129 104 8MB
German Pages 350 [358] Year 2022
Juliane Schumacher Die Regierung des Waldes
Sozial- und Kulturgeographie | Band 50
Juliane Schumacher ist Mitglied der Arbeitsgruppe »Environment and Justice« am Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO) in Berlin. Sie forscht zu Fragen von »Natur« und zu den politischen Ökologien und Ökonomien des Klimawandels, mit einem Schwerpunkt auf Nord- und Westafrika.
Juliane Schumacher
Die Regierung des Waldes Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Publiziert mit freundlicher Unterstützung der FAZIT-Stiftung und der Potsdam Graduate School
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2022 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Juliane Schumacher Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-6151-4 PDF-ISBN 978-3-8394-6151-8 https://doi.org/10.14361/9783839461518 Buchreihen-ISSN: 2703-1640 Buchreihen-eISSN: 2703-1659 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschaudownload
Inhalt
Danksagung .............................................................................. 7 Abkürzungsverzeichnis...................................................................13 1
Einleitung........................................................................... 17
2
Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus ...................................................... 29 2.1 Die doppelte Krise der neoliberalen Natur ........................................... 29 2.2 Neoliberalismen: Ökonomien und Naturen ........................................... 34 Konzepte des Neoliberalen.......................................................... 34 Grüner Neoliberalismus und neoliberale Natur ....................................... 54 2.3 Naturen. Materialismen und Märkte ................................................. 68 Das Aufkommen eines neuen Materialismus ......................................... 68 Geographies of marketization ....................................................... 73 Die neuen Materialismen in der Political Ecology..................................... 77 2.4 Eine materialistische Gouvernementalität der Natur .................................. 81 Auf der Suche nach Brücken ......................................................... 81 Materialitäten bei Foucault.......................................................... 84 Gouvernementalitäten verankern.................................................... 87 Mit Dingen regieren – Dinge regieren ................................................ 96 3 3.1
Methodisches Vorgehen............................................................ 101 Gedanken zur Methodik ............................................................ 103 Methoden der Political Ecology ..................................................... 103 Lokal, global, regional – questions of scale.......................................... 104 Archäologien der Macht: Die Erforschung von Gouvernementalitäten ................ 106 Epistemologie und Ontologie ....................................................... 108 3.2 Praktische Umsetzung .............................................................. 111 3.3 Die eigene Rolle .................................................................... 113
Feldstudie ......................................................................... 115 Setting: Das Fallbeispiel verorten ................................................... 115 Die Herstellung mediterraner Wälder ................................................ 116 Die Restrukturierung ländlicher Räume in Marokko ................................. 124 Die internationale Klimapolitik und Marokkos Rolle darin ........................... 134 4.2 Die Regierung des Waldes – eine genealogische Perspektive.................................................... 148 Den Ort definieren ................................................................. 149 Geschichte(n) des Maâmora-Waldes .................................................157 Gouvernementalitäten des Waldes – die Regierung der Bäume .......................170 Von kolonialen, disziplinären und neoliberalen Wäldern ..............................197 4.3 Mikroebene(n): Integration des Waldes in Kohlenstoffmärkte........................ 200 Kohlenstoffmärkte ›on the ground‹ ................................................ 201 Time-spaces of commodification ................................................... 209 Logiken des Scheiterns – die Ergebnisse des Projektes ............................. 251 Neue Akteure, Räume und tools .................................................... 256 4 4.1
Diskussion: Neue Naturen? ....................................................... 259 Naturen in Bewegung .............................................................. 260 Ins Innere der Natur ............................................................... 261 Die Natur im Wettbewerb mit sich selbst ........................................... 262 Vom Humankapital zum Naturkapital – posthumane Kapitalismen ................... 264 Eine Gouvernementalität des Experiments.......................................... 267 5.2 Politische Ökonomien der neuen Naturen............................................ 271 Investment ecologies ............................................................. 272 Uneven developments. Der Wert der Ungleichheit................................... 277
5 5.1
6 Resümee und Schlussfolgerungen ................................................ 283 6.1 Zentrale Erkenntnisse der Arbeit ................................................... 283 6.2 Ausblick: Politische Ökologie jenseits der Natur .................................... 287 Literaturverzeichnis.................................................................... 293 Dokumentenverzeichnis ................................................................. 342
Danksagung
Wissen ist immer ein kollektiver Prozess, und so haben auch zu dieser Arbeit sehr viele Menschen auf die eine oder andere Art beigetragen. Die Studienstiftung des deutschen Volkes hat mir mit einem Stipendium ermöglicht, diese Forschungsarbeit durchzuführen und mich bei allen Anliegen großzügig und unbürokratisch unterstützt; die begleitenden Akademien und Workshops haben mir immer wieder gezeigt, wie bereichernd wissenschaftlicher Austausch über das eigene Feld hinaus sein kann. Die Universität Potsdam hat die Vorstellung von Forschungsergebnissen auf Konferenzen und die Fertigstellung dieser Arbeit gefördert; die Mitarbeiter:innen der Potsdam Graduate School haben nicht nur hilfreiche Workshops und Trainings organisiert, sondern auch einen lebhaften Austausch unter Promovierenden und Lehrenden angeregt. Ich danke herzlich meinen Betreuern, Prof. Dr. Hans-Joachim Bürkner und Prof. Dr. Marc Boeckler, die mir immer alle gewünschten Freiheiten gelassen haben, aber bei Fragen oder wenn ich Unterstützung gebraucht habe, jederzeit zur Verfügung standen. Ich bedanke mich bei meinen Eltern, die mich über die Jahre dieser Arbeit immer wieder auf die verschiedenste Art und Weise unterstützt haben, bei meinen Geschwistern – und ganz besonders bei meiner Oma Lore, die immer noch alles zusammenhält. Ein ganz besonderer Dank geht natürlich an Yannek, Rafael, Jasmin und Joël, die dafür sorgen, dass mein Alltag immer bunt und nie langweilig ist und die mich immer wieder daran erinnern, dass es auch noch ein Leben jenseits der (Doktor-)Arbeit gibt. Ich bedanke mich bei den Mitarbeiter:innen des Forstprogrammes der FAO, insbesondere bei Christoph Besacier und Nicolas Picard, die es möglich gemacht haben, das Projekt, das in dieser Arbeit meist FFEM-Projekt genannt wird, als Fallbeispiel zu untersuchen; ebenso bei allen anderen Mitarbeiter:innen des Projektes in Italien, Frankreich und Marokko, die mir geholfen haben, Zugang zu Material, Daten und Informationen zu erhalten. In Marokko haben mich viele Menschen herzlich empfangen, mich in die Biologie und Geschichte des Maâmora-Waldes und der marokkanischen Forstverwaltung eingeführt, ihr Wissen mit mir geteilt und geduldig meine Fragen beantwortet. Ich danke den Wissenschaftler:innen des
8
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
ENFI, des HCEFLCD/DEF und der Universität Mohammed V. in Rabat, insbesondere Mohammed Aderghal, Mohamed Berriane, Mohamed Sabir, Mohamed Qarro, Abdelmoula Lefhaili, Ahmed Ezzerari sowie Ahmed El Aboudi und Naima Guennoun. Ebenso danke ich Michael Gajo und Ludwig Liagre, die mir einen Einblick in die Arbeit der GIZ in Marokko gegeben haben. Ein Dank geht darüber hinaus an die Rosa-Luxemburg-Stiftung und GenderCC, die mir ermöglicht haben, an den Klimakonferenzen in Marrakesch 2016 und Bonn 2017 teilzunehmen und einen Innenblick des UNFCCC-Prozesses zu erhalten, ebenso wie an die Mitstreiter:innen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung und von Scientist4Future, mit denen ich die letzten Jahre im Austausch stand. Diese Arbeit wäre in dieser Form nicht zustande gekommen ohne den Austausch mit und die Unterstützung von zahlreichen Kolleg:innen und Freund:innen. Meine Arbeitsgruppe ›Politics of Resources‹ am Leibniz-Zentrum Moderner Orient hat mir immer ein inspirierendes Umfeld geboten, in dem ich, weit über die Doktorarbeit hinaus, sehr viel gelernt habe. Ich danke Hilal Alkan, Jeanine Daǧyeli, Jeanne Féaux de la Croix, Ali Nobil Ahmad, Erdem Evren, Patrick Schukalla, Joseph Désiré Som I, Steven Serels, Judith Scheele und vielen anderen Mitarbeiter:innen und Gästen des ZMO für die vielen interessanten Diskussionen und Anregungen. Ein ganz besonderer Dank geht an Katharina Lange, die diese Arbeit über mehrere Jahre begleitet hat, immer hilfreiches Feedback und ermunternde Worte hatte und mir geholfen hat, die vielen Fragen zu klären, die sich im Laufe einer Doktorarbeit stellen. Ich danke darüber hinaus allen, die in den letzten Jahren bei Treffen, auf Konferenzen und Workshops mit mir über mein Forschungsprojekt gesprochen oder gemeinsam mit mir begleitende Projekte entwickelt haben und so in verschiedenen Phasen dazu beigetragen haben, dass es seine heutige Form hat, darunter Silja Klepp, Thomas Lemke, Christian Berndt, Michael Flitner, Patrick Bond und Hannah Hilbrandt. Ich danke schließlich meinen Studierenden an der Universität Potsdam und der Humboldt-Universität sowie den Teilnehmer:innen meiner Arbeitsgruppe auf der Sommerakadamie Leysin – viele von den Fragen und Diskussionen, die in diesen Räumen aufgekommen sind, sind auf die eine oder andere Art auch in diese Arbeit eingeflossen. Für die Ansichten, die ich in dieser Arbeit vertrete, bin ich selbstverständlich allein verantwortlich, ebenso für alle Fehler oder Unzulänglichkeiten, die sie enthalten mag. Ich bedanke mich schließlich bei allen guten Freund:innen (und Cousinen ;-), die mich in den letzten Jahren auf diesem Weg begleitet, unterstützt und ermuntert haben – ohne Euch wäre das Projekt nicht fertig geworden! Ein ganz besonderer Dank geht an Katja, Hana, Christiane und Sophie, die geholfen haben, der Arbeit den letzten Schliff zu geben und sie, soweit dies möglich ist, auch für Außenstehende verständlich zu machen.
Danksagung
Diese Arbeit ist Euch allen gewidmet: Ich hoffe, dass sie nicht der Abschluss, sondern der Beginn von weiterem Austausch und neuen, fruchtbaren Diskussionen wird.
9
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Karte der mediterranen Wald-Ökosysteme .................................... 117 Abbildung 2: Lage des Maâmora-Waldes ................................................. 155 Abbildung 3: Artenverteilung im Maâmora-Wald von 1951 bis 2011.......................... 169 Abbildung 4: Nutzungsrecht der ›Stämme‹ im Gebiet des Maâmora-Waldes ................ 181 Abbildung 5: Geometrische Anordnung der Pflanzungen im ›aménagement‹ von 1973 ..... 189 Abbildung 6: Geplante Artenzusammensetzung im Maâmora-Wald nach Abschluss des ›aménagements‹ von 1973 .............................................. 192 Abbildung 7: Auflistung der beteiligten Akteure des Pilotprojektes ......................... 211 Abbildung 8: Darstellung des Grundprinzips des FFEM-Projektes ......................... 233 Abbildung 9: Vorschlag zur Konstruktion eines Baseline-Szenarios im Rahmen des FFEM-Projektes, um ein REDD+-Projekt zu begründen ........................ 238 Abbildung 10: System für die Datenaufnahme im Maâmora-Wald ......................... 244 Abbildung 11: Vorstellung des neuen Monitoring-Systems zum Zustand des Waldes ........ 249
Abkürzungsverzeichnis
AAA AFOLU AIFM ANT APA A/R ARIES AU BIP CBD CDM CER CIFOR CLF CPMF CO2 e COP CORSIA DEF EFI EFIMED EG EIT EMP EMUNI ENFI EU ETS FAO FFEM FLR FCPF
Initiative of Adaptation of African Agriculture to Climate Change Agriculture, forestry and other land use Association internationale des forêts méditerranéennes Akteur-Netzwerk-Theorie Ad Hoc Working Group on the Paris Agreement Afforestation/Reforestation Artificial Intelligence for Ecosystem Services African Union Bruttoinlandsprodukt Convention on Biological Diversity Clean Development Mechanism Certified Emission Reduction Center for International Forestry Research Commissions locales des forêts Collaborative Partnership on Mediterranean Forests Kohlenstoffdioxid-Äquivalente Conference of Parties, Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation Département des Eaux et Forêts European Forest Institute Mittelmeerprogramm des European Forest Institute Europäische Gemeinschaft Economies in transition Euro-Mediterrane Partnerschaft Euro-Mediterranean University École Nationale Forestière d’Ingénieurs European Union Emissions Trading System Food and Agricultural Organization of the United Nations Fonds français pour l’environnement mondial Forest and landscape restoration Forest Carbon Partnership Facility
14
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
G7/G8 GCC GCF GEF GIE GIS GIZ GLF GNU GPS GVC GWP HCEFLCD
Gruppe der Sieben/Acht Global Commodity Chains Green Climate Fund Global Environment Facility Groupes d’interêt économique Geographisches Informationssytem Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit Global Landscape Forum Germany, Norway, United Kingdom Global Positioning System Global value chains Global warming potential Haut Commissariat des Eaux et Forêts et de la Lutte contre la Désertification IAV Institut Agronomique et Vétérinaire Hassan II ICA International Consultation and Analysis ICAO International Civil Aviation Organization IEA International Energy Agency IKI Internationale Klimaschutzinitiative INDC Intended Nationally Determined Contributions IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change IWF Internationaler Währungsfonds JI Joint Implementation KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau LDC Least Developed Country MAAF Ministère de l’Agriculture et de l’Alimentation MAB Man and the Biosphere Programme der UNESCO MEDDE Ministère de l’Ecologie, du Développement durable et de l’Energie MedECC Mediterranean Experts on Climate and Environmental Change MEDFOR Mediterranean Forestry and Natural Resources Management MMFN Mediterranean Model Forest Network MPS Mont Pèlerin Society MRV Measurement, Reporting and Verification NAMA Nationally Appropriate Mitigation Action NDC Nationally Determined Contributions NFMS National Forest Monitoring System NGO Non-governmental organization NWFP Non-wood forest products OECD Organisation for Economic Co-operation and Development ONF Office national des forêts ONFI ONF International
Abkürzungsverzeichnis
PES REDD REDD+
Payments for ecosystem services Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation (and the role of conservation, sustainable management of forests and enhancement of forest carbon stocks in developing countries) REG Relational Economic Geography REM REDD Early Movers Programme PMV Plan Maroc Vert SAP Structural Adjustment Program SBI Subsidiary Body for Implementation SBSTA Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice Silvamed Silva Mediterranea, Committee of Mediterranean Forestry Questions of the FAO SIS Safeguard Information System SoMF State of Mediterranean Forests SSEM Social Studies of Economization and Marketization STS Science and Technology Studies TEEB The Economics of Ecosystems and Biodiversity TEK Traditional Ecological Knowledge TEV Total Economic Value UNEP United Nations Environment Programme UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization UNFCCC United Nations Framework Convention on Climate Change UN-REDD REDD+-Programm der Vereinten Nationen USGS United States Geological Survey VCS Verified Carbon Standard (bis 2018: Voluntary Carbon Standard) WMO World Meteorological Organization WTO World Trade Organization WWF World Wide Fund For Nature
15
1
Einleitung
Wer an einem gewöhnlichen Samstag den Maâmora-Wald im Norden Marokkos besucht, sieht nichts von radikalen Umbrüchen. Lichte Reihen von Korkeichen erstrecken sich zu beiden Seiten der Straße, an provisorischen Ständen verkaufen Frauen Keramik, ein Mann bietet am Straßenrand frische Pilze an. Ein Dutzend Autos parkt im Schatten der Bäume. Es ist Oktober und noch heiß, der Boden ist ausgeblichen, über allem liegt feiner Staub. Familien, Pärchen, Gruppen junger Leute streifen zwischen den Bäumen umher, packen Decken aus oder stellen Klappstühle auf. Von der anderen Seite, vom Wald her, sind die Bewohner:innen der Dörfer gekommen, die Frauen kochen Minztee auf dem Holzfeuer, verkaufen frittierte Fladen; ihre Esel und mageren Pferde suchen, die Beine zusammengebunden, auf dem Boden nach Essbarem. Zwei Männer bauen ein Trampolin auf und laden Spielzeugautos von der Ladefläche eines kleinen Lasters, Kinder springen aufgeregt um sie herum. Etwas weiter entfernt schart sich eine Gruppe junger Frauen und Männer um eine Frau, die ihnen, die Hand am zerfurchten Stamm einer Korkeiche, etwas erklärt: Biologie-Student:innen der Universität Rabat auf Exkursion. Viele Merkmale mediterraner Wälder, mit denen sich diese Arbeit beschäftigt, lassen sich aus dieser kurzen Szene ableiten: die Vielfalt der Funktionen, die die Wälder erfüllen, ihre Offenheit, ihr Status als Nutz- und Kulturwälder. Die Wälder des Mittelmeerraumes haben wenig gemein mit der romantischen Vorstellung eines wilden, von Menschen unberührten Ortes, sie haben sich über Tausende von Jahren mit und durch den Menschen entwickelt. Am Kreuzungspunkt Mittelmeer, an dem, wie Braudel (1985) schreibt, seit Jahrtausenden »alles zusammenkommt«, lassen sich menschliche und nicht-menschliche Einflüsse in der Entwicklung von Landschaften so wenig trennen, dass auch Ökolog:innen von einer »co-evolution« sprechen: »Nowhere else more than in the Mediterranean region has nature moulded people so much and have people in turn so deeply influenced landscapes.« (Blondel 2010, S. 202). Bis heute spielen die Wälder des Mittelmeerraumes für Millionen von Menschen eine entscheidende Rolle im Alltag: Sie liefern Brenn- und Bauholz, Pilze und Früchte, Duft- und Heilpflanzen, sie dienen als Viehweide, als
18
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Jagdgebiet, als spiritueller Ort oder nationales Symbol, als Ziel für den Wochenendausflug oder Grundlage für Öko-Tourismus. Das Thema dieser Arbeit sind Entwicklungen, die mit diesen alltäglichen Praktiken, Verbindungen und Konflikten der Nutzer:innen des Waldes in Verbindung stehen − die aber zugleich über sie hinausgehen. Entwicklungen, die erst sichtbar werden, wenn sie nicht aus größerer Nähe, sondern aus größerer Entfernung betrachtet werden. Kohlenstoffmärkte im Mittelmeerraum Die Aufstände und Revolutionen, die ab Ende 2010 die politische Landschaft Nordafrikas und des Nahen Ostens veränderten, wurden von manchen Beobachter:innen zunächst überwiegend als städtische Bewegungen wahrgenommen, möglich gemacht durch die Verbreitung von Internet und sozialen Medien, als »Facebook Revolution«.1 Andere haben das Augenmerk auf die ländlichen Räume der Region gerichtet und auf die Rolle, die sie für Ausbruch und Ausgang der Aufstände gespielt haben (Bush und Ayeb 2012; Bogaert 2013, 2015). Sie haben auf die Umstrukturierungen hingewiesen, die dort seit Ende der 1980er Jahre stattfinden: Privatisierungen von Land und Wassersystemen, die Umstellung der Landwirtschaft auf Exportgüter, in Ländern wie Ägypten auch das Aufbrechen seit Jahrzehnten geltender Bewirtschaftungs- und Pachtsysteme − Prozesse, die die gesellschaftliche Struktur auf dem Land und ihre wirtschaftlichen und sozialen Bezüge verschoben haben (Bush 2004b, 2011; Ayeb 2012; Hopkins und Westergaard 1998; Gertel und Breuer 2012). Diese Veränderungen haben nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 eine neue Dynamik entwickelt. Unter Schlagworten wie »land grabbing« oder »green grabbing« wurde über eine neue Welle der Aneignung (appropriation) und Einhegung (enclosure) von Räumen und Ressourcen diskutiert; in verschiedenen Disziplinen rückten natürliche ›Ressourcen‹2 stärker ins Zentrum des Forschungsinter1
2
Die Revolutionen 2011 wurden daneben häufig diskutiert als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der ›illegitimen‹ Herrschaft der autokratischen Regierungen der Region und des Wunsches nach Demokratisierung (Tisdall 2011; Heydemann 2015), in Zusammenhang mit der hohen Jugendarbeitslosigkeit (Dunne 2011) oder zunehmender sozialer Ungleichheit (s.u.). Zudem gab es regional starke Unterschiede: So standen in Ägypten die urbanen Proteste, insbesondere Platzbesetzungen, im Zentrum des medialen Interesses; in Syrien wurden die Proteste von Beginn an auch mit Klimawandel und mehrjährigen Dürren in den Jahren zuvor in Verbindung gebracht (vgl. etwa Johnstone und Mazo 2011). Ich setze den Begriff ›Ressourcen‹ hier bewusst in Anführungszeichen. Land, Wasser, Holz, Mineralien oder andere stoffliche Einheiten als Ressourcen zu bezeichnen, impliziert bereits einen bestimmten Blickwinkel: Es bedeutet, diese vorrangig aus der Perspektive menschlicher Nutzung zu sehen. Aus Gründen der Lesbarkeit verzichte ich im Laufe der Arbeit auf diese Kennzeichnung − dies gilt ebenso für Begriffe wie ›Natur‹ oder ›Ware‹, die jeweils nur beim ersten Auftauchen in Anführungszeichen stehen, auch wenn diese Kennzeichnung durch die ganze Arbeit hindurch mitgedacht werden kann.
1 Einleitung
esses.3 Die Untersuchungen konzentrierten sich dabei häufig auf gewaltförmige Umbrüche und Inwertsetzungsprozesse, Formen der »appropriation by dispossession«, bei denen Konflikte um die Nutzung offen zutage treten.4 Diese Studien zeigen, wie brutal Inwertsetzungsprozesse sein können, welche Formen des Widerstands sie hervorrufen; sie haben deutlich gemacht, dass die ursprüngliche Akkumulation kein historisches Phänomen ist, sondern eines, das in Wellen wiederholt wird und werden muss, um die Grenzen kapitalistischer Verwertung auszuweiten und die Fortsetzung des Akkumulationsprozesses zu garantieren (Harvey 2003; Glassman 2016).5 Doch nicht alle Inwertsetzungsprozesse beruhen auf Gewalt; der offene Konflikt ist in vielen Fällen nur ein Ausdruck von Kämpfen, die auf mehreren Feldern zugleich geführt werden. Veränderungen in der Nutzung und Bewertung von ›Natur‹ können auch sehr viel subtiler ablaufen.6 Der Maâmora-Wald im Norden Marokkos, nahe der Hauptstadt Rabat, ist Schauplatz einer solchen Transformation: Er ist Pilotstandort eines regionalen Projektes der Food and Agricultural Organization der Vereinten Nationen (FAO) und anderer Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, das zum Ziel hat, mediterrane Wälder in den globalen Emissionshandel einzubeziehen; hier soll erprobt werden, wie eine solche Integration gestaltet werden kann. Auf dem Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 wurde mit der Klimarahmenkonvention der Grundstein für die internationale Klimapolitik gelegt. Das KyotoProtokoll führte 1997 Marktmechanismen in die Klimapolitik ein: Es erlaubte den beteiligten Parteien, einen Teil der vereinbarten Emissionsreduktionen in anderen
3
4
5
6
Dies gilt nicht nur für ›klassische‹ Felder der Ressourcenforschung wie die Geopolitik. Auch Disziplinen wie die Anthropologie, die Regional- oder die Geschichtswissenschaften haben sich in den letzten Jahren vermehrt mit Ressourcen, ihrer Bewertung und Nutzung beschäftigt, vgl. etwa die Anthropologien des Öls (Behrends et al. 2011; Gautier 2008; Labban 2010, 2014; Mitchell 2011; Weszkalnys 2014) oder des Wassers (Limbert 2001; Jones 2010; Barnes 2014). Den Bezeichnung appropriation by dispossession hat Harvey (2003) geprägt. Für Beispiele und eine Übersicht über diese Debatten siehe etwa Hall et al. 2015, zu green grabbing Peluso und Lund 2011; Wolford et al. 2013 und Fairhead et al. 2012. Als »ursprüngliche Akkumulation« bezeichnete Marx (2013[1867]) die gewaltsame Enteignung weiter Teile der Gesellschaft, der späteren Arbeiterschaft, die dadurch von ihren Produktions- und Subsistenzmitteln (Land, Zugang zu Wäldern etc.) getrennt wurden und fortan gezwungen waren, für Lohn zu arbeiten. Erst diese Vorgeschichte habe die kapitalistische Akkumulation möglich gemacht. Der Begriff der Natur zieht sich durch diese Arbeit. Ich setzte ihn, wie oben erläutert, beim ersten Auftauchen in Anführungszeichen, um deutlich zu machen, dass Natur nicht als die ›eine Natur‹ verstanden wird, sondern als Produkt komplexer diskursiver und materieller Praktiken, das sich immer wieder verändern kann.
19
20
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Ländern zu kaufen, zumeist solchen des Globalen Südens. Auch das Pariser Abkommen, seit 2015 der Rahmen für die internationale Klimapolitik, sieht Marktmechanismen zum Handel mit Emissionszertifikaten vor.7 Befürworter:innen argumentieren, dieses carbon trading ermögliche eine effizientere und kostengünstigere Reduzierung von Emissionen. Aktivist:innen aus dem Globalen Süden hingegen kritisierten den Ansatz bereits in den 1990ern als »carbon colonialism« (Agarwal und Narain 1992). Von Anfang an gab es Kontroversen um die Frage, ob Wälder in die Berechnung der Emissionen und den Handel mit Emissionszertifikaten einbezogen werden sollen. Wälder nehmen CO2 aus der Luft auf, sie können daher als CO2 -Senke wirken. Seit 2005 wird unter der Bezeichnung Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation (REDD+) im Rahmen der Klimarahmenkonvention ein Mechanismus entwickelt, der es erlauben soll, für Aufforstungen und Maßnahmen, die die CO2 -Aufnahme von Wäldern erhöhen, Zahlungen oder Emissionsgutschriften zu erhalten. Programme von internationalen Organisationen, wie das UN-REDD Programm und die Forest Carbon Partnership Facility (FCPF) der Weltbank unterstützen Länder des Globalen Südens bei der Vorbereitung auf die Teilnahme an REDD+, ebenso kommt Unterstützung von einzelnen Staaten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit.8 Derzeit existiert kein offizieller Markt für REDD+. Jedoch laufen weltweit Pilotprojekte für das Programm; im Rahmen von bilateralen Programmen werden Emissionszertifikate aus Waldprojekten bereits gehandelt, ebenso auf den freiwilligen Kohlenstoffmärkten, die Unternehmen oder Privatpersonen anbieten, ihre Emissionen auszugleichen. REDD+-Projekte sind bisher nur in tropischen Regenwäldern durchgeführt worden, in Lateinamerika, Afrika und Südostasien. Anfang der 2010er Jahre starteten Entwicklungshilfe- und internationale Organisationen zum ersten Mal den Versuch, REDD+ auch im Mittelmeerraum zu etablieren. Es war Ziel dieser Arbeit, diese Prozesse zu begleiten, zu untersuchen und zu analysieren. Theoretische Verortungen Dabei verortet sich die Arbeit (1) im Feld der Political Ecology,9 einer Strömung innerhalb der (kritischen) Geographie und verwandter Disziplinen, die ab den 1970er Jahren Umweltveränderungen als Teil oder Ausdruck ge7 8
9
Der Begriff »Markt« taucht im Pariser Abkommen nicht auf, stattdessen ist in Art. 6 von »voluntary cooperation« die Rede, vgl. für eine Analyse etwa Schleussner et al. 2018. 2019 waren 65 Länder − in Afrika, Asien und Lateinamerika − Teil des UN-REDD-Programms. 47 Länder erhielten Förderung über die FCPF der Weltbank, wobei viele Länder von beiden Institutionen gefördert werden. Für eine aktuelle Übersicht siehe UN-REDD 2020 und FCPF 2020. Ich benutze in dieser Arbeit den englischen Ausdruck Political Ecology, um Verwechslungen zu vermeiden: zum einen mit der deutschsprachigen Politischen Ökologie, die sich in ihren Ausgangspunkten und Forschungskontexten teils stark von der englischsprachigen Politi-
1 Einleitung
sellschaftlicher und ökonomischer Verhältnisse analysierte. Dies geschah zunächst überwiegend aus einer marxistischen Perspektive. Seit Ende der 1990er Jahre hat sich die Political Ecology ausdifferenziert und zunehmend poststrukturalistische, feministische und postkoloniale Ansätze aufgenommen (Demeritt 2005; Gregory 2005; Rocheleau et al. 1996; Carey et al. 2016). Seit Mitte der 2000er Jahre spielen Methoden und Konzepte aus den Science and Technology Studies (STS) und den verschiedenen Formen des New Materialism eine wichtige Rolle in der Political Ecology (Braun und Castree 1998a; Castree und Braun 2005; Goldman et al. 2011) − eine Entwicklung, die, wie in Kap. 2 gezeigt wird, die Political Ecology als Forschungsfeld vor besondere Herausforderungen stellt. Empirische Studien aus einer Perspektive der Political Ecology wurden bisher überwiegend in Lateinamerika und Südostasien, teilweise auch im südlichen Afrika durchgeführt. Zum Nahen Osten und Nordafrika hingegen liegen, bis auf wenige Ausnahmen zum Thema Wasser, kaum entsprechende Arbeiten vor. Jene Regionen, die nicht Teil des industrialisierten Nordens sind, aber auch nicht als das ›Andere‹, als Orte unberührter und schützenswerter Natur konstruiert werden können, bleiben weiterhin ein blinder Fleck in der Political Ecology. Umgekehrt spielen Umweltthemen in der Forschung zur Region bisher kaum eine Rolle.10 Mit der vorliegenden Untersuchung möchte ich Ansätze politischer Ökologien in der Forschung zur Region stärken. Vor allem aber hoffe ich, durch die Beschäftigung mit dem Mittelmeerraum, einer Jahrtausende alten Kulturregion, einen Beitrag leisten zu können zur Weiterentwicklung der Political Ecology, zur Entwicklung von Ansätzen jenseits eines essentialistischen Naturverständnisses, die dennoch das kritische Potential politischer Ökologien behalten. Ein zentrales Thema der Political Ecology waren in den letzten zwei Jahrzehnten die Transformationen von Natur und Naturbeziehungen seit den 1990er Jahren. Unter Schlagworten wie neoliberal nature oder green neoliberalism setzten Studien die Form, die die Bearbeitung ökologischer Krisen − etwa des Klimawandels − annimmt, in Beziehung zu den neoliberalen Politiken, die seit den 1980er Jahren die wirtschaftliche und politische Entwicklung weiter Teile des Globalen Nordens
10
cal Ecology unterscheidet, zum anderen mit der Politischen Ökologie der Akteur-NetzwerkTheorie, die in Kap. 2 dargestellt wird. Farmer und Barnes führen dies unter anderem auf die Tatsache zurück, dass die Region häufig wahrgenommen werde »in terms of patriarchal, tradition-bound, and largely homogenous Muslim populations living in undifferentiated desert spaces [which] has long given way to scholarship that identifies the diversity and dynamism of associational life, political subjectivities, state formations, religious practices, and gender performances« (Farmer und Barnes 2018, S. 375).
21
22
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
und Südens dominieren (Heynen et al. 2007b; Peet et al. 2011b).11 Neoliberale Natur wurde zu einem zentralen Begriff der Political Ecology − ein Konzept, das das zunehmend breiter gewordene Feld inhaltlich zusammenhielt. Der Begriff der neoliberalen Natur ist in mehrfacher Hinsicht auch zentral für diese Arbeit. Er bildet den Ansatzpunkt für die Untersuchung: Ich habe den Aufbau von Projekten aus dem Bereich Kohlenstoffhandel zunächst hinsichtlich der Frage untersucht, ob und inwieweit sich die dabei beobachteten Veränderungen als Neoliberalisierung von Natur fassen lassen. Der Begriff der neoliberalen Natur verweist aber auch bereits auf die Konzepte und Grundannahmen, die diese Untersuchung leiten: Er impliziert, dass es mehr als eine Form von Natur gibt, dass verschiedene Naturen aktiv hergestellt werden − und dass es eine Verbindung zwischen diesen Naturen und den vorherrschenden ökonomischen Strukturen gibt. Als zentrales Merkmal neoliberaler Naturen wird, entsprechend den Charakteristiken des Neoliberalen (Kap. 2.2), die Ökonomisierung von Natur und Naturbeziehungen ausgemacht. Studien, die diese untersuchen, reichen von der Privatisierung von Wasser (Bakker 2005) und genetischen Ressourcen (Arsel und Büscher 2012; Corson und MacDonald 2012) über den ›Handel‹ mit Feuchtgebieten (Robertson 2004) bis zur internationalen Klimapolitik und dem Aufbau von Kohlenstoffmärkten (Osborne und Shapiro-Garza 2017). REDD+-Projekte können als klassisches Beispiel der Neoliberalisierung von Natur gelten: Für den Handel mit Emissionszertifikaten müssen neue Waren geschaffen und neue Märkte aufgebaut werden, es werden Aspekte der Wälder inwertgesetzt, die zuvor nicht marktförmig koordiniert waren. Untersuchungen zu bereits laufenden REDD+-Projekten haben sich überwiegend auf die Folgen für die (lokalen) Nutzer:innen konzentriert;12 die Neoliberalisierung von Natur wird dabei über eine Analyse der beteiligten menschlichen Akteure begriffen. Offen bleibt dabei, was neoliberale Natur in einem stärker materiellen Verständnis ist, welche Formen sie annehmen kann, welche Rolle nichtmenschliche Akteure in diesem Prozess spielen. Diesen Fragen möchte ich mich in dieser Arbeit zuwenden. Ich beziehe mich dabei auf jüngere Entwicklungen in den Geistes- und Sozialwissenschaften, die im Rahmen eines ›neuen Materialismus‹
11
12
Im deutschsprachigen Raum wurden diese Phänomene überwiegend unter dem Begriff »postfordistische Naturverhältnisse« diskutiert (Brand und Görg 2003), in Anlehnung sowohl an die Kritische Theorie als auch an die Regulationstheorie (vgl. Kap. 2.2). Sie zeigen unter anderen, dass REDD+-Projekte zur Vertreibung lokaler Bevölkerungsgruppen (Cavanagh und Benjaminsen 2014) und einer verstärkten Militarisierung führen können (Asiyanbi 2016), welchen Einfluss der Widerstand lokaler Nutzer:innen auf die Form der Projekte hat (Scheba 2014) und welche Rolle Landrechte für die Frage spielen, ob die Ausrichtung der Wälder auf CO2 -Speicherung auf Kosten lokaler und regionaler Nutzer:innen geht oder nicht (Chhatre und Agrawal 2009; Corbera et al. 2011; Osborne und Shapiro-Garza 2017).
1 Einleitung
und Politischer Ökologien (im Latour’schen Sinn) die Rolle nicht-menschlicher Akteure und der physisch-materiellen Verankerung von Handlungen betonen, und sowohl in der Geographie als auch in der Political Ecology aufgenommen wurden (Whatmore 2002; Castree und Braun 2005; Braun und Whatmore 2010; für die deutschsprachige Forschung auch Gesing et al. 2019). Der Fokus meiner Untersuchung zu REDD+ liegt daher weniger auf den (zu beobachtenden oder zu erwartenden) Folgen für die Nutzer:innen des Waldes, sondern auf dem Wald selbst, auf den Naturen, die durch die Projekte und die damit verbundenen Praktiken hergestellt werden. Bei REDD+ geht es, wie eingangs beschrieben, um den Aufbau von Kohlenstoffmärkten, es handelt sich um einen Prozess des Markt-Machens, der marketization. Um diesen auf eine Art analysieren zu können, die die Rolle nicht-menschlicher Akteure und Handlungen einbezieht, greife ich (2) Ansätze der social studies of economization and marketization (SSEM) oder marketization studies auf.13 Diese haben sich in den 1990er Jahren aus den Science and Technology Studies (STS) und verwandten Ansätzen wie der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) entwickelt, indem sie die Frage, wie (wissenschaftliches) Wissen praktisch hergestellt wird, auf das Feld der Wirtschaft und deren zentrale Kategorie, den Markt, übertragen haben;14 als geographies of marketization wurden sie in die Geographie aufgenommen.15 Im Gegensatz zur neoklassischen Wirtschaftstheorie, aber auch weiten Teilen der Politischen Ökonomie, gehen diese Ansätze davon aus, dass ›die Wirtschaft‹ keine vom Gesellschaftlichen getrennte Sphäre ist, in der eigene Gesetze gelten, und dass ›der Markt‹ nichts ist, das sich von selbst entwickelt − sondern ein Gebilde, das, wie Callon (2006b, 2007) deutlich macht, durch harte Arbeit hergestellt werden muss. Der Anspruch der marketization studies ist es, eben diese Arbeit sichtbar zu machen, zu zeigen, wie Märkte und ökonomische Kategorien jenseits von theoretischen Modellen aufgebaut und stabilisiert werden – diskursiv, praktisch und materiell. »Markets are neither essences nor pure constructions, but the contingent outcomes of the manner in which they are performed and reiterated.« (Boeckler und Berndt 2012a, S. 425) So liegt auch in dieser Arbeit ein Schwerpunkt der Analyse darauf, zu zeigen, welche Technologien und Praktiken, welche sozio-materiellen Arrangements nötig sind, um den Korkeichenwald in Marokko zu einem Teil globaler Kohlenstoffmärkte zu machen, und welche neuen Formen von Natur dabei produziert werden.
13 14 15
Für die Untersuchung von Märkten gibt es verschiedenen Bezeichnungen, ich benutze im Folgenden der Einfachheit halber zusammenfassend den Begriff marketization studies. Vgl. etwa Callon 1998b, 2007, 2008, 2009; Preda und Knorr-Cetina 2005; MacKenzie et al. 2007, 2008; sowie Kap. 2 dieser Arbeit. Vgl. insbesondere Berndt und Boeckler 2009, 2010, 2011, 2012a; sowie Ouma 2012 und 2015.
23
24
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Durch Interviews mit Akteur:innen aus dem und um das beschriebene Projekt,16 die Auswertung von Dokumenten und teilnehmende Beobachtung auf verschiedenen Ebenen − im Wald selbst, bei Projekt-Workshops und internationalen Verhandlungen über REDD+ im Rahmen der UNFCCC − bin ich dabei einer Reihe von Fragen nachgegangen: Wie werden die neuen Verbindungen, die für die Kommodifizierung nötig sind, etabliert? Welche Technologien, welches Wissen ist dafür notwendig, welche scales, spaces und temporalities spielen in diesem Prozess eine Rolle?17 Welche Akteure sind beteiligt, welche kooperieren, welche widersetzen sich? Wie verändert diese Politik die Gestalt des Waldes, seine Bewertung, seine Nutzung? Die Ansätze der marketization studies, und, in einem weiteren Sinne, der STS, ermöglichen es, die kritische Rolle von nicht-menschlichen Akteuren in Inwertsetzungsprozessen deutlich zu machen. Aber genügt das, um den Begriff und die Gestalt neoliberaler Naturen zu klären? Wie lassen sich kapitalistische und nichtkapitalistische Markt-Gebilde, oder, noch spezifischer, verschiedene Formen von Märkten innerhalb des Kapitalismus unterscheiden? Hier zeigt sich ein Konflikt, der die Kombination von ANT-inspirierten Untersuchungen mit Ansätzen aus der Politischen Ökonomie − damit auch der Political Ecology − erschwert. Denn die ANT in ihrer reinen Form lehnt, ebenso wie andere Ansätze der Neuen Materialismen, jede Form der Generalisierung ab. Die Untersuchung soll, so der Anspruch, ohne auf vorgefasste Kategorien zurückzugreifen »den Akteuren folgen«: Jedes Netzwerk ist spezifisch und singulär, eine vergleichende Perspektive oder das Nachzeichnen historischer Entwicklungen daher kaum möglich (vgl. Kap. 2.3). Auch wenn es Versuche gibt, die ANT zur Untersuchung von Inwertsetzungsprozessen mit marxistischen Ansätzen zusammenzubringen (Castree 2003, 2005a) und inzwischen zahlreiche Arbeiten aus dem Bereich der Political Ecology einzelne Aspekte der ANT oder der STS aufnehmen, so zeigt sich diese Problematik, sobald die Untersuchung den engen Rahmen eines einzelnen, isolierten Fallbeispiels verlässt. Dies gilt auch für diese Arbeit. Die Frage, welche Form die Neoliberalisierung in der Region annimmt, lässt sich anhand der Untersuchung eines einzelnen Projektes nur schwer beantworten. Nicht nur weil, wie in Kap. 2 dargestellt wird, Neoliberalismus auf unterschiedliche Weise definiert und verwendet wird, oder weil,
16
17
Einen Schwerpunkt bildeten dabei am Projekt beteiligte Mitarbeiter:innen von internationalen Organisationen und vor Ort, Expert:innen für REDD+ und Mitarbeiter:innen der marokkanischen Forstbehörde, verschiedener Forschungseinrichtungen sowie Vertreter:innen von Nichtregierungsorganisationen, vgl. zur Methodologie ausführlich Kap. 3. Ich verwende in dieser Arbeit teilweise Begriffe aus der englischsprachigen Geographie, da diese, etwa im Fall von scale, sich häufig nicht eindeutig mit einem deutschen Begriff wiedergeben lassen.
1 Einleitung
wie Castree (2009) kritisiert, die Forschung zu neoliberalen Naturen zwar eine große Zahl von Fallstudien hervorgebracht hat, jedoch kein übergreifendes Konzept, das diese zusammenbringen und damit eine Definition bieten könnte. Sondern vor allem wegen der Schwierigkeit, neoliberale Naturen von anderen Formen der Naturbeziehung und -produktion abzugrenzen: Was ist eine neoliberale Form der Inwertsetzung von Natur − und was ist es nicht? Wie unterscheiden sich spezifisch neoliberale Muster des Umgangs mit Natur von kapitalistischen im Allgemeinen? Und wenn sich Kriterien für eine neoliberale Form von Natur finden lassen, welche Form nehmen dann andere kapitalistische Naturen an? Diese Fragen sind weiterhin offen. Dies hat, unter anderem, dazu beigetragen, dass der Begriff der neoliberalen Natur, wie in Kap. 2.1 gezeigt wird, zuletzt zunehmend kritisch hinterfragt wurde (Bakker 2010). Es hat sich gezeigt, dass zur Beantwortung der genannten Fragen methodisch wie theoretisch eine Erweiterung nötig ist: Es braucht zum einen eine Untersuchungsperspektive, die über den aktuellen Prozess, den Moment der Inwertsetzung, hinaus geht und helfen kann, den Aufbau neoliberaler von anderen Formen der Natur abzugrenzen. Zum anderen braucht es einen Analyserahmen, der als Brücke dienen kann zwischen Untersuchungen auf der Mikroebene und eben solcher Betrachtungen auf der Ebene des longue oder moyenne durée. Zur gegenwartsbezogenen Forschung kam so eine genealogische Perspektive hinzu, die, ausgehend von den aktuell laufenden Prozessen, auch die Projekte betrachtet, die diesen in den letzten 100 Jahren vorausgegangen sind. Ohne dabei den Anspruch zu haben, einen vollständigen Überblick über die Geschichte des Maâmora-Waldes zu liefern, untersuche ich, welche Etappen der Waldbewirtschaftung sich zeigen, welche Konstanten sich ausmachen lassen, welche Brüche und Verschiebungen − und was den neoliberalen von früheren Ansätzen der Bewirtschaftung unterscheidet. Dass diese Untersuchung nicht nur möglich, sondern sehr aufschlussreich war, war zum einen der guten Quellenlage geschuldet, zum anderen der Tatsache, dass der Maâmora-Wald, wie in Kap. 4.2 dargestellt wird, seit der Zeit des französischen Protektorats ein Experimentierfeld für die Waldpolitik in Marokko war − und es, wie ich in Kap. 5 zeige, bis heute ist. Um dieses Material zu analysieren, habe ich (3) auf Arbeiten Foucaults zurückgegriffen, insbesondere seine Schriften zur Gouvernementalität, die den dritten theoretischen Strang der Arbeit bilden. Die Studien zur Gouvernementalität, die Foucault anhand historischer Analysen entwickelt hatte, wurden ab den 1990er Jahren auch für gegenwartsbezogene Forschung fruchtbar gemacht; als »green governmentality« (Rutherford 2007, 2017) oder »environmentality« (Luke 1995, Agrawal 2005a) wurde der Gouvernementalitätsansatz genutzt, um bestimmte Formen der Umweltgovernance und die Formierung ›grüner‹ Subjekte zu bezeichnen. Während sich diese Arbeiten auf das Lenken menschlichen Handelns gegenüber der nicht-menschlichen Umwelt und die Herausbildung spezifischer Subjek-
25
26
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
tivitäten konzentrieren, verwende ich den Gouvernementalitätsansatz hier auf eine stärker materialistische Art und Weise. Foucaults Gouvernementalitätsansatz ist bisher kaum in Verbindung gebracht worden mit den neuen, materialistischen Theorien, die ich oben skizziert habe. Das Freilegen der materialistischen Grundlagen von Foucaults Theorie soll dies hier ermöglichen. So gehe ich zum einen der Frage nach, auf welche materiellen Infrastrukturen sich die verschiedenen Formen der Gouvernementalität stützen und welche sie hervorbringen, durch welche ›Dinge‹ und sozio-materiellen Arrangements sie vermittelt werden. Diese Topographien der Gouvernementalität, auf die bisher in der Geographie nur vereinzelt eingegangen wurde, beziehen sich direkt auf die Entwürfe Foucaults. Diese sind − vor allem wenn sie vor dem Hintergrund seiner früheren Werke gelesen werden − weitaus materialistischer, als die meisten Untersuchungen der governmentality studies, die sich auf die Analyse von Diskursen konzentrieren, nahelegen. Zum anderen weite ich den Ansatz Foucaults auf nicht-menschliche ›Subjekte‹ aus und verstehe ›Regierung‹ als zentralen Begriff der Gouvernementalität nicht nur als die Form der Kontrolle menschlicher Populationen, sondern auch nichtmenschlicher, im vorliegenden Fall des Waldes. Aus dem Regieren ›mit und durch Dinge‹ wird in diesem Sinn eine ›Regierung der Dinge‹.18 Das Regieren des Waldes und die materiellen und diskursiven Arrangements, die dazu nötig sind und daraus entstehen, bilden den Verbindungspunkt der drei Theoriestränge. Diese Arbeit verfolgt also zwei Ziele: In einem ersten Teil entwickele ich einen Rahmen, der es ermöglichen soll, neoliberale (und andere Formen) von Naturen und deren Unterschiede zu untersuchen. Dazu bringe ich, nach einer einführenden Erkundung des Konzepts neoliberaler Natur und dessen Rolle in der Political Ecology, Foucaults Gouvernementalitätsansatz in Verbindung mit Ansätzen der neuen Materialismen wie der Akteur-Netzwerk-Theorie. Diese materialistische Lesart der Gouvernementalität, die ich in Kap. 2.4 herausarbeite, dient als Grundlage für die empirische Untersuchung. Indem sie Widersprüche und Berührungspunkte zwischen Strömungen der Political Ecology, den governmentality studies und posthumanen Theoriekonzeptionen aufzeigt, möchte sie zugleich einen Beitrag leisten zu laufenden Diskussionen über die Möglichkeiten (und Grenzen) des neuen Materialismus und dessen Einbeziehung in die Political Ecology und in die geographische Forschung im Allgemeinen. Im zweiten Teil zeige ich am Beispiel des Maâmora-Waldes und der mediterranen Wälder, wie diese theoretischen Ausarbeitungen genutzt werden können, um räumliche und zeitliche Ordnungen der Regierung nicht-menschlicher Natur 18
Diese Erweiterung von Foucaults Gouvernementalitätsansatz ist in ähnlicher Form zuletzt auch von Lemke (2018) aufgebracht worden, der die Arbeiten von Barad (2007) aus einer focault’schen Perspektive analysiert (vgl. Kap. 2.4).
1 Einleitung
und Veränderungen in diesen zu fassen. Dies geschieht entlang der Frage, ob die verschiedenen kapitalistischen Formationen spezifische Weisen haben, mit Natur umzugehen, und ob sie ihre jeweils eigenen Formen von Natur hervorbringen. Wie werden Bäume, Kohlenstoffverbindungen oder andere nicht-menschliche Akteure regiert? Lassen sich in diesem Regieren verschiedene Modi unterscheiden? Gibt es einen neoliberalen Wald? Die Frage, was neoliberale Naturen ausmacht, wie sie produziert und inwertgesetzt werden, gehe ich dabei wie beschrieben von zwei Seiten an: zum einen aus einer historisch-genealogischen Perspektive, mit der ich versuche herauszuarbeiten, wie sich verschiedene Formen der Produktion von Natur unterscheiden; zum anderen aus einer Mikroperspektive, die zeigen soll, wie die gegenwärtige, ›kommodifizierte‹ Natur hergestellt wird. Diese Arbeit bewegt sich am Kreuzungspunkt dieser beiden Perspektiven. Sie schließt damit an Forderungen aus der Political Ecology an, die Schaffung von neoliberalen Naturen historisch und geographisch genauer abzugrenzen (Bakker 2010). Sie zeichnet dazu die Formen der Regierung und der Produktion von Natur im Maâmora-Wald nach, mit einem Fokus auf den Verschiebungen und Brüchen, die sich dabei beobachten lassen – und wirft, davon ausgehend, nicht nur die Frage auf, was ein ›neoliberaler Wald‹ ist, sondern auch, wo die neoliberale Inwertsetzung endet und was auf sie folgt. Aufbau der Arbeit Um sich mit neoliberalen Naturen zu beschäftigen, ist es nötig, zu klären, was neoliberale Naturen sind. Dieser Frage widmet sich Kapitel 2, wo ich den theoretischen Rahmen aufspanne, in dem sich die Arbeit bewegt und zugleich einen Überblick über den Forschungsstand zur neoliberalen Natur gebe. Ausgehend von der Diagnose einer doppelten Krise der neoliberalen Natur − sowohl in Bezug auf das Neoliberale als auch in Bezug auf Natur − entwickele ich dort einen theoretischen Ansatz, der die Analyse des Fallbeispiels leitet. Dazu zeige ich in zunächst, wie (verschieden) Neoliberalismus definiert werden kann, und erarbeite anhand der Literatur eine erste Definition von neoliberaler Natur, mit der in Folge gearbeitet werden kann. In diesem Zusammenhang stelle ich auch Foucaults Gouvernementalitätsansatz und seine Arbeiten zum Neoliberalismus dar. Der nächste Teil des Kapitels widmet sich der Natur: Kap. 2.2 stellt kurz dar, wie Ansätze der neuen Materialismen und der Akteur-Netzwerk-Theorie die Political Ecology verändert (und herausgefordert) haben, und welche Rolle sie für die Analyse der Herstellung und Aufrechterhaltung von Märkten spielen. Im dritten Teil bringe ich die Ansätze zusammen: In Kap. 2.3 arbeite ich Ansatzpunkte für eine materialistische Betrachtung von Gouvernementalität heraus. Diese Perspektive eines ›Regierens der Dinge‹ und einer Gouvernementalität des Waldes bilden die theoretische Grundlage für die folgende Analyse des Fallbeispiels. Kapitel 3 diskutiert Fragen der Methodologie, die für die Arbeit relevant sind und zeigt, wie die empirische Forschung praktisch umgesetzt wurde.
27
28
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Das Fallbeispiel und die Ergebnisse der Untersuchung werden in Kapitel 4 dargestellt. In Kap. 4.1 werden zunächst die Hintergründe und der Rahmen des untersuchten Projektes umrissen. Kap. 4.2 widmet sich der Geschichte des MaâmoraWaldes: Es stellt die verschiedenen Bewirtschaftungs- und Entwicklungsprogramme dar, die dort durchgeführt wurden, und diskutiert sie vor dem Hintergrund der zuvor entwickelten theoretischen Überlegungen. Der dritte Teil des Kapitels wendet sich den derzeit laufenden Versuchen zu, den Maâmora-Wald über das Instrument REDD+ auf die Teilnahme an Kohlenstoffmärkten vorzubereiten, und analysiert diese Prozesse unter Bezugnahme auf Arbeiten der marketization studies im Hinblick auf die beteiligten Akteure, Praktiken und ihre räumlichen und zeitlichen Aspekte. Kapitel 5 bringt diese beiden Perspektiven zusammen. Es beinhaltet die Diskussion, welche Formen und Gouvernementalitäten der Natur sich aus den vorhergehenden Analysen ablesen lassen, was dies für die Analyse der derzeit laufenden Entwicklungen bedeutet und in welchem Zusammenhang diese stehen mit politökonomischen Prozessen wie einer intensivierten Finanzialisierung und der ungleichen Entwicklung geographischer Räume. Die Arbeit schließt in Kapitel 6 mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und einer Darstellung, welche Möglichkeiten und Grenzen der verwendeten theoretischen und methodischen Ansätze sich aus der Arbeit ergeben, und welche Implikationen dies für künftige Forschung hat.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Diese Arbeit untersucht neoliberale Naturen im südlichen Mittelmeerraum. Um dies zu ermöglichen, ist eine Reihe von theoretischen Vorarbeiten nötig. Denn der Nutzen des Begriffs der neoliberalen Natur ist, wie ich im Folgenden darstelle, von zwei Seiten in Frage gestellt worden: Zum einen wurde Neoliberalismus als Analysekategorie kritisch hinterfragt, zum anderen löst die Verbreitung neuer theoretischer Ansätze wie der Akteur-Netzwerk-Theorie oder der neuen Materialismen den Begriff und die Kategorie der Natur zunehmend auf. Ausgehend von dieser ›doppelten Krise‹ der neoliberalen Natur gehe ich in diesem Kapitel auf die beiden Bestandteile des Begriffes ein. In Kap. 2.2 kläre ich, wie Neoliberalismus im Allgemeinen und neoliberale Naturen im Speziellen definiert werden können und definiert worden sind. In Kap. 2.3 stelle ich dar, wie die neuen Materialismen und posthumane Ansätze die Political Ecology um neue Perspektiven erweitert haben, sie aber zugleich vor neue Herausforderungen stellen. Nachdem ich damit von zwei Seiten die Inhalte und Grenzen des Konzeptes der neoliberalen Natur umrissen habe, skizziere ich in Kap. 2.3 einen Ansatz, der versucht, auf die dargestellten Probleme einzugehen, und entwickele daraus einen theoretischen Rahmen für die folgende empirische Untersuchung.
2.1
Die doppelte Krise der neoliberalen Natur
Diese Arbeit verortet sich im weiteren Sinne im Feld der Political Ecology. Der Begriff Political Ecology wurde ab den 1970er Jahren für Forschungsansätze verwendet, die Umweltveränderungen als Teil oder Ausdruck von ökonomischen oder gesellschaftlichen Verhältnissen analysierten. Sie grenzte sich damit explizit ab von vorherrschenden Erklärungsmustern, die Umweltprobleme auf ›natürliche‹ Ursachen zurückführten, etwa die Knappheit von Ressourcen und Räumen, und die postulierten, im Angesicht der ökologischen Krisen seien alle Menschen gleicher-
30
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
maßen betroffen (Beck 1986).1 Ziel der Political Ecology ist es, dieser ›unpolitischen‹ Definition von Umweltkonflikten eine Perspektive entgegenzusetzen, die Herrschaftsverhältnisse, ökonomische und soziale Ungleichheit sowie Gerechtigkeitsfragen nicht ausklammert, sondern in die Analyse aufnimmt.2 Political Ecology bezeichnet keine einheitliche theoretische Schule, sondern kann eher als Analysekonzept oder interdisziplinäres Forschungsprogramm verstanden werden, das Umweltprobleme auf spezifische Art untersucht: unter Berücksichtigung gesellschaftlicher und ökonomischer Verhältnisse, akteurszentriert und multiskalar, seit den 1990er Jahren zunehmend auch in Bezug auf die Herstellung von Wissen und die Rolle von Diskursen (Flitner 2003). Robbins hat Political Ecology bezeichnet als »community of practice« und »quality of a text« (Robbins 2011, S. 82). Kennzeichnend für die frühen Arbeiten der Political Ecology war ihre Verortung in der marxistischen politischen Ökonomie.3 Blaikie und Brookfield definierten Political Ecology 1987 als einen Ansatz, »[that] combines the concerns of ecology and a broadly defined political economy. Together this encompasses the constantly shifting dialectic between society and land-based resources, and also within classes and groups within society itself.« (Blaikie und Brookfield 1987, S. 17) Damit war ein Naturbegriff verbunden, der Natur dialektisch fasste und damit über die Konzeption eines apolitischen Außen hinausging, in der Analyse selbst 1
2
3
So kritisierte etwa Harvey (1974) neo-malthusianische Katastrophenszenarien, die, wie der Club of Rome (Meadows 1972), vor steigendem Bevölkerungswachstum angesichts begrenzter natürlicher Ressourcen warnten: »It is often errouneously accepted that scarcity is something inherent in nature, when its definition is inextricably social and cultural in origin« (Harvey 1974, S. 272; vgl. auch Harvey 1996). Ähnlich argumentierte Watts (1987) in seiner Forschung zu den Hungersnöten im Sahel, wo er die Verwundbarkeit der Bevölkerung durch die wirtschaftliche Integration in globale Handelnsnetze begründete, die traditionelle Sicherheitsmaßnahmen gegen Dürrezeiten außer Kraft gesetzt habe. Blaikie und Brookfield (1987) wiesen nach, dass die Erosion und Degradation von Böden häufig nicht auf fehlendes Wissen, sondern auf die Marginalisierung bäuerlicher Bevölkerungsgruppen und auf ökonomische Umbrüche zurückzuführen ist. Andere Autor:innen untersuchten, wie Regierungen Naturschutzgebiete nutzten, um die Kontrolle über bestimmte Territorien, Ressourcen oder Bevölkerungsgruppen zu sichern (Hecht 2004). Der explizit normative Charakter, der die Political Ecology von Beginn an prägte, ist, insbesondere in den letzten Jahren, immer wieder kritisch diskutiert worden, vgl. etwa Bakker 2010, für eine Übersicht über die Debatte Robbins 2011. Dabei gab es enge Überschneidungen zu anderen Bereichen der kritischen Geographie. Dies zeigt sich auch daran, dass zahlreiche Autor:innen, die für die Political Ecology zentrale Werke verfasst haben, auch oder hauptsächlich in anderen Teilbereichen der Critical Geography verortet sind, insbesondere der Stadtforschung (so etwa David Harvey oder Neil Smith). Für eine Definition der kritischen Geographie und der unterschiedlichen Verwendung des Begriffes im Englischen und Deutschen vgl. Belina et al. 2009.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Natur jedoch vorrangig als Objekt menschlichen Handelns und als Ressource wirtschaftlicher Aktivitäten behandelte. Ab Ende der 1990er Jahre nahm die Political Ecology zunehmend poststrukturalistische, feministische und postkoloniale Ansätze auf (Demeritt 2005; Gregory 2005; Rocheleau et al. 1996; 2011; Carey et al. 2016), in den letzten Jahren auch Methoden und Anregungen aus den Science and Technology Studies (STS) und anderen Richtungen des New Materialism (Braun 1998; Castree 2005; Goldmann 2011).4 Diese neue Breite hatte Auswirkungen auf die Political Ecology selbst: Diese wurde nicht mehr durch einen gemeinsamen theoretischen Ansatz zusammengehalten, sondern definierte sich nun über den Forschungsgegenstand: Umwelt oder Natur im weiteren Sinne. Dabei kam der neoliberalen Natur als Konzept eine zentrale Rolle zu. Ausgehend von der Feststellung, dass sich mit der Etablierung einer neuen UmweltGovernance,5 der Einführung neuer Technologien und marktwirtschaftlicher Instrumente seit den 1990er Jahren die Beziehung zur und die Natur selbst veränderten, untersuchten vermehrt Studien diese Entwicklungen − und brachten sie in Verbindung mit Prozessen der Neoliberalisierung, wie sie in anderen Bereichen der kritischen Geographie, etwa der Stadtforschung, bereits intensiv diskutiert wurden: »Global climate change policy and struggles over its shape must be rooted, then, in a very specific set of political economic changes over the last four decades, and in a specific capitalist order.« (Peet et al. 2011b, S. 7) Diese These bildete ab den 1990er Jahren ein zentrales Forschungsfeld innerhalb der Political Ecology; eine große Breite an Studien und Publikationen untersuchte die neuen Formen der Umweltgovernance und der Inwertsetzung von Natur anhand von Begriffen wie green neoliberalism oder neoliberal nature.6 Sie formten den 4
5
6
Die Politische Ökonomie spielt jedoch weiterhin eine wichtige Rolle, vgl. etwa Bigger und Dempsey 2018, S. 32. Für eine Geschichte und Übersicht über die Political Ecology und die verschiedenen darin vertretenen Strömungen vgl. Robbins 2011. Governance wird in der Politikwissenschaft zumeist benutzt, um die neuen Politikformen zu bezeichnen, die sich ab den 1990er Jahren auf verschiedenen politischen Ebenen ausgebildet haben. Im Unterschied zu ›klassischen‹ Formen des Regierens, bei denen die Macht direkt vom Staat ausgeht, wird davon ausgegangen, dass in ›modernen‹ Governance-Formen Regierungshandeln dezentral stattfindet und auf verschiedene Akteure verteilt ist; dazu gehören neben dem Staat auch die Privatwirtschaft und nicht-staatliche Institutionen wie NichtRegierungs-Organisationen (NGOs). Governance weist damit in gewissem Sinn eine Überschneidung zur Gouvernementalitätsanalyse auf, die im Folgenden ausführlich dargestellt wird. er zugrunde liegende Staats- und Machtbegriff unterscheidet sich jedoch deutlich von dieser. In dieser Arbeit verwende ich Governance an einzelnen Stellen, um das MehrebenenSystem der internationalen Umweltpolitik zu bezeichnen, das auch Akteure jenseits von Staaten einbezieht. Vgl. für einen Überblick etwa Castree 2006, 2008a, 2008b, 2009, 2010; Bigger und Dempsey 2018; sowie ausführlich Kap. 2.1 dieser Arbeit.
31
32
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Rahmen, der es möglich machte, die postrukturalistischen Ansätze und neuen Methoden auf der Mikroebene mit ihrem Interesse an Diskursen, Wissen und Praktiken in Verbindung zu setzen mit globalen Macht- und Herrschaftsverhältnissen, auf die sich die Diagnose ›neoliberal‹ kritisch bezieht − die neuen Ansätze also aufzunehmen, ohne dabei den politischen Anspruch aufzugeben, der die Political Ecology weiterhin auszeichnete. Doch Ende der 2000er Jahre geriet die neoliberale Natur in die Krise, ab 2009 mehrten sich kritische Auseinandersetzungen mit dem Begriff. Prominente Wissenschaftler:innen wie Bakker (2010), die selbst mit dem Begriff gearbeitet hatten, stellten die Frage, ob es nicht Zeit sei, sowohl über die Natur als auch über das Neoliberale hinauszugehen.7 Die Kritik am Begriff der neoliberalen Natur zielt dabei in zwei Richtungen: Zum einen enthält sie den Vorwurf, Neoliberalismus nicht klar oder nicht klar genug zu definieren, zum anderen, neue Debatten über die Art, wie Natur gefasst − oder nicht gefasst − werden kann und soll, nicht ausreichend zu berücksichtigen. Der erste Aspekt ist Teil einer weiterreichenden Diskussion in der Geographie und in benachbarten Disziplinen rund um die Frage, ob man angesichts der beobachteten politischen und wirtschaftlichen Veränderungen seit Ende der 2000er Jahre weiterhin von Neoliberalismus sprechen und unter diesem Begriff forschen solle. So verweist Castree (Castree 2008a, S. 171) auf die fehlende Ausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Abgrenzungsmerkmalen, die zeigen könnten, wie sich das spezifisch Neoliberale in den untersuchten Phänomenen zeigt. Auch Bakker (2010) problematisiert die in der Political Ecology übliche Fokussierung auf »disparate, unconnected case studies«, die es sowohl im konkreten Fall als auch über diesen hinaus unmöglich machten, darzustellen, was tatsächlich neoliberal an neuen Formen des Umgangs mit und der Produktion von Natur sei: »Collectively, geographers are thus unable to account for variegation; specifically, they are unable to generate convincing explanations of the neoliberalization of nature as a historically and geographically differentiated, yet global (or at least translocal) phenomenon.« (Bakker 2010, S. 721) Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf die Natur im Konzept der neoliberalen Natur. So kritisiert Bakker, Studien zur (neoliberalen) Natur »often implicitly rely on a humanist view of the subject, and an associated anthropocentric conception of political subjectivity« (Bakker 2010, S. 717) − eine Herangehensweise, die den material turn in den Human- und Sozialwissenschaften nicht oder nur in geringem Umfang berücksichtige und in der agency menschlichen Akteuren vorbehalten bleibe. 7
Ähnliche Kritiken – die teils die Aufgabe des Begriffes, häufiger jedoch dessen Weiterentwicklung oder Präzisierung forderten – finden sich bei Bakker 2009; Castree 2006, 2008a 2008b; Harris 2009 und Himley 2008.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Obwohl die Political Ecology die neuen, aus der Akteur-Netzwerk-Theorie stammenden Ansätze teilweise aufgenommen hat (vgl. etwa Braun und Castree 1998a; Castree und Braun 2005), werde Natur, so Bakker, in entsprechenden Studien fast ausschließlich als Ressource, als »primary commodity«, betrachtet, während andere Formen der socionatures kaum Aufmerksamkeit erhielten (Bakker 2010, S. 717).8 Angesichts dessen haben eine Reihe von Autor:innen aus der Political Ecology gefordert, den Natur-Kultur-Dualismus auch in der geographischen Forschung zu überwinden und Analysegegenstände als »hybride« Objekte (Latour) zu konzeptualisieren.9 Geograph:innen, so Castree (2005c, S. 19) »must become participants in, not spectators of, the momentous socionatural changes of our time«. Das Unbehagen angesichts des Begriffes der neoliberalen Natur, das sich in dieser Diskussion äußert, speist sich also aus zwei Quellen. Zum einem dem Unvermögen, mit den bisherigen Definitionen von Neoliberalismus die aktuellen Entwicklungen vollständig zu erfassen, die sich seit der Finanzkrise 2007/2008 zeigen, und zum anderen aus den Problemen, die sich daraus ergeben, dass sich mit dem material oder posthuman turn der Forschungsgegenstand der Political Ecology quasi ›in Luft aufzulösen‹ droht.10 Ungeachtet dieser Kritikpunkte vertrete ich hier die Position, dass der Begriff der neoliberalen Natur nicht vorschnell aufgegeben werden sollte. Er bietet als Analysekonzept in mehrfacher Hinsicht Vorteile, da er bereits wichtige Aspekte zur Definition von Natur einschließt: So macht er erstens deutlich, dass es die Natur nicht gibt − wenn es neoliberale Naturen gibt, so gibt es auch andere Formen von Natur. Natur wird hier also nicht im Singular gedacht, sondern als vielfältig und wandelbar. Er impliziert zweitens, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen diesen Formen von Natur und ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen − eine These, die auch in Studien zur neoliberalen Natur nur in den seltensten Fällen theoretisch ausgearbeitet wird. Dies bedeutet drittens auch, dass die Natur in der neoliberalen Natur eine (auch) von Menschen ›gemachte‹ Natur ist, »produced nature«, wie Smith (2010 [1984]) es formuliert hat. Vor allem aber haben der Begriff
8
9 10
Socionature, der Begriff, den Bakker 2010 verwendet, ist ein Versuch unter zahlreichen anderen, den modernen Dualismus von Natur und Kultur auch sprachlich zu überwinden. Verwendet werden, mit gering unterschiedlichen Konnotationen, unter anderem auch Begriffe wie natureculture(s) oder social nature, im Deutschen auch NaturenKulturen (Gesing et al. 2019), vgl. auch Kap. 2.3. Dazu gehören u.a. Bakker (2005, 2009, 2010), Braun (2005, 2006, 2008), Castree (2002, 2005c, 2013) und Escobar (1999). Auch Braun (2008, S. 668) sieht eine »rapid disappearance of the ›environment‹ or ›nature‹ as proper objects of study across large areas of the field, abandoned not only because they presumed a realm set off from the ›human‹ – although, in the case of environment, the human was still often placed at its center – but also because, like ›society‹ or ›humanity‹, they were proposed at far too great a level of abstraction to be of much use.«
33
34
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
der neoliberalen Natur und die Annahmen, die mit ihm einhergehen, den Vorteil, zumindest den Anspruch zu verfolgen, über einzelne, disparate Fallstudien hinauszugehen, Vergleiche zu ermöglichen und damit übergreifende Tendenzen im Umgang mit Natur und der Produktion von Natur herauszuarbeiten. Es geht also weniger darum, den Begriff der neoliberalen Natur zu überwinden, sondern ihn zu erweitern − auch und gerade über das Neoliberale hinaus. Dazu möchte ich mit diesem Kapitel einen Beitrag leisten. In den folgenden beiden Abschnitten gehe ich dabei zunächst auf die beiden Themenfelder ein, die den Begriff konstituieren − Neoliberalismus und Natur −, um die Potentiale und Probleme des Konzeptes zu umreißen.
2.2
Neoliberalismen: Ökonomien und Naturen
Konzepte des Neoliberalen »Neoliberalismus has always been an unloved, rascal concept«, schreibt der Wirtschaftsgeograph Jamie Peck (2013, S. 133). Zunächst als Selbstbezeichnung von Wirtschaftswissenschaftler:innen genutzt, die sich damit sowohl von der klassisch-liberalen Theorie als auch von keynesianistischen Ansätzen abgrenzen wollten, wird Neoliberalismus seit den 1980ern als kritische Bezeichnung für die politischen und ökonomischen Umstrukturierungen genutzt, die aus diesen theoretischen Ansätzen hervorgingen − als politisches Schlagwort in Medien und öffentlicher Debatte ebenso wie als Analysekonzept in der Wissenschaft.11 Auch aufgrund dieser Breite war die Nutzung des Begriffes immer von Kritik begleitet − auch oder gerade von jenen, die ihn selbst nutzten (vgl. etwa Collier 2012). Diese Debatten haben in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 einen neuen Höhepunkt erreicht: Bedeutet die Krise das Ende der »long neo-liberal night« (Escobar 2010)? Hat der Neoliberalismus bereits einer neuen, autoritäreren Formation Platz gemacht, wie es der Begriff »Post-Neoliberalimus« suggeriert (Brand und Sekler 2009; Brand 2011; vgl. auch Springer 2014; Yates und Bakker 2014)? Oder wurden neoliberale Tendenzen im Gegenteil durch die Krise intensiviert, sehen wir eine »neoliberal counteroffensive« (Peck et al. 2012)? Ist der Begriff nutzlos geworden, weil er unbedacht für alles und jedes verwendet wird
11
Springer et al. (2016a) sehen diese Vermischung als problematisch an, da sie die Verwendung des Konzeptes erschwere (vgl. ähnlich Birch 2017b). Während die öffentliche Debatte über Neoliberalismus erst in den 1990er Jahren eine größere Reichweite erlangte, wurde das Konzept in der Philosophie und den Sozialwissenschaften vereinzelt schon ab den späten 1970er Jahren verwendet, so etwa in Foucaults Vorlesungen am Collège de France, auf die in diesem Kapitel noch näher eingegangen wird.
34
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
der neoliberalen Natur und die Annahmen, die mit ihm einhergehen, den Vorteil, zumindest den Anspruch zu verfolgen, über einzelne, disparate Fallstudien hinauszugehen, Vergleiche zu ermöglichen und damit übergreifende Tendenzen im Umgang mit Natur und der Produktion von Natur herauszuarbeiten. Es geht also weniger darum, den Begriff der neoliberalen Natur zu überwinden, sondern ihn zu erweitern − auch und gerade über das Neoliberale hinaus. Dazu möchte ich mit diesem Kapitel einen Beitrag leisten. In den folgenden beiden Abschnitten gehe ich dabei zunächst auf die beiden Themenfelder ein, die den Begriff konstituieren − Neoliberalismus und Natur −, um die Potentiale und Probleme des Konzeptes zu umreißen.
2.2
Neoliberalismen: Ökonomien und Naturen
Konzepte des Neoliberalen »Neoliberalismus has always been an unloved, rascal concept«, schreibt der Wirtschaftsgeograph Jamie Peck (2013, S. 133). Zunächst als Selbstbezeichnung von Wirtschaftswissenschaftler:innen genutzt, die sich damit sowohl von der klassisch-liberalen Theorie als auch von keynesianistischen Ansätzen abgrenzen wollten, wird Neoliberalismus seit den 1980ern als kritische Bezeichnung für die politischen und ökonomischen Umstrukturierungen genutzt, die aus diesen theoretischen Ansätzen hervorgingen − als politisches Schlagwort in Medien und öffentlicher Debatte ebenso wie als Analysekonzept in der Wissenschaft.11 Auch aufgrund dieser Breite war die Nutzung des Begriffes immer von Kritik begleitet − auch oder gerade von jenen, die ihn selbst nutzten (vgl. etwa Collier 2012). Diese Debatten haben in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 einen neuen Höhepunkt erreicht: Bedeutet die Krise das Ende der »long neo-liberal night« (Escobar 2010)? Hat der Neoliberalismus bereits einer neuen, autoritäreren Formation Platz gemacht, wie es der Begriff »Post-Neoliberalimus« suggeriert (Brand und Sekler 2009; Brand 2011; vgl. auch Springer 2014; Yates und Bakker 2014)? Oder wurden neoliberale Tendenzen im Gegenteil durch die Krise intensiviert, sehen wir eine »neoliberal counteroffensive« (Peck et al. 2012)? Ist der Begriff nutzlos geworden, weil er unbedacht für alles und jedes verwendet wird
11
Springer et al. (2016a) sehen diese Vermischung als problematisch an, da sie die Verwendung des Konzeptes erschwere (vgl. ähnlich Birch 2017b). Während die öffentliche Debatte über Neoliberalismus erst in den 1990er Jahren eine größere Reichweite erlangte, wurde das Konzept in der Philosophie und den Sozialwissenschaften vereinzelt schon ab den späten 1970er Jahren verwendet, so etwa in Foucaults Vorlesungen am Collège de France, auf die in diesem Kapitel noch näher eingegangen wird.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
(Barnett 2005; Birch 2017b; Boas und Gans-Morse 2009; Venugopal 2015)? Oder ist Neoliberalismus weiterhin ein Konzept, das hilft, die Welt zu verstehen (Peck 2013) und muss es eher darum gehen, den Terminus zu verfeinern (Ferguson 2009)? Ungeachtet dieser Diskussionen ist Neoliberalismus als Begriff weiterhin präsent. Neoliberalismus dient als politisches Schlagwort ebenso wie als Rahmen kritischer geographischer Studien; es hat sich kein neues Paradigma durchgesetzt, das ihn hätte ersetzen können. Selbst wenn der Neoliberalismus sich (erneut) in einer Krise befindet, wie etwa Escobar (2019) angesichts der Aufstände in Chile und Ecuador konstatiert hat, so sind die Konturen einer möglichen neuen politökonomischen Formation − oder die Richtung, in der sich diese entwickeln könnte − offenbar nicht ausreichend stabilisiert, um sie identifizieren und beschreiben zu können. Die Unfähigkeit, über den Neoliberalismus ›hinauszugehen‹, liegt aber auch in der theoretischen Schwäche des Konzeptes begründet: Neoliberalismus ist teils so unscharf definiert, dass eine Grenze des Neoliberalen nur schwer gezogen und der Neoliberalismus daher auch nicht für beendet erklärt werden kann.12 Die Diskussion über neoliberale Natur orientiert sich an den Definitionen des ›Neoliberalen‹ − die Debatten um den Begriff sind daher auch für diese Arbeit relevant. Dies gilt insbesondere für die identifizierten Schwächen des Konzeptes, die vorgeschlagenen Lösungen und Weiterentwicklungen. Daher werden im Folgenden kurz die verschiedenen Ansätze vorgestellt, Neoliberalismus zu definieren und abzugrenzen, um damit über die nötigen Instrumente zu verfügen, neoliberale Muster erkennen zu können − oder feststellen zu können, wo eine solche Diagnose nicht oder nicht mehr zutrifft.13 Ich unterscheide vier Herangehensweisen, Neoliberalismus zu konzeptualisieren, die sich überschneiden und ergänzen: (1) Neoliberalismus aus einer regulationstheoretischen oder, im weiteren Sinne, ökonomischen Perspektive, die ihn als Set wirtschaftspolitischer Praktiken oder als spezifische Akkumulationsform definiert; (2) Neoliberalismus als politisches Projekt, das zum Ziel hat, die Hegemonie der Eliten zu stärken oder aufrecht zu erhalten; (3) Neoliberalismus aus einer Perspektive,
12
13
Als weiterer Grund für das ›Weiterleben‹ des Neoliberalismus nennt Hall (2011, S. 706) politische Gründe: Neoliberalismus kann als Gegenprojekt der sozialen Bewegungen fungieren und dazu dienen, den Widerstand gegen bestimmte Formen der Politik zu bündeln: »I would also argue that naming neo-liberalism is politically necessary to give the resistance to its onward march content, focus and a cutting edge.« Hall verweist dabei etwa auf die Zapatistische Bewegung, die wesentlich dazu beigetragen hat, Neoliberalismus als politischen Begriff (und Gegner) bekannt zu machen. Eine vollständige Übersicht über Theorien des Neoliberalen kann hier nicht gegeben werden, ich konzentriere mich auf die Aspekte, die für die weitere Analyse von Bedeutung sind. Für überblicksartige Darstellungen zur Literatur über Neoliberalismus vgl. u.a. Springer et al. 2016b, Birch 2017a und Primrose et al. 2018.
35
36
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
die ihn an neuen Ästhetiken und Identitäten festmacht; schließlich (4) Neoliberalismus im Sinne einer neoliberalen Gouvernementalität, wie sie Foucault definiert hat und wie sie in den governmentality studies weiterentwickelt wurde.14
Neoliberalismus als Wirtschaftsdoktrin Im engsten Sinn bezeichnet Neoliberalismus eine wirtschaftspolitische Doktrin, die auf eine möglichst große unternehmerische Freiheit zielt; und damit verbunden ein Set von wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die sich an eben jener Theorie orientieren. Zwischen der neoliberalen Theorie und der neoliberalen Praxis (»actually existing neoliberalism«) können relevante Unterschiede bestehen.15 Die neoliberale Theorie geht zurück auf die Gruppe der Ordoliberalen, die in der Zwischenkriegszeit vor allem in Deutschland und Österreich tätig waren; sie wurde ab den 1950ern vor allem in den USA weiterentwickelt.16 1946 gründete eine Gruppe von Wirtschaftswissenschaftlern und Philosophen die Mont Pèlerin Society (MPS), mit dem Ziel, ihre − damals stark marginalisierten − wirtschaftspolitischen Prämissen in der Wissenschaft und Politik zu stärken. »Die Freiheit ist bedroht«, heißt es im Gründungsdokument der Gesellschaft. Diese Bedrohung bestand der MPS zufolge in den sozialistischen und keynesianischen Politiken, die nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit dominierten; die Mitglieder der MPS hingegen befürworteten die weitestmögliche ›Freiheit‹ von staatlichen Eingriffen und 14
15
16
Es liegt in der Literatur eine Vielzahl von weiteren Vorschlägen vor, die verschiedenen Theoretisierungen von Neoliberalismus und Neoliberalisierung zu klassifizieren (vgl. u.a. Brenner et al. 2010; Springer 2010; Springer et al. 2016a und Collier 2012). Larner (2000) unterscheidet zwischen einer neoliberalen Politik, der neoliberalen Ideologie und der neoliberalen Gouvernementalität, Castree (2010) zwischen Neoliberalismus als Philosophie (philosophy), als politisches Programm (policy) und als Set von politischen Maßnahmen (practice). Cahill (2013) macht drei unterschiedliche Konzepte des Neoliberalen aus: »neoliberalism as laissez faire«, »regulatory capitalism« und »actually existing neoliberalism«. Bakker (2010) sieht Neoliberalismus konzeptualisiert als politische Doktrin, als ökonomisches Projekt, als regulatorische Praxis und »process of governmentalization«. Die Frage, welches Verhältnis zwischen neoliberaler Theorie und Praxis besteht, wird von verschiedenen Autor:innen unterschiedlich beantwortet. Während Harvey (2005) den Blick vor allem auf die politischen Maßnahmen richtet und die neoliberale Theorie eher als ›Feigenblatt‹ für eine Umstrukturierung im Sinne der Eliten versteht, geht Peck (2008) davon aus, dass sich Neoliberalismus immer in einem Zusammenspiel von Praxis und Theorie entwickelt hat: »from its origins in the 1930s, neoliberalism signified an experimental and polycentric project aimed at the contradictory problem space between the state and the market. It represented an attempt to conceive and construct a market(-like) order, one that has since been perpetually reconstructed through practice.« (Peck 2008, S. 4) Die Ordoliberalen – eine Bezeichnung, die die Freiburger Schule und die Österreichische Schule zusammenfasst – und die Chicagoer Schule bildeten auch nach dem Zweiten Weltkrieg die zwei wichtigsten Strömungen innerhalb der (heterodoxen) Theorie des Neoliberalismus.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Regulationen.17 Während sich ein Teil dieser Ökonomen zunächst selbst als »neoliberal« bezeichnete, wurde der Begriff ab Ende der 1980er Jahre aus einer kritischen Perspektive verwendet; in den Wirtschaftswissenschaften, wo neoliberale Theorien seit den 1990er Jahren in Europa und den USA dominieren, ist er nicht üblich.18 Die Reichweite neoliberaler Theorie und ihr Einfluss auf die Politik blieb bis in die 1970er Jahre gering. Umgesetzt wurden neoliberale Ideen erstmals in Chile: Nach dem Putsch gegen das Allende-Regime 1973 ernannte die Militärregierung unter Augusto Pinochet eine Gruppe von Wirtschaftswissenschaftlern zu ihren Beratern, die sich über ein Austauschprogramm mit der Universität Chicago kannten, einer frühen Hochburg der Neoliberalen, an der unter anderem Friedrich von Hayek und Milton Friedman lehrten. Diese »Chicago boys« setzen in Chile das neoliberale Modell in die Praxis um: Staatsunternehmen wurden privatisiert, staatlicher Besitz veräußert, Sozialsysteme radikal abgebaut, ausländische Unternehmen erhielten freien Zugang zum chilenischen Markt. Chile wurde zum Modell für die westliche Welt. Ende der 1970er Jahre begann der Neoliberalismus einen rasanten Aufstieg; die Thesen der einst belächelten ökonomischen Splittergruppe wurden zur dominanten wirtschaftswissenschaftlichen Doktrin und dem Leitbild der Wirtschafts- und Währungspolitik.19 1979 wurde Margaret Thatcher in Großbritannien zur Premierministerin gewählt, 1980 Ronald Reagan zum US-Präsidenten. Beide brachen mit dem »embedded liberalism« der Nachkriegsjahre und setzten neoliberale Politikmaßnahmen um; ihnen folgten, in unterschiedlichem Tempo, Regierungen weltweit. Neoliberale Reformen − in Form sogenannter Strukturanpassungsmaßnahmen (SAP) − wurden ab Ende der 1980er Jahre für Länder des Globalen Südens zur Voraussetzung, um Kredite von Geberorganisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der Weltbank zu erhalten.20 Diese hatten, wie in Kap. 4.1 beschrieben wird, auch auf die sozioökonomischen Strukturen der Länder Nordafrikas einen weitreichenden Einfluss. 17
18
19 20
Zur Geschichte der MPS sowie der intellektuellen Strömungen des Neoliberalismus und ihrer Vordenker:innen vgl. Peck 2008; Brenner et al. 2010; Birch 2017b und Mirowski und Plehwe 2009. Ökonom:innen sprechen etwa von »market-based policies«, in den USA werden neoliberale Ansätze häufig gleichgesetzt mit »neoconservative«. Ong (2006, 2f.) weist daraufhin, dass Neoliberalismus außerhalb der westlichen Länder häufig als ein spezifisch USamerikanisches System betrachtet wird, als »American neoliberalism«. Venugopal (2015) sieht den Begriff Neoliberalismus gerade deshalb als problematisch an, weil er inzwischen vorrangig von Nicht-Ökonom:innen benutzt wird, um über ökonomische Prozesse zu sprechen – und damit die Trennung zwischen Ökonom:innen und Nicht-Ökonom:innen vertieft. Zum Aufstieg des Neoliberalismus vgl. etwa Peck 2008 2001; Tickell und Peck 1995; sowie Brenner und Theodore 2002. Diese als »Washington Consensus« bezeichnete Politik beruhte nicht auf einem festen Programm, sondern spiegelte die Kräfteverhältnisse wider, die ab Ende der 1980er Jahre in internationalen Organisationen sowie den Regierungen der Staaten, die diese dominierten,
37
38
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Multilaterale Organisationen wie die Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) arbeiteten darauf hin, Zölle und als Handelshemmnisse betrachtete staatliche Regulierungen zu verringern oder abzuschaffen. Diese Politik gründet sich auf das bereits im Gründungsdokument der MPS angelegte Argument, dass Märkte das effizienteste Mittel seien, um Ressourcen zu verteilen, und der Staat zum Nutzen aller größtmögliche (unternehmerische) Freiheit garantieren solle; dies führe zu einem stärkeren Wirtschaftswachstum, wovon schließlich auch die Ärmeren profitierten. Mit diesem Ansatz verbunden ist ein spezifisches Menschenbild, das menschliche Entscheidungen weitgehend auf Kosten-Nutzen-Rechnungen zurückführt. Neoliberale Wirtschaftsmaßnahmen Eine einheitliche Definition neoliberaler Wirtschaftspolitik existiert nicht. In der geographischen Literatur werden als charakteristische Politikmaßnahmen unter anderem genannt:21 •
•
21 22
Privatisierung, im engeren Sinne eine Veränderung in den Eigentumsverhältnissen von Vermögen, Anlagen und Unternehmen, also von Kapital und Produktionsmitteln, etwa im Fall der Umwandlung von Staats- oder Kollektiveigentum zu Privateigentum (wie im Fall des Verkaufs staatlicher Infrastruktur und kommunaler Immobilien und Infrastruktur, oder der Auflösung kollektiver Besitzstrukturen); im weiteren Sinn auch eine Verlagerung von Funktionen oder Aufgaben, die staatlich oder kollektiv organisiert waren, auf private Unternehmen (etwa die Übertragung von Aufgaben der Wasser-, Abwasser- oder Energieversorgung an Privatunternehmen oder das ›Outsourcing‹ von staatlichen Dienstleistungen an private Dienstleister). Deregulierung, der Abbau von Regeln, mit dem Ziel, größere unternehmerische Freiheit zu schaffen; innenpolitisch gilt das etwa für den Kündigungsschutz oder Mindestlöhne, Arbeits- oder Umweltschutzregeln, in der Handelspolitik für Zölle und Kapitalkontrollen;22
herrschten. Er steht in Kontrast zu den Aufgaben, die diesen Organisationen bei ihrer Gründung in den 1940er Jahren zugedacht war. Übersichten über verschiedene neoliberale Politikmaßnahmen finden sich auch bei Peck 2001; Springer et al. 2016a; und Castree 2008b. Dieser Abbau von Regeln ist häufig verbunden mit einer Re-Regulierung, dem Aufbau von neuen Regeln mit anderen Inhalten. Viele Autor:innen unterscheiden verschiedene Phasen und Ausprägungen des neoliberalen Umbaus, etwa die Zerstörung bestehender Sozial- und Regelsystem im Sinne eines »roll-back« und den Aufbau neuer Systeme im Sinne eines »rollout neoliberalism« (Peck und Tickell 2002), die aufeinander folgen, aber auch als verschiedene Varianten ausgeprägt sein können, von Schockstrategien (Klein 2007) bis zu den »sweetened pills of ›Third Way‹ politics« (Peck 2001, S. 445).
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
•
•
•
•
Monetarismus, die Ausrichtung der Währungspolitik an einer möglichst geringen Inflation und damit ein Fokus auf die Stabilität von Vermögen (und nicht, wie die Jahrzehnte zuvor, auf Vollbeschäftigung);23 Misstrauen gegenüber oder Ablehnung von staatlichen Eingriffen, häufig wird ein »Rückzug des Staates« konstatiert (für eine kritische Diskussion dieser These vgl. den folgenden Abschnitt zu Staat und Markt); Freihandelsbestrebungen: Abbau von Zöllen und Regulierungen im grenzüberschreitenden Handel, Errichtung von Freihandelszonen, Abschluss von bilateralen Freihandelsabkommen sowie Aufbau von Institutionen, die diese vorantreiben (wie z.B. die WTO); Marketization:24 Aufbau von Märkten in Bereichen, in denen ökonomische oder gesellschaftliche Prozesse bisher nicht über Marktmechanismen geregelt waren, verbunden mit Prozesssen von Kommodifizierung und Einhegung (enclosure).
Genannt werden darüber hinaus der Aufbau von zivilgesellschaftlichen Institutionen, gesellschaftliche Stabilisierungs- und Befriedungsmaßnahmen (»flanking mechanisms«),25 und neue Formen der Governance, wie z.B. »new public management«, die Aufnahme privatwirtschaftlicher Organisations- und Managementtechniken in die öffentliche Verwaltung. Jüngere Publikationen zum Neoliberalismus verweisen auf weitere Charakteristiken, etwa die Rolle von Austeritätspolitiken (Annunziata und Mattiucci 2018, Petzold 2018, in Bezug auf Umweltpolitiken Salzmann et al. 2015) oder verstärkte Finanzialisierungstendenzen (Christophers 2015a, Brand und Wissen 2014, Epstein 2015, van der Zwan 2014, vgl. auch Kapitel 5). Neoliberalismus oder Kapitalismus? Viele der oben genannten Charakteristiken sind bereits vor der Verwendung des Begriffes ›neoliberal‹ als Merkmale des Kapitalismus beschrieben worden. Als analytische Kategorie macht Neoliberalismus jedoch nur Sinn, wenn er sich von Kapitalismus als übergeordneter Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung abgrenzen lässt, wenn er mehr ist als »a sloppy synonym for capitalism itself, or as a kind of shorthand for the world economy and its inequali-
23 24
25
Zu diesen Verschiebungen wirtschaftspolitischer und -theoretischer Natur gehört auch der Wechsel von einer nachfrage- zu einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Da das deutsche Wort Marketisierung kaum gebräuchlich ist, verwende ich den englischen Begriff marketization, um Prozesse des Markt-Aufbaus und des ›Markt-Machens‹ (vgl. Kap. 2.2) zu bezeichnen. Castree versteht darunter »the state-led encouragement of civil society groups (charities, NGOs, ›communities‹, etc) to provide services that interventionist states did, or could potentially, provide for« (Castree 2008b, S. 142f.).
39
40
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
ties« (Ferguson 2009, S. 171).26 So lehnen es verschiedene Autor:innen ab, von Neoliberalismus zu sprechen, und sprechen von Kapitalismus (vgl. etwa Fraser 2014) oder Varianten desselben, wie »late capitalism« (so etwa Birch 2016). Die Regulationsschule, eine Richtung der Politischen Ökonomie, die in den 1970er Jahren in Frankreich entstand und sich später in verschiedene Stränge ausdifferenzierte,27 hat versucht, verschiedene Formen des Kapitalismus voneinander zu unterscheiden.28 Sie geht davon aus, dass sich innerhalb des Kapitalismus spezifische Akkumulationsregime herausbilden, die verschiedene der Sicherung von Mehrwert-Generierung darstellen.29 Die Akkumulationsregime, die vor allem auf der Ebene der Produktion wirksam sind, werden begleitet von Regulationsmodi, politisch-gouvernementalen Infrastrukturen der (sozialen) Reproduktion, die verschiedene Möglichkeiten repräsentieren, die dem Kapitalismus inhärenten Widersprüche (vorübergehend) abzuschwächen und sein Funktionieren aufrechtzuerhalten.30 Geraten diese Regulierungssysteme aufgrund interner oder externer Faktoren an ihre Grenzen, brechen die Krisentendenzen des Kapitalismus durch, die dazu führen können, dass sich neue Akkumulationsregime und Regulierungsmodi herausbilden.31
26
27 28 29
30
31
Ferguson sieht diese Problematik vor allem in der Anthropologie weit verbreitet: »in much current anthropological usage, ›neoliberalism‹ appears in this way, as a kind of abstract causal force that comes in from outside (much as ›the world system‹ was reckoned to do at an earlier theoretical moment) to decimate local livelihoods« (Ferguson 2009, S. 171). Vgl. für eine Übersicht etwa Boyer 1990; Hirsch 1990 und Bathelt 1994. Als klassische Werke gelten Aglietta 1979 und Lipietz 1985, 1987; neuere Werke sindHirsch und Roth 1986; Esser 1994; Jessop 2001 und Candeias 2009. Auch die Schule der Varieties of Capitalism (VOC) untersucht die verschiedenen Ausprägungen des Kapitalismus, aus einer anderen, stärker politikwissenschaftlich geprägten Perspektive. Beide Schulen gehen von derselben Frage aus: Warum gibt es verschiedene Ausprägungen von Kapitalismen und was bestimmt diese? Während die VOC-Schule jedoch vor allem fragt, wieso zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Ausprägungen vorhanden sind und diese miteinander vergleicht (etwa das japanische und das US-amerikanische System, oder den »rheinischen Kapitalismus« und seine neoliberale Form), beschäftigt sich die Regulationstheorie schwerpunktmäßig mit der historischen Entwicklung und zeitlichen Abfolge solcher Formationen. Für einen Überblick über die VOC-Schule vgl. Peck und Theodore 2007, für einen Vergleich beider Ansätze Boyer 2005. Während das Akkumulationsregime festlegt, wie investiert sowie Mehrwert generiert und verteilt wird, bestimmt der Regulationsmodus, wie soziale Beziehungen, kollektive und individuelle Entscheidungsprozesse gestaltet werden, wie das Leben der Arbeitenden organisiert wird. Der Regulationsmodus besteht aus »habits, customs, social norms and enforceable laws [that] ensure that individual behaviours are integrated within the overall schema of capitalist production, thus mitigating the conflict inherent in capitalist social relations« (Tickell und Peck 1992, S. 192). Vertreter:innen der Regulationsschule haben Wert gelegt auf die Feststellung, dass das Ergebnis solcher Übergange nicht von vornhinein feststeht, es sich also nicht um ein teleo-
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Die frühen Arbeiten der Regulationsschule haben sich auf den Fordismus konzentriert, die kapitalistische Formation, die sich ab den 1940er Jahren in den industrialisierten kapitalistischen Staaten durchsetzte.32 Boyer (2005, S. 7) definiert Fordismus im Anschluss an Bertrand (1983) als »intensive regime focused on the mass consumption that emanates from wage-earners«. Als charakteristische Merkmale des Fordismus gelten: eine intensive Produktion mit Konzentration auf den Binnenmarkt, Produktivitätssteigerungen (etwa durch organisatorische und technische Verbesserungen) in Schlüsselindustrien − die Autoindustrie gilt hier als das klassische Beispiel −, steigende Löhne und Massenkonsum, der für eine stete Nachfrage und Absatzmärkte sorgt. Gegenüber einer früheren expansiven Phase, die die kapitalistischen Widersprüche durch räumliche Ausdehnung zu lösen versuchte (Imperialismus, Kolonialismus), findet also eine Intensivierung der Produktion statt. Der Mehrwert wird generiert, indem die Individuen als Arbeiter:innen sowie als Konsument:innen stärker in die kapitalistischen Produktionsabläufe einbezogen werden. Der Fordismus wird begleitet durch einen Regulationsmodus, der meist als wohlfahrtsstaatliches System bezeichnet wird und sich durch spezifische Konsum- und Lebensstilmuster und ein bestimmtes Set an staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen auszeichnet, etwa Gewerkschaften, die eine zentrale Rolle bei der Vermittlung von Interessen einnehmen. Während die zentralen Merkmale der fordistischen Phase in zahlreichen Arbeiten herausgearbeitet wurden, besteht über jene Phase, die auf die »Krise des Fordismus« in den 1970er Jahren folgt, auf Seiten der Regulationstheorie Uneinigkeit. Meist lose als »postfordistisch« bezeichnet, liegt keine einheitliche Beschreibung eines institutionalisierten Akkumulationsregimes oder Regulationsmodus vor. Von den verschiedenen aufgebrachten Vorschlägen wie knowledge-based society, service-led economy oder finance-led regime hat sich keiner durchgesetzt. Als einzelne Merkmale werden typischerweise beschrieben: Flexibilisierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen, eine zentrale Rolle von Wissen und Informationen im Produktionsprozess und eine Stärkung des Dienstleistungssektors.33
32
33
logisches oder funktionalistisches Modell handele, sondern es vielmehr abhängig sei vom Ausgang sozialer Kämpfe, vgl. Lipietz 1987; Murdoch 1995. Das grundlegende Modell der Regulationstheorie orientiert sich an der historischen Entwicklung der westlichen kapitalistischen Staaten, es gibt kaum Arbeiten zum Globalen Süden. Zwar hat sich die spätere Forschung verstärkt dem internationalen Vergleich zugewandt und dadurch versucht, die verschiedenen Ausprägungen fordistischer Regime zu erklären (etwa die Sonderrolle Deutschlands und Japans, die beide stark auf Export setzten), auch dieser beschränkte sich jedoch auf Staaten des Globalen Nordens. Während Vertreter:innen der Regulationstheorie wie Boyer es abgelehnt haben, die auf den Fordismus folgende Phase als ›neoliberal‹ zu bezeichnen, hat sich die Bezeichnung in der deutschsprachigen Regulationstheorie teilweise als Synonym für ›postfordistisch‹ durchgesetzt (vgl. etwa Candeias 2009).
