekt betreffende Aussage von USamerikanischen Regierungsmitgliedern wurde nun von Politik und Medien im Inund Ausland aufgegriffen und diskutiert.409 Ebenso kam es zu einer Vielzahl von Eingaben an das Weiße Haus zum Thema „Eurokommunismus“. Briefe und Materialien von international renommierten Wissenschaftlern wie Pierre Hassner410, Strategen wie dem Leiter des National Strategy Information Center Frank R. Barnett411, Journalisten wie George R. Urban412, Juristen wie H. Wayne Gillies413 oder
406 Im April 1977 gaben 36,2 Prozent der Befragten an, dass sie im Falle von Neuwahlen den PCI wählen würden. Die DC wäre nur noch auf 35,4 Prozent gekommen, während die Sozialisten bei 9,6 Prozent stagnieren würden und der MSI mit 6,7 Prozent der Stimmen hinzugewonnen hätte. Vgl. Kogan: The Italian Communist Party, S. 78. 407 Henry Kissinger zitiert in: Ledeen: Western European Communism, S. 168. 408 Vgl. Njølstadt: The Carter Administration, S. 77f. 409 „Every syllable uttered and every action taken by the U.S. is now endowed with political significance […]“, in: „Carter’s Dilemma with Eurocommunists“ von Rowland Evans/Robert Novak, in: Washington Post, 31.03.1977, S. A5. 410 JCPL, White House Central File, Subject File, Countries, Executive CO 75 4/1/791/25/80 through Confidential CO 78 8/1/79-1/20/81, CO 75 General 1/20/771/20/81, Box CO-37, Brief von Pierre Hassner an Zbigniew Brzezinski, 23.02.1977, Paris. 411 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Public and Congressional Correspondence, Dissident Release: S, 10/79 through Germany, American Council on, Euro-
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des Vorstandsvorsitzenden des Großkonzerns Motorola Robert W. Galvin414 zeigten die hohe Relevanz des Eurokommunismus in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Meist handelte es sich bei den Eingaben um selbsterstellte Analysen und Ratschläge zum Umgang mit den italienischen Eurokommunisten. Die Masse an Zuschriften führte dazu, dass eine Analyse von Richard McCormack, seinerzeit Scholar am American Enterprise Institute und späterer Staatssekretär in der Regierung von George H. W. Bush, im Weißen Haus intern als „another hastily compiled piece on Eurocommunism“415 abgeheftet wurde. Auch eine Studie zu den nachrichtendienstlichen Schwerpunktthemen der USA im Jahre 1978 zeigte die hohe Relevanz des italienischen Eurokommunismus auf. Die zukünftige Rolle des PCI wurde dort für die Außen- und Sicherheitspolitik der Vereinigten Staaten für wichtiger erachtet als beispielsweise die politische und ökonomische Entwicklung der Volksrepublik China, Indiens oder die des afrikanischen Kontinents.416 Durch die hohe politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Thema wurde die Flexibilität der Regierung deutlich verringert. So fand sich beispielsweise keine Mehrheit im Kongress, um die angestrebte Reform des McCarran Internal Security Act umzusetzen, welche die direkten Kontakte zu PCI-
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communism 2/79 [OA 6187], Box 5, Brief von Frank R. Barnett an Zbigniew Brzezinski, 06.02.1979, Washington D.C. JCPL, White House Central File, Subject File, Countries, Executive CO 75 4/1/791/25/80 through Confidential CO 78 8/1/79-1/20/81, CO 75 General 1/20/771/20/81, Box CO-37, Brief von George R. Urban an Zbigniew Brzezinski, 19.03.1977, Hove (Sussex). JCPL, White House Central File, Subject File, Countries, Executive CO 75 4/1/791/25/80 through Confidential CO 78 8/1/79-1/20/81, CO 75 General 1/20/771/20/81, Box CO-37, Brief von H. Wayne Gillies an Zbigniew Brzezinski, 19.09.1977, Houston; JCPL, White House Central File, Subject File, Countries, Executive CO 75 4/1/79-1/25/80 through Confidential CO 78 8/1/79-1/20/81, CO 75 General 1/20/771/20/81, Box CO-37, Brief von H. Wayne Gillies an Zbigniew Brzezinski, 19.01.1979, Houston. JCPL, White House Central File, Subject File, Countries, Executive CO 75 4/1/791/25/80 through Confidential CO 78 8/1/79-1/20/81, CO 75 General 1/20/771/20/81, Box CO-37, Brief von Robert W. Galvin an Zbigniew Brzezinski, 07.02.1978, Schaumburg (Illinois). JCPL, White House Central File, Subject File, Countries, Executive CO 75 4/1/791/25/80 through Confidential CO 78 8/1/79-1/20/81, CO 75 General 1/20/771/20/81, Box CO-37, Correspondence Profile White House, 01.08.1977. JCPL, Staff Material, Office, Box 133, National Intelligence Topics of Current Interest, 04.08.1978, S. 2 (PRESNET NLC-17-133-5-5-6).
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Politikern und somit die Informationsgewinnung erleichtert hätte. Dementsprechend blieb der Regierung lediglich eine Neuinterpretation des Gesetzes, die zu Visaerleichterungen für führende Kommunisten Westeuropas führte.417 Erst jetzt konnte die kommunistische Tageszeitung L’Unità ein Auslandsbüro im National Press Building in Washington D.C. eröffnen, was sich positiv auf den Informationsfluss zwischen PCI und US-Regierung auswirkte. Zeitweise sandte der Leiter des Büros Alberto Jacoviello seine Berichte und Kommentare zur US-Politik sogar direkt an die Büros von National Security Adviser Brzezinski und Joseph („Jody“) Powell, den Pressesprecher des Weißen Hauses.418 Die Ford-Regierung hatte im April 1976 das kommunistische Anliegen der Eröffnung eines Auslandsbüros noch deutlich abgewiesen.419 Am 1. Februar 1979 wurde Jacoviello sogar vom Foreign Service Institute des State Department, der zentralen Ausbildungsstätte für US-Diplomaten, zu einem zweistündigen Gedankenaustausch eingeladen.420 In der Visa-Frage agierte die Carter-Administration allerdings äußerst vorsichtig, um eine Instrumentalisierung durch die republikanische Opposition zu verhindern. Dem Wunsch des Bürgermeisters von Florenz Elio Gabbuggiani, einem ehemaligen Resistenza-Kämpfer und PCI-Mitglied, zur Eröffnung einer RenaissanceKunstausstellung im Frühjahr 1977 nach Detroit zu reisen, wurde nur stattgegeben, nachdem dieser sich verpflichtet hatte, die Einreise nicht als Politiker des PCI, sondern nur als Bürgermeister von Florenz in der Presse darzustellen.421 Ähnlich verlief der Empfang einer Delegation der umbrischen Kleinstadt Gubbio, deren Bürgermeister ebenfalls PCI-Mitglied war, in der Partnerstadt Jessup in Pennsylvania.422 In der Hoffnung auf einen Wandel der US-Politik gegenüber dem italienischen Eurokommunismus und um eine Verbesserung des Informationsstandes zu
417 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 47f. 418 JCPL, White House Central File, Subject File, Countries, Executive CO 75 4/1/791/25/80 through Confidential CO 78 8/1/79-1/20/81, CO 75 General 1/20/771/20/81, Box CO-37, Brief von Jerrold L. Schecter an Alberto Jacoviello, 29.10.1977, Washington D.C. 419 „U.S. allows Italian Communist Paper to open bureau“ von Ina Selden, in: The New York Times, 21.07.1977, S. 7. 420 FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0400, 1397, „Conferenza di Jacoviello a Washington“, in: L’Unità, 03.02.1979. 421 Vgl. Interview mit Peter Quandt (1977–1979 Diplomat in der US-Botschaft in Rom, 1979–1980 Senior Analyst für Italien beim Office of West European Analysis im State Department), in: Sherwood: American Foreign Policy, S. 48. 422 FIG, APC, Sezioni di lavoro, 1977, mf 0299, 0703-0704, Brief von Vinco Grossi an die Auslandsabteilung des PCI, Juli 1977.
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erreichen, wurde zu Beginn des Jahres 1977 vom Zentralkomitee des PCI eine Arbeitsgruppe „USA“ eingerichtet.423 In der Folgezeit war ein deutlicher Anstieg des Interesses US-amerikanischer Politiker und Wissenschaftler am italienischen Eurokommunismus zu verzeichnen. So kam es am 4. Mai 1977 im Palazzetto Venezia, dem Sitz der Società Italiana per l’Organizzazione Internazionale, zu einem kurzen Gespräch zwischen US-Botschafter Gardner und dem Fraktionsvorsitzenden des PCI im Senat Franco Calamandrei.424 Beide hatten sich bereits im November 1975 kennengelernt, als Calamandrei zusammen mit Segre als Teil einer Delegation der Interparlamentarischen Union in die USA hatte reisen können. Am 15. Juli 1977 traf Calamandrei mit Ciro Elliott Zoppo, Professor für Internationale Politik an der University of California und Berater der RAND Corporation, zusammen, um über die Konzeption des italienischen Eurokommunismus zu sprechen.425 Auch an den US-Universitäten erregte das Thema nun vermehrt Interesse, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie in Westeuropa. Studentengruppen, so zum Beispiel am Augustana College in Sioux Falls, South Dakota, fragten nun schriftlich bei der PCI-Parteizentrale an, um Gesprächspartner für studentische Kolloquien zum Thema Eurokommunismus zu gewinnen.426 Professoren wie John F. Leich vom Center for International Studies der Louisiana Tech University baten um ein Exemplar von Berlinguers Buch La politica internazionale dei comunisti italiani.427 Solche Wünsche wurden von der PCI-Zentrale im Normalfall umgehend erfüllt, da eine Verbesserung der Kenntnisse über den italienischen Eurokommunismus in den USA gewünscht war. Von Seiten der USRegierung wurde das zunehmende Interesse am PCI jedoch kritisch gesehen. So hieß es in einem Memorandum Helmut Sonnenfeldts an Außenminister Kissinger: „U.S. academics have become fascinated with European communists and are pressing State [gemeint ist das State Department, d. Verf.] to approve more interchanges. Many academics believe communists should share power and be forced to
423 FIG, APC, Estero, 1977, mf 0310, 1192-1194, Nota sul alcune iniziative Italia-USA in corso von Franco Calamandrei, 18.01.1977. 424 FIG, APC, Estero, 1977, mf 0310, 1197, Nota al comp. Pajetta, alla Segreteria, al compagno Segre von Franco Calamandrei, 05.05.1977. 425 FIG, APC, Sezioni di lavoro, 1977, mf 0299, 0706, Brief von Franco Calamandrei an Giancarlo Pajetta et al., 18.07.1977. 426 FIG, APC, Estero, 1978, mf 0331, 1016, Richiesta da parte del „Augustana College“ di un incontro sul tema dell’eurocomunismo, 24.07.1978. 427 FIG, APC, Estero, 1978, mf 0322, 2143, Brief von John F. Leich an die PCI-Parteizentrale, 15.03.1978, Ruston (Louisiana).
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make the tough governmental decisions. Others suggest that the Western European communists will be fiercely independent and pro-defense.“428 Im April 1978 konnte erstmals ein Führungsmitglied des PCI offiziell als Vertreter der italienischen Kommunisten und nicht nur als Mitglied einer parlamentarischen Delegation in die USA reisen, um öffentliche Vorträge zu halten.429 Giorgio Napolitano hielt sich für zwei Wochen in den Vereinigten Staaten auf und sprach unter anderem an den Universitäten Yale, Harvard, Princeton, der Washington University in St. Louis, der John Hopkins University und vor dem Council on Foreign Relations in New York über den italienischen Eurokommunismus.430 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Napolitanos Rede an der Harvard University zeugten von dem inzwischen vorhandenen Interesse am Thema.431 Allerdings hatte die US-Regierung auch in diesem Fall lange mit der Erteilung eines Visums gezögert. Erst nach langer Wartezeit erhielt Napolitano knapp zwei Wochen vor seiner geplanten Abreise die Nachricht, dass sein Antrag von der US-Botschaft positiv beschieden wurde.432 Kurz nach den Vorträgen konnte Napolitano seine Ausführungen in einem vielbeachteten Artikel in Foreign Affairs veröffentlichen.433 Bereits ein halbes Jahr vorher hatte Santiago Carrillo in die USA reisen können. Für Aufsehen hatte sein Auftritt an der Harvard University gesorgt, weil die Sektion der CPUSA von Massachusetts Flugblätter gegen den spanischen Generalsekretär verteilt hatte. Auslöser war Carrillos Nichtbeachtung der Streikpostenkette des Dienstpersonals an der Yale University wenige Tage zuvor gewesen.434 Im Herbst 1979 konnte Giovanni Berlinguer, der jüngere Bruder von Enrico, für mehrere Wochen in die USA reisen, um an einigen Konferen-
428 Notes of an Address by the Counselor of the Department of State (Sonnenfeldt), Washington D.C., March 31, 1976, in: United States Department of State (Hrsg.): Foreign Relations of the United States (FRUS), Vol. XXXVIII, Part 1, Foundations of Foreign Policy, 1973–1976, Washington D.C. 2012, S. 401f. 429 Vgl. König: Der rote Marsch, S. 282. 430 FIG, APC, Estero, 1979, mf 0322, 2146, „Napolitano negli USA, oggi parla a Princeton“ von Alberto Jacoviello, in: L’Unità, 05.04.1978. 431 FIG, APC, Estero, 1979, mf 0322, 2150, „Conferenza di Napolitano ad Harvard“ von Alberto Jacoviello, in: L’Unità, 13.04.1978. 432 FIG, APC, Estero, 1979, mf 0322, 2156, nota per Berlinguer, Pajetta, Segreteria von Giorgio Napolitano, 18.03.1978, Rom. 433 Giorgio Napolitano: The Italian Crisis. A Communist Perspective, in: Foreign Affairs, Vol. 56, Nr. 4/1978, S. 790–799. 434 PAAA, Bestand B 38, Zwischenarchiv, Bd. 115122, Fernschreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland an das Auswärtige Amt über den Auftritt des Generalsekretärs der PCE Carrillo in Boston, 23.11.1977, Boston.
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zen, so unter anderem an der John Hopkins University, der Harvard University, dem Massachusetts Institute of Technology und der Columbia University in New York, teilzunehmen. Vor dem USA-Aufenthalt hatte Berlinguer bereits Konferenzen in Venezuela und Mexiko beigewohnt, wo er allerdings als Experte für Sozialmedizin referierte.435 In den USA hingegen sprach er fast ausschließlich über den italienischen Eurokommunismus. Aufgrund der Haltung gegenüber dem PCI in den Vereinigten Staaten stellte er anschließend die rhetorische Frage: „Perché l’immagine che hanno moltissimi americani de comunisti deriva ancora dalle campagne degli anni `50, della guerra fredda?“436 Am 29. Oktober 1979 publizierte die New York Times sogar einen Leitartikel, den Enrico Berlinguer auf Anfrage der Zeitung anlässlich des 50. Jahrestages des Ausbruchs der Weltwirtschaftskrise von 1929 verfasst hatte. In dem Artikel zeichnete Berlinguer die Errungenschaften der Arbeiterbewegung seit der großen Krise nach.437 Seit 1977/78 kam es nun auch vermehrt zu international besetzten Konferenzen zum Thema „Eurokommunismus“ in den Vereinigten Staaten, so zum Beispiel vom 19. bis 21. Oktober 1978 am Monroe College in Rochester, New York.438 Sergio Segre und Franco Calamandrei nahmen für den PCI teil, während die USamerikanische Seite unter anderem durch den ehemaligen Berater der Präsidenten Kennedy und Johnson Arthur M. Schlesinger Jr. sowie die Professoren Norman Birnbaum, Peter Lange und Thomas A. Fabiano vertreten wurde.439 In seinem Einführungsvortrag zur zweiten Sektion mit dem Titel Foreign Policies and Security Policies of the Communist and Socialist Parties in Western Europe legte Cala-
435 Giovanni Berlinguer (1924–2015) galt seinerzeit als einer der renommiertesten Professoren für Sozialmedizin in Italien. Seit 1972 war er Abgeordneter für den PCI im Abgeordnetenhaus, später im Senat und im Europäischen Parlament, wo er seit 2004 auch Alterspräsident war. 2001 kandidierte er erfolglos für den Vorsitz der Democratici di Sinistra, der größten Nachfolgepartei des PCI. Die Eindrücke seiner USA-Reise Ende des Jahres 1979 verarbeitete er in einer Publikation: Giovanni Berlinguer: Un eurocomunista in America. Note di viaggio, Bari 1980. 436 „Warum stammt das Bild, das viele Amerikaner von Kommunisten haben, immer noch aus den Kampagnen der 1950er Jahre, aus dem Kalten Krieg?“. FIG, APC, Estero, 1979, mf 0427, 1913–1914, „Gli USA, un paese perplesso“ von Giancarlo Angeloni, in: L’Unità, 30.10.1979. 437 FIG, APC, Scritti e discorsi di Berlinguer, mf 0427, 0203-0207, Articolo per il New York Times von Enrico Berlinguer, 17.10.1979, Rom. 438 FIG, APC, Estero, 1978, mf 0365, 1367, Brief von Thomas A. Fabiano an Sergio Segre, 21.08.1978, Rochester (New York). 439 FIG, APC, Estero, 1978, mf 0365, 1368, „Conferenza negli USA sull’eurocomunismo“, in: L’Unità, 14.10.1978.
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mandrei die Außen- und Sicherheitspolitik des PCI dar. In seiner Rede zeichnete der Senator die Entwicklung des PCI in Relation zur NATO nach. So sei der PCI in der Nachkriegszeit deutlich kritischer gegenüber der NATO gewesen. Diese wiederum habe jedoch mit ihrem strikten Antikommunismus und der RollbackPolicy440 keinen Raum für eine Annäherung gelassen. Auch sei die Unterstützung der faschistischen Regime in Griechenland und Portugal ein Fehler der NATO gewesen. Ihren Kurswechsel gegenüber jenen Diktaturen zu Beginn der 1970er Jahre habe man im PCI aufmerksam und mit Wohlwollen verfolgt. Seitdem habe eine Annäherung beider Seiten stattgefunden. Italien habe sich mit der Verfassung von 1948 zum grundlegenden Wert der Freiheit bekannt. Der PCI habe diese Verfassung maßgeblich mit ausgearbeitet, ihr zugestimmt, sie unterstützt und verteidigt. Eine kommunistische Regierungsbeteiligung würde daher in keinster Weise gegen den Nordatlantikvertrag verstoßen.441 Besonders aufschlussreich war eine Zusammenkunft während des abendlichen Cocktail-Empfangs. Dort traf Calamandrei gemeinsam mit dem stellvertretenden Generalsekretär der italienischen Sozialisten Claudio Signorile auf Robert E. Hunter vom National Security Council sowie einige Italienexperten des State Department. Calamandrei berichtete im Nachhinein, dass sich das Gespräch nur um die Rolle des PCI in Italien gedreht habe und er deswegen nach einiger Zeit das Thema auf den Partito Socialista Italiano lenken musste, um Signorile nicht weiter außen vor zu lassen.442 Uneinigkeit herrschte in der US-Regierung über die Frage, wie man mit einem Antrag auf ein Einreisevisum von Enrico Berlinguer umgehen sollte. Außenminister Vance mahnte an, dass die Ablehnung eines solchen Anliegens die Cartersche Menschenrechtspolitik konterkarieren könnte, da man entsprechende Aktionen in sozialistischen Staaten schon häufig kritisiert habe. Andererseits würde die Erteilung eines Visums an den wichtigsten kommunistischen Politiker Italiens innenpolitisch eine massive Kampagne der Republikaner und konservativer Demokraten auslösen.443 Tatsächlich verstärkte Henry Kissinger seine öffentlichen
440 Zur Rollback-Policy siehe: Bernd Stöver: Rollback. An Offensive Strategy for the Cold War, in: Detlef Junker (Hrsg.): The United States and Germany in the Era of the Cold War. A Handbook, Band 1, 1945-1968, Cambridge (New York), Washington D.C. 2004, S. 97–102. 441 FIG, APCI, Estero, 1978, mf 0365, 1352-1360, Osservazioni introduttive von Franco Calamandrei, 28.09.1978. 442 FIG, APC, Estero, 1978, mf 0365, 1350, Nota sul viaggio von Franco Calamandrei, Oktober 1978. 443 JCPL, Plains File, Box 12, Memorandum von Cyrus Vance an Jimmy Carter, 08.03.1977, Washington D.C. (PRESNET: NLC-128-12-6-8-2).
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Angriffe auf die Carter-Regierung. Die Haltung des Präsidenten zum Eurokommunismus wurde dabei zum stärksten Kritikpunkt des ehemaligen Außenministers.444 Am 9. Juni 1977 warnte Kissinger auf einer von der Hoover Institution und dem American Enterprise Institute gesponserten Konferenz über Italien erstmals öffentlich vor der Naivität des Präsidenten im Umgang mit den Eurokommunisten.445 Zehn Tage später antwortete Außenminister Vance vor einem Millionenpublikum in der Fernsehsendung Issues and Answers des Senders ABC auf die Kritik Kissingers. Zum ersten Mal stellte ein ranghohes Mitglied der CarterRegierung explizit klar, dass die USA eine Regierung ohne Kommunisten bevorzugen würden und eine solche Regierungsbeteiligung eine Gefahr für die Sicherheit des Westens darstelle.446 In seiner Befürchtung, dass ein Erfolg eurokommunistischer Parteien das fragile Gleichgewicht der Supermächte zerstören könnte, wurde Kissinger auch von der CIA unterstützt. Diese hatte im Oktober 1976 in einer Studie über das Verhältnis der Sowjetunion gegenüber den westeuropäischen Kommunisten konstatiert: „Europe is the heaviest weight in the East-West balance of power, and it is there that any changes in the dividing lines between East and West will have the most serious implications.“447 Kissinger versuchte auch im internationalen Rahmen Druck auf die Carter-Regierung bezüglich ihrer Haltung gegenüber dem PCI aufzubauen. Während eines Treffens der Trilateralen Kommission448 vom 22. bis 25. Oktober 1977 in Bonn wurde ein Papier zum Eurokommunismus kontrovers diskutiert, das eine Arbeitsgruppe mit dem deutschen Politologen und Sozialdemokraten Richard Löwenthal, dem US-amerikanischen Politikwissenschaftler Jeremy R. Azrael und dem ehemaligen japanischen Botschafter in der Sowjetunion Tohru Nakagawa ausgearbeitet hatte. In dem Text wurde der Eurokommunismus im Gegensatz zu Kissingers Auffassung nicht als Gefährdung der demokratischen Systeme Westeuropas im Allgemeinen angesehen, sondern lediglich als Gefahr für den Zusammenhalt der NATO und der
444 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 48f. 445 Vgl. „Kissinger warns Carter of West European Communism“ von Murrey Marder, in: The Washington Post, 10.06.1977, S. A23. 446 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 51. 447 NAII, CIA-Research Study „Soviet Policy and European Communism“ von Gene Wicklund, Oktober 1976, S. 1 (PRESNET: CIA-RDP79T00889A000800190001-1). 448 Die im Juli 1973 von David Rockefeller gegründete Trilaterale Kommission sollte zu einer besseren Beziehung zwischen Nordamerika, Westeuropa und Japan beitragen. Zbigniew Brzezinski fungierte als erster Direktor der Institution. Zur Trilateralen Kommission siehe: Stephen Gill: American Hegemony and the Trilateral Commission, Cambridge (UK), New York 1990.
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EG.449 Den USA wurde geraten, nicht mit politischem oder ökonomischem Druck gegen eine eurokommunistische Regierungsbeteiligung zu arbeiten. Vielmehr sollte die Kooperation mit diesen Parteien gesucht werden, um sie in ihrer Entwicklung weg von Moskau zu unterstützen.450 Diese Position entsprach weitestgehend der Haltung der Bundesregierung und vor allem der SPD. Kissinger bezeichnete die Empfehlungen der Arbeitsgruppe als absurd. Er misstraute insbesondere Löwenthal, weil dieser in der Weimarer Republik Mitglied der KPD bzw. der KPD-O gewesen war und freundschaftliche Beziehungen zu Brzezinski pflegte.451 Gleichzeitig wollte der ehemalige Außenminister die Carter-Administration unter Druck setzen, um eine Regierungsbeteiligung des PCI konsequent abzulehnen.452 Er konnte die Veröffentlichung des Texts zwar nicht verhindern, mehrere Passagen, welche die Entwicklung der eurokommunistischen Parteien lobend erwähnten, wurden jedoch gestrichen oder im Sinne des ehemaligen Außenministers umformuliert.453 Prominente Unterstützung erhielt Kissinger unter anderem von George F. Kennan.454 Auch Ex-Präsident Ford forderte öffentlich ein härteres Vorgehen gegen die italienischen und französischen Kommunisten.455 Ford bezeichnete den Eurokommunismus in einer Rede vor dem Westminster College in Fulton, Missouri als „maskierten Stalinismus und verkappte Tyrannei“456. Carter warf er vor, durch seine nachlässige Politik zu einem Aufschwung der Eurokommunisten beigetragen zu haben. Überraschenderweise stellte sich mit Richard Gardner auch Carters Italienexperte an die Seite des republikanischen Kontrahenten. Brzezinski vermutete später, dass Gardner zu anfällig für die Kritik von rechts
449 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 52. 450 Vgl. Ebenda. 451 Zu Richard Löwenthals Haltung zum Kommunismus nach 1945 siehe: Mario Keßler: Kommunismuskritik im westlichen Nachkriegsdeutschland. Franz Borkenau, Richard Löwenthal, Ossip Flechtheim, Berlin 2011, S. 74–134; ders.: Franz Borkenau und Richard Löwenthal. Ihre Auseinandersetzung mit dem Sowjetkommunismus, Berlin 2008, S. 43– 50. 452 Vgl. Olivi: Carter e l'Italia, S. 123f. 453 Jeremy R. Azrael/Richard Löwenthal/Tohru Nakagawa: An Overview of East-West relations. Trilateral Commission Report. Triangle Paper 15, New York 1978, S. 22. 454 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Trip File, President, Guadeloupe 1/4-6/79, NSC Briefing Book [III], Box 16, Brief von George F. Kennan an James Reston, 28.11.1978, Princeton, S. 4. 455 Vgl. „Ford urges firm stand against West Europe’s Reds“ von Graham Hovey, in: The New York Times, 30.10.1977, S. 3. 456 Gerald Ford zitiert in: „Ex-Präsident Ford: Eurokommunismus ist verkappte Tyrannei“, in: Die Welt, 31.10.1977.
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gewesen sei, er habe als US-Botschafter in Rom dem Eurokommunismus gegenüber zu nachgiebig agiert.457 Trotz der Bekräftigung Brzezinskis im Herbst 1977, dass sich die USRegierung nicht durch öffentliche Statements direkt gegen kommunistische Regierungsbeteiligungen aussprechen werde, kam es wenige Monate später zur endgültigen Wende der bisherigen Politik der Carter-Administration gegenüber dem italienischen Eurokommunismus.458 Von nun an verlor der liberale Flügel in Carters Regierung deutlich an Einfluss.459
6.3 Die Wende in der Eurokommunismusfrage 1977/1978 Auslöser für die strategische Wende der Carter-Regierung war neben dem zunehmenden öffentlichen Druck die Regierungskrise in Italien im Januar 1978. Noch im Juli 1977 hatte Carter während des Staatsbesuchs von Andreotti im Weißen Haus die Abhängigkeit der italienischen Regierung vom kommunistischen Stimmverhalten humorvoll kommentiert: „As you may or may not know, he doesn't speak English and I don't speak Italian. So we carry on a conversation in Spanish. I got through with my first conversation with him today, and I discovered afterwards that we had promised to build eighteen water projects in Italy. And he had promised to send the Communists over to me to help me run the Government. So we decided from then on to use an interpreter.“460 Doch seit November 1977 befand sich Andreottis christdemokratische Minderheitsregierung in Bedrängnis, da der PCI nach mehr Einfluss verlangte. Am 7. Dezember forderte Generalsekretär Berlinguer erstmals öffentlich eine offizielle Regierungsbeteiligung der Kommunistischen Partei. Wenige Tage später erhielt er die Unterstützung des neuen PSI-Generalsekretärs Bettino Craxi, der zwar kritisch gegenüber
457 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 53f. 458 Vgl. Ebenda, S. 54. 459 Die zunehmende Annäherung der Position Carters an die von Kissinger in der Frage des Umgangs mit dem PCI wurde von Seiten des State Department frühzeitig kritisiert. Bereits Mitte des Jahres 1977 wies der Assistant Secretary of State for Public Affairs und somit Sprecher des Außenministeriums Hodding Carter III. öffentlich auf diesen Umstand hin. Vgl. Wollemborg: Stars, Stripes, and Italian Tricolor, S. 252f. 460 JCPL, Staff Offices, Speechwriter’s Office, Chronological File, 7/21/77 – Southern Legislative Conference [Speech], Charleston, SC; [Remarks], Yazoo City, MS [1] through 8/2/77 – Remarks on Message on Drug Abuse to Congress, 7/26/77-7/27/77, State Visit Prime Minister Giulio Andreotti, Italy, Box 8, Exchange of Toasts between the President and His Excellency Giulio Andreotti, 26.07.1977, Washington D.C, S. 1.
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dem PCI eingestellt war, aus taktischen Gründen eine Einbindung der Kommunisten aber für sinnvoll hielt. Am 4. Januar 1978 verstärkte Berlinguer seine Forderung, indem er den Rücktritt Andreottis und die Bildung einer Koalition aller Parteien des Verfassungsbogens verlangte. Zusätzlich geriet Andreotti unter den Druck der Gewerkschaften, die ein Ende des Sparkurses forderten, der wiederum als Gegenleistung für Kredite des Internationalen Währungsfonds verlangt worden war. Die Gewerkschaftsführer drohten dem Ministerpräsidenten gar mit einem befristeten Generalstreik im Januar 1978.461 Unter den verschiedenen Optionen, die einen Ausweg bieten sollten, galt die offizielle Aufnahme des PCI in die Regierungskoalition als am wahrscheinlichsten. Dies zwang die US-Regierung und vor allem Präsident Carter, die Haltung zum italienischen Eurokommunismus zu klären: Sollte man die Aufnahme der Kommunisten stillschweigend tolerieren oder Maßnahmen gegen die Beteiligung des PCI ergreifen und dadurch mit dem bislang praktizierten Grundsatz des „non-indifferent non-interference“ brechen? Innerhalb der US-Botschaft in Rom gab es hierzu verschiedene Meinungen. Insbesondere der CIA-Resident in Rom, Hugh Montgomery, und der Presseattaché der Botschaft John („Jock“) Shirley sprachen sich für ein härteres Vorgehen gegen den PCI aus. Die moderaten Kräfte wurden hingegen zunehmend von den Diskussionen über das weitere Vorgehen ausgeschlossen.462 In mehreren öffentlichen Reden betonte Botschafter Gardner die enge Verbindung der USA zu Italien. Während einer Grundsatzrede zum Thema „Italy and the United States: A Strategy of Cooperation“ am 30. November 1977 im sizilianischen Palermo stellte er als Beispiele für diese Verbundenheit die italoamerikanischen Spitzenpolitiker Joseph A. Califano, Minister für Gesundheit, Bildung und Wohlfahrt in Carters Kabinett, Präsidentenberaterin Margaret („Midge“) Costanza und den langjährigen Kongressabgeordneten Peter W. Rodino aus New Jersey heraus. Gardner fasste die Quintessenz seiner Rede am Ende im sizilianischen Dialekt zusammen: „Tutti semu d’un acqua tanti ciumi – We are of the same water from different rivers“.463 Spätestens nach einem Zusammentreffen mit Andreotti am 12. Dezember schloss sich Botschafter Gardner endgültig den Falken in der Botschaft an.464
461 Vgl. Keesing’s Contemporary Archives, 02.06.1978, S. 29005A. 462 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 54f. 463 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 14/78, Box 38, Italy 7-12/77, Richard Gardner an Jimmy Carter, Redemanuskripte, 15.12.1977, Rom. 464 Vgl. Giulio Andreotti: Diari 1976–1979. Gli anni della solidarietà, 2. Aufl., Mailand 1981, S. 158f.
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Wenige Tage später sandte er eine vorbereitete Rede an Carter, die explizit die Besorgnis des Präsidenten über eine Regierungsbeteiligung des PCI in Italien ausdrücken sollte. Auch der National Security Council warnte im Dezember vor einem schleichenden Kompromiss der Christdemokraten mit dem PCI zur Aufnahme von Kommunisten in die Regierung.465 Carter lehnte eine härtere Gangart gegenüber Italien allerdings vorerst ab, da er seine eigene Nichteinmischungspolitik nicht völlig ad absurdum führen wollte. Gleichzeitig wies das Außenministerium auf mögliche negative Folgen für Frankreich hin, wenn ein präsidentielles Statement vor der Regierungsbeteiligung der Kommunisten in Italien warnen würde. Dies könnte von großen Teilen der französischen Bevölkerung als direkte Einmischung der USA in die Innenpolitik eines souveränen westeuropäischen Staates angesehen werden und sich daher in Proteststimmen für den PCF niederschlagen, was wiederum die von den USA präferierte Vormachtstellung François Mitterrands in der sozialistisch-kommunistischen union de la gauche gefährden würde.466 Neben einer demonstrativen Einladung des bürgerlichen Premierministers Raymond Barre ins Weiße Haus im September 1977 sollte Carters Ablehnung, Mitterrand als Oppositionsführer vor den Wahlen zu empfangen, die Haltung der USA verdeutlichen.467 Italienbotschafter Gardner entschied sich, in dieser Krisensituation den Präsidenten persönlich in Washington D.C. aufzusuchen. Nach seiner Unterredung mit Carter sprach sich die US-Regierung deutlich gegen eine kommunistische Regierungsbeteiligung aus. Erneut war es jedoch zu einer Auseinandersetzung zwischen den Falken im NSC und den Vertretern des State Department gekommen, die laut Brzezinski „fuzzier, or vaguer, or more neutral positions“468 gegenüber dem italienischen Eurokommunismus vertreten hätten. Teilnehmer dieser Krisensitzung im Weißen Haus waren neben Botschafter Gardner unter anderem
465 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 14/78, Box 38, Italy 7-12/77, Memorandum von Robert Hunter an Zbigniew Brzezinski, 20.12.1977, Washington D.C., S. 1. 466 Sherwood: American Foreign Policy, S. 55. 467 Die Haltung des State Department und des National Security Advisers gegenüber Mitterrands Politik waren eindeutig: „There is a clear consensus in the U.S. Government that our interests would be better served by a continuation of a center-right government in France than by a Union of the Left, i.e. Mitterrands’s Socialist Party and the Communist Party.“ JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Country File, Europe 1/7712/78 through France 1-12/77, Europe 1/79-1/81, Box 22, Memorandum von Peter Tarnoff an Zbigniew Brzezinski, 12.08.1977, Washington D.C., S. 1. 468 Interview mit Zbigniew Brzezinski am 19.10.1993, zitiert in: Njølstadt: The Carter Administration, S. 85f.
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Sicherheitsberater Brzezinski, der neue CIA-Direktor Admiral Stansfield Turner, der stellvertretende Außenminister Warren Christopher, der stellvertretende Verteidigungsminister Charles Duncan Jr. und der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff George S. Brown.469 Die Krisensitzung kam zu dem Ergebnis, dass drei Szenarien für Italien realistisch seien: 1.) Es kommt zu einer Notstandsregierung mit Ministern des PCI. 2.) Der PCI wird offiziell in die parlamentarische Regierungsmehrheit aufgenommen und kann Nicht-Parteimitglieder, die ihm nahestehen, als technokratische Minister in die Regierung entsenden. 3.) Es kommt zu einer Neufassung der programmatischen Absprache mit Konzessionen an den PCI. Dieser wird dann weiterhin die Minderheitsregierung der DC parlamentarisch unterstützen, ohne eigene Minister in die Regierung zu entsenden.470 Aus Sicht der Teilnehmer sollte die dritte Option unterstützt und den Christdemokraten kommuniziert werden. Eine erzwungene Neuwahl fiel als vierte Möglichkeit aus, da die Kommunisten möglicherweise weiter hinzugewinnen würden. Zusätzlich musste davon ausgegangen werden, dass die kleinen Parteien der rechten und linken Mitte durch Wahlen drastisch geschwächt würden. Dementsprechend wäre die DC auch nach einer potenziellen Neuwahl in der ersten Jahreshälfte 1977 höchstwahrscheinlich parlamentarisch vom PCI abhängig gewesen.471 Vor dem Hintergrund des möglichen Rücktritts von Giulio Andreotti vom Amt des Ministerpräsidenten reagierte die US-Regierung am 12. Januar 1978 mit einer von Gardner und Brzezinski gemeinsam erarbeiteten Erklärung, die vom State Department veröffentlicht wurde: „Unsere führenden Regierungsvertreter haben wiederholt die amerikanische Ansicht zur Frage der kommunistischen Beteiligung an westeuropäischen Regierungen geäußert. Unser Standpunkt ist klar: Wir befürworten eine derartige Beteiligung nicht und würden einen kommunistischen Einfluß in jedem europäischen Land gerne verringert sehen. […] Die Vereinigten Staaten und Italien haben profunde demokratische Werte und Interessen gemeinsam, und wir glauben nicht, daß die Kommunisten diese Werte und
469 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Brzezinski Office File, Box 23, Presidential Review Committee Meeting, 11.01.1978, Washington D.C., (PRESNET NLC-15-23-1-3-6), S. 1. 470 Ebenda, S. 2 471 Ebenda, S. 3.
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Interessen teilen.“472 Wenige Wochen später betonte Präsident Carter im Februar 1978 in Paris erstmals in einer öffentlichen Rede, dass die Abwehr des Eurokommunismus eine zentrale Aufgabe der USA und ihrer NATO-Partner sei.473 Die nunmehr deutliche Ablehnung einer eurokommunistischen Regierungsbeteiligung in Italien wurde auch dem bundesdeutschen Botschafter Berndt von Staden in Washington vermittelt. Nach einem Gespräch mit George S. Vest, Assistant Secretary of State for European Affairs, übermittelte von Staden an das Auswärtige Amt: „Die Administration hält kommunistische Regierungsbeteiligungen in Westeuropa unverändert für höchst unerwünscht.“474 Ende Februar 1978 kam es wegen der politischen Krise in Italien zu einer Sitzung des National Security Council. Für den Fall einer kommunistischen Regierungsbeteiligung wurden folgende Schritte der US-Regierung vereinbart: ‐ Gesten der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Solidarität mit der italienischen Regierung sollten vermieden werden, insbesondere sollten keine Staatsbesuche mehr stattfinden. ‐ Eine genaue Überprüfung von Regierungsdokumenten sollte stattfinden, bevor sie über internationale Organisationen an Italien weitergereicht werden könnten. ‐ US-amerikanische Investoren in Italien sollten von der Position der Regierung überzeugt werden. ‐ Vom PCI sollte ein klares Bekenntnis zu US- und NATO-Truppen sowie den entsprechenden Stützpunkten in Italien verlangt werden.475 Kurze Zeit später wiederholten am 16. März 1978 US-Botschafter aus sechs westeuropäischen Staaten ihre Forderung gegenüber dem National Security Adviser vom 24. Januar und 6. März. Die Diplomaten beschwerten sich darüber, dass Westeuropa, „where our international political, military and economic interests are most heavily concentrated, has experienced in recent years a relative decline in
472 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Italy 5/78-Ivory Coast 1/77-1/81, Box 39, Italy 6-8/80, Erklärung des State Department vom 12.01.1978, Washington D.C. 473 Vgl. Pott/Strübel: Eurokommunismus aus Sicht der NATO, S. 133. 474 PAAA, Bestand B 32, Zwischenarchiv, Bd. 115950, Fernscheiben der bundesdeutschen Botschaft Washington an das Auswärtige Amt zur Haltung der US-Administration gegenüber dem Eurokommunismus, 18.01.1978, Washington D.C. 475 Vgl. Gardner: Mission Italy, S. 163.
