125 43 24MB
German Pages 320 [341] Year 2011
Jörg Arentzen/Uwe Ruberg (Hgg.)
Die Ritteridee in der deutschen Literatur des Mittelalters Eine kommentierte Anthologie 2. Auflage Mit einer Einleitung von Peter Somogyi und Jürgen Wolf
Einbandabbildung: Walther von Mezze in Rüstung mit Schild und Sturmfahne auf galoppierendem Pferd. Codex Manesse: Cod. Pal. germ. 848 fol. 166v, Buchmalerei, Zürich, um 1310. © akg-images
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 2., durchgesehene und bibliografisch ergänzte Auflage 2011 © 2011 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 1987 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-24412-6 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-71985-3 eBook (epub): 978-3-534-71986-0
INHALT Inhalt
Verzeichnis der Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Quellen und Literatur (Aktualisierung 1987–2011) . . . XXVI Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu Textgestalt und Kommentierung
1
. . . . . . . . . . .
24
I. Etymologisierende Reflexionen zum Ritterbegriff .
27
II. Legitimation aus historischer Herleitung . . . . . .
30
Moriz von Craûn 30 Albrecht, Der Jüngere Titurel 36 Wernher der Gartenaere, Helmbrecht 38 Heinrich von Neustadt, Apollonius von Tyrland 41 Johannes Rothe, Der Ritterspiegel 42 Reformatio Sigismundi 47 Lucidarius 49 Jans Enikel, Weltchronik 49 Statuten des Deutschen Ordens 52 Lancelot-Prosaroman 54 Lancelot-Prosaroman 56 Meister Ingold, Das Goldene Spiel 59 Von den weltlichen herren 61 Sebastian Brant, Tugent Spyl 63
III. Einordnung in die Gesellschaft . . . . . . . . . . .
68
Freidank, Bescheidenheit 68 Hugo von Trimberg, Der Renner 68 Regenbogen, Ir pfaffen und ir ritter 69 Frauenlob, In driu geteilet waren 70 Konrad von Ammenhausen, Schachzabelbuch 71 Seifried Helbling 73 Johannes Rothe, Der Ritterspiegel 76 Hartmann von Aue, Gregorius 77 Der Stricker, Die beiden Knappen 84 Reinmar von Zweter, Ein herre von gebürte vri 86
IV. Jugend und ritterliche Erziehung . . . . . . . . . . Thomasin von Zerklaere, Der Welsche Gast 87 Wolfram von Eschenbach, Parzival 89 Winsbecke 94 Johannes Rothe, Der Ritterspiegel 96 Pfaffe Lamprecht, Alexan-
87
VI
Inhalt derlied 99 Rudolf von Ems, Alexander 102 Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet 107 Lancelot-Prosaroman 109 Gottfried von Straßburg, Tristan und Isolde 112 Tristrant und Isalde 115 Ulrich von Lichtenstein, Frauendienst 116 Georg von Ehingen, Reisen nach der Ritterschaft 120
V. Schwertleite und Ritterschlag . . . . . . . . . . . .
122
Heinrich von Beringen, Schachgedicht 122 Heinrich von Veldeke, Eneasroman 123 Nibelungenlied 124 Gottfried von Straßburg, Tristan und Isolde 126 Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat 129 Heinrich Seuse, Vita 130 Innsbrucker (Thüring.) Spiel von Mariae Himmelfahrt 131 Johannes Rothe, Der Ritterspiegel 134 Johannes Rothe, Thüringische Chronik 135 Götz von Berlichingen, Mein Fehd und Handlungen 137
VI. Ritterliche Ausrüstung . . . . . . . . . . . . . . .
140
Konrad von Ammenhausen, Schachzabelbuch 140 Der Christenlich Ritter 142 Miniatur zu William Peraldus, Summa de vitiis 144 Priester Konrad, Predigt 145 Traktat über die Kommunion 147 Thomasin von Zerklaere, Der Welsche Gast 148 Hartmann von Aue, Erec 152 Wolfram von Eschenbach, Parzival 154 Blanschandin 157 Gottfried von Straßburg, Tristan und Isolde 159 Lancelot-Prosaroman 161 Singauf, Swer ritters namen wolle vntfan 164 Herbst und Mai 164
VII. Aufgaben, Normen und Kritik der ritterlichen Lebensform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168
Hartmann von Aue, Erec 168 Hartmann von Aue, Erec 169 Hartmann von Aue, Iwein 173 Wolfram von Eschenbach, Parzival 175 Wolfram von Eschenbach, Willehalm 177 Der Stricker, Aufgaben des Rittertums 179 Boppe, Sich, ritter wert 182 Frauenlob, Kein orden herter mac gesin 183 Johannes Rothe, Der Ritterspiegel 184 sog. Heinrich von Melk, Erinnerung an den Tod 184 Buch der Rügen 186 Der kleine Renner 188 Des Teufels Netz 189
VIII. Turnier und Fest . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmann von Aue, Iwein 193 Ulrich von Lichtenstein, Frauendienst 194 Moriz von Craûn 195 Nibelungenlied 197 Reinmar von Zweter, Turnieren was ê ritterlich 200 Hugo von Trimberg, Der Renner 201 Heinrich der Teich-
193
Inhalt
VII
ner, Wer stechens und turnierens phligt 203 Peter Suchenwirt, Der Minne Schlaf 204 Wernher der Gartenaere, Helmbrecht 206 Heinrich von Neustadt, Apollonius von Tyrland 210 Magdeburger Schöppenchronik 212 Das Frauenturnier 214 Heinrich Wittenwiler, Der Ring 218 Lancelot-Prosaroman 223 Der Krieg von Würzburg 225
IX. Rezeption in der Neuzeit . . . . . . . . . . . . .
227
Christoph Martin Wieland, Geron der Adeliche 227 Ludwig Tieck, Leben und Taten des kleinen Thomas, genannt Däumchen 230 Thomas Mann, Der Erwählte 233 Tankred Dorst, Merlin oder Das wüste Land 235
Kommentare zu den Texten . . . . . . . . . . . . . . . .
241
Aktualisierungen zum Kommentarteil Neue Ausgaben und Forschungsüberblicke . . . . .
305
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN Verzeichnis der Abkürzungen
AbäG AfK ATB BDLG BdLM BG BLVSt BNL Brunner, Die alten Meister
DHM DKM DKV DLE
DTM DU DVjs EdF EH Epische Stoffe Étud. Germ. FmSt GAG GB GdG
Amsterdamer Beiträge Archiv für Kulturgeschichte Altdeutsche Textbibliothek Blätter für deutsche Landesgeschichte Bibliographien zur deutschen Literatur des Mittelalters Bibliotheca Germanica Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur Horst Brunner, Die alten Meister. Studien zu Überlieferung und Rezeption der mittelhochdeutschen Sangspruchdichter im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, München 1975 (MTU 54) Deutsches Historisches Museum Deutsche Klassiker des Mittelalters Deutscher Klassiker Verlag Deutsche Literatur. Sammlung literarischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Entwicklungsreihen Deutsche Texte des Mittelalters Der Deutschunterricht Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Erträge der Forschung Europäische Hochschulschriften Epische Stoffe des Mittelalters, hg. Volker Mertens, Ulrich Müller, Stuttgart 1984 Études Germaniques Frühmittelalterliche Studien Göppinger Arbeiten zur Germanistik Germanische Bibliothek Grundlagen der Germanistik
X
Verzeichnis der Abkürzungen
Germ. Ling. GNM GRM Haug, Literaturtheorie
Heinemann, Ständedidaxe
HMS
HZ IASL LdM Liebertz-Grün, Das andere Mittelalter
Lit.wiss. Jb MAe MGH MLR MMS MTU NdJb Oswald Jb PBB PhStQu PMLA
Germanistische Linguistik Germanisches Nationalmuseum Germanisch-Romanische Monatsschrift Walter Haug, Literaturtheorie im deutschen Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Eine Einführung, Darmstadt 2009 Wolfgang Heinemann, Zur Ständedidaxe in der deutschen Literatur des 13. bis 15. Jahrhunderts, T. 1–3, PBB (Halle) 88 (1966), 1–90, 89 (1967), 290–403, 92 (1970), 388–437 Minnesinger, ed. Friedrich Heinrich von der Hagen, T. I – IV., Nachdr. d. Ausg. Leipzig/ Berlin 1838, Aalen 1963 Historische Zeitschrift Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur Lexikon des Mittelalters, Bd. 1 ff., München/Zürich 1980 ff. Ursula Liebertz-Grün, Das andere Mittelalter. Erzählte Geschichte und Geschichtserkenntnis um 1300. Studien zu Ottokar von Steiermark, Jans Enikel, Seifried Helbling, München 1984 (Forschungen zur Geschichte der älteren dt. Literatur 5) Literaturwissenschaftliches Jahrbuch Medium Aevum. Philologische Studien Monumenta Germaniae Historica The Modern Language Review Münstersche Mittelalter-Schriften Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters Niederdeutsches Jahrbuch Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Philologische Studien und Quellen Publications of the Modern Language Association of America
Verzeichnis der Abkürzungen QuF RGZM RhVjBll RUB Ruh, Höfische Epik SM StGAK StPGL TTG Verf.lex.
VMPIG Wachinger, Sängerkrieg WdF WPM WW ZfdA ZfdPh ZGO ZGR ZHF
XI
Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Monographien Rheinische Vierteljahrsblätter Reclams Universal-Bibliothek Kurt Ruh, Höfische Epik des deutschen Mittelalters, T. 1– 2, Berlin 1967/1980 (GdG 7, 25) Sammlung Metzler Studien zur Germanistik, Anglistik und Komparatistik Studien zur Poetik und Geschichte der Literatur Texte und Textgeschichte Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, hg. Wolfgang Stammler, Karl Langosch, Bd. 1–5, Berlin/Leipzig 1933–1955; 2. Aufl., hg. Kurt Ruh u. a., Bd. 1 ff., Berlin/New York 1978 ff. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte Burghart Wachinger, Sängerkrieg. Untersuchungen zur Spruchdichtung des 13. Jahrhunderts, München 1973 (MTU 42) Wege der Forschung Kleine Prosadenkmäler des Mittelalters (Würzburg) Wirkendes Wort Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur Zeitschrift für deutsche Philologie Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins Zeitschrift der Germanisten Rumäniens Zeitschrift für Historische Forschung
EINLEITUNG Einleitung
Aktualisierungen Rund 25 Jahre nach dem ersten Erscheinen der vorliegenden Anthologie sind die Wissensgrundlagen zum Rittertum durch zahlreiche Forschungsarbeiten, Archivstudien, neue Texteditionen sowie eine rege Mittelalterarchäologie bedeutend erweitert worden. Wir wissen heute viel genauer Bescheid darüber, wann sich aus welchen Gründen und mit welchen militärischen, gesellschaftlichen, technischen sowie wirtschaftlichen Konsequenzen eine Ritterkultur entwickelte und ihre ,Blütezeit‘ im 12./13. Jahrhundert erlebte. Bereits im Spätmittelalter, aber mehr noch in der Neuzeit wurde aus einer aktiv gelebten eine bald nur noch erinnerte, retrospektiv inszenierte Idealvorstellung. Jene avancierte wiederum in dieser nahezu vollständig einer hochmittelalterlichen Ritterrealität entrückten Form zu dem heute noch prägenden Rittermodell der Romantik. Vielleicht mehr denn je stellt sich die Frage, seit wann es Ritter in einer modernen Vorstellungen entsprechenden Art und Weise überhaupt gab und was denn ,den‘ mittelalterlichen Ritter und den in erheblichem Kontrast dazu stehenden ,modernen‘ Ritter ausmacht. So begegnet Mitte des 12. Jahrhunderts erstmals der Begriff ritter oder rîter. Dieser ,neue Ritter‘ konkurriert mit althergebrachten, partiell deckungsgleichen Termini wie miles, helt, degen, recke, wîgant oder man. Nicht nur Begriffe konkurrieren, sondern auch Standes-, Wert- und Berufsvorstellungen. Noch lange bleibt unklar, was ein ritter oder rîter ist. Zumal eine von der Forschung des 20. Jahrhunderts fast exklusiv mit französischen Inhalten gefüllte Ritteridee der so genannten ,Blütezeit‘ (1170– 1220) sich bereits in der deutschen Literatur nachweisen lässt, als es noch gar keine Übernahme französischer Ritterepen gab. Man denke nur an die detaillierten Schilderungen von Rittertum in der Kaiserchronik (um 1150) und der zeitgleich entstandenen Rittersitte. Nach einer vom Stricker (um 1220/30) in seinem monumentalen Karlepos einem gebûren (Bauern) in den Mund gelegten Frage: ,du nennest ritter: waz ist daz?‘, bleibt das Problem sogar bis in die Blütezeit des Rittertums akut:
XIV
Einleitung do begunde der gebûr jehen: ine hân dâ niemen gesehen, wan einen gewâfenten man. ine weiz aber noch enkan niht gesagen ob er ein ritter sî, (Stricker, Karl der Große, v. 11505 –11509)
(Da begann der Bauer zu sagen: ,Ich habe niemanden gesehen, außer einem bewaffneten bzw. gerüsteten Mann. Doch weder weiß ich noch kann ich sagen, ob er ein Ritter ist.‘)
Analog zur Bandkonzeption von Arentzen und Ruberg sollen deshalb einige neue oder zu revidierende Forschungspositionen mit Hilfe ausgewählter Beispiele unter den Gesichtspunkten Realien (1), Archivalien (2), Literatur (3) und Christlicher Ritter (4) skizziert und diskutiert werden. Als Fundament für eine umfassende Aufarbeitung gibt der Vorspann dem Leser zudem eine aktuelle Forschungsarbeiten und Ausgaben nachweisende Bibliographie der Jahre 1985 – 2011 an die Hand (5). Ergänzend ist eine Aktualisierung des Kommentarteils von Arentzen und Ruberg mit den neuesten Editionen samt Forschungsliteratur beigefügt (6). Grundsätzlich sei für alle zitierten Werke zudem auf die einschlägigen Artikel in der 2. Auflage des Verfasserlexikons, der 2. Auflage des Killy-Literaturlexikons und im Lexikon des Mittelalters verwiesen. 1. Realien Der Urkern des Rittertums ist auf seine kämpferischen Fertigkeiten konzentriert. Dieses Bild wird nach 1100 in der Chanson de Roland von dem kämpfenden arcevesque (Erzbischof) Turpin formuliert: Solch eine Tüchtigkeit muss ein Ritter besitzen, der Waffen trägt und ein gutes Pferd reitet. In der Schlacht muss er stark und unbeugsam sein, sonst ist er keine vier Heller wert (,Chanson de Roland‘, v. 1877–1880, Übers. n. W. Steinsieck).