41
42
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Tickell und Peck (1995) gehen so weit zu argumentieren, es habe sich seit Ende des Fordismus keine neue stabile Phase herausgebildet. Die Flexibilität, die als ein zentrales Merkmal der postfordischen Phase ausgemacht wird, und die neoliberalen Politikmaßnahmen betrachten sie vielmehr als »politics and economics of sustained capitalist crisis« (357). Brenner et al. (2010) plädieren dafür, den Term »neoliberalism« durch »neoliberalization« zu ersetzen; sie vertreten die These, dass mit dem Übergang zu neoliberaler Politik nicht ein mehr oder weniger stabiler Regulationsmodus durch einen anderen ersetzt worden sei, sondern das bisherige Regulierungssystem im Ganzen in Frage gestellt und nun durch Prozesse der verstärkten Differenzierung und Variation gekennzeichnet sei.34
Neoliberalismus als politisches Projekt Wenn, wie in Kap. 2.2.1 beschrieben, die neoliberale Doktrin noch in den 1940er Jahren stark marginalisiert war, wie kam es dann, dass sie ab den 1990er Jahren sowohl die Wirtschaftswissenschaften als auch die Wirtschaftspolitik weltweit dominierte? David Harvey (2005) sieht in A brief history of neoliberalism (deutsch: Eine kurze Geschichte des Neoliberalismus) den Aufstieg des Neoliberalismus einer klaren Interessenlage geschuldet. Durch die starke Position der Linken in vielen westeuropäischen Ländern und die Machtübernahme kommunistischer oder sozialistischer Regime in Ländern des Globalen Südens seien die kapitalistischen Eliten zunehmend in die Defensive geraten. Zu dieser politischen Bedrohung sei eine wirtschaftliche hinzugekommen, als die Regierungen der westlichen Staaten in den Wirtschaftskrisen der 1970er Jahre mit ihrer Währungspolitik eine hohe Inflation in Kauf nahmen, um Arbeitsplätze zu sichern, was jedoch gleichzeitig zu einer Abwertung von Vermögen führte. Konfrontiert mit dieser Bedrohung, haben die Eliten Harvey zufolge die Umbruchssituation der 1970er Jahren genutzt, um ›zurückzuschlagen‹. Durch direkte politische Einflussnahme, aber auch indirekt über Thinktanks, Studien und einflussreiche akademische Positionen, versuchten sie, die linke oder zumindest keynesianistisch geprägte Hegemonie in den Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaftspolitik zu brechen und eine weitergehende Umverteilung sowie die Gefährdung ihrer Machtposition zu verhindern. Stärker als die Vertreter:innen der Regulationstheorie, die den Übergang zum Postfordismus eher als krisenbedingte interne Umstrukturierung der Produktionszusammenhänge verstehen, betont Harvey also den politischen Aspekt der Umbrüche Ende der 1970er Jahre. Harvey ist damit der prominenteste Vertreter einer Position, die den Neoliberalismus als hegemoniales Projekt der kapitalistischen Klasse versteht, mit dem 34
Diese These schließt an frühere Diskussionen zur Frage an, ob der Fordismus als relativ stabile Formation nicht eher eine Ausnahme dargestellt habe und daher nicht als Modell für andere Formationen dienen könne.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Ziel einer »consolidation of class power« (Carroll und Sapinsky 2016; Duménil und Lévy 2013; Plehwe et al. 2007). Diese „neo-liberal revolution“ (Hall 2011) nutzt die Effekte der neoliberalen Wirtschaftspolitik zu ihrem Vorteil. Maßnahmen wie die Privatisierung und Stärkung der unternehmerischen Freiheit, die Ablehnung von Umverteilungsmaßnahmen und staatlichen Eingriffen und der Rückbau des Sozialstaates bedeuteten demnach eine Entlastung und neue Gewinnchancen für Unternehmer:innen, und drängen zugleich jene Schichten, die der Sozialpolitik der Nachkriegszeit einen gewissen sozialen Aufstieg verdankten, politisch wie ökonomisch zurück.35 Die reine Lehre des Neoliberalismus − ein Markt frei von staatlichen Eingriffen − betrachtet Harvey (2005) als »Utopie«, die in der Realität nicht umsetzbar ist. In der widersprüchlichen Praxis trete der politische Charakter des Neoliberalismus hervor: etwa im Fall des Rettens von bankrotten Unternehmen durch den Staat, das im klassischen Liberalismus und im Keynesianismus nicht üblich war, seit den 1990er Jahren jedoch praktiziert wird − eine Maßnahme, die nicht nur eine Umverteilung von unten nach oben bedeutet, sondern der neoliberalen Lehre mit ihrer Betonung unternehmerischer Verantwortung fundamental widerspricht. Harvey betont zudem die Rolle von Gewalt bei der Installation des neoliberalen Staates. So sieht Harvey eine der entscheidenden Schlachten bei der Durchsetzung des Neoliberalismus in der Niederschlagung der Gewerkschaftsproteste durch die britische Premierministerin Thatcher, die das Militär gegen die streikenden Bergarbeiter einsetzte. Klein (2007) zeigt, wie neoliberale Politiker:innen Krisen nutzten, um mit Hilfe eine »Schock-Strategie« bestehende soziale und organisatorische Zusammenhänge zu zerschlagen, die der Installierung neoliberaler Politiken entgegenstanden. Die Abgrenzung zwischen verschiedenen kapitalistischen Formationen erfolgt aus dieser Perspektive aus der Richtung und Dynamik der Entwicklung neuer Kräfteverhältnisse. Die dem Neoliberalismus zugrundeliegende Ideologie wird in diesem Sinn eher als ›Tarnkappe‹ verstanden, mit der die Reichen und Mächtigen ihre ökonomischen und politischen Interessen verschleiern.
Kulturen des Neoliberalen Die meisten Definitionen des Neoliberalen innerhalb der Geographie beruhen, wie gezeigt, auf polit-ökonomischen Ansätzen, sie beziehen sich auf die makroökonomische Ebene. Vor allem aus der Stadtgeographie liegen auch Arbeiten vor, die sich stärker auf die ästhetische Dimension des Neoliberalen konzentrieren, wo es um Entscheidungen und Präferenzen, um ›Lebensstile‹, geht. Dazu gehören Floridas Werk The Rise of the Creative Class (2002), das den Aufstieg eines »kulturellen 35
Mit dem Übergang zum Neoliberalismus kehren sich ökonomischen Trends der Jahrzehnte zuvor um, etwa die Angleichung der Einkommensverhältnisse (Piketty 2014).
43
44
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Ethos« nachzeichet, der ab den 1970er Jahren zunehmend Lebens- und Arbeitswelt bestimmt, oder zur zunehmenden Relevanz des Kreativen für Stadtentwicklung und Stadtmarketing (Dzudzek 2016). Diese Entwicklungen wurden in Verbindung gebracht mit neoliberaler Stadtentwicklung, dem Trend zur »unternehmerischen Stadt« und zunehmender Ungleichheit (Peck 2005; Brenner und Theodore 2002; McCann 2008), haben teilweise aber auch zu einer vertieften Beschäftigung mit den Wurzeln neoliberaler Gesellschaftsmuster geführt. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass sich der Übergang zum Neoliberalismus nicht allein aus dem Zusammenbruch des fordistischen Regimes oder durch die machtförmige und interessengeleitete Durchsetzung neuer Politiken erklären lässt. Im Anschluss an die Hegemonietheorie Gramscis ist zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung von Herrschaftsverhältnissen immer auch die aktive Herstellung von Konsens nötig − und dieser bedeutet auch ein Anknüpfen an und ein Einbeziehen von Bedürfnissen der ›Beherrschten‹. Die Aufstände der 1960er Jahre und das Aufkommen der Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er und 1980er Jahre waren Ausdruck eines Wertewandels und können in gewissem Sinne als Rebellion gegen die als ›erstarrt‹ und ›eng‹ empfundene forditische Lebens-, Gemeinschaftsund Arbeitwelt betrachtet werden.36 Boltanski und Chiapello (2006) haben hierfür den Begriff »Künstlerkritik« geprägt. Die neuen Werte, die sich hieraus entwickelten − wie Authentizität, Autonomie, Freiheit, Kreativität − gehen im »Kreativitätsdispositiv« auf: »Was sich in der spätmodernen Kultur seit den 1970er und 80er Jahren vollzieht, ist nun eine bemerkenswerte Umkehrung: ein Umkippen von Ideen und Praktiken ehemaliger Gegenkulturen in die Hegemonie. Das Kreativitätsideal, die ästhetische Utopie der scheinbar hoffnungslos minoritären ästhetisch-künstlerischen Gegenbewegungen ist in die dominanten Sektoren der postmodernen Kultur, in ihre Arbeits-, Konsum- und Beziehungsformen eingesickert und dabei ganz offensichtlich nicht dasselbe geblieben. Was sich seit dem letzten Viertel des gerade vergangenen Jahrhunderts abspielt, ist tatsächlich die Ausbildung eines ebenso heterogenen wie wirkungsmächtigen Kreativitätsdispositivs. Dieses betrifft verschiedenste gesellschaftliche Sektoren und ihre Praktiken von der Erziehung bis zum Konsum, vom Sport bis zum Beruf und zur Sexualität. Sie alle werden Kreativitätsimperativen und -kriterien entsprechend umgeformt.« (Reckwitz 2013, S. 24) Eine solche Diagnose ist einer Neoliberalismus-Definition aus polit-ökonomischer Sicht nicht entgegengesetzt; es gibt im Gegenteil enge Verbindungen zwischen beiden Ansätzen. Im Bereich Konsum lässt sich ein Übergang feststellen von der standardisierten Massenproduktion hin zu einer starken Ausdifferenzierung der Pro36
Dabei handelt es sich um einen Aspekt, der insbesondere von Seiten der Politischen Ökonomie in ihrer teilweisen ›Verklärung‹ fordistischer Verhältnisse häufig ignoriert worden ist.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
duktpalette, die sich an verschiedene Konsumentengruppen richtet und ›Nischenprodukte‹ anbietet. Damit verbunden ist eine spezifische Valuierung des Authentischen, Echten und Natürlichen, das sich sowohl im Produkt-, im Produktionsals auch im Dienstleistungsbereich zeigt; es spielt auch in Bezug auf neoliberale Naturen eine wichtige Rolle.37 In der Arbeitswelt lässt sich ab den 1980ern, neben der Prekarisierung und Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen, eine Tendenz zu selbstbestimmteren, häufig auch kreativeren Arbeitsformen beobachten.38 Die These, die Flexibilisierung der Lebenswelten und neue (Be)wertungsmuster seien nur eine Folge neoliberaler Politik, greift daher zu kurz. Die auf Autonomie und Selbstbestimmung zielende Kritik muss zugleich als Folge und Ursache dieser Krise verstanden werden − sie war, wie auch der Neoliberalismus, eine Antwort auf die Krise des fordistischen Produktionsmodells und ein Ausdruck des Widerstandes gegen das damit verbundene disziplinäre System (vgl. den folgenden Abschnitt zur Gouvernementalität). Der Neoliberalismus konnte sich als Politikmodell auch deshalb etablieren, weil es ihm gelang, Aspekte dieser Kritik aufzunehmen und sie zu nutzen − diese haben zugleich die Ausprägung der existierenden neoliberalen Formen geprägt. Dies gilt, wie in Kap. 4 gezeigt wird, auch für den Bereich Umwelt und Natur.
Neoliberale Gouvernementalitäten Den Kern des Neoliberalismus macht, wie in den letzten Abschnitten dargestellt, ein Wechsel der Wirtschaftspolitik aus, verstanden als Antwort auf eine Krise des Fordismus oder als »Klassenprojekt«. Die Umbrüche, die der Begriff bezeichnet, reichen jedoch darüber hinaus: Sie betreffen, jenseits der ökonomischen Strukturen und der veränderten Ästhetiken, die im letzten Abschnitt beschrieben wurden, das Verhältnis von Staat und Markt, Staat und Individuum, die zwischenmenschlichen Räume, die Praktiken und die Konstitution der Subjekte selbst. Als fruchtbarer Ansatz, der das Zusammenspiel dieser verschiedenen Dimensionen stärker in den Blick nimmt, hat sich die Gouvernementalitätsanalyse erwiesen. Sie geht zurück geht auf den Begriff der Gouvernementalität (gouvernementalité), den Michel Foucault in seinen Vorlesungen am Collège de France 1977 bis 1978 eingeführt hat. Ein vollständiges Konzept der Gouvernementalität hat Foucault selbst nie ausgearbeitet; die Fragmente dienten jedoch als Quelle für eine nachfolgende Generation, die seine These einer neuen »Rationalität der Führung«
37
38
Diese Valuierung ist mit der Ausdifferenzierung der Konsumprodukte verbunden – sie sind jedoch häufig auf einen Teil der Konsument:innen beschränkt, etwa im Fall von Individualtourismus. Reckwitz (2013) sieht hier eine Umstellung der Ökonomie von einem industriellen über einen kognitiven zu einem ästhetischen Kapitalismus, er unterscheidet also zwischen einer fordistischen und zwei weiteren Phasen der ökonomischen Strukturierung.
45
46
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
aufgegriffen und als Grundlage verwendet hat für eigene Studien und Weiterentwicklungen. Im deutschsprachigen Raum haben etwa Lemke (1997, 2008), Opitz (2004) und Bröckling et al. (2000) den Gouvernementalitätsansatz für zeitdiagnostische und soziologische Studien verwendet. Im angelsächsischen Raum haben Rose (1999) und Miller (Rose und Miller 2010) früh eine politische Interpretation von Gouvernementalität vorgelegt, die sich vor allem mit der Beziehung zwischen Regierungstechniken und Liberalismus beschäftigt. Mit den governmentality studies hat sich in Nordamerika eine eigene Forschungstradition etabliert, die den Ansatz Foucaults nutzt, um theoretisch oder empirisch verschiedene Ausprägungen der Gouvernementalität zu untersuchen (Barry et al. 1996; für eine Übersicht vgl. Bröckling et al. 2000; Dean 2009).39 Der Begriff der Gouvernementalität Der Begriff Gouvernementalität (franz. gouvernementalité) setzt sich zusammen aus franz. gouverner (regieren) und mentalité (Denkweise),40 was auf frühere Arbeiten Foucaults zur Verbindung von Machttechniken und Wissensformen verweist (vgl. Lemke 1997, 2000; zur Geschichte des Begriffes Lemke 2017). Mit Gouvernementalität bezeichnet Foucault eine bestimmte Rationalität der Regierung, die sich ihm zufolge mit der Entstehung des modernen Staates in den westlichen Gesellschaften herausbildet. Mit Regierung ist dabei nicht gouvernement gemeint, Regierung als Institution, sondern gouvernance, »Führung« in dem Sinne, wie der Begriff vor dem 18. Jahrhundert gebraucht wurde: Als »Kunst«, die Subjekte durch bestimmte Techniken zu lenken, als »Ökonomie der Macht« (Foucault 2006b). Es geht dabei explizit nicht um Gewalt oder offenen Zwang − auch wenn diese durchaus Teil der Praktiken der Macht sein können −, sondern um eine be39
40
Die Vorlesungen am Collège de France lagen lange Zeit nur als Tonaufnahem vor, abgesehen von einzelnen Auszügen erschienen sie erst 2004 und 2006 vollständig in zwei Bänden auf Französisch und Deutsch, 2008 auf Englisch. Viele der englischsprachigen Gouvernementalitätsstudien beziehen sich auf die bis dato verfügbaren Quellen, wie Übersetzungen einzelner Vorlesungen in Zeitschriften und Sammelbänden, etwa Burchell et al. 1991. Diese waren und sind daher für die governmentality studies prägend und spielen bis heute auch in der Geographie eine wichtige Rolle. Zugleich erklärt diese spezifische Rezeptionsgeschichte und das späte Vorliegen von Übersetzungen der Originalwerke, dass die Interpretation des Gouvernmentalitätsbegriffs in den governementality studies teils Verkürzungen aufweist und von einem umfassenderen Verständnis von Gouvernementalität, wie es in den Vorlesungen Foucaults dargelegt ist, abweicht, vgl. hierzu etwa Lemke 2000; Fletcher 2017 und Philo 2012. Dies kann sowohl individuell als auch kollektiv verstanden werden. Dean (2009, S. 25) diskutiert den Begriff der »mentality of rule«, wobei er davon ausgeht, dass es sich um ein kollektives Bewusstsein handelt, das nicht notwendigerweise bewusst sein muss (auch nicht denjenigen, die ihm entsprechende Praktiken ausführen): »A mentality might be described as a condition of form of thought and is thus not readily amenable to be comprehended from within its own perspective.«
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
stimmte Beziehung zwischen Freiheit und Zwang, darum, ein Feld des Möglichen abzustecken, indem sich das Handeln bewegt. Das Subjekt – das im Sinne Foucaults durch ebensolche Machtbeziehungen erst hervorgebracht wird – kann über seine Handlungen entscheiden, aber diese Entscheidungen finden statt in einem Rahmen, einem Möglichkeitsfeld, das die Entscheidungsfreiheit begrenzt oder auf diese einwirkt. Die Gouvernementalitätsstudien untersuchen, was diesen Rahmen ausmacht, wie er geschaffen und aufrechterhalten wird, in einem stärker politischen Sinn auch darauf, wie er ›verlassen‹ werden kann (vgl. etwa Lorey 2011, 2012; zu weiteren Aspekten des Widerstandes gegen Formen der Regierung Legg 2019). Sie sind damit eine Fortsetzung und eine Erweiterung der früheren Arbeiten Foucaults, indem sie mit der Gouvernementalität eine ›Meta-Ebene‹ einziehen und in zweifacher Hinsicht eine Verbindung herstellen: Einerseits stellen sie einen Zusammenhang her zwischen den konkreten Praktiken auf der Mikroebene, der »Mikro-Physik der Macht«, und dem Staat, beziehungsweise dem, was Foucault Herrschaft nennt: »Man muß zwischen Machtbeziehungen als strategischen Spielen zwischen Freiheiten … und Herrschaftszuständen unterscheiden, die das sind, was man üblicherweise Macht nennt. Und zwischen beiden, zwischen den Spielen der Macht und den Zuständen der Herrschaft, gibt es Regierungstechnologien.« (Foucault 1985, S. 26, zit, nach Lemke 2001, S. 117f.) Und zum anderen beschäftigen sie sich mit der Verbindung zwischen den Techniken und Praktiken der »Regierung anderer« und den Techniken und Praktiken der »Regierung des Selbst«:41 »Mit diesem Wort ›Gouvernementalität‹ möchte ich drei Dinge sagen. Ich verstehe unter ›Gouvernementalität‹ die aus den Institutionen, den Vorgängen, Analysen und Reflexionen, den Berechnungen und den Taktiken gebildete Gesamtheit, welche es erlauben, diese recht spezifische, wenn auch sehr komplexe Form der Macht auszuüben, die als Hauptzielscheibe die Bevölkerung, als wichtigste Wissensform die politische Ökonomie und als wesentliches technisches Instrument die Sicherheitsdispositive hat. Zweitens verstehe ich unter ›Gouvernementalität‹ die Tendenz oder die Kraftlinie, die im gesamten Abendland unablässig und seit sehr langer Zeit zur Vorrangstellung dieses Machttypus geführt hat, den man über alle anderen hinaus die ›Regierung‹ nennen kann: Souveränität, Disziplin, und die einerseits die Entwicklung einer ganzen Serie spezifischer Regierungsapparate [und andererseits] die Entwicklung einer ganzen Serie von Wissensarten nach sich gezogen hat. Schließlich denke ich, daß man unter ›Gouvernementalität‹ den
41
Für eine ausführliche Darstellung und zur Einordnung in Foucaults Werk vgl. Lemke 1997, 2001, 2017 und Burchell et al. 1991.
47
48
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Vorgang oder vielleicht das Ergebnis des Vorgangs verstehen sollte, durch den der mittelalterliche Staat der Gerichtsbarkeit, der im 15. und 16. Jahrhundert zum Verwaltungsstaat wurde, sich nach und nach ›gouvernementalisiert‹ hat.« (Foucault 2006b, S. 162f.) Diese dreifache Definition − Gouvernementalität (1) als eine Form des Regierens, (2) als Entwicklung hin zu dieser Form, die andere Regierungsformen wie Souveränität und Disziplin einschließt, und (3) als der Prozess des Regierens selbst − verweist auf mehrere zentrale Elemente der Beschäftigung mit Gouvernementalität: Zum einen impliziert diese eine bestimmte Sichtweise auf den Staat. Dieser wird dabei nicht als zentrale, einheitliche Institution verstanden, von der die ›Macht‹ ausgeht,42 sondern aus den verstreuten, vielfältigen Mechanismen und Arrangements des Regierens heraus definiert, aus »dieser Gouvernementalität, die dem Staat zugleich innerlich und äußerlich ist, da es ja die Taktiken des Regierens sind, die in jedem Augenblick erlauben zu definieren, was in die Zuständigkeit des Staates fallen darf und was nicht« (Foucault 2006b, S. 164); der Staat »ist nichts anderes als der bewegliche Effekt eines Systems von mehreren Gouvernementalitäten« (2006a, S. 115). Zweitens verweist sie auf die drei »Formen« des Regierens, die Foucault herausarbeitet: Die Souveränität, die auf die Kontrolle eines Territoriums zielt und sich juridisch-rechtlicher Mechanismen bedient; die Disziplin, die auf die individuellen Körper wirkt und sich der anordnenden Disziplinarmechanismen bedient, und schließlich die Sicherheit – oder Gouvernementalität – die auf die Bevölkerung als Ganzes zielt und deren wesentliche Instrumente das Sicherheitsdispositiv und die Normalisierung sind (Foucault 2006b, 27ff.). Diese Formationen bringen nicht nur spezifische Regierungsapparate und Formen des Wissens hervor − Foucault spricht schon in früheren Arbeiten von »Macht-Wissen-Komplexen« −, sondern auch spezifische Subjekte. Die Definition enthält schließlich die These Foucaults, dass in den westlichen Staaten eine bestimmte Entwicklung zu beobachten ist, die über diese verschiedenen Formen der Regierung hin zur »Vorrangstellung« des Machttypus der Gouvernementalität führt. Damit verbunden ist eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen Individuum und Staat hin zu einer Form der Regierung, in der sich die Individuen weitgehend »selbst regieren«.43 42
43
Macht wird hier immer im Sinne Foucault verstanden: nicht als Herrschaft über andere, sondern im relationalen Sinn, als eine produktive Beziehung zwischen Akteuren, die das Subjekt – franz. sujet hat auch die Bedeutung ›Untertan‹ oder ›Unterworfener‹ – erst hervorbringt. Das Konzept der Gouvernementalität hat einen engen Bezug zum Begriff der Biomacht, den Foucault schon einige Jahre zuvor eingeführt hatte und der ursprünglich den Ausgangspunkt der Vorlesungen zur Gouvernementalität bildete. Unter dem Begriff der Biomacht wurde eine große Zahl an Studien durchgeführt, die ihn teils aus sehr verschiedenen Perspektiven
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Foucaults Analysen des Neoliberalismus In der zweiten Vorlesungsreihe geht Foucault auf die »heutige Gouvernementalität« ein, »eine neue Programmgestaltung der liberalen Gouvernementalität« (Foucault 2006a, S. 138), die er als »neoliberal« bezeichnet (vgl. auch 2006a, S. 116). Zu diesem Zeitpunkt steht die Wahl Ronald Reagans zum US-Präsidenten noch aus, neoliberale Regierungsprogramme sind noch in keinem westlichen Staat umgesetzt. Anders als die meisten Theoretiker:innen, die in diesem Kapitel bisher vorgestellt wurden und die den Begriff des Neoliberalen überwiegend aus einer Analyse neoliberaler Politikgestaltung ableiten, arbeitet Foucault hier eine Definition des Neoliberalen heraus, indem er sich mit den Texten der Ordoliberalen und der Chicagoer Schule auseinandersetzt. Foucault unterscheidet zwei Formen des Neoliberalismus: den deutschen und den amerikanischen. Ersteren sieht er in der sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards verwirktlicht. Diese sei zwar von sozialen Maßnahmen flankiert, habe im Kern jedoch das Prinzip der »Freiburger Schule« verwirklicht: eine allgemeine Ablehnung jeglicher Staatsintervention (2006a, S. 119). Zudem nehmen die Ordoliberalen nach Foucault eine wichtige Umdeutung vor: Nicht mehr den Tausch sehen sie als das grundlegende Prinzip des Marktes, sondern den Wettbewerb (2006a, S. 171). Der reine Wettbewerb ist damit nach Foucault das nie zu erreichende Ziel »der Regierungskunst« (Foucault 2006a, S. 173).44 Der amerikanische Neoliberalismus wurzelt, wie der deutsche, Foucault zufolge in der allgemein grassierenden »Staatsphobie«. Er füge dem Prinzip des Wettbewerbs jedoch eine weitere charakteristische Umdeutung liberaler Ideen hinzu: die Idee des Humankapitals, eine weitreichende Neudefinition des Arbeitsbegriffes, die den Menschen und seine Fähigkeiten selbst als Kapital denkt und damit eine neue Form des Homo oeconomicus schafft. War dieser laut Foucault im klassischen Liberalismus ein Tauschpartner, so wird er hier zum »Unternehmer seiner selbst«: »Denn was ist dieser ökonomische Mensch in der klassischen Vorstellung des Homo oeconomicus? Nun, es ist der tauschende Mensch, der Partner, einer der beiden Partner im Tauschprozeß. Und dieser Homo oeconomicus als Tauschpartner impliziert natürlich eine Analyse seines Wesens, eine Zerlegung seines Verhaltens und seiner Handlungsweisen in Begriffen des Nutzens, die sich natürlich auf die Problematik der Bedürfnisse beziehen, da ein Nutzen, der zum Tauschprozeß führen wird, im Ausgang von diesen Bedürfnissen charakterisiert oder beschrieben oder jedenfalls begründet werden kann. Der Homo oeconomicus als Tauschpartner, die
44
verwenden. Eine Übersicht findet sich bei Lemke 2008, für die Political Ecology vgl. Cavanagh 2018. Dies reicht über den Bereich des ökonomischen Handels hinaus. Die Ausweitung des Wettbewerb als Prinzip führt zur Ökonomisierung weiter Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens.
49
50
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Theorie des Nutzens auf der Grundlage der Problematik der Bedürfnisse: dadurch ist die klassische Vorstellung des Homo oeconomicus charakterisiert. Im Neoliberalismus […] findet man ebenfalls eine Theorie des Homo oeconomicus, aber der Homo oeconomicus erscheint hier überhaupt nicht als Tauschpartner. Der Homo oeconomicus ist ein Unternehmer, und zwar ein Unternehmer seiner selbst.« (Foucault 2006a, S. 314)45 Diese frühe Analyse neoliberaler Logiken bildete ab den 1990er Jahren den Anknüpfungspunkt für Studien des Neoliberalen jenseits des Konzeptes eines »von oben« durchgesetztes Projekts, eines »Neoliberalism with a big ›N‹« (Ong 2007), indem sie die Ausbreitung und Durchsetzung neoliberaler Logiken in Verbindung mit (Mikro)Praktiken und Formen der Subjektivierung untersuchten: »The corresponding inclination, then, is to speak in terms of neoliberal modes of subject (re)formation and strategies of rule, rather than to visualize an administratively bounded ›neoliberal state‹. […] Instead, neoliberalism represents a new configuration in the long historical lineage of ›biopolitical‹ practices – modes of governing social life through contextspecific political technologies.« (Brenner et al. 2010, S. 199) Ein Beispiel sind Ongs Untersuchungen zu neoliberalen Subjekten in Asien, wo sie neoliberalism (»with a small ›n‹«) als »mobile Technologie« defininiert, »not as a fixed set of attributes with predetermined outcomes, but as a logic of governing that migrates and is selectively taken up in diverse political contexts.« (Ong 2006, S. 2). Anthropolog:innen und Geograph:innen haben die Ansätze Foucaults, die dieser am Beispiel Europas entwickelt hat, auf andere geographische und zeitliche Räume übertragen und gezeigt, wie sich spezifische, kontingente Formen der Gouvernementalität herausarbeiten lassen. Sie beschäftigen sich mit der Frage, welche Praktiken und Subjektivitäten die Expansion und Inkorporierung von Marktlogiken hervorbringt (Ong 2006; Mitchell 2002; Rankin 2001), wie die »depoliticization through economization« als »anti-politics machine« wirkt (Ferguson 1994; Madra und Adaman 2014) und welche Normalisierungen, politischen Rationalitäten und Techniken kolonialen Gouvernementalitäten im kolonialen Kontext zugrunde liegen (Legg 2007; Prakash 1999; Mitchell 2003; Li 2007; vgl. für Diskussionen zu kolonialen Gouvernementalitäten auch Jazeel 2009). Diese Ansätze dürfen nicht als Alternative oder im Sinne einer Abgrenzung gegenüber stärker ökonomisch geprägten Ansätzen verstanden werden. Auch wenn die frühen Gouvernementalitätsstudien teils für ihre »avoidance of critique and 45
Diesen Aspekt – der Mensch als »Unternehmer seiner selbst« – und die Folgen, die diese Konzeption für Gesellschaften und Individuen hat, haben Wissenschaftler:innen im deutschsprachigen Raum als Ausgangspunkt für kritische Untersuchungen neoliberaler Regierungspraktiken genommen, vgl. etwa Bröckling et al. 2000.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
political engagement« kritisiert wurden (O’Malley et al. 2006, 503f.), ist die Gouvernementalitätsanalyse zunehmend auch in Studien aufgenommen worden, die sich aus einer politischen oder polit-ökonomischen Perspektive mit Neoliberalismus beschäftigen (Peet 2002; Watts 2003); ebenso gab es Versuche, sie in marxistische oder post-marxistische Ansätze zu integrieren. Als verbindendes Element dient dabei häufig Gramscis Hegemonie-Theorie, die gewisse Parallelen zu Foucaults Gouvernementalitätsansatz hat (Rose et al. 2009; Candeias 2009; vgl. auch Pieper et al. 2004; die an Hardt und Negri 2002 anschließen).46 Auf weitere Möglichkeiten und Versuche, Foucaults Gouvernementalitätsansatz mit Ansätzen anderer Theorieschulen zu verbinden, gehe ich in Kap. 2.4 ein.
Eine veränderte Beziehung zwischen Staat und Markt Ich habe in diesem Kapitel vier Möglichkeiten skizziert, Neoliberalismus zu denken: eine ökonomische oder polit-ökonomische, die das Neoliberale an einem Bruch innerhalb der dominierenden Wirtschaftstheorie und -politik festmacht; eine politische, die den Neoliberalismus als »class-based project« der Eliten versteht; eine kulturelle, die Neoliberalismus auch in veränderten Ästhetiken, Präferenzen und Lebensstilen ausgedrückt sieht; schließlich die Idee einer neoliberalen Gouvernementalität, die sich durch eine veränderte Beziehung von Staat und Markt und eine Verschiebung in der ökonomischen Konzeption des Menschen auszeichnet, und die mit neuen Diskursen, Praktiken, Macht- und Wissenstechniken einhergeht. Drei zentrale Fragen lassen sich in all diesen vier Konzeptionen ausmachen. Das ist zum einen die Rolle des Staates. Insbesondere eine populärwissenschaftliche Definition von Neoliberalismus bringt Neoliberalismus mit einem ›Rückzug des Staates‹ in Verbindung, eine Annahme, die auch viele Wissenschaftler:innen in ihren Arbeiten übernehmen. Sie gehen davon aus, dass im Neoliberalismus eine Verlagerung von Entscheidungsmacht stattfindet: vom Nationalstaat hin zu supranationalen oder ökonomischen Akteuren (vgl. etwa Brand 2008; Hall 2011). Sie sehen daher in der derzeit zu beobachtenden Rückkehr des autoritären Staates (Bruff 2014; Bruff und Tansel 2020; Giroux 2006) einen Bruch mit der (bisherigen) neoliberalen Tradition. Demgegenüber haben Autor:innen wie Peck (2008) oder Harvey (2005) argumentiert, dass sich die These einer Schwächung der nationalstaatlichen Ebene nicht halten lasse, sondern der Nationalstaat häufig eine oder gar die entscheidende Ebene bei der Durchsetzung neoliberaler Politiken sei; die ›Neuverteilung‹ von Einfluss kann auch als Intensivierung der Beziehung zwischen Bürger:innen und Staat gesehen werden (Swyngedouw 2005).47
46 47
Teilweise beziehen sich diese Ansätze jedoch weniger auf den Gouvernementalitätsansatz als vielmehr auf Foucaults Schriften zum Diskurs, vgl. für eine Kritik Rutherford 2007. Insbesondere Untersuchungen aus Ländern des Globalen Südens und Erfahrungen aus den Strukturanpassungsmaßnahmen zeigen, dass es eines starken Staates bedarf, um neolibe-
51
52
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Der zweite Punkt betrifft die die Frage der Ebene: Ist Neoliberalismus ein globales Projekt, »an omnipresent, hegemonic force« (Brenner et al. 2010, S. 184; vgl. auch Hall 2011)? Soll, wie Collier (2012, S. 186) in Bezug auf Bruno Latour fragt, »neoliberalism be analysed as a ›big Leviathan‹ – a macro-structure or explanatory background against which other things are understood?« Oder gibt es im Gegenteil nur viele kleine, lokal unterschiedlich ausgeprägte Neoliberalismen, die sich höchstens zu einem Flickenteppich kontextspezifischer Projekte zusammensetzen lassen? Diese Frage − die auch für die Diskussion um neoliberale Naturen wichtig ist − hängt auch zusammen mit der Methodik und dem Selbstverständnis der beteiligten Disziplinen. Autor:innen der Politischen Ökonomie vertreten häufiger, wenn auch nicht ausschließlich einen Top-down-Ansatz, mit einem Schwerpunkt auf der makroökonomischen Ebene, während Untersuchungen der Gouvernementalität häufig auf der Mikroebene ansetzen. Vereinzelte Versuche, Studien durchzuführen oder Theorien zu entwickeln, die beides gleichermaßen berücksichtigen − globale Diskurse, Projekte und Entwicklungen auf der einen, Alltagspraktiken und micro power auf der anderen Seite − haben häufig eigene Konzepte für die Verbindung verschiedener Ebenen hervorgebracht. Tsing (2005) hat den Term Friction gewählt, um darzustellen, wie Entwicklungen auf einer globalen Ebene sich an lokalen Besonderheiten »reiben«, Widerstände und Wärme hervorrufen. Ong (2007, auch Ong und Collier 2005) analysiert das Neoliberale als verwurzelt in »global assemblages«, als »unstable constellation shaped by interacting global forms and situated political regimes« (Ong 2007, S. 5). Peck et al. unterscheiden bei ihren Untersuchungen des »variegated neoliberalism« zwischen Neoliberalismus »as ideological matrix and as an adaptive rationale for ongoing projects of state and societal restructuring« und den »›actually existing‹ manifestations [that] are – and can only be – partial, polycentric, and plural […] not just because the project-cum-process has been somehow ›blocked‹ or half-cocked − that it remains incomplete − but because volatile hybridity is the condition of existence« (Peck et al. 2018, S. 4). Schließlich bleibt drittens umstritten, ob es sich bei Neoliberalismus tatsächlich um eine neue Formation handelt − oder vielmehr um eine Rückkehr zu früheren kapitalistischen Zuständen, wie etwa Hall (2011), in gewissem Sinn auch Harvey (2005) argumentieren: »To roll back that post-war ›settlement‹ and restore the prerogatives of capital has been the ambition of its opponents« (Hall 2011, S. 707). Diese Sichtweise ist insbesondere unter jenen verbreitet, die Neoliberalismus vorrangig als ein politisches Projekt der Eliten verstehen. In der Regulationsschule haben jüngere Diskussionen um die Gestalt einer »postfordistischen« Formation die Frage aufgeworfen, ob nicht eher der Fordismus als relativ stabile Formation rale Politiken gegen den Willen der von ihnen betroffenen Bevölkerungsgruppen durchzusetzen. Für weitergehende Aspekte der Debatte vgl. etwa Pinson und Morel Journel 2015.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
eine Ausnahme darstelle – auch diese These würde die Kontinuität kapitalistischer Verhältnisse betonen. Vertreter:innen der governmentality studies oder jener, die Neoliberalismus auf eine Art und Weise definieren, die über rein ökonomische Aspekte hinausgeht, sehen hingegen im Neoliberalismus einen klaren Bruch mit vorherigen intellektuellen Tendenzen, kulturellen und sozialen Beziehungen. Auch Foucault hat Neoliberalismus als eine neue, durch eine spezifische Regierungsformen gekennzeichnete Formation beschrieben. Er verweist dabei, wie auch Mirowski und Plehwe (2009), auf die Tatsache, dass die Ordoliberalen der Zwischenkriegszeit sich nicht nur gegen eine als sozialistisch empfundene Einmischung des Staates in wirtschaftliche Abläufe richteten, sondern auch gegen einen klassisch liberalen Ansatz des »Laissez-faire«. Zwei Unterschiede zwischen liberaler und neoliberaler Theorie sind hier zentral: Die Beziehung des Politischen zum Ökonomischen und die Rolle von Märkten. Der klassische Liberalismus beruhte auf einer strikten Trennung zwischen der ökonomischen Sphäre einerseits und dem Politischen andererseits: einem Bereich, in dem der Markt möglichst frei agieren sollte und einem anderen, der, zumindest dem Prinzip nach, weitgehend frei von diesen ökonomischem Prinzipien sein sollte. Diese Trennung kollabiert im Neoliberalismus: »Liberalism, in this account, was always about finding the right balance between two spheres understood as properly distinct, if always related: state and market, public and private, the realm of the king and the proper domain of the merchant. Neoliberalism, in contrast, puts governmental mechanisms developed in the private sphere to work within the state itself, so that even core functions of the state are either subcontracted out to private providers, or run (as the saying has it) ›like a business‹. The question of what should be public and what private becomes blurred, as the state itself increasingly organizes itself around ›profit centers‹, ›enterprise models‹, and so on. Rather than shifting the line between state and market, then, neoliberalism in this account involved the deployment of new, marketbased techniques of government within the terrain of the state itself.« (Ferguson 2009, S. 172) Der zweite Unterschied betrifft die Beziehung zu Märkten. Wie »Laissez-faire« deutlich macht, geht die klassische ökonomische Theorie davon aus, dass sich Märkte von selbst bilden − und es daher wichtig ist, dass der Staat sich aus diesen heraushält. Dies kehrt sich im Neoliberalismus um: Der Staat hat die Aufgabe, aktiv Märkte zu schaffen; das Prinzip des Wettbewerbs auf Bereiche auszuweiten, in denen bisher andere Regulations- und Entscheidungsmechanismen gelten: »In the most general sense, neoliberalization denotes a politically guided intensification of market rule and commodification. Most scholars tend to agree that
53
54
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
neoliberalism is broadly defined as the extension of competitive markets into all areas of life, including the economy, politics, and society.« (Brenner et al. 2010, S. 184) Der gezielte Aufbau von Märkten und das Herstellen von Marktbeziehungen − was die Kommodifizierung voraussetzt − sind damit ein zentrales Kennzeichen der Neoliberalisierung. Diese reicht über den ökonomischen Bereich hinaus, in die sozialen Beziehungen, bis in die Körper hinein (vgl. Guthman 2011), aber sie betrifft auch das Verhältnis zum Nicht-Menschlichen. Eine Mehrheit der Studien zur neoliberalen Natur, die im nächsten Abschnitt vorgestellt werden, befassen sich mit Prozessen der Ökonomisierung von Natur.
Grüner Neoliberalismus und neoliberale Natur Bei einer Recherche zu Veröffentlichungen aus dem Bereich der neoliberalen Natur in der Geographie und Anthropologie haben Bigger und Dempsey (2018) festgestellt, dass diese seit Mitte der 2000er geradezu explodiert sind: Gibt es für die Jahre zuvor nur eine Handvoll Publikationen pro Jahr, die unter diesem Schlagwort fungieren, so nimmt deren Anzahl ab etwa 2003 stark zu und liegt in den 2010er Jahren bei über 100 Publikationen pro Jahr. Mehrere Übersichtsartikel haben sich in den letzten Jahren mit neoliberaler Natur oder grünem Neoliberalismus beschäftigt (Castree 2008a, 2008b, 2009, 2010, Bakker 2010; Himley 2008; Bigger und Dempsey 2018), hinzu kommen eine Reihe von Sammelbänden (Büscher et al. 2014; Heynen et al. 2007b; Peet et al. 2011b; Mansfield 2008). Robbins (2011) hat in einer Art Lehrbuch zentrale Themen, die historische Entwicklung und aktuelle Trends in der Political Ecology dargestellt und dabei auch die Forschung zur neoliberalen Natur ausführlich behandelt. Woher kommt dieses große Interesse an der Beziehung zwischen Neoliberalismus und Natur? Welche Beziehung hat das diverse, widersprüchliche Phänomen der »neoliberalization of nature« (Heynen und Robbins 2005; McCarthy und Prudham 2004) zu anderen gesellschaftlichen und ökonomischen Enwicklungen? Ist es Zufall, dass die Thematisierung ökologischer Krisen seit den 1980er Jahren zusammenfällt mit dem Aufstieg der neuen wirtschaftspolitischen Doktrinen und neuen Formen des Regierens − und daher naheliegend, dass die ökologische Krise in entsprechender Weise bearbeitet wird? Oder gibt es eine tiefere Verbindung, ein spezifisch »postfordistisches Naturverhältnis« (Brand und Görg 2003)? Gibt es eine neoliberale Natur? Und wenn ja, was macht sie aus? Mit diesen Fragen beschäftigt sich dieser Abschnitt zunächst im Rahmen einer systematischen Auswertung der dazu vorliegenden Literatur. Derart Antwor-
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
ten auf diese Fragen zu finden, ist nicht einfach.48 Im Fall der neoliberalen Natur zeigt sich das gegenteilige Problem wie bei der Literatur zum Neoliberalismus. Letzterer wurde, wie im vorhergehenden Abschnitt dargestellt, wiederholt vorgeworfen, zu global und zu abstrakt zu argumentieren und dadurch den einzelnen, konkreten Fällen nicht gerecht zu werden. Im Fall der neoliberalen Natur hingegen gibt es, wie auch Bakker (2010) und Castree (2008b) feststellen, unzählige detaillierte Fallstudien − aber kaum zusammenhängende Theoretisierungen zur Frage, was neoliberale Natur eigentlich ist. Auch die Vorschläge, die Literatur zu neoliberal nature zu klassifizieren, gehen weit auseinander. Um die oben genannten Leitfragen untersuchen und die Neoliberalisierung von Natur für die empirische Untersuchung greifbar machen zu können, gebe ich hier einen Überblick über die verschiedenen Ansätze, neoliberale Natur zu definieren; dabei beziehe ich mich sowohl auf die oben diskutierten Konzepte des Neoliberalen als auch auf Studien zur neoliberalen Natur.49 Ich unterscheide vier Dimensionen der neoliberalen Natur: (1) die Ökonomisierung von Natur und Naturbeziehungen; (2) die Ausbildung einer neuen Umweltgovernance; (3) der besondere Wert von Natur als Garant für das Authentische, und schließlich (4) die Entstehung einer grünen Gouvernementalität oder environmentality.50 Im Anschluss gehe ich nochmal auf die oben skizzierten Fragen ein − was ist das Neoliberale an der neoliberalen Natur?
Ökonomisierung von Natur Als Kernelement neoliberaler Natur- oder Umweltbeziehungen wird von den meisten Autor:innen die Ökonomisierung der Natur ausgemacht (Fletcher et al. 2014; Cavanagh 2017; Himley 2008). Diese umfasst, wie im vorhergehenden Abschnitt in 48
49 50
Ein Schluss, zu dem auch Castree (2008b, S. 134) kommt: »As I surveyed the new case-study literature on neoliberalism and nature produced by critical geographers, I came to realise that constructing systematic and substantive answers to my four questions (especially the last three) was surprisingly difficult to do.« Unter neoliberal nature sind hier auch verwandte Begriffe wie green neoliberalism oder neoliberal environment gefasst. Damit wähle ich eine andere Herangehensweise als die oben zitierten Überblicksartikel, die ihre Einteilung häufig entlang der ›Materialitäten‹ neoliberaler Natur vornehmen. So unterscheidet Bakker (2010) verschiedenen Strategien der Neoliberalisierung, aber auch die verschiedenen Ressourcen, die diese betreffen. Castree (2008b, 2008a) teilt ebenfalls nach natürlichen Ressourcen ein, aber auch nach den sozialen wie ökologischen Folgen, die deren Neoliberalisierung mit sich bringt. Heynen und Robbins (2005, S. 6) unterscheiden zwischen »governance, the institutionalized political compromises through which capitalist societies are negotiated; privatization, where natural resources, long held in trust by regional, state and municipal authorities, are turned over to firms and individuals; enclosure, the capture of common resources and exclusion of the communities to which they are linked; and valuation, the process through which invaluable and complex ecosystems are reduced to commodities through pricing.« [Hervorh. JS].
55
56
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Bezug auf Neoliberalismus beschrieben, mehrere miteinander verbundene Prozesse: etwa Privatisierung, die Veränderung oder Neuzuschreibung von Eigentumsverhältnissen; Kommodifizierung, also das Herstellen neuer Waren oder von Waren in veränderter Form; Marketization, das Aufbauen und Aufrechterhalten von Märkten, schließlich die politische oder gesellschaftliche Regulierung von Nutzungs- und Verteilungsfragen über Marktprozesse.51 Klassische Beispiele sind die internationale Biodiversitätspolitik und die Klimapolitik. Dabei spielen Argumente des Schutzes von Klima und Natur eine zentrale Rolle. Ausgangspunkt für diese Ökonomisierung ist die Annahme einer (ökologischen) Krise. »Selling nature to save it« (McAfee 1999) wird als Lösung für diese propagiert.52 Nicht mehr Verteilungskonflikte gegebener Resourcen stehen im Zentrum der Mensch-Umwelt-Beziehungen, sondern die komplexe und häufig umstrittene Ausweitung von Marktbeziehungen auf das, was im weitesten Sinne als Natur gelten kann und geschützt werden soll. Diese beobachteten Veränderungen betreffen zum einen natürliche Ressourcen, die bereits seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden genutzt werden. Untersucht wurden etwa die (versuchte) Privatisierung und die veränderte Politik in Bezug auf Wasser (Bakker 2003; Swyngedouw 2006, 2007), Land (Borras et al. 2011) oder Fischbestände (Mansfield 2004, 2007a, 2007b). Hinzu kommt der Einsatz neuer Technologien, etwa im Bereich der regenerativen Energien, die mit neuen Infrastrukturen und Formen des Regierens einhergehen, oder in der Biotechnologie, wo, wie Heynen et al. (2007a) feststellen, die Grenzen zwischen Technologie und Formen des Lebens zunehmend verwischen. Schließlich sind durch die umweltpolitischen Ansätze seit den 1990er Jahren neue Märkte und Produkte geschaffen worden, insbesondere in den Bereichen Biodiversität (Corson und MacDonald 2012; Dempsey 2016), Ökosystemdienstleistungen (Sullivan 2009; Robertson 2004; Cavanagh und Benjaminsen 2014) und Klimawandel (Lohmann 2006, 2011; Brunnengräber 2006; Lovell et al. 2009; Liverman 2009; Bumpus und Liverman 2008, vgl. auch Kap. 4.1). Der Übergang zwischen früheren Formen der Nutzung und ihrer neoliberalen Variante ist fließend, und verschiedene Formen der Inwertsetzung
51
52
Die Einteilung erfolgt bei verschiedenen Autor:innen unterschiedlich, so nennen manche Kommodifizierung als übergreifenden Begriff, unter den die anderen fallen, vgl. für eine Übersicht Castree 2003. Die Befürworter:innen neoliberaler Umweltpolitik beziehen sich häufig auf das Argument der »tragedy of the commons« (Hardin 1968), der Annahme, dass die Nutzung allgemein zugänglicher Ressourcen ohne Eigentumszuschreibung dazu führt, dass diese langfristig übernutzt werden. Zu den Argumenten für die Ökonomisierung gehören so etwa, dass Märkte und private Unternehmen knappe Ressourcen effizienter managen und Verschwendung vorbeugen, dass sie Konsument:innen oder Stakeholer dazu anhalten können, Verantwortung für ihr eigenes (Umwelt)Verhalten zu übernehmen oder dass Politiker:innen monetarisierte Umweltressourcen eher schützen, da der Wertverlust bei Umweltschäden sonst nicht berechnet werden kann.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
können sich ergänzen oder ausschließen: So kann Agrarland für Landwirtschaft genutzt werden und gleichzeitig als Climate Smart Agriculture in Kohlenstoffmärkte einbezogen sein; die Nutzung eines Waldes für die Produktion von Holz kann im Widerspruch stehen zum Schutz bestimmter Arten oder der Nutzung als Kohlenstoffsenke (vgl. Kap. 4). Trotz der Kontinuitäten und Kontingenzen, die sich in diesen und vielen anderen Fallbeispielen zeigen, gehen Vertreter:innen der Political Ecology mehrheitlich davon aus, dass es einen relevanten Bruch in der Beziehung zur Natur gegeben habe, der es rechtfertige, von einer neoliberalen Natur oder neoliberalen Umwelten zu sprechen. »We are currently living through a period in which the core socio-economic relationship with nature is being dramatically transformed« schreibt Smith (2006, S. 17). Er vertritt mit seiner Aussage, Natur sei selbst zur »accumulation strategy« geworden, die These, dass es sich dabei nicht nur um eine Ausweitung kapitalistischer Verwertungslogiken auf den Bereich der Natur handelt: Wie es zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Übergang von der formellen Unterwerfung der Arbeit hin zur reellen Unterwerfung gegeben habe − einer vollständigen Einbeziehung in kapitalistische Verhältnisse −, so wandele sich derzeit die »formal subsumption« der Natur zu einer »real subsumption«, in zweierlei Hinsicht: »First, while capital has always circulated through nature, whether in agricultural production or in land ›improvement‹ of myriad kinds, the real subsumption of nature not only intensifies this circulation but transforms it from an incidental effect of capital accumulation to an intended strategy: what were once unintended consequences become strategic goals. The production of nature becomes capitalized ›all the way down‹. Second, the reverse process, namely the circulation of nature through capital, is similarly transformed from an incidental to a strategic process.« (Smith 2006, S. 2629, Hervorh. im Orig.) Als Beispiele für letzteres führt Smith hier die genetische Modifikation von Tieren und Pflanzen an, in der Folge bezieht er sich jedoch auch auf den Handel mit Emissions- und Biodiversitätszertifikaten. Ähnlich sieht Castree (2005a) im Rückgriff auf Kloppenburg (2004) als einen zentralen Wendepunkt hin zu neuen Formen der Natur die technische Möglichkeit, Natur nicht nur im übertragenen Sinn, sondern, wie im Fall von Hybrid-Samen, auch physisch herzustellen. Auch wenn die Entwicklung neuer Technologien in die Argumentation mit hereinspielt, wird die Ausbildung neuer Formen der Naturaneignung und -produktion hier vorrangig in Bezug auf kapitalistische Produktions- und Verwertungsprozesse diskutiert − und in Bezug auf die Fähigkeit des Kapitalismus, sich weiterzuentwickeln und Krisen produktiv zu nutzen. Hatten marxistische Denker wie Altvater (2006), Benton (1996) oder O’Connor (1988) teilweise neo-malthusianische Argumentationen übernommen und prognostiziert, der Kapitalismus werde aufgrund der Begrenztheit der biophysikalischen Welt langfristig an seine Grenzen geraten,
57
58
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
so ist die ›neoliberale Natur‹ in vieler Hinsicht die Gegenthese hierzu: Die ökologische Krise, die seit den 1980er Jahren deutlich wurde, so das Argument, habe sich nicht als Grenze kapitalistischer Expansion erwiesen, sondern als »new frontier«, die mit neuen Chancen auf Gewinn lockt. Im Anschluss an Arsel und Büscher (2012) sieht Cavanagh (2017) hier eine »dialectic between change and limits« am Werk, wobei verheerende ökologische Folgen und fallende Profitraten räumliche, zeitliche oder ökologische Gegenbewegungen einleiten, die die ›Grenzen‹ des Wachstums vermeiden oder neu verhandeln. »Accordingly, then, if capital is becoming ›green‹ in response to this context, this is because of its decidedly chameleonic nature: its inherent adaptability and capacity to transform the disasters and crises of capitalism into yet another driver of expanded reproduction.« (Cavanagh 2017, S. 205) Studien aus dem Globalen Süden haben gezeigt, dass die Etablierung dieser neuen »capitalist frontier« weitreichende Effekte hat − und dass sie häufig auf bestehende Ungleichheiten gründet, diese fortsetzt oder verschärft. So haben Untersuchungen gezeigt, wie Natur- oder Umweltschutz-Projekte (post)koloniale Praktiken reproduzieren (Borras et al. 2011; Peluso und Lund 2011; Li 2014; Leach und Scoones 2015) und zu neuen Formen der Enteignung führen, zu green grabbing, »the appropriation of land and resources for environmental ends« (Fairhead et al. 2012, S. 238). Cavanagh (2017, S. 205) kritisiert, dass Vorschläge, Ökosyteme im Globalen Süden als Senken für Kohlenstoff zu nutzen, an koloniale Muster anschließen, »in which allegedly ›under-utilized‹ spaces were in fact forcibly alienated from indigenous and other rural populations under the imprimatur of colonial or state trusteeship«. Bauriedl und Wichterich (2014, S. 43) kritisieren, dass die Ökonomisierung von Natur auch in Hinblick auf Geschlechterfragen zur einer »Naturalisierung und Verräumlichung sozialer Ungleichheiten (darunter auch Vulnerabilitäten)« führe. Während die meisten Studien zur Ökonomisierung von Natur zeigen, dass diese zu Lasten der »less powerful« (Castree) gehen, wurde diese a priori kritische Position vieler Forscher:innen zur Neoliberalisierung der Natur zuletzt kritisch diskutiert. »[T]aken together, the published geographical case studies of nature’s neoliberalisation suggest that the effects thereof are not unremittingly negative«, stellt etwa Castree (2008a, S. 163) fest. Bakker (2010) ruft dazu auf, die Idee eines »variegated neoliberalism« ernst zu nehmen und Studien mit einer größeren Offenheit anzugehen: »the impacts of neoliberalism – particularly in the environmental realm – are not always uniformly negative for all actors. Accepting that neoliberalization is variegated suggests the possibility that outcomes may be positive as well as negative in specific geo-historical contexts.« (Bakker 2010, S. 728)
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Sie schlägt vor, den Blick eher darauf zu richten, wie Nutzen und Kosten der Restrukturierungen der Umwelten verteilt sind, zwischen Nutzer:innen und anderen Akteuren, aber auch zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Beteiligten. Dies versuche ich auch im Rahmen dieser Arbeit: Die Entwicklung der Naturen im Rahmen des Fallbeispiels unvoreingenommen zu untersuchen und zu beschreiben, und dabei sowohl Veränderungen in der Gestalt der Naturen zu fassen als auch deren Folgen für die menschlichen und nicht-menschlichen Akteure, die Teil dieses Prozesses sind (Kap. 4 und 5).
Green Governance Im letzten Abschnitt wurde der Aufbau von Märkten und das Schaffen neuer Waren als zentraler Bestandteil des neoliberalen Umgangs mit Natur beschrieben. Neben diesen neuen »Produktionsmustern« der Natur sehen viele Autor:innen die Installation einer neuen Umweltgovernance als entscheidend für den Übergang zu neoliberalen Naturen an. Krisen spielen, wie oben gezeigt, für die Durchsetzung und das Funktionieren des Neoliberalismus eine zentrale Rolle. Krisen können auch als Ausgangspunkt der neoliberalen Inwertsetzung der Natur ausgemacht werden, insbesondere die Wirtschaftskrise der 1970er Jahre und die ökologische Krise, die in den 1970er und 1980er Jahren ins Zentrum der Öffentlichkeit rückte. Diese umfasste mehrere Aspekte: Die Ölkrisen der 1970er Jahre führten den westlichen Industriestaaten ihre Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen drastisch vor Augen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigten die Auswirkungen von Chemikalien auf das Ozonloch und von Kohlenstoffdioxid auf die globale Temperatur; Publikationen wie der Bericht Die Grenzen des Wachstums (Meadows 1972) warnten vor drohenden Knappheiten bei wachsendem Ressourcenverbrauch. Zeitgleich entstanden in den westlichen Industriestaaten starke Umweltbewegungen, die auch politisch für den Staat und die wirtschaftlichen Eliten eine Herausforderung darstellten (McCarthy und Prudham 2004). Autor:innen aus verschiedenen Disziplinen haben die These aufgestellt, dass die neoliberale Umweltpolitik ein Versuch sei, diese Krisen zu lösen − und dass die Form dieser Lösung bereits in der Form der Problematisierung angelegt sei. Brand und Görg (2002) sehen dabei die Durchsetzung eines »hegemonialen Diskurses« als entscheidend an. Zum einen sei die ökologische Krise als Krise einer globalen Natur konstruiert worden, ihre verschiedenen Ausprägungen als »globale Menschheitsprobleme« (35), wobei unterschlagen werde, dass es auch um Verteilungsfragen gehe (vgl. auch Peet et al. 2011b; McCarthy und Prudham 2004). Zum anderen werde sie als ökologische Krise konzeptualisiert, die nicht nach einer gesellschaftlichen, sondern einer technischen Lösung verlange. Diese Form der Problematisierung,
59
60
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
habe es ermöglicht, Lösungen anzubieten, ohne die »imperiale Lebensweise« des Globalen Nordens in Frage stellen zu müssen (Brand und Wissen 2017).53 Als Rahmen für diese ›Lösung‹ diente ab den 1990er Jahren das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung (sustainable development). Der Begriff wurde erstmals im Brundtland-Bericht verwendet, den 1987 die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung unter Vorsitz der Politikerin Gro Harlem Brundtland erarbeitete. In den 1990er Jahren setzte er sich, ausgehend von der Weltumweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992, als Leitbild internationaler Umweltpolitik durch. Dargestellt wird das Konzept meist durch ein Dreieck oder drei sich überlappende Kreise: Sie symbolisieren die Annahme, dass sich das Ökologische, das Ökonomische und das Soziale in einem gemeinsamen Entwicklungskonzept vereinen lassen.54 Dieses neue Leitbild brach mit der grundsätzlichen Kritik der ökologischen Bewegungen an den gesellschaftlichen Verhältnissen, und mit der Annahme, dass eine ökologischere Gesellschaft nicht mit einer kapitalistischen Wirtschaftsweise vereinbar sei. Stattdessen sollten nun die Ziele Wachstum und Umweltschutz gleichermaßen verfolgt werden. Das »global environmental regime«, das auf diesen Grundsätzen ab den 1990er Jahren aufgebaut wurde, diente, wie Autor:innen wie Peet et al. (2011a) argumentieren, in mehrfacher Hinsicht als Mittel der Krisenbearbeitung. Es löste diskursiv den Widerspruch zwischen endlosem Wachstum und endlichen Ressourcen auf und entschäfte damit auch die politische Bedrohung, die den westlichen Demokratien durch die Umweltbewegungen entstanden war, indem es Teile dieser einbinden konnte (McCarthy und Prudham 2004; Goldman 2005). Zugleich wurden mit den neuen umweltpolitischen Instrumenten bereits bestehende, häufig auf Ordnungsrecht basierende Formen der Umweltregulierung aufgebrochen, »remnants of ›managed‹ or ›organized capitalism‹« (Peet et al. 2011a, S. 7) und durch Marktmechanismen ersetzt: »Global environmental governance […] became increasingly guided by an imperative less to organize and directly manage capitalism to persue sustainibility than to enable private sector actors to persue their economic interests in ways which simultaneously promote sustainability.« (Paterson 2008, S. 107, zit.n. Peet et al. 2011a, S. 7)
53
54
Verschiedene Autor:innen haben gezeigt, wie dieses Framing andere Zugänge zu Umweltproblemen marginalisiert hat, etwa die Frage, wie Folgen des Klimawandels sozial und geographisch verteilt werden (vgl. etwa Adger et al. 2009; Toulmin 2009). Der Begriff der Nachhaltigkeit, seine Geschichte und Verwendung sind im deutschsprachigen Raum intensiv analysiert worden, vgl. etwa Schachtschneider 2005; Jänicke et al. 1999, für eine kritische Perspektive Eblinghaus und Stickler 1998, Brand und Görg 2002.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Die Umweltpolitik verschob sich von der Regulierung oder Einschränkung bestimmter wirtschaftlicher Aktivitäten zum Aufbau und zur Förderung neuer Praktiken, was sich besonders deutlich in der Klimapolitik zeigte: »Virtually all of the climate change policy debate is then about the process (the means, the methods and techniques) of commodifying nature, and creating markets in those parts of climate outputs (for example carbon) that can trade our way out of catastrophe.« (Peet et al. 2011a, S. 8).
Der affektive Wert von Natur Die Neoliberalisierung von Natur basiert jedoch nicht allein auf der Ausweitung der Ökonomisierung und der Einführung neuer Formen der Regulierung. Sie ist verbunden mit bestimmten Diskursen, Bildern und Narrativen, sie impliziert bestimmte Formen der Repräsentation. »Such new forms of green commodity have their value constructed and sustained through popular imagery and representations«, schreiben Fairhead et al. (2012, S. 246) unter Bezug auf Igoe et al. (2010) und Brockington (2009). »Nature is thus commodified at least partly through a virtual spectacle, in self-referential cycles that circulate through the global consumer economy.« (Ebd.) Auch Arsel und Büscher sprechen von Natur als einer »Marke« (2012, S. 60), verstehen dies aber in einem anderen Sinn: Für sie ist der »Tod der Natur« − »the reduction of nature to an inanimate, technocratically manipulable object« − die Voraussetzung, Natur zu ökonomisieren. Die Natur muss ihnen zufolge zur bloßen Ressource degradiert, ihrer lebendigen, (re)produktiven Kapazitäten entledigt werden, damit sie als verkäufliches Produkt neu geschaffen werden kann. Der hier implizite Prozess des disembedding, des Herauslösens der Naturen aus ihren bisherigen Zusammenhängen, ist schon bei Polanyi (2010 [1944]) als zentral für Kommodifizierungsprozesse beschrieben worden. Brockington et al. (2010) bezeichnen das Ergebnis als »green box of consumptive nature«, als bunten Warenkorb von Naturen: »animals, landscapes and ecosystem processes appear, as if by magic, divorced from the historical ecological processes that gave rise to them. » (Brockington et al. 2010, S. 189). Diese Marke Natur ist zwar ein spezifisch neoliberales Produkt, knüpft jedoch an Naturvorstellungen an, die in der Romantik wurzeln und, insbesondere im amerikanischen Raum, als Konzept der »wilderness« häufig auch religiös aufgeladen sind (Cronon 1995; Stoll 2015). Peet et al. (2011a, S. 14) sprechen auch von der »deification of Nature« als Reaktion auf die kapitalistische Entfremdung. Das Lösen der natürlichen Entitäten aus ihren bisherigen Zusammenhängen, um sie in neue einzubetten und damit handel- und vergleichbar zu machen, spielt auch in den marketization studies eine Rolle, die jedoch andere Begrifflichkeiten verwenden und aus einer teils anderen theoretischen Ausgangssituation argumen-
61
62
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
tieren (vgl. Kap. 2.3). Auch entspricht die oben dargestellte These von Arsel und Büscher (2012), die Natur werde im Rahmen der neoliberalen Kommodifizierung auf tote Materie reduziert, eher der Argumentationslinie der (frühen) Kritischen Theorie, die die »Naturbeherrschung« und die Reduktion der Natur auf ein Objekt in der Moderne kritisiert (vgl. Görg 1999). Smith (2010 [1984]) hat an eben diesen Ansätzen kritisiert, dass sie den modernen Natur-Kultur-Dualismus, obwohl sie ihn kritisieren, weithin unangetastet lassen und die Gemachtheit aller Natur außer Acht lassen. Darüber hinaus lässt diese These weithin offen, worin genau die Spezifik der neoliberalen Natur besteht und was sie von Naturverhältnissen und -produktionen im Kapitalismus oder der kapitalistischen Moderne unterscheidet. Hingegen verweisen Autor:innen wie Smith (2006) auf eine ganz andere Tendenz im Neoliberalismus: Natur wird zur Ware, aber das, was sie wertvoll macht, ist gerade, dass sie nicht tote Materie ist. In den Vordergrund rückt zum einen die Reproduktionsfähigkeit von Natur und natürlichen System, die Fähigkeit zu leben, zu atmen, zu reparieren, und zum anderen der affektive Wert der Natur als etwas Ursprünglichem, Authentischem, das besonderes Erleben und affektive Bindung verspricht − Aspekte, denen im Neoliberalismus, wie beschrieben, ein hoher Wert zukommt.55
Grüne Gouvernementalitäten Ab Mitte der 1990er Jahre haben Geograph:innen und Vertreter:innen anderer Disziplinen begonnen, Foucaults Konzept der Gouvernementalität auch auf den Bereich Umwelt und den Umgang mit der nicht-menschlichen Natur anzuwenden (Luke 1995; Agrawal 2005a; Rutherford 2007; Rutherford und Rutherford 2013; Braun 2000; Demeritt 2001); in diesem Zusammenhang wurden Begriffe wie environmentality oder green governmentality geprägt.56 Dabei handelt es sich weniger um eine breite Strömung als vielmehr um einzelne Autor:innen, wie auch Castree (2008a) feststellt: »Though many critical accounts of neoliberalism have employed a ›governmentality‹ approach indebted to Michel Foucault, the above-named analysts prefer to interrogate nature’s neoliberalisation in another way. Indeed, few if any geographers currently employ a governmentality approach to analyse nature’s neoliberalisation.« (Castree 2008b, S. 132).
55
56
Die Bedeutung von Affekten und deren Zusammenhang mit der Neoliberalisierung von Natur war in den letzten Jahren vermehrt Gegenstand von Studien. So erkundet Nast (2006) die Ökonomisierung der affektiven Mensch-Tier-Beziehungen, Barua (2017) beschreibt die Inwertsetzung von Löwen als »lively commodities« im Ökotourismus als »spectacular accumulation«. Für Übersichten über diese Literatur vgl. Rutherford 2007; Fletcher 2017 und Oels 2005.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Aber auch jenseits des kleinen Kreise von Wissenschaftler:innen, die explizit zu grünen Gouvernementalitäten arbeiten, spielt die Beschäftigung mit neuen Formen des Regierens in der Political Ecology eine Rolle: Peet et al. (2011) (2011a, S. 11) stellen in ihrer Analyse des aktuellen Umweltregimes fest, dieses repräsentiere »a very particular sort of global order, and a particular sort of environmental rule or governmentality«, das neue Subjektivitäten und Praktiken hervorbringe (Peet et al. 2011a, S. 11, Hervorh. im Orig.). Diese diagnostizierte Öko-Gouvernementalität beziehen die Autor:innen zum einen auf bestimmte, für den Neoliberalismus typische Regierungstechniken, zum anderen auf bestimmte Selbsttechniken. In ersten Fall wird darunter eine Analyse der neuen Formen von Regierung oder Governance verstanden, die, wie oben dargestellt, nicht mehr zentral vom Staat ausgehen, sondern als »governance-beyond-the-state« (Swyngedouw 2005) dispers ausgeübt werden. Solche Praktiken und Techniken der Regierung dominierten ab den 1990er Jahren die Umweltpolitik, wie Cavanagh (2017) schreibt: »Importantly, moreover, the governance of these interventions increasingly necessitates second-order practices and economies of ›green‹ auditing, evaluation, accounting, and certification – involving government agencies, multilateral organizations, consulting firms, and NGOs – and thus facilitating forms of technocratic environmental governance that potentially alienate or marginalize non-expert stakeholders« (Cavanagh 2017, S. 202). Der zweite Fall liegt näher am Gouvernementalitätsansatz von Foucault, indem er fragt, welche Subjektivitäten das neue »environmental regime« hervorbringt. So hat Robbins (2007, vgl. auch Robbins 2011) untersucht, wie unter anderem die Idee, ein ›guter Bürger‹ habe einen ordentlichen Rasen, zum Gebrauch umweltschädlicher Dünger und Pestizide beiträgt. Agrawal (2005b) hat aus langjährigen Studien in Indien geschlossen, dass Einstellungen und bestimmte ›verantwortungsvolle‹ Verhaltensmuster gegenüber der nicht-menschlichen Umwelt, die von den im Wald lebenden Gemeinschaften zunächst als externe Normen abgelehnt und bekämpft wurden, mit der Zeit übernommen und internalisiert wurden. Daraus seien neue Rollen entstanden als »environmental subjects − people who care about the environment« (Agrawal 2005b, S. 162). Goldman (2004) kommt bei der Untersuchung eines ›grünen‹ Weltbank-Projekts in Laos zum Schluss, dieses habe die Gemeinschaften innerhalb des betroffenen Waldes vor Ort und global sichtbar gemacht und zugleich auf neue Umwelt-Normen und Verantwortlichkeiten verpflichtet; sie seien nun »accountable to the global community« (Goldman 2004, S. 184). So gaben Kleinbäuer:innen, die zuvor Brandrodungsfeldbau betrieben hatten, ihre Lebens-
63
64
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
weise auf, da sie als »ökologischer Outlaw« gebrandmarkt wurden (ebd).57 Diese Herstellung öko-rationaler Subjekte betrifft nicht nur dem Umgang mit der der nicht-menschlichen Umwelt, sondern, wie Guthman (2007) am Beispiel von BioLebensmitteln zeigt, auch die ›Selbstsorge‹ und die Körper der Subjekte selbst. Sie zielt nicht nur auf die individuelle Ebene, sondern richtet sich, gerade im Globalen Süden, häufig auf Gemeinschaften als kollektive Subjekte, wobei der Ausgangspunkt der Regierungspraktiken unterschiedlich sein kann: »Communities are imaged either as environmentally destructive, backward and disordered, needing reconstruction to conform with modernist visions of ›sustainable development‹ (Adams 2004), or naturalized and romanticized as ›green primitives‹, part of increasingly globalized media spectacles (Igoe et al. 2010). […] Yet fundamental transformations of discourse are also evident. Now, everyone can be a ›green custodian‹ – if disciplined in the way that new green markets define (Leach et al. 2012).« (Fairhead et al. 2012, S. 251)58 Ein drittes Feld, indem Foucaults Ansatz Anwendung findet, ist die Rolle von Wissen. Wissen − insbesondere Expertenwissen − spielt in den neuen Umweltpolitiken eine zentrale Rolle: »Knowledge has emerged as a salient theme in projects of environmental governance« (Jasanoff und Martello 2004, S. 336). Auch Peet et al. (2011a, S. 10) sehen die »centrality of expert knowledge« als zentralen Aspekt »in giving shape to the definition of problems and solutions, and of the indisputable significance of transnational scientific mobilization coupled to a historically new raft of actors, norms, conventions and treaties«. Verschiedene Studien haben die Rolle von Wissen, die neuen Macht-Wissen-Komplexe und deren Verbindung zum ersten Punkt − den neuen Formen der Umwelt-Governance − untersucht (Goldman 2004; Forsyth 2019; Goldman et al. 2011; Li 2007; Tsing 2005). Darunter fällt auch die Frage, welche Arten von Wissen einbezogen und welche ausgeschlossen werden und wie dieses Wissen hergestellt wird − Fragen, die in Kap. 4 anhand des Fallbeispiels behandelt werden.
Die Beziehung von Neoliberalismus und Natur In den letzten Abschnitten bin ich der Frage nachgegangen, wie ›neoliberale Natur‹ in der Literatur und in den zahlreich durchgeführten Fallstudien definiert und be57
58
Vgl. ähnlich Peluso und Lund (2011), die anmerken, dass die Anerkennung oder Übertragung von Besitzrechten in diesem Prozess eine widersprüchliche Rolle spielt. Besitzrechte scheinen zunächst Sicherheit zu bieten, zugleich führen sie zu neuer Verantwortlichkeit und machen ein bestimmtes ökonomisches Verhalten notwendig, da sie bedeuten, dass der Besitzer dieses Eigentum auch verlieren (oder verkaufen) kann. Fairhead et al. (2012) fügen dem hinzu, dass diese neuen Identitäten, wie Li (2007) oder Tsing (2005) zeigen, auch ein Ansatzpunkt für Widerstand gegen bestimmte Herrschaftspraktiken sein können.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
handelt wird. Neoliberale Natur kann demnach auf vier Arten verstanden werden: als eine kommodifizierte Natur, eine Natur als Ware, die ›ganz‹ (»all the way down«) oder zumindest in einem größeren Umfang als zuvor in den kapitalistischen Produktionsprozess einbezogen ist und dabei in neuer Form hergestellt wird; als eine Natur, die über Marktprozesse verwaltet und gestaltet wird; als Marke, die über eine bestimmte Ästhetik definiert ist, in der sich eine spezifische Auffassung von Natürlichkeit mit romantischen Natur- und Wildnisvorstellungen verbindet, und der im Rahmen neoliberal-postmoderner Authentizitätsdiskurse ein hoher Wert zukommt; schließlich als Natur, die hervorgebracht wird von und in Beziehung steht mit spezifischen Subjektivitäten, die im Sinne einer ›grünen Gouvernementalität‹ auf eine bestimmte, »öko-rationale« Art und Weise mit ihr umgehen und sie formen. Die Beispiele, die in diesem Kapitel zusammengefasst wurden, legen nahe, dass der Neoliberalismus in seinen verschiedenen Ausprägungen spezifische Naturen hervorbringt, die bestimmte Eigenschaften teilen. Der Versuch, die Konturen dieser neoliberalen Natur zu umreißen, beantwortet jedoch nicht den zweiten Teil der eingangs gestellten Frage: Handelt es sich dabei nur um eine Ausweitung grundsätzlich neoliberaler Prinzipien und Rationalitäten (auch) auf den Bereich der Natur − oder ist der Neoliberalismus notwendigerweise ein »environmental project«, wie McCarthy und Prudham (2004, S. 277) und Castree (2008b, S. 143) behaupten? Dass der Neoliberalismus eine spezielle Beziehung sowohl zur nicht-menschlichen Umwelt als auch zur menschlichen Natur habe, ist eine These, die viele Autor:innen, die hierzu forschen, implizit vertreten. Sie wird jedoch nur in wenigen Fällen explizit ausgeführt, und nur in Einzelfällen wird der Frage nachgegangen, warum dies so ist und welche Form diese Beziehung annimmt oder annehmen kann. Die wenigen Versuche, das Verhältnis von Neoliberalismus und Natur zu theoretisieren, ergeben kein einheitliches Bild. So argumentieren Heynen et al. (2007a, S. 3) »that environmental change and environmental politics are in substantial measure constitutive of the brief history of neoliberalism in important and yet largely overlooked ways«; sie betrachten die Beziehung zwischen »neoliberal reform, on one hand, and environmental politics, governance, and change, on the other, as more than coincident.« (Ebd.) Sie begründen diese spezifische Beziehung dann jedoch allein mit dem allgemeinen neoliberalen Imperativ der Ökonomisierung neuer Bereiche der menschlichen und nicht-menschlichen Lebenswelt, was die Beziehung zu eben dieser verändere: »we suggest that they are inherent in the consistent imperative that runs through the history of neoliberalization: to expand opportunities for capital investment and accumulation by reworking state–market–civil society relations to allow for the stretching and deepening of commodity production, circulation and exchange. When this is combined with a stress on individual rights and freedoms,
65
66
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
especially private property rights, there is a necessary re-working of the way human society and non-human systems and beings relate.« (Heynen et al. 2007a, S. 10) Diese Argumentation beschränkt sich weithin auf die ökonomischen Aspekte neoliberaler Natur, die zu Beginn dieses Abschnitts beschrieben worden sind. Sie machen es jedoch schwierig abzugrenzen, was einen spezifisch neoliberalen Naturzugang von einem kapitalistischen im Allgemeinen unterscheidet. Auch bei McCarthy und Prudham (2004) bleibt diese Unterscheidung weitgehend offen: Sie definieren Neoliberalismus, ähnlich wie Hall (2011) im Wesentlichen als Fortsetzung des oder als Rückkehr zum klassischen Liberalismus, was eine klare Unterscheidung zwischen kapitalistischen (oder liberalen) und neoliberalen Formen des Naturzugangs erschwert. Als spezifisch für den Neoliberalismus betrachten sie vor allem die stärkere kapitalistische Durchdringung der Natur und eine erneute Intensivierung der Naturausbeutung und -zerstörung, nachdem diese in Zeiten des Fordismus durch staatliche Umweltschutzmaßnahmen vorübergehend eingeschränkt gewesen sei.59 Zugleich hätten die »incorporations of ›environmentalism‹ into the heart of neoliberalism’s central institutions« die Verankerung neoliberaler Programme erleichtert, indem sie an die Forderungen nach Umweltschutz anknüpfte (McCarthy und Prudham 2004, S. 279). Diese These fokussiert stärker auf die Interessen und »class alliances«, die sich den Autoren zufolge bei Neoliberalismus und den Bewegungen für Umweltschutz überschneiden. Sie steht jedoch zum einen in Widerspruch zu den Ergebnissen vieler Studien, die zeigen, dass Umweltdiskurse nicht nur ein ›Feigenblatt‹ für fortgesetzte kapitalistische Ausbeutung sind, und darauf verweisen, dass sich Politiken und Praktiken im Umgang mit Natur im Neoliberalismus tatsächlich verändern. Zum anderen gehen McCarthy und Prudham nicht auf die Ausbildung einer neuen green economy ein, die in der Literatur zumeist als zentral und bezeichnend für neoliberal natures betrachtet wird. Auch Castree (2008b) betrachtet Neoliberalismus als »necessarily an environmental project: that is, a project (whatever its other dimensions) that has the non59
So sehen sie einen konsequenteren Umweltschutz als »one of the major achievements of the Keynesian state arising in the wake of classical liberalism, and the proliferation of environmental laws, regulations, constituencies, and norms in advanced capitalist countries, particularly in the postwar period, came to represent a substantial and growing constraint on capitalist accumulation strategies––ripe for neoliberal attacks. In fact, we contend that assaults on Keynesian-era environmental regulation have been as central to neoliberalism as assaults on labor and social entitlement programs that have received far more critical attention.« (McCarthy und Prudham 2004, S. 278). Angesichts der Tatsache, dass die Zeit des Keynesianismus in den Industriestaaten die Grundlage für eine Lebensweise mit hohem Energieverbrauch und die industrielle Landwirtschaft legte, ist es fraglich, inwieweit sich diese These bei der Betrachtung von ökologischen Problem wie Klimawandel oder Verlust der Biodiversität halten lässt.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
human world as a key part of its rationale« (Castree 2008b, S. 143, Hervorh. im Orig.). Er macht im Neoliberalismus vier fixes aus, vier Strategien, mit denen Akteure sich auf die biophysikalische Natur beziehen und Probleme bezüglich dieser ›lösen‹: erstens die Überwindung des Widerspruchs zwischen Ökonomie und Ökologie durch die Einbeziehung ökologischer Aspekte in das wirtschaftliche Handeln; zweitens die Ausweitung der kapitalistischen Ausbeutung der Natur; drittens die aktive Ausbeutung bisher geschützter oder verbotener nicht-menschlicher Phänomene; schließlich viertens die Übertragung der Verantwortung für den Umgang mit oder den Schutz von natürlichen Ressourcen auf private, kollektive oder individuelle Akteure. Durch dieses Auffächern verschiedener neoliberaler Strategien gelingt es Castree, die große Breite an Phänomenen der neoliberalen Natur zu fassen, jedoch auf Kosten der Besonderheit des Neoliberalen. Eine klare Unterscheidung in »formal« and »real subsumption« der Natur, wie sie etwa Smith (2006) vornimmt, unterlässt er. Als Kriterium dient ihm im Fall des zweiten fix allein die kapitalistische Ausbeutung der Natur, weniger die Form, die diese annimmt: »the nonhuman world simply becomes a means to the end of capital accumulation – period« (Castree 2008b, S. 147). Auch hier zeigt sich die Schwierigkeit, neoliberale von kapitalistischen Naturproduktionen abzugrenzen, wenn als Material Fallstudien vorliegen, die einerseits − im Hinblick auf ihre historischen Bezüge, ihre Lokalitäten und Materialitäten − zu verschieden, andererseits − im Hinblick auf den Zeitraum, den sie umfassen − zu ähnlich sind, um Vergleiche zu erlauben. Während es sich bei Castree um Einzelstrategien handelt, die neben- oder gegeneinander laufen können, bietet die Öko-Gouvernementalität, wie sie im letzten Abschnitt beschrieben wurde, einen umfassenderen, damit aber auch weniger spezifischen Ansatz. Indem er Strukturen, Machtbeziehungen und Tendenzen ausmacht und ›sortiert‹, zielt er auf die Rationalitäten, die solchen fixes zugrunde liegen. Foucault selbst hatte 1979 angekündigt, sich im Rahmen der Vorlesungen zur »Geschichte der Gouvernementalität« mit dem Verhältnis von Biopolitik und Liberalismus beschäftigen zu wollen (Foucault 2006a, S. 43, 116); in den Skripten zur Vorlesung spricht er von einer speziellen »Natürlichkeit« (Foucault 2006a, S. 42), die sich in Zusammenhang mit dem Liberalismus entwickelt habe. Die Analyse der Beziehung zwischen beiden führte er jedoch nie aus.60 Einzelne Aspekte dieses Verhältnisses wurden von Autor:innen im Anschluss an Foucault erkundet, so etwa der Bereich der neoliberalen Arbeitswelt, wo sich diesen Studien zufolge mit dem Humankapital ein neues Konzept der ökonomischen Führung der Individuen ausgebildet habe (vgl. etwa Bröckling et al. 2000; Boltanski und Chiapello 2006). Dabei wird die Beziehung der Gouvernementalität zur menschlichen Natur
60
Lemke (2008, S. 82) weist darauf hin, dass Foucault dies auch selbstkritisch einräumt (Foucault 2006a, S. 260).
67
68
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
betrachtet, die sich im Neoliberalismus ausbildet − Foucaults Begriff der Biopolitik bezieht sich im Allgemeinen auf die Regierung menschlicher Populationen. Dies gilt auch im Bereich der grünen Gouvernementalitäten: Die Studien hierzu beschäftigen sich mit menschlichen Akteuren und deren Handeln; eco-governmentality oder environmentality beziehen sich auf eine Regierung der Individuen oder Gemeinschaften mit dem Ziel, neue (menschliche) Subjektivitäten zu schaffen, die auf nicht-menschliche Akteure auf eine bestimmte Art und Weise einwirken. Ich werde im dritten Teil dieses Kapitels hieran anschließen und fragen, wie sich Gouvernementalitäten denken lassen, die über die menschliche Natur hinausreichen . Wie werden Dinge, wie werden Naturen regiert, und welche Veränderungen lassen sich in dieser Regierung der Dinge im Neoliberalismus ausmachen? Zunächst aber möchte ich mich dem zweiten Bestandteil der neoliberalen Natur zuwenden: der Natur.
2.3
Naturen. Materialismen und Märkte
›Natur‹ ist alles andere als einfach zu fassen. Die Komplexität des Begriffes, seine wechselhafte Geschichte und seine Bedeutung für die Moderne sind in der Geographie − und insbesondere in der Political Ecology − wiederholt ein Thema gewesen; sie spielen auch in dieser Arbeit eine Rolle. Im Folgenden beschränke ich mich auf die Darstellung der jüngeren Kontroversen um Natur, mit einem Fokus auf der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT), einer Denkschule, die in den 1980er Jahren aus wissenschaftssoziologischen Untersuchungen entstand und die einen starken Einfluss auf die Weiterentwicklung der Political Ecology hatte. Ich skizziere zunächst den material turn in den Sozialwissenschaften und stelle kurz die wichtigsten Punkte der Akteur-Netzwerk-Theorie dar. Ich zeige anschließend, wie die marketization studies die Ansätze der Science and Technology Studies (STS) und der ANT auf ökonomische Einheiten angewandt und weiterentwickelt haben und wie diese in den geographies of marketization genutzt wurden, um zu untersuchen, wie Märkte geschaffen und aufrechterhalten werden. Schließlich wende ich mich der Frage zu, wie diese Ansätze in der Political Ecology aufgenommen wurden und welche Probleme sich daraus ergeben.
Das Aufkommen eines neuen Materialismus In den letzten Jahren hat in den Geistes- und Sozialwissenschaften (erneut) ein Wandel eingesetzt: Dominierten ab den 1990er Jahren poststrukturalistische Ansätze und deren Für und Wider die Debatten, lässt sich aktuell eine Rückkehr zu Fragen der ›Materialität‹ beobachten. Mit dem Materialismus einer marxistischen Tradition, die im Humanismus verankert war, hat dies wenig zu tun. Der neue
68
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
betrachtet, die sich im Neoliberalismus ausbildet − Foucaults Begriff der Biopolitik bezieht sich im Allgemeinen auf die Regierung menschlicher Populationen. Dies gilt auch im Bereich der grünen Gouvernementalitäten: Die Studien hierzu beschäftigen sich mit menschlichen Akteuren und deren Handeln; eco-governmentality oder environmentality beziehen sich auf eine Regierung der Individuen oder Gemeinschaften mit dem Ziel, neue (menschliche) Subjektivitäten zu schaffen, die auf nicht-menschliche Akteure auf eine bestimmte Art und Weise einwirken. Ich werde im dritten Teil dieses Kapitels hieran anschließen und fragen, wie sich Gouvernementalitäten denken lassen, die über die menschliche Natur hinausreichen . Wie werden Dinge, wie werden Naturen regiert, und welche Veränderungen lassen sich in dieser Regierung der Dinge im Neoliberalismus ausmachen? Zunächst aber möchte ich mich dem zweiten Bestandteil der neoliberalen Natur zuwenden: der Natur.
2.3
Naturen. Materialismen und Märkte
›Natur‹ ist alles andere als einfach zu fassen. Die Komplexität des Begriffes, seine wechselhafte Geschichte und seine Bedeutung für die Moderne sind in der Geographie − und insbesondere in der Political Ecology − wiederholt ein Thema gewesen; sie spielen auch in dieser Arbeit eine Rolle. Im Folgenden beschränke ich mich auf die Darstellung der jüngeren Kontroversen um Natur, mit einem Fokus auf der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT), einer Denkschule, die in den 1980er Jahren aus wissenschaftssoziologischen Untersuchungen entstand und die einen starken Einfluss auf die Weiterentwicklung der Political Ecology hatte. Ich skizziere zunächst den material turn in den Sozialwissenschaften und stelle kurz die wichtigsten Punkte der Akteur-Netzwerk-Theorie dar. Ich zeige anschließend, wie die marketization studies die Ansätze der Science and Technology Studies (STS) und der ANT auf ökonomische Einheiten angewandt und weiterentwickelt haben und wie diese in den geographies of marketization genutzt wurden, um zu untersuchen, wie Märkte geschaffen und aufrechterhalten werden. Schließlich wende ich mich der Frage zu, wie diese Ansätze in der Political Ecology aufgenommen wurden und welche Probleme sich daraus ergeben.
Das Aufkommen eines neuen Materialismus In den letzten Jahren hat in den Geistes- und Sozialwissenschaften (erneut) ein Wandel eingesetzt: Dominierten ab den 1990er Jahren poststrukturalistische Ansätze und deren Für und Wider die Debatten, lässt sich aktuell eine Rückkehr zu Fragen der ›Materialität‹ beobachten. Mit dem Materialismus einer marxistischen Tradition, die im Humanismus verankert war, hat dies wenig zu tun. Der neue
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Materialismus zielt im Gegenteil tendenziell auf eine Auflösung humanistischer Konzeptionen; Ziel ist es, das dualistische Naturverhältnis der Moderne aufzubrechen, es zu »untergraben« (Latour) und den Anthropozentrismus der Wissenschaft (und der Gesellschaft) zu überwinden. Die Wissenschaftssoziologie, die heute einen Bereich des heterogenen und transdisziplinären Forschungsfeldes der Sciences und Technology Studies (STS) bildet,61 untersuchte ab den 1980er Jahren ethnographisch, wie ›neutrale‹ wissenschaftliche Erkenntnisse im wissenschaftlichen Prozess hergestellt werden. Ziel war ursprünglich zu zeigen, wie soziale Faktoren in die Herstellung von wissenschaftlichen Ergebnissen hineinwirken (Callon et al. 1986; Knorr-Cetina 2002). Diese »Laborstudien« waren der Ursprung der Akteur-Netzwerk-Theorie, die den STS ein theoretisches Grundgerüst lieferte; als wichtige Vertreter:innen gelten Latour (1987, 1988, 2001), Callon (1998b, 2009), Law (1991, 2007) und Akrich (1987; Akrich et al. 2006). Die STS wurden in verschiedenen Disziplinen aufgenommen, die ihre spezifischen Perspektiven eingebracht und sie weiterentwickelt haben. Wichtige Impulse lieferten Arbeiten der feministischen Technik- und Wissenschaftsforschung, insbesondere von Haraway (1991a, 1991b, 2003, 2008) und Barad (2007), die eine wichtige Rolle für jüngere Arbeiten des New Materialism spielen, einem heterogenes Forschungsfeld, das sich mit den ontologischen Grundlagen von Materialität befasst (Coole und Frost 2010; Dolphijn und van der Tuin 2012). Konzentrierten sich die Analysen und Vorschläge zunächst auf den wissenschaftlichen Prozess, so wandte ihn insbesondere Latour auch im Sinne einer umfassenden Kritik gesellschaftlicher Prozesse an. Latour (2001, 2017a, 2017b) versteht die ANT und seine daraus entwickelte Politische Ökologie als politisches Projekt, als »Antwort auf die Krise der Moderne« (Bauer et al. 2017, S. 23). Callon (1998b) übertrug die Konzepte der STS auf die Untersuchung ökonomischer Theorien und deren praktische Umsetzung auf (Finanz-)Märkten. Law entwickelte die ANT als »ANT and after« mit einem Fokus auf der Rolle von Praktiken und Performativität weiter (Law und Hassard 1999). Dieser Ansatz fand insbesondere Verbreitung in Form der »ontologischen Politik« Mols (2002), die medizinische Praktiken untersuchte und dabei die multiplen Realitäten herausarbeitete, die sich aus diesen ergeben. Aus den frühen Strömungen der STS, der ANT und der feministischen Technikforschung hat sich das breite Feld der »neuen Materialismen« entwickelt, die lose zusammengehalten werden vom gemeinsamen Interesse an der Rolle nicht-
61
Die Abkürzung STS wird unterschiedlich übersetzt, neben Science und Technology Studies kann sie auch für Science, Technology, Society stehen. Weitgehend synonym werden auch die Bezeichnungen Science Studies oder Social Studies of Science and Technology verwendet. Für eine Einführung in die Geschichte und Entwicklung der STS und der neuen Materialismen vgl. etwa Bauer et al. 2017, für die Forschung zu »NaturenKulturen« Gesing et al. 2019.
69
70
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
menschlicher Akteure und einer Konzeption von Materie jenseits eines passiven Objektes menschlicher Handlungen.62 Ich stelle im Folgenden kurz die zentralen Punkte des posthumanen Ansatzes vor, wie ihn die ANT vertritt.63 Ich konzentriere mich dabei auf die ANT und die Theorieansätze, die sich aus ihr entwickelt haben, da diese in der Political Ecology den größten Einfluss haben und auch die marketization studies prägen, die weiter unten in diesem Kapitel eingeführt werden. Ökologische Krise und Ende der Natur Im Falle Latours ist der Ausgangspunkt für die Forderungen nach einer neuen »Sichtweise« auf die Welt die ökologische Krise − die er nicht als eine Krise der Natur sieht, sondern als »Krise der Objektivität« (Latour 2001, S. 34) − und das Unvermögen westlicher Gesellschaften, diese adäquat zu fassen. Ökologische Probleme, so die These, können nicht bearbeitet werden, da die moderne Trennung zwischen Mensch und Natur dies verhindere. Diese Diagnose ist nicht neu, sondern knüpft an mehrere Jahrzehnte kritischer Thematisierungen der Dichotomie Natur-Kultur an: Etwa Horkheimer und Adornos klassische Kritik an der »Naturbeherrschung« (Horkheimer und Adorno 2006 [1944]), mit der sie im Anschluss an die Erfahrung des Nationalsozialismus den Fortschrittsglauben der Moderne in Frage stellten; die Arbeiten Görgs (1999) zu »gesellschaftlichen Naturverhältnissen«, die daran anknüpfen, oder Arbeiten aus der feministischen Umweltforschung der 1970er und 1980er Jahren (Merchant 1994). Diese Ansätze fassen, häufig geprägt von marxistischen Theorien, Natur meist dialektisch, und wollen die Spaltung von Mensch und Natur und die damit verbundene Hierarchisierung durch eine höhere Form der Synthese überwinden, oder, im Fall differenzfeministischer Theorien, umkehren. Eine solche Herangehensweise lehnt die ANT ab: Ihr Ziel ist es, die epistemologische Aufteilung in zwei Sphären zu »suspendieren«, die »Dichotomien gleichsam wie ein Maulwurf zu untergraben« (Latour 2001, S. 11). Die ANT grenzt sich zugleich aber auch von sozialkonstruktivistischen Theorien ab, die, wie Latour kritisiert, die physischen Realitäten ignorieren und damit den
62
63
Ich verwende den Sammelbegriff neue Materialismen im Folgenden, um die verschiedenen Strömungen zu bezeichnen, die posthumane Ansätze vertreten, dies schließt die verschiedenen Strömungen der STS ebenso ein wie den Neuen Materialismus Barads, die feministische Technikforschung oder die im Englischen häufig verwendeten Bezeichnungen assemblage theory oder assemblage thought. Ich beziehe mich hier hier vor allem auf ›klassische‹ Texte der ANT. Auch wenn zentrale Figuren der ANT diese rhetorisch immer wieder »zurückgerufen« (Latour 2006) oder sie zu »ANT und after« (Law und Hassard 1999) weiterentwickelt haben, spielen diese nach wie vor eine entscheidende Rolle, da in ihnen die Grundgedanken der ANT am prägnantesten ausgearbeitet sind; sie dienen weiterhin als Grundlage für die Aufnahme der STS-Ansätze in andere Disziplinen.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Naturwissenschaftler:innen überlassen. Die Vertreter:innen der ANT gehen von einer Realität jenseits diskursiver Gebilde aus, einer Realität, die nicht nur erfassbar ist, sondern sich selbst ›meldet‹ − in Form von Krisen, wenn die ontologischen Konzepte nicht mehr zu den Objekten passen, die sie greifbar machen sollen. Dennoch − oder gerade deshalb − fordert die ANT, den Naturbegriff aufzugeben. Williams (1983, S. 219) hat Natur in seinen Keywords als »perhaps the most complicated word in the language« bezeichnet und drei Bedeutungen herausgearbeitet, die tief in der europäischen Geschichte wurzeln: Natur als externe Natur, als das Nicht-menschliche oder nicht von Menschen Gemachte; Natur als innere Natur, als die ›Natur einer Sache‹; schließlich universelle Natur, als das Allgemeine, die natürliche Ordnung oder Einheit.64 Die Einheit − und damit bereits ein ›göttliches‹ Element −, ist zentral für alle drei Bedeutungen, und sie drückt sich aus in der Verwendung des Singulars: »Die ganze Macht dieses Ausdrucks stammt daher, daß man ihn immer im Singular verwendet: die Natur.« (Latour 2001, 44f.) Diese Einheit aufzubrechen, der Gestaltung zu öffnen und durch eine Vielzahl an möglichen Naturen zu ersetzen ist das Ziel der ANT. Verbunden ist dieser Vorschlag mit einer Wissenschaftskritik, die gerade bei Latour häufig harsche, teils auch polemische Züge annimmt.65 Die Kritik bezieht sich dabei nicht auf einzelne Methoden oder Aspekte des wissenschaftlichen Verfahrens, sondern auf die wissenschaftliche Rationalität selbst: auf die »Anmaßung« der Wissenschaftler:innen, »Wahrheiten« zu verkünden, zu sagen, wie etwas sei, und dabei den komplexen und widersprüchlichen Prozess der Herstellung von Ergebnissen zu verschleiern. Dies gilt insbesondere für die Naturwissenschaften: Die »Weißkittel«, wie Latour Wissenschaftler:innen provokativ nennt, maßen sich an, für die Natur zu sprechen und damit einen »unmittelbaren« Zugang zu den Dingen − und in Folge deren Einbeziehung in politische Fragen − zu verhindern (Latour 2001, S. 58).66 Performativität, radikale Symmetrie und agencements Die Vorschläge für alternative Formen des Erkenntnisgewinns und der Konzeption von Realitäten sind weniger konkret als die Kritik an den bisher üblichen wissenschaftlichen Verfahren. Zum einen zielen sie auf einen veränderten Umgang mit wissenschaftlichen Ergebnissen: 64 65 66
Vgl. für einen Überblick zu Definitionen und Diskussionen um den westlichen Naturbegriff etwa Smith 2010 [1984]; Castree 2005b; Soper 1998; Görg 1999. Greif (2006, S. 65) weist hier auf die Parallele zu Derrida hin, wie dieser gehe die ANT davon aus, »dass die wissenschaftliche Rationalität die Mythologie der Moderne bildet«. Die Trennung, die Latour kritisiert, verläuft zwischen einer Welt des Verhandelbaren − dem Sozialen, der Politik − und einer Welt der ›Wahrheiten‹, die nicht hinterfragt werden dürfen. Der Wissenschaft kommt hier eine Schlüsselrolle zu, sie ist der Gatekeeper, der bisher verhindert, dass auch nicht-menschliche Wesen in den Bereich des Sozialen »wechseln« und dort aufgenommen werden können.