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program resources in almost every area of cultural and information activity“476. Die Botschafter führten diesen Rückgang an Interesse und Mitteln der Regierung auf die Fehlannahme zurück, dass die Gemeinsamkeiten zwischen den USA und Westeuropa groß genug seien, um einer Fehlentwicklung hin zum Kommunismus vorzubeugen. Dies sei jedoch bei der jungen Generation keineswegs der Fall.477 Am dringendsten werde die zusätzliche Unterstützung für Italien, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Spanien, Portugal, Griechenland, die Türkei und Malta benötigt.478 Als erste Maßnahmen wurden Verbesserungen bei der Ausbildung in Englisch als erster Fremdsprache, dem Fulbright-Programm, dem internationalen Besuchsprogramm sowie die Erhöhung der Mittel für Übersetzungen US-amerikanischer Publikationen über die amerikanische Gesellschaft und Politik in westeuropäische Sprachen vorgeschlagen. Ebenso sollten die Botschaften mehr Mittel für Filme und Publikationen erhalten, um Medienkampagnen durchführen zu können.479 Brzezinski erkannte die Notwendigkeit solcher Maßnahmen und wandte sich an den Außenminister und John E. Reinhardt, den Direktor der US Information Agency, um eine Analyse der aktuellen Projekte erstellen zu lassen.480 In seiner Studie stimmte das State Department der Kritik der Botschafter zu: „Throughout Western Europe, the U.S. government has failed to emphasize the building and institutionalization of cultural and intellectual ties with America.“481 Kurze Zeit später wurde eine Erhöhung der Finanzmittel für Kooperationsprojekte beschlossen, wobei die italienische Situation eine besondere Aufwertung erhielt. Insbesondere Austauschprogramme sollten dadurch intensiviert werden. Diese Maßnahmen ähnelten denjenigen, die bereits 1947/48 angewendet worden waren: Unterstützung der christdemokratischen Regierung und der nichtkommunistischen Parteien, Erhöhung der wirtschaftlichen und finanziellen
476 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Country File, Europe 1/77-12/78 through France 1-12/77, Europe 1/77-12/78, Box 22, Memorandum for Dr. Zbigniew Brzezinski, The White House, 16.03.1978, Washington D.C., S. 1. 477 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Country File, Europe 1/77-12/78 through France 1-12/77, Europe 1/77-12/78, Box 22, Memorandum von Peter Tarnoff an Zbigniew Brzezinski, The White House, 16.03.1978, Washington D.C., S. 1. 478 Ebenda, S. 2. 479 Ebenda. 480 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Country File, Europe 1/77-12/78 through France 1-12/77, Europe 1/77-12/78, Box 22, Schreiben von Zbigniew Brzezinski an den Direktor der USIA und Cyrus Vance, ohne Datum [1978]. 481 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Country File, Europe 1/77-12/78 through France 1-12/77, Europe 1/77-12/78, Box 22, Memorandum von Peter Tarnoff an Zbigniew Brzezinski, 28.02.1978, Washington D.C., S. 1.
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Unterstützung durch die USA und öffentliche Statements gegen eine kommunistische Regierungsbeteiligung.482 Lediglich von verdeckten Finanzierungen wurde Abstand genommen. Die amerikanischen Medien nahmen diesen Strategiewechsel auf und berichteten umfassend über die neue, härtere Haltung Carters gegenüber dem PCI.483 Dadurch wurde das Bild eines in der Außen- und Sicherheitspolitik unsicheren US-Präsidenten untermauert, da Carter nun öffentlich mit dem selbst auferlegten Prinzip der Nichteinmischung gebrochen hatte, die ursprünglich das Kernstück seiner Menschenrechtspolitik hatte darstellen sollen. Elizabeth D. Sherwood weist darauf hin, dass das Statement des Außenministeriums am 12. Januar 1978 mehr auf dem innenpolitischen Druck denn auf der Krisensituation in Italien beruht haben könnte, da Henry Kissinger in einer Fernsehdokumentation im Kanal NBC am 13. Januar seine Thesen zum Eurokommunismus und der vermeintlichen Untätigkeit der Carter-Regierung einem Millionenpublikum dargelegt hatte.484 Die von Sherwood als „extremely simplistic and often misinformed“485 beschriebene Dokumentation stellte über den Inhalt und den Titel – A special film report on Communism and Terrorism in Western Europe – eine absurde Verbindung des Eurokommunismus zum Terrorismus in Italien her und heizte dadurch die Kritik an der Haltung Carters zum Eurokommunismus in den USA zusätzlich an.486 Tatsächlich sah der Großteil der US-Bevölkerung den italienischen Eurokommunismus weiterhin als Bedrohung. Eine Umfrage des Chicago Council on Foreign Relation zeigte bezogen auf die Frage „Wie groß wäre die Bedrohung für die USA, wenn in Italien Kommunisten durch friedliche und demokratische Wahlen an die Macht kommen würden?“ eindeutige Ergebnisse: 58 Prozent der Bevölkerung nahmen eine solche Regierungsbeteiligung des PCI als große Bedrohung oder zumindest als Bedrohung der USA wahr. Lediglich 33 Prozent sahen keine besondere oder gar keine Bedrohung der US-amerikanischen Sicherheitsinteressen in diesem Fall. Neun Prozent konnten sich keine
482 GML, Xerox 2050/865.00/2-748, Telegramm des US-Botschafters in Rom an den Secretary of State, 08.02.1948, Rom, S. 4f. 483 Vgl. „White House goes public; raps Italian Communists“ von Oswald Johnston, in: The Washington Post, 12.01.1978, S. A21; „Facing Eurocommunism“ von Rowland Evans/Robert Novak, in: The Washington Post, 25.01.1978, S. A21. 484 Die Einschaltquoten entsprachen jedoch nicht den Erwartungen Kissingers, was zu einem konfliktreichen Verhältnis gegenüber dem TV-Sender NBC beitrug. Vgl. Jussi Hanhimäki: The Flawed Architect. Henry Kissinger and American Foreign Policy, Oxford, New York 2004, S. 460. 485 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 57. 486 Vgl. Pierre Mélandri: Une incertaine alliance. Les Etats-Unis et l'Europe, 1973–1983, Paris 1988, S. 154f.
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Meinung bilden. Noch etwas stärker ausgeprägt war die Furcht unter den politischen und wirtschaftlichen Eliten der USA. Hier sahen 59 Prozent der Befragten eine Bedrohung der Vereinigten Staaten, falls die italienischen Eurokommunisten nach demokratischen Wahlen in die Regierung einziehen würden.487 Im März 1978 gab der PCI seine Forderung nach eigenen Ministerposten auf und beendete damit die Regierungskrise, nachdem es zu einem erneuten Abkommen zwischen DC und PCI gekommen war. Die Christdemokraten waren programmatisch auf die Kommunisten zugegangen und hatten versichert, diese in die parlamentarische Regierungsmehrheit aufzunehmen. Die Regierung der solidarietà nazionale konnte somit wieder als christdemokratische Minderheitsregierung unter der Führung Andreottis gebildet werden. Aufsehen erregte zeitgleich die Entführung des ehemaligen Ministerpräsidenten und DC-Parteipräsidenten Aldo Moro in der Via Fani in Rom am 16. März durch die Brigate Rosse. Moro, der als Symbol einer christdemokratisch-kommunistischen Annäherung galt, wurde exakt an dem Tag der Abstimmung über die neue Regierung im Parlament entführt. Bereits zwei Monate zuvor hatte Brzezinskis militärischer Berater, Colonel William E. Odom, den Sicherheitsberater auf CIA-Informationen aufmerksam gemacht, wonach in der politischen Linken Italiens massive Unzufriedenheit über die moderate Politik des PCI gegenüber der Regierung herrsche und die passive wie aktive Unterstützung des Linksterrorismus rapide zunehme.488 Nach der Ermordung Moros kam es zu einem Zusammentreffen Carters und Andreottis. In einem gemeinsamen Kommuniqué wurden Maßnahmen festgelegt, um den Austausch zwischen beiden Staaten zu intensivieren. So wurden unter anderem die finanziellen Mittel für das Fulbright-Austauschprogramm um 30 Prozent erhöht, Austauschprogramme für Lehrer intensiviert, die Anzahl von Stipendien für „Young Italian Leaders“ für eine USA-Reise verdoppelt, die Mittel für italienische Verlage zur Unterstützung von Übersetzungen amerikanischer Texte, vor allem aus dem Bereich Sozialwissenschaften, und die Anzahl der Städtepartnerschaften deutlich gesteigert.489 Italienbotschafter Gardners Strategie zielte zusätzlich auf
487 AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Arbeitsgruppe USA, 11922, American Public Opinion and U.S. Foreign Policy 1979, Chicago Council on Foreign Relation, John E. Rielly (Hrsg.), S. 16. 488 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 14/78, Box 38, Italy 1-4/78, Memorandum von William E. Odom an Zbigniew Brzezinski, 11.01.1978, Washington D.C. 489 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Italy 5/78-Ivory Coast 1/77-1/81, Box 39, Italy 5/78, Memorandum von John E. Reinhardt an David Aaron, 25.05.1978, Washington D.C.
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kulturelle Größen ab, die dem PCI angehörten oder ihm nahestanden. So initiierte er beispielsweise Zusammenkünfte mit Federico Fellini und Alberto Moravia in der US-amerikanischen Botschaft.490 Erst im Januar 1979 entzog der Partito Comunista Italiano den Christdemokraten endgültig die parlamentarische Unterstützung, da diese dem PCI keine offizielle Regierungsbeteiligung zugestehen wollten und auch nicht bereit waren, den Kommunisten nahestehende Technokraten als Minister zu berufen.491 Die USA setzten sich in dieser Phase erfolgreich dafür ein, ein deutliches Zeichen zu setzen und die italienische Regierung nicht zum Gipfeltreffen in Guadeloupe einzuladen.492 In dieser Krisensituation entschied sich Staatspräsident Sandro Pertini im April zur Auflösung des Parlaments und der Ausschreibung vorzeitiger Neuwahlen im Juni. Eine Übergangsregierung, die ab März 1979 im Amt war, wurde erneut von Andreotti gebildet. PSDI und PRI wurden Teil dieser Regierungskoalition. Im Vorfeld der Wahlen wollte die Carter-Administration in der Öffentlichkeit möglichst zurückhaltend agieren, um den Anschein einer Einmischung zu vermeiden und dadurch die Kommunisten indirekt aufzuwerten. Robert E. Hunter, Leiter der Westeuropaabteilung im National Security Council, gab Brzezinski daher vor einem TV-Interview im April zu verstehen: „Saying as little as possible on this point is in our interest, so that we do not get accused of interfering in the elections.“493 Infolge von Neuwahlen konnte im August 1979 wieder die von den USA bevorzugte centro-destra-Regierung unter Führung der Christde-
490 Vgl. Gardner: Mission Italy, S. 84. 491 Vgl. Michael Kreile: Italien 1979. Das Ende der Notstandskoalition und die Krise des „Historischen Kompromisses“, in: APuZ, Nr. 31/1979, S. 14–28. 492 Die Brüskierung der italienischen Regierung wird deutlich, wenn man bedenkt, dass der italienische Ministerpräsident Moro bereits im Hinblick auf das Gipfeltreffen in Rambouillet vom 15. bis 17. November 1975 gegenüber US-Präsident Ford unmissverständlich klargemacht hatte, dass er eine Beteiligung Italiens an allen internationalen Gipfeltreffen der führenden Wirtschaftsnationen für notwendig halte: „In effetti l’azione che il Governo italiano intende svolgere presuppone la partecipazione del mio Paese in tutte le sedi dove le linee dell’azione internazionale nel campo economico e monetario vengono elaborate e concordate“ („Tatsächlich erfordern die Handlungen, die die italienische Regierung plant, die Einbeziehung meines Landes in alle Treffen, in denen die grundlegenden Linien für internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik verhandelt und vereinbart werden“). GFPL, National Security Adviser, Presidential Correspondence with Foreign Leaders, Italy-Prime Minister Aldo Moro, Box 2, Brief von Aldo Moro an Gerald Ford, 14.09.1975, Rom, S. 2. 493 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Country File, Europe 1/77-12/78 through France 1-12/77, Europe 1/79-1/81, Box 22, Memorandum von Robert Hunter an Zbigniew Brzezinski, 12.04.1979, Washington D.C., S. 4.
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mokraten gebildet werden, die nicht auf die Stimmen der Kommunisten angewiesen war.494 Die Übernahme des Ministerpräsidentenamtes durch den ehemaligen Innenminister Francesco Cossiga galt dabei als Erfolg des rechten DC-Flügels.495 Dass Cossiga der Cousin Enrico Berlinguers war, hatte keinerlei Auswirkung auf seine konservative Haltung.496 Bereits im Januar 1980 wurde der neue Ministerpräsident von Carter im Weißen Haus empfangen.497 Hoffnungen setzte die USAdministration darüber hinaus in den seit dem 16. Oktober 1978 amtierenden Papst Johannes Paul II., der als überzeugter Antikommunist galt. Während dessen Besuch in den USA am 6./7. Oktober 1979 kam es zu einer längeren Unterredung mit Präsident Carter über die politische Situation Italiens.498 Der PCI hatte in den Wahlen vom Juni 1979 vier Prozentpunkte und 26 Sitze im Abgeordnetenhaus sowie knapp zwei Prozentpunkte und sieben Sitze im Senat verloren. Vor allem die kleineren Parteien der rechten und linken Mitte – PSI, PSDI, PLI, PRI, PR und SVP – konnten Gewinne erzielen. Trotz weiterhin hoher Stimmen- und Mitgliederzahlen war nun aus US-amerikanischer Sicht vorerst die größte Gefahr gebannt. Die Stimmenverluste des PCI sollten in den USA als Erfolg der Carter-Administration propagandistisch genutzt werden. So erwähnt Botschafter Gardner in seinen Memoiren, dass er nach den italienischen Parlamentswahlen im Juni 1979 Druck auf die New York Times ausgeübt habe, um die
494 Die Anfang August 1979 gebildete Koalition bestand aus den Christdemokraten, Liberalen und Sozialdemokraten und hielt sich bis März 1980 im Amt. Parlamentarisch wurde sie zusätzlich von den Sozialisten unterstützt, die jedoch kein offizieller Bestandteil der Regierung wurden. 495 Vgl. Njølstadt: The Carter Administration, S. 89. 496 Mit dem hochrangingen Diplomaten Sergio Berlinguer wurde darüber hinaus ein weiterer Cousin Enrico Berlinguers außenpolitischer Berater des christdemokratischen Ministerpräsidenten. Auch Sergio Berlinguer verstand sich als Konservativer. Er wurde 1994 im ersten Kabinett Silvio Berlusconis Staatsminister für Auslandsitaliener (Ministro per gli Italiani nel mondo). 497 JCPL, Staff Offices, Speechwriter’s Office, Chronological File, 1/23/80 State of the Union [Address], Background Material, White House Staff through 1/24/80 [Talking Points] Luncheon Mental Retardation Committee, 1/24/80, Arrival Remarks State Visit Prime Minister [Francesco] Cossiga, Italy, Box 62, President Carter’s Toast to Italian Prime Minister Cossiga, 24.01.1980, Washington D.C. 498 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Trips/Visits File, 6/25/79-7/1/79 President Trip through 6/17-18/80 Hussein (Jordan) Visit, 10/6/79 Pope John Paul II Visit 7-10/79, Box 17, Exchange of remarks between the President and His Holiness John Paul II, 06.10.1979, Washington D.C.
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Verluste des PCI in den Vordergrund zu stellen, während die Verluste der Democrazia Cristiana nur als Nebenbemerkung auftauchen sollten.499 Infolge des sowjetischen Einmarschs in Afghanistan Ende Dezember 1979 kam die anfängliche Diskussionsbereitschaft der US-Regierung mit ausgewählten Führungsfiguren des PCI fast vollständig zum Erliegen, obwohl sich die Führung der italienischen Kommunisten äußerst kritisch gegenüber der sowjetischen Invasion gezeigt hatte. Während Carters Staatsbesuch in Italien im Juni 1980 empfing er mit Flaminio Piccoli, Bettino Craxi und Giovanni Spadolini die Vorsitzenden von DC, PSI und PRI sowie den Christdemokraten Amintore Fanfani in seiner Eigenschaft als Präsident des Senats. Enrico Berlinguer als Vorsitzender der mit Abstand größten Oppositionspartei wurde explizit nicht eingeladen.500 Die erneute Distanz ging sogar so weit, dass es Fotografen während des Festaktes des italienischen Staatspräsidenten im Quirinal auf US-amerikanische Anweisung nicht gestattet war, Bilder von Präsident Carters Handschlag mit dem als Oppositionsführer anwesenden PCI-Generalsekretär Enrico Berlinguer zu machen.501 Diese Haltung behielt die Carter-Administration bis zur deutlichen Niederlage in der Präsidentschaftswahl am 4. November 1980 bzw. der Amtsübergabe im Januar 1981 an Ronald Reagan bei. Carters Popularität war im Zuge der Iran Hostage Crisis auf einen Tiefstwert vor den Wahlen gefallen. Mit lediglich 49 von 538 Wahlmännerstimmen, einem Rückstand von über acht Millionen Wählerstimmen auf Reagan und dessen Vizepräsidentschaftskandidat George H. W. Bush und nur sechs gewonnenen Staaten sowie des Districts of Columbia gegenüber 44 Bundesstaaten für seinen Kontrahenten errang Carter eines der schlechtesten Wahlergebnisse eines amtierenden Präsidenten in der Geschichte der USA.502 Das Verhältnis der Carter-Administration zum Eurokommunismus blieb somit, wie der Großteil von Carters Außen- und Sicherheitspolitik, ambivalent: Einerseits sollten durch einen inoffiziellen Dialog mit Führungsfiguren des PCI zusätzliche Informationen gewonnen werden, andererseits blieben die italienischen Kommunisten alleine deswegen eine Gefahr, weil sie sich Kommunisten
499 Vgl. Gardner: Mission Italy, S. 222. 500 JCPL, Staff Offices, Office of Staff Secretary, Handwriting File, Material from President’s Trip to the Summit, 6/19/80-6/27/80 [1] through 6/30/80-Not submitted, Visit to Rome, The Vatican, Venice, Belgrade, Madrid, and Lisbon 6/20/80-6/26/80, Box 193, President Carter’s Visit to Rome, The Vatican, Venice, Belgrade, Madrid and Lisbon, Juni 1980, Rome 6-20-15. 501 Vgl. Brancoli: Spettatori interessati, S. 61. 502 Zur Präsidentschaftswahl 1980 siehe: Jack W. Germond/Jules Witcover: Blue Smoke and Mirrors. How Reagan won and why Carter lost the Election of 1980, New York 1981.
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nannten.503 In letzterem Punkt zeigte sich die Carter-Administration deutlich in der Tradition der republikanischen Vorgängerregierungen. Im Falle befürchteter bevorstehender kommunistischer Regierungsbeteiligungen fiel die CarterAdministration in die alten antikommunistischen Muster zurück. Für die zweite Hälfte von Carters Präsidentschaft lässt sich daher konstatieren: „Washington’s pronouncements began to look very much like those of Kissinger.“504 Auch durch die massive Kritik konservativer Kreise um Kissinger schwenkte die CarterRegierung spätestens zu Beginn des Jahres 1978 auf einen konfrontativen Kurs um. Der Carter gegenüber ansonsten extrem kritische Kissinger lobte diesen Umstand sogar während einer Veranstaltung im Präsidentschaftswahlkampf 1980. Der frühere Außenminister und Nationale Sicherheitsberater bemerkte, dass Carters Außenpolitik „in every place except Italy“505 versagt habe. Letztendlich zeigte sich die Konstanz in der US-amerikanischen Strategie gegenüber dem PCI auch daran, dass sie nach der Abwahl Carters von der neuen republikanischen Administration unter Präsident Reagan weitestgehend übernommen wurde.506
6.4 Die USA und der italienische Eurokommunismus – ein Zwischenfazit Befürworter einer kooperativen Strategie gegenüber dem Eurokommunismus existierten in den Vereinigten Staaten ausnahmslos in einer wenig einflussreichen Minderheit. Vereinzelte Kritik von wissenschaftlicher Seite an dieser Politik hatte wenig bis keinen Einfluss auf die Haltung der Regierung zum Eurokommunismus. Stimmen wie die von Peter Lange, der sich in einem Artikel in Foreign Affairs für eine Öffnung der US-Regierung gegenüber dem PCI aussprach, zeigten kaum Wirkung auf die politischen Eliten.507 Dass unter den Befürwortern viele Wissenschaftler dem linken politischen Lager entstammten, erschwerte die Rezeption zusätzlich. Hierzu zählten beispielsweise der Kommunismusexperte und Vorsitzende der Democratic Socialists of America Bogdan Denitch, der als in Bulgarien geborener Sohn eines jugoslawischen Diplomaten der Prä-Tito-Zeit 1946 in die
503 Vgl. Pons: Berlinguer, S. 94. 504 John C. Campbell: Eurocommunism. Policy Questions for the West, in: Tökés (Hrsg.): Eurocommunism and Détente, S. 555. 505 Henry Kissinger zitiert in: Gardner: Mission Italy, S. 286. 506 Vgl. Zbigniew Brzezinski: Power and Principle. Memoirs of the National Security Adviser 1977–1981, New York 1983, S. 313. 507 Peter Lange: What is to be done about Italian Communism?, in: Foreign Affairs, Nr. 21/1975–1976, S. 224–240.
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USA emigriert war, oder auch der Soziologe Norman Birnbaum.508 Kissinger zeigte mehrmals seine Abneigung gegenüber solchen Ansätzen. Gegenüber Bundesverteidigungsminister Leber bezeichnete der damalige US-Außenminister das Eintreten von bestimmten Intellektuellen und Medien in den USA für eine kommunistische Regierungsbeteiligung in Italien als selbstmörderisch.509 Dies hatte Konsequenzen für die Gestaltung der Außen- und Sicherheitspolitik. Eine Politik gegen die antikommunistische Lobby war mittel- und langfristig nicht durchzuhalten, wenn man Wahlen gewinnen wollte. Die Geister des McCarthyism waren auch zwanzig Jahre nach dessen Ende immer noch gegenwärtig und dominierten die politische Kultur.510 Entsprechende Sozialisationserfahrungen in der außen- und sicherheitspolitischen Elite waren weit verbreitet. Ähnlich wie in den 1950er Jahren aktivierte auch der Eurokommunismus „ins kollektive Bewusstsein übergegangene Bedrohungsgefühle“511 innerhalb der US-Gesellschaft. Die Ablehnung des Eurokommunismus erstreckte sich dabei, mit unterschiedlichen Begründungen, von der Communist Party USA bis zur äußersten Rechten in den Vereinigten Staaten. Nur in den kleineren Kreisen der sozialdemokratischen und Neuen Linken wurde der Eurokommunismus zeitweise auch inhaltlich ernsthaft diskutiert.512 Statt dem Primat einer zutiefst theoretischen Debatte wie in Westeuropa dominierte weitestgehend ein „débat pragmatique“513 die US-Diskussion, der sich auf die Auswirkungen auf die westliche Sicherheit reduzierte. Die Ursprünge des Eurokommunismus, so beispielsweise die theoretischen Vorarbeiten Gramscis, die ideologische Annäherung an die westeuropäische Sozialdemokratie und insbesondere die Heterogenität der kommunistischen Bewegung waren zentrale Themen der Auseinandersetzung in der Bundesrepublik Deutschland. In den USA wurden solche Diskussionen zumeist im Keim erstickt. Wer dem Kommunismus Veränderungs- oder gar Demokratisierungsfähigkeit unterstellte, wurde rasch als Freund Moskaus diffamiert. Zusammenfassend lässt sich feststellen: „Aux États-Unis, l’eurocommunisme ne disposait du soutien d’aucun parti dans
508 Vgl. Denitch: The Communists Dilemma, S. 15-21; Pütz: Atlantische Beziehungen, S. 31. 509 PAAA, Bestand B 150, Bd. 351, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Washington an das Auswärtige Amt zum Gespräch zwischen Außenminister Kissinger und Bundesverteidigungsminister Leber am 1.7., 10.45–11.30 Uhr, 01.07.1976, Washington D.C., S. 1. 510 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 7. 511 Bernd Stöver: United States of America. Geschichte und Kultur. Von der ersten Kolonie bis zur Gegenwart, 2. Aufl., München 2013, S. 477. 512 Vgl. Plotke: Eurocommunism and the American Left, S. 403ff. 513 Wall: Les États-Unis, S. 367.
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l’opinion publique.“514 Des Weiteren bedurfte es aus US-Perspektive einer einheitlichen Politik des Westens gegenüber der Sowjetunion und ihrer Verbündeten. Die NATO spielte hierbei eine zentrale Rolle. In der Perspektive der USRegierungen wurde die Einheit des Westens durch den kommunistischen Aufschwung in Italien jedoch in Frage gestellt. Seine stärkste Ausformung fand Kissingers Wahrnehmung des Eurokommunismus als Gefährdung der Détente in der Sonnenfeldt-Doktrin, die besagte „that there would be no coexistence and dialogue between the two superpowers without their total and ‚organic‘ control over their respective spheres of influence in Europe“515. In der Theorie offenbarte die Sonnenfeldt-Doktrin große Ähnlichkeiten mit der Breschnew-Doktrin. In der Praxis waren die angewandten Mittel jedoch subtiler als die von der Sowjetführung 1968 angeordnete militärische Invasion der Tschechoslowakei, obwohl es, wie im Falle der Operation Urgent Fury516 Ende des Jahres 1983, auch zu offener militärischer Gewaltanwendung der Vereinigten Staaten kam, wenn westlich orientierte Staaten drohten, in den kommunistischen Machtbereich zu wechseln. Betrachtet man die US-amerikanische Analyse des italienischen Eurokommunismus, so fällt ein hohes Maß an mangelnder Differenziertheit auf. Bezüglich einer möglichen Regierungsbeteiligung des PCI bemerkte Kissinger beispielsweise vor den italienischen Parlamentswahlen 1976: „Auch wenn der Stalinist Cunhal in Portugal ein Kommunist nach italienischem Zuschnitt wäre, müßte sich Washington seiner Machtergreifung entgegenstellen.“517 Diese Gleichsetzung der grundsätzlich verschiedenen Kommunismen in Italien, Portugal, der Sowjetunion und anderen Staaten durch die Protagonisten der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik offenbart das Dilemma des Umgangs mit dem Eurokommunismus in den Vereinigten Staaten der 1970er Jahre. Die Arbeitsgruppe Eurokommunismus am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg (IFSH) konstatierte daher korrekt: „Die Ablehnung der Eurokommunisten ist überwiegend geprägt von einer implizierten Gleichsetzung von Eurokommunismus und dem Kommunismus sowjetischer Provenienz.“518 Insbe-
514 Ebenda, S. 366. 515 Sherwood: American Foreign Policy, S. 12. 516 Operation Urgent Fury bezeichnet die US-Invasion des Inselstaats Grenada, die vom 25. Oktober bis 15. Dezember 1983 dauerte und etwa 100 Menschenleben forderte. Zur Invasion Grenadas siehe: Mark Adkin: Urgent Fury. The Battle for Grenada. The Truth Behind the Largest U.S. Military Operation Since Vietnam, Lexington (Massachusetts) 1989. 517 Henry Kissinger zitiert in: König: Der rote Marsch, S. 277. 518 Arbeitsgruppe Eurokommunismus (Hrsg.): Eurokommunismus, S. 96.
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sondere die faktische Gleichsetzung des italienischen Eurokommunismus mit dem doktrinären Kommunismus des Partido Comunista Português, der unter seinem Generalsekretär Álvaro Cunhal als die moskautreuste Partei Westeuropas galt, muss als unhaltbar bewertet werden. Gleichzeitig überraschte die aus realpolitischem Gedankengut erwachsene zeitgleiche Offenheit der US-Regierungen gegenüber den an sich verachteten kommunistischen Regimen in der Sowjetunion und vor allem der Volksrepublik China im Zuge der Détente. Sogar der konservative italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti tat während seines Besuches in Washington D.C. 1977 seine Verwunderung bezüglich der amerikanischen Schreckensszenarien im Falle der italienischen Kommunisten auf der einen und den seinerzeit guten Beziehungen zu den beiden kommunistischen Großmächten auf der anderen Seite kund: „Naturellement, il nous paraît un peu étonnant que vous adoptiez une attitude aussi rigide face à ce problème, alors que vous cultivez de bonnes relations avec Pékin et Moscou.“519 Auch der spätere Sicherheitsberater Brzezinski zeigte sich erstaunt darüber, dass Nixon, Ford und Kissinger Kontakte zu Breschnew unterhielten, während sie jedweden Kontakt zu Berlinguer zu vermeiden suchten.520 Die häufigen Gleichsetzungen verschiedener Kommunismen zeigen eine mangelnde Kenntnis der kommunistischen Bewegung in Europa, die kennzeichnend für fast alle US-Administrationen vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Ende des Kalten Krieges war. Neben den genannten strategischen Erwägungen lag dies „an einem traditionell tief verwurzelten psychologisch weitgehend internalisierten Anti-Kommunismus, der sich generalisierend gegen alles richtet, was begrifflich mit Kommunismus zu tun hat, und der sowohl das Unvermögen wie einen Mangel an Bereitschaft beinhaltet, sich mit dem Kommunismus als Folge von politischen Strukturproblemen auseinanderzusetzen“521. Insbesondere im italienischen Fall wurden kaum Gründe für den Erfolg der Kommunisten zugelassen, die auf eine positive Einschätzung der Politik des PCI im nationalen Parlament, aber auch in den Regionen und Städten des Landes zurückzuführen gewesen wären. Vielmehr wurden kommunistische Wahlerfolge allein durch externe Ursachen erklärt. Die Zerstrittenheit und maximale Flügelbildung bei den nichtkommunistischen Parteien, vor allem der Democrazia Cristiana, die schlechte Wirtschafts- und Finanzlage mitsamt steigender Arbeitslosigkeit, der ungelöste italienische Nord-Süd-Konflikt sowie das hohe Maß an Korruption und Nepotismus habe vor allem die junge Generation in die Arme der Kommunisten
519 Giulio Andreotti zitiert in: Wall: Les États-Unis, S. 366 (Original in: The New York Times, 08. Juni 1977). 520 Vgl. Wollemborg: Stars, Stripes, and Italian Tricolor, S. 225. 521 Pott/Strübel: Eurokommunismus aus Sicht der NATO, S. 130.
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getrieben. Auch die Carter-Administration verharrte in dieser unzureichenden Analyse der Attraktion des PCI für viele Wähler. So hatte beispielsweise USBotschafter Gardner für die hohe Anziehungskraft der Kommunisten auf viele Wähler in einer Rede an der Libera Università Internazionale degli Studi Sociali in Rom Ende April 1979 nur Unverständnis übrig: „It is amazing that people can go on worshipping these myths which have been rendered totally irrelevant by modern history.“522 Fehleinschätzungen und Diffamierungen gegenüber allem, was das Attribut „kommunistisch“ mit sich führte bzw. gegenüber allem, was mit ihm in Berührung kam, führten dazu, dass insbesondere von US-amerikanischer Seite aus die Innovationsprozesse, die der italienische Eurokommunismus bot, kaum wahrgenommen oder sogar behindert wurden. Die Überbetonung der Gefahren des Eurokommunismus ging somit zu Lasten der Wahrnehmung seiner Chancen. Der Analyse von John Lewis Gaddis ist daher zuzustimmen: „As it turned out, Kissinger exaggerated both the dangers and prospects of ‚Eurocommunism‘: communist parties did not come to power in Western Europe; NATO did not have to be protected against subversion from within. This happened more in spite of than because of Kissinger’s warnings, however. The effect of his alarms was to place the United States in opposition, once again, to something it could not (by avowable means, at least) have prevented.“523 Der Politikwissenschaftler Peter Christian Ludz hat diese grundsätzliche Einstellung des US-Außenministers als „Kissingers eigenen Spenglerismus“524 bezeichnet, der ihn, wie es Richard Löwenthal genannt hat, zu einem „konservativen Pessimisten“525 mache, der in Anlehnung an Oswald Spenglers Philosophie immer und überall den Untergang des Abendlandes wittere. Die Vereinigten Staaten verpassten daher weitgehend den Entwicklungsprozess innerhalb des PCI – ausgehend von der svolta di Salerno, Togliattis Polyzentrismusthese, dem memoriale di Yalta, Berlinguers Wahl zum Generalsekretär und dem compromesso storico bis hin zur Annäherung an die internationale Sozialdemokratie. So stellte Alberto Jacoviello, der Korrespondent von L’Unità in Washington D.C., knapp ein Jahr nach der lang erwarteten Eröffnung des Auslandsbüros 1978 resigniert fest: „Qui ho capito una cosa: che saremmo degli sciocchi se ci facessimo, noi comunisti, illusioni sulla disponibilità americana. Questo è un
522 Gardner: Mission Italy, S. 218. 523 Gaddis: Strategies of Containment, S. 330f. 524 AdsD, Nachlass Bruno Friedrich, USA, 1/BFAA001549, Lagenotiz betreffend: Einige politische Eindrücke von einer USA-Reise im Dezember 1976 von Prof. Dr. Peter Christian Ludz, SWP, Januar 1976, S. 37. 525 Richard Löwenthal zitiert in: Der Spiegel, Nr. 10, 01.03.1976, S. 94.
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paese profondamente anticomunista. E lo rimarrà probabilmente per molto tempo.“526 Der Politikwissenschaftler und Gründer des Center for European Studies an der Harvard University Stanley Hoffmann hat diesen Aspekt der scheinbar unüberwindbaren Grundkonstante des Antikommunismus in der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik treffend als Formulism und Formalism beschrieben: „Formulism, because exceedingly complex realities are reduced to the holy simplicity of a hallowed slogan; formalism, because those slogans reveal an insufficient grasp of the political, historical and social processes that foreign policy must deal with.“527 Der Umgang der US-Regierungen mit dem Eurokommunismus, insbesondere mit seiner italienischen Variante, entsprach größtenteils diesem Schema. Wahrnehmung, Analyse und Strategie zeichneten sich häufig durch eine zu starke Vereinfachung des Phänomens „Eurokommunismus“ aus. Dadurch konnten die unterschiedlichen Nuancen zwischen und auch innerhalb der eurokommunistischen Parteien nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Vorstellung über die Politik einer sowjetkommunistischen Partei und die damit verbundenen Ängste wurden auf die italienischen Eurokommunisten projiziert. Deren Kritik an der Sowjetunion wurde als bloße Taktik wahrgenommen. Der weitgehende Ausschluss direkter Gespräche beraubte die US-Regierung der Möglichkeit, die wahren Überzeugungen und Ziele der PCI-Führung kennenzulernen. Ein Vertrauensaufbau fand nicht statt. Die US-amerikanischen Akteure hinterfragten die eigenen antikommunistischen Prägungen nicht und vertrauten stattdessen auf Informationen von Dritten über den PCI. Diese waren jedoch in den meisten Fällen von vornherein durch eigene Interessen der entsprechenden Informanten aus den Reihen der Democrazia Cristiana, der italienischen Nachrichtendienste, des Vatikans oder des neofaschistischen MSI beeinflusst. Die US-Regierungen scheiterten somit letztlich an einer Analyse der mittel- und langfristigen Wirkungen des Eurokommunismus.
526 „Hier habe ich eine Sache verstanden: Wir Kommunisten wären dumm, wenn wir uns Illusionen über Amerika machen würden. Dies ist ein zutiefst antikommunistisches Land. Und es wird wahrscheinlich noch lange so bleiben.“ Alberto Jacoviello zitiert in: Margiocco: Stati Uniti e PCI, S. II. 527 Stanley Hoffman: Gulliver’s Troubles, or the setting of American Foreign Policy, New York 1968, S. 116.
7. Epilog: Der PCI in den 1980er Jahren
Infolge der deutlichen Verluste in der Parlamentswahl vom 3. Juni 1979 und dem ebenso enttäuschenden Ergebnis in der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament sieben Tage später war der Beginn des neuen Jahrzehnts für die italienischen Kommunisten von Ernüchterung gekennzeichnet. Die Strategie des compromesso storico schien mit der Rechtswende der Democrazia Cristiana und der Bildung einer stabilen centro-destra-Regierung unter Francesco Cossiga endgültig zum Scheitern verurteilt zu sein. Berlinguer leitete daher einen wenig erfolgreichen Strategiewechsel ein, der nun auf eine Regierung mit den Sozialisten und den laizistischen Parteien der Mitte abzielte.1 Darüber hinaus starb mit Giorgio Amendola am 5. Juni 1980 nicht nur einer der Protagonisten des eurokommunistischen Öffnungskurses, sondern auch „der wohl engagierteste Europäer der KP“2. Am 16. Oktober folgte ihm Parteipräsident Luigi Longo nach, der maßgeblich für den Beginn der SPD-PCI-Gespräche verantwortlich gewesen war. Auch die Regional-, Provinzial- und Kommunalwahlen vom 8. Juni wurden zu einer deutlichen Niederlage des PCI, während Craxis Sozialisten und die Christdemokraten ihre Ergebnisse verbessern konnten.3 Trotz der Rückschläge kam es nicht zu einem Abbruch des Reformkurses des PCI. An der Basis hatte sich inzwischen eine sowjetkritische Haltung größtenteils durchgesetzt. Eine entsprechende Umfrage unter 6 464 mehrheitlich kommunistisch wählenden Fiat-Mitarbeitern aus 18 Werken ergab im April 1980 ein klares Bild. Bei der Frage, in welchen Staaten die Arbeitnehmer mehr Macht als in Italien hätten, landete die Sowjetunion fast gleichauf mit den USA auf einem der letzten Plätze. Nur 6,9 Prozent der Befragten hatten das Mutterland des Kommunismus genannt, aber immerhin 5,7 Prozent die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Bundesrepublik Deutschland nahm mit 31,3 Prozent einen Spitzenplatz ein. Ebenso landeten die westlichen Staaten Großbritannien (12,5 Prozent), Frankreich und Schweden (je 10,2 Prozent) deutlich vor der UdSSR.4 Auf die Frage, was für sie am wichtigsten in der Demokratie sei, wur-
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Vgl. Enrico Berlinguer: La crisi italiana. Scritti su Rinascita, Rom 1984, S. 154–158. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000460, Politischer Jahresbericht des Büros Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung für das Jahr 1980 von Holger Quiring, 15.12.1980, Rom, S.11. Gewählt wurden 15 Regionalräte, 86 Provinzialräte und 6 590 Gemeinderäte. Der Durchschnitt der Befragten war 37 Jahre alt, 15 Prozent waren Frauen, 45 Prozent stammten aus Arbeiterfamilien und 39 Prozent aus dem Bauern- oder Landarbeitermilieu.
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de „Meinungsfreiheit“ von den meisten Befragten genannt (41,0 Prozent). Die Periode der solidarietà nazionale wurde allerdings sehr negativ beurteilt: 38,9 Prozent meinten, dass man in dieser Phase Arbeitnehmerinteressen kaum berücksichtigt hatte, 26 Prozent erklärten sogar, dass sie gar nicht berücksichtigt worden waren. 1980 setzte sich der antikommunistische Flügel auf dem XIV. Parteikongress der DC vom 15. bis 20. Februar in Rom endgültig durch. Flaminio Piccoli besiegte bei der Wahl zum Nationalen Sekretär mit Benigno Zaccagnini den Vertreter des linken Parteiflügels und mit Arnaldo Forlani wurde darüber hinaus ein Parteirechter zum Präsidenten der DC gewählt. Eine erneute Zusammenarbeit mit dem PCI war damit kein Thema mehr. Die Kommunistische Partei Italiens gab daraufhin den compromesso storico in der Alltagspolitik auf und wandte sich den Sozialisten Craxis zu. Zusätzlich kam es infolge des starken Erdbebens in Irpinia am 23. November 1980 zu massiven gegenseitigen Schuldzuweisungen aufgrund der misslungenen Hilfs- und Wiederaufbaupolitik der Regierung und dadurch zu einer weiteren Entfremdung zwischen Kommunisten und Christdemokraten. Das Erdbeben in der süditalienischen Region Kampanien gilt mit fast 3 000 Toten und ca. 10 000 Verletzten als eine der schwersten Naturkatastrophen in der italienischen Nachkriegsgeschichte. Der Leiter des FES-Büros in Rom Holger Quiring wies in seinem Jahresbericht zur politischen Lage in Italien darauf hin, dass sich die Christdemokraten wegen der skandalösen Wiederaufbaupolitik nachhaltig diskreditierten, während vor allem die Sozialisten unter Craxi davon profitieren konnten.5
7.1 Die Suche nach einer neuen Identität Außen- und sicherheitspolitisch gerieten die italienischen Kommunisten durch den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan und den NATO-Doppelbeschluss Ende des Jahres 1979 unter Druck.6 Zwischen den eurokommunistischen Parteien zeigten sich nun ausgeprägte Meinungsverschiedenheiten. Während die italieni-
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AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000460, Bericht über eine Umfrage im FIAT-Konzern von Holger Quiring, April 1980. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000460, Politischer Jahresbericht des Büros Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung für das Jahr 1980 von Holger Quiring, 15.12.1980, Rom, S. 2. Vgl. Pierre Hassner: Der Eurokommunismus im Lichte der Ereignisse von Kabul, in: NATO-Brief, Nr. 4/1980. S. 8–15.