Die Ausbildung des Phänomens Ritter basiert auf drei Entwicklungen: 1. Ausrüstung, 2. Übergang zur Burgsässigkeit, 3. Ethos durch christlich-kirchliche Formung (vgl. Abschn. 4). Sozusagen als ,Schwertspitze‘ dieses Prozesses finden wir im ersten Buch der Gesta Militum (Taten der Ritter) des Hugo von Mâcon die Beschreibung der äußeren Erscheinung eines Ritters, ausge-
Einleitung
XV
stattet mit Beinschutz aus Eisen, Schulterschutz, Brustpanzer, Eisenkappe (Haube unter dem Helm), Kinnreff (Schutz für Kinn und Hals des Trägers), Helm, purpurner Tunika, Schwert, Schild, Lanze und Pferd (Hugo v. Mâcon, Gesta Militum, v. 1.161–170). Die Ausrüstung stellte in Verbindung mit einer Militarisierung der Vasallität und der Feudalisierung der militia (Kriegerschaft) den einschneidenden Schritt zum Übergang in das Rittertum dar und bedeutete eine Erhöhung der ,vasallitischen Kriegerschaft‘ (Fleckenstein), nicht zuletzt durch den Aufstieg auf den Pferderücken (Fahrner). Zahlreiche Ausstellungskataloge und Bildbände (Lanzardo, Gravett/Dann) sowie beinahe jede Abhandlung über den Ritter widmen der ritterlichen Ausrüstung denn auch zentrale Kapitel (Gies, Ehlers, Fleckenstein, Bumke, Kaeuper). Text- und Bildzeugnisse bannen die ,eisernen Herren‘ auf Pergament und sind damit Schnittstellen zwischen den Realien und deren fiktionaler Überhöhung in der Literatur. Als ein frühes bildliches Zeugnis der ritterlichen Ausrüstung kann der um 1180 entstandene, leider 1870 zerstörte Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg gelten. Die Zeichnung des Bettgemachs Salomos präsentiert die Kämpfer typisch für das 12. Jahrhundert in Kettenpanzern, mit Nasalhelmen und langen dreieckigen Schilden. Im Gegensatz dazu wird die Ausrüstung der Ritter zu Beginn des 13. Jahrhunderts bereits verändert gezeigt. Auf Blatt 34 der Berliner Eneas-Handschrift (Ms. germ. fol. 282) erscheinen die berittenen Krieger in Topfhelmen mit Visier, Waffenröcken und mit kleineren Schilden. Sie sind deutlich von den Fußtruppen durch die Zweiteilung der Bildillustration abgesetzt. Obwohl ständische Unterschiede innerhalb der militia bestanden, geht eine Vielzahl von Forschern davon aus, dass man durchaus von einer sozialen Klasse beziehungsweise einem Status, den der miles-Titel mit sich brachte, sprechen kann (Flori, Fleckenstein, Jackson). Neuere Überlegungen korrigieren ältere Positionen allerdings insofern, als das Rittertum vermutlich nicht aus niederen Schichten entstand (Erkens, Fleckenstein). Im 11. Jahrhundert hielten die milites Einzug in die Burg, wodurch Adel und militia zusammenwuchsen und letztere damit Anteil an der Herrschaft erhielten (Fleckenstein). Für die Weiterentwicklung dieser sozialen Klasse in Richtung Rittertum stellt die Burg als ein durch Stein errichtetes Bildnis ihrer Herren ein Abbild ritterlichen Lebens dar (Fleckenstein). Detaillierte Einblicke in diese Burgen und deren Umfeld bieten Spezialuntersuchungen, etwa zu Burgen
XVI
Einleitung
am Oberrhein (Zettler/Metz), zu Burginventaren (Herrmann), zu Schadensinventaren (Ehmer) sowie Ausgaben (Mersiowsky), zu Burgfrieden (Spieß), zum Verhältnis Burg und Stadt (Baeriswyl) und zum Verhältnis Adel und Burg (Rösener). Neben dem ,Einzug in die Burg‘ lässt das neue System der Gottesfrieden und Kreuzzüge ein für die militia verbindendes Ethos um Dienst und Schutz entstehen. Aus dem Kriegertum wird das Rittertum. Während die Burg als Ort ritterlichen Lebens verstanden werden kann, stellt der Hof zum einen den Personenverband dar, zu dem der ,Ritter‘ gehörte, und zum anderen den Aufenthaltsort seines Herrschers – insofern er nicht selbst dieser Herrscher war – als kulturelles und politisches Zentrum. Der adlige Ritter befindet sich in einer ambivalenten Doppelrolle, sobald er sich am Hof aufhält. Aus der Einteilung einer Hofstruktur in Konrads von Megenberg Yconomica (1348–52) ist abzulesen, dass der adlige Ritter hier in seiner Funktion zwischen Grundherr und Höfling changieren muss. Der Hof konstituierte sich anhand fünf spezieller Ämter, die im deutschen Reich – einmalig im gesamteuropäischen Ritterentwicklungsprozess – ausschließlich von Ministerialen besetzt wurden, und diente als Schmelztiegel für die Entstehung einer spezifisch laikalen ,Ritterkultur‘, wobei hier vorsichtig mit der Synonymsetzung ,höfisch‘ und ,ritterlich‘ verfahren werden muss (Crouch). Zur Hofkultur gehören neben den Burgen auch die Feste und die Jagd. Als Teil der Feste gelten die Turniere mit ihrer kriegsvorbereitenden Funktion für die Männer und ihrem Unterhaltungscharakter für die Damen. Es entwickelte sich von schlachtähnlichen Massenturnieren (12. Jahrhundert) über höfische Turnierfeste (13. Jahrhundert) hin zu einer kunstvollen Inszenierung des Rittertums in Form eines ,Turniertheaters‘ im 14./15. Jahrhundert (Neumeyer), wobei die Ausbildung hin zu einer eigenständigen Theaterform bislang kaum erforscht ist. Ebenso diente das Turnier zur Demonstration von Männlichkeit, was in der Verherrlichung des Phallus gipfelte. Daneben wurde das Turnier auch für kleinere Adelsgeschlechter des ausgehenden Mittelalters zur Selbstvergewisserung sowie Selbstdarstellung. Es erhielt eine kulturelle Komponente (Krieb). Eine vergleichbare Funktion kam der Jagd zu, die sich analog zum riterspil in Richtung eines Gesellschaftsspektakels entwickelte (Rösener, Spieß). Bei allem Glanz in den entsprechenden Ritterepen und Bildzeugnissen darf die bisweilen blutrünstig-finstere Realität nicht übersehen werden. Im Gefolge
Einleitung
XVII
unzähliger kleinerer und größerer Fehden und Kriege versank das Reich mehr als einmal in bürgerkriegsähnlichem Chaos. 2. Archivalien Zahlreiche Detailstudien ermöglichen tiefe Einblicke in genealogische Verflechtungen, wirtschaftliche und politische Entwicklungen, Abhängigkeitsverhältnisse im Kontext von Landesherrschaften und Reich, den Fürstendienst, militärische Aspekte sowie lokale Spezifika. Exemplarisch seien hierfür Studien zur ritterschaftlichen Herrschaftswahrung in Franken (Rupprecht), zu den Rittern und Edelknechten von Hettingen, Hainstadt, Buchen und Dürn (Mittelstrass), zur oberrheinischen Ritterschaft (Speck), zum südwestdeutschen Adel (Fouquet), zu den Herren von Wehingen (Stierle), zum Adel im südwestlichen Österreich unter der Enns (Weigl), zur Holländischen Ritterschaft (Janse) sowie den Blick erweiternd zum Rittertum in Japan (Kloska) und zum spanischen Calatrava-Ritterorden (Schwenk) genannt. Anhand einzelner bis in die Moderne fortgeführter Untersuchungen etwa zur Kraichgauer Ritterschaft (Rhein) und zu Hartmut XII. von Cronberg (Bode) oder den Studien im Sammelband Adel in der Frühneuzeit (Endres) lassen sich zudem die faktisch-juristische Ritterrealität, aber zugleich auch deren ideelle Kontur bis in die Moderne nachverfolgen. Einen viele Aspekte vereinenden Überblick liefern die umfassenden und in weiten Teilen für die Genese des Rittertums schlechthin exemplarischen Arbeiten von Hechberger zum fränkischen Adel. Für die ständische, juristische, politische und wirtschaftliche Verortung des Rittertums sind die in großem Maßstab ausgewerteten Urkunden, Verträge, Rechtsbücher und Akten von zentraler Bedeutung. Wegen seiner überregionalen und überzeitlichen Tragweite herausgehoben sei der in den 1220er Jahren von Eike von Repgow verfasste Sachsenspiegel. Dort werden unter anderem Fragen des ritterlichen Erbrechts und der ständischen Einordnung auf der Basis des aktuellen und des überkommenen Rechts gespiegelt. Das reiche Belegmaterial lässt aufscheinen, dass wir Rittertum nicht erst als eine Erfindung des 12. Jahrhunderts, sondern als eine bereits in der Merowinger-Zeit angelegte Entwicklung zu betrachten haben. Der Sachsenspiegel geht sogar noch einen Schritt weiter und führt all dies auf Karl den Großen bzw. letztlich auf Gott zurück. Wie weit hier die Entwicklungslinien tatsächlich zurückreichen, bleibt allerdings meist im Dunkel der Geschichte ver-
XVIII
Einleitung
borgen. Das Quellenmaterial scheint nahezu vollständig in den Wirren der Völkerwanderungszeit untergegangen zu sein. Schaut man auf eine ab dem 7./8. Jahrhundert wieder greifbare mittelalterliche Literatur, und zwar sowohl auf die gelehrt- lateinischen Enzyklopädien und Geschichtswerke wie auf die volkssprachigen Bibelbearbeitungen und bald auch auf die ersten deutschsprachigen Geschichtswerke (Annolied), wird man die antike Dimension keinesfalls unterschätzen dürfen. Im Selbstverständnis der mittelalterlichen Menschen gab es offensichtlich eine nie unterbrochene Kontinuität, die sich mit Vorstellungen von einer translatio imperii (linearer Übergang der antiken Reiche in das Reich der mittelalterlichen Gegenwart, vgl. unten S. 7 f.), aber im vorliegenden Kontext mehr noch mit der Idee einer translatio studii (linearer Übergang des antiken Wissens in die mittelalterliche Gegenwart) und einer translatio militiae (linearer Übergang des antiken Rittertums in das Rittertum der mittelalterlichen Gegenwart) umschreiben lässt. Chrétien de Troyes erläutert dies in seinem Artusepos Cligés um 1170 ebenso eindrücklich wie richtungweisend: Durch die Bücher, die wir besitzen, wissen wir von den Taten der Alten und von der Welt, die einstmals war. Das haben uns unsere Bücher gelehrt, dass die erste Blüte der Ritterschaft und Bildung in Griechenland entstand. Und dann kam die Ritterschaft und die gesamte Bildung nach Rom, die nun nach Frankreich gewandert ist (Chrétien de Troyes, Cligès, v. 27–35, Übers. n. I. Kasten).
3. Literatur Über den Konnex Realität – Literatur ist viel spekuliert worden. Sicher trifft zu, dass, wie Arentzen/Ruberg es formulieren, „das Leitbild ritterlichen Lebens seit dem 12. Jahrhundert durch die Literatur artikuliert, vermittelt und ausgebreitet worden“ ist (S. 2). Aber die Situation stellt sich im Detail kompliziert dar. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: So wird eine feingliedrige Vorstellung von Rittertum bereits um 1150, d. h. lange bevor das so typisch französisch geprägte Modell von Rittertum greifbar ist, in der deutschen Kaiserchronik entfaltet (Wolf). Die Kaiserchronik verlegt die Erfindung des Rittertums denn auch in das antike Rom Cäsars (s. o.). Alles, was wir später in den französisch geprägten Epen der ,Blütezeit‘ mit französischen Fachtermini beschrieben finden, steht hier bereits, ohne auf einen altfranzösischen Fachwortschatz zurückzugreifen:
Einleitung
XIX
sô waefente sich elliu rîterscaft mit helmen unt mit halspergen, … scilt unt swert in den handen ir ros si ze wette ranten. sô samenten sich die frouwen ir scône spil ze scowen (Kaiserchronik, v. 110–116) (Da rüstete sich die gesamte Ritterschaft mit Helmen und Halsbergen. Mit Schild und Schwert in den Händen ließen sie ihre Rösser gegeneinander rennen. Da versammelten sich die edlen Damen, um ihrem herrlichen Turniertreiben zuzuschauen).
si îlten ûz an daz velt, vil michel wart ir gelpf von bûhurt und von springen, von tanzen und von singen. (Kaiserchronik, v. 179–182) (Sie eilten heraus auf den Turnierplatz. Sehr laut war ihr Schreien/Anfeuern beim ritterlichen Mannschaftskampf, beim Springen, beim Tanzen und beim Singen).
Dies wirft die Frage auf, woher man im vermeintlich rückständigen deutschen Reich um die Mitte des 12. Jahrhunderts schon so dezidiert von einer neuen Ritterkultur wusste – zumal der Autor ein Geistlicher war. Hatte er Entsprechendes in den lateinischen Quellen seiner Klosterbibliothek gefunden? Untersuchungen von Jaeger zu reich mit höfischem Ambiente aufgeladenen Bischofsviten würden gut zu einer solchen Überlegung passen. Zu denken wäre auch an persönliche Erlebnisse, denn dieser Geistliche wird mit den Welfen und den Staufern in Verbindung gebracht. Beide Dynastien erlangen wegen ihrer alles überstrahlenden Hoffeste auf dem Gunzenleen bei Augsburg (Welf VI.) und in Mainz (Kaiser Barbarossa) bei den Zeitgenossen gleichsam sprichwörtliche Bewunderung (Bumke, Moraw). Diese Hoffeste werden wenig später die Kulminationspunkte der Ritterkultur der höfischen Blütezeit schlechthin. Auch nicht auszuschließen ist, dass unser Geistlicher die Schriften Bernhards von Clairvaux kannte, der um 1130 mit seiner Programmschrift De laude novae militae (Vom Lob des neuen Rittertums) ein erstes Idealmodell eines von weltlichen Gelüsten, Sünden und Verlockungen freien Rittertums entworfen hatte.
XX
Einleitung
Dies führt zu der Frage zurück, wie Realität und Literatur zueinander stehen. In der Kaiserchronik scheint es eindeutig: Der Kaiserchronist hält seinen intendierten Rezipienten, also eben jenen laikal-adligen Kreisen, aus denen sich das Rittertum rekrutierte bzw. das sich als Ritter verstand, einen Spiegel vor. Doch seine so ausführlichen Schilderungen um ein buntes, lautes Rittertum konzentrieren sich ausschließlich auf das kaiserliche Rom. Zu den Zeiten der deutschen Kaiser hören wir davon nichts mehr – war das neue Rittertreiben um 1150 also eher etwas Zweifelhaftes, vielleicht ,Dekadentes‘? Seit den 1130er Jahren kennen wir jedenfalls päpstliche Turnierverbote und auch Bernhard von Clairvaux lässt bei seinen Ausführungen zum neuen Rittertum keinen Zweifel daran, dass es in der Realität des weltlichen Rittertums (de militia saeculari) finster aussieht: Ihr bedeckt eure Pferde mit seidenen Decken und eure Panzer mit allen möglichen Überhängen und Tüchern; ihr bemalt die Speere, die Schilde und die Sättel; die Zügel und Sporen schmückt ihr ringsum mit Gold und Silber und Edelsteinen; mit so großer Pracht eilt ihr in beschämender Raserei und schamlosem Stumpfsinn in den Tod. Sind das militärische Abzeichen oder nicht vielmehr weibischer Putz? (Bernhard von Clairvaux, De laude novae militiae, II, 275, Übers. n. S. Giacomelli)
Was man als Ritter hörte oder las, erläutern Lambert von Ardres und Hugo von Mâcon. Hugo berichtet in den Gesta militum, wie einem ritterlichen Gast zu Ehren bei einem Festmahl am Abend aus dem Karlmeinet, dem Schwanritter, dem Erec, dem Thebenroman und aus Ovid vorgetragen wird. Noch interessanter für den deutschen Sprachraum sind in diesem Zusammenhang die Literaturkataloge Gottfrieds von Straßburg, Rudolfs von Ems und die Listen von literaturbasierten Musterrittern bei Thomasin von Zerklaere und Hugo von Trimberg. Ungeachtet dessen wird man diese von Rittertum durchzogenen Werke nicht per se als Lehrtexte und schon gar nicht als reale Spiegel einer höfisch-ritterlichen Welt lesen dürfen. Doch Literatur und Realität sind auf vielfältige Weise miteinander vernetzt. Allerdings gelingt es viele Jahrhunderte später nur bedingt, dieses Beziehungsgeflecht zu durchschauen. Noch einmal komplizierter wird das Verhältnis von Ritterliteratur und -realität in Spätmittelalter und Neuzeit, denn nun haben wir es mit einer nur noch imaginierten Ritterrealität zu tun. Vom
Einleitung
XXI
realen Rittertum des Hochmittelalters ist allenfalls eine Hülle geblieben; materiell als Buch erhalten sind aber viele der alten Werke zum Rittertum, doch sie finden sich nun in einer völlig anderen, von Feuerwaffen, Geld und Stadtkultur dominierten Welt wieder. Ganz bewusst lässt Kaiser Maximilian I. († 1519) diese alten Ritterepen des Mittelalters landauf, landab suchen und kopieren (vgl. den Sammelband ,Kaiser Maximilian I.‘). Das von seinem Zollschreiber Hans Ried 1504–1516/17 angelegte Ambraser Heldenbuch (Wien, Österr. Nationalbibl., Cod. Ser. nova 2663; vgl. http://www.handschriftencensus.de/3766) kündet mit seiner Aufreihung unzähliger Rittertexte des 12. bis 14. Jahrhunderts von einer Ritterrenaissance, die sich auch im Literatur- und Lebensprogramm des Kaisers widerspiegelt. Rittertum fand bei Maximilian nicht nur auf Pergament und Papier statt: Rund um den Habsburger Kaiserhof verkleidete man sich nach ritterlicher Sitte, und es wurden Ritterturniere veranstaltet. Retro-Inszenierungen von Rittertum hatten in ganz Europa Konjunktur. So ließ der englische König Heinrich VIII. unzählige prachtvolle Ritterturniere ausrichten und Camelot (Richmond), den sagenumwobenen Sitz der Ritter der Tafelrunde ebenso wie eben jene Tafelrunde selbst ,renovieren‘. Überhaupt schossen Ritterorden, Ritterturniere, höfisch-ritterliche Feste, sogar ,echte‘ Ritterburgen und Retro-Ritter überall wie Pilze aus dem Boden. Besonders intensiv taten sich dabei Städte und Stadtbürger hervor. Freilich spielte das ,echte‘ Rittertum militärisch-politisch längst keine Rolle mehr. Es war gleichsam zu einer Erinnerung an eine vermeintlich herrliche – eben ritterliche – Vergangenheit erstarrt (vgl. Andermann, Görner, Kaufmann, Widmer). Doch genau diese Konstruktion eines fernen Ideals wurde dann in der Romantik die Vorlage für eine erneute Ritterrenaissance, der wir nicht nur unzählige Ritterromane, sondern ebenso unzählige Retro-Ritterburgen verdanken, die im 19. Jahrhundert gleichsam in Serie gingen. Das ab 1869 für den bayerischen König Ludwig II. erbaute ,Märchenschloss Neuschwanstein‘ markiert dabei so etwas wie den sichtbarsten und die Opern Richard Wagners den hörbarsten Höhepunkt dieser modernen Ritter- bzw. Mittelalterinszenierung. 4. Der christliche Ritter Die Ausformung des ritterlichen Ethos durch christlich-kirchliche Einflussnahme bildet den Abschluss der Entwicklung vom Krieger zum Ritter (Fleckenstein). Die Hinwendung der Kirche
XXII
Einleitung
zum Krieger und ihre erste ethische Einflussnahme auf ihn werden anhand der Schwertsegen und der Gottesfriedensbewegung ersichtlich, in welcher auf die Magie der Waffe innerhalb der kriegerischen Gesellschaft rekurriert (Flori) und diese so einem höheren Zweck dienstbar gemacht wurde. Die Übertragung des Herrenethos auf die milites, die durch Eid auf den Schutz des Landes und Hilfsbedürftiger verpflichtet wurden, stellt eine der großen Pazifizierungsmaßnahmen des Frühmittelalters dar. Doch erst die Indienstnahme des Kriegers als militärischer Arm der Kirche ermöglichte die vollgültige Ausgestaltung zum miles christianus (christlicher Ritter), die antike, christliche und germanische Elemente in sich vereinte (Fleckenstein) – allerdings nicht widerspruchsfrei – und in das Dienstideal für Gott, im Krieg gegen Andersgläubige, dem 1. Kreuzzug, mündete. Marbod von Rennes († 1123) fasste die Idee für das dahinter stehende Rittertum zusammen: „Der Ritter als Gottesstreiter muss gegen die Heiden kämpfen, wenn er den Namen des Ritters nicht zu Unrecht führen will.“ Obwohl Radulf Niger bereits nach dem 2. Kreuzzug in seinem Traktat De re militari (Über ritterliche Angelegenheiten) 1187/88 gegen diese bewaffneten Pilgerfahrten und die damit einhergehende päpstliche Buß- und Ablasstheologie protestierte, gingen einige ältere Untersuchungen davon aus, dass erst der Kreuzzug den Ritter vollends zu solch einem mache und dadurch das ritterliche Ideal seine Ausprägung erhielt. Dagegen sehen jüngere Forschungsarbeiten (Keen, Kaeuper) im Kreuzzug keine absolute Größe, sondern setzen ihren Fokus auf die ritterlich-laikale Autonomie. Dennoch lässt die Kreuzzugsbewegung durchaus eine Ritterrealität erkennen, deren Auswirkungen nicht zu gering erachtet werden dürfen, da diese das entstehende Berufsethos mit dem Dienstideal verbanden (Jackson). Einen Gipfelpunkt bildete die Gründung der geistlichen Ritterorden im Heiligen Land, die das mönchische Ideal des inneren Kampfes mit kriegerischen Taten vereinbarten und in ihren Augen die höchste Vollendung des christlichen Ritters darstellten (Barber). Veranschaulicht wird der Kreuzzugsritter als Real-Allegorie, der nicht nur in den Kampf gegen real-weltliche Feinde, sondern auch gegen innere Unzulänglichkeiten zieht, in einer Zeichnung aus der Handschrift ,Harley 3244‘ der British Library, die mit milicia est vita hominis super terram (,Das menschliche Leben auf Erden ist ein Kampf‘, Hiob 7,1) überschrieben ist. Die Zeichnung der ,Vices and Virtues‘ (Laster und Tugenden) zeigt,
Einleitung
XXIII
wie der in eine schwere Rüstung gekleidete, mit Schwert, Schild und Speer bewaffnete Ritter auf seinem Pferd in den Kampf mit den als monströse Dämonen dargestellten sieben Lastern zieht. Eine vollgültige Synthese aus monastischen und kriegerischen Elementen konnte allerdings nie erreicht werden (Ehlers). Die damit einhergehenden Widersprüche zwischen irdischem und gottgefälligem Leben, der Weltsucht (Streben nach weltlichen Gütern und Weltgefallen) und Weltverachtung (contemptus mundi), die jeder Ritter als imitator christi (Nachahmer Christi) im Bezug auf das Leiden auszuhalten hatte, wollte er Gott und der Welt gefallen, fanden in den letzten Jahrzehnten besondere Beachtung in der Forschung (Barthélemy, Kaeuper, Neumann). Dass es sich hierbei nicht nur um ein theoretisches Konstrukt handelte, welches lediglich in der Literatur zu finden ist, zeigt sich am Beispiel des von Barbarossa veranstalteten Hoftags ,Jesu Christi‘ von 1188 (Schreiner). Mit dem Ende der Kreuzzüge änderten sich die Erscheinungsformen des Rittertums (Keen). Vor diesem Hintergrund wird man die Dekadenztheorie (Untergang des Rittertums) zu relativieren haben. Ebenso ist das Prinzip der ,Verhöflichung‘ als Zivilisierungsprozess zu hinterfragen, wenn unter diesem eine Pazifizierung verstanden wird. Beispiele für durchgängige Gewalttaten lassen sich mühelos finden (Moraw). Einhergehend mit der These vom Untergang des Rittertums wurde der Begriff des ,Raubrittertums‘ problematisiert. Er wurde erstmals 1799 in einem Romantitel eines unbekannten Verfassers verwendet (Andermann) und gilt einem Phänomen, das dem Historiker Rätsel aufgibt (Görner). Beschreibungen dieser Erscheinung finden wir bereits im ,Helmbrecht‘ (um 1270) und bei Johannes Rothe (ca. 1415): In deßir bösin ritter ordin Gehorin di untogintlichin man, Di do struthin und ouch mordin … Wan sy sint wedir den cristin gloubin. Wetwen und weisin si allezcid machin, Sy nerin sich andirs nicht wan mit roubin Und mit andirn unerlichin sachin, (Johannes Rothe, Der Ritterspiegel, v. 925–936) (Zu dem Stand dieser schlechten Ritter gehören die tugendlosen Männer, die rauben und morden […] denn sie handeln gegen den christlichen Glauben. Sie
XXIV
Einleitung
machen allezeit Witwen und Waisen, sie ernähren sich durch nichts anderes als durch Raub und andere unehrliche Dinge, Übers. nach C. Huber u. P. Kalning).