71
72
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Diese sollen nicht mehr im Sinne einer »Entdeckung«, als Ausdruck universeller Gesetze oder übergeordneter Wahrheiten verstanden werden. Stattdessen soll der Prozess, ihre Herstellung, Teil des Ergebnisses sein. Die materielle Welt wird performativ gedacht: Das, was Natur ist, existiert nicht vor seiner Erforschung, es wird immer erst durch die beteiligten Akteure hervorgebracht und aufrechterhalten. Die ANT fordert, sich dem Untersuchungsgegenstand unvoreingenommen und unbeeinflusst durch jede vorgefasste Kategorie zu nähern.67 Das bedeutet eine Ablehnung aller »großen Theorien«, die Ablehnung fester Ebenen und zugleich eine radikale Symmetrie: menschliche und nicht-menschliche Wesen sollen, was den Analyserahmen betrifft, gleichbehandelt werden. Die ANT verwendet daher Begriffe, die zuvor sozialen oder menschlichen Akteuren vorbehalten waren, auch für nicht-menschliche Akteure: Moleküle, Steine oder Tiere »handeln«, sie kooperieren oder leisten Widerstand. Autor:innen aus dem Feld der neuen Materialismen haben zahlreiche Begriffe kreiert, die die Auflösung der Natur-Kultur-Dichotomie auch sprachlich greif- und handhabbar machen sollen, etwa »Hybride« und »QuasiObjekte« (Latour), »cyborgs« (Haraway) oder »socio-natures« (Swyngedouw). Latour hat in diesem Zusammenhang den Begriff Aktant geprägt. Als relationale Konzeption von handelnden Einheiten gilt er für menschliche und nicht-menschliche Akteure gleichermaßen und in ihrer Verwobenheit, jedoch nur im Hinblick auf die Wirkung, die sie haben − die Einheiten oder ihre Kombinationen existieren nur deshalb als Aktanten, weil sie wirksam sind, als Widerstand oder »Kräfte« andere Akteure beeinflussen.68 Dies verweist bereits auf das Konzept, das der Akteur-Netzwerk-Theorie ihren Namen gibt: Die Analyse-Einheit sind heterogene Netzwerke − nicht Netzwerke ›fertiger‹ Einheiten, sondern Netzwerke, die die Aktanten, strikt relational gedacht, erst im und durch den Prozess der Verbindung hervorbringen.69 Law verwendet unter Bezugnahme auf Deleuze und Guattari den Begriff agencement, der − anders 67 68
69
Ein klassisches Beispiel für eine solche Untersuchung ist etwa Callons (2006a) Untersuchung der Kammmuscheln in der Bucht von St. Brieuc in der Normandie. Bei Latour – wie auch bei vielen Autor:innen, die sich auf ihn beziehen – ist Wirksamkeit vor allem in Bezug auf Widerstand gedacht: »Akteure definieren sich vor allem als Hindernisse, Skandale, als das, was die Unterdrückung stört, die Herrschaft aufhebt, was Schließung und Zusammensetzung des Kollektivs unterbricht. […] Menschliche und nicht-menschliche Akteure erscheinen zunächst als Störenfriede. Ihr Handeln lässt sich vor allem durch den Begriff der Widerständigkeit definieren.« (Latour 2001, S. 115) Auch Natur und Kultur sind dann keine vorgegebenen Kategorien, sondern Ergebnisse, wie Murdoch (1997, S. 753) deutlich macht: »Through the elaboration of this analytical framework, ANT is seeking to demonstrate that it is possible to account for the heterogeneous composition of the networks without recourse to Society on the one hand and the Nature on the other. Rather than utilising Nature and Society as explanatory resources ANT authors believe these two great domains have to be examined as outcomes […] Instead of being explained by either of these two ›pure‹ transcendences, the activities of nature-society making
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
als das im Englischen häufig verwendete assemblage − sich nicht nur auf eine »Ansammlung« von Dingen bezieht, sondern dem Wortstamm nach auf handeln (lat. agere oder frz. agir) verweist: »Deleuze and Guattari’s concept relates and combines two different ideas: the idea of a ›layout‹ or a ›coming together‹ of disparate elements, and the idea of ›agency‹ or the capacity to produce an effect […] Hence, agencement neatly relates the capacity to act with the coming together of things that is a necessary and prior condition for any action to occur, including the actions of humans.« (Braun 2008, S. 671) Der Aufbau und die Ausweitung solcher Netzwerke oder agencements werden über Prozesse der Artikulation oder der Übersetzung hergestellt (vgl. Kap. 4.). Dabei kommt dem Begriff des Experiments eine zentrale Rolle zu. Die ANT löst das Konzept des Experiments aus dem Rahmen der Überprüfung wissenschaftlicher Hypothesen; es wird zum Modell für die Aushandlungsprozesse zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren. »Die politische Ökologie kann nicht ein für allemal Freiheit und Notwendigkeit genau verteilen; keineswegs kann sie im vorhinein entscheiden, ob der Natur ausschließlich Notwendigkeit und der Menschheit ausschließlich Freiheit zukommt. Sie sieht sich in einem Experiment engagiert, bei dem die Akteure während des Versuchs probieren, miteinander eine Verbindung einzugehen oder ohne einander auszukommen.« (Latour 2001, S. 114) Das Experiment ersetzt die Suche nach Wahrheit, Realität wird »mit der Überraschung und dem Ereignis« verknüpft (Latour 2001, S. 113, Hervorh. im Orig.). Tatsachen sind das, was sich durchsetzt, die Ergebnisse permanenter Experimente: »the concept of performativity has lead to the replacement of the concept of truth (or non-truth) by that of success or failure.« (Callon 2006b, S. 13). Die Problematik dieser positivistischen Sichtweise wird im Folgenden noch diskutiert; auf das Experimentelle als Prinzip gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse komme ich in Kapitel 5 zurück.
Geographies of marketization Ein Feld, in dem Ansätze der STS und der ANT fruchtbar aufgenommen wurden, ist die Wirtschaftsgeographie, beziehungsweise jener Teilbereich davon, der sich
− within the heterogeneous networks described above − give rise to the two stable categories of Nature and Society.«
73
74
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
unter Bezugnahme auf die marketization studies der Frage zugewandt hat,70 wie Märkte jenseits des Modells eines ›perfekten Marktes‹ in der Praxis konkret hergestellt werden. Da ein Kernelement des Neoliberalen der Aufbau von Märkten ist, haben diese Studien eine hohe Relevanz für Diskussionen um Neoliberalismus und eine neoliberale Natur. Sie sind zudem für die vorliegende Arbeit von Bedeutung, da hier ebenfalls ein Prozess des Marktaufbaus untersucht wird. In den 1990er Jahren hat sich ein Teil der Vertreter:innen der französischen Wissenschaftssoziologie, darunter mit Callon einer der Mitbegründer der ANT, der Untersuchung von Märkten zugewandt (Callon 1998b; Çalışkan und Callon 2009). Während sich die Wissenschaftssoziologie zuvor vorrangig mit (natur)wissenschaftlichem und technischem Wissen beschäftigte, untersuchten sie nun die Herstellung von Konzepten der Ökonomie. Zu ihrem ›Labor‹ wurden die (jüngeren) Wirtschaftswissenschaften, die sich auf bestimmte theoretische Grundannahmen berufen, in deren Zentrum das Modell eines ›Marktes‹ steht, dessen Entwicklung berechen- und vorhersagbar ist: »This mechanistic model relies on an array of assumptions that can only be controlled in a ›high-security laboratory‹-setting, where confined economists safely guard the boundaries between the outside of real society and the inside of Economics. Inside the laboratory, society consists of an infinite number of atomized individuals with stable and given preferences who maximize rationally. The whole edifice is equipped with a ›ceteris paribus switch‹ that freezes all movements but one. A state of harmony and equilibrium prevails that can only be disturbed by external shocks, because laboratory movement itself always strives for adjustment.« (Boeckler und Berndt 2012b, S. 200) Ausgehend von der Feststellung, dass die Wirtschaftswissenschaft hier − wie in den früheren Studien der wissenschaftliche Prozess − als »Blackbox« fungiert und ihre
70
Die Weiterentwicklung – oder Anwendung – der STS und der ANT in Bezug auf ökonomische Modelle wird unterschiedlich bezeichnet, unter anderem auch als new social studies of markets oder social studies of economization and marketization (SSEM). Ich benutze, wie bereits erläutert, zusammenfassend den Begriff marketization studies, wobei der Prozess des Marktmachens in einem weiteren Sinne stellvertretend für andere Formen der Ökonomisierung steht, die in diesem Forschungsfeld untersucht werden. Marketization ist demnach »a particular but now dominant form of economization« (Ouma 2015, S. 9). Marketization wird hier verstanden als die performative Ausweitung von Marktbeziehungen, unter Berücksichtigung der materiellen und diskursiven Elemente ebenso wie der spezifischen Praktiken, die dies beinhaltet; marketization studies demnach als Forschungsfeld, das diese Prozesse aus einer solchen Perspektive untersucht. Der Begriff bezieht damit auch Arbeiten ein, die nicht aus den ›klassischen‹ STS stammen, sondern aus anderen Bereich der Sozial- oder Geisteswissenschaften.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Ergebnisse als nicht hinterfragbare Wahrheiten postuliert,71 entstanden Studien, die sich empirisch mit verschiedenen Formen und Aspekten von Märkten beschäftigten, zumeist, wie in der ANT üblich, im Rahmen von ethnographischen Studie auf der Mikroebene. Dazu gehören Arbeiten zu Finanzmärkten (Knorr-Cetina 2002; Preda und Knorr-Cetina 2005; Cetina 2016), Mikro-Unternehmen in der Entwicklungshilfe (Elyachar 2007), zum Aufbau von Handelsnetzwerken und Ökonomien im Kolonialismus (Mitchell 2002; Çalışkan 2010) oder Kohlenstoffmärkten (Callon 2009; MacKenzie 2009, vgl. auch Kap. 4.1 und 4.3). Diese Ansätze wurden als geographies of marketization in die Wirtschaftsgeographie aufgenommen (Berndt und Boeckler 2009, 2010, 2011; Boeckler und Berndt 2012a; Ouma 2012; Ouma 2015). Die geographies of marketization haben dabei gewisse Überschneidungen mit der Sozio-Ökonomie, die Märkte als Netzwerke untersucht und sich auf die Beziehungen zwischen verschiedenen ökonomischen Akteuren konzentriert, und zur Relational Economic Geography (REG) von Bathelt und Glückler (2006), die die Rolle des Kontextes ökonomischen Handelns, dessen Pfadabhängigkeit und Kontingenz betont. Wie diese beschäftigen sie sich mit ›realen‹ Märkten und setzen diese den neo-klassischen Ideal-Modellen entgegen. Die marketization studies gehen jedoch in zwei Punkten über die genannten Ansätze hinaus. So betrachten sie das Feld der Ökonomie nicht als bestehend aus einzelnen, vorgegebenen Einheiten, die untersucht oder in Verbindung zueinander gesetzt werden, etwa Markt, Unternehmen und Arbeit. Sie stellen vielmehr die Frage, wie solche Einheiten in Form von materiellen Arrangements und konkreten Praktiken ›hergestellt‹ werden. Demzugrunde liegt die These, dass sich Märkte nicht von selbst entwickeln, sondern durch komplexe diskursive, praktische und materielle Arrangements aufgebaut und aufrechterhalten werden. Wie die ANT oder die ontologische Politik Mols davon ausgehen, dass die entsprechende Entität, auf die sich Wissen bezieht, erst im wissenschaftlichen (oder, im Fall Mols, im diagnostischtherapeutischen) Prozess hergestellt wird, gehen die marketization studies davon aus, dass Wirtschaftswissenschaftler:innen mit ihren Theorien die Realität nicht abbilden, sondern schaffen:72 »To understand the performativity of economics, it is not enough to look for economics at work in the economy; one must also stop understanding it simply as
71
72
Hinzu kommt die Feststellung, dass trotz der Relevanz, die Märkten in der Gegenwart zukommt, bisher weder die Wirtschafts- noch die Sozialwissenschaften sich näher mit diesen beschäftigt haben: »We live in the age of the market, without knowing whether and how it works.« (Çalışkan 2010, xi) »An engine, not a camera«, hat MacKenzie (2008) in Anlehnung an Milton Friedman sein Werk über die neoklassischen Wirtschaftswissenschaften und deren Einfluss auf die Finanzmärkte genannt.
75
76
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
(mis)representation. The effectiveness of economics rests on what it does, not on what it says.« (Mitchell 2007, S. 245) Im Anschluss an die ANT beziehen die marketization studies in ihre Untersuchungen menschliche und nicht-menschliche Akteure ein, wobei die symmetrische Herangehensweise und der Fokus auf das ›Handeln‹ des Nicht-Menschlichen in der Geographie weniger ausgeprägt ist als in anderen Bereichen des Neuen Materialismus. Stattdessen spielen Praktiken, zumeist menschlicher Akteure (Politiker:innen, Unternehmer:innen, »economists in the wild«), teils auch diskursive Arrangements eine wichtige Rolle. Märkte werden unter Bezugnahme auf Callon (2006b) als »socio-technical agencements« verstanden, »[a]rrangements of people, things and sociotechnical devices that format products, prices, competition, places of exchange and mechanisms of control.« (Berndt und Boeckler 2010, S. 560). Im Unterschied zu ›reinen‹ Formen der ANT werden dabei Hierarchien und Machteffekte nicht komplett aus der Analyse ausgeschlossen. Gerade in der Geographie wird, häufig eher implizit denn explizit, auf polit-ökonomische Traditionen der kritischen Geographie Bezug genommen. Auch werden übergreifende Konzepte wie Neoliberalismus oder Kapitalismus in der Analyse aufgegriffen − »große Theorien«, wie sie die ›reinen‹ Formen der ANT und Teile des neuen Materialismus ablehnen. Da der Schwerpunkt der Untersuchung auf dem Aufbau von Märkten liegt, bewegen sich die empirischen Studien überwiegend in den »borderlands of global capitalism« (Boeckler und Berndt 2012b); sie folgen, im Sinne einer Modifikation und materialistischen Weiterentwicklung von Global Value Chain (GVC) oder Global Commodity Chain (GCC) Ansätzen, wie Märkte auf neue Gebiete ausgedehnt oder, umgekehrt, wie Waren, Personen oder Gebiete in globale oder regionale Märkte einbezogen werden. So beschäftigt sich Ouma (2015) mit dem Aufbau und den Krisen einer export-orientierten Produktion von Ananas und Mangos in Ghana als Beispiel für das Herstellen globaler Märkte auf der lokalen Ebene; Berndt und Boeckler (2011) haben am Beispiel des Exportes von Tomaten von Mexico in die USA und von Marokko in die EU untersucht, wie GVC über Nord-Süd Grenzen hinweg aufgebaut und stabilisiert werden, und wie diese Arrangements die Grenzen – und die Tomaten selbst –formen und verändern. Diese Studien kontrastieren die ökonomischen Modelle perfekter Märkte mit den brüchigen und widersprüchlichen Realitäten der »markets in the real«; dem Gleichgewicht der Theorie setzen sie das prekäre Ungleichgewicht der existierenden Märkte entgegen. Dabei ist das Ziel nicht, diese Abweichungen vom Modell im Sinne der neoklassischen Theorie als »imperfect realitites« oder »market failure« zu klassifizieren, sondern zu zeigen, wie die Modellannahmen mit eben dieser Wirklichkeit zusammenwirken und diese transformieren. Diese Perspektive auf Märkte und ›Markt-Machen‹ bildet, unter anderem, den Hintergrund für die Fallstudie in Kap. 4, in der es um den Aufbau neuer Märkte für
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Kohlenstoffdioxid-Zertifikate im südlichen Mittelmeerraum geht. Weitere Aspekte der marketization studies, die über diesen ersten Überblick hinausgehen, werden dort diskutiert.
Die neuen Materialismen in der Political Ecology Ab Ende der 1990er Jahre wurden die neuen, ›materialistischen‹ Ansätze auch in die Political Ecology aufgenommen und dienen heute als Referenzpunkt zahlreicher Arbeiten aus diesem Feld.73 Sie bilden den Hintergrund für den zweiten Strang der Kritik am Konzept der neoliberalen Natur (vgl. Kap. 1.1), indem sie fragen, auf welche Natur sich diese eigentlich bezieht. Dieser Punkt knüpft an ältere Diskussionen um die Frage an, wie Natur jenseits von einem Dualismus Natur-Kultur gefasst werden kann und soll. Im deutschsprachigen Raum prägten Brand und Görg (1999; 2003) mit dem auf die Frankfurter Schule zurückgehenden Begriff der »gesellschaftlichen Naturverhältnisse« auch Forschungsansätze in der Geographie. Im englischsprachigen Raum war Smith (2010 [1984]) einflussreich, der in seinen Konzepten des »uneven development« und der »production of nature« davon ausgeht, dass der Kapitalismus auf systematische Weise seine (ungleichen) Räume und Naturen herstellt. Ab den 1990er Jahren beschäftigten sich poststrukturalistisch geprägte Ansätze mit der Frage, wie Natur symbolisch oder diskursiv konstituiert wird und welche Rolle dabei etwa koloniale oder orientalistische Muster spielen (Demeritt 2005; Braun 2002; Davis 2007). Mit dem Aufkommen der STS und der ANT wurde die Frage nach der Natur in der Political Ecology noch einmal neu gestellt: »What is the ›nature‹ in ›neoliberal nature‹? More precisely, which ›natures‹ are the foci of our concern, and how are they defined?« (Bakker 2010, S. 717, vgl. auch Castree 2003, 2005c; Himley 2008). Kritisiert wurde unter anderen, dass die Political Ecology trotz einer progressiven Definition von Natur die moderne Unterscheidung zwischen einer Sphäre der handelnden Menschen und einem nicht-menschlichen Äußeren, das dessen Hintergrund oder Mittel darstellt, reproduziere. Bakker kritisiert, dass bisherige Studien Natur vor allem als Ressource wahrnehmen würden, »often narrowly circumscribed as primary commodities«, und sich einseitig darauf konzentrierten, das Vordringen kapitalistischer Beziehungen in den Bereich zu untersuchen, »what we conventionally delimit as ›the environment‹ and ›resources‹, which are usually (albeit implicitly) defined as non-humans« (Bakker 2010, S. 717).
73
In der deutschsprachigen Geographie ist diese Entwicklung erst mit einiger Verzögerung eingetreten. Heute spielen STS und neue Materialismen in Teilen der deutschsprachigen geographischen Forschung eine Rolle, auch wurden zuletzt weitere klassische Texte des Forschungsfeldes ins Deutsche übersetzt (Gesing et al. 2019). Ein Großteil der Forschung zu ›Umwelt‹ in der Geographie problematisiert den Natur-Begriff jedoch nicht explizit.
77
78
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Zu dem Zeitpunkt, als diese Kritik laut wurde, hatten bereits erste Wissenschaftler:innen Ansätze der STS und der ANT in die Political Ecology eingebracht; einflussreich waren insbesondere die beiden Sammelbände von Braun und Castree (1998a; 2005), die − zunächst unter dem Begriff »social nature« − den Naturbegriff in der Political Ecology aus einer neuen Perspektive problematisierten. Diese Arbeiten sind in der Politischen Ökonomie verwurzelt, diskutieren den Naturbegriff von Marx und nehmen Bezug auf Smiths »produced natures« (2010 [1984]). Sie nehmen aber auch konstruktivistische Perspektiven auf − und führen ausführlich in die STS und die ANT ein, die die Herausgeber:innen des ersten Bandes als innovativen Beitrag willkommen heißen: »tracing networks is where political hope lies« (Braun und Castree 1998b, S. 32). Sieben Jahre später rufen Castree und MacMillan (2005) dazu auf, binäre Denkmuster aufzulösen, und, wie es die ANT fordere, relational und in Netzwerken zu denken: »precisely because the social and the natural are co-constitutive within myriad networks, a symmetrical perspective is the only one that is viable. Attending to the ontological, causal, and moral particularities of natural entities is, from this perspective, possible and necessary without reverting to the notion that nature is, or should or could be a/nonsocial.« (Castree und MacMillan 2005, S. 213) Als Beispiel für eine solche Herangehensweise nennen sie die Studie von Eden et al. (2000) zur Re-Naturierung eines Flusslaufes in Großbritannien, die mit Hilfe einer ›symmetrischen‹ Analyse der beteiligten bzw. durch das Projekt hervorgebrachten menschlichen und nicht-menschlichen Akteure zeigt, welche entscheidende Rolle in dem Projekt Artefakte spielen, wie der Projektplan (»vision plan«), der Verbindungen herstellte und es ermöglichte, neue Akteure in das Netzwerk zu integrieren. (Undiskutierte) Widersprüche Dieses empirische Beispiel zeigt jedoch bereits, dass es kein einfaches Unterfangen ist, die theoretischen Überlegungen der ANT in empirischen Studien umzusetzen. Weit weniger euphorisch als im ersten Sammelband schließen Castree und Macmillan denn auch: »For it seems to us that a ›strong‹ version of ANT − which is precisely what we’ve been outlining in this chapter − too readily throws out some of the valuable elements of social constructionist thinking.« (Castree und MacMillan 2005, S. 221) Dafür führen sie mehrere Gründe auf, die, unter anderem, auf das zentrale Problem der Integration der ANT oder anderer ›neuer Materialismen‹ in die Political Ecology verweisen: Denn diese ist keineswegs reibungslos vereinbar mit Grundannahmen der Political Ecology. Inwieweit eine radikal symmetrische Herangehensweise tatsächlich geeignet ist, die Spezifika einzelner Akteure zu fassen − und welche (politischen) Folgen eine solche Gleichstellung hat − ist eine Frage, die nicht nur in der Political Ecology
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
kontrovers diskutiert wurde.74 So haben etwa Laurier und Philo (1999) in einer Besprechung von Latours Buch Aramis, or the Love of Technology (1996) die Reduktion des Menschlichen auf bloße Handlungsakte und Kalkulationen kritisiert: »just as the nonhumans are increasingly likened to humans, the humans involved are increasingly likened to nonhumans: or, more specifically, to machines« (Laurier und Philo 1999, S. 1060). Diese »flat spatial imaginary« (ebd., S. 1047) macht es vor allem in den radikaleren Formen der ANT schwierig, Hierarchien und Machtungleichgewichte darzustellen − eben diese herauszuarbeiten, ist jedoch ein Kernpunkt der Political Ecology.75 Daneben steht der Fokus der ANT auf einzelne Netzwerke und das Ablehnen einer übergreifenden, komparativen Perspektive − und damit die Unmöglichkeit, ›Kapitalismus‹ oder ›Neoliberalismus‹ zu konzeptualisieren, im Grund die Unmöglichkeit jeder theoretischen Erklärung jenseits von bloßer Beschreibung − im Widerspruch zu Grundannahmen der Political Ecology. Dies gilt insbesondere für jene Teile der Political Ecology, die sich in der Politischen Ökonomie verwurzelt sehen oder Phänomene wie die neoliberale Natur untersuchen.76 Castree und MacMillan (2005) sehen ein
74
75
76
So wurde wiederholt die »machiavellistische« Perspektive Latours und anderer Autor:innen der ANT kritisiert, vgl. Laurier und Philo 1999; Murdoch 1997, für eine Kritik aus postkolonialer Perspektive Luisetti 2017. In der Soziologie sind die Versuche Latours, in seinen Werken das Politische neu zu konzeptualisieren, ambivalent aufgenommen worden. Insbesondere die jüngeren Veröffentlichungen wie Latours Buch Kampf um Gaia (Latour 2017b), das sich stark auf Carl Schmitt bezieht und eine Geopolitik entwirft, die auf eine »Schlacht« zwischen Kollektiven (im Latour’schen Sinn) und »Dissoziierten« hinausläuft, sind im deutschsprachigen Raum im Hinblick auf ihre problematischen Implikationen diskutiert worden, vgl. etwa Gertenbach et al. 2016; Gertenbach; Werber 2015. Diese Kritik ist in der in der Geographie bisher kaum aufgegriffen worden. Es gibt hier einen relevanten Unterschied zwischen den Theorien Latours, der die Theoretisierung von Machtverhältnissen weitgehend ablehnt, und den Ansätzen feministischer Theoretikerinnen wie Haraway, die die Rolle der Machtverhältnisse bei den Konstituierung von hybriden Einheiten betont. Gerade in der Political Ecology und in der umweltbezogenen geographischen Forschung wurde jedoch bisher der erstgenannte Ansatz weitaus häufiger aufgenommen. Brenner et al. (2011) formulierten ihre Bedenken gegenüber der Aufnahme von Ansätzen der Neuen Materialismen in die Critical Urban Studies sehr viel deutlicher. Diese zielten auf eine ontologische Reformulierung konzeptueller Grundlagen des Forschungsfeldes, die einen »Rückschritt« bedeuten würden: »concepts from political economy or spatial sociology are considered illegitimate or at least bracketed; categories of sociospatial structuration such as scale and territory are understood primarily as data to be interpreted rather than as theoretical, explanatory or interpretive tools« (Brenner et al. 2011, S. 232). In ihrem »naive objectivism« (ebd., S. 233) seien die neuen Ansätze unfähig, »the contradictory, hierarchical social relations and institutional forms of capitalism« angemessen zu fassen (ebd., S. 225).
79
80
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
»ontological problem […] arising from the assumption that each actor-network is unique and qualitatively distinct. Though actor-networks are unlikely ever to be similar in every detail, what if the processes constituted by, and constituing, otherwise different actor-networks happen to be the same? Does this possibility not create space for a theory which can abstract from differences in order to identify general processes (economic, cultural etc.) of ›socio-nature‹? Or does inquiry into socionatural networks have to start afresh each and every time?« (Castree und MacMillan 2005, S. 221, vgl. zum Problem der Kausalität auch Murdoch 1997, S. 750). Sie äußern schließlich, wenn auch eher am Rande, die Sorge, eine solche, auf reine Beschreibung fokussierte Herangehensweise könne dem politischen Anspruch entgegenstehen, der die Political Ecology lange Zeit begleitet hat: »Though it may well be liberating to reveal the myriad ›non-human‹ actants obscured by social constructionist arguments, it will count for little if those actants are merely described in their subjugation to others.« (Castree und MacMillan 2005, S. 222). Die Ausdifferenzierung der Political Ecology Diese frühen Arbeiten haben, wie im letzten Abschnitt gezeigt, trotz ihres offenkundigen Interesses an den neuen Ansätzen einzelne Aspekte derselben aus einer Perspektive der Political Ecology kritisch diskutiert. Anders als etwa in der kritischen Stadtforschung wurde diese Debatte jedoch nicht fortgeführt.77 Während die STS und die neuen Materialismen ihren Siegeszug durch die Sozial- und Geisteswissenschaften antraten, teilte sich die Political Ecology stillschweigend auf: in jene, die an einer (post)marxistischen Perspektive festhielten und den ›neuen‹ Materialismus skeptisch beäugten oder schlicht ignorierten, und jene, die ihn in ihre Arbeiten aufnahmen − und forderten, den neuen Blickwinkel im Sinne einer »more-than-human geography« (Whatmore 2002) zum Grundgerüst einer künftigen Political Ecology zu machen. Dieser Anspruch wurde in empirischen Untersuchungen häufig nur zum Teil umgesetzt. In den meisten Fällen wurden einzelne Aspekte und Methoden der STS und der ANT aufgenommen, ohne deshalb ihr Gesamtkonzept zu übernehmen.78 Praktisch führte dies häufig dazu, dass gezeigt wurde, wie Naturen sich »unkooperativ« verhalten und sich ihrer Kommodifizierung widersetzen (Braun 2008; Bakker 2003).79 Zum anderen wurde versucht, den Ansatz einer symmetrischen 77 78
79
Zur Debatte in den Urban Studies vgl. etwa McFarlane (2011) zu den Chancen eines »assemblage urbanism« und Brenner et al. (2011) für eine kritische Replik. Für eine Übersicht, auf welche unterschiedliche Weise die Ansätze der neuen Materialismen in der Political Ecology aufgenommen und umgesetzt wurden vgl. Braun 2008; Bakker und Bridge 2016. Der Aspekt der ›unkooperativen Materie‹ hat in der Political Ecology eine lange Tradition, die bis in die 1980er zurückreicht (Benton 1996, vgl. auch Castree 2010 und Braun 2008, 668f.),
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Analyse umzusetzen, indem nicht-menschliche Akteure vermehrt in die Analyse einbezogen wurden. Dies reicht von tierischen Akteuren wie im Fall der animal studies (Barua 2014, 2017) über Pilze (Tsing 2009, 2015), Kohlenstoffmoleküle (Bumpus 2011; Lansing 2012) und Sand (Zee 2017) bis hin zur Rolle von Infrastrukturen und Artefakten (Mitchell 2011). Während Studien zu städtischen Räumen an frühere Formen der »urbanen Ökologie« anknüpfen können, die schon in den 1990er Jahren mit einer Konzeption städtischer Räume als essentiell menschlich-kulturell brachen (Harvey 1996; Gandy 2003), stellt die »rapid disappearance of the ›environment‹ or ›nature‹ as proper objects of study across large areas of the field« (Braun 2008, S. 667) für die Political Ecology insgesamt und für die Forschung zu neoliberalen Naturen im Speziellen ein weitaus größeres Problem dar. Denn diese definieren ihr Forschungsfeld bisher weitgehend über den Bezug zu Natur oder Umwelt − und ihre Zugehörigkeit zur Political Ecology darüber, Ungleichheit, Herrschaftsund Machtverhältnisse darstellen zu können. Ich vertrete hier die Position, dass es für Wissenschaftler:innen aus dem Bereich der Political Ecology wichtig ist, an die frühen Debatten anzuknüpfen und sich bewusst mit den Widersprüchen und möglichen Problemen eines STS und ANT-Ansatzes auseinanderzusetzen. Nicht, um die Einbeziehung der neuen Materialismen zu verhindern, sondern um Vorschläge zu sammeln und zu erweitern, wie sich die neuen Ansätze fruchtbar nutzen lassen, ohne die kritischen Potentiale der bisherigen Political Ecology aufzugeben. Um einen solchen Vorschlag geht es im folgenden Abschnitt, der mit dem Entwurf einer ›materialistischen Gouvernementalitätsanalyse‹ den theoretischen Teil dieser Arbeit abschließt.
2.4
Eine materialistische Gouvernementalität der Natur
Auf der Suche nach Brücken Ansätze des Neuen Materialismus haben sich, wie im letzten Abschnitt beschrieben, in den letzten Jahren auch in der Geographie und der Political Ecology verbreitet. Diese neuen Ansätze wurden jedoch selten genutzt, um bisherige theoretische Modelle zu ergänzen oder zu erweitern. Die Ausdifferenzierung innerhalb der Political Ecology – in einen Teil, der sich mit Themen der Politischen Ökologie inzwischen aus einer ›posthumanistischen‹ Perspektive befasst, und einen anderen, der dies ablehnt und fordert, gerade in Zeiten verschärfter sozialer Härte die bisherigen Ansätze beizubehalten, um Ungerechtigkeiten analysieren und kommunizieren zu können – mag ihren Grund auch darin haben, dass sich die beiauch wenn er heute häufig als Beispiel für Studien angeführt wird, die von den ›neuen Materialismen‹ inspiriert sind.
81
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Analyse umzusetzen, indem nicht-menschliche Akteure vermehrt in die Analyse einbezogen wurden. Dies reicht von tierischen Akteuren wie im Fall der animal studies (Barua 2014, 2017) über Pilze (Tsing 2009, 2015), Kohlenstoffmoleküle (Bumpus 2011; Lansing 2012) und Sand (Zee 2017) bis hin zur Rolle von Infrastrukturen und Artefakten (Mitchell 2011). Während Studien zu städtischen Räumen an frühere Formen der »urbanen Ökologie« anknüpfen können, die schon in den 1990er Jahren mit einer Konzeption städtischer Räume als essentiell menschlich-kulturell brachen (Harvey 1996; Gandy 2003), stellt die »rapid disappearance of the ›environment‹ or ›nature‹ as proper objects of study across large areas of the field« (Braun 2008, S. 667) für die Political Ecology insgesamt und für die Forschung zu neoliberalen Naturen im Speziellen ein weitaus größeres Problem dar. Denn diese definieren ihr Forschungsfeld bisher weitgehend über den Bezug zu Natur oder Umwelt − und ihre Zugehörigkeit zur Political Ecology darüber, Ungleichheit, Herrschaftsund Machtverhältnisse darstellen zu können. Ich vertrete hier die Position, dass es für Wissenschaftler:innen aus dem Bereich der Political Ecology wichtig ist, an die frühen Debatten anzuknüpfen und sich bewusst mit den Widersprüchen und möglichen Problemen eines STS und ANT-Ansatzes auseinanderzusetzen. Nicht, um die Einbeziehung der neuen Materialismen zu verhindern, sondern um Vorschläge zu sammeln und zu erweitern, wie sich die neuen Ansätze fruchtbar nutzen lassen, ohne die kritischen Potentiale der bisherigen Political Ecology aufzugeben. Um einen solchen Vorschlag geht es im folgenden Abschnitt, der mit dem Entwurf einer ›materialistischen Gouvernementalitätsanalyse‹ den theoretischen Teil dieser Arbeit abschließt.
2.4
Eine materialistische Gouvernementalität der Natur
Auf der Suche nach Brücken Ansätze des Neuen Materialismus haben sich, wie im letzten Abschnitt beschrieben, in den letzten Jahren auch in der Geographie und der Political Ecology verbreitet. Diese neuen Ansätze wurden jedoch selten genutzt, um bisherige theoretische Modelle zu ergänzen oder zu erweitern. Die Ausdifferenzierung innerhalb der Political Ecology – in einen Teil, der sich mit Themen der Politischen Ökologie inzwischen aus einer ›posthumanistischen‹ Perspektive befasst, und einen anderen, der dies ablehnt und fordert, gerade in Zeiten verschärfter sozialer Härte die bisherigen Ansätze beizubehalten, um Ungerechtigkeiten analysieren und kommunizieren zu können – mag ihren Grund auch darin haben, dass sich die beiauch wenn er heute häufig als Beispiel für Studien angeführt wird, die von den ›neuen Materialismen‹ inspiriert sind.
81
82
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
den theoretischen Ansätze aufgrund ihrer verschiedenen Grundannahmen nicht einfach miteinander vereinbaren lassen, sondern es nötig machen, gezielt nach ›Übersetzungen‹ und Anknüpfungspunkten zu suchen. Zugleich schafft diese Aufspaltung gerade für eine Analyse gegenwärtiger Naturproduktionen Probleme: Es ist schwierig, neoliberale Naturen zu analysieren, wenn sich ein Teil der Wissenschaftler:innen mit der Frage beschäftigt, ob und wie Natur existiert, und der andere Teil damit, wie Neoliberalismus gefasst werden kann – und beiden Gruppen aufgrund der unterschiedlichen Theorie-Ansätze langfristig das Vokabular fehlt, sich zu verständigen. Um diesem Auseinanderbrechen entgegenzuwirken, sind theoretische Zugänge nötig, die auf verschiedene Weise Brücken zwischen den Schulen und Herangehensweisen bauen, Ideen und Konzepte, die prüfen, wo Verbindungen möglich und sinnvoll sind und zusätzliche Erkenntnisse und neue Perspektiven ermöglichen. Castree und MacMillan (2005, S. 222) haben angesichts dieser Schwierigkeiten zunächst dafür plädiert »a ›weaker‹ form of ANT« zu nutzen. Brenner et al. (2011, S. 229) haben die Aufnahme der neuen Ansätze in die Stadtgeographie dort als sinnvoll erachtet, wo sie dazu dienen »to question outdated categories and epistemologies, to demarcate new objects and terrains of urban research, and to highlight the political stakes and consequences of previously taken-for-granted dimensions of urban life«, verstehen sie jedoch nur als methodologische Ergänzung bisheriger, polit-ökonomischer Ansätze: »The concept is most useful, we contend, when it is mobilized in the context of a broader repertoire of theories, concepts, methods and research agendas that are not derived internally from the assemblage approach itself, whether in its ANT variant or otherwise.« (Brenner et al. 2011, S. 230)80 In diese − methodologische − Verwendung der neuen Materialismen innerhalb eines größeren Rahmens der Politischen Ökonomie fallen auch viele Arbeiten der Urban Political Ecology, die sich auf das auf Marx zurückgehende Konzept des Metabolismus beziehen, der Idee eines Kreislaufes, der verschiedene Formen des 80
Brenner et al. (2011, 231f.) unterscheiden drei Formen des neuen ›materialistischen‹ Denkens in der Stadtgeographie, und daran anknüpfend drei Vorschläge für Anknüpfungspunkte zwischen diesen und der Politischen Ökonomie: erstens auf der empirischen Ebene – assemblages als (bisher vernachlässigtes) Forschungsobjekt; zweitens als methodologische Ergänzung bisheriger Forschungsansätze; schließlich ontologisch, wobei die bisherigen ontologischen Grundlagen der critical urban studies ersetzt werden durch »assemblage as an ›alternative ontology for the city‹« (Farías und Bender 2010, S. 13). Während sie die ersten beiden als sinnvolle Ergänzung und Erweiterung bisheriger Ansätze begrüßen, sehen sie die den dritten, ontologischen Strang als »difficult to reconcile with the basic questions about power, inequality, injustice, politicization, struggle and mobilization that lie at the heart of critical urban theory« (Brenner et al. 2011, S. 235).
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Physisch-Materiellen einbezieht (Gandy 2004, Swyngedouw 2006; Heynen et al. 2011, vgl. zum Konzept auch Foster 2000). Die Klassifizierung neoliberaler Naturen In Bezug auf die neoliberalen Naturen macht Bakker (2010, S. 718) im Anschluss an ihre Kritik am Begriff der neoliberalen Natur eine Reihe von Vorschlägen für weitergehende Untersuchungen. Sie verweist zum einen auf neuere Forschungsansätze, die sie als »co-production« bezeichnet, »in which accounts of the ecological (as well as economic and political) effects of nature’s neoliberalization are combined with documentation of constraints imposed upon capital accumulation by the biophysical characteristics of specific resources« − ein Ansatz, dessen teils unkritische Verwendung naturwissenschaftlichen Wissens aus einer STS-Sicht durchaus als problematisch betrachtet werden kann −, zum anderen auf emotional oder affective geographies, die, so ihr Vorschlag, auch auf die Beziehung zur Natur produktiv angewandt werden können (Le Billon 2008; Lorimer 2010). Bakker geht zudem auf die − auch von Castree (2008b, 2008a) aufgeworfene − Frage ein, wie mit den verschiedenen Ausprägungen neoliberaler Natur umgegangen werden kann und soll: »If we accept the claim that capitalism is variegated, this implies that we cannot adequately explain processes of neoliberalization if we have not accounted for the commonalities and differences in patterns of ›actually-existing neoliberalisms‹ across different types of resources in different places. Having identified these commonalities and differences, we need to theorize their emergence in the context of distinct neoliberal experiments.« (Bakker 2010, S. 721) Sie schlägt vor, die Ergebnisse der empirischen Studien zur neoliberalen Natur auszuwerten »to develop conceptual frameworks that might account for variegation as a dialectic between geoinstitutional differentiation and translocal (but not generic) patterns and processes« (Bakker 2010, S. 722). Versuche einer solchen Kategorisierung verschiedener Formen neoliberaler Natur haben Bakker (2010) und Castree (2008b, 2008a) vorgelegt, wobei Bakker diese nach verschiedenen »socionatures« klassifiziert, deren materielle Eigenschaften Einfluss auf die Kommodifizierung haben, und Castree, wie oben beschrieben, vier fixes identifiziert, wie die dem kapitalistischen System inhärenten Widersprüche in Bezug auf Natur im Neoliberalismus bearbeitet werden (Castree 2008b, 146ff., vgl. Kap. 2.3). Eine historische Ontologie der Naturen All diesen Vorschlägen ist gemein, dass sie jeweils darauf zielen, verschiedene Variationen innerhalb der neoliberalen Natur zu fassen. Ich möchte stattdessen einen anderen Ansatz verfolgen und fragen, welche Grenzen und Ränder der neoliberalen Natur sich ausmachen lassen. Wo verläuft die Grenze zwischen neoliberalen und anderen (kapitalistischen oder nicht-kapi-
83
84
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
talistischen) Naturen? Welche Unterschiede, Gleichzeitigkeiten und Widersprüche lassen sich innerhalb, aber auch jenseits der neoliberalen Natur ausmachen? Wo beginnt, wo endet sie? Das führt zum einen hinein in eine Mikroanalyse der Diskurse und Praktiken, die die neoliberale Natur hervorbringen. Märkte spielen hier, wie in Kap. 2.1 beschrieben, eine zentrale Rolle, und die marketization studies, die im Kap. 2.2 vorgestellt wurden, bieten Instrumente, deren Aufbau zu analysieren. Zum anderen greife ich einen Vorschlag auf, den Bakker (2010, 726f.) erwähnt, jedoch nicht weiter ausführt: die Frage nach der neoliberalen Natur aus einer genealogischen Perspektive. Genealogie war ein Kernkonzept Foucaults, das er von Nietzsche übernommen hat; anhand einer Genealogie der Regierungsformen hat Foucault sein Konzept der Gouvernementalität ausgearbeitet und später verfeinert. Wie in Kap. 2.1 dargestellt, wurde das Konzept der Gouvernementalität auch auf die Frage nach der (neoliberalen) Natur angewandt. Hieran möchte ich anschließen, den Blickwinkel des Gouvernementalitätsansatzes allerdings in zweifacher Hinsicht ausweiten: Zum einen auf die materielle Dimension verschiedener Gouvernementalitäten und ihren Bezug zu räumlichen Arrangements menschlicher und nicht-menschlicher Akteure; zum anderen auf die Rolle von Natur in den verschiedenen Ausprägungen der Gouvernementalität, und damit auf die Genealogie der Naturen selbst. Wie aus dem hier benutzten Plural deutlich wird, ermöglicht ein solch genealogischer Ansatz, Natur zum einen nicht essentialistisch zu fassen, sondern als spezifisches Produkt eines bestimmten Regierungsmodus zu verstehen. Sie ermöglicht zugleich, über die Mikroebene hinauszugehen, den »context of contexts« (Brenner et al. 2011), der in Studien der STS oder ANT häufig − bewusst oder unabsichtlich − ausgeklammert wird, selbst zu einem Teil der Analyse zu machen. Im Folgenden skizziere ich die theoretischen Grundlagen eines solchen Ansatzes, indem ich (1) kurz darstelle, welche Überschneidungspunkte es zwischen Foucaults Theorie und der ANT gibt und (2) wie Foucaults Gouvernementalitätsansatz aus einer materialistischen Perspektive gelesen werden kann. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf den räumlichen Arrangements, der spatiality der verschiedenen Gouvernementalitäten, und deren funktionalen Prinzipien, der Frage nach der Bewegung und Stabilisierung von agencements oder Macht-Wissen-Komplexen. Ich fasse ich diese Punkte zusammen, indem ich (3) skizziere, wie eine ›Regierung der Dinge‹ – oder in meinem Fall eine ›Regierung des Waldes‹ – gedacht werden kann.
Materialitäten bei Foucault Die ANT wurde wie andere Ansätze des New Materialism häufig als Gegenbewegung zu poststrukturalistischen Ansätzen interpretiert; Autor:innen wie Latour (2001) haben sich von konstruktivistischen Zugängen zur Natur distanziert. Dass
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Foucault in der Geographie häufig als ein Vertreter des Poststrukturalismus wahrgenommen wurde,81 mag ein Grund sein, dass es bisher nur vereinzelt Versuche gegeben hat, den Gouvernementalitätsansatz Foucaults in Verbindung mit den Neuen Materialismen zu bringen.82 Auch in der deutschsprachigen Geographie sind vor allem Methoden wie die Diskursanalyse im Anschluss an Foucault verbreitet und dort, wo es um die Analyse von Gouvernementalitäten geht, dominiert die Analyse von Programmen, weniger ihrer praktischen Umsetzung (vgl. etwa Michel 2005; Mattissek 2008; 2014; Glasze 2009; Dzudzek 2016). Die ›materialistische‹ Seite von Foucaults Theorien hingegen ist lange Zeit weitgehend unbeachtet geblieben.83 Dabei ist Foucault in seinem Denken zutiefst materialistisch − eine Feststellung, die Law (2008, S. 145) bestätigt, wenn er Akteur-Netzwerke als »scaled-down versions of Michel Foucault’s discourses or epistemes« bezeichnet − und teilt mit der ANT trotz relevanter Unterschiede in Untersuchungsobjekt und Methode mehrere Grundannahmen.84 Dazu gehört ein relationales Konzept von Macht und Handlungsfähigkeit: Macht ist sowohl bei Foucault als auch bei den wichtigen Vertreter:innen der ANT ein distribuiertes Phänomen. Foucaults Subjektkonzeption bricht mit dem Ideal eines ›unabhängigen‹ oder ›in sich bestehenden‹ Subjektes; das Subjekt wird immer erst durch die (Macht)Beziehungen hervorgebracht und geformt. Dieses relationale findet sich ähnlich bei der ANT fortgeführt: Die ›Macht‹ und ›Gestalt‹ einer menschli-
81 82
83
84
Vgl. für eine kritische Position zu dieser Fehleinschätzung Hekman 2009. Eine Ausnahme bilden (im englischsprachigen Raum) unter anderem die Werke von Mitchell (2002, 2003), der in seiner Analyse der britischen Kolonialherrschaft in Ägypten die Herstellung von materiellen Objekten, Wissen und räumlichen Arrangements als Ausdruck disziplinärer Gouvernementalität analysiert. Im deutschsprachigen Raum hat sich zuletzt Lemke (2014, 2018) der Frage zugewandt, wie man Foucaults Perspektive mit den neuen Materialismen – insbesondere den Ansätzen Barads (2007) und Bennetts (2010) – zusammenbringen kann. Auf beide wird im Folgenden noch eingegangen. In den Politikwissenschaften, der Soziologie oder der Anthropologie gab es vereinzelt Versuche, Foucault und Latour zu vergleichen (vgl. etwa Pyyhtinen und Tamminen 2011), Anknüpfungspunkte zwischen beiden aufzuzeigen (Dölemeyer et al. 2010) oder Foucault mit Latour zu ›lesen‹ (Hekman 2009). Auch haben Theoretiker:innen, die intensiv zu Foucault arbeiten, wiederholt deutlich gemacht, dass Gouvernementalitäten und Machtpraktiken über Diskurse hinausgehen, ohne dass dies die Fokussierung auf Diskurse in Analysen, die sich auf Foucault beziehen, grundsätzlich verändert hätte. Methodisch gibt es kaum Überschneidung zwischen den beiden Ansätzen, ebensowenig was das Vokabular angeht. Während sich Foucault überwiegend aus einer historischen Perspektive anhand von Textanalysen mit bestimmten ›Formationen‹ beschäftigt hat und in der Gouvernementalitätsanalyse verschiedene Analyseebenen kombiniert, arbeitet Latour ethnographisch auf der Mikroebene zu kontemporären Phänomenen (vgl. auch Pyyhtinen und Tamminen 2011, Dölemeyer et al. 2010).
85
86
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
chen oder nicht-menschlichen Einheit hängt immer von ihrem Platz im Netzwerk ab, zugleich ist jedes Phänomen selbst wieder ein Netzwerk, ein Produkt von Verbindungen. Beide Theorien gehen davon aus, dass Wissen hergestellt wird und werden muss, dass es keine ›Wahrheit‹ außerhalb gibt, die ›entdeckt‹ werden kann. Schließlich sind die zentralen Einheiten der Analyse jeweils komplexe Gebilde aus menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren, die in ihrem Zusammenspiel bestimmte Effekte hervorrufen und als agencements oder, bei Foucault, als Dispositive85 eine bestimmte temporäre Stabilisierung erfahren. Dies gilt bereits für Foucault frühere Werke, auf denen die Vorlesungen zur Gouvernementalität aufbauen.86 Das Gefängnissystem, anhand dessen in Überwachen und Strafen (Foucault 1994) das disziplinäre Regime dargestellt wird, wird nicht durch Diskurse in Kraft gehalten, sondern durch steinerne Mauern und bestimmte Sichtachsen, die den Gefangenen das Gefühl geben, jederzeit beobachtet werden zu können − das Subjekt wird geformt durch eine bestimmte räumliche Anordnung, die aber nur funktioniert, weil unter anderem die Steine, die Lichtwellen, die Netzhaut und Nervenbahnen des Wächters kooperieren oder zum Kooperieren gebracht werden. Die Individuen werden isoliert und bestimmten Orten zugewiesen, die strikt geometrische Anordnung der Kaserne wird zum Modell für Städte und gesellschaftliche Organisation. Mitchell (2002, 2003) hat diesen Ansatz auf das koloniale Ägypten angewandt und gefolgert, dass es für die Errichtung eines »modernen« Staates zunächst nötig war, eben diese Arrangements zu schaffen, die eine ›Regierung‹ der Bevölkerung ermöglichten, und dass ein zentraler Punkt dabei war, die Individuen an einem Ort zu fixieren, sie davon abzuhalten, sich zu bewegen und dadurch der disziplinierenden Macht auszuweichen.
85
86
Foucault nutzt den Begriff Dispositiv schon in früheren Werken, in einem Interview definiert er ihn 1977 als »Formation, deren Hauptfunktion zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt darin bestanden hat, auf einen Notstand (urgence) zu antworten«, als »entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architektonische Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebenso wohl wie Ungesagtes« charakterisiert (Foucault 1978, 119f., Hervorh. im Orig.). Hier zeigen sich Überschneidung zum agencement. In Foucaults Dispositiv spielen jedoch Diskurse explizit eine Rolle, die im Fall der Netzwerke der ANT kaum theoretisiert werden (können) – Hekman (2009) sieht eben in diesem Punkt den Vorteil von Foucaults Ansatz gegenüber der ANT, da es ihm gelinge, das Diskursive und das Materielle zu integrieren. Ebenso bezieht sich Foucault explizit auf Ausschlüsse, das »Ungesagte«, das sich mit dem positivistischen Ansatz insbesondere der frühen ANT-Konzeptionen kaum theoretisieren lässt. Ein Teil der frühen Rezeptionen postulierte einen Bruch zwischen den frühen und den späteren Werken Foucaults. Dies kann spätestens seit den Veröffentlichungen weiterer Werke und Übersetzungen als überholt gelten, vgl. etwa Lemke 2002, für die Geographie Philo 2012 und Collier 2009.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
In diesen Beispielen spielen materielle Infrastrukturen eine zentrale Rolle. Teil der Regierungskunst ist die Fähigkeit, die Materie zum Kooperieren zu bringen, sie einzusetzen, um eine bestimmte Wirkung auf die Subjekte zu erhalten. Nichtmenschliche Akteure sind aus dieser Perspektive Instrumente der Regierung, jedoch selbst weder Akteur noch Objekt solcher Regierungspraktiken. Die Kunst, die Dinge in eine bestimmte Form zu bringen − die Frage, ob es immer darum gehen muss, sie in eine bestimmte Form zu bringen, wird in Kap. 5 diskutiert − ist Voraussetzung dafür, menschliche Individuen oder Bevölkerungen als Ganzes zu regieren. Während diese Lesart den ›Dingen‹ im Regierungsprozess eine größere Rolle zukommen lässt, bleibt sie doch überwiegend einer Perspektive verhaftet, die das Materielle rein instrumentell betrachtet, als passiven Rohstoff menschlichen Handelns.
Gouvernementalitäten verankern In den letzten Jahren haben verschiedene Autor:innen begonnen, das ›materielle‹ Element in Foucaults Theorie freizulegen − und dabei über eine Betrachtung des Materiellen als Instrument oder Hintergrund menschlichen Handelns hinauszugehen. So hat Lemke (2014, 2015, 2018, 2019) sich gegen eine Einordnung Foucaults als Vertreter eines anthropozentristischen Konzeptes gewandt, das Handlungsfähigkeit menschlichen Subjekten vorbehält, und in kritischer Auseinandersetzung mit dem »agentiellen Realismus« Karen Barads (2007, 2017) deutlich gemacht, »dass sich im Gegensatz zu dieser vorherrschenden und eher ablehnenden Lesart, Elemente eines posthumanistischen Ansatzes in Foucaults Idee einer ›Regierung der Dinge‹ finden, die er in seinen Vorlesungen zur ›Geschichte der Gouvernementalität‹ (Foucault 2006b, 2006a) kurz skizziert« (Lemke 2014, S. 252). Lemke unterscheidet drei Dimensionen der ›Regierung der Dinge‹: Erstens knüpft er an die Unterscheidung Foucaults zwischen Souveränität und Gouvernementalität an. Diese bezieht sich auf eine Abhandlung von Guillaume de la Perrière, die Regierung bezeichnet als »die richtige Anordnung der Dinge, deren man sich annimmt, um sie zu einem angemessenen Ziel zu führen« und die Foucault im Anschluss daran »Regierung der Dinge« nennt (Foucault 2006b, S. 145). Lemke versteht dies nicht im Sinne einer Nutzung passiver ›Dinge‹ für bestimmte Zwecke − der Gegenstand der Regierung sei vielmehr zunächst die Unterscheidung von menschlichen und nicht-menschlichen Einheiten (und damit die Produktion von Dingen oder Natur) selbst: »Folgt man Foucaults Interpretation sind erstens der Gegenstand der Regierungskunst nicht Interaktionen zwischen zwei stabilen und unveränderlichen Einheiten – ›Menschen‹ und ›Dingen‹. Foucault operiert vielmehr mit einem relationalen Ansatz, da die Qualifikation ›Mensch‹ oder ›Ding‹ und die politische und moralische
87
88
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Unterscheidung zwischen ihnen selbst ein Effekt und Instrument der Regierungskunst ist – und nicht ihre Grundlage oder ihr Ausgangspunkt. […]. In dieser Hinsicht bestimmt die Regierungskunst, was/wer als Subjekt und Objekt, als Mensch oder Nicht-Mensch definiert wird. Sie etabliert und praktiziert die Grenzziehung zwischen einer sozial relevanten Existenz und ›reiner Materie‹, die keinen rechtlich-moralischen Schutz genießt.« (Lemke 2014, S. 257) Lemke bezieht sich zweitens auf den Begriff des »Milieus«, den Foucault in den Gouvernementalitätsstudien einführt und aus dem er ableitet, dass in der Gouvernementalität Menschen wie Dinge regiert werden. Im Unterschied zur souveränen Regierung, die auf die »Seelen« der Menschen zielt, zählen für das moderne Regierungshandeln die physikalischen und biologischen Qualitäten menschlicher wie nicht-menschlicher Einheiten, so dass es keinen Sinn mehr macht, »eine systematische politische Unterscheidung zwischen Menschen und ›Dingen‹ zu machen.« (Lemke 2014, S. 257) Schließlich sieht Lemke die bereits erwähnten Arrangements, die »Anordnung von Dingen« als Kernpunkt der Gouvernementalität, die nicht mehr direkt auf die Subjekte ziele, sondern darauf, deren Handeln »›indirekt‹ über das Arrangement von Dingen oder das Management von Komplexen aus Menschen und Dingen« zu führen (Lemke 2014, S. 259).87
Räume der Gouvernementalität Foucault hat sich nie explizit mit ›Natur‹ oder Umweltthemen beschäftigt – die Anekdote, wonach er bei einem Ausflug der ›schönen Landschaft‹ demonstrativ den Rücken zudreht, wird häufig zitiert, um sein Desinteresse diesbezüglich zu verdeutlichen (vgl. Darier 1999, S. 6). Zwar argumentiert Rutherford, dass das Natürliche in jeder Regierung der Bevölkerung eine Rolle spielen müsse, da diese davon lebe (Rutherford 2007, S. 294); jedoch ist der Bezug zum Materiellen, zum ›Natürlichen‹, bei Foucault eher implizit denn explizit.88
87
88
Lemke sieht das (unausgereifte) Konzept einer ›Regierung der Dinge‹ als Grundlage eines veränderten Verständnisses von Biopolitik gegenüber Foucaults früheren Arbeiten, und einer neuen Lesart Foucaults, die anthropozentrische Blindstellen in den bisherigen Gouvernementalitätsstudien schließen kann. Als zentral erachtet er dabei die drei Konzepte Dispositiv, Technologie und Milieu, vgl. für erste Skizzen des Konzeptes Lemke 2014, 2019. Eine große Zahl an Studien und Publikationen dreht sich um den Körper als Mittel und Zweck verschiedener Formen der Gouvernementalität, die Körperlichkeit des Menschen ist dabei der Schnittpunkt, an dem das Materielle und Immatrielle der Regierungsformen, das Subjekt und der Staat, zusammenkommen. Auch Foucaults Konzept der Biopolitik ist aus einer solchen Perspektive in verschiedenen Disziplinen aufgenommen und angewandt worden, teils auf Weisen, die wenig mit Foucaults ursprünglichem Konzept zu tun haben, vgl. für eine Übersicht Folkers und Lemke 2014, in der Geographie Rutherford und Rutherford 2013.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
In den letzten Jahren lässt sich jedoch eine intensivere Beschäftigung mit dem Ökologischen bei und mit Foucault beobachten. So hat etwa Sprenger (2019) verschiedene Konzepte des »Umgebens« untersucht, darunter auch Foucaults Konzept des milieus. Bühler (2018) zeichnet die Geschichte einer »ökologischen Gouvernementalität« nach, die er von der neoliberalen Gouvernementalität beziehungsweise dem Sicherheitsdispositiv abgrenzt. Die ökologische Gouvernementalität beruhe demnach nicht, wie die Gouvernementalität bei Foucault, auf der politischen Ökonomie, sondern auf der Ökologie als Leitwissenschaft; zentral sei ihre Konzeption von »Regieren als Regulieren«, wobei sie menschliche Subjekte als Teil übergreifender Ökosysteme begreife (Bühler 2018, S. 12).89 Das Räumliche hingegen spielt in Foucaults Analyse verschiedener Gouvernementalitäten eine zentrale Rolle, wenn es auch nicht in dem Maße ausgeführt wird, die der Ansatz nahe legt: Souveränität definiert Foucault als die Herrschaft über ein Territorium, seine detaillierteren Ausführungen widmet er jedoch vor allem der Disziplin und der Sicherheit, ohne explizit darauf einzugehen, welche (veränderte) Rolle das Territorium oder andere räumliche Einheiten darin spielen.90 Die Rolle ›materieller Umwelten‹ blitzt vor allem in einzelnen Passagen auf. So zeichnet Foucault die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gouvernementalitäten anhand raumplanerischer und geometrischer Arrangements nach. Die »Raumfragen« bilden in den Vorlesungen zur Gouvernementalität eine zentrale Linie der Analyse: »Und andererseits sind die Raumprobleme allen dreien gleichermaßen gemeinsam in dem Sinne, daß sich dies für die Souveränität von selbst versteht, da das, wo die Souveränität zutage tritt, ja zunächst wie etwas ist, das sich auf das Innere 89
90
Interessanterweise definieren die beiden Werke – obwohl sie beide auf die enge Beziehung des Ökologischen zur Kybernetik eingehen – das Spezifische am Ökologischen auf teils gegensätzliche Weise: Während Bühler (2018, S. 8) schreibt, ökologische Probleme »zeichnen sich [.] durch ihre grenzüberschreitende Dimension« aus, sieht Sprenger (2019) Ökologie in der Tradition der Kybernetik als Wissenschaft der geschlossenen Systeme, die er in der Metapher des Kreises verkörpert sieht: »Ökologisches Wissen ist, so kann man an dieser Stelle festhalten, ein Wissen von Kreisläufen und Kreisen, von Zirkulationen und ihren Regulationen. Die Geschichte dieses Wissens ist durchzogen von Denkmodellen, Metaphern, Bildern und Schemata, die auf Symbole sowie Geometrien des Kreisförmigen zur Darstellung von Zirkulationen zurückgreifen.« (Sprenger 2019, S. 267). Auch unterscheiden sich die beiden Werke in ihrem Bezug auf das Gouvernementalitätskonzept Foucaults: Bühler sieht in der »ökologischen Gouvernementalität« eine Entwicklung, die sich parallel zur modernen Gouvernementalität entwickelt und im Widerspruch zu dieser steht; Sprenger sieht in der Ökologisierung eine Intensivierung und Fortsetzung der Biopolitik, wie sie Foucault konzeptualisiert hat. Elden (2007) hat das Territorium und die Kalkulation als die zwei Bereiche herausgestellt, die sich, insbesondere in der Geographie, für eine weitergehende Analyse von Foucault Gouvernementalitätsansatz anbieten. Daran anschließend haben einzelne Wissenschaftler:innen auch empirisch zur Frage der Territorialisierung gearbeitet (Bluwstein 2017).
89
90
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
des Territoriums richtet. Doch die Disziplin umfasst eine räumliche Aufgliederung und, wie ich glaube, die Sicherheit gleichermaßen, und genau darüber, über diese unterschiedliche Behandlung des Raums durch die Souveränität, die Disziplin und die Sicherheit, möchte ich jetzt zu Ihnen sprechen.« (Foucault 2006b, S. 28) Foucault zeichnet diesen Wandel am Beispiel der Städte nach. Sei in der Souveränität die Stadt noch durch eine »juridische und administrative Besonderheit« gekennzeichnet − die »Einschließung im Innern eines ummauerten und befestigten Raumes« (Foucault 2006b, S. 29) − und spiegele damit zum einen das Konzept der Souveränität als die Herrschaft über ein fest definiertes und umgrenztes Territorium und bilde zugleich deren Repräsentanz (ebd., S. 31), so kehre sich dieser räumliche Bezug in der Disziplin um. Die neuen Städte jener Zeit, gebaut nach dem Vorbild des römischen Feldlagers, seien nicht in Hinblick auf den territorialen Staat gedacht, sondern »von dem vergleichsweise Kleineren aus, von einer geometrischen Figur aus, einer Art architektonischem Modul, nämlich dem Karree oder dem Rechteck, die selbst durch Kreuze in weitere Karrees oder Rechtecke unterteilt sind« (ebd., S. 34). Dieses Rechteck prägt die Straßennetze, die Anordnung der Gebäude, die Aufteilung der Gebäude im Inneren, und diese räumliche Anordnung ist nicht nur Symbol, sondern Funktionsprinzip für die disziplinarische Ordnung: »Ich glaube, dass man in diesem einfachen Schema genau die Disziplinarbehandlung der Multiplizitäten im Raum wiederfindet, das heißt die Konstituierung eines leeren und geschlossenen Raumes, in dessen Innerem künstliche Multiplizitäten errichtet werden, die nach dem dreifachen Prinzip der Hierarchisierung, der exakten Verbindung der Machtverhältnisse und der für diese Verteilung spezifischen funktionalen Einflüsse organisiert sind, zum Beispiel Sicherstellung des Handels, Sicherstellung des Wohnens usw.« (Foucault 2006b, S. 35) Mit dem Aufkommen der Sicherheitsdispositive nehmen die Städte wiederum eine andere Gestalt an: Das zentrales Problem sieht Foucault nun in der »Zirkulation«. Die Verweise auf die Symbolik des menschlichen Herzens und des Blutkreislaufes sind kein Zufall. Die Sicherheit bedeutet den Beginn der Biomacht als neuem Prinzip der Gouvernementalität: Das Regieren richtet sich nicht mehr auf das Territorium oder die Multiplizität von Individuen, sondern auf die Bevölkerung als Ganzes, die dadurch konstituiert wird. Die Regierung zielt nicht mehr darauf, räumliche Arrangements in einem leeren Raum herzustellen, sondern das Lebendige, Fließende, das sie vorfindet, zu regulieren und zu kanalisieren: »[E]s handelt sich darum, die Zirkulation zu organisieren, das, was daran gefährlich war, zu eliminieren, eine Aufteilung zwischen guter und schlechter Zirkulation vorzunehmen und, indem man die schlechte Zirkulation verminderte, die gute zu maximieren […] Die Sicherheit ihrerseits stützt sich auf eine gewisse Anzahl
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
materieller Gegebenheiten. Sie arbeitet selbstverständlich mit der Lage, dem Ableiten von Abwässern, mit den Inseln, mit dem Freiland usw. Sie bearbeitet folglich ein Gegebenes.« (Foucault 2006b, 37f.) Entsprechend der Normalisierung als Regulierungsprinzip der Sicherheit geht es nicht mehr um exakte Anordnung und Perfektion, um eine klare Trennung zwischen Erlaubtem und Verbotenem, sondern um Wahrscheinlichkeiten, Tendenzen, um die ›Lenkung des Zufalls‹ in den Ereignissen. Foucault führt hier den Begriff des Milieus ein, als »Raum, in dem sich die Serien von aleatorischen Ereignissen abspielen« (Foucault 2006b, S. 40):91 »Das Milieu wird folglich das sein, worin die Zirkulation zustande kommt. Das Milieu ist ein Ensemble von natürlichen Gegebenheiten, Flüssen, Sümpfen, Hügeln, und ein Ensemble von künstlichen Gegebenheiten, Ansammlung von Individuen, Ansammlung von Häusern usw. Das Milieu ist eine bestimmte Anzahl von Wirkungen, Massenwirkungen, die auf all jene gerichtet sind, die darin ansässig sind. Es ist ein Element, in dessen Innerem eine zirkuläre Umstellung von Wirkungen und Ursachen zustande kommt, das ja dasjenige, was auf der einen Seite Wirkung ist, auf der anderen Seite Ursache ist.« (Foucault 2006b, S. 41) Das Ziel ist also nicht, über den Ablauf einzelner Aktionen oder das Handeln einzelner Individuen zu bestimmen, sondern einen Rahmen zu schaffen, in dem die Ereignisse, oder eine bestimmte Zahl von Ereignissen, über die Zeit bestimmte Formen annehmen und in ihrer Gesamtheit in eine Richtung tendieren. »Disziplin regelt definitionsgemäß alles. […] Das Sicherheitsdispositiv […] lässt im Gegenteil gewähren.« (Foucault 2006b, S. 74) »All dies zusammenfassend können wir sagen, daß, während die Souveränität ein Territorium kapitalisiert und das Hauptproblem des Regierungssitzes aufwirft, während die Disziplin einen Raum architektonisch gestaltet und sich das wesentliche Problem einer hierarchischen und funktionellen Aufteilung der Elemente stellt, wird die Sicherheit versuchen, ein Milieu im Zusammenhang mit Ereignissen oder Serien von Ereignissen oder möglichen Elementen zu gestalten, Serien, die in einem multivalenten und transformierbaren Rahmen reguliert werden müssen. Der Sicherheitsraum verweist also auf eine Serie möglicher Ereignisse,
91
Das Milieu ist auch in Bezug auf einen weiteren Aspekt ein interessantes Konzept, denn es verweist auf eine Frage, die auch für die STS und die ANT zentral ist: die Frage, wie über Distanz auf andere Akteure eingewirkt werden kann. »Was ist das Milieu? Es ist dasjenige, was notwendig ist, um über die Distanzwirkung eines Körpers auf einen anderen zu berichten. Es ist demnach wohl der Träger und das Zirkulationselement einer Wirkung. Es ist demnach das Zirkulations- und Kausalitätsproblem, das beim Begriff des Milieus zur Debatte steht.« (Foucault 2006b, S. 40, vgl. zum Milieu-Begriff ausführlich Sprenger 2019)
91
92
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
er verweist auf das Zeitliche und das Aleatorische, ein Zeitliches und ein Aleatorisches, die in einem gegebenen Raum eingeschrieben werden müssen.« (Foucault 2006b, S. 39f.) Diese Einprägung von bestimmten Gouvernementalitäten in den Raum bietet einen Anknüpfungspunkt für die Geographie − und aufgrund ihrer materialistischer Ausprägung auch für more-than-human-Ansätze. Rutherford (2007, S. 303) hat daran anschließend zu einer »scalar analysis of governmentality literature« aufgerufen. Crampton und Elden (2007) haben mit Space, Knowledge and Power ein eigenes Werk zur Beziehung Foucaults zur Geographie vorgelegt, das auch eine Reihe erstmals ins Englisch übersetzter Interviews und Vorlesungsskripte Foucaults enthält.92 Die Beiträge zentrieren sich um das enthaltene Interview Questions on Geography (Foucault 2007a), das Foucault 1976 mit der Zeitschrift Hérodote führte, und um die Fragen, die Foucault im Anschluss an die Redaktion der Zeitschrift schickte (Foucault 2007b).93 Die Verräumlichung von Regierungspraktiken spielt − außer im Beitrag des französisch-schweizerischen Geographen Raffestins, der früh ein eigenes Werk zu einer von Foucault geprägten Geographie vorgelegt hat, das sich von den englischsprachigen Ansätzen in Stil und Schwerpunktsetzung deutlich unterscheidet94 − darin jedoch nur selten eine Rolle. Der Beitrag zur Geographie der Gouvernementalität nimmt auf die zur Zeit der Veröffentlichung des Sammelbandes bereits vorliegenden Übersetzungen der Vorlesungen keinen Bezug, sondern bezieht sich nur auf Passagen aus Überwachen und Strafen (Foucault 1994) sowie die frühen Werke der governmentality studies (Burchell et al. 1991). Trotz der Rolle, die Foucault in der (englischsprachigen) Geographie inzwischen spielt, haben empirische Untersuchungen von Gouvernementalitäten die Verräumlichung von Regie-
92
93
94
Vgl. für eine Übersicht den Beitrag von Hannah (2007). Fall (2007) analysiert mögliche Gründe für die Tatsache, dass im Gegensatz zum angelsächsischen Sprachraum der Bezug auf Foucault in der französischen Geographie nahezu keine Rolle spielt. Dies hat sich über die letzten Jahre verändert. Ausgehend von einer jüngeren Generation von Studierenden und Forschenden werden Ansätze einer Kritischen Geographie zunehmend auch in Frankreich diskutiert (vgl. für ein Beispiel ESO-JEDI 2019). Foucault lässt der Redaktion im Anschluss an das Interview vier weitergehende Fragen zukommen: zur Unterscheidung von Strategie und Herrschaft; zur Frage von wissenschaftlichem und nicht-wissenschaftlichem Wissen (in Bezug auf Raum); wie in der Geographie Macht verstanden oder gedacht werde; schließlich, ob es möglich sei, eine Geographie – oder, wie er korrigiert – Geographien der Medizin zu untersuchen. Vgl. etwa den französischsprachigen Beitrag zur Debatte um »territorialité« (Raffestin 1986) sowie die Übersetzung des Artikels Could Foucault have Revolutionized Geography? in Crampton und Eldens Sammelband (Raffestin 2007).
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
rungspraktiken, die materiellen Arrangements und die productions of spaces die mit ihnen einhergehen, bisher nur vereinzelt in den Blick genommen.95
Dynamiken der Gouvernementalität Wie die im vorherigen Abschnitt zitierte Passage deutlich macht, stützen sich die Regierungstechniken auf bestimmte materielle Arrangements und bringen diese zugleich hervor − eine Form der Gouvernementalität bringt also immer auch eine bestimmte materielle Umwelt hervor, und nur diese ›Anordnung der Dinge‹ kann die Regierungstechniken zu einer Gouvernementalitätsform stabilisieren. Die Gouvernementalität geht aber über ein rein räumliches Anordnen von ›Dingen‹, über eine assemblage im eigentlichen Sinn des Wortes, hinaus. Die im vorangegangenen Abschnitt dargestellte Geschichte der »Raumprobleme« zeigt, dass die verschiedenen Verräumlichungen der Gouvernementalitäten jeweils entsprechend einem funktionellen Prinzip strukturiert sind: Die Elemente, die den Raum konstruieren, sind so angeordnet, dass sie bestimmte Funktionen erfüllen. In der Souveränität ist das die Einschließung, die zugleich eine Spiegelung, eine Repräsentanz darstellt; sie schafft eine eindeutige Grenze zwischen Innen und Außen. Die Disziplin ist ebenfalls durch eine Schließung gekennzeichnet, ihr Prinzip ist die Isolierung und Aufteilung der Individuen; ein Ziel ist hier, die Individuen daran zu hindern, der disziplinären Macht auszuweichen.96 Dies verändert sich mit den Sicherheitsdispositiven: Diese haben zum Ziel, den Fluss der Dinge und Menschen zu ermöglichen, zuzulassen, ihn zugleich aber zu lenken, zu sortieren, auf eine Art und Weise zu kontrollieren, dass bestimmte Effekte möglich oder wahrscheinlicher werden.97 Hier wird deutlich, dass eine rein statische Betrachtung der räumlichen Anordnungen nicht ausreicht, um das Wesen der Gouvernementalität zu begreifen. Während die Souveränität und die Disziplin 95
96
97
Eine Ausnahme stellen Teile der urbanen Geographie dar, die produktive Untersuchungen zur Gestalt der gebauten Umwelt in urbanen Räumen und deren Effekten hervorgebracht hat, etwa zur »Vertikalität« städtischer Sicherheits- und Baupolitik (Graham und Hewitt 2012) oder zu den Effekten von neuen Technologien auf die Regierung von urbanen Räumen (Crang et al. 2007). Dieses Einschließen ist zugleich ein räumliches und ein Handlungsprinzip. So nennt Foucault als Beispiel etwa die Kornpolizei des 18. Jahrhunderts: »Sie isoliert, sie konzentriert, sie schließt ein, sie ist protektionistisch« (Foucault 2006b, S. 73). Diese ›Bewegungsrichtungen‹ betreffen nicht nur die Wirkungen auf die Individuen oder Objekte der Regierung, sondern bestimmen die Dispositive selbst: »Die Disziplin ist wesentlich zentripedal« (Foucault 2006b, S. 73), sie isoliert einen bestimmten Raum, wohingegen die Sicherheitsdispositive »im Gegenteil die Tendenz haben, sich auszudehnen. Es werden ohne Unterlass neue Elemente integriert, man integriert die Produktion, die Psychologie, die Verhaltensweise, die Arten, wie man Produzenten, Käufer, Konsumenten, Importeure, Exporteure macht, man integriert den Weltmarkt. Es handelt sich also darum, immer weiträumigere Kreisläufe zu organisieren oder sich jedenfalls entwickeln zu lassen.« (Foucault 2006b, S. 73)
93
94
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
zumindest als temporärer Zustand über die Analyse einer statischen Anordnung zu begreifen sind − oder eher: diese statische Situation gerade herstellen −, ist die Gouvernementalität in ihren jüngeren Ausprägungen nur zu fassen, wenn man die räumlichen Aspekte mit zeitlichen kombiniert. Es ist nicht mehr nur die Frage, wo sich etwas befindet, sondern wohin und wie es sich bewegt. Es handelt sich um eine dynamische Anordnung, wie aus der Beschreibung der Zirkulation deutlich wird, um ein agencement, das eine Analyse von zeitlichen und räumlichen Prozesse nötig macht, um time-spaces, wie sie auch in Kap. 4 und 5 für die Analyse von Prozessen der marketization und in der Diskussion der verschiedenen Formen der ›Regierung des Waldes‹ eine Rolle spielen.98 Diese ›funktionalen Prinzipien‹ der räumlichen Arrangements bieten den Anknüpfungspunkt für eine materialistische Lesart der Gouvernementalitäten, für eine Form der Gouvernematerialität. Sie eröffnet in zwei Richtungen Möglichkeiten: Zum einen ermöglicht es die Einbeziehung von Ansätzen der ANT und des New Materialism, tiefer in die Struktur der Foucaultschen Arrangements und Dispositive einzutauchen, mehr ihres ›Innenlebens‹ fassen zu können: Welche Rolle kommt den menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren innerhalb der Regierungstechniken und -praktiken zu, wie wirken sie zusammen? Zum anderen bietet Foucault mit den Gouvernementalitäten eine Art ›Meta-Ebene‹ für die Analyse der Mikro-Praktiken an. Foucault hat mit der Entwicklung des Gouvernementalitätskonzeptes und der Analyse der Biomacht auch auf Kritik reagiert, keine Staatsoder Gesellschaftstheorie zu bieten − eine Kritik, die auch die ANT trifft. Die Gouvernementalitäten ermöglichen es, die einzelnen Mikro-Praktiken aus einer übergreifenden Perspektive zu betrachten, ohne ihre Spezifizität aus einem höheren Prinzip ableiten zu müssen. Eine solche Herangehensweise kann auch hier Sinn machen: Eine (materialistische) Gouvernementalität kann helfen, über die Betrachtung einzelner, isolierter Netzwerke hinauszukommen, und zugleich die Dynamik der Netzwerke stärker in den Blick zu nehmen, jenseits einer Momentaufnahme der Beziehungen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren die Bewegungen innerhalb eines Netzwerkes oder bei der Entstehung fassen zu können. Wie konstituieren sich Netzwerke? Wie kommen die Aktanten ins Netzwerk, wie gehen sie Verbindungen ein? Und wenn Aktanten unterschiedliche Energien und
98
Geograph:innen haben verschiedene Bezeichnungen verwendet, um darzustellen, wie Zeit und Raum sich gegenseitig konstituieren, die teils mit eigenen Konzeptionen diese Verhältnisses einhergehen, so etwa »space-time« (Massey 1994, 2005), »time-space« (u.a. Harvey 1990) oder »timespace« (May and Thrift 2003). Ich verwende hier time-spaces in einem allgemeinen Sinn, um die Verschränkung von zeitlichen und räumlichen Aspekten zu bezeichnen, wie sie für Formen der Regierung und der Konstitution von Märkten nötig ist (vgl. auch Kap. 4).
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Einflüsse haben, je nachdem wo im Netzwerk sie sich befinden, wie kommen sie an ihren Platz? Können Dinge angeordnet, bewegt, regiert werden? Zwei Punkte sind dabei wichtig. Zum einen geht es hier nicht um eine Einszu-Eins-Übersetzung von Foucaults Theorie auf einen neues Feld. Es geht vielmehr darum zu fragen, wie Foucault und Autor:innen, die sich auf Foucault beziehen, mit bestimmen Herausforderungen seiner Theorie umgegangen sind, und wie diese Erfahrungen fruchtbar gemacht werden können für die empirische Forschung und die Weiterentwicklung von Theorie-Ansätzen in der Political Ecology. Zum anderen darf Foucaults Gouvernementalitätsansatz − und im Anschluss daran der hier entwickelte theoretische Rahmen − keineswegs so verstanden werden, dass eine Gouvernementalität die anderen ablöst, dass es sich um eine feste Abfolge verschiedener, diskreter Regierungsformen handelt.
Die Gleichzeitigkeit der Regierungsmodi Der Versuch, verschiedene Formen der Regierung und Subjektivierung auszumachen, oder verschiedene Formen kapitalistischer Vergesellschaftung voneinander abzugrenzen, läuft immer Gefahr, damit eine historische Abfolge von Formationen nahezulegen, die eindeutig voneinander unterschieden werden können und sich gegenseitig ausschließen. Demgegenüber haben empirische Untersuchungen − auch aus dem Bereich der Political Ecology − deutlich gemacht, dass eine solche Unterscheidung in der Praxis nicht möglich ist, sondern dass verschiedene Formen der Inwertsetzung und Regulierung von Natur nebeneinander bestehen, sich ergänzen oder konkurrieren können. Bridge (2011) stellt in seiner Analyse der ›neuen‹ und der ›alten‹ Nutzung von Kohlenstoffverbindungen dar, wie deren Extraktion und Speicherung einen Kreislauf ergeben, und wie versucht wird, mit beiden Prozessen Gewinn zu machen. Filer (2012) zeigt am Beispiel Neuguineas, wie staatliche Projekte, die großflächig Wälder für die Kohlenstoffdioxid-Speicherung nutzen sollen, in Konflikt geraten mit den Interessen lokaler Eliten, für die eine Abholzung der Wälder einen höheren Profit bedeutet.99 Fletcher (2010, 2017) unterscheidet im Bereich Umweltschutz vier Formen von Regierungstechniken: disziplinäre, neoliberale, souveräne und »truth environmentalities«, wobei letztere tiefenökologische Ansätze bezeichnen oder solche, die Traditional Ecological Knowledge (TEK) einbeziehen.100 Im Anschluss daran haben sich weitere Studien mit den »multiple
99
Vgl. zur Diskussion um die Gleichzeitigkeit verschiedener Ansätze der Nutzung von und des Bezugs zu natürlichen Ressourcen auch Fairhead et al. 2012. 100 Fletcher (2010) konzipiert daneben die Idee einer »sozialistischen« oder »liberation governmentality«. Die konkreten Ausprägungen dieser vier bzw. fünf Formen führt er allerdings nicht aus. Auch gibt er in einer relativ freien Anwendung von Foucault dessen Konzept eines Aufeinanderaufbauens der Gouvernementalitäten auf und versteht diese eher als vier Herangehensweisen im Umweltschutz, die »mixed and matched« (S. 177) werden können.
95
96
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
environmentalities« befasst, die sich in Wald- oder anderen Umweltschutzprojekten ausmachen lassen (Bluwstein 2017; Asiyanbi 2019; Fletcher 2017). Auch Foucault hat deutlich gemacht, dass die verschiedenen Formen der Regierung − obwohl er in ihrem Aufbau eine gewisse Teleologie hin zur Sicherheitstechnik nahelegt, die er in frühen Vorlesungen noch die Gouvernementalität nennt − keineswegs als historische Abfolge gedacht werden können: »Folglich haben Sie überhaupt keine Serie, deren Elemente eins auf das andere folgen, wobei diejenigen, die zum Vorschein kommen, die vorhergehenden verschwinden lassen. Es gibt kein Zeitalter des Rechtlichen, kein Zeitalter des Disziplinarischen, kein Zeitalter der Sicherheit. Sie haben keine Sicherheitsmechanismen, die den Platz der Disziplinarmechanismen einnehmen, wobei diese den Platz der Disziplinarmechanismen einnehmen, wobei diese den Platz der juridisch-rechtlichen Mechanismen eingenommen hätten. In Wirklichkeit haben Sie eine Serie komplexer Gefüge, in denen sich sicherlich die Techniken selbst, die sich vervollkommnen oder sich jedenfalls komplizieren, ändern, doch was sich vor allem ändert, ist die Dominante oder genauer gesagt das Korrelationssystem zwischen den juridisch-rechtlichen Mechanismen, den Disziplinarmechanismen und den Sicherheitsmechanismen. Anders gesagt, Sie werden eine Geschichte haben, die eine Geschichte der Techniken im engeren Sinne ist.« (Foucault 2006b, 22f.) Bestimmte Techniken − Foucault nennt hier als Beispiel die Zellentechnik, die Praktik des ›Einsperrens‹ − werden in verschiedenen Gouvernementalitäten unterschiedlich eingesetzt und genutzt. Verschiedene Regierungsformen existieren nebeneinander, gleichzeitig, und sie können sich auf dasselbe Objekt richten. Entscheidend für die Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen ist nicht, welche Regierungstechniken oder Dispositive vorliegen, sondern welche dominieren, das »Leitbild« darstellen, in welche Richtung sich die Regierungsformen tendenziell entwickeln. Entscheidend sind hier die oben bereits erwähnten Dynamiken, die die Regierungstechniken ausmachen, und ihre time-spaces, ihre räumlichen und zeitlichen Aspekte.
Mit Dingen regieren – Dinge regieren In diesem Abschnitt habe ich mich mit der Frage beschäftigt, wie Ansätze innerhalb der Political Ecology, die den Blick verstärkt auf die Rolle nicht-menschlicher Akteure richten, mit Foucaults Gouvernementalitätskonzept zusammengebracht werden können. Ich habe die ›materialistischen‹ Aspekte von Foucaults Ansatz herausgearbeitet, und mich anschließend, ausgehend von seiner Konzeption der Regierungspraktiken als »Raumproblemen«, den räumlichen und raum-zeitlichen Aspekten der Gouvernementalität zugewandt. Diese bilden den Anknüpfungspunkt für eine ›materialistische‹ Lesart der Gouvernementalität.
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
Es besteht kein Zweifel, dass Foucault die ›Dinge‹ mitgedacht hat. Mit der Entwicklung moderner Regierungstechniken gilt: »Regieren heißt, die Dinge regieren.« (Foucault 2006b, S. 147): »Es geht also […] nicht darum, den Menschen ein Gesetz aufzuerlegen, es geht darum, Dinge anzuordnen, das heißt eher Taktiken als Gesetze oder allenfalls Gesetze als Taktiken einzusetzen und es durch eine bestimmte Anzahl von Mitteln so einzurichten, daß dieses oder jenes Ziel erreicht werden kann.« (Foucault 2006b, S. 150) Dieses ›Ziel‹ der Regierung sind jedoch menschliche Subjekte. Foucault bleibt hier einer anthropozentrischen Perspektive verhaftet. Wo die Dinge eine Rolle spielen, spielen sie eine Rolle für den Menschen, als Instrument für seine Zwecke, als Mittel von Menschen, um andere Menschen zu ›führen‹, zu bewegen oder an der Bewegung zu hindern. Die meisten Untersuchungen zu Formen der green governmentality beziehen sich genau hierauf: auf die Frage, wie unter einer spezifischen Form der Regierung der Umgang der Subjekte mit der materiellen Umwelt geformt wird. Dabei wurde Foucaults Konzept der Gouvernementalität seit Ende der 1990er Jahre auch vermehrt genutzt, um den Umgang mit Wäldern zu beschreiben (u.a. Agrawal 2005a; Demeritt 2005; Peluso und Vandergeest 2001; vgl. für eine Übersicht Winkel 2012).101 So analysiert Demeritt (2001) das Aufkommen einer disziplinären Gouvernementalität in der Forstwirtschaft der USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Zusammenhang mit dem Einsatz neuer statistischer Methoden und den Expert:innen, die diese einsetzen. Peluso und Vandergeest (2001) zeichnen nach, wie in fünf ausgewählten Regionen der heutigen Staaten Thailand, Malaysia und Indonesien ab dem späten 18. Jahrhundert bis in die 1940er Jahre das geschaffen wurde, was sie »political forests« nennen, »lands states declare as forests«, die sie als zentralen Bestandteil kolonialer Staatsformierung analysieren, »both in terms of the territorialization and legal framing of forests and the institutionalization of forest management as a technology of state power« (Peluso und Vandergeest 2001, S. 762). Porter (2016) beschreibt die Rolle von Kartierungs- und Planungsprozessen bei der Durchsetzung kolonialer Forstpolitik und deren andauerndes Konfliktpotential am Beispiel eines Waldstücks in Virginia, Australien. Bose et al. (2012) zeigen für Indien, wie die Klassifizierung von Waldgebieten von der Kolonialzeit bis heute die Identitäten deren Bewohner:innen prägt. Wie diese Beispiele deutlich machen, konzentrieren sich diese Studien überwiegend auf die koloniale Forstpolitik, die sie häufig lokalen oder indigenen Kon101
Winkel (2012) stellt in einer Studie zur Nutzung Focaultscher Ansätze für die Analyse von Waldpolitiken fest, dass diese vor 1995 kaum zu finden ist, seit 2005 jedoch deutlich zugenommen hat.
97
98
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
zeptionen des Waldes entgegensetzen. In diesen Analysen spielen häufig Diskurse eine zentrale Rolle, die die Verbreitung »moderner« Forstpolitiken in kolonialen und postkolonialen Zusammenhängen ermöglichten; ebenso die Produktion bestimmter Formen von Wissen, die Rolle von Expert:innen, statistische und quantitative Methoden, Praktiken des Klassifizierens und deren disziplinierende Effekte. Die − zahlenmäßig geringeren − Werke, die sich mit der jüngeren Gegenwart befassen, haben ›neoliberale‹ Gouvernementalitäten in Wäldern untersucht, in Zusammenhang mit der Entstehung neuer Subjektivitäten und Formen der »Selbstregierung« durch Instrumente wie community forestry (Agrawal 2005a; Asiyanbi 2019).102 Auch wenn der Wald selbst in den hier dargestellten Studien eine Rolle spielt, stehen im Zentrum der Analyse menschliche Akteure, die Regulierung des Verhaltens der Subjekte im Wald, »discipling people’s actions vis-a-vis the forest« (Peluso und Vandergeest 2001, S. 764). Hier stellt sich die Frage: Kann man diese Analyse der Gouvernementalität über den Menschen hinaus ausdehnen? Wie werden Tiere, Dinge, Materie ›regiert‹, wie wirken sich verändernde Gouvernementalitäten auf diese aus? Richten sich die Regierungstechniken gleichermaßen, ohne Unterschied, auf Menschen, Tiere und Dinge, oder gibt es diesbezüglich Unterschiede? Macht die ›Materialität‹ der Dinge, wie es Bakker (2010) für die neoliberalen Regierungspraktiken annimmt, einen Unterschied? Lassen sich auch bezüglich des Umgangs mit Tieren, Pflanzen oder anderen Bereichen der physischen ›Umwelt‹ spezifische Formationen, bestimmte Gouvernementalitäten unterscheiden? Ich habe hier den Begriff ›Gouvernematerialität‹ vorgeschlagen, um den doppelten Bezug der Gouvernementalität zum Materiellen, zu den ›Dingen‹ − was alle nicht-menschlichen Entitäten einschließt − deutlich zu machen: Zum einen, um zu zeigen, dass Gouvernementalitäten immer auch die Dinge einbeziehen, um mit ihnen zu regieren, und dass darauf hier ein besonderer Blick liegt, zum anderen, um zu zeigen, dass nicht ausschließlich die Regierung von Menschen durch Menschen gemeint ist, sondern auch das Regieren der Dinge selbst. Die räumlichen Aspekte der Gouvernementalitäten sind, wie in diesem Kapitel gezeigt wurde, vor allem in Bezug auf disziplinäre Konstitutionen untersucht worden, und dort vor allem in Bezug auf städtische oder ›gebaute‹ Räume. Die Besonderheit neoliberaler Gouvernementalität und ihr Bezug zum Materiellen kann besonders deutlich herausgearbeitet werden, wo sie mit anderen Formen der Gouvernementalität verglichen werden kann. Auch ohne eine umfassende Geschichte der ›Naturverhältnisse‹ bestimmter Gouvernementalitäten liefern zu wollen, kann
102 Der Großteil der hier genannten Studien bezieht sich auf Länder des Globalen Südens. Es gibt jedoch auch vereinzelt Beispiele, die sich mit den Wäldern des Globalen Nordens beschäftigen, etwa den »forest wars« in Skandinavien (Berglund 2001) oder den borealen Wäldern Kanadas (Baldwin 2016).
2 Neoliberale Naturen und die Rückkehr eines anderen Materialismus
eine genealogische Methode verdeutlichen, was spezifisch an neoliberalen Gouvernematerialitäten ist und welche Formen einer solchen sich in einem bestimmten Gebiet ausmachen lassen. Die Annahme ist hier, dass sich Unterschiede zwischen verschiedenen Modi der Gouvernementalität zeigen lassen, indem man sich die materiellen Umwelten anschaut, die sie hervorbringen, und die Formen, wie diese hergestellt werden. Dies wird im Folgenden anhand des Maâmora-Waldes im Norden Marokkos untersucht; er dient als Fallbeispiel, um eine Genealogie und Beschreibung der ›Regierung des Waldes‹ zu skizzieren, Stärken und Schwächen des Ansatzes herauszuarbeiten und ihn weiterzuentwickeln.
99
3 Methodisches Vorgehen
»The development of a world of thought may be presented in two different ways: either chronologically, or in the obverse direction by following the essentials of the system back to their origins. The first, the chronological sequence may be inappropriate when the growth of thought is spread over the tortuous and discontinuous course of several decades of human affairs. In these last sixty years we have experienced a dialectic of radical breaks, unmediated contradictions and repeated returns to already discarded positions which make it difficult, if not impossible, to discern the underlying logic of advance. The other way … is to trace it back from the completed pattern to the origins of separate strands.« (Polanyi 1962, zit.n. PolanyiLevitt und Mendell 1987, S. 9) Diese Gedanken zur Methodologie, die Karl Polanyi 1962 formulierte, haben sechzig Jahre später weiterhin Gültigkeit. Auch heute lässt sich argumentieren, dass die letzten Jahrzehnte radikale Umbrüche in der Wissenschaft gesehen haben, dass das wiederholte Aufkommen und Verschwinden methodischer Zugänge, wie Polanyi feststellt, es schwierig, wenn nicht unmöglich mache, eine zentrale Logik der Entwicklung bestimmter Denk- und Ordnungssysteme auszumachen − sofern man davon ausgeht, dass eine solche existiert und erkannt werden kann. Und dies gilt nicht nur für die Ideengeschichte, auf die Polanyi sich bezog, sondern auch für die im letzten Kapitel dargestellten Formen des Regierens. Der zweite Ansatz, den Polanyi skizziert, dient als Anregung für die methodische Herangehensweise der vorliegenden Arbeit: Ausgehend von einem aktuellen Fallbeispiel − dem derzeit laufenden Versuch, mediterrane Wälder wie den Maâmora-Wald in Marokko in den globalen Kohlenstoffhandel einzubeziehen − erkunde und diskutiere ich in den folgenden Kapiteln die Entwicklungslinien, Diskurse und Arrangements, die das Untersuchungsfeld konstituieren, und gehe dabei in zeitlicher wie in räumlicher Hinsicht über das Fallbeispiel hinaus. Ich gehe im ersten Teil auf die Genealogie des Maâmora-Waldes ein und zeichne die historische Entwicklung der Waldbewirtschaftung nach; und ich beschäftige im zweiten Teil mit den laufenden Prozessen der Inwertsetzung und ihren räumlichen und zeitlichen Bezügen. Während der erste Zugang eher in die ›Tiefe‹ geht, geht der
102
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
zweite in die Breite und folgt den Netzwerken, in die die Versuche, im MaâmoraWald ein neues Management zu installieren, eingebettet sind. Mein Hauptinteresse gilt dem Kreuzungspunkt dieser beiden Perspektiven. Dort versuche ich Brüche und Verschiebungen in den Machtverhältnissen und in den Formen der Regierung menschlicher und nicht-menschlicher Akteure herauszuarbeiten. Im Unterschied zu Vertreter:innen einer ›radikalen‹ Form der AkteurNetzwerk-Theorie (ANT) bin ich, wie in Kap. 2.2 dargelegt, kritisch gegenüber der Möglichkeit einer rein induktiven Herangehensweise, die völlig unvoreingenommen an den Untersuchungsgegenstand herangeht. Die theoretischen Grundannahmen, von denen ich ausgehe, habe ich in Kap. 2 offengelegt. Analog zu Untersuchungen, die sich auf die grounded theory stützen, habe ich mich in ›Runden‹ um den Gegenstand der Untersuchung und von ihm ausgehend in verschiedene Richtungen der Analyse, ebenso wie zwischen Theorie und Empirie, hin- und herbewegt.1 Aus dieser offenen, themenzentrierten Herangehensweise haben sich die Methoden und weiterführenden Fragen für die Untersuchung ergeben. Ausgangspunkt der Untersuchung waren dabei das Projekt Maximizing the production of goods and services of Mediterranean forest ecosystems in the context of global changes, das von 2012 bis 2015 von der FAO und Plan Bleu durchgeführt wurde, sowie die Leitfragen, die ich in der Einleitung formuliert habe. Die theoretischen Zugänge, die den konzeptionellen Rahmen der Untersuchung bilden, legen einige ›Werkzeuge‹ nahe, diese Fragen anzugehen, bringen jedoch auch Herausforderungen und Widersprüche mit sich. Diese werden im Folgenden kurz diskutiert, ehe die konkrete methodische Umsetzung vorgestellt wird.
1
Diese Arbeit arbeitet nicht strikt nach dem Vorgehen, das Glaser und Strauss (2007 [1967]) als Grounded Theory vorgeschlagen haben, übernimmt jedoch einige Anregungen von dieser. Die Grounded Theory is explizit entwickelt worden als Versuch, induktives und deduktives Vorgehen zu kombinieren, indem sie, ausgehend von Leitfragen, wechselnde Runden der Aufnahme von (qualitativen) Daten und dem (induktivem) Strukturieren und Analysieren derselben vorschlägt. Daraus entstehen Arbeitshypothesen oder vorläufige Theorien, die dann durch weitere Datensammlungen überprüft werden. Der Vorschlag zielt weniger, wie etwa Ansätze in der Anthropologie oder in poststrukturalistischen Forschungsdesigns dazu, die Sichtweise verschiedener Akteure herauszuarbeiten und darzustellen, sondern versucht, in einem reflexiven Prozess empirisch gestützte Theorien und Aussagen über Strukturen herauszuarbeiten.