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schen Kommunisten in einer Erklärung die sowjetische Okkupation Afghanistans deutlich verurteilten, verhielt sich die Führung des PCF solidarisch mit der KPdSU.7 Demonstrativ blieb der PCI der von den kommunistischen Parteien Frankreichs und Polens initiierten Konferenz zum Thema „Frieden und Abrüstung“ Ende April 1980 in Paris fern.8 Im gemeinsamen Abschlusskommuniqué des Treffens von Georges Marchais mit Leonid Breschnew wenige Wochen zuvor in Moskau war Afghanistan nicht ein einziges Mal erwähnt worden.9 Giancarlo Pajetta begründete das Fernbleiben der italienischen Kommunisten in einem Interview mit dem Spiegel: „Auf der Pariser Konferenz hätte sich die KPI mit der Politik der Raketenbesitzer, den Regierungsparteien des Warschauer Paktes, identifizieren müssen. Und das ist keineswegs unsere Linie.“10 Ebenso betonte er, dass man derzeit nicht über Krieg und Frieden debattieren könne, ohne die sowjetische Invasion Afghanistans kritisch zu thematisieren.11 Giuseppe Boffa sprach gar von „imperialistischen Elementen“ in der Politik der Sowjetführung.12 Die Konflikte mit den französischen Kommunisten wurden auch deutlich, nachdem sich Berlinguer und Brandt als Abgeordnete des Europäischen Parlaments am 12. März 1980 in der Nähe Straßburgs getroffen hatten.13 Die PCFFührung griff den Generalsekretär des PCI für seine Offenheit gegenüber der SPD massiv an.14 Das Treffen war tatsächlich von großer Sympathie geprägt gewesen.15 Der SPD-Vorsitzende hatte Berlinguer mit den Worten begrüßt: „Era ora che ci vedessimo“ (dt. „Es war Zeit, dass wir uns sehen“).16 Allerdings ging Brandt erneut
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FIG, APCI, Estero, 1979, mf 0439, 2694, „Forte preoccupazione“, in: L’Unità, 29.12.1979. Vgl. Heinz Timmermann: Neue Tendenzen im europäischen Kommunismus. Zur Pariser KP-Konferenz vom April 1980, Köln 1980, S. 2f. NAII, FBIS West Europe Report, 07.03.1980, S. 11 (PRESNET: CIA-RDP8200850R000200060008-5). „Wir wollen Seelen, nicht Boden gewinnen“. Interview mit Giancarlo Pajetta, in: Der Spiegel, Nr. 19, 05.05.1980, S. 142. Ebenda. Vgl. Bruno Schoch: Eurocommunism and Defence. Do Western European Communists Feel Threatened by the Soviet Union? The Case of Italy, in: Bulletin of Peace Proposals, Vol. 15, Nr. 1/1984, S. 36. Vgl. Dunphy: Contesting Capitalism?, S. 43. Vgl. Heinz Timmermann: Die gebremste Dynamik des „Eurokommunismus“. Probleme und Perspektiven der großen kommunistischen Parteien Westeuropas, Köln 1982, S. 7f.; Der Spiegel, Nr. 18, 28.04.1980, S. 146. FIG, APC, Estero, 1980, mf 8005, 252-259, Nota sull’incontro Berlinguer-Brandt del 12 marzo 1980 a Strasburgo. Vgl. Rother: „Era ora che ci vedessimo“, S. 76.
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nicht auf den Wunsch Berlinguers ein, die Kontakte zwischen beiden Parteien offiziell zu formalisieren.17 Die Kritik von Seiten des PCF zeigte sich anschließend auch bei dem Treffen von Berlinguer mit Mitterrand zwei Wochen später18 und nach einem weiteren Gespräch zwischen Berlinguer und Brandt in Straßburg am 15. Dezember 1981.19 Während man die Pariser Konferenz öffentlichkeitswirksam gemieden hatte, nahm eine hochrangige PCI-Delegation vom 26. bis 30. Mai in Rom an einer Konferenz über die politische Situation Westeuropas nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan teil. Bereits knapp zwei Jahre zuvor war es vom 28. September bis 1. Oktober 1978 zu einer ähnlichen, vom Research Institute on International Change der Columbia University organisierten Konferenz unter dem Titel The Foreign Policy and Security Implications of a Changing Europe in Airlie House in der Nähe Washingtons gekommen. Dort waren erstmals in einem öffentlichen Rahmen italienische Kommunisten und hochrangige US-Politiker bzw. -Regierungsmitarbeiter aufeinandergetroffen. So nahmen auf US-amerikanischer Seite unter anderem Lynn E. Davis (Deputy Assistant Secretary of Defense, Policy Plans and National Security Affairs), Joyce Shub (außenpolitische Beraterin von Senator Joseph [„Joe“] Biden), Robert E. Hunter und Robert Putnam (Westeuropaexperten im National Security Council) und auf Seite der italienischen Kommunisten Franco Calamandrei (stellvertretender Vorsitzender des Komitees für Auswärtige Angelegenheiten im italienischen Senat) und Romano Ledda (Leiter des CeSPI) teil. Die Veranstaltung in Rom stellte nun eine noch höherrangig besetzte Folgekonferenz zu Airlie House dar. Teilnehmer waren Führungsmitglieder eines Großteils der wichtigsten politischen Parteien und Institutionen Westeuropas und der Vereinigten Staaten.20 Auch die Kommunistischen Parteien Ita-
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Vgl. Pons: Berlinguer, S. 178f. Vgl. Timmermann: Die gebremste Dynamik, S. 7f.; Der Spiegel, Nr. 18, 28.04.1980, S. 146. FIG, APC, Estero, 1982, mf 8202, 30-32, Nota sull’incontro Berlinguer-Brandt, Strasburgo, 15 dicembre 1981, von Sergio Segre. Zu den Teilnehmern zählten auf europäischer Seite unter anderem Manuel Azcárate (Leiter der Internationalen Abteilung des PCE und Direktionsmitglied), Wolf Graf von Baudissin (Direktor des IFSH), Franco Calamandrei (PCI-Führungsmitglied und stellvertretender Vorsitzender des Komitees für Auswärtige Angelegenheiten im italienischen Senat), Bruno Friedrich (SPD-Vorstandsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments), Romano Ledda (ZK-Mitglied des PCI und Direktor des CeSPI), Riccardo Lombardi (Direktionsmitglied des PSI), Mary Kaldor (Politologin an der Universität Sussex), Giorgio Napolitano (Direktionsmitglied des PCI), Giancarlo Pajetta (Direktionsmitglied des PCI), Ricardo Perez-Casado (Führungsmitglied des PSOE und Bürgermeister
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liens, Spaniens und Belgiens waren vertreten, während Georges Marchais im Namen des PCF die Einladung ausgeschlagen hatte. Deutlich wurden auf der Konferenz die immer noch starken Vorbehalte des Großteils US-amerikanischer Politiker und Wissenschaftler gegenüber den Eurokommunisten. Sergio Segre sprach sich zwar im Namen der italienischen Kommunisten, vor allem vor dem Hintergrund der sowjetischen Okkupation Afghanistans, für die Beibehaltung der NATO-Mitgliedschaft Italiens aus und Giorgio Napolitano machte deutlich, dass die Vorstellungen über Demokratie in der Sowjetunion und den sozialistischen Staaten Osteuropas für den PCI nicht mehr akzeptabel seien.21 Er betonte darüber hinaus, dass der PCI nach den Erfahrungen in Afrika, Südostasien und Afghanistan gelernt habe, dass nicht jede „Machtergreifung“ sich selbst sozialistisch nennender Politiker als Sieg des Sozialismus gelten könne.22 Dies trug jedoch nicht zu einer Annäherung bei. Auch gegenüber den sozialdemokratischen Konferenzteilnehmern wurde deutliche Kritik von US-amerikanischer Seite geübt. In der Phase der sozialliberalen Koalition hätten sich ein latenter Antiamerikanismus, eine abwertende Haltung gegenüber der NATO und Sympathien gegenüber den kommunistischen Parteien in der Bundesrepublik entwickelt. Die Politik der SPD sei in hohem Maße dafür mitverantwortlich, dass „das amerikanisch-westdeutsche Vertrauensverhältnis einen seit 1956 beispielslosen Zerrüttungsgrad erreicht habe“23. Die Möglichkeit eines weiteren Machtzuwachses der SPD bei der kommenden Bundestagswahl wurde auf US-amerikanischer Seite mit größter Sorge betrachtet. Der liberale Außenminister Genscher sei der „alleinige Garant einer konstruktiven Zusammenarbeit Bonn-Washington, ja im Grunde sogar der Bonner Bündnistreue“24. Die auch durch Sozialdemokraten unterstützte, zunehmende Desintegra-
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von Valencia), Sergio Segre (ZK-Mitglied des PCI und MdEP), Claudio Signorile, (stellvertretender Generalsekretär des PSI), Heinz Timmermann (Politologe am BIOst), Karsten D. Voigt (SPD, MdB). Teilnehmer aus den USA waren unter anderem Seweryn Bialer (Columbia University, New York), Richard H. Ullman (Princeton University), Helmut Sonnenfeldt (Brookings Institution), William E. Griffith (MIT), William Branson (Princeton University), Bogdan Denitch (New York City University), Fritz Stern (Columbia University). Vgl. BKA, VII.1. Länderboxen, Italien, Bericht über die Tagung „Außenpolitik und Sicherheitspolitik in einem sich wandelnden Europa“ von Edwald Nowotny, Juni 1980. Ebenda, S. 3. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000460, Erfahrungsbericht über eine Auslandsdienstreise nach Rom von Wolfgang Berner, 16.06.1980, S. 11. Ebenda, S. 3. Ebenda, S. 4.
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tion des kommunistischen Parteiensystems im Zuge des Eurokommunismus erschwere den Supermächten „die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Systems der bipolaren Friedenssicherung einschließlich Krisen-Managements und Verhinderung der Kernwaffenproliferation“25. Der ehemalige Kissinger-Berater Helmut Sonnenfeldt plädierte daher „für eine vermehrte Subordination der westeuropäischen Sonderbelange und Partikularinteressen unter die Allianz-Räson und die Gemeinschaftsaufgaben“26, was auf den Großteil der westeuropäischen Teilnehmer schockierend wirkte.27 Napolitano entgegnete Sonnenfeldt, dass man die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen nicht schematisch der militärischen Strategie unterordnen dürfe.28 Auf der ein knappes halbes Jahr später stattfindenden Konferenz Eurosocialism and America: An International Exchange vom 5. bis 7. Dezember 1980 in Washington D.C. zeigten sich erneut die Vorbehalte US-amerikanischer Politiker. Während von westeuropäischer Seite Protagonisten wie Willy Brandt, Olof Palme, François Mitterrand, Felipe González, Anthony („Tony“) Benn, Joop den Uyl, Michael Rocard und Edith Cresson teilnahmen, waren es von USamerikanischer Seite nur wenige aktive Politiker des linken Spektrums. Hierzu zählten der von Michael Harrington als „Einmann-Fraktion der Sozialisten im Kongreß“29 titulierte demokratische Abgeordnete des Repräsentantenhauses Ronald V. („Ron“) Dellums und der linksorientierte Bürgermeister von Minneapolis Donald M. Fraser. Die Protagonisten des linken Flügels der Demokraten, Edward Kennedy und George McGovern, und der Vorsitzende der AFL-CIO Lane Kirkland hatten hingegen in bewusster Abgrenzung zur westeuropäischen Sozialdemokratie abgesagt. Karsten D. Voigt monierte daher nach der Konferenz die mangelnde Kooperationsbereitschaft der US-amerikanischen Parteien und des Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO.30 Erwartungsgemäß verschlechterte sich nach der Amtsübernahme von Ronald Reagan am 20. Januar 1981 das Verhältnis zu den europäischen Sozialdemokraten weiter. Der Soziologe Norman Birnbaum, einer der wenigen Befürworter einer
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Ebenda, S. 5. Ebenda, S. 8. Vgl. Ebenda. Vgl. Ebenda, S. 11. Michael Harrington zitiert in: „Brandt erlöst US-Sozis nicht aus der Diaspora“ von G. Capell, in: Die Welt, 09.12.1980. AdsD, Internationale Abteilung des SPD-Parteivorstandes, Nordatlantische Versammlung, 11889, Bericht über die Konferenz Eurosozialismus-USA von Karsten D. Voigt, ohne Datum [Dezember 1980], Bonn.
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sozialdemokratischen Politik in den USA, äußerte sich entsprechend kritisch über die Beziehungen zwischen der SPD und der US-Regierung: „Das gegenwärtige feindliche Mißtrauen der herrschenden politischen Elite in den USA gegen Sozialdemokraten erklärt sich aus der beleidigten Eigenliebe dieser ‚Denker‘ sowie der Propaganda von CDU-CSU-Politikern in Washington (Kohl sprach während seines letzten Besuchs als Oppositionsführer in Washington von einer ‚MoskauFraktion‘ in der SPD).“31 In der PCI-Führung kam es trotz der weiterhin größtenteils scharfen USKritik am italienischen Eurokommunismus nicht zu einer Wiederannäherung an die Sowjetunion.32 Im Februar 1981 machte Berlinguer öffentlich, dass er dem KPdSU-Parteitag fernbleiben werde. Kurz darauf wurde bekannt, dass es ein diffamierendes Schreiben des KPdSU-Außenpolitikers Wadim Sagladin an die Leitung des PCI gegeben hatte, welches von Ponomarjow und Breschnew abgesegnet worden war. In dem Schreiben, dessen Inhalt der PCI umgehend der SPD übermittelte, warf der stellvertretende Leiter der Internationalen Abteilung des Sekretariats des ZKs der KPdSU der italienischen KP-Führung ihre öffentlichen Sympathiebekundungen für die freie Gewerkschaft Solidarność in Polen vor.33 Sagladin tadelte die italienischen Kommunisten dafür, dass sie „mit jenen Kräften, die in Polen eine echte Offensive gegen den Sozialismus entfesselt haben“34 paktiert hätten.35 Das Verhältnis zwischen dem PCI und der KPdSU verschlechterte sich im Laufe des Jahres zusehends. Den vorläufigen Höhepunkt der Auseinandersetzungen stellten die öffentlichen Proteste der italienischen Kommunisten gegen die
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BKA, VII.1. Länderboxen, USA, Box 11, Kurzauszug des Aufsatzes über SPD und USA von Norman Birnbaum, Zusammenfassung von Gaby Holzer, 19.01.1983, S. 1. Vgl. Pons: Meetings, S. 157–166. Auch der bundesdeutsche Botschafter in Warschau Georg Negwer ging im Gespräch mit Bundeskanzler Schmidt davon aus, dass die Politik des PCI die Reformkräfte in Polen ermuntert habe. Vgl. Gespräch des Bundeskanzlers Schmidt mit Botschafter Negwer, z. Z. Bonn, 21.01.1982, in: Institut für Zeitgeschichte im Auftrag des Auswärtigen Amts (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, 1982, Band 1, 1. Januar bis 30. Juni, München 2013, S. 132f. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000461, Telex von Holger Quiring an Siegfried Bangert, 16.02.1981, Rom, S. 1. Zu den unterschiedlichen Reaktionen von PCI und PCF auf die Ereignisse in Polen siehe: Manfred Steinkühler: Eurocommunism after the Polish Repression, in: Aussenpolitik. German Foreign Affairs Review, 33(4)1982, S. 323–347. Zum PCI siehe ausführlich: Bruno Schoch: Polen und die Entspannung. Zum Streit der KPI mit der KPdSU, Frankfurt am Main 1982.
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Ausrufung des Kriegsrechts in Polen am 13. Dezember 1981 dar.36 Drei Tage später machte Berlinguer die Position des PCI im Europäischen Parlament in Straßburg deutlich: „As the Italian Communists are against any act which harms the sovereignty of nations and people's freedoms – no matter where in the world, be it in Afghanistan, El Salvador or Turkey – we want to speak out from this European Parliament to express our utter condemnation of the violation of people's rights in Poland and our solidarity with the Polish people […]“37 Ende Dezember 1981 publizierte die PCI-Führung eine Erklärung, welche die schöpferische Kraft der Oktoberrevolution in Abrede stellte und das sowjetische Modell als nicht nachahmenswert bezeichnete.38 Während seiner Rede zum 61-jährigen Bestehen des PCI am 23. Januar 1982 in Mailand wiederholte Berlinguer diese Kritik. Einen Tag später publizierte die Prawda die sowjetische Antwort: „Wie aus den Dokumenten der Führer der IKP zu ersehen ist, verstehen sie übrigens, wenn sie über die Demokratie sprechen, darunter bei weitem nicht die reale Beteiligung des Volkes an der Leitung. Nach den Sympathien der Führer der IKP für die rechten Extremisten aus der polnischen ‚Solidarnosc‘ zu urteilen, haben sie, wenn sie über Demokratie in den sozialistischen Ländern sprechen, mitunter nicht die Beteiligung der Werktätigen an der Leitung der Angelegenheiten der sozialistischen Gesellschaft, sondern etwas ganz anderes im Auge, und zwar die Handlungsfreiheit für jene, die, in Verletzung der sozialistischen Gesetzlichkeit und unter Ausnutzung der Hilfe von außen, versuchen, die sozialistische Ordnung zu unterwandern.“39 Am 26. Januar antwortete L‘Unità erneut mit Kritik an der Sowjetunion und die CGIL verabschiedete eine gegen die Sowjetführung gerichtete Deklaration.40 Auch Generalsekretär Berlinguer verkündete erneut, dass die aus der Oktoberrevolution hervorgegangene Triebkraft erschöpft sei.41 In einem
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Vgl. Joan Barth Urban: Moscow and the Italian Communist Party. From Togliatti to Berlinguer, Ithaca (New York) 1986, S. 315–321. Enrico Berlinguer zitiert in: MTF, Speeches, interviews & other statements, Speech to the European Parliament (British Presidency), 16.12.1981, http://www.margaretthatcher.org/document/104763 (Abruf am 12.05.2014). WBA im AdsD, A 13, 100a, Erklärung der nationalen Leitung des PCI zur Lage in Polen, Dezember 1981. „Ein Versuch, den Weg des Sowjetvolkes in Mißkredit zu bringen.“ Abdruck aus der Prawda, in: Frankfurter Rundschau, 02.02.1982, S. 12. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000461, Die KPI und Moskau: An der Wegscheide? Bericht von Holger Quiring, 16.02.1982, Rom. Vgl. Timothy Garton Ash: The Polish Revolution. Solidarity, 3. Aufl., New Haven 2002, S. 325. Zur Haltung Berlinguers in der polnischen Krise siehe: Enrico Berlinguer: After
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Schreiben an alle Parteiführer der Warschauer Pakt-Staaten warnte er zusätzlich vor einer militärischen Intervention in Polen und drohte für diesen Fall „nicht wieder gutzumachende Konsequenzen“42 an. Dass sich der PCI und auch die spanischen Eurokommunisten in der Polenfrage offen gegen die KPdSU positionierten und Solidarność unterstützten, wird auch von Timothy Garton Ash besonders hervorgehoben: „No other movement in the world was supported by President Reagan and Mr. Carrillo, Mr. Berlinguer and the Pope, Mrs. Thatcher and Tony Benn, peace campaigners and NATO spokesmen, Christians and communists, conservatives, liberals and socialists.“43 Tatsächlich kam es im Europäischen Parlament zu einer gemeinsamen Entschließung der Fraktionen von Sozialisten, Christdemokraten, Konservativen, Liberalen und Gaullisten zur Lage in Polen, die vom PCI unterstützt wurde. Dort wurden unter anderem die Aufhebung des Kriegsrechts und die unverzügliche Freilassung der Inhaftierten gefordert.44 In der Prawda kam es daraufhin zu massiven Angriffen: „Die Ende 1981 und Anfang 1982 beschlossenen Dokumente der italienischen KP bedeuten, daß sich ihre Führer jetzt von allem, was sie mit den fortschrittlichen Kämpfern für Frieden und Sozialismus in fast 90 Ländern der Welt verband, lossagen und sich offen gegen den Weltsozialismus stellen, den das fortschrittliche gesellschaftliche Denken heute als die höchste Errungenschaft des sozialen Weltfortschritts des 20. Jahrhunderts anerkennt. […] In der heutigen Welt bedeutet das die unmittelbare Unterstützung des Imperialismus, der seit Jahrzehnten auf die Schwächung des Sozialismus, auf seine Zerrüttung und ideologische Unterhöhlung hinarbeitet, bedeutet die Hilfe für den Antikommunismus, für alle Kräfte, die dem sozialen Fortschritt überhaupt feindlich gegenüberstehen.“45 Zeitgleich geriet der PCI in seiner Haltung zu den osteuropäischen Dissidenten unter Druck. Vor allem Sozialistenchef Craxi wandte ein, dass nur ein endgültiger Bruch mit der KPdSU den Einsatz des PCI für verfolgte Bürgerrechtler in den sozialistischen Staaten Osteuropas glaubhaft werden lasse. Als Beleg für eine mangelnde Unterstützung osteuropäischer Dissidenten führten Craxi und konservative Kritiker der italienischen Eurokommunisten beispielsweise Wladimir K.
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Poland. Towards a New Internationalism. With the Decisions and Resolutions of the Communist Party of Italy, Nottingham 1982. Enrico Berlinguer zitiert in: Kellmann: Die kommunistischen Parteien in Westeuropa, S. 118. Garton Ash: The Polish Revolution, S. 320. WBA im AdsD, A 13, 100a, Entschließung des EP zur Lage in Polen vom 18.12.1981. „Ein Versuch, den Weg des Sowjetvolkes in Mißkredit zu bringen.“ Abdruck aus der Prawda, in: Frankfurter Rundschau, 02.02.1982, S. 12.
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Bukowski an. Dieser hatte in einem Gastvortrag auf der Vorstandssitzung der AFL-CIO in Miami eindringlich vor den Gefahren des Eurokommunismus gewarnt: „Dieser sei im Grunde ebenso totalitär und gewerkschaftsfeindlich wie der sowjetische Kommunismus.“46 Unerwähnt ließ Bukowski, dass sich Berlinguer persönlich bei Breschnew für seine Freilassung eingesetzt hatte.47 Ebenso versuchte Craxi mit seiner Kritik, das Engagement der italienischen Kommunisten für Bürgerrechtler in der DDR wie Rudolf Bahro, Wolf Biermann oder Robert Havemann als Sonderfälle abzutun.48 Neben Bukowski äußerten sich nun vereinzelt osteuropäische Dissidenten kritisch zum Eurokommunismus und warnten vor dessen Verharmlosung, so beispielsweise der sowjetische Schriftsteller Andrei Donatowitsch Sinjawski und der Philosoph Pëtr Markovič Abovin-Egides.49 Schon Ende des Jahres 1978 hatte Holger Quiring, nachdem er vom 28. bis 30. November an einer PSI-Tagung unter dem Titel „Marxismus-LeninismusSozialismus“ in Rom teilgenommen hatte, den SPD-Parteivorstand darauf aufmerksam gemacht, dass die italienischen Sozialisten deutlich stärker auf die Dissidenten setzen würden als die Kommunisten.50 An der Veranstaltung hatten die tschechoslowakischen Dissidenten Jiří Pelikán, der 1979 als Mitglied der italienischen Sozialisten zum Abgeordneten des Europäischen Parlaments gewählt wurde, Jiří Kosta und Zdeněk Mlynář teilgenommen. Weitere Teilnehmer waren unter anderem Leszek Kołakowski, Rudi Dutschke, Ossip K. Flechtheim und Karsten D. Voigt gewesen.
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Wladimir K. Bukowski zitiert in: WBA im AdsD, A 19, 108, Verschlüsselter Drahtbericht der Deutschen Botschaft Washington an das Auswärtige Amt, 02.03.1977, Washington D.C., S. 5. FIG, APCI, Estero, 1976, mf 0241, 1304, Lettera da Berlinguer a Breznev (intercessione in favore di Vladimir Bukowsky), 06.08.1976, Rom. Tatsächlich hatte sich die PCI-Führung insbesondere für Bürgerrechtler in der DDR und zeitweise in der Tschechoslowakei eingesetzt. Das Engagement für polnische und sowjetische Dissidenten fiel etwas schwächer aus, war allerdings vorhanden. Vgl. F. Stephen Larrabee: Soviet Policy Towards Eastern Europe. Interests, Instruments, and Trends, in: Robbin F. Laird/Erik P. Hoffmann (Hrsg.): Soviet Foreign Policy in a Changing World, New York 1986, S. 545; Dieter Segert: Prager Frühling. Gespräche über eine europäische Erfahrung, Bonn 2008, S. 161; PAAA, Bestand B 38, Zwischenarchiv, Bd. 115122, Fernschreiben der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt zur Haltung der KPI zur Bürgerrechtsbewegung, 02.03.1977, Rom. Vgl. Peter Abovin-Egides [eigentlich Pëtr Markovič Abovin-Egides, d. Verf.]: Der Eurokommunismus vor dem Gericht von Poiski, in: Politische Studien, Nr. 259, Sept./Okt. 1981, S. 493–505; „Sinjawski kritisch gegen Eurokommunismus“, in: FAZ, 18.04.1977. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000459, Bericht aus Italien: Die Sozialistische Partei und der Leninismus von Holger Quiring, 06.12.1978, Rom, S. 2.
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Die Führungen von PCI und SPD trafen sich in ihrer Einschätzung, wonach primär Bewegungen innerhalb der kommunistischen Staatsparteien unterstützt werden sollten, um eine Liberalisierung der dortigen Diktaturen zu erreichen.51 Eine Gefährdung der Entspannungspolitik mit den sozialistischen Staaten sollte definitiv vermieden werden. Die Unterstützung von Dissidenten wurde daher zeitweise als zweitrangig, wenn nicht sogar als gefährlich für die Weiterführung der Entspannungspolitik angesehen.52 Dies entsprach auch der Haltung der meisten Mitgliedsparteien der Sozialistischen Internationale: „Abuses of human rights, wherever in the world they occur, should be met by adequate action. The member parties of the Socialist International do not see any contrast between these efforts and the policy of détente. Therefore they are opposed to conservative forces putting into danger, in the name of human rights, what has been initiated in the field of humanitarian reliefs by the policy of détente.“53 Insbesondere nachdem sich Brandt in einer Erklärung der Sozialistischen Internationale gegen zu harte Maßnahmen gegenüber der polnischen Staatsführung gewandt hatte, da diese seiner Meinung nach dem polnischen Volk noch mehr schaden würden, kam es von den südeuropäischen Sozialisten zu deutlicher Kritik an dem SI-Präsidenten.54 Die italienischen Sozialisten und Sozialdemokraten protestierten massiv gegen die nicht abgesprochene Erklärung. Luigi Preti, der zur Führung des PSDI zählte und seinerzeit Vizepräsident des italienischen Abgeordnetenhauses war, griff Brandt äußerst scharf an: „Dieser ehemalige große Mann, der nur einen winzigen Teil Wähler seiner Partei repräsentiert, mißbraucht die Sozialistische Internationale für seine eigenen politischen Ziele.“55 Ähnlich kritisch äußerte sich auch der
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Brandt selbst informierte nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen Berlinguer bei einem Treffen im Europäischen Parlament in Straßburg über seine Position. Vgl. Bernd Rother: Zwischen Solidarität und Friedenssicherung. Willy Brandt und Polen in den 1980er Jahren, in: Friedhelm Boll/Krzysztof Ruchniewicz (Hrsg.): „Nie mehr eine Politik über Polen hinweg“. Willy Brandt und Polen, Bonn 2010, S. 227. Vgl. Dettmar Cramer: Bürgerrechte ’77, Köln 1977, S. 10–16. WBA im AdsD, A 13, 16, SI News, Vol. VIII, Nr. 4, 24.05.1977, London, S. 2. Vgl. „Von Kniefall zu Kniefall“ von Alfons Dalma, in: Die Welt, 22.12.1981; „‚Von uns nicht mehr verlangen als von Brandt‘“ von Heinz-Joachim Fischer, in: FAZ, 22.12.1981; Bernd Rother/Wolfgang Schmidt: Einleitung. Über Europa hinaus. „Dritte Welt“ und Sozialistische Internationale, in: Helga Grebing/Gregor Schöllgen/Heinrich August Winkler im Auftrag der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung (Hrsg.): Willy Brandt, Berliner Ausgabe, Band 8, Über Europa hinaus – Dritte Welt und Sozialistische Internationale, Bernd Rother/Wolfgang Schmidt (Bearbeiter), Bonn 2006, S. 40. Luigi Preti zitiert in: „‚Von uns nicht mehr verlangen als von Brandt‘“ von Heinz-Joachim Fischer, in: FAZ, 22.12.1981.
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PSDI-Vorsitzende Pietro Longo.56 CDU/CSU griffen die Vorwürfe der italienischen Sozialisten und Sozialdemokraten auf und unterstützten diese öffentlich.57 In einem Gespräch mit dem Korrespondenten von Avanti!, Gian Paolo Segala, wurde deutlich, dass vor allem Craxi die Haltung gegenüber den osteuropäischen Dissidenten zum innenpolitischen Angriff auf den PCI nutzen wollte.58 Neben der Dissidentenfrage plante Craxi insbesondere die Position der italienischen Kommunisten zum NATO-Doppelbeschluss zu instrumentalisieren. Dass es sich dabei tatsächlich um eine Instrumentalisierung handelte, war den deutschen Sozialdemokraten bereits frühzeitig klar. So stellte Horst Ehmke nach einem Gespräch mit Paolo Bufalini, einem der profiliertesten Außen- und Sicherheitspolitiker des PCI59, Ende des Jahres 1979 gegenüber Helmut Schmidt klar, dass die Position der italienischen Kommunisten in der Nachrüstungsdebatte keinesfalls als einseitig prosowjetisch zu brandmarken sei.60 Auch der Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rom konstatierte, dass die Führung des PCI mitnichten die Verpflichtungen Italiens im Rahmen der NATO infrage stelle.61 Die italienischen Kommunisten warnten vielmehr vor einem Rüstungswettlauf und erkannten im Hinblick auf die Stationierung der SS-20-Raketen an, dass im Falle einer Störung des Gleichgewichts eine entsprechende Reduzierung derselben angebracht wäre.62 Indem sich Craxi jedoch vorbehaltlos der Haltung der Democrazia Cristiana und der US-Regierung anschloss, zog er die Sympathien Washingtons auf sich: „In retrospect, the Socialist decision in 1979 may be taken as the point of departure of
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Vgl. Rother: Zwischen Solidarität, in: Boll/Ruchniewicz (Hrsg.): Willy Brandt und Polen, S. 225. WBA im AdsD, A 13, 100a, Nachrichten aus der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, 21.12.1981, Bonn. WBA im AdsD, A 13, 100a, Vermerk von Hans-Eberhard Dingels an Thomas Mirow, 22.12.1981. Siehe hierzu auch: Über die Frage der „Euroraketen“ (Interview mit dem Genossen Paolo Bufalini, Mitglied der nationalen Leitung der IKP), in: Die italienischen Kommunisten. Bulletin der IKP für das Ausland, Nr. 4/1979, S. 79–83. HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Brief von Horst Ehmke an Helmut Schmidt, 07.11.1979, Bonn. HSA im AdsD, 1/HSAA006817, Telegramm von Holger Quiring an Horst Ehmke und Hans-Eberhard Dingels, 23.10.1979, Rom. Ebenda, S. 2. Siehe hierzu auch die Rede Enrico Berlinguers im italienischen Abgeordnetenhaus am 5. Dezember 1979: Sull’installazione dei missili Cruise sul territorio italiano, 5 dicembre 1979, in: Enrico Berlinguer: Discorsi parlamentari (1968–1984), hrsg. von Maria Luisa Righi, Rom 2001, S. 188–203.
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that long political road which was to carry Bettino Craxi […] to the leadership of the new coalition government formed in 1983.“63 Auf dem XLII. Parteikongress des PSI vom 22. bis 26. April 1981 in Palermo erfuhren die SPD-Delegierten Peter Corterier, der wenige Wochen später zum Staatsminister im Auswärtigen Amt berufen wurde, und Ludwig Fellermaier in einem privaten Gespräch mit dem italienischen Verteidigungsminister und PSIFührungsmitglied Lelio Lagorio, dass der PCI keine Kampagne gegen den NATODoppelbeschluss fahre, ja sogar der moskautreue kommunistische Senator und ExNATO-General Nino Pasti für seine sowjetfreundlichen Äußerungen in l‘Unità massiv gerügt worden sei.64 Nach einem Gespräch des kommunistischen Spitzenpolitikers Giancarlo Pajetta mit Karsten D. Voigt und Horst Ehmke 1983 in Rom merkte Letzterer an, dass sich PCI und SPD bezüglich der Nachrüstungsdebatte so nahe ständen, dass sie Pajetta „nur mit Mühe davon abhalten konnten, einen Aufnahmeantrag zu stellen“65. Um die an sich schon durch die SPD-PCIKontakte belasteten Beziehungen zur sozialistischen Schwesterpartei nicht noch weiter zu gefährden, ergriff die SPD-Führung allerdings nicht öffentlich Partei für die Position der italienischen Kommunisten in der Nachrüstungsdebatte. Das Konzept des Eurokommunismus wurde zu diesem Zeitpunkt kaum noch diskutiert. Zu unterschiedlich waren die Entwicklungen in den als eurokommunistisch bezeichneten Parteien gewesen, um noch von einer gemeinsamen Strategie sprechen zu können. Der Eurokommunismus verlor dadurch zunehmend seine Funktion als Projektionsfläche von Ängsten und Hoffnungen. Hinzu kamen teils deutliche Verluste der großen zum Eurokommunismus gerechneten Parteien Italiens, Frankreichs, Spaniens und Japans in den nationalen Parlamentswahlen der 1980er Jahre. Bereits die Europareise von US-Präsident Carter im Juni 1980 war vom Niedergang des Eurokommunismus geprägt gewesen. Das Speechwriters Office des Weißen Hauses wies in der Vorbereitung der Reise explizit darauf hin, dass der Präsident ein Gefühl von Vertrauen und Sicherheit vermitteln könne, da der Einfluss der Kommunisten in Italien deutlich zurückgegangen sei und sich
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Maurizio Cremasco: Italy. A New Role in the Mediterranean?, in: John Chipman (Hrsg.): NATO's Southern Allies. Internal and External Challenges, London, New York 1988, S. 207f. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000461, Vermerk über den PSI-Parteitag in Palermo 1981 von Peter Corterier, 11.05.1981, Bonn, S. 2. AdsD, Nachlass Hans-Jürgen Wischnewski, Italien, 1/HWAK000650, Vermerk über die Delegationsreise nach Rom von Horst Ehmke, 21.09.1983, Bonn, S. 3.
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Portugal und Spanien in Richtung stabiler Demokratien bewegten.66 Die kommunistische Regierungsbeteiligung in Frankreich ab Mai 1981 löste ebenfalls keinen Proteststurm der US-Regierung aus, obwohl mit Ronald Reagan mittlerweile einer der stärksten Kritiker des Eurokommunismus Präsident geworden war.67 Bereits im Juni 1981 reiste Vizepräsident George H. W. Bush zu einem Staatsbesuch nach Paris. Er beließ es bei einem kritischen Statement, welches später noch von einer ähnlich lautenden Erklärung des State Department ergänzt wurde.68 Die New York Times wies darauf hin, dass die Formulierungen nun deutlich milder ausfielen als die US-amerikanischen Warnungen vor einer Regierungsbeteiligung der Kommunisten in Italien in den 1970er Jahren.69 In der Realpolitik hatte die Regierungsbeteiligung des PCF keine nachhaltig negativen Auswirkungen auf die amerikanisch-französischen Beziehungen. Vielmehr zahlte sich im französischen Fall die kooperative Haltung gegenüber Mitterrand in der Phase der union de la gauche aus. Einerseits waren so keine größeren Verstimmungen aufgekommen, andererseits konnte Mitterrand auch durch die zurückhaltende USPolitik seine Strategie der rééquilibrage de la gauche umsetzen und so innerhalb weniger Jahre den Einfluss der Kommunisten in der französischen Politik minimieren.70 Im französischen Fall hatte die US-Regierung die Kontakte zum Sozialistenchef Mitterrand nie abreißen lassen, obwohl der Schwerpunkt der USamerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin auf einer Unterstützung Georges Pompidous bzw. ab 1974 Valéry Giscard d'Estaings gelegen hatte. Allerdings war anfänglich Druck auf die Sozialisten gegen die Zusammenarbeit mit den Kommunisten ausgeübt worden, was unter anderem vom ehemaligen stellvertretenden Außenminister und damaligen US-Botschafter in Paris Kenneth Rush bestätigt wurde. Nach Aussage Rushs waren die Kontakte zum Parti Socialiste auch genutzt worden, um den sozialistischen Parteien in Italien und Spanien mitzuteilen, dass die USA dort gegen eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten seien.71
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JCPL, Staff Offices, Speechwriter’s Office, Chronological File, 6/17/80 Arrival Statement King Hussein, Jordan through 6/21/80 Thank You Message [Draft] to President [Alessandro] Pertini, 6/19/80-6/26/80 Pres. Carter’s European Trip-General File, Box 71, Anmerkungen zu den geplanten Reden Carters, Juni 1980, S. 1. Vgl. Heurtebize: The Union of the Left, S. 252. Vgl. „Bush voices unease on French cabinet“ von Paul Lewis, in: The New York Times, 25.06.1981, S. 1. Vgl. Ebenda. Vgl. Dörr: François Mitterrand, S. 43–52. Elizabeth D. Sherwood nahm nach zahlreichen Interviews mit Mitarbeitern des State Department an, dass es eine großangelegte Strategie von Kissinger zur Beeinflussung so-
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Auch das Erreichen des seit Jahrzehnten angestrebten sorpasso, des Überholens der Democrazia Cristiana als stärkster Partei Italiens in einer nationalen Wahl, im Jahre 1984 löste keine Ängste mehr aus, die mit denen in der Hochphase des Eurokommunismus Mitte der 1970er Jahre vergleichbar gewesen wären. Zwar hatte der PCI am 17. Juni 1984 zum ersten und einzigen Mal in seiner Geschichte die meisten Stimmen in einer landesweiten Wahl auf sich vereinigt. Da es sich jedoch zum einen um die als weniger wichtig erachtete Wahl zum Europäischen Parlament handelte und zum anderen durch den überraschenden Tod von Enrico Berlinguer eine Woche vor der Wahl ein Sonderfall eingetreten war, reagierten sowohl die meisten westeuropäischen Regierungen als auch die US-Administration relativ gelassen. Mit 33,3 Prozent Wählerstimmenanteil im Vergleich zu den 33,0 Prozent der Christdemokraten war der kommunistische Vorsprung darüber hinaus marginal ausgefallen. Der PCI konnte dadurch lediglich einen Abgeordneten mehr als die DC nach Straßburg entsenden.72 Zurückgeführt wurde das überraschend hohe Ergebnis des PCI weniger auf dessen aktive Europapolitik als vielmehr auf Sympathiebekundungen im Zuge des Todes des populären und geachteten Generalsekretärs, den sogenannten effetto Berlinguer.73 Der Protagonist des compromesso storico hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung in Padua am 7. Juni während seiner Rede einen Hirnschlag erlitten, war nach der Rückkehr ins Hotel ins Koma gefallen und verstarb am 11. Juni an den Folgen.74 Staatspräsident Per-
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zialdemokratischer Parteien in Westeuropa gegen die Zusammenarbeit mit Kommunisten gegeben habe (vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 38). Diese Vermutung konnte durch die vom Autor durchgeführten Archivrecherchen und Interviews nicht bestätigt werden. Mit 27 Abgeordneten stellte der PCI mehr als die Hälfte aller Mandate der kommunistischen Fraktion im Europäischen Parlament. Der PCF stellte zehn Abgeordnete, die KKE drei, die Inlandsrichtung der griechischen Kommunisten einen und die Sozialistische Volkspartei Dänemarks einen weiteren Abgeordneten in der Legislaturperiode 1984– 1989. Infolge der Aufnahme Spaniens und Portugals in die EG kam es dort am 10. Juni bzw. 19. Juli 1987 zu Nachwahlen, die dem in der Izquierda Unida vereinigten PCE und dem in der Coligação Democrática Unitária antretenden PCP jeweils drei Mandate einbrachten. Kurz nach der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 1989 brach die kommunistische Fraktion auseinander. PCI, PCE, die Inlandsrichtung der griechischen KP und die dänische Sozialistische Volkspartei gründeten die eng mit den Sozialdemokraten kooperierende Fraktion der Europäischen Vereinigten Linken. PCF, KKE, PCP und die Workers’ Party of Ireland schlossen sich in der orthodox-kommunistischen Vereinigten Linken zusammen. Vgl. Aurelia Marcarino: Sociologia dell'azione comunicativa, Neapel 1988, S. 214f. Vgl. Giuliano Lenci: Le ultime giornate di Berlinguer a Padova, in: Negrello (Hrsg.): Il PCI padovano, S. 47–62.