Der terminus technicus ,Raubritter‘ ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zum einen ist er das Resultat einer Welt- und Geschichtsanschauung, die ein staatliches Gewaltmonopol voraussetzt (Ehmer), zum anderen integriert er unreflektiert den problematischen Begriff der ,Fehde‘, da das Mittelalter in seinen Quellen nicht zwischen Krieg (als öffentlichem Akt) und Fehde (als privatem Akt) differenzierte. Zudem ist eine Unterscheidung zwischen rechtmäßiger und unrechtmäßiger Fehde nicht nachzuvollziehen (Proksch). Dass bei Fehden die Bevölkerung zu Schaden kam, aber auch die Ritter ein hohes Risiko trugen, ist evident, was jedoch nicht zu Vorurteilen wie ,Sittenverfall‘ verleiten darf. Ebenso müssen generalisierende Aussagen über die Adelsverarmung im Spätmittelalter einer Revision unterzogen werden. Schaut man sich die Forschung zum Adel dieser Zeit an, beispielsweise über das Geschlecht derer von Hirschhorn (Lohmann), zu den Strukturen des Niederadels in Franken (Ulrichs), zu dem Geschlecht von Eyb (Krieb) oder die Untersuchung der Gruberfehde (Widmer), wird schwerlich eine generelle Adelsverarmung zu konstatieren sein. Demzufolge müssen auch Aussagen wie aus Georg Rüxners ThurnierBuch hinterfragt werden, die sich auf einen Adligen beziehen, der Kirchen, Clausen, Witwen oder Weisen beraubte, anstatt diese als ein Rittermässig Mann vor eben solchen Taten zu beschützen (XIIII, C ii, S. 37). Fazit Allgemein hat sich der Vorschlag Fleckensteins durchgesetzt, von einem engen und einem weiten Ritterbegriff auszugehen, wobei der enge innerhalb des weiten bestehen bleibt. Unter dem engen Begriff werden die seit dem 10./11. Jahrhundert als miles urkundlich bezeugten Freien und Unfreien in der mittleren Adelsschicht bis unterhalb des hohen Adels zusammengefasst. Seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts trat zu dieser Gruppe der hohe Adel bis zum Kaiser hinzu. Zahlreiche Gesamtdarstellungen versuchen aus Einzeluntersuchungen Erkenntnisse für ein ,Gesamtbild Ritter‘ zu erschließen (Keen, Fleckenstein, Bumke, Gies, Ehlers, Flori). Generalisierende Versuche um Entstehung sowie Ausbreitung des miles-Titels und einer angehenden Ritteridee sind jedoch umstritten, da regionale
Einleitung
XXV
und zeitliche Unterschiede notwendigerweise ausgeblendet bleiben müssen. Die Entwicklungen in Frankreich (Flori, Barthélemy) verliefen aber deutlich anders als etwa in England (Coss), Italien (Böninger) oder Deutschland (Fleckenstein, Zotz). Von der Forschung vielfach postuliert, selten definiert (Fleckenstein, Zotz, Bumke), mitunter als ,Kulturmodell‘ und ,Zivilisation‘ (Keupp, Fleckenstein, Jaeger, Cardini) missbraucht, firmiert unter den Schlagworten ,Ritter‘/,Chevalier‘ schließlich eine Vorstellung, die in der Romantik und weiteren modernen Mittelalterrenaissancen ihre wesentlichen Konturen erhielt. Peter Somogyi/Jürgen Wolf
QUELLEN Andreas Capellanus. Über die Liebe. Eingel., übers. u. mit Anm. vers. v. Fidel Raedle, Stuttgart 2006 (Bibl. der Mittellat. Lit. 1); Andreas. Königlicher Hofkapellan, Von der Liebe. Drei Bücher, übers. u. mit Anm. u. einem Nachw. v. Fritz Peter Knapp, Berlin/New York 2006. Bernhard von Clairvaux. Ad milites templi. De laude novae militiae. In: Bernhard von Clairvaux. Sämtliche Werke lat./dt., ed. v. Gerhard B. Winkler, Bd. 1, Innsbruck 1990, S. 257–326. Chrétien de Troyes. Cligès. Auf der Grundl. des Textes v. Wendelin Foerster übers. u. komm. v. Ingrid Kasten, Berlin/New York 2006. Die Gesta militum des Hugo von Mâcon. Ein bisher unbekanntes Werk der Erzählliteratur des Hochmittelalters, ed. v. Ewald Könsgen, 2 Bde. Leiden et al. 1990 (Mittellat. Studien und Texte 18.1 u. 2). Karl der Grosse von dem Stricker, ed. v. Karl Bartsch, Quedlinburg/ Leipzig 1857. Nachdr. mit einem Nachw. v. Dieter Kartschoke, Berlin 1965 (Bibl. der ges. deutschen National. 35). Georg Rüxner. Thurnier Buch. Faksimile Nachdr. der Ausg. v. 1566, ed. v. Karl R. Pawlas, Nürnberg 1964.
LITERATUR Literatur
Adel in der Frühneuzeit. Ein regionaler Vergleich, ed. v. Rudolf Endres, Köln/Wien 1991 (Bayreuther Hist. Kolloquien 5). Darin: Rudolf Endres: Die voigtländische Ritterschaft, S. 55–72; Hartmut Harnisch: Grundherrschaft oder Gutsherrschaft. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen des niederen Adels in Norddeutschland zwischen spätmittelalterlicher Agrarkrise und Dreißigjährigem Krieg, S. 73–98; Volker Press: Kaiser und Reichsritterschaft, S. 163–194.
Albrecht, Uwe: Der Adelssitz im Mittelalter. Studien zum Verhältnis von Architektur und Lebensform in Nord- und Westeuropa, München 1994. Althoff, Gerd: Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Friede und Fehde, Darmstadt 1997. Andermann, Ulrich: Ritterliche Gewalt und bürgerliche Selbstbehaup-
Literatur
XXVII
tung. Untersuchungen zur Kriminalisierung und Bekämpfung des spätmittelalterlichen Raubrittertums am Beispiel norddeutscher Hansestädte, Frankfurt a. M. et al. 1991 (Rechtshist. Reihe 91). Archäologie mittelalterlicher Burgen, Paderborn 2008 (Mitteil. der Dt. Gesell. für Archäologie des Mittelalters u. der Neuzeit 20). Artusrittertum im späten Mittelalter. Ethos und Ideologie. Vorträge des Symposiums der dt. Sektion der Intern. Artusgesellschaft 1983, ed. v. Friedrich Wolfzettel, Gießen 1984. Baeriswyl, Armand: Das Verhältnis von Stadt und Burg im archäologischen Blick. Überlegungen und Thesen an einigen Beispielen aus dem Südwesten des Alten Reiches. In: Mitteilungsblatt der Dt. Gesell. für Archäologie des Mittelalters u. der Neuzeit 20 (2008), S. 9–16. Barber, Malcolm: The new knighthood. A history of the Order of the Temple, Cambridge 1994. Barber, Malcolm: Die Templer. Geschichte und Mythos, Düsseldorf 2005. Barber, Richard u. Juliet Barker: Die Geschichte des Turniers, Düsseldorf 2001. Barbero, Alessandro: Noblesse et chevalerie en France au Moyen Age. Une réflexion. In: Moyen Age 97 (1991), S. 431–449. Barker, Juliet: The Tournament in England. 1100 –1400, Woodbridge 1986. Barthélemy, Dominique: Qu’est-ce que la chevalerie en France aux Xe et XIe siècles? In: Revue Historique 118 (1994), S. 15–74. Barthélemy, Dominique: Chevaliers et miracles. La violence et le sacré dans la société féodale, Paris 2004 (Collection les enjeux de l’histoire). Barthélemy, Dominique: La chevalerie. De la Germanie antique à la France du XIIe siècle, Paris 2007. Biller, Thomas: Die Adelsburg in Deutschland. Entstehung, Gestalt, Bedeutung, München 1998. Biller, Thomas u. G. Ulrich Grossmann: Burg und Schloss. Der Adelssitz im deutschsprachigen Raum, Regensburg 2002. Bode, Helmut: Hartmut XII. von Cronberg. Reichsritter der Reformationszeit, Frankfurt a. M. 1987. Böninger, Lorenz: Die Ritterwürde in Mittelitalien zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Mit einem Quellenanhang: Päpstliche Ritterernennungen 1417–1464, Berlin 1995. Boulton, D’A. J. D.: The Knights of the Crown. The monarchial Orders of Knighthood in later medieval Europe 1325 –1520, Woodbridge 1987. Brüggen, Elke: Kleidung und Mode in der höfischen Epik des 12. und 13. Jahrhunderts, Heidelberg 1989 (Beihefte zum Euphorion 23). Bumke, Joachim: Höfische Kultur, 2 Bde., München 1986.
XXVIII
Literatur
Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme. In: PBB 114 (1992), S. 414–492. Burg und Schloß als Lebensorte in Mittelalter und Renaissance, ed. v. Wilhelm G. Busse, Düsseldorf 1994 (Studia humaniora 26). Burgen der Salierzeit, ed. v. Horst Wolfgang Böhme, 2 Bde., Sigmaringen 1991/1992 (Monographien des RGZM 25 u. 26). Burgenbau im 13. Jahrhundert, ed. v. der Wartburg-Gesellschaft zur Erforschung von Burgen und Schlössern in Verbindung mit dem Germanischen Nationalmuseum, München et al. 2002 (Forsch. zu Burgen und Schlössern 7). Burgen im Spiegel der historischen Überlieferung, ed. v. Hermann Ehmer, Sigmaringen 1998 (Oberrhein. Studien 13). Darin: Alfons Zettler: Burgenbau und Zähringerherrschaft, S. 9–35; Die Burgen im Elsaß nach Schriftquellen, Baubefunden und Grabungen (Zusammenfassung), S. 37–39; Christofer Hermann: Burginventare in Süddeutschland und Tirol vom 14. bis zum 17. Jahrhundert, S. 77–104; Hermann Ehmer: Schadensinventare fränkischer Burgen aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts (Schweinberg 1437, Bartenstein 1443), S. 105–122; Mark Mersiowsky: Spätmittelalterliche Rechnungen als Quellen zur südwestdeutschen Burgengeschichte, S. 123–162; Karl-Heinz Spieß: Burgfrieden als Quellen für die politische und soziale Lage des spätmittelalterlichen Adels, S. 183–201.
Burg und Herrschaft. Ausstellungskatalog des DHM Berlin, ed. v. Rainer Atzbach et al., Berlin 2010. Campbell, Ian R.: Who are the ,Ritter‘ and ,Helde‘? Das ,Nibelungenlied‘ 861, 4; 865, 2; 869, 1. In: AbäG 46 (1996), S. 131–141. Cardini, Franco: Der Krieger und der Ritter. In: Der Mensch des Mittelalters, ed. v. Jacques Le Goff, Frankfurt a. M. 1989, S. 87–129. Coss, Peter: The Knight in Medieval England. 1000 –1400, Gloucestershire 1993. Crouch, David: Chivalry and Courtliness: Colliding Constructs. In: Soldiers, Nobles and Gentlemen. Essays in Honour of Maurice Keen, ed. v. Peter Coss u. Christopher Tyerman, Woodbridge 2009, S. 32–48. Curialitas. Studien zu Grundfragen der höfisch-ritterlichen Kultur, ed. v. Josef Fleckenstein, Göttingen 1990 (VMPIG 100). Darin: Paul Gerhard Schmidt: Curia und curialitas. Wort und Bedeutung im Spiegel der lateinischen Quellen, S. 15–26; Ulrich Mölk: Curia und curialitas. Wort und Bedeutung im Spiegel der romanischen Dichtung: Zu fr. cortois(ie)/ pr. cortes(ia) im 12. Jahrhundert, S. 27–38; Lutz Fenske: Der Knappe: Erziehung und Funktion, S. 55–127; Elsbet Orth: Formen und Funktionen der höfischen Rittererhebung, S. 128–170; Josef Fleckenstein: Miles und clericus am Königs- und Fürstenhof. Bemerkungen zu den Voraussetzungen, zur Entstehung und zur Trägerschaft der höfisch-ritterlichen Kultur, S. 302–325; Sabine Krüger: ,Verhöflichter Krieger‘ und miles illiteratus, S. 326–349; Thomas Szabó: Der mittelalterliche Hof zwischen Kritik und Idealisierung, S. 350–391;
Literatur
XXIX
Thomas Zotz: Urbanitas. Zur Bedeutung und Funktion einer antiken Wertvorstellung innerhalb der höfischen Kultur des hohen Mittelalters, S. 392–451.
Die Kraichgauer Ritterschaft in der frühen Neuzeit, ed. v. Stefan Rhein, Sigmaringen 1993 (Melanchthon-Schriften der Stadt Bretten 3). Darin: Kurt Andermann: Zu den Einkommensverhältnissen des Kraichgauer Adels an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, S. 65–122.
Dirscherl, Ulrike: Ritterliche Ideale in Chrétiens ,Yvain‘ und im mittelenglischen ,Ywain and Gawain‘. Von ,amour courtois‘ zu ,trew luf‘, vom ,frans chevaliers deboneire‘ zum ,man of mekyl myght‘, Frankfurt a. M. et al. 1991 (Sprache und Literatur 33). Ehlers, Joachim: Die Ritter. Geschichte und Kultur, München 2006 (Beck Wissen 2392). Erkens, Franz-Reiner: Militia und Ritterschaft. Reflexionen über die Entstehung des Rittertums. In: Historische Zeitschrift 258 (1994), S. 623–659. Fahrner, Rudolf: West-östliches Rittertum. Das ritterliche Menschenbild in der Dichtung des europäischen Mittelalters und der westlichen Welt, Graz 1994. Fenske, Lutz u. Ulrich Schwarz: Das Lehnsverzeichnis Graf Heinrichs I. von Regenstein 1212/1227. Gräfliche Herrschaft, Lehen und niederer Adel am Nordostharz, Göttingen 1990 (VMPIG 94). Fleckenstein, Josef: Die deutsche Ritterforschung im 19. Jahrhundert. In: Jb. des italienisch-deutschen hist. Instituts in Trient 1 (1988), S. 43–63. Fleckenstein, Josef: Vom Rittertum im Mittelalter. Perspektiven und Probleme, Goldbach 1997 (Bibliotheca Eruditorum 19). Fleckenstein, Josef: Rittertum und ritterliche Welt. Unter Mitwirkung von Thomas Zotz, Berlin 2002. Darin: Thomas Zotz: Ritterliche Welt und höfische Lebensform, S. 173–229. Flori, Jean: L’essor de la chevalerie, XIe–XIIe siècles, Genève/Droz 1986 (Travaux d’histoire éthico-politique 46). Flori, Jean: Chevalerie, noblesse et lutte de classe au Moyen Age. In: Le Moyen Age 94 (1988), S. 257–279. Flori, Jean: La chevalerie en France au Moyen Age (Que sais-je? 972), Paris 1995. Flori, Jean: Chevaliers et chevalerie au Moyen Age, Paris 1998. Fouquet, Gerhard: Ritterschaft, Hoch- und Domstift Speyer, Kurpfalz. Zu den Formen politischer, sozialer und wirtschaftlicher Verflechtung in einer spätmittelalterlichen Landschaft an Mittel- und Oberrhein. In: ZGO 137 (1989), S. 224–240. Gies, Frances: The Knight in History, London 1986. Görner, Regina: Raubritter. Untersuchungen zur Lage des spätmittelalterlichen Niederadels, besonders im südlichen Westfalen, Münster 1987 (Veröffentlichungen der Hist. Kommission für Westfalen 18).