3 Methodisches Vorgehen
3.1
Gedanken zur Methodik
Methoden der Political Ecology Die Political Ecology war, wie in Kap. 2 beschrieben, von Beginn an eine ›Grenzdisziplin‹. Arbeiten, die sich in diesem Feld verorten, haben daher immer auch Ansätze und Methoden aus anderen Disziplinen übernommen und in die eigene Arbeit integriert. Da die Political Ecology in vielen Fällen zugleich das Handeln von Menschen als auch den Zustand der physischen Umwelt untersucht, waren und sind Arbeiten aus diesem Feld in vielen Fällen durch »multi-method approaches« und eine inter- oder transdisziplinäre Herangehensweise gekennzeichnet. Die Breite an Methoden in der empirischen Forschung wurde durch das Aufkommen poststrukturalistischer und konstruktivistischer Ansätze und die damit verbundene »Pluralisierung der Methoden« in der Humangeographie (Mattissek et al. 2013) noch ausgeweitet. Das Repertoire reicht von der Einbeziehung von Methoden aus der Ökologie bis zur Diskursanalyse. Fernerkundungsdaten und Kartographie waren in der Umweltforschung von Beginn an bedeutsam, sie haben mit den jüngsten technischen Entwicklungen, insbesondere der Verfügbarkeit großer Mengen ans Satellitendaten, weiter an Bedeutung gewonnen.2 Ethnographische Ansätze spielen − auch durch die Nähe zur Anthropologie, die neben der Geographie die wichtigste Disziplin in der Political Ecology ist − zunehmend eine wichtige Rolle, etwa zur Analyse von sozio-ökologischen Konflikten oder jüngst auch als »ethnography of ›natural agency‹« (Little 2007). Während die theoretischen Verortungen der Political Ecology mit ihren verschiedenen Strängen in der Geographie und der Anthropologie ausführlich debattiert wurden (vgl. Kap. 2), gibt es zur Methodologie der Political Ecology wenig Literatur. Methodische Fragen werden vorrangig in Bezug auf die einzelnen Fallbeispiele oder innerhalb der jeweiligen Disziplin, der sie entnommen sind, behandelt.3 Vorschläge aus der frühen Political Ecology, wie das Folgen von »chains of explanation« (Blaikie und Brookfield 1987) bleiben hinsichtlich ihrer konkreten Umsetzung vage, sie sind zudem der Kritik ausgesetzt, simplifizierend und hierarchisierend zu sein (Robbins 2011; Doolittle 2008). Die Frage, welche Methoden für die jeweilige Untersuchung geeignet sind und wie diese kombiniert werden können, kann, wie Doolittle (2008) beschreibt, daher gerade für Nachwuchswissenschaftler:innen eine Herausforderung sein:
2
3
Der Einsatz von Geographical Information Systems (GIS) in der sozialwissenschaftlichen Forschung wird dabei durchaus kontrovers diskutiert, vgl. etwa Nalepa und Bauer 2012; Chrisman 2005. Auch Überblicks- und Einführungswerke wie Robbins (2011) gehen auf methodologische Fragen oder Methoden der Political Ecology nicht ein.
103
104
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
»As a result there is tremendous opportunity for creativity in defining a research project, and methods can be legitimately borrowed from many disciplines. This freedom comes with a cost. If there is no single standard, how do we know we are doing it ›right‹? […] Particularly for scholars interested in a political ecology approach to understanding human-environmental relationships, very little has been written examining the details of ›how to‹ design a project, develop appropriate methods, produce data, and, finally, integrate multiple forms of data into an analysis.« (Doolittle 2008, 67f.) Zugleich ist die ›breite‹ Herangehensweise das Merkmal und die Stärke der Political Ecology (und der kritischen Geographie insgesamt); sie ist ein Grund dafür, dass innovative Ansätze aus anderen Disziplinen aufgenommen, weiterentwickelt und auf ihre möglichen Verbindungen und Widersprüche geprüft werden können. Einem solchem »multi-method approach« folgt auch die vorliegende Arbeit, indem sie, wie im Folgenden beschrieben, verschiedene Methoden kombiniert: Die detaillierte Analyse von Dokumenten; Feldforschung, die im Sinne einer »multi-sited ethnography« an verschiedenen Orten stattfand und (teilnehmende) Beobachtung und qualitative Interviews umfasste; schließlich die Auswertung quantitativer Daten über die Entwicklung des Waldes.
Lokal, global, regional – questions of scale »So how does one study the global?« fragt Tsing (2005, S. 1) in ihrem Buch Friction, in welchem sie, ausgehend von den Regenwäldern Indonesiens, eine »ethnography of global connection« entwirft. Die Frage, wie verschiedene ›Ebenen‹ zusammenwirken, ist, wie in Kap. 2 dargestellt, eine zentrale Frage der Diskussionen um das Neoliberale und die neoliberale Natur. Auch Umweltdiskurse und -fragen hatten, seit sie in den 1970er Jahren aufkamen, eine enge Verbindung zu Fragen von scale und scalarity; die ›Globalität‹ von Umweltproblemen wurde als eines ihrer zentralen Merkmale wahrgenommen (vgl. etwa Beck 1986; WCED 1987). Auch was die Untersuchung von Märkten angeht − gerade im Bereich Klimawandel und Ökosystemdienstleistungen − zeigt sich, dass diese eine große Breite an scales umfassen und sich kaum an einer spezifischen Lokalität festmachen lassen, wie Fairhead et al. (2012, S. 243) feststellen: »the workings of new markets can be curiously dislocated from – or not experienced directly by – those whose lands and resources are traded.« Die Geographie hat in den letzten drei Dekaden eine intensive Debatte um scale gesehen, von Smith‹ Überlegungen zum Zusammenhang von scale und uneven development (Smith 1992, 2010 [1984], vgl. auch Kap. 5) bis hin zur Frage, ob scale als Kategorie ganz aufgegeben werden sollte (Marston 2000; Marston et al. 2005; für teils kritische Repliken vgl. Brenner 2001; Jonas, Andrew 2006; Leitner und Miller
3 Methodisches Vorgehen
2007; Moore 2008; für einen Beitrag aus der Political Ecology Neumann 2009). Scale ist heute in weiten Teilen der Geographie zumindest dem Anspruch nach weniger Kategorie als viel mehr Objekt der Analyse, ausgehend von der These, dass ›Ebenen‹ wie das Lokale, Regionale oder Globale nicht gegeben sind, sondern praktisch und diskursiv hergestellt werden und eng mit Macht- und Herrschaftsverhältnissen verbunden sind: »scalar configurations [are] the outcome of socio-spatial processes that regulate and organise social power relations« (Swyngedouw 2004, S. 26). In diesem Sinne verstehe ich die verschiedenen Ebenen, die in dieser Arbeit immer wieder auftauchen, nicht als hierarchische Anordnung, bei denen ein Niveau funktional abhängig ist von einem anderen oder ein ›höheres‹ grundsätzlich ein ›niedrigeres‹ kontrolliert. Die Ebenen sind vielmehr selbst das prekäre Produkt eines komplexen Herstellungsprozesses, in den Machtverhältnisse und Wissenspraktiken eingeschrieben sind. Sie sind selbst relationale Netzwerke, die durch spezifische Diskurse, Praktiken und Arrangements geschaffen und aufrechterhalten werden, haben zugleich aber wiederum ihre eigenen Auswirkungen, die zu analysieren es voraussetzen, diese Ebenen und ihre Effekte wahrzunehmen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Projekt, das die Konstruktion verschiedener Ebenen einschließt, zu untersuchen. Studien aus der Political Ecology, insbesondere in der Anthropologie, konzentrieren sich häufig auf eine spezifische Lokalität, anhand derer sie zeigen, wie das ›Globale‹ oder das ›Nationale‹ in die Entwicklungen vor Ort hineinspielen und zugleich durch diese geprägt werden, wie etwa in der oben erwähnten Arbeit von Tsing (2005). Ein anderer Ansatz ist es, den »Dingen zu folgen«, etwa im Fall von Global value chains, die den Herstellungsprozess einer spezifischen Ware nachzeichnen, wie es etwa Berndt und Boeckler (2011; 2017) am Beispiel von Tomaten getan haben, die in die USA oder die EU exportiert werden.4 Mit der »multi-sited ethnography« hat Marcus (1995) eine Methode vorgeschlagen, die explizit das Delokalisierte, die ›Zwischenräume‹ einbezieht und helfen soll, ethnographische Untersuchungen durchzuführen, die sich nicht auf eine Lokalität beschränken. Mein Ansatz bewegt sich zwischen den beiden letztgenannten. Ich bin, wie oben beschrieben, von einer Lokalität, einem place, ausgegangen – dem Maâmora-Wald in Marokko, um den sich die Arbeit zentriert. Doch die Inwertsetzungsprozesse, die dort stattfinden, lassen sich nicht fassen, ohne die globale Erwärmung einzubeziehen, die politischen Antworten auf diese, ebenso wie die
4
Den ›Dingen‹ oder ›Akteuren‹ zu folgen ist ein klassischer Ansatz der ANT, Latour schlägt diese Methode als Alternative für die von ihm kritisierten herkömmlichen Methoden der Sozialwissenschaften vor (Latour 2017a). »Follow-the-thing«-Ansätze sind seit den 1990er Jahren auch in der Humangeographie zunehmend beliebt, sei es zur Untersuchung von Geldströmen (Christophers 2011), Konzepten (Peck und Theodore 2012) oder Agrarerzeugnissen wie Papayas (Cook 2004).
105
106
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Regionalisierungstendenzen in den mediterranen Wäldern. Meine Forschung fand daher nicht nur im Wald selbst statt, sondern an Forschungsinstituten und in Ministerien, bei den internationalen Workshops des untersuchten Projektes, UN-Klimakonferenzen und am Sitz der FAO in Rom. Mein Fokus lag dabei auf den ›Übersetzungspunkten‹. Übersetzungen werden dabei nicht begriffen als einfache Übertragungen von einer Ebene (oder Sprache) auf die andere, sondern, wie auch in der ANT, im Sinne einer mechanischen Übersetzung, einem Weiterleiten und Umlenken von Kräften;5 als Übersetzungen, die scales produzieren und zusammenbringen. Daher liegt ein Fokus auf jenen Elementen und Praktiken, die explizit oder implizit zum Ziel haben, Verbindungen herzustellen (oder zu verhindern): zwischen Ebenen, Regionen, Diskursen, menschlichen und nichtmenschlichen Entitäten.
Archäologien der Macht: Die Erforschung von Gouvernementalitäten Im letzten Absatz habe ich argumentiert, dass sich die Schaffung der neuen Ware Kohlenstoffzertifikat, auf die das untersuchte Projekt zielt, nur aus einer transskalaren Perspektive untersuchen lässt. Eine zweite Grundannahme der Untersuchung ist, dass die Prozesse, die für die Herstellung dieser Ware und die Schaffung der damit verbundenen Märkte nötig sind, sowohl auf bestimmten diskursiven Arrangements, als auch auf bestimmten Technologien und Formen des Wissens beruhen. Fairhead et al. (2012) schreiben zur Untersuchung neuer »Ökosystemdienstleistungen«: »Thus science-policy discourses have produced carbon as a commodity, shaped forests as ›otherwise disappearing‹, given value to biodiversity and cast biofuels as sustainable. These moves in turn suggest a Foucauldian knowledge/power relation in the production of scarcity (Mehta 2011), loss (Fairhead and Leach 2003) and repair (Leach et al. 2012). Markets in these discursive commodities have therefore emerged from complex encounters between science, technology and politics, and it is the interactions between such discursive and political-economic relations that must be at the centre of any analysis.« (Fairhead et al. 2012, S. 241) Dieses Interesse für das Zusammenspiel von Wissenschaft, Technologie und Politik − oder, in einem allgemeineren Sinn, von Wissen, Techniken und Macht − steht im Zentrum der Untersuchungen der Gouvernementalität, und auch im Zentrum dieser Arbeit. Die Frage, mit welchen Methoden Gouvernementalitäten ›erforscht‹ werden können, wird dabei nicht immer explizit diskutiert. Methodik spielt in den 5
In diesem Sinne verstandene »Übersetzungen« spielen in der ANT eine wichtige Rolle, vgl. hierzu etwa Callons (2006a) frühes Werk zu den Kammmuscheln in der Bretagne und den Sammelband von Akrich et al. (2006) sowie Kap. 4.2 dieser Arbeit.
3 Methodisches Vorgehen
Gouvernementalitätsstudien eine untergeordnete Rolle, wie Mattissek et al. (2013, 268ff.) in einem Vergleich mit den stärker methodengeleiteten diskursanalytischen Ansätzen feststellen. Im Gegensatz zu letzteren, folgern die Autor:innen, arbeite die Forschung zur Gouvernementalität stärker intuitiv und exemplarisch: »Gouvernementalitätsanalysen zeichnen sich durch präzise Kartographien von Regierungsregimen aus und nehmen dafür bisweilen eine gewisse methodische Freihändigkeit in Kauf.« (Bröckling et al. 2000, zit.n. Mattissek et al. 2013, S. 270). Dean (2009), auf den sich viele Arbeiten der governmentality studies beziehen, sieht den Kern der Untersuchung der Gouvernementalität darin, nach dem Wie zu fragen: »an analytics of government takes as its central concern how we govern and are governed within different regimes, and the conditions under which such regimes emerge, continue to operate, and are transformed« (Dean 2009, S. 33). Dean unterscheidet dabei vier analytische Kategorien: »1. Characteristic forms of visibility, ways of seeing and perceiving 2. distinctive ways of thinking and questioning, relying on definite vocabularies and procedures for the production of truth (e.g. those derived from the social, human and behavioural sciences) 3. specific ways of acting, intervening and directing, made up of particular types of practical rationality (›expertise‹ and ›know-how‹), and relying upon definite mechanisms, techniques and technologies 4. characteristic ways of forming subjects, selves, persons, actors or agents« (Dean 2009, S. 33). Oels (2005), die sich in ihrer Untersuchung der Gouvernementalitäten der Klimapolitik auf diesen Rahmen bezieht, stellt fest, dass Dean keine direkten Hinweise zur Methodik gibt, und schlägt daher eine an Foucault angelehnte Diskursanalyse als Methode vor. Damit ist sie nicht allein: Studien zur Gouvernementalität im Bereich Umwelt oder Wälder arbeiten überwiegend mit Mitteln der Diskursanalyse (vgl. etwa Mattissek 2014; Oels 2005, 2010); als Quellenmaterial dienen dabei vor allem politische und Planungsdokumente wie Abkommen, Gesetze oder ›Programme‹, die einen klassischen Gegenstand der Gouvernementalitätsanalyse darstellen. Das Programm, und daraus abgeleitet der Plan, stellt hier die Verbindung her zwischen Idee und Verwirklichung, zwischen Diskurs und Materialität, und öffnet zugleich den Raum für eine Analyse der »Nicht-Umsetzung«, für Brüche und Widerstände, wenn die Vorstellungen des Programmes in die ›Realität‹ umgesetzt werden sollen. Programme und Pläne, insbesondere der verschiedenen Projekte, die über die letzten 100 Jahre den Maâmora-Wald zu gestalten versucht haben, sind auch in dieser Arbeit eine wertvolle Quelle. Hinzu kommen Dokumente aus der aktuel-
107
108
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
len Waldpolitik Marokkos und des Mittelmeerraumes, wie Protokolle, Abkommen, Studien und Karten. Untersuchungen der gegenwärtigen Gouvernementalitäten ermöglichen daneben ethnographische Untersuchungen von Praktiken von Herrschaft und Subjektivierung auf der Mikroebene (vgl. etwa Goldman 2004; Asiyanbi 2019). Auch wenn in der vorliegenden Arbeit die menschlichen Akteure − etwa die Expert:innen der internationalen Organisationen und der marokkanischen Behörden − eine wichtige Rolle spielen, geht es in dieser Arbeit weniger um Subjektivitäten, sondern (auch) um die materielle Ebene. Zum einen in Form von agencements, die die Regierung des Waldes stabilisieren, zum anderen im Hinblick auf die spezifischen Umwelten, die diese Regierungsformen hervorbringen, und die Formen und Dynamiken, die diese annehmen. Dies macht es nötig, zusätzlich zur Analyse von Dokumenten, Beobachtungen und Interviews den Blick verstärkt auch auf die technischen und materiellen Aspekte der Gouvernementalitäten zu richten und auch Daten über den Wald selbst einzubeziehen. Dies bringt, in Verbindung mit einem Ansatz, der Aspekte der neuen Materialismen aufnimmt, bestimmte Herausforderungen mit sich.
Epistemologie und Ontologie Die Kritik am wissenschaftlichen Verfahren und am Wahrheitsbegriff der modernen (Natur-)Wissenschaft, ist, wie in Kap. 2.3 dargestellt, ein Kernelement der ANT und anderer Strömungen des neuen Materialismus. Nimmt man die Kritik der ANT an der Trennung in Natur und Kultur − und damit in Natur- und Kulturwissenschaften − ernst, so birgt dies für empirische Untersuchungen, gerade im Bereich Klimawandel, neue Herausforderungen. Denn die Vermischung von Epistemologie und Ontologie ist in der ANT keine unerwünschtes Nebenprodukt, sondern Programm. Der Ansatz, wissenschaftliche ›Fakten‹ als Ergebnisse eines Prozesses darzustellen, der mit all seinen Einschränkungen und Kontingenzen offengelegt wird, lässt sich leichter umsetzen, wenn Forschungsfragen sehr eng gefasst sind, und in Fällen, wo der Forschungsprozess oder die Genese von Wissen direkt begleitet werden, wie es etwa Mol (2002) bei ihren Studien in einem Krankenhaus in den Niederlanden getan hat. Ein solcher Ansatz wird zu einer Herausforderung, wenn es, wie auch in dieser Arbeit, um Fragestellungen geht, die zeitlich oder räumlich über den engen Rahmen eines Einzelfalls hinausgehen, und wenn Bezug auf Daten genommen wird und werden muss, bei deren Erhebung man nicht selbst zugegen war. Die Political Ecology hat immer den Anspruch gehabt, auch die physische Umwelt in ihre Untersuchungen aufzunehmen, und sich dabei auf einem schmalen Grat bewegt: zwischen einem »naiven Umweltdeterminismus« und einem »HyperKonstruktivismus«, der sich von den physischen Bedingungen naturbezogener Ar-
3 Methodisches Vorgehen
gumentation vollständig löst (Castree 2005c). Das Aufkommen der neuen Materialismen hat der Debatte um diese Probleme und Kontroversen − etwa in Bezug auf die Materialität oder Konstruiertheit von ›Natur‹ − neue Perspektiven eröffnet. Denn anders als strikt konstruktivistische Ansätze geht die ANT davon aus, dass ein Zugang zu den Dingen durchaus möglich ist, dass Aussagen über die physische Welt getroffen werden können, auch wenn diese immer performativ, relational und nur temporär gültig sind. Zugleich schaffen diese Ansätze methodisch neue Schwierigkeiten. Denn wie soll das Materielle, das Nicht-Menschliche in die Analyse einbezogen werden, wenn nicht durch den Bezug auf die Ergebnisse naturwissenschaftliche Forschung? Wie soll es sprechen ohne die Wissenschaft als Sprachrohr? Die Rolle, die Mücken in der Kolonialgeschichte Ägyptens gespielt haben, lässt sich nur rekonstruieren, indem man auf Studien der Biologie zurückgreift: Die Mücken können sprechen, aber nur wenn jemand für sie »übersetzt«.6 Mikroorganismen in Böden sprechen nur mit Hilfe bestimmter, selektiver Instrumente, und auch die Aktivität von Kohlenstoffdioxidmolekülen in der Atmosphäre ist nur zugänglich, wenn man hochkomplexe, zeit- und ressourcenintensive Forschung betreibt. In all diesen Fällen würde die detaillierte Darstellung der Herstellung dieser Erkenntnisse jedes Forschungsprojekt sprengen; eine ethnographische Begleitung des wissenschaftlichen Prozesses ist gerade bei Forschung, die sich auf Folgen des Klimawandels bezieht, in der Praxis unmöglich. Auch sozialwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Arbeiten, die aus einer STS- oder einer more-than-human-Perspektive Aspekte der globalen Erwärmung diskutieren, kommen nicht umhin, sich auf die Daten und Prognosen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu beziehen.7 Man wird die »Blackbox« nie ganz los. Vor diesem Problem steht auch diese Arbeit, und auch hier lässt es sich nicht ganz auflösen: Wenn das Materielle, die Gestalt oder Zusammensetzung des Waldes oder die Rolle von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre stärker in die Analyse der Gouvernementalitäten einbezogen werden soll, wer soll für dieses Materielle sprechen? 6
7
»Can the Mosquito speak?« heißt das erste Kapitel in Mitchells Buch Rule of Experts (2002), in dem er die Rolle der Mücke Anopheles gambiae bei der Ausbreitung von Malaria in Ägypten im frühen 20. Jahrhundert in Zusammenhang mit den Weltkriegen und der Umstellung der Landwirtschaft nach dem Bau von Dämmen analysiert. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), wurde 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programm, UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization, WMO) ins Leben gerufen. Der IPCC forscht nicht selbst, sondern fasst, in Zusammenarbeit mit tausenden Wissenschaftler:innen weltweit, alle paar Jahre den aktuellen Forschungsstand zur globalen Erwärmung zusammen. Diese sogenannten Sachstandsberichte des IPCC gelten als wichtigste Referenz der internationalen Klimapolitik.
109
110
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Selbst Daten über den Maâmora-Wald aufzunehmen oder die Datenaufnahme zu begleiten, wäre zeitlich und von den Ressourcen her nicht machbar gewesen, auch könnten eigene Erhebungen höchstens Informationen über den gegenwärtigen Zustand liefern, nicht über den früheren Zustand des Waldes. Ich greife also hier auf Sekundärliteratur, auf Studien und Daten der Forstbehörden zurück, ohne immer rekonstruieren zu können, woher diese Daten stammen. Auch beziehe ich mich, wo es um die Klimaerwärmung und mögliche Folgen für die Region geht, auf die Berichte des IPCC und weitere Ergebnisse der Forschung zu Klimaveränderungen. In zweierlei Hinsicht habe ich dabei versucht, auf die geschilderte Problematik einzugehen. Zum einen werden naturwissenschaftliche Daten hier nicht als eine reine Abbildung des Zustandes des Waldes behandelt. Ich versuche, wo immer möglich, die Prozesse der Datengenerierung und der Produktion des Wissens, das für das untersuchte Projekte eine Rolle spielt, offenzulegen und kritisch zu reflektieren, die Daten also im Kontext ihrer Herstellung und Verarbeitung zu behandeln.8 Das bedeutet, dass ich keine Trennung mache zwischen Quelle und Gegenstand der Forschung, die Quellen sind zugleich Objekt der Untersuchung. Ich unterscheide nicht zwischen Interviews und Experteninterviews; wo ich mit Expert:innen spreche, sind diese selbst Akteure im Prozess. Viele der Dokumente, die ich untersucht habe, nutze ich als Quelle für Daten über den Wald, zugleich haben diese Dokumente ihre eigene Geschichte − etwa die Berichte zum State of the Mediterranean Forest (FAO und Plan Bleu 2013, 2018). Zum anderen nutze ich, soweit möglich, das von der ANT vorgeschlagene Mittel der methodischen Symmetrie: Ohne anzunehmen, dass menschliche und nicht-menschliche Wesen ›gleich‹ sind, werden sie, soweit möglich, zunächst gleich behandelt, um dann herauszuarbeiten, an welchen Charakteristiken, Eigenschaften, materiellen und nicht-materiellen Eigenschaften sich Unterschiede 8
Dies geht in die Richtung dessen, was Flatscher und Seitz (2018) in einem Beitrag zum Zusammenhang von ANT und Post-Faktischem als »Realismus des Versammelns« vorschlagen. Dieser »weiß folglich um das, was ein reduktionistischer Empirismus beständig vergisst: dass alles Gegebene als solches ein Netz von Verhältnissen voraussetzt und ohne diese Relationalität gar nicht gedacht werden kann. Für das Projekt einer neuen Kritik hätte dies zur Konsequenz, dass Kritik nunmehr darin bestehen müsste, jene relationalen Geflechte sowohl gegen reduktionistische als auch gegen konstruktivistische und obskurantistische Einsprüche zu verteidigen. Der obskurantistischen Leugnung des Klimawandels beispielsweise würde eine solche neue Kritik nicht dadurch begegnen, dass sie – wie der empiristische Reduktionismus – bloß auf vermeintlich bezugslose Daten hinweist und auch nicht – wie der Konstruktivismus – die Gemachtheit und Kontingenz aller faktischen Setzungen unterstreicht, sondern vielmehr explizit macht und sorgfältig nachzeichnet, welche komplexen wissenschaftlichen, historischen, ethischen und sozialen Versammlungsprozesse notwendig sind, damit ein Gegenstand wie der Klimawandel zur Existenz kommen und in seiner Existenz anerkannt werden kann« (Flatscher und Seitz 2018, S. 17).
3 Methodisches Vorgehen
festmachen lassen. Hier bedeutet dies, dass ich das Konzept der Gouvernementalität (auch) auf nicht-menschliche Wesen anwende, um zu fragen, wie die Bäume, Pflanzen und Nährstoffe im Untersuchungsgebiet ›regiert‹ werden, wo sie Widerstand leisten und welche ›Subjekte‹ entstehen, wenn Macht auf nicht-menschliche Wesen einwirkt.
3.2
Praktische Umsetzung
Die Untersuchung entfaltete sich, wie eingangs beschrieben, ›sternförmig‹ ausgehend vom Projekt Maximize the production of goods and services of Mediterranean forest ecosystems in the context of global changes, das von 2011 bis 2016 in fünf Ländern des südlichen Mittelmeerraumes durchgeführt wurde: in Marokko, Algerien, Tunesien, im Libanon und der Türkei (vgl. Kap. 4.3). Nachdem ich 2013 Kontakt zur FAO aufgenommen und mein Forschungsprojekt vorgestellt hatte, erhielt ich die Erlaubnis, das Projekt als Fallbeispiel zu untersuchen zu dürfen. Ich zählte ab diesem Zeitpunkt quasi als ›Teilnehmerin‹, erhielt Einladungen, Informationen und Protokolle und konnte an den Workshops des Projektes teilnehmen, was bestimmte ›Innenansichten‹ des Projektes erlaubte (vgl. Kap. 3.3). Das untersuchte Projekt beinhaltete Treffen, Workshops und Trainings. Kern war die Erstellung von Studien sowie die Umsetzung erster Maßnahmen auf je ein bis zwei Pilotstandorten in den beteiligten Ländern. Aus Gründen der Machbarkeit wählte ich von den Pilotstandorten als Fallbeispiel den Maâmora-Wald in Marokko, dort fand 2016 und 2017 die Feldforschung im Rahmen zweier jeweils zweimonatiger Aufenthalte statt. Orte der Feldforschung waren neben dem Wald selbst Forstbehörden, Forschungsinstitute, Universitäten, Ministerien, Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und NGOs. Hinzu kamen zwei Besuche bei der FAO in Rom; 2016 nahm ich am zweitägigen Abschluss-Workshop des Projektes teil. Da es sich bei REDD+ um ein Instrument der internationalen Klimapolitik handelte, konzentrierte sich ein zweiter Teil der Feldforschung auf die internationale Ebene sowie auf die Klimapolitik in Marokko. Im November 2016 nahm ich an der Klimakonferenz in Marrakesch teil, in den Monaten zuvor an verschiedenen Veranstaltungen im Land, die im Vorfeld der Konferenz von NGOs oder Universitäten organisiert wurden. Im November 2017 nahm ich an der Klimakonferenz in Bonn teil, im Mai 2017 besuchte ich die Intersession in Bonn.9 Die Akkreditierung, die 9
Die Vertreter:innen der Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention kommen mindestens zweimal im Jahr zusammen (neben verschiedenen Arbeitsgruppen, die sich unabhängig davon treffen). Am Ende des Jahres findet jeweils die Conference of the Parties (COP) statt. Jeweils im späten Frühjahr findet die Intersession (Zwischenkonferenz) statt, offiziell handelt es sich dabei um die Sitzungen des Subsidiary Body for Implementation (SBI), des Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice (SBSTA) und seit 2015 der Ad Hoc Working
111
3 Methodisches Vorgehen
festmachen lassen. Hier bedeutet dies, dass ich das Konzept der Gouvernementalität (auch) auf nicht-menschliche Wesen anwende, um zu fragen, wie die Bäume, Pflanzen und Nährstoffe im Untersuchungsgebiet ›regiert‹ werden, wo sie Widerstand leisten und welche ›Subjekte‹ entstehen, wenn Macht auf nicht-menschliche Wesen einwirkt.
3.2
Praktische Umsetzung
Die Untersuchung entfaltete sich, wie eingangs beschrieben, ›sternförmig‹ ausgehend vom Projekt Maximize the production of goods and services of Mediterranean forest ecosystems in the context of global changes, das von 2011 bis 2016 in fünf Ländern des südlichen Mittelmeerraumes durchgeführt wurde: in Marokko, Algerien, Tunesien, im Libanon und der Türkei (vgl. Kap. 4.3). Nachdem ich 2013 Kontakt zur FAO aufgenommen und mein Forschungsprojekt vorgestellt hatte, erhielt ich die Erlaubnis, das Projekt als Fallbeispiel zu untersuchen zu dürfen. Ich zählte ab diesem Zeitpunkt quasi als ›Teilnehmerin‹, erhielt Einladungen, Informationen und Protokolle und konnte an den Workshops des Projektes teilnehmen, was bestimmte ›Innenansichten‹ des Projektes erlaubte (vgl. Kap. 3.3). Das untersuchte Projekt beinhaltete Treffen, Workshops und Trainings. Kern war die Erstellung von Studien sowie die Umsetzung erster Maßnahmen auf je ein bis zwei Pilotstandorten in den beteiligten Ländern. Aus Gründen der Machbarkeit wählte ich von den Pilotstandorten als Fallbeispiel den Maâmora-Wald in Marokko, dort fand 2016 und 2017 die Feldforschung im Rahmen zweier jeweils zweimonatiger Aufenthalte statt. Orte der Feldforschung waren neben dem Wald selbst Forstbehörden, Forschungsinstitute, Universitäten, Ministerien, Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und NGOs. Hinzu kamen zwei Besuche bei der FAO in Rom; 2016 nahm ich am zweitägigen Abschluss-Workshop des Projektes teil. Da es sich bei REDD+ um ein Instrument der internationalen Klimapolitik handelte, konzentrierte sich ein zweiter Teil der Feldforschung auf die internationale Ebene sowie auf die Klimapolitik in Marokko. Im November 2016 nahm ich an der Klimakonferenz in Marrakesch teil, in den Monaten zuvor an verschiedenen Veranstaltungen im Land, die im Vorfeld der Konferenz von NGOs oder Universitäten organisiert wurden. Im November 2017 nahm ich an der Klimakonferenz in Bonn teil, im Mai 2017 besuchte ich die Intersession in Bonn.9 Die Akkreditierung, die 9
Die Vertreter:innen der Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention kommen mindestens zweimal im Jahr zusammen (neben verschiedenen Arbeitsgruppen, die sich unabhängig davon treffen). Am Ende des Jahres findet jeweils die Conference of the Parties (COP) statt. Jeweils im späten Frühjahr findet die Intersession (Zwischenkonferenz) statt, offiziell handelt es sich dabei um die Sitzungen des Subsidiary Body for Implementation (SBI), des Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice (SBSTA) und seit 2015 der Ad Hoc Working
111
112
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
ich für alle drei Konferenzen hatte, ermöglichte mir, sowohl die Verhandlungen selbst als auch die Treffen und Aktionen der nationalen, regionalen und internationalen Bewegungen und Gruppen zu verfolgen, die im Rahmen dieser ›Events‹ zusammenkamen. Zu diesen beiden Untersuchungsräumen kam als dritter Bereich die Waldpolitik im Mittelmeer hinzu, die sich im Rahmen der ersten Untersuchungen als wichtiger Kreuzungspunkt von Aktivitäten und Akteuren herausstellte. Neben den Besuchen bei der FAO – die auch Sitz der Silva Mediterranea ist, der für die mediterranen Wälder zuständige UN-Organisation – spielten hier Protokolle und Publikationen dieser Organisationen sowie des neu gegründeten Collaborative Partnership on Mediterranean Forests (CPMF) eine wichtige Rolle, ebenso die VideoDokumentationen der letzten drei Mediterranean Forest Weeks (Silvamed 2013, 2015, 2017). Teilnehmende Beobachtung wurde dabei mit der Analyse von Dokumenten und Interviews mit relevanten Akteuren kombiniert. Die Analyse von Dokumenten bildete, anders als zunächst geplant, einen methodischen Schwerpunkt dieser Arbeit. Dies ist vor allem der guten Datenlage geschuldet – zu Beginn der Feldforschung stellte ich fest, dass sowohl zu den laufenden Programmen als auch zur historischen Entwicklung des Maâmora-Waldes sehr viel Material vorlag, das sich für eine weitergehende Analyse anbot. So wurde das untersuchte Projekt ausführlich dokumentiert, zudem bekam ich über die Mitarbeiter:innen der marokkanischen Forstbehörde, des Haut Commissariat des Eaux et Forêts et de la Lutte contre la Désertification (HCEFLCD), Zugang zum Archiv der Behörde und konnte auch Dokumente zu früheren Waldbewirtschaftungsprogrammen auswerten. Wo es nicht möglich war, die Dokumente und Pläne der entsprechenden Programme selbst einzusehen, habe ich für die historische Analyse auf Sekundärliteratur, interne Kommentare und Auswertungen des HCEFLCD zurückgegriffen.10 Schließlich führte ich zwischen Oktober 2015 und April 2019 ausführliche, semi-strukturierte Interviews mit Akteuren, die am untersuchten Projekt beteiligt waren. Dazu gehörten unter anderem Mitarbeiter:innen der FAO, Plan Bleu und des
10
Group on the Paris Agreement (APA). Diese dauern wie die COP zwei Wochen, gelten jedoch wegen der fehlenden Beteiligung von Staatschefs eher als die Arbeitskonferenzen. Die COP wird jedes Jahr von einem anderen Mitgliedsland ausgerichtet, die Intersession findet in der Regel am Sitz der UNFCCC in Bonn statt. Das erste Programm aus Kolonialzeiten ließ sich aus Sekundärliteratur rekonstruieren. Im Archiv des HCEFLCD fand sich der (sehr umfassende) Bewirtschaftungsplan der 1970er Jahre (»Aménagement danois«) mit zugehörigen Studien. Der Plan der 1990er Jahre (»Aménagement concerté/Aménagement FAO«) war jedoch, wie mir von den zuständigen Stellen mitgeteilt wurde, weder in den Archiven des HCEFLCD noch bei der FAO vorhanden, so dass ich auch hier auf interne Dokumente der entsprechenden Behörden sowie Sekundärliteratur zurückgriff.
3 Methodisches Vorgehen
marokkanischen Teilprojektes sowie eine Reihe von ›Expert:innen‹ aus dem Umfeld des Projektes. Hinzu kamen, wie beschrieben, Informationen über den Wald selbst. Der Maâmora-Wald gehört zu den am besten erforschten Wäldern Nordafrikas, Daten etwa über den Bedeckungsgrad, die Artenzusammensetzung und den Zustand des Waldes reichen zurück bis ins frühe 20. Jahrhundert und werden seit den 1950er Jahren regelmäßig und systematisch erhoben (vgl. Kap. 4.2). Über das HCEFLCD standen mir diese Daten, meist in Form von Berichten und Zusammenfassungen, zur Verfügung, weitergehende Informationen konnten der Fachliteratur entnommen werden. Daten über die mediterranen Wälder stammen ebenfalls aus der Fachliteratur sowie aus den Berichten der FAO und Plan Bleu (2013, 2018), die in Kap. 4.1 vorgestellt werden.
3.3
Die eigene Rolle
Ein Forschungsprojekt ist immer eine Reise, und über welche Wege und wohin diese führt, hängt von vielen Faktoren ab, von äußeren Umständen, von der ›Kooperation‹ der untersuchten Akteure, aber auch von der Untersuchenden selbst. So ergab sich mein Fokus auf die ›Zwischenebene‹, die Ebene der nationalen und internationalen Experten, sowie auf die materiellen Aspekte des Regierens im Wald, aus den Erfahrungen vor Ort, aus meinen Interessen, aber auch aus meiner eigenen Rolle und Spezialisierung. Zu Beginn der Arbeit war geplant, auch die lokale Ebene stärker in den Blick zu nehmen und zu untersuchen, wie die Regierung des Waldes (auch) auf die Menschen vor Ort wirkt, um dies mit den Auswirkungen auf nicht-menschliche Akteure vergleichen zu können. Es zeigte sich jedoch, dass dies zeitlich und organisatorisch sehr aufwendig werden würde, zudem lagen bereits ausführliche Studien vor zur Frage, wie sich die jüngsten Formen veränderter Wald-Governance auf menschliche Nutzer:innen auswirken, auf die ich mich beziehen konnte, nicht nur für REDD+-Projekte in anderen Regionen (Asiyanbi 2019; Agrawal et al. 2011; Corbera et al. 2019; Gutiérrez 2011; Leach und Scoones 2013; Paladino und Fiske 2016), sondern auch für Marokko und den Maâmora-Wald (Aubert 2010; Aubert und Romagny 2012; Aubert und Sabir 2013; Aubert 2014a; Vanuxem 2014, 2016; Lahssini und Vanuxem 2016). Ich entschied mich daher, mich auf die für mich zentralen Punkte − die Regierung nicht-menschlicher Akteure und deren Wirkungsweise über verschiedene Ebenen und ›Übersetzungspunkte‹ hinweg − zu konzentrieren. Nichtsdestotrotz könnten weitergehende Analysen der lokalen Ebene, insbesondere der Bewertungen, Einschätzungen und Praktiken der menschlichen Akteure vor Ort, weitere Einblick bringen und die hier erarbeiteten Punkte ergänzen.
113
3 Methodisches Vorgehen
marokkanischen Teilprojektes sowie eine Reihe von ›Expert:innen‹ aus dem Umfeld des Projektes. Hinzu kamen, wie beschrieben, Informationen über den Wald selbst. Der Maâmora-Wald gehört zu den am besten erforschten Wäldern Nordafrikas, Daten etwa über den Bedeckungsgrad, die Artenzusammensetzung und den Zustand des Waldes reichen zurück bis ins frühe 20. Jahrhundert und werden seit den 1950er Jahren regelmäßig und systematisch erhoben (vgl. Kap. 4.2). Über das HCEFLCD standen mir diese Daten, meist in Form von Berichten und Zusammenfassungen, zur Verfügung, weitergehende Informationen konnten der Fachliteratur entnommen werden. Daten über die mediterranen Wälder stammen ebenfalls aus der Fachliteratur sowie aus den Berichten der FAO und Plan Bleu (2013, 2018), die in Kap. 4.1 vorgestellt werden.
3.3
Die eigene Rolle
Ein Forschungsprojekt ist immer eine Reise, und über welche Wege und wohin diese führt, hängt von vielen Faktoren ab, von äußeren Umständen, von der ›Kooperation‹ der untersuchten Akteure, aber auch von der Untersuchenden selbst. So ergab sich mein Fokus auf die ›Zwischenebene‹, die Ebene der nationalen und internationalen Experten, sowie auf die materiellen Aspekte des Regierens im Wald, aus den Erfahrungen vor Ort, aus meinen Interessen, aber auch aus meiner eigenen Rolle und Spezialisierung. Zu Beginn der Arbeit war geplant, auch die lokale Ebene stärker in den Blick zu nehmen und zu untersuchen, wie die Regierung des Waldes (auch) auf die Menschen vor Ort wirkt, um dies mit den Auswirkungen auf nicht-menschliche Akteure vergleichen zu können. Es zeigte sich jedoch, dass dies zeitlich und organisatorisch sehr aufwendig werden würde, zudem lagen bereits ausführliche Studien vor zur Frage, wie sich die jüngsten Formen veränderter Wald-Governance auf menschliche Nutzer:innen auswirken, auf die ich mich beziehen konnte, nicht nur für REDD+-Projekte in anderen Regionen (Asiyanbi 2019; Agrawal et al. 2011; Corbera et al. 2019; Gutiérrez 2011; Leach und Scoones 2013; Paladino und Fiske 2016), sondern auch für Marokko und den Maâmora-Wald (Aubert 2010; Aubert und Romagny 2012; Aubert und Sabir 2013; Aubert 2014a; Vanuxem 2014, 2016; Lahssini und Vanuxem 2016). Ich entschied mich daher, mich auf die für mich zentralen Punkte − die Regierung nicht-menschlicher Akteure und deren Wirkungsweise über verschiedene Ebenen und ›Übersetzungspunkte‹ hinweg − zu konzentrieren. Nichtsdestotrotz könnten weitergehende Analysen der lokalen Ebene, insbesondere der Bewertungen, Einschätzungen und Praktiken der menschlichen Akteure vor Ort, weitere Einblick bringen und die hier erarbeiteten Punkte ergänzen.
113
114
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
In eine andere Richtung hat sich die Erforschung eben jener ›Zwischenebene‹ entwickelt, auf die sich diese Arbeit konzentriert, die Ebene nationaler und internationaler Forschung zu den Wälder, der Klima- und Entwicklungspolitik. Obwohl ich in diesem Feld zunächst als Wissenschaftlerin auftrat, die das Funktionieren der Institutionen untersuchte, nahm ich im Laufe der Forschung verschiedene Rollen ein, die auch Auswirkungen hatten auf die Informationen, die ich erhielt. In den marokkanischen und internationalen Forschungszusammenhängen, aber auch in der FAO, wurde ich aufgrund meiner europäischen Herkunft, meines naturwissenschaftlichen Hintergrundes und meiner früheren Mitarbeit an ähnlichen Forschungsprojekten selbst als ›Expertin‹ wahrgenommen, als Kollegin; mir wurden bestimmte Informationen und Stellenangebote weitergeleitet, ich wurde zu inhaltlichen Fragen oder nach möglichen Forschungskooperationen gefragt. Von Vertreter:innen marokkanischer NGOs wurde ich durch meine Kontakte zur GIZ teils selbst als Quelle von Informationen und mögliche Netzwerkpartnerin gesehen. Im Rahmen der globalen Klimaverhandlungen war ich umgekehrt eine Teilnehmerin der ›Zivilgesellschaft‹, eine Rolle, die auch räumliche Implikationen hatte und etwa bestimmte, welche Bereiche ich betreten und an welchen Verhandlungen ich teilnehmen durfte.11 Diese Arbeit ist auch das Ergebnis des Zusammenspiels dieser verschiedener Rollen, die ich im Laufe des Forschungsprozesses eingenommen habe und die mir bestimmte Einblicke ermöglicht haben.
11
Die UN-Verhandlungen sind in verschiedene »Zonen« aufgeteilt (meist die blue zone und die green zone), die Art der Akkreditierung legt fest, welche davon zu welchen Zeiten betreten werden dürfen.
4 Feldstudie
In den letzten drei Kapiteln habe ich mich mit den theoretischen und methodologischen Grundlagen einer Analyse neoliberaler Natur beschäftigt. In diesem Kapitel geht es darum, diese Überlegungen auf das konkrete Fallbeispiel anzuwenden. Das von mir untersuchte Projekt, das die FAO und Plan Bleu zusammen mit anderen Organisationen von 2012 bis 2016 durchführten, war das erste REDD+-Projekt im Mittelmeerraum; es hatte, wie beschrieben, zum Ziel, die Wälder des südlichen Mittelmeerraumes langfristig in den globalen Kohlenstoffhandel einzubeziehen. Dieses Projekt stand jedoch nicht isoliert. Es war erstens Teil einer regionalen Dynamik, die ab Ende der 2000er Jahre die Wälder des Mittelmeerraumes (neu) in den Blick nahm. Es gliederte sich zweitens ein in bestimmte, häufig neoliberale Umstrukturierungsprozesse, die in mehreren Ländern Nordafrikas – darunter auch Marokko – in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung von städtischen und ländlichen Räumen prägten. Schließlich ist es drittens eng verbunden mit global zu beobachtenden Tendenzen, Natur- und Klimaschutz auf eine spezifische, vorrangig ökonomische Art und Weise zu fassen, wie sie in Kap. 2.1 beschrieben wurde. Diese drei Aspekte sind wichtig für das Verständnis des Fallbeispiels und werden daher hier einleitend behandelt. Der zweite Teil des Kapitels analysiert anschließend aus einer historisch-genealogischen Perspektive die verschiedenen Formen der ›Regierung des Waldes‹, der dritte Teil wendet sich den aktuellen Entwicklungen zu.
4.1
Setting: Das Fallbeispiel verorten
Dieser Abschnitt beschäftigt sich in zweierlei Hinsicht mit dem Rahmen des Fallbeispiels: Zum einen gibt er den Rahmen vor für die empirische Untersuchung, zugleich aber untersucht er diesen Rahmen selbst. Es geht also weniger darum, Hintergrundinformationen für die Fallstudie zu liefern, sondern vielmehr darum, dieses Framing kritisch zu untersuchen, offen zu legen, wie die ›Grenzen‹ des Forschungsgegenstandes gezogen wurden, von mir selbst, aber auch von anderen. Im Sinne der bereits in Kap. 3 angesprochenen Problematik versuche ich dabei, natur-
116
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
und sozialwissenschaftliche ›Fakten‹ gleichermaßen kritisch zu behandeln, indem ich sie nicht als konstruiert, sondern als situiert betrachte. Drei Aspekte werden im Folgenden vertieft: (1) mediterrane Wälder als Gegenstand des Fallbeispiels und damit dieser Arbeit; hier skizziere ich, in welchem Raum sich die Arbeit bewegt und wie dieser hergestellt wird; (2) der ökonomische Rahmen, wo ich kurz die Re-Strukturierungsprozesse ländlicher Räume darstelle, in deren Kontext das untersuchte Projekt steht; schließlich (3) der politische Rahmen, das internationale ›Klima-Regime‹, das seit Anfang der 1990er Jahre geschaffen wurde sowie die Rolle, die der Mittelmeerraum und insbesondere Marokko darin einnehmen.
Die Herstellung mediterraner Wälder Was sind mediterrane Wälder? Das Mediterrane ist dort, wo der Olivenbaum wächst − diese wahrscheinlich älteste bekannte Definition des Mediterranen zeigt, wie eng die Vorstellung dieses Raumes mit einer bestimmten Vegetation verknüpft ist.1 Tatsächlich gilt die Verbreitung des Olivenbaums vielen Akteuren bis heute als die Definition des Mittelmeerraumes, dies gilt auch für Plan Bleu, die für Umweltprogramme im Mittelmeer zuständige Organisation, die das FFEM-Projekt mit koordinierte. Doch die Grenzen des Mittelmeerraumes als biologische oder biogeographische Region werden von verschiedenen Autor:innen sehr unterschiedlich gezogen. Je nachdem, welche Kriterien herangezogen werden, kann die Fläche dieses Raumes von 2 Millionen km² (Médail und Myers 2004) bis zu 9,5 Millionen km² reichen (Daget 1977; für eine Übersicht vgl. Blondel 2010).2 Die Karte die im Rahmen 1
2
Plinius der Ältere (23-79) hat in seiner Historia Naturalis (77) das Gebiet, in dem der Olivenbaum wächst und angebaut wird, als das Mediterrane definiert. Obwohl diese Definition bis heute verwendet wird, ist sie inzwischen umstritten: So argumentieren Biolog:innen, dass es problematisch sei, eine kultivierte Pflanze als Indikator für eine biogeographische Zone zu nutzen, da sich nicht feststellen lasse, was die ›natürliche‹ Verbreitungsgrenze sei. Zudem bleibt umstritten, ob die Wildform von Olea europaeae tatsächlich vor der menschlichen Nutzung im gesamten Mittelmeerraum vorkam oder erst durch Menschen verbreitet wurde. Ölbaumgewächse, zu den der Olivenbaum gehört, kommen in weiten Teilen Asiens und Afrikas vor. Neuere Forschungen mit Hilfe von Gen-Analysen zeigen ein komplexes Bild des Ursprungs des Olivenbaumes, mit verschiedenen Gruppierungen, die vermutlich an unterschiedlichen Stellen die Eiszeit überlebten und sich später durch die Kultivierung verbreiteten, mischten und ausdifferenzierten (Breton et al. 2006; Besnard et al. 2011). Die unterschiedlichen Ergebnisse hängen etwa davon ab, ob die Steppenregionen am Rande des mediterranen Raumes einbezogen werden, weiter entfernt liegende Enklaven mediterraner Vegetation oder Bergregionen, deren Vegetation sich deutlich unterscheidet; ebenso gibt es verschiedene Grenzziehungen im Bereich der Wälder, die im Osten in die Wälder Eurasiens übergehen. Vgl. ausführlich Blondel 2010, 16ff.
4 Feldstudie
Abbildung 1: Karte der mediterranen Wald-Ökosysteme
Mediterrane Wälder sind grün dargestellt, nicht-mediterrane Wälder gelb. Die orangefarbene Linie stellt die bioklimatische Grenze des mediterranen Klimas nach Quézel (1985) dar. Quelle: FAO und Plan Bleu 2013.
des FFEM-Projektes erstellt wurde und in den Berichten zum State of the Mediterranean Forest verwendet wurde (Abb. 1), ist also nur eine mögliche Darstellung und Definition dessen, was mediterrane Wälder sind und wo sie liegen. Das Mediterrane als räumliche und kulturelle Kategorie hat eine lange und wechselhafte Geschichte. Ob und wie der Mittelmeerraum als eine Einheit gefasst werden kann, war insbesondere in der Anthropologie und den Geschichtswissenschaften über Jahrzehnte hinweg Gegenstand kontroverser Debatten (Braudel und Reynolds 1972; Braudel 1985; Herzfeld 1984; Albera 1999; Horden und Peregrine 2014).3 Doch auch aus biologischer oder biogeographischer Sicht gibt es keine eindeutige Grenze des Mittelmeerraumes. Chalvet (2001) hat anhand der provenzalischen Wälder nachgezeichnet, wie die Idee des mediterranen Waldes ab dem 19. 3
Die verschiedenen Sichtweisen auf das Mediterrane reichen von der Annahme einer natürlichen geographischen Einheit (Herzfeld 1984) bis zur kritischen Frage, ob das Mediterrane überhaupt als Einheit gefasst werden kann und soll (Matvejević und Heim 1999). Als Vorschläge für das Verbindende der Region wurden etwa Traditionen des ländlichen Raumes, eine gemeinsamen Identität und geteilte Normen genannt (Pitt-Rivers et al. 1963) ebenso wie der Kosmopolitismus der Städten und Handelsnetzwerke (Abulafia 2013; Lafi und Freitag 2006); andere Autor:innen haben die physische Gestalt des Mittelmeerraumes zum Ausgangspunkt ihrer Analysen gemacht (Braudel und Reynolds 1972; Grove und Rackham 2003; Horden und Purcell 2000).
117
118
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Jahrhundert entstand: »Vor dem 19. Jahrhundert existierte die mediterrane Waldlandschaft weder als wissenschaftliche Bezeichnung, noch als natürliche Gegebenheit.« (Chalvet 1998) Ausgangspunkt der Definitionen mediterraner Vegetation ist bis heute das als mediterran definierte Klima: heiße, trockene Sommer und die Hauptregenzeit im Winter, eine Folge der Lage in den Subtropen, die im Sommer unter den Einfluss der tropischen Luftströme gerät, im Winter unter den Einfluss der regenbringenden Westwinde. Prägend ist zudem die Nähe zum Meer, das Wärme speichert und dafür sorgt, dass extreme Kälte die Ausnahme ist − der Olivenbaum verträgt Feuer und langanhaltende Trockenheit, aber keinen starken Frost.4 Unter diesen klimatischen Bedingungen, so die These der biogeographischen Ansätze, die sich ab dem 19. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland entwickelten, bilden sich langfristig bestimmte Gemeinschaften von Pflanzen oder Lebewesen, die charakteristisch für die jeweilige Klimazone oder -region sind. Die Erforschung und Klassifizierung solcher ökologischen Gemeinschaften prägt bis heute die Politik der Region. Zugleich ist sie weit von einem einheitlichen System entfernt; in der Biogeographie gibt es fast ebenso viele konkurrierende Klassifikationssysteme wie Autor:innen. Allein im deutschsprachigen Raum kann die Region unter anderem gefasst werden als die »Ökozone der winterfeuchten Subtropen« (Schultz 2016), als »Zonobiom der Hartlaubgewächse« (Walter und Breckle 1999) oder »Großlebensraum der Winterregengebiete« (Beierkuhnlein 2007); in englischsprachigen Standardwerken der Biogeographie wird sie etwa als Biom des »temperate decidious forest« bezeichnet (Lomolino 2010), mit jeweils unterschiedlichen Kriterien und damit Grenzen für das bezeichnete Gebiet. Die FAO (2012), auf deren Klassifikation sich auch das FFEM-Projekt bezieht, spricht von »Global Ecological Zones«, der Mittelmeerraum wird darin als »subtropical dry forest« geführt.5 All diese verschiedenen Einteilungen gehen davon aus, dass die Pflanzen in der Region bestimmte Merkmale ausgebildet haben, um mit der Sommertrockenheit umzugehen: Die immergrünen Hartlaubgewächse mit ihren kleinen, festen, wachsüberzogenen oder behaarten Blättern gelten als typisch für die Mittelmeer-
4
5
Der Mittelmeerraum ist das größte zusammenhängende Gebiet, in dem diese klimatischen Bedingungen herrschen, sie finden sich jedoch auch an der Küste Kaliforniens, in Chile, in Südafrika und zwei kleineren Regionen Süd-Australiens. Die verschiedenen Ansätze ziehen unterschiedliche Kriterien zur Klassifizierung verschiedener Zonen heran. Dies können einzelne Bio-Indikatoren sein, besonders markante oder typische Arten wie der Olivenbaum, Pflanzengemeinschaften oder eine Kombination aus diesen und klimatischen Merkmalen, wie im Fall des bis heute häufig verwendeten bio-klimatischen Ansatzes, der auf die französischen Biogeographen Gaussen und Emberger zurückgeht. Für eine kritische Geschichte dieser Klassifikationen vgl. Davis 2018.
4 Feldstudie
region;6 ebenso niedrige Strauchformationen, genannt Matorral oder garrigue.7 Einigkeit herrscht weiterhin darüber, dass der Mittelmeerraum besonders vielfältig und artenreich ist. Obwohl er wegen der sommerlichen Trockenheit weniger produktiv ist, also langsamer wächst und pro Fläche weniger Biomasse aufweist, gilt er als ein hotspot der Biodiversität (Myers et al. 2000).8 Rund 25.000 Pflanzenarten haben Forscher:innen hier gefunden, im Gegensatz zu etwa 6000 in Nordeuropa. Die Zahl der Baumarten ist mit 247 fast doppelt so hoch wie in Nordeuropa, gut 60 Prozent davon sind endemisch, kommen also nur im Mittelmeerraum vor (FAO und Plan Bleu 2013, S. 46). Die Biodiversität und den hohen Anteil an endemischen Arten führen Wissenschaftler:innen auf die ausgeprägten jahreszeitlichen Wechsel und die große Vielfalt an Lebensräumen zurück, die von Steilküsten und zerklüfteten Bergregionen bis zu flachen Ebenen und weiten Flussdeltas reicht, sowie auf die Tatsache, dass der Mittelmeerraum geographisch nicht isoliert ist, sondern als ›Kreuzungspunkt‹ zwischen den Kontinenten zahlreiche Pflanzen und Tiere aufweist, die aus Afrika, Asien und Europa eingewandert sind, sich vermischt und weiterentwickelt haben. Zudem diente der Mittelmeerraum vielen Arten während der letzten Eiszeit als Refugium (Blondel 2010; Quézel und Médail 2003; Scarascia-Mugnozza et al. 2000). Daneben wird diskutiert, inwieweit auch der Mensch zu dieser Vielfalt beigetragen hat, etwa, indem er Agrarpflanzen und Nutztiere in die Region brachte und neue Arten züchtete, die sich teils wieder mit wilden Arten kreuzten (Blondel und Aronson 1999; Thompson et al. 2005). Denn der Mittelmeerraum ist geprägt durch menschliche Handlungen und Praktiken; die ältesten menschlichen Spuren im Mittelmeeraum sind rund 700.000 Jahre alt. Das stellt die Biogeographie mit ihrem Ansatz der Biome oder der »natürlichen Pflanzengemeinschaften« vor
6
7
8
Dieser sklerophylle Blattaufbau wurde den lange Zeit als eine Form der Anpassung an die Trockenheit im Sommer angesehen. Neuere Studien haben jedoch in Frage gestellt, ob er tatsächlich Wasserverlust durch Verdunstung verhindert, und ob es sich auch um eine Anpassung an Nährstoffarmut oder ein Relikt früherer tropischer Wälder handeln könne, vgl. für einen Überblick Blondel 2010, 165ff. Ich verwende hier den spanischen Begriff Matorral, der auch im Englischen und teils im Deutschen genutzt wird. Die mediterranen Strauchformationen werden je nach Region und Erscheinungsbild mit einer Vielzahl von Begriffen bezeichnet, so etwa garrigue und macchia in Frankreich, xerovuni und phrygana in Griechenland, choresh in Israel, bath’a im Arabischen, chaparral in Kalifornien oder mallee und kwongan in Australien. Die Begriffe bezeichnen teils unterschiedliche Stadien der Entwicklung, oder beziehen sich auf unterschiedliche physische Bedingungen der Pflanzengesellschaften, vgl. Blondel 2010, 122f. Der früher übliche Begriff der Artenvielfalt ist seit den 1990er Jahren zunehmend durch das breitere Konzept der Biodiversität ersetzt worden, das nicht nur eine Vielfalt an Arten, sondern etwa auch genetische Vielfalt, die Vielfalt an Varianten innerhalb einer Art oder der Ökosysteme umfasst.
119
120
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Probleme: Denn diese gehen davon aus, dass sich ohne menschliche Störung unter einem bestimmten Klima eine bestimmte Pflanzengesellschaft herausbilde, die Klimax-Gesellschaft, die sich dann erfassen lasse − aber einen solch ›unberührten‹ Zustand hat das Mittelmeer im Holozän, der Epoche seit der letzten Eiszeit, nie gekannt. Stattdessen ist die heutige Gestalt des Mittelmeerraumes ein Ergebnis einer Jahrtausende alten Beziehung zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren rund um das »große Meer« (Blondel 2006, 2010; Bugalho et al. 2011): »Nowhere else more than in the Mediterranean has nature moulded people so much and have people in turn so deeply influenced landscapes. […] As as result, human activity should be considered as an integral ecological feature of the region, including effects of gene flow, differentiation, and local selection pressure and constraints« (Blondel 2010, S. 202). Vieles, was auch Biolog:innen als ›typisch mediterran‹ betrachten, ist das Ergebnis geschichtlicher Ereignisse und wechselhafter Entwicklungen, in denen sich menschliche und nicht-menschliche Akteure nicht trennen lassen.
Narrative des mediterranen Waldes In der Entwicklungshilfe und den Programmen internationaler Organisationen wird seit den 1980er Jahren die »Rettung« des mediterranen Waldes beschworen, der durch Abholzung, Übernutzung und Überweidung gefährdet sei. Auch in der Beschreibung des FFEM-Projektes heißt es: »Mediterranean forests in Europe, North Africa and the Middle East will be increasingly subject to human pressures (overgrazing, fuel wood collection, wildfire, agricultural conversions etc.) and the effects of climate change (increasing temperatures, declining rainfall, pest attacks etc.) As a consequence, the phenomena of deforestation and forest degradation will be especially significant in the MENA countries (Middle East and North Africa).« (FAO 2012a) Dieses Motiv − die Warnung vor dem Verlust der mediterranen Wälder aufgrund der (Über-)Nutzung durch vorrangig lokale Gemeinschaften − ist nicht neu. Es bildete, wie Davis (2007, 2013) zeigt, die Grundlage für koloniale Praktiken der Einhegung und Kontrolle und diente als Legitimation für die Kolonisierung Nordafrikas. Diese berief sich Davis zufolge auch auf eine Erzählung, nach der nordafrikanische Wälder und Landschaften durch ›falsche‹ Praktiken der lokalen Nutzer:innen degradiert worden seien, »an environmental narrative of decline, of the ruin of a previously fertile landscape by centuries of deforestation and overgrazing by Arab nomads and their livestock herds« (Davis 2005a, S. 212). Frankreich, als selbsterklärter »Erbe des Römischen Reiches«, sah sich, so Davis, berufen, die »ursprüngliche Fruchtbarkeit« dieser früheren »Kornkammer Roms« wiederherstellen (Davis 2007). Das Narrativ der Zerstörung und Degradation nordafrikanischer Wälder
4 Feldstudie
bildete demnach einen Strang der Begründung für die Intervention und Kolonisierung durch Frankreich. Entwaldung und die Debatten darum reichen jedoch weiter zurück, sie bilden eine Konstante im Verhältnis menschlicher Gesellschaften zu ihren Umwelten im Mittelmeerraum. Die Geschichte des mediterranen Waldes war immer auch eine Geschichte seiner Zerstörung − oder der Warnung vor dieser. Bereits die Phönizier begannen die Wälder des Libanon und Syriens zu roden, das begehrte Zedernholz wurde nach Ägypten, Mesopotamien, später nach Palästina exportiert (Mikesell 1969), und Entwaldung wurde schon im antiken Griechenland und Rom beschrieben und kontrovers diskutiert (Hughes 1983, 1994). Die These, wonach vor allem die Praktiken lokaler Gemeinschaften im 19. und 20. Jahrhundert zu einer ›Degradation‹ der mediterranen Landschaften geführt haben, ist durch jüngere Studien in Frage gestellt worden (Grove und Rackham 2003). Die erste große Welle der Entwaldung, die zu vielen der heute im Mittelmeerraum vorherrschenden Strauchformationen geführt hat − von vielen Autor:innen als eine Form ›degradierter‹ Vegetation verstanden −, habe demzufolge bereits in der Antike ihren Höhepunkt erreicht; nach dem Zerfall des Römischen Reiches erholten sich die Wälder. In Marokko legen Forschungen nahe, dass das Wachstum der Handelsnetze und die Blüte von Städten wie Marrakesch im Mittelalter mit ihrer Nachfrage nach Luxusgütern und Bauholz zu großflächigen Abholzungen führten (Mhirit und Blérot 1999, 26ff.). Der Erste Weltkrieg zerstörte in Frankreich direkt und indirekt Wälder (Puyo 2004), und auch aus den französischen Kolonien wurde in jener Zeit vermehrt Holz für die Kriegsindustrie nach Frankreich gebracht (vgl. Kap. 4.2). Für den Zustand des Waldes − oder seine Zerstörung − waren nicht (nur) lokale Praktiken verantwortlich, sondern die ›großen‹ Ereignisse der Geschichte: Kriege, der Aufstieg oder Niedergang von Reichen, Städten und Handelsnetzen. Und die Geschichte des Waldes im Mittelmeerraum ist geprägt von einem Wechsel von Zerstörung und Erholung, der regional sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Eine Vielzahl an Studien zeigt, dass bestimmte ökonomische Entwicklungen und gegenwärtige Praktiken der Nutzung von Wäldern im Mittelmeerraum keineswegs ›nachhaltig‹ sind, auch wenn neuere Studien nahelegen, dass für den Mittelmeer-Raum auch im Fall geringeren menschlichen Einflusses weniger großflächige Bewaldung als vielmehr eine kleinteilige »Mosaik-Struktur« typisch ist (Scarascia-Mugnozza et al. 2000; Blondel 2010). Dennoch möchte ich hier sensibel bleiben für die politischen Implikationen solcher Feststellungen: Die Diagnose einer akuten Gefährdung der mediterranen Wälder und der Aufruf zu ihrer »Rettung« bilden seit über hundert Jahren den Ausgangspunkt von Interventionen in den Wald, die diesen selbst wiederum verändern. Diese Interventionen können, wie in Kap. 4.2 gezeigt wird, sehr unterschiedliche Formen annehmen, sie sind abhängig von den Diskursen, die sie rahmen, von den Akteuren, die beteiligt sind (oder ausgeschlossen werden), von den Praktiken und Technologien, die zur Ver-
121
122
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
fügung stehen und verwendet werden, von dem Wissen, das generiert wird und darüber entscheidet, wie und welche Diagnosen gestellt werden können. Neue Technologien haben es ermöglicht, festzustellen, dass sich die Erde aufgrund der menschlichen Nutzung fossiler Brennstoffe erwärmt, und zu prognostizieren, wie sich diese Erwärmung auswirken wird. Zu den Gefährdungen der mediterranen Wälder, die seit Jahrhunderten, teils Jahrtausenden diskutiert werden − etwa Abholzung für Brenn- und Baumaterial oder landwirtschaftliche Nutzung, Überweidung, Bevölkerungswachstum − ist mit dem Klimawandel ein neue Gefährdung hinzugekommen, die das Gefüge und die Diskurse um mediterrane Wälder neu strukturiert, an bisherige Argumente und Politiken anknüpft oder diese verschiebt. Sie steht in enger Verbindung mit neuen räumlichen Dynamiken im Bereich der mediterranen Wälder seit 2010.
Neue räumliche Dynamiken Eine Dokumentensuche in den Publikationen der FAO zeigt zwischen 1990 und 2010 keine einzige Publikation zu mediterranen Wäldern; Studien gibt es nur zu den Wäldern der Region Asien-Pazifik, dem tropischen Afrika oder den Wäldern Europas.9 Dies entspricht der Aufteilung der verschiedenen für Wälder zuständigen Regionalkommissionen innerhalb der UN. Der Mittelmeerraum liegt ›zwischen‹ diesen und wurde lange Zeit nicht gesondert betrachtet. Eine Ausnahme gibt es: 1911 kam, in einem stark kolonial geprägten Umfeld, die Idee auf, eine Organisation zum Thema mediterrane Wälder zu schaffen, in dessen Rahmen sich Wissenschaftler:innen, Planer:innen und Mitarbeiter:innen der Forstbehörden aus dem Mittelmeerraum austauschen konnten. 1922 wurde diese Organisation unter dem Namen Silva Mediterranea (Silvamed) gegründet. 1948 wurde sie in die FAO eingegliedert, jedoch nicht als eigene Regionalkommission, sondern zunächst als Sub-Kommission der europäischen, später der drei RegionalKommissionen, die sich das Gebiet des Mittelmeeres teilten: der für Afrika, für Europa und der Kommission für Wälder des Nahen Ostens. Bis in die 1970er Jahre und wieder ab 1985 fanden die Treffen von Silvamed mit Vertreter:innen der beteiligten Staaten alle zwei Jahre statt, daneben gab und gibt es verschiedene Arbeitsgruppen, die unabhängig von den Sitzungen der Kommission zusammenkommen. Jenseits dieses überschaubaren Rahmens von Expert:innen spielten mediterrane Wälder auf der internationalen und regionalen politischen Ebene bis in die 2000er Jahre kaum eine Rolle.
9
Dokumentensuche auf www.fao.org/publications/search/en/ (zuletzt besucht am 5.3.2020), mit den Schlagworten »mediterranean« und »forest«, für Publikationen, die zwischen 1990 und 2010 erschienen sind. Ab 2010 finden sich hingegen eine Vielzahl an Publikationen zu diesen Schlagwörtern, die teils in Verbindung mit dem hier untersuchten Projekte stehen, teils nicht. Die Protokolle der Silva Mediterranea (s.u.) wurden hier ausgenommen.
4 Feldstudie
Im September 2010 fand in Istanbul das Gründungstreffen eines neuen Zusammenschlusses statt, des Collaborative Partnership on Mediterranean Forests (CPMF). Anders als im Fall der Silva Mediterranea sind die Mitglieder des CPMF keine Staaten, sondern Ministerien, Organisationen der Entwicklungshilfe oder NGOs, allesamt aus dem Globalen Norden.10 Ziel war es, eine neue Dynamik anzustoßen, das Thema Mediterraner Wald (wieder) auf die Tagesordnung regionaler und internationaler Politik zu setzen und angesichts der drohenden globalen Erwärmung die »bestehenden Probleme« in der Forstpolitik des Mittelmeerraumes zu lösen. Die Schaffung des CPMF als neue Organisation wurde begründet mit der Diagnose, dass Silva Mediterranea kaum noch aktiv sei (Evaluation CPMF). Das FFEM-Projekt ging aus dem CPMF hervor: Im Rahmen des CPMF wurde beschlossen, beim französischen Umweltfonds FFEM einen Antrag auf Fördergelder zu stellen, um ein erstes Projekt durchzuführen. 2011 bewilligte der FFEM die Gelder, 2012 konnte das Projekt starten. Angesiedelt wurde es im Sekretariat der Silva Mediterranea bei der FAO in Rom. Die Neugründung des CPMF war nicht die einzige im Bereich mediterraner Wälder in diesem Zeitraum, und das FFEM-Projekt war auch nicht das einzige Projekt, das zum Ziel hatte, REDD+ im Mittelmeerraum zu etablieren. Das europäische Forstinstitut (European Forest Institute, EFI) eröffnete 2007 sein neues Büro in Barcelona (EFIMED), das sich um mediterrane Wälder kümmern sollte. Dort ist auch die EU-REDD Facility angesiedelt, eine gemeinsame Einrichtung der EU sowie mehrerer europäischer Staaten, die den Ausbau von REDD+ in Ländern des Globalen Südens unterstützen soll.11 2009 stellte EFIMED seine »Mediterranean Forest Research Agenda« für die Jahre 2010 bis 2020 vor. In den folgenden Jahren finanzierte die EU zahlreiche Forschungsprojekte und -programme zu mediter-
10
11
Gründungsmitglieder waren die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Plan Bleu, die Association internationale des forêts méditerranéennes (AIFM), das französische Agrarministerium (Ministère de l’Agriculture et de l’Alimentation, MAAF), das Mediterranean Model Forest Network (MMFN), das Office National des Forêts International (ONFI) – eine Ausgründung der französischen Forstbehörde –, und das MittelmeerProgramm des World Wildlife Fund (WWF-MedPO). Inzwischen ist die Zahl der Mitglieder auf 17 gewachsen. Vgl. zum CPMF und dem Verhältnis zu Silvamed auch Kap. 5. Die EU REDD Facility wird finanziert von der EU, Frankreich, Deutschland, Irland, den Niederlanden, Spanien und (bis 2020) Großbritannien.
123
124
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
ranen Wäldern,12 dazu kamen internationale Ausbildungsprogramme im Bereich Forstwirtschaft.13 Die Weltbank hatte schon 2005 und 2007 Studien durchführen lassen, die den monetären Wert mediterraner Wälder kalkulieren sollten (Croitoru 2007; Merlo und Croitoru 2005). Die deutsche GIZ führte von 2010 bis 2014 ein Projekt durch, das einen ähnlichen Ansatz wie das FFEM-Projekt verfolgte (GIZ 2010). Es knüpfte an frühere Projekte der GIZ zum Waldschutz an, war jedoch das erste Projekt, das keinen nationalen, sondern einen regionalen Fokus hatte. 2010 fand die erste Mediterranean Forest Week statt, eine einwöchige Veranstaltung, die seither regelmäßig alle zwei Jahre in einem der beteiligten Ländern stattfindet.14 War der mediterrane Wald zunächst eine Kategorie, die Forstwirtschaftler:innen oder Biogeograph:innen beschäftigte, so wurde er ab Ende der 2000er Jahre zu einem politischen Projekt. Welche Form dies annahm, wie dieser neue ›mediterrane Wald‹ hergestellt wird und welche Folgen dies für seine Entwicklung hat, betrachte ich in den folgenden Kapiteln genauer.
Die Restrukturierung ländlicher Räume in Marokko Diese neuen Dynamiken fanden nicht in einem leeren Raum statt, sondern sind eingebettet in die ökonomischen und politischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, die die ländlichen Räume im südlichen Mittelmeerraum prägen. Dazu gehören zum einen regionalen Dynamiken − insbesondere die Ausweitung und zunehmende Abschottung der Europäischen Union −, zum anderen die neoliberalen Reformen, die ab den 1980er Jahren in den meisten Ländern Nordafrikas durchgeführt wurden und ein Grund für die Proteste und Revolutionen waren, die die Region ab Ende 2010 umwälzten.
12
13
14
Dazu gehören unter anderem FORESTERRA (Enhancing FOrest RESearch in the MediTERRAnean through improved coordination and integration), das mit Partnerinstituten in 12 Ländern von 2012 bis 2015 lief und mit 2 Millionen Euro von der EU gefördert wurde; AGORA (Advancing Mediterranean forest research capacities) von 2010 bis 2012, FOR CLIMADAPT von 2010 bis 2013 und QUALIGOUV von 2009 bis 2013, vgl. für eine Übersicht über weitere Projekte und Forschungsprogramme FFEM Rapport final, S. 24ff. So etwa die 2008 gegründete Euro-Mediterranean University (EMUNI), ein Projekt der Mittelmeerunion, die auch im Bereich Forstwirtschaft ausbildet, oder den Master-Studiengang Mediterranean Forestry and Natural Resources Management (MEDFOR), der von einem Konsortium verschiedener Universitäten angeboten wird, vgl. Evaluation Silvamed 2013. Die Mediterranean Forest Week fand zuletzt statt im Libanon (2019), Marokko (2017), Spanien (2015) und Algerien (2013), sie wird jeweils von mehreren hundert Teilnehmer:innen aus Politik, Forstverwaltungen und Wissenschaft besucht.
4 Feldstudie
Neue Grenzen: Die Europäische Union und ihre Nachbarn Die Betonung einer regionalen ›Einheit‹ in Bezug auf Geschichte, Umwelt und Kultur steht in Gegensatz zu den ökonomischen Realitäten im Mittelmeerraum. Dieser ist ökonomisch und politisch von einer zunehmenden Spaltung geprägt. Wirtschaftskraft und Reichtum sind zwischen den Staaten der EU im Norden und den Staaten im Süden und Osten des Mittelmeeres sehr ungleich verteilt. Das BruttoInlandsprodukt (BIP) pro Kopf von Frankreich beträgt mit 3700 US-Dollar rund zehnmal so viel wie das von Algerien; dieses Verhältnis gilt auch für die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen EU-Mitgliedern und ihren südlichen und östlichen Nachbarn insgesamt (World Bank 2020b).15 Absolut gesehen sind die Zahlen noch extremer: Der EU als zweitgrößtem Wirtschaftsraum der Welt mit einem BIP von 17,34 Milliarden US-Dollar steht im Süden ein Wirtschaftsraum mit einem BIP von 1,44 Milliarden US-Dollar gegenüber (World Bank 2020a). Die EU ist der wichtigste Handelspartner für fast alle Staaten Nordafrikas, der Handel mit der EU macht im Fall Marokkos rund 60 Prozent, in Tunesien 64 Prozent, in Algerien 50 Prozent des Handels aus (FAO und Plan Bleu 2013, S. 10). Nicht nur handelt es sich beim Mittelmeerraum also um »one of those precarious zones where Global South and Global North come into direct contact and where at the same time – one could argue – Global North and Global South are brought into being by the very processes of bordering and de-bordering« (Boeckler und Berndt 2017, S. 23), auch beeinflusst die EU durch ihre Nachbarschaftspolitik, durch Regeln für Migration und Freihandel, Entwicklungsprojekte und den immer noch starken Einfluss etwa der französischen Regierung auf die früheren Kolonien die Möglichkeiten und Spielräume der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region. So haben mehrfach Studien gezeigt, wie sich das räumliche und soziale Gefüge landwirtschaftlicher Produktion in Marokko durch das Abkommen mit der EU von 2000 und der Möglichkeit des Exportes von (bestimmten) Agrargütern verändert hat (Berndt und Boeckler 2011; Boeckler und Berndt 2017; Sippel 2016; Gertel und Le Heron 2011).16
15 16
Alle hier genannten Daten beziehen sich auf das Jahr 2017. Dieses Abkommen stellt das (vorläufige) Ergebnis der langen und widersprüchlichen Geschichte der wirtschaftlichen Beziehung zwischen der EU und den Staaten Nordafrikas dar. Als die sechs Gründerstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) 1957 die Römischen Verträge unterzeichneten, sicherte ein Zusatz zu den Verträgen Marokko und Tunesien präferierte Beziehungen zu − auf Drängen Frankreichs, das zu den beiden ehemaligen Kolonien enge wirtschaftliche Beziehungen unterhielt. Die Beitritte von Griechenland 1981 und Spanien und Portugal 1986 erweiterten die EG in Richtung Mittelmeerraum und weckten bei den nun südlichen Nachbarn Hoffnungen auf eine engere wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit. 1987 bewarb sich Marokko um Aufnahme in die EG. Doch mit dem Ende des Kalten Krieges verschob sich der geographische Schwerpunkt des europäischen Projektes, 2004 traten zehn neue Mitgliedsstaaten im Osten und Südosten der EU bei. Frankreich versuchte, mit
125
126
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Die komplexen, widersprüchlichen Grenzregime, die in solchen »zones of encounter« immer wieder neu hergestellt und verschoben werden, lassen sich nicht nur in der Produktion von und im Handel mit Agrargütern beobachten. Seit Anfang der 2010er Jahre ist das Mittelmeer zunehmend als Raum der Migration in den Fokus geraten, was zum Aufbau neuer Grenz- und Transitsysteme geführt hat; diese Diskussion wurde zuletzt auch mit Klimawandel und Umweltschäden in Verbindung gebracht (Werz und Hoffman 2018; Wodon 2014; Klepp 2017, 2018). Pläne für den Export von (erneuerbarer) Energie in die EU und eine ›Ausweitung‹ des europäischen Stromnetzes nach Nordafrika prägen die derzeitige Diskussion um Energieproduktion und -versorgung in Marokko und deren Infrastruktur (vgl. etwa Amegroud 2015; Aoun 2015; Hafner et al. 2013). Zugleich haben die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007, die folgende Austeritätspolitik und die Debatte um die Migrationspolitik ab 2015 gezeigt, wie brüchig die EU in sich ist (vgl. etwa Demirović und Sablowski 2012; Buckel 2014). Dies hat zu neuen Spaltungen in der Staatengemeinschaft geführt, die jedoch nicht zur Auflösung, sondern zu einer Verstärkung der Grenzen nach ›Außen‹ einhergingen.
Neoliberalismus im Mittelmeerraum Wie in Kap.2.1 beschrieben, spielten bei der Durchsetzung neoliberaler Politiken ab Ende der 1980er Jahre Länder des Globalen Südens eine wichtige Rolle. Sie dienten einerseits als ›Labor‹ für die neuen Wirtschaftsmodelle, zum anderen als Feld, auf dem durch internationale Entwicklungs- und Kreditprogramme neoliberale Reformen teils sehr viel radikaler durchgesetzt werden konnten als in den Ländern des Globalen Nordens. Die Schuldenkrise der 1980er Jahre zwang auch viele Staaten Nordafrikas, Kredite internationaler Organisationen aufzunehmen, vor allem der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF).17 Diese Kredite waren an
17
einer Stärkung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten im südlichen Mittelmeerraum ein Gegengewicht zu diesen Entwicklungen zu schaffen: 1995 initiierte es den Barcelona-Prozess für eine Euro-Mediterrane Partnerschaft (EMP), langfristig sollte damit eine Freihandelszone im Mittelmeerraum geschaffen werden. Doch das Projekt scheiterte schon in den ersten zwei Jahren aufgrund politischer und wirtschaftlicher Differenzen. Der regionale Ansatz wurde seither durch einen bilateralen ersetzt: Die EU als Block schloss mit einzelnen der südlichen Nachbarstaaten Handelsabkommen. Viele dieser Abkommen – so auch das EUMarokko-Abkommen – schließen ›sensible‹ Güter wie bestimmte Agrarprodukte aus oder etablieren komplexe Regeln, um den Import von Gütern einzuschränken, die EU-Produkten Konkurrenz machen könnten. Derzeit wird ein neues Handels- und Dienstleistungsabkommen mit Marokko verhandelt, das das Abkommen von 2000 ersetzen soll. Die Staaten Nordafrikas sollen hier nicht wahllos zusammengeworfen oder unter eine gemeinsame regionale Identität subsumiert werden. Sie unterscheiden sich in vieler Hinsicht, teilen jedoch, wie Bush (2004b, S. 678) darstellt, in ökonomischer Hinsicht einige strukturelle Eigenschaften: »There is a high dependence upon economic rents whether from natural resources or labour remittances. The region’s economies have poor agricultural sectors, with
4 Feldstudie
die Bedingung geknüpft, sogenannte Strukturanpassungsmaßnahmen (SAP) umzusetzen. Zu diesen gehörten Wirtschafts- und Sozialreformen, Privatisierungen von Staatsunternehmen und Infrastruktur und Abschaffung von Subventionen.18 Nach den ›early reformers‹ Ägypten, Tunesien, Marokko und Jordanien schwenkten nach und nach die meisten der nordafrikanischen und nahöstlichen Staaten vom staatszentrierten Entwicklungsmodell der Nachkriegszeit auf eine teilweise oder weitreichende Liberalisierung um. Die ökonomischen Reformen, die sie durchführten, weisen ähnliche Tendenzen auf, auch wenn sie, abhängig von nationalen Strategien und den verschiedenen Formen des Widerstandes gegen sie, unterschiedliche Gestalt annahmen.19 Diese Reformen betrafen in Nordafrika insbesondere auch den ländlichen Raum. In Ägypten beschloss die Regierung unter Präsident Mubarak 1992 das Gesetz 96, das die Überreste von Nassers Landreform aus den 1950er Jahren rückgängig machte.20 Millionen von Menschen verloren Zugang zu ihrem Ackerland (Bush 2002, 2011; Ayeb 2012).21 Tunesien begann 1986 mit Strukturanpassungsmaßnahmen, und setzte ab den 1990ern auf eine ›Modernisierung‹ der Landwirtschaft
18
19
20
21
gross investment in this sector falling in the period 1980-92; the result is that evidence for poverty is generally stronger in the countryside than in the towns and the region is heavily dependent upon food imports. Rents have provided largesse for regime elites, sustained corruption (the use of public goods for private gain) and provided an obstacle to political liberalization and, at different times, succour for radical Islam.« Für eine ausführliche Darstellung und (kritische) Diskussion der Maßnahmen und ihrer Effekte in der Region vgl. Handoussa 1997; Guazzone und Pioppi 2009; Dillmann 2001; Bogaert 2013, für Ägypten auch Mitchell 1996, für Marokko u.a. Najem 2010 und Catusse 2010. Quer durch die Region wurden einzelne Reformvorhaben aufgrund von Widerständen und Protesten gestoppt oder Strategien verändert, wo sie Bereiche trafen, die sich als besonders sensibel erwiesen, etwa im Fall der Subventionen auf Brot oder Treibstoff. Die Landreformen unter Gamal Abd El Nasser 1952 und 1961 waren die ersten im arabischen Raum. Etwa ein Siebtel der Agrarfläche Ägyptens wurde umverteilt. Großgrundbesitzer:innen mit Besitz über 100 Feddan (rund 42 Hektar, es gab Ausnahmen bei mehr als zwei Kindern) wurden enteignet und entschädigt, das Land vorrangig an Landlose verteilt, die zuvor etwa 75 Prozent der Landbevölkerung ausgemacht hatten. Das Landgesetz von 1992 ermöglichte Nachfahren oder Verwandten der enteigneten Großgrundbesitzer:innen, ihr Land zurückzufordern (vgl. Bush 2011, S. 396). Weitreichender war die Aufhebung des Pachtrechtes. Der Pachtvertrag konnte seit den Reformen unter Nasser vererbt werden. Das Landgesetz von 1992 beendete dies abrupt: Zum Januar 1997 endeten alle Pachtverträge und mussten neu verhandelt und abgeschlossen werden, ohne dass es bezüglich der Konditionen Einschränkungen gab. Das ägyptische Landgesetz war damit das prägnanteste Beispiel einer Politik, die unter Bezug auf Harvey (2003) als Beispiel von »accumulation through dispossession« diskutiert wurde. Auf diese »crisis displacement strategy«, so die These, greifen Staaten zurück, wenn die zeitlichen und geographischen Externalisierungsprozesse an ihre Grenze geraten, mit denen zunächst versucht wurde, Überakkumulations-Krisen und Stagnation der Weltwirtschaft zu bearbeiten. »The system then turns to more extreme forms of exploitation that occur beyond
127
128
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
mit Schwerpunkt auf den Export.22 Marokko nahm bereits 1983 einen Kredit beim IWF auf, und begann im Gegenzug mit Strukturanpassungsmaßnahmen, die bis 1992 liefen (vgl. Catusse 2010). Subventionen auf Grundnahrungsmittel wie Weizen, Zucker, Öl und Benzin wurden gekürzt oder abgeschafft (Moustakbal 2017).23 1986 wurde der Exportsektor, der bis dahin vom Staat kontrolliert wurde, liberalisiert, Exporte mussten nicht mehr vom Staat genehmigt werden (vgl. Sippel 2016; Gertel und Breuer 2012). 1989 verabschiedete das Parlament ein Privatisierungsgesetz und richtete in der Folge ein eigenes Ministerium für Wirtschaft und Privatisierung ein.24 Der Zugang zu Wasser wurde privatisiert, was privaten Landbesitzer:innen erlaubte, selbst Pumpen aufzustellen und Grundwasser abzupumpen (Jouve 2006). Land, das bisher im Besitz des Staates war oder kollektiv genutzt wurde, wurde teilweise privatisiert (Mahdi 2014). 1996 schloss Marokko ein Freihandelsabkommen mit der EU, 2003 mit den USA. In der Landwirtschaft gab das Land sein vorrangiges Ziel der Selbstversorgung auf und setzte verstärkt auf den Export, insbesondere in die Europäische Union. Studien aus verschiedenen Ländern der Region zeigen, dass von der Privatisierung ehemaliger Staatsunternehmen vor allem die wirtschaftlichen und politischen Eliten profitierten (Bergh 2012b), und dass die Vergabe von Staatsunternehmen und -besitz autoritären Herrschern in der Region als Mittel der Patronage diente, »to reinforce and extend its traditional links with the most important economic and political elements in society« (Najem 2010, S. 53). Der neoliberale Umbau führte demnach nicht zu einer Schwächung des Staates, sondern umgekehrt dazu, dass die Eliten ihre Kontrolle über strategische Ressourcen ausweiten konnten. In Ländern wie Ägypten oder Tunesien kamen einzelne Geschäftsmänner, teils aus der Familie der politischen Eliten oder (ehemalige) Militärs, zu enormem Reichtum. In Marokko übernahmen die Königsfamilie und deren Umfeld direkt oder durch Firmen, an denen sie Anteile hielten, viele der ehemaligen Staatsbetriebe; der Einfluss
22
23
24
purely market production and exchange: what Harvey (2003) calls ›accumulation by dispossession‹.« (Bond 2008, S. 18) Bestrebungen, die Landschaft zu ›modernisieren‹, verstanden meist im Sinne einer Mechanisierung, gab es in den meisten der nordafrikanischen Länder bereits vor dem Beginn der Neoliberalisierung. Im Gegensatz zu diesen staatszentrierten Programmen, die häufig die nationale Versorgung verbessern wollten, setzten die neoliberalen Ansätze jedoch auf Privatisierung und Export. Marokko hatte bereits seit den 1960er Jahren wiederholt Kredite des IWF aufgenommen (vgl. Davis 2006, S. 90), allerdings waren diese bis zur Einführung des Washington Consensus (vgl. Kap. 2) nicht an ökonomische Reformen gebunden. Marokko war damit der Vorreiter der Privatisierungstendenzen in der Region. Für eine ausführliche Darstellung der ersten Jahre der Privatisierungsmaßnahmen vgl. Khosrowshahi 1997, für eine kritische Darstellung Najem 2010.
4 Feldstudie
des Makhzen, der mit dem Königshaus verbundenen Elite, wurde gestärkt (Dillmann 2001; Davis 2006).25 Zugleich führte die Schwächung der Verwaltung und der Abbau staatlicher Institutionen dazu, dass die Bedeutung von direkten Interventionen der Exekutive zunahm, was sowohl die politische Bedeutung der lokalen Ebene stärkte als auch die der obersten politischen Führungsebene, insbesondere des Königs, auf Kosten des mittleren Verwaltungs- und Politiksektors.26 Die These verschiedener Phasen des neoliberalen Umbau, eines »roll-back« und »roll-in«-Neoliberalismus, wird auch in Bezug auf Marokko diskutiert (Catusse 2010; Bogaert 2011); Bergh (2012a) spricht für die Zeit ab den 2000er Jahren von einem »inclusive neoliberalism«, bei dem der (teilweise) Abbau von staatlichen Leistungen durch neue Mechanismen aufgefangen wird, häufig ausgehend direkt vom Königshaus. Welche Auswirkungen diese neoliberalen Reformen in der Region auf die Bevölkerung auf dem Land hatten, ist nur vereinzelt empirisch untersucht worden. Ayeb (2012) zeigt, wie Investor:innen mit Unterstützung der Regierung im Südosten Tunesiens landwirtschaftliche Großprojekte in ariden Gebieten umsetzten und dafür die Erlaubnis erhielten, tiefer liegende Grundwasservorräte anzuzapfen als zuvor, was zum Austrocknen der Quellen, dem Niedergang der Oasen und zum Verlust der Lebensgrundlage von Kleinbäuer:innen führte. In Folge der ägyptischen Landreformen wurde die Gruppe der Pächter:innen aus den Statistiken herausgenommen, was eine Analyse erschwerte. Bei Protesten in Zusammenhang mit der Umsetzung des Landgesetzes kam es jedoch wiederholt zu Protesten von Kleinbäuer:innen und Landlosen. Mindestens 119 Menschen starben in den ersten zwei Jahren nach Umsetzung der Reform bei Protesten, 846 wurden verletzt (Bush 2004a, S. 15); das Ausmaß der Proteste war jedoch geringer als von manchen Beobachter:innen erwartet (Hopkins und Westergaard 1998, S. 6). 25 26
Als Makhzen wird das teils informelle ›Netzwerk der Macht‹ in Marokko genannt, das sich um das Königshaus gebildet hat, jedoch nicht auf dieses beschränkt ist. In Marokko bedeutete dies insbesondere eine stärkere politische Rolle des Königs. Dieser »political dualism« wird von Denoeux und Maghraoui (1998) als Reaktion auf Proteste und zivilgesellschaftliche Organisierung seit Ende der 1980er verstanden: Einerseits erhalten diese Bewegungen mehr Raum, etwa im Rahmen der neuen marokkanischen Verfassung von 1992, andererseits wird diese zugleich eingeschränkt durch die »royal arbitration: a concept that revolves around a view of the king as both supreme arbiter and ultimate decision maker. As arbiter, the king mediates among contending groups and factions and thereby prevents conflicts from tearing society apart. As ultimate decision maker, he decides on overarching issues, especially those which could not be resolved in the absence of royal intervention, because the other players in society were too divided among themselves.« (Denoeux und Maghraoui 1998, S. 106). Die Autoren sehen das Konzept dabei verwurzelt in den politischen Traditionen des Landes. Eine Stärkung der oberen Exekutive und der lokalen Ebene auf Kosten mittlerer politischer Ebenen ist im Rahmen des neoliberalen Umbaus jedoch auch in anderen Ländern des Globalen Nordens und Südens zu beobachten (vgl. Kap. 2).
129
130
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Zusammen mit makroökonomischen Analysen (Hanieh 2013) legen diese Studien nahe, dass die ökonomischen Reformen ab den 1980er Jahren zu einer Zunahme der Ungleichheit und der Armut geführt haben, sowie zur (weiteren) Marginalisierung von Teilen der Bevölkerung. So ist der Anteil der Menschen in der Region, die von weniger als 2 US-Dollar leben müssen, von 24,8 Prozent im Jahr 1990 auf 29,9 Prozent im Jahr 1998 gestiegen (Adams und Page 2001, S. 4; Bush 2004b, S. 681), die extreme Armut ist zwischen den 1990er und den 2000er Jahren gestiegen (UNDP 2009, 122f.) und die Unterernährung hat zugenommen (UNDP 2009, S. 124).27 Inwieweit die Einkommensungleichheit zugenommen hat, lässt sich aufgrund unzureichender Daten nur eingeschränkt berechnen. Daten, etwa der Weltbank, legen nahe, dass sich die Ungleichheit der Einkommen in den verschiedenen Ländern unterschiedlich entwickelt, insgesamt aber nur moderat verändert hat (World Bank 2015). Unabhängig davon stellt der einflussreiche Arab Human Development Report, von dem zwischen 2002 bis 2016 sechs Berichte mit unterschiedlichen Schwerpunkten erschienen, eine zunehmende Marginalisierung weiter Teile der Bevölkerung fest: »Despite moderate levels of income inequality, in most Arab countries social exclusion has increased over the past two decades. In addition, there is evidence to suggest that the inequality in wealth has worsened significantly. In many Arab countries, for example, land and asset concentration is conspicuous and provokes a sense of exclusion among other groups, even if absolute poverty does not increase. Furthermore, the crowding of the poor in slums without sanitation, safe water, recreational facilities, reliable electricity and other services aggravates such exclusion. These trends, combined with high unemployment rates, result in the ominous dynamics of marginalization, visible in the high rates of urban slum dwellers in Arab cities and towns: 42 per cent in 2001.« (UNDP 2009, S. 116) Bush (2004b) argumentiert, dass der Fortbestand und die Zunahme von Armut in der Region gerade nicht auf eine fehlende Integration in die internationale Wirtschaft resultiere, wie internationale Entwicklungsorganisationen schrieben: »The poor are poor precisely because of their incorporation into the reality of the contemporary capitalist economies. Adverse differential incorporation results in labour regimes that are hugely exploitative […]. Differential incorporation has also
27
In Ägypten, Jordanien, Libanon, Marokko, Saudi-Arabien und im Jemen ist die Zunahme der Unterernährung sowohl absolut als auch relativ zu beobachten, in Syrien und Algerien gab es eine absolute Zunahme, relativ jedoch eine geringe Abnahme der Unterernährung in der Bevölkerung. Für eine Übersicht über die Armutsentwicklung in der Region sowie Diskussion über die verschiedenen Methoden, Armut zu messen und deren Implikationen für die Ergebnisse vgl. Bush 2004b.
4 Feldstudie
led to a decline in employment as privatization creates redundancy, and job opportunities, in the age of ›globalization‹, fail to meet demand and labour force growth.« (Bush 2004b, S. 675) Auch Bogaert (2013, S. 224) führt den Anstieg der Armut auf die neoliberale Politik zurück. Diese habe zur Beendigung von Umverteilungsmechanismen geführt, wie Subventionen, kostenlose Bildung oder staatliche Jobgarantien im öffentlichen Sektor, die bis zu den 1980er Jahre dazu beigetragen hätten, dass die Ungleichheit moderat und das Vorkommen extremer Armut, verglichen mit anderen Weltregionen, bis in die 1990er Jahre niedrig war (vgl. auch UNDP 2009).
Die Umbrüche seit 2011 Am 17. Dezember 2010 setzte sich der tunesische Gemüsehändler Mohamed Bouazizi aus Protest gegen eine Beschlagnahmung seiner Ware selbst in Brand − und löste damit eine Welle von Aufständen aus, die am 14. Januar den langjährigen Autokraten Zine el-Abidine Ben Ali stürzten und wenig später auf fast alle Länder der Region übergriffen.28 In Marokko trafen sich Aktivist:innen ab Januar 2011 vor der tunesischen Botschaft in Rabat, um den Aufstand in Tunesien zu unterstützen. Daraus entstand eine neue Bewegung vor allem junger Menschen, die für den 20. Februar über soziale Medien zu landesweiten Protesten aufrief. Wenige Tage zuvor veröffentlichte diese Bewegung des 20. Februar auf Facebook ihre Forderungen, darunter eine demokratische Verfassung, die Auflösung des Parlaments, den Rücktritt der Regierung und die Anerkennung der Berbersprache Tamazight als Amtssprache.29 König Mohammed VI. reagierte rasch: Am 9. März kündigte er die Ausarbeitung einer neuen Verfassung an, ebenso die Erfüllung eines Teils der Forderungen der Protestierenden. Die Proteste nahmen dennoch zunächst weiter zu und weiteten sich bis Juli auf über 100 Städte und Ortschaften aus. Zwar flauten die Proteste ab Sommer 2011 ab, einzelne Gruppen, die sich 2011 gründeten, sind jedoch bis 28
29
In Ägypten besetzten Aktivist:innen am 25. Januar den zentralen Tahrir-Platz und zahlreiche weitere Plätze im ganzen Land und zwangen General Hossein Mubarak nach fast zwanzig Jahren an der Macht zum Rücktritt. In Libyen griffen in Folge der Proteste die USA und weitere Verbündete ein und stürzten den Präsidenten Muammar Al-Ghaddafi, verschiedenen Landesteile werden seither von wechselnden Gruppen kontrolliert. In Syrien führten die Proteste, die dort im Frühjahr 2011 begannen, zu Kämpfen zwischen der Regierung Bashar Al-Assad mit zivilgesellschaftlichen und radikal-islamistischen Gruppen, die bis heute andauern und zu Hunderttausenden Todesopfern und Millionen Vertriebenen geführt haben. Der Aufstand in Bahrain wurde von der Regierung, unterstützt von Saudi-Arabien, niedergeschlagen. Im Jemen stürzten die Proteste mehrere Regierungen und führten zu einem Bürgerkrieg. Auch in Jordanien, Algerien und im Libanon kam es zu Protesten. Für eine Übersicht über die Entwicklung der Bewegung und ihrer Forderungen vgl. Rachidi 2015.