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tini ließ den Leichnam mit dem Präsidentenflugzeug nach Rom überführen. Knapp 1,5 Millionen Menschen nahmen dort an der öffentlichen Trauerfeier auf der Piazza Venezia teil.75 Willy Brandt kondolierte nach Berlinguers Tod umgehend beim ZK des PCI.76 Wenige Monate zuvor war es am 19. Januar 1984 in der Wohnung von Franca Magnani in der Via Cavaletti in Rom noch zu einem gemeinsamen Abendessen von Enrico Berlinguer und Sergio Segre mit Willy Brandt und dessen damaligem Büroleiter Karl-Heinz Klär gekommen.77 Horst Ehmke fand bei Berlinguer „fast bernsteinianische“78 Anklänge und schrieb in einem Beitrag zu Ehren des verstorbenen Generalsekretärs: „Wir bekunden ihm über das Grab hinaus unseren großen Respekt.“79 Der neue PCI-Generalsekretär Alessandro Natta80 teilte Brandt nach der Beisetzung Berlinguers in einem Brief mit, dass er die Kontakte zur SPD und der Sozialistischen Internationale weiter aufrechterhalten und sogar ausbauen wolle.81 Die in den 1970er Jahren noch besonders kritisch debattierte Aufnahme kommunistischer Abgeordneter in die Nordatlantischen Versammlung im Jahre 1984 verlief ebenso wie der PCI-Wahlsieg bei den Europawahlen im gleichen Jahr ohne größere Widerstände. Mit Giorgio Napolitano erhielt ein Protagonist des sozialdemokratischen Flügels des PCI ein Mandat im NATO-Parlament. Dies intensivierte die Beziehungen zur deutschen Sozialdemokratie, da es mit der Aufnahme kommunistischer Abgeordneter auch zu einem verstärkten sicherheitspolitischen Informationsbedarf des PCI gekommen war, der unter anderem durch Gespräche mit entsprechenden Experten aus den Reihen der SPD gedeckt wurde. In der ersten Rede eines PCI-Abgeordneten in der Nordatlantischen Versammlung betonte Napolitano am 16. November 1984, dass auch im PCI ein Konsens in der Verurteilung des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan und der expan-
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Vgl. Kraatz: Still und heimlich, S. 270. WBA im AdsD, A 13, 187, Brief von Klaus Lindenberg an Luigi Vittorio Ferraris, 15.06.1984, Bonn. WBA im AdsD, A 13, 187, Vermerk von Klaus Lindenberg an Willy Brandt, 10.01.1984. Horst Ehmke: Berlinguer und die europäische Linke, in: Die Neue Gesellschaft, Nr. 8/1984, S. 728. Ebenda. Zu Alessandro Natta siehe: Paolo Turi: L'ultimo segretario. Vita e carriera di Alessandro Natta, Padua 1996. WBA im AdsD, A 11.15, 10, Brief von Alessandro Natta an Willy Brandt, 13.07.1984, Rom.
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sionistischen Außenpolitik der Sowjetunion bestehe.82 Karsten D. Voigt konnte als führender Sicherheitspolitiker der SPD feststellen: „Operativ war die KPI mehr an einer Normalisierung ihrer Beziehungen zu den USA als an Initiativen für Kontakte Richtung Osten interessiert.“83
7.2 Der Wandel des PCI hin zur Sozialdemokratie Ende März 1982 kam es in Paris zu einem Treffen Enrico Berlinguers mit dem französischen Staatspräsidenten François Mitterrand und Lionel Jospin, dem Generalsekretär des Parti Socialiste, während Georges Marchais von ihm ignoriert wurde.84 PS und PCI veröffentlichten im Anschluss an das Gespräch sogar eine gemeinsame Erklärung. In der Presse wurde diese verstärkte und nun auch offene Zusammenarbeit mit westeuropäischen Sozialdemokraten als Todesstoß des Eurokommunismus interpretiert, der zukünftig vom Konzept der eurosinistra abgelöst werden würde.85 Diese „Euro-Linke“ sollte eine neue Stufe der Zusammenarbeit mit reformistisch gesinnten kommunistischen Parteien und den westeuropäischen Sozialdemokraten einläuten.86 Von den französischen Kommunisten erntete das Konzept massive Kritik. Marchais bezeichnete die Euro-Linke als Versuch, den europäischen Kommunismus zu sozialdemokratisieren und ihn so den Mächten des Imperialismus, vor allem den USA, unterzuordnen.87 Im Zuge der Strategie der eurosinistra kam es zu mehreren Publikationsprojekten zwischen deutschen Sozialdemokraten und italienischen Kommunisten, so beispielsweise zwischen dem späteren Bremer SPD-Vorsitzenden und Professor für Politikwis-
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87
AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000461, Intervento dell’on. Giorgio Napolitano alla seduta plenaria dell’Assemblea dell’Atlantico del Nord, Bruxelles, 16 novembre 1984, S. 1. AdsD, Bestand Horst Ehmke, Italien, 1/HEAA000461, Kurzbericht von Karsten D. Voigt, ohne Datum [1984], S. 2. Vgl. Dunphy: Contesting Capitalism?, S. 31. Vgl. Interview von Paolo Garimberti mit Enrico Berlinguer, in: La Stampa, 30.03.1982, S. 1. Vgl. Mario Telò: Il Pci dall'eurocomunismo all'eurosinistra, in: Problemi del Socialismo, Nr. 6/1985, S. 216–225; Giorgio Napolitano: Die Kräfte der Europäischen Linken, in: Helga Grebing/Peter Brandt/Ulrich Schulze-Marmeling (Hrsg.): Sozialismus in Europa. Bilanz und Perspektiven. Festschrift für Willy Brandt, Essen 1989, S. 92–103;, Dunphy: Contesting Capitalism?, S. 22–71; Peter Glotz: Manifest für eine Neue Europäische Linke, Berlin (West) 1985. Georges Marchais: L’espoir au présent, Paris 1980, S. 137.
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senschaften Detlev Albers und dem PCI-Führungsmitglied Pietro Ingrao sowie weiteren Sozialisten und Reformkommunisten.88 Entsprechende Kooperationen hatte es bereits im Europäischen Parlament gegeben, dem Berlinguer seit 1979 als Abgeordneter angehörte. Auf die Frage des damaligen Chefredakteurs der Turiner Tageszeitung La Stampa Paolo Garimberti, ob nun die Gegensätze zwischen Eurokommunismus und der europäischen Sozialdemokratie verschwinden würden, antwortete Berlinguer: „As far as we are concerned, at least, there is no longer any contraposition.“89 Auf dem XVI. Parteikongress des PCI vom 2. bis 6. März 1983 in Mailand wurde die neue strategische Linie, genannt alternativa democratica, offiziell angenommen und der compromesso storico somit auch formal aufgegeben.90 Strategisch befand sich die Partei nun in einer Sackgasse, die sie bis zu ihrer Umwandlung Anfang des Jahres 1991 nicht mehr verlassen sollte. Das im Zuge der alternativa democratica angestrebte Bündnis mit Craxis Sozialisten war politisch kaum durchsetzbar, da dieser nicht nur den prokommunistischen Flügel des PSI entmachtet und einen deutlichen Rechtskurs eingeleitet hatte, sondern auch allgemein wenig Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem PCI zeigte. Die Democrazia Cristiana hingegen hatte sich spätestens mit der Bildung der Regierung Cossiga Anfang August 1979 endgültig gegen ein Bündnis mit dem PCI entschieden. Da die Neofaschisten des MSI von vornherein als Kooperationspartner ausfielen und die restlichen Parteien zu klein waren, um als Partner des PCI nützlich zu sein, waren die Kommunisten wieder isoliert im italienischen Parteiensystem. Der PCI wurde dadurch in den 1980er Jahren auf nationaler Ebene gezwungenermaßen erneut zu einer reinen Oppositionspartei. Innerparteilich gingen die eurokommunistischen Reformen jedoch weiter. Im Vorfeld des Parteikongresses in Mailand 1983 hatten die Delegierten der traditionalistischen, sowjetorientierten Fraktion in den Provinzparteitagen im Durch-
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Detlev Albers/Josef Cap/Pietro Ingrao/Didier Montchane [Der Name auf dem Einband der Publikation ist falsch und lautet korrekt Motchane, d. Verf.] (Hrsg.): Perspektiven der Eurolinken, Frankfurt am Main, New York 1981; Detlev Albers/Josef Cap/Jean-Pierre Chevènement/Pietro Ingrao (Hrsg.): Kapitalistische Krise und Strategien der Eurolinken. Fragen einer sozialistischen Politik in Westeuropa, Berlin (West) 1982. Enrico Berlinguer zitiert in: NAII, FBIS West Europe Report, 13.04.1982, S. 43 (PRESNET: CIA-RDP82-00850R000500050025-4). Zu dem Strategiewechsel siehe: Elvio Dal Bosco: Vom „Historischen Kompromiß“ zur „Demokratischen Alternative“. Zur Entwicklung in Italien seit Ende der 70er Jahre, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 27. Jahrgang, Nr. 1/1982, S. 95–108.
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schnitt nur noch fünf Prozent der Mandate erzielt.91 Der von sowjetorientierten Delegierten dominierte Provinzparteikongress92 von Lucca hatte einen Antrag für den Mailänder Parteitag gestellt, der den einseitigen Austritt Italiens aus der NATO verlangte. Von den 1 109 Delegierten in Mailand stimmten jedoch nur zwölf für den Antrag und 35 enthielten sich.93 Heinz Timmermann, der erneut als Beobachter an dem Parteitag teilgenommen hatte, räumte anschließend allerdings ein, dass an der Basis sowjetfreundliche Einstellungen noch stärker vorhanden waren als an der reformorientierten Parteispitze. Nichtsdestotrotz waren die Anhänger einer eng an die KPdSU angelehnten Politik auf dem Parteikongress in der deutlichen Minderheit. Ironischerweise musste die sowjetorientierte Fraktion um ZK-Mitglied Armando Cossutta94 nun auf die 1979 eigentlich zum Schutz der Reformer eingeführten parteiinternen Minderheitsrechte zurückgreifen, um beispielsweise Minderheitenvoten öffentlich publizieren zu lassen.95 Die Parteitagsreden bestätigten größtenteils die sowjetkritische Haltung des PCI. So verurteilte Berlinguer unter stehendem Beifall erneut die sowjetische Invasion in Afghanistan als „Machtpolitik“ und Gewerkschaftsführer Lama machte auf die verdeckte Arbeitslosigkeit in der Sowjetunion aufmerksam.96 Der Philosoph Cesare Luporini kritisierte in seiner Rede gar Marx dafür, dass dieser Umweltpolitik und Naturschutz in seiner Theorie nicht beachtet habe.97 Auffällig war laut Timmermann die hohe Anzahl junger Delegierter, die eher an alternativen Lebensstilen denn am Marxismus-Leninismus interessiert waren. Marco Fumagalli, der Vorsitzende des kommunistischen Jugendverbandes FGCI, erinnerte daran, dass diese jungen Mitglieder den „real existierenden Sozialismus“ als kriegsführend (z. B. sowjetischer Einmarsch in Afghanistan), unterdrückend (z. B. Verbot von Solidarność in Polen) und in einer ökonomischen Dauerkrise kennengelernt hatten. Das Attraktionspotenzial einer Orientierung am Sowjetkommunismus sei
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Vgl. Frederic Spotts/Theodor Wieser: Italy, a Difficult Democracy. A Survey of Italian Politics, Cambridge (UK), New York 1986, S. 52. Ein Parteikongress auf Provinzebene ist mit einem deutschen Unterbezirksparteitag vergleichbar. Vgl. Heinz Timmermann: Die Verwestlichung der KPI. Zu den internationalen Beziehungen der italienischen Kommunisten nach ihrem XVI. Parteitag, in: Osteuropa, 33. Jahrgang, Nr. 7/1983, S. 526. Zu Armando Cossutta siehe: Mark F. Gilbert/K. Robert Nilsson: Historical Dictionary of Modern Italy, 2. Aufl., The A to Z of Modern Italy, Lanham (Maryland) 2007, S. 118. Vgl. Timmermann: Die Verwestlichung der KPI, S. 522. Vgl. L‘Unità, 04.03.1983; Timmermann: Die Verwestlichung der KPI, S. 522f. Vgl. Ebenda, S. 523.
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somit von Anfang an gering gewesen.98 Berlinguer gab im Gespräch mit Berner und Timmermann zu, dass er sich von einer Oppositionsrolle der SPD nach der Bundestagswahl, die am letzten Tag des PCI-Kongresses stattfand, einen deutlichen Linksruck erhoffe, um endlich formalisierte, offizielle Beziehungen zwischen beiden Parteien etablieren zu können.99 Außen- und sicherheitspolitisch wurde die bereits auf dem Parteikongress 1979 beschlossene Leitlinie des „Neuen Internationalismus“, der sich bewusst vom „Proletarischen Internationalismus“ der Sowjetunion abheben sollte, weiterentwickelt. In seiner Rede zur internationalen Politik betonte Generalsekretär Berlinguer, dass die Zusammenarbeit mit sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien intensiviert werden solle und es keine Automatismen hinsichtlich privilegierter Beziehungen zu kommunistischen Parteien mehr gäbe.100 Auch in der Semantik wurden die Reformen deutlich: Statt von der „internationalen kommunistischen Bewegung“ sprach man nun umfassender von „internationaler Arbeiterbewegung“.101 Die Zahl von 101 Beobachterdelegationen auf dem XVI. Parteikongress zeigte eindrucksvoll die internationale Wertigkeit der italienischen Kommunisten auf. Timmermann erkannte in der massiven Präsenz westeuropäischer sozialdemokratischer Parteien zu Recht eine Schwerpunktverlagerung des PCI. So erhielt beispielsweise Piet Dankert, Präsident des Europäischen Parlaments und Mitglied der Führung der niederländischen Sozialdemokraten, für seine Grußbotschaft langanhaltenden Beifall der Delegierten. Erstmals seit 1962 entsandte auch die Kommunistische Partei Chinas wieder eine Abordnung.102 Delegationsführer Hu Qili, Leiter der Hauptabteilung des ZK und ehemaliger Bügermeister der Millionenstadt Tianjin, lobte den PCI für dessen neue Impulse, betonte allerdings auch, dass beide Parteien „durch Tausende von Berge und Flüsse getrennt“103 seien. Die
98 Vgl. Ebenda, S. 521. 99 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Notizen 100 101 102
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über Begegnungen auf dem Parteitag der italienischen KP in Mailand (2.-6.3.1983) von Wolfgang Berner und Heinz Timmermann, April 1983, S. 13. Vgl. Timmermann: Die Verwestlichung der KPI, S. 523. Vgl. Ebenda, S. 524. Zur Haltung der chinesischen KP gegenüber dem Eurokommunismus siehe: Heinz Timmermann: Pekings „eurokommunistische“ Wende. Zur Wiedereinschaltung der KP Chinas in das internationale kommunistische Parteiensystem, Köln 1983; „Die Polemik gegen den eurokommunistischen Autonomismus als Konsequenz des ‚sowjetischen Sozialimperialismus‘. Die Interpretation der Kommunistischen Partei Chinas“, in: Vogt (Hrsg.): Eurokommunismus, S. 130f. Hu Qili zitiert in: Timmermann: Die Verwestlichung der KPI, S. 524.
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KPdSU hingegen entsandte mit dem Prawda-Chefredakteur Wiktor Grigorewitsch Afanassjew lediglich ein ZK-Mitglied und nicht, wie bislang üblich, ein höherrangiges Politbüromitglied, was einer symbolischen Degradierung des PCI gleichkam.104 Dieses Prinzip hatte die KPdSU bereits beim XII. PCI-Parteikongress 1969 angewandt, um gegen die Kritik der italienischen Kommunisten am Einmarsch in die Tschechoslowakei ein Jahr zuvor zu protestieren. Zum Parteikongress des moskautreuen PCF vom 3. bis 7. Februar 1982 in Saint-Ouen war mit dem designierten Breschnew-Nachfolger Konstantin Ustinowitsch Tschernenko hingegen ein zentrales Mitglied der KPdSU-Führung entsandt worden. Afanassjew war „als Hardliner geltender Politiker mittleren Ranges“105 aus zweierlei Gründen zum PCI-Parteikongress geschickt worden. Zum einen sollte durch die Niederrangigkeit Afanassjews der PCI brüskiert werden, zum anderen hatte Afanassjew Erfahrung im Umgang mit eurokommunistischen Parteien, da er zuvor bereits auf einem Parteitag der spanischen Kommunisten eingesetzt worden war. Darüber hinaus war er für die heftigen Angriffe der Prawda auf die reformorientierte PCI-Führung ab Januar 1982 zuständig gewesen. Erst nach der Amtsübernahme Michail Sergejewitsch Gorbatschows im März 1985 verbesserten sich die Beziehungen zwischen KPdSU und PCI wieder.106 Bereits im Juni 1984 hatte Gorbatschow ein Zeichen gesetzt und war zur Beerdigung Enrico Berlinguers nach Italien gereist.107 Dort legte er in Gesprächen mit führenden PCI-Mitgliedern seine undogmatische Haltung dar.108 Der neue Generalsekretär der sowjetischen Kommunisten war beeindruckt von der Politik des PCI: „It all revealed a mentality, a political culture, so different from ours. I had already read the programmatic documents of the Italian Communists, the famous ‚Togliatti Memorandum‘ that surfaced right after the 20th CPSU Congress. I had studied Gramsci’s Prison Notebooks thoroughly. But still, seeing Berlinguer’s
104 So wurden die KPdSU-Delegationen auf den Parteikongressen des PCI 1979 von Arvīds Pelše, 1975 von Andrei Pawlowitsch Kirilenko und 1972 von Wiktor Wassiljewitsch Grischin angeführt, die allesamt Mitglieder des Politbüros waren. 105 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Notizen über Begegnungen auf dem Parteitag der italienischen KP in Mailand (2.–6.3.1983) von Wolfgang Berner und Heinz Timmermann, April 1983, S. 3f. 106 Zur Entwicklung der sowjetischen Haltung gegenüber den Eurokommunisten siehe: Heinz Timmermann: Moskau und die Westkommunisten. Von Breschnew zu Gorbatschow, Köln 1989. 107 Vgl. James J. Sheehan: The Transformation of Europe and the End of the Cold War, in: Jeffrey A. Engel (Hrsg.): The Fall of the Berlin Wall. The Revolutionary Legacy of 1989, Oxford, New York 2009, S. 48. 108 Vgl. Gerd Ruge: Michail Gorbatschow. Biographie, Frankfurt am Main 1990, S. 317f.
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funeral was deeply thought-provoking.“109 Die neue Verbundenheit der KPdSU Gorbatschows mit dem PCI offenbarte sich auch durch symbolische Gesten wie der Veröffentlichung der Tischrede Gorbatschows, die er bei einem Essen mit Generalsekretär Natta am 28. Januar 1986 gehalten hatte.110 In dieser griff er den eurokommunistischen Reformprozess des PCI positiv auf: „Unsere Partei Lenins und die Partei Antonio Gramscis und Palmiro Togliattis verbinden langjährige Bande der Freundschaft und Zusammenarbeit, sagte der Generalsekretär des ZK der KPdSU. Die Vergangenheit darf nicht vergessen werden, in ihr liegen stets die Wurzeln der Gegenwart. Doch blicken muß man nach vorn, in die Zukunft, wobei es gilt, nur das in die Zukunft mitzunehmen, was die geschichtliche Bewährungsprobe bestanden hat, und sich ohne Bedauern von dem zu trennen, was eine geschlossene und effektive Arbeit behindert.“111 Nach Aussage Nattas hatte Gorbatschow ihm gegenüber während der Gespräche in Moskau Ende Januar 1986 die Autonomie des PCI anerkannt.112 Dennoch behielt die PCI-Führung ihre sowjetkritische Haltung aufrecht. Natta betonte während eines Kolloquiums im Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien knapp zwei Monate nach seiner Unterredung mit dem KPdSU-Generalsekretär: „Die IKP sieht keinen Grund für eine Abweichung von ihrer Beurteilung, die sie auf ihrem Parteitag 1983 bezüglich der Sowjetunion und der osteuropäischen Gesellschaften gegeben hat: daß die aus der Oktoberrevolution hergeleitete Antriebskraft dieser Gesellschaften erschöpft ist.“113 Positiv hob Natta jedoch hervor, dass Gorbatschow die
109 Michail Gorbatschow zitiert in: Robert D. English: Russia and the Idea of the West. Gorbachev, Intellectuals, and the End of the Cold War, New York 2000, S. 315f. (dort: Anmerkung 146). 110 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus allgemein, 1/HEAA000406, Aus der Tischrede Michail Gorbatschows bei einem Essen für den Generalsekretär der IKP, Dokumente (hrsg. von der Presseabteilung der Botschaft der UdSSR in der Bundesrepublik Deutschland), 30.01.1986, Köln. 111 Ebenda, S. 5. 112 WBA im AdsD, A 11.15, 10, Protokoll der Diskussion im Anschluß an das Referat von Alessandro Natta am 11. März 1986 im Bundesinstitut, 26.03.1986, S. 3f. Siehe hierzu auch: Jacques Lévesque: Le Parti communiste italien, l'URSS et l'ordre international. Le cheminement du PCI depuis 1975, in: Revue française de science politique, Vol. 37, Nr. 2/1987, S. 172–175. 113 Alessandro Natta zitiert in: WBA im AdsD, A 11.15, 10, Protokoll der Diskussion im Anschluß an das Referat von Alessandro Natta am 11. März 1986 im Bundesinstitut, 26.03.1986, S. 5.
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NATO nicht mehr dämonisiere, sondern als Bestandteil des Gleichgewichts ansehe.114 Anlässlich Nattas Vortrags im BIOst kam es am 10. März 1986 auch zu einem Treffen mit Willy Brandt. Weitere Teilnehmer des Gesprächs waren unter anderem Horst Ehmke, Karsten D. Voigt, Heinz Timmermann und Hans-Eberhard Dingels. Das Auslandsbulletin des PCI konnte nach dem Zusammentreffen Brandts mit Natta erstmals öffentlich verkünden, dass ein PCI-Generalsekretär in die umgangssprachlich als „Baracke“ bezeichnete SPD-Parteizentrale, das ErichOllenhauer-Haus in Bonn, gekommen war: „Il s’agissait de la première fois qu’un secrétaire du PCI passait le seuil de la ‚baraque’ sur la Ollenhauerstrasse, temple mythique de la socialdémocratie allemande.“115 Brandt und Natta zeigten sich beide erfreut über die Entwicklungen in der Sowjetunion unter dem neuen KPdSU-Generalsekretär Gorbatschow.116 Die Kontakte zwischen SPD und PCI wurden als „déjà une histoire importante“117 gelobt. Bereits ein Jahr zuvor hatte es einen, vor allem in Italien, vielbeachteten Besuch einer 19köpfigen SPD-Delegation unter Leitung von Peter von Oertzen und Hans-Ulrich Klose beim PCI gegeben. In der Parteischule der italienischen Kommunisten in Frattocchie in der Nähe Roms war es dabei zu ausführlichen Gesprächen mit der gesamten PCI-Spitze gekommen.118 Insbesondere Giorgio Napolitano hatte sich dabei als „entschiedener Befürworter engerer Beziehungen zur SPD“119 herauskristallisiert. Valdo Spini, seinerzeit für die Auslandskontakte der italienischen Sozialisten zuständig, stellte das Treffen in der Parteizeitung Avanti! als Privatinitiative dar. Es wäre nicht auf Wunsch der Parteileitungen
114 Ebenda, S. 6. 115 WBA im AdsD, A 11.15, 10, „Rencontre Natta-Brandt“, Les Communistes Italiens, Nr. 1, Januar-März 1986. 116 Ebenda. 117 Ebenda. 118 PAAA, Bestand AV Neues Amt, Diplomatische Vertretung Rom, Bd. 26086, Drahtbericht der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt zu den Beziehungen der Kommunistischen Partei Italiens zur SPD von Lothar Lahn, 06.03.1985, Rom; PAAA, Bestand AV Neues Amt, Diplomatische Vertretung Rom, Bd. 26086, Drahtbericht der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt zu den Beziehungen der Kommunistischen Partei Italiens zur SPD von Lothar Lahn, 08.03.1985, Rom; PAAA, Bestand AV Neues Amt, Diplomatische Vertretung Rom, Bd. 26086, Drahtbericht der bundesdeutschen Botschaft Rom an das Auswärtige Amt zu den Beziehungen der Kommunistischen Partei Italiens zur SPD von Lothar Lahn, 11.03.1985, Rom. 119 Ebenda, S. 1.
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zustande gekommen, was aufgrund einer 19köpfigen deutschen Delegation als absurder Versuch wirkte, die SPD-PCI-Kontakte abzuwerten.120 Zum XVII. Parteikongress der italienischen Kommunisten, der vom 9. bis 13. April 1986 in Florenz als erster in der Amtszeit Gorbatschows stattfand121, entsandte die Sowjetführung unter Leitung von Politbüromitglied Lew Nikolajewitsch Saikow wieder eine hochrangige Delegation. In dem von Wadim Sagladin vorgetragenen Grußwort des KPdSU-Generalsekretärs wurde nun betont, dass „die Einheit der Kommunisten nichts mit Uniformität, Hierarchie, mit der Einmischung der einen Parteien in die Angelegenheiten anderer, mit dem Anspruch irgendeiner Partei auf den Monopolbesitz der Wahrheit“122 zu tun habe. Knapp drei Jahre später stellte Manfred Steinkühler, der ehemalige Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Mailand, die rhetorische Frage: „Ist es nicht die KPdSU selbst, die durch den von ihr eingeleiteten Reformprozeß Berlinguer posthum recht gibt […]?“123 Das offizielle Motto des Parteikongresses – un moderno partito riformatore – gab die Richtung vor. Da der PCI mit seiner positiven Haltung zu einer künftigen politischen Union Europas, die über die aktuelle EG hinausgehen sollte, in der kommunistischen Welt isoliert war, orientierte sich die Partei auf jenem Parteitag erstmals deutlich in der Öffentlichkeit an den sozialdemokratischen Parteien Westeuropas.124 Die SPD sollte gar „künftige Präferenzpartnerin für eine konzertierte EG-Politik der westeuropäischen Linken“125 werden, was von der SPD-Delegation unter Leitung der Europaparlamentarierin Heidemarie Wieczorek-Zeul mit Interesse vernommen wurde.126 Zusätzlich waren Heinz Timmermann und Wolfgang Berner vom BIOst als Beobachter anwesend. Erstmals wurde die Frage einer Mitgliedschaft des PCI im Bund der Sozial-
120 Ebenda, S. 2. 121 Zum Verlauf des Parteikongresses siehe: Manfred Steinkühler: Zum 17. Parteitag der italienischen Kommunisten, in: Deutschland Archiv, 19. Jahrgang, Nr. 5/1986, S. 452– 455. 122 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Kurzbericht über Eindrücke und Informationen vom 17. Kongreß der KP Italiens von Wolfgang Berner und Heinz Timmermann, 14.04.1986, S. 6. 123 Manfred Steinkühler: Wie die SED sich den PCI wünscht, in: Deutschland Archiv, 22. Jahrgang, Nr. 6/1989, S. 622. 124 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Kurzbericht über Eindrücke und Informationen vom 17. Kongreß der KP Italiens von Wolfgang Berner und Heinz Timmermann, 14.04.1986, S. 2. 125 Ebenda, S. 3. 126 Ebenda, S. 2.
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demokratischen Parteien der Europäischen Gemeinschaft127 und der Sozialistischen Internationale öffentlich diskutiert, fand jedoch noch keine Mehrheit.128 Diese Politik wurde in den Folgejahren fortgeführt. So baute Natta neben den bereits etablierten Kontakten zur SPD auch die Beziehungen zu den sozialdemokratischen Parteien in Schweden, Portugal und Spanien weiter aus.129 Im Falle der französischen Kommunisten kam es hingegen zu einer entgegengesetzten Entwicklung. Spätestens nach dem erneuten Bruch der Linksunion und dem Ausstieg aus der Regierungskoalition mit dem Parti Socialiste 1984 wurde deutlich, dass ein weitgehender Reformkurs im PCF nicht möglich war. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus wurde nicht nur beibehalten, sondern von der Parteiführung um Georges Marchais rigoros genutzt, um die eigenen Interessen durchzusetzen.130 Innerparteiliche Oppositionsgruppen, die sich am Vorbild der italienischen Eurokommunisten orientierten, wurden ausgeschlossen. Hierzu zählten vor allem die Rencontres communistes131 um Henri Fiszbin Ende des Jahres 1981 und die Gruppe der Rénovateurs132 um Pierre Juquin seit Mitte der 1980er Jahre. Folge der doktrinären Politik des PCF war, dass die Partei in den französischen Parlamentswahlen am 16. März 1986 erstmals seit 1932 unter die Marke von zehn Prozent der Wählerstimmen fiel und seitdem einen nachhaltigen Bedeutungsverlust im französischen Parteiensystem erlitten hat. Auch bei den spanischen Kommunisten kam es zu massiven innerparteilichen Auseinandersetzungen, die 1982 zum Ausschluss des eurokommunistischen Vordenkers Manuel Azcárate und 1985 gar zum Ausschluss von Santiago Carrillo führten.133 Eine gemeinsame eurokommunistische Strategie von PCI, PCF und PCE war daher in den 1980er Jahren kein Thema mehr, was sich auch an den Titeln der zeitgenössischen Publi-
127 Der Bund der Sozialdemokratischen Parteien der Europäischen Gemeinschaft wurde im November 1992 in Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) umbenannt. 128 WBA im AdsD, A 13, 165, Vermerk von Veronika Isenberg an Hans-Jochen Vogel, 03.06.1988. 129 Vgl. Stephen Gundle: The Italian Communist Party. Gorbachev and the End of „Really Existing Socialism“, in: David S. Bell (Hrsg.): Western European Communists and the Collapse of Communism, Oxford, Providence (Rhode Island) 1993, S. 20. 130 Vgl. Jean Charlot: Die politischen Parteien und das Parteiensystem in Frankreich, Paris 1992, S. 43. 131 Vgl. „Die Partei steckt in einer Krise. SPIEGEL-Interview mit KPF-Dissident Henri Fiszbin“, in: Der Spiegel, Nr. 43, 19.10.1981. 132 Vgl. Pierre Turpin: Les révolutionnaires dans la France social-démocrate. 1981–1995, Paris 1997, S. 198ff. 133 Vgl. Nikolas Dörr: Emanzipation und Transformation. Rückblick auf den Eurokommunismus, in: Osteuropa, 63. Jahrgang, Nr. 5-6/2013, S. 266f.
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kationen zeigte. Der Eurokommunismus galt nun als in seiner Dynamik gebremst134, in der Krise135, bald als gescheitert136 und wenige Jahre später schließlich als abgeschlossenes Kapitel137. Umso stärker wurden die Initiativen innerhalb des PCI, die auf eine Umwandlung in eine sozialdemokratische Partei abzielten. Am 25. und 26. Januar 1989 besuchte eine PCI-Delegation138 unter Leitung des neuen Generalsekretärs Achille Occhetto die Bonner Parteizentrale der SPD.139 Hans Koschnick, der Vorsitzende der Kommission für Internationale Beziehungen beim Parteivorstand der SPD, hatte Giorgio Napolitano, seinerzeit Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Politik und internationale Beziehungen des PCI, im Frühjahr 1988 eingeladen. Der ursprünglich geplante Besuchstermin am 20. Juni 1988 musste kurzfristig abgesagt werden, da Alessandro Natta nach einem Herzinfarkt zurückgetreten war und Occhetto an seiner Stelle zum neuen Generalsekretär des PCI gewählt wurde. Ein deutliches Zeichen für die engen Beziehungen war der Empfang durch die ranghöchsten SPD-Politiker, namentlich Hans-Jochen Vogel als Parteivorsitzender und Willy Brandt als Präsident der SI und Ehrenvorsitzender der SPD.140 An den weiteren Gesprächen mit der PCI-Delegation nahmen mit Hans-Ulrich Klose, Horst Ehmke, Karsten D. Voigt, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Anke Martiny, Klaus Hänsch, Peter Glotz, Hermann Scheer, Hans-Eberhard Dingels, Heinz Timmermann, Jutta Tiedtke und Peter Schlaffer weitere Spitzenpolitiker und -funktionäre der Partei und nahestehender Organisationen teil. Zentrale Themen der Gespräche waren die Reformdebatte im PCI sowie das Verhältnis zur sozialis-
134 Heinz Timmermann: Die gebremste Dynamik des „Eurokommunismus“. Probleme und Perspektiven der großen kommunistischen Parteien Westeuropas, Köln 1982. 135 Andreas Meier: Eurokommunismus in der Krise, in: APuZ, Nr. 48/1982, S. 33–46. 136 Manfred Steinkühler: Eurokommunismus. Gescheiterte Strategie?, in: Aussenpolitik. Deutsche Ausgabe, 36. Jahrgang, 1985, S. 371–382. 137 Heinz Bäuerlein: Der Eurokommunismus – ein abgeschlossenes Kapitel, in: EuropaArchiv, 47. Jahrgang, Nr. 22/1992, S. 653–663. 138 Der PCI-Delegation gehörten an: Achille Occhetto (Generalsekretär), Giorgio Napolitano (Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Politik und Internationale Beziehungen des PCI), Antonio Rubbi (Internationaler Sekretär des PCI), Gianni Cervetti (Fraktionsvorsitzender des PCI im Europäischen Parlament) und Livia Turco (Vorsitzende der PCIFrauenorganisation und Mitglied des Sekretariats des ZK). 139 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Aufzeichnung zum Besuch der KPI-Delegation in Bonn am 25./26.01.1989 von Veronika Isenberg, 08.02.1989, Bonn. 140 WBA im AdsD, A 13, 82, Vermerk von Susanne Schmidt-Schietinger an Klaus Lindenberg und Rita Linz, 11.01.1989, Bonn.
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tischen Fraktion im Europäischen Parlament und zur SI.141 Während der Gespräche machte Napolitano die endgültige Abkehr der italienischen Kommunisten von Moskau deutlich: „Die KPI habe seit langem keine ‚ideologischen Verbindungen‘ mehr zur KPdSU. Sie betrachte sich nicht mehr als eine kommunistische Partei innerhalb einer internationalen kommunistischen Bewegung.“142 Innerhalb der SPD war eine Aufnahme der italienischen Kommunisten in die SI umstritten. So betonte der Parteivorsitzende Hans-Jochen Vogel gegenüber der Presse: „Unsere geborenen Partner sind die italienischen Sozialisten (PSI) und Sozialdemokraten (PSDI), die auch unsere Partner in der SI sind und bleiben.“143 Wenige Wochen später kam es zu einem Eklat, als Generalsekretär Occhetto im Corriere della Sera mit den Worten zitiert wurde, die SPD sei für den Beitritt des PCI zur SI und auch zur sozialistischen Fraktion des Europäischen Parlaments. Lediglich Craxi würde sich dagegenstellen. Der italienische Sozialistenchef verlangte umgehend eine Klarstellung von der SPD-Führung, die er allerdings nicht in der gewünschten Deutlichkeit erhielt. Demnach hatte sich die SPD nicht für den Beitritt des PCI ausgesprochen, diesem aber genauso wenig widersprochen.144 In dieser Phase konnte mit Achille Occhetto auch erstmals ein amtierender Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens in die USA reisen.145 Zusammen mit seinem Begleiter Giorgio Napolitano hinterließ er dabei, aufgrund seiner reformistischen Positionen, offensichtlich einen besseren Eindruck auf den republikanischen Senator von Wyoming Alan K. Simpson als auf marxistische Professoren an der New York University.146 Im Juli 1989 bedankte sich Napolitano bei Brandt für die Einladung einer PCI-Delegation als Beobachter zum Kongress der SI vom 20. bis 22. Juni in Stockholm. Ebenso teilte er Brandt mit, dass der PCI im Europäischen Parlament eine eigene Fraktion mit der spanischen Izquierda Unida eröffnet habe, da die Differenzen mit den französischen Kommunisten mittlerweile zu groß seien. Diese Gruppe namens „Für eine einheitliche europäische Linke“ solle sehr eng mit
141 AdsD, Bestand Horst Ehmke, Eurokommunismus Italien, 1/HEAA000401, Aufzeichnung zum Besuch der KPI-Delegation in Bonn am 25./26.01.1989 von Veronika Isenberg, 08.02.1989, Bonn, S. 1. 142 Giorgio Napolitano zitiert in: Ebenda, S. 3. 143 Hans-Jochen Vogel zitiert in: „SPD erkennt den Weg zur Sozialdemokratie an“ von Klaus J. Schwehn, in: Die Welt, 22.04.1989, S. 5. 144 WBA im AdsD, A 13, 82, Vermerk von Veronika Isenberg an Hans-Jochen Vogel, 03.03.1989, Bonn. 145 Vgl. Steinkühler: Wie die SED, S. 622. 146 Vgl. Leonard Weinberg: The Transformation of Italian Communism, New Brunswick (New Jersey) 1995, S. 60.
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der sozialistischen Fraktion kooperieren.147 Innerhalb des PCI war es längst zu einer Debatte über einen möglichen Beitritt zur SI und somit zu einem endgültigen Wandel hin zur Sozialdemokratie gekommen. Napolitano informierte Brandt persönlich über die diesbezüglichen Diskussionen, wobei das entsprechende Treffen am 9. November, nur wenige Stunden vor dem Fall der Berliner Mauer in Berlin, stattfand.148 Napolitano ergänzte seine Ausführungen acht Tage später in einem Brief.149 Wenige Tage zuvor hatte es vom 2. bis 3. November 1989 ein informelles Treffen der europäischen SI-Vize-Präsidenten und sozialdemokratischen Parteiführer in Mailand gegeben. Occhetto hatte sich in einem Brief an die Teilnehmer gewandt und die enge Zusammenarbeit des PCI mit der SI angeboten. In diesem Schreiben verwendete der PCI-Generalsekretär das Wort „kommunistisch“ fast nur noch als pejorative Bezeichnung der Staatsparteien in Osteuropa.150 Insbesondere Brandt würdigte den Brief als konstruktiven Beitrag, was ein starkes Presseecho in Italien hervorrief.151 Seit Ende der 1970er Jahre hatte der PCI zwar kontinuierlich an Mitgliedern verloren. Allerdings war die Partei selbst zum Jahreswechsel 1990/91 mit knapp 1,3 Millionen eingeschriebenen Anhängern immer noch eine der mitgliederstärksten Parteien Westeuropas.152 Auf dem XX. und letzten Parteikongress des PCI vom 31. Januar bis 3. Februar 1991 in Rimini votierten 67,69 Prozent der Delegierten für die endgültige Änderung des Parteinamens in Partito Democratico della Sinistra und die Umwandlung in eine sozialdemokratische Partei.153 Unter
147 WBA im AdsD, A 13, 83, Brief von Giorgio Napolitano an Willy Brandt, 21.07.1989, Rom. 148 Vgl. Rother/Schmidt: Einleitung, in: Grebing/Schöllgen/Winkler (Hrsg.): Berliner Ausgabe, Band 10, S. 73. 149 WBA im AdsD, A 13, 83, Brief von Giorgio Napolitano an Willy Brandt, 17.11.1989, Rom. 150 WBA im AdsD, A 13, 137b, Brief von Achille Occhetto an Willy Brandt, 02.11.1989, Rom. 151 Vgl. „Brandt: missione compiuta per la Ostpolitik“ von Sara Cristaldi, in: Corriere della Sera, 04.11.1989, S. 7; „L’Internazionale presto a Mosca“ von Alberto Stabile, in: La Repubblica, 04.11.1989, S. 12; „Leader eurosocialisti a Mosca e Brandt apprezza la lettera del Pci“ von Roberto Carollo und Giorgio Frasca Polara, in: L’Unità, 04.11.1989, S.6; „Eurosocialisti a gennaio in missione al Cremlino“ von Francesco Gozzano, in: Avanti!, 04.11.1989, S. 1; „Craxi, porte socchiuse al Pci“ von Piero Testoni, in: Il Messaggero, 04.11.1989, S. 5. 152 Vgl. Fouskas: Italy, Europe, the Left, S. 106. 153 Zur Umwandlung des PCI in den PDS siehe auch: Martin J. Bull: Whatever Happened to Italian Communism? Explaining the Dissolution of the Largest Communist Party in the West, in: West European Politics, Vol. 14, Nr. 4/1991, S. 96–120.