XXX
Literatur
Göttert, Karl-Heinz: Die Ritter, Stuttgart 2011. Gottzmann, Carola L.: Deutsche Artusdichtung. Bd. 1: Rittertum, Minne, Ehe und Herrschertum. Die Artusepik der hochhöfischen Zeit, Frankfurt a. M. et al. 1986 (Information und Interpretation 2). Gravett, Christopher u. Geoff Dann: Ritter. Rüstungen und Waffen, Schlachten und Turniere, Hildesheim 1998 (Sehen, Staunen, Wissen). Großmann, Georg Ulrich: Burgen in Europa, Regensburg 2005. Hechberger, Werner: Adel, Ministerialität und Rittertum, München 2004 (Enzyklopädie deutscher Geschichte 72). Hechberger, Werner: Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter. Zur Anatomie eines Forschungsproblems, Ostfildern 2005 (Mittelalter-Forschungen 17). Herrschaft und Legitimation. Hochmittelalterlicher Adel in Südwestdeutschland. Erstes Symposium ,Adel, Ritter, Ritterschaft vom Hochmittelalter bis zum modernen Verfassungsstaat‘, ed. v. Sönke Lorenz u. Stephan Molitor, Leinfelden-Echterdingen 2002 (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 36). Hildebrandt, Reiner: rîter versus ritter? In: Studien zu Wolfram von Eschenbach (FS Werner Schröder), ed. v. Kurt Gärtner u. Joachim Heinzle, Tübingen 1989, S. 33–50. Hillenbrand, Eugen: Die Ortenauer Ritterschaft auf dem Weg zur Reichsritterschaft. In: ZGO 137 (1989), S. 241–257. Höfische Literatur, Hofgesellschaft, höfische Lebensformen um 1200. Kolloquium am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld, ed. v. Gert Kaiser u. Jan-Dirk Müller, Düsseldorf 1986 (Studia humaniora 6). Darin: Klaus Schreiner: ,Hof‘ (curia) und ,höfische Lebensführung‘ (vita curialis) als Herausforderung an die christliche Theologie und Frömmigkeit, S. 67–139; Peter Ganz: curialis/hövesch, S. 39–56.
Jackson, William Henry: Zum Verhältnis von ,ritter‘ und ,kneht‘ im 12. und 13. Jahrhundert. In: Ja muz ich sunder riuwe sin (FS Karl Stackmann), ed. v. Wolfgang Dinkelacker, Ludger Grenzmann u. Werner Höver, Göttingen 1990, S. 19–35. Jackson, William Henry: Aspects of knighthood in Hartmann’s adaption of Chrétien’s romances and in the social context. In: Chrétien de Troyes and the German Middle Ages. Papers from an international symposium, ed. v. Martin H. Jones u. Roy Wisbey, Cambridge/London 1993 (Arthurian studies 26), S. 37–55. Jaeger, C. Stephen: Die Entstehung höfischer Kultur. Vom höfischen Bischof zum höfischen Ritter, Berlin 2001 (Philolog. Studien und Quellen 167). Jagd und höfische Kultur im Mittelalter, ed. v. Werner Rösener, Göttingen 1997 (VMPIG 135).
Literatur
XXXI
Darin: Werner Rösener: Jagd, Rittertum und Fürstenhof im Hochmittelalter, S. 123–148; Karl-Heinz Spieß: Herrschaftliche Jagd und bäuerliche Bevölkerung im Mittelalter, S. 231–254.
Janse, Antheun: Ridderschap in Holland. Portret van een adellijke elite in de late Middeleeuwen, Hilversum 2001 (Adelsgeschiedenis 1). Kaeuper, Richard W.: Chivalry and the ,civilizing process‘. In: Violence in Medieval Society, ed. v. dems., Woodbridge 2000, S. 21–35. Kaeuper, Richard W.: Holy warriors. The religious ideology of chivalry, Philadelphia 2009. Kaiser Maximilian I. (1459 bis 1519) und die Hofkultur seiner Zeit. Interdisziplinäres Symposion Brixen, 26. bis 30. September 2007, ed. v. Sieglinde Hartmann u. Ulrich Müller, Wiesbaden 2009 (Jb. der Oswald von Wolkenstein-Gesellsch. 17). Kania, Karin: Kleidung im Mittelalter. Materialien – Konstruktion – Nähtechnik. Ein Handbuch, Köln et al. 2010. Kaufmann, Manfred: Fehde und Rechtshilfe. Die Verträge brandenburgischer Landesfürsten zur Bekämpfung des Raubrittertums im 15. und 16. Jahrhundert, Pfaffenweiler 1993 (Reihe Geschichtswiss. 33). Keen, Maurice: Das Rittertum, München et al. 1987. Keen, Maurice: Nobles, knights and men-at-arms in the Middle Ages, London et al. 1996. Kloska, André: ,miles‘ und ,bushi‘ – Gab es wirklich Ritter in Japan? Eine vergleichende Betrachtung der Kriegerschichten in Zentraleuropa und Japan im Rahmen des Feudalismus, München 2008. Knapp, Fritz Peter: Chevalier errant und fin’amor. Das Ritterideal des 13. Jahrhunderts in Nordfrankreich und im deutschsprachigen Raum, Passau 1986 (Schriften der Universität Passau 8). Knighthood of Christ. Essays on the history of the Crusades and the Knights Templar. Presented to Malcom Barber, ed. v. Norman Housley, Cornwall 2007. Krahe, Friedrich-Wilhelm: Burgen und Wohntürme des deutschen Mittelalters, Bd. 1: Burgen, Bd. 2: Wohntürme, Stuttgart 2002. Krieb, Steffen: Schriftlichkeit, Erinnerung und ritterschaftliche Identität: Die Herren von Eyb im 15. Jahrhundert. In: Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, ed. v. Werner Rösener, Göttingen 2000 (Formen der Erinnerung 8), S. 79–96. Krohn, Rüdiger: Zeugnisse des Niedergangs. Zum Wandel des Ritterbildes in der deutschen Märendichtung. In: Uf der mâze pfat (FS Werner Hoffmann), ed. v. Waltraud Fritsch-Rößler, Göppingen 1991 (GAG 555), S. 255–276. Kurras, Lotte: Ritter und Turniere. Ein höfisches Fest in Buchillustrationen des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Stuttgart/Zürich 2002.
XXXII
Literatur
Lehmann, Hans-Dieter: Der Beginn des Turnierwesens am deutschen Königshof. In: BDLG 130 (1994), S. 65–73. Lohmann, Eberhard: Die Herrschaft Hirschhorn. Studien zur Herrschaftsbildung eines Rittergeschlechts, Darmstadt/Marburg 1986 (Quellen und Forsch. zur hessisch. Geschichte 66). Meyer, Werner: Burgen, Pfalzen, Herrensitze. In: Mittelalterarchäologie in Zentraleuropa. Zum Wandel der Aufgaben und Zielsetzungen, ed. v. Günter P. Fehring u. Walter Sage, Köln 1995 (Zs. für Archäologie des Mittelalters 9), S. 27–36. Mittelstraß, Tilman: Die Ritter und Edelknechte von Hettingen, Hainstadt, Buchen und Dürn. Niederadelige Personengruppen in Bauland und Kraichgau, Buchen 1991 (Zwischen Neckar und Main 26). Mittler, Hubert: Prinz Eisenherz oder: Das Mittelalter in der Sprechblase. Das Bild von Ritter und Rittertum zwischen 1000 und 1200 in ausgewählten historisierenden Comics, Frankfurt a. M. et al. 2008 (Kinder- und Jugendkultur, -literatur und -medien 54). Moraw, Peter: Die Hoffeste Kaiser Friedrich Barbarossas von 1184 und 1188. In: Das Fest. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, ed. v. Uwe Schultz, München 1988, S. 70–83. Murray, Merit: Miles – Ritter – Chevalier. Zum Verständnis und Selbstverständnis des Rittertums in Mittel- und Westeuropa um 1200, Berlin 2001. Mythos Burg. Ausstellungskatalog des GNM Nürnberg, ed. v. G. Ulrich Grossmann, Dresden 2010. Neumann, Hans: Widersprüchlichkeit und Verschmelzung christlicher und kriegerischer Ideale in der Entstehung des Rittertums. In: ZGR 11–12 (2003), S. 202–212. Neumeyer, Martina: Vom Kriegshandwerk zum ritterlichen Theater. Das Turnier im mittelalterlichen Frankreich. Bonn 1998 (Abhandlungen zur Sprache und Literatur 89). Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa, ed. v. Otto Gerhard Oexle u. Werner Paravicini, Göttingen 1997 (VMPIG 133). Darin: Werner Paravicini: Interesse am Adel. Eine Einleitung, S. 9–25; Klaus Schreiner: Religiöse, historische und rechtliche Legitimation spätmittelalterlicher Adelsherrschaft, S. 376–430; Roger Sablonier: Schriftlichkeit, Adelsbesitz und adliges Handeln im 13. Jahrhundert, S. 67–98.
Papers from the first and second Strawberry Hill conferences, ed. v. Christopher Harper-Bill u. Ruth Harvey, Woodbridge 1986 (The Ideals and Practice of Medieval Knighthood 1). Darin: Richard Mortimer: Knights and Knighthood in Germany in the Central Middle Ages, S. 86–103.
Papers from the fourth Strawberry Hill conference 1988, ed. v. Christo-
Literatur
XXXIII
pher Harper-Bill u. Ruth Harvey, Woodbridge 1990 (The Ideals and Practice of Medieval Knighthood 3). Darin: William Henry Jackson: Knighthood and the Hohenstaufen Imperial Court under Frederick Barbarossa (1152–1190), S. 101–120.
Paravicini, Werner: Rittertum im Norden des Reiches. In: Nord und Süd in der deutschen Geschichte des Mittelalters, ed. v. dems., Sigmaringen 1990 (Kieler hist. Studien 34), S. 147–191. Paravicini, Werner: Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters, München 1994 (Enzykl. Deutscher Geschichte 32). Paravicini, Werner: Die Preußenreisen des europäischen Adels. Teil 1–2, Sigmaringen 1989 u. 1995 (Beihefte der Francia 17/1–2). Paravicini, Werner: Fahrende Ritter. Literarisches Bild und gelebte Wirklichkeit im Spätmittelalter. In: Mittelalterliche Menschenbilder, ed. v. Martina Neumeyer, Regensburg 2000 (Eichstätter Kolloquium 8), S. 205–254. Peschel-Rentsch, Dietmar: Pferdemänner. Sieben Essays über Sozialisation und ihre Wirkungen in mittelalterlicher Literatur, Erlangen 1998 (Erlanger Studien 117). Plassmann, Alheydis: Die Struktur des Hofes unter Friedrich I. Barbarossa nach den deutschen Zeugen seiner Urkunden, Hannover 1998 (Studien und Texte. MGH 20). Proksch, Constance: Die Auseinandersetzungen um den Austrag des Rechts zwischen Fürsten und Ritterschaft in Franken vom Ende des 14. Jahrhunderts. In: Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter. Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg, ed. v. Dieter Rödel u. Joachim Schneider, Wiesbaden 1996, S. 168–195. ,Raubritter‘ oder ,Rechtschaffene vom Adel‘? Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter, ed. v. Kurt Andermann, Sigmaringen 1997 (Oberrheinische Studien 14). Darin: Kurt Andermann: Raubritter – Raubfürsten – Raubbürger? Zur Kritik eines untauglichen Begriffs, S. 9–29; Ulrich Andermann: Kriminalisierung und Bekämpfung ritterlicher Gewalt am Beispiel norddeutscher Hansestädte, S. 151–166; Hermann Ehmer: Horneck von Hornberg. Raubritter oder Opfer fürstlicher Politik, S. 65–88; Gerhard Rechter: Wenn ihr nicht einen streich haltet, so müßt ihr mehr straich halten. Zum Verhältnis zwischen Niederadel und Städten in Franken, S. 133–150; Reinhard Seyboth: ,Raubritter‘ und Landesherren. Zum Problem territorialer Friedenswahrung im späten Mittelalter am Beispiel der Markgrafen von Ansbach-Kulmbach, S. 115–131.
Reitemeier, Arnd: Ritter, Königstreue, Diplomaten. Deutsche Ritter als Vertraute der englischen und deutschen Könige im 14./15. Jahrhundert. In: ZHF 24 (1997), S. 1–23. Remakel, Michèle: Rittertum zwischen Minne und Gral. Untersuchungen zum mittelhochdeutschen Prosa-Lancelot, Frankfurt a. M. 1995 (Mikrokosmos 42).
XXXIV
Literatur
Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland. Ein systematisches Verzeichnis, ed. v. Holger Kruse, Werner Paravicini u. Andreas Ranft, Frankfurt a. M. et al. 1991 (Kieler Werkstücke 1). Ritter-Rüstungen. Der eiserne Gast. Ein mittelalterliches Phänomen, ed. v. Dario Lanzardo. Dt. Ausg. von Rudolf H. Wackernagel, Köln 2003. Darin: Gillo Dorfles, Die Rüstung – Wirklichkeit und Utopie, S. 7–10.
Rittersitze. Facetten adligen Lebens im Alten Reich, ed. v. Kurt Andermann, Tübingen 2002 (Kraichtaler Kolloquien 3). Darin: Sigrid Schmitt: Zwischen frommer Stiftung, adliger Selbstdarstellung und standesgemäßer Versorgung. Sakralkultur im Umfeld von Rittersitzen, S. 11–44; Christine Reinle: Auf Spurensuche. Recherchen zu Bibliotheken der Ritterschaft im Süden und Südwesten des Alten Reiches, S. 71–110.
Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit, ed. v. Johannes Laudage u. Yvonne Leiverkus, Köln 2006 (Europ. Geschichtsdarstellungen 12). Darin: Johannes Laudage: Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit. Eine Einführung, S. 11–35; Ders.: Der Hof Friedrich Barbarossas. Eine Skizze, S. 75–92; Ders.: Rittertum und Rationalismus. Friedrich Barbarossa als Feldherr, S. 291–314; Theo Kölzer: Der Königshof im normannisch-staufischen Königreich Sizilien, S. 93–110; Werner Rösener: Die ritterlich-höfische Kultur des Hochmittelalters und ihre wirtschaftlichen Grundlagen, S. 111– 135; Alheydis Plassmann: Höfische Kultur in Frankreich. Die Sicht von außen, S. 146–169; Barbara Haupt: Der höfische Ritter in der mittelhochdeutschen Literatur, S. 170–192; Yvonne Leiverkus: Das äußere Erscheinungsbild des staufischen Ritters, S. 193–216; Jan Ulrich Keupp: Verhöflichte Krieger? Überlegungen zum ,Prozeß der Zivilisation‘ am stauferzeitlichen Hof, S. 217–246; Gerhard Lubich: ,Tugendadel‘. Überlegungen zur Verortung, Entwicklung und Entstehung ethischer Herrschaftsnormen der Stauferzeit, S. 247–290.
Ritterwelten im Spätmittelalter. Höfisch-ritterliche Kultur der Reichen Herzöge von Bayern-Landshut, ed. v. Franz Niehoff, Landshut 2009 (Schriften aus den Museen der Stadt Landshut 29). Rösener, Werner: Adel und Jagd. Die Bedeutung der Jagd im Kontext der adeligen Mentalität. In: La Chasse au Moyen Age: Société, traités, symboles, ed. v. Werner Paravicini, Agostino Bagliani u. Baudouin van den Abeele, Firenze 2000 (Micrologus’ library 5), S. 129–150. Rösener, Werner: Adel und Burg im Mittelalter. Fragen zum Verhältnis von Adel und Burg aus kulturhistorischer Sicht. In: ZGO 150 (2002), S. 91–111. Rupprecht, Klaus: Ritterschaftliche Herrschaftswahrung in Franken. Die Geschichte der von Guttenberg im Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit, Neustadt a. d. Aisch 1994 (Veröffentl. der Gesellschaft für fränk. Geschichte 42). Schwenk, Bernhard: Calatrava. Entstehung und Frühgeschichte eines spa-
Literatur
XXXV
nischen Ritterordens zisterziensischer Observanz im 12. Jahrhundert, Münster 1992 (Spanische Forschungen der Görres-Gesellschaft 28). Speck, Dieter: Die oberrheinische Ritterschaft und das Haus Habsburg vom 14.–16. Jahrhundert. In: ZGO 137 (1989), S. 203–223. Spieß, Karl-Heinz: Ständische Abgrenzung und soziale Differenzierung zwischen Hochadel und Ritteradel im Spätmittelalter. In: RhVjBll 56 (1992), S. 181–205. Spieß, Karl-Heinz: Burg und Herrschaft im 15. und 16. Jahrhundert. In: Landesgeschichte und Reichsgeschichte (FS Alois Gerlich), ed. v. Winfried Dotzauer et al. Stuttgart 1995 (Geschichte der Landeskunde 42), S. 195–212. Spieß, Karl-Heinz: Zum Gebrauch von Literatur im spätmittelalterlichen Adel. In: Kultureller Austausch und Literaturgeschichte im Mittelalter, ed. v. Ingrid Kasten, Werner Paravicini u. René Pérennec, Sigmaringen 1998 (Beihefte der Francia 43), S. 85–101. Stierle, Leopold: Die Herren von Wehingen. Ein schwäbisches Rittergeschlecht im Dienste der Grafen von Hohenberg, der Babenberger, König Ottokars II. von Böhmen und der Habsburger. Seine verschiedenen Zweige in Niederösterreich und Mähren, in Tirol und in der angestammten Heimat, Sigmaringen 1989. The Study of Chivalry. Resources and Approaches, ed. v. Howell Chickering u. Thomas H. Seiler, Kalamazoo 1988. Darin: Helmut Nickel: The Tournament. A Historical Sketch, S. 213–262; Bernard S. Bachrach: Caballus et Caballarius in Medieval Warfare, S. 173–212.
