Die Reiterstatuette Karls des Grossen aus der Kathedrale zu Metz [Reprint 2019 ed.] 9783111695020, 9783111307169


177 59 2MB

German Pages 26 [36] Year 1890

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Die Reiterstatuette Karls des Grossen aus der Kathedrale zu Metz
Recommend Papers

Die Reiterstatuette Karls des Grossen aus der Kathedrale zu Metz [Reprint 2019 ed.]
 9783111695020, 9783111307169

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

T A F E L II.

Reiterfigur Karls des Grossen. Lichtdruck nach dem in der Kathedrale zu Metz aufgestellten

Bronzenachguss.

Das P a r i s e r Original t r ä g t noch das g r o s s e S c h w e r t . das man in Metz der F i g u r genommen h a t .

T A F E L I.

Reiterfigur KARLS DES GROSSEN in ihrer jetzigen Aufstellung in der Kathedrale zu Metz. Die P l a t t e ist die im T e x t mehrfach erwähnte, angeblich Altarmensa.

karolingische

DIE

AUS DEB

KATHEDRALE ZU METZ VON

DB- GEORG WOLFRAM.

M I T

Z W E I

T A F E L N .

STRASSBURG. V E R L A G V O N K A R L J. T R Ü B N E R . 1890.

HERRN BEZIKSPRÄSIDENT

FREIHERRN VON HAMMERSTEIX ZUGEEIGNET.

Die Gestalt des grossen Kaisers Karl ist bei Deutschen und Franzosen volkstümlich geworden wie die keines andern Herrschers, der jemals diesseits oder jenseits der Vogesen das Scepter geführt hat. Geschichte und Sage haben miteinander gewetteifert, sein Andenken lebendig zu halten, und wenn die Sage vorausgeeilt war, uns ein Charakterbild zu zeichnen, gross und gewaltig, dabei so edel, warmherzig und schlicht, so hat die nacharbeitende kritische Forschung die Linien nicht zu ändern brauchen, sie hat sie nur schärfer gezogen und damit die Gestalt des alten Helden noch mächtiger hervorgehoben. Aber merkwürdig; so genau uns die Zeitgenossen unterrichtet haben über des Kaisers Charakter und Lebensgewohnheiten, ein gleichzeitiges Bildnis des grossen Mannes war uns nicht überliefert. Wie ihn Albrecht Dürer sich vorgestellt und gemalt, so gewöhnte sich das Volk ihn anzusehen, und wenn der Gebildete auch wusste, dass jene Idealfigur in nichts übereinstimmte mit der Überlieferung der Quellen, bei der Unmöglichkeit nach Schilderungen ein Porträt zu zeichnen, begnügte auch er sich mit jenem Phantasiebild , in dem der Charakter des Kaisers jedenfalls prächtigen Ausdruck fand. Da tauchte plötzlich während der ersten Pariser Weltausstellung eine kleine Reiterstatuette auf, die den Anspruch erhob, Karls gleichzeitiges Porträt zu geben. Die Figur hatte ursprünglich dem Metzer Domschatz angehört; während der Revolutionszeit war sie verschwunden, doch 1807 wurde sie bei einem Metzer Apotheker wieder aufgefunden. Der französische Archäolog Alexandre Lenoir kaufte sie; nach dessen Tode ging sie durch verschiedene Hände, um schliessl