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Führung von Pietro Ingrao und Armando Cossutta sprachen sich 26,85 Prozent dagegen aus.154 Eine Gruppe um Antonio Bassolino, die versucht hatte, den Bruch zwischen beiden Fraktionen zu verhindern, erhielt weitere 5,4 Prozent der Stimmen und schloss sich letztendlich zum Großteil dem PDS an.155 Am 12. Dezember 1991 konstituierte sich schließlich der Partito della Rifondazione Comunista (PRC) als linke Alternative zum PDS.156 In einem sechsseitigen Brief an Brandt erläuterte Occhetto im Mai 1991 den Wandel des PCI zum sozialdemokratischen PDS und bat um die Aufnahme in die Sozialistische Internationale.157 Occhetto wies explizit darauf hin, dass der Kontakt zu den deutschen Sozialdemokraten den Wandel der Kommunistischen Partei Italiens beschleunigt habe.158 Die Sozialdemokratisierung sah Occhetto als die logische Folge der eurokommunistischen Entwicklung an: „Gia all’inizio degli anni ’80 – dopo l’esaurimento dell’iniziativa dell’eurocomunismo – esso aveva finito per distaccarsi dalla tradizione internazionalista e dal movimento comunista internazionale, collocandosi sempre di piu’ nell’alveo del socialismo democratico europeo.“159 Auf dem Kongress der Sozialistischen Internationale vom 15. bis 17. September in Berlin wurde der PDS schließlich als offizielles Mitglied aufgenommen.160 Die erste landesweite Wahl fiel jedoch ernüchternd für die ehemaligen Kommunisten aus. Mit nur noch 16,6 (Abgeordnetenhaus) bzw. 17,1 Prozent (Senat) der Wählerstimmen in der Parlamentswahl vom 5. April 1992 wurde der niedrigste Wert für den PCI bzw. in diesem Fall seine größte Nachfolgepartei seit dem
154 Pietro Ingrao schloss sich anschließend jedoch dem PDS an, den er nach einigen Jahren verließ, um Mitglied des PRC zu werden. 155 Vgl. Fouskas: Italy, Europe, the Left, S. 193–210. 156 Zur Entwicklung des PRC siehe: Salvatore Cannavò: La Rifondazione mancata. 1991– 2008. Una storia del Prc, Rom 2009. Bei der Parlamentswahl im April 2008 konnte der PRC kein Mandat erreichen. Die äußere Linke Italiens war somit zum ersten Mal seit Ende der Mussolini-Diktatur nicht mehr im Parlament vertreten. 157 WBA im AdsD, A 13, 129, Brief von Achille Occhetto an Willy Brandt, 27.05.1991, Rom. 158 Ebenda, S. 5. 159 „Schon seit den frühen 1980er Jahren, als die Initiative des Eurokommunismus erschöpft war, haben wir uns von der Tradition der internationalen kommunistischen Bewegung gelöst und uns in den Schoß des Demokratischen Sozialismus Europas begeben.“ Ebenda, S. 4. 160 Vgl. Heinz Timmermann: A Dilemma for the Socialist International. The Communist Parties’ Successors in East-Central Europe, in: Michael Waller/Bruno Coppieters/Kris Deschouwer (Hrsg.): Social Democracy in a Post-Communist Europe, Ilford (UK), Portland (Oregon) 1994, S. 183f.
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Ende der Mussolini-Diktatur erreicht.161 Der PRC erreichte zusätzlich 5,6 (Abgeordnetenhaus) bzw. 6,5 Prozent (Senat) der Stimmen. Hierbei handelte es sich um die letzte Wahl, die innerhalb der ersten italienischen Republik und dem seit Kriegsende existierenden Parteiensystem durchgeführt wurde. Im Zuge der Mani Pulite-Untersuchungen und -Gerichtsverfahren lösten sich alle bedeutenden Parteien der ersten Republik auf, so auch im Januar 1994 die Dauerregierungspartei Democrazia Cristiana. Aus diesem politischen Chaos ging Silvio Berlusconi mit seiner neu geschaffenen Sammlungspartei der rechten Mitte, Forza Italia, als Sieger der Parlamentswahlen vom 27. März 1994 hervor.162 Der PDS konnte innerhalb des Wahlbündnisses Alleanza dei Progressisti sein Ergebnis aus dem Jahre 1992 zwar steigern, unterlag der konservativen Konkurrenz jedoch deutlich. Nach dem Scheitern der Regierung Berlusconi gewann der PDS die vorgezogenen Parlamentswahlen am 21. April 1996 in dem breiten Wahlbündnis L'Ulivo unter Führung des ehemaligen Christdemokraten Romano Prodi. Dieser konnte am 17. Mai die erste italienische Regierung mit Beteiligung des PDS bilden. Mit Giorgio Napolitano als Innen-, Luigi Berlinguer, einem Cousin des verstorbenen Generalsekretärs, als Erziehungs-, Pier Luigi Bersani als Industrie-, Anna Finocchiaro als Gleichberechtigungs- und Walter Veltroni als Kulturminister wurden erstmals Mitglieder des früheren PCI in die Regierung berufen. Zum ersten Mal in der Geschichte Italiens wurde darüber hinaus am 21. Oktober 1998 mit Massimo D’Alema, dem ehemaligen Vorsitzenden des Jugendverbandes FGCI, ein früheres Mitglied des PCI zum Regierungschef gewählt.
161 Vgl. Peter Lamb/James C. Docherty: Historical Dictionary of Socialism, 2. Aufl., Lanham (Maryland) 2006, S. 104f. 162 Berlusconis Partei trat innerhalb des Wahlbündnisses Polo delle Libertà zusammen mit den Neofaschisten der Alleanza Nazionale, der separatistischen Lega Nord und der kleinen liberalen Lista Pannella an.
8. Fazit
„Im Wettbewerb um die politische Orientierung der KPI habt ihr Euer Ziel erreicht, nicht wir.“1 Mit diesen Worten musste Wadim Sagladin, damaliger stellvertretender Leiter der internationalen Abteilung beim ZK der KPdSU, Ende der 1980er Jahre gegenüber dem außenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Karsten D. Voigt anerkennen, dass sich der PCI von einer kommunistischen zu einer sozialdemokratischen Partei gewandelt hatte. Der eurokommunistische Reformprozess spielte dabei für die italienische KP eine wichtige Rolle. In einer jahrzehntelangen Entwicklung löste sich die Partei von der sowjetischen Beeinflussung. In der Transitionsphase des Eurokommunismus konnte die eigene Parteibasis in langsamen Schritten an die Abkehr von der Sowjetunion gewöhnt werden. Gleichzeitig konnten neue internationale Partner abseits der sozialistischen Staatsparteien Osteuropas gewonnen werden. Die SPD gehörte dazu und wurde im Verlauf der Kontakte auch zu einem politischen Bezugspunkt, an dem sich die italienischen Kommunisten orientierten. „Wandel durch Annäherung“ funktionierte im Fall des Partito Comunista Italiano. Rückblickend stellt sich die Frage, was der Grund für das politische und gesellschaftliche Masseninteresse war, das der italienische Eurokommunismus Mitte bis Ende der 1970er Jahre auslöste. Innenpolitisch scheiterte der PCI sowohl mit der Strategie des compromesso storico in den 1970er Jahren als auch in den 1980er Jahren mit der alternativa democratica. Der Partito Comunista Italiano konnte jedoch in der Hochphase des Eurokommunismus 1976 mehr als ein Drittel der Wähler und 1,8 Millionen eingeschriebene Mitglieder auf sich vereinen. Die anschließende Abhängigkeit der italienischen Regierung vom kommunistischen Stimmverhalten im Parlament unterstrich die Bedeutung des PCI und löste in den westlichen Hauptstädten massive Ängste aus. Der compromesso storico war ursprünglich ein Programm, das primär auf die italienische Innenpolitik abzielte. In Nordamerika und Westeuropa wurden er und der italienische Eurokommunismus insgesamt jedoch einerseits von Kritikern als Blaupause einer für alle kommunistischen Parteien in westlichen Staaten gültigen Strategie der Machterreichung interpretiert. Andererseits verbanden Befürworter teilweise überzogene Hoffnungen mit dem italienischen Eurokommunismus. Gerade weil er im Westen häufig als
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Wadim Sagladin zitiert in: Karsten D. Voigt: Dialog zwischen SPD und kommunistischen Parteien, in: Bentele et al. (Hrsg.): Metamorphosen, S. 280.
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sicherheitspolitische Bedrohung wahrgenommen wurde, erregte der italienische Eurokommunismus so große Aufmerksamkeit. Weil sich mit ihm in hohem Maße Ängste und Hoffnungen verbanden, greift es zu kurz, sich in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Eurokommunismus nur auf die politischen Entscheidungen zu konzentrieren. Diese Studie hat demgegenüber nachgewiesen, dass es einer um den Ansatz der Neuen Politikgeschichte erweiterten Diplomatiegeschichte bedarf, um den Eurokommunismus als Gegenstand der internationalen Beziehungen umfassend erklären zu können. Der Blick muss dabei auf die Ebene der Wahrnehmung gelegt werden, da diese konstitutiv für das politische Handeln war. Auf diese Weise soll nicht nur gezeigt werden, welche Politik die US-Regierungen und die SPD gegenüber dem PCI verfolgten, sondern erstmals konnte erklärt werden, warum und wie es zu diesen Politiken kam. Wahrnehmung wiederum basiert auf Informationsgewinnung. Die vorliegende Studie hat dementsprechend ihren Schwerpunkt auf die Frage gelegt, wie die Akteure an Informationen über den italienischen Eurokommunismus gelangten und diese auswerteten. Besonders betont wurde dabei die zentrale Rolle, die Vertrauen bzw. Misstrauen für die Informationsgewinnung durch direkte Gespräche, darstellen. Neben der zugrundeliegenden außen- und sicherheitspolitischen Strategie wurde die politische Entscheidung zusätzlich von der vorherrschenden politischen Kultur und politischen Sozialisationserfahrungen geprägt. Die Politik gegenüber dem PCI kann nur vor diesem Hintergrund verstanden werden. Mit der Analyse von Bedrohungs- und Hoffnungsszenarien wurde in dieser Arbeit ein neuer innovativer Weg beschritten, der in den Forschungen zum Kalten Krieg weiter ausgeführt werden kann. Gerade im Hinblick auf die essentielle Rolle der Wahrnehmung hat diese Studie offenbart, dass die vielfältigen Verflechtungen der Akteure Einfluss auf diese ausübten. Um diese multiperspektivisch untersuchen zu können, wurde auf den methodischen Ansatz der histoire croisée zurückgegriffen. Die Arbeit hat darüber hinaus den Nutzen einer erweiterten Diplomatiegeschichte aufgezeigt, indem das Potenzial eines nicht-staatlichen Akteurs im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik dargestellt wurde. Die SPD avancierte mit ihrer Nebenaußenpolitik in den 1970er Jahren zu einem eigenständigen Faktor der Europa- und spätestens mit Willy Brandts SI-Präsidentschaft auch der globalen Politik. Das europäische Netzwerk der Sozialdemokratie war in diesem Jahrzehnt besonders ausgeprägt und umfasste charismatische Führungspersönlichkeiten wie Willy Brandt, Helmut Schmidt, François Mitterrand, Felipe González, Mário Soares, Bruno Kreisky, Harold Wilson oder Olof Palme. Das sozialdemokratische Politikmodell in Westeuropa präsentierte sich so als Alternative zwischen den beiden Supermächten, die nicht nur auf den PCI, sondern auch auf zahlreiche Parteien in der „Dritten Welt“ attraktiv wirkte. In der Realpolitik wa-
Fazit
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ren die Einflussmöglichkeiten sowohl der Sozialdemokratie als auch der Bundesregierung jedoch nicht mit denen der US-Regierung und Sowjetführung vergleichbar. Die Angst vor einer geschlossenen eurokommunistischen Bewegung war in den westlichen Staaten weit verbreitet. Die wenigen gemeinsamen Initiativen können allerdings nicht als Bewegung bezeichnet werden. Die Herausbildung einer solchen war auch nicht das primäre Ziel des PCI. Zwar suchte die Partei Kontakt zu anderen reformorientierten KPs, die Unterschiede waren jedoch mittel- und langfristig größer als die Gemeinsamkeiten. Die französischen Kommunisten entwickelten ab 1979/80 gar eine ausgeprägte Feindschaft zum PCI, die unter anderem dazu führte, dass die kommunistische Fraktion im Europäischen Parlament kaum noch einheitlich abstimmte.2 Nutzt man „Eurokommunismus“ als analytischen Begriff, so ist es daher sinnvoll von nationalen Eurokommunismen im Plural zu sprechen, da sich etwa der italienische Eurokommunismus deutlich von der spanischen, französischen oder japanischen Variante unterschied. Die gemeinsamen Erklärungen und die Auftritte der Generalsekretäre wurden jedoch vor allem von konservativen Kritikern als Zeichen einer zwischen den Parteien abgestimmten Strategie gewertet. Die direkte Kommunikation der deutschen Sozialdemokraten mit den italienischen Kommunisten, teilweise auch mit den Spaniern und Franzosen, erleichterte die Wahrnehmung dieser Differenzen. Im Fall der US-Regierungen wurden Gespräche mit westeuropäischen Kommunisten, bis auf wenige, kurzfristige Ausnahmen, abgelehnt. Durch den Ausschluss der Kommunikation mit den italienischen Kommunisten beraubte man sich des wichtigsten Mittels zur Gewinnung direkter Informationen. Ideologische Schranken ließen einen Kontakt abseits einiger Gespräche auf der unteren Ebene kaum zu. Im Gegensatz zur US-Regierung erkannten in der Bundesrepublik auch das Auswärtige Amt, die Botschaft und die Konsulate in Italien den Nutzen der Kommunikation an und förderten sie. Gegenüber der diplomatischen Vertretung in Rom bekundete das Auswärtige Amt keine Bedenken gegen Gespräche mit Politikern des PCI und wies zusätzlich darauf hin, dass man über die Kontakte und Berichte des BIOst bereits gut über die Lage informiert sei.3 Auch empfahl der Planungsstab des bundesdeutschen Außenministeriums im Umgang mit den italienischen Kommunisten „kein krampfhaftes Ausweichen“, sondern „ein nor-
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Vgl. Dörr: Die erste Direktwahl, S. 268f. PAAA, Bestand B 38, Zwischenarchiv, Bd. 115122, Erlass des Auswärtigen Amts an die bundesdeutsche Botschaft Rom, 27.05.1977, Bonn.
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males, unbefangenes Verhalten“.4 In den USA ergab sich als Folge des Kommunikationsverbots eine größere Abhängigkeit von Einschätzungen Dritter, so vor allem von Politikern der Democrazia Cristiana. Wie in der Arbeit dargestellt, unterstützten diese häufig aus Unkenntnis der tatsächlichen Situation im PCI oder auch aus Eigeninteresse das Bild einer gemeinsam agierenden eurokommunistischen Bewegung. In den USA aktivierte die Vorstellung eines erfolgreichen Eurokommunismus tief in der politischen Kultur verwurzelte Urängste. Der tatsächliche Einfluss des PCI auf die Außen- und Sicherheitspolitik Italiens und der NATO wurde dabei massiv überschätzt. Vor dem Hintergrund der dargestellten Krise an der Südflanke der NATO erschien eine gewisse Vorsicht jedoch nachvollziehbar, insbesondere da man im US-amerikanischen Fall die tatsächliche Ausrichtung des italienischen Eurokommunismus nicht einschätzen konnte. Während sich die deutschen Sozialdemokraten sicher sein konnten, dass Mitte der 1970er Jahre in der Parteiführung des PCI nur noch wenig Sympathien für die Sowjetunion vorhanden waren, war man sich in den US-Administrationen unsicher, ob der Eurokommunismus nicht ein von Moskau aus gesteuertes Täuschungsmanöver war. Zusätzlich muss die tiefe Verunsicherung der US-amerikanischen Politik und Gesellschaft infolge der Niederlage im Vietnamkrieg und dem Watergate-Skandal beachtet werden. Durch die Veröffentlichung der Geheimdienstskandale durch das Pike- und Church-Committee wurden der US-amerikanischen Einflussnahme in Italien darüber hinaus ab 1976 Grenzen gesetzt. Zusätzlich baute die mehrheitlich konservativ geprägte italoamerikanische Gemeinschaft Druck auf die Regierung zugunsten einer konfrontativen Politik gegenüber dem PCI auf. Die Institutionen, die verantwortlich für die Sicherheit der Vereinigten Staaten waren, besaßen zudem ein hohes Eigeninteresse, Bedrohungen aufzubauen und überzubewerten, um damit ihre Selbstlegitimation zu stärken und Ressourcen zu akquirieren.5 Die Folge waren Bedrohungsszenarien im Hinblick auf den italienischen Eurokommunismus, die sich teilweise weitab der Realität abspielten, so etwa im Falle einer Regierungsbeteiligung des PCI die Angst vor einem eurokommunistischen Domino-Effekt, der von Italien über Europa bis nach Süd- und Mittelamerika seine Wirkung entfalten und die USA dadurch direkt bedrohen würde. Dass diese
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PAAA, Bestand B 150, Bd. 342, Westeuropäische KPen – Analyse und Empfehlungen, 12.01.1976, Bonn, S. 10. Vgl. Bernd Greiner: Made in U.S.A. Über politische Ängste und Paranoia, in: Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung, 24. Jahrgang, Nr. 1-2/2015, S. 154f.
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Gefühle der Bedrohung primär eine Folge verzerrter Wahrnehmungen waren und weniger der tatsächlichen Politik des PCI entsprachen, hat diese Studie ausführlich nachgewiesen. Denn in der Praxis änderte sich die italienische Politik auch in der Phase der solidarietà nazionale kaum. Die indirekte Einbindung des PCI in die Regierung war vielmehr ein geschickter Schachzug Giulio Andreottis. Auf diese Weise lieferten die Kommunisten knapp drei Jahre lang eine weitgehend vorbehaltslose parlamentarische Unterstützung für die christdemokratische Minderheitsregierung.6 Eigene Initiativen wurden hintenangestellt, um den PCI als eine staatstragende Partei zu repräsentieren, die in der Folge auch verstärkt vom bürgerlichen Lager gewählt werden sollte. Doch diese Stimmen blieben aus, während der moderate Kurs zu massiven Differenzen mit der eigenen Parteibasis führte. Parteiaustritte folgten. Von 1976 bis zur Umwandlung der Partei 1991 verloren die Kommunisten kontinuierlich an Mitgliedern. Gleiches gilt für die Wahlergebnisse. Von den Parlamentswahlen 1976 bis zu den Parlamentswahlen 1992 verloren die Kommunisten bzw. 1992 die Linksdemokraten als Nachfolgepartei durchgängig an Stimmen und Mandaten. Um den jahrzehntelang erhofften sorpasso zu schaffen, musste erst Generalsekretär Enrico Berlinguer sterben. Der durch den tragischen Tod des äußerst beliebten Politikers massiv beeinflusste Aufstieg zur stärksten Partei in den Wahlen zum Europäischen Parlament 1984 („effetto Berlinguer“) stellte jedoch eine Ausnahme dar. Neben Andreottis politischem Geschick war es vor allem der US-amerikanische Einfluss, der eine direkte Regierungsbeteiligung verhinderte. Als dies Ende 1977 von Berlinguer und Spitzenpolitikern anderer italienischer Parteien gefordert wurde, reagierte die US-Regierung im Januar 1978 mit einem deutlichen Statement gegen die Aufnahme des PCI in die italienische Regierung. Trotz großer Sympathien, vor allem innerhalb des linken Parteiflügels, hütete sich auch die Führung der SPD davor, offiziell eine Regierungsbeteiligung des PCI zu fordern. Die innerparteilichen, innen- und außenpolitischen Folgen wären für die Sozialdemokraten in einem solchen Fall zu negativ gewesen. Der PCI schaffte mit Unterstützung der deutschen Sozialdemokraten jedoch eine Selbstdemokratisierung. Es ist bemerkenswert, dass die Partei bereits 1967 – noch vor der Niederschlagung des Prager Frühlings – Kontakte zur SPD aufbaute. Von Seiten der SPD
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Auf ähnliche Weise gelang es François Mitterrand ab 1981 den PCF zu schwächen, indem er die Kommunisten einerseits in die Regierung aufnahm, sie andererseits von der eigenen Wählerbasis entfremdete, weil sie in der Regierung eine Politik konträr der eigenen Positionen mitverantworten mussten. Hierzu zählten insbesondere eine proeuropäische und amerikafreundliche Außen- und Sicherheitspolitik. Vgl. Dörr: François Mitterrand, S. 43–52.
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konnte dieses Risiko nur eingegangen werden, weil bereits Informationen bei den entscheidenden Akteuren vorlagen, die einen solchen Vertrauensvorschuss rechtfertigten. Leo Bauer war in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Seiner Kenntnis der kommunistischen Bewegung Europas und auch des PCI vertraute Brandt. Bauer kannte die Entwicklung der Partei, so hatte er etwa Togliatti kurz vor dessen Tod und Longo unmittelbar nach dessen Amtsantritt als Generalsekretär für den Stern interviewt, und aus eigener, leidvoller Erfahrung wusste er, zu welchen Täuschungen Kommunisten fähig sind. Die Vertrauensverluste – von der Sozialfaschismusthese bis zur Unterstützung der sozialistischen Diktaturen in der DDR und in Osteuropa – mussten durch die Kommunisten während der Gespräche ausgeglichen werden. Die in den nicht öffentlichen Gesprächen geäußerte Kritik an der KPdSU und insbesondere an der SED war in dieser Hinsicht für die Sozialdemokraten ein wichtiger Beleg für die geänderte Haltung des PCI. Im Laufe der zahlreichen Gespräche mit Politikern des PCI konnten weitere und qualitativ bessere Informationen gewonnen werden als mit der reinen Auswertung von Sekundärquellen möglich gewesen wären. Die Einschätzungen des tatsächlichen Reformwillens der italienischen Kommunisten auf Seiten der SPD wurden daher mit fortschreitender Zeit präziser. Durch den kontinuierlichen Kontakt wurde darüber hinaus Vertrauen zwischen den Akteuren aufgebaut, das im Sinne Luhmanns die Verlässlichkeit gegenüber dem Reformprozess der italienischen Kommunisten steigerte: „Vertrauen sammelt sich an als eine Art Kapital, das mehr Möglichkeiten zu weitreichendem Handeln eröffnet, aber auch laufend benutzt und gepflegt werden muß und den Benutzer auf eine vertrauenswürdige Selbstdarstellung festlegt, von der er nur schwer wieder herunterkommt.“7 Die sozialdemokratische Initiative zu einer Neuen Ostpolitik wurde von Seiten des PCI frühzeitig positiv beurteilt. Neben der Option, den PCI als Mittler in die osteuropäischen kommunistischen Parteizentralen nutzen zu können und das bislang von der SED geprägte deutschlandpolitische Bild bei den italienischen Kommunisten korrigieren zu können, waren es vor allem die direkten Informationen aus der kommunistischen Bewegung Europas, die für die SPD interessant waren. Mit fortschreitender Kritik am sowjetkommunistischen Modell isolierte sich der PCI allerdings in der kommunistischen Bewegung Europas. Neue internationale Partner waren daher notwendig. Beiden Parteien war gemein, dass sie in ihren Ländern die größten Parteien der Linken darstellten und in der Nachkriegszeit lange Jahre in der Opposition gegenüber christdemokratisch geführten Regierungen gewesen waren. Zentral für
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Luhmann: Vertrauen, S. 71.
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den Auf- und Ausbau der Beziehungen waren jedoch vor allem die politischen Sozialisationserfahrungen der Parteiführungen der 1960er und 1970er Jahre. Der Widerstand gegen den Faschismus und Nationalsozialismus war bei den Gesprächsteilnehmern ein verbindendes Element. Die Widerstands- und Exilerfahrungen der deutschen Sozialdemokraten machten sie bei den italienischen Kommunisten respektabel und stellten Gemeinsamkeiten her, die für den gegenseitigen Vertrauensaufbau essentiell waren. In einigen Fällen waren deutsche Sozialdemokraten und italienische Kommunisten sogar bereits zusammengetroffen, so etwa im Spanischen Bürgerkrieg oder im Exil. Gerade die Erfahrung der Niederlage führte auf beiden Seiten zu einem Bewusstsein für die negativen Folgen der Feindschaft beider Pfeiler der Arbeiterbewegung. Zwar strebten weder Berlinguer noch Brandt eine unmittelbare Wiedervereinigung der Arbeiterbewegung an, eine Gesprächsbereitschaft war jedoch angebracht. Diese sollte, auch vor dem Hintergrund der seinerzeit drohenden Gefahr eines Rechtsputsches in Italien, einer kontinuierlichen gegenseitigen Information dienen. Wichtig war darüber hinaus, dass beide Akteure ein ausgeprägtes theoretisches Verständnis für die andere Seite vorweisen konnten. Beide Seiten stellten wiederholt das hohe intellektuelle Niveau der Gespräche heraus. Die traditionell wichtige Rolle, die Geschichte und Theorie der Arbeiterbewegung in der SPD und auch im PCI spielten, erwies sich für die Gespräche als äußerst gewinnbringend. Auf diese Weise hatten sich die Sozialdemokraten beispielsweise frühzeitig und intensiv über Palmiro Togliattis Konzept des policentrismo informiert, während es von US-amerikanischer Seite nur am Rande wahrgenommen worden war. In Einzelfällen waren auf Seiten der SPD Gesprächsteilnehmer, so unter anderem Leo Bauer, sogar ursprünglich Mitglied der KPD gewesen. Das Verständnis füreinander und die gemeinsamen Erfahrungswerte erleichterten den reziproken Aufbau von Vertrauen zwischen den Vertretern beider Parteien. Auf US-amerikanischer Seite waren die meisten Akteure hingegen politisch strikt antikommunistisch sozialisiert worden. In seiner ersten Station im diplomatischen Dienst war zum Beispiel der spätere US-Botschafter in Italien Graham A. Martin mit der Zurückdrängung des kommunistischen Einflusses in Frankreich in der Nachkriegszeit beschäftigt gewesen. In den 1960er Jahren unterstützte er als Botschafter in Bangkok die thailändische Regierung gegen den kommunistischen Guerillakampf im Land und er repräsentierte die USA in der antikommunistisch ausgerichteten SEATO. Sein Nachfolger als Botschafter in Rom John Volpe war als Sohn konservativer italienischer Einwanderer aus den Abruzzen ebenfalls strikt antikommunistisch sozialisiert worden. Da der PCI die größte und in ihrem Reformeifer die weitgehendste eurokommunistische Partei war, wurde ein Großteil der sozialdemokratischen Hoffnungen und Wünsche auf diese Partei projiziert. Ein Wandel des PCI zur Sozialdemokra-
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tie wurde bei einigen Akteuren auf sozialdemokratischer Seite zu früh und zu weitgehend angenommen. Diese Fehleinschätzung lässt sich auf die einseitige Gesprächsführung mit expliziten Reformern im PCI wie Giorgio Napolitano, Sergio Segre oder Giorgio Amendola zurückführen. Zum sowjetorientierten Flügel des PCI um Armando Cossutta wurde hingegen kaum Kontakt gesucht. Dessen Einfluss wurde daher, vor allem in den 1970er Jahren, unterschätzt. So war in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren die von der Parteispitze geäußerte Kritik an der Sowjetführung an der Basis noch nicht mehrheitsfähig. Die Erfolgsbilanz des Regional- und Munizipalkommunismus in der zona rossa wurde zudem häufig zu positiv dargestellt, während im sozialdemokratischen Sehnsuchtsort Toskana negative Seiten wie eine hohe Verschuldung vieler kommunistisch regierter Kommunen ausgeblendet wurden. Vor dem Hintergrund der politischen Sozialisationserfahrungen war die Hoffnung auf eine Demokratisierung des Kommunismus, der in der Zukunft die Wiedervereinigung der Arbeiterbewegung ermöglichen könnte, in diesen Fällen stärker als die Realität. Fakt ist allerdings, dass der PCI von allen Parteien des Verfassungsbogens am wenigsten in das Korruptionssystem der ersten italienischen Republik verstrickt war.8 Die Hoffnung auf eine politische und wirtschaftliche Stabilisierung Italiens durch die Einbindung des PCI in die nationale Regierung war daher nicht unrealistisch. Eine offene Frage in diesem Kontext bleibt jedoch, wie sich die Funktionäre und Amtsträger der Partei verhalten hätten, wenn sie langfristig in die nationale Regierung eingebunden gewesen wären und am System der partitocrazia hätten partizipieren können. Ein auffälliger Befund ist, dass die US-Administrationen kaum versuchten, Einfluss auf die SPD in der Eurokommunismusfrage auszuüben. Die Regierung Brandt verkörperte, bei aller weiterhin vollzogenen Rücksichtnahme auf die Belange der Schutzmacht USA, ein neues Selbstbewusstsein in der Außen- und Sicherheitspolitik, das in Washington wenig Freude hervorrief. Stellvertretend hierfür steht Egon Bahrs Gespräch mit Henry Kissinger über das Konzept der Neuen Ostpolitik, das der Staatssekretär im Bundeskanzleramt nach kritischen Bemerkungen des Nationalen Sicherheitsberaters mit den folgenden Worten kommentierte: „Henry, ich bin nicht hierhergekommen, um zu konsultieren. Ich bin gekommen, um zu informieren. Wir haben uns das überlegt, und wir werden das tun.“9 Dass es sich nach zwei Jahrzehnten christdemokratischer Bundesregierun-
8 9
Vgl. Mignone: Italy Today, S. 105. Egon Bahr zitiert in: Ders./Peter Ensikat: Gedächtnislücken. Zwei Deutsche erinnern sich, Berlin 2012, S. 70.
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gen nun um eine sozialdemokratisch geführte handelte, verschärfte den Gegensatz zur konservativen Nixon-Administration.10 Das äußerst angespannte Verhältnis von Nixon und Kissinger gegenüber Brandt führte bis zu Todeswünschen gegenüber dem deutschen Bundeskanzler.11 Auch nach den Amtswechseln änderte sich wenig an dem schlechten Verhältnis zwischen den Führungsfiguren, so etwa zwischen US-Präsident Carter und Bundeskanzler Schmidt.12 Die Politik der Détente öffnete einerseits Gesprächsmöglichkeiten mit Kommunisten, andererseits stellte für die US-Regierung der Kontakt zu eurokommunistischen Parteien eine Grenze der Entspannungspolitik dar. Denn zu einer Aufweichung der eigenen Positionen durfte es nicht kommen. Vor allem in der Ära Kissinger war die Angst in Washington groß, dass sich in Westeuropa Sozialdemokraten und Eurokommunisten zu einer Volksfront vereinen und dadurch die Bindung an die Vereinigten Staaten und die NATO lockern könnten. Die Grenzen zwischen Demokratischem Sozialismus und Kommunismus wurden in den USA als fließend wahrgenommen. Die in den 1970er Jahren von Washington als äußerst links eingeschätzte SPD hätte demnach Vorreiterin dieser Bewegung sein können. In Kissingers Szenario hätte ein eurokommunistischer Wahlsieg in Italien auch negative Folgen für die Bundesrepublik Deutschland gehabt. Eine kommunistische Regierungsbeteiligung hätte ihm zufolge den linken Flügel der SPD ermutigt und dadurch Bundeskanzler Schmidt in seiner Bündnistreue geschwächt.13 In diesem Zusammenhang traf sich die US-Regierung mit den Einschätzungen zahlreicher Politiker von CDU und CSU, die ihre Wahrnehmung wiederum an US-Vertreter weitergaben und dadurch einen Kreislauf an Fehlinformationen anheizten. Ein weiterer wichtiger Befund dieser Studie ist die zeitversetzte Auseinandersetzung mit dem Eurokommunismus in der Bundesrepublik Deutschland und den USA. Der Historiker und Journalist Jörg Bremer konstatierte 1978 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Im Herbst 1976 war es noch erfolglos, in den Bibliotheken Harvards ein Buch, einen gründlich recherchierten Artikel zum Thema ‚Eurokommunismus‘ zu suchen. Das in Europa schon lange diskutierte Thema
10 Vgl. Brigitte Seebacher: Willy Brandt, München, Zürich 2004, S. 218. 11 Vgl. Der Spiegel, Nr. 20, 12.05.2014, S. 16. 12 Zu dem problematischen Verhältnis zwischen Carter und Schmidt siehe ausführlich: Klaus Wiegrefe: Das Zerwürfnis. Helmut Schmidt, Jimmy Carter und die Krise der deutschamerikanischen Beziehungen, Berlin 2005. 13 AdsD, Depositum Egon Bahr, Ausschuss für Internationale Beziehungen 1971–1976, 1/EBAA001095, DPA-Meldung „Gefahr von links bestimmt Kissingers Europa-Bild“, 21.11.1975.
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schien in den Vereinigten Staaten gar nicht zu interessieren.“14 Erst spät reagierte die außen- und sicherheitspolitische Elite in den Vereinigten Staaten auf diese Herausforderung. So blieb der Eurokommunismus dort lange Zeit ein Spezialthema, das sich mit politischen Ängsten aufladen ließ. Im Falle Italiens wurden diese Ängste besonders deutlich. Bereits Palmiro Togliatti hatte kurz vor seinem Tod im August 1964 in einem Interview kritisiert: „Ihr Amerikaner habt eine mythische Vorstellung vom Kommunismus in Italien […] Ihr müsst sie mal revidieren.“15 Eine wie in der Bundesrepublik Deutschland weitgehend offen geführte Debatte zwischen linken Befürwortern, die in ihm eine Chance sahen, und den größtenteils dem konservativen Spektrum entstammenden Kritikern, die ihn als Gefahr perzipierten, konnte sich dort nicht entwickeln. Ein für die politische Kultur der USA konstitutiver und in der Gesellschaft sowie in noch höherem Maße in der außen- und sicherheitspolitischen Elite verbreiteter und akzeptierter Antikommunismus verhinderte dies. Die Wahrnehmung einer eurokommunistischen Bedrohung führte zur Anknüpfung an das Konzept der Containment-Politik, das im Nachkriegsitalien eine maßgebliche Rolle bei der Verhinderung eines kommunistischen Wahlsiegs gespielt hatte. Doch Mitte der 1970er Jahre standen die verantwortlichen Akteure in den Vereinigten Staaten vor dem Dilemma, eine Entwicklung namens Eurokommunismus erklären und eine geeignete Strategie im Umgang mit ihm finden zu müssen, ohne die national höchst unterschiedlichen Wandlungsprozesse der kommunistischen Parteien in den Jahren zuvor ausführlich zu kennen. Das galt insbesondere für die Stellung und Verankerung dieser Parteien in der Gesellschaft, die sich im italienischen Fall durch eine umfassende Subkultur im Alltagsleben vieler Menschen zeigte (kommunistische Sportvereine, Filmklubs, Bildungs- und Kulturvereinigungen etc.). Die Politikwissenschaftler Andreas Pott und Michael Strübel kritisierten diesen Punkt in einer 1979 publizierten Analyse des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg ausdrücklich: „Italien und auch Frankreich werden […] kaum im Sinne politisch und sozio-ökonomisch eigenständiger Nationen mit individuellen Sicherheitsinteressen als Verbündete betrachtet. Dies wird immer wieder in Stellungnahmen von US-Politikern deutlich, die sich nicht selten durch ein tiefes Unverständnis der
14 „Was denken die Amerikaner über Eurokommunisten. Politiker und Wissenschaftler im Disput über die Bedeutung eines Schlagwortes“ von Jörg Bremer, in: FAZ, 14.11.1978, S. 9. 15 Palmiro Togliatti zitiert in: AdsD, Bestand Leo Bauer, Personalia „Palmiro Togliatti“, 1/LBAA000032, „Ein Fenster zur Welt. Ein bisher unveröffentlichtes Interview mit Togliatti“, Oktober 1964, S. 2.
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wirtschaftlichen und sozialen Probleme, aber auch durch eine Unkenntnis der historischen Entwicklungen und Traditionen der entsprechenden südeuropäischen Länder auszeichnen.“16 Eine weitere Rolle in der Beurteilung des PCI spielten die dominanten außenund sicherheitspolitischen Theoriemodelle. Der italienische Eurokommunismus bedeutete in der Theorie des Realismus eine Gefährdung des Mächtegleichgewichts zwischen West und Ost. In dieser Balance of Power-Logik war die tatsächliche Zielsetzung des Eurokommunismus unerheblich. Für einen überzeugten Theoretiker (und Praktiker) des Realismus in den internationalen Beziehungen wie Kissinger war ein erfolgreicher eurokommunistischer PCI daher immer eine Bedrohung: Hätten sich die Kommunisten nach der Übernahme der Regierungsgewalt als sowjettreu erwiesen, wäre ein Ungleichgewicht zugunsten der UdSSR entstanden. Falls sich der PCI im Zuge des Eurokommunismus tatsächlich von Moskau gelöst hätte, wäre ein Machtzuwachs des Westens die Folge gewesen, der – zumindest in der Logik der realistischen Theorie – unerwünschte Gegenmaßnahmen der Sowjetunion hätte auslösen können. Dies galt auch für den Transfer reformorientierter Konzepte durch die Eurokommunisten in die Staatsparteien und Gesellschaften Osteuropas. Die Sonnenfeldt-Doktrin war hierauf die weitgehendste Reaktion der Ford-Administration. Im Gegensatz zum Umgang der westdeutschen Protagonisten mit dem Eurokommunismus wurde von USamerikanischer Seite fast ausschließlich im geopolitischen Rahmen gedacht und analysiert. Während der US-amerikanische Fokus somit auf der Weltpolitik lag, stand auf bundesrepublikanischer Seite die deutsch-deutsche und europäische Situation im Mittelpunkt. Hierin lag ein markanter Unterschied zur außen- und sicherheitspolitischen Gesamtstrategie der Bundesrepublik. Vor allem aus Sicht Kissingers war es daher absolut notwendig, dass sich jede Nation in ihrer innenpolitischen Entwicklung dem Gleichgewicht der beiden Supermächte USA und Sowjetunion unterordnete. Vor diesem Hintergrund war es zentral, dass die Trennlinien von Jalta eingehalten wurden. Dies wurde durch den Erfolg der italienischen Eurokommunisten gefährdet. Der Internationale Sekretär beim SPDParteivorstand kritisierte bereits 1974 diese rein strategische Analyse Kissingers: „Bei allem Respekt vor den Leistungen des amerikanischen Außenministers im Nahen Osten glaube ich doch sagen zu können, daß die offizielle amerikanische Diplomatie völlig das Vorhandensein emotionaler, nationalistischer und ideologischer Strömungen bei den Krisenherden im Mittelmeer übersehen hat. Es genügt also nicht alleine, daß man sich in dem globalen Schachspiel mit Moskau oder
16 Pott/Strübel: Eurokommunismus aus Sicht der NATO, S. 133.
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Peking bewährt und nur die rationalen Supermachtstrategien und das Krisenmanagement zwischen Moskau und Washington in der Hand behält.“17 Ähnlich äußerte sich der Direktor des Center for European Studies der Harvard University Stanley Hoffmann, der sich mit dieser Meinung in den USA jedoch in der Minderheit befand: „Mi colpisce la differenza tra il PCF e gli altri due partiti comunisti più importanti d’Europa. È una differenza di cui gli americani non sono molto consapevoli. Gli americani vedono la questione dell’eurocomunismo in blocco e non si rendono conto che vi sono differenze importanti, e tuttora persistenti.“18 Die faktische Gleichsetzung der an sich hochgradig unterschiedlichen Entwicklungen kommunistischer Parteien Europas im Zuge des Eurokommunismus verhinderte in den US-Regierungen zusätzlich die Herausbildung einer spezifischen Strategie. Die Kommunistische Partei Portugals stellte ein prägnantes Beispiel für die mangelnde Differenzierung zahlreicher Kritiker des Eurokommunismus dar. Die vor allem von der US-Regierung betriebene Gleichsetzung der sowjettreuen portugiesischen mit den reformorientierten italienischen Kommunisten entsprach keinesfalls der Realität. Tatsächlich war der PCP in Theorie und Praxis seinerzeit der einflussreichste Gegenpol zur eurokommunistischen Entwicklung in Westeuropa.19 Generalsekretär Cunhal wurde gar als „Anti-Berlinguer“20 betitelt. Während einer Tagung des Management Instituts Hohenheim zum Themenkomplex „Eurokommunismus“ im September 1977 brachte es der Direktor des IFSH und ehemalige NATO-General Wolf Graf von Baudissin auf den Punkt: „Zunächst wäre also jeweils festzustellen, um welche Variante des Eurokommunismus es sich handelt: um die portugiesische, die spanische, die französische oder die italienische? In jedem Fall wären unterschiedliche Konsequenzen zu ziehen.“21 In den USA wurde der italienische Eurokommunismus hingegen fast ausschließlich als
17 AdsD, Depositum Egon Bahr, Ausschuss für Internationale Beziehungen 1971–1976, 1/EBAA001093, Brief von Hans-Eberhard Dingels an Hans-Jürgen Wischnewski, 19.08.1974, Bonn, S. 3f. 18 „Ich bin beeindruckt von dem Unterschied zwischen dem PCF und den zwei anderen wichtigen kommunistischen Parteien in Europa. Das ist ein Unterschied, über den sich die Amerikaner nicht im Klaren sind. Die Amerikaner sehen die Frage des Eurokommunismus nur in der Logik der Blöcke und realisieren nicht, dass es wichtige und anhaltende Unterschiede gibt.“ FIG, APCI, Estero, 1978, mf 0398, 2163-2164, „Ambizioni e realtà della politica di Carter“, in: L’Unità, 25.11.1978. 19 Vgl. Arnold Hottinger: Sonderfall portugiesische KP, in: Dokumente. Zeitschrift für übernationale Zusammenarbeit, 32. Jahrgang, Nr. 4/1976, S. 305–309. 20 Brogi: Confronting, S. 316. 21 Wolf Graf von Baudissin: Die Auswirkungen des Eurokommunismus auf das westliche Verteidigungsbündnis, in: Hohenstein: Der Umweg zur Macht, S. 152.