Thorau, Peter: Der Krieg und das Geld. Ritter und Söldner in den Heeren Kaiser Friedrichs II. In: HZ 268 (1999), S. 599–634. Ulrichs, Cord: Vom Lehnhof zur Reichsritterschaft. Strukturen des fränkischen Niederadels am Übergang vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit, Stuttgart 1997 (Vjs. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beiheft 134). Vogt, Dieter: Ritterbild und Ritterlehre in der lehrhaften Kleindichtung des Stricker und im sog. Seifried-Helbling, Frankfurt a. M. 1985 (EH 1.845). Weigl, Herwig: Materialien zur Geschichte des rittermäßigen Adels im südwestlichen Österreich unter der Enns im 13. und 14. Jahrhundert, Wien 1991. Wenzel, Horst: Exemplarisches Rittertum und Individualitätsgeschichte. Zur Doppelstruktur der ,Geschichten und Taten Wilwolls von Schaumburg‘ (1446–1510). In: Geschichtsbewußtsein in der deutschen Literatur des Mittelalters. Tübinger Colloquium, ed. v. Christoph Gerhard, Tübingen 1985 (Publications of the Institute of Germanic Studies 34), S. 162–174. Wenzel, Horst: Rittertum und Gender-Trouble im höfischen Roman
XXXVI
Literatur
(,Erec‘) und in der Märendichtung (,Beringer‘). In: Männlichkeit als Maskerade. Kulturelle Inszenierungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, ed. v. Claudia Benthien u. Inge Stephan, Köln 2003 (Literatur – Kultur – Geschlecht 18), S. 248–276. Widmer, Andreas: ,daz ein bub die eidgenossen angreif.‘ Eine Untersuchung zu Fehdewesen und Raubrittertum am Beispiel der GruberFehde (1390 –1430), Bern et al. 1995 (Geist und Werk der Zeiten 85). Wohlfeil, Rainer: Das Heerwesen im Übergang vom Ritter- zum Söldnerheer. In: Staatswerdung und Heeresverfassung in der europäischen Geschichte der frühen Neuzeit, ed. v. Johannes Kunisch, Berlin 1986, S. 107–128. Wolf, Jürgen: hövesch – Verwirrende Beobachtungen zur Genese der deutschen Hofkultur. In: Mittelhochdeutsch. Beiträge zur Überlieferung, Sprache und Literatur (FS Kurt Gärtner), ed. v. Ralf Plate u. Martin Schubert, Berlin/New York 2011, S. 356 – 374. Zettler, Alfons: Burgenbau und Zähringerherrschaft. In: Burgen im Spiegel der historischen Überlieferung, ed. v. Hermann Ehmer, Sigmaringen 1998 (Oberrhein. Studien 13), S. 9–35.
EINFÜHRUNG 'd(i nennest ritter: waz ist daz?'
(Wolfram von
Eschenbach, Parzival
123,4)
Der Ritter als Leitbild Aus der Konfrontation ererbter Lebensformen mit neuen Erfahrungen, Ansprüchen und Zielen sind im Mittelalter unter schiedliche Leitbilder hervorgegangen: Held, Mönch, Heiliger, Ritter. Held und Mönch stehen einander, zumal in ihren frühen Ausprägungen, am fernsten; eine in heidnisch-germanischen Wertvorstellungen wurzelnde Heroik weiß den Helden schicksal haft auf sich gestellt, handelnd -oft in tragischer Größe scheiternd - in die Welt verwickelt, während christliche Askese für den Mönch in der Loslösung von der Welt, als Eremit oder in der Ordensgemeinschaft des Klosterlebens, die Vorbedingung für ein Fortschreiten in Selbst- und Gotteserkenntnis sieht. Der anthro pozentrischen Immanenz des Heldenlebens steht die theozentri sche Transzendenz des Mönchslebens gegenüber. Heiliger und Ritter stehen einander insofern näher, als beide Leitbilder eine positive christliche Interpretation des Lebens in der Welt voraussetzen. Indiz für diese Nähe wird im Hochmittelalter, daß Merkmale der Heiligkeit auch an einem vorbildlichen Ritter leben - wie an Georg oder Willehalm - wahrgenommen werden konnten. Anderseits entwickelte sich innerhalb der Ritterkonzep tion eine Eigendynamik, die den Ritter durch ein weites Spektrum ethischer, religiöser, gesellschaftlicher und schließlich auch recht lich-sozialer Gehalte zum komplexesten unter den angesproche nen Leitbildern werden ließ. So bleibt von Fall zu Fall zu differen zieren, ob eine Qualifikation als Ritter die spezifisch christliche oder eher eine spezifisch höfische Ritterschaft akzentuieren will. Unser Frontispiz gegenüber der Titelseite macht augenfällig, daß in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts der Ritter (miles), hier ungerüstet und mit jagdlichen Attributen als höfischer Ritter dargestellt, dem Geistlichen (clericus) nicht im Widerspruch oder im Rangstreit entgegengestellt ist. Weltgeistlicher und Ritter gel ten hier - was nicht immer selbstverständlich war - als legitime
Einführung
2
Verkörperungen je einer der beiden idealtypischen Grundformen christlicher Lebensführung, vita contemplativa und vita activa, ohne daß dabei, wie sonst eher die Regel, der prinzipielle Vorrang des Lebens in der Betrachtung göttlichen Wirkens und ewiger Wahrheiten zugleich mit zum Thema gemacht würde. Beide, cle ricus und mi/es, können aus ihrem bisherigen Weltleben einander ergänzende Erfahrungen und Erträge, von der Gottesliebe inspi rierte Gedanken (sanctae cogitationes) und gute Werke (bona opera) als Frucht der vita contemplativa und activa, schon mit ein bringen, wenn sie sich in ein reguliertes Mönchsleben zurückzie hen. Verbildlicht als Taube und Falke finden sie - mit von der Regel gebundenen Füßen- gemeinsam auf derselben Stange, die nun hoch über der Erde angebracht ist, ihren Platz. Leitbilder entstehen selten genug schlicht als Abbilder einer schon verwirklichten Lebenspraxis und dürfen daher auch nicht a posteriori ohne weiteres mit der Lebenswirklichkeit der gegebe nen Epoche in eins gesetzt oder gar verwechselt werden. Solcher Gefahr ist die frühe Ritterforschung, die enthusiastische wie die positivistisch-nüchterne, nicht entgangen. Inzwischen wird deutli cher gesehen, daß hinter den Erscheinungen des Rittertums als wichtigster Impuls eine Erziehungsidee zu suchen ist, ein pro grammatischer Entwurf zur ethischen Sublimierung auch des adli gen Kriegerturns und seiner Dienstbindungen. Insofern wohnt der Ritteridee ein Appell zur Integration in realpolitische Notwendig keiten der Bewährung inne; sie antwortet auf konkrete historisch politische Konstellationen, indem sie etwa, wie sonst die Fürsten und Regentenspiegel, auf Probleme der Herrschaftspraxis zielt. Das Leitbild ritterlichen Lebens ist seit dem 12. Jahrhundert durch die Literatur artikuliert, vermittelt und ausgebreitet wor den, und zwar in einer erstaunlichen Vielfalt unterschiedlichster Formen und Gattungen. Dementsprechend ist auf die Kenntnis dieser Texte angewiesen, wer die Grundlagen, die Konstanz und die Wandlungen, aber auch die vielschichtigen Übertragungsmög lichkeiten,
die
Wirkungen
und
'Nebenwirkungen'
Geschichte der Ritteridee verfolgen möchte.
in
der
Die vorgelegte
Anthologie versucht, den Beitrag der deutschen Literatur zur gesamteuropäischen Erscheinung des Rittertums zu dokumentie ren. Das Ausschnitthafte ist das Kreuz und die Chance jeder Anthologie - einer falschen Isolierung beugen die beigegebenen Kontextskizzen und Kommentare und das insgesamt farben- und facettenreichere Mosaik der Texte vor, das durch die Berücksich-
Einführung
3
tigung eines breiten Gattungsspektrums zustande kam. Zu erfas sen waren nicht nur die zentralen Texte aus der ritterlich-höfi schen Epik und der Spruch- und Lehrdichtung, sondern auch manches Entlegene und bisher wenig Wahrgenommene aus Chro nistik, Legende, Biographie und Drama bis hin zur programmati schen Sachliteratur und zum illustrierten Flugblatt. Der notwendi gen Einschränkung wurde Tribut gezollt, indem neben den Ritter orden auch die Kreuzzugsthematik und der Minnedienst nur implizit oder mit Einzeltexten, nicht aber in eigenen systemati schen Kapiteln Aufnahme fanden.* Leitbilder binden sich an eine eigene, Wertvorstellungen ver mittelnde Terminologie. In der deutschen Literatur setzen sich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ritedritter und ritter schaft als qualifizierende Leitbegriffe im Sinne der Ritteridee durch. Zuvor tritt die Bezeichnung riterselten auf und meint meist wertneutral den zu Pferde kämpfenden gepanzerten Krieger, überwiegend in dienender Position, erst in Einzelfällen in höher stehendem Adelsrang. Um 1170 meidet der Pfaffe Konrad in sei ner Legendendichtung von Karl dem Großen und Roland noch die Bezeichnung Titerfür die höchsten christlichen Fürsten, wenn er die dem Ideal des mi/es Dei entsprechenden Kämpfer gotes helede oder gotes degene nennt; für die Kampfesweise der Hei denherrscher wählt er dagegen auch das qualifizierende Adjektiv riterlich. Letzteres emanzipiert sich zur gleichen Zeit als erstes aus dem militärischen Zusammenhang, wo etwa in einer Personenbe schreibung die jüngere Bearbeitung in Lamprechts Alexander dichtung das Adverb sc6ne ('schön') durch ritterliche (V. 174) ersetzt. Nachdem um 1180 in Hartmanns Erec ritter und ritter schaft die alles überstrahlende höfische Ritterwürde benennen, die gerade auch von den höchsten Adeligen angestrebt wird, wer den fast überall in der deutschen Erzähldichtung, selbst im Nibe lungenlied als der Fortsetzung des alten heldenepischen Genres, die früheren Heldenbezeichnungen degen, helt, recke, wigant mehr und mehr durch den auszeichnenden ritter-Titel verdrängt.
*
Näheres zu diesen Themenbereichen bieten der Sammelband: Die
geistlichen Ritterorden Europas, hg.
Josef
Fl ec k enstei n Manfred Hell ,
mann, Sigmaringen 1980, sowie die Anthologien: Kreuzzugsdichtung, hg. Ulrich Müller, 2. Autl., Tübingen 1979 ter. Texte und Zeugnisse,
hg
.
(Deutsche Texte 9);
Mittelal
Helmut de Boor, 2 Bdc., München 1965
(Die deutsche Literatur. Texte und Zeugnisse
1),
bes. S. 1775-1817.
– Gerd Althoff, Nunc fiant Christi milites, qui dudum extiterunt raptores. Zur Entstehung von Rittertum und Ritterethos, Saeculum 32 (1981), 317–333; Joachim Bumke, Studien zum Ritterbegriff im 12. und 13. Jahrhundert, 2. Aufl., Heidelberg 1977 (Beih. zum Euphorion 1); ders., Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, Bd. 1–2, München 1986; Josef Fleckenstein, Über Ritter und Rittertum. Zur Erforschung einer mittelalterlichen Lebensform, in: Mittelalterforschung. Forschung und Information, hg. R. Kurzrock, Berlin 1981, S. 104–114; Linda Paterson, Knights and the Concept of Knighthood in the Twelfth-Century Occitan Epic, in: Knighthood in Medieval Literature, hg. William Henry Jackson, Woodbridge 1981, S. 23–38.
Einführung
5
aus, daß ein König seinen Titel rex, benannt a regendo, nur solange zu Recht führe, wie er sein Amt richtig
(IX,3,4).
( recte)
ausübt
Im gleichen Kapitel erklärt er zu mi/es ('Kämpfer',
zumeist 'Fußsoldat'): Mi/es dictus q uia mi/Je erant ante in numero uno ue/ quia unus est ex mi/Je electus (3,32). Diese lateinischen Etymologien werden von deutschsprachigen Texten wie selbstver ständlich auch für den rfter-Begriff in Anspruch genommen, in Übersetzung heranzitiert zur Tradierung des ererbten Wissensbe sitzes, aber auch zur gegenwartsbezogenen Neuakzentuierung, etwa im Hinblick auf den Gedanken der Erwählung. Neben die Etymologieübersetzungen traten wie für keiser, künec, vürste auch fürritteretymologisierende Erklärungen mit Hilfe verwandt klingenden Sprachmaterials aus der deutschen Sprache. An diesen ohne das Korrektiv gesicherter sprachwissen schaftlicher Gesetze operierenden Etymologien sollte nicht pri mär interessieren, ob sie sprachgeschichtlich 'richtig' (zu riten 'rei ten') oder 'falsch' (zu retten) sind. Seit der Mitte des 12. Jahrhun derts wird weniger die Rückführung auf ein Ursprungswort oder Benennungsmotiv, vielmehr die Erläuterung
( expositio)
eines
Wortes angestrebt, die sich als Zugriff auf einen charakteristi schen Wesenszug der bezeichneten Sache bewährt, sofern es gelingt, die Korrespondenz einer Lautverwandtschaft als Sinnver wandtschaft zu eruieren. Im Feld der Ämteretymologien rückt dabei das Werthaltige eines Begriffes, das wesensgemäß Richtige einer Eigenschaft oder eines Verhaltens noch stärker in den Vor dergrund, wie exemplarisch die 'Etymologie' von presbyter 'Prie ster' bei Honorius Augustodunensis demonstrieren kann: Das Wort wird, wie in längerer Tradition auch schon pontifex ('richtig' zu pontem facere gestellt) als Kompositum aufgefaßt: presbyter enim dicitur praebens iter, 'Wegweiser für das Volk aus dem Exil dieser Welt ad patriam coelestis regni'. Solch weites Etymologieverständnis umfaßt auch Verfahrens weisen, die die einzelnen Buchstaben eines Wortes aus den Anfangsbuchstaben eines Satzes oder einer Reihe von Eigen schaften hervorgehen lassen, damit der ausgelegte Begriff als Summe werthaltiger virtutes oder Ansprüche erkannt werde. Gerade das spekulative Element der etymologisierenden Ansätze erlaubt daher guten Einblick auch in das Ämterverständnis dieser Zeit, da das Ergebnis sich an allgemeinen oder kirchlich propa gierten Vorstellungen über die idealen Aufgaben und Inhalte die ser Funktionen messen lassen mußte.
Einführung
6
- Roswitha KLINCK, Die lateinische Etymologie des Mittelalters, Mün chen 1970
( MAe
17); Uwe RuBERG, Verfahren und Funktionen des
Etymologisierens in der mittelhochdeutschen Literatur, in: Verbum et signum. Beiträge zur mediävistischen Bedeutungsforschung. Fs. Fricd rich Ohly, hg. Hans Fromm u.a., München 1975, Bd. 1, S. 295-330; Willy SANDERS, Grundzüge und Wandlungen der Etymologie, WW 17 (1967), 361-384.
Legitimation aus historischer Herleitung Sobald Lebensformen und ihre Organisation den ideellen und praktischen Charakter einer Institution annahmen, regte sich im Mittelalter vielfach ein Bedürfnis, sie nachträglich mit zusätzli cher Legitimation auszustatten, indem man sie auf Gründer oder Vorbilder in der frühen Zivilisationsgeschichte zurückführte. Was sich in entsprechenden Gründungssagen als Rekonstruktion eines zielgerichteten Geschichtsverlaufes ausnimmt, entspringt dem Wunsch, den Anspruch der eigenen gegenwärtigen Lebensform in der Deszendenz und damit auch im Prestige einer verbürgten frü heren geschichtsmächtigen Leistung zu wissen. Damit das Gegen wärtige als Station in der Abfolge universaler Geschichtsverläufe erkennbar wird, projiziert man das eigene Selbstverständnis in die historische Vergangenheit und interpretiert sie aus den Denkfor men und Ideen der eigenen Lebenswelt. Die stärksten Magneten für die Anknüpfung historischer Her leitungen waren und blieben im Mittelalter die griechisch-römi sche Antike und die biblisch-christliche Geschichte. Konvergenz punkt der meisten Ursprungssagen für europäische Völkerschaf ten, Imperien und Dynastien wurde ihre postulierte Abstammung von den Trojanern; Vergil hatte in seiner Aeneis Ursprünge und Aufstieg Roms als Konsequenz des Unterganges Trojas und als Tat der überlebenden Trojaner mustergebend gestaltet. Wie die entsprechenden westeuropäischen Abstammungssagen zeigen, wird die Verknüpfung oft über eine Namenetymologie herge stellt: Seit der Fredegar-Chronik des 7. Jahrhunderts gilt als Spit zenahn der Franken König Frank(i)us, ein Nachfolger des Pria mus; in Geoffreys von Monmouth Historia regum Britanniae (1139), die den Grund für die literarische Rolle des Königs Artus legt, wird das britische Reich von Brutus, einem Urenkel des Tro janers Aeneas, begründet. So war es nur konsequent und stand der Ritterkonzeption wohl an, daß auch ihre Geburtsstunde in den Kämpfen vor Troja erblickt wurde. Da die Idee der Ritter-
Einführung
7
schaft sich nur im Zusammenwirken mit der jeweils ethisch stärk sten Geschichtsmacht entfalten konnte, habe sie eine Westwande rung über Griechenland und das Rom Cäsars bis zum Franken reich Karls des Großen vollzogen. Im 12. Jahrhundert waren der antiken Geschichtsdeutung vertraute Translationsvorstellungen in Bezug auf die drei Weltämter sacerdotium, imperiumund stu dium aktualisiert worden. Hier gliedert sich selbstbewußt ein Geschichtsentwurf für die Ritterschaft ein: Nicht nur mit der poli tischen Herrschaft, sondern auch mit den Wissenschaften ver schwistert, nimmt sie dank der translatio-Ausbreitung den glei chen Stationenweg durch die Zeiten wie diese anderen beiden Kulturmächte, hat Anteil an ihren Blütezeiten, muß anderseits mit sich selbst identisch bleiben, um nicht allgemeinem kulturel len Verfall mit anheimzufallen und ihn mit zu verschulden. Eine Herleitung des Rittertums aus dem Alten Testament ver hieß den Vorzug des höheren Alters, vor allem aber eine Legiti mation eigener Qualität, weil sich die Ritteridee von Anfang an innerhalb der Heilsgeschichte verwirklicht habe. In Erörterungen über den Ursprung von Herrschaft und Unfreiheit wurde Noahs Sohn Japhet das Prädikat des ersten Ritters beigelegt. Eine mehr gliedrige alttestamentliche Rittergenealogie wurde schließlich bis ins Passionsgeschehen des Neuen Testaments zu Joseph von Ari mathia geführt, der dann seinerseits in verschiedenen Grallegen den zum Begründer des Gralrittertums werden sollte. Die Textzeugnisse der Anthologie sperren sich gegen eine ver fälschende Vereinfachung 'Herleitung aus der Antike: höfisches Rittertum'-' Herleitung aus der biblischen Geschichte: geistliches Rittertum'. Gerade der erhebliche Rest, ohne den diese Glei chungen nicht aufgehen, wird Interesse und Interpretation auf sich ziehen. Die wechselnde Einschätzung der verschiedenen frü hen Repräsentanten des Rittertums läßt rivalisierende Ansprüche und 'Richtungsstreit' erkennen. Anderseits kommt seit Anfang des 14. Jahrhunderts von Frankreich aus ein Syntheseversuch auf, der in kanonische Formen einmündet. Im Konzept der '9 Besten' oder '9 guten Helden' werden, numerisch ausgewogen, als Vor läufer und Vorbilder der Ritterschaft drei Exponenten der heidni schen Antike (der Trojaner Hector, Alexander der Große, Julius Cäsar), drei jüdische Feldherren (Josua, David, Judas Makka bäus) und drei christliche Herrscher (König Artus, Karl der Große, Gottfried von Bouillon) zusammengefaßt. Der Kanon der '9 Besten' war im einzelnen variations- und erweiterungsfähig.