2



lieh einer Madame Evans-Lombe zuzufallen, die sie nun auf der Weltausstellung zum ersten Male weiteren Kreisen bekannt machte. Von Madame Lombe erstand sie die Stadt Paris für 5000 Fr., und dem kostbaren Monument wurde ein Platz im Hötel de Ville angewiesen. Als das Haus im Jahre 1871 in Trümmer sank, fand sich die Statuette unter den Ruinen fast unbeschädigt wieder. Seitdem hat sie im städtischen Museum Carnavalet Aufstellung gefunden. Die französischen Gelehrten waren einstimmig der Ansicht, dass man es hier wirklich mit einer gleichzeitigen Porträtdarstellung zu thun habe, und als in Deutschland die Figur durch eine Abbildung in Stackes deutscher Geschichte 1 weiteren Kreisen bekannt geworden war, da begann man auch hier dem kleinen Werke das allgemeinste Interesse zuzuwenden. Von vornherein musste man geneigt sein, sich der Meinung der französischen Gelehrten anzuschliessen: diese starkgebaute Gestalt von mächtigen Gliedein mit breiten Schultern und hoher Brust, der kurze Hals, der dicke runde Kopf mit starkem Unterkinn und dichtem, herabgezogenem Schnurrbart, das energische Gesicht mit den regelmässigen edlen Zügen, dem grossen weitgeöffneten Auge unter den hochgewölbten Brauen, das war der Karl, wie er der Phantasievorstellung sich recht wohl anpassen liess, das war aber auch eine Gestalt, wie sie durchaus übereinstimmte mit dem, was die Chronisten melden. Dombaumeister Tornow in Metz war der erste, der sich wissenschaftlich mit dem Funde beschäftigte. Nachdem er die Überzeugung gewonnen, dass die Figur die zugesprochene Bedeutung habe, beantragte er bei dem kaiserlichen Ministerium für Elsass-Lothringen, dass eine Nachbildung des Werkes für den Metzer Dom angefertigt würde. Dem wurde Folge gegeben 2 . Sodann beauftragte die Regierung den Bonner Professor Ausm Weerth mit der Besichtigung der Statuette an Ort und Stelle und als Resultat Staoke Deutsche Geschichte I 192. Ausserdem erhielten Abgüsse Kaiser Wilhelm I. (in Bronco), Fürst Bismark, Freiherr v. Manteuffel, der Bischof von Metz, die Museen von Metz, Berlin, Dresden, Nürnberg, Aachen (in Gips). 1

a

— 8 — seiner Forschungen glaubte Ausm Weerth in den Bonner Jahrbüchern 1 den sichern Nachweis bringen zu können, dass das Bildwerk Karl den Grossen darstelle und zur Zeit des grossen Kaisers selbst angefertigt sei. Ausm Weerths Arbeit beruhte auf den gründlichsten Studien, und so durfte man jetzt mit froher Gewissheit hinnehmen, was man zu glauben von vornherein so geneigt gewesen war: der prächtige Reitersmann war das getreue Abbild des grossen Karl. Die hervorragendsten französischen Archäologen mittelalterlicher Kunst Darcel, Linas, Lenoir beeilten sich Ausm Weerth mit schmeichelhafter Anerkennung der Arbeit ihre Zustimmung zu den Resultaten derselben auszusprechen, von den deutschen Fachleuten traten Otte, Kraus und Schneider den Ausführungen des Verfassers bei. Nur Essewein und Lübke bezweifelten auch jetzt noch die karolingische Provenienz des Kunstwerkes, Essewein in einem handschriftlichen Gutachten, das mir leider nicht im Wortlaute bekannt geworden ist, Lübke in einer kurzen Bemerkung2, ohne rechtfertigende Gründe hinzuzufügen. Auch Kraus ist später zweifelhaft geworden: bei seiner Besprechung der Statuette in „Kunst und Altertum in Elsass-Lothringen" III 564 f. bezweifelt er die Richtigkeit der bisherigen Beweisführung, enthält sich aber eines positiven Urteils über das Alter der Figur. 1

Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande Heft 78, Bonn 1884. - Besprechungen dieser Arbeit Revue de l'art chretien N. S. III 3; Gazette archéologique 1887, 1. Die Figur abgebildet oder besehrieben bei Lenoir Monum. des arts lib., mécaniques et industriels en France pl. IX p. 13; Le Bas L'univers pl. 166; Bordier et Charton Hist. de France ; Gazette des beaux-arts XIX 427 ; Havard L'art à travers les moeurs; Mèm. de la société d'archéol. lorr. ser. IY tom. IV 268; L'univers pittoresque II pl. 166; Vétault Charlemagne pl. II 26, 544; bulletin de la soc. d'archéol. de la Moselle VIII 85; Didron Annales archéol. VIII 256. (Dieses Verzeichnis nach Clemen ; s. unten). — O. Jäger Deutsche Geschjchte II 64, 65 : Henne am Rhyn Kulturgeschichte des deutschen Volkes I 25 ; Knackfuss Deutsche Kunstgeschichte 40, 41. • Metzer Dombaublatt IV. 2