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strategische Gefährdung des internationalen Gleichgewichts perzipiert. Eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern des National Security Council, Central Intelligence Agency, State Department und Pentagon kritisierte daher den Blickwinkel sozialdemokratischer Parteien Westeuropas in ihrer Analyse des Eurokommunismus: „Europeans also tend to view Communism in its various national contexts rather than as an international movement.“22 Die praktische politische Arbeit der italienischen Kommunisten vor Ort, so vor allem die Rolle des italienischen Munizipalund Regionalkommunismus, konnte nicht präzise analysiert und bewertet werden, wenn man den Blick lediglich auf die kommunistische Weltbewegung und das strategische Gleichgewicht richtete. Der Kontakt der SPD zu den italienischen Eurokommunisten wurde von den entscheidenden außen- und sicherheitspolitischen Akteuren in den USA größtenteils als unerheblich betrachtet. Das darin steckende Potenzial, im Sinne der Vereinigten Staaten Einfluss auf den PCI nehmen zu können, wurde nicht genutzt. Ein Beispiel hierfür stellte die Anregung des im National Security Council für Westeuropa verantwortlichen Experten Robert E. Hunter infolge einer Informationsreise nach Italien Mitte des Jahres 1977 dar. Er hatte sich nach seiner Rückkehr bei Sicherheitsberater Brzezinski dafür ausgesprochen, die westeuropäischen Sozialdemokraten vermehrt in die Strategie gegenüber dem italienischen Eurokommunismus einzubinden. Hunter hatte vor Ort erkannt, dass die italienischen Kommunisten enge Beziehungen zur SPD aufgebaut hatten. Diese sollte dem PCI eine realistische Alternative zum sowjetischen Modell anbieten und entsprechende Unterstützungen leisten. Hunter empfahl, dass US-Präsident Carter dahingehend auf Bundeskanzler Schmidt einwirken solle. Der „blind spot“23 in der italienischen Linken zwischen Kommunismus und Christdemokratie hätte somit durch einen westernisierten, sozialdemokratisierten PCI gefüllt und die Partei dadurch in ihrer Entwicklung weg von Moskau bestärkt werden sollen.24 Der National Security Adviser lehnte diesen Vorschlag jedoch mit der Begründung ab,
22 JCPL, National Security Affairs, Brzezinski Material, Subject File, Box 17, Interagency Group Memorandum „The European Communist Parties”, 06.06.1977, S. 22 (PRESNET NLC-7-17-5-2-9). 23 JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Box 38, Memorandum von Robert E. Hunter an Zbigniew Brzezinski, 05.07.1977, Washington D.C., S. 5 (PRESNET NLC-6-38-7-1-6). 24 Ebenda, S. 4f.
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die US-Regierung werde generell keinerlei Zusammenarbeit mit Kommunisten anregen.25 Die Studie hat darüber hinaus einen weiteren Punkt offenbart, der aus Sicht der US-Regierungen gegen und aus der Perspektive der SPD-Führung für eine Aufwertung des PCI sprach: die proeuropäische Haltung der italienischen Kommunisten. Die Leitung des PCI setzte sich in den 1970er und 1980er Jahren für eine verstärkte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ein. Lucio Lombardo Radice erklärte die ablehnende Haltung der US-Regierungen gegenüber dem italienischen Eurokommunismus daher auch mit deren Vorbehalten gegenüber einem zunehmend vereinigt auftretenden Westeuropa: „Die Amerikaner können sich Koalitionsregierungen mit den Eurokommunisten in Westeuropa noch nicht vorstellen. Erst wenn sie die Eurokommunisten akzeptieren, werden sie auch ein neues Europa anerkennen: ein unabhängiges Westeuropa, das nicht in jeder Frage zwingend an der Seite der USA stehen wird. Für die USA wird dies zwangsläufig zu einem beträchtlichen, aber unvermeidlichen Machtverlust in der Welt führen.“26 Gerade im Bereich der Sicherheits- und Europapolitik offenbarten sich zahlreiche Überschneidungen zwischen SPD und PCI, die in den 1980er Jahren auch eine partielle Zusammenarbeit im Europäischen Parlament ermöglichten. Gleichzeitig stellen die dargestellten Haltungen zum italienischen Eurokommunismus ein Fallbeispiel für einen Konflikt innerhalb der westlichen Staaten während des Kalten Krieges dar. Dieser Konflikt ließ sich bis in die Institutionen der NATO nachverfolgen, wo eine massive Auseinandersetzung über die Frage stattfand, ob italienische Kommunisten an der Parlamentarischen Vertretung des Nordatlantikbündnisses teilnehmen dürfen. Wie das Beispiel der Sozialistischen Internationale gezeigt hat, war auch die westeuropäische Sozialdemokratie uneinig darüber, wie mit den eurokommunistischen Parteien umgegangen werden sollte. Es ist daher notwendig in einer historischen Analyse des Kalten Krieges über die klassisch bipolare Sichtweise hinauszugehen und den Untersuchungsgegenstand multiperspektivisch zu erfassen. Die vorliegende Arbeit hat die in bisherigen Studien kaum berücksichtigte Verflechtung von Politik und Wissenschaft in der Eurokommunismusfrage nachgewiesen. Im Fall der SPD ist die enge Zusammenarbeit mit dem BIOst und der Friedrich-Ebert-Stiftung zu nennen. Hierbei ergaben sich fruchtbare personelle Überschneidungen, indem etwa Heinz Timmermann als Experte zum Eurokommunismus in einer Bundesinstitution als Wissenschaftler tätig war und als SPD-
25 Ebenda, S. 5. 26 Lucio Lombardo Radice zitiert in: Der Spiegel, Nr. 51, 12.12.1977, S. 132.
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Mitglied andererseits enge Beziehungen zu den sozialdemokratischen Teilnehmern der SPD-PCI-Gespräche pflegte. Auch Akteure anderer wissenschaftlicher und politischer Institutionen wie zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik trugen zu einem Informationstransfer bei. Schließlich gab es auch auf der universitären Ebene einen engen Austausch zwischen Politik und Wissenschaft über den italienischen Eurokommunismus. Zu nennen ist hierbei insbesondere Detlev Albers, der 1974 zur italienischen Streikbewegung27 promoviert hatte und anschließend parallel akademische Karriere an der Universität Bremen und politische Karriere im Bremer Landesverband und der Bundes-SPD machte.28 Hinzu kam das enge Verhältnis zu gut informierten Journalisten, die wie Birgit M. Kraatz als Korrespondenten in Italien akkreditiert waren und auch fließend Italienisch sprachen. Auch gab es einen gewinnbringenden Austausch mit Diplomaten der bundesdeutschen Botschaft und der Konsulate. Die SPD-Führung nutzte auch Gespräche mit Dritten, vor allem mit Akteuren des Partito Socialista Italiano, und wertete die Publikationen von PCI-Politikern aus. Diese Informationen wurden jedoch nur als Ergänzung angesehen und waren nicht, wie im Fall der USRegierungen, konstitutiv für die Einschätzung des PCI. Das Netzwerk an Italienexperten führte zu einem komplexen Bild der italienischen Situationen im Allgemeinen und des PCI im Speziellen. In den USA zögerte die Regierung hingegen lange, um dem Wunsch von Wissenschaftlern in Harvard und anderen Universitäten nachzugeben, die italienischen Kommunisten zu Konferenzen und Vorträgen in die USA einladen zu dürfen. Erst spät nahm die US-Regierung Visabeschränkungen für Angehörige der Kommunistischen Partei Italiens zurück. So konnte Giorgio Napolitano, dem das Einreisevisum 1975 noch versagt worden war, erst 1978 zu Vorträgen an USamerikanische Eliteuniversitäten reisen. Der kommunistischen Parteizeitung L’Unità wurde nicht vor Ende des Jahres 1977 gestattet, ein Korrespondentenbüro in Washington D.C. zu eröffnen – mehr als zehn Jahre nach dem Beginn der Kontakte zwischen SPD und PCI. Die Rezeption der reformorientierten Ideen des PCI in den Vereinigten Staaten wurde somit erst verspätet möglich und in
27 Detlev Albers: Ursachen und Verlauf sozialer Konflikte, dargestellt am Beispiel der italienischen Streikbewegung 1968-1971, Dissertation Freie Universität Berlin 1974. 28 Zu Albers siehe: Uli Schöler: Linkssozialismus – historisch-essayistische Betrachtungen zum Gedenken des 70. Geburtstages von Detlev Albers, in: spw – Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft, Nr. 5/2013, S. 62–67; Kroll: Eurokommunismus, in: Schildt (Hrsg.): Von draußen, S. 249–253.
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deutlich geringerem Maße genutzt als in der Bundesrepublik.29 Auf Seiten der italienischen Kommunisten löste dieses neue Interesse an ihnen eine, wie sich nach der Amtsübernahme Jimmy Carters herausstellen sollte, unrealistische Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehungen zur US-Regierung aus. Alessandro Brogi weist in diesem Zusammenhang auf die Überschätzung des Einflusses von liberalen und linken Intellektuellen auf die Außen- und Sicherheitspolitik der USA in der PCI-Führung hin, die er auf die traditionell wichtige Stellung von Intellektuellen für den Partito Comunista Italiano zurückführt.30 Tatsache war jedoch, dass der Großteil der Entscheidungen in diesem Politikfeld in einem äußerst begrenzten Kreis von Personen um Henry Kissinger bzw. in der Präsidentschaft Carters von einem anfangs etwas weiter gefassten Kreis um Zbigniew Brzezinski getroffen wurde. Der Einfluss externer, insbesondere politisch liberal eingestellter oder linksorientierter Wissenschaftler auf die Außen- und Sicherheitspolitik der USA in den 1970er Jahren war im Gegensatz zu Westdeutschland minimal. Beginnend mit der Amtszeit Nixons und unter dem Druck der Kandidatur Ronald Reagans bei den republikanischen Vorwahlen für die Präsidentschaftswahlen 1976 einen vorläufigen Höhepunkt erreichend, stieg der Einfluss neokonservativer Analysten auf Regierungsentscheidungen deutlich an. Die entsprechenden Einschätzungen und Empfehlungen waren nun nicht mehr größtmöglicher Objektivität verpflichtet, sondern hatten von vornherein politische Implikationen. Die staatliche Erforschung des Eurokommunismus war somit häufig ex ante politisch vorbelastet.31 Es bleibt festzuhalten, dass die Einmischungspolitik der US-Regierungen in Italien dem dortigen Ansehen der Vereinigten Staaten nachhaltig geschadet hat. Zusätzlich stärkte die konfrontative Politik ungewollt die gegen den eurokommunistischen Reformkurs gerichteten Veto-Akteure im PCI, indem deren Feindbild „USA“ bestätigt wurde. Die ehemals als Befreier vom Faschismus angesehenen US-Regierungen wurden in den 1970er Jahren in Teilen der Gesellschaft auch mit einer klandestinen Politik gleichgesetzt, die sich über die in demokratischen Wahlen zustande gekommenen Entscheidungen der italienischen Bevölkerung hinwegsetzte und massiven Einfluss nahm.32 Dieser Befund gilt nicht nur für die politische Linke, sondern auch für Teile des katholischen und liberalen Milieus.33 Die
29 Vgl. „Was denken die Amerikaner über Eurokommunisten. Politiker und Wissenschaftler im Disput über die Bedeutung eines Schlagwortes“ von Jörg Bremer, in: FAZ, 14.11.1978, S. 9; Pott/Strübel: Eurokommunismus aus Sicht der NATO, S. 130. 30 Vgl. Brogi: Confronting, S. 337. 31 Vgl. Wall: Les États-Unis, S. 376f. 32 Vgl. Sherwood: American Foreign Policy, S. 65. 33 Vgl. Mignone: Italy Today, S. 114.
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Regierungen der Vereinigten Staaten haben dadurch zu einem Verfall der politischen Kultur Italiens beigetragen, der sich in der Unterstützung mehrfach angeklagter und verurteilter Führungsfiguren wie Giulio Andreotti, Bettino Craxi oder auch Silvio Berlusconi widerspiegelt. Durch die Mani-Pulite-Untersuchungen wurde publik, dass es vor allem die von der US-Regierung unterstützten und protegierten Parteien DC, PSI und PSDI waren, die massiv in das italienische Korruptions- und Betrugssystem der ersten Republik verstrickt waren. So schützte die US-Regierung beispielsweise im Zuge des Lockheed-Skandals Politiker der Democrazia Cristiana, die tief in den Skandal verstrickt waren. Mit der Unterstützung neofaschistischer Politiker zu Beginn der 1970er Jahre delegitimierten die USA darüber hinaus ihren eigenen moralischen Anspruch. Die Frage, inwieweit amerikanische Unterstützungsleistungen zu einer strategia della tensione (dt. Strategie der Spannung) beigetragen haben, kann wissenschaftlich allerdings nicht ausreichend belegt werden und bleibt daher Gegenstand vielfältiger Verschwörungstheorien.34 Auffällig ist in diesem Zusammenhang allerdings die überdurchschnittlich hohe Klassifizierungsquote in den US National Archives und Presidential Libraries von Quellen, die den Links- und Rechtsterrorismus im Italien der 1970er Jahre behandeln.35 Die deutsche Sozialdemokratie erkannte zwar das von den US-Regierungen negierte Wandlungspotenzial der italienischen Kommunisten, wagte allerdings keinen Bruch mit den primären Schwesterparteien PSI und
34 Vgl. Daniele Ganser: Fear as a Weapon. The Effects of Psychological Warfare on Domestic and International Politics, in: World Affairs, Nr. 4/2005, S. 28–44; Regine Igel: Andreotti. Politik zwischen Geheimdienst und Mafia, München 1996; dies.: Strategie der Spannung. Italiens Terror und die CIA, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 7/2004, S. 825–834; dies.: Terrorjahre. Die dunkle Seite der CIA in Italien, München 2006; dies. Linksterrorismus fremdgesteuert? Die Kooperation von RAF, Roten Brigaden, CIA und KGB (Reprint), in: Zeitgeschichte-online, Mai 2007, http://www.zeitgeschichteonline.de/thema/linksterrorismus-fremdgesteuert (Abruf am 12.09.2013); Philip Willan: Puppetmasters. The Political Use of Terrorism in Italy, London 1991. 35 So sind beispielsweise die folgende Dokumente zum Thema vollkommen klassifiziert oder größtenteils geschwärzt: JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 1-4/78, Box 38, Italy 1-4/78, Telegramm von Richard Gardner an Zbigniew Brzezinski, 16.03.1978, Rom; JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 1-4/78, Box 38, Italy 1-4/78, Memorandum von William E. Odom an Zbigniew Brzezinski, 11.01.1978, Washington D.C.; JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 1-4/78, Box 38, Italy 1-4/78, Memorandum von Robert Hunter an Zbigniew Brzezinski, 16.03.1978, Washington D.C.; JCPL, National Security Affairs-Brzezinski Material, Country File, Israel 9/80-Italy 1-4/78, Box 38, Italy 1-4/78, Brief von Richard Gardner an Zbigniew Brzezinski, 22.12.1977, Rom.
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PSDI.36 Selbst als führende italienische Sozialisten die SPD 1984 offen für ihre Haltung in der NATO-Nachrüstungsdebatte angriffen, wurde diese Loyalität nicht in Frage gestellt.37 Erst mit dem Wandel der italienischen Kommunisten zum sozialdemokratischen Partito Democratico della Sinistra wurde der Partei die volle internationale Unterstützung zuteil. Das Potenzial des italienischen Eurokommunismus als Periode des Übergangs war von sozialdemokratischer Seite frühzeitig erkannt und gefördert worden. Die SPD löste durch ihre Beziehungen zum PCI diesen Prozess nicht aus, aber sie half maßgeblich, ihn zu intensivieren und eine Regression in der reformistischen Entwicklung der italienischen Kommunisten zu vermeiden. Mit der Gründung des PDS und schließlich der Aufnahme in die Sozialistische Internationale schien dieser Prozess abgeschlossen. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten kam es allerdings zu weiteren fundamentalen Umwandlungen sowohl des italienischen Parteiensystems als auch der Nachfolgeparteien des PCI. Die im Februar 1998 erfolgte Fusion des PDS mit mehreren Kleinparteien des linksliberalen, christlich-sozialen, kommunistischen und sozialistischen Spektrums konnte noch der ursprünglich von der Mehrheit im PCI intendierten Entwicklung zugerechnet werden. Die daraus entstandenen Democratici di Sinistra (DS) verstanden sich weiterhin als sozialdemokratische Partei. Die Gründung des Partito Democratico (PD) am 14. Oktober 2007 beinhaltete jedoch einen grundlegenden Richtungswandel. An jenem Tag schlossen sich die DS mit der Partei La Margherita zusammen, die den Großteil des linken Flügels der ehemaligen Democrazia Cristiana repräsentierte.38 Hinzu kamen kleinere Parteien und Bewegungen. Die Entstehung der Partei muss als Reaktion auf die Dominanz konservativer Regierungen unter Führung Silvio Berlusconis (2001– 2006, 2008–2011) seit der Jahrtausendwende verstanden werden. Der PD wurde bewusst nach dem Vorbild der US-Demokraten als zentristische Sammlungspartei gegründet, die ein breites Spektrum von Sozialkonservativen bis hin zu Linkssozialisten ansprechen sollte. Der dadurch notwendig gewordene Spagat führte zu einem Entideologisierungsprozess. Auf Druck der ehemaligen Christdemokraten innerhalb des PD wurde sogar die Mitgliedschaft in der Sozialistischen Interna-
36 Dies galt auch in der Hochphase des PCI 1976. Vgl. hierzu den Brief von Willy Brandt an Helmut Schmidt vom 02. Juni 1976, in: Woyke (Hrsg.): Partner und Rivalen, S. 664ff. (Nr. 468). 37 Vgl. hierzu das Interview mit Willy Brandt in: Der Spiegel, Nr. 4, 23.02.1984, S. 110f. 38 Vgl. Nikolas Dörr: Die Krise der Sozialdemokratie in Italien, in: Felix Butzlaff/Matthias Micus/Franz Walter (Hrsg.): Genossen in der Krise? Europas Sozialdemokratie auf dem Prüfstand, Göttingen 2011, S. 226ff.
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tionale aufgegeben39 und die Sozialistische Fraktion im Europäischen Parlament musste ihren Namen ändern, um eine Mitarbeit der ehemals christdemokratischen Mitglieder des PD zu gewährleisten.40 Um den Zusammenhalt der Partei zu bewahren und Abspaltungen vorzubeugen, ist der Partito Democratico ideologisch weitgehend als „Gefäß ohne Inhalt“41 zu charakterisieren.42 Vor allem der aus dem ehemaligen PCI hervorgegangene Flügel des Partito Democratico hat bislang kaum neue Führungsfiguren hervorgebracht. Kennzeichnend für diese Entwicklung ist, dass mit Giorgio Napolitano ein Protagonist des italienischen Eurokommunismus der 1970er und 1980er Jahre am 15. Mai 2006 zum italienischen Staatspräsidenten gewählt wurde. Da in den politischen Parteien Italiens auch 2013 anerkannte Führungsfiguren fehlten, die mehrheitlich im Volk respektiert worden wären, entschied man sich mangels Alternativen zur Wiederwahl Napolitanos. Im Januar 2015 trat er schließlich wenige Monate vor seinem 90. Geburtstag aus Altersgründen vorzeitig von seinem Amt als italienisches Staatsoberhaupt zurück.
39 Der Partito Democratico ist allerdings am 22. Mai 2013 Mitglied der Progressive Alliance geworden, einem noch relativ losen internationalen Zusammenschluss von sozialdemokratischen, sozialistischen und zentristischen Parteien. 40 Die Fraktion wurde 2009 in „Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten“ umbenannt. Seit 2014 heißt die Fraktion „Progressive Allianz der Sozialdemokraten“. 41 Karin Priester: Reformlinke in Frankreich und Italien – scheintot oder schon tot?, in: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, Nr. 11/2009, S. 29. 42 Zeitgleich kam es zu einem Bedeutungsverlust der kleineren Nachfolgepartei des PCI. Der Partito della Rifondazione Comunista erreichte in den ersten Jahren seines Bestehens Wahlergebnisse von bis zu 8,5 Prozent der Wählerstimmen, verlor aber in den Jahren ab 2000 deutlich an Einfluss. Seit 2008 ist die Partei – und mit ihr erstmals seit Ende des Faschismus die äußere Linke – nicht mehr im italienischen Parlament vertreten.
Abkürzungen
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CGT CIA CISL CLN COMECON Confindustria CPGB CPUSA ČSSR CSU DC D.C. DDR DGB DIA DKP DP DPA DS EDU Efim EG Enel Eni EOKA Eumit EVG EVP FAZ FBIS FDP FES FGCI FIAT FIG FLN FN FNLA FNS
Abkürzungen
Confédération Générale du Travail Central Intelligence Agency Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori Comitato di Liberazione Nazionale Council for Mutual Economic Assistance Confederazione Generale dell'Industria Italiana Communist Party of Great Britain Communist Party USA Československá socialistická republika Christlich-Soziale Union Democrazia Cristiana District of Columbia Deutsche Demokratische Republik Deutscher Gewerkschaftsbund Defense Intelligence Agency Deutsche Kommunistische Partei Democrazia Proletaria Deutsche Presse-Agentur Democratici di Sinistra Europäische Demokratische Union Ente partecipazioni e finanziamento industrie manifatturiere Europäische Gemeinschaft Ente Nazionale per l'energia Elettrica Ente Nazionale Idrocarburi Ethniki Organosis Kyprion Agoniston (Nationale Organisation Zypriotischer Kämpfer) Euro Union Metal Torino Europäische Verteidigungsgemeinschaft Europäische Volkspartei Frankfurter Allgemeine Zeitung Foreign Broadcast Information Service Freie Demokratische Partei Friedrich-Ebert-Stiftung Federazione Giovanile Comunista Italiana Fabbrica Italiana Automobili Torino Fondazione Istituto Gramsci, Rom Front de Libération Nationale Fronte Nazionale Frente Nacional de Libertação de Angola Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
Abkürzungen
FROLINAT FRUS GFPL GML HSA HSS IFSH INCA INR IPU IRA IRI IWF JCPL Jusos JVA KAS KGB
KKE Kominform Komintern KP KPD KPD-O KPdSU KPÖ KSZE KZ Maki MAS MdB MdEP MIT MPLA
453
Front de Libération Nationale du Tchad Foreign Relations of the United States Series Gerald R. Ford Presidential Library, Ann Arbor George C. Marshall Research Library, Lexington (Virginia) Helmut-Schmidt-Archiv, Bonn Hanns-Seidel-Stiftung Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg Istituto Nazionale Confederale di Assistenza Bureau of Intelligence and Research (State Department) Interparlamentarische Union Irish Republican Army Istituto per la Ricostruzione Industriale Internationaler Währungsfonds Jimmy Carter Presidential Library, Atlanta Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD Justizvollzugsanstalt Konrad-Adenauer-Stiftung Комитет государственной безопасности при Совете Министров СССР (Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR) Kommounistikó Kómma Elládas (Kommunistische Partei Griechenlands) Kommunistisches Informationsbüro Kommunistische Internationale Kommunistische Partei Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei-Opposition Kommunistische Partei der Sowjetunion Kommunistische Partei Österreichs Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Konzentrationslager HaMiflega HaKomunistit HaYisraelit (Israelische Kommunistische Partei) Movimiento al Socialismo Mitglied des Deutschen Bundestages Mitglied des Europäischen Parlaments Massachusetts Institute of Technology Movimento Popular de Libertação de Angola
454
MRG MSB Spartakus MSI MTF NA NAII NATO NBC NODIS NPG NSA NSC NSSM OECD ÖVP OSS PAAA PASOK PCd’I PCdI PCE PCF PCI PCP PD PdA PDS PdUP PFLP PLI PLO PNF PNM POLISARIO POUM
Abkürzungen
Mouvement des radicaux de gauche Marxistischer Studentenbund Spartakus Movimento Sociale Italiano Margaret Thatcher Foundation, London NATO Archives/Archives de l'OTAN US National Archives II, College Park North Atlantic Treaty Organization National Broadcasting Company No Distribution (State Department) Nuclear Planning Group Assistant to the President for National Security Affairs (gebräuchliche Kurzform: National Security Adviser) United States National Security Council National Security Study Memorandum Organisation for Economic Co-operation and Development Österreichische Volkspartei Office of Strategic Services Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin Panellinio Sosialistiko Kinima (Panhellenische Sozialistische Bewegung) Partito dei Contadini d’Italia Partito Comunista d’Italia Partido Comunista de España Parti Communiste Français (in einigen Zitaten auch als KPF abgekürzt) Partito Comunista Italiano (in einigen Zitaten auch als KPI bzw. IKP abgekürzt) Partido Comunista Português (in einigen Zitaten auch als KPP abgekürzt) Partito Democratico Partito d’Azione Partito Democratico della Sinistra Partito di Unità Popolare per il Comunismo Popular Front for the Liberation of Palestine Partito Liberale Italiano Palestine Liberation Organization Partito Nazionale Fascista Partito Nazionale Monarchico Frente Popular de Liberación de Saguía el Hamra y Río de Oro Partido Obrero de Unificación Marxista
Abkürzungen
PRC PRI PROKLA PRuF PSd‘Az PSDI PSI PSIUP PSLI PSOE PSU PvdA RAF RAI RAND RNPL RSI RWTH SACEUR SAP SAPMO-BArch SBZ SEATO SED SEW SFB SHAPE SI SID S.I.O.S. SKDL SKP SoPo SOST SPD
455
Partito della Rifondazione Comunista Partito Repubblicano Italiano Probleme des Klassenkampfs – Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik Institut für deutsches und internationales Parteienrecht und Parteienforschung, Düsseldorf Partidu Sardu – Partito Sardo d'Azione Partito Socialista Democratico Italiano Partito Socialista Italiano Partito Socialista Italiano di Unità Proletaria Partito Socialista dei Lavoratori Italiani Partido Socialista Obrero Español Partito Socialista Unificato Partij van de Arbeid Rote Armee Fraktion Radiotelevisione Italiana Research and Development Corporation Richard Nixon Presidential Library, Yorba Linda Repubblica Sociale Italiana Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule, Aachen Supreme Allied Commander Europe Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der Deutschen Demokratischen Republik im Bundesarchiv, Berlin Sowjetische Besatzungszone Southeast Asia Treaty Organization Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sozialistische Einheitspartei Westberlins Sender Freies Berlin Supreme Headquarters Allied Powers Europe Sozialistische Internationale Servizio Informazioni Difesa Servizio Informazioni Operative e Situazione Suomen Kansan Demokraattinen Liitto (Demokratische Union des Finnischen Volkes) Suomen Kommunistinen Puolue (Finnische Kommunistische Partei) Sozialistische Politik (Zeitschrift) Sozialistische Studiengruppen Sozialdemokratische Partei Deutschlands
456
SPE SPÖ SPS SVP SWP TNA UdSSR UEC UIL UK UNESCO UNITA UNO USA USIA USICA VPK WBA WEU WGB ZDF ZK
Abkürzungen
Sozialdemokratische Partei Europas Sozialistische Partei Österreichs (seit 1991 Sozialdemokratische Partei Österreichs) Sozialdemokratische Partei Südtirols/Partito Socialdemocratico dell‘Alto Adige Südtiroler Volkspartei/Partito Popolare Sudtirolese Stiftung Wissenschaft und Politik The National Archives, Kew Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Union des Étudiants Communistes Unione Italiana del Lavoro United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization União Nacional para a Independência Total de Angola United Nations Organization United States of America United States Information Agency United States International Communication Agency Vänsterpartiet Kommunisterna (Linkspartei Kommunisten) Willy-Brandt-Archiv, Bonn Westeuropäische Union Weltgewerkschaftsbund Zweites Deutsches Fernsehen Zentralkomitee
Quellen- und Literaturverzeichnis
Archive Belgien NATO Archives/Archives de l’OTAN, Brüssel (NA) Eingesehene Bestände: Political Affairs 1966–1970 Defence Planning 1966–1970 Political Affairs 1971–1975 Defence Planning 1971–1975
Deutschland Archiv der sozialen Demokratie in der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn (AdsD) Willy-Brandt-Archiv im Archiv der sozialen Demokratie, Bonn (WBA) Helmut-Schmidt-Archiv im Archiv der sozialen Demokratie, Bonn (HSA) Eingesehene Bestände: Depositum Horst Ehmke Depositum Karsten D. Voigt Helmut-Schmidt-Archiv Nachlass Egon Bahr Nachlass Leo Bauer Nachlass Fritz Eberhard Nachlass Bruno Friedrich Nachlass Günter Markscheffel Nachlass Rolf Reventlow Nachlass Eugen Selbmann Nachlass Jochen Steffen Nachlass Hans-Jürgen Wischnewski SPD-Parteivorstand, Internationale Abteilung Willy-Brandt-Archiv Archiv des Liberalismus in der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Gummersbach (AdL) Eingesehene Bestände: Bundesfachausschuss für Außenpolitik
458
Quellen- und Literaturverzeichnis
Bundesfachausschuss für Friedens- und Sicherheitspolitik FDP Bundesparteitage FDP Bundeshauptausschuss Nachlass Hans-Dietrich Genscher Nachlass Wolfgang Mischnick Nachlass Rötger Groß Nachlass Walter Scheel Archiv für Christlich-Demokratische Politik in der Konrad-Adenauer-Stiftung, St. Augustin (ACDP) Eingesehene Bestände: AK V – Auswärtiges, Verteidigung, Ost- und Deutschlandpolitik, Entwicklungshilfe Büro für Auswärtige Beziehungen der CDU-Bundespartei CDU-Bundespartei CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Europabüro der CDU/CSU-Fraktion Nachlass Bruno Heck Nachlass Heinrich Köppler Nachlass Theodor Sautter Nachlass Gerhard Schröder Archiv für Christlich-Soziale Politik in der Hanns-Seidel-Stiftung, München (ACSP) Eingesehene Bestände: CSU-Bundesparteitage Nachlass Heinrich Aigner Nachlass Richard Jaeger Nachlass Günther Müller Presseausschnittsarchiv Bundesarchiv, Koblenz (BArch) Eingesehene Bestände: Bundesamt für Verfassungsschutz Bundeskanzleramt Nachlass Wolf Graf von Baudessin Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (PAAA) Eingesehene Bestände: Bestand AV Neues Amt, Diplomatische Vertretung Rom, Band 26086
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Bestand B 26, Zwischenarchiv, Band 101430 Bestand B 26, Zwischenarchiv, Band 110216 Bestand B 26, Zwischenarchiv, Band 123285 Bestand B 32, Zwischenarchiv, Band 115950 Bestand B 38, Zwischenarchiv, Band 115122 Bestand B 42, Zwischenarchiv, Band 132765 Bestand B 150, Band 333 Bestand B 150, Band 335 Bestand B 150, Band 342 Bestand B 150, Band 345 Bestand B 150, Band 346 Bestand B 150, Band 347 Bestand B 150, Band 348 Bestand B 150, Band 349 Bestand B 150, Band 350 Bestand B 150, Band 351 Politisches Archiv des SPD-Parteivorstands, Berlin Eingesehene Bestände: Pressearchiv des SPD-Parteivorstands Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Berlin (SAPMO) Eingesehene Bestände: Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED Politbüro des ZK der SED
Großbritannien The National Archives, Kew (TNA) Eingesehene Bestände: Foreign and Commonwealth Office and Predecessors Ministry of Defence – Central Staffs Prime Minister's Office
Italien Archivio del Partito Comunista Italiano in der Fondazione Istituto Gramsci, Rom (APC) Eingesehene Bestände:
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Commissioni permanenti del comitato centrale Comitato Centrale Direzione Esteri Fondo Enrico Berlinguer Fondo Paolo Bufalini Fondo Luigi Longo Paesi Segretario generale Sezioni di lavoro Ufficio politico
Österreich Bruno-Kreisky-Archiv, Wien (BKA) Eingesehene Bestände: Länderbox BRD Länderbox Frankreich Länderbox Italien Länderbox Portugal Länderbox USA Sozialistische Internationale
USA George-C.-Marshall Research Library, Lexington (GML) Eingesehene Bestände: George C. Marshall Papers – Pentagon Office George C. Marshall Papers – Secretary of Defense George C. Marshall Papers – Secretary of State Thomas K. Ford Collection Gerald R. Ford Presidential Library, Ann Arbor (GFPL) Eingesehene Bestände: Dale Van Atta Papers Foreign Affairs International Organizations James E. Connor Files Memoranda of Conversations 1973–1977 National Security – Defense
Quellen- und Literaturverzeichnis
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National Security Adviser – Backchannel Messages, Europe National Security Adviser – National Security Decision Memoranda and National Security National Security Adviser – NSC Europe, Canada, and Ocean Affairs Staff Files National Security Adviser – Presidential Country Files for Europe and Canada National Security Council Meetings File Political Affairs Presidential Correspondence with Foreign Leaders Richard Cheney Files Speeches Study Memoranda Trips White House Central File Jimmy Carter Presidential Library, Atlanta (JCPL) Eingesehene Bestände: Carter-Mondale Campaign Committee. Issues Office Council of Economic Advisers Hendrik Hertzberg's Speech Files Jody Powell Papers, 1977–1981 Office of Public Liaison Office of the Assistant for Public Outreach Office of the Cabinet Secretary and Assistant for Intergovernmental Affairs Office of the First Lady Office of the National Security Adviser Office of the Personal Assistant and Secretary to the President Office of the Special Assistant for Ethnic Affairs Office of the Special Assistant for Information Management Office of the Staff Secretary Robert C. Ode Papers, 1979–1995 Roddey Mims Collection, 1976–1982 Speechwriter's Office White House Office of Administration White House Press Office. Press Advance Office Zbigniew Brzezinski's Country Files Zbigniew Brzezinski's President's Correspondence with Foreign Leaders Files Zbigniew Brzezinski's Trip Files Zbigniew Brzezinski's Very Important Persons (VIP) Visit Files
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The National Archives II, College Park (NAII) Eingesehene Bestände: Central Intelligence Agency Defense Intelligence Agency Foreign Service Posts of the Department of State General Records of the Department of State International Conferences, Commissions, and Expositions National Security Council Office of the Secretary of Defense U.S. Information Agency
Digitalisierte Archive Margaret Thatcher Foundation (MTF) http://www.margaretthatcher.org Eingesehene Bestände: Archive – PM (1979–90) Archive – Pre-PM (up to May 1979) Speeches, interviews & other statements Richard Nixon Presidential Library (RNPL) http://www.nixonlibrary.gov Eingesehene Bestände: National Security Decision Memoranda National Security Study Memoranda
Filme Berlinguer ti voglio bene, Italien 1977, Regie: Giuseppe Bertolucci. Don Camillo und Peppone (Le Petit Monde de Don Camillo [frz.]/Don Camillo [ital.]), Frankreich/Italien 1952, Regie: Julien Duvivier. Don Camillos Rückkehr (Le Retour de Don Camillo [frz.]/Il Ritorno di Don Camillo [ital.]), Frankreich/Italien 1953, Regie: Julien Duvivier. Die große Schlacht des Don Camillo (La Grande Bagarre [frz.]/Don Camillo e l'onorevole Peppone [ital.]), Frankreich/Italien 1955, Regie: Carmine Gallone. Genosse Don Camillo (Il compagno Don Camillo [ital.]), Italien 1965, Regie: Luigi Comencini. Hochwürden Don Camillo (Don Camillo monsignore…ma non troppo [ital.]), Italien 1961, Regie: Carmine Gallone.
Quellen- und Literaturverzeichnis
463
Quando c'era Berlinguer, Italien 2014, Regie: Walter Veltroni. Rocco und seine Brüder (Rocco e i suoi fratelli [ital.]/Rocco et ses frères [frz.]), Italien/Frankreich 1960, Regie: Luchino Visconti.
Audioquellen Wolf Biermann: Das geht sein’ sozialistischen Gang, Dokumentation, Köln, 13. November 1976, 2 Audio CDs, Wolf Biermann Liederproduktion Alto (Indigo) 2011.
Verzeichnis der verwendeten Zeitungen und Zeitschriften Der Spiegel (1967–1982) Die ZEIT (1975–1982) Frankfurter Allgemeine Zeitung (1975–1982) La Repubblica (1975–1979) L’Unità (1967–1982) Osteuropa (1967–1982) Rinascita (1967–1979) The New York Times (1975–1979) The Washington Post (1975–1979)
Einzelne Ausgaben folgender Zeitungen und Zeitschriften Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – Verhandlungen des Europäischen Parlaments Andamios. Revista de Investigación Social Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien Archiv für Sozialgeschichte Aus Politik und Zeitgeschichte Aussenpolitik – German Foreign Affairs Review Avanti! Avvenire Bayernkurier Beiträge zum wissenschaftlichen Sozialismus Berliner Extra-Dienst Blätter für deutsche und internationale Politik Bonner Rundschau
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Bulletin of Peace Proposals Business Week Challenge – The Magazine of Economic Affairs Cold War History Communisme. Revue d’études pluridisciplinaires Communist and Post-Communist Studies Contemporanea. Rivista di storia dell'800 e del '900 Corriere della Sera Critica Sociale Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften Der Bürger im Staat Der Donauraum Der Tagesspiegel Deutsche Studien Deutsche Wochen-Zeitung Deutschland Archiv Die Bauwelt Die italienischen Kommunisten – Bulletin der IKP für das Ausland Die Welt Die Weltwoche (Zürich) Dimensioni e problemi della ricerca storica – Rivista del Dipartimento di studi storici dal medioevo all'età contemporanea dell'Università La Sapienza di Roma Dokumente. Zeitschrift für übernationale Zusammenarbeit Europa-Archiv Europäische Wehrkunde – Zeitschrift für Wehrfragen European Review of History Foreign Affairs Foreign Policy Frankfurter Hefte Frankfurter Rundschau Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft Gewerkschaftliche Monatshefte Historia y politica. Ideas, procesos y movimientos sociales Historisch-Politische-Mitteilungen. Archiv für Christlich-Demokratische Politik Historische Zeitschrift Human Events Human Relations Il Giornale Nuovo Il Manifesto Il Messaggero
Quellen- und Literaturverzeichnis
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International Herald Tribune International Organization Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung Journal of Cold War Studies Journal of Contemporary History Journal of European Integration History Journal of Iberian and Latin American Research Journal of Social History Journal of Transatlantic Studies Keesing’s Contemporary Archives Kritik der politischen Ökonomie. Beiträge des internationalen Marxismus L‘76 – Zeitschrift für Demokratie und Sozialismus La Stampa Labor History L'Astrolabio Le Monde Leviathan – Zeitschrift für Sozialwissenschaft L'Humanité Liberal Manchester Guardian Weekly Marine-Rundschau Meridiana Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken Militärpolitik-Dokumentation Mitteilungen des Instituts für Parteienrecht und Parteienforschung Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung Münchner Merkur NATO Brief Neue Bildpost Neue Gesellschaft Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte1 Neue Zürcher Zeitung Newsweek Orbis Pacific Affairs Paese Sera
1 1985 aus einer Fusion der Zeitschriften „Frankfurter Hefte“ und „Neue Gesellschaft“ entstanden.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Panorama Perspektiven DS – Zeitschrift für Gesellschaftsanalyse und Reformpolitik Playboy Polis Political Science Quarterly Politische Studien Politische Vierteljahresschrift Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien Presidential Studies Quarterly Problemi del Socialismo Problems of Communism PROKLA – Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Relations Internationales Revue d’histoire diplomatique Revue française de science politique Ricerche di storia politica SoPo (Sozialistische Politik) spw – Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft Storia e Memoria Studi Storici Studies in Comparative Communism Süddeutsche Zeitung Survival The New Republic The Times (London) The World Today Time Unsere Zeit Ventunesimo Secolo Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Vorwärts Was tun Wehrkunde Welt am Sonntag West European Politics World Affairs Zeithistorische Forschungen
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2 Der Nachname auf dem Einband der Publikation ist falsch und lautet korrekt Motchane.