Einführung
8
Damit deutet sich bereits an, daß sich auch im späteren Mittelalter die Frage nach graduell unterschiedlichen Bewertungen der ver schiedenen Epochen der Ritterschaftsgeschichte nicht erledigt hat. Für das ritterliche Selbstverständnis ist es nicht einerlei, ob Kontinuität einer Lebensform und damit Ansporn zur Nachfolge
( imitatio)
oder Steigerung und Erfüllung einer alten Form aus
neuem, christlich geprägtem Geist ihm die Feder führen. - Francis G. GENTRY, 'Ex oriente Iux'. 'Translatio' theory in early MHG literature, in: Spectrum medii aevi. Fs. George Fenwick Jones, hg. Wil liam C. McDonald, Göppingen 1983 (GAG 362), S. 119-139; Werncr GoEz, Translatio imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichts denkens und der politischen Ideen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958; Anneliese GRAU, Der Gedanke der Herkunft in der deutschen Geschichtsschreibung des Mittelalters, Würzburg 1938; Frantisek GRAUS, Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter, Köln/Wien 1975; Kari-Josef HöLTGEN, Die Nine Worthies, Anglia 77 (1959), 279-309; Horst ScHRÖDER, Der Topos der Nine Worthies in Literatur und bilden der Kunst, Göttingen 1971;
Franz-Josef WoRSTBROCK, Translatio
artium. Über die Herkunft und Entwicklung einer Kulturtheorie, AfK 47 (1965), 1-22.
Einordnung in die Gesellschaft
Ü ber
Eingrenzungen und wertende Gliederungen innerhalb
einer Gesellschaft geben ihre Ordnungsmodelle Auskunft. In ihnen vereinigen sich die realen Gegebenheiten mit den Denk möglichkeiten der Zeit zu einer systematischen Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen. Mit Hilfe des ordo- Begriffs
- das weite
Verwendungsspektrum reicht
von der Weltordnung bis zum Aufbau des Gottesdienstes- hat das Mittelalter versucht, sich seiner grundlegenden Strukturen zu ver gewissern. Erste frühe
Überlegungen zum gesellschaftlichen ordo
begründeten die für das christliche Abendland charakteristische Gliederung in weltliche und geistliche Lebensformen, in ordo lai
corum und ordo clericorum. Letzterer umschloß die gesamte Hierarchie der geistlichen Stände, der ordo laicorum die der welt lichen. Dieser Zweiteilung tritt im 10. Jahrhundert eine Dreiteilung zur Seite, die die immer deutlicher werdende gesellschaftliche Diffe renzierung unter funktionalen Gesichtspunkten erfaßt. Seit die
Einführung
9
Karolinger ihre Kriegstaktik auf Reiterkämpfer gegründet hatten, denen sie durch die Vergabe von Lehen den Lebensunterhalt sicherten, hatten sich innerhalb des ordo Jaicorum die Aufgaben bereiche Arbeit und Kampf weit auseinanderentwickelt. Die neuen Kampftechniken verlangten ständige
Ü bung und teure
Ausrüstung, und die von der Kirche herangetragene militia-Ideo logie, die die nun deutlich vom Fußvolk getrennten Reiterkämp fer auf die Kreuzzüge und in Friedenszeiten auf die wichtigen Schutzaufgaben verpflichtete, ließ eine Untergliederung des ordo Jaicorum in den ordo der bellatores und den der Iabaratores sinn voll erscheinen; im ordo der oratores blieben die Kleriker und Mönche zusammengeschlossen. Als Wehr-, Nähr- und Lehrstand, ein ursprünglich platonischer Gedanke, behält diese Teilung im ganzen Mittelalter Gültigkeit. In diesem funktionalen Sinne bilden die Ritter eine geschlos sene,
hierarchisch-geburtsständische
Unterschiede
überbrük
kende Gruppe, in der sich Hochadel und Ministerialität bei der Erfüllung gleicher Aufgaben vereinigen, eine Art Genossenschaft mit eigener Ethik, eigener Dienstideologie, eigenen Riten und eigener Kulturwelt. Ein einheitlicher rechtlicher Status oder ein einheitlicher sozialer Stand waren damit nicht begründet. Um 1200, beginnend mit Hartmanns Erec, werden für Herrscher und Ministeriale die höfische Ideologie und der höfische Lebensstil zum gemeinsamen Leitbild gesetzt, 'ritterlich' und 'höfisch' sind nahezu synonym. Die Kultur des Hofes, an deren Formulierung die Literatur wesentlich beteiligt ist, führt die Stände zusammen, ohne die sozialen, rechtlichen und politischen Standesgrenzen zu nivellieren. Mit dem Ende der höfischen Klassik und dem Scheitern der Kreuzzüge löst sich diese kulturelle Gemeinschaft auf. Der bis dahin integrierende Ritter-Begriff wird frei für ständische Diffe renzierung. In der Mitte des 13. Jahrhunderts begegnet er als Posi tionsbestimmung in der gesellschaftlichen Hierarchie. Der Ritter schaft wird die unterste Position in der Heerschildordnung zuge wiesen, die nur die passive Lehnsnahme zuläßt. Von nun an ste hen der ständisch qualifizierende und der ethisch-kulturell qualifi zierende Ritterbegriff, der vor allem in der Literatur weitergetra gen wird, nebeneinander. In der Institution des freien Reichsrit ters erhält sich der ständisch ausgerichtete Terminus bis ins 19. Jahrhundert, während der ethische in der sogenannten Ritterre naissance, die in -Kaiser Maximilian I., dem 'letzten Ritter', einen
Einführung
10
Kristallisationspunkt fand, zu einer späten Blüte gelangte und den Grundstein für den bis heute überlebenden Begriff 'Ritterlichkeit' legte. - Georges DuBY, Die drei Ordnungen. Das Weltbild des Feudalismus, Frankfurt a. M. 1981; Josef FLECKENSTEIN, Die Entstehung des niede ren Adels und das Rittertum, in: Herrschaft und Stand. Untersuchun gen zur Sozialgeschichte im 13. Jahrhundert, hg. J. Fleckenstein, Göt tingen 1977 (VeröffentliChungen des Max-Planck-Inst. für Geschichte 51), S. 17-39; Gert KAISER, Der Ritter in der deutschen Literatur des hohen Mittelalters, in: Das Ritterbild in Mittelalter und Renaissance, hg. Forschungsinstitut für Mittelalter und Renaissance, Düsscldorf 1985 (Studia humaniora 1), S. 37-50; Otto Gerhard OEXLE, Tria genera hominum. Zur Geschichte eines Deutungsschemas der sozialen Wirk lichkeit in Antike und Mittelalter, in: [nstitutionen, Kultur und Gesell schaft im Mittelalter. Fs. Josef Fleckenstein, hg. Lutz Fenske u. a. , Sig maringen 1984, S. 483-500; Ursula PETERS, Artusroman und Fürsten hof. Darstellung und Kritik neuerer sozialgeschichtlicher Arbeiten zu Hartmanns 'Erec', Euphorion 69 (1975), 175-196; Hans-Georg REU TER, Die Lehre vom Ritterstand. Zum Ritterbegriff in Historiographie
und Dichtung vom 11. bis zum 13. Jahrhundert, 2. Aufl., Köln/Wien 1975; Werner RösENER, Bauer und Ritter im Hochmittelalter. Aspekte ihrer Lebensform, Standesbildung und sozialen Differenzierung im 12. und 13. Jahrhundert, in: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mit telalter. Fs. Josef Fleckenstein, hg. Lutz Fenske u. a., Sigmaringen 1984, S. 665-692; Werner ScHRÖDER, Zum 'ritter'-Bild der frühmittel hochdeutschen Dichter, GRM 53 (1972), 333-351; s. auch die Beiträge in: Soziale Ordnungen im Selbstverständnis des Mittelalters, hg. Albert Zimmermann, Berlin/New York 1979-80 (Miscellanea mediae valia 12).
Jugend und ritterliche Erziehung Nach Ausweis der historischen Quellen konzentrierte sich die Erziehung des adligen Jugendlichen auf die Waffenausbildung durch den Vater oder einen von ihm beauftragten Waffenmeister und die Unterweisung in höfischen Umgangsformen, zu der der Heranwachsende als Knappe an einen befreundeten Hof vermit telt wurde. Musische und intellektuelle Fähigkeiten wurden selten beachtet, allenfalls Sprachkenntnisse. Die Dichter bauen darauf auf, zeichnen aber sehr viel differenziertere Bilder, aus denen sich -teils nur in Ansätzen, teils systematisch ausformuliert- die Idee einer ritterlichen Kultur als umfassendes Erziehungsprogramm
Einführung
11
ablesen läßt. Bezeichnenderweise spricht der Begriff zuht sowohl den Weg als auch das erreichte Ziel der Erziehung an. Zu den immer wiederkehrenden Grundzügen literarischer Erziehungsbeschreibungen und -lehren gehört die Gliederung in verschiedene Phasen mit wechselnden Erziehern und die Unter teilung in Waffenübung, höfischen Anstand, schulische Bildung und Lebensregeln allgemeiner Art; hier und da werden auch Rat schläge für den konkreten Lebensalltag gegeben. Sportliche Betä tigung trainiert Kraft und Geschick, Reiten und der Umgang mit dem Schwert, Schild und Lanze die spezifisch ritterliche Kampf tüchtigkeit. Ergänzt werden Verhaltensanweisungen und ethische Normen, die den ritterlichen Kampf reglementieren und kultivie ren. Wird eine schulische Bildung einbezogen, so folgt sie in der Regel dem aus der Antike ererbten System der septem artes libe rales, in dem das propädeutische Wissen der Grammatik, Rheto rik und Dialektik, der Musik ( theorie ) , Arithmetik, Geometrie und Astronomie gesammelt ist. Der zukünftige Herrscher wird zudem mit den Prinzipien der Jurisdiktion und ersten Einführun gen in kluges politisches Handeln vertraut gemacht. Ungleich stärker gewichtet ist die Vorbereitung auf das Leben am Hof. Höfische Umgangsformen, Hofieren der Damen, wohlgesetztes Sprechen und kultivierte Tischsitten bilden die Grundvorausset zungen, Tanzen, Musizieren, Singen, auch Dichten, verschiedene Spiele ( besonders beliebt ist das Schachspiel ) und die unterschied lichen Techniken der Jagd qualifizieren für die höfische Lebens weise. Die Fähigkeiten und Fertigkeiten ergänzt ein Tugendkata log, in dessen Zentrum die Werte triuwe und maze andauernde ere, d.h. Ansehen in der Gesellschaft, begründen. In dieser Aus
gestaltung der Erziehung zu einem allseitigen Bildungsprogramm, dessen Schwerpunkt im Gesellschaftlichen liegt, formuliert die höfisch-ritterliche Kultur ihr Leitbild. Lediglich die Lehrdichter können ihr Ideal von zuht in der skiz zierten umfassenden Form vorstellen; die Autoren erzählender Werke müssen ihre Beschreibungen der Kindheitsphase auf den späteren Lebensweg ihrer Protagonisten, deren Aufgaben und Konflikte abstimmen.
Der Welteroberer und Weltherrscher
Alexander bedarf einer anderen Ausbildung als Tristan, dessen Lebensweg entscheidend von der perfekten Beherrschung der höfischen Kultur abhängt. Für die didaktische Vermittlung der Erziehung, über die in eini gen Lehrdichtungen nachgedacht wird, spielen innerhalb der Lite-
Einführung
12
ratur das Lernen durch Nachahmung, die verbale Unterweisung und das Einüben ritterlicher und höfischer Fertigkeiten unter Anleitung eine besondere Rolle. Daher werden literarische und historische Figuren häufig in ihrer exemplarischen Vorbildlichkeit akzentuiert, und der Lehrmonolog,
in dem eine Autorität,
manchmal der Vater, dem Schüler in einer systematisch aufgebau ten, in sich geschlossenen Rede eine Lebenslehre gibt, ist nicht nur in der Lehrdichtung verbreitet, sondern auch in größeren epi schen Werken anzutreffen; er kann zum Lehrdialog, in dem der Schüler fragend zu Wort kommt, ausgebaut werden. Seltener ist die Konfrontation des Jugendlichen mit Erfahrungssituationen als didaktisches Prinzip anzutreffen. Sie benötigt zur Darstellung grö ßere epische Formen, die es ermöglichen, den jungen Protagoni sten in Situationen zu stellen, die von ihm eine Entscheidung oder ein bestimmtes Verhalten fordern, dessen Erfolg oder Mißerfolg, Anerkennung oder Verurteilung durch die Autoritäten den Lern prozeß steuern. Die Behandlung des Themas Jugend und Erziehung in der Lite ratur spiegelt in Form und Inhalt weniger realhistorische Gege benheiten als vielmehr die idealtypischen Grundwerte, Verhal tensweisen und Lebenseinstellungen höfischer Ideologie; in der Beschreibung der Erziehung zum höfischen Ritter findet die Lite ratur eine Möglichkeit, den höfischen Ritter zu entwerfen. - Philippe ARIES, Geschichte der Kindheit. München 1978; Klaus ARNOLD, Kind und Gesellschaft in Mittelalter und Renaissance, Pader born/München 1980 (Sammlung Zebra B 2); Artes liberales. Von der antiken Bildung zur Wissenschaft des Mittelalters, hg. Josef Koch, 2. Auf!., Leiden/Köln 1976 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelaltcrs 5); Lactitia BoEHM, Art.: Erziehungs- und Bildungswesen, in: LdM, Bd. 3, Sp. 2196-2208; Madeleine Pclncr CoSMAN, Thc Educa tion of the Hero in Arthuri an Romance, Chapel Hili 1965; Joscf
DoLen, Lehrplan des Abendlandes. Zweieinhalb Jahrtausende seiner Geschichte, 3. Auf!., Ratingen 1971, bcs. S. 99-155; H. FEILZER, Jugend in der mittelalterlichen Ständegesellschaft. Ein Beitrag zum Problem der Generationen, Wien 1971 (Wiener Beiträge zur Theologie 36); Gunhild und Uwe PöRKSEN, D ie 'Geburt' des Helden in mittel hochdeutschen Epen und epischen Stoffen des Mittelalters, Euphorion 74 (1980), 257-286.
Einführung
13
Schwertleite und Ritterschlag Nach der vorbereitenden 'Ausbildung' ist die Erhebung in den Ritter-Status nicht auf ein bestimmtes Lebensalter festgelegt oder beschränkt. Jugendlichen Knappen wurde die Ritterwürde den verschiedenen Quellen zufolge in der Regel zwischen ihrem 14. und 18. Lebensjahr zuerkannt. Oft ist der Eintritt in die erstrebte neue Lebensform durch ein besonderes Zeremoniell, Schwert leite und Ritterschlag, feierlich vollzogen worden, doch waren beide weder in der literarisch-fiktionalen Ritterkonzeption noch in der Lebenswirklichkeit obligatorisch. Die Schwertleite hatte als festlicher Akt der Angürtung des Schwertes zum Zeichen wehrhafter Volljährigkeit innerhalb des fürstlichen Hochadels bereits eine lange eigene Tradition, bevor sie offenbar in Frankreich vor 1100 auch mit den neuen Inhalten der Ritterschaft (militia) verbunden wurde. In Deutschland läßt sich diese Verbindung eindrücklich dank des berühmten Mainzer Pfingstfestes von 1184 fassen: Kaiser Friedrich Barbarossa hatte zum Hoffest eingeladen, um seine Söhne Heinrich und Friedrich durch die Schwertleite zu neuen Rittern (novi milites) zu erheben. Zur Schwertleite konnte später der 'Ritterschlag', ein mit der Hand oder der flachen Seite des Schwertes gegen den Hals geführ ter Schlag, hinzutreten; dieser spezielle Ritus scheint jedoch, zumindest in Deutschland, weniger verbreitet und deutlich jünge ren Datums zu sein. Durch ein Reinigungsbad, Askese und Gebete am Vorabend der Ritterweihe wird dieser Akt der Aufnahme in einen Mönchs orden angeglichen. Gern läßt man die Ritterweihe durch den mächtigsten Herrscher, den angesehensten Fürsten oder den ranghöchsten Verwandten vollziehen, oft im Zusammenwirken mit einem hohen kirchlichen Amtsträger, der die Messe zele briert, einen Schwertsegen erteilt und den neuen Ritter auf seine Aufgaben, insbesondere den Schutz der Christenheit und nicht zuletzt ihrer schwächsten Glieder, verpflichtet. Im Prinzip darf jedoch nach einem entsprechenden Ersuchen des Aspiranten jeder Ritter, der sich als Vorbild dieses Ehrentitels würdig erwie sen hat, die Promotion zum Ritter vornehmen. Übereinstimmend wissen die Erzähldichtungen wie auch die Chroniken ab etwa 1200 zunehmend zu berichten, daß Fürsten söhne in dem für sie veranstalteten Festakt die ritterlichen Insig nien gemeinsam mit zahlreichen weiteren Knappen in Empfang nehmen. Massenpromotionen bestätigen ihrerseits, daß das Rit-
Einführung
14
terideal nicht primär der isolierenden Auszeichnung des einzel nen, sondern der ständeübergreifenden Lebensform innerhalb einer großen gesellschaftlichen Gruppe dienen soll, Hochadel und Ministerialität umspannend. Das Zeremoniell um Schwertleite und Ritterschlag macht nicht zuletzt die vielfältigen Bindungen, in die der neue Ritter gestellt sein wird, bewußt und ruft zu ihrer beständigen Erinnerung auf, Bindungen an die Initiatoren der Zeremonie und ihre Assistenz Herrscher, Verwandte, Abhängige-, Verantwortung gegenüber den beteiligten weltlichen und geistlichen Institutionen und Auto ritäten und Verpflichtung gegenüber den ins Gelöbnis einge schlossenen ritterlichen Aufgaben. Konkurrenz, wenn nicht Kol lision unter den Interessen und Pflichten kann und will zumal dich terische Gestaltung nicht fernhalten oder wegretuschieren, wie exemplarisch der Prosaroman für Lancelot andeutet: Der junge Titelheld läßt sich zwar von Artus als dem besten Herrscher zum Ritter schlagen, lehnt jedoch die übliche ritterliche 'Erstausstat tung' durch den Artushof ab, um in seiner von außen mitgebrach ten- weißen- Rüstung seiner Erzieherin Ritter zu werden, und er will das Schwert allein von der Artuskönigin Ginover entgegen nehmen, deren Liebe seinen Weg lenken wird. - Wilhelm ERBEN, Schwertleite und Ritterschlag. Beiträge zu einer Rechtsgeschichte der Waffen, Zeitschrift für historische Waffenkunde 8 (1918-20), 105-167; Carl ERDMANN, Die Entstehung des Kreuzzugs gedankens, Nachdr. d. Ausg. Stuttgart 1935, Darmstadt 1972 (For schungen zur Kirchen- und Geistesgeschichte 6); Ernst Heinrich MAss MANN, Schwertleite und Ritterschlag, dargestellt auf Grund der mittel hochdeutschen literarischen Quellen, Harnburg 1932; Fritz PIETZNER, Schwertleite und Ritterschlag, Heidelberg 1934; Johanna Maria VAN WINTER, Rittertum. Ideal und Wirklichkeit, München 1969.