Lübke Geschichte der deutschen Kunst S. 45, Anm. 2. 1*



4



Wenn etwa noch Lücken in Ausm Weerths Arbeit vorhanden waren — die Studien über das Kostüm bedurften vielleicht noch einer Vertiefung — so holte ein junger Archäolog Dr. Giemen in einer soeben erschienenen äusserst fleissigen Abhandlung das Versäumte nach1. Unter den Beweismomenten Ausm Weerths musste eins freilich etwas bedenklich machen: „Wenn das Kunstwerk nicht unter Karl entstanden ist, wann soll es dann angefertigt sein?" Wenden wir den Satz, so lautet der Schluss: Da das Kunstwerk in späteren Zeiten nicht gegossen sein kann, muss es der karolingischen Renaissance angehören. Den erschöpfenden Beweis für die Unmöglichkeit einer späteren Ausführung bleibt aber der Bonner Gelehrte schuldig. Giemen arbeitet mit demselben Argumente wie Ausm Weerth und zeigt damit ebenso wie jener, dass er seine übrigen Erörterungen, so gründlich sie nun auch sein mögen, doch nicht für absolut überzeugend ansieht; aber ebenso wie Ausm Weerth lässt auch Ciernen den Nachweis dafür, dass der Guss der Statuette in jeder anderen Zeit ausgeschlossen ist, vermissen. Die Bedenklichkeit des Arguments an und für sich, sodann aber seine mangelhafte Begründung haben mich seit Jahresfrist veranlasst, der Frage meine Aufmerksamkeit zuzuwenden, das Erscheinen der Clemenschen Arbeit gab mir die Veranlassung, meinen Stoff zu sichten und erneut durchzuarbeiten. Im Nachfolgenden lege ich das Ergebnis der Prüfung weiterer Kreise vor. Ausm Weerth und Clemen haben folgende Beweismomente ausser dem bereits angeführten für die Richtigkeit ihrer Ansicht vorgebracht: 1. aus mit Person 2.

Beide führen aus, dass die Statuettenfigur durch(Jen zeitgenössischen Schilderungen v o n K a r l s übereinstimmt. Dass Tracht und Beigaben k a r o l i n g i s c h sind.