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Das Werk erschien ursprünglich anonym.
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Statistiken
Entwicklung der Mitgliederzahlen des Partito Comunista Italiano 1946–19901 Jahr 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972
Mitgliederzahl 2.068.272 2.252.760 2.115.327 2.027.271 2.112.593 2.097.830 2.093.540 2.134.285 2.145.317 2.090.006 2.035.353 1.827.767 1.818.606 1.782.699 1.792.974 1.728.620 1.636.510 1.615.571 1.641.214 1.615.296 1.575.935 1.534.705 1.502.862 1.503.816 1.507.047 1.521.632 1.584.659
1 Zahlen auf Basis von: Grywatsch: Kontinuität im Wandel, S. 422f.
Statistiken
526
Jahr 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990
Mitgliederzahl 1.623.032 1.657.895 1.730.461 1.814.262 1.814.154 1.790.450 1.758.088 1.751.323 1.714.052 1.673.751 1.635.264 1.619.940 1.595.668 1.551.576 1.508.140 1.462.281 1.424.035 1.319.905
Chronik
1917
Beginn der Oktoberrevolution in Russland mit dem Sturm auf das Winterpalais am 7. November (nach dem seinerzeit in Russland gültigen julianischen Kalender am 25. Oktober). Machtübernahme der Bolschewiki, die sich im anschließenden Bürgerkrieg bestätigt. 1919 Gründung der Komintern Anfang März in Moskau. 1921 Abspaltung des Partito Comunista d`Italia (PCdI) von der Sozialistischen Partei Italiens auf dem Kongress von Livorno am 21. Januar. Bei seiner ersten Teilnahme an nationalen Parlamentswahlen erreicht der PCdI am 15. Mai 4,6 Prozent der Stimmen. 1922 „Marsch auf Rom“ im Oktober und Ernennung Benito Mussolinis zum italienischen Ministerpräsidenten durch König Vittorio Emanuele III. Beginn der faschistischen Diktatur. Gründung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) am 30. Dezember. 1924 Tod Lenins am 21. Januar. Aufstieg Josef Stalins zur neuen Führungsfigur der Sowjetunion beginnt. In den bereits durch die Mussolini-Diktatur beeinflussten Parlamentswahlen am 6. April erhält der PCdI 3,7 Prozent der Stimmen. 1926 20. bis 26. Januar III. Parteikongress des PCdI im Exil im französischen Lyon. Auseinandersetzung zwischen Antonio Gramsci und Amadeo Bordiga. Gramsci lehnt in seinen „Lyoner Thesen“ die Sozialfaschismusthese ab. Im November Verbot aller Parteien außer Mussolinis PNF und Verhaftung Gramscis. 1927 Palmiro Togliatti übernimmt die Führung des PCdI. 1931 Vom 14. bis 21. April IV. Parteikongress des PCdI im Exil in Köln. 1934 Am 17. August wird in Paris die Aktionseinheit von Sozialistischer und Kommunistischer Partei in Italien besiegelt. Die enge Zusammenarbeit beider Parteien endet erst infolge der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956. 1937 Tod Gramscis am 27. April. Beginn des Spanischen Bürgerkriegs am 17. Juli. Der Krieg endet am 1. April 1939 mit einem Sieg der Nationalisten unter Führung von Francisco Franco. 1939–1945 Zweiter Weltkrieg.
528
1939
Chronik
Unterzeichnung des Bündnisvertrags zwischen dem Deutschen Reich und Italien („Stahlpakt“ bzw. „Patto d'Acciaio“) am 22. Mai. 1940 Kriegseintritt Italiens als deutscher Verbündeter am 10. Juni. 1940–1944 Bewaffneter Widerstand des PCdI gegen die Mussolini-Diktatur und die deutsche Besatzung (Resistenza). 1943 Auflösung der Komintern im Mai. Umbenennung der Partei in Partito Comunista Italiano (PCI). Landung der Alliierten in Süditalien und Sizilien im Juli, Absetzung Mussolinis am 25. Juli, Marschall Pietro Badoglio etabliert im befreiten Italien eine Allparteienregierung. Am 3. September wird der Waffenstillstand von Cassibile zwischen der Regierung Badoglio und den Alliierten unterzeichnet und am 8. September öffentlich verkündet. Gründung des CLN zur Koordination des Widerstands am 9. September. Mussolini wird am 12. September befreit, Gründung der faschistischen Repubblica Sociale Italiana mit Hilfe der deutschen Wehrmacht in Norditalien (Republik von Salò). 1944 Am 27. März kehrt Generalsekretär Togliatti aus dem Exil nach Italien zurück. Svolta di Salerno im April. 1944–1947 Regierungsbeteiligung des PCI bis Mai 1947, Togliatti ist zeitweise stellvertretender Ministerpräsident und Justizminister. 1945 Amtsübernahme von Harry S. Truman als US-Präsident am 12. April. Partisanen erschießen den gefangen genommenen Mussolini am 28. April. Kriegsende in Europa am 8. Mai. Der PCF wird in der ersten Parlamentswahl nach dem Krieg am 21. Oktober zur stärksten Partei Frankreichs. 1946 König Vittorio Emanuele III. dankt am 9. Mai ab. Sein Sohn Umberto II. wird bis zur Abschaffung der Monarchie neuer König Italiens. Bei der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung am 2. Juni wird der PCI mit 18,9 Prozent nur drittstärkste Partei hinter der DC und dem PSI. Am gleichen Tag entscheidet sich die Mehrheit der Italiener in einem Referendum für die Abschaffung der Monarchie und die Einführung der Republik. Am 1. Juli tritt der erste italienische Staatspräsident Enrico De Nicola (PLI) sein Amt an. 1946–1947 Der PCI beteiligt sich intensiv an der Ausarbeitung einer neuen italienischen Verfassung und stimmt dieser im Dezember 1947 zu.
Chronik
529
1946–1949 Der griechische Bürgerkrieg von März 1946 bis Oktober 1949 endet mit einer Niederlage der Kommunisten. 1947 Spaltung der Sozialistischen Partei und Entstehung der Sozialdemokratischen Partei Italiens im Januar. Verkündung der Truman-Doktrin am 12. März, Beginn der Containment-Politik. Mit dem National Security Act wird am 26. Juli eine umfassende Reform der US-amerikanischen sicherheitspolitischen Institutionen eingeleitet. Gründung des Kominform im September. 1948 Anfang April wird das European Recovery Program („Marshallplan“) in den USA verabschiedet. Bei den Parlamentswahlen am 18. April kommt die Volksfront aus Kommunisten und Sozialisten zusammen auf lediglich 31 Prozent der Wählerstimmen, absolute Mehrheit für die DC mit Ministerpräsident Alcide De Gasperi. Amtsantritt des neuen italienischen Staatspräsidenten Luigi Einaudi (PLI) am 12. Mai. Bruch zwischen Stalin und Josip Broz „Tito“, Ausschluss Jugoslawiens aus dem Kominform im Juni. Am 14. Juli Attentat auf Togliatti, der schwer verletzt überlebt. Der PCI verhindert mit der CGIL einen sich anbahnenden Bürgerkrieg. 1948–1976 Der PCI gewinnt bei jeder der sechs Parlamentswahlen zwischen 1948 und 1976 an Stimmen und Mandaten hinzu. 1949 Gründung der NATO am 4. April. Italien ist Gründungsmitglied. Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai. Am 1. Juli droht der Vatikan mit der Exkommunikation aller KPMitglieder. Am 15. September wird Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler gewählt. Er behält dieses Amt bis zum 16. Oktober 1963. Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober. Gründung der DDR am 7. Oktober. 1950 Spaltung des kommunistisch dominierten Gewerkschaftsdachverbandes CGIL. Große Teile der christdemokratischen, sozialdemokratischen und liberalen Mitglieder verlassen die CGIL und etablieren mit der CISL und der UIL zwei konkurrierende Organisationen. Der Second Red Scare (1947–1957) erreicht mit dem verstärkten Einfluss von Senator Joseph McCarthy seinen Höhepunkt.
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1951
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1953
1954 1955
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1957
Chronik
Am 25. Juni Ausbruch des Koreakrieges. Der Krieg endet 1953 mit dem Status quo ante. Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) am 18. April. Italien und Westdeutschland sind Gründungsmitglieder. Am 18. Februar treten Griechenland und die Türkei der NATO bei. Kurt Schumacher stirbt am 20. August in Bonn. Erich Ollenhauer wird zum neuen Vorsitzenden der SPD gewählt. Amtsübernahme von Dwight D. Eisenhower als US-Präsident am 20. Januar. Tod Stalins am 5. März. Nikita S. Chruschtschow wird, nach kurzer kommissarischer Leitung durch Georgi Malenkow, neuer Erster Sekretär der KPdSU. Pilsener Aufstand in der Tschechoslowakei vom 31. Mai bis 2. Juni. Der PCI gewinnt in den Parlamentswahlen am 7. Juni 22,6 Prozent der Stimmen. Volksaufstand in der DDR am 17. Juni, anschließend gewaltsame Niederschlagung. Triest-Abkommen am 5. Oktober. Konferenz von Bandung vom 18. bis 24. April, Bewegung der Blockfreien formiert sich. Die Nachfolgekonferenz findet vom 1. bis 6. September 1961 in Belgrad statt. Am 9. Mai tritt die Bundesrepublik Deutschland der NATO bei. Amtsantritt des neuen italienischen Staatspräsidenten Giovanni Gronchi (DC) am 11. Mai. Gründung des Warschauer Pakts am 14. Mai. Am 14. Dezember wird Italien in die UNO aufgenommen. XX. Parteitag der KPdSU vom 14. bis 25. Februar in Moskau, Chruschtschows Geheimrede über die Verbrechen Stalins am 25. Februar, Verkündung des policentrismo durch Togliatti. Auflösung des Kominform am 17. April. Verbot der KPD durch das Bundesverfassungsgericht am 17. August. Arbeiteraufstand in Posen im Juni, „Polnischer Oktober“. Beginn des Volksaufstandes in Ungarn am 23. Oktober, anschließend gewaltsame Niederschlagung. Veröffentlichung des Manifesto dei 101 am 29. Oktober. Beginn der Suezkrise am 29. Oktober. Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März.
Chronik
1958
1959 1959/1960 1960
1961
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Fatti di Rovereta in San Marino. Die seit 1945 amtierende kommunistisch-sozialistische Regierung wird auf Druck der italienischen Regierung gestürzt. Kommunistische Weltkonferenz im November in Moskau. Bei den Parlamentswahlen am 25. Mai erreicht der PCI mit 22,7 Prozent ein niedriges Ergebnis. Die DC erhält knapp 20 Prozentpunkte mehr (42,2 Prozent). Tod von Papst Pius XII. am 9. Oktober. Der neue Papst Johannes XXIII. tritt am 28. Oktober sein Pontifikat an. Am 30. Oktober bildet der autonomistisch orientierte Christdemokrat Silvio Milazzo eine neue sizilianische Regionalregierung mit Unterstützung des PCI und anderer Parteien. Die DC schließt ihn und seine Anhänger daraufhin aus der Partei aus. Sieg der Kubanischen Revolution unter Führung von Fidel Castro am 1. Januar. Ausbruch des sino-sowjetischen Konflikts. Der IX. Parteitag des PCI (30. Januar bis 5. Februar) beschließt die Aufnahme des Dialogs mit Vertretern der katholischen Kirche. Die Tambroni-Krise in Italien endet im Juli mit der Diskreditierung jedweder Zusammenarbeit zwischen DC und MSI auf nationaler Ebene. Kommunistische Weltkonferenz im November in Moskau. Amtsübernahme von John F. Kennedy als US-Präsident am 20. Januar. Missglückte Invasion kubanischer Exiltruppen mit US-amerikanischer Unterstützung in der Schweinebucht (Bahía de Cochinos) vom 17. bis 19. April. Bau der Berliner Mauer am 13. August. Endgültiger Bruch Albaniens mit der Sowjetunion. Die Spitzengremien des PSI beschließen am 11. Januar die Forderung nach einem NATO-Austritt Italiens aufzugeben. Folge hiervon ist der Beschluss auf dem Parteikongress der DC (27. bis 31. Januar in Neapel), künftig auch Koalitionen mit den Sozialisten anzustreben. Amtsantritt von Antonio Segni (DC) als neuer italienischer Staatspräsident am 11. Mai. Nach knapp zweieinhalb Jahren im Amt muss Segni aus Gesundheitsgründen Ende 1964 zurücktreten. Kubakrise vom 14. bis 28. Oktober. II. Vatikanisches Konzil von Oktober 1962 bis Dezember 1965.
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Chronik
Der PCI erreicht in den Parlamentswahlen vom 28. April 25,3 Prozent der Stimmen. Papst Paul VI. tritt am 21. Juni sein Pontifikat an. Am 16. Oktober wird Ludwig Erhard zum Bundeskanzler gewählt. Ermordung John F. Kennedys und Amtsübernahme von Lyndon B. Johnson als US-Präsident am 22. November. Die italienischen Christdemokraten beschließen mit US-amerikanischer Billigung die apertura a sinistra für Koalitionen mit den Sozialisten. Der PCI wird ausdrücklich nicht mit einbezogen. Die erste centro-sinistra-Koalition wird Anfang Dezember unter Ministerpräsident Aldo Moro (DC) gebildet. Waldeck Rochet wird auf dem XVII. Parteikongress des PCF am 17. Mai in Paris zum neuen Generalsekretär gewählt. Togliatti stirbt am 21. August auf Jalta. An seiner Beerdigung in Rom nehmen mehr als eine Million Menschen teil. Togliattis politisches Testament (memoriale di Jalta) wird Ende August veröffentlicht und zu einem Grundlagendokument des Reformkommunismus im PCI. Luigi Longo wird neuer Generalsekretär des PCI. Willy Brandt wird am 16. Februar zum Bundesvorsitzenden der SPD gewählt. Erzwungener Rücktritt Chruschtschows am 14. Oktober, Leonid I. Breschnew wird neuer Erster Sekretär (ab 1966 wieder in Generalsekretär umbenannt) der KPdSU. Amtsantritt von Giuseppe Saragat (PSDI) als neuer italienischer Staatspräsident am 29. Dezember. Frankreich zieht sich am 1. Juli aus der militärischen Integration der NATO zurück. Am 1. Dezember wird Kurt-Georg Kiesinger zum Bundeskanzler gewählt, Beginn der Großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD. Staatsstreich in Griechenland am 21. April. Beginn der Militärdiktatur. Konferenz der kommunistischen Parteien Europas vom 24. bis 26. April in Karlovy Vary/Karlsbad. Das Magazin l’Espresso veröffentlicht im Mai die Pläne für einen letztlich nicht durchgeführten Staatsstreich rechtsgerichteter Kreise um den Chef der italienischen Militärpolizei Giovanni De Lorenzo im Sommer 1964 (Piano solo). Sechstagekrieg vom 5. bis 10. Juni.
Chronik
1968
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Erstes Treffen zwischen PCI und SPD vom 28. bis 30. November in Rom. Zweites Treffen zwischen PCI und SPD Ende Januar in München. Nachdem die Kontakte in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind, informiert das SPD-Präsidium am 4. April über das Gespräch mit der PCI-Delegation vom 28. bis 30. November 1967. Die Parlamentswahl am 19. Mai bringt dem PCI 26,9 Prozent der Stimmen ein. Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei am 21. August, Niederschlagung des „Prager Frühlings“. Gründung der DKP in der Bundesrepublik Deutschland im September. Verkündung der „Breschnew-Doktrin“ am 12. November. Amtsübernahme von Richard M. Nixon als US-Präsident am 20. Januar, Henry Kissinger wird National Security Adviser. Kommunistische Weltkonferenz in Moskau vom 5. bis 17. Juni. Aldo Moro verkündet auf dem Parteikongress der DC vom 27 bis 30. Juni in Rom eine strategia dell’attenzione gegenüber den Kommunisten und signalisiert damit erhöhte Kommunikationsbereitschaft mit dem PCI. Willy Brandt wird am 21. Oktober zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler gewählt, Beginn der sozial-liberalen Koalition. Ausschluss der Il Manifesto-Gruppe aus dem PCI am 26. November. Bombenanschlag der rechtsterroristischen Gruppe Ordine Nuovo vor der Zentrale der Banca Nazionale dell'Agricoltura auf der Piazza Fontana in Mailand am 12. Dezember mit 17 Toten und 88 Verletzten. Ziel ist die Diskreditierung der politischen Linken, die zuerst für den Anschlag verantwortlich gemacht wird. Stärkung der italienischen Regionen mit dem Gesetz über die Finanzierung am 15. Mai. Unterzeichnung des „Moskauer Vertrages“ zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion am 12. August. Unterzeichnung des „Warschauer Vertrages“ zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen am 7. Dezember. Abgebrochener rechtsgerichteter Putschversuch in Italien („Borghese-Putsch“) in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember. Beginn des Arbeiteraufstands in Polen am 14. Dezember.
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1971
1972
1973
Chronik
Unterzeichnung des Viermächteabkommens über Berlin am 3. September, das am 3. Juni 1972 in Kraft tritt. Übergabe des Friedensnobelpreises an Willy Brandt am 10. Dezember in Oslo. Amtsantritt von Giovanni Leone (DC) als neuer italienischer Staatspräsident am 29. Dezember. Enrico Berlinguer wird auf dem XIII. Parteitag des PCI vom 13. bis 17. März zum neuen Generalsekretär gewählt. Luigi Longo wird Ehrenpräsident der Partei. Zusammentreffen von Georges Marchais und Berlinguer in Bologna im Mai. In den Parlamentswahlen vom 7. Mai erreicht der PCI 27,1 Prozent der Stimmen, bleibt damit jedoch deutlich hinter der DC (38,7 Prozent). Staatsbesuch von US-Präsident Nixon in Moskau vom 22. bis 30. Mai, Unterzeichnung des ABM-Vertrags und weiterer bilateraler Abkommen. Programme commun zwischen PCF und PS im Juni (union de la gauche). Konföderation zwischen den drei großen Gewerkschaftsdachverbänden CGIL, CISL und UIL wird am 24. Juli vereinbart. Wahlsieg der sozial-liberalen Koalition in den Bundestagswahlen vom 19. November 1972. Willy Brandt wird am 14. Dezember erneut zum Bundeskanzler gewählt. Marchais wird auf dem XX. Parteitag des PCF in Saint-Ouen am 17. Dezember zum neuen Generalsekretär gewählt. Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR am 21. Dezember. Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Italien und der DDR am 18. Januar. Ende des US-amerikanischen Engagements im Vietnamkrieg mit dem Pariser Friedensabkommen am 27. Januar. Militärputsch in Chile am 11. September. Nach dem Rücktritt von Michael Rogers wird Henry Kissinger am 22. September zum neuen Außenminister ernannt. Bis zum 3. November 1975 vereinigt Kissinger Außenministeramt und die Funktion als National Security Adviser in seiner Person. In einer Artikelserie in Rinascita legt Berlinguer von Ende September bis Mitte Oktober die Notwendigkeit eines Strategiewechsels des PCI (compromesso storico) dar.
Chronik
1974
1975
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Jom-Kippur-Krieg vom 6. bis 25. Oktober. Unterzeichnung des „Prager Vertrages“ zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakei am 11. Dezember. Vom 26. bis 28. Januar Konferenz der kommunistischen Parteien Westeuropas in Brüssel. „Nelkenrevolution“ in Portugal am 25. April. In einem Referendum votieren am 12. Mai knapp 59 Prozent der italienischen Wahlbevölkerung für die Beibehaltung der Ehescheidung. Die Entscheidung wird als deutliche Niederlage der Christdemokraten interpretiert. Am 16. Mai 1974 wird Helmut Schmidt zum Bundeskanzler gewählt. Ausbruch des militärischen Zypernkonflikts im Juli, faktische Teilung der Insel in einen griechischen und einen türkischen Teil. Im Juli Aufnahme der CGIL in den sozialdemokratisch dominierten Europäischen Gewerkschaftsbund. Anschlag der rechtsradikalen Terrorgruppe Ordine Nuovo auf eine antifaschistische Kundgebung in Brescia mit acht Toten am 28. Mai. Im Juli 1974 Ende der griechischen Militärdiktatur, Beginn der Redemokratisierung. Anschlag der rechtsradikalen Terrorgruppe Ordine Nuovo auf den Schnellzug Italicus mit zwölf Toten am 4. August. Gerald R. Ford wird am 9. August nach dem Rücktritt Nixons im Zuge der Watergate-Affäre als neuer US-Präsident vereidigt. Bei den ersten freien Parlamentswahlen in Griechenland nach Ende der Diktatur erreicht die Vereinigte Linke, in der beide kommunistische Parteien gemeinsam antreten, am 17. November 9,5 Prozent der Stimmen. Nach dem verhinderten rechten Putschversuch im März kommt es zu einer deutlichen Linkswende in Portugal. Deutlicher Anstieg der Wählerstimmen für den PCI auf 33,4 Prozent im Landesdurchschnitt in den Regionalwahlen am 15. Juni. Gemeinsame Deklaration von PCI und PCE am 12. Juli. Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte am 1. August in Helsinki. Gemeinsame Deklaration von PCI und der KP Japans im September. Vertrag von Osimo zwischen Italien und Jugoslawien am 1. Oktober. Gemeinsame Deklaration von PCI und PCF am 15. November.
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1976
Chronik
Tod des spanischen Diktators Francisco Franco am 20. November, Beginn der Transitionsperiode. Fehlgeschlagener kommunistischer Putschversuch in Portugal am 25. November. Konferenz der US-amerikanischen Botschafter in Europa in London im Dezember. Schwerpunktthema ist der Umgang mit dem Eurokommunismus. Die Ergebnisse des Pike-Reports werden im Januar gegen den Widerstand von Ford und Kissinger größtenteils publiziert. Gemeinsame Deklaration von PCI und CPGB im April. Veröffentlichung der Äußerungen Kissingers und Sonnenfeldts über das Verhältnis der USA gegenüber dem Eurokommunismus und Osteuropa („Sonnenfeldt-Doktrin“) am 5. April. In einer Rede am 13. April prognostiziert Kissinger, dass Westeuropa in fünf Jahren marxistisch dominiert sein könnte, wenn nichts gegen den Eurokommunismus unternommen werde. Gespräch zur Lage in Italien zwischen Bundeskanzler Schmidt, Bundesaußenminister Genscher, US-Außenminister Kissinger und dessen Berater Sonnenfeldt am 23. Mai im Schloss Gymnich in Erftstadt. Gemeinsame öffentliche Veranstaltung der Generalsekretäre von PCF und PCI am 3. Juni in Paris. Berlinguer benutzt dabei den Begriff „Eurokommunismus“ erstmals in der Öffentlichkeit. In einem Interview mit dem Corriere della Sera im Juni sagt Berlinguer, dass er sich auf der Seite der NATO sicherer fühle, weil er dort nicht die Angst habe, das ungerechte Schicksal Dubčeks erleiden zu müssen. Der PCI erreicht am 20. Juni mit 34,4 Prozent der Wählerstimmen bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und 33,8 Prozent bei den Wahlen zum Senat sein Rekordergebnis bei nationalen Parlamentswahlen. Im August schließt die DC zur Bildung einer Minderheitsregierung eine Programmabsprache mit dem PCI und vier weiteren, die Regierung duldenden Parteien (PSI, PSDI, PRI, PLI) im Parlament. Durch Enthaltung bei Abstimmungen verschafft der PCI der Regierung die nötige Mehrheit (Regierung der non sfiducia). G7-Gipfel in Puerto Rico am 27./28. Juni. Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas in Ostberlin am 29./30. Juni.
Chronik
1977
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Bettino Craxi wird am 13. Juli zum neuen Nationalen Sekretär des PSI gewählt. Beginn der Rechtswende der Sozialisten. Wahlsieg der sozial-liberalen Koalition in den Bundestagswahlen vom 3. Oktober 1976. Am 26. November wird Willy Brandt auf dem XIII. Kongress der Sozialistischen Internationale in Genf zum neuen Präsidenten gewählt. Helmut Schmidt wird am 15. Dezember erneut zum Bundeskanzler gewählt. Unterzeichnung der „Charta 77“ in der ČSSR im Januar. Amtsübernahme von Jimmy Carter als neuer US-Präsident am 20. Januar, Zbigniew K. Brzezinski wird zum Sicherheitsberater, Cyrus Vance zum Außenminister ernannt. Gemeinsame Deklaration von PCI, PCE und PCF am 3. März in Madrid. Richard N. Gardner wird am 18. März als neuer US-Botschafter in Rom vereidigt. Das erste Statement der neuen US-Regierung zum Eurokommunismus am 6. April wird als Öffnung gegenüber dem PCI aufgefasst. Im Mai erscheint eurocomunismo y estado von Santiago Carrillo. Das Werk löst in den folgenden Monaten massive Angriffe der KPdSU und weiterer osteuropäischer Staatsparteien aus. Zusammentreffen von Brandt und Berlinguer in Rom am 2. Juni. Erste freie Parlamentswahlen in Spanien nach dem Tode Francos am 15. Juni. Der PCE wird mit 9,3 Prozent der Stimmen drittstärkste Partei. Erneuerung der Programmabsprache zwischen DC und PCI am 15. Juli. Die PCI-Führung beginnt, die Austeritätspolitik der christdemokratischen Minderheitsregierung von Giulio Andreotti aktiv zu unterstützen (Regierung der solidarietà nazionale). Das offizielle Statement des Weißen Hauses nach dem Staatsbesuch von Giulio Andreotti in Washington D.C. betont am 27. Juli die Solidarität Italiens mit den USA und den westlichen Institutionen. Bruch der union de la gauche durch den PCF im September. Generalsekretär Berlinguer fordert am 7. Dezember eine offizielle Regierungsbeteiligung des PCI. Öffentliche Erklärung der US-Regierung gegen eine Regierungsbeteiligung des PCI am 12. Januar.
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1979
Chronik
Rücktritt von Andreotti als Ministerpräsident Italiens am 16. Januar. Knapp sieben Wochen später bildet er erneut eine DC-Minderheitsregierung mit Unterstützung des PCI und weiterer Parteien. Berlinguer verkündet am 7. Februar den Verzicht des PCI auf Ministerposten, will aber offizieller Bestandteil der parlamentarischen Regierungsmehrheit werden. Diesem Wunsch stimmt die DC Anfang März zu. Erneuerte Programmabsprache zwischen PCI und DC über die Duldung der christdemokratischen Minderheitsregierung am 8. März. Entführung (16. März) und Ermordung von Aldo Moro durch die Brigate Rosse. Moros Leiche wird am 9. Mai in der Mitte zwischen kommunistischer und christdemokratischer Parteizentrale in der Via Caetani in Rom gefunden. Das italienische Parlament verabschiedet am 21. März Notstandsmaßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus. Die CGIL tritt im März, einen Monat vor dem Kongress in Prag, aus dem kommunistisch dominierten Weltgewerkschaftsbund aus. Staatspräsident Leone tritt am 15. Juni wegen seiner Beteiligung am Lockheed-Bestechungsskandal zurück. Sein Nachfolger wird am 9. Juli Alessandro („Sandro“) Pertini (PSI). Papst Johannes Paul I. tritt am 26. August sein Pontifikat an, 33 Tage später stirbt er überraschend. Zum neuen Papst wählt das Konklave am 16. Oktober den Polen Karol Wojtyla, der den Namen Johannes Paul II. annimmt. Ermenegildo Gasperoni, Generalsekretär des Partito Comunista Sammarinese, wird im Oktober einer von zwei capitani reggenti in San Marino und somit das erste eurokommunistische Staatsoberhaupt in Westeuropa. Der PCI verliert von 1978 bis 1979 knapp 100 000 Mitglieder, bleibt jedoch mit 1,7 Millionen Mitgliedern größte Partei Italiens. Mit dem Genueser PCI- und CGIL-Funktionär Guido Rossa wird am 2. Januar erstmals ein Mitglied der Kommunistischen Partei gezielt von den Brigate Rosse ermordet. Der PCI entzieht der christdemokratischen Regierung die parlamentarische Unterstützung. Daraufhin tritt Ministerpräsident Andreotti am 31. Januar zurück. Am 20. März bildet er ohne die Stimmen des PCI eine kurzlebige Regierung, die anschließend geschäftsführend bis zum 4. August im Amt bleibt.
Chronik
1980
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Auf dem XV. Parteikongress des PCI vom 30. März bis 3. April in Rom wird die Verpflichtung der Mitglieder auf den MarxismusLeninismus aus dem Statut der Partei gestrichen. Bei den Parlamentswahlen am 3. Juni verliert der PCI deutlich und kommt auf 30,4 Prozent der Stimmen. Erste Direktwahlen zum Europäischen Parlament am 10. Juni. PCI und PCF können sich im Vorfeld nicht auf ein gemeinsames Wahlprogramm einigen. Der PCI erhält 29,6 Prozent, der PCF 20,5 Prozent. Giorgio Amendola (PCI) wird Fraktionsvorsitzender. Am 4. August bildet sich unter dem christdemokratischen Ministerpräsidenten Francesco Cossiga erstmals seit Juni 1976 wieder eine Regierung, die nicht auf die Tolerierung des PCI angewiesen ist. NATO-Doppelbeschluss am 12. Dezember. Beginn der sowjetischen Invasion Afghanistans Ende Dezember. Nach der Wahlniederlage 1979 und dem Votum der DC auf deren Parteitag im Februar keinerlei Koalitionen mit dem PCI einzugehen, verkündet Berlinguer einen Strategiewechsel. Das Ziel des compromesso storico wird aufgegeben und stattdessen unter dem Titel alternativa democratica die Bildung einer Regierung ohne die DC verfolgt. Auf dem Parteitag in Mailand vom 2. bis 6. März 1983 wird dieser Strategiewechsel offiziell bestätigt. Das Treffen zwischen Brandt und Berlinguer am 12. März und vor allem das Zusammentreffen von Mitterrand mit Berlinguer führt zu Diffamierungen gegenüber dem PCI durch KPdSU und PCF. Der jugoslawische Staatspräsident Tito stirbt am 4. Mai. Der PCI verliert bei den Regionalwahlen am 8. Juni in fast allen Regionen an Stimmen und Mandaten. Rechtsgerichteter Terroranschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna am 2. August mit 85 Toten und ca. 200 Verletzten. Sieg der sozial-liberalen Koalition in den Bundestagswahlen vom 5. Oktober, Wiederwahl von Helmut Schmidt als Bundeskanzler. Ende des Jahres Anerkennung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność durch die polnische Führung. Ronald Reagan wird am 20. Januar als neuer US-Präsident vereidigt. Auf dem XXVI. Parteitag der KPdSU vom 23. Februar bis 3. März wird Giancarlo Pajetta als Vertreter des PCI das Verlesen der Grußbotschaft von der Rednertribüne aus untersagt. Im Mai wird der Propaganda Due-Skandal in Italien öffentlich.
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Chronik
Am 21. Mai wird François Mitterrand erster sozialistischer Staatspräsident der V. französischen Republik. Halbierung der PCF-Mandate bei den Nationalversammlungswahlen 1981, Regierungsbeteiligung des PCF in der sozialistisch geführten Regierung von Premierminister Pierre Mauroy im Juni. Henri Fiszbin, der ehemalige Chef der Pariser PCF-Sektion, wird wegen seiner reformorientierten Ideen aus dem PCF ausgeschlossen. In den Folgejahren gibt es zahlreiche Parteiausschlüsse prominenter Vertreter einer Parteireform nach italienischem Vorbild. Die reformorientierte innerparteiliche Oppositionsgruppe der Renovateurs formiert sich. Mit Giovanni Spadolini (PRI) wird am 28. Juni erstmals seit 1945 kein Mitglied der DC italienischer Ministerpräsident. Durch die Bildung einer Fünfparteienkoalition (pentapartito) aus DC, PSI, PSDI, PLI und PRI wird der PCI zunehmend isoliert. Verhängung des Kriegsrechts in Polen am 13. Dezember. Massive Auseinandersetzungen zwischen PCI und KPdSU (strappo). Berlinguer sagt öffentlich, dass die aus der Oktoberrevolution hervorgegangene Triebkraft erschöpft sei. Am 15. Dezember erneutes Treffen von Berlinguer und Brandt in Straßburg. Zusammentreffen von Berlinguer und Mitterrand in Paris Ende März. Am 30. Mai wird Spanien Mitglied der NATO. Am 1. Oktober wird Helmut Kohl zum Bundeskanzler gewählt. Er behält dieses Amt bis zum 27. Oktober 1998. Beginn der christlichliberalen Koalition. Tod von Breschnew am 10. November. Jurij W. Andropow wird neuer Generalsekretär der KPdSU. Auf innerparteilichen Druck hin muss Santiago Carrillo als Generalsekretär des PCE zurücktreten. Sein Nachfolger wird am 10. Dezember Gerardo Iglesias. Auf dem XVI. Parteitag des PCI im März werden die Rechte parteiinterner Minderheiten deutlich ausgebaut. Die Parlamentswahlen am 26. Juni enden mit leichten Verlusten für den PCI, der erstmals seit 1976 weniger als 30 Prozent der Stimmen erhält. Bettino Craxi (PSI) wird am 4. August zum italienischen Ministerpräsidenten gewählt. Beginn der US-Invasion in Grenada am 25. Oktober.
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Am 19. Januar 1984 treffen Berlinguer und Brandt in der Wohnung von Franca Magnani in Rom erneut zusammen. Tod von Andropow am 9. Februar. Konstantin U. Tschernenko wird neuer Generalsekretär der KPdSU. Tod Berlinguers am 11. Juni in Padua, Alessandro Natta wird neuer Generalsekretär. Effetto Berlinguer – der PCI wird bei den Wahlen zum Europäischen Parlament am 17. Juni mit 33,3 Prozent der Wählerstimmen zum ersten und einzigen Mal landesweit stärkste Partei Italiens. Wiederholter Bruch der Linksunion in Frankreich durch den Ausstieg des PCF aus der Regierung von Premierminister Laurent Fabius (PS) im Juli. Mit Giorgio Napolitano hält am 16. November erstmals ein Kommunist eine Rede als Abgeordneter in der Nordatlantischen Versammlung (heutzutage die Parlamentarische Versammlung der NATO). Tod von Tschernenko am 10. März. Michail S. Gorbatschow wird neuer Generalsekretär der KPdSU. Am 3. Juli wird Francesco Cossiga (DC) als neuer Staatspräsident Italiens vereidigt. Der XXVII. Parteitag der KPdSU vom 25. Februar bis 6. März beschließt weitreichende Reformen Gorbatschows (Glasnost und Perestroika). Der PCF fällt am 16. März erstmals seit 1932 bei einer nationalen Parlamentswahl unter 10 Prozent der Stimmen. Mitte März Zusammentreffen des PCI-Generalsekretärs Natta mit Brandt im Erich-Ollenhauer-Haus in Bonn. Im Oktober 1986 kommt es in San Marino zwischen Christdemokratischer und Kommunistischer Partei zur ersten und einzigen compromesso-storico-Koalition in Westeuropa in der Phase des Eurokommunismus. Brandt erklärt am 23. März seinen Rücktritt als SPD-Vorsitzender. Am 14. Juni wird Hans-Jochen Vogel zu seinem Nachfolger gewählt, Brandt wird Ehrenvorsitzender. Zusammentreffen von Natta und Napolitano mit Brandt in Rom am 8. April. Mit 26,6 Prozent Wählerstimmenanteil verliert der PCI deutlich bei der Parlamentswahl am 14. Juni und erreicht das niedrigste Ergebnis seit 1963. Achille Occhetto wird am 14. Juni neuer Generalsekretär des PCI.
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Chronik
Beginn des Rückzugs der Sowjetunion aus Afghanistan im Mai. George H. W. Bush wird am 20. Januar als neuer US-Präsident vereidigt. Am 25./26. Januar besucht eine PCI-Delegation unter Führung von Generalsekretär Achille Occhetto die SPD-Parteizentrale in Bonn. Occhetto verkündet eine rivoluzione copernicana des PCI und setzt sich auf dem XVIII. Parteitag vom 18. bis 22. März in Rom öffentlich für die Sozialdemokratisierung der Kommunistischen Partei Italiens ein. Die Wahlen zum Europäischen Parlament enden am 18. Juni mit einer deutlichen Niederlage des PCI, der nur noch 27,6 Prozent der Stimmen erhält. Der PCI nimmt vom 20. bis 22. Juni in Stockholm erstmals als offizieller Beobachter an einem Kongress der Sozialistischen Internationale teil. Zusammentreffen von Brandt und Napolitano am 9. November. Fall der Berliner Mauer am 9. November. Die Umbenennung des PCI in PDS für die Wahlen ab 1991 wird auf dem XIX. Parteitag vom 7. bis 11. März in Bologna beschlossen (svolta della Bolognina), Anschluss an die Sozialistische Internationale wird angestrebt. Die Delegierten des XXVII. Parteitags des PCF verurteilen mit nur einer Gegenstimme die Reformpolitik Gorbatschows in der Sowjetunion. Deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober. XX. und letzter Parteitag des PCI vom 31. Januar bis 3. Februar in Rimini, knapp 68 Prozent der Delegierten votieren für die endgültige Änderung des Parteinamens in PDS. Abspaltung des linken Flügels, der sich am 12. Dezember zum PRC konstituiert. Zusammentreffen von Occhetto und Brandt am 14. Mai in Berlin, Diskussion über eine Aufnahme des PDS in die Sozialistische Internationale. Knapp zwei Wochen später beantragt Occhetto im Namen seiner Partei formell die Aufnahme. Am 29. Mai wird Björn Engholm zum neuen Bundesvorsitzenden der SPD gewählt. Putschversuch orthodox-kommunistischer Kräfte in der Sowjetunion am 19. August. Auflösung der Sowjetunion Ende Dezember. Beginn der Mani-Pulite-Untersuchungen im Februar. Infolge der Untersuchungen wird das massive System von Bestechung, Hinter-
Chronik
1994
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ziehung, illegaler Finanzierung von Parteien usw. (Tangentopoli) aufgedeckt. Das politische System der ersten italienischen Republik bricht 1994 zusammen. Der PDS gewinnt bei der Parlamentswahl am 5. April nur 16,1 Prozent der Wählerstimmen, während der PRC als kleinere Nachfolgepartei des PCI 5,6 Prozent erzielt. Neben deutlichen Verlusten für die DC ist die Wahl vom Erfolg der separatistischen Lega Nord gekennzeichnet. Der PDS wird als größte Nachfolgepartei des PCI auf dem Kongress vom 15. bis 17. September in Berlin in die Sozialistische Internationale aufgenommen. Willy Brandt stirbt am 8. Oktober. Auflösung der Democrazia Cristiana im Januar. Nach dem Zusammenbruch der ersten italienischen Republik und des bislang existierenden Parteiensystems kommt es am 27. März zu Parlamentswahlen. Der PDS erreicht innerhalb des Wahlbündnisses Alleanza dei Progressisti 20,4 Prozent (PRC 6,1 Prozent), unterliegt aber deutlich dem von Silvio Berlusconi angeführten MitteRechts-Bündnis Polo delle Libertà. Das Mitte-Links-Bündnis L'Ulivo gewinnt die Parlamentswahlen am 21. April. Der PDS erhält dabei 21,1 Prozent der Stimmen. Am 17. Mai bildet der PDS als größter Koalitionspartner erstmals die Regierung. Ministerpräsident wird der ehemalige Christdemokrat Romano Prodi, der selbst kein Mitglied des PDS ist. Anfangs wird die Regierung auch vom neokommunistischen PRC parlamentarisch unterstützt. Am 14. Februar fusioniert der PDS mit mehreren linken Gruppierungen und Kleinparteien (u. a. Movimento dei Comunisti Unitari, Federazione Laburista, Cristiano Sociali) zu den Democratici di Sinistra (DS). Mit Massimo D’Alema wird am 21. Oktober erstmals ein ehemaliger Kommunist und Mitglied der DS zum italienischen Regierungschef gewählt. Mit Giorgio Napolitano wird am 15. Mai zum ersten Mal ein Protagonist des Eurokommunismus innerhalb des PCI als Kandidat der DS zum italienischen Staatsoberhaupt vereidigt. Die DS schließen sich am 14. Oktober mit der linkskatholischen Partei La Margherita und mehreren kleineren Parteien und Bewegungen des linken und linksliberalen Spektrums (Movimento Re-
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2008
2013
Chronik
pubblicani Europei, Italia di mezzo, Alleanza Riformista u. a.) zur Sammlungspartei Partito Democratico zusammen. Bei der Parlamentswahl am 13./14. April kann der PRC innerhalb des linken Bündnisses Sinistra Arcobaleno kein Mandat gewinnen. Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges ist die äußere Linke nicht mehr im italienischen Parlament vertreten. Am 20. April wird Napolitano im Alter von 87 Jahren für eine weitere siebenjährige Amtszeit als Staatspräsident wiedergewählt. Am 14. Januar 2015 tritt er vorzeitig von seinem Amt zurück.