Ritterliche Ausrüstung Die spezifische Ausstattung des Ritters, insbesondere seine Rüstung - ebenso kostspielig wie konstitutiv-, ist Ausweis und Privileg seiner gesellschaftlichen Stellung. Das gilt primär für Schwert und Lanze und die Farbigkeit anderer Ausrüstungsteile wie Helmzier, Lanzenwimpel, Wappenzeichen, über dem Metall harnisch getragenen Waffenrock und Pferdedecke; Bauern hatten kein Recht, die typisch ritterlichen Hieb- und Stoßwaffen zu füh ren oder bunte Gewandung zu tragen.
Einführung
15
Die Schwertleite nahm nicht selten den Charakter einer förmli chen 'Investitur' des neuen Ritters an. Dabei wurde offenkundig, daß seiner Rüstung nicht nur kostbarer Repräsentationswert und konkret-militärische Effektivität, sondern zugleich auch eine gei stig-sinnbildliche Bedeutungsdimension zukommen sollte. Es bot sich an, auch die ritterlichen Waffen mit Hilfe der verschiedenen alteingeführten allegorischen Auslegungsverfahren in christliche Sinnzusammenhänge einzubinden. In den Paulusbriefen war, ursprünglich in Absetzung von realpolitischen Kriegshandlungen, Hiob 7,1 aufnehmend, der Typus des miles Christi geprägt wor den, der- metaphorisch gesprochen- seine Waffen in den christ lichen Tugenden erblickt. Als um 1100 im Zuge religiöser Refor men und historisch-politischer Umorientierungen intensiver ver sucht wurde, das Ideal des mi/es christianus über die Asketen, Mönche und Kleriker hinaus auch auf die Laien auszudehnen, um vor allem die weltliche Kriegerschaft auf die Anerkennung christ licher Forderungen festzulegen, konnte und mußte, etwa in der Predigt und in Bild und Text kombinierenden Lehrschriften, auch wieder von den realen Waffen und ihrer Allegorese gehandelt werden. Die im paulinischen Epheserbrief biblisch vorgegebenen 'alten' Waffen, Panzer, Gürtel und Beinschienen, bildeten den Grundstock für die Auslegung, aber auch die neu hinzugekomme nen Bestandteile der Ritterausrüstung wie Lanze, Waffenrock und nicht zuletzt das Ritterpferd konnten in die Bedeutungstin dung einbezogen werden. Wichtigstes Attribut des Ritters bleibt sein Schwert, Ritterlehren nehmen häufiger auf die an das christli che Kreuz erinnernde Form seines Knaufes Bezug. In dieser Weise wird die Rüstung des mi/es christianus, eines Grundtyps christlicher Anthropologie, in ihren stets präsenten Einzelteilen zur Mahnung an die einzelnen Tugendwerte, die sich im Ritter ethos zusammenschließen. Eine verpflichtende Erinnerung an bestimmte Personen und Institutionen kann darüber hinaus wach gerufen werden, wenn die Vorgeschichte einzelner Waffen, ihre Fertigung, Erbeutung, Leihe, Weiterschenkung oder ihr Schmuck mit Minnezeichen erwähnt wird. Die ritterliche Rüstung konnte sich nur bewähren im Kampf Mann gegen Mann unter gleichen, von beiden Seiten respektier ten Bedingungen. Durch das Gewicht der Rüstung und die Ver letzbarkeit des Pferdes stand der Ritter auf verlorenem Posten gegenüber den Distanzwaffen der beweglicheren Armbrust- und Bogenschützen, zu schweigen vom Schießpulver der Artillerie.
16
Einführung
- Claude GAIER, Les Armes, Turnhaut 1979 (Typologie des sourccs du Moyen Age occidental34); Ulrike LEHMANN-LANGHOLZ, Kleiderkritik in mittelalterlicher Dichtung. Der Arme Hartmann, Heinrich 'von Melk' . . . , Frankfurt a.M. usw. 1985 (EH 1,885); Walter MERSMANN, Der Besitzwechsel und seine Bedeutung in den Dichtungen Wolframs von Eschenbach und Gottfrieds von Straßburg, München 1971 (MAe 22); Gabriele RAunszus, Die Zeichensprache der Kleidung. Untersu chungen zur Symbolik des Gewandes in der deutschen Epik des Mittel alters, Hildesheim usw. 1985 (Ordo 1); Alwin ScHULTZ, Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger, Bd. 1-2, 2. Auf!., Leipzig 1889; Gün ter SIEBEL, Harnisch und Helm in den epischen Dichtungen des 12. Jahrhunderts bis zu Hartmanns 'Erek', Diss. Harnburg 1969; Andreas WANG. Der 'Miles Christianus' im 16. und 17. Jahrhundert und seine mittelalterliche Tradition. Ein Beitrag zum Verhältnis von sprachlicher und graphischer Bildlichkeit, Bern usw. 1975 (Mikrokosmos 1). Aufgaben, Normen und Kritik der ritterlichen Lebensform
Ein allgemein verbindliches Tugendsystem im Sinne eines durchstrukturierten und hierarchisierten Tugendkanons, wie er z.B. aus der antiken Philosophie bekannt war, ist weder in den Lehrdichtungen noch in den lyrischen und epischen Werken für den Ritter ausformuliert. Zwar fehlt es nicht an Katalogen, aber ihnen eignet ein eher auflistender Charakter und eine relativ große Freiheit in der jeweiligen Zusammensetzung. sterke, eilen, biderbekeit als kämpferische Fähigkeiten, strete, güete, diemuot, kiusche als innere Tugenden, triuwe, milte, maze, hövescheit
(auch hübscheit) als gesellschaftliche Werte begegnen immer wie der, können im einzelnen aber auch übergangen werden. Den noch scheint die Summierung nicht der Beliebigkeit überlassen. Die Form der Auflistung fordert auf, den vorbildlichen Ritter nicht mit dieser oder jener Einzeltugend zu identifizieren, sondern mit der Summe seiner Tugenden - und unter dieser Perspektive zeichnen die Autoren des Mittelalters ein recht homogenes und konstantes Ideal, das den Lehrdichtern Maßstab ihrer Kritik ist. Die Normen des ritterlichen Lebens sind nicht theoretisch ent wickelt, sondern aus den Aufgaben und der Lebensweise abgelei tet, so daß eine zweiseitige Orientierung kennzeichnend ist: der Kampf und das Hofleben, auch wenn der Lebensalltag ausgespart bleibt. Die thematische Doppelformel der höfischen Romane, aventiureund minne, rekapituliert diese Zweiteilung in eingeeng
ter Form. Dem ungezügelten Kriegertum, das den Kampf um sei ner seihst und um des eigenen Vorteils willen pflegt, begegnen
Einführung
17
Forderungen, die das Kämpfen disziplinieren und in gesellschaft lich nützliche Bahnen lenken. Neben den militärischen Aufgaben in Krieg und Fehde wird der Schutz der Schwachen und Hilfsbe dürftigen, eigentlich eine Grundforderung der Fürstenspiegel an den Herrscher, zum zentralen Auftrag des kämpfenden Ritters. Schon früh verlangte die Kirche vom Ritter den Schutz ihres Besit zes und ihrer Geistlichkeit und den militanten Schutz ihrer Gemeinden vor Ketzern und Häretikern. In der Kreuzzugsideolo gie verpflichtete sie den Ritter auf ihre Ziele und machte ihn zum kämpfenden Diener Gottes. Der ideelle Dienstgedanke, der hier angelegt ist, bestimmt auch die weltliche Seite des ritterlichen Lebens, er tritt dort neben die reale Dienstbindung an einen Herrn. Der Ritter dient der Gesellschaft als Garant des Rechtes. als schützender Arm der Witwen und Waisen, wie es in der immer wiederkehrenden pars pro toto-Formulierung heißt. Wenn von der arbeit des Ritters gesprochen wird, dann sind Mühe und Bedrängnis bei der Erfüllung dieser Aufgaben gemeint. In der Sphäre des Hofes dient er den Frauen. Der Frauendienst, sicher eine der auffälligsten Erscheinungen der mittelalterlichen Kultur, meint nicht nur das Hofieren der Damen, sondern eine umfas sende Kultivierung des Verhaltens in der Gesellschaft, besonders in Gesellschaft von Damen. Im Umwerben der adligen Frau, im Minnedienst, erzieht sich - so möchte es die Literatur plausibel machen- der Ritter zu maze und schame, zu st:ete und triuwc, zu
biderbekeit und hövescheit. "Die positive Bewertung der adligen Gesellschaftskultur und die scheinbar ganz unproblematische Verbindung dieser weltlichen Werte mit den Tugendbegriffen des traditionellen Herrscherideals und der religiösen Kreuzzugsethik war kennzeichnend für die poetische Konzeption des höfischen Rittertums"
( BuMKE ) .
Der höfische Ritter sucht 'Gott und der
Welt zu gefallen'- das trennt ihn von dem enger christlich orien tierten Ritter der frühen Kreuzzugspropaganda. Die Kritik beschreibt den Ritter anders. Die Autoren der didaktischen Werke, auch die geistlichen, kennen und akzeptie ren das Ideal des höfischen Ritters. Daher richten sich ihre Angriffe nicht gegen das Ideal selbst oder gegen einzelne Inhalte. Im Gegenteil, sie benutzen es, um ihrer Gegenwart, in der sie Sit tenlosigkeit und ungezügelte Gewalt vorfinden, einen maßstab setzenden Spiegel vorhalten zu können. Hier wird das negative Gegenbild gezeichnet, das den raubenden und mordenden Ritter zeigt, der Prahlsucht, Hurerei und Völlerei ergeben, ohne zivili-
Einführung
18
sierte Umgangsformen, eine Geißel Gottes, aber nicht sein Die ner. Diese recht stereotyp seit dem 12. Jahrhundert kontinuierlich wiederholten Anklagen wird man nicht wörtlich nehmen können, aber die Beschreibungen der Lehrdichtung nähern sich der histo rischen Realität sicher in weit größerem Maße als die Protagoni sten der höfischen Romane, die als Zielprojektionen, als Vorbil der, denen nachzueifern Aufgabe des ritterlichen Mannes ist, ver standen werden wollen. - Karl Hcinz BORCK, Adel, Tugend und Geblüt. Thesen und Beobach tungen zur Vorstellung des Tugendadels in der deutschen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts, PBB (Tüb.) 100 (1978), 423-457; BuMKE, Höfische
Kultur,
S.
382-451;
Yolker
HoNEMANN,
'Tugendadels' im europäischen Spätmittelalter, in:
Aspekte
des
Literatur und
Laienbildung im Spätmittelalter und in der Rcformationszeit. Sympo sium Wolfenbüttel 1981, hg. Ludger Grenzmann, Karl Stackmann, Stuttgart 1984 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 5), S. 274286; Gerhard MEISSBURGER, Oe vita christiana. Zum Bild des christli chen Ritters im Hochmittelalter, DU 14 (1962), H. 6, 21-34; Ritterli ches Tugendsystem, hg. Günter Eifler, Darmstadt 1970 (WdF 56); Norbert SrEVERDING, Der ritterliche Kampf bei Hartmann und Wolf ram. Seine Bewertung im 'Eree' und 'I wein' und in den Gahmuret- und Gawan-Büchern des 'Parzival', Heidelberg 1985.
Turnier und Fest
Bereits dem Begriff hochzit, hochgezit, der im Mittelhochdeut schen noch jedes Fest, nicht nur das der Eheschließung bezeich net, läßt sich das wesentliche Merkmal, die Distanz zum täglichen Leben, ablesen. Im Fest findet die höfische Gesellschaft ein kultu relles Zentrum und einen Ort, sich selbst als Elite darzustellen. Daß die Feste in der historischen Realität zugleich wichtige Instru mente der Herrschaftsausübung waren, wird in den literarischen Beschreibungen häufig übergangen.
Die Beschreibungskunst
konzentriert sich auf die prunkvolle Repräsentation, die mit dem Einholen der Gäste beginnt, auf die Bewirtung, deren Maßstab exotische Gewürze und eine Vielzahl feinster Speisen bilden, und auf die Kurzweil: Musik und Tanz, Würfelspiel und Schach, Rei tervorführungen und sportliche Spiele, Vorstellungen der Gauk ler und Artisten, Hofieren der Damen und literarische Vorträge. Reiche Abschiedsgeschenke für die Gäste und die angereisten Künstler und Schausteller beenden das Fest und geben Gelegen-
Einführung
heit,
milte
('Freigebigkeit')
zu demonstrieren.
19
Die hochge
stimmte Atmosphäre dieser Feste, die vreude, prägt das Selbstbe wußtsein der Dazugehö renden, deren Umgangsformen und Sit ten. Das Turnier (der tume1) bleibt lange Zeit räumlich und zeitlich vom Fest getrennt. Lediglich der turnierähnliche bUhurtist als Reiterspiel Bestandteil größerer Feste. Vor den Augen der Festgesellschaft und des zuschauenden Volkes gab er den Rittern Gelegenheit, sich in Form eines Formationsreitens ohne Angriffswaffen (nur vereinzelt werden Lanzen erwähnt, Schwerter nie), aber in vollem Rüstungs- und Wap penschmuck vorzuführen. Zwar konnte es auch hier zu handgreiflichen Zusammenstößen kommen, doch der eigentliche Zweck lag in dem imposanten Schauspiel der Gruppenidentität der Ritter. Die Grundform des Turniers entspricht der Kriegstaktik der Zeit; sie basiert auf geschlossenen Reiterverbänden. Zwei mit scharfen Schwertern und Lanzen bewaffnete Parteien drangen aufeinander ein und versuchten, die Gegner zu stürzen, zur Auf gabe zu bewegen und gefangenzunehmen. Zur Unterstützung wurde mit Keulen bewaffnetes Fußvolk, die umstrittenen kipper, eingesetzt. Lediglich die formelle Turnieransage, der Verzicht auf Distanzwaffen und die Absteckung eines befriedeten Schutzrau mes unterschied das Turnier vom Ernstkampf. Entsprechend groß war die Zahl der Todesopfer, so daß man im Laufe des 13. Jahr hunderts versuchte, durch die Einführung stumpfer Waffen die Unfallgefahr zu mindern. Erst im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts scheint dieses Rit terspiel, das in Frankreich und Flandern bereits weit verbreitet war, in Deutschland die älteren Kampfspiele verdrängt zu haben. Die älteste literarische Beschreibung gibt Hartmann von Aue im Erec, und man nimmt an, daß die Stilisierungen der Dichtung nicht ohne Einfluß auf die Kultivierung und Regeldifferenzierung der Turniere blieben. In den ab etwa 1220 in ganz Europa stattfin denden 'Tafelrundenturnieren' bestimmen Szenen, Motive und Figuren des Artusromans das Regelwerk des Turniers. Diese nachspielende Variante ließ sich dem Fest integrieren, so daß sie vor Publikum stattfinden konnte, während das ursprüngliche Tur nier, das großräumig auf freiem Feld veranstaltet wurde, wenig zuschauerfreundlich war. Erst nachdem sich die ungefährlicheren Varianten allgemein durchgesetzt hatten, ließ im 14. Jahrhundert der Widerstand der Kirche, die bereits 1130 das erste Turnierver bot (im 12. und 13. Jahrhundert regelmäßig erneuert, aber nie
Einführung
20
nachhaltig durchgesetzt) ausgesprochen hatte und den im Turnier Gefallenen ein christliches Begräbnis verweigerte, nach. Die
tjost,
das Einzelanrennen mit Lanzen, ist erst nachträglich
als eine Art Nebenveranstaltung in das Turnier aufgenommen worden. Der Zweikampf Einzelner begegnet literarisch zunächst in Krieg und Fehde, ist also in erster Linie als Ernstkampf verstan den, in der abgemilderten Form eines sportlichen Kampfes bietet er aber auch am Rande des Turniers dem Einzelnen Gelegenheit, sich besonders auszuzeichnen. Bevorzugter Ort der Tjoste war die
vesperie,
weitgehend ungeregelte Kampfbegegnungen am Vortag
des eigentlichen Turniers. Die Absonderung eines Ritters vom all gemeinen Lager
(sich in ein foreislegen) galt als Herausforderung
an alle, sich einem solchen Einzelkampf zu stellen. Die Bedeutung und Funktionen des Turniers lassen sich unter drei Aspekten sammeln: 1. Augenfällig und immer wieder betont ist die militärische Übung. Die Grundprinzipien der Kriegstaktik sind in die Bahnen eines attraktiven Sports gelenkt, in dem sich der Ritter für den Ernstkampf schulen konnte. 2. Durch die Ein bindung des Reiterkampfes in ein zunehmend verfeinertes Regel werk und in den höfischen Lebensstil konnte der Ritter auch in seiner genuinen Funktion als Krieger an der höfischen Kultur teil haben, deren Verhaltensregeln und ethische Normen annehmen, Ruhm und Ansehen gewinnen. Das Turnier hat die "Tendenz zur Verquickung von ethischem Idealismus, gesellschaftlichen Kon ventionen und zweckorientierter Selbstbehauptung, die für die Mentalität des mittelalterlichen Rittertums paradigmatisch ist"
(JAcKsoN).