1 P. Clemen Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. XI S. 185 ff.



5



3. Beide suchen zu beweisen, dass die K u n s t f e r t i g k e i t der karolingischen Zeit bedeutend genug war, um ihr ein solches Werk zuschreiben zu dürfen. Dabei müssen allerdings beide Gelehrte zugeben, dass trotz der Leistungsfähigkeit jener Renaissance diese Statuette e i n z i g dasteht. Ausm Weerth ist weiter der Meinung, dass nur die zu Karls Zeiten bestehende Aachener Giesshütte im Stande gewesen sei, dies Werk hervorzubringen, Ciernen sagt, dass, wenn die Reiterfigur grösser wäre, er Ausm Weerth beipflichten müsse, die geringe Höhe der Statuette eine derartige lokale Fixierung jedoch nicht zulasse. In Folge dessen begrenzt er auch die Entstehungszeit nicht so eng wie Ausm Weerth und hält die Anfertigung bis in die Hälfte des neunten Jahrhunderts für möglich. 4. Ausm Weerth sucht endlich zu erweisen, dass die Figur schon seit karolingischer Zeit in der M e t z e r K a t h e d r a l e war. Er stützt sich hierbei auf die Auffindung einer marmornen Altarmensa, auf welcher höchstwahrscheinlich im 17. Jahrhundert die Figur zeitweilig ihren Platz fand. Die Mensa sieht Ausm Weerth als eine Arbeit des karolingischen Zeitalters an und da sie in der Mitte eine Vertiefung hat, meint er, der Tisch habe von jeher seinem für später beglaubigten Zwecke gedient. Ciernen macht von diesem Argumente keinen Gebrauch. Jetzt zur Nachprüfung. D i e F i g u r s t i m m t zu den z e i t g e n ö s s i s c h e n Schilderungen von K a r l s Persönlichkeit. Die Richtigkeit dieser Ansicht habe ich schon oben anerkannt: ist es doch gerade dieses Moment gewesen, das von vornherein die Aufmerksamkeit auf die Figur gelenkt hat. Wenn wir aber kritisch zu Werke gehen, so wird das Argument doch eine erhebliche Beschränkung erfahren müssen: der Körperbau der Statuette stimmt allerdings mit der Schilderung Einhards von Karls des Grossen Figur überein. „Er war von breitem und kräftigem Körperbau, hervorragender Grösse, die jedoch das richtige Mass nicht überschritt, der obere Teil des Kopfes war rund, die Augen sehr gross und lebendig; so bot die Gestalt, mochte sie



6



sitzen oder stehen, eine höchst würdige und stattliche Erscheinung. Der Nacken war dick und kurz". Die Nase des Reiters ist leider durch den Brand von 1870 beschädigt, so dass sich heute nicht mehr sagen lässt, ob sie ursprünglich „etwas über das Mittelmass hinausging". Auch die charakteristische „schöne weisse" Farbe der Haare hat naturgemäss keinen Ausdruck in der Figur finden können. Ebenso war es für den Künstler wohl kaum möglich, die „freundliche Heiterkeit" im Gesichte wiederzugeben. Man erkennt, abgesehen von der Körperschilderung fehlt es an charakteristischen Merkmalen, und so wird man sich wie Giemen bescheiden müssen zu sagen: das kann Karl sein. Es spricht in dieser Beziehung nichts dagegen, sehr viel dafür. Eine völlige Sicherheit lässt sich jedoch nicht gewinnen. T r a c h t und B e i g a b e n sind k a r o l i n g i s c h und von K a r l selbst so g e t r a g e n worden. Folgendermassen schildert hier Einhard: „Er kleidete sich nach vaterländischem, nämlich fränkischem Brauche. Auf dem Leibe trug er ein leinenes Hemd und leinene Unterhosen, darüber wollene Hosen und ein Wams, das mit seidenen Streifen verbrämt war. Sodann bedeckte er die Beine mit Binden und die Füsse mit Schuhen, endlich trug er einen meergrünen Mantel und beständig das Schwert an der Seite, dessen Griff oder Gehenk von Gold oder Silber waren. Bei festlichen Gelegenheiten schritt er einher in einem mit Gold durchwirkten Kleide und mit Edelsteinen besetzten Schuhen, den Mantel durch einen goldenen Haken zusammengehalten und auf dem Haupte ein Diadem von Gold- und Edelsteinen". — Kein Zweifel, das ist die Tracht, wie sie auch der Statuette gegeben ist. Deutlich sind Diadem, Schwert, Mantel, Wams, Hosen und edelsteinbesetzte Schuhe erkennbar; auch die charakteristischen Beinbinden fehlen nicht. Es fragt sich nur: kommt diese Tracht nicht auch zu andern Zeiten vor? Um vom Schwerte ganz abzusehen, das Diadem ist in der vorliegenden Form nicht wie Clemen meint auf die frühkarolingische Zeit beschränkt. Allerdings erscheinen



7



Karl der Kahle und Lothar mit anders gestalteten Kronen, denen eine Nachbildung des byzantinischen Ohrgehänges zugefügt 1 ist, jedoch schon auf den Siegeln Konrads I. und Heinrichs I. 2 erscheint das Diadem wieder