Danksagung
Die Entstehung einer Dissertation ähnelt dem langwierigen Reformprozess der italienischen Kommunisten. Sie beinhaltet zahlreiche Diskussionen, Zweifel, ein kontinuierliches Hinterfragen der Strategie und schließlich auch eine Konsequenz im Hinblick auf die Erreichung des Ziels. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den internationalen Folgen des italienischen Eurokommunismus hat mir stets Spaß bereitet – auch (oder gerade weil) sie mich auf verschlungene Pfade geführt hat: vom NATO Hauptquartier in Belgien über das Archiv des ehemaligen Partito Comunista Italiano in Rom bis zu den Presidential Libraries in den Vereinigten Staaten von Amerika. Viele Menschen haben dazu beigetragen, dass das Ergebnis nun vorliegt. Mein Doktorvater Prof. Dr. Thomas Lindenberger und Prof. Dr. Mario Keßler als Zweitbetreuer haben meine Arbeit von Beginn an begleitet und stets unterstützt. Sie haben mir nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Zeitzeugen einen lebhaften Eindruck der damaligen Debatten in beiden Teilen Deutschlands vermittelt. Durch ihre umfassende Kenntnis der Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Vereinigten Staaten und Italiens, ganz zu schweigen von der kommunistischen Bewegung Europas, bekam ich in unseren Gesprächen immer wieder neue Impulse. Das Zentrum für Zeithistorische Forschung war eine hervorragende wissenschaftliche Heimat. Dort herrschte stets eine anregende Atmosphäre. Den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am ZZF, insbesondere Dr. Jens Gieseke im Namen der Abteilung I sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Doktorandenkolloquiums, danke ich für zahlreiche Diskussionen, Rückmeldungen und Hinweise zu meinem Thema. Ebenso danke ich den beiden Herausgebern und Direktoren des ZZF, Prof. Dr. Frank Bösch und Prof. Dr. Martin Sabrow, für die Aufnahme in die Reihe „Zeithistorische Studien“. Die Erforschung des italienischen Eurokommunismus im internationalen Kontext hatte den Vorteil einer umfassenden Reisetätigkeit. Dank entsprechender Unterstützung konnte ich in sechs Staaten Archivrecherchen betreiben. Für die Finanzierung danke ich insbesondere der Friedrich-Ebert-Stiftung, die mich mit einem Promotionsstipendium und der Übernahme von Reisekosten unterstützt hat. Für die Hilfe bei der Quellensuche habe ich mehreren Archivarinnen und Archivaren zu danken: Victor Martinez Garzón in den NATO-Archives in Brüssel, Albert Nason und Christian C. Goos in den Presidential Libraries von Jimmy Carter in Atlanta und Gerald Ford in Ann Arbor, Dr. Cristiana Pipitone im Archivio del Partito Comunista Italiano in der Fondazione Istituto Gramsci in Rom, Maria Steiner im Bruno-Kreisky-Archiv in Wien, Dr. Anja Kruke und Dr. Meik
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Danksagung
Woyke für das Archiv der sozialen Demokratie in Bonn, Dr. Reinhard Schreiner für das Archiv für Christlich-Demokratische Politik in Sankt Augustin, Dr. Renate Höpfinger für das Archiv für Christlich-Soziale Politik in München, Raymond Pradier für das Archiv des Liberalismus in Gummersbach sowie Dr. Holger Berwinkel für das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin. Durch ein Stipendium der George-Marshall-Gesellschaft e.V. konnte ich in der George C. Marshall Research Library in Lexington, Virginia umfassende Recherchen betreiben. Hierfür möchte ich insbesondere Dr. Johannes Latsch und Edgar Nebel sowie Alisa Soderquist und Rachel Thompson danken. Mit einem Stipendium des Deutsch-Französischen Instituts konnte ich in den dortigen Beständen recherchieren. Für die Unterstützung vor Ort danke ich Martin Villinger. Für zahlreiche Gespräche, Zeitzeugenberichte, Unterstützung und/oder Hinweise möchte ich mich darüber hinaus bei Gunther Adler, Dr. Francesco Di Palma, Prof. Dr. Horst Ehmke, Prof. Dr. Bernd Faulenbach, Dr. Maximilian Graf, Prof. Dr. Helga Grebing, Dr. Christoph Kalter, Leonie Kayser, Hedwig Kötschau, Birgit M. Kraatz, Prof. Dr. Christof Roos, Dr. Bernd Rother, Dr. Manfred Steinkühler, Prof. Dr. Giuseppe Vacca, Dr. Hans-Jochen Vogel, Brigitte Vogel-Janotta, Karsten D. Voigt und Dr. habil. Till Zimmermann bedanken. Dr. Annelie Ramsbrock und Johannes van Ooyen danke ich für die Unterstützung beim Publikationsprozess sowie Waltraud Peters für ihr umfassendes Lektorat. Mein besonderer Dank gilt meinem Bruder und meiner Schwester sowie meinen Eltern Susanne und Richard Dörr. Insbesondere danke ich jedoch Dr. Sina Fabian, die gezwungenermaßen nun ebenfalls mit allen Facetten des Eurokommunismus bestens vertraut ist.
Personenregister
Aaron, David L. 374 Abendroth, Wolfgang 14 Ackley, Hugh Gardner 83, 85, 311 Adenauer, Konrad 188f., 191f., 227, 266 Afanassjew, Wiktor Grigorewitsch 421 Agnelli, Giovanni 329f. Agnelli, Umberto 360f. Agnew, Spiro 304f., 307 Agosti, Aldo 69 Aigner, Heinrich 175 Albers, Detlev 111, 418, 445 Allende, Salvador 18, 98, 109 Almirante, Giorgio 334 Althammer, Walter 268 Amendola, Giorgio 71, 92, 94, 103, 117, 175, 204, 231, 401, 438 Andreotti, Giulio 88, 102, 117–121, 123, 140, 267, 279, 282ff., 288, 347, 352, 355, 357ff., 361, 374, 384f., 387, 391f., 398, 435, 447 Andropow, Juri W. 101 Annunzio, Frank 375 Antunes, Ernesto Melo 159, 162 Apel, Hans 230, 275 Arafat, Jassir 145 Argan, Giulio Carlo 116 Arndt, Rudi 182 Aron, Raymond 51 Ash, Timothy Garton 409 Axen, Hermann 197 Azcárate, Manuel 404, 425 Azrael, Jeremy R. 382 Badoglio, Pietro 70, 72 Bärwald, Helmut 223 Bakdasch, Khalid 55
Bahr, Egon 30, 175, 211f., 224, 231ff., 236, 264, 275, 308, 438 Bahro, Rudolf 183, 198f., 410 Ball, George 365 Bangemann, Martin 175 Bangert, Siegfried 236 Barbieri, Frane 49, 56 Barca, Luciano 97 Barnett, Frank R. 375 Barre, Raymond 386 Bassolino, Antonio 429 Baudissin, Wolf Graf von 404, 442 Bauer, Leo 29, 174, 202–205, 208, 210ff., 215f., 218ff., 224f., 227f., 231, 253, 290, 436f. Becher, Walter 222 Becker, Jurek 199 Benedetto, Jennie 321 Benigni, Roberto 16 Benn, Tony 406, 409 Bennett, Frederic 103 Berg, Max van den 260 Berlinguer, Enrico 9, 19f., 36, 46, 57f., 63f., 90, 92f., 95–101, 109ff., 114, 118, 120f., 123f., 128ff., 160–163, 176, 198ff., 206ff., 219f., 224, 231ff., 250f., 255f., 282, 287, 291, 304, 328, 332, 351, 358f., 378–380, 384f., 393f., 398f., 403f., 407–411, 415–421, 424, 435 Berlinguer, Giovanni 250, 379 Berlinguer, Letizia 90 Berlinguer, Luigi 430 Berlinguer, Sergio 393 Berlusconi, Silvio 83, 430, 447f. Berner, Wolfgang 230, 234, 288, 420, 424 Bernstein, Eduard 20, 62
548 Bersani, Pier Luigi 430 Bertoli, Giovanni 103 Bertolucci, Bernardo 16 Bertolucci, Giuseppe 16 Bialer, Seweryn 405 Bianco, Gino 250 Biden, Joe 404 Biedenkopf, Kurt 265 Biermann, Hugo 363 Biermann, Wolf 183, 198, 410 Biľak, Vasil 177 Bilen, Ismail 128 Birnbaum, Norman 380, 396, 406 Bisaglia, Antonio 329 Bissolati, Leonida 76 Bitsios, Dimitrios 156 Blachstein, Peter 236 Blumenthal, W. Michael 370 Bölling, Klaus 280 Böx, Heinrich 267 Boffa, Giuseppe 322, 403 Bolaffi, Angelo 63, 198 Bonomi, Ivanoe 72 Boothe Luce, Clare 301 Bordiga, Amadeo 65f. Borghese, Junio Valerio 99, 313ff., 354 Bottazzi, Giuseppe 194 Bräutigam, Alois 213 Brandt, Peter 173, 225, 289 Brandt, Willy 11, 34, 76, 96, 140, 161, 174, 182, 186, 202, 204, 208, 210ff., 214–217, 219f., 224f., 228f., 231, 234, 239, 241–244, 246–250, 252, 254– 259, 264, 272, 274, 282f., 285, 292, 308f., 318, 350f., 403f., 406, 411, 416, 423, 426–429, 432, 436, 438f. Branson, William 405 Bremer, Jörg 439 Brentano, Clemens von 227
Personenregister
Breschnew, Leonid 20, 49, 96f., 111, 118, 232f., 264, 281, 397f., 403, 407, 410, 421 Brezzi, Paolo 348 Brogi, Alessandro 42, 446 Brooke, Edward W. 344 Brosio, Manlio 347 Brown, George S. 387 Brown, Irving 233, 281, 301 Brunke, Friedrich C. 237 Brzezinski, Zbigniew 30, 49, 148, 167, 283, 364–372, 374, 377, 382ff., 386f., 389, 398, 443, 446 Buckley, James L. 337 Bufalini, Paolo 412 Bukowski, Wladimir K. 409f. Bush, George H. W. 167, 348, 353f., 356, 376, 394, 414 Caetano, Marcelo 158 Calamandrei, Franco 335, 378, 380f., 404 Caldwell, William S. 340 Califano, Joseph A. 385 Callaghan, James 239, 249f., 274ff., 284, 359 Calvino, Italo 81 Camus, Albert 203 Cariglia, Antonio 223 Carli, Guido 122 Carlson, John G. 279 Carlsson, Bernt 243 Carnac, Yves 281 Carrillo, Santiago 19, 31, 55f., 68, 114, 124, 128f., 234, 379, 409, 425 Carstens, Karl 259, 280 Carter, Jimmy 27, 29f., 32, 102, 149, 164, 167, 283, 348, 362, 364–375, 377, 381–386, 388, 390–395, 413, 439, 443, 446 Carter III., Hodding 384
Personenregister
Castellano, Carlo 122 Ceaușescu, Nicolae 51 Cervetti, Gianni 426 Cervi, Gino 194 Chaban-Delmas, Jacques 246 Cheney, Richard 335 Christopher, Warren 387 Chruschtschow, Nikita 62, 77, 80 Church, Frank 341 Churchill, Winston 155 Claes, Willy 245 Clavio, James 314 Cleveland, Harlan 208 Clift, Arthur Denis 338, 353, 362 Colletti, Lucio 81 Colombi, Arturo 213 Colombo, Emilio 109, 120, 228, 268, 279, 316, 359 Comencini, Luigi 194 Connally, John 170 Conze, Eckart 23, 191 Cools, André 244 Corghi, Benito 271 Corterier, Peter 413 Cossiga, Francesco 288, 329, 393, 401, 418 Cossutta, Armando 92, 213, 286f., 419, 429, 438 Costa Gomes, Francisco da 162 Costanza, Midge 385 Craxi, Bettino 22, 46, 77, 87f., 115, 174, 176, 187, 197, 230, 243, 251, 253– 257, 287f., 355, 358, 384, 394, 401f., 409f., 412f., 418, 427, 447 Cresson, Edith 406 Cruise O’Brien, Conor 239 Cunhal, Álvaro 59, 158, 160ff., 234, 245, 397f., 442 D’Alema, Massimo 430
549 D’Anglosante, Francesco 103 Dankert, Piet 420 Davis, Lynn E. 404 De Chiara, Enzo 362 De Felice, Renzo 81 De Gasperi, Alcide 72, 74f., 77f., 188f., 191f., 196, 266, 300 De Lorenzo, Giovanni 99 De Martino, Francesco 115, 139, 161, 239, 242, 255, 345f., 358 De Mita, Ciriaco 325 Di Maggio, Marco 42 Del Noce, Augusto 49 Dellums, Ron 406 Denitch, Bogdan 395, 405 Deutscher, Isaac 203 Devlin, Kevin 19 Di Marino, Gaetano 162 Dingels, Hans-Eberhard 202, 230, 236, 238, 252, 423, 426 Dole, Bob 362 Domenici, Pietro V. 344 Don Camillo 27, 74, 193ff. Dregger, Alfred 258 Dröscher, Wilhelm 282f., 286 Dubček, Alexander 92, 111, 219 Dubinsky, David 301 Dulles, John Foster 302 Duncan Jr., Charles 387 Dunn, James Clement 298 Dutschke, Rudi 410 Eagleton, Thomas F. 307 Ehmke, Horst 164f., 173f., 182, 185, 221, 231, 236f., 243, 252, 254ff., 258, 264f., 268, 282f., 412f., 416, 423, 426 Eisenhower, Dwight D. 168, 301, 306 Elizabeth II. 139 Emminger, Otmar 275 Engels, Friedrich 19, 62
550 Eppler, Erhard 286 Ercoli, Ercole 69 Erschbaumer, Willi 284 Ertl, Josef 275 Evans, Rowland 338, 371 Fabiano, Thomas A. 380 Fallaci, Oriana 162 Fanfani, Amintore 36, 212, 327, 361, 394 Fellermaier, Ludwig 413 Fellini, Federico 392 Fenech Adami, Edward 140 Fernandel 194 Field, Noel 203 Filbinger, Hans 265, 267 Fina, Thomas 323 Finocchiaro, Anna 430 Fischer, Hans-Joachim 52, 173 Fiszbin, Henri 425 Flechtheim, Ossip K. 410 Fong, Hiram L. 344 Ford, Gerald 27, 30, 32, 55, 94, 140, 142, 165, 274ff., 323ff., 328f., 331, 335f., 338ff., 342f., 345, 347f. 351–354, 361f., 364ff., 368, 370, 373, 392, 398, 441 Forlani, Arnaldo 120, 347, 361, 402 Franco, Francisco 137f., 146, 314 Franke, Egon 205ff., 210, 218f., 221f., 224, 231 Fraser, Donald M. 406 Friderichs, Hans 275 Friedrich, Bruno 236, 404 Fumagalli, Marco 419 Gabbuggiani, Elio 377 al-Gaddafi, Muammar 113, 139, 143f. Gaddis, John Lewis 399 Gaja, Roberto 330 Galbraith, John Kenneth 367
Personenregister
Galluzzi, Carlo 92, 197, 204f., 208, 212f., 219f., 224 Galvin, Robert W. 376 Garaudy, Roger 130 Gardner, Danielle 369 Gardner, Richard N. 42, 102, 366, 368ff., 374, 378, 383, 385ff., 391, 393, 399 Garibaldi, Giuseppe 306 Garimberti, Paolo 418 Gassert, Philipp 223 Gaus, Günter 129 Gasperoni, Ermenegildo 54 Geißler, Heiner 157, 273 Gehlen, Reinhard 222f. Genscher, Hans-Dietrich 19, 186, 260f., 263, 270, 275, 277, 281, 350, 354, 405 Gerratana, Valentino 69 Gillies, H. Wayne 375 Giscard d’Estaing, Valéry 274ff., 414 Giolitti, Antonio 197 Giolitti, Giovanni 197 Glotz, Peter 257, 290, 426 Gnocchi, Alessandro 194 Gomes, Francisco da Costa 162 Gonçalves, Vasco 158 González, Felipe 239, 241, 245f., 432 Gorbatschow, Michail 289, 421–424 Gouthier, Anselmo 221 Gozzini, Mario 348 Gramsci, Antonio 46, 62f., 65–69, 71, 80, 91, 100, 422 Greiner, Bernd 23, 132 Grewe, Wilhelm G. 209 Griffith, William E. 213, 405 Grischin, Wiktor Wassiljewitsch 421 Grivas, Georgios 141 Groppo, Bruno 270f. Gruber, Karl 166 Grünewald, Armin 278f. Guareschi, Giovannino 74, 193f.
551
Personenregister
Guerzoni, Luciano 322 Gullo, Fausto 71 Guttenberg, Karl Theodor zu 272 Gysi, Klaus 271
Imbeni, Renzo 97 Ingrao, Pietro 115, 213, 286, 418, 429 Insolera, Italo 332 Isenberg, Veronika 236
Habsburg, Otto von 49 Hänsch, Klaus 426 Hager, Kurt 200 Haig, Alexander 153, 363 Hall, Gus 344 Hamon, Léo 246 Harmel, Pierre 134 Harpprecht, Klaus 161, 173, 321, 234, 291 Harrington, Michael 406 Hartman, Arthur A. 329 Hassel, Kai-Uwe von 265 Hassner, Pierre 375 Havemann, Robert 183, 198f., 410 Heck, Bruno 154 Heffer, Eric 249 Heidermann, Horst 236 Henke, Eugenio 315f. Herold, Karl 210 Hibbert, Reginald A. 281 Hitler, Adolf 29, 71, 188, 192, 229 Hobsbawm, Eric 90, 117, 329 Höbel, Alexander 223f. Hoffmann, Stanley 400, 442 Honecker, Erich 199 Hoxha, Enver 55, 127 Hruska, Roman Lee 337 Hübener, Karl-Ludolf 226 Hughes, Harold E. 342 Humphrey, Hubert 305, 344 Hunter, Robert E. 149, 381, 392, 404, 443 Husák, Gustáv 92, 232 Huyn, Hans Graf 264, 363
Jacoviello, Alberto 111, 201f., 204, 399f. Jaeger, Richard 154, 156, 222 Jaque, Christian 194 Jarowinsky, Werner 213 Jenkins, Roy 358f. Johannes XXIII. 90, 251 Johannes Paul II. 393 Johnson, Charles K. 334 Johnson, Lyndon B. 305f., 308, 334 Jørgensen, Anker 239, 241 Jospin, Lionel 417 Jotti, Nilde 103, 115f. Juquin, Pierre 425 Kádár, János 128 Kaiser, Karl 366 Kaldor, Mary 404 Kanapa, Jean 278 Kappler, Herbert 226, 228ff., 284 Katz, Rudolf 203 Kautsky, Karl 62 Kekkonen, Urho 165f. Kennan, George F. 383 Kennedy, Edward 307, 365, 406 Kennedy, John F. 302, 306, 309, 365, 367, 380 Kennedy, Robert F. 305, 365 Kerbusch, Ernst J. 236 Kerenski, Alexander F. 245 Kiesinger, Kurt Georg 186, 198, 205, 213, 217, 223, 308 Kievenheim, Christof 15 Kirchheimer, Otto 33 Kirilenko, Andrei Pawlowitsch 421 Kirkland, Lane 281
552 Kissinger, Henry 18, 30, 37, 55, 99, 142, 147, 162, 164, 169f., 184, 249, 261, 277, 281, 308f., 311, 321–324, 326, 328f., 331, 333, 335–339, 349ff., 354f., 358–362, 364f., 367, 375, 378, 381–384, 390, 395–399, 406, 414, 438f., 441, 446 Klär, Karl-Heinz 416 Klaiber, Manfred 227 Kleipsties, Gerhard O. 236 Klepsch, Egon 104 Klose, Hans-Ulrich 423, 426 Köppler, Heinrich 267 Koestler, Arthur 203 Kohl, Helmut 157, 171, 258f., 268f., 272, 407 Kohn-Brandenburg, Alexander 202, 251f. Kołakowski, Leszek 410 Kolbe, Gerd 216, 222 Korsch, Karl 62 Koschnick, Hans 282f., 351, 426 Kossygin, Alexei 220 Kosta, Jiří 410 Kraatz, Birgit M. 235, 445 Kreisky, Bruno 176, 238f., 242, 432 Kristoffersen, Erwin 236 Kroll, Thomas 42 Kurella, Alfred 213 La Malfa, Ugo 100, 120 La Rocca, Umberto 374 La Valle, Raniero 348 Lagorio, Lelio 413 Lama, Luciano 84, 205, 209, 233, 419 Lange, Peter 380, 395 Langguth, Gerd 235 Leber, Georg 276, 286, 309, 396 Ledda, Romano 404 Ledeen, Michael 93 Lehmkuhl, Ursula 23
Personenregister
Lehner, Giancarlo 70 Leich, John F. 378 Lenin, Vladimir I. 20, 46, 61f., 64, 67, 70, 80, 91, 129, 143, 193, 209, 422 Leonardi, Silvio 103 Leone, Giovanni 120, 324, 359, 362 Leone, Mauro 330 Leone, Vittoria 362 Leonhard, Wolfgang 50 Levi, Arrigo 49 Lindenberg, Klaus 236 Lister, George 302 Lodge Jr., Henry Cabot 281 Löwenthal, Richard 166, 382f., 399 Lombardi, Riccardo 404 Lombardo, Ivan Matteo 76 Lombardo Radice, Lucio 61, 111, 198, 444 Longo, Luigi 29, 69, 76, 82, 92, 95, 97, 108, 117, 203, 205, 208f., 212–215, 217, 225, 228, 401, 436 Longo, Pietro 332 Loomis, James L. 25 Lovestone, Jay 301, 308 Ludz, Peter Christian 399 Luhmann, Niklas 25, 29 Lukács, Georg 62 Luporini, Cesare 419 Luzzatto, Bruno 369 Magnago, Silvius 266 Magnani, Franca 416 Magri, Lucio 119 Mahon, George 340 Maibaum, Werner 16 Makarios III. 141f. Malagodi, Giovanni 263 Mandel, Ernest 177, 282 Mann, Thomas 196 Mao Tse-tung 125
553
Personenregister
Marchais, Georges 20, 55, 57f., 95, 124, 128, 246, 403, 405, 417, 425 Marchesi, Enzo 315, 320 Markovič Abovin-Egides, Pëtr 410 Markscheffel, Günter 126, 174, 201f., 230, 233f., 246, 250 Marradi, Alberto 328 Marramao, Giacomo 63 Marras, Luigi 332 Marshall, George C. 295 Martin, Graham A. 311–321, 437 Martino, Gaetano 227 Martiny-Glotz, Anke 254, 426 Marx, Karl 19, 46, 62, 64, 67, 80, 91, 129, 143, 193, 419 Marzolino, Giovanni 285 Matthöfer, Hans 236 Mauroy, Pierre 277 McCarthy, Joseph 27ff., 296, 333, 373, 396 McCormack, Richard 167, 376 McGee, Gale W. 344 McGovern, George 307, 406 Meany, George 281 Mehlitz, Klaus 213 Merseburger, Peter 222 Mertes, Alois 265 Meyer-Lindenberg, Hermann 180, 349f. Miceli, Vito 314f., 318f., 321, 326 Michnik, Adam 183 Mies, Herbert 14 Miki, Takeo 274 Millard, Guy 349 Mintoff, Dom 139f., 239 Mitterrand, François 171, 174, 230, 235, 237–240, 242–249, 256, 264, 292, 373, 386, 404, 406, 414, 417, 432, 435 Mlynář, Zdeněk 410 Mondale, Walter 307, 348, 362 Montgomery, Hugh 385
Moravia, Alberto 392 Moretti, Mario 84 Morgan, Thomas E. 345 Moro, Aldo 84, 109, 118, 120–124, 216, 270, 274, 279, 325, 331, 345ff., 349, 355ff., 359, 361, 391f. Müller, Günther 103, 167, 273 Müller, Kurt 236 Muskie, Edmund 305, 367 Mussolini, Benito 66, 73f., 187f., 190, 194, 293, 334, 430 Nagorski, Zygmunt 333 Nakagawa, Tohru 382 Napolitano, Giorgio 102, 176, 323, 333, 379, 404f., 416, 423, 426ff., 430, 438, 445, 449 Nasser, Gamal Abdel 143f. Natta, Alessandro 257, 416, 422f., 425f. Nau, Alfred 252 Negwer, Georg 407 Nenni, Pietro 78, 82, 189, 193, 205, 210, 251f., 302f. Neubert, Harald 33, 68 Niegel, Lorenz 221 Nixon, Richard 27, 30, 32, 34, 76, 94, 109, 170, 304–307, 311f., 317f., 320– 323, 332, 343, 364, 370, 373, 398, 439, 446 Njølstadt, Olav 373 Nono, Luigi 198 Novak, Robert D. 307, 338, 371 Novella, Agostino 231 Occhetto, Achille 426–429 Odom, William E. 391 Oertzen, Peter von 423 Olson, James S. 168 Orilia, Vittorio 113 Owen, David 249f.
554 Paasikivi, Juho Kusti 165f. Pajetta, Giancarlo 228f., 281, 403f., 413 Pajetta, Giuliano 228 Palermo, Mario 72 Pallante, Antonio 75 Palma Carlos, Adelino da 158 Palme, Olof 181f., 239, 241, 406, 432 Pandolfi, Filippo 88, 329 Pannella, Marco 327 Pansa, Giampaolo 110 Papandreou, Andreas 238, 240 Parker, Daniel 352 Parri, Ferruccio 72, 256 Pasolini, Pier Paolo 195 Pasti, Nino 110, 413 Paulmann, Johannes 23 Paul VI. 347f. Paulucci, Jeno 352 Pecchioli, Ugo 271 Pelikán, Jiří 410 Pell, Claiborne 375 Pelše, Arvīds 421 Peppone 27, 74, 193ff. Perez-Casado, Ricardo 404 Perna, Edoardo 97 Pertini, Sandro 288, 392, 415f. Pesenti, Antonio 72 Petroselli, Luigi 97 Piccoli, Flaminio 361, 394, 402 Pike, Otis G. 341, 343 Pilster, Hans-Christian 150, 152 Pinheiro de Azevedo, José Baptista 159 Pinochet, Augusto 98 Pintasilgo, Maria de Lourdes 162 Pius XII. 74, 301 Plenzdorf, Ulrich 199 Poche, Klaus 199 Poletti, Ugo 116 Pompidou, Georges 414 Ponomarjow, Boris 220, 238, 243, 407
Personenregister
Pons, Silvio 39 Pontillon, Robert 230, 246 Pott, Andreas 440 Powell, Jody 377 Preti, Luigi 411 Priester, Karin 180 Prodi, Romano 430 Puaux, François 111, 349 Putnam, Robert 404 Quandt, Peter 377 Quercioli, Elio 97 Qili, Hu 420 Quiring, Holger 274, 288, 402, 410 Ramadier, Paul 245 Ramalho Eanes, António dos Santos 162 Rao, Paul Peter 364 Reagan, Ronald 339, 362, 371, 394f., 406, 409, 414, 446 Reder, Walter 227 Reichlin, Luciana 204 Reimann, Max 207, 220 Reinhardt, John E. 389 Renger, Annemarie 285, 292 Ripa di Meana, Carlo 254 Roberts, Randy 168 Rocard, Michael 406 Rochet, Waldeck 95, 211f. Rockefeller, David 382 Rockefeller, Nelson 330, 340, 352 Rodino, Peter W. 385 Rogers, William P. 312, 315, 317, 320 Romita, Giuseppe 77 Ronneburger, Uwe 262 Rossa, Guido 122 Rostow, Walt 308 Rubbi, Antonio 162, 426 Ruffini, Attilio 159
Personenregister
Rumor, Mariano 120, 155f., 279, 311f., 324, 330f., 361 Rumsfeld, Donald 156, 276 Rush, Kenneth 414 Ryan, Leo J. 146f., 342 Sá Carneiro, Francisco de 165 as-Sadat, Muhammad Anwar 144 Sagladin, Wadim 407, 431 Saikow, Lew Nikolajewitsch 424 Salati, Remo 113 Salazar, António de Oliveira 157f. Salini, Laurent 247 Samaritani, Agide 103 Saragat, Giuseppe 76, 193, 213, 215, 299, 312, 360 Sargent, Robert 307 Sartori, Giovanni 75, 328 Sassoon, Donald 69f. Saunders, Harold H. 148 Savary, Alain 230 Sayn-Wittgenstein, Casimir Prinz zu 272 Scardocchia, Gaetano 253 Schattenberg, Susanne 23 Scheel, Walter 263 Scheer, Hermann 426 Scheib, Christine 224 Schenck, Guntram von 236 Schiller, Karl 225 Schiwkow, Todor 128 Schlaffer, Peter 426 Schlesinger Jr., Arthur M. 302, 380 Schmid, Peter 203 Schmidt, Helmut 22, 140, 164f., 186, 201, 230, 237, 239f., 243, 254, 258, 261, 267, 274–284, 292, 350, 357, 407, 412, 432, 439, 443 Schmit, Lydie 245 Schorr, Daniel 343 Schröder, Gerhard 264
555 Schucht, Tatiana 67 Schumacher, Kurt 185 Scoccimarro, Mauro 103 Scowcroft, Brent 140, 276, 324f., 330f., 335, 345, 353, 361f. Scranton, William W. 281 Scutari, Donato 332 Secchia, Pietro 71 Segala, Gian Paolo 254, 412 Segre, Sergio 103, 111, 113, 126, 174f., 197, 200, 204, 210f., 213, 218ff., 224f., 228, 231–234, 292, 332f., 335, 378, 380, 405, 416 Selbmann, Eugen 236 Sensi, Federico 359 Sforza, Carlo 191 Sherwood, Elizabeth D. 390 Shirley, John 385 Shore, Cris 62 Shriver Jr, Sargent 307 Shub, Joyce 404 Siciliano, Enzo 81 Signorile, Claudio 381, 404 Signorini, Giorgio 224 Silone, Ignazio 203 Simon, William E. 357 Simpson, Alan K. 427 Sinjawski, Andrei Donatowitsch 410 Smith, Robert P. 140 Soares, Mário 20, 59, 158f., 162, 164, 239, 241, 432 Sofri, Adriano 93 Sommer, Frank 215, 217 Sonnenfeldt, Helmut 142, 164, 277, 281, 336ff., 357, 378, 397, 405f., 441 Sorsa, Kalevi 239, 241 Spadolini, Giovanni 168, 256, 394 Spénale, Georges 239 Spengler, Oswald 399 Spinelli, Altiero 63f., 104, 113
556 Spini, Valdo 423 Spriano, Paolo 63 Stabler, Wells 313 Staden, Berndt von 388 Stalin, Josef 17, 29, 69ff., 74, 79f. Stauffenberg, Christoph von 272 Steffen, Jochen 286 Steinke, Rudolf 198 Steinkühler, Manfred 235, 424 Stent Yergin, Angela 291 Stercken, Hans 201 Sterling, Claire 93, 161f. Stern, Fritz 405 Stewart-Smith, Geoffrey 217 Stone, Howard E. 318 Strauß, Franz Josef 166, 186, 198, 222f., 247, 264, 266, 309, 363 Strausz-Hupé, Robert 347 Strübel, Michael 440 Stümpfig, Gerhard 236 Sturzo, Luigi 298 Suárez, Adolfo 157, 284 Suslow, Michail 101, 220, 238 Tambroni, Fernando 303 Tanassi, Mario 320, 325 Tarchiani, Alberto 295 Tatò, Antonio 162 Terracini, Umberto 71 Thatcher, Margaret 268, 409 Thompson, Hunter S. 307 Thorez, Maurice 80 Thurmond, Strom 334 Tiedtke, Jutta 426 Timmermann, Heinz 35, 223, 234f., 260, 288, 405, 419f., 423f., 426, 444 Tito, Josip Broz 51, 132, 176, 395 Titzck, Rudolf 19
Personenregister
Togliatti, Palmiro 46, 62, 64, 66, 68f., 71– 75, 79–82, 125, 177, 193, 197, 205, 216, 271, 399, 422, 436f., 440 Trotzki, Leo 66, 203f. Trudeau, Pierre 274, 277 Truman, Harry S. 168, 295f., 300 Tschernenko, Konstantin 421 Turati, Filippo 76 Turchi, Luigi 335 Turco, Livia 426 Turner, Stansfield 387 Ulbricht, Walter 49, 208f., 215 Ullman, Richard H. 405 Urban, George R. 375 Uyl, Joop den 239, 406 Vaccari, Lanfranco 63 Valentin-McLean, Frédérique 42 Vance, Cyrus 29, 283, 366–372, 381f. Veen, Hans-Joachim 259f. Velaj, Alexander 339 Veltroni, Walter 430 Verdier, Robert 230 Verner, Paul 213 Vest, George S. 388 Visconti, Luchino 84 Vogel, Friedrich 258 Vogel, Hans-Jochen 426f. Voigt, Karsten D. 104, 236, 254f., 283, 285, 405f., 410, 413, 417, 423, 426, 431 Volpe, John 96, 160, 321ff., 326, 329f., 333ff., 342, 346, 349f., 354–357, 360, 370, 437 Wallace, George 305 Warnke, Paul 365 Wehner, Herbert 204, 223ff., 228, 230f., 251f.
557
Personenregister
Well, Günther van 281 Wesemann, Fried 205, 222, 252 Wettig, Klaus 236 Weyer, Willi 270 Wieczorek-Zeul, Heidemarie 182, 278, 424, 426 Wilke, Reinhard 227 Wilson, Harold 239f., 248ff., 432 Winkler, Heinrich August 174 Winston, Henry 344 Wischnewski, Hans-Jürgen 230, 236, 282f. Wörner, Manfred 171
Zaccagnini, Benigno 120, 359ff., 402 Zademach, Wieland 16 Zamberletti, Giuseppe 329 Zanone, Valerio 263 Zellerbach, James D. 302 Zoppo, Ciro Elliott 378 Zoratto, Bruno 271
268,
350,
Abbildungen
559
Abb. 1: Titelseite des TIME Magazine Sechs Tage vor der italienischen Parlamentswahl titelte das US-amerikanische Nach richtenmagazin TIME am 14. Juni 1976 mit dem PCI-Generalsekretär Enrico Berlinguer und dem Hinweis auf die „rote Gefahr“ in Italien (TIME, Nr. 24, 14.06.1976).
560
Abbildungen
Abb. 2: Titelseite des SPIEGEL Knapp vier Wochen vor der italienischen Parlamentswahl druckte Der Spiegel ebenfalls Enrico Berlinguer auf seinem Cover ab und stellte die Frage: „Sieg der Kommunisten?“ (Der Spiegel, Nr. 22, 24.05.1976).
Abbildungen
561
Abb. 3: „Trojanisches Pferd am Scheideweg“ Die drei Generalsekretäre Santiago Carrillo, Enrico Berlinguer und Georges Marchais ziehen das Trojanische Pferd namens „Eurokommunismus“, sind sich aber noch unschlüssig, ob es eher dem Westen oder dem Osten schaden soll (Karikatur von Horst Haitzinger, in: Rainer Holzer: Eurokommunismus – was ist das?, Berlin [West] 1978, S. 5, erstmals abgedruckt in: Die Welt, 18.04.1977).
562
Abbildungen
Abb. 4: „Die Sandmännchen“ Der französische und der italienische KP-Chef, Georges Marchais und Enrico Berlinguer, streuen dem Volk Sand in die Augen. Im Hintergrund wütet der sowjetische Generalsekretär Leonid Breschnew im Kreml gegen die Eurokommunisten. Der himmlische Lenin muss ihn mit den Worten beruhigen (so die Original-Bildunterschrift): „Nicht doch, Leonid – das sind zwei ganz clevere Burschen…“ (Karikatur von Hanns Erich Köhler, abgedruckt in: Holzer: Eurokommunismus, S. 32, erstmals abgedruckt in: FAZ, 13.07.1977).
Abbildungen
563
Abb. 5: Berlinguer, Carrillo, Marchais in Madrid Am 3. März 1977 trafen sich die drei Generalsekretäre Enrico Berlinguer, Santiago Carrillo und Georges Marchais in der spanischen Hauptstadt. Das eurokommunistische „Gipfeltreffen“ erregte politisch und medial hohe Aufmerksamkeit (Mundo Obrero, 22.07.2014, www.mundoobrero.es/pl.php?id=4084, Abruf am 02.05.2014, Original in: Archivo Histórico PCE).
Abb. 6: Wahlplakat des Blocco Nazionale Mit dem Plakat und der Botschaft „Nel segreto della cabina elettorale Dio ti vede, Stalin no!“ (dt. „Im Geheimnis der Wahlkabine sieht Dich Gott, aber nicht Stalin!“) warb die rechte Wahlverbindung Blocco Nazionale vor der Parlamentswahl am 18. April 1948 gegen eine Entscheidung für die Volksfrontliste von Kommunisten und Sozialisten (https://italiadeivalorimilazzo.wordpress.com/ 2010/05/08/ dio-ti-vede-stalin-non-ti-vede, Abruf am 21.01.2014).
564
Abbildungen Abb. 7a: Wahlplakat der Democrazia Cristiana Mit diesem Plakat warnte die Democrazia Cristiana im Wahlkampf 1948 vor dem Kommunismus. Die Freiheitsgöttin verteidigt mit dem Schild in Form des Parteiemblems der Christdemokraten die Werte Vaterland, Familie und Freiheit vor dem von einer roten Hand geworfenen kommunistischen Hammer-und-Sichel-Symbol. Die Aussage „Difendetemi!“ bedeutet „Verteidige mich!“ (https://en. wikipedia.org/wiki/File:Propaganda_ Dc.jpg, Abruf am 02.03.2014).
Abb. 7b: Wahlplakat der Democrazia Cristiana Dieses Plakat der Democrazia Cristiana aus dem Wahlkampf 1948 zeigt die Christdemokraten als Verteidiger der Festung Italien vor den kommunistischen Massen mit dem Hinweis „Non si passa!“ (dt. „Sie kommen nicht durch!“) (www. democraziacristianaaprilia.org/img/ art/Fortezza_DC.jpg, Abruf am 02.03.2014).
565
Abbildungen
Abb. 7c: Wahlplakat der Democrazia Cristiana Dieses Plakat der Democrazia Cristi ana für die italienische Parlaments wahl am 18. April 1948 vermittelt die Botschaft „Madre! Salva i tuoi figli dal Bolscevismo! Vota Democrazia Cristiana“ (dt. „Mutter! Rette Deine Kinder vor dem Bolschewismus! Wähle Democrazia Cristiana”) (www. democraziacristianaaprilia.org/img/ art/Madre_DC.jpg, Abruf am 02.03.2014).
Abb. 8: Wahlplakat des Partito Comunista
Italiano
In den Wahlkämpfen 1972 und 1976 nutzte der PCI dieses Plakat, das das neue Selbstbewusstsein der Partei ausdrückte. Es zeigt die italienische Trikolore, die weitgehend von der roten Flagge mit Stern, Hammer und Sichel verdeckt wird, das Parteikürzel und die Aufforderung „vota comunista“ (dt. „wählt kommunistisch“) (www.futuraumanita.it/?attachment_ id=174, Abruf am 22.05.2014).
566
Abbildungen
Abb. 9: Enrico Berlinguer und Aldo Moro Am 3. Mai 1977 kam es in Rom zu einem Treffen von Enrico Berlinguer und Aldo Moro. Der Handschlag zwischen dem kommunistischen Generalsekretär und dem christdemokratischen Parteipräsidenten wurde als Vorwegnahme des compromesso storico interpretiert (https://it.wikipedia.org/wiki/File:Enrico_Berlinguer_%2B_Aldo_Moro.jpg, Abruf am 02.04.2014).
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