3. Problematisch war die materielle Seite. Dem Sieger
winkten nicht nur ein ideeller
pris,
sondern auch z.T. außeror
dentlich hohe Lösegelder, die die Verlierer, die im Turnier Gefan genen, zu zahlen hatten. Während einerseits arme, aber kampf starke Ritter von Turnier zu Turnier zogen, um auf diese Weise ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ruinierten andere durch die erfolglose Teilnahme ihre finanzielle Existenz. In Festen und Turnieren setzte sich die gesellschaftliche Füh rungsschicht einen am französischen Vorbild orientierten Verhal tens- und Normenkodex, entwickelte ihr Selbstbewußtsein und trug es nach innen und außen zur Schau. Hier präsentierte sich die höfische Kultur in einer alltagsfern stilisierten, den Idealen ange näherten Form. Dementsprechend ist die Distanz zwischen histo rischer Realität und literarischer Beschreibung hier sehr viel geringer als in anderen Bereichen.
Einführung
21
- Pcter CzERWINSKY, Die Schlacht- und Turnierdarstellungen in den deutschen höfischen Romanen des 12. und 13. Jahrhunderts, Diss. Ber lin 1976; Josef FLECKENSTEIN, Das Turnier als höfisches Fest im hoch mittelalterlichen Deutschland, in: Das ritterliche Turnier im Mittelal ter. Beiträge zu einer vergleichenden Formen- und Verhaltensge schichte des Rittertums, hg. J. Flcckenstcin, Göttingen 1985
( Veröf
fentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 80), S. 229-256; William Henry JACKSON, Das Turnier in der deutschen Dichtung des Mittelalters, in: ebd., S. 257-295; Sabine KRÜGER, Das kirchliche Tur nierverbot im Mittelalter, in: ebd., S. 401-422; Rosemarie MARQUARDT, Das höfische Fest im Spiegel der mittelhochdeutschen Dichtung (1140-
1240). Göppingen 1985 ( GAG 449); Wolfgang MoHR, Mittelalterliche Feste und ihre Dichtungen, in: Festschrift für Klaus Ziegler, hg. Eckc hard Catholy, Winfried Hellmann, Tübingen 1968, S. 37-60; Felix
NIEDNER, Das deutsche Turnier im 12. und 13. Jahrhundert, Berlin 1881; Renate Roos, Begrüßung, Abschied, Mahlzeit. Studien zur Dar stellung höfischer Lebensweise in Werken der Zeit von 1150-1320, Diss. Bonn 1975.
Rezeption in der Neuzeit Die Geschichte der Literatur des Mittelalters endet nicht um 1500, an der heute weitgehend akzeptierten Epochengrenze zur Neuzeit. Zwar ging der rückschauende Blick der Renaissance in eine andere Richtung, aber der deutsche Humanismus war auch an der eigenen Vorgeschichte interessiert und richtete seine sprach- und rechtshisto risch orientierte Aufmerksamkeit besonders auf die Werke der älte sten Zeit und die Lehrdichtungen. Der Hinweis auf die Namen Mat tbias Flacius Illyricus (Otfrid-Edition, 1571), Goldast (Paraeneti corum veterum pars I, 1604), Opitz (Edition und Kommentierung des Annoliedes, 1639), Moscherasch (Gesichte Phi/anders von Sitte wald, Teil2, 1643), Wagenseil (Buch von der Meister-Singer Hold seligen Kunst, 1697) und Schilter (Thesaurus antiquitatum Teutoni carum, 1726-28) mag hier genügen, um zu belegen, daß die Vorstel lung von dem jahrhundertelang vergessenen, erst in der Romantik wiederentdeckten Mittelalter in die Irre führt, gleichzeitig aber auch, daß es nicht die ritterlich-höfische Literatur ist, die im Zentrum des Interesses steht. Sie setzte sich am ehesten in Erscheinungen wie den früh gedruckten Prosa-Auflösungen älterer Versromane und dem höfischen Amadis-Roman fort. Daneben darf man nicht übersehen, daß die verstärkte Hinwen dung zur Literatur des Mittelalters, nun auch zur höfischen, die
Einführung
22
mit einiger Verzögerung nach den editorischen Arbeiten der bei den Schweizer Bodmer und Breitinger in der zweiten Hälfte des
18.
Jahrhunderts einsetzte, nur wenig Breitenwirkung hatte. Die
wichtigste Spur führt von der Edition der Manessischen Hand schrift zu den Anakreontikern, die auf der Suche nach neuen sprachlichen und literarischen Ausdrucksmöglichkeiten waren und eine innere Verwandtschaft mit dem Minnesang empfanden. Wieland, obgleich ebenfalls von Bodmer angeregt, fand seine Vorlagen, die er in vorsichtig modernisierter Form wiederbeleben wollte, in der französischen Literatur des Mittelalters. Seine Adaptationen sind auch als Antwort auf die Flut trivialer Ritter und Schauerromane des 18. Jahrhunderts zu verstehen. Vielfältig waren die Bemühungen Ludwig Tiecks, der seine Auf gabe in der Wiedergewinnung einer vergangeneo Literatur sah und sich von ihr eine Befruchtung der Gegenwart versprach. Zwar blieb ihm vieles im Planungsstadium stecken, aber seine sehr behutsam sprachlich modernisierte Ausgabe der Minnesänger
(1803),
seine
Nach- und Neudichtungen sind Meilensteine der Rezeptionsge schichte mittelalterlicher Literatur. Daß er daneben auch die Ver wendungsmöglichkeiten der alten Stoffe als Maske für aktuell-politi sche Stellungnahmen erkannte, belegt sein Spiel vom kleinen Tho mas, genannt Däumchen, das er
1811 in den Phantasus aufnahm.
Die folgenden Jahrzehnte sind geprägt von der Etablierung der Germanistik an den Universitäten und einer regen Herausgeber tätigkeit, die in kurzer Zeit alle wichtigen Werke besonders der höfischen Epoche sowohl in wissenschaftlichen als auch in populä ren Ausgaben zur Verfügung stellt. Die Wege der wissenschaftli chen und der poetischen Mittelalterrezeption entwickeln sich nun kontinuierlich auseinander und kreuzen sich nur noch in einzelnen Personen; hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang Ludwig Uhland. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bis in die 40er Jahre unseres Jahrhunderts dominieren nicht die erstrangi gen Autoren im Bereich der poetischen Adaptationen; und die Werke und Stoffe werden häufig von Ideologien vereinnahmt. Auf die Suche nach aktueller Neuinterpretation des Ü berlieferten begeben sich aber auch Richard Wagner und Gerhart Haupt mann, schließlich dann Thomas Mann, der in seinem Erwählten den Legendenstoff Hartmanns in ironischer Brechung einer mythologischen Erklärung zu erschließen glaubt. Aus dem literarischen Mittelalter-Boom der letzten Jahre ragt neben dem zum Kultbuch avancierten Der Name der Rose von
Einführung
23
Umberto Eco Tankred Dursts Merlin heraus, der die Geschichte des Artusreiches, wie sie in den großen Zyklen des Mittelalters stofflich vorgegeben ist, in einer revueartigen Szenenreihe für das Theater bearbeitet hat. Diese Geschichte wird zum Modellfall für die Gegenwart, zum Modellfall für Geschichte im Spannungsver hältnis zwischen Mythos und Utopie, zwischen Ideologie und Pragmatismus, zwischen gesetzten gesellschaftlichen Normen, an denen sich die Artusritter orientieren sollen, und der Realität ego istischer Einzelinteressen und charakterlicher Schwächen, die die ritterlichen Ideale in immer weiterer Ferne verblassen lassen. - Gisela BRINKER-GABLER. Wissenschaftlich-poetische Mittelalterrezep tion in der Romantik, in: Romantik. Ein literaturwissenschaftliches Studienbuch, hg. Ernst Ribbat, Königstein 1979, S. 80-97; Otfried EHRISMANN, Thesen zur Rczeptionsgeschichtsschreibung, in: Historizi tät in Sprach- und Literaturwissenschaft. Vorträge und Berichte der Stuttgarter Germanistentagung 1972, hg. Walter Müller-Seidel, Mün chen 1974, S. 123-131; Siegfried GRossE, Überblick über die Rezeption der deutschen Literatur des Mittelaltcrs im 19. Jahrhundert, in: Mittel alter-Rezeption. Ein Symposion, hg. Peter Wapnewski, Stuttgart 1986, S. 377-391; Wolfgang HARMS, Das Interesse an mittelalterlicher deut scher Literatur zwischen der Reformationszeit und der Frühromantik, in: Akten des IV. Internationalen Germanistenkongresses, Basel1980, T. I, hg. Heinz Rupp, Hans-Gert Roloff, Bern usw. 1981 (Jahrbuch für Internat. Germanistik R. A, Bd. 8,1), S. 60-84; Rüdiger KROHN, Die Geschichte widerlegt die Utopie? Zur Aktualität von Tankred Dorsts Bühnenspektakel 'Merlin oder Das wüste Land', Euphorion 78 (1984 ), 160-179; Christoph ScHMID, Die Mittelalterrezeption des 18. Jahrhun derts zwischen Aufklärung und Romantik, Frankfurt a.M. usw. 1979 (Regensburger Beiträge zur dt. Sprach- und Literaturwissenschaft R. B, Bd. 19); Volker ScHUPP, Monurnenturn aere perennius? Vom Fort leben mittelhochdeutscher Dichtung, Freiburger Universitätsblätter. H. 83 (1984), 13-25.
ZU TEXTGESTALT UND KOMMENTIERUNG Die folgende Textzusammenstellung versteht sich als themati sche Einführung in das literarisch vermittelte Ritterbild und zugleich als Hinführung zu den mittelhochdeutschen Werken. Sie möchte den Leser auch sprachlich auf die originalen literarischen Zeugnisse verpflichten, auf deren Vokabular und Ausdrucks weise, auf deren rhetorische Mittel und Zwischentöne wie auf die semantischen Mehrschichtigkeiten, die eine Übertragung, so sehr sie sich auch um Genauigkeit bemühen mag, nicht einfangen kann. Daher schließt sie sich nicht der gegenwärtig herrschenden Tendenz an, mittelhochdeutsche Texte mit synoptisch gedruck ten, durchgängigen Prosaübersetzungen zu präsentieren. Die Texte und Textauszüge sind unverändert den eingeführten Editionen (genannt jeweils am Anfang der Literaturhinweise des entsprechenden Kommentars) entnommen, so daß aus den unter schiedlichen Editionsprinzipien zwischen Normalisierung und diplomatischem Handschriftenabdruck mit mundartlichen Fär bungen ein sprachlich heterogenes Bild entsteht, in dem sich die Vielfalt des Mittelhochdeutschen spiegelt. Den Zugang soll der jedem Text am Ende beigegebene Anmerkungsapparat öffnen. In ihm werden für schwierige Formulierungen und idiomatische Wendungen Übersetzungsvorschläge gemacht, einzelne Begriffe erläutert, entlegene Vokabeln beigebracht und ungewöhnliche Schreibungen normalisiert. Um Verständnisfehlern vorzubeugen, wird Wörtern, die zum Neuhochdeutschen eine Bedeutungsände rung erfahren haben, besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Einzellemmata sind, wenn der Wortschatz des mittelhochdeut schen Wörterbuchs von Mattbias Lexer sie erfaßt, in normalisier ter, die Auffindbarkeit sichernder Form aufgenommen. Neben den sprachlichen Hilfestellungen wurden Textvarianten der handschriftlichen Überlieferung, soweit ihnen interpretatori sche Bedeutung zukommt, und sachliche Erklärungen zu Namen, Personen, Ereignissen und Realien notiert. Ein solcher begleiten der Apparat, der nur das Verständnis des Textes absichern möchte, muß selektiv arbeiten, so daß im Einzelfall subjektive Entscheidungen unvermeidbar waren. Unser Ziel war es, sprach-
Zu Textgestalt und Kommentierung
25
liehe und sachliche Hürden, die den direkten Zugang zu den lite rarischen Zeugnissen behindern könnten, beiseite zu räumen. Erste eigene Kenntnisse des Mittelhochdeutschen sind allerdings vorausgesetzt. Der Textsammlung, die von beiden Herausgebern gemeinsam zusammengestellt, eingeleitet und annotiert wurde, folgt ein von J. Arentzen verfaßter, alphabetisch geordneter Kommentarteil,
der die abgedruckten Texte in ihren jeweiligen Kontext einordnet und es bewußt vermeidet, dem Leser fertige Interpretationen anzubieten. Die handbuchartig aufgebauten Artikel wollen den Rahmen für die eigene Interpretationsarbeit abstecken, indem sie den Inhalt des Gesamtwerkes skizzieren, dessen literarhistorische Position beschreiben und mit der Forschungsdiskussion bekannt machen. Ausgewählte Literaturangaben, die an den Stand der Forschung heranführen, sollen die Weiterarbeit erleichtern.*
*
Auf eine thematische Forschungsbibliographie wurde verzichtet.
Die Literatur bis 1975 ist nahezu vollständig und vorbildlich geordnet von Arno BoRST (Bibliographie, in:
Das Rittertum im Mittelalter, hg.
A. Borst, Darmstadt 1976 [WdF 349], S. 437-481) gesammelt, die Neuer scheinungen der folgenden 10 Jahre hat Joachim BuMKE (Höfische Kul tur, S. 810-845) zusammengetragen.
I. ETYMOLOGISIERENDE REFLEXIONEN
ZUM RITTERBEG RIFF a) ßERNHARD VON CLAIRVAUX, AD MILITES TEMPLI DE LAUDE NOVAE MILITIAE LIBER
(um 1130)
(ed. J. Leclercq, C. H. Ta/bot, H. M. Rochais, Bd. 3, S. 216) Quis igitur finis fructusve saecularis huius, non dico, mili tiae, sed malitiae, si et occisor letaliter peccat, et occisus aeternaliter perit? b) EIKE VON REPGOW (?),SÄCHSISCHE WELTCHRONIK
(ed. L. Weiland, MGH Dt. Chroniken 2, S. 79,39
(nach 1225)
ff.)
Romulus de was 38 jar koning; de sammede do allerslachte Iude unde makede en volk. Darvan scop he hundert an den rat, de het he senatores, dusent an dat orloge, de het he riddere (lnde miles quasi unus ex mille) . Dar wart allererst
5
den ridderen de name gegeven.
c) JOHANN VON BEKA, MAGNUM CHRONICON BELGICUM (um 1350)
(Übers. nach: W. Wackernagel, Kleine Schriften I, S. 270) Der Herr Cardinal aber, der in Festkleidern der Feier
[gemeint ist die Ritterweihe Wilhelms von Holland 1247] beiwohnte, sprach zu dem Knappen, anknüpfend an die Bedeutung des Wortes Ritter: 'Es ziemt sich, dass Jeder,
5
der
Ritterschaft treiben will,
hochgemuth (magnani
mum), edel (ingenuum), freigebig (largifluum), tadellos (egregium) und ehrenfest (strenuum) sei, hochgemuth im Unglück, edel gegen seine Blutsverwandten, freigebig in aller Ehrbarkeit, tadellos in höfischem Geiste (egr. in
10
curialitate) und ehrenfest in männlicher Tüchtigkeit.'
d) JOHANNES ROTHE, DER RITTERSPIEGEL
(um 1415)
(ed. H. Neumann, V 793-804) Uz tusindin si [die Römer] do eynen uzkorin der menlich waz von sime muthe
I. Etymologisierende Reflexionen
28
zum
Ritterbegriff
Und von fromen eldirn geborin, den satztin si den andirn zcu huthe 5
Und gabin em sine gutir fry di her enphing do zcu lene, Daz her eyn ritter solde sy und sterkir danne andir zcwene. Sy nantin en do miles,
10
der name bedutit in dem latin Daz her wole wert were des daz her obir tusint solde sin.
e) JoHANNES RoTHE, THÜRINGISCHE CHRONIK (ed. R. v. Liliencron, Kap. 46)
(1421 abgeschlossen)
Dornach sso lass her [Romulus] uss dem volke hundert tussent die stercksten und geredisten die her vant unde nante die ritter umbe deswillen, das sie ryten unde striten sulden. f)
ULRICH VON ZATZIKHOVEN, LANZELET
(nach 1194)
(ed. K. A. Hahn, V. 2016 f.) Sin gebeerde was ritterlich, wan er wol riten kunde. g) LANCELOT-PROSAROMAN (ed. R. Kluge, Bd. I, S. 121,2
(deutsch um 1250)
ff.)
'Nu wißent das', sprach sie [die Frau vom See], 'das nye dheyn man uff pfert gesaß ee dann ritterschafft funden wart, das saget uns die schrifft, wann die ritter zu allererst begunden ryten; da von sint sie ritter geheißen.'
h)
HEINRICH DER TEICHNER, AIN RITTER
(ed. H. Niewöhner, Nr. 580, V. 95-112) Also ist och wol ze hÜtten daz ain wih mit wibez gÜten icht gefal in schame mer. ritt er haissent rettär, 5
daz si retten sond ir er.
(Mitte 14. Jh.)
I. Etymologisierende Reflexionen zum Ritterbegriff
29
Er ist baß ain rcttär denn ain ritter frides !er der nit rettet, als er so!, frawen die im getruwent wo!.
i)
MARTIN LUTHER, AUSLEGUNG DES 82. PSALMS ( Weimarer Ausgabe, Bd. 31, I, S. 205,26ff.)
(1530)
Denn ich acht, das Ritter vom Retten herkome und aus dem wort Retter hernach Ritter worden sey, ein rechter feiner name fÜr die FÜrsten und herrn.
b 2 schepten swstv. - erschaffen, ordnen Kampf
d l uzkiesen stv.- auswählen
e
3 ur/ouge stn. - Krieg, 1 uz lesen stv.- auswäh-
2 geredisten- rüstigsten g 3 schritt stf. - schriftl. Überliefe rung, Heilige Schrift h 5 "damit sie deren (der Frauen) Ehre retten
len
sollen"
7 trides /er- ohne Friedensverpflichtung
II. LEGITIMATION AUS HISTORISCHER HERLEITUNG 1 MüRIZ
VON
CRAÜN
(um 1185 oder um 1220130)
(Die Geschichte des Rittertums)
V. 1-262
Der exkursartig ausholende Prolog, der die Geschichte des Rittertums als translatio-Bewegung von den Anfängen bis in die Handlungsgegen wart beschreibt, mündet in eine rühmende Vorstellung des Protagonisten und einen Minneexkurs; erst dann setzt die eigentliche Erzählung vom Werben des vorbildlichen Ritters Moriz von Craun um die Minne der Gräfin von Beamunt ein.
Ir hät dicke vernomen unde ist iu mit rede vür kamen von wärlichem m