131
132
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
heute aktiv.30 Im Jahr 2016 kam es, ausgehend von der Rif-Region im Norden des Landes, zu einer erneuten Welle von Protesten, die sich gegen die Untätigkeit der Regierung in benachteiligten Regionen des Landes und gegen die hogra, den verachtenden Umgang von Staatsvertreter:innen, insbesondere der Polizei, mit den eigenen Bürger:innen richtete. In westlichen Medien wurden die Aufstände 2011 überwiegend als liberale Proteste gegen autoritäre Herrschaft eingeordnet, als Ausdruck der »popular dissatisfaction with illiberal, unreformed Arab rule« (Tisdall 2011), oder mit der demographischen Entwicklung in Verbindung gebracht, als Revolte der Jungen gegen die ›Alten‹ an der Macht (Dunne 2011). Intensiv diskutiert wurde auch die Rolle sozialer Medien, bis hin zur These der »Facebook-Revolution« − nicht zuletzt, weil auch viele Protagonist:innen der Aufstände selbst die Rolle des Internets bei der Mobilisierung zu den Protesten und des Austauschs von Informationen betonten.31 Andere Autor:innen haben diese Lesart kritisiert (vgl. etwa Alexander und Bassiouny 2014; Armbrust 2011; Bogaert 2013).32 Sie betonen die Rolle, die soziale Gerechtigkeit bei den Aufständen spielte, und stellen eine Verbindung zu den neoliberalen Reformen der vergangenen Jahrzehnte her. Die Proteste seien, so Bogaert (2013, S. 214) »not just a revolt against authoritarian regimes but also expressions of a systemic crisis, a structural crisis of the social order of neoliberal globalization«. Armbrust (2011) spricht von einer »revolution against neoliberalism«. Der Slogan »Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit« der ägyptischen Revolution weist in diese Richtung. Auch die zahlreichen Proteste auf dem Land und die Gründung von unabhängigen Gewerkschaften in den ersten Monaten nach der Revolution legen
30
31
32
Die Koalition, die die Proteste trug, begann bereits ab April zu zerbrechen. So verließen Gewerkschaften das Bündnis, nachdem die Regierung versprochen hatte, einen Teil ihrer Forderungen − höhere Löhne für Staatsangestellte und Jobs für Universitätsabsolvent:innen − zu erfüllen (Rachidi 2015). Auch steigende Repression sowie die Entwicklungen in Syrien und Libyen, wo die Proteste in Bürgerkriege mündeten, trugen dazu bei, dass die Welle des Protestes abflaute. So etwa der ägyptische Blogger Wael Ghonim (2012) in seinem Buch »Revolution 2.0« oder die Herausgeber:innen der Sammlung »Tweets from Tahrir« (Idle 2011). Als »FacebookRevolution« wurden bereits vor 2010 die Proteste im Iran gegen die umstrittene Wahl 2009 bezeichnet. Ebenso betonen viele Autor:innen, die zur Region arbeiten, die Aufstände seien keineswegs ›aus dem Nichts‹ ausgebrochen. Ein genauerer Blick auf die Geschichte sozialer Bewegungen zeige, dass sie an frühere Proteste und Aufstände anknüpften: etwa an die Proteste im Minengebiet von Gafsa in Tunesien (Allal 2010) und die Streiks in Mahalla in Ägypten 2008, die für viele Aktivist:innen im Land den Ausgangspunkt ihrer politischen Aktivität bildeten (vgl. auch Beinin 2013). Bergh (2012a, S. 411) und Bogaert (2015, S. 130) argumentieren, dass sich in Marokko schon ab Mitte der 2000er Jahre eine Zunahme der Häufigkeit sozio-ökonomischer Protesten ausmachen lässt.
4 Feldstudie
nahe, dass die wachsende soziale Ungleichheit und Marginalisierung der Bevölkerung wesentlich zu den Aufständen beigetragen haben, ebenso die Ablehnung der Protestierenden gegenüber weiteren Krediten internationaler Geldgeber.33 Jedoch führten die Revolutionen nicht zu einer nachhaltigen Veränderung der Wirtschaftspolitik. Die neuen und alten Regierungen setzten − abgesehen von einer kurzen Übergangsphase − den Weg ihrer Vorgänger fort und kombinierten neoliberale Politikansätze mit repressiven Maßnahmen und einer häufig populistisch aufgeladenen Subventionspolitik. Die EU, USA und die internationalen Entwicklungsorganisationen stellten sich nach den Umbrüchen 2011 auf Seite der neuen Herrscher und boten an, die erwarteten »democratic transitions« zu unterstützen − eine Unterstützung, die an weitere (Wirtschafts)Reformen und Marktöffnungen geknüpft war.34 Der Einfluss des IWF und der Weltbank nahm in der Region nach 2011 nicht ab, sondern zu.35 Auf die neue Protestwelle ab 2016 antwortete Marokko mit neuen Vorschlägen zur Privatisierung − etwa von bisher kollektiv genutztem Land − und Vorschlägen, die »Wettbewerbsfähigkeit« des Landes zu stärken (Fabiani 2019). Ein ›Ende des Neoliberalismus‹ lässt sich in der Region nicht ausmachen – wohl aber Verschiebungen in der Form der Inwertsetzung, die auch Aspekte eines ›grünen Neoliberalismus‹ umfassen. Auf diese wird im folgenden Abschnitt und in Kap. 4.3 näher eingegangen.
33
34
35
So kam es in Ägypten im Frühjahr 2011, wenige Wochen nach dem Rücktritt Mubaraks, zu starkem Widerstand gegen die Aufnahme eines neuen IWF-Kredites, der eigentlich für Frühjahr 2011 geplant war. Die ägyptische Übergangsregierung sah sich gezwungen, den Kredit zunächst abzulehnen (Schumacher 2011). So betonten die G8, die acht wichtigsten Wirtschaftsnationen, bei ihrem Gipfel im Mai 2011 in der Deauville-Erklärung zum ›Arabischen Frühling‹, die Bedeutung weiteren Engagements internationaler Finanzinstitutionen in der Region durch »strong economic programs to strengthen governance and bolster the business climate. Such support will help to address the disruptions to private financial flows and to restore market access«. Sie kündigten Unterstützung an, etwa durch gegenseitige Marktöffnung, »to encourage integration into the global economy through increased trade and inward investment in the region, for countries undertaking reforms to open their economies and create competitive conditions« (G8 Summit 2011). Ende 2016 nahm Ägypten, inzwischen in einer schweren Wirtschaftskrise, wieder einen Kredit des IWF auf − im Gegenzug strich es weitere Subventionen und gab den Wechselkurs des Ägyptischen Pfundes frei, der bis dahin regelmäßig von der Zentralbank angepasst wurde. Marokko hat seit Ende 2011 wiederholt Kredite des IWF aufgenommen, unter der Auflage, etwa den Gesundheits- und Bildungsbereich weiter zu liberalisieren, wogegen im Frühjahr 2019 Tausende demonstrierten.
133
134
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Die internationale Klimapolitik und Marokkos Rolle darin Die neuen Initiativen und Projekte zu Wäldern, die in Kap. 4.1.1 dargestellt wurden, zeichnen sich durch zwei Aspekte aus: zum einen durch ihren regionalen Fokus auf die mediterranen Wälder, zum anderen durch ihren inhaltlichen Fokus auf den Klimawandel. Wie schon aus den Titeln der genannten Entwicklungsprojekte der letzten zehn Jahre deutlich wird, wird als Anlass und Rahmen der Aktivitäten die globale Erwärmung ausgemacht. Die globale Klimapolitik sowie ihre regionale und nationale Ausgestaltung sind entscheidend für das Verständnis des Projektes und seiner Ergebnisse. In diesem Abschnitt wird kurz die Entwicklung der internationalen Klimapolitik dargestellt sowie die Rolle, die Kohlenstoffmärkte − und insbesondere das Instrument REDD+ − darin spielen, ehe auf die Klimapolitik Marokkos eingegangen wird.
Von Gerechtigkeitsfragen zu neuen Märkten Neben Biodiversität gilt der Klimawandel als das wichtigste Beispiel für die Neoliberalisierung von Natur (Peet et al. 2011a; Lohmann 2006, 2012; Brunnengräber 2006; Lovell et al. 2009; Bumpus und Liverman 2008; Liverman 2009). Die globale Erwärmung ist seit den 1980er Jahren Thema der internationalen Politik. 1988 riefen die Umweltorganisation der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP) und die Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization, WMO) den Weltklimarat ins Leben (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), der alle vier bis fünf Jahre den aktuellen Forschungsstand zur globalen Erwärmung in einem Bericht zusammenfasst.36 In seinem letzten Bericht hat der Weltklimarat festgestellt, dass die Erde sich seit dem Beginn weltweiter Messungen im Jahr 1880 bis zum Jahr 2012 um 0,85°C erwärmt hat und mit 95-prozentiger Sicherheit davon auszugehen ist, dass diese Erwärmung durch menschliche Aktivität verursacht ist (IPCC 2013). Seinen ersten großen Auftritt auf der politischen Bühne hatte der Klimawandel auf dem Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro 1992, der als ein Wendepunkt beziehungsweise als Ausgangspunkt der globalen Umweltpolitik gelten kann. Dort wurde neben der Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD) auch die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen beschlossen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC), die bis heute den Rahmen der internationalen Klimapolitik bildet. Das Sekretariat der UNFCCC hat seinen Sitz seit 1995 in Bonn, dort arbeiten rund 450 Mitarbeiter:innen. Jedes Jahr finden zwei bis vier Verhandlungsrunden statt, auf denen über die weitere Ausgestaltung der Verträge beraten wird. 1997 beschlossen die Mitgliedsstaaten der 36
Neben diesen Assessment Reports gibt der IPCC auch von Zeit zu Zeit Special Reports heraus, zuletzt zu Ozeanen (2019a) und zu Land (2019b).
4 Feldstudie
UNFCCC mit dem Kyoto-Protokoll zum ersten Mal ein bindendes Abkommen, das zunächst von 2008 bis 2012 galt.37 2009 scheiterten bei der Konferenz in Kopenhagen die Verhandlungen über ein Folgeabkommen. Im Dezember 2015 wurde bei der 21. Vertragsstaatenkonferenz (COP21) in Paris ein neues, rechtlich verbindliches Abkommen ausgehandelt, das Pariser Abkommen, das seit 2020 den Rahmen für die Klimapolitik bildet. Das Pariser Abkommen trat am 4. November 2016 in Kraft, wenige Tage vor dem Beginn der folgenden COP in Marrakesch.38 Zahlreiche Studien aus der Geographie, der Political Ecology und aus benachbarten Disziplinen haben sich mit der Entstehung der internationalen Klimapolitik, ihrer Ausgestaltung und neoliberalen Ausprägung beschäftigt. Autor:innen wie Bäckstrand und Lövbrand (2006) oder Oels (2005) haben Diskurse um den Klimawandel in den Blick genommen und gezeigt, wie diese das Problem Klimawandel herstellen und einordnen. Dieses diskursive Framing gibt demnach mögliche Lösungswege vor und dient dazu, das Problem auf eine Art und Weise zu behandeln, die es den Ländern des Globalen Nordens ermöglicht, ihre »imperiale Lebensweise« fortsetzen zu können (Brand und Wissen 2017). Ein zweiter Punkt von Untersuchungen betrifft die Art der Ausgestaltung der Klimaverträge, die vor allem auf Marktmechanismen setzen. Das Kyoto-Protokoll legte zwar verbindliche Reduktionsziele fest,39 erlaubte jedoch über eine Reihe von sogenannten »flexiblen Mechanismen« den Handel mit Emissionen. Damit schuf es nicht nur ein (handelbares) »right to pollute«, sondern auch neue Märkte, auf denen mit Emissionszertifikaten gehandelt werden konnte. 2005 ging das Emission Trading System (ETS) der EU an den Start, das erste und bis heute größte verpflichtende Kohlenstoffhandelssystem der Welt. Es deckt rund 45 Prozent der Emissionen der EU ab, einzelne Branchen wie energie-intensive Industrien oder der Flugverkehr waren jedoch zunächst ausgenommen. Neben der EU gab es bis 2019 weitere 4 Länder, 15 Bundesstaaten und 7 Städte, die ein Kohlenstoffhandelssystem eingerichtet hatten, die meisten sind jedoch deutlich kleiner als der europäische Kohlenstoffmarkt. Insgesamt waren 2019 rund acht Prozent der weltwei-
37
38
39
Während der COP in Doha einigten sich die Mitgliedsstaaten auf eine zweite Verpflichtungsperiode (Kyoto II), die von 2012 bis 2020 galt. Dieses Doha Amendment konnte jedoch nicht in Kraft treten, weil hierfür 144 Mitgliedsstaaten es formell ratifizieren hätten müssen. Dies geschah erst im Oktober 2020, als Nigeria das Abkommen ratifizierte – da es 90 Tage später in Kraft trat, galt es noch genau einen Tag – den 31. Dezember 2020. Für das Inkrafttreten mussten mindestens 55 Mitgliedsstaaten, die zusammen mehr als 55 Prozent der weltweiten Emissionen verursachen, das Abkommen ratifizieren. Dies war am 4. November 2016 erreicht. Im November 2017 trat Syrien als letztes Land weltweit dem Abkommen bei. Die USA unter Präsident Trump verließen Ende 2020 das Abkommen; der 2020 gewählte US-Präsident Biden trat ihm Anfang 2021 wieder bei. Diese Reduktionsziele waren zwar verbindlich, jedoch waren, wie Beobachter:innen kritisierten, keine Sanktionen im Fall des Nicht-Erreichens vorgesehen.
135
136
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
ten Emissionen in eine (verpflichtende) Form des Kohlenstoffhandels eingebunden. Für die nächsten Jahre wird erwartet, dass weitere Systeme in Kraft treten, darunter das chinesische Emissionshandelssystem, das sich derzeit in einer PilotPhase befindet; damit würde der Anteil auf 13 Prozent steigen (ICAP 2019). Kritiker:innen argumentieren, dass diese Märkte keine Senkungen der Emissionen bewirkt haben, sie führen dafür verschiedene Gründe an: etwa die Zuteilung zu vieler Emissionsgutschriften durch nationalen Wettbewerb und Lobbying, zahlreich Ausnahmen oder grundsätzliche Probleme im Aufbau des Marktes.40 Der Preis für die Tonne Kohlenstoffdioxid-Äquivalent (CO2 e) stürzte 2011 auf Werte um die fünf Euro ab und begann erst 2017 allmählich wieder zu steigen; Anfang 2020 lag er bei rund 25 Euro pro Tonne CO2 e.41 Neben den verpflichtenden Kohlenstoffmärkten gibt es sogenannte freiwillige Kohlenstoffmärkte. Sie richten sich an Unternehmen und Konsument:innen, etwa um Produkte als klimaneutral bewerben zu können oder Flugemissionen auszugleichen. 2017 umfassten sie weltweit rund 62 Millionen Tonnen CO2 e, das sind weniger als 4 Prozent des Umfangs des EU ETS. Der Marktansatz, der die Klimapolitik seit den 1990er Jahren dominiert, hat, wie auch Peet et al. (2011a) kritisieren, dazu geführt, dass sich die konkrete Ausgestaltung der Klimaabkommen zu einem großen Teil auf die technischen und juristischen Aspekte dieser Märkte konzentriert: »Virtually all of the climate change policy debate is then about the process (the means, methods and techniques) of commodifying nature, and creating markets in those parts of climates outputs (for example carbon) that can trade our way out of the catastrophe.« (Peet et al. 2011a, S. 8) Darüber geriet zunehmend jener Aspekt in den Hintergrund, der in den 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre die Debatte noch geprägt hatte: die Frage nach der Gerechtigkeit im Bereich Klimawandel (vgl. etwa Agarwal und Narain 1992).42 Diese betrifft sowohl die Mitigation (Vermeidung) als auch die Adaptation (Anpassung)
40
41
42
So lag die Cap, die Grenze, auf die die Emissionen gesenkt werden sollten, beim EU ETS durch zahlreiche Ausnahmen und die Möglichkeit, Emissionsgutschriften aus dem Ausland zuzukaufen, mit Ausnahme des Jahres 2008 über den tatsächlichen Emissionen. Schon 2014 entsprachen die tatsächlichen Emissionen der Cap von 2020; dadurch entstand kein Anreiz, Emissionen zu reduzieren, vgl. UBA 2020. Kohlenstoffdioxid-Äquivalent ist eine Maßeinheit, die versucht, die verschiedenen Treibhausgase miteinander vergleichbar zu machen, indem ihr »Erwärmungspotential« in das von Kohlenstoffdioxid umgerechnet wird, vgl. dazu auch Kap. 4.3. In den letzten Jahren ist die Frage der Klimagerechtigkeit wieder verstärkt aufgebracht worden, sowohl von sozialen Bewegungen, häufig aus dem Globalen Süden (vgl. etwa Climate Justice Charter Movement 2020), als auch in der akademischen Debatte (vgl. etwa Satgar 2018; Sowers 2007; Bhavnani et al. 2019).
4 Feldstudie
als die zwei Handlungsfelder, die die internationale Klimapolitik unterscheidet.43 Die Länder des Globalen Nordens haben in einem weit höheren Maß zur globalen Erwärmung beigetragen − und tragen durch ihre Emissionen weiter dazu bei − als die Länder des Globalen Südens, hingegen sind letztere am stärksten von seinen Folgen betroffen.44 Insbesondere Länder wie Indien wehrten sich zunächst gegen die Rede von einem »globalen« Problem, das alle gleich betreffe; die UNRahmenkonvention enthält daher in Artikel 3(1) den Verweis auf »common, but differentiated responsibilites« in Bezug auf die globale Erwärmung (United Nations 1992a).45 Die Mitglieder der Konvention wurde in verschiedene Gruppen eingeteilt. Zu den Annex I countries, gelistet im Anhang I der Konvention, gehören die Industrieländer − alle Länder, die 1992 Mitglied der OECD waren − und die Economies in Transition (EIT) − Russland, die Baltischen Staaten sowie eine Reihe von osteuropäischen Staaten. Annex II countries bezieht sich allein auf die Industrieländer (Annex-I-Länder ohne die EIT). Sie sind verpflichtet, ihre Emissionen zu reduzieren. Non-Annex I countries bezeichnet die Länder, die nicht in die erste Gruppe fallen − dies sind überwiegend Länder des Globalen Südens.46 Diese Einteilung spielte im Kyoto-Protokoll eine wichtige Rolle. Sie legte fest, welche Staaten zu Emissionsreduktionen verpflichtet waren und welche nicht, aber auch, in welchen Ländern Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden durften. Mit dem Pariser Abkommen von 2015 wurde die Einteilung der Staaten in verschiedene Gruppen weitgehend aufgegeben. Das Pariser Abkommen enthält keine verpflichtenden Emissionsreduktionen mehr, sondern nur freiwillige Zusagen, und diese sind nicht auf die Industrieländer begrenzt: Alle Staaten sollten im Vorfeld der COP21 im Jahr 2015 in Form der Intended National Emissions Reductions (INDCs) Vorschläge machen, wieviel und auf welchem Weg sie ihren Ausstoß an Treibhausgasen reduzieren wollen. Mit dem Pariser Abkommen wurden diese Vorschläge als National Emission Reductions (NDC) festgehalten. Dennoch wirkt die Einteilung in Annex-I und Nicht-Annex-I-Länder in der Klimapolitik bis heute fort
43
44
45 46
Als ›dritte Säule‹ der internationalen Klimapolitik wird seit einigen Jahren Loss and Damage (»klimabedingte Schäden und Verluste«) diskutiert, wo es um Entschädigungen oder Ausgleichmaßnahmen geht, vgl. Schumacher 2018. Seit 2015 haben sich mehrere Studien mit der ungleichen Verteilung von Emissionen und der ›Ungerechtigkeit‹ im Hinblick auf die Verursachung und die Betroffenheit vom Klimawandel (Kenner 2019; Oxfam 2015; Chancel und Piketty 2015). Diese Ungerechtigkeit, zeigt sich dort, besteht nicht nur zwischen Staaten, sondern auch zwischen verschiedenen (Einkommens)Gruppen innerhalb von Staaten. Für eine Diskussion des Artikels und der Folgen dieses Narrativs vgl. Liverman 2009. Für die Länder, die nach UN-Kriterien zu den Least Developed Countries (LDCs) gehören, gelten teils Sonderregeln. Hinzu kommen Sonderfälle wie die Türkei, die zwar zu den Annex-ILändern zählt, jedoch im Rahmen des Kyoto-Protokoll keine Reduktionsverpflichtungen zu erfüllen hatte.
137
138
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
− und sie hat, wie in Kap. 4 und 5 gezeigt wird, auch Folgen für die Entwicklung der Wälder im Mittelmeerraum.
Ausgleichen statt reduzieren – der Handel mit Offsets Emissionsmärkte ermöglichen es den Marktteilnehmer:innen, innerhalb des Gültigkeitsbereiches des Handelssystem mit ihren Emissionsrechten zu handeln − ein Unternehmen, das dem EU ETS unterliegt und weniger Treibhausgase ausstößt als ihm zusteht, kann seine überschüssigen Zertifikate an ein anderes Unternehmen verkaufen. Ein entscheidendes Merkmal der Kohlenstoffmärkte, die seit den 1990er Jahren geschaffen wurden, ist jedoch die Möglichkeit, auch Kohlenstoffzertifikate von außerhalb des Handelssystems zuzukaufen – in Form von Offsets, die Emissionen »ausgleichen« sollen. Dabei wird eine − verpflichtende oder freiwillige − Emissionsminderung nicht erbracht. Stattdessen wird an einem anderen Ort, meist im Globalen Süden, eine Maßnahme auf den Weg gebracht, die für eine vergleichbare Emissionsminderung sorgt oder die entstandenen Emissionen als Kohlenstoffsenke aufnimmt und speichert. Das Kyoto-Protokoll formalisierte Offsets: Die Länder, die zur Reduktion ihrer Emissionen verpflichtet waren, konnten, anstatt selbst Emissionen zu reduzieren, Emissionsreduktionen in Form von Zertifikaten aus Ausgleichsprojekten kaufen. Hierfür wurden zwei Mechanismen geschaffen, die danach unterschieden, wo die Ausgleichsprojekte umgesetzt wurden. Waren sie in den osteuropäischen Economies in Transition (EITs) angesiedelt, hieß der entsprechende Mechanismus Joint Implementation (JI). Zertifikate aus Nicht-Annex-I-Ländern, also Ländern des Globalen Südens, wurden über den Clean Development Mechanism (CDM) gehandelt. Begründet wurde die Einführung dieser »flexiblen Mechanismen« mit dem Argument, die Reduktion von Emissionen außerhalb der Industrieländer sei »easier, cheaper, and faster than domestic reductions, providing greater benefits to the atmosphere and to sustainable development, especially when offsets involve projects in the developing world.« (Bumpus und Liverman 2008, S. 128; vgl. auch Lohmann 2011). Die Projekte können auf die Verbesserung industrieller Prozesse zielen, auf die Ersetzung von fossilen Brennstoffen durch erneuerbare Energien oder effizientere fossile Brennstoffe wie Gas oder Biomasse, auf die Eindämmung von MethanEmissionen oder eine effizientere Nutzung von Energie; hinzu kommen Forstprojekte, bei denen Wälder CO2 aus der Luft aufnehmen sollen (s.u.). Diese Projekte werden in einem komplexen Verfahren bewertet, ehe sie Zertifikate in Form von Certified Emission Reductions (CER) erhalten − ein CER entspricht einer Reduktion der Emissionen um eine Tonne CO2 . Bis Mai 2019 wurden laut UNFCCC 7806 CDM-Projekte registriert. Rund 60 Prozent der CER, die aus diesen Projekten erwartet werden, stammen aus China, wo die meisten Projekte angesiedelt sind,
4 Feldstudie
rund 11 Prozent aus Indien, der Rest verteilt sich auf andere Länder. Eine Studie aus dem Jahr 2017 schätzt, dass CDM-Projekte zwischen 2013 und 2020 Emissionszertifikate im Umfang von 4,7 Milliarden CER zugeteilt bekamen (Schneider et al. 2017). Da das europäische ETS der größte Markt für diese Zertifikate ist und der Zukauf von Zertifikaten aus dem CDM dort ab 2008 erlaubt war, ging ein großer Teil der Zertifikate dorthin. Die Europäische Kommission gibt an, dass in der zweiten Handelsperiode des EU ETS, von 2008 bis 2012, insgesamt 1,058 Milliarden Tonnen Emissionszertifikate genutzt wurden (European Commission 2020). Da die Gesamtemissionen im Rahmen des EU ETS zu dieser Zeit bei ca. 1,9 Milliarden Tonnen CO2 jährlich lagen (UBA 2020),47 bedeutet dies, dass durch den Zukauf von Emissionen nicht nur der Anreiz fehlte, diese zu senken, sondern die Emissionen sogar deutlich steigen konnten. Der CDM läuft noch bis 2020, danach wird der im Rahmen des Pariser Abkommens beschlossene neue Marktmechanismus eingeführt, dessen genaue Ausgestaltung noch offen ist.48 Offsets spielen auch auf den freiwilligen Märkten eine Rolle, die sich parallel zu den verbindlichen Märkten entwickelt haben.49 Bei den Projekten auf den freiwilligen Märkten handelt es sich nicht nur um CDM-Projekte, sondern es gibt verschiedene Anbieter, die jeweils ihre eigenen Zertifizierungen anbieten. Deren Regeln und Kriterien variieren, orientieren sich jedoch häufig an den CDM-Regeln.50 Offsets wurden von Beginn an als Form des »Kohlenstoff-Kolonialismus« kritisiert, von Wissenschaftler:innen ebenso wie von sozialen Bewegungen und indigenen Gemeinschaften (Agarwal und Narain 1992; Bumpus und Liverman 2011; Bachram 2004). Studien zur konkreten Umsetzung der Projekte zeigen, dass die Gemeinden vor Ort, anders als in der Konzeption der Projekte angelegt, nicht unbedingt von diesen profitieren (vgl. Bumpus und Liverman 2008; Fritz 2009; Gilbertson und Reyes 2009). Zudem ist weiterhin umstritten, ob im Rahmen von 47 48 49
50
Die Daten variieren hier je nach Quelle, da es verschiedenen Möglichkeiten der Berechnung gibt. So sind im ETS bestimmte Industrie- und Mobilitässektoren bisher ausgenommen. Für einen Ausblick vgl. Tänzler et al. 2019. Im Gegensatz zu den offiziellen Märkten unter Aufsicht der EU oder der UN sind die freiwilligen Märkte sehr viel informeller und diverser. Erste Projekte zum Ausgleich von Emissionen auf freiwilliger Basis gab es bereits Ende der 1980er Jahre, NGOs aus dem Umweltbereich spielten bei deren Entwicklung eine zentrale Rolle. Ab Ende der 1990er Jahre unterstützten Organisationen wie die Weltbank über verschiedene Förderlinien den Aufbau von kommerziellen Offset-Projekten. Zur Geschichte der Offsets und für einen Vergleich der GovernanceStrukturen der offiziellen und der freiwilligen Märkte vgl. Bumpus und Liverman 2008. Neben dem CDM sind die wichtigsten Standards der Verified Carbon Standard (VCS) und der Gold-Standard, die von NGOs ins Leben gerufen wurden und Projekte entsprechend ihrer eigenen Regeln zertifizieren. Der Gold-Standard wird auch für CDM-Projekte angeboten, als Ergänzung für besonders »hochwertige« Projekte. Teils sind Projekte auch durch zwei oder mehr Standards zertifiziert.
139
140
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Offset-Projekten überhaupt Emissionen reduziert werden und wie zuverlässig diese gemessen werden können (vgl. dazu auch Kap. 4). Eine Studie, die im Auftrag der EU-Kommission CDM-Projekte untersuchte, kam zu dem Schluss, dass nur in zwei Prozent der Fälle tatsächlich eine Emissionsreduktion wahrscheinlich sei: »Overall, our results suggest that 85 % of the projects covered in this analysis and 73 % of the potential 2013-2020 Certified Emissions Reduction (CER) supply have a low likelihood that emission reductions are additional and are not over-estimated. Only 2 % of the projects and 7 % of potential CER supply have a high likelihood of ensuring that emission reductions are additional and are not over-estimated.« (Cames et al. 2016) Dazu trug neben Problemen, die in der Konzeption der Projekte liegen oder in der Messbarkeit der Emissionsreduktionen, auch die Tatsache bei, dass sich OffsetProjekte, ebenso wie Emissionsmärkte insgesamt, als anfällig für Betrug erwiesen haben.51 Schneider und Kollmuss (2015) haben im Rahmen einer Studie festgestellt, dass rund 80 Prozent der zu diesem Zeitpunkt im EU ETS registrierten JI-Projekte auf falschen Angaben beruhten oder im Zusammenhang mit kriminellen Netzwerken in Russland und der Ukraine standen.
Die Frage nach dem Wald ImMai 2017 besuche ich im Rahmen der Intersession, der Zwischenkonferenz der UNFCCC, in Bonn ein Treffen, das zum Ziel hatte, die Umsetzung von REDD+ in Ländern des Globalen Südens voranzubringen. Der Sitzungssaal ist ein hoher, langgestreckter Raum. Auf den Tischen stehen Schilder für die Vertreter:innen der teilnehmenden Länder. Für die zahlreichen Beobachter:innen, Mitarbeiter:innen von NGOs oder Journalist:innen, gibt es keine Sitzplätze; sie stehen am Ende des Raumes, sitzen auf dem Boden oder, wie ich, auf der Heizung entlang der Fensterfront. Durch die riesigen Fenster geht die Sicht auf den Rhein, die mächtigen Kastanien am Ufer stehen in voller Blüte. Der Saal ist schon voll, als die Veranstaltung beginnt. Sie wird eröffnet von Ayman Cherkaoui, »Presidential Advisor« aus Marokko, das im letzten Jahr die COP durchgeführt hat, und Samuela Lagataki aus Fiji, das dieses Jahr die COP-Präsidentschaft innehat, auch wenn die Konferenz aus finanziellen und logistischen Gründen in Deutschland stattfinden wird. Vertreter des Green Climate Fund (GCF), der Global Environment Facility (GEF) und der Weltbank stellen ihre Programme vor.
51
So haben Betrüger:innen über Steuerkarusselle und unter Nutzung des Emissionshandels wiederholt Millionen von Euro an Steuergeldern hinterzogen (Correctiv 2019; Ott 2013). 2011 stahlen Hacker:innen Emissionszertifikate im Wert von 28 Millionen Euro (Balser und Stawski 2011).
4 Feldstudie
In dem großen Saal ist es schwierig, die Vorträge zu verstehen. Die meisten Anwesenden scheinen nicht wirklich zuzuhören. Die Vertreter:innen der Staaten an den Tischen haben ihre Computer vor sich aufgestellt, tippen nebenher Mails oder chatten, vor mir bucht jemand Flüge. Das unablässige Klicken von Tastaturen füllt den Raum. Es ist schon spät am Nachmittag, die Luft im Raum ist stickig, die Fenster lassen sich nicht öffnen und es gibt keine ausreichende Belüftung. Erst als es nach den drei Vorträgen Zeit für Fragen gibt, wird die Stimmung etwas lebhafter. Nur die Vertreter:innen der Staaten dürfen Fragen stellen. Wer genau sie sind, lässt sich von meinem Platz aus nicht sehen, da ich die Schilder vor ihnen von schräg hinten nicht lesen kann. »Wir haben gehört, dass nicht genug Geld für die Finanzierung der REDDiness-Projekte da ist, stimmt das?« »Man kann Emissionen bei NAMAs anrechnen, bei den NDCs, jetzt auch REDD+, das ist zu verwirrend für die Länder.« »Der Prozess ist zu langsam, es fließt immer noch kein Geld.« Danach berichten Vertreter:innen verschiedener Länder von ihren Erfahrungen mit REDD+. Auch Herr Lagataki aus Fiji spricht erneut. Er zieht eine kritische Bilanz des REDD+-Programmes in seinem Heimatland. Die Consultants der internationalen Organisationen, die die NDCs für Fiji und jüngst ein REDD+-Programme entwickelt hätten, beklagt er, würden die Bedingungen vor Ort und bestehende, bereits erarbeitete Vorschläge nicht berücksichtigen. So hätten sie einen Vorschlag für ein REDD+-Programm vorgelegt, das die bereits bestehende Arbeit der nationalen REDD+-Koordination vollständig ignoriere. (Feldnotizen, 13. Mai 2017) Dieser kurze Einblick in die zähen Verhandlungen um REDD+ gibt einen Eindruck der Probleme, mit denen das Konzept zu kämpfen hat. Es handelt sich um Probleme, die, wie in den folgenden Kapiteln gezeigt wird, auch im marokkanischen Fallbeispiels eine Rolle spielen – die Abhängigkeiten der Länder des Südens von Finanzmitteln, um die aufwendigen Programme umsetzen zu können; die Komplexität der internationalen Klimapolitik mit ihren zahlreichen Programmen, Begriffen und Abkürzungen, die selbst Eingeweihten kaum verständlich sind; die Rolle, die externe Expert:innen bei der Ausarbeitung von Programmen spielen. Er verweist aber auch auf die lange und kontroverse Geschichte der Einbeziehung von Wäldern in den Handel mit Emissionen. Bereits in den 1990er Jahren entbrannten Diskussionen darüber, ob Wälder als Senke in die nationalen Emissionsbilanzen eingerechnet werden können. Die Abholzung von Wäldern und die daraus entstehenden Emissionen tragen zur globalen Erwärmung bei. Zugleich nehmen Bäume im Rahmen der Photosynthese Kohlenstoffdioxid auf, ein Teil davon wird beim Wachsen gespeichert, in Wurzeln, Stamm und Krone. Der Erhalt von bestehenden Wäldern oder neue Aufforstungen, so die Idee, könnten nicht nur den Ausstoß von Treibhausgasen verringern, sondern auch Emissionen an anderer Stelle ausgleichen: »Forests represent one of the largest, most cost effective climate solutions available today«, heißt es in der New York Declaration of Forests (Climate Summit 2014).
141
142
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Ob Wälder als Senke gelten können, ist jedoch umstritten − denn das CO2 , das sie aufnehmen, wird wieder frei, wenn sie Blätter abwerfen, absterben und verrotten oder wenn das Holz verbrannt wird. Es handelt sich um eine vorübergehende Fixierung und keine dauerhafte Speicherung von Kohlenstoffdioxid. Zudem können Wälder, je nach Form der Bewirtschaftung und Nutzung, sowohl als Senke als auch als CO2 -Quelle wirken (Baccini et al. 2017). Im Rahmen des CDM waren aus diesem Grund Projekte aus dem Bereich Afforestation/Reforestation (A/R) nur unter bestimmten, restriktiven Bedingungen erlaubt; Anfang 2020 fiel weniger als ein Prozent der CDM-Projekte unter diese Kategorie (UNFCCC 2020a). Auf den freiwilligen Märkten spielen Aufforstungs- und Waldmanagement-Projekte hingegen eine wichtige Rolle, dort stammen rund 20 Prozent der Emissionszertifikate aus solchen Projekten (Hamrick und Gallant 2018). Auch manche subnationalen Emissionshandelssysteme wie das kalifornische ETS erlauben Zertifikate aus Waldprojekten. 2005 brachte eine Koalition von Ländern des Globalen Südens, die wie Costa Rica oder Papua-Neuguinea über große Flächen an tropischem Regenwald verfügten, den Vorschlag in die Klimaverhandlungen ein, nicht nur Aufforstungen, sondern auch den Schutz bestehender Wälder zu berücksichtigen.52 2007 beschloss die UNFCCC im Anschluss daran einen neuen Mechanismus: Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation (REDD), er wurde später ergänzt um »conservation of forest carbon stocks, sustainable management of forests and enhancement of forest carbon stocks«, symbolisiert durch das Plus-Zeichen (REDD+).53 Die Idee dahinter ist, Länder des Globalen Südens mit Ausgleichszahlungen zu unterstützen, wenn sie Wälder nicht abholzen, sondern erhalten. REDD+ ist damit Teil des breiteren Konzeptes Payment for Ecosystem Services (PES), das auf eine neue Bewertung und Inwertsetzung von Naturen und Eigenschaften natürlicher Einheiten zielt, und ab den 2000er Jahren durch Studien und Programme internationaler Organisationen und Thinktanks vorangetrieben wurde (Millenium Ecosystem Assessment 2005; TEEB 2010; UNEP 2011, vgl. zu PES-Ansätzen auch Kap. 4.3 und 5). Umgesetzt werden sollte dies über result-based payments – die beteiligten Projekte oder Länder sollten Zahlungen erhalten, wenn sie Ergebnisse vorweisen können, also etwa Wälder über einen gewissen Zeitraum vor Abholzung geschützt oder die Bewirtschaftung in Bezug auf Kohlenstoffspeicherung verbessert haben.
52
53
Dieser Coalition for Rainforest Nations gehörten damals Costa Rica, Papua-Neuguinea sowie acht weitere Staaten an, heute hat die Koalition 53 Mitglieder (Coalition for Rainforest Nations 2020). Die genaue Bedeutung des »+« hat sich mit der Zeit verändert – so war bei der Konferenz in Bali 2007 noch von »conservation« in einem allgemeinen Sinn die Rede, bei der Konferenz in Cancun 2010 wurde dies zu »conservation of forest carbon stocks«.
4 Feldstudie
Anfang 2020 waren 65 Länder weltweit Partner des UN-REDD-Programmes. Jedoch ist der Mechanismus, abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, bisher nicht operationabel, und viele Fragen der konkreten Umsetzung sind weiterhin offen, insbesondere die zentrale Frage, ob die Bezahlung über Kohlenstoffmärkte erfolgen soll, oder über andere Modelle, etwa einen internationalen Fonds. Die Länder, die bereits REDD+-Projekte aufgebaut haben − häufig unterstützt durch Programme der UN, der Weltbank oder Organisationen der bilateralen Entwicklungshilfe − befinden sich daher weiterhin in der Phase der Vorbereitung;54 manche sind, enttäuscht über ausbleibende Zahlungen, auf die freiwilligen Kohlenstoffmärkte gewechselt, wo Emissionsminderungen aus Waldprojekten bereits gehandelt werden können (Angelsen 2012). 2015 nahm das Pariser Abkommen REDD+ jedoch in Art. 5 an prominenter Stelle auf und machte damit deutlich, dass die Entwicklung von Mechanismen zur Einbeziehung von Wäldern in den Emissionshandel nicht nur fortgesetzt, sondern langfristig womöglich ausgeweitet wird. Einen Schub bekam das Programm im Jahr 2016 auch durch die Ankündigung der Internationalen Organisation für Zivile Luftfahrt (International Civil Aviation Organization, ICAO), Emissionen aus dem Flugverkehr nicht reduzieren, sondern durch Offsets ausgleichen zu wollen, um die Luftfahrt langfristig ›klimaneutral‹ zu machen. Dazu sollte ab 2020 ein umfassendes Offsetting-Programm aufgebaut werden, das Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA), das Waldprojekte einschließt (ICAO 2020). REDD+ war von Beginn an umstritten. Aktivist:innen, aber auch viele Wissenschaftler:innen haben den Ansatz kritisiert, insbesondere wegen der Fokussierung auf Kohlenstoffdioxid, was andere Bewertungen und ökologische Aspekte des Waldes verdränge (Lohmann 2006; Dooley 2014; Moreno et al. 2016; Leach und Scoones 2015), und wegen des marktförmigen Ansatzes, der zu neuen »environmental enclosures« führe (Gutiérrez 2011; Fairhead et al. 2012). Die Regierungen von Ländern wie Costa Rica oder Papua-Neuguinea haben den Mechanismus aktiv vorangetrieben und eingefordert, in der Hoffnung, darüber zusätzliche Gelder und Investitionen zu generieren. Indigene Gruppen hingegen haben überwiegend scharfe Kritik an dem Mechanismus und der dahinterstehenden Logik geübt und breite Koalitionen geformt, um sich gegen die Einführung von REDD+ zu wehren.55 Zugleich 54
55
Neben dem UN-REDD-Programm, das von der FAO, UNDP und UNEP getragen wird und das bis März 2020 rund 320 Millionen Dollar für die Förderung von Projekten ausgegeben hat (UNDP 2020), ist die Forest Carbon Partnership Facility (FCPF) unter Leitung der Weltbank die zweite wichtige Institution bei der Förderung von REDD+. Sie hat über verschiedene Programme bisher 1,3 Milliarden US-Dollar an Förderung vergeben (FCPF 2020). Auch der Green Climate Fund (GCF) hat 2017 ein fünfjähriges Pilotprojekt gestartet, in dessen Rahmen er result-based payments vergibt (Green Climate Fund 2020). Im People’s Agreement of Cochabamba der World People’s Conference on Climate Change and the Rights of Mother Earth von 2010 heißt es: »We condemn market mechanisms such as REDD
143
144
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
gab es in den letzten Jahren jedoch auch Vorschläge für ein »indigenes REDD+«, das nach eigenen Kriterien und in Zusammenarbeit mit NGOs umgesetzt werden soll (Osborne und Shapiro-Garza 2017); auch gibt es Beispiele für REDD+-Projekte, die von indigenen Gemeinden selbst ausgehen (Poffenberger 2016). Viele Studien zu REDD+ haben die Folgen für lokale Nutzer:innen Waldes untersucht. Auch wenn einzelne Autor:innen argumentieren, mit einem entsprechenden Aufbau könnten REDD+-Projekte zu einer Verbesserung der Einkommenssituation der lokalen Bevölkerung beitragen (Corbera et al. 2011; Shapiro-Garza et al. 2019), kommen die Studien überwiegend zu einem kritischen Schluss (Agrawal et al. 2011, 379ff.). In der Praxis, so zeigen die Studien, werden die geforderten partizipatorischen Ansätze selten umgesetzt, und die Gewinne der Projekte, wenn vorhanden, ungleich verteilt. Scheba und Scheba (2017) zeigen, wie Projekte in Tansania zu neuen Ausschlüssen auch innerhalb der beteiligten Gemeinden führten: Während ein Teil der Waldnutzer:innen von Direktzahlungen im Rahmen des Pilotprojektes profitierte, überwogen bei anderen die Verluste aufgrund der eingeschränkten Nutzung des Waldes. Da eine Voraussetzung für die Etablierung von REDD+ jeweils geklärte Besitzverhältnisse sind, stehen REDD+-Projekte zudem häufig in Verbindung mit Landkonflikten und einer Intensivierung von Kontrolle (Leach und Scoones 2015). Etliche Studien berichten von Vertreibungen, Ausschlüssen und einer Militarisierung der Schutzgebiete, so etwa Nel und Hill (2014) für Projekte in Uganda und Asiyanbi (2016; Asiyanbi et al.) für Projekte in Nigeria. Beymer-Farris und Bassett (2012) haben dargestellt, wie indigene Gruppen im Rahmen der REDD+-Vorbereitung in Tansania ihre traditionellen Nutzungsrechte verloren.56 Cavanagh und Benjaminsen (2014) beschreiben das »spectacular failure« eines Aufforstungsprogramms in Uganda, das dem Ausgleich von Flug- und Reiseemissionen dienen sollte und aufgrund des Widerstands der hierfür vertriebenen Bevölkerung abgebrochen werden musste. Zwar wurden in Reaktion auf die kritischen Stimmen bei der Klimakonferenz in Cancun 2010 einige Prinzipien und Schutzklauseln vereinbart, die die Rechte
56
(Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) and its versions + and ++, which are violating the sovereignty of peoples and their right to prior free and informed consent as well as the sovereignty of national States, the customs of Peoples, and the Rights of Nature« (World People’s Conference on Climate Change and the Rights of Mother Earth 2010). Bei der Klimakonferenz in Lima 2014 (COP20) protestierten rund 15.000 Menschen, überwiegend indigene Gruppen, Kleinbäuer:innen und Aktivist:innen, gegen die Form der internationalen Klimapolitik und REDD+. Gegen REDD+ sprechen sich auch Organisationen wie Via Campesina, das World Rainforest Movement oder das World Indigeneous Network aus (Cabello und Gilbertson 2010). Die Studie führte zu einer Kontroverse mit den Projekt-Betreiber:innen, darunter dem regionalen Büro des World Wildlife Fund (WWF). Sie reagierten mit einer Replik auf die Veröffentlichung des Artikels, in dem sie die Vorwürfe bestritten (vgl. Burgess et al. 2013).
4 Feldstudie
indigener und lokaler Gemeinschaften schützen sollten. Diese blieben jedoch unverbindlich und ihre Umsetzung den Nationalstaaten überlassen.57 Ungeachtet der bisherigen Erfahrungen fördern internationale Organisationen wie die Weltbank und insbesondere Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit weiterhin die Einführung und den Ausbau von REDD – wie seit 2010 im Fall der mediterranen Wälder.
Klimapolitik in Marokko Im Oktober 2016 findet in der Fakultät für Recht, Wirtschaft und Soziales der Universität Mohammed V in Rabat ein Kolloqium zum internationalen Klimarecht statt. Zwei Wochen später wird in Marrakesch die COP22 beginnen, die erste Klimakonferenz nach der Verabschiedung des Pariser Abkommens. Über eben dieses spricht nun Abderrahman Cherkaoui, Professor für Recht an der Universität in Rabat. Das Pariser Abkommen, sagt er, habe viel Hoffnung geweckt, »die jetzt auf der COP22 kanalisiert werden muss.« Afrika, betont Professor Cherkaoui, habe am wenigsten zum Klimawandel beigetragen, aber es werde die Folgen am stärksten zu spüren bekommen. Eine Folie zeigt den Eifelturm, während er aus der Präambel des Pariser Abkommens vorliest und die Stelle hervorhebt, wo, auf Druck vieler Staaten des Globalen Südens, der Verweis auf Klimagerechtigkeit aufgenommen worden ist. Darauf, so Cherkaoui, müsse man sich bei künftigen Verhandlungen berufen. Der Saal in der Faculté des Sciences ist bis auf den letzten Platz besetzt. Über 150 Student:innen, Professor:innen und Universitätsmitarbeiter:innen drängen sich auf Reihen von Plastikstühlen und halten Handys in die Höhe, um die dicht beschriebenen Folien abzufotografieren, die der Beamer an die Leinwand an die Frontseite des Raumes projiziert. Neben der Leinwand hängt das Bild des jungen Königs Mohammed VI., darüber summt eine riesige Klimaanlage, an der Längsseite des Raumes hängen Porträtbilder emeritierter Professoren. Es ist ein Kommen und Gehen, die Leute begrüßen sich herzlich, tuscheln, tauschen Plätze, das Mikrofon knackt und krächzt. Wenn jemand die Tür öffnet, fällt Sonnenlicht in den dämmrigen Raum. Unter den Palmen im Innenhof reihen sich Stellwände mit Postern, auf denen Forschungsergebnisse zum Klimawandel präsentiert werden (Feldtagebuch, 21. Oktober 2016, Rabat). Das Kolloquium in Rabat war nur eine der zahlreichen Veranstaltungen, die im Vorfeld der COP in Marokko 2016 stattfanden: Im Juli trafen sich die Länder des Mittelmeerraumes zur MEDCOP in Tanger, in den Monaten darauf fanden in Marokko acht Regionaltreffen statt, die »Pre-COPs«, wo Wissenschaftler:innen, 57
Diese Cancun Safeguards umfassten etwa die Berücksichtigung indigener Lebensgrundlagen und die Einbeziehung des Waldschutzes und der Biodiversität. Jedoch sind diese Regelungen nicht verpflichtend, vgl. für eine kritische Analyse Lang 2010.
145
146
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Vertreter:innen sozialer Bewegungen und andere Interessierte zusammenkamen, um über die Themen Umwelt und Klimawandel zu diskutieren. Im Flughafen, an Bahnhöfen und Tramhaltestellen im ganzen Land kündigten Plakate die Klimakonferenz an, auf Arabisch, Französisch, Englisch und Tamazight.58 Im Gegensatz zu vielen der Nachbarländer verfolgt Marokko eine sehr aktive Klimapolitik.59 Climate Action Tracker, eine Organisation, die die Klimapolitik weltweit bewertet, stuft nur zwei der über 190 Staaten weltweit als »grün« ein, mit einer Klimapolitik, die ehrgeizig genug ist, um die Erderwärmung wie beschlossen auf weniger als 1,5 Grad zu begrenzen: Das kleine Gambia in Westafrika – und Marokko (Climate Action Tracker 2021a).60 Im Vorfeld der Verhandlungen zum Pariser Abkommen, das 2015 verabschiedet wurde, reichte Marokko als erstes arabisches Land seine Intended Nationally Determined Contributions (INDCs) ein, diese gehören zu den ambitioniertesten der Welt: Bis 2030 plant das Land seine Emissionen um 42 Prozent gegenüber dem Business-as-usual-Szenario zu reduzieren. Dazu sollen bis 2020 mindestens 42 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen kommen, bis 2030 52 Prozent (UNFCCC 2016). Derzeit befindet sich das Land auf dem Weg, diese Ziele zu erreichen (Climate Action Tracker 2021b). Als einziges Land der Region strebt Marokko explizit eine ›grüne‹ Entwicklungsstrategie an. Von internationalen Beobachter:innen wird als Erklärung hierfür häufig darauf verwiesen, dass Marokko als einziges Land im Nahen Osten und Nordafrika nicht über Vorräte an fossilen Brennstoffen verfügt. Laut International Energy Agency (IEA) wurden 2019 90 Prozent der Energieträger im Land importiert (IEA 2019). Das Land, so die gängige Interpretation, habe daher ein hohes Interesse daran, den Anteil an erneuerbaren Energien auszubauen und von Exporten unabhängiger zu werden.
58 59
60
Für Berichte zur COP22 in Marokko und den Aktivitäten im Vorfeld vgl. auch Schumacher 2016a, 2016b. Für den Mittelmeerraum, eine der Region, die Vorhersagen zufolge am stärksten von der globalen Erwärmung beeinflusst werden wird (Cramer et al. 2018), gibt es keine kohärente Klimapolitik. Zwar hat sich 2015 mit Mediterranean Experts on Climate and Environmental Change (MedECC) ein Netzwerk gegründet, in dem Wissenschaftler:innen sich mit den Auswirkungen der globalen Erwärmung auf den Mittelmeerraum beschäftigen und Empfehlungen erarbeiten; und auch Organisationen wie Plan Bleu oder die Union für den Mittelmeerraum (UfM) beschäftigen sich teilweise mit dem Thema. Jedoch gab es, abgesehen zwei »Mittelmeer-Klimakonferenzen« (MedCOPs) 2015 und 2015 keine gemeinsamen Treffen oder politischen Formate, um sich auszutauschen oder auf eine gemeinsame Politik für die Region zu verständigen. Dasselbe gilt für die Länder des Nahen Ostens, vgl. für einen (groben) Überblick hierzu Waterbury 2013; Heinrich-Böll-Stiftung 2016. In Art. 2 des Pariser Abkommens verpflichteten sich die Staaten, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, die Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten (UNFCCC 2015).
4 Feldstudie
Im Land selbst gibt es eine zweite Erzählung, die auch in Gesprächen mit Vertreter:innen von Umweltorganisationen oder von sozialen Bewegungen mehrfach aufkam. Diese betont die Rolle des Königs Mohammed VI. bei der Entwicklung der Umwelt- und Klimapolitik. Dieser reiste im Juni 1992 − damals noch als Kronprinz − zum Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro. Er kam, so die Geschichte, stark beeindruckt zurück und überzeugte seinen Vater, den damaligen marokkanischen König Hassan II., sich der neu aufkommenden Umweltthematik anzunehmen. Tatsächlich setzte dieser bereits im August desselben Jahres einen Staatssekretär für Umwelt im Innenministerium ein. 1999 übernahm Mohammed VI. nach dem Tod seines Vaters die Macht. Dies markierte den Beginn eines Fokus auf ›grüne‹ Entwicklung, die sich in sektoralen Plänen und politischen Projekten niederschlug und von internationalen Organisationen und Entwicklungsorganisationen unterstützt wurde. Diese Projekte betrafen sowohl ländliche Räume – insbesondere über den Plan Maroc Vert (PMV) von 2008, der auf die Modernisierung der Landwirtschaft zielte (Mahdi 2014; Akesbi 2011) − als auch städtische Räume, wo »grüne« Großprojekte und der Aufbau von eco-villages vorangetrieben wurden (Barthel 2015; Bogaert 2011). Zugleich führten die schrittweise Öffnung des politischen Raumes, die alternance, in den 1990er Jahren und schließlich die Machtübernahme Mohammed VI. zu einer Welle von Neu- und Wiedergründungen von Kollektiven und Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs), insbesondere auch im Umweltbereich, die vom Königshaus explizit unterstützt wurde.61 2001 gründete der König die Fondation Mohammed VI pour la protection de l’Environnement (Stiftung Mohammed VI. für den Schutz der Umwelt), die seither Projekte im Bereich Umweltschutz und Umweltbildung fördert.62 Umweltschutz wurde 2011 explizit in die neue Verfassung aufgenommen, Artikel 31 garantiert das »Recht auf Wasser und eine gesunde Umwelt« und auf »nachhaltige Entwicklung« (Royaume du Maroc 2011). Anders als in Ländern wie Deutschland oder den USA, wo sich Umweltschutzbewegungen und -organisationen zumindest zu Beginn explizit in Opposition zur
61
62
Bereits ab den 1990er Jahren hatten in Marokko eine schrittweise Abkehr vom permanenten ›Ausnahmezustand‹ der Jahrzehnte zuvor und eine demokratische Öffnung eingesetzt. So war 1990 erstmals eine Menschenrechtskommission eingesetzt worden, 1993 wurden die Menschenrechte in die Verfassung aufgenommen, zahlreiche politische Gefangene wurden in den folgenden Jahren freigelassen. 1996 wurde zum ersten Mal das Parlament nach dem ein Jahr zuvor beschlossenen allgemeinen Wahlrecht gewählt. Dem neuen Parlament gehörten auch Parteien an, die lange Zeit verboten gewesen waren (eine Übersicht dieser Transformationsprozesse und der weiteren Entwicklung des politischen System liefern etwa Rhani et al. 2015). Die Stiftung lobt jährliche Umweltpreise aus, fördert Projekte und grüne Start-ups. 2019 wurde in Rabat-Salé das Umweltbildungszentrum Centre International Hassan II de Formation à l’Environnement eröffnet (Fondation Mohammed VI pour la Protection de l’Environnement 2021).
147
148
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Regierung positionierten und ihre Anliegen gegen Widerstände von Seiten des Staates durchsetzten, handelt es sich in Marokko um eine Form des »Umweltschutzes von oben«, der eng mit einem nationalen Projekt verbunden ist.63 Gerade in Bezug auf Klimapolitik spielen hier auch geopolitische Fragen eine Rolle: Marokko ist es, nicht zuletzt durch die Ausrichtung der COP22 und deren erfolgreichem Verlauf, gelungen, sich als regionale Führungsmacht im Bereich grüne Energie und Entwicklung aufzustellen. Drei Monate nach der Klimakonferenz in Marrakesch wurde Marokko nach über 30 Jahren wieder in die Afrikanische Union aufgenommen. Im Februar 2017 stellte das Land den Antrag, in die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community of West African States, ECOWAS), aufgenommen zu werden.64 Während der COP22 kündigte die marokkanische Regierung mehrere künftige Kooperationsprojekte mit Staaten in Westund Subsahara-Afrika an; Marokko spielt hier die Rolle eines facilitators, eines »Exporteurs« von Wissen und ›grünen‹ Technologien.
4.2
Die Regierung des Waldes – eine genealogische Perspektive
In den letzten Abschnitten habe dargestellt, in welche Entwicklungen sich das Fallbeispiel einordnet: das ›neue‹ Interesse an mediterranen Wäldern, die spezifischen Ausprägungen neoliberaler Politik in der Region, die internationale und die marokkanische Klimapolitik. In diesem Teilkapitel geht es um das Fallbeispiel selbst: Nach einer Einführung in die Konzeption des FFEM-Projektes wende ich mich dem Pilotstandort in Marokko zu, dem Maâmora-Wald. Ich stelle in einem ersten Schritt die historische Entwicklung und Bewirtschaftung des Waldes dar und analysiere in einem zweiten, welche Formen der Gouvernementalität und ihrer physischen Ausprägungen sich aus dieser ableiten lassen.
63
64
Die Unterstützung der Umwelt- und Klimapolitik von Teilen der Regierung und des Königshauses wird von Seiten der NGOs und Aktivist:innen in Marokko begrüßt; die Form, die die staatliche Umweltpolitik und bestimmte Projekte annehmen, ist jedoch umstritten. Auch Aktivist:innen, die generell die aktive Rolle des Königshauses gutheißen, kritisieren teilweise die neoliberale Ausrichtung dieser Politik (El Karmouni 2016; Hamouchene 2016, Rignall 2015). Über diesen Antrag war bis Ende 2020 – trotz zwischenzeitlich positiver Signale – nicht entschieden. Da Marokkos Wirtschaft deutlich größer ist als die der meisten der 15 Mitgliedsstaaten, würde ein Beitritt das Machtgleichgewicht in der Gemeinschaft verschieben, insbesondere zuungunsten Nigerias, bisher das wirtschaftlich stärkste Land der ECOWAS.
148
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Regierung positionierten und ihre Anliegen gegen Widerstände von Seiten des Staates durchsetzten, handelt es sich in Marokko um eine Form des »Umweltschutzes von oben«, der eng mit einem nationalen Projekt verbunden ist.63 Gerade in Bezug auf Klimapolitik spielen hier auch geopolitische Fragen eine Rolle: Marokko ist es, nicht zuletzt durch die Ausrichtung der COP22 und deren erfolgreichem Verlauf, gelungen, sich als regionale Führungsmacht im Bereich grüne Energie und Entwicklung aufzustellen. Drei Monate nach der Klimakonferenz in Marrakesch wurde Marokko nach über 30 Jahren wieder in die Afrikanische Union aufgenommen. Im Februar 2017 stellte das Land den Antrag, in die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community of West African States, ECOWAS), aufgenommen zu werden.64 Während der COP22 kündigte die marokkanische Regierung mehrere künftige Kooperationsprojekte mit Staaten in Westund Subsahara-Afrika an; Marokko spielt hier die Rolle eines facilitators, eines »Exporteurs« von Wissen und ›grünen‹ Technologien.
4.2
Die Regierung des Waldes – eine genealogische Perspektive
In den letzten Abschnitten habe dargestellt, in welche Entwicklungen sich das Fallbeispiel einordnet: das ›neue‹ Interesse an mediterranen Wäldern, die spezifischen Ausprägungen neoliberaler Politik in der Region, die internationale und die marokkanische Klimapolitik. In diesem Teilkapitel geht es um das Fallbeispiel selbst: Nach einer Einführung in die Konzeption des FFEM-Projektes wende ich mich dem Pilotstandort in Marokko zu, dem Maâmora-Wald. Ich stelle in einem ersten Schritt die historische Entwicklung und Bewirtschaftung des Waldes dar und analysiere in einem zweiten, welche Formen der Gouvernementalität und ihrer physischen Ausprägungen sich aus dieser ableiten lassen.
63
64
Die Unterstützung der Umwelt- und Klimapolitik von Teilen der Regierung und des Königshauses wird von Seiten der NGOs und Aktivist:innen in Marokko begrüßt; die Form, die die staatliche Umweltpolitik und bestimmte Projekte annehmen, ist jedoch umstritten. Auch Aktivist:innen, die generell die aktive Rolle des Königshauses gutheißen, kritisieren teilweise die neoliberale Ausrichtung dieser Politik (El Karmouni 2016; Hamouchene 2016, Rignall 2015). Über diesen Antrag war bis Ende 2020 – trotz zwischenzeitlich positiver Signale – nicht entschieden. Da Marokkos Wirtschaft deutlich größer ist als die der meisten der 15 Mitgliedsstaaten, würde ein Beitritt das Machtgleichgewicht in der Gemeinschaft verschieben, insbesondere zuungunsten Nigerias, bisher das wirtschaftlich stärkste Land der ECOWAS.
4 Feldstudie
Den Ort definieren Das FFEM-Projekt – Teil I Ende der 2000er Jahre erreichte das Konzept REDD+ den Mittelmeerraum. Die deutsche Entwicklungshilfeagentur GIZ gab 2012 mehrere Studien in Auftrag, die prüfen sollten, inwieweit REDD+ auch in Ländern des südlichen Mittelmeerraumes umsetzbar wäre; die Studien waren Teil eines GIZ-Projektes Anpassung forstpolitischer Rahmenbedingungen an den Klimawandel in der MENA-Region, das von 2010 bis 2014 lief. Im Januar 2013 erschien die Etude des coûts et avantages du mécanisme REDD+ pour le Maroc (Studie zu Kosten und Nutzen des REDD+-Mechanismus für Marokko), im Mai 2014 folgten zwei weitere Studien zum Libanon und Tunesien, im Juni zur Türkei. Alle vier Studien wurden von SalvaTerra durchgeführt, einem Beratungsunternehmen mit Sitz in Paris.65 SalvaTerra war kurz zuvor von Fernand Pérault gegründet worden.66 Pérault, Forstingénieur und »Experte für Kohlenstoffsenken«, war von 2006 bis 2009 Mitglied der französischen Delegation in den Klimaschutzverhandlungen der UNFCCC; 2010 wurde er Direktor der Abteilung für Wald und Klimawandel bei ONFI. ONFI ist ein auf Umweltthemen spezialisiertes Beratungsunternehmen in Paris, das seit 1997 internationale Waldprojekte berät und durchführt – eine Ausgründung des Office National des Forêts (ONF), der staatlichen Forstbehörde in Frankreich. 2012 gründete Pérault SalvaTerra, das seither Aufträge für Entwicklungshilfe und internationale Organisationen durchführt.67 Alle vier Studien kamen zu dem Schluss, dass sich REDD+ wegen des großen Aufwandes und der nötigen Reduzierung anderer Wald-Aktivitäten bei den derzeitigen niedrigen Preisen für Emissionszertifikate nicht rechnen würde. Bei Annahme eines deutlich höheren künftigen Preises könnte sich, so die Studien, der Aufbau eine REDD+-Systems für die Türkei mit ihren großen Waldflächen finanziell lohnen, unter Umständen auch für Marokko (GIZ REDD Turkey, GIZ REDD Maroc). Ungeachtet dessen, argumentierten die Autor:innen der Studien, könnten REDD+-Programme der internationalen Geber-Organisationen eine interessante Geldquelle für Projekte sein.68 65 66 67
68
Im Fall Marokkos war zudem die marokkanische Forstbehörde beteiligt, das Haut Commissariat des Eaux et Forêts et à la Lutte Contre la Désertification (HCEFLCD). Wo es sich nicht um Personen des öffentlichen Lebens handelt, wurden die Namen aller in der Arbeit genannten Personen geändert. 2019 arbeiteten vier ›Expert:innen‹ fest für SalvaTerra, 2020 war die Zahl der Mitarbeiter:innen auf sechs angewachsen, hinzu kamen drei kooperierende Experten. In den sieben Jahren seit seiner Gründung hat SalvaTerra laut eigenen Angaben Projekte in über 60 Ländern und für über 40 staatliche und private Auftraggeber durchgeführt, darunter 55 REDD+-Projekte (SalvaTerra 2020b). Während laut der Studie für die Türkei REDD+ bei einem Preis ab 50 US-Dollar/Tonne interessant werden könnte, sei dies im Libanon und Tunesien wegen der kleineren Flächen und
149
150
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Dass die GIZ das Thema REDD+ vorantrieb, war nicht verwunderlich. Deutschland, Großbritannien und Norwegen gehören international zu den stärksten Verfechtern des REDD+-Ansatzes. Als Gruppe GNU (Germany, Norway, United Kingdom) versuchen sie seit 2015, REDD+ in und jenseits der UN-Verhandlungen voranzutreiben. Die drei Länder sind auch die Hauptfinanziers der meisten internationalen und bilateralen REDD+-Programme, zusammen stellen sie 90 Prozent der Finanzierung der Forest Carbon Partnership Facility (FCPF) der Weltbank.69 Die Bundesregierung unterstützt seit 2012 mit dem REDD Early Movers Programme (REM) Länder bei der Vorbereitung auf REDD+. Die staatliche Kreditbank für Wiederaufbau (Kf W) zahlt im Rahmen des Programmes für erfolgte Emissionsminderungen (GIZ 2021; Kill 2018). Zudem ist Deutschland eine treibende Kraft im Bereich Payment for Ecosystem Services (PES), zu dem REDD+ gehört (vgl. auch Kap. 4.1 dieser Arbeit). 2007 rief Deutschland im Rahmen des G8-Umweltministergipfels in Potsdam die Initiative The Economics of Ecosystems and Biodiversity (TEEB) ins Leben, unter dem Motto »making nature’s values visible« (TEEB 2021). Unter der Leitung von Pavan Sukhdev, zuvor Manager der Deutschen Bank, veröffentlicht TEEB Studien zum ökonomischen Wert von Natur und ›Dienstleistungen‹ natürlicher Systeme wie dem Filtern von Wasser oder der Speicherung von Treibhausgasen, und versucht, den Ansatz des Naturkapitals im Handeln von Regierungen und Organisationen zu verankern.70 TEEB hat maßgeblich dazu beigetragen, Konzepte wie Ökosystemdienstleistungen und Naturkapital in der internationalen und nationalen Politik zu verbreiten.71 Dieser Ansatz korrelierte mit einer Verschiebung im Rahmen von REDD+ und anderen waldbezogenen Offset-Projekten. REDD+ war zunächst als projektbezogenes Instrument für die lokale Ebene konzipiert worden, ähnlich des CDM. Die
69 70
71
der geringen Aufnahme von Kohlenstoffdioxid der Wälder auch bei sehr viel höheren Preisen nicht der Fall. Die Nebeneffekte von REDD+-Maßnahmen, so die Autor:innen, könnten ungeachtet finanzieller Rentabilität positive Effekte haben (GIZ REDD Turkey, 81f.; GIZ REDD Liban, 55f.; GIZ REDD Tunisie, 54ff). Die Studie zu Marokko schließt, es sei aufgrund der vielen unklaren Variablen schwierig, Kosten und Nutzen eindeutig zu beziffern. Bei einem höheren CO2 -Preis, so die Berechnung, wäre es jedoch möglich, dass die Gewinne aus Emissionszertifikaten die Kosten für den Kampf gegen Überweidung, illegalen Einschlag und Waldbrände trügen (GIZ REDD Maroc, 37ff.). Für eine Übersicht über die Aktivitäten der GNU-Länder und die Finanzierung internationaler REDD+-Aktivitäten vgl. Lang 2015. Bedeutsam sind insbesondere die vier sektoralen Berichte und deren Zusammenfassung im Hauptbericht (TEEB 2010). Sukhdev leitete die TEEB-Initiative von 2008 bis 2011, er ist weiterhin als Schirmherr tätig. Er war neben TEEB auch für den UN-Bericht Towards a Green Economy verantwortlich (UNEP 2011). 2011 fand auch in Tunis, in Zusammenarbeit mit der GIZ und dem CPMF, eine TEEBRegionalkonferenz statt, unter dem Titel Recognizing and capturing the value of Forest Ecosystem Services in the MENA region (Middle East – North Africa).
4 Feldstudie
Vereinbarungen von Cancún von 2010 verschoben den Fokus des Instruments jedoch auf den nationalen Rahmen und erweiterten den Ansatz: Statt einzelne, begrenzte Projekte umzusetzen, sollte es darum gehen, dass Staaten, die Mitglied bei UN-REDD werden, eine umfassende REDD+-Strategie für den Waldsektor erarbeiteten.72 Diese Entwicklung dahingehend, bestimmte Instrumente und Managementansätze im Rahmen nationaler Gesetzgebung zu implementieren, entsprach zugleich dem Wandel in der (deutschen) Entwicklungspolitik ab den 1990er Jahren, von der Durchführung von Einzelprojekten hin zur Politikberatung (vgl. auch Interview Mitarbeiter GIZ, 27. Juli 2017, Rabat). Ein großer Teil der GIZMitarbeiter:innen hat ihre Büros heute im marokkanischen Umwelt- und Energieministerium (Ministère de l’Energie, des Mines et de l’Environnement), einem Neubau im wohlhabenden Viertel Hay Riad außerhalb des Stadtzentrums, in dem die GIZ zwei Etagen nutzt; die GIZ ist nach eigenen Aussagen auch direkt an der Ausarbeitung von Gesetzen und Regularien beteiligt.73 Die eingangs beschriebenen Studien zu Kosten und Nutzen von REDD+ im Mittelmeerraum fanden nicht isoliert statt. Sie waren, wie in Kap. 4.1 beschrieben, Teil eines wieder erwachten Interesses an mediterranen Wäldern, das zu einer Vielzahl von Aktivitäten und zur Gründung neuer Institutionen führte. Dazu gehörte insbesondere die Gründung des Collaborative Partnership on Mediterranean Forests (CPMF), der 2010 ins Leben gerufen wurde und dessen Aufgabengebiet sich mit dem von Silva Mediterranea überschnitt, dem Netzwerk im Rahmen der FAO, in dem sich Wissenschaftler:innen und Mitarbeiter:innen der Forstbehörden in den Jahrzehnten zuvor zu mediterranen Wäldern austauschten. Die Gründung des CPMF wurde auch damit begründet, dass Silva Mediterranea seit Ende der 1990er Jahre nur noch eingeschränkt aktiv gewesen sei − ein Vorwurf, den die Mitglieder von Silvamed jedoch zurückwiesen, mit dem Verweis, dass ihnen in den Jahren zuvor kaum noch Mittel zur Verfügung gestanden hätten. So habe Silvamed ab 1997 anders als zuvor weder über ein Sekretariat noch eine feste Stelle verfügte (Evaluation CPMF, vgl. auch Kap. 5). Auf diesen Vorwurf der fehlenden Mittel reagierte Frankreich beim ersten Treffen des neu gegründeten CPMF in Antalya 2010: Es sagte zu, im Rahmen einer Abordnung für die nächsten Jahre eine volle Stelle zu schaffen, indem es einen Mitarbeiter der französischen Forstbehörden oder Ministerien in die Forstabteilung der FAO in Rom entsandte. Dieser sollte als Direktor von Silva Mediterranea fungieren, sollte zugleich aber den neu gegründeten CPMF verwalten, Gelder für Projekte beantragen und diese koordinieren.
72 73
Auf den freiwilligen Märkten sind projektbezogene REDD+-Ansätze weiterhin möglich und üblich. So aktuell etwa an der Formulierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (GIZ 2020b) oder dem Rahmengesetz zur Nationalen Umwelt- und Nachhaltigkeitscharta (GIZ 2020a).
151
152
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
2012 startete das FFEM-Projekt als erstes Projekt im Rahmen dieser neuen institutionellen Konstellation. Koordiniert wurde das Projekt von der FAO/Silva Mediterranea und von Plan Bleu, der für das Mittelmeer zuständigen Umweltorganisation, die ebenfalls Mitglied des CPMF ist. Der CPMF fungierte nicht selbst als Projektträger, jedoch war eines der fünf Teilprojekte dafür vorgesehen, den CPMF auszubauen und zu stärken. Der Projektverantwortliche bei der FAO ging so weit zu erklären, dass der CPMF und das FFEM-Projekt kaum zu trennen seien: »So I think (.) the project was really an outcome of the, the partnership. So. Even for me it’s difficult now to (…) I am not able to separate which was the partnership and what was the project, because it was really, really mixed.« (Interview Projektleiter, 26. Januar 2016, Rom) Finanziert wurde das Projekt über den Fonds français pour l’environnement mondial (FFEM), der 1994 von der französischen Regierung gegründet wurde und seither Umweltprojekte finanziert, überwiegend im Mittelmeerraum und Afrika. Anfang 2011 stellte das französische Ministerium für Ökologie, Nachhaltige Entwicklung und Energie (Ministère de l’Ecologie, du Développement Durable et de l’Energie, MEDDE) beim FFEM einen Antrag auf Förderung des im Rahmen des CPMF geplanten Projektes. Im Juni 2011 wurde die Förderung für den ersten Teil des Projektes bewilligt, Ende November der zweite Teil; insgesamt belief sich die Förderung auf 2,65 Millionen Euro. Auch wenn das Projekt aufgrund dieser Förderung intern unter der Bezeichnung »FFEM-Projekt« lief − und daher auch hier so genannt wird −, trug der FFEM nur rund ein Fünftel der Kosten des Projektes. Den Rest finanzierten die GIZ, das französische Agrarministerium (Ministère Français de l’Agriculture de l’Agroalimentaire et de la Forêt, MAAF) und die Europäische Union (EU), sie stellten für das Projekt zusammen weitere 8,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das Ziel des Projektes ist in den Dokumenten und auf der Homepage beschrieben: »This project aims to promote sustainable management of forest ecosystems by optimizing the production of goods and services (including carbon sequestration). The main goal of the project, which is ambitious and innovative, is to explore REDD+ opportunities in the Mediterranean.« (FAO 2012a) Anders als im Fall früherer Projekte, etwa der GIZ, ging es also nicht um die Anpassung der Wälder an die globale Erwärmung, sondern (auch) um Mitigation, die Vermeidung oder Verminderung von Emissionen, indem ein neues Ziel − eine möglichst hohe Aufnahme von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre − in das Management mediterraner Wälder integriert werden sollte. Das Projekt war in fünf Komponenten oder Teilprojekte gegliedert:
4 Feldstudie
»Component 1: Production of data and development of tools to support decision and management of vulnerable Mediterranean forest ecosystems affected by climate change and the ability of these forest ecosystems to adapt to global change; Component 2: Evaluation of the economic and social value of goods and services provided by Mediterranean forest ecosystems in particular through the study of multiple issues related to environmental changes and their potential effects on the socio-economic development of Mediterranean territories; Component 3: Development of participatory and territorial approaches for forest governance in these Mediterranean forest ecosystems; Component 4: Optimization of environmental goods and services provided by the Mediterranean forests and valorization of these efforts of optimization (including carbon sequestration); Component 5: Support to the coordination and communication activities of the Collaborative Partnership on Mediterranean Forests (CPMF).« (FAO 2012a, fehlende Worte/Schreibfehler im Orig.) Die Koordination der Teilprojekte 1 und 2 lagen bei Plan Bleu, die der Teilprojekte 3 und 4 bei der FAO, wobei die Komponente 4 von 2012 bis 2014 an die französische Entwicklungshilfeagentur ONFI übertragen wurde. Teilprojekt 5 fiel in den Aufgabenbereich des Silvamed-Sekretariats, das ebenfalls Teil der FAO war. Die geplanten Maßnahmen sollten in fünf »Partnerländern« umgesetzt werden: Marokko, Algerien, Tunesien, Libanon und in der Türkei.74 Die Kooperationspartner und die nationalen Koordinationsstellen (focal points) unterschieden sich von Land zu Land: In Marokko, Algerien, Tunesien und Türkei waren dies die nationalen Forstbehörden, im Libanon das Agrarministerium. Das Projekt sah vor, in jedem Land Pilotstandorte auszuwählen, an denen die Einführung von REDD+ getestet werden sollte, mit dem Ziel, die gewonnenen Erfahrungen auf die Waldbewirtschaftung des gesamten Landes und auf andere Länder im Mittelmeerraum zu übertragen.75 In Tunesien und Algerien gab es jeweils zwei Pilotstandorte, verschiedene Teilprojekte des Projektes wurden dort an verschiedenen Orten durchgeführt; im Libanon und in der Türkei gab es nur einen Pilotstandort.76 Auch in Marokko sollten alle vier Teilprojekte in demselben Wald74 75 76
Als das Projekt konzipiert wurde, war als sechstes Land auch Syrien unter den Partnerländern, aufgrund der politischen Situation wurde das Projekt dort ab 2012 nicht weiterverfolgt. Zur Auswahl der Standorte und für eine Diskussion des Konzepts der Pilotstandorte vgl. Kap.5. Die Pilotstandorte in Algerien waren Djelfa und Chréa, in Tunesien Barbara und Siliana. Im Libanon war als Standort zunächst das Biosphärenreservat Jabal Moussa vorgesehen, hier
153
154
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
gebiet durchgeführt werden: im Maâmora-Wald, nahe der Hauptstadt Rabat im nördlichen Teil Marokkos gelegen.
Ort der Feldstudie: Der Maâmora-Wald Die Maâmora ist ein Korkeichenwald − teils wird er als größter zusammenhängender Korkeichenwald der Welt bezeichnet −,77 der sich auf rund 130.000 Hektar entlang der Atlantikküste Marokkos erstreckt, im Norden und Nordosten von Salé, der Schwesterstadt von Rabat, auf der nördlichen Seite des Flusses Bouregreg (Abb. 2). Korkeiche (Quercus suber) kommt weltweit auf rund 2,2 Millionen Hektar vor, fast ausschließlich im westlichen Mittelmeerraum. Marokko hat nach Spanien, Portugal und Algerien die viertgrößten Bestände. Die Korkeiche ist zugleich ein typisch mediterraner und ein ungewöhnlicher Baum. Typisch, weil sie mehrere Merkmale aufweist, die als charakteristisch für mediterrane Pflanzen gelten (vgl. Kap. 4.1). Sie wächst langsam und wird bis zu 200 Jahre alt, sie hat dicke, ledrige Blätter und übersteht durch ihre tiefen Wurzeln auch lange, trockene Sommer.78 Ungewöhnlich ist die Korkeiche deshalb, weil sie der einzige Baum ist, bei dem man die Rinde entfernen kann, ohne dass er Schaden nimmt. Die Korkeiche bildet um ihren Stamm eine mehrere Zentimeter dicke Schicht aus Kork, ein Material, das aus abgestorbenen, luftgefüllten Zellen besteht und sehr gut isoliert. Die Korkschicht verringert die Verdunstung und macht den Baum widerstandsfähig gegen Hitze und gegen Feuer – als einziger europäischer Baum kann die Korkeiche nach einem Brand selbst dann wieder austreiben, wenn der Stamm durch das Feuer versengt wurde (vgl. Houston Durrant et al. 2016). Kork nutzt aber nicht nur dem Baum – das Material wird auch seit Jahrtausenden von Menschen genutzt, traditionell als Verschluss von Flaschen und anderen Gefäßen, aber auch als Bau- und Isoliermaterial.79 Ähnlich wie bei Olivenbäumen dauert es bei Korkeichen vom Moment der Pflanzung bis zur Nutzung mehrere Jahrzehnte: Kork kann das erste Mal geerntet werden, wenn die Bäume 25 bis 30
77
78 79
sollten jedoch nur die ersten drei Komponenten umgesetzt werden, Komponente 4 im gesamten Land. Der Pilotstandort in der Türkei war Düzlerçami nahe Antalya. Vgl. etwa Laaribya (2006) und Fennane und Rejadali (2015). El Boukhari et al. (2015) hingegen vertreten die Position, dass diese Bezeichnung nur bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zutreffend gewesen sei. Vgl. für eine Übersicht über die Eigenschaften von Quercus suber Gil und Varela (2003); Houston Durrant et al. (2016) und Bugalho et al. (2011). Rund 80 Prozent der Korkernte wird für Korken für Weinflaschen verwendet. Seit 2000 ersetzen zunehmend andere Verschlüsse die traditionellen Korken, die Preise für Kork sind seither stark gefallen. Hingegen wird Kork in den letzten Jahren zunehmend als umweltfreundlicher Bau- und Isolierstoff genutzt, insbesondere im Bereich klimafreundlichen Bauens. Zur Geschichte und wirtschaftlichen Bedeutung von Kork vgl. FAO und Plan Bleu (2013, S. 77-79) und die Informationen des Institut Méditerranéen du Liège (2020).
4 Feldstudie
Abbildung 2: Lage des Maâmora-Waldes
Grün: Gebiet des Maâmora-Waldes und der Pilot-Studie, eingezeichnet sind die geteerten Straßen sowie die umliegenden Städte. Quelle: HCEFLCD, Comp1 final 2015 Maroc.
Jahre alt sind, danach erneut in einem Rhythmus von 9 bis 15 Jahren. Traditionell wird die Nutzung von Korkeichen jedoch mit Landwirtschaft und Beweidung kombiniert. Die Beweidung sorgt dafür, dass eine savannenartige Landschaft entsteht, mit weit auseinanderstehenden, ausladenden Bäumen, niedrigen Sträuchern und Wiesen. Dieses komplexe System wird meist nach dem spanischen Begriff als Dehesa oder dem portugiesischen als Montado bezeichnet. Durch die extensive und rotierende Form der Nutzung entsteht ein Mosaik-Lebensraum mit einer großen Vielfalt, sowohl was die Biodiversität als auch was den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen angeht: »Montado systems can be considered complex agroforestry systems, in which complexity increases with the conjunction of production activities (agriculture, pasture, grazing, animal stock etc.), that share the same growing space in a landscape characterised by its site variability, especially at the soil/climate/topography levels (Pinto-Correia 1993). The economic sustainability of the system has so far, and since some centuries ago, been based on a diversity of products,
155
156
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
not just cork, but also livestock, and complementary products such as wood and charcoal.« (Pinto-Correia et al. 2011, S. 100). Wie im Fall der mediterranen Wälder insgesamt stellen Forscher:innen auch im Fall der Korkeichenwälder signifikante Unterschiede zwischen dem nördlichen und dem südlichen Ufer des Mittelmeers fest. Viele Montado-Systeme Portugals und Spaniens werden aufgrund der Landflucht und der sinkenden Preise für Kork aufgegeben, die fehlende Bewirtschaftung führt zu einem erhöhten Risiko für Waldbrände. Für die Korkeichenwälder in Nordafrika hingegen wird vor allem Übernutzung als Problem ausgemacht (vgl. Bugalho et al. 2011). Auch der Maâmora-Wald ist dicht besiedelt. 2013 gibt das HCEFLCD die Fläche des Waldes mit 131 800 Hektar an, die Ost-West-Ausdehnung beträgt etwa 70 Kilometer, die Nord-Süd-Ausdehnung 40 Kilometer. Das Gebiet des Waldes liegt in den beiden Regionen Rabat-Salé und Kénitra. Er ist, bis auf einige kleine Parzellen in privater Hand im Inneren des Waldgebietes, vollständig in staatlichem Besitz und wird von der staatlichen Forstbehörde und deren regionalen und lokalen Abteilungen verwaltet. Der westliche Teil des Waldgebietes reicht fast bis an die Atlantikküste und ist deutlich feuchter als die trockeneren Teile weiter im Landesinneren. Die jährliche Niederschlagsmenge kann von Jahr zu Jahr stark schwanken, im Durchschnitt beträgt sie rund 300 mm im westlichen, rund 680 mm im östlichen Teil, der Regen fällt vor allem zwischen November und Februar (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 3). Korkeichen machen rund 52 Prozent der bewaldeten Fläche aus, Eukalyptus 33 Prozent, hinzu kommen in geringerem Umfang Pinien, Akazien und andere Baumarten (vgl. hierzu ausführlich die folgenden Abschnitte). Im Gebiet des Maâmora-Waldes lebten nach Angaben des HCEFLCD von 2013 insgesamt 341 360 Menschen, davon 173 500, die den Wald nutzen.80 17 Prozent der Haushalte besitzen kein eigenes Land oder Zugang zu solchem, 69 Prozent nur sehr kleine Flächen (Pres Comp4 2013 Maroc, S. 17). Dennoch arbeitet rund die Hälfte der Erwerbs-tätigen in der Landwirtschaft, die Behörden zählten rund 336 500 Schafe und Ziegen sowie 90 500 Rinder im Gebiet. Offiziell ist der Wald in zehn Flächen unterteilt, auf denen jeweils eine (ethnisch definierte) Gruppe von Nutzer:innen Weiderechte besitzen (vgl. ausführlich hierzu die folgenden Abschnitte von Kap. 4.). Neben der Viehwirtschaft spielen auch Landwirtschaft, Kork und Holz eine Rolle, als Brenn- oder Bauholz sowie als Rohmaterial für eine lokale Papierfabrik; hinzu kommen die Produktion von Honig und das Sammeln von Pilzen, Wildspargel, Eicheln, Schnecken, medizinischen und aromatischen Pflanzen. In Teilen des Waldgebietes spielt auch (Tages)Tourismus eine Rolle: Im Süden grenzen die Städte Rabat und Salé mit einer Gesamtbevölkerung von rund 1,2 Mil-
80
Die Zahl der Haushalte wird mit 57 399 angegeben, die Zahl der Haushalte der Nutzer:innen mit 29 145 (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 9).
4 Feldstudie
lionen Menschen an das Waldgebiet, im Westen die Stadt Kénitra mit rund einer halben Million Einwohner:innen, hinzu kommen kleinere Städte im Umland. Insbesondere an Wochenenden und freien Tagen fahren Bewohner:innen der umliegenden Städte in den Wald. Im Jahr wird der Maâmora-Wald von insgesamt rund 1 Million Menschen besucht (Laaribya et al. 2011).81
Geschichte(n) des Maâmora-Waldes Da jüngste Projekt ist nicht das erste, das versucht, die Bewirtschaftung des Maâmora-Waldes zu ›optimieren‹. Der Maâmora-Wald hat eine lange und wechselhafte Geschichte verschiedener aménagements, Bewirtschaftungsplänen und -projekten, die ihn geprägt haben.82 In diesem Abschnitt gebe ich einen Überblick über die vier Phasen der Bewirtschaftung seit Anfang des 20. Jahrhunderts: (1) die Bewirtschaftung in der Kolonialzeit von 1912 bis 1951; (2) die Phase des ersten Bewirtschaftungsplanes, des Aménagement Vidal von 1912 bis 1972; (3) die Zeit des Aménagement danois nach der Unabhängigkeit, von 1972 bis 1992;83 (4) schließlich das partizipative Management im Rahmen des Aménagement FAO von 1992 bis in die 2000er Jahre. Dabei geht es nicht darum, eine historische Darstellung der Geschichte des Gebietes zu liefern oder eine vollständige Übersicht über die Maßnahmen, die von der Kolonialzeit bis in die 2000er Jahre durchgeführt wurden. Stattdessen soll dieser Überblick die Grundlage legen für eine Analyse der übergreifenden Muster, die die Bewirtschaftung des Waldes zu verschiedenen Zeiten geprägt haben, und den Blick öffnen für die Brüche und Veränderungen innerhalb der Gouvernementalitäten des Waldes, die im anschließenden Abschnitt diskutiert werden.
81
82
83
Die Mehrzahl der Besucher:innen kommt mit eigenem Wagen oder Taxi. Die Forstbeamten heben insbesondere das Fahren abseits der Straßen als Problem hervor, so schätzt ein Vertreter des HCEFLCD, dass jährlich mehr als 300.000 Autors abseits der Straßen fahren und entsprechend Schaden anrichten (Pres Comp4 2013 Maroc, S. 16). Das französische aménagement bedeutet in etwa »Bewirtschaftung« oder Bewirtschaftungsplan (plan d’aménagement) und wird hier zumeist auch so übersetzt. Die aménagements, die hier dargestellt werden, dürfen jedoch nicht als Pläne im engeren Sinn verstanden werden. Sie nehmen vielmehr die Gestalt von Entwicklungsprojekten an, improvements, wie sie Li (2007) für indonesische Wälder nachgezeichnet hat. Zur Geschichte und der Entwicklung des Begriffes des aménagement vgl. auch Fournier und Massard-Guilbaud 2016. Marokko wurde 1956 unabhängig. Die Planungen für eine eigene Forstpolitik setzten jedoch mit Verzögerung ein: So wurde der erste plan d’aménagement, der ab 1951 umgesetzt wurde, noch in der Kolonialzeit konzipiert. Auch dessen erste Überarbeitung 1954 fiel noch in die Zeit des Protektorats.
157
158
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Kolonialzeit: Der Plan zur Rettung der Maâmora (1912-1950) Im März 1912 wurde Marokko, mit Ausnahme von Tanger im Norden und den spanischen Einflussgebieten entlang der Mittelmeerküste, zum französischen Protektorat erklärt. Noch im selben Jahr wurden alle Wälder verstaatlicht − im Gegensatz etwa zu Gebieten, die zu Weidegebieten erklärt wurden und teilweise als Kollektiveigentum im Besitz bestimmter Gruppen verblieben (Aubert und Sabir 2013). 1913 wurde eine eigene Forstbehörde geschaffen, unter Leitung von Paul Boudy, Absolvent der Forstschule in Nancy und bereits zuvor in den Forstbehörden von Tunesien und Algerien tätig.84 1917 wurde das marokkanische Forstgesetz erlassen. Das Dahir du 10 octobre 1917 (20 Hijja 1JJ5) sur la conservation et l’exploitation des forêts (Dahir 1917)85 regelte den Schutz und die Nutzung der Wälder in Marokko und ist, mit einigen Modifikationen, bis heute Grundlage der marokkanischen Forstpolitik.86 Das Gesetz legte fest, dass die Bewirtschaftung der Wälder und die kommerzielle Verwertung ihrer Produkte allein der Forstbehörde zustand, mit Ausnahme einzelner festgelegter Gruppen von Nutzer:innen, die im Rahmen ihrer traditionellen Nutzungsrechte für den Eigenbedarf Feuerholz sammeln und ihre Tiere im Wald weiden lassen durften (vgl. hierzu ausführlich die folgenden Abschnitte von Kap. 4.2).87
84
85 86
87
Die marokkanische Forstbehörde hat seit 1913 verschiedene organisatorische Formen angenommen und war wechselnden politischen Einheiten unterstellt. 2001 wurde das Haut Commissariat des Eaux et Forêts et de la Lutte contre la Désertification (HCEFLCD) geschaffen. Als Hochkommissariat unterstand es direkt dem Regierungschef, war also von den Ministerien und parteipolitischen Erwägungen unabhängig. Seit 2017 ist die Forstverwaltung als Department des Eaux et Forêts (DEF) wieder dem Landwirtschaftsministerium unterstellt. Da der Rahmen des untersuchten Projektes in die Zeit des HCEFLCD fällt, wird zur Bezeichnung der Forstbehörde überwiegend dieser Begriff benutzt. Der Titel des Dokuments enthält die Datumsangabe sowohl nach dem gregorianischen als auch dem islamischen Kalender. Das Gesetz wurde mehrfach überarbeitet. Daneben wurden weitere Gesetze erlassen, die den Wald und seine Nutzung betrafen, vgl. für eine Übersicht Aubert und Sabir 2013, zu Gesetzen und Gesetzesänderungen der Kolonialzeit Boulhol 1952. Zur Nutzung und Verwaltung der Wälder vor der Kolonialzeit liegen kaum Studien vor. Verschiedene Publikationen weisen darauf hin, dass es bis 1912 keine einheitliche Regelung für die Wälder im Gebiet Marokkos gab; ihre Nutzung war durch ein komplexes Zusammenspiel von lokalem Gebrauchsrecht und muslimischem Recht geprägt (Mhirit und Blérot 1999; Aubert und Sabir 2013; Davis 2005a). Diese bestehenden Rechtssysteme wurden von der französischen Kolonialregierung weitgehend ignoriert, da sie die Nutzung durch die lokale Bevölkerung als anarchisch und regellos betrachteten (Boulhol 1952). Die Festschreibung von Nutzungsrechten im marokkanischen Forstgesetz von 1917 gründete zugleich auf kolonialen Annahmen über die ›lokalen‹ Gegebenheiten. So beruhte sie auf der Annahme, dass die ›Stämme‹ den Wald vorrangig für den Eigenverbrauch nutzten, und ignorierte, dass es seit Jahrhunderten einen bedeutsamen regionalen und überregionalen Handel mit Holz und an-
4 Feldstudie
Die Politik der Protektoratsregierung war stark beeinflusst durch die Erfahrungen der französischen Kolonialmacht in Algerien und Tunesien in den Jahrzehnten zuvor. Dies galt auch für die Forstpolitik: Das Dahir von 1917 beruhte weitgehend auf dem algerischen Waldgesetz in der Fassung von 1903, das wiederum auf dem französischen Forstgesetz von 1827 basierte (Davis 2007, 82f. und 143ff.). Die Umsetzung des Gesetzes in Marokko jedoch unterschied sich von derjenigen in Algerien. Während dort die Kontrollen der Wälder und die Strafmaßnahmen drastisch durchgesetzt wurden, verfolgten sowohl Louis-Hubert Lyautey, von 1912 bis 1925 Generalresident des Protektorats, als auch der Generalinspektor der Forstbehörde, Boudy, tendenziell eine kooperativere Politik (Puyo 2014, S. 69ff.). So waren die im Waldgesetz festgesetzten Strafen für Rechtsbrüche niedriger als die in Algerien. Zudem hatte Frankreich zum Zeitpunkt der Entstehung des Waldgesetzes Marokko zwar zum Protektorat erklärt, es war jedoch weit davon entfernt, das Land zu beherrschen. Erst 1935 hatte Frankreich das gesamte Gebiet des Protektorats einschließlich der Gebiete im Süden ›befriedet‹ und unter seiner Kontrolle.88 Auch danach blieb die Sicherheitslage in vielen Waldgebieten prekär. Aubert und Sabir (2013, S. 299) verweisen auf Studien in den Kolonialarchiven, die zeigen, dass »les administrateurs politiques exigeant de retarder voire d’annuler le processus de domanialisation pour garantir la paix sociale rurale.« In weiten Teilen des Landes wurde die Forstpolitik, wie sie 1917 festgeschrieben wurde, erst ab den 1920er und 1930er Jahren schrittweise umgesetzt. In den Gebieten, die von Beginn an unter direkter Kontrolle der französischen Besatzung standen, wirkte sich die neue Waldpolitik sehr viel unmittelbarer aus. Das galt insbesondere für den Korkeichenwald Maâmora. Zum einen lag dieser, gut zugänglich, nahe der Städte Salé und Rabat, dem Sitz der Protektoratsregierung. Zum anderen hatte die französische Besatzungsmacht ein großes Interesse an Kork und an dem Gebiet, das damals als größter zusammenhängender Korkeichenwald der Welt galt.89 In Algerien hatte Frankreich mit Korkeichenwäldern bereits Erfahrung gesammelt, die Ernte von 1912 galt als bis dahin ertragreichste und lukrativste Korkernte der dortigen Wälder. Auf einen solchen Erfolg, der die Fähigkeiten der
88
89
deren Waldprodukten gab, etwa zur Versorgung der Städte mit Kohle, Holz und Tannin (Mhirit und Blérot 1999; Benzyane et al. 2003). Zu dem Zeitpunkt, als das Waldgesetz beschlossen wurde, war über die Gebiete, für die es gelten sollte, noch kaum etwas bekannt; Art. 2 des Gesetzes legte fest, dass es nach und nach auf alle Wälder des Protektoratsgebietes auszudehnen sei, in dem Maße, wie sie befriedet würden (Dahir 2017, Art. 2). Kork war, wie Puyo (2014, S. 67) schreibt, insbesondere in den französischen Metropolen nachgefragt: »Comme dans le cas algérien, l’effort principal des forestiers français, dès le tout début du Protectorat, porte plus particulièrement sur la soumission des suberaies au domaine de l’État marocain (le Makhzen) et leur aménagement, ces forêts étant susceptibles de fournir à l’exportation des produits très demandés par la métropole française.«
159
160
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Besatzungsmacht deutlich machen sollte, hoffte auch die Protektoratsregierung in Marokko − die Anweisung an die neu gegründete Forstbehörde, als erstes den Maâmora-Wald zu »retten«, kam direkt von Generalresident Lyautey (Puyo 2014; Davis 2007, S. 141f.). Der Maâmora-Wald wurde zum Experimentierfeld der neuen Waldpolitik. Nachdem das Waldgebiet bestimmt und kartiert war, monopolisierte die neue Waldbehörde, wie im Dahir von 1917 vorgesehen, die Nutzung des Waldes; die bis dahin übliche Nutzung zur Herstellung von Kohle und der Erzeugung von Tannin wurde den bisherigen Nutzer:innen untersagt.90 Zugleich begann sie den Rettungsplan für den Maâmora-Wald (Plan de Sauvetage de la Maâmora) umzusetzen. Die Rettung bezog sich dabei auf die Korkeichen. Als Hauptproblem wurde nicht die Übernutzung, sondern die Überalterung der Bäume betrachtet. Ziel des Planes war, den Wald zu »verjüngen« (rajeunir), um seine Produktivität wieder zu erhöhen. Der Plan sah einen Kahlschlag auf 60.000 Hektar − rund der Hälfte des Gebietes − vor. Zwischen 1918 und 1950 wurden laut HCEFLCD 3,5 Millionen Raummeter Holz im zentralen Bereich des Maâmora-Waldes entnommen, sie wurden überwiegend verkohlt und nach Frankreich exportiert. Dort herrschte insbesondere während des ersten und zweiten Weltkriegs ein hoher Bedarf an Brennmaterial für die Kriegsindustrie, auch wurde bis Ende der 1920er Jahre im großen Stil Holz für die Farb- und Gerbindustrie aus Marokko nach Frankreich exportiert.91 Die Maßnahmen führten, wie das HCEFLCD im Rückblick feststellte, zu einer »perte d’enssouchement notable« und »forte dédensification de la subéraie« (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 17).
Das Aménagement Vidal (1951-1972) In der Revue forestière française, der wichtigsten forstwissenschaftlichen Zeitschrift Frankreichs, erschien im April 1952 eine Sonderausgabe zur Waldpolitik in Marokko, weitere Artikel folgten über die nächsten Jahre (Boulhol 1952; Grimaldi d’Esdra 1952; Guérin 1961, 1964; Huré 1961; Vidal 1952). Der Maâmora-Wald war Gegenstand vieler dieser Artikel. Die Vorschläge, wie dieser künftig zu bewirtschaften sei, gingen weit auseinander.92 Einig waren sich jedoch alle Autoren in einem Punkt: Der 90
91
92
Dass die Waldbehörden zunächst nicht über genug Mitarbeiter:innen verfügten, führte, wie Puyo (2014) beschreibt, zu Knappheit an Kohle und Tannin in den Städten, wogegen insbesondere die Bevölkerung Rabats protestierte. Vgl. Boudy 1948, S. 166-290, zit.n. Aubert und Sabir 2013, S. 299 sowie Demangeon 1931 und Malon 2006, insb. Kap. 3. Die beiden letztgenannten Quellen beziehen sich auf den Export von Forstprodukten aus ganz Marokko. So etwa bezüglich der Frage, ob weiterhin auf Kahlschlag und natürlich Regeneration gesetzt oder gezielt aufgeforstet werden sollte, ob der Wald als Hoch- oder Niederwald bewirtschaftet werden sollte und ob der Schwerpunkt auf Korkeichen oder der Anpflanzung neuer Arten liegen sollte. Ebenso umstritten war die Frage, ob der französische Staat mit der Anerken-
4 Feldstudie
»Plan zu Rettung der Maâmora« und damit die bisherigen Ansätze, den Korkeichenwald zu bewirtschaften, seien gescheitert. Zwar waren die Produktion und der Export von Kork wie geplant in Gang gekommen,93 jedoch war der Bestand an Korkeichen im Maâmora-Wald stark zurückgegangen. Der Wald hatte sich nicht wie erwartete nach dem Kahlschlag durch Stockaustrieb von selbst regeneriert.94 Diese Regenerierungsfähigkeit des Waldes wurde zum Kernpunkt einer neuen Form der Waldbewirtschaftung, die über die folgenden Jahre Form annahm; die Diskussion, die unter französischen Forstwissenschaftlern geführt wurde, verlief bereits im Rahmen dieses Übergangs. Es reiche nicht, so das neue Paradigma, den Wald sich selbst zu überlassen, er müsse aktiv gemanagt werden: Vidal (1952, S. 259), zu jenem Zeitpunkt in Rabat verantwortlich für die Bewirtschaftungsprojekte, forderte eine »intensification des interventions«. 1951 begann das erste Programm, das diese neuen Ansätze verkörperte, das Aménagement Vidal. Es hatte drei Ziele: Die Reste des Korkeichenwaldes sollten »par tous les moyens« gerettet werden − dort, wo seine Dichte als ausreichend erachtet wurde. Die Produktivität des Waldes sollte stark erhöht werden: »produire le maximum de liège de reproduction et pratiquer un nombre de récoltes aussi grand que possible« (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 17). Auf freien Flächen, Lichtungen und wo sich Strauchformationen gebildet hatten, sollte der Wald mit schnell wachsenden »exotischen Arten«, insbesondere Eukalyptus, aufgeforstet werden (ebd., vgl. auch El Boukhari et al. 2015, S. 31).95 Der Plan Vidal kam schon nach wenigen Jahren in die Kritik, und 1954 wurde er ein erstes Mal überarbeitet. Während die Anpflanzungen mit Eukalyptus
93
94
95
nung lokaler und traditioneller Rechte im marokkanischen Forstgesetz zu weit gegangen sei und dieser auf Befriedung zielende Ansatz vereinbar sei mit dem Ziel, die Wälder zu schützen und die Erträge zu erhöhen (Grimaldi d’Esdra 1952; Vidal 1952). Französischen Quellen zufolge spielte die Erzeugung von Kork vor der Protektoratszeit kaum eine Rolle, auch wenn Archivquellen zeigen, dass es bereits Ende des 19. Jahrhunderts in einem geringen Umfang Handel mit Kork nach Frankreich und Spanien gab. Gegen Ende der Protektoratszeit lieferten die 300.000 Hektar Korkeichenwälder in Marokko jährlich 150.000 Zentner Kork (Puyo 2014). Im Jahr 1960 stammten rund 60 Prozent der marokkanischen Korkproduktion aus dem Maâmora-Wald, das entsprach Guérin (1961, S. 424) zufolge sieben Prozent der weltweiten Produktion. Als Gründe wurden zu jener Zeit u.a. die klimatischen Bedingungen, die Beschaffenheit der Böden, wiederholte Jahre mit geringem Niederschlag oder die starke Beweidung diskutiert (vgl. Vidal 1952; Guérin 1961, für einen Überblick auch Puyo 2014). Die Strategie, auf schnell wachsende Sorten zu setzen, hatte ihren Ursprung bereits in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, als klar wurde, dass die natürliche Regeneration nicht mit dem Holzbedarf während des Krieges schritthalten konnte. 1941 begann in Marokko die Operation Eukalyptus, in deren Rahmen begonnen wurde, Eukalyptus in großem Stil anzupflanzen (Grimaldi d’Esdra 1952).
161
162
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
erfolgreich verliefen, blieb das erklärte Ziel − den Fortbestand des Korkeichenwaldes zu sichern − unerreicht. Bis 1972 hatte die Fläche des Korkeichenwaldes um 13.000 Hektar abgenommen.96 Die Dichte der bestehenden Korkeichenwälder hatte durch die Entnahme und den Verlust einzelner Bäume stark abgenommen. Der Anteil an Flächen mit weniger als hundert Stämmen pro Hektar nahm von 12 auf 63 Prozent zu. Hatten zu Beginn des aménagement noch rund 60 Prozent des Korkeichenwaldes eine Dichte von über 200 Stämme pro Hektar, so galt dies 1972, zum Ende des aménagement, nur noch für 16 Prozent. Im selben Zeitraum wurden über auf über 1000 Hektar pro Jahr Eukalyptus angepflanzt, hinzu kamen ab Mitte der 1960er Jahre Kiefern und Akazien. Aus dem Korkeichenwald Maâmora war ein Wald geworden, in dem Korkeichenbestände zwar noch dominierten, diese jedoch zunehmend von Plantagen von Eukalyptus und anderen neu eingeführten Arten verdrängt wurden.
Nach der Unabhängigkeit: Das Aménagement danois (1972-1990) 1956 wurde Marokko unabhängig. Auch wenn viele Narrative, die die koloniale Waldpolitik prägten, bis heute in Programmen internationaler Organisationen und in der nationalen Forstpolitik Marokkos präsent sind, so lassen sich im Fall der Bewirtschaftung des Maâmora-Waldes in der Folge doch deutliche Verschiebungen ausmachen. Der Ansatz eines developmental state, der einen starken Staatssektor mit den Zielen eines technischen und wirtschaftlichen Fortschritts zusammenbrachte, wirkte auch in den Wald hinein. Zugleich blieb der Maâmora-Wald auch nach der Unabhängigkeit ein Ort, an dem sich nationale und internationale Interventionen kreuzten: 1972 begann dort ein weiteres Entwicklungsprojekt, das bis 1992 lief. Finanziell unterstützt wurde es unter anderem von der dänischen Entwicklungshilfe, was ihm auch die Bezeichnung Aménagement danois gab; der zugehörige plan d’aménagement wurde 1973 fertiggestellt (Aménagement 1973). Seinen Ausgangspunkt hatte das neue Programm in einer kritischen Evaluation des Aménagement Vidal von 1952. So heißt es auf Seite 64 des Aménagement 1973: »Le grand effort consenti de 1948 à 1954 avait conduit à l’élaboration d’un plan d’aménagement qui déjà, 6 ans après son achèvement, fut sérieusement contestés pour deux raisons fondamentales: - il ne résolvait pas le probème de régénération des suberaies. Les coupes prévues à cet effet conduisaient à un appauvrissement des peuplement ou à une reduction non-contrôlée de la surface des suberaies.
96
Details und grafische Darstellung der hier genannten Daten finden sich in Pres Comp1 2013 Maroc, S. 18-20.
4 Feldstudie
- les prix en baisse du liège de reproduction mettait en question le traitement en futaie retenu par l’aménagement.97 Les vastes reboisements en eucalyptus effectués sons l’égide de l’opération cellulose constituaient rapidement un élément perturbateur non prévu dans l’am’nagement.« (Aménagement 1973, S. 64, Fehler im Orig.) Diese Analyse − die erstmals auch eine kritische Betrachtung der EukalyptusPlantagen einschließt, die noch bis in die 1950er Jahre als ›Lösung‹ des Waldproblemes galten (Grimaldi d’Esdra 1952)98 − hatte Einfluss auf die Gestalt des folgenden aménagements. Der Fokus der Waldpolitik lag dabei weiterhin auf der (ökonomischen) Produktivität des Waldes. Der Korkeichenwald sollte nicht mehr um jeden Preis erhalten werden, sondern nur noch dort, wo seine Dichte bei über 100 Stämmen pro Hektar lag und »un rendement économique acceptable« gegeben war (Aménagement 1973, S. 86f.). Stattdessen sollten dort, wo der Wald zu stark ausgedünnt war, gezielt schnell wachsende Arten angepflanzt werden, insbesondere Kiefern und Akazien. Eukalyptus sollte nur in den trockensten Gebieten der Maâmora angepflanzt werden, wo andere Anpflanzungen nicht möglich waren − er wurde, wie andere schnellwachsende Arten, als wichtig erachtet, um die inzwischen gebaute Zellulose-Fabrik zu versorgen (Belghazi et al. 2001, S. 254). Auch wenn damit wesentliche Züge der bisherigen Bewirtschaftung fortgesetzt oder gar intensiviert wurden, nahm das Aménagement danois neue Aspekte auf. »Wirtschaftlichkeit« verstand das neue Programm, anders als das vorherige, nicht nur in Bezug auf den Export von Kork und Holz, sondern auch in Bezug auf die regionale und lokale Versorgung. So war ein Ziel, die Versorgung der lokalen Märkte
97
98
Es werden verschiedene Qualitäten von Kork unterschieden. Bei den ersten Ernten entsteht ein gröberer Kork, der als Isolations- oder Baumaterial verwendet wird (liège mâle). Erst durch die mehrfache Entfernung der Korkschicht wächst der hochwertige Kork nach (liège de reproduction), der für Flaschenkorken verwendet werden kann. Die erste Entfernung der Rinde (démasclage) wird durchgeführt, wenn der Baum etwa 25 Jahre alt ist, die folgenden Ernten alle 9 bis 15 Jahre. Bei Eukalyptus (Eucalyptus) handelt es sich um eine Gattung, die ursprünglich in Australien und Teilen Indonesiens beheimatet war. Wegen seiner Schnellwüchsigkeit wurde Eukalyptus ab Mitte des 19. Jahrhunderts weltweit angepflanzt, insbesondere in Gebieten mit mediterranem Klima, wie Kalifornien, Südafrika und dem Mittelmeerraum. Ab dem 20. Jahrhundert kam die Anpflanzung von Eukalyptus in die Kritik: Die Bäume, so die Vorwürfe, trocknen aufgrund ihrer hohen Wasserbedarfes die Böden aus, vertreiben einheimische Pflanzenarten und führen zu Verwerfungen in den Ökosystemen, unter anderem, weil sie zwar für einen Teil australischer Beuteltiere Hauptnahrung sind, für die meisten Tierarten in anderen Regionen jedoch giftig. Zudem wird Eukalyptuspflanzungen für eine Intensivierung von Waldbränden verantwortlich gemacht, da die Bäume aufgrund des hohen Gehalts an Ölen stark brennen.
163
164
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
mit Tannin sicherzustellen, das nun vor allem aus Akazien gewonnen werden sollte − Praktiken, die die französische Kolonialregierung explizit unterbunden hatte. Zum ersten Mal wird auf die Erholungsfunktion des Waldes für die Bewohner:innen der benachbarten Städte hingewiesen, diese gelte es zu erhalten und auszubauen (Aménagement 1973, S. 86). Auch Naturschutz wird explizit erwähnt: »La protection de la nature est aussi importante que la production ligneuse.« (Aménagement 1973, S. 86).99 Schließlich gerieten die lokalen Nutzer:innen in den Fokus des Waldmanagements − nicht nur als externe Bedrohung für den Erhalt des Waldes, sondern als relevante Akteure, deren Interessen es zu kennen galt (vgl. hierzu ausführlich Kap. 4.2.3). Dem neuen aménagement gingen aufwendige Vorarbeiten und Studien voraus, die auf mehreren hundert Seiten Informationen über den Wald und seine Bewohner:innen sammelten. Der Erfolg des aménagements war, auch aus Sicht der Beteiligten, dennoch äußerst dürftig. Die Umsetzung des zwanzigjährigen Programms wich stark vom Plan ab. 4384 Hektar Korkeichenwald sollten regeneriert werden, umgesetzt wurden die Arbeiten nur auf 1635 Hektar, 37,7 Prozent. Während die Aufforstungen bei Nadelhölzern und Akazien weit hinter den vorgesehenen Plänen zurückblieben, wurde mit 13.475 Hektar doppelt so viel Eukalyptus gepflanzt wie geplant (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 22f.). Die Maßnahmen führten zu einer weiteren Verschiebung der Arten: 1972 hatten noch Korkeichen den Maâmora-Wald dominiert, sie wuchsen auf 87.000 der 133.500 Hektar des Waldes, also 65 Prozent der Fläche. 1992 waren nur noch 60.000 Hektar Korkeichenwälder übrig, mit 54.000 Hektar war die Fläche des Eukalyptus fast ebenso groß. Die restliche Waldfläche nahmen Akazien und Pinien ein (ebd., S. 24.). Der frühere Korkeichenwald Maâmora war zu einem Mosaik von Wäldern und Forsten geworden. Reste der einst weitläufigen Korkwälder wechselten sich mit Pflanzungen von Eukalyptus, Pinien und Akazien ab.
Das Aménagement concerté (ab 1992) Anfang der 1990er Jahre führten internationale Organisationen und die marokkanische Forstbehörde mehrere Evaluationen der bisherigen Bewirtschaftung des Maâmora-Waldes durch. Sie alle brachten ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck: Die geplanten Aufforstungen waren nur zu einem Bruchteil umgesetzt worden, die Regenerierung der Korkeichenwälder war erneut erfolglos geblieben. Mehrere
99
Auch wenn es sich bei diesen Aspekten zunächst überwiegend um diskursive Elemente handelt, die nicht direkt Niederschlag in entsprechenden Praktiken fanden, waren sie Teil von schrittweisen Verschiebungen in der Regierung des Waldes und legten den Grundstein für die weiteren Entwicklungen in den folgenden Jahrzehnten, wie sie in Kap. 4.2.3 beschrieben werden.
4 Feldstudie
Gründe wurden im Rückblick für die Misserfolge angeführt: Die gewährten Kredite reichten nicht aus, um die notwendigen Arbeiten zu bezahlen und wurden mit Verspätung ausgezahlt; die beauftragten Firmen brauchten für die Arbeiten länger als geplant; hinzu kamen die Dürren, die in den 1980er Jahren den Sahel, aber auch den Norden Afrikas trafen, und die wirtschaftlichen Einbrüche ab Mitte der 1970er Jahre. Zugleich fehlte es, wie Mitarbeiter:innen des HCEFLCD im Rückblick argumentieren, an Wissen und Erfahrung mit der Aufzucht von Korkeichen, um Aufforstungen erfolgreich durchführen zu können (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 25). Zu diesen Kritikpunkten, die sich teils mit jenen deckten, die schon bei der Evaluierung des vorherigen aménagement angebracht wurden, kamen in den 1990er Jahren zwei neue hinzu. Zum einen wurde die Beziehung zu den lokalen Nutzer:innen kritisiert, deren ablehnende Haltung es unmöglich gemacht habe, die Ziele des Programms zu erreichen, wie es in einer Studie der Weltbank heißt.100 Dies wurde aber nicht mehr, wie noch in den 1950er Jahren, der Unwissenheit oder Rückständigkeit der lokalen Bevölkerungsgruppen zugeschrieben, sondern als ein Problem des richtigen Managements betrachtet: »D’autres contraintes ont été identifiées et notamment : l’hostilité des populations locales provoquée par l’absence d’une approche participative au niveau de l’identification et de la sélection des activités de la composante; des sécheresses sévères et le petit nombre de techniciens capables de mettre en œuvre une approche participative.« (Worldbank 1999, S. 5) Zum anderen kritisieren die Evaluationen die Struktur der Managementprogramme. Diese seien zu »rigide«, zu starr gewesen, so dass die strikten Jahrespläne nicht an veränderte Gegebenheiten angepasst werden konnten (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 25). Diese beiden Argumente leiten einen Wandel im Umgang mit dem Wald ein, der ab den 1990er Jahren in vielen Teilen der Welt zu beobachten ist und in enger Verbindung steht mit einer neuen Konzeption von Umwelt und Natur (vgl. Kap. 2.2). Dies wirkte sich auch auf den Maâmora-Wald aus. 1992 begann dort, geprägt von diesen neuen Ansätzen, das Aménagement FAO. Dieses war ein Teilprojekt von Entwicklungsprogrammen, die in verschiedenen Teilen Marokkos umgesetzt wurden, finanziert unter anderem von der FAO und der Weltbank. Stark beeinflusst war das Projekt vom Konzept des Aménagement concerté, das sich am Ziel der Nachhaltigen Entwicklung orientierte, wie es auf der Weltumweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 ausformuliert worden war (Benzyane et al. 2003). Das Aménagement FAO unterschied sich in mehrfacher Hinsicht von den vorhergehenden Programmen. 100 »La réticence de certains groupes d’usagers a fait qu’il a été impossible d’atteindre la totalité de ces objectifs« (Worldbank 1999, S. 5).
165
166
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Der Fokus auf Erträge aus Holz und Kork verschwand aus den Zielen des Programms. Zuvor war die »ausreichende Wirtschaftlichkeit« ein Kriterium gewesen, das über den Erhalt oder die Abholzung einer Korkeichenfläche entschied. Nun war das Ziel, den gesamten noch bestehenden Korkeichenwald zu erhalten, den Wald an sich, unabhängig von seiner Produktivität (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 26). Damit einher ging ein neuer Blick auf den Wald, der nicht mehr vorrangig auf Holz und Kork gerichtet war, sondern auf die gesamte Breite seiner Produkte, ökologischen Funktionen und − ebenfalls ein neuer Aspekt − seiner Rolle für die Biodiversität. Ein Ziel des Programms war es, »die Multifunktionaliät des Waldes zu erweitern« (ebd.), so sollte neben den bestehenden Nutzungen auch neue Formen der Inwertsetzung, wie Erholungsfunktionen oder Tourismus mitbedacht werden (El Boukhari et al. 2015, S. 33). Die Aufforstung mit Eukalyptus wurde eingestellt. Stattdessen sollten zum ersten Mal gezielt in größerem Maßstab Korkeichen gepflanzt werden, durch Aussaat direkt vor Ort oder das Pflanzen von Setzlingen. Schließlich sollte zukünftig auf partizipative Maßnahmen gesetzt werden. Die lokalen Gemeinden und Nutzer:innen sollten nicht mehr aus dem Wald herausgehalten, sondern aktiv in die Entwicklung von Projekten, deren Umsetzung und das Management des Waldes einbezogen werden. Das neue aménagement sah als erste Schritte vor: »- La définition des unités socio-territoriales qui serviront de base pour l’aménagement et la gestion des ressources […]. - L’identification des usagers et des usages pratiquées, ainsi que leur impact sur les ressources naturelles disponibles. - La définition des différentes vocations forestières, agricoles, et pastorales…etc, pratiquées à l’échelle des terroirs de la zone d’étude. - La définition consensuelle des objectifs d’aménagement et des programmes d’action proposés pour chaque terroir avec respect du schéma d’aménagement du territoire au niveau régional. - La définition des mesures d’accompagnement et les moyens de mise en œuvre du projet.« (Benzyane et al. 2003, S. 4)101 Den Kern dieses Ansatzes bildete also der Aufbau einer neuen Struktur: Die Bewohner:innen und Nutzer:innen des Waldes sollten in Gruppen organisiert werden, die anschließend als Verwaltungseinheit und Ansprechpartner dienen. Dazu gehörten 101
Zu diesen Maßnahmen gehörten u.a. der Aufbau von Kooperativen, die Organisierung der Frauen in den Gemeinden, der Ausbau der Infrastruktur und Alphabetisierungsprogramme (vgl. Benzyane et al. 2003 sowie Kap. 4.2.3 dieser Arbeit).
4 Feldstudie
unter anderem die commissions locales des forêts (CLF), die aus Vertreter:innen der Gemeinschaften bestehen, die ein bestimmtes Gebiet nutzen; die comités de massif, die neben Vertreter:innen der CLF auch Mitarbeiter des HCEFLCD, der Verwaltung oder der internationalen Entwicklungshilfe umfassen und für die Erarbeitung von Nutzungs- und Entwicklungsplänen verantwortlich sind, sowie die groupes d’interêt économique (GIE), Interessensvertretungen aller Akteure, die ein Waldgebiet auf dieselbe Weise nutzen.102 Diese neuen Organisationsstrukturen bildeten die Grundlage für eine Maßnahme, die 1999 erstmals in einem Gesetzestext auftauchte und im März 2002 im Rahmen eines Erlasses des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft konkretisiert wurde: Entschädigungszahlungen für Waldschutz (compensations pour mise en défens).103 Die regionalen Waldbehörden weisen Flächen zur Regeneration aus, die nicht beweidet werden dürfen. Mit den Assoziationen104 der Nutzer:innen, die Nutzungsrechte für diese Gebiete haben, wird ein Vertrag geschlossen; sie sind verantwortlich für den Schutz der Gebiete. Jährlich findet eine Kontrolle durch die Forstbehörden statt; bei positiver Evaluierung erhalten die Assoziationen eine Entschädigung ausgezahlt: 250 Dirham, umgerechnet etwa 25 Euro, pro Hektar und Jahr.105 Das neue Programm führte zu einer Welle von Neugründungen von Gruppen. Im Jahr 2012 waren es landesweit 143 Assoziationen mit 14.500 Mitgliedern, die an dem Programm teilnahmen.106 Im Maâmora-Wald gründeten sich 2005 die ersten Assoziationen um an dem Programm teilzunehmen; 2010 war ihre Zahl auf 19
102 Die Möglichkeit für Nutzer:innen, sich als GIE zu organisieren, geht zurück auf das Dahir du 20 September 1976. In dem Maß, wie lokale Nutzer:innen in den 1970er Jahren zunehmend ins Blickfeld des Waldmanagements gerieten (vgl. Kap. 4.2.3), sah dieses Gesetz bereits die Möglichkeit solcher organisierten Interessensvertretungen vor. Diese Idee wurde in den 1990er Jahren im Rahmen des partizipativen Managements aufgenommen und zum ersten Mal in größerem Maßstab umgesetzt. 103 Bei dem Erlass handelt es sich um Arrêté n° 1855-01 vom 21. März 2002 (Ministre délégué auprès du ministre de l’agriculture 2002). 104 Das französische association kann im Deutschen verschieden übersetzt werden, Begriffe wie Verein, Verbund oder Verband bezeichnen dabei verschiedene Organisierungsgrade. Da die Zusammenschlüsse der Nutzer:innen wie oben beschrieben verschiedene Formen annehmen können, verwende ich hier den ans Französische angelehnten Begriff Assoziation. 105 Die Regenerationsflächen haben eine Mindestgröße von 300 Hektar, meist liegt die Größe zwischen 300 bis 400 Hektar. In den Arganwäldern im Süden Marokkos können sie kleiner sein. Dort reichen 100 Hektar, die jährliche Zahlung beträgt dort 350 Dirham pro Hektar. Für weitergehende Informationen zu den Entschädigungsprojekten und ihren Effekten vgl. Moukrim et al. 2019; Lahssini und Vanuxem 2016 und Vanuxem 2014, 2016. 106 Diese Entwicklung steht auch in Beziehung zur politischen Öffnung ab den 1990er Jahren, die landesweit zu einer Gründungswelle von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen führte (vgl. Kap. 4.1).
167
168
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
gestiegen (Lahssini et al. 2016). Eine Auswertung des Programmes nach den ersten zehn Jahren kommt zu dem Schluss, dass eine Mehrheit der Mitarbeiter:innen der Forstbehörden es als erfolgreich ansieht: Das Verhältnis zu den Nutzer:innen habe sich verbessert, die Umsetzung der Aufforstungsmaßnahmen sei leichter geworden (Lahssini et al. 2016). Ein Forstwissenschaftler, der an der Auswertung der Programme beteiligt war, sieht sie auch für die Gemeinden vor Ort als vorteilhaft an: »I: Et l’association, comment elle utilise cet [argent]? S: Elle est libre de l’utiliser comme elle veut. […] Alors, le démarrage, qu’est-ce qu’ils font, donc, ils ont le chèque, ils sont cinquante personnes, ils partagent par cinquante, et chaqu’un a [sa partie]. Mais ça n’a pas marché comme ça. Parce qu’il y a eu des conflicts, et, bon. Après, l’association, c’est le village, le douar, et donc, ils se sont mis sur des petits projets communautaires. Ils font des pistes, ils font des ponts, ils construisent des éruries, ils font des petits projets communautaires. (.). Et donc, là, maintenant, ça marche.[…] Parce que si on prend 100.000 Dirham, si on la partage, ça fait 500 Dirham par personne, c’est rien du tout. Mais si on prend 100.000 Dirham, on peut l’investir.« (Interview Projektmitarbeiter MT, 29. Juli 2017, Rabat) Die befragten Nutzer:innen in der oben genannten Studie kritisierten hingegen, die Mittel seien nicht ausreichend. Auch ein Mitarbeiter des HCEFLCD beschreibt die Zusammenarbeit mit den Gemeinschaften im Jahr 2013 weiterhin als schwierig.107 Trotz des Anstiegs an Assoziationen ist der Anteil der Nutzer:innen insgesamt, die an dem Programm teilnehmen, im Maâmora-Wald weiterhin gering, und die juristischen und praktischen Folgen des Programms werden über die lokale Ebene hinaus kontrovers diskutiert.108 Hingegen verliefen die Aufforstungen im Maâmora-Wald im Rahmen des neuen Programms erfolgreich − zum ersten Mal in der Geschichte der aménagements seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Zahl der Verstöße gegen das Forstgesetz, etwa Beweidung in zum Schutz ausgewiesenen Flächen oder das Abbrechen von Zwei-
107 So heißt es in einem Vortrag im Rahmen des FFEM-Projektes: »However, the local population does not fully support the initiative, particularly due to a lack of confidence in the government.« Zudem seien die Nutzer:innen nur eingeschränkt in die Planung und die Umsetzung von Projekten involviert und ihre Entscheidungen seien nicht verbindlich (Comp3 2013 Report methodology, S. 99). 108 So weist Vanuxem (2014) auf die ungleichen Ausgangsbedingungen und hierarchischen Strukturen zwischen Staat und Nutzer:innen hin, die einen ›freien‹ Vertragsabschluss unmöglich machten und warnt vor einer »Refeudalisierung« der ländlichen Strukturen.
4 Feldstudie
Abbildung 3: Artenverteilung im Maâmora-Wald von 1951 bis 2011
Die Korkeichen verlieren bis in die 1990er Jahre an Fläche, danach kehrt sich der Trend um. Blau: Korkeichen; rot: Eukalyptus; grün: andere Anpflanzungen; violett: andere Flächennutzungen. Quelle: Pres Comp4 2013 Maroc.
gen, nahm stark ab.109 In den ersten zehn Jahren des Aménagements FAO, von 1992 bis 2002, entsprach der Umfang der Aufforstungen und Schutzbemühungen den Planungen, mit leichten Verzögerungen von etwa einem Jahr (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 26). Ab 2003 überstiegen die regenerierten Flächen die Planungen deutlich. Insgesamt wurden laut den Auswertungen des HCEFLCD die geplanten Maßnahmen über den Zeitraum 1992 bis 2011 zu 95 Prozent umgesetzt. Die Korkeichenwälder wuchsen wieder: Bis 2006 hatten sie um 5000 Hektar, bis 2011 um 10.500 Hektar gegenüber 1992 zugenommen; während sich die Flächen der EukalyptusPlantagen in demselben Umfang verringerte (ebd.). Die Entwicklungen der letzten 100 Jahre hatten sich umgekehrt (Abb. 3).
109 Moukrim et al. (2019, S. 7) zufolge hat sich die Zahl solcher Vorfälle zwischen 2005 und 2017 halbiert.
169
170
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Gouvernementalitäten des Waldes – die Regierung der Bäume Betrachtet man die Bewirtschaftung des Maâmora-Waldes über den Zeitraum von 1912 bis 2012, wird deutlich, dass sich die Form und die Politik des Waldes mehrfach stark verschoben haben. Von der Kolonialzeit bis in die frühen 2000er Jahre lassen sich verschiedene Phasen ausmachen. Sie waren jeweils geprägt durch bestimmte Diskurse, Narrative und Praktiken, durch die Akteure, die an den Interaktionen mit dem Wald beteiligt oder davon ausgeschlossen waren, durch die Technologien, die sie vermittelten und die räumlichen Bezüge, auf die sie verwiesen. Mit diesen Verschiebungen beschäftige ich mich in diesem Abschnitt. Anknüpfend an die Überlegungen zu einer materialistischen Gouvernementalität in Kap. 2.4 sollen sie hier beispielhaft als verschiedene Regierungsformen des Waldes diskutiert werden, die auf die Bäume und andere, menschliche und nicht-menschliche, ›Subjekte‹ im Wald zielen. In einem ersten Abschnitt wird hierzu zunächst ein Blick auf die Netzwerke gerichtet, die um die Formen des Waldmanagements jeweils entstanden sind. Ich skizziere, welche Diskurse jeweils hegemonial waren, welche Akteure integriert und welche ausgeschlossen wurden, und welche räumlichen Bezüge sie herstellten. Der zweite Abschnitt fragt, welche Logiken diese Komplexe durchziehen, welche Rationalitäten ihnen zugrundeliegen, auf welchen Formen des Regierens mit ihren spezifischen Wissensformen, Praktiken und Technologien sie beruhen.
Einschlüsse und Ausschlüsse: Netzwerke des Waldes In der kolonialen Forstpolitik, die mit dem Dahir von 1917 verstetigt wurde, trafen sich zwei − teils widersprüchliche − Ansätze des Umgangs mit und der Konzeption von Wald. Davis (2005a, 2007, 2013) hat nachgezeichnet, wie eine bestimmte Erzählung die Waldpolitik des Protektorates prägte, beruhend auf der Annahme, dass die Wälder Nordafrikas durch Übernutzung degradiert seien und dass die lokale Bevölkerung die einst fruchtbare und dicht bewaldete »Kornkammer des römischen Reiches« durch Missmanagement zerstört habe (Davis 2007). Dieser Ansatz ist eng verbunden mit einem europäischen Konzept von Naturschutz, das ab dem 18. Jahrhundert in bürgerlichen Kreisen aufkam; es führte wiederholt zu Aufrufen zur »Rettung« der mediterranen Wälder und dem Versuch, Wälder vor der Übernutzung lokaler Gruppen zu schützen, etwa durch die Einrichtung von Nationalparks und Schutzgebieten (Davis 2012). Zugleich zielte die koloniale Forstpolitik darauf, die ›moderne‹, wissenschaftliche Forstwirtschaft in den Kolonien einzuführen, wie sie in Deutschland ab dem späten 17. Jahrhundert und etwas später in Frankreich entstanden war. Bryant (1998) beschreibt dies für das frühere Burma:
4 Feldstudie
»The main purpose of scientific forestry was the promotion of long-term commercial timber production […]. But for this system to succeed, a major transformation in local social and ecological conditions was required. […] Colonial officials justified the heavy-handed forest policing often associated with the imposition of scientific forestry on the grounds that it was a ›scientific‹ system that was introduced in the public interest. […] A discourse of ›forestry as progress‹ was thereby developed in which ›appropriate‹ forest use was defined largely in terms of a commercial timber extraction, which was asserted to be both ecologically sound and financially remunerative to the state, while other local activities were denigrated (the ›destructive‹ shifting cultivator), marginalized (i.e., ›minor forest products‹) and even criminalized.« (Bryant 1998, S. 87) Dieser Fokus auf Produktion von Holz und anderen Exportprodukten wie Kork stand im Widerspruch sowohl zum Naturschutz-Gedanken, der die Diskurse um mediterrane Wälder durchzog, als auch zur Realität mediterraner Wälder, die auf vielfältige Weise genutzt wurden und bei denen die Nutzung von Holz wirtschaftlich nur eine untergeordnete Rolle spielte (vgl. Kap. 4.1). Sie war jedoch eng verbunden mit dem kolonialen Ziel, die Ausbeutung der Ressourcen in den neu kolonisierten Gebiete zu intensivieren. In Marokko war dies verbunden mit einem Infrastruktur-Plan, der darauf zielte, Straßen, Eisenbahnlinien und Häfen aufund auszubauen, um Agrargüter und natürliche Ressourcen − insbesondere Phosphat, aber auch Holz und Kork − schneller und leichter nach Frankreich transportieren zu können. Dazu gehörte der Aufbau einer »atlantischen Achse« zwischen drei Städten an der Atlantikküsten: Safi, einem wichtigen Handelshafen und Zentrum des Phosphat-Abbaus im Süden, Casablanca als wirtschaftlichem Zentrum des Landes und dem neu gegründeten Militärfort und Hafen im heutigen Kénitra nördlich von Rabat-Salé, das an den Maâmora-Wald grenzt (Abu-Lughod 1980; Rachik 1995).110 Diese Infrastruktur-Maßnahmen, aber auch die veränderten Management-Techniken stellten einen räumlichen Bezug her, der die kolonialen Verhältnisse in die Materialität des Waldes einschrieb. Die Verstaatlichung des Waldes, der Aufbau einer Forstverwaltung und die Verabschiedung eines Forstgesetzes französischer Prägung bildeten den juristischen und politischen Rahmen hierfür. Das Waldgesetz von 1912 war, wie oben beschrieben, vom einem Narrativ der »Degradation« geprägt, von der Erzählung, dass die Wälder Nordafrikas durch Übernutzung und falsches Management ihre ›natürliche‹ Gestalt und Ausdehnung 110
Aubert und Sabir (2013, 299) weisen darauf hin, dass der Wert der marokkanischen Wälder für die Kolonialmacht beträchtlich war: Bezogen auf Boudy (1948) gehen sie davon aus, dass allein zwischen 1915 und 1939 der Export von Kork, Holz und Halfa-Gras 25 Millionen Franc einbrachte, deutlich mehr, als Frankreich in das Management und die Kontrolle der Wälder investierte.
171
172
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
verloren hätten und es Aufgabe der Kolonialherrschaft sei, ihnen durch eine entsprechende Bewirtschaftung wieder zu ihrer eigentlichen Fruchtbarkeit zu verhelfen. Die konkrete Umsetzung dieser Politiken nahm je nach Lokalität verschiedene Formen an. Im Fall der Korkeichenwälder wurde Degradation nicht als drohende Zerstörung der Wälder verstanden, sondern als Einbußen ihrer Produktivität; die Maßnahmen zielten nicht auf den Schutz der Wälder, sondern darauf, die Erträge durch ›modernes‹ Management zu erhöhen. Auch machten die Diskurse der Protektoratszeit zwar vorrangig die die lokalen Nutzer:innen für den Zustand der Wälder verantwortlich, jedoch standen im Maâmora-Wald menschliche Akteure zunächst nicht im Fokus der Waldbewirtschaftung. Das Dahir von 1917 beschäftigt sich fast ausschließlich und sehr detailliert mit den Bäumen des Waldes, insbesondere den Korkeichen (El Boukhari et al. 2015, S. 31). So unterscheidet es zwischen verschiedenen Gruppen und Klassen von Bäumen, je nach Alter, Art, der Dicke von Ästen und weiteren Merkmalen, für die jeweils spezifische Regeln und (im Fall der Widerhandlung) Strafen gelten.111 Die Nutzer:innen und ihre Rechte hingegen sind nur Gegenstand von zweien der 84 Paragraphen (Art. 23 und 25), und auch dort werden sie nicht näher spezifiziert. Sie kommen nur in Bezug auf ihre Praktiken vor, die Auswirkungen auf die Bäume des Waldes haben: Über die Hälfte des Gesetzestextes beschäftigt sich mit den verschiedenen Handlungen, die verboten sind, und den entsprechend zu entrichtenden Bußgeldern und Strafen.112 Die Politik der ersten Eingriffe, die im Maâmora-Wald in Zeiten des Protektorats vorgenommen wurden, wie der Rettungsplan für den Maâmora-Wald, richtete sich also direkt auf die Korkeichen − genauer noch, auf bestimme Teile der Korkeichen, denn diese wurden von der Protektoratsverwaltung und den französischen Forstwirten vorrangig in Bezug auf ihre Korkschicht wahrgenommen, in geringerem Umfang und insbesondere in Kriegszeiten auch in Bezug auf das Holz des Stammes und der Äste. Diese Ausrichtung der Waldbewirtschaftung veränderte sich über die nächsten Jahrzehnte kaum: Bis zum Ende der Kolonialzeit stand eine möglichst hohe Korkproduktion im Zentrum der Politik des Waldes − eng verbunden mit politischen Motiven, etwa der Konsolidierung der Herrschaft über das
111
112
So heißt es etwa in Art. 36 des Dahirs: »La coupe ou l’enlèvement d’arbres, ayant à un mètre du sol plus de 2 décimètres de tour sera puni d’une amende de 0 fr. 50 au moins et de 50 francs au plus par pied d’arbre. Cette amende pourra être portée à la valeur de l’arbre si celleci est supérieure au maximum. Si les bois ont 2 décimètres de tour et audessous, l’amende sera de 25 francs à 100 francs par véhicule automobile; de 3 à 10 francs par bête attelée ; de 2 à 5 francs par charge de bête de somme; de 0 fr. 50 à 2 francs par charge d’homme.« (Dahir 1917, S. 12) Der Artikel wurde mehrfach überarbeitet, unter anderem 1918, 1925, 1939 und 1951. Die Nutzungsrechte und der Umgang mit den lokalen Gemeinschaften, die im Wald und in den Bergen lebten, war zu jener Zeit weniger ein Thema der Forstwirtschaft, als vielmehr der inneren Sicherheit.
4 Feldstudie
Gebiet oder dem Anspruch, durch eine hohe Korkernte zu beweisen, dass das koloniale Management dem vorhergehenden überlegen sei. Von der Degradation zur Entwicklung Doch zeigten sich bereits zum Ende der Protektoratszeit Verschiebungen: Ab den 1950er Jahren wurden neue Akteure in das Netzwerk aufgenommen, menschliche wie nicht-menschliche. Mit den Pflanzungen ab den 1940er Jahren und im Rahmen des Aménagement Vidal veränderten sich die Zusammensetzung und die Struktur des Waldes. Die Korkeichen verloren an Bedeutung, während Eukalyptus, Akazien und Pinien sich ausbreiteten. Im Fokus stand weiterhin die Produktivität des Waldes. Diese wurde nun allerdings nicht mehr ausschließlich in Bezug auf Kork verstanden, sondern betraf auch Holz, etwa zur Zelluloseproduktion. Hierin waren schnellwachsende Arten wie Eukalyptus den Korkeichen deutlich überlegen. Die lokalen Gemeinschaften, die im und vom Wald leben, waren über die Zeit des kolonialen Managements hinweg im Wesentlichen über ihren Ausschluss definiert: Dass sie, von Ausnahmen abgesehen, aus dem Wald ›draußen‹ bleiben sollten, war Grundprinzip des Dahir von 1917. Den Wald gut zu bewirtschaften bedeutete, ein Modell umzusetzen, das auf einem »Wald ohne Menschen« beruhte (Aubert und Sabir 2014, 298). Das änderte sich mit dem Aménagement danois. Zwar beruhte auch dieses auf der Annahme eines zentralen Widerspruches zwischen den Zielen der Forstwirtschaft und den Bedürfnissen der Bewohner:innen des Waldgebiets. Doch in den Projektdokumenten des Aménagement danois spielen sie und ihre Interessen zum ersten Mal eine Rolle. Erste soziologische Studien im Vorfeld des Aménagements danois interessieren sich vor allem für die Auswirkungen der Nutzungsformen auf den Wald – etwa die Anzahl der Nutztiere, die den Wald als Weide nutzen (Aménagement 1973, S. 75f, 103ff.). Dennoch zeugt dieses beginnende Interesse an der Bevölkerung, die Notwendigkeit, sie wahrzunehmen, Daten über sie zu sammeln, vom Beginn eines Übergangs: von der Kontrolle des Territoriums zur Kontrolle der Bevölkerung − und damit zu einer biopolitischen Form des Regierens. Ambrose-Oji et al. (2015, S. 151) haben den Wandel von der »control of territory as land, to the control of territory as people, populations and resources« in ähnlicher Form für Kamerun beschrieben: »Authoritative dominance was consolidated through the application of rational knowledge and systems of bioscience. These explored, charted, measured, and inventoried the forest, and in many areas modified it as managed plantations. The forest’s human populations were mapped, subjected to anthropological classification and incorporated into administrative management through the reinterpretation of social tradition and the invention of chieftancy« (Ambrose-Oji et al. 2015, S. 153).
173
174
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Die letztgenannten Aspekte − der Rückgriff auf ›lokale Traditionen‹ zur Bewirtschaftung der Wälder − spielten im Maâmora-Wald erst ab den 1990er Jahren eine Rolle (vgl. Kap. 4.3). Die Grundlage hierfür wurde jedoch in den 1970er Jahren gelegt, wenn auch zunächst unter anderen Vorzeichen. Mit dem Übergang von der Kolonie zum selbständigen Staat ist das Problem der Kontrolle der Populationen nicht mehr ein äußeres, sondern ein inneres − das gilt sowohl für die menschlichen Bevölkerungen als auch für den Wald. Der Wald als Staatswald soll der Bevölkerung, der Nation, dienen. Zugleich haben die Bürger:innen desselben, wenn auch in einem eingeschränkten Sinn, ein Recht darauf, von den Erträgen desselben zu profitieren: Als ein Ziel gibt das Aménagement danois an, die »Weiderechte zu respektieren, und die Interessen der lokalen Nutzer:innen zu wahren« (Aménagement 1973, S. 86). Im Rahmen einer Reihe neuer Gesetze und Verordnungen wird den lokalen Gemeinschaften nach und nach ein Anteil an den Erlösen aus dem Verkauf der Forstprodukte zugestanden.113 Das Dahir von 1976 schließlich legte fest, dass die gesamten Erlöse aus Produkten des Waldes an die lokalen Gemeinschaften zurückfließen müssen – zumindest formell ein Durchbruch für die Anerkennung traditioneller Nutzungsrechte. Die räumliche Ausrichtung der Politik erfolgte nicht mehr in Bezug auf das koloniale Mutterland, sondern auf den nun unabhängigen Nationalstaat: Die lokalen Gemeinden sollten zu einem Teil desselben werden, und die Reichtümer des Waldes sollten seiner Entwicklung dienen. Eben dieses Motiv − Entwicklung − bestimmte die Diskurse und die Politiken dieser Zeit und, in verschiedenen Ausprägungen, die der folgenden Jahrzehnte. Es bezog sich, von den 1950er bis in die frühen 1980er Jahre, auf den nationalen Rahmen. Die These, dass es vor allem die lokalen Nutzer:innen seien, die durch Übernutzung dem Wald Schaden zufügten, blieb in ihrem Grundmuster erhalten, nahm ab den 1970er Jahren jedoch eine neue Form an. Als Grundproblem wurde nicht mehr die ›Unzivilisiertheit‹ der lokalen Gemeinschaften angesehen, denen die Forstverwaltungen erst beibringen mussten, den Wald auf ›vernünftige‹ Weise zu nutzen. Stattdessen wurde die Armut der ländlichen Bevölkerung als zentrales Problem ausgemacht: Die Nutzer:innen seien von den Ressourcen des Waldes abhängig, und könnten daher nicht anders, als diesen zu übernutzen. Entwicklung sollte einen Ausweg aus diesem Dilemma weisen. Durch die Schaffung anderer Einkommensquellen für die Bewohner:innen der Wälder sollte der Druck auf den Wald verringert werden − eine Idee, die schon in den 1950er Jahren auftauchte und in den
113
So etwa das Gesetz von 1951, das den Gemeinschaften in Argan-Wäldern ein Fünftel des Ertrages zuspricht, wenn Bäume gefällt werden; sowie weitere Gesetze aus den Jahren 1953 und 1957, die die Anteile festlegen, die den Nutzer:innengemeinschaften zustehen, darunter 5 Prozent auf Kork und 10 Prozent auf Erträge aus dem Verkauf von Holz (Aubert 2014a, S. 309).
4 Feldstudie
Programmen ab den 1970er Jahren Form annahm.114 Das Problem des Waldes wird damit, wie Aubert und Sabir (2013, S. 309) schreiben, als »ein sozio-ökonomisches« begriffen. Der Forstverwaltung kommt eine neue Rolle zu: Sie ist nicht mehr nur für die Bäume im Wald zuständig, sondern auch für die Menschen, ihre Handlungen zielen auf das ›richtige‹ Verhalten dieser menschlichen Akteure.115 Netzwerke nachhaltiger Entwicklung Das folgende aménagement, das Aménagement FAO von 1992 bis 2002, fand in einem veränderten Umfeld statt. Ab Ende der 1980er Jahren begann die internationale Umweltpolitik an Fahrt zu gewinnen, »nachhaltige Entwicklung« wurde zum Leitbild der Umweltpolitik. Diese Diskurse hatten, wie in Kap. 4.1 beschrieben, starken Einfluss auf die marokkanische Politik. Zugleich fiel die Phase des neuen aménagements in Marokko zusammen mit der zweiten Phase neoliberaler Wirtschaftsreformen und den politischen Öffnungsprozessen der 1990er Jahre. Aubert (2014a, S. 308) hat bezweifelt, dass die Politik der 1990er Jahre und die Einführung des Konzept der nachhaltigen Entwicklung tatsächlich einen Bruch in der marokkanischen Forstpolitik bedeutete: »Le code forestier est donc resté, dans ses grandes lignes, identique depuis ses origines«.116 Auch wenn koloniale Muster, Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse im und um den Wald teils bis heute bestehen oder gar verstärkt wurden (vgl. Kap. 5), lassen sich ab Beginn der 1990er Jahre doch neue Dispositive ausmachen, die die Regierung des Waldes prägen. Diese haben die vorherigen Praktiken und Diskurse nicht von einem Moment auf den anderen ersetzt, sondern, wie das Beispiel des Maâmora-Waldes zeigt, ergänzt und erweitert; es handelt sich weniger um einen Bruch als vielmehr um einen fließenden Übergang, der ab den 2000er Jahren sichtbar wird. Er ist durch drei Aspekte geprägt: Durch ein neues Verständnis von Entwicklung; die Ausweitung und Diversifizierung der Akteure im Wald sowie eine veränderte Rolle der Nutzer:innen im Rahmen neuer Formen der Governance. Entwicklung ist weiterhin das Leitmotiv der Forstpolitik, nun jedoch verstanden als Nachhaltige Entwicklung: 114
115
116
So schreibt Grimaldi d’Esdra (1952, S. 230), der Forstbeamte müsse nicht nur für den Schutz des Waldes, sondern auch für die Generierung von Einkommen verantwortlich sein: »L’intervention du forestier dans ce domaine lui assure ainsi une audience particulière auprès des populations campagnardes; là encore, son rôle quitte le terrain ingrat de la protection pour se placer sur celui de l’activité créatrice de richesses.« Diese frühen Ansätze einer veränderten Rolle der Forstbeamten sehen Aubert und Sabir (2013, S. 297) als Grundlage, aus der sich in den 2000er Jahren die Idee des »forestier développeur« entwickelt habe, eines Mitarbeiters der Forstverwaltung, der für die ländliche Entwicklung insgesamt verantwortlich ist. Als Ausnahme betrachtet Aubert (2014a) die oben beschriebene Einführung von Entschädigungszahlungen für Waldschutz (Kap. 4.2.2).
175
176
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
»la nouvelle philosophie d’aménagement repose sur les principes de développement durable en se referant aux initiatives des instances internationales. A ce propos, l’aménagiste a adopté une conception nouvelle par l’adaptation de l’aménagement aux principales vocations et à la multi-fonctionalité des formations forestières avec l’implication des populations usagères. Egalement, cette nouvelle vision intègre la dimension environnementale et la conservation de la biodiversité et tend vers une gestion informatisée des forêts.« (Benzyane et al. 2003, S. 2) War Entwicklung bis in die 1980er Jahre vorrangig als Entwicklung auf der Ebene des Nationalstaats gedacht, so bringt der Fokus auf die Globalität von Umweltproblemen und die (diskursive) Ausrichtung auf die Rechte zukünftiger Generationen neue räumliche und zeitliche Bezüge in die Waldpolitik ein. Die Erklärung von Rio fordert den Aufbau »globaler Partnerschaften«, die »globale Umwelt« zu schützen, um die »Bedürfnisse heutiger und zukünftiger Generationen« zu erfüllen (United Nations 1992b, 1f.); es geht nicht mehr um nationale Ressourcen und die Frage, wem diese dienen sollten, sondern um die Rettung des »Erbes der Menschheit«.117 Zugleich gerät auch die lokale Ebene, etwa im Rahmen des Agenda 21-Programmes118 und partizipativer Ansätze (s.u.), in den Fokus von Entwicklungs- und Politikmaßnahmen. Zum anderen löst das Konzept der nachhaltigen Entwicklung, wie in Kap. 2.2 beschrieben, den Widerspruch zwischen Umweltschutz, wirtschaftlicher Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit auf, der auch im Maâmora-Wald die Diskussionen der Jahrzehnte zuvor prägte: Alle drei Ziele sollen, und, so wird argumentiert, können gleichzeitig erreicht werden. Dieses dreifache Entwicklungsziel spiegelt sich in den politischen Dokumenten und Analysen seit den 1990er Jahren. So listet das Aménagement concerté in seiner Evaluation Resultate in den Bereichen »Soziales«, »sozio-ökonomische Infrastruktur« und »Ökologie« (Benzyane et al. 2003, S. 5); die Weltbank fordert in ihrem Zwischenbericht zur Projektförderung im Jahre 1999 nicht nur, den Privatsektor stärker einzubeziehen (Worldbank 1999, S. 8), sondern
117
118
Diesem letzten Zweck sollen explizit die Biosphären-Reservate dienen, die ab den 1990ern Jahren von der United Nations Educational, Societal and Cultural Organization (UNESCO) im Rahmen des Man and the Biosphere (MAB)-Programmes als »Modellregionen« geschaffen wurden. Sie knüpften, wie in ihrer Bezeichnung deutlich wird, an frühere Großforschungsprojekte an, die die Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt erforschen sollten. Auch beim Pilotprojekt des FFEM-Projektes im Libanon, Jabal Moussa, handelte es sich um ein solches Biosphären-Reservat. Das Agenda 21-Programm geht ebenfalls auf den Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro im Jahr 1992 zurück. Es handelt sich um ein Paket von Maßnahmen zur Nachhaltigen Entwicklung. Auch wenn sich das Programm auch an Nationalstaaten richtete, entfaltete vor allem das Teilprogramm Lokale Agenda 21 eine große Dynamik; weltweit führten Städte und Kommunen in diesem Rahmen Agenda 21 Projekte durch.
4 Feldstudie
beschreibt auch, wie die Vorteile für alle beteiligten Akteure herausgestellt werden können: »L’aménagement des ressources forestières implique une approche intégrée, qui tienne compte des priorités des collectivités locales, du secteur privé, et de l’Etat. A cet égard, et afin de susciter la participation, tout projet forestier envisagé devrait comporter des incitations explicites axées à chacune des parties intéressées. A titre d’exemple : les collectivités locales tireraient avantage de pistes forestières améliorées permettant un accès plus aisé et des initiatives de lutte contre les incendies de forêt afin de conserver des pâturages adéquats pour leur bétail; le secteur privé tirerait avantage non seulement de la capacité de plantations arbustives mais aussi de l’accès à une parcelle de terre commune pour réaliser des gains grâce à la vente des récoltes; et enfin, le Gouvernement tirerait avantage de l’investissement privé qui couvrirait certains coûts d’investissement et coûts récurrents.« (Worldbank 1999, S. 16) Mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung und, damit verbunden, der Etablierung einer nationalen Umweltpolitik in Marokko (vgl. Kap. 4.1.3) weitet sich das Feld der Akteure in der Politik des Waldes. Neue diskursive Elemente kommen hinzu: Umweltschutz spielt als Konzept bei der Bewirtschaftung des Waldes − oder ihrer Begründung − zunehmend eine Rolle. Mit Biodiversität entsteht in den 1990er Jahren ein Konzept, das den Erhalt von Arten jenseits des (aktuellen) Ertrages neu bewertet; der Ansatz verändert den Blick auf den Wald und seine Gestalt. Waren zuvor bestimmte Erträge oder eine bestimmte Höhe der Produktivität Kriterien für den Erhalt bestimmter Bereiche des Waldes, so sieht das Bewirtschaftungsprogramm nun vor, alle noch bestehenden Korkeichenwälder zu erhalten (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 26). Das Management zielt nicht mehr auf die Nutzung des Waldes, die Entnahme von Produkten, sondern im Gegenteil auf dessen Schutz − und damit den Schutz der darin gespeicherten (genetischen) Informationen sowie der Funktionen, die der Wald übernimmt (vgl. Kap. 4.3). Zugleich richtet sich die Politik nicht mehr auf einzelne Produkte wie Holz oder Kork. Die Vielfalt des Waldes selbst wird zu einem Wert. Waldprodukte jenseits von Holz (non-wood forest products, NWFP), wie Honig oder Pilze, tauchen nun explizit in den ManagementDokumenten auf; das Aménagement FAO hat zum Ziel, die »Multifunktionalität« des Waldes nicht nur zu erhalten, sondern »auszuweiten« (ebd.). Von dieser veränderten Bewertung profitieren die Korkeichen, die den neuen Kriterien besser entsprechen als etwa der die Jahrzehnte zuvor dominierende Eukalyptus. Korkeichenwälder weisen eine hohe Biodiversität auf, sie bieten eine große Breite an (Nutzungs-)Funktionen – und sie verfügen als ›heimische‹ Pflanze über die im Neoliberalismus hoch gewichtete Authentizität. »Über die letzten sechzig Jahre sind 29 600 Hektar Korkeichenwald an neu eingeführte Arten verlorengegangen«, erklärt ein marokkanischer Forstwissenschaftler in einer Präsentation
177
178
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
bei einem Workshop des FFEM-Projektes. »Seit 2003 gibt es die Tendenz, dass die Korkeichen die eingeführten Arten verdrängen.« (Pres Comp1 Maroc 2015, S. 15). Dass seit den 2000er Jahren zum ersten Mal die Bestände an Korkeichen zunehmen, mag damit zu tun haben, dass die Aufforstungen aufgrund neuer Techniken und verbesserter Praktiken zum ersten Mal Erfolg haben − es ist aber auch ein Ergebnis der veränderten Bewertungs- und Bewirtschaftungsmuster, die sich ab den 1990er Jahren vom Fokus auf Produktivität und Ertrag hin zu Naturschutz und Biodiversität verschieben. Neue Technologien, aber auch veränderte Blickwinkel auf den Wald bringen zudem neue nicht-menschliche Akteure in die Netzwerke des Waldes ein, der Wald differenziert sich aus. Neben der genetischen Vielfalt auch innerhalb einzelner Arten, die im FFEM-Projekt später eine Rolle spielt, werden auch die Einflüsse von Pilzen und Insekten auf die Aufforstung diskutiert, etwa von Schlauchpilzen (wie hypoxylon mediterraneum) oder dem Großen Eichenbock (cerambyx cerdo) (El Boukhari et al. 2015). Auch die Rolle der menschlichen Nutzer:innen des Waldes verändert sich in den 1990er Jahren. Diese werden im Rahmen des Aménagement FAO in die Bewirtschaftung einbezogen, nicht mehr als Träger:innen von (Nutzungs-)Rechten, die es zu respektieren gilt, sondern als Akteure innerhalb des Projektes. Sie werden von den Projektmaßnahmen nicht mehr ausgeschlossen, sondern über die partizipativen Mechanismen aktiv integriert, und mit ihnen auch ihre Nutztiere, vorrangig Ziegen und Schafe. Grundlage dieser neuen Form des Managements ist die Organisierung der Nutzer:innen und Bewohner:innen des Waldes in Assoziationen und Kommissionen; diese sind auch die Voraussetzung für die Teilnahme an den in Kap. 4.2.2 beschriebenen Kompensationsprogrammen. Das Konzept gleicht in vieler Hinsicht der Idee von Payments for Ecosystem Services (PES, vgl. Kap. 4.2.1),119 und tatsächlich wurde laut den Projektberichten parallel zu den Entschädigungsprogrammen Anfang 2000 auch ein erstes OffsetProjekt im Maâmora-Wald begonnen: In Partnerschaft mit dem TechnologieUnternehmen ST-Microelectronics sollten auf 10.000 Hektar Korkeichen gepflanzt werden, als Ausgleich für Emissionen des niederländisch-schweizerischen Konzerns (FFEM RT Comp1 Maroc, S. 38). Die hier vorgestellten Zahlungen an lokale Gemeinden hatten ihren Ursprung jedoch weniger in den Foren internationaler Umweltpolitik, sondern in der kritischen Überarbeitung nationaler Waldpolitiken in den 1990er Jahren, die von Diskussion um partizipative Methoden und alternative Formen von Governance geprägt waren − und zugleich von einer Rückbesinnung auf ›lokale Traditionen‹. Abdeladim Lhafi, zu dieser Zeit Hochkommissar für Wasser und Wald und damit Leiter der Forstbehörde, erklärte, 119
Für eine Diskussion, ob das marokkanische Entschädigungsprogramm als Form von PES verstanden werden kann, sowie zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen beiden Ansätzen vgl. Vanuxem 2014.
4 Feldstudie
Ziel des Programmes sei eine neue Form des Managements: Die bisherige, konfliktreiche Form der Waldbewirtschaftung, solle durch eine »partnerschaftliche« ersetzt werden, die Nutzer:innen sollten zu »Bürgern« und »Hütern ihres Raumes« werden (zit.n. Vanuxem 2014, S. 245). Zugleich bezog sich das Gesetz von 2002, das die Entschädigungszahlungen einführte, auf das Dahir von 1917 und die darin verankerten Nutzungsrechte. Die neuen Organisationsformen, in denen sich die lokalen Gemeinschaften zusammenschließen sollten, waren inspiriert von der jemâa, dem Rat als traditionellem Entscheidungsorgan der »Stämme«, und die Schutzgebiete vom Konzept des agdal, einem Konzept der Verwaltung kollektiver Ressourcen, das in den meisten Teilen Marokkos verschwunden ist, in einzelnen Gemeinden des hohen Atlas jedoch bis heute praktiziert wird.120 Diese ›Aktivierung‹ der lokalen Gemeinschaften entspricht in zweierlei Hinsicht den Tendenzen, die in Kap. 2.2.2 als typisch für neoliberale Formen der Umweltpolitik beschrieben wurden. Lokalen Gemeinschaften, wurde dort gezeigt, kommt im Neoliberalismus eine spezifische Rolle zu. Sie können als rückständig gebrandmarkt werden, in anderen Fällen dient jedoch ihre indigene Zughörigkeit, deren Naturalisierung und Romantisierung der Schaffung neuer Identitäten mit einem spezifisch ›ökologischen‹ Gehalt. Auch im Fall des Maâmora-Waldes dienten ›traditionelle‹ Organisations- und Bewirtschaftungsformen wie der ›Stamm‹, jemâa oder agdal als Bezugspunkte dieser neuen Formen der Regierung. Diese ›Traditionen‹ sind jedoch, ebenso wie die Nutzungsrechte, mit denen sie in Verbindung stehen, in ihrer heutigen Form zum großen Teil ein Produkt kolonialer Politik: »The codification or other means of creating and reifying ›Traditional Rights‹, frequently based on racial or ethnic categories, is inextricably intertwined with the discourse of the political forest. […] Colonial forest law and its provisions for Customary Rights thus left important legacies for the territorialization of resource claims by future nation-states and their future citizens. These laws also racialized access to forest products and land in ways that left powerful postcolonial legacies.« (Peluso und Vandergeest 2001, S. 791) In Marokko versuchte die französische Protektoratsregierung, durch die Herstellung bestimmter Zuordnungen die Waldnutzer:innen einzuhegen und zu kontrollieren. Wurde ein Waldgebiet ausgewiesen, so wurde in einer Liste festgehalten,
120 Zur Geschichte und der ›Wiederentdeckung‹ des agdal vgl. Auclair und Alifriqui 2012; Auclair et al. 2011; Auclair und Simenel 2013 sowie Aubert 2010. Sowohl Aubert (2014b) als auch Vanuxem (2014) weisen darauf hin, dass sich die seit den 1990er Jahren entwickelten Forstprogramme und ihre Konzeption ›traditioneller‹ Organisations- und Bewirtschaftungsformen wesentlich von früheren Konzepten des agdal und der indigenen Selbstverwaltung in der Region unterscheiden.
179
180
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
welche Gruppen wo Weiderechte besaßen, basierend auf dem Konzept des Stammes (tribu), in dem, so die Annahme, die lokalen Gemeinden organisiert seien. »L’attribution de ces droits devait permettre àl’administration forestière de contrôler l’existence et l’exercice d’usages concurrents en forêt […]. Leur attribution s’est faite en référence à l’appartenance tribale des individus: lors de la délimitation de chaque forêt leur aété associée une liste de ›tribus‹ ayants droit, seules autorisées à collecter le bois mort ou à faire parcourir leur troupeau familial. Les différents textes réglementaires se rapportant à cet aspect ont ainsi entériné une vision des populations rurales comme organisées par des ›tribus‹, structurées sur la base d’un lien de parenté et aux contours relativement stables. Pris avec une série d’autres textes concernant la gestion du territoire rural, ilfait de l’organisation tribale le pivot de l’interaction entre État central et populations rurales, lors même que la consistance et la réalité de ces agrégats sociaux qu’on appelle ›tribus‹ ont été âprement discutés jusqu’à aujourd’hui.« (Aubert und Sabir 2013, 299f.). Mit dem Aufkommen partizipativer Methoden und neuer Formen der Governance findet eine »Rückkehr zum ›Stamm‹« statt (Aubert und Sabir 2013, 300): Die Nutzer:innen des Waldes, die in den 1970er Jahren vorrangig im Hinblick auf ihren politischen Status − als Rechtssubjekt oder Bürger:innen des unabhängigen Staates − oder ihre sozio-ökonomische Lage untersucht und betrachtet wurden, werden nun (wieder) über ihre ethnische und tribale Zugehörigkeit definiert. Diese knüpft zum einen an die koloniale Einteilung in verschiedene Stämme an. Im Fall der Maâmora zeigt Abb. 4, die auch im Rahmen des FFEM-Projektes mehrfach auftauchte, die bis heute gültige Einteilung der ›Stämme‹, die im Gebiet des Maâmora-Waldes über Nutzungsrechte verfügen; auch die Entschädigungen werden zumeist auf dieser Grundlage gezahlt.121 Sie ging aber zugleich darüber hinaus: Denn die Organisierung der Nutzer:innen ab 2000 hatte nicht, wie in Zeiten des Protektorats, vorrangig Kontrolle und Ausschluss zum Ziel. Wie im vorangehenden Abschnitt beschrieben, ging es vielmehr darum, das Wissen, die Ressourcen und Fähigkeiten − das ›Humankapital‹ der Nutzer:innen − zu nutzen und im Sinne der angestrebten Ziele einzuset121
Diese − häufig schlicht geometrischen − Einteilungen zerschnitten die bisherigen Nutzungsräume, die auf einem »offenen Konzept basierten, das von Allianzen, Abkommen und Beziehungen geprägt« war, wie ein Interviewpartner erzählt. So seien teils Gruppen, die zuvor Transhumanz betrieben hatten und ihre Herden nur im Sommer in den Wald brachten, durch die kolonialen Gesetze im Wald »festgesetzt« worden, bisherige Tausch- und Vertragsbeziehungen zwischen verschiedenen Gruppen wurden abgebrochen (Interview Wissenschaftler AM, Universität Mohamed V, 24. Juli 2017, Rabat). Zugleich schaffen die über 100 Jahre alten Gesetze neue Ungleichheiten: Während Gruppen, die sich bereits zu Protektoratszeiten in der Region befanden, über Nutzungsrechte verfügen, gilt dies für jene, die in späteren Jahrzehnten – häufig während Dürrephasen – in das Waldgebiet eingewandert sind, nicht.
4 Feldstudie
zen, und zugleich, im Sinne einer Tendenz zu ökonomischeren Formen der Regierung, die Fähigkeit zur kollektiven Selbstführung aufzubauen und damit effizientere Praktiken der Regierung zu ermöglichen.122
Abbildung 4: Nutzungsrecht der ›Stämme‹ im Gebiet des Maâmora-Waldes
Quelle: HCEFLCD; Pres Comp1 2013 Maroc.
Planen und Pflanzen. Formen des Wissens und Technologien der Macht Der vorangehende Abschnitt hat die Netzwerke betrachtet, die aus und mit dem Regieren der Wälder entstehen. In diesem zweiten Teil soll es um Fragen gehen, die daran anschließen: Was sind die Kriterien für Ausschluss oder Einschluss, dafür, dass bestimmte Verbindungen aufgenommen werden und andere nicht? Nach welchen Prinzipien werden diese Netzwerke gestaltet, reproduziert? Mit welchen Formen des Wissens und der Wissensproduktion und mit welchen Technologien sind sie verbunden? Welche Rationalitäten werden in ihnen, in Auseinandersetzung mit den materiellen und diskursiven Infrastrukturen, geformt?
122
Dabei findet zugleich eine Weiterentwicklung der ›traditionellen‹ Organisationen und eine Ausdifferenzierung der Akteure statt: Während der Rat, die jemâa, nur Rechte für ältere Männer vorsah, organisierten sich im Rahmen der Partizipationsprozesse ab den 1990er Jahren insbesondere auch Frauen und Jüngere, die eigene Organisationen gründeten und ihre Aufnahme in die bestehenden Institutionen einforderten (vgl. Mahdi 2014, 8f.; Berriane 2016).
181
182
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Foucaults Ansatz wurde in den Gouvernementalitätsstudien und bei Untersuchungen zur Kolonisierung häufig in Bezug auf Klassifizierung und Kontrolle diskutiert (Mitchell 2002; Ferguson und Gupta 2002; Elden 2007). Kontrolle ist jedoch kein Selbstzweck, sondern dient als Grundlage für ein Nutzbarmachen. Wie in Kap. 2.2 beschrieben, zeigt Foucault einen Trend hin zu ›effektiveren‹ Formen der Kontrolle; effektiver im Sinne einer »Ökonomie der Macht«: Es muss weniger Kraft, Gewalt oder Zwang aufgebracht werden, um die Individuen zu lenken. Die verschiedenen Formen des Regierens unterscheiden sich in ihrem Organisationsprinzip − das häufig ein geometrisches ist oder ein Prinzip, eine Richtung der Bewegung impliziert −, in ihren Ansatzpunkten, in den Formen der Wissensproduktion und der Bewertung, aber auch in den ökonomischen Systemen, auf die sie verweisen. Das Produzieren von Waren, die Herstellung von nicht-menschlichen Einheiten und und Formierung menschlicher sujets finden nicht getrennt voneinander statt: Innerhalb der Formationen, die sich vorübergehend oder längerfristig stabilisieren können, lässt sich keine klare Trennung ausmachen zwischen Materialität, Technologien (der Macht) und Rationalitäten, diese bedingen sich und bringen sich gegenseitig hervor.123 Es handelt sich um das, was in den STS als hybride Netzwerke verstanden wird, mit dem analytischen Vorteil, dass hier die zugrundeliegenden Rationalitäten herausgearbeitet werden können und damit einen Ansatzpunkt geben, Entwicklungen jenseits von Einzelfällen analysieren zu können. Unter diesem Gesichtspunkt diskutiere ich im Folgenden die verschiedenen − sich überlappenden − Phasen und Formen des Waldmanagements im Maâmora-Wald. Das Territorium sichern Mitchell (2002) hat für Ägypten gezeigt, dass das koloniale Projekt wesentlich mit einer Verlagerung von Wissen verbunden war: Durch veränderte Praktiken und das Aufkommen neuer Akteure wurde nicht ›mehr‹ Wissen geschaffen − beispielsweise über Bewässerungssysteme oder Besitzverhältnisse −, sondern das Wissen, seine Herstellung und Speicherung wurden verlagert, von menschlichen Akteuren vor Ort hin zu Expert:innen, von lokalen Katastern in Karten und die Archive der kolonialen Bürokratie, vom Feld aufs Papier. Diese Verlagerung verschob die Machtverhältnisse und veränderte die Form des Wissens selbst: 123
Lemke (2000, S. 43) hat deutlich gemacht, dass eine Interpretation, die politische Rationalitäten als Ergebnis von Interessen oder Motiven Einzelner versteht, die diese dann mit Hilfe bestimmter Technologien versuchen umzusetzen, nicht dem Ansatz Foucaults entspricht. Politische Rationalitäten »sind selbst bereits ein Effekt gesellschaftlicher Verhältnisse und ein ›Einsatz‹ in ihnen.« Zugleich, so Lemke, sind Technologien bei Foucault weder neutral noch Mittel, die nur einem vorgeschriebenen Zweck dienen. »Technologien drücken Rationalitäten nicht aus, sondern sie haben eine ihnen eigene Materialität, die es möglich macht, dass sie für unterschiedliche Ziele eingesetzt werden und verschiedene Bedeutungen haben können – die abhängen von ihrer Artikulation mit spezifischen Rationalitäten.«
4 Feldstudie
»The twentieth century’s new regime of calculation did not produce, necessarily, a more accurate knowledge of the world, despite its claims, nor even any overall increase in the quantity of knowledge. Its achievement was to redistribute forms of knowledge, increasing it in some places and decreasing it in others. At the same time, it transferred this knowledge to new sites. By a series of removals, it opened up a certain distance, the distance between the field and the computing office, between the farmer and the colonial survey officer, between the iron triangulation marker and the paper map.« (Mitchell 2002, S. 92) Ähnliches lässt sich für die Kolonisierung der Wälder des Maghreb beobachten.124 In einem ersten Schritt wurden die Wälder Marokkos verstaatlicht: Die Kontrolle über das Territorium wurde zunächst juristisch gesichert und begrenzt (délimité); das souveräne Prinzip, so Foucault, folgt der Logik der »Einschließung im Inneren eines ummauerten und befestigten Raumes« (Foucault 2006b, S. 29). In einem zweiten Schritt wurde eine entsprechende Behörde eingerichtet, eine Verwaltung aufgebaut, die die Hoheit über diese Gebiete ausüben sollte und dazu bestimmte Praktiken anzuwenden hatte. Die Sicherung des Gebietes vor Ort durchzusetzen und die Überwachung des Nutzbarmachens des Maâmora-Waldes in die Praxis umzusetzen erwies sich jedoch als mühsamer und widersprüchlicher als erwartet, wie Puyo (2014) beschreibt: »Pour ce seul massif forestier, une kyrielle de problèmes se posait aux forestiers. En premier lieu, il s’agissait de reconnaître les lieux, ce qui fut fait entre juin et septembre 1913, afin d’en fixer les limites avant son incorporation au Makhzen. Cette ›simple‹ première mission s’avérait dans les faits délicate, les trois tribus revendiquant chacune la propriété de toute ou partie de la forêt. De même, certaines d’entre-elles avaient même cédé contre paiement des périmètres forestiers ou encore des droits d’exploitation du liège à des sociétés ou des simples particuliers; d’où une multitude de recours judiciaires tardifs…« (Puyo 2014, S. 72)
124 In ihrer Analyse der political forests − der Wälder, die untrennbar mit dem Projekt des kolonialen Staates in der Moderne verbunden sind − haben Peluso und Vandergeest (2001) drei Schritte herausgearbeitet, die ihnen zufolge diese Form der Wälder herstellen: Erstens, die Verstaatlichung aller Waldgebiete innerhalb eines bestimmten Gebietes; zweitens die Herstellung des Waldes als biologische Einheit, die von anderen Gebieten, etwa landwirtschaftlich genutzten, unterschieden wird und die durch wissenschaftliche Expertise, »Entdeckungen«, Definitionen und Kategorisierungen gestützt wird; schließlich die Schaffung bestimmter Rechtssysteme, die den Umgang mit den Wäldern regeln beziehungsweise einschränken, insbesondere die Anerkennung bestimmter traditioneller Nutzungsrechte und -praktiken und die Kriminalisierung anderer. Peluso und Vandergeest haben ihre Thesen anhand der Beispiele von Indonesien, Malaysia und Thailand ausgearbeitet. Ähnliche Mechanismen zeigt sich auch im Fall der Kolonialisierung Marokkos.
183
184
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Ziel waren die Sicherung, die Begrenzung und Kontrolle des Waldgebietes, dies waren die Voraussetzung, um den Wald nutzen zu können. Diese Nutzung war im Wesentlichen extraktiv: Es wurde entnommen, was der Wald hervorgebracht hatte, ohne in die (Re)Produktion des Waldes selbst einzugreifen. Dies wird deutlich in der geplanten ›Verjüngung‹ des Maâmora-Waldes: Zwar wurden, wie in Kap. 4.2 beschrieben, Millionen von Raummetern Holz geschlagen und exportiert, doch dies ging nicht mit Aufforstung oder anderen Maßnahmen zur Regeneration einher − der Wald, wurde angenommen, werde sich selbst regenerieren. Der Blick auf den Wald war ein Blick von außen, er zielte auf die Entnahme von Holz und den Kork, ohne sich für sein ›inneres Funktionieren‹, für die Dynamiken innerhalb des Waldes oder innerhalb der Bäume zu interessieren, und ohne regulierend in sie einzugreifen. Während in vielen Beispielen kolonialer Kontexte gezeigt wurde, wie disziplinäre Maßnahmen zur Sicherung des kolonialen Projektes eingesetzt wurden, lässt sich hier eine souveräne Rationalität ausmachen, die vorrangig auf die Kontrolle des Gebietes und dessen Ausbeutung zielt. Als Hauptproblem der Souveränität sieht Foucault (2006b, 39f.), wie in Kap. 2.3 beschrieben, die Frage des Regierungssitzes, die Ausrichtung des Territoriums auf eine Repräsentanz hin. Dies spiegelt sich im Maâmora-Wald der frühen Kolonialzeit: Als wesentliches Problem der Regierung des Waldes wurde zunächst die Frage verstanden, wie der Wald auf das neue Zentrum hin ausgerichtet werden kann, wie er, zunächst juristisch, dann praktisch, in das von Paris aus regierte Frankreich integriert werden kann. Der Bau von Straßen und Häfen lenkt die Handelsströme in und aus dem Wald in Richtung Frankreichs, die Einführung einer Forstverwaltung nach französischem Vorbild machten aus dem Maâmora-Wald administrativ wie physisch einen Teil Frankreichs, was sich auch in den konkreten Praktiken, dem Umgang mit dem Wald niederschlug: Der Wald wurde zunehmend in einer Form bewirtschaftet, die der französischer Wälder entsprach. Den Wald disziplinieren Es gibt bei Foucault keine eindeutige These, was den Übergang von einer Regierungsform zu einer anderen betrifft: Gehen diese zurück auf das Aufkommen neuer Diskurse, neuer Technologien oder auf veränderte Schwerpunkte in der Produktion? Handelt es sich beim Aufkommen neuer Formen der Gouvernementalität um Anpassungen an externe Krisen, Reaktionen auf Widerstände oder um interne Weiterentwicklungen der Ökonomie der Macht?125 Betrachtet man, wie in Kap. 2.4, die Formationen des Regierens als Ergebnisse von Stabilisierungs- und
125
Es lassen sich bei Foucault für beides Beispiele finden. So spielt die Pest als Krise bei der Durchsetzung der Disziplinarmacht für ihn eine Rolle wichtige Rolle (Foucault 1994), das Aufkommen des Neoliberalismus analysiert er hingegen ideengeschichtlich, ausgehend von neu entstandenen diskursiven Figuren (Foucault 2006a).
4 Feldstudie
Aushandlungsprozessen, für die menschliche wie nicht-menschliche Akteure und deren Zwischenspiel konstitutiv sind, so können sowohl abrupte Veränderungen oder Krisen einen Bruch in der Regierungsform bedeuten als auch schrittweise Verschiebungen. Letzteres zeigt sich im Maâmora-Wald ab Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Pläne zur Bewirtschaftung des Waldes waren durch die zwei Weltkriege zurückgeworfen worden, und die Kontrolle über das Waldgebiet als Bedingung für die weitere Nutzbarmachung des Waldes wurde erst nach und nach durchgesetzt. Doch die Forstverwaltung begann ab den 1940er Jahren, und intensiver noch ab den 1950er Jahren, neue Praktiken und Technologien einzusetzen, die den Weg für ein neues Paradigma ebneten, das auf Intensivierung und der aktiven Erhöhung der Produktivität beruhte. Orte zuweisen: Pflanzen als Praktik Die dominierende Mikro-Technologie dieses neuen, schrittweise ausgeweiteten Prinzipes war das Pflanzen. In den 1950er Jahren setzte sich die Einschätzung durch, dass eine natürliche Verjüngung nach Kahlschlag, wie es seit den 1910er Jahren angestrebt worden war, keinen Erfolg haben würde. Während später veröffentlichte Studien davon ausgingen, dass der Anteil der Bäume, die neu austrieben, zwischen 50 und 90 Prozent lag (El Boukhari et al. 2015), blieb im Dunkeln, weshalb dies in manchen Fällen funktionierte, in anderen aber scheiterte. So sahen Forstwirte in den 1950er Jahren den »zufälligen« (aléatoire) Charakter der natürlichen Verjüngung als größtes Problem an, sowohl des Austreibens nach Kahlschlägen als auch des Nachwachsens junger Bäume aus Samen: »On a coutume de qualifier la régénération par semis dans les forêts marocaines de ›capricieuse‹. Dans certains cas, malheureusement assez nombreux, ce jugement prend l’allure d’un euphémisme, car la régénération affecte une grande constance dans l’insuccès.« (Vidal 1952, S. 257) Die Folgerungen hieraus waren eine Intensivierung der Interventionen und eine direktere Kontrolle der Bäume. Ab 1941 wurde im großen Stil aufgeforstet, zunächst hauptsächlich mit Eukalyptus. 1952 begannen auf 36 Hektar erste Versuche mit der künstlichen Aufforstung von Korkeichen, bei der die Saat direkt ausgebracht wurde; diese jedoch scheiterten zunächst. Ab 1955 begannen erneut Versuche, Korkeichen gezielt anzupflanzen, nachdem erste Studien nahelegten, dass der Erfolg dieser Aussaaten von der Bodenbeschaffenheit abhing.126 In den Wintern 1958,
126
Die Frage, bei welchen Bodenverhältnissen eine künstliche Anzucht von Korkeichen erfolgversprechend ist und welche Methode dabei am besten angewandt werden sollte (direkte Aussaat oder das Vorziehen und Anpflanzen von ein- bis dreijährigen Setzlingen) wird bis heute diskutiert (González-Rodríguez et al. 2011; Bagaram et al. 2016; Belghazi et al. 2004; El Boukhari et al. 2016).
185
186
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
1959 und 1960 wurden auf 700 Hektar Samen ausgebracht, das Ergebnis war, wie Guérin (1961, S. 431) schreibt, dieses Mal »satisfaisants«, weshalb er nachdrücklich dafür plädierte, »donner la priorité absolue dans les reboisements artificiels de Mamora au chêne-liège« (ebd., 438, im Orig. kursiv). Dennoch blieben die Ergebnisse der Aufforstungen durchwachsen. Während es in manchen Jahren gelang, wenige hundert Hektar aufzuforsten, misslangen die Versuche in anderen Jahren ganz. Die Anpflanzung von Korkeichen − durch direktes Ausbringen der Samen oder das Einpflanzen vorgezogener Sämlinge − wurde über die nächsten Jahre zum zentralen Prinzip der Bewirtschaftung. Im Bewirtschaftungsplan von 1973 heißt es: »Seule la régeneration par semis artificiels peut assurer la pérennité des suberaies de la Mamora.« (Aménagement 1973, S. 65). Die Logik der Pflanzung ist eine ganz andere als im Fall der extraktiven Nutzung. Sie richtet sich auf die individuellen Bäume, die sie neu anordnet, sie errichtet »künstliche Multliplizitäten« (Foucault 2006b, S. 35) in einem leeren oder, im Fall des vorherigen Kahlschlags, einem geleerten Raum. Pflanzen bedeutet ein Fixieren: Die Bäume entscheiden nicht mehr selbst, ob und wo sie wachsen. Und diejenigen, die pflanzen, entscheiden auch, was wächst: etwa Eukalyptus auf den Lichtungen, Korkeichen auf bestimmten Böden oder in bestimmten Bereichen des Waldes, wie es die Bewirtschaftungspläne festlegten Bestimmte Praktiken beim Einpflanzen und bei der Pflege der jungen Pflanzen, wie der Schutz vor Beweidung, die Vorbereitung des Bodens, die Suche nach einem geeigneten Standort, sollten den Erfolg des Heranwachsens erhöhen. Diese Eingriffe wurden, wie Vidal (1952) deutlich macht, in Verbindung gesetzt zum Verhalten der Pflanzen, sie sollten genau im richtigen Maß erfolgen, als bestimmte Abfolge von Praktiken: »Enfin et surtout, le forestier peut par des interventions appropriées augmenter la probabilité de succès. Chaque technique comporte sa probabilité et, de ce point de vue, les différentes méthodes de régénération se classent entre un minimum et un maximum. On placera au bas de l’échelle les procédés d’ensemencement naturel sans autres interventions que les coupes. Le sommet sera occupé par la mise en terre d’un plant de haute tige avec toutes les precaucions voulues, suivie d’arrosages adéquats.« (Vidal 1952, S. 257) Auch das Aménagement danois beschäftigte sich intensiv mit der Praktik des Pflanzens und mit der Schwierigkeit, die Samen oder Jungpflanzen zum ›Kooperieren‹ zu bringen. Darin wird betont, wie wichtig der richtige Zeitpunkt des Pflanzens ist: »Parmi tous les reboisements dans la Mamora, les semis de Chêne-liège sont les plus délicats à réussir. Ils est très important que la mise en terre des glands soit faite le plus tôt possible, dès le début des pluies, afin de leur assurer une période
4 Feldstudie
de croissance la plus longe possible avant le premier été.« (Aménagement 1973, S. 144) In welcher Form gepflanzt wurde, war genau festgelegt: Nach einem Beschluss des Beratungskommittees des Aménagements vom 8. Dezember 1972 sollten die Samen der Korkeichen jeweils im Abstand von drei mal drei Metern ausgebracht werden. An jeder Pflanzstelle sollten dreimal jeweils zwei Eicheln eingepflanzt werden, in einem Dreieck mit einer Seitenlänge von 30 cm (Aménagement 1973, S. 144). Die Pflanzungen veränderten die Struktur des Waldes und seine Wahrnehmung. Der Wald war nicht länger eine ›natürliche‹ Quelle von Holz und anderen Produkten. Er wurde zu einem Objekt, das es aktiv zu managen, zu verwalten galt. Dafür wurden Daten als nötig erachtet, nicht nur über die Gestalt des Waldes, sondern über seine Entwicklung und seine Umgebung. Der Wald wurde nicht mehr als statisch wahrgenommen, als Quelle von Rohstoffen, sondern als lebendige Einheit, eingebunden in ein System, das ihn und seine Entwicklung beeinflusste. Dieser Ansatz nahm den Wald als Ganzes in den Blick, aber er blieb zunächst äußerlich. Es galt, die externen Bedingungen zu kennen und einzuordnen. Bodenkarten wurden erstellt, ab 1951 lieferten Wetterstationen regelmäßig Daten über Niederschläge, Temperaturen und Luftfeuchtigkeit (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 41). Im Maâmora-Wald wurde im Vorfeld des Aménagement Vidal, das 1951 anlief, ein detailliertes System der Datenaufnahme etabliert, das über die nächsten Jahrzehnte erweitert und verändert wurde.127 Der Maâmora-Wald wurde in fünf Kantone eingeteilt, wobei A den westlichsten, E den östlichsten dieser Kantone bezeichnete. Die Kantone umfassten jeweils mehrere kleinere Einheiten, ›Gruppen‹, die mit römischen Ziffern bezeichnet waren. Die Gruppen waren wiederum in Parzellen unterteilt, die als Grundeinheit für die regelmäßige Erhebung von Daten dienten; sie waren zwischen 67 bis 650 Hektar groß und durch eine Nummer gekennzeichnet. Anhand vorgegebener Kategorien wurden auf der Ebene der Parzelle regelmäßig bestimmte Forstdaten erhoben: die dominierende Art, die Dichte, geplante Maßnahmen, Art der Bewirtschaftung (Hoch-/Tiefwald), und das Entwicklungsstadium des Waldes. Die Daten wurden in der marokkanischen Forstbehörde archiviert und standen den Forstbeamten und nationalen Behörden zur Verfügung. Dieses System der Einteilung und Kategorisierung wirkte auf den Wald zurück und prägte seine Struktur. Das Aménagement danois von 1973 machte die Klassifizierung zum Prinzip der Bewirtschaftung. Im Vorfeld des aménagements wurde eine Inventur der Wälder durchgeführt und die mit Korkeichen bestandenen Flächen
127
Zu diesem Zeitpunkt verfügte das Protektorat Französisch-Marokko bereits über eine gut ausgebaute Forstbehörde mit 460 Verwaltungsstationen; das Gebiet des Waldes war, wie Grimaldi d’Esdra (1952, S. 231) aufzählt, durch 6000 Kilometer Straßen und ein Telefonnetz von 2600 Kilometer Länge erschlossen.
187
188
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
entsprechend ihrer Dichte in Klassen eingeteilt: Flächen mit mehr als 300 Stämmen pro Hektar; mit 200 bis 300 Stämmen; mit 100 bis 200; schließlich Flächen mit weniger als 100 Stämmen pro Hektar, wobei hier noch einmal unterschieden wurde, ob der Grundumfang der Stämme über einem bestimmten Grenzwert lag. Diese Klassifikation entschied darüber, ob ein Stück Korkeichenwald weichen musste oder erhalten blieb und wie es bewirtschaftet wurde. Entscheidend war nicht mehr sein Zustand, sondern eine Zahl: Flächen mit mehr als 300 Stämmen pro Hektar wurden als Niederwald bewirtschaftet; Flächen mit geringerer Dichte als Hochwald. Auch die Lage des Waldstückes entschied über sein Fortbestehen: in den Kantonen A und B musste der Grundumfang der Stämme doppelt so groß sein, damit das Waldstück erhalten blieb, wie in den trockeneren Kantonen C, D und E (Aménagement 1973, S. 87). Lag die Dichte des Waldstückes unter dem Grenzwert, wurde die Fläche gerodet und anschließend aufgeforstet, je nach Bodenbeschaffenheit mit Korkeichen, Pinien, Akazien oder Eukalyptus.128 Die geometrische Logik Diese Logik der Kategorisierung und Fixierung traf nicht nur die Bäume. Wie in Kap. 4.2 beschrieben, tauchten im Aménagement danois zum ersten Mal die menschlichen Akteure innerhalb des Waldes auf und wurden, ebenso wie ihre Nutztiere, das Objekt von Studien und Quantifizierungen. Diese liefen parallel zu andauernden Versuchen, die Bevölkerungen, die bis Ende der 1980er Jahren auch in Teilen des Maâmora-Waldes Transhumanz praktizierten, also zwischen Sommer- und Winterweiden hin und herzogen, sesshaft zu machen. Die Regierung der menschlichen und nicht-menschlichen Akteure des Waldes folgte hier in wesentlichen Punkten derselben Logik: Den Menschen und Dingen einen Platz zuzuweisen und sie an ihrem Platz zu halten, einem Platz, der es möglich machte, sie zu überwachen und zu kontrollieren, und dadurch, so die Annahme, die Erträge zu erhöhen. Dies wurde im Fall der Bäume erreicht durch eine bestimmte Anordnung im Raum, durch ein geometrisches Prinzip. Die Einteilung in Kantone und Parzellen von 1954 wurde im Aménagement von 1973 übernommen und verfeinert. Die Bewirtschaftung wurde nun auf der Basis von Karrees durchgeführt, rechtwinkligen Einheiten von jeweils 9 Hektar Fläche (Aménagement 1973, S. 90 und 104ff., vgl. für ein Beispiel der Anordnung Abb. 5).129 Diese bildeten die Grundeinheit der Bewirtschaftung: Alle Entscheidungen, die die Zukunft der Korkeichenwälder 128
129
Eine Ausnahme bildeten die »vieux peuplements de chêne-liège irremplaçables« im Kanton A, die auch bei geringerem Stammumfang erhalten blieben, diese »seront maintenus en futaie pour des raisons touristiqes et de conservation de la nature« (Aménagement 1973, S. 87). Diese starre Klassifizierung wurde auch damit begründet, dass, wie im plan d’aménagement beschrieben, bei der Ausarbeitung der Bewirtschaftungspläne ein Computer eingesetzt werden sollte, der die Folgen verschiedener Bewirtschaftungsoptionen berechnete, und zur Verarbeitung der Daten eine solche Einteilung nötig sei: »Une telle division était nécessaire pour ultérieurement pouvoir localiser les décisions prises à l’aide de l’ordinateur.« (Aménagement
4 Feldstudie
betreffen, wurden auf der Ebene des einzelnen Karrees getroffen. (Aménagement 1973, S. 105)
Abbildung 5: Geometrische Anordnung der Pflanzungen im ›aménagement‹ von 1973
Die Zeichnung zeigt die rechtwinkligen Karrees, die durch 12 Meter breite Rückewege getrennt sind. Die Kreuze stehen hier für Pinien, die Punkte für Eukalyptus, die jeweiligen Karrees sind hier zusätzlich durch Brandschutzschneisen (pare-feu) getrennt. Korkeichen wurden in derselben geometrischen Anordnung angepflanzt, alle drei Meter, in 3 Meter voneinander entfernten Reihen. Quelle: Aménagement 1973.
Dieses Gitternetz der Korkeichenwälder wird im Aménagement 1973 ausführlich beschrieben: »La suberaie actuelle est reconnaissable par sa division en carreaux parfaitement réguliers, numérotés, les plus souvent par 2 chiffres, selon un système de coordinats. […]
1973, S. 82). Die Logik der Bewirtschaftung prägt hier also die Auswahl der Mittel, und zugleich prägen die Technologien selbst die Logik und Praktiken der Bewirtschaftung.
189
190
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Les carreaux ont une surface nette de 9 ha entourés de layons [Rückewege, JS] de 12 m de large. La distance entre les layons de la grille est 312 m. Le carroyage est unique pour chaque parcelle et s’appuie sur deux facteurs: - la ligne de base de laquelle tous les layons inter-carreaux partent an angle droit. Elle est toujours un layon-interparcelle, une tranché principale, une ligne de haut tension, troncon de périmètre forestier ou autres objets de forme droite remarquable sur le terrain. - Le point de depart où débute la ligne de base. A partir du ›point de depart‹ il y a toujours 300 m exactement jusqu’au premier layon. Le plus souvent le ›point du depart‹ est constitué par une intersection entre layons-interparcelles, ou entre ceux-ci et des tranchées principals ou du périmètre forestier. Les ›points de departs‹ sont indiqués sur les cartes d’aménagements.« (Aménagement 1973, S. 111, Hervorh. im Orig.) Dieses Gitternetz und seine Grenzen gelte es, wie das aménagement betont, absolut zu respektieren. Es müsse, so heißt es darin, Wert gelegt werden auf die »implantation précise et soignée des carreaux sur le terrain« (Hervorh. im Orig). Bereits geringe Abweichungen, wurde gewarnt, könnten den Erfolg des Bewirtschaftungsprojektes gefährden: »Un décalage du carroyage même peu important mais cumulatif le long de cheminement, peut modifier complètement les vocations des sols et devenir la cause directe d’échècs massifs des reboisements.« (Aménagement 1973, S. 112, Hervorh. im Orig.)130 Der Erfolg der Maßnahmen wird hier abhängig gemacht von der exakten Anordnung der Bäume im Raum, von der Einhaltung der Geometrie, die die Machtausübung möglich und wirksam macht. Die Anlage des Waldes in Form eines regelmäßigen Gitters hat Auswirkungen auf die mögliche Nutzung − die Einheitlichkeit und die Ebenheit des Geländes lege, wie es im aménagement von 1973 heißt, eine maschinelle Nutzung nahe (Aménagement 1973, S. 90) −, sie spiegelt jedoch vor allem eine bestimmte Form der Regierung des Waldes, die den Zugriff, die Einwirkung auf die Bäume multipliziert und intensiviert: »Le carroyage est en effet un des points crucials du nouvel aménagement.« (Aménagement 1973, S. 112).
130 Die Entwickler:innen des plan d’aménagement sind sich, wie die Dokumente nahelegen, bewusst darüber, dass diese strikte Umsetzung Kritik hervorrufen kann oder es bereits getan hat. Auf S. 109 des Aménagement 1973 heißt es: »Cette méthode d’aménagement peu conventionelle présente certains inconvénients pratiques par sa rigidité d’execution sur le terrain et l’aspect géométrique des cartes d’aménagemet. D’un autre côté sa souplesse et ›soin du détail‹ permettent de respecter dans une très large mésure les conditions écologiques de chaque parcelle.«
4 Feldstudie
Diese Ökonomie der Macht beruht auf einer Ökonomie der Produktion, einer Logik der Optimierung: Die Geometrie des Waldes soll die Machtausübung möglich und wirksam machen − und dadurch die Produktivität des Waldes erhöhen. Diese Intensivierung der Nutzung findet nicht in einem abgeschlossenen Raum statt, sie steht in Verbindung mit Diskursen wie Fortschritt und Modernisierung, aber auch mit dem Fluss von Waren, der Notwendigkeit der Versorgung. In den 1950er bis 1970er Jahren nahm die Bevölkerung in Marokko stark zu, im Wald selbst, vor allem aber in den nahen Städten, und auch die Wirtschaft wuchs kräftig. Den Wald dazu zu bringen, mehr zu produzieren, diente auch dem Zweck, die Bevölkerung und die Wirtschaft zu versorgen. Wie sollte dies, jenseits der Mikro-Techniken vor Ort, erreicht und kontrolliert werden? Das zentrale Instrument hierfür ist der Plan, der als Technologie der Macht die marokkanische Forstpolitik der 1950er bis 1980er Jahre dominiert. Der Plan ist kein Szenario, keine Prognose, er analysiert nicht die bereits bestehenden Entwicklungen und projiziert sie nicht in die Zukunft. Der Plan, wie er sich im Aménagement danois darstellt, ist eine Handlungsanweisung darüber, wie eine bestimmte, festgelegte Zukunft zu schaffen ist, und er koordiniert und leitet die Ausführung von Praktiken auf der Mikroebene. Das Aménagement danois umfasst auf dutzenden Seiten detaillierte Jahrespläne, in denen genau festgeschrieben ist, wo, wann und welche Bäume gepflanzt werden sollen (Aménagement 1973, 166ff.). Tabellen listen auf, wie die Zusammensetzung des Waldes aussehen soll, wenn die Maßnahmen nach 20 Jahren abgeschlossen sind (Aménagement 1973, S. 98); eine handkolorierte Karte stellt dar, wie sich die Verteilung der Arten im Maâmora-Wald künftig darstellen soll (Abb. 6). Für die Umsetzung dieser Pläne ist die Forstbehörde mit ihren regionalen und lokalen Verwaltungseinheiten zuständig, die wiederum teilweise private Unternehmen für die Arbeiten engagieren. Die Forstbeamten, die in diesen Außenstellen eingesetzt sind, stehen − neben den lokalen Nutzer:innen − als einzige direkt in Verbindung mit dem Wald; sie ›verkörpern‹ die Logik, die der jeweiligen Regierung des Waldes zugrunde liegt.131 Diese forestiers wirken hier zugleich als Instanz der staatlichen Planung als auch als deren Vermittler. Sie stellen das Bindeglied 131
Verkörperung, incorporation oder embodiment, ist in den Geistes- und Sozialwissenschaften auf sehr unterschiedliche Weise verstanden worden, etwa, wie in der Anthropologie, im Sinne körperlicher und physischer Erfahrung oder der Erfahrung des Körpers; als Beschreibung für die Beziehungen und Flüsse zwischen (menschlichen) Körpern und ihren Umwelten, oder, wie in der feministischen Technikphilosophie und den STS, im Sinne der materiellen Verankerung menschlichen und nicht-menschlichen Handelns. Ich benutze Verkörperung hier in dem Sinne, wie Mitchell (2002, 30ff.) personification im Anschluss an Marx nutzt, um die Rolle des ägyptischen Unternehmers Ahmad ›Abbud im frühen 20. Jahrhundert zu untersuchen, »[to] explain ›Abbud’s power and wealth in terms of his ability to ›personify‹ capital and become the conscious representive of its power to reproduce and expand«, mit
191
192
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Abbildung 6: Geplante Artenzusammensetzung im Maâmora-Wald nach Abschluss des ›aménagements‹ von 1973
Planungskarte. Blau: Korkeichen; grün: Pinien; rot: Eukalyptus; gelb: Akazien. Quelle: Aménagement 1973.
her zwischen dem abstrakten Plan und dem terrain, wo er umgesetzt werden soll, sie transportieren Informationen und Wissen und transformieren es dabei. Umgekehrt sind sie selbst durch die gesellschaftlichen Verhältnisse geprägt, durch die Institutionen, aus denen sie stammen, die Logiken der Ausbildung und der Verwaltung der Wälder und ihre Rolle darin − ein Aspekt, der auch in den derzeit laufenden Umgestaltungsprozessen im Maâmora-Wald eine Rolle spielt und in Kap. 4.3 nochmals aufgegriffen wird. Normalisierung und Zirkulation Wie in Kap. 4.2 beschrieben, lässt sich ab den 1990er Jahren eine Ausweitung der Akteure im Maâmora-Wald beobachten. Die nicht-menschlichen und menschlichen Akteure differenzieren sich aus, sie werden neu geordnet und bewertet, mit Folgen für die Gestalt des Waldes − etwa im Fall der Korkeichen, deren Anteil zum ersten Mal seit der Kolonialzeit wieder zunimmt. Den lokalen Nutzer:innen kommt eine neue Rolle zu: statt sie auszuschließen, wird im Rahmen neuer GovernanceAnsätze und partizipativer Methoden versucht, sie in die Bewirtschaftung und den
einem starken Fokus auf den »arrangements« und »agencies [that] kept those arrangements in place« (Mitchell 2002, S. 33).
4 Feldstudie
Schutz des Waldes einzubeziehen. Die zuvor dominierende, ›strikte‹ Herangehensweise an die Bewirtschaftung des Waldes gerät in die Kritik. Die Form dieser Kritik macht den Wandel deutlich: Wurden die ausbleibenden Erfolge bei der Regeneration des Waldes und die weiter abnehmende Fläche der Korkeichen in den Jahrzehnten zuvor mit einem Ruf nach mehr Management und stärkerer Kontrolle beantwortet, so werfen die Evaluationen Anfang der 1990er Jahre der Forstverwaltung und den bisherigen aménagement nun ein Zuviel an Eingriffen vor. Als Problem wird im Rückblick gerade die »rigidité de l’aménagement en matière de programmation des interventions« betrachtet (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 25). Auch wenn etwa die Weltbank in den Förderprogrammen der 1990er Jahre auf die vermehrte Einbeziehung privatwirtschaftlicher Akteure drängt, so sind Aspekte der Privatisierung im Fall des Maâmora-Waldes nicht die entscheidenden Veränderungen beim Übergang zu den neuen Formen der Bewirtschaftung.132 Die späten 1990er und frühen 2000er Jahre markieren vielmehr den Übergang von einer Politik, die auf disziplinäre Kontrolle setzt, zu einem Ansatz, der den ›natürlichen Prozessen‹ mehr Raum lässt. Das bedeutet nicht weniger Eingriffe, sondern eine andere Art von Techniken; und es bedeutet keineswegs eine Rückkehr zum bloßen ›Abschöpfen‹ der Erzeugnisse des Waldes wie in der frühen Kolonialzeit. Die Regierung des Waldes reicht im Gegenteil in vieler Hinsicht mehr als zuvor in die internen Prozesse der menschlichen wie nicht-menschlichen Akteure des Waldes hinein. Die Abkehr von der direkten Kontrolle, von einem disziplinären Prinzip, das bestimmt, wo etwas zu sein hat und wie es sich bewegt, verspricht eine höhere Effizienz, einen ökonomischeren Einsatz von Kräften. Es erfordert jedoch andere Formen von Wissen, andere Machttechniken. Foucault hat, wie in Kap. 2 beschrieben, für die Regierung der Sicherheit oder Gouvernementalität den Begriff des Milieus geprägt, der »auf das
132
So heißt es im Bericht der Weltbank von 1999: »Convaincre le Gouvernement de l’importance d’une intervention du secteur privé dans le cadre des opérations forestières est nécessaire mais il faut aussi que des changements appropriés de politique soient introduits afin de formaliser et d’institutionnaliser cette intervention. Parallèlement, les discussions avec le secteur privé doivent être poursuivies afin de définir les conditions susceptibles d’attirer un grand nombre d’entreprises dans le but de préparer la voie à une saine concurrence.« (Worldbank 1999, S. iv) Während diese neoliberalen Politikmaßnahmen der Privatisierung in Teilen der marokkanischen Wirtschaft umgesetzt wurden und werden (vgl. Kap. 4.1), lassen sich diese Veränderungen in der Forstwirtschaft nur sehr eingeschränkt beobachten. Auch schon in den aménagements der Jahrzehnte zuvor waren privatwirtschaftliche Akteure einbezogen. So wurden die Aufträge zur Aufforstung üblicherweise an private Unternehmen vergeben. Maßgeblicher Akteur blieb jedoch die staatliche Forstbehörde, es handelt sich bei den hier nachgezeichneten Verschiebungen daher eher um Veränderungen im Inneren des staatlichen Forstmanagements.
193
194
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Zeitliche und das Aleatorische« verweist (Foucault 2006b, 40), die Herstellung eines time-space, der derart gestaltet wird, dass die Ereignisse darin über die Zeit mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Form annehmen und in ihrer Gesamtkeit in eine Richtung tendieren. Hier kommen zum einen der Führung der Individuen und Kollektive, zum anderen den materiell-ökonomischen Arrangements eine entscheidende Rolle zu. Sie bilden den Rahmen, innerhalb dessen der Fluss der Ereignisse seinen Lauf nehmen darf. Die Flüsse lenken Dieses Gewährenlassen erfordert die Formierung neuer Subjektivitäten, flankierende Maßnahmen und ein verändertes System der Überwachung. Im Fall des Maâmora-Waldes nahmen diese Maßnahmen vor allem drei Formen an: die aktive Organisation von Schutzmaßnahmen, vor allem über partizipative Maßnahmen, Bildungsprojekte und Entschädigungen; institutionalisierte Formen der Überprüfung und Anpassung in Form regelmäßiger Evaluationen; sowie die Ausweitung der Sammlung von Daten und der Modellierung von Szenarien. Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt dargestellt, bildeten partizipative Maßnahmen den Kern der Entwicklungsprojekte der 1990er und frühen 2000er Jahre. Diese Form der Partizipation im Rahmen neoliberaler Governance-Ansätze ist, wie in Kap. 2.2 beschrieben, kontrovers diskutiert worden; sie wurde kritisiert als ein Prozess, der lokale Akteure zwar einbezieht, jedoch ohne tatsächlich politische Mitbestimmung über relevante Aspekte zu ermöglichen (vgl. für den Umweltbereich Svarstad und Benjaminsen 2020). Diese Form partizipativer Ansätze greife die tatsächlichen Herrschafts- und Machtverhältnisse nicht an, sie wirke, so die Kritik, damit entpolitisierend und stabilisiere bestehende Verhältnisse, statt sie aufzubrechen.133 Auch im Fall des Maâmora-Waldes und des FFEM-Projektes stellten sich die partizipativen Ansätze von ihrem Grundkonzept her sehr technisch dar. Als Ziele wurden genannt: »promote strategies on the local level to reduce anthropogenic pressures on forest ecosystems«, »consult the local population« and »ensure that it
133
Diese Form der Politik wird häufig als »postpolitisch« bezeichnet (vgl. etwa Swyngedouw 2009), charakteristisch für eine bestimmte Form von Demokratie, die sich seit dem Ende der konkurrierenden Ost-West-Ideologien durchgesetzt habe und gekennzeichnet sei durch eine »reduction of democratic life to the management of the local consequences of global economic necessity« (Rancière 2004, S. 4). Mit Hilfe von neuen konsensualen partizipativen Aushandlungsformen und Governance-Technologien würden Formen des Widerstandes und der Kritik derart in die verlängerten Arme des aktivierenden Staates eingehegt, dass Dissens de facto nicht mehr artikulierbar sei. »Post-politics reduces the political terrain to the sphere of consensual governing and policy-making, centered on the technical, managerial and consensual administration (policing) of environmental, social, economic or other domains, and they remain of course fully within the realm of the possible, of existing social relations.« (Swyngedouw 2011, S. 266).
4 Feldstudie
is involved in the rational management of natural resources (surveillance, conservation, optimisation)«; zudem sollten die bisherigen partizipativen Maßnahmen im Maâmora-Wald evaluiert werden, um zu sehen, welche Lehren daraus für künftige Projekte und Programme gezogen werden können (Comp3 2013 Report methodology, S. 96). Zu den partizipativen Ansätzen im Maâmora-Wald gehörte es sowohl, Wissen über die sozialen Akteure zu generieren, so etwa im Rahmen des FFEM-Projektes eine »Kartographie der Akteure« zu erstellen, die auch deren Motive, Mittel und die Machtverhältnisse zwischen ihnen beinhaltet (FFEM RT Final Comp3 Maroc, S. 7; Interview Projektmitarbeiter WM, 24. April 2019, Rabat), als auch das Wissen der lokalen Nutzer:innen einzubeziehen und zu nutzen, indem diese etwa an gemeinsamen Kartierungsprozessen der verschiedenen (möglichen und praktizierten) Nutzungsformen beteiligt werden sollten (Benzyane et al. 2003, S. 5). Insbesondere ging es jedoch, wie in den vorangegangenen Abschnitten deutlich gemacht wurde, um die Organisierung der Nutzer:innen durch die Gründung von Assoziationen, ihre (Aus-)Bildung und Anleitung. Die Bildung dieser Organisationen wurde durch die Forstbehörde angeregt und unterstützt, nahm aber auch Organisierungsbestrebungen auf, die bereits vorhanden waren (vgl. Interview Projektmitarbeiter WM, 24. April 2019, Rabat) – die Forstbehörde als gouvernementale Institution ordnet, kanalisiert das Bestehende auf eine Weise, dass es ›nützlich‹ gemacht werden kann. Zentral sind dabei die Form der Organisation und die Anreize, die gesetzt werden, um ein bestimmtes Verhalten zu verstärken und ein anderes abzuschwächen − etwa über die gezahlten Entschädigungen −, aber auch die Rolle von Bildung oder capacity building,134 die Formierung der Subjekte über das einzelne Projekt hinaus. Bei der Festlegung der Methoden für die partizipativen Ansätze in Teilprojekt 3 des FFEM-Projektes heißt es: »Communication and awareness raising for any area development project in general, and for participatory approaches in particular, involve increasing population and stakeholder awareness of the importance of the relationship between mankind and his environment, the consequences of anthropogenic activities on the environment, the area’s potential and the crucial role that their participation and involvement plays in its management. This is an extremely important factor
134
Capacity building wurde im Rahmen des FFEM-Projektes definiert als »the continuous transfer of skills, knowledge and know-how, and technical, financial, legal, institutional and other training for individuals«, und, unter Bezug auf die FAO, als »process which aims to unleash, strengthen and maintain the capacity of people, organisations and society to facilitate selfmanagement. It has a key role in improving technical capacities and promoting area development.« (Comp3 2013 Report methodology, S. 35).
195
196
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
in the participatory governance process as it helps promote the social compromise required for change.« (Comp3 2013 Report methodology, S. 33). Im Rahmen der Komponente 3 des FFEM-Projektes wurden 88 Workshops mit über 500 Teilnehmer:innen durchgeführt (FFEM RT Final Comp3 Maroc, S. 7), hinzu kamen direkte Gespräche und Diskussionen mit den Nutzer:innen, um sie zu überzeugen, statt der illegalen Nutzung des Waldes im Rahmen der Kooperativen zu arbeiten, wie ein zuständiger Projektmitarbeiter erzählt: »Et j’ai discuté avec des gens, avec des délinquants. Parce que eux, c’est cette cooperative, ils recrutent de la contre-milieu. Parce qu’il savent bien couper, ils savent bien travailler. […] Et 80 pour cent des délinquants ils sont convertis. 80 pour cent. Donc, lorsqu’on discute avec les gens, lorsqu’on s’approche […] il faut le faire participative, bonne gouvernance ne peut s’assurer que par une participation effective des endroits, avant l’action, au cours de l’action, et après l’action.« (Interview Projektmitarbeiter WM, 24. April 2019, Rabat) Staatliche Institutionen und ihre Kooperationspartner übernehmen hier eine veränderte Aufgabe: Sie sind dafür verantwortlich, die Individuen oder Kollektive so zu ›leiten‹ und Arrangements so zu treffen, dass diese auch ohne direkten Zwang entsprechend der zugrunde liegenden Rationalität handeln. Ein simpler top-downAnsatz, der davon ausgeht, dass die lokalen Gemeinschaften diesem Ansatz ›unterworfen‹ würden und die Form der neuen Subjektivierungen von vornherein ausgemacht sei, greift zu kurz: In der praktischen Umsetzung sind die partizipativen Ansätze komplexe Prozesse, deren Ausgang von den Umständen und den beteiligten Akteuren abhängen. Eben weil die neu einbezogenen Akteure in ihrem Handeln nicht determiniert sind − und durch die neuen Ansätze durchaus mehr Handlungsspielraum bekommen − ist nicht ausgemacht, dass sie in dem Sinne handeln, der intendiert ist. Es kann zu Overflow kommen und zu nicht-intendierten Effekten, zu unvorhergesehenen Koalitionen von Akteuren und feinen Abweichungen, die in ihrer Gesamtheit zu Verschiebungen im Machtgefüge und in der Konstitution von Subjekten führen können, ebenso wie zur Verstärkung und Festigung bestehender Ungleichheiten und Machtverhältnisse (Kap. 5). Um diese Dynamiken im Blick behalten zu können, sind neue Formen der Überwachung und der Datengenerierung nötig: Es geht nicht mehr um die Kontrolle, ob die Dinge ›an ihrem Platz‹ sind, sondern darum, Informationen über die Entwicklungen und Entwicklungstendenzen im und um den Wald zu sammeln. Ab den 1980er Jahren werden Fernerkundungsdaten eingesetzt, um Informationen den Zustand des Waldes zu erhalten. Bereits in den 1970er Jahren ermöglichen es erste Computer, simple Modelle zu erstellen. Diese Techniken der Erhebung von Daten und der Modellierung von Szenarien werden in den folgenden Jahrzehnten zu einer dominierenden Technologie in der
4 Feldstudie
›Regierung des Waldes‹, sie sind zentral für neuen Formen der Inwertsetzung, die sich ab 2010 verstärkt beobachten lassen (Kap. 4.3). Schutz der Biodiversität als neues Ziel Der neue Management-Ansatz − den ›natürlichen‹ Fluss der Dinge zuzulassen und nur durch die Arrangements zu lenken − findet sich nicht nur in Bezug auf die Menschen im Wald. Er beginnt auch in Bezug auf die nicht-menschlichen Akteure Form anzunehmen. Das bedeutet nicht, dass nicht mehr aktiv angepflanzt wird. Die Praktiken der Anpflanzung werden fortgesetzt und verfeinert: Eine Form der Regierung ersetzt nicht die andere, sondern baut auf ihr auf. Das Gelingen der Aufforstung ist eher die Grundlage für die neoliberalen, ›natürlicheren‹ Bewirtschaftungsformen als eine Abkehr von diesen; und der Übergang von einer Form der Bewirtschaftung geschieht nicht abrupt, sondern schrittweise. Doch dieselben Maßnahmen dienen nun einem anderen Zweck: Nicht mehr dazu, maximale Erträge zu generieren, sondern den Korkeichenwald, wie beschrieben, an sich zu schützen und zu erhalten. Arten wie Akazien, die in den Jahrzehnten zuvor wegen ihres hohen Ertrages gezielt angepflanzt wurden, werden nun als »invasive Arten« und damit als Problem angesehen (Comp2 Report methodology, S. 25). Die Bedeutung der mediterranen Wälder als Hotspot der Biodiversität, die es zu erhalten und zu fördern gelte, wurde ab Ende der 1990er im Rahmen internationaler Projekte betont (FAO und Plan Bleu 2013, Comp4 mid 2014 Cork Terraprima ; COP 21 Cost Action). Dabei ging es nicht nur um den Schutz von Arten oder Ökosystemen wie den Korkeichenwäldern, sondern insbesondere auch um den Erhalt der genetischen Vielfalt. 2013 hatte Silva Mediterranea sowohl eine Arbeitsgruppe für »Mediterranean Forests and Sustainable Development« als auch eine zum Erhalt der »Forest Genetic Resources (FGR) in the Mediterranean« (Silvamed 2013 Report, S. 32). Der Wald sollte, diesem Ansatz entsprechend, nicht mehr uniform gestaltet werden, sondern im Gegenteil Raum und Nischen haben, sich zu entwickeln und in Anpassung an verschiedene Umweltverhältnisse ›Neues‹ hervorzubringen.
Von kolonialen, disziplinären und neoliberalen Wäldern Dieser Abschnitt hat sich dem Fallbeispiel − dem Maâmora-Wald − aus einer genealogischen Perspektive genähert. Die Geschichte der verschiedenen aménagements oder Bewirtschaftsprogramme von den 1910ern bis in die 2000er Jahre zeigt mehrfach Verschiebungen und Brüche, und die Netzwerke, die den Wald jeweils bilden, sind gekennzeichnet durch wechselnde Ein- und Ausschlüsse. Zu den Korkeichen, die von Beginn an einen wesentlichen Bestandteil des Waldes bilden, kamen neue Baumarten wie Eukalyptus hinzu; ab den 1970er Jahren spielten die lokalen Gemeinden zunächst als Objekt der Erforschung, der Entwicklung und als Träger von Nutzungsrechten eine Rolle, ehe sie im Rahmen partizipativer Ansätze in den
197
198
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
1990er Jahren aktiv Verantwortung für die Bewirtschaftung − oder den Schutz − des Waldes übertragen bekommen. Damit verbunden sind verschiedene räumliche Bezüge: von der kolonialen Ausrichtung auf das französische Mutterland, die durch Handels- und Informationsflüsse aktiv hergestellt wurde, über eine Fokussierung auf die nationale Ebene hin zu einer Globalisierung der Waldpolitik über die Integration in internationale Umweltpolitiken in den 1990er Jahren. Richtete sich das Management des Waldes zunächst vorrangig auf Holz und Kork, so fand ab den 1990er Jahren eine Verschiebung hin zu anderen Aspekten und Bewertungen des Waldes statt, wie Umweltschutz, Erhalt der Biodiversität oder der genetischen Ressourcen. Auch das Management des Waldes verändert sich: von einem rein extraktiven Ansatz über eine intensive, durch detaillierte Pläne und konkrete Pflanzungen vermittelte Bewirtschaftung hin zu einem ›ökologischen‹ Ansatz, der den Wald als Ganzes betrachtet und die ökologischen Prozesse des Waldes lenkt, indem es die Rahmenbedingungen setzt − insbesondere die Nutzung durch die lokalen Gemeinschaften. Bei vielen dieser Veränderungsprozesse spielt der Staat eine zentrale Rolle. Ein Rückzug des Staates oder dessen Bedeutungsverlust, wie es in Bezug auf die neoliberalen Umstrukturierungen seit den 1980er Jahren teilweise konstatiert wurde (Kap. 2.2), lässt sich im Fall des Maâmora-Waldes − wie auch im Fall der marokkanischen Waldpolitik insgesamt − nicht beobachten, wohl aber Veränderungen in Bezug auf die seine Rolle und Funktion. Betrachtet man den Staat nicht als Einheit, als Akteur, der eigene Interessen verfolgt, sondern im Sinne einer Verkörperung von Kräfteverhältnissen wie bei Gramsci oder als Verdichtung von Machtverhältnissen im Foucault’schen Sinn, als »zugleich individualisierende und totalisierende Form der Macht« (Foucault 1987, S. 248, zit.n. Lemke 2000, S. 41), lassen sich diese Verschiebungen leichter fassen. Der Staat ist auch und gerade die zentrale Instanz, die ab den 1990er Jahren neue, ›grüne‹ Rationalitäten vermittelt und die materiellen Arrangements schafft, die diese ermöglichen. Er ist aber Verdichtung von Kräfteverhältnissen auch in dem Sinn, dass sich in ihm Einflüsse von außerhalb des Nationalstaats kreuzen: Er ist Teil von globalen diskursiven Regimen; er ist eingebunden in Handels- und Informationsströme; er ist durch finanzielle und politische Abhängigkeiten an bestimmten Entscheidungen gebunden. Das Aufkommen grüner Politiken und ihre Durchsetzung und Verbreitung in Marokko in einem Bereich zwischen Innen- und außenpolitischen Interessen (Kap. 4.1) ist hier ein interessantes Beispiel, aber auch die Tatsache, dass die aménagements des Maâmora-Waldes, wenn auch zentral von staatlicher Seite durch- und umgesetzt, immer in Kooperation mit internationalen Partnern oder Organisationen durchgeführt wurden. Der Fokus der Regierung des Maâmora-Waldes lag ab den 1910er Jahren zunächst auf der Produktivität, auf dem ›Nutzbarmachen‹ des Waldes und seiner menschlichen und nicht-menschlichen Bewohner:innen. Dies bildet einen Unter-
4 Feldstudie
schied zu vielen Studien, die den Gouvernementalitätsansatz auf die Regierung von Menschen untersucht haben und dabei häufig als zentrales Motiv die Etablierung staatlicher Kontrolle per se annehmen. Zwar lässt sich auch im Fall des Maâmora-Waldes eine Tendenz zur Ökonomisierung der Macht feststellen, ein »will to improve« (Li 2007), der zur Auflegung immer neuer, ›besserer‹ aménagements im Waldgebiet führt. Aber diese Ökonomie der Macht ist hier untrennbar mit einer Ökonomie der Natur verbunden: Als erklärtes (und verfolgtes) Ziel steht von Beginn an eine Erhöhung der Erträge im Zentrum der Bewirtschaftung. Dieser Fokus auf die Inwertsetzung und Wertsteigerung setzt sich über die folgenden Jahrzehnte fort, nimmt aber verschiedene Formen an: Was unter einer gesteigerten oder angemessenen Produktivität verstanden wird, wird immer wieder neu diskutiert und definiert. Auf eine erste, extraktive Phase folgt der Versuch einer Intensivierung der Produktion durch ›rationales‹ Management und strikte Planung. Dieser Ansatz wird in den 1990er Jahren ersetzt durch neue Formen des Managements, etwa partizipative und integrierte Ansätze, die versuchen, entsprechend des Konzeptes der nachhaltigen Entwicklung Ökonomie, Ökologie und Soziales zusammen zu denken. Das Ziel der Erwirtschaftung eines möglichst hohen Ertrages bleibt erhalten: Auch wenn die Maßnahmen teils den Anschein vermitteln, dass nun Schutzbemühungen im Vordergrund stehen, so drückt dies doch eher eine Verschiebung der dominierenden Formen globaler Wirtschaft und Bewertung aus; in der ›Informations- und Netzwerk-Gesellschaft‹ kommt Informationen und Vielfalt ein hoher Wert zu. Der Schutz der Wälder und die Einbindung lokaler Gemeinschaften zu diesem Zweck bedeutet nicht weniger, sondern eine veränderte Form der Inwertsetzung. Diese ist untrennbar mit neuen Formen des Wissens und der Wissensproduktion verbunden. Auch das koloniale Projekt war gekennzeichnet durch eine Verschiebung und Verlagerung von Wissen (Mitchell 2002). Die Form des Wissens, das im und zum Maâmora-Wald generiert wurde, blieb über lange Zeit gleich: Es handelte sich um qualitative, diskrete Daten, die im Wald selbst erhoben und in den kolonialen, später den nationalen Forstbehörden aufbewahrt wurden. Die Möglichkeit, Daten über den Wald durch Luftbilder, und später aus Satellitendaten zu gewinnen und ökologische Prozesse des Waldes analysieren und quantifizieren zu können, besteht seit Ende der 1980er Jahre. Sie wurde und wird aber erst in den letzten Jahren aktiv in das Waldmanagement eingebracht und genutzt − verbunden mit einer erneuten Verschiebung in der Rationalität, den Wissenssystemen, dem Risiko-Management und den Machtpraktiken der Regierung des Waldes. Dies ist das Thema des folgenden Kapitels.
199
200
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
4.3
Mikroebene(n): Integration des Waldes in Kohlenstoffmärkte
Das vorangegangene Teilkapitel hat den Blick zurückgerichtet: auf die vier aménagements, die Bewirtschaftungsprogramme, die im Maâmora-Wald zwischen den 1910er und den 2000er Jahren durchgeführt worden sind. Dieser zweite Teil der empirischen Untersuchung widmet sich den laufenden Prozessen im MaâmoraWald und den mediterranen Wäldern. Im letzten Teil der vorhergehenden Untersuchung wurde beschrieben, wie sich die Bewirtschaftung seit Beginn der 1990er Jahre verändert hat: Mit dem Aufkommen globaler Umweltdiskurse und dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung hat sich die Bewertung des Waldes verschoben, Aspekte wie Umweltschutz oder Biodiversität spielen zunehmend eine Rolle. Die lokalen Bevölkerungsgruppen, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten werden, insbesondere seit 2000, über die Gründung von Assoziationen, Trainings und das Angebot von Entschädigungen in die Bewirtschaftung des Maâmora-Waldes einbezogen. Zum ersten Mal seit rund 100 Jahren haben sich die Korkeichenbestände erholt, der Anteil eingeführter Arten wie Eukalyptus und Pinien nimmt ab. Dies entspricht in bestimmter Hinsicht dem, was in Kap. 2.2 als typisch für neoliberale Natur diskutiert wurde. Neue Formen der Kommodifizierung von Naturen spielen bis in die 2000er Jahre im Maâmora-Wald zwar kaum eine Rolle. Doch mit der Einführung partizipativer Methoden zeigt sich deutlich ein Übergang zu neuen Formen der Governance, die darauf zielen, die lokalen Bevölkerungsgruppen zu einem bestimmten Verhalten zu erziehen, neue Subjektivitäten hervorzubringen. Die veränderte Bewertung von Natur seit den 1990er Jahren wird anhand der gestiegenen Wertschätzung der Korkeichen deutlich, die als authentische und heimische Art zu einer hohen Biodiversität beiträgt. Seit Ende der 2000er Jahre lässt sich eine neue Dynamik rund um mediterrane Wälder beobachten. Über internationale und regionale Projekte wirken diese Entwicklungen in die Bewirtschaftung des Maâmora-Waldes hinein: Er diente als Pilotstandort des FFEM-Projektes, das zum Ziel hatte, REDD+ auf den Mittelmeerraum auszuweiten, die Region also perspektivisch in den internationalen Emissionshandel einzubeziehen. Dieses Teilkapitel untersucht diese Prozesse. Welche Akteure dominieren sie, welche Schwerpunkte lassen sich beobachten? Handelt es sich um eine Fortsetzung oder Intensivierung der neoliberalen Praktiken? Oder zeigen sich darin neue Tendenzen, brechen sie mit den Rationalitäten und Ansatzpunkten, die seit den 1990er Jahren, und noch einmal verstärkt ab den 2000er Jahren die Bewirtschaftung des Maâmora-Waldes dominierten? Diesen Fragen gehe ich im Folgenden nach. Ich stelle (1) dar, wie der Aufbau von Kohlenstoffmärkten im Fall von Wäldern ›on the ground‹ abläuft – und wie diese Abläufe im Rahmen des FFEM-Projektes umgesetzt wurden. Ich betrachte (2) die am Prozess beteiligten Akteure, die räumlichen und zeitlichen Aspekte des Marktaufbaus sowie die Formen des Wissens und der Wissensproduktion, die da-
4 Feldstudie
mit verbunden sind, ehe ich (3) abschließend frage, zu welchen Ergebnissen das Projekt geführt hat und wie diese bewertet werden müssen.
Kohlenstoffmärkte ›on the ground‹ Das FFEM-Projekt – Teil II Das FFEM-Projekt lief von Juli 2012 bis Juni 2016. Es umfasste, wie beschrieben, fünf Komponenten oder Teilprojekte, die an den jeweiligen Pilot-Standorten umgesetzt werden sollten. Das erste Teilprojekt sollte untersuchen, wie verletzlich die Wälder gegenüber der globalen Erwärmung sind − insbesondere im Hinblick auf den Erhalt genetischer Ressourcen − und welche Folgen bei weiter ansteigenden Temperaturen für sie zu erwarten sind (FFEM Rapport final, S. 3). Dazu wurden Vulnerabilitätsanalysen für die Pilotstandorte erstellt, basierend auf einer multifaktoriellen, GISbasierten Modellierung, die einer Gruppe von ›Experten‹135 aus den jeweiligen Ländern im Rahmen zweier einwöchiger Trainings beigebracht wurde.136 Vier weitere Regional-Workshops sollten dem Austausch von Daten und Erfahrungen dienen. Daneben wurden eine Literaturdatenbank zu den Auswirkungen des Klimawandels auf mediterrane Wälder sowie Verbreitungskarten von 24 Baumarten erstellt und zugänglich gemacht (FAO 2015). Im Teilprojekt 2 ging es um die (monetäre) Bewertung der Güter und Dienstleistungen, die mediterrane Wälder erbringen, angelehnt an den natural capitalAnsatz (Kap. 4.1). Hierzu wurde, unter anderem im Rahmen eines Workshops, eine Methodologie zur Berechnung dieser Werte erarbeitet. Sie diente als Grundlage für Studien an vier Pilot-Standorten, wobei die Umsetzung wegen der unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten und teils fehlender Daten sehr unterschiedlich ausfiel (FFEM Rapport final, S. 4). Die Studie zum Maâmora-Wald bezog sich auf die Erträge von Holz, Kork, Futter, Tannin, Trüffel und Honig sowie die Erholungsfunktion
135
136
Ich verwende den Begriff »Experte« im Folgenden der Lesbarkeit halber ohne Anführungszeichen. Auch ohne diese Kennzeichnung sollte deutlich sein, dass der Begriff dazu dient, die Selbst- oder Fremdzuschreibung bestimmter Personengruppen als Experten darzustellen, und dass dies nicht bedeutet, dass ich diese Zuschreibung zwangsläufig übernehme. Dabei handelt es sich um eine Methode, bei der die klimabedingte Entwicklung verschiedener Faktoren, die zur Gefährdung eines Ökosystems oder einer Landschaft beitragen, räumlich mit Hilfe von Geographischen Informationssystemen (GI)S betrachtet werden. Es werden also verschiedene Karten erstellt – wie sich in den Gebieten entsprechend der Klimaprognosen die Niederschläge entwickeln könnten, wo Erosion drohen könnte, welche Böden vorliegen etc. Diese Karten werden dann ›übereinandergelegt‹, um zu sehen, welche Gebiete und Teilgebiete durch den Klimawandel besonders gefährdet sind. Ausführlich ist dies beschrieben in den Berichten und Anleitungen der beiden Trainings 2014 (Comp1 Training1 2014 Report und Comp1 Training2 2014 Report).
201
202
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
des Waldes. Der Wert des Waldes insgesamt, abzüglich der Kosten für die Bewirtschaftung und Steuern, wurde auf 114 Millionen Dirham (MAD) geschätzt, rund 11,4 Millionen Euro. Davon gingen 96 Prozent auf die Erträge aus Holz zurück, der größte Teil davon aus Eukalyptus-Pflanzungen (FFEM RT Final Comp2 Maroc, S. 8). Im Rahmen des Teilprojekts 3 sollten partizipative Ansätze erprobt und weiterentwickelt werden, insbesondere auf der regionalen Ebene. In einer Publikation und einem Workshop mit Vertreter:innen der beteiligten Ländern stellte Plan Bleu, als Koordinatorin des Teilprojekts, mögliche partizipative Instrumente vor. Die Umsetzung lag bei den jeweiligen Verantwortlichen in den Partnerländern. Sie präsentierten zum Ende des Projektes ihre Erfahrungen in Berichten und bei einem weiteren Workshop. Dabei zeigte sich, dass sie sehr unterschiedliche Methoden gewählt hatten, »une méthode globale n’a donc pas pu être créée« (FFEM Rapport final, S. 5). Da insbesondere im Maâmora-Wald praktische Erfahrungen mit partizipativen Ansätzen vorlagen, ausgehend davon wurden abschließend zwei »Leitfäden für die Praxis« erstellt: einer für die Umsetzung partizipativer Ansätze im Maâmora-Wald selbst, ein zweiter, der die Erfahrungen aus Marokko auf die Region übertrug (FFEM GP Comp3 Maroc und FFEM Guide participation Maâmora). Teilprojekt 4 umfasste das eigentliche Kernthema des Projektes: die Partnerländer auf die Teilnahme an REDD+ oder an anderen Emissionshandelssystemen vorzubereiten, und entsprechende Projekte auf den Pilotflächen umzusetzen. Nach Diskussionen innerhalb des Projektes wurden die Ziele des Teilprojektes im Oktober 2013 ausgeweitet (vgl. hierzu auch Kap. 4.3.3). Neben den Aktivitäten auf der lokalen Ebene umfassten sie somit auch die Unterstützung der Partnerländer in den internationalen Klima-Verhandlungen und bei der Ausarbeitung nationaler Strategien zum Klimaschutz. Marokko und Tunesien traten dem UN-REDD-Programm bei und entwickelten im Rahmen des Projektes erste Konzepte für die Umsetzung von REDD+-Programmen. Im Libanon erkundete eine Studie, wie das geplante nationale Aufforstungsprogramm von Geldern aus Klimaschutzprogrammen oder Emissionsmärkten profitieren könnte. Zwei weitere Studien beschäftigten sich mit derselben Frage in Bezug auf Korkeichenwälder und die Gesundheit des SenalbaWaldes in Algerien. Konzepte für die Entwicklung von Klimaschutz-Projekten im Sinne von REDD+ wurden für drei Pilotstandorte entwickelt: den Maâmora-Wald in Marokko, Siliana in Tunesien und Düzlerçamı in der Türkei. Teilprojekt 5 diente im Wesentlichen der Koordination und der Vernetzung mit anderen Initiativen − wie in Kap. 4.1 beschrieben, war der Projektantrag auch gestellt worden, um eine Finanzierung des neu gegründeten CPMF zu ermöglichen. In diesen Bereich fiel die Mitarbeit bei Veranstaltungen wie der Mediterranean Forest Week sowie der Vorstellung des Projektes auf internationalen Konferenzen,
4 Feldstudie
etwa des Welt-Waldkongresses oder der jährlichen Klimakonferenzen (Rapport final, S. 5). Diese fünf Komponenten schienen zunächst weitgehend parallel zu laufen und sie waren, wie bereits aus dieser kurzen Darstellung deutlich wird, von widerstreitenden Interessen geprägt, die die Teilprojekte in unterschiedliche Richtungen führten. Dennoch hingen sie der Konzeption nach zusammen und bauten aufeinander auf. Dieser Zusammenhang wird deutlich, wenn man den Aufbau und die Funktionsweise von Offset-Projekten genauer betrachtet.
Enframing forest carbon Wie wird eine Ware geschaffen? Wie wird eine menschliche oder nicht-menschliche Entität zu einer handelbaren Einheit? Und wie wird der Raum für den Handel, der Markt, aufgebaut und stabilisiert? Die Herstellung der Warenform, insbesondere in ihrer kapitalistischen Form, ist seit Jahrhunderten Gegenstand von Studien und Theoretisierungen; ebenso das Verhältnis von Markt und nicht-marktförmig organisierten Bereichen der Gesellschaft (vgl. Kap. 2, für eine Perspektive aus der Political Ecology auch Castree 2003). Die marketization studies haben sich, wie in Kap. 2.3 beschrieben, mit den Prozessen des ›Markt-Machens‹ aus einer Perspektive der STS beschäftigt, ein Ansatz, der in Teilen der Wirtschaftsgeographie aufgenommen wurde. Der Aufbau neuer Märkte wird hier als komplexer Prozess beschrieben, der Aspekte von framing und de-framing umfasst, von Fixieren und Lösen. Callon und Law (2005) haben innerhalb dieses Prozesses drei Schritte unterschieden: Das, was zur Ware werden soll und wird, muss zuerst aus seinem lebensweltlichen Kontext herausgelöst werden, es muss als klare Einheit definiert werden. Zweitens muss es vergleichbar gemacht werden: Um seinen Wert zu bestimmen, muss es in Verbindung gesetzt werden mit anderen ›Gleichen‹; und es müssen Institutionen, Handlungsmuster, sogenannte »qualculating agents« geschaffen werden, die entsprechende Bewertungen und Einordnungen zuweisen.137 Schließlich müssen drittens spezifische Räume geschaffen werden, in denen diese institutionalisierten Abläufe und die (zu schaffenden) Waren aufeinandertreffen. Diese Prozesse sind, auch wenn der Markt operabel ist, nie abgeschlossen, sondern müssen kontinuierlich wiederholt, aufrechterhalten und angepasst werden, um das Funktionieren des Marktes sicherzustellen.138 137
138
Den Neologismus »qualculation« übernehmen Callon und Law (2005) von Cochoy (2002). Er soll deutlich machen, dass Kalkulation immer auch eine Wertung bedeutet, Ergebnis einer Handlung und damit Entscheidung ist. Quantifizierungen, wie sie durch Menschen, Institutionen oder bestimmte Apparate vorgenommen werden, enthalten demnach immer auch qualitative Aussagen und Bewertungen. Dies ist ein theoretisches Modell für die Herstellung von Märkten. Andere Ansätze, die in der Political Ecology verwendet werden und die sich häufig in der Tradition von Polanyi 2010 [1944] sehen, verwenden zumeist ein zweistufiges Modell, bei dem das Herauslösen aus dem
203
204
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Dies gilt auch − und gerade − für Kohlenstoffmärkte. Diese sind eine junge Erfindung; viele Emissionsmärkte befinden sich derzeit noch im Testbetrieb oder im Aufbau (Kap. 4.1). Auch wo Emissionshandelssysteme, wie das der Europäischen Union, bereits operieren, sind sie häufig in Kraft getreten, bevor Regeln des Handels und grundlegenden Definitionen abschließend geklärt worden sind (Gutiérrez 2011). Es sind − nicht nur aus der Perspektive der marketization studies − Märkte ›in the making‹. Callon (2009, S. 535) hat Kohlenstoffmärkte aus diesem Grund als »ongoing collective experiments« bezeichnet und argumentiert, dass diese sich daher besonders gut für Studien der marketization eignen: »carbon trading is an exceptional site for identifying the stakes involved in such experiments and for identifying better what the dynamics of civilizing markets could be.« Autor:innen aus den STS und der Political Ecology haben die entstehenden Kohlenstoffmärkte genutzt, um die Herstellung neuer Waren und deren Materialitäten sowie die Prozesse des ›Gleichmachens‹ und deren Abhängigkeit von spezifischen Techniken und Technologien zu untersuchen (Callon 2009; MacKenzie 2009; Bumpus 2011). REDD+-Projekte sind, wie in Kap. 4.1 beschrieben, bisher vor allem im Hinblick auf die Auswirkungen auf lokale Nutzer:innen untersucht worden sowie als Beispiel für die Ungleichheiten, die Offset-Projekten eingeschrieben sind. Die im Aufbau befindlichen Klimaschutzprojekte in Wäldern sind jedoch auch aus einer Perspektive der marketization studies von Interesse: Sie bieten die Chance, den Aufbau von Kohlenstoffmärkten ›on the ground‹ zu begleiten und sich in jene Bereiche zu begeben, wo die Modelle und Abstraktionen mit der ›rauhen Wirklichkeit‹ spezifischer Lokalitäten interagieren. Framing emission reductions In Kap. 4.1. habe ich das Konzept von Offsets oder Ausgleichsprojekten vorgestellt: Ein Projekt oder Programm sorgt dafür, dass Emissionen, die an einem Ort entstehen, an einem anderen Ort oder in einem anderen Zusammenhang eingespart oder aufgenommen und damit ausgeglichen werden. Ein häufig gebrauchtes Bild im Zusammenhang mit Offsets − und dem Handel mit Emissionen im Allgemeinen − ist die Waage. Auf der einen Seite steht der Ausstoß von Treibhausgasen durch Fabriken, Autos, Flugzeuge oder Kraftwerke, auf der anderen die Aufnahme oder Vermeidung von Treibhausgasen durch Windkraftund Solaranlagen, Filter oder Ökosysteme, wie Wälder oder Moore. Das Grundprinzip ist eine Gleichsetzung: Eine Tonne Kohlenstoffdioxid-Äquivalente (CO2 e), die an einem Ort der Welt ausgestoßen wird, wird gleichgesetzt mit einer Tonne
lebensweltlichen Kontext und das Einbettens in die Marktzusammenhänge im Vordergrund stehen. Da in Fall des hier untersuchten Projektes die Herstellung der »qualculating agents« und der Märkte selbst eine zentrale Rolle spielen, beziehe ich mich vor allem auf das Modell der marketization studies, wie es u.a. Callon und Law (2005) beschreiben.
4 Feldstudie
CO2 e, die an anderer Stelle eingespart oder aufgenommen wird. Diese Gleichsetzung entspringt dem klassischen Bild eines perfekten Marktes als eines Ortes des reibungslosen Austauschen delokalisierter Waren. Betrachtet man die praktische Umsetzung von Klimaschutzprojekten, wird deutlich, dass es sich hierbei um hochkomplexe Gebilde mit zahlreichen Unsicherheiten handelt, die eigene Räume, Zeitlichkeiten und Verbindungen schaffen. Im Bild der Waage sind die spezifischen Lokalitäten und die jeweilige Geschichte der Emissionen ausgeklammert: wer sie ausgestoßen hat, zu welchem Zweck, wo und wann. Selbst die Frage, was sie sind, ist das Ergebnis von bestimmten Festlegungen und Annahmen. Die Einheit CO2 e ist eine Vergleichseinheit; bei den Emissionen, auf die sie sich bezieht, kann es sich um Kohlenstoffdioxid (CO2 ), aber auch um zahlreiche andere Gase handeln, etwa Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O), verschiedene Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) oder Gasgemische.139 Die Prozesse des Framing haben sich im Fall von Waldprojekten wie REDD+ bisher als äußerst schwierig erwiesen. Obwohl im Rahmen der UNFCCC seit über 15 Jahren über das Instrument REDD+ verhandelt wird, existiert bis heute weder ein offizieller Markt für Emissionsreduktionen aus Wäldern, noch liegen einheitliche oder formelle Kriterien für die Zertifizierung und die Anrechnung von A/R im Rahmen der Kohlenstoffbilanzen der Länder vor. Auch wenn inzwischen im 139
Die verschiedenen Gase tragen unterschiedlich stark zur globalen Erwärmung bei. Um sie vergleichbar zu machen, wird ihr Erwärmungspotential (global warming potential, GWP) in das von CO2 umgerechnet: Es wird davon ausgegangen, dass eine Tonne KohlenstoffdioxidÄquivalente so viel zur globalen Erwärmung beiträgt wie eine Tonne Kohlenstoffdioxid. Wie stark ein Gas die Erwärmung antreibt, hängt jedoch von vielen Faktoren ab, unter anderem von der Konzentration − und damit von Annahmen über zukünftige Emissionen −, und dem Zeitraum, der betrachtet wird. Da manche Gase länger in der Atmosphäre verbleiben, kann sich das Verhältnis zu CO2 stark unterscheiden, je nachdem, ob ihr Erwärmungspotential über die nächsten 20 oder die nächsten 100 Jahre verglichen wird. Die UNFCCC verwendet in ihren Berechnungen die Daten des Zweiten Sachstandsbericht des IPCC, da dieser zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Kyoto-Protokolls in den 1990er Jahren aktuell war. Dieser gibt die GWP-Werte für verschiedene Gase über die nächsten 20, 100 und 500 Jahre an − welcher Wert verwendet wird, hängt von den Zielen und Umständen der jeweiligen Projekte oder Programme ab (UNFCCC 2020b). Im Fall neuer Forschungsergebnisse oder bei Veränderungen in den Annahmen über die künftige Emissionsentwicklung können sich diese Werte verändern, und damit auch die Gestalt einer Tonne CO2 e und das Verhältnis der verschiedenen Entitäten innerhalb des Kohlenstoffmarktes zueinander. So kommt Lohmann (2014, S. 161) zu dem Schluss: »The immediate challenge of commodification here is not in standardization but in making things the same in the first place. So-called carbon markets, for instance, despite having been in existence for two decades, have yet to identify an intelligible or universally agreed-upon thing to trade in […] Similarly, although wetlands bankers have been trading wetlands certificates since the 1980s, they not only have ›not settled upon a system of measurement‹ but also have ›not even agreed upon what the commodity is that they wish to measure‹ (Robertson 2004: 367).«
205
206
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Hinblick auf einige Rahmenbedingungen Übereinkünfte getroffen wurden − etwa hinsichtlich der Frage, was als Wald definiert wird −, sind zahlreiche Details der Umsetzung und Berechnung weiterhin offen. Viele dieser Fragen können rein technisch nicht geklärt werden, weil Daten oder Wissen fehlen oder aufgrund der Unmöglichkeit, bestimmte sozio-ökologische Prozesse von anderen abzugrenzen. Es gibt keine Methode, die Menge des in einem Waldstück gespeicherten CO2 oder dessen Aufnahme aus der Luft direkt zu messen. Zudem unterliegt die ›Atmung‹ des Waldes nicht nur tages- und jahreszeitlichen Schwankungen, sondern hängt von zahlreichen Parametern ab, darunter der Witterung und der Bodenzusammensetzung, mikrobiotischen Aktivitäten oder der Bewirtschaftung des Waldes.140 Der Versuch, die Aufnahme von CO2 durch Vegetation trotz dieser Schwierigkeiten in handelbare Einheiten zu isolieren, hat zu einem Set extrem komplexer und komplizierter Regeln geführt, das selbst für die beteiligten Akteure kaum zu durchschauen ist (Gutiérrez 2011; Osborne und Shapiro-Garza 2017; Bumpus 2011).141 Die Berechnung des aufgenommenen oder eingesparten Kohlenstoffdioxides − und damit die Schaffung der Ware »Emissionszertifikat« − erfolgt auf Grundlage von Näherungen, der Modellierung verschiedener Szenarien und deren Vergleich (Kap. 4.3.2). In den letzten Jahren haben Wissenschaftler:innen begonnen, diesen Prozess aus einer STS-orientierten Perspektive zu untersuchen. Leach und Scoones (2013, S. 957) schließen aus ihrer Untersuchung zweier Waldschutzprojekte in Sierra Leone und Ghana, der Prozess des Messens und Modellierens sei nicht »just a technical exercise, but a process shaped by and carrying social, political-economic and even moral implications«. Lansing (2009, 2010, 2011, 2012) zeigt anhand von zwei Offset-Projekten in Costa Rica, wie Kohlenstoffdioxid als Ware im Zusammenspiel verschiedener menschlicher und nicht-menschlicher Akteure stabilisiert wird, und wie dieser Prozess auf der Stabilisierung bestimmter Raum-
140 Die genaueste Möglichkeit zur Bestimmung der Biomasse − aus der sich das gespeicherte CO2 ableiten lässt − wäre es, das gesamte Waldstück abzuholzen, zu verbrennen und zu wiegen. Auch in diesem Fall blieben dynamische Aspekte wie tageszeitliche Schwankungen sowie das im Boden gespeicherte CO2 unberücksichtigt. Da diese Methode im Fall des Waldund Klimaschutzes nicht möglich ist, gibt es verschiedene Formen der Näherungen, die unterschiedlich aufwendig und genau sind; ein Teil wird in den folgenden Abschnitten dargestellt. Für eine Übersicht über verschiedene Methoden zur Bestimmung der in Wäldern gespeicherten CO2 -Menge vgl. Gibbs et al. 2007. 141 Auch im Rahmen des FFEM-Projekts wurde wiederholt Unwillen geäußert angesichts der Tatsache, dass vielen der beteiligten Akteure nicht verständlich war, wie genau ein solches Projekt funktionieren und berechnet werden sollte. So kritisierten Vertreter:innen von Tunesien und Marokko noch auf der Abschlusssitzung des Projektes, sie hätten noch immer nicht verstanden, worum genau es bei dem Projekt gehe und wie REDD+ funktioniere (Feldtagebuch, 26. Januar 2016, Rom).
4 Feldstudie
vorstellungen, etwa mit Hilfe von Karten, und einem bestimmten, kartesischen Verständnis von Raum basiert. Das Fallbeispiel dieser Arbeit unterscheidet sich in zwei Aspekten von den dort untersuchten Projekten. Zum einen handelt es sich beim FFEM-Projekt nicht um ein Projekt, das auf den freiwilligen Kohlenstoffmärkten operiert, sondern um den Versuch, die Grundlagen zu schaffen für eine Integration der Wälder in die − erwarteten − künftigen Kohlenstoffmärkte unter dem Dach der UNFCCC.142 Zum anderen haben sich die Inhalte und Strukturen von REDD+ über die 15 Jahre seiner Existenz hinweg stark verändert. Analog zu Mechanismen wie dem CDM oder JI oder bereits existierenden Projekten auf den freiwilligen Märkten war REDD+ ab 2005 zunächst als projektbezogener Ansatz konzipiert worden: Die eingesparten Emissionen aus einzelnen Projekten sollten im Rahmen eines Emissionshandelssystems oder über direkte Programme mit privaten oder staatlichen Interessenten gehandelt werden können. Dieser Ansatz sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass einzelne Projekte das Problem nur verschieben würden − wenn ein Stück Wald nicht abgeholzt wird, passiert dies vielleicht wenige Kilometer weiter, das Problem von leakage. Unter anderem als Reaktion auf diese Kritik verschob sich der Fokus von REDD+ auf die Ebene von Staaten, Bundesstaaten oder anderen größeren Verwaltungseinheiten; bestehende Projekte wurden in vielen Fällen in den neuen Rahmen eingegliedert. Zudem zeigte sich, dass die ursprüngliche Idee, result-based payments auch über den privaten Sektor zu finanzieren, nicht realistisch war; staatliche Gelder spielen bei REDD+ bis heute die entscheidende Rolle. Parallel dazu weitete sich der Fokus von REDD+ aus: von einem carbon only-Ansatz zu einem Ansatz, bei dem neben der Aufnahme und Speicherung von Treibhausgasen weitere Ziele erreicht werden sollen, wie Partizipation, Gendergerechtigkeit oder der Schutz der Biodiversität.143 Bei der Klimakonferenz in Cancun 2010 wurden erste Schritte zur Umsetzung von REDD+ auf staatlicher Ebene beschlossen. Bei der Konferenz in Polen 2013 wurden diese im Warsaw-Framework on REDD+ konkretisiert.144 Diese Beschlüsse legen die Voraussetzungen für die Teilnahme am REDD+-Programm fest. Dazu gehören 142 Im Rahmen des FFEM-Projekts wurde über die Möglichkeiten gesprochen, bei einem NichtZustandekommen oder einer weiteren Verzögerung der ›offiziellen‹ Märkte auf die freiwilligen Märkte auszuweichen. Der Ablauf und der Aufbau des Projektes orientierte sich jedoch zunächst an den Vorgaben der UNFCCC. 143 Angelsen (2012) kritisiert, dass durch dieses Ausweiten gerade das eigentlich Originelle am REDD+-Ansatz verloren gegangen sei und das Konzept an Effektivität eingebüßt habe. Zur Entwicklung von REDD+ vgl. Angelsen 2012; Angelsen und Brockhaus 2009; Kill 2019; Corbera und Schroeder 2017. 144 Die Vorgaben sind in den Details seitdem mehrfach ergänzt und verändert worden, der jeweils aktuelle Stand findet sich bei UNFCCC 2021.
207
208
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
• • • • •
der Aufbau eines landesweiten REDD+-Managements, z.B. durch die Schaffung einer eigenen Institution; die Einhaltung der in Cancun 2010 beschlossenen safeguards, etwa durch Aufbau eines Safeguard Information System (SIS);145 Regelungen für die Finanzierung;146 der Aufbau eines ›robusten‹ Monitoring-Systems, wie z.B. das National Forest Monitoring System (NFMS) der UNFCCC; schließlich die Berechnung von Forest Reference Emission Levels, also Basiswerten, von denen ausgehend berechnet werden kann, wie sich der Ausstoß oder die Aufnahme von Treibhausgasen entwickelt haben.
Konkret bedeutet das: Ehe REDD+-Projekte starten können, sind aufwendige Vorarbeiten nötig, die neben der Forstpolitik zahlreiche weitere Bereiche betreffen, so etwa Landrechte, Korruptionsbekämpfung oder die Transparenz staatlichen Handelns.147 Das FFEM-Projekt fällt in diese neue Generation von REDD+. Bei den Pilotprojekten im Rahmen des FFEM-Projektes handelte es sich nicht um isolierte Vorhaben. Sie sollten vielmehr dazu dienen, Maßnahmen zu erarbeiten, die auf das gesamte Staatsgebiet oder die gesamte Region ausgeweitet werden können. Diese inhaltliche und strukturelle Ausweitung von REDD+, die Notwendigkeit der Einhaltung von Safeguards (und deren Dokumentation) sowie die Form der Inwertsetzung erklären, warum das FFEM-Projekt, obgleich es auf den Aufbau von Kohlenstoffmärkten zielt, so viele unterschiedliche Aspekte umfasst. Teilprojekt 1, die Bestandsaufnahme des Zustandes mediterraner Wälder und die Analyse möglicher Veränderungen im Klimawandel ist für die Erstellung der jeweiligen Szenarien nötig; Teilprojekt 2, die Valuierung von Ökosystemdienstleistungen unter anderem für die nötigen Kosten-Nutzen-Rechnungen. Die partizipativen Methoden in Teilprojekt 3 können sowohl bei der Sicherstellung von safeguards angebracht werden als auch bei der Auflistung ›neuer‹ Ansätze, die den Schutz des Waldes sicherstellen sollen. Teilprojekt 4 betrifft die Ausarbeitung von REDD+-Ansätzen im eigentlichen Sinn, während Teilprojekt 5 den entsprechenden Rahmen und Raum für den Unter safeguards wird hier verstanden, dass das Projekt bestimmte Standards einhält, die sicherstellen, dass es bestimmte Akteure nicht schädigt, z.B. durch umweltschädigende Auswirkungen oder das Verletzen indigener Rechte (UNFCCC 2020d). Verschiedene Institutionen, die an der Ausarbeitung von REDD+-Projekten und Programmen beteiligt sind, definieren diese safeguards jedoch unterschiedlich. 146 Da hier bisher klare Regelungen auf internationaler Ebene fehlen, liegt es an den Ländern, sich Lösungen für die Organisation der REDD+-Finanzen zu überlegen. Brasilien und Gyana z.B. haben einen REDD+-Fund gegründet. 147 Eine ausführliche Darstellung der Rechtsgrundlagen von REDD+ nach dem WarsawFramework findet sich im Global Canopy Programme 2014. 145
4 Feldstudie
Kohlenstoffhandel schafft (s.u.). REDD+ in seiner heutigen Form zielt also weniger auf die Umsetzung einzelner Maßnahmen auf Projektebene, als vielmehr auf eine Neuorientierung der Politik, die über die eigentliche Forstpolitik hinausgeht − ein Punkt, den ich in Kap. 5 ausführlicher diskutiere.
Time-spaces of commodification Im vorherigen Abschnitt habe ich skizziert, wie das FFEM-Projekt ablief und wie sich dies in den formellen Rahmen von REDD+ einfügt. Drei zentrale Entwicklungen lassen sich in diesem Prozess beobachten: Es lässt sich (1) eine Verschiebung unter den Akteuren ausmachen, wobei (verschiedene Gruppen von) Expert:innen eine zentrale Rolle spielen; zugleich werden neue Ausschlüsse produziert. Ein Schwerpunkt des Projektes lag (2) auf dem regionalen Austausch und der Herstellung neuer Verbindungen über Staats- und Sektorengrenzen hinweg, wodurch neue räumliche und zeitliche Bezüge hergestellt wurden. Schließlich spielten (3) die Produktion von Daten und die Herstellung neuen Wissens eine zentrale Rolle im Projekt, dabei zeigten sich Veränderungen in der Form des Wissens. Auf diese drei Aspekte gehe ich im Folgenden näher ein.
Akteure der marketization Der Sitz der FAO, wo ein Teil der Workshops des Projektes stattfindet, liegt im Zentrum von Rom, direkt neben dem früheren Circus Maximus, dessen Oval heute eine weite, grasbewachsene Fläche ist. Gebaut als Kolonialministerium unter Mussolini, scheint es nicht, dass seither viel investiert wurde. »Wir müssen schauen, welcher funktioniert«, sagt der Projektleiter mit einem Blick auf die Aufzüge, die die neun Stockwerke miteinander verbinden. Lange, dunkle Gänge, kleine Büros, in denen Karten und Plakate hängen. Der Konferenzraum, in dem im Januar 2016 der Abschlussworkshop des Projektes stattfindet, ist dämmrig, die schweren Vorhänge lassen kaum Licht herein. An den Wänden hängen Zettel mit den Informationen für den Internet-Zugang. In der Mittagspause fahren die Teilnehmer:innen des Workshops – Projekt-Mitarbeiter:innen, Minister, Forstbeamte, Mitglieder beteiligter NGOs – bis ins oberste Stockwerk, wo die Kantine liegt. Sie treten hinaus auf die Dachterrasse und machen Selfies mit Blick über das Colosseum (Feldtagebuch, 26. Januar 2016, Rom). Wer sind die zentralen Akteure im Rahmen des FFEM-Projektes und seiner Partnerprojekte? Wie bereits angedeutet, kommt es mit der Einführung der ›neuen‹ Ansätze seit 2010 zu wesentlichen Verschiebungen im Netzwerk des Waldes. So dominiert die regionale Orientierung die neuen Politiken des Waldes − nahmen vorherige Projekte entweder Bezug auf den nationalen Rahmen oder ein globales Ziel, so verortet sich das jetzt beginnende Projekt im Raum mediterraner Wälder (Kap. 4.1). Den Nationalstaaten kommt mit der veränderten Ausrichtung von REDD+
209
210
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
formell eine größere Rolle zu, und auch die Umwelt- und Klimapolitik Marokkos wirkte, wie im Folgenden gezeigt wird, vereinzelt in das Projekt hinein. Dennoch spielten die Nationalstaaten für die Ausgestaltung des FFEM-Projektes keine tragende Rolle, und dasselbe galt für internationale Organisationen wie die FAO. Die eingangs beschriebene Szene macht die prekäre finanzielle Lage internationaler Organisationen wie der FAO deutlich; die damit verbundene Abhängigkeit der Organisation von externen Geldgebern spielte im Rahmen des Projektes wiederholt eine Rolle. So diente das Projekt, wie beschrieben, auch dazu, die Koordination der Aktivitäten im Bereich mediterraner Wälder zu finanzieren; die Stelle des SilvaMediterranea-Sekretariats wird, wie beim ersten Treffen des CPMF in Antalya zugesagt, von Frankreich finanziert (NEP FFEM project, S. 18). Die Leitung des Projektes lag formell bei Silva Mediterranea und Plan Bleu. Was die Abläufe innerhalb der Projekte anging, übernahmen diese jedoch eher eine koordinierende Funktion. Die nationalstaatliche Ebene war in den Treffen des Projektes meist vertreten durch Minister oder die Leiter der jeweiligen Waldbehörden. Diese waren jedoch nicht direkt in das Projekt involviert, die Treffen dienten für sie eher dazu, sich über den aktuellen Stand informieren zu lassen. Als dominierende Akteure zeichneten sich im Fall des Maâmora-Waldes hingegen zwei − teils konkurrierende − Gruppen ab, die wesentlichen Einfluss auf den Verlauf des Projektes und seinen Ausgang nahmen: zum einen diejenigen, die ich hier als international experts bezeichne und die überwiegend im Bereich green consulting tätig waren, zum anderen diejenigen, die ich zusammenfassend als lokale Expert:innen bezeichne, zumeist Angestellte der marokkanischen Waldbehörde oder von Forschungsinstituten, die mit dieser zusammenarbeiten.148 Auf der Seite des Waldes gibt es zugleich eine Verschiebung innerhalb der Bäume, weg von deren physischen Ressourcen wie Holz oder Kork, und hin zu ihren Funktionen, den ›Dienstleistungen‹, die sie erbringen. In diesem Zusammenhang kommt auch Feuer als zu managendem Objekt eine verstärkte Rolle zu. Die Rolle der green consulting companies Eine zentrale Rolle kam im Fall des FFEM-Projektes der Zwischenebene zu: den internationalen Expert:innen, die das Verbindungsglied bildeten zwischen der internationalen, regionalen und nationalen Ebene auf der einen, und zwischen Geldge-
148 Ich bin mir darüber im Klaren, dass die Grenzziehung zwischen internationalen Expert:innen und den lokalen Expert:innen in einzelnen Fällen schwierig ist. So gab es im Projekt wenige Personen, die zwar institutionell national verankert waren, jedoch im Ausland studiert und gearbeitet hatten, teils auch für internationale Organisationen. Die consulting companies, die am Projekt beteiligt waren, waren jedoch alle europäische Organisationen, ihr Personal stammte durchweg aus Frankreich, Deutschland oder anderen europäischen Ländern.
4 Feldstudie
bern und -empfängern auf der anderen Seite. Eine Übersicht aus der Projektdokumentation listet die Akteure auf, die im Maâmora-Wald am FFEM-Projekt beteiligt waren (Abb. 7). Die dort gezeigten Arbeiten und Studien im Rahmen des Projektes wurden in Kooperation mit den nationalen Forstbehörden und Forschungsinstitutionen durchgeführt. Daneben konnten (Teil-)Aufträge an weitere Expert:innen oder Organisationen vergeben werden, vorrangig an Mitgliedsorganisationen des CPMF (NEP FFEM project, S. 47). Auch wenn diese in der Übersicht nur als »consultants« unter »Sonstige« aufgeführt werden und ihnen teilweise formell nicht einmal eine Rolle zukam, dominierten diese − in den Dokumenten meist als »technical partners« bezeichneten − Personen und Organisationen die Entwicklung und die Richtung des Projektes; bei manchen Workshops machten sie bis zur Hälfte der Teilnehmer:innen aus.
Abbildung 7: Auflistung der beteiligten Akteure des Pilotprojektes
Die »consultants« sind nur unter »Sonstige« am Ende der Tabelle aufgeführt. Quelle: Comp3 2013 Report methodology.
Die Bedeutung von Expert:innen und Expert:innenwissen für die neoliberale Umweltgovernance ist von vielen Autor:innen betont worden,149 ebenso wie die
149 Vgl. etwa Jasanoff 2006; Peet et al. 2011b; Li 2007; Tsing 2005; Forsyth 2019. Auch die STS haben sich, zumindest in ihrer klassischen Form, vorrangig mit ›Expertenwissen‹ beschäftigt
211
212
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Rolle von NGOs bei der Inwertsetzung von Natur und der damit verbundenen »DePolitisierung« (Goldman 2004; Baviskar 2017). Bei den international experts handelt es sich jedoch nicht um Vertreter:innen von NGOs im klassischen Sinn. Zwar sind auch Umwelt-Organisationen wie der World Wildlife Fund (WWF) Mitglieder des CPMF, diese spielten jedoch im Rahmen des FFEM-Projektes keine Rolle. Dominiert wurde das Projekt hingegen von Organisationen, die ich hier als green consulting companies bezeichne, »a new range of intermediary actors […] emerging as critical gobetweens to secure and enable resource appropriations. Some of these are consultancy and advice firms, blossoming on and profiting from the technical complexities of constructing and negotiating green deals« (Fairhead et al. 2012, S. 250). Bei diesen green consulting companies geht es, anders als bei NGOs im klassischen Sinne, nicht um die Beteiligung der lokal Betroffenen oder um die Akzeptanz von Vorhaben; sie stellen keine Verbindung her zwischen Staat und Zivilgesellschaft und haben nicht die Aufgabe, Anliegen der ›Bevölkerung‹ oder Teile derselben zu repräsentieren. Es handelt sich um Einzelpersonen oder um Vertreter:innen von kleinen bis mittelgroßen, meist hochspezialisierten Organisationen, die – offiziell meist befristet als Berater:innen – für Unternehmen oder staatliche Institutionen arbeiten, wie etwa die bereits erwähnte Organisation SalvaTerra, eine »consulting firm specialising in the environment, agriculture, forestry and rural development« (SalvaTerra 2020a), die im Rahmen des FFEM-Projektes unter anderem die Studien zu Kosten und Nutzen von REDD+ in Ländern des Mittelmeerraums durchführte. Im Rahmen des FFEM-Projektes konnten diese internationalen Expert:innen grob durch drei Merkmale gekennzeichnet werden, die ihren ›Expertenstatus‹ ausmachten: ihr Wissen, ihre Mobilität und ihre Netzwerke. Bei der Form des Wissens handelte es sich weniger um Fachwissen − wenn man Fachwissen auf mediterrane Wälder allgemein oder spezifische Lokalitäten bezieht −, sondern vielmehr um Wissen aus dem Bereich Projektmanagement und Finanzierung. Die Expert:innen verfügten teils über bestimmtes technisches Wissen, das sie selbst anwandten: Dies war der Fall beim belgischen Unternehmens Vision on Technology (VITO), das im Rahmen des FFEM-Projektes zwei einwöchige Workshops zur Erstellung digitaler Karten zur Entwicklung des Waldes und der klimatischen Bedingungen durchführte (Comp1 Training1 2014 Report; Comp1 Training2 2014 Report). Die meisten der internationalen Expert:innen verfügten jedoch weniger über Wissen bezüglich der Inhalte, sondern vielmehr im Hinblick auf Prozesse: So wussten sie etwa, welche Mechanismen für eine Förderung im Rahmen internationaler Klimapolitik in Frage kommen und welche Voraussetzungen (Kap. 2). Für eine kritische Übersicht über die Forschung zu Expert:innen in der Anthropologie vgl. Boyer 2008.
4 Feldstudie
dafür gegeben sein müssen. Die Rolle dieser Expert:innen ist eng verbunden mit der Komplexität der internationalen Klimapolitik, die es für alle, die bisher nicht mit dem UNFCCC-System vertraut waren, sehr schwierig machte, einen Überblick über mögliche Instrumente, deren Voraussetzungen und Umsetzung zu gewinnen (Kap. 4.3.1). Diese Komplexität trägt dazu bei, bestimmte Hierarchien zu zementieren und eine Grenze zwischen Insidern und Außenstehenden zu schaffen, zwischen jenen, die verstehen (oder vorgeben, es zu tun) und jenen, die dies nicht tun. Im Rahmen des Projektes führte dies zum einen dazu, dass mehr und mehr Expert:innen ins Boot geholt wurden, mit der Begründung, dass die Inhalte kompliziert seien und mehr ›Expertise‹ nötig sei (s.u.). Zum anderen kam damit den international experts in der Praxis eine weitaus bedeutsamere Rolle zu, als es formell für Beobachter oder technische Partner vorgesehen war.150 So wurde etwa die Struktur der Komponente 4, die die Etablierung von REDD+ zum Ziel hatte, auf Betreiben von ONFI komplett verändert, obwohl die Organisation eigentlich nur als »technischer Partner« gelistet war und zu bestimmten Detailfragen beraten sollte.151 Ihre Kenntnisse – zu Finanzierungsmöglichkeiten und zur internationalen Klimapolitik – brachten die Expert:innen häufig aus früheren Tätigkeiten mit; dieses ›Humankapital‹ hat damit eine direkte Beziehung zu ihrer Mobilität. Mobilität ist hier nicht (nur) im geographischen Sinn gemeint. Die internationalen Expert:innen waren häufig in der Forschung, in der (Finanz)Wirtschaft und für Regierungen tätig und wechsel(te)n zwischen diesen Feldern hin und her. So war einer der zentralen Experten im Rahmen des Projektes zuvor für das französische Agrarministerium und in der Entwicklungshilfe tätig, ein anderer hatte für die deutsche Entwicklungshilfe, aber auch für den Autokonzern Peugeot Projekte durchgeführt. Die internationalen Expert:innen arbeiteten alle weltweit und hatten REDD+ und andere Projekte zu Ökosystem-Dienstleistungen in zahlreichen Ländern Afrikas, Asien und Lateinamerikas durchgeführt; nur in wenigen Fällen hatten sie zuvor in der Projektregion gearbeitet.
150 Diese Rolle war den Expert:innen bewusst. So sprach einer von ihnen – der offiziell nicht in das Projekt involviert bzw. nur als Beobachter bei den Workshops anwesend war – im Interview wiederholt von »wir«, wenn über das Projekt gesprochen wurde (Interview Berater, 16. November 2016, Marrakesch). 151 Ursprünglich war geplant, im Rahmen des Teilprojekts 4 ein Mitigationsprojekt für die künftigen REDD+-Märkte oder die freiwilligen Märkte zu entwickeln. Die Koordination von Komponente 4 wurde an Mitarbeiter:innen von ONFI übertragen, die die Struktur veränderten: Sie legten fest, dass statt der Entwicklungen einzelner Projekte Maßnahmen auf drei Ebenen umgesetzt werden sollten: auf der internationalen Ebene, der nationalen Ebene und schließlich, daran anschließend, der lokalen (Interview Projektleiter, 26. Januar 2016, Rom, und FFEM Rapport final).
213
214
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Diese Mobilität und den Rahmen, den sie aufmacht, hat Auswirkungen auf die scales, die in Bezug auf mediterrane Wälder produziert werden − und die teils in Kontrast stehen mit den räumlichen Bezügen der ›lokalen Experten‹ (s.u.). Zugleich ist diese Mobilität zwischen Institutionen und institutionellen Settings eng verbunden mit der Rolle von Netzwerken innerhalb des Projektes und in Bezug auf die green consulting companies. Diese sind stark um die jeweiligen Einzelpersonen zentriert, die in ihnen agieren. Bei meinen Treffen mit den international experts legten diese häufig sofort eine Liste von anderen Expert:innen vor, gaben Emailadressen und Telefonnummern weiter und boten an, Kontakt zu diesen herzustellen. Diese informellen Netzwerke prägten das Projekt: So wurden die Unteraufträge im Rahmen des Projektes nicht ausgeschrieben, sondern direkt vergeben. Der Projektleiter selbst wusste teils nicht, warum und wie die jeweiligen Firmen ihre Aufträge erhalten hatten: »I: How were they [the technical partners] chosen? P: It depends, it depends. Most of the time it was just, just I don’t know how to say in English, gré à gré. There was no selection, formal selection. I: Ok, so it was not published and then different institutions could apply? P: I don’t think so. In most of the cases it was just, a direct choice. So, there were some experts, national experts, and, I think they were, I was not in the project at that time but I think they were selected by the ministries. But I don’t know the details how they were selected.« (Interview Projektleiter, 26. Januar 2016, Rom) Die Auftragnehmer:innen wurden also teils direkt von bereits beteiligten Experten ›empfohlen‹, die dabei auf ihre bestehenden Netzwerke zurückgriffen. Die fehlende Transparenz bei Entscheidungen und der Vergabe von Aufträgen und Geldern bildete einen Haupt-Kritikpunkt im Rahmen der Evaluation des CPMF (Evaluation CPMF). Zugleich wurden diese Netzwerke durch das Projekt selbst reproduziert und ausgeweitet: Zu den Aufgaben der Teilprojekte gehörte explizit auch das Anlegen von Listen von Expert:innen zu Themen wie modellgestützter Vulnerabilitätsanalyse oder ecosystem services.152 Der Aufbau solcher Netzwerke ist, wie in einer Broschüre der FAO zu Sustainable Finance beschrieben wird, ein essenzieller Bestandteil des Aufbaus von Märkten 152
So wurde auf dem Methoden-Workshops in Solsona, Spanien, 2013 als eine Aktivität die Erstellung von Listen genannt »des experts/scientifiques responsables de ces projets et études pour être en mesure de mobiliser les compétences et les résultats dans le cadre des différentes composantes du projet FFEM (Pres Comp1 2013 Synthèse, S. 4); im Rahmen des Teilprojektes 4 zum Kohlenstoffhandel wurde die Schaffung einer »groupe d’experts informel« beschlossen, die die jeweiligen Länder zum Thema Emissionen aus den Bereichen Agriculture, Forestry and Other Land Use (AFOLU) beraten sollte (Comp4 2013 CR, S. 33).
4 Feldstudie
für Ökosystemdienstleistungen. Er solle deshalb, so die Autoren, durch die Institutionalisierung bestimmter Foren gefördert werden: »The creation of both formal and informal fora in which FLR [forest and landscape restoration, JS] promoters and investors can meet is critical to FLR finance. Such FLR marketplaces can facilitate the matching of offer and demand for FLR investments. They can take different forms (e.g. online platforms, face-to-face events, specialized institutions, dedicated partnerships) at different levels (local, national, subregional, regional, global). In this context, FLR champions acting as brokers will be required to identify the right set of partners, facilitate exchanges and increase the likelihood of successful FLR business deals and investments. FLR marketplaces should have FLR investors and promoters at the centre and should allow for the efficient self-regulation of offer and demand market dynamics. In this sense, sustainable business and investment associations could be relevant brokers that could drive sustainable FLR financing, particularly at the local and national levels.« (FAO Sustainable Finance, S. 92) Was sich hier für den Mittelmeerraum beobachten lässt, haben Bumpus und Liverman (2008) auch für Kohlenstoffmärkte insgesamt festgestellt: »Enthusiasm for the carbon markets is increasingly driven by market actors who see possibilities for both direct investment in offset projects and indirect opportunities for commodification in secondary markets, such as verification of reductions, derivatives, and insurance associated with trading in emissions« (Bumpus und Liverman 2008, S. 142). Die ›Zwischenebene‹ internationaler Expert:innen und Berater:innen ist ein wesentlicher Treiber für den Aufbau von Kohlenstoffmärkten. Die international experts und die green consultant companies stellen zentrale Verbindungspunkte beim Aufbau der neuen Märkte für Emissionen her; hier finden die Übersetzungen statt, die nötig sind, um verschiedene Ebenen, Sektoren und Logiken miteinander in Verbindung zu setzen, etwa im Fall der Übertragung und Weitergabe von (bestimmten) Fähigkeiten und Wissensaspekten oder zwischen verschiedenen Konzepten und Herangehensweisen wie Umweltschutz und ökonomischer Entwicklung.153
153
Neben diesen Übersetzungen im übertragenen Sinn spielte hierbei auch Übersetzung im eigentlichen Sinne, von einer Sprache in die andere, eine Rolle. Im Unterschied zu den meisten ›lokalen‹ Expert:innen sprachen die international experts durchweg fließend französisch und englisch, teils auch deutsch, und konnten so zwischen verschiedenen sprachlichen und geographischen Zusammenhängen wechseln und vermitteln.
215
216
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Lokale Expert:innen Die international experts waren jedoch nicht die einzigen Akteure, die im Rahmen des Projektes die Rolle von Expert:innen beanspruchten. Eben weil die internationalen Expert:innen vor allem auf einer globalen, de-lokalisierten Ebene arbeiteten, war, wie auch im Projektleitfaden betont wurde, für die Umsetzung des Projektes das lokalisierte Wissen weiterer Expert:innen nötig, sowohl zur Identifikation der jeweiligen Ökosystem-Dienstleistungen und der lokalen Stakeholder (FFEM Guide, S. 19) als auch zur Zusammenarbeit mit diesen (ebd., S. 27). Das Vorhandensein von ›Brücken-Akteuren‹, von Personen, die die Nutzer:innen auf der lokalen Ebene kennen und ›managen‹ können, war ein Auswahl-Kriterium für die Pilotstandorte. So wird als »necessary conditions for a successful participatory approach on a site« genannt: »the existence of local facilitators or coordinators who can act as ›go-betweens‹ between project owners and the stakeholders concerned (facilitating participation, running the workshops, ensuring coordination between project owners and local stakeholders)« (FFEM Guide, S. 30).154 Da diese lokalen Expert:innen und ihr spezifisches, ortsgebundenes Wissen für den Erfolg des Projektes als entscheidend angesehen wurde, kam ihnen eine entscheidende Rolle im Projekt zu. Dies verschaffte ihnen mehr Gestaltungsspielraum als etwa den Vertreter:innen der Nationalstaaten, die ein solches Wissen nicht zu bieten hatten. Bei den lokalen Expert:innen − die innerhalb des FFEM-Projektes die ›local focal points‹ bildeten − handelte es sich zumeist um Mitarbeiter:innen der nationalen Forstbehörden und Forschungsinstitute, in Marokko etwa des HCEFLCD (vgl. Kap. 4.2), der École Nationale Forestière d’Ingénieurs (ENFI) in Salé oder des Institut Agronomique et Vétérinaire Hassan II (IAV) in Rabat. Im Fall Marokkos waren sie fast ausnahmslos Absolvent:innen der ENFI.155 Wie im Fall der international experts existierten hier bestimmte Netzwerke, die häufig auf die Lehr- oder Studienzeit
154
155
Auch die Vulnerabilitätsanalyse sollte, dem Projektplan folgend, von bzw. in Zusammenarbeit mit regionalen Expert:innen durchgeführt werden; sie wurde dann jedoch im Rahmen eines gemeinsamen Workshops geprüft und von international tätigen Expert:innen ›bestätigt‹ (FFEM 2012 Proceedings, S. 5). Die ENFI wurde 1968 nach einem gemeinsamen Beschluss von Marokko, Tunesien und Algerien gegründet, finanziell unterstützt von der FAO. Hintergrund war die Unzufriedenheit der inzwischen unabhängigen Maghreb-Staaten mit der fortgesetzten Abhängigkeit von Frankreich, was die Ausbildung von Forstwirten anging – während technische Mitarbeiter vor Ort ausgebildet wurden, fand die höhere Ausbildung im Forstbereich weiterhin in Frankreich statt. Die ENFI orientiert sich am Modell der französischen Grand école als staatlichen EliteUniversitäten. In den 1970er Jahren wurde sie über den Maghreb ausgeweitet und nimmt seither auch Studierende aus anderen afrikanischen (und arabischen) Länder auf.
4 Feldstudie
an der ENFI zurückgingen.156 Diese waren jedoch überwiegend auf den nationalen Rahmen beschränkt. Auch verfügten die lokalen Expert:innen im Rahmen des Projektes im Gegensatz zu den internationalen Expert:innen über direkten Kontakt zum Wald und seinen Nutzer:innen: Der Schwerpunkt des ENFI liegt auf der empirischen Arbeit, auch die Mitarbeiter des HCEFLCD sind regelmäßig »dans le terrain« unterwegs. »Homme de terrain« wurde im Kontext der lokalen Expert:innen als explizites Lob verwendet (vgl. Interview Projektmitarbeiter MT, 29. Juli 2017, Rabat). Die direkten Mitarbeiter:innen des Projektes grenzten sich teils explizit ab von Bürokrat:innen, die selbst wenig Ahnung von Wald hätten und »nicht in den Maâmora-Wald gehen, um Bäume zu messen« (ebd.). Davis (2005a; 2005b, 2007) geht davon aus, dass die ehemaligen französischen Kolonie nach der Unabhängigkeit die koloniale Waldpolitik übernommen haben und weitgehend bruchlos bis heute fortsetzen; die Forstbehörden in ihrer heutigen Form betrachtet sie als Instrument dieser Politiken.157 Auch wenn die ›westliche‹ Forstwirtschaft, wie sie sich seit dem 19. Jahrhundert entwickelt hat, weitgehend auf einem einheitlichen Modell basiert (Nair et al. 2004), blendet eine solch vereinheitlichende Sichtweise sowohl regionale Unterschiede als auch historische Entwicklungen aus. Wie in Kap. 4.2 dargestellt, hat auch die marokkanische Forstbehörde ihre Geschichte, haben die Unabhängigkeit Marokkos und die (wechselnden) Politikansätze seither ihre Spuren in der Form der Waldbewirtschaftung hinterlassen.158 Auch macht Davis eine starke Opposition aus zwischen den Forstbehörden auf der einen Seite, und den Nutzer:innen und ihrem ›lokalem‹ Wissen auf der anderen (Davis 2005b). In dem von mir untersuchten Fallbeispiel lässt sich eine solch pauschale Opposition nicht zeigen. Zwar sind auch im Maâmora-Wald Gemeinschaften der lokalen Nutzer:innen teils kritisch gegenüber den staatlichen Institutionen eingestellt oder versuchen den Kontakt zu diesen zu vermeiden (s.u.). Zugleich nahmen jedoch die lokalen Expert:innen im Rahmen des Projektes eine Rolle ein, die zwischen den Nutzer:innen, deren Interessen und der Projektleitungsebene vermitteln sollte. Mitarbeiter:innen des ENFI oder des HCEFLCD, die am Projekt beteiligt waren, standen selbst in langjährigem und direktem Kontakt 156 157
158
Die Studierenden der ENFI sind für die Dauer ihrer Ausbildung zusammen auf dem Gelände der Forstschule untergebracht, was den Netzwerkcharakter der Institution verstärkt. Ähnlich wird für andere Länder und Regionen argumentiert. So gibt es eine Vielzahl an Studien, die nachzeichnen, wie die Waldpolitiken postkolonialer Staaten, z.B. in Südostasien, auf den Ansätzen der Kolonialzeit beruhen (Leach und Mearns 1996; Li 2007; Brosius, J. Peter et al. 2005; Beinart und McGregor 2003). Auch Puyo (2007) geht im Anschluss an Kalaora und Savoye (1986) davon aus, dass die französische Forstschule, die den Aufbau der Forstbehörden in Algerien und Marokko prägte, nicht homogen war; sondern dass in dieser neben der strengeren, etatistischen eine zweite, soziale Strömung existierte, die Einfluss auf den Aufbau der marokkanischen Forstbehörde hatte.
217
218
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
mit den lokalen Nutzer:innen des Waldes. Ein Forscher des ENFI − der im Projekt für Komponente 3, die partizipativen Ansätze, verantwortlich war − erzählte stolz, dass er selbst aus einem Dorf im Hohen Atlas stamme, seine Muttersprache Tamazight sei und dies es ihm leichter mache, mit den lokalen Gemeinden zusammen zu arbeiten (Interview Projektmitarbeiter WM, 24. April 2019, Rabat). In den Gesprächen mit den Forstbeamten des HCEFLCD brachten diese wiederholt die Bedürfnisse der lokalen Gemeinschaften zur Sprache, die es mit Klimaschutzmaßnahmen abzuwägen gelte: »Donc, on a commencé à parler de la durabilité de la gestion, mais il faut considerer parler aussi […] des droits de la population locale, […] la population locale et la populalation riveraine qui se trouve à côtè, qui vive à côté, et qui dépend des massifs forestiers. […] Donc, tout amènagement, on le discute avec les gens, quelles sont les actions qu’on peut mettre et qui pourrait être [un] bénéfice aussi pour la forêt ou pour la population.« (Interview Projektmitarbeiter AE, 29. Oktober 2016, Rabat, vgl. ähnlich auch das Interview mit dem Projektmitarbeiter MT, 29. Juli 2017, Rabat). Auch wenn sie von verschiedenen institutionellen Logiken geprägt sind und Ausschlüsse und Schwerpunkte diese Beziehung prägen, wirkten die lokalen Expert:innen im Rahmen des Projektes daher eher als Mittler, als Bindeglied zwischen den Gemeinschaften auf der lokalen Ebene und einerseits dem Staat, andererseits dem Projekt mit seiner übernationalen Verortung. Die lokalen Expert:innen wurden erst in das Projekte einbezogen, als die Auswahl der Pilotstandorte bereits abgeschlossen war. Die Ziele und die Struktur des Projektes waren zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen. Mohamed Mediouri, Forstbeamter des HCEFLCD, fand insbesondere die Aufteilung in fünf Teilprojekte problematisch: »[Ce] sont quatre composantes, et, après, on cherche à trouver de la synergie entre ces composantes-là. Donc, […] quel objectif on poursuit? Voyez, pour nous […] chaqu’un voit sa composante. Voyez, donc, au début, il y avait ce problème de comprehension. On a essayé, après de comprendre à travers des ateliers, des reunions, et, en même temps, suivant le contexte marocain, on a essayé de résoudre ces problèmes qu’on voit et de profiter de ce projet-là […] et l’adapter au contexte marocain.« (Interview Projektmitarbeiter AE, 29. Oktober 2016, Rabat, Pos. 14) Durch ihren gesellschaftlichen Stand − als Absolvent:innen der renommiertesten Forstschule der Region −, ihr Fachwissen sowie ihre Kenntnisse des MaâmoraWaldes verstanden sich die lokalen Expert:innen als die eigentlichen Expert:innen, im Gegensatz zu den internationalen Expert:innen, die keinen direkten Kontakt zum Wald hatten und die Verhältnisse vor Ort nicht kannten. Mehrfach machten sie deutlich, dass Daten oder Modellannahmen der internationalen Expert:innen
4 Feldstudie
ihrer Meinung nach Fehler enthielten, so etwa beim Projekttreffen in Rabat 2015, wo Mohamed Abdelghani, ein Mitarbeiter des HCEFLCD, darauf hinwies, dass die Daten, mit denen VITO Modele für den Maâmora-Wald erstellte, nicht mit den empirischen Daten übereinstimmten (Pres Comp1 Maroc 2015, S. 13). Dabei ging es jedoch nicht um eine grundsätzliche Ablehnung des Projektes oder der internationalen Expert:innen. In den Gesprächen mit den lokalen Expert:innen machten diese deutlich, dass sie stolz waren, an dem Projekt teilnehmen zu können, und das Projekt aus ihrer Sicht Sinn mache, wenn es entsprechend an die lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse angepasst werde (Interview Projektmitarbeiter MM, 26. Oktober 2016, Rabat), hierzu wollten sie mit ihrer Expertise und konstruktiver Kritik beitragen.159 Dass das Projekt und die international experts für das Gelingen der Kommodifizierungsprozesse auf eben dieses spezifische Wissen der lokalen Expert:innen angewiesen waren, verschaffte diesen einen gewissen Stand im Rahmen des Projektes, den sie nutzten, um eigene Aspekte einzubringen und die Richtung des Projektes zu beeinflussen (vgl. Kap. 4.3.3). Das Verschwinden der Nutzer:innen In Kap. 4.2 habe ich beschrieben, wie sich die Rolle der lokalen Nutzer:innen in den aménagements seit der Kolonialzeit verändert hat: Waren sie zunächst weitgehend durch Ausschluss gekennzeichnet − mit dem Ziel, sie aus dem Wald herauszuhalten −, so lässt sich ab den 1970er Jahren ein verstärktes Interesse an ihnen und ihren Lebensumständen ausmachen. Ab den 1990er Jahren sollten die lokalen Gemeinschaften im Rahmen partizipativer Ansätze aktiv ins Management des Waldes einbezogen werden; diese Politik wurde mit der forcierten Gründung von Assoziationen und der Einführung von Kompensationsprogrammen im Maâmora-Wald ab den 2000er Jahren umgesetzt. Die Programme richteten sich nicht mehr, wie 159
Dabei trafen die beiden Expert:innen-Gruppen kaum direkt aufeinander. Die lokalen Expert:innen nahmen nur selten an den internationalen Workshops teil, da dort als Vertreter:innen des jeweiligen Landes meist nur hochrangige Mitglieder der Forstbehörden oder die jeweiligen Minister präsent waren. Auch auf Expert:innen-Foren wie dem jährlich stattfindenden Global Landscape Forum (GLF) waren sie nicht präsent. Umgekehrt waren jene international experts, die maßgeblich für die Projektkonzeption verantwortlich waren, kaum in Workshops ›vor Ort‹ involviert, sondern bewegten sich vor allem im Umfeld der UNKonferenzen und internationaler Treffen. Dies führte dazu, dass die beiden Gruppen von Expert:innen wenig voneinander wussten. So war einem Teil der interviewten lokalen Expert:innen das Beratungsunternehmen VITO, das eine wichtige Rolle im Projekt spielte, nicht bekannt (Interview Projektmitarbeiter AE und MM, 29. Oktober 2016, Rabat). Umgekehrt waren die Einschätzungen der international experts bezüglich der Ausstattung und Arbeitsweisen der Forstbehörden und Forschungsinstitute in Marokko, die in den Interviews geäußert wurden, weit von den tatsächlichen Gegebenheiten entfernt (Interview Berater, 16. November 2016, Marrakesch).
219
220
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
zuvor, vorrangig auf die Bäume und ihre Regeneration, sondern auf die Nutzer:innen, deren Wissen und Praktiken. Das Teilprojekt 3 des FFEM-Projektes zu partizipativen Methoden baute auf diesen Arbeiten auf − dass im Maâmora-Wald bereits erfolgreich partizipative Maßnahmen umgesetzt wurden, wurde als ein Grund genannt, warum er als Pilotstandort ausgewählt wurde. Doch dabei handelte es sich um ein Teilprojekt. Betrachtet man das FFEM-Projekt als Ganzes, fällt auf: Im Gegensatz zu den Jahren zuvor tauchen die lokalen Nutzer:innen im Projekt kaum auf, sie sind weitgehend abwesend. Und wo sie auftauchen, wie im Teilprojekt 3, spielen sie eine Rolle, die sich von den früheren partizipativen Ansätzen wesentlich unterscheidet. Diese ›Abwesenheit‹ der lokalen Nutzer:innen zeigt sich nicht nur im Hinblick auf das FFEM-Projekt, sondern auch in den Studien zu mediterranen Wäldern, die in Verbindung mit dem Projekt standen. Zwar werden zu Beginn der Publikation State of Mediterranean Forests (FAO und Plan Bleu 2013) die sozio-ökonomischen Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden des Mittelmeerraumes kurz thematisiert. Der Rest der rund 180 Seiten beschäftigt sich jedoch nahezu ausschließlich mit den Wäldern, ihren Bäumen, deren Funktionen und Produkten. Anders als etwa in den Programmen der 1970er Jahren und 1990er Jahren fehlt eine Analyse der Lebensrealitäten und -bedingungen der Bevölkerungen vor Ort. So kommt etwa der Begriff »poverty« in der gesamten Publikation nur zehn Mal vor, wobei fünf Mal davon auf den erwähnten Vergleich der Ökonomien des Nord- und Südufers des Mittelmeeres entfallen; »users« taucht im gesamten Dokument nur sieben Mal auf. In den Zieldefinitionen des FFEM-Projektes kamen die Nutzer:innen oder die Verbesserung deren Lebensbedingungen nicht vor, als Ziele wurden stattdessen genannt »to maximize the production of goods and services of Mediterranean forest ecosystems in the context of climate change«, »to promote sustainable management of forest ecosystems by optimizing the production of goods and services (including carbon sequestration)« und »to explore REDD+ opportunities in the Mediterranean« (FAO 2012a). Local knowledge, das spezifische Wissen der Nutzer:innen vor Ort, spielte dabei, anders als etwa im Bereich Biodiversität, keine Rolle: Die Methoden, die zur Gewinnung der für REDD+ nötigen Daten angewandt werden, benötigen das technische Expertenwissen der Verwaltungsebene und der Forstwissenschaftler:innen, und deren Fähigkeiten, die Kenntnisse über lokale Gegebenheiten in eben solches zu übersetzen. Das lokale Wissen, stellt auch der MethodenReport für Komponente 2 des Projektes fest, decke sich nicht unbedingt mit der Form von Daten und Valuierung, die in einem solchen Projekte angestrebt werde: »The traditional knowledge people have, particularly in rural areas, may not always align with the approached used by experts in questionnaires.« (Comp2 Report methodology, S. 78).
4 Feldstudie
In den Fragebögen, die zur Auswahl zwischen möglichen Projekt-Standorten dienten, wurde keine sozio-ökonomische Analyse oder Beschreibung der sozialen Situation der Nutzer:innen verlangt, jedoch wurde abgefragt, ob sozioökonomische Daten in quantitativer Form für das Gebiet vorliegen, und wie häufig diese erhoben werden (vgl. FI SP Tlemcen). Im Projektleitfaden, einem der zentralen Dokumente des Projektes, werden die lokalen Gemeinschaften nur erwähnt unter Punkt 3, »Analysis of the direct and underlying drivers of the deterioration« – als Teil der »Treiber«, die zur Degradation des Waldes führten (Guide FFEM, S. 57). So spricht das Dokument von »Direct drivers: illegal logging, overgrazing, forest fires etc.« und von »Underlying drivers: Poverty, demographic growth etc.«. Über diese sollen, so heißt es dort, Daten gewonnen werden: entweder durch die Einschätzung von Experten:innen, die mit der Situation vor Ort vertraut seien, aus »Default-Quellen«, etwa vorliegenden Studien der FAO oder Untersuchungen aus anderen Regionen, oder, wo möglich, aus (quantitativen) Studien, im besten Fall erhoben zu verschiedenen Zeitpunkten.160 Diese (diskursive) Exklusion der lokalen Nutzer:innen war nicht vollständig. Wo die lokalen Gemeinden eine Stimme bekamen, geschah diese allerdings nur über die lokalen Expert:innen, insbesondere jene, die in direktem Kontakt mit den Gemeinden standen. Diese brachten, wie in den letzten Abschnitten beschrieben, Themen wie Nutzungsrechte, Armut oder Entwicklung der ländlichen Räume ein. Die Teilnahme dieser Expert:innen beschränkte sich jedoch auf einzelne Workshops, und die Argumente, die sie einbrachten, wurden nicht in die Kerndokumente des Projektes integriert. Partizipatives Management — gleicher Ansatz, neuer Zweck Der volle Titel des Teilprojektes 3 des FFEM-Projekt lautete: »Improve governance models for woodland ecosystems at an area level to promote local-level strategies for reducing anthropogenic pressures on these ecosystems while ensuring that the goods and services on which users depend can be maintained in the long term« (Comp3 2013 Report methodology, S. 1). Die Einbeziehung der lokalen Nutzer:innen war also durchaus vorgesehen, allerdings auf eine sehr spezifische Art. Im ausführlichen Methoden-Bericht für Komponente 3 wurde der Einsatz der partizipativen Ansätze wie folgt begründet:
160 Dies steht im Gegensatz zum Antragsdokument des FFEM-Projektes, wo die Bedeutung des Maâmora-Waldes für Bewohner:innen noch hervorgehoben wurde – allerdings in Zusammenhang mit der Warnung, dass die lokal angewandten Praktiken und Nutzungen, wenn sie nicht eingedämmt würden, zur Degradation der Ökosysteme führen und den Klimawandel verstärken könnten: »leurs pratiques et usages des biens et services rendus par la forêt, s’il n’est pas engorgé et contrôlé, dégradent les écosystèmes et/ou peut exacerber les impacts du changement climatique« (NEP FFEM project, S. 39).
221
222
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
»The participation of the various stakeholders in decision-making and implementation processes is one of the founding principles of good governance. It helps enhance awareness-raising and learning processes, and therefore the quality of decisions, contribute to independence and promote democratic citizenship (FAO, 2000; Stringer et al. 2006; Kuper et al., 2009). Participation is key in order to increase the social acceptance and legitimacy of the planning process and to guide public support for planning decisions, and consequently achieve the efficient and profitable implementation of actions« (Comp3 2013 Report methodology, S. 16). Werden im ersten Teil des zitierten Abschnittes noch die erhofften ›Lernprozesse‹ angesprochen, der Beitrag zum Aufbau einer demokratischen Staatsbürgerlichkeit, so verdeutlicht der zweite Teil das instrumentelle Verständnis von Partizipation, das im Projekt vorherrschte. Die »Effizienz«, die hier angesprochen wird, impliziert, dass es sich keineswegs um eine offene Herangehensweise handelt, die den Betroffenen tatsächliche Mitbestimmung ermöglicht, sondern dass es vielmehr darum geht, bestimmte, vorgegebene Ziele möglichst ressourcenschonend umzusetzen. So wurden zu Beginn des Projektes Umfragen in einem Teil der Gemeinden im Gebiet gemacht, in deren Rahmen die Befragten bestimmte, vorgegebene Kategorien auswählen und priorisieren sollten (Pres Comp3 Maroc 2015, S. 3). Dies diente jedoch nicht dazu, auf dieser Basis Ziele zu formulieren oder dies in die Konzeption von Maßnahmen einfließen zu lassen. Stattdessen wurde anhand der Ergebnisse überprüft, inwieweit diese Priorisierung der Nutzer:innen mit den im Projekt vorgegebenen Zielen übereinstimme, wo also vorrangig Handlungsbedarf im Sinne einer ›Weiterbildung‹ der lokalen Gemeinschaften nötig sei (vgl. Kap. 4.2.3). Anders als in vielen der Projekte, die aus einer Perspektive der Political Ecology als Beispiel für green governmentality untersucht wurden (Kap. 2.2.), war die Formierung ›grüner Subjekte‹ nicht der Kern des FFEM-Projektes. Im Gegenteil: Verglichen mit den anderen vier Komponenten des Projektes war für Teilprojekt 3 das kleinste Budget vorgesehen.161 Anders als bei Komponenten 1, 2 und 4, an denen neben den nationalen Ansprechpartner:innen für das Projekt noch eine Reihe von internationalen Expert:innen und Organisationen beteiligt waren, wurde das umfangreiche Teilprojekt 3 in Marokko nahezu allein von den beiden lokalen Projektverantwortlichen durchgeführt (Interview Projektmitarbeiter WM, 24. April 2019, Rabat). Die Maßnahmen, die im Rahmen der Komponente 3 versucht wurden zu verankern, waren kein Selbstzweck. Sie dienten, weder praktisch noch diskursiv, einem Mehr an Demokratie, der verstärkten Beteiligung der Betroffenen oder 161
Für die Komponente 3 waren 1,45 Millionen Euro von insgesamt 8,5 Millionen vorgesehen. Für Komponente 1 betrug das Budget 2,08 Millionen; für Komponenten 2 1,54 Millionen, und für Komponente 4 2,17 Millionen Euro. Hinzu kamen 1,1 Millionen für Teilprojekt 5, das jedoch der Koordination diente und sich teils mit den anderen überschnitt (NEP FFEM project, S. 54).
4 Feldstudie
dazu, deren Lebensbedingungen zu verbessern. Wo die lokalen Nutzer.innen und ihr Verhalten eine Rolle spielten, taten sie dies in Bezug auf die Wälder und ihre goods and services. Die Einbeziehung lokaler Gemeinschaften ist, wie mehrfach betont wurde, eine Voraussetzung für die Teilnahme am REDD+-Programm oder an den freiwilligen Kohlenstoffmärkten (FFEM Guide, S. 31). Die partizipativen Ansätze, die damit verbundene ›Bildung‹, der Aufbau bestimmter Institutionen und das Einüben von Praktiken, die im Rahmen des Projektes durchgeführt werden sollten, sollten verhindern, dass die lokalen Nutzer:innen das Kapital, das in den Wäldern und ihren Funktionen identifiziert (und produziert) wurde, gefährdeten.
Zeit-Räume der Bewertung Der Aufbau von Verbindungen, die Vernetzung spielte eine zentrale Rolle im FFEMProjekt. Das »sharing of information on Mediterranean issues« in Bezug auf Klimawandel und »best practices« gehörte explizit zu den Zielen des Projektes (FFEM Guide, S. 8f.). Dabei ging es nicht nur um die Weitergabe von Informationen, sondern auch darum, verschiedene Akteure in Kontakt miteinander zu bringen. Ein großer Teil der Treffen, Workshops und Prozesse innerhalb des Projektes diente allein dem Ziel, dass sich die Akteure aus den verschiedenen beteiligten Staaten, aus verschiedenen Sektoren oder Regionen austauschten: »Distribution and improvement of governance approaches and tools will be even more effective as networks working on different levels and in varied communities are put in contact with each other.« (FFEM Guide, S. 25) Betrachtet man den Prozess des Markt-Machens genauer, wie ihn etwa Callon (2007) beschreibt, so wird die Relevanz dieses Austausches deutlich: Der Aufbau von Märkten beruht auf dem Aufbauen neuer Verbindungen und dem Kappen von anderen. Es handelt sich um Prozesse, für die der Austausch von Informationen, das Generieren neuen Wissens, das In-Verbindung-Bringen von verschiedenen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren eine entscheidende Rolle spielt − nur darüber kann der entsprechende Markt-Raum geschaffen und begrenzt werden. Auch die Ausweitung des Kohlenstoffhandels auf den Mittelmeerraum erfordert und schafft neue ›Markt-Räume‹. Sie erfordert aber, wie ich im Folgenden argumentiere, zugleich einen bestimmten zeitlichen Rahmen, die Schaffung bestimmter temporalities. Erst die Verschränkung von beiden, die Herstellung und Stabilisierung bestimmter time-spaces, bestimmter Möglichkeitsräume, ermöglicht die Inwertsetzung der ecosystem services. Markt-Räume mediterraner Wälder In welchem geographischen Rahmen, auf welcher Ebene spielt sich der Kohlenstoffhandel ab? Welche Verschiebungen in räumlichen Bezügen des Waldes erge-
223
224
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
ben sich durch die geplante Einbeziehung der Wälder in den Kohlenstoffhandel, welche neuen scales werden geschaffen? In Studien zu Offset-Projekten wurde häufig der Kontrast und das Zusammenspiel zwischen einem globalen oder internationalen Kohlenstoffmarkt und den lokal verorteten Projekten betont: »The process of creating a carbon commodity exists within a constant dialectical tension between the international carbon market and local socionatural relations« (Bumpus 2011, S. 614). Auch im Fall des FFEM-Projektes lassen sich gegenüber früheren aménagements Verschiebungen in den räumlichen Bezügen ausmachen, diese sind allerdings weniger dichotom. Die Bedeutung einer globalen Perspektive für Entscheidungen über die Bewirtschaftung des Waldes nimmt weiter zu; zugleich kommt im Rahmen des Markt-Aufbaus jedoch mit der regionalen eine weitere räumliche Ebene ins Spiel. Aus der Perspektive der Atmosphäre Der Bezug zur globalen Ebene ergibt sich bereits aus dem Klima-Diskurs, der den Rahmen des Projektes bildet. Wie im vorangehenden Kapitel beschrieben, gewinnt in der Politik des Waldes ab den 1990er Jahren die globale Ebene an Bedeutung: Die Bewirtschaftung des Waldes wird zunehmend (auch) in Bezug auf globale Umweltprobleme wie den Klimawandel gedacht. Mit der Neuausrichtung der Waldbewirtschaftung auf REDD+ gewinnt dieser räumliche Bezug weiter an Bedeutung: Klimawandel ist, wie internationale Abkommen immer wieder betonen, ein globales Problem, das nur durch internationale Kooperation gelöst werden kann. Die internationale Klimapolitik definiert ihre Ziele auf globaler Ebene: Das 2-Grad- und das 1,5-Grad-Ziel beziehen sich auf die durchschnittliche Temperaturerhöhung der gesamten Erdatmosphäre.162 Diese globale Perspektive ist verknüpft mit der Wissensgenerierung: Die Klimamodelle, auf denen die Berechnungen der globalen Erwärmung beruhen, ebenso wie die Szenarien, die den Prognosen des IPCC zugrunde liegen, sind globale Modelle. Dies macht Sinn, da über Meeresströmungen und atmosphärische Zirkulation Wärmeaustausch stattfindet, die Erwärmung einer Region also nur in Zusammenhang mit anderen verstanden werden kann; es führt aber dazu, dass die Prognosen für Erwärmung oder den Anstieg des Meeresspiegels ungenauer werden, je weiter man sich von dieser globalen Betrachtungsebene entfernt, und dem-
162
Der Ansatz, den Klimawandel selbstverständlich als globales Problem darzustellen, ist und wird immer wieder in Frage gestellt, zuletzt auch zunehmend aus einer Perspektive der STS und der kritischen Adaptationsforschung, die Klimawandel als »neutral, apolitical, and universal imaginary projected by climate science, and detached from local responses to climate« (Jasanoff 2010, S. 235) in Frage stellt und die Diversitäten und Ungleichheiten, die sich etwa in der Anpassung an veränderte Klimabedingungen zeigen, betonen (Klepp und ChavezRodriguez 2018).
4 Feldstudie
entsprechend eine hohe Unsicherheit aufweisen (IPCC 2013; vgl. auch Mahony und Hulme 2012; Yates et al. 2018). Dies gilt insbesondere für jene Regionen, die nicht im Zentrum der Berechnungen stehen, für die Daten fehlen oder die selbst wenig oder keinen Zugang zu den Infrastrukturen der Modellierung haben.163 Die Idee des Emissionshandels beruht auf einer solchen Perspektive des Klimawandels als globalem Problem: »because the problem of climate change was early on conceived ›from the point of view of the atmosphere‹, it did not matter where in the world a reduction in emissions took place.« (Gutiérrez 2011, S. 641). Die De-lokalisierung der Emissionen, die aus ihrem lebensweltlichen Kontext herausgelöst werden, um auf einem ›globalen‹ Markt gehandelt zu werden, ist in vielen Studien zu Offset-Projekten thematisiert und problematisiert worden (Lansing 2011; Leach und Scoones 2013; Bumpus und Liverman 2008; Bumpus 2011; Robertson 2016). In der Praxis allerdings hat ein solch globaler Kohlenstoffmarkt nie existiert. Auf den jungen, experimentellen Kohlenstoffmärkten ist der »heiße Anteil«, wie Callon (2009, S. 542) ihn nennt, besonders ausgeprägt: »debates, issues, feelings, matters of concern, dissatisfaction, regrets, and plans to alter existing rules, which cannot be internalized once and for all because they are linked to irreducible uncertainties« sind dort eine stetige Quelle für Unruhe und Ungleichgewicht. Wo die idealisierten Modelle der Märkte implementiert werden, stoßen sie im Rahmen der Framing-Prozesse auf die unebenen Gegebenheiten der realen Welt, auf Datenlücken, Interessen, Ungleichheiten. Kohlenstoffmärkte ›in the real‹ stellen ein zersplittertes Netz verschiedener Märkte für Kohlenstoffzertifikate dar, Märkte, auf denen unterschiedliche Regeln gelten und die einander teils überlappen, teils ausschließen und auf komplexe Systeme verschiedener scales und spaces verweisen. Diese heterogene Realität der Kohlenstoffmärkte macht klar, dass es beim Aufbau von REDD+ nicht darum gehen konnte, den Mittelmeerraum einfach in einen bestehenden Markt zu integrieren oder einen solchen Markt auf den Mittelmeerraum auszuweiten. Bis Ende der 2000er gab es keine REDD+-Projekte in mediterranen Wäldern, REDD+ bezog sich auf tropische Wälder und war für diese konzipiert. Im Prozess des Marktaufbaus musste sowohl das handelbare Objekt hergestellt werden als auch der räumliche Bezugsrahmen des Marktes. Bei beiden
163
So lagen für den Mittelmeerraum und Nordafrika lange Zeit nur wenige und vereinzelte Klimaprognosen vor. Über die letzten Jahre haben Forschungsgruppen versucht, die globalen Prognosen auf die regionale Ebene zu übersetzen (vgl. etwa Benedetti et al. 2018; Lejeusne et al. 2010; Slangen et al. 2017 und Adloff et al. 2015 zu möglichen Auswirkungen auf das Mittelmeer selbst, Lelieveld et al. 2016 zu Hitzephänomenen). 2015 wurde der Zusammenschluss Mediterranean Experts on Climate Change (MedECC) gegründet, 2020 hat er die vorläufige Version seines ersten Berichts veröffentlicht (MedECC 2020).
225
226
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
handelte es sich nicht um de-lokalisierte Einheiten, sondern umgekehrt um economic entities, deren Bezug zu einer bestimmten Lokalität − dem mediterranen Raum − eine wesentliche Qualität und die Grundlage ihres Wertes ausmachte. Kohlenstoffreduzierungen aus mediterranen Wäldern Ein erster kritischer Schritt zur Inwertsetzung der Kohlenstoffaufnahme von Wäldern besteht zunächst darin, zu definieren, was ein Wald ist. Ab welcher Dichte gilt ein Gebiet als Wald, wann ist es eine Savanne? Welche Höhe müssen die Bäume haben, damit es nicht als Buschland zählt? Sind Plantagen Wälder? Und wenn nicht, was unterscheidet eine Plantage von einem Nutzwald? Im Rahmen der REDD+-Verhandlungen wurde beschlossen, auf die Definition zurückzugreifen, die auch für den CDM verwendet wurde: Ein Wald ist demnach ein Gebiet von mindestens 0,05 bis 1 Hektar mit einer Kronendichte von mehr als 10 bis 30 Prozent, mit Bäumen, die ausgewachsen eine Höhe von mindestens 2 bis 5 Metern erreichen können. Diese Definition gibt, wie deutlich wird, nur einen Rahmen vor, das jeweilige Mitgliedsland muss sie spezifizieren. So heißt es in Bezug auf Nicht-Annex-I-Länder: »For a non-Annex I Party, the Party selects a single minimum tree crown cover value between 10 and 30 per cent, a single minimum land area value between 0.05 and 1 hectare,and a single minimum tree height value between 2 and 5 metres, as provided under paragraph 8 of the Annex to decision 5/CMP.1.« (UNFCCC 2020c, S. 11) Eine solche CDM-Definition hatte von den Partner-Ländern des FFEM-Projektes bisher nur Marokko ausgearbeitet (Comp4 2013 CR, S. 8). Für die anderen PartnerLänder wurde daher die Wald-Definition der FAO verwendet: »land spanning more than 0.5 hectares with trees higher than 5 meters and a canopy cover of more than 10 percent, or trees able to reach these thresholds in situ«.164 Das Problem des Framings stellte sich auch in Bezug auf mediterrane Wälder (UNFCCC 2020c, S. 11): Wenn diese in Form von REDD+ oder anderen ökonomischen Instrumenten in Märkte für Ökosystem-Dienstleistungen einbezogen werden sollen, müssen sie als ›Objekt‹ erst einmal geschaffen werden, sie müssen definiert, begrenzt, unterscheidbar und bewertbar gemacht werden. Der Aufbau neuer Märkte steht hier in direktem Zusammenhang mit den in Kap. 4.1. beschriebenen Dynamiken, mediterrane Wälder verstärkt als eigenen ökologischen Raum zu erforschen, zu behandeln und darzustellen. Die Einrichtung neuer Institutionen, die Vorstellung der Initiative in verschiedenen politischen Foren und die Erstellung regelmäßiger Berichte zum State of the Mediterranean Forest (FAO und Plan Bleu 2013, 164 Diese Grunddefinition wird durch verschiedene Erläuterungen weiter spezifiziert, vgl. FAO 2012b, S. 3.
4 Feldstudie
2018) – zu denen auch die Ausarbeitung neuer Karten gehörte – ,165 waren sowohl Ergebnis als auch Voraussetzung für die Einbeziehung des mediterranen Raumes in die neuen Märkte für Ökosystemdienstleistungen. Neben diesem ersten Aspekt des Framings ging es in einem zweiten darum, Bewertungsmaßstäbe und -mechanismen zu schaffen, die die mediterranen Wälder und ihre ›Dienstleistungen‹ in Verhältnis zu anderen setzen konnten. Aufgrund ihrer physischen Eigenschaften, ihrer Materialität − etwa ihrer geringen Dichte und ihres langsamen Wachstums − konnten die mediterranen Wälder nicht direkt mit den tropischen Wäldern verglichen werden, um ihnen einen Wert zuzuweisen. Die Bewertungsmaßstäbe, die für Sequestrationsprojekte in tropischen Ländern genutzt wurden, lassen sich nicht ohne Weiteres auf den Mittelmeerraum übertragen.166 Um hier ein FFEM-Projekt zu realisieren, stellte auch das Antragsdokument des FFEM-Projektes fest, sei es nötig, eigene Methodologien für diesen spezifischen geographischen Raum zu entwickeln: »L’accord de Cancun a validé politiquement la mise en place d’un mécanisme REDD+ qui n’exclut pas les forêts méditerranéennes, mais qui reste très focalisé sur les forêts tropicales et dont les modalités de mise en oeuvre technique sont assez éloignées de la réalité du contexte régional méditerranéen. Cela est particulièrement vrai lorsque l’on s’intéresse au paysage de méthodologies REDD+ validées ou en cours de validation par les standards internationaux du carbone. Que ce soit en faire valoir national ou international, de manière volontaire ou contraignante, selon les modalités LULUCF du Protocole de Kyoto ou selon celles du mécanismes REDD+, les six pays cibles du présent projet FFEM ont besoin d’outils méthodologiques adaptés à leurs contexte forestier.« (NEP FFEM project, S. 33) Der Projektleitfaden bestätigte und konkretisierte diese Pläne: »Discussions on the REDD+ mechanism are highly focused on tropical forests. The existing methodologies are not very suitable for the Mediterranean context and the degradation dynamics observed there. Confronted by this situation, the project leaders suggest developing a methodology suitable for Mediterranean
165
Dass für den SoMF 2013 neue Karten erstellt wurden, die die aktuelle Verbreitung und vor allem die Grenzen der mediterranen Wälder zeigten, wurde bei der Vorstellung des Berichtes ausdrücklich betont (Pres FFEM 2012 SoMF, S. 17). Im Gegensatz zu vielen anderen Dokumenten und kartographischen Darstellungen unterschieden diese deutlich zwischen mediterranen und nicht-mediterranen Wäldern, etwa in Ländern wie Frankreich oder Italien, bei denen nur in einem Teil des Landes mediterrane Klimabedingungen herrschen. 166 So wird beispielsweise der Kohlenstoffgehalt von Bäumen oder Wäldern häufig über allometrische Gleichungen aus anderen Parametern berechnet, die lange Zeit vor allem für tropische Wälder oder Wälder der gemäßigten Breiten vorlagen.
227
228
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
forests. This methodology should quantify emission reductions or absorption gains due to efforts to reduce pressures and enhance carbon sequestration. While it will take into account existing methodologies and initial experience feedback, its main purpose is to take into account the specifics of Mediterranean forests which include smaller and more dispersed forest surface areas than in tropical zones, lower rates of – and smaller increases in – carbon sequestration per hectare, gradual degradation, significant overgrazing, drought and desertification.« (FFEM Guide, S. 33) Die Pilot-Standorte sollten dazu dienen, diese Methodologie zu entwickeln, bestehende Praktiken anzuwenden, zu testen und neue zu entwickeln. Dabei sollte es weniger darum gehen, speziell an diesen Orten ausgereifte Projekte aufzubauen, sondern vielmehr darum, eine Datengrundlage zu schaffen, um eine einheitliche Methodologie zur Berechnung und Bewertung von Offset-Projekten ausarbeiten zu können: »While the project is based on the development of activities on pilot sites, these must also serve the project’s regional perspective. These pilot experiments should act as demonstrators and be transferable to other contexts in the sub-region.« (FFEM Guide, S. 10) Die Pilotstandorte und die Forschung an ihnen sollten helfen, eine Grundlage für Vergleiche zu schaffen. Diese würden es ermöglichen, einzelne Einheiten innerhalb dieses neuen Rahmens in Beziehung zueinander zu setzen und zu bewerten − etwa die Entwicklung eines Waldstückes in Marokko mit der eines Waldstückes in Algerien −, und diese regionalen Ansätze wiederum in Verbindung zu bringen mit Projekten in anderen Regionen, um daraus eine Bewertung abzuleiten. Dies sollte nicht nur die Einbeziehung der mediterranen Wälder in REDD+-Programme ermöglichen, sondern ihnen auch den Zugang zu anderen Kohlenstoffmärkten öffnen, etwa den freiwilligen Märkten.167 Schließlich sollte in einem dritten Schritt der Mittelmeerraum auf der internationalen Bühne vermehrt als eigenständiger Akteur präsent sein: Die veränderten Ziele des Teilprojekts 4 sahen nicht nur vor, die beteiligten Länder im Rahmen der UN-Klima-Verhandlungen durch Schulungen und Beratungen zu unterstützen, sondern auch, der ›Region‹ in den Klima- und REDD+-Verhandlungen ein stärkeres Gewicht zu verleihen:
167
So heißt es im Projektleitfaden: »The project also gives the opportunity to develop new methodologies suitable for the Mediterranean woodlands context on these pilot sites. These new methodologies are to help include Mediterranean countries in initiatives to which they currently have little or no access, such as Voluntary Forest Carbon Markets.« (FFEM Guide, S. 10)
4 Feldstudie
»In the spirit of Silva Mediterranea missions, the project wants to unite the voices of Mediterranean countries to give the region more weight in international negotiations on climate change in general and on the development of a REDD+ mechanism in particular.« (FFEM Guide, S. 7) Dabei ging es nicht darum, die Region einfach in den bestehenden ›Markt-Raum‹ einzugliedern. Der Aspekt des Unterscheidens war hier sehr viel deutlicher ausgeprägt. Sowohl von Seiten der Projektleiter:innen als auch der lokalen Expert:innen kristallisierte sich im Laufe des Projektes die Idee heraus, gerade die Besonderheiten des mediterranen Raumes als Wert herauszustellen. Im Gegensatz zu tropischen Wäldern würden mediterrane Wälder zwar nur wenig CO2 aufnehmen, hingegen seien die co-benefits, die positiven Auswirkungen einer guten Bewirtschaftung in ökologischer und sozialer Hinsicht sehr viel größer. Und eben dies solle in die Bewertung einbezogen werden, wie ein Mitarbeiter des HCEFLCD argumentierte: »Ne faut-il pas dire au décideurs que le carbone de la région méditerranéenne est beaucoup plus cher que le carbone de […] la zone ecuatoriénne?« (Interview Projektmitarbeiter AE, 29. Oktober 2016, Rabat). Am 6. April 2014 reichte Tunesien bei der UNFCCC ein Papier zu REDD+ ein, das im Rahmen des Projektes erarbeitet worden war und in dem für die Bewertung eine stärkere Berücksichtigung von Kriterien jenseits der Kohlenstoffdioxid-Aufnahme im Rahmen von REDD+ gefordert wurde, gerade im Fall mediterraner Wälder (Comp4 2014 soumission).168 Es lassen sich also drei Aspekte des Raumbezugs erkennen, die für das Framing entscheidend sind: die Herstellung und Abgrenzung mediterraner Wälder als Objekt und (Markt)Raum; die Erarbeitung spezifischer Methodologien zur Bewertung, die diesem angepasst sind und Vergleiche innerhalb dieses Raumes ermöglichen; schließlich das In-Verbindung-Bringen mit anderen Markt-Räumen, in dessen Rahmen versucht wurde, die (regionale) Verortung als besonderen Wert zu etablieren. Die intensive Beschäftigung mit mediterranen Wäldern, die sich im Umfeld des Projekts zeigt, ist also zugleich eine Voraussetzung und eine Folge deren (potentieller) Inwertsetzung (vgl. Kap. 5). Temporalities of marketization: Verknappung in der Zeit als Strategie Der Aufbau eines räumlichen Bezugsrahmens war ein Element der Inwertsetzung der Ökosystemdienstleistungen der Wälder im Mittelmeerraum. Im Fall des FFEMProjektes reichte dies jedoch nicht aus: Es muss zugleich ein bestimmter zeitlicher 168 Wie oben dargestellt, war REDD+ zu diesem Zeitpunkt bereits stark ausgeweitet worden und umfasste eine Reihe von safeguards, Kriterien, die eingehalten werden mussten, damit das Projekt genehmigt werden konnte. Die (monetäre) Bewertung beruhte jedoch weiterhin nur auf der berechneten Aufnahme von Emissionen. Tunesien schlug in dem Papier vor, feste Kriterien für non-carbon benefits zu erarbeiten und zu klären, inwieweit diese in result-based payments einbezogen werden können.
229
230
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Rahmen geschaffen werden, um den ›Dienstleistungen‹ der Wälder einen Wert zuweisen zu können. Neben dem framing of spaces, dem Abgrenzen von und dem Vergleichen räumlicher Ordnungen, war zusätzlich ein framing of temporalities nötig.169 Im Versuch, Märkte für die Funktionen der Wälder im Mittelmeerraum aufzubauen, spielten Zeitlichkeiten und die Beziehungen zwischen ihnen in dreifacher Hinsicht eine Rolle: (1) bei der Ausrichtung des Projektes auf einen künftigen Markt; (2) bei der Zuweisung und Berechnung eines Preises für die Ökosystemdienstleistungen und schließlich (3) bei der Herstellung einer (fiktiven) Knappheit, die die Inwertsetzung erst ermöglichte. Discoursive commodities Das FFEM-Projekt ist − wie derzeit fast alle Projekte, die unter dem Label REDD+ laufen − ein Projekt, das auf die Zukunft gerichtet ist. Derzeit existieren keine funktionalen REDD+-Märkte; wie der Begriff »REDDiness« deutlich macht, geht es darum, die beteiligten Länder auf einen künftigen Markt vorzubereiten.170 Die konkreten Formen dieses Marktes, die entsprechenden Regeln und Standards sind bisher nicht oder nur teilweise festgelegt und von künftigen politischen Entscheidungen, aber auch technischen Entwicklungen abhängig. Die Vorbereitung des Marktes orientiert sich demnach vor allem an Erwartungen bezüglich künftiger Entwicklungen: So hat die prominente Aufnahme von REDD+ ins Pariser Abkommen dem Konzept neuen Aufschub gegeben, ebenso die Ankündigung der internationalen Luftfahrtindustrie, über das Instrument CORSIA Emissionen ausgleichen zu wollen. Auch im Rahmen des FFEM-Projektes wurde wiederholt auf die Möglichkeit hingewiesen, durch die entsprechende Vorbereitung an künftigen Emissionshandelssystemen teilnehmen zu können, oder − was im Rahmen des Projektes bedeutsamer war − über entsprechende Programme Zugang zu Fördergeldern zu bekommen. Die Frage, inwieweit diese Märkte tatsächlich in Kraft treten, welche Verbindungen künftig zwischen den Wäldern und bestehenden oder entstehenden Kohlenstoffmärkten eingegangen werden, ist weiterhin offen. Die Vorbereitungen orientieren sich, neben den Erwartungen, die sich aus politischen Entwicklungen und 169 Die Rolle von temporalities bei der Kommodifizierung und Bewertung von Ressourcen ist in den letzten Jahren vermehrt untersucht wurden, etwa in Bezug auf fossile Brennstoffe (Mason 2007; Weszkalnys 2008, 2014) oder Diamanten (D’Angelo Lorenzo 2018); für eine Übersicht vgl. Ferry und Limbert 2008b. Temporalities, expectation und prediction spielen insbesondere auf Finanzmärkten und bei der Finanzialisierung von Gütern eine entscheidende Rolle (Knox-Hayes 2013, Miyazaki 2003, vgl. auch Kap. 5). 170 »REDDiness«, eine Wortschöpfung, die sich auf engl. readiness bezieht, ist eine Bezeichnung für die ersten Phasen von REDD+, in denen der Aufbau von Monitoring und SafeguardSystemen im Vordergrund steht und in denen noch keine result-based payments gezahlt werden.
4 Feldstudie
Beschlüssen ergeben − und die stark durch die international experts und ihre Einschätzungen geprägt sind − vor allem an den technischen Möglichkeiten, die Kohlenstoffaufnahme und -speicherung von Wäldern zu berechnen oder zu schätzen. Auch in diesem Fall spielen Erwartungen eine Rolle: Die REDDiness-Programme basieren nicht auf empirischen Daten, die zeigen, dass bestimmte Maßnahmen eine Senkung der Treibhausgase in der Atmosphäre bewirken, sondern auf der Hoffnung, dass die nötigen Vorbereitungen, die Investitionen, Trainings und der Aufbau von Monitoring-Systemen in Zukunft solche Daten liefern können; zugleich haben diese Erwartungen konkrete, physische Auswirkungen im Hier und Jetzt. »Markets«, schreiben Fairhead et al. (2012, S. 246), »operate on the speculatory promise of science, not its findings […]. Technology expectations therefore march ahead of technological realities, but provide the basis for raising funding, and the assertion of value«. Calculating the past, calculating the future Erwartungen und Prognosen bilden nicht nur die Grundlage für die Entscheidung, im Mittelmeerraum mit dem Aufbau von Kohlenstoffmärkten zu beginnen, sondern auch für die Herstellung der damit verbundenen Waren und die Berechnung ihres Wertes. Temporalities und expectations bilden den Kern jedes REDD+Projektes. Das Aufspannen eines bestimmten time-spaces, eines ›Möglichkeitsraumes‹ verschiedener Entwicklungen, ist die Voraussetzung dafür, die Atmung der Bäume in Wert zu setzen. Wieviel CO2 ein Wald aufnimmt und speichert, lässt sich nicht messen; anders als zu erwarten wäre, fanden hierzu im Rahmen des Projektes auch keine Messungen oder Berechnungen statt. Im Gegenteil: Im Rahmen der Komponente 2, die den monetären Wert des Maâmora-Waldes berechnen sollte, wurde die Aufnahme und Speicherung von Kohlenstoffdioxid nicht berücksichtigt. Im Interview erklärte der Projektverantwortliche, dass die dafür nötigen Daten nicht verfügbar seien: »ME: Donc on a éliminé la sequestration de carbone, et l’amélioration de [l’eau], ou la filtration des nitrates. […] I: Parce qu’il n’y avait pas assez de données? ME: C’est très compliqué. Pour l’infiltration par example, on n’avait pas de données […]. Dans la forêt, il y a plusieurs espèces d’arbres. Il y a le chêne, il y a l’eucalyptus, il y a le pin, il y a l’acacia … On ne sait pas […] le pouvoir de filtration de chaqu’un des arbres. En plus de ça, l’eau, ça veut dire l’eau subterraine qui est là, elle communique avec un terrain qui est très très large, […] et on ne sait pas: Est-ce que la filtration se fait ici ou bien se fait allieurs. […] Et pour la séquestration de carbone, on n’avait pas le coéfficient, le coéfficient de conversion dans le systeme racinaire, le tronc, les branches et le feuillage […], donc ça, on en a pas. On a défini
231
232
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
une méthode, mais on n’avait pas de données.« (Interview Projektmitarbeiter ME, 26. Juli 2017, Rabat) Stattdessen sollte, wie in Offset-Projekten üblich, das eingesparte CO2 über den Vergleich zweier Zukunftsszenarien geschätzt werden: einem Szenario mit Maßnahmen im Rahmen von REDD+-Programmen oder entsprechenden Projekten, und einem Default-Szenario ohne solche. Im Rahmen des FFEM-Projektes tauchte früh eine Grafik auf, die in verschiedenen Dokumenten, Präsentationen und Workshops genutzt wurde, um das Grundprinzip des Projektes zu verdeutlichen (Abb. 8). Es handelt sich um ein Diagramm, bei dem auf der x-Achse der zeitliche Verlauf dargestellt ist − ausgehend vom Projektstart oder einem früheren Zeitpunkt −, und auf der y-Achse der im Wald gespeicherte Kohlenstoff, der meist aus der Waldfläche abgeleitet wird.171 Zwei Verläufe sind eingezeichnet: Als blaue, fallende Kurve, das Baseline-Szenario. Und in rot das Projekt-Szenario, bei dem der Wert für den gespeicherten Kohlenstoff weitgehend konstant bleibt. Es werden also zwei mögliche Entwicklungsszenarien verglichen: Zunächst wird eine Prognose erstellt, wie der Wald sich unter den gegebenen Bedingungen in Zukunft entwickeln wird. Dann wird ein zweites Szenario entwickelt, das fragt: Wie verändert sich diese Entwicklung, wenn jetzt hier ein Projekt umgesetzt oder bestimmte Maßnahmen ergriffen werden? Für beide Szenarien wird mit Hilfe von Computermodellen berechnet, wieviel Kohlenstoffdioxid über einen bestimmten Zeitraum − je nach Art des Projekts meist 20 bis 100 Jahre − aufgenommen und gespeichert würde.172 Aus der Differenz zwischen beiden Szenarien ergibt sich die Summe von eingesparten oder zusätzlich aufgenommenen Treibhausgasen, für die die Emissionszertifikate ausgestellt und verkauft werden können. Der Wert eines REDD+-Projektes ergibt sich also aus der Differenz zwischen möglichen Entwicklungen, dem Raum zwischen zwei Szenarien für die Zukunft − ein Wert, der allein auf Erwartungen beruht. Diese ›fiktive Ware‹ ist dennoch weit davon entfernt, einfach ausgedacht zu sein. Sie wird im Gegenteil mit großem Aufwand, durch »intensive work« (Callon 2006a, S. 14) hergestellt und gesichert.
171
172
Die Fähigkeit zur CO2 -Aufnahme und -speicherung kann sich je nach Zusammensetzung des Waldes und seiner Bewirtschaftung stark unterscheiden. Aufgrund der Komplexität dieser Prozesse wird dies in den Berechnungen für REDD+ oder andere Offset-Projekte jedoch normalerweise nicht berücksichtigt, stattdessen wird angenommen, dass eine größere Ausdehnung des Waldes üblicherweise auch eine höhere CO2 -Aufnahme bedeutet. Für eine Zertifizierung nach dem Verified Carbon Standard (VCS) sind 20 Jahre das Minimum, 100 Jahre die Höchstdauer für den Projektzeitraum. Der CDM erlaubt nur sehr eingeschränkt Projekte aus dem Bereiche A/R, für diese gilt dann ein maximaler Zeitraum von 30 Jahren einmalig oder 20 Jahre mit der Option auf zweimalige Verlängerung (für eine Übersicht vgl. Michaelowa et al. 2019).
4 Feldstudie
Abb. 8 zeigt nicht nur das Grundprinzip, auf dem das Projekt basiert, sondern auch, wie die einzelnen Komponenten darin verortet sind und welchen Beitrag zu dieser Arbeit sie leisten.
Abbildung 8: Darstellung des Grundprinzips des FFEM-Projektes
Die blaue Kurve zeigt das Baseline-Szenario, die (angenommene) Entwicklung der Summe des gespeicherten Kohlenstoffs ohne Projekt über die Zeit; die rote Kurve das Szenario, das mit Projekt-Maßnahmen erwartet wird. Aus der Differenz beider Szenarien wird die Menge an eingespartem Kohlenstoffdioxid berechnet, für die Emissionszertifikate ausgestellt werden können. Quelle: Pres Comp4 2016.
So sind für die Berechnung des Baseline-Szenarios − wie würde der Wald sich entwickeln, wenn keine zusätzlichen Maßnahmen durchgeführt würden? − eine große Menge an Daten und Informationen nötig, die häufig erst im Rahmen des Projektes erhoben und zusammengetragen werden: über den aktuellen Zustand des Waldes, seine Entwicklung über die letzten Jahrzehnte, durchgeführte und laufende Bewirtschaftungsmaßnahmen, die aktuelle und die in Zukunft zu erwartende Nutzung, Prognosen über die sozio-ökonomische Entwicklung und den Einfluss, den der Klimawandel auf den Wald haben wird. Denn beim BaselineSzenario geht es nicht um den aktuellen Zustand oder darum, diesen in die Zukunft fortzuschreiben. Es ist ein eigenständiges Szenario – oder sollte dies zumindest sein –, eine modellhafte Vorhersage darüber, wie der Wald sich entwickeln wird,
233
234
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
unter Einbeziehung einer Vielzahl an Variablen, die darauf Einfluss haben könnten.173 Dazu dienten im Fall des FFEM-Projektes unter anderem die Komponente 1, in deren Rahmen der aktuelle Forschungsstand zu mediterranen Wäldern zusammengetragen wurde, und die aufwendigen Vulnerabilitätsanalysen, die im Rahmen des Projektes durchgeführt wurden, um (quantifizierbare) Prognosen erstellen zu können, wie die Wälder des Mittelmeerraumes auf verschiedene Klimaszenarien reagieren könnten. Das Projekt-Szenario wiederum erfordert eine Analyse der Faktoren, die zur Degradation oder zum Verlust von Waldflächen, und damit zu einer geringeren Aufnahme an CO2 führen oder führen könnten − aktuell, in der Vergangenheit und in der Zukunft. Aus diesen werden Maßnahmen abgeleitet, die diese Entwicklungen verhindern und so die Aufnahme von CO2 erhöhen könnten, etwa ein verändertes Management, die Aufklärung oder Einbeziehung der lokalen Bevölkerung, die Verhinderung von Überweidung. Teilprojekt 3 zu partizipativem Management sollte hier zum einen eine Analyse liefern, in welcher Form die lokalen Nutzer:innen bereits einbezogen sind, zum anderen Maßnahmen vorbereiten, die als ein Teil solcher ›Unterschiede‹ gegenüber einem Nicht-Projekt-Szenario gelten konnten. Teilprojekt 4, bei dem es direkt um REDD+ ging, sollte diese verschiedenen Vorarbeiten zusammenführen und den Maâmora-Wald, ebenso wie Marokko insgesamt, für die Teilnahme am REDD+-Programmen vorbereiten. Das ›Szenario-Machen‹, das Ausarbeiten einer, zweier oder einer anderen begrenzten Anzahl möglicher futures schafft nicht nur neue Werte, es beeinflusst selbst wiederum die Politiken im und um den Wald. Und dieses Erstellen und Nachzeichnen von (möglichen) Entwicklungslinien reicht nicht nur in die Zukunft, sondern auch zurück in die Vergangenheit. Die detaillierten digitalen Karten, die im Rahmen des Projektes erstellt wurden, bezogen sich nicht nur auf den Zeitraum des Projektes oder künftige Entwicklungen, sondern wurden auch bis in die 1980er Jahre rückwirkend erstellt (Comp1 final 2015 Maroc, S. 69f).174
173
174
Wie das Baseline-Szenario konkret erstellt wird, unterscheidet sich je nach Programm oder Standard. Der VCS etwa hat keine festen Vorgaben für die Berechnung des BaselineSzenarios. Der CDM gibt an, für A/R-Projekte könne das Baseline-Szenario aus Daten über Landnutzung, Forschung vor Ort, Daten und Einschätzungen von beteiligten Akteuren erstellt werden; ebenso können weitere Informationen einbezogen werden, etwa die Ergebnisse partizipativer Prozesse. Im Rahmen des FFEM-Projektes wurde angemerkt, dass für das Baseline-Szenario, entgegen diesen Vorgaben, häufig der Status Quo verwendet werde: »Most of the time, the baseline scenario will be a land-use status quo, proving that the area will remain deforested if the project does not take place« (FFEM Guide, S. 39; dort findet sich auch eine Übersicht über die Regelungen der verschiedenen Programme). Dabei ging es explizit nicht um die Digitalisierung der früheren, handgezeichneten Karten, sondern um die Erstellung neuer Karten auf der Grundlage von Daten, die vor allem aus den Inventarien der Forstbehörden und Forschungsinstitute stammten.
4 Feldstudie
Konstruktionen von Knappheit In den ersten Teilen dieses Kapitels habe ich mich mit dem Framing aus einer räumlichen Perspektive beschäftigt, mit der Schaffung und Abgrenzung des MarktRaumes für die Ware ›Emissionsminderung‹ in mediterranen Wäldern. Diese Prozesse des Be-Grenzens waren noch in einer anderen Hinsicht wichtig: Auch die Ware selbst musste begrenzt werden. Das, was unbegrenzt verfügbar und zugänglich ist, kann nicht inwertgesetzt werden: »the moment when something (water, air, virgin forest) becomes conceptualized as a resource, the issue of its finitude is raised« (Ferry und Limbert 2008a, S. 7). Diese Knappheit als Bedingung für die Inwertsetzung ist keine ›natürliche‹ Eigenschaft. Autor:innen aus der Politischen Ökonomie und der Political Ecology haben früh die Rolle von Knappheit für die Kommodifizierung von Natur betont, ebenso wie den Fakt, dass diese Knappheit nicht gegeben ist, sondern konstruiert und hergestellt wird (Harvey 1974; Smith 2010 [1984]; für eine Übersicht vgl. Mehta et al. 2018). Um etwas in ›Wert‹ zu setzen, muss die (künftige) Ware auf die eine oder andere Weise begrenzt werden, sie muss knapp sein oder knapp gemacht werden. Wie gezeigt, bemisst sich der Wert eines REDD+-Projektes an der Differenz zwischen Baseline- und Projekt-Szenario − je stärker sich beide voneinander unterscheiden, desto mehr Emissionszertifikate können im Rahmen des Projektes generiert werden. Betrachtet man die jüngere Geschichte des Maâmora-Waldes, und auch der Wälder des Mittelmeerraumes insgesamt, so zeigt sich – aus Sicht des Projektes – ein Problem. Denn anders als die blaue Kurve in Abb. 8 suggeriert, nimmt die Fläche des Waldes, und damit die Fähigkeit zur CO2 -Aufnahme, zum Zeitpunkt des Projektbeginns nicht ab, sondern zu. »The total stock of biomass increased by about 2 billion tonnes in the period 1990-2010, due mainly to an overall increase in forest area«, heißt es im ersten Bericht zum State of the Mediterranean Forest (FAO und Plan Bleu 2013, S. 42). Dies gilt nicht nur für die Länder am Nordufer des Mittelmeeres, wo, wie in Kap. 4.1 beschrieben, Landflucht und die Aufgabe der Landwirtschaft dazu führen, dass Gebiete ›verwalden‹. Auch in den Wäldern im Süden und Osten des Mittelmeeres lässt sich bis auf wenige Ausnahmen kein Rückgang, sondern eine Zunahme der Waldflächen feststellen, wie die Studien des FFEM-Projektes zu den fünf beteiligten Ländern zeigen: »D’après les données du FRA 2010, les surfaces forestières nettes sont restées stables ou ont augmenté (notamment en Turquie) au cours des 10 dernières années (à l’exception de l’Algérie).« (NEP FFEM project, S. 18, vgl. auch Pres Comp1 2013 CTFC, S. 7).175 Die Tatsache, dass der Wald wächst, macht REDD+ jedoch schwierig, wenn nicht unmöglich. Denn die Regeln für REDD+ schreiben eindeutig vor, dass die
175
Da die gängigen Definitionen für Wald, etwa die der FAO, Aufforstungen und Plantagen einschließen, sind diese hier eingerechnet, vgl. FAO 2012b.
235
236
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Maßnahmen zusätzlich sein müssen − es reicht nicht, bereits bestehende Maßnahmen fortzusetzen. Wenn allerdings die laufenden Bewirtschaftungsprogramme bereits dazu führen, dass die Waldfläche zunimmt und es keine Gründe für die Annahme gibt, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert, ergibt sich bei der Berechnung des Baseline-Szenarios keine fallende Kurve, also eine Abnahme des gespeicherten Kohlenstoffdioxids, sondern ein konstanter oder sogar steigender Wert. Das allerdings macht es schwierig, ein Szenario zu konstruieren, bei dem mehr CO2 gespeichert wird. Denn die Kohlenstoffaufnahme eines Waldes lässt sich nicht beliebig erhöhen – an einem gewissen Punkt hat dieser sein Optimum erreicht, und eine weitere Verdichtung oder Aufforstung wirkt kontraproduktiv. Wenn allerdings der Abstand zwischen den beiden möglichen Szenarien schwindet, sinkt der Wert des Projektes. Dieses Problem stellte sich nicht nur im Rahmen des FFEM-Projektes, sondern im gesamten Komplex der ›neuen mediterranen Wälder‹ rund um den CPMF. Wie lässt sich begründen, dass ein radikal neuer Ansatz der Waldbewirtschaftung nötig ist − in diesem Fall einer, der auf monetäre Bewertung und Finanzinstrumente setzt −, wenn der derzeit angewandte Ansatz der Bewirtschaftung durchaus Erfolge zeigt, auf denen sich aufbauen ließe? Wie schwierig sich die Konstruktion von Knappheit − oder, in zeitlicher Perspektive, der Dringlichkeit entsprechender Maßnahmen − gestaltete, zeigt ein Blick auf die Analyse der »agents et causes de déforestation et dégradation«, die für die beteiligten Pilotstandorte durchgeführt wurde (Pres Comp4 mid 2014 agents). Die Studie kommt zu dem Schluss, dass von den untersuchten Faktoren nur Überweidung eine Rolle spiele, Schäden durch illegale Holzentnahme und des Sammelns von Feuerholz hingegen hätten zuletzt abgenommen.176 Die Auswirkungen von Bränden, Schädlingen, des Sammelns von Eicheln oder der Umwandlung in Ackerland seien allesamt gering. An allen Pilotstandorten stellen die Autor:innen fest, wachse der Wald (Pres Comp4 mid 2014 agents, S. 8). Auch die Studie zur Rentabilität von REDD+ im Maâmora-Wald, die die GIZ bereits vor Beginn des FFEM-Projektes in Auftrag gegeben hatte, kam zu dem Schluss, dass eine Verbesserung des Waldmanagements und damit eine höhere CO2 -Aufnahme nur schwer zu erreichen sei. Eine vermehrte Aufforstung sei möglich, »mais la question du scénario de référence est cruciale. En effet, l’augmentation du rythme de reboisement risque d’être difficile. Ce qui est vrai pour les reboisements l’est pour la plupart des stratégies car le Maroc tente depuis longtemps d’orienter la gestion des ressources vers une plus grande durabilité. Ainsi, comme d’autres pays, le Maroc pourrait avoir été trop vertueux par le passé pour bénéficier de financements REDD+ à l’avenir, si les règles sur l’évaluation des
176
Die Studie der GIZ zu REDD+, die zum selben Schluss kam, führte dies auf die Landflucht und die zunehmende Verbreitung von Butan-Gas zum Kochen zurück (GIZ REDD Maroc, S. 9).
4 Feldstudie
résultats de la REDD+ ne prennent pas en compte ces situations nationales.« (GIZ REDD Maroc, S. 37) Wie wurde im Rahmen des FFEM-Projektes mit diesem Problem umgegangen? Zum einen wurde hier auf Diskurse zurückgegriffen, die sich schon seit Kolonialzeiten als wirksam erwiesen hatten: Wie in Kap. 4.1. beschrieben, wurde in Dokumenten und Vorträgen, zum Beispiel auf der Mediterranean Forest Week oder den jährlichen Klimakonferenzen, die Gefährdung der mediterranen Wälder und die fortschreitende Degradation betont, ungeachtet der Daten, die zeigen, dass diese Entwicklungen sich je nach Lokalität und Zeitraum stark unterscheiden. Zum anderen wurde schon in den Vorstudien zu REDD+, also noch vor Beginn des FFEM-Projektes, klargestellt, dass ein REDD+-Projekt nur Sinn mache, wenn ein Baseline-Szenario konstruiert werden könne, das von einem drohenden Verlust an Waldflächen ausgehe. Die Studie der GIZ machte zwei Vorschläge für Ursachen, die sich für die Konstruktion eines solchen Szenarios eignen würden: das Bevölkerungswachstum und der Klimawandel. In einer Beispielrechnung gehen die Autoren davon aus, dass diese beiden Faktoren zu einer erhöhten Anzahl an Waldbränden führen könnten, die wiederum durch entsprechende Maßnahmen verhindert werden könnten – was dann eine Einsparung an CO2 -Emissionen bedeuten würde (GIZ REDD Maroc, S. 26).177 Auch im Projektleitfaden wurde ein solches Modell für ein Baseline-Szenario dargestellt (Abb. 9). Zwar zeigen die vorhandenen Daten eine Zunahme der Waldflächen im Maâmora-Wald − die Projektentwickler:innen deuteten diese jedoch derart um, dass es nach einem kurzen Anstieg zu einem dauerhaften Verlust an Flächen kommen könnte, im dort gezeigten Beispiel aufgrund steigender Bevölkerungszahlen.178 Das Thema demographisches Wachstum spielte jedoch im Rahmen des Projektes kaum eine Rolle. Stattdessen kam erneut der Klimawandel ins
177
178
Der spekulative Charakter dieser Form des Modellierens künftiger Entwicklungen ist den Autoren der Studie offensichtlich bewusst. In einer »Warnung« zu Beginn der Publikation weisen sie darauf hin, dass die Studie auf lückenhaften Daten und hypothetischen Annahmen beruhe und die Ergebnisse in diesem Zustand nicht zitierfähig seien: »Cette étude se base sur des données parcellaires et peu actualisées et repose sur de nombreuses hypothèses. Les résultats quantifiés ont vocation à faire émerger et al.imenter des discussions techniques et politiques sur la participation du Maroc au mécanisme REDD+, non à être cités en l’état.« (GIZ REDD Maroc, S. 3) Tatsächlich liegt das Bevölkerungswachstum in der Region deutlich über dem nationalen Durchschnitt (CERED 2017). Allerdings ist es auch im Gebiet des Maâmora-Waldes sehr ungleich verteilt, da sich im Gebiet auch mehrere größere Städte befinden. Während manche, vor allem größere Städte und Gemeinden wachsen, verlieren andere Einwohner:innen. Da die Arbeitslosigkeit über die letzten Jahre zugenommen hat, lasse sich zudem, wie im Rahmen des Projektes erklärt wurde, eine »hohe Mobilität in Zusammenhang mit der Arbeitssuche« beobachten (FI SP Maâmora, S. 3). Die lokalen Expert:innen, die mit der Bevölkerung vor
237
238
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Abbildung 9: Vorschlag zur Konstruktion eines Baseline-Szenarios im Rahmen des FFEMProjektes, um ein REDD+-Projekt zu begründen
Die vorliegenden Daten, insbesondere die Luftbilder von 1992 und 2008, zeigen eine Zunahme der Waldfläche und der Biomasse (rote Gerade). Entgegen der Erwartung, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen würde, schlagen die Projektentwickler:innen vor, diese Daten als Teil einer Entwicklung zu interpretieren, bei der die Waldfläche nach einer kurzen Zunahme aufgrund des Bevölkerungswachstums langfristig abnimmt (gestrichelte Kurve). Quelle: FFEM Guide.
Spiel − er übernahm die Rolle der drohenden, zusätzlichen Gefahr, die die mediterranen Wälder und ihre Fähigkeit, Kohlenstoffdioxid aufzunehmen in Zukunft verknappen würde. Sowohl der CPMF als auch das FFEM-Projekt agierten diskursiv »in the context of global changes«, wobei die globale Erwärmung eine zentrale Rolle spielte (Leaflet CPMF; Leaflet FFEM). Dass diese »changes« sich zwangsläufig negativ auf die mediterranen Wälder auswirken müssten, war unter den lokalen Expert:innen umstritten. Einige wiesen darauf hin, dass die meisten mediterranen Pflanzen gut an Trockenheit und Hitze angepasst seien. Auch der Bericht State of the
Ort arbeiteten, gingen davon aus, dass die Bevölkerungszahl im Wald aufgrund der hohen Landflucht insgesamt stabil bleibe (Interview Projektmitarbeiter WM, 24. April 2019, Rabat).
4 Feldstudie
Mediterranean Forest kommt in Bezug auf die »impacts of climate change on the carbon balance in Mediterranean forests« zu keinem eindeutigen Schluss: Die einzige Studie, die der SoMF zitiert und die im Fall eines Hitzesommers eine Zunahme an CO2 -Emissionen nachweist, bezieht sich auf West- und Mitteleuropa und nicht auf mediterrane Wälder (FAO und Plan Bleu 2013, S. 98). Im Rahmen des CPMP sowie des FFEM-Projektes wurde trotz dieser dünnen Datenlage die Bedrohung hervorgehoben, die der Klimawandel für die mediterranen Wälder darstelle. Im Methodenbericht des Projektes heißt es: »Drastic changes are expected to take place in the Mediterranean Region, as a result of climate change manifestations, i.e. a decrease in precipitation quantity and shift in its seasonal distribution, more frequent extreme events, temperature rise, repeated droughts, higher evapotranspiration, water stress and vegetation dieback and mortality, more frequent and intense wildfires, insects and diseases outbreaks and spread of invasive exotic species etc. Overall, climate change is likely to reduce the ability of Mediterranean forests to autonomously accommodate to increased perturbations such as increased frequency and risk of pathogens outbreaks, uncontrolled fires, and other large-scale disturbances« (Comp2 Report methodology, S. 23). Teilprojekt 1 hatte die Aufgabe, die Verletzlichkeit der mediterranen Wälder gegenüber dem Klimawandel zu untersuchen. Die Klimaszenarien des IPCC bildeten die Grundlage für die Vulnerabilitätsanalysen der Pilotstandorte – und die daraus gewonnen Daten sollten wiederum die Grundlage bilden für künftige Baselines.179 In diesen spielte, neben den erhöhten Temperaturen und den veränderten Niederschlagsmustern, Feuer eine wichtige Rolle: Durch das gesamte Projekt hindurch wurde gewarnt, mit dem Klimawandel würde die Gefahr von Waldbränden steigen. Auch der State of the Mediterranean Forest enthält − gleich als erstes − ein ausführliches Kapitel zu Waldbränden. Einen einfachen Zusammenhang von Temperaturen und der Anzahl an Waldbränden zu konstruieren, ignoriert jedoch die komplexe politische Ökologie von Waldbränden im Mittelmeerraum. Waldbrände kommen zwar im Mittelmeerraum häufig vor, jedoch fast nur im nördlichen Teil des Mittelmeerraumes, insbesondere in Spanien und Italien, wo die Temperaturen niedriger liegen als in Nordafrika. Ein großer Teil der Feuer wird aus wirt-
179
Die Grundlage für die Modellierungen bildeten die Szenarien A und B des vierten Sachstandsberichts des IPCC von 2007, die auch bestimmte Annahmen über Bevölkerungsentwicklung und Wirtschaftswachstum enthalten (Comp1 2013 CR, S. 14). Zudem wurden zum Vergleich frühere Dürrezeiten herangezogen: so etwa im Fall von Tunesien, wo angenommen wurde, eine Erhöhung der Temperatur am Pilotstandort Siliana werde zu ähnlich hohen Verlusten an Korkeichen führen wie die Dürre Ende der 1980er Jahre in einer anderen Region Tunesiens (Comp1 2013 CR, S. 21).
239
240
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
schaftlichen Motiven gelegt (European Commission 2013; FAO und Plan Bleu 2013). In den dicht besiedelten Waldgebieten des südlichen Mittelmeerraumes spielen Waldbrände kaum eine Rolle, insbesondere dort nicht, wo, wie in Marokko, die Wälder in Staatsbesitz sind, also eine lukrative Umwandlung in Bauland keinen Anreiz für Brandstiftung darstellt.180 Klimatische Bedingungen sind für die Ausbreitung von Waldbränden kaum von Bedeutung. Waldbrände dienten hier jedoch, wie die zu erwarteten Klimaveränderungen, als diskursives Mittel der Konstruktion einer künftigen Gefährdung der mediterranen Wälder, die deren Inwertsetzung ermöglichen und erleichtern soll.
Die Produktion von Wissen und Daten Bei der Gründung des CPMF arbeitete der neue Zusammenschluss vier »Hauptprobleme« heraus, die, so die Argumentation, die Anpassung mediterraner Wälder an den Klimawandel erschweren oder verhindern würden und zu deren Lösung der neue Verbund beitragen sollte. »Manque de connaissances et d’informations sur les écosystèmes forestiers« war eines davon (NEP FFEM project, S. 24).181 Im Durchführungsvertrag des FFEM-Projektes wurde als ein Ziel vereinbart, Informationen über sämtliche bisher zu Mitigation und Adaptation durchgeführten Projekte im Mittelmeerraum zusammenzutragen, einschließlich dem dazu verfügbarem kartographischem Material, den Ergebnissen und Schlussfolgerungen (FFEM 2013 Leb Report, S. 7). Im Projektleitfaden heißt es: »Each of the four components of the FGEF project follows the same approach, namely: 1. perform a preliminary inventory of existing data, methods, work and activities; 2. produce data, methods and experience feedback on pilot sites; 3. synthesize, share and discuss the results with regional stakeholders.« (FFEM Guide, S. 9) Die Erstellung von Studien sowie das Sammeln und Zusammentragen von existierenden Daten waren die umfangreichsten Aktivitäten im Rahmen des Projektes, aber auch der Initiativen, die parallel zu ihm liefen. Die Erarbeitung der Berichte
180 Cherki (2013) argumentiert in seinem Beitrag zu Waldbränden im Maâmora-Wald, dass auch die dort übliche Beweidung vor Bränden schütze. Eine gute Übersicht zu Waldbränden im Mittelmeerraum findet sich bei Cramer (2001), eine Analyse von Waldbränden in Katalonien aus einer Perspektive der Political Ecology bei Gonzalez-Hidalgo et al. (2014). 181 Bei den anderen drei Problemen handelte es sich um »politiques inadéquates et manque de coopération intersectorielle«, »insuffisante sensibilisation du public« und »manque de financements adéquats« (NEP FFEM project, S. 24).
4 Feldstudie
zum State of the Mediterranean Forest (FAO und Plan Bleu 2013, 2018) stand in direktem Zusammenhang mit dem FFEM-Projekt (vgl. FFEM Guide, S. 7). Im Teilprojekt 1 wurde eine umfassende Literaturdatenbank erstellt, im Teilprojekt 2 wurden zahlreiche Daten zu ökonomischen Bewertungen zusammengetragen. Dennoch wurde das Fehlen von Daten und die Probleme, die dies mit sich brachte, im Verlauf des Projektes wiederholt betont.182 Noch fünfzig Jahre zuvor war das anders: Im plan d’aménagement von 1973 wurde das Fehlen von Daten explizit nicht als Problem begriffen. Im Gegenteil: Die Autoren äußerten stolz, dass nur wenige Wälder so gut erforscht seien wie der Maâmora-Wald: »Sur le plan écologique le choix des essences ne pose donc plus de problèmes, dans la Mamora. Rares sont en effet les forêts au monde où les connaissances sont aussi profondes.« (Aménagement 1973, S. 64, veränderte Schreibweise im Orig.). Im Maâmora-Wald wurde bereits in der Zeit des Protektorats ein System zur Generierung von Daten über den Wald aufgebaut, dieses wurde in den 1950er Jahren ausgebaut und erweitert. Zur selben Zeit wurden auch Messstationen für Klimadaten aufgebaut und Untersuchungen zu weiteren Parametern durchgeführt. Für den Wald liegen seit über 50 Jahren, teils seit über 100 Jahren, detaillierte Daten vor, unter anderem zu vorhandenen Arten, deren Alter und Zustand. Dass die neuen Projekte zu mediterranen Wäldern dennoch einen Mangel an Daten beklagen, lässt sich auf zwei Entwicklungen zurückführen. Zum einen sind für die neuen Formen des Waldmanagements − und des Managements von Umwelten insgesamt − mehr Daten nötig. Es reicht nicht mehr, einmal im Jahr eine Inventur der Baumarten an einem Standort zu machen und diese grob in Altersklassen einzuteilen. Die Daten müssen, wie im Folgenden gezeigt wird, mehrmals jährlich, monatlich oder gar täglich erhoben werden, sie müssen detaillierter sein, eine größere Breite an möglichen Werten und Parametern abdecken. Die neuen Formen der Bewirtschaftung, die sich herauskristallisiert haben oder dabei sind, es zu tun, sind überwiegend wissensbasiert: »Knowledge has emerged as a salient theme in projects of environmental governance« (Jasanoff und Martello 2004, S. 336). Zum anderen wird eine neue Form von Wissen benötigt, werden Daten gebraucht, die bisher nicht oder nicht in dieser Form erhoben worden sind, entweder 182
Vgl. etwa FAO und Plan Bleu 2013, S. 94. Das Fehlen relevanter Daten wird auch als ein Hauptproblem bei der Umsetzung von REDD+-Projekten jenseits des Mittelmeerraumes beschrieben, so von Sunderlin et al. (2014, S. 2): »We cannot yet make accurate and precise estimates of carbon emissions. Setting the baseline and measuring carbon emissions are very challenging tasks because of the lack of quality country- and region-specific data and the lack of emission factors for important types of land-use change and carbon pools. Also lacking are equations for converting the data to carbon numbers. Data could be improved through targeted, coordinated investments, as well as partnerships between technical services, intergovernmental agencies and research institutes.«
241
242
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
weil sie keine Relevanz besaßen oder weil die dazu nötigen Technologien nicht zur Verfügung standen. Die Form der Waldbewirtschaftung und das Wissen, auf dem sie beruht, ist verbunden mit den technischen und organisatorischen Möglichkeiten, Daten zu erheben, und zugleich mit den politischen und ökonomischen Systemen, in die sie eingebunden sind. Betrachtet man die Formen des Wissens und seiner Herstellung im Rahmen des FFEM-Projektes und seiner Schwester-Projekte, so lassen sich zwei zentrale Entwicklungen feststellen, auf die ich in diesem Abschnitt eingehe: (1) eine Verschiebung von qualitativen zu quantitativen Daten und von absoluten zu relativen Werten, und (2), damit verbunden, ein Schwerpunkt auf die Einrichtung von Tools zur Datenerhebung anstelle der Datenerhebung selbst. Von qualitativen zu quantitativen Daten Im Rahmen des FFEM-Projektes wurden schwerpunktmäßig zwei Arten von Daten erhoben. In Teilprojekt 2 sollte der »ökonomische Wert« der mediterranen Wälder, ihrer Produkte und Dienstleistungen berechnet werden, in Teilprojekt 4 die Fähigkeit der Wälder, Kohlenstoff zu speichern. Im Projektleitfaden heißt es: »The aim is to quantify the carbon in the project area’s trees and possible changes to these stocks. For this, two types of data are required: Data on the activities is data regarding the project surface areas covered by the various land uses. Depending on the size of the area, this data may be obtained by interpreting satellite images or radar data, or by a GPS [Global Positioning System, J.S.] survey of the boundaries of each type of land use. Emission factors are the quantities of carbon per unit surface area. For the aboveground biomass of trees, the exercise consists of converting the forest inventory data (volumes per hectare) into carbon stock data, using the density and carbon fraction of the wood (carbon stock = volume x density x carbon fraction). The density and carbon fraction are to be taken from the literature or from samples taken on the project area or a similar area. Emission factors also involve other components (such as underground biomass, soil organic carbon, dead wood and nonwood above-ground biomass) which are not systematically monitored.« (FFEM Guide, S. 36) Während der erste Teil der Daten also durch Fernerkundung oder Kartierung mit Hilfe von GPS gewonnen werden konnte, griff der zweite Teil für die indirekte Berechnung des Kohlenstoffgehalts auf die Daten zurück, die über die Forstinventuren erhoben wurden. Wie im letzten Kapitel dargestellt, wurden bereits seit den 1950er Jahren regelmäßig Daten im Maâmora-Wald aufgenommen. Dabei kamen auch bereits Luftbilder zum Einsatz, diese wurden »contrôlé et rectifié sur
4 Feldstudie
le terrain« (Aménagement 1973, S. 67).183 Die Daten wurden in den Datenbanken und Archiven der marokkanischen Forstbehörden gespeichert. Die Datenaufnahme erfolgt über ein System von 370 durchnummerierten Parzellen (vgl. Abb. 10). Die erhobenen Daten werden jeweils in Form eines String, einer Zeichenkette angegeben: »Rg A.mol fj« etwa bezeichnet eine Parzelle, die mit Akazie aufgeforstet wurde (régéneration), mit einer Dichte von unter 5 Prozent, bewirtschaftet als Hochwald (futaie), in einem jungen Alter (jeune) (Comp1 2013 CR S. 27). Eine dazugehörige Karte zeigte die Lage der jeweiligen Parzelle im Wald. Auch wenn die teils numerische Schreibweise dies nahelegt, handelt es sich dabei nicht um quantitative Daten im eigentlichen Sinn: Die Zeichen verweisen auf verschiedene, diskrete Kategorien, die in keiner bestimmten Ordnung stehen. Sie stehen für Kategorien wie »Korkeichen«, »Hochwald« oder »degradierte Fläche«, und sie können in dieser Form nicht oder nur nach aufwendigen Vorarbeiten automatisiert verarbeitet werden. Die erhobenen Daten sind zudem auf eine spezifische Lokalität beschränkt: Das System wurde für den Maâmora-Wald entwickelt und in dieser Form nur dort angewandt. Die Variablen machen es nicht möglich, den Maâmora-Wald mit anderen Ökosystemen oder Waldflächen zu vergleichen, weder hinsichtlich seines Zustandes noch hinsichtlich seiner Biodiversität oder seiner Produktivität. Genau dies ist aber zur Etablierung eines REDD+-Projektes nötig. Im Rahmen des FFEM-Projektes mussten und sollten diese Daten daher in eine andere Form gebracht werden. Dies war Gegenstand eines Workshops mit Mitarbeiter:innen der Forstbehörden, der 2013 in Solsona, Spanien, stattfand. Bevor mit den Daten
183
Die Luftbilder werden derzeit, wie im Folgenden noch gezeigt wird, zunehmend durch Satellitendaten ersetzt. Es handelt sich dabei um einen graduellen und komplexen Übergang: Luftbilder werden seit den 1930er Jahren genutzt, um die Ausdehnung und den Zustand von Wäldern zu erfassen. Luftbilder stellen als Fotografie tatsächlich ein ›Abbild‹ dar − jedoch eines, das durch die Verwendung von Filtern oder speziellen Kameras auch Teile des elektromagnetischen Spektrums darstellen kann, die das menschliche Auge nicht wahrnimmt, etwa im Fall von Infrarot-Kameras, die genutzt werden, um die Menge an Chlorophyll abzubilden. Bei Satellitendaten hingegen handelt es sich um digitale Rohdaten, die zunächst mehrere Schritte der Verarbeitung durchlaufen, bis sie kartographisch dargestellt werden können. In beiden Fällen ergibt sich eine Verschiebung der Orte und Akteure der Datenerhebung: Statt eines Forstbeamten, der vor Ort die Baumarten notiert und deren Umfang misst, sind es an Flugzeugen angebrachte Kameras oder programmierte Sensoren in Satelliten, die die Erhebungen durchführen. Jedoch müssen auch Satellitenaufnahmen von Expert:innen, die sich mit den Begebenheiten vor Ort auskennen, überprüft und bearbeitet werden, um sie darstellen zu können. Dies gilt gerade für mediterrane Wälder, die sich mit Fernerkundungsmethoden aufgrund ihrer geringen Dichte schlecht erfassen lassen (Comp1 Training2 2014 Report, S. 1). Die bisherigen Formen der Datenerhebung vor Ort werden also nicht ersetzt, sondern die verschiedenen Methoden ergänzen sich und bauen aufeinander auf.
243
244
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Abbildung 10: System für die Datenaufnahme im Maâmora-Wald
Die farbigen Markierungen zeigen die fünf Kantone, die jeweils in nummerierte Parzellen aufgeteilt sind. In der Abbildung dient das System der Darstellung der durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge. Quelle: Pres Comp1 2013 Maroc.
gearbeitet werden könne, wurde dort erklärt, müssten die Strings in ihre Komponenten zerlegt werden: Arten, Dichte, Bewirtschaftungsform, Typ und Alter wurden getrennt voneinander in einzelne Tabellenfelder übertragen (Comp1 2013 CR, S. 27). Ist dies erfolgt, können die Angaben mit Hilfe eines GIS-Programmes auf digitale Karten übertragen werden; in den Workshops wurden hierzu die LandsatAufnahmen der Referenzjahre 1990, 2000 und 2010 verwendet.184 Jedem Pixel der
184 Landsat ist ein Programm der NASA und der US-amerikanischen Kartographie-Behörde U.S. Geological Survey (USGS). Es hat hat seit den 1970er Jahren acht Satelliten ins Weltall geschickt, die Daten in einer mittleren Auflösung über die Erdoberfläche liefern, mit einem Schwerpunkt auf natürlichen Ressourcen (zur Geschichte des Programmes vgl. NASA 2020). Die Daten werden normalerweise kartographisch aufbereitet und sind überwiegend frei zugänglich. Sie werden in der Wissenschaft genutzt, bilden aber auch die Grundlage für zahlreiche andere Kartenmaterialien. So nutzen Dienste wie Google Maps und Google Earth ebenfalls Landsat-Daten.
4 Feldstudie
digitalen Karte sind nun bestimmte Werte zugeordnet, etwa zur dominierenden Art, dem Alter oder der Wuchsform der Bäume.185 Zur Darstellung des Wissens über den Wald werden also, wie zuvor, kartographische Darstellungen verwendet. Deren Form hat sich jedoch verändert. Zuvor waren die Daten, die über einen bestimmten Ort im Wald gesammelt wurden, in Form einer Zeichenkette auf Papier in den Archiven des HCEFLCD gespeichert, ihre räumliche Zuordnung war über die Nummer der Parzelle möglich − auf der zugehörigen, zumeist von Hand gezeichneten Karte konnte man die Daten einem bestimmten Ort zuweisen. Nach der Überführung der Daten in digitale, georeferenzierte Karten hat sich dieses Verhältnis verändert. Die Daten sind nun direkt mit bestimmten geographischen Koordinaten verbunden. Die Lokalisierung, die geographischen Koordinaten lassen sich nicht mehr von den anderen Werten trennen; die Auswertung übernehmen nun überwiegend Computerprogramme. Die Erstellung solcher geographisch verorteten Datensammlungen und deren Auswertung sind sehr arbeitsintensiv. Sie erfordern bestimmte Technologien und Kenntnisse sowie die Zusammenarbeit mit Expert:innen, die sowohl mit diesen als auch mit den lokalen Gegebenheiten vertraut sind. Warum wird dieser enorme Aufwand getrieben und in solch kostspielige Programme und Ausstattung investiert? Der entscheidende Punkt ist hier, dass die digitale Darstellung und die GISbasierte Verarbeitung es ermöglichen und erleichtern, die Daten miteinander zu vergleichen und Auskunft über die räumlichen Dynamiken innerhalb der Waldentwicklung geben: Wo nehmen welche Arten zu, welche ab? Wo steigt das Alter der Bäume? Wo nimmt die Dichte zu, wo nicht? Karten für verschiedene Zeitpunkte können überlagert werden und selbst für große Datenmengen lassen sich die Differenzen der Daten automatisiert berechnen und darstellen. Liegen Daten für die Biomasse und die entsprechenden Gleichungen vor, etwa für die verschiedenen Baumarten in einem bestimmten Alter, kann in einem indirekten Verfahren näherungsweise der CO2 -Gehalt eines Waldstücks und dessen Veränderung berechnet werden. Vor allem lassen sich durch das ›Verschneiden‹ digitaler Karten die zeitlichen und räumlichen Veränderungen im Wald sichtbar und berechenbar machen. Es geht bei der Datenerhebung für REDD+-Projekte explizit nicht darum, in einer einmaligen Untersuchung einen quantitativen Wert für die Bodenbedeckung oder den gespeicherten Kohlenstoff zu erhalten und diesen Zustand kartographisch darstellen zu können. Wie bereits bei der Diskussion temporärer Aspekte des Aufbaus von Emissionsmärkten deutlich wurde, ist ein bestimmter Zustand des Waldes − selbst ein außerordentlich guter Zustand − aus der Perspektive von REDD+-Projekten wertlos. Im Rahmen von REDD+-Projekten 185
Der Ablauf der Kartenerstellung und Datenverarbeitung ist hier aus Gründen der Verständlichkeit verkürzt dargestellt. Eine ausführliche Beschreibung enthält das Protokoll des Workshops, in dem das Vorgehen detailliert beschrieben ist (Comp1 2013 CR).
245
246
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
können nur Veränderungen bewertet werden, und zwar vergangene, zukünftige, erwartete oder verhinderte: Emissionszertifikate werden für zusätzliche Maßnahmen erstellt, für angestoßene Entwicklungen, nicht für die Beibehaltung des Status Quo. Die Durchführung von Teilprojekt 2 wurde damit begründet, dass zwar Merlo und Croitoru (2005) bereits den Ökonomischen Gesamtwert (Total Economic Value, TEV) der mediterranen Wälder berechnet hätten, es sich dabei aber eben nur um eine momentane Zustandsbeschreibung handele: »Si cette étude a permis de progresser dans la caractérisation et l’analyse des services écosystémiques fournis par les forêts méditerranéennes, et dans la réflexion sur les méthodes d’évaluation économique, l’approche par la VET qui a été utilisée y a cependant montré ses limites […]. Cette étude visait en effet à dresser un état des lieux de la valeur des services fournis par les écosystèmes à un moment donné, sans s’intéresser à ses évolutions possibles. […] L’analyse coût-avantages [hingegen, J.S.] adopte une vision prospective sur le moyen/long terme afin de comparer des scénarios contrastés selon la sensibilité des coûts et avantages à des facteurs ›exogènes‹ (impacts du changement climatique) et/ou ›endogènes‹ (choix de gestion).« (NEP FFEM project, S. 37f.) Lansing (2012) sieht Karten und die Räume, die sie schaffen, als zentrale Akteure innerhalb der Stabilisierung von Kohlenstoffdioxid als Ware und der Konstruktion des »forest-as-carbon-sink«: »I wish to suggest that the maps upon which the Cartesian boundaries of this project are inscribed are one of several actors among many in the framings of this space. I argue that it is from this framing of space that not only the socionature of ›the forest-as-carbon-sink‹ is stabilized, but also the economic‹ as a sphere of action and intelligibility is simultaneously produced.« (Lansing 2012, S. 209) Aber es geht im Fall der REDD+-Projekte nicht vorrangig um die Herstellung einer Karte, sondern um die Unterschiede zwischen verschiedenen Karten, um deren Zwischen-Räume. Methoden wie das Verschneiden von Karten, die sich auf verschiedene Zeitpunkte beziehen, sind weit mehr als nur eine neue Methode der Visualisierung. Sie produzieren eben jene relativen Daten, die für REDD+ und die neuen Valuierungsansätze nötig sind. Die Praktiken, die in den Workshops vermittelt werden, erlauben es, zusammen mit dem Einsatz neuer Technologien und bestimmter tools, auf die im Folgenden näher eingegangen wird, Unterschiede, Entwicklungen und Veränderungen zwischen verschiedenen Orten und Zeitpunkten darzustellen. Die Produktion von relativen Daten in quantifizierter und verräumlichter Form ist die Grundlage für die Eingliederung in globale Kohlenstoffmärkte, und, im weiteren Sinne, in globale Finanzmärkte im Allgemeinen.
4 Feldstudie
Enacting the market – tools, skills and practices Diese Bedeutung von relativen Daten erklärt, warum der Schwerpunkt im Rahmen des Projektes weniger darauf lag, Daten an sich zu generieren als vielmehr darauf, Institutionen zu schaffen und Abläufe zu etablieren, die diese Daten regelmäßig und dauerhaft erheben. Dazu gehörte, wie oben dargestellt, in einem ersten Schritt die Ausarbeitung bestimmter, räumlich angepasster Methodologien, die festlegen, wie eine solche Bewertung abzulaufen hat. In einem zweiten Schritt ist die Einrichtung dessen nötig, was ich hier tools nenne, bestimmte institutionelle Arrangements, die eine solche Bewertung entsprechend eines festgelegten Ablaufes sicherstellen und daher eine langfristige und regelmäßige Generierung von Daten garantieren können.186 Um am REDD+-Programm teilzunehmen, setzt das Warsaw-Framework der UNFCCC zum einen ein »robustes« National Forest Monitoring Systems (NFMS) voraus, ein flächendeckendes System der Erfassung von Parametern wie Bedeckungsgrad und gespeichertem Kohlenstoff, zum anderen ein System für Measurement, Reporting und Verification (MRV). Dieses muss eine Vielzahl an Regularien berücksichtigen, wie ein Blick in die Vorgaben der UNFCCC allein zum Bereich measurement zeigt: »According to the Warsaw Framework for REDD+, in order for developing countries to obtain results-based funding for REDD+, the ›anthropogenic forest-related emissions by sources and removals by sinks, forest carbon stocks, and forest carbon stock and forest-area changes‹ resulting from the implementation of REDD+ activities must be fully measured, reported and verified (UNFCCC Decision 2/CP.17 paragraph 64 and UNFCCC Decision 9/CP.19 paragraph 3). In order to achieve this, developing countries are expected to: • combine remote sensing and ground-based forest carbon inventory approaches for estimating, as appropriate, anthropogenic forest-related greenhouse gas emissions by sources and removals by sinks, forest carbon stocks and forest area changes (UNFCCC Decision 4/CP.15 1.(d)(i); • provide estimates that are transparent, consistent, as far as possible accurate, and that reduce uncertainties, taking into account national capabilities (UNFCCC Decision 4/CP.15); • make certain the system results are available and suitable for review, as agreed by the Conference of the Parties (UNFCCC Decision 4/CP.15); • use data that are transparent and consistent over time and consistent with 186 Der Begriff »tools« taucht auch in den Projektdokumenten häufig auf, auch wird wiederholt das Ziel formuliert, solche zu schaffen (FFEM Guide, S. 11, 13 und 24; NEP FFEM project, S. 2, 8 und 9). Ich verwende den Begriff hier in einem erweiterten Sinn, um die Institutionen und Abläufe zu beschreiben, die die Datengenerierung sichern oder sichern sollen.
247
248
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
the established forest reference emission level and/or reference levels (REL/RL) (UNFCCC Decision 14/CP.19 paragraph 3) to estimate emissions, removals and forest-area change in relation to REDD+ activities. • express the results of the implementation of REDD+ activities (as measured against the forest REL/RL) in tonnes of carbon dioxide equivalent per year (UNFCCC Decision 14/CP.19 paragraph 4). • ensure consistency of data with established or updated forest REL/RL (UNFCCC Decision 14/CP.19 paragraph 5). • ensure that data produced for MRV of REDD+ activities is consistent with guidance developed for the MRV of nationally appropriate mitigation actions (NAMAs) (UNFCCC Decision 11/CP.19 paragraph 3). Additional guidance from previous COP decisions recommends that developing country Parties use the most recent IPCC guidance and guidelines as a basis for estimating forest related emissions, removals, forest carbon stocks and forest area changes (UNFCCC Decision 11/CP.19 paragraph 2).« (Global Canopy Programme 2014, S. 14) Für den Erhalt von result-based payments müssen die derart erhobenen Daten alle zwei Jahre an die UNFCCC berichtet (reporting) und überprüft werden (verification).187 Internationale Organisationen und Institutionen der bilateralen Entwicklungshilfe unterstützen Länder des Globalen Südens beim Aufbau dieser Infrastrukturen. So war Marokko von 2013 bis 2016 Teil eines Projektes der Internationalen Klima-Initiative (IKI) des deutschen Umweltministeriums in Kooperation mit Google Outreach, das in 19 Partnerländern den Aufbau von MRV-Systemen voranbringen soll. Dabei wurde als neues MRV-Tool die Software »Collect Earth« entwickelt, in 15 Ländern wurden Labore für die Nutzung von GIS und Fernerkundung eingerichtet (IKI 2021). Im Maâmora-Wald wurde in dieser Zeit unter anderem ein Beobachtungssystem zur ›Waldgesundheit‹ eingerichtet (Abb. 11). Auf einem Raster von 4 x 4 Kilometern wurden an 93 Bäumen Plaketten angebracht. An diesen Stellen werden einmal jährlich, zwischen 15. Juni und 15. Juli, Daten zum Zustand der Bäume erhoben. Dabei bewegen sich die für die Erhebung zuständigen Mitarbeiter:innen, ausgehend vom markierten Baum, in einem größer werdenden Kreis und nehmen Daten von 20 Bäumen auf. Für diese gelten bestimmte Kriterien: Sie 187
Diese Überprüfung findet im Rahmen einer International Consultation and Analysis (ICA) statt. Dabei handelt es sich um einen Prozess mit vorgegebenen Abläufen, an dem mindestens zwei Expert:innen beteiligt sein müssen, davon muss jeweils eine:r einer der developing nations parties der UNFCCC angehören, der oder die andere einer developed nations party. Die Programme anderer Institutionen, z.B. der Weltbank, haben andere Vorgaben und Regularien (vgl. Global Canopy Programme 2014, S. 96).
4 Feldstudie
Abbildung 11: Vorstellung des neuen Monitoring-Systems zum Zustand des Waldes
Das System umfasst 93 Messpunkte im Abstand von 4 x 4 km (große Abbildung links), von denen ausgehend kreisförmig 20 Bäume untersucht werden (kleine Abbildung rechts). In dieser Form werden seit 2010 systematisch Daten erhoben. Quelle: Pres Comp1 2013 Maroc, S. 36 und 37.
müssen der dominierenden oder ko-dominierenden Art angehören, höher als 1 Meter sein und über eine intakte Krone verfügen (Pres Comp1 2013 Maroc, S. 34ff.). Während es beim Aufbau von Monitoring-Systemen vor allem um die technische Infrastruktur geht, geht es bei der Etablierung von MRV-Systemen um tools, skills und Praktiken. Diese Gebilde gehören zu eben jenen calculative agencies, die Callon und Muniesa (2016) als Voraussetzung für die Herstellung und das Funktionieren von Märkten betrachten: »not human individuals but collective hybrids, ›centres of calculation‹« (S. 1236). Auch wenn tool nahelegt, dass es sich um technische Einrichtungen handelt, sind die tools, die die regelmäßige Evaluierung des Waldes garantieren sollen, weitaus komplexer: Sie umfassen institutionelle Arrangements − etwa die Festlegung, dass einmal jährlich der Zustand der Waldes an der bestimmten Stelle untersucht wird −; Anweisungen und Regeln − wie sich der Untersuchende zu bewegen hat, welche Bäume er erfasst, welche nicht; räumliche und materielle Anordnungen − etwa die Verteilung der Untersuchungspunkte
249
250
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
und die Plaketten, die diese kennzeichnen −; und technische Apparaturen − wie die Computerprogramme, die die Analyse vornehmen. Damit diese Praktiken im angedachten Sinn durchgeführt werden können, sind zusätzlich bestimmte Fähigkeiten nötig. Ein großer Teil der Workshops des FFEM-Projektes, ebenso wie der Projekte der GIZ, die im selben Zeitraum liefen, dienten der Vermittlung solcher skills, so etwa der Workshop in Solsona 2013 zur Vulnerabilitätsanalyse (Comp1 2013 ToR), der Workshop zur multifaktoriellen Anaylse in Tunis 2014 (Comp1 2014 Agenda ToR) oder die zwei GIS-Workshops in Belgien und Marokko 2014 (Comp1 Training1 2014 Report; Comp1 Training2 2014 Report). Das Projekt sollte, heißt es im Projektleitfaden, »consolidate the skills of national experts and forest administrations on these subjects« (FFEM Guide, S. 8). Der Durchführungsvertrag nennt als Kriterien für die erfolgreiche Durchführung des Projektes unter anderem »Nombre d’experts nationaux ayant participé aux travaux menés sur les sites pilotes (Analyses de vulnérabilité, évaluations de la valeur des services environnementaux, analyses prospectives territoriales, évaluations du potentiel REDD+, méthodologies REDD+). Nombre de participants aux ateliers d’échanges d’expérience et capitalisation.« (NEP FFEM Project, S. 56) Den Projektverantwortlichen auf lokaler Ebene war jeweils eine Assistenz zugeteilt, die ausgebildet werden sollte, die entsprechenden Arbeiten künftig fortzusetzen (Interview Projektmitarbeiter ME, 26. Juli 2017, Rabat). Auch das Nachfolgeprojekt des IKI-Projektes zum Aufbau von Monitoring-Systemen, das seit 2018 läuft, setzt auf Ausbildung und Training. In jetzt 22 Partnerländern fördert es den Einsatz einer in Kooperation mit Google Outreach entwickelten Software zum Waldmonitoring sowie neuer Software »Land- und Restaurierungsmonitoring«, insbesondere durch die »Schulung« von rund 400 Expert:innen (IKI 2022). Dieses »capacity-building«, wie es im Projekt-Zusammenhang häufig genannt wurde, soll zusammen mit den technischen und praktischen Aspekten der tools sicherstellen, dass nicht einmal, sondern dauerhaft Daten aufgenommen werden, immer auf vergleichbare Weise. Dabei geht es zum einen nicht nur um die Produktion von Daten, sondern auch um das Aufspüren von Datenlücken − die systematische und flächendeckende Datenaufnahme soll auch zeigen, wo Daten fehlen, um diese Lücken in Zukunft schließen zu können. Zum anderen geht es nicht nur um Wälder. Die Installation von Monitoringsystemen in Wäldern ist, wie auch die komplexen UNFCCC-Regeln deutlich machen, nur ein Teil einer Strategie zum Aufbau von weitaus umfassenderen Monitoring-Systemen, nicht nur für den Ausstoß und die Aufnahme von
4 Feldstudie
Treibhausgasen, sondern auch für die Nutzung und Bewertung von Landschaften insgesamt (Kap. 5).188
Logiken des Scheiterns – die Ergebnisse des Projektes Im Januar 2016 fand der letzte Workshop des FFEM-Projektes statt. Ein Folgeprojekt, für das bei der Global Environment Facility (GEF) eine Projektskizze eingereicht wurde, wurde nicht bewilligt. Aber auch sonst war die Bilanz, die die Projektmitarbeiter:innen und die Vertreter:innen der teilnehmenden Länder zogen, durchwachsen. Von der Türkei war beim Abschlusstreffen niemand anwesend − die Türkei hatte von Beginn an eine Sonderrolle im Projekt eingenommen, da sie innerhalb der UNFCCC einen anderen Status einnimmt als die anderen Partnerländer.189 Auch hatte die Türkei von den Ländern des Projektes in den Jahren zuvor durch ein ehrgeiziges Aufforstungsprogramm die stärksten Zuwächse der Waldfläche im Mittelmeerraum zu verzeichnen, was die Teilnahme an REDD+- oder ähnlichen Programmen zusätzlich erschwerte.190 Algerien war als Partnerland zwar bis zum Schluss Teil des Projektes, hatte jedoch nur wenige der vorgeschlagenen Initiativen umgesetzt − was die Projektleiter:innen unter anderem darauf zurückführten, dass die Unterstützung von Seiten der Regierung fehle, da das Land als Gasexporteur weniger an Mitigation als vielmehr an Adaptation interessiert sei (Steering Committee 2015 Report, S. 9; Interview Projektleiter, 26. Januar 2016, Rom). Auch der Libanon war im Rahmen des Projektes seinen eigenen Weg gegangen: So musste ein ursprünglich geplanter Pilotstandort aus Sicherheitsgründen aufgegeben werden (FFEM 2012 Proceedings, S. 3). Libanon hatte mit dem »40
188 Viele der Mess- und Monitoringsysteme, die hierfür nötig sind, sind derzeit noch nicht operabel. Autor:innen wie Goetz et al. (2015) betonen, dass die technische Entwicklung die Umsetzung in naher Zukunft ermöglichen werde: »We argue that capabilities exist now to meet operational needs for REDD+ measurement, reporting, and verification and reference levels. Forsome other areas of importance for REDD+, such as safeguards for natural forests and biodiversity, monitoring capabilities are approaching operational in the near term. For all REDD+ needs, measurement capabilities will rapidly advance in the next few years as a result of new technology as well as advances in capacity building both within and outside of the tropical forest nations on which REDD+ is primarily focused.« 189 So war die Türkei, wie in Kap. 4.1 beschrieben, im Kyoto-Protokoll zwar von der Verpflichtung zur Emissionsreduktion ausgenommen, ist jedoch als OECD-Mitglied ein Annex-I-Land und kann damit dem REDD+-Programmen nicht beitreten (vgl. zu dieser Problematik NEP FFEM project, S. 23). 190 Die in Kap. 4.3.2 vor allem im Hinblick auf Marokko diskutierte Problematik trifft damit auf die Türkei in noch stärkerem Maße zu. Über den Zeitraum 2000-2010 hinweg war die Türkei dem Global Forest Resources Assessment der FAO zufolge das Land mit dem fünftgrößten Zuwachs an Waldflächen weltweit (FAO 2010); das FFEM-Projekt war im Vergleich zu den ehrgeizigen nationalen Aufforstungsprogrammen sehr klein.
251
252
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Million Trees Program« gerade ein Aufforstungsprogramm gestartet, so dass Vertreter:innen des Libanon bereits früh im Projekt klarmachten, dass REDD+ für das Land keine Option sei und sie das Projekt stattdessen nutzen wollten, um zusätzliche Mittel für ihr eigenes Programm zu generieren (FFEM 2013 Leb Report, S. 4). Im Rahmen des Projektes wurde versucht, dies über die Ausarbeitung eines Antrages auf eine Nationally Appropriate Mitigation Action (NAMA) zu ermöglichen, ein Programm für Klimaschutzmaßnahmen in Nicht-Annex-I-Ländern, die im Rahmen der UNFCCC gefördert werden können.191 Einzig Tunesien und Marokko verfolgten den REDD+-Ansatz weiter. 2012 trat Marokko, 2013 Tunesien dem REDD+-Programm der UN bei.192 Untersuchungen aus den Gouvernementalitätsstudien haben sich zunächst häufig auf die Analyse von Programmen konzentriert. Nach Kritiken an dem »impliziten Funktionalismus« dieses Ansatzes und eines Bildes von Programmen »als einheitlich und geschlossen« (Lemke 2000, S. 42) nahmen die Studien vermehrt den Kontrast zwischen den Visionen der Planer:innen und der Realität der Umsetzung in den Blick. Doch ein solcher Ansatz verkennt, dass Gouvernementalitäten, und die Formationen, die mit ihnen verbunden sind, nicht gegen, sondern auch durch Widerstände konstituiert werden, und dass sie nie vollständig hegemonial sind, sich nie ›durchsetzen‹, sondern immer prekär bleiben. »One of the more troubling aspects with some of the literature on governmentality is that the programmes, policies, practices and techniques of rule interrogated by many scholars often appear as completed projects«, schreibt Rutherford (2007, S. 300). »This kind of work glosses over the ways in which the construction and performance of rule is always the result of contested engagement« (ebd.). Ein solches, dynamischeres Verständnis von Gouvernementalität hat Auswirkungen darauf, wie ›Scheitern‹ gedacht werden muss: »Wenn sich die Bedeutung von Kämpfen auf die Ablehnung von Programmen beschränkt, ergibt sich nämlich die Frage, was das Scheitern als Scheitern ausweist: Was sind die Kriterien von Effizienz, Scheitern und Erfolg, wenn diese nicht als äußerlicher Maßstab von Programmen herangezogen werden können, sondern selbst Teil dieser Rationalität sind? Tatsächlich ist ja der ›Erfolg‹ eines Programms keine Garantie für seine Fortsetzung, sondern gerade der Erfolg kann sehr wohl
191
192
Bereits im ersten Jahr der Umsetzung wurden die Ziele des Projektes neu verhandlelt und an die veränderten Bedingungen und unterschiedlichen Interessen der beteiligten Akteure angepasst. Das ursprüngliche Ziel − REDD+ im Mittelmeer zu etablieren − wurde dabei durch weitere ergänzt (FFEM Rapport final, S. 4f., Interview Projektmitarbeiter ME, 26. Juli 2017, Rabat, sowie Kap. 4.3.2). Während Marokko den REDD+-Ansatz seither kaum weiterverfolgt hat, hat Tunesien weitere der nötigen Schritte in Richtung result-based payments unternommen, insbesondere im Hinblick auf die für REDD+ nötige Klärung von Land- und Nutzungsrechten (FAO 2017).
4 Feldstudie
zum ›Scheitern‹ beitragen – indem er die Voraussetzungen des Programms beseitigt und es damit überflüssig macht. Umgekehrt kann das ›Scheitern‹ eines Programms ungemein ›erfolgreich‹ sein und gerade aus seinem Scheitern heraus kann es zu einer ›strategischen Wiederauffüllung‹ (Foucault 1978: 121) kommen.« (Lemke 2000, 42f.) In dieser Hinsicht lässt sich von den studies of marketization und anderen Ansätzen der STS lernen, die den Aufbau von Märkten performativ denken, als unfertige Projekte, die sich in einem prekären Gleichgewicht zwischen Stabilisierung und De-Stabilisierung befinden und nur mit einem hohen Einsatz an Arbeit und Ressourcen geschaffen und aufrechterhalten werden können. Diese Stabilisierung hat sich im Fall der Kohlenstoffmärkte im Mittelmeerraum in vieler Hinsicht als schwierig erwiesen. Dabei spielen teilweise Probleme eine Rolle, die auf die grundsätzliche Konstruktion von Kohlenstoffmärkten oder REDD+ zurückgehen. Hierzu gehören die Schwierigkeit, die CO2 -Aufnahme oder -abgabe von Wäldern zu bestimmen, und die hohen Kosten für die Etablierung von Mess- und Beobachtungssystemen, die durch die bisher niedrigen Preise für CO2 -Zertifikate nicht gedeckt sind − auch im Rahmen des FFEM-Projektes und der GIZ-Studien wurde mehrfach vorgebracht, dass REDD+ angesichts der aufwendigen Vorarbeiten und der geringen Aussicht auf stark steigende CO2 -Preise gerade für Länder im Mittelmeerraum nicht attraktiv sei.193 Aber auch in Bezug auf das konkrete Projekt zeigten sich Probleme und ›Widerstände‹: Weder die räumliche noch die zeitliche Kohärenz, die für den Aufbau eines gemeinsamen Marktraumes zumindest in Ansätzen nötig ist (Kap. 4.3.2), hat sich bisher herstellen lassen. Die Konstruktion eines gemeinsamen Raumes, der wesentlich über das ›natürliche‹ Kriterium mediterraner Wälder erfolgen sollte, deckte sich nicht mit den physischen Realitäten vor Ort und dem Selbstverständnis der Akteure, die am Projekt beteiligt waren: Der Nord-Süd-Gegensatz, der den Mittelmeerraum in zwei Teile schneidet, wurde im Rahmen des Projektes ausgeklammert, war jedoch stets präsent (Kap. 4.1. und Kap. 5). Zugleich verstanden sich auch die beteiligten Partnerländer nicht, wie die Projektkonstruktion annahm, als
193
Die GIZ-Studie zu REDD+ in Marokko schätzt die Kosten für die Einrichtung von entsprechenden Monitoring- und MRV-Systemen auf rund 380 Dirham (37 Euro) pro Hektar im ersten Jahr und rund 130 Dirham (12 Euro) pro Hektar für die Aktualisierungen des Systems, die etwa alle fünf Jahre vorgesehen sind. Für den Maâmora-Wald wären das etwas über 50 Millionen Dirham (4,6 Millionen Euro) im ersten Jahr, 17 Millionen Dirham (1,7 Millionen Euro) in den folgenden Jahren. Diese Kalkulation beruht allerdings auf der Annahme, dass die Wälder ohne Einführung von REDD+ an Wert verlieren würden − wird ein solcher Wertverlust nicht angenommen oder berücksichtigt, sind die Kosten deutlich höher. Die Kosten für das Monitoring der sozialen und ökologischen Auswirkungen sind nicht berücksichtigt (GIZ REDD Maroc, S. 33; vgl. auch NEP FFEM Project, S. 60).
253
254
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Einheit, als homogener Akteur, der vor denselben Problemen steht. Wie das Auseinanderbrechen des Projektes deutlich machte, gingen die Interessen der beteiligten Länder und Akteure weit auseinander. Einheitliche Methodologien zu entwickeln und damit vergleichbare Daten aus der gesamten Region zu generieren, gelang nur in Teilen, wie ein Projektleiter bedauert: »For the vulnerability assessment I think the results are quite good. Those studies were made everywhere. Maybe what we should reinforce is the cartographic aspect. […] There was a common methodology and there were some common regional trainings to be sure that everybody will do the same method, but actually in the end it was not exactly the same in all countries. […] In particular in Tunesia the maps are a bit different, instead of having real maps with spatialized data it was more like having data on regions. So, global, every region, but not really spatialized like in the other countries. So, well, the weak point of this first component is cartography.« (Interview Projektleiter, 26. Januar 2016, Rom) Die im Projekt angenommene gemeinsame Identität als mediterrane Länder − oder als der südliche Teil mediterraner Länder, der nicht Mitglied der EU ist − wurde im Rahmen des Projektes nicht hinterfragt. Auch gab es keinerlei Reflexion darüber, inwieweit eine solche Perspektive (post)koloniale Praktiken spiegelt und welche anderen Verortungen und identitäre Bezüge sie negiert. Dies wird besonders deutlich am Beispiel Marokkos, das sich während des Projektzeitraumes weiter in Richtung West- und Subsahara-Afrika orientierte und auch im Rahmen der Klimapolitik als ›afrikanisches‹ Land positionierte.194 Aber auch die zeitliche Kohärenz oder ›Resonanz‹ herzustellen, die für die Inwertsetzung des Kohlenstoffs nötig ist, gestaltete sich als schwierig. Verschiedene
194 Über die letzten zwei Dekaden hat Marokko seine Außenpolitik zunehmend in Richtung Afrika ausgerichtet, verstärkt in West- und Südafrika investiert und die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen Ländern des Kontinents intensiviert (Tsukerman 2018; Mattes 2016); 2017 ist Marokko nach über 30 Jahren wieder in die Afrikanische Union (AU) eingetreten. Die Orientierung nach Afrika wurde auch auf der Klimakonferenz in Marrakesch 2016 deutlich, wo Marokko sich als Vorreiter in Sachen Klimaschutz auf dem afrikanischen Kontinent präsentierte (Schumacher 2016c, für eine kritische Perspektive vgl. Yousfi 2016). Einen großen Raum nahm dort die neue Initiative of Adaptation of African Agriculture to Climate Change (AAA) ein, die, von Marokko initiiert, auf eine Anpassung und Ausweitung landwirtschaftlicher Produktion in afrikanischen Ländern zielt (Feldtagebuch 19. November 2016, Marrakesch; zur Initiative Lal 2019; Initiative AAA 2016). Die außenpolitischen Bezüge spiegeln zugleich die Kontroversen und unterschiedlichen Positionen innerhalb der marokkanischen Regierung und der herrschenden Eliten wider, beispielsweise zwischen dem − stark mit der Entwicklungshilfe verbundenen und nach Europa ausgerichteten − Umweltministerium und dem traditionell konservativeren, dem Makhzen nahestehenden Agrarministerium.
4 Feldstudie
menschliche und nicht-menschliche Akteure innerhalb des Projektrahmens bewegten sich in Zeit-Räumen, zwischen denen nur partiell eine Verbindung hergestellt und stabilisiert werden konnte. Die Projektlogik mit kurzzeitigen Finanzierungen, aber auch die hohe Mobilität der international experts stießen hier zusammen mit der lokalen Verankerung der Bäume und ihrer Nutzer:innen sowie den langfristigen Maßnahmen, die zur Erhöhung der CO2 -Aufnahme nötig sind. Eine solche »Reibung« (Tsing 2005) kann Entwicklungen voranbringen und sichtbar machen, aber sie erschwerte in diesem Fall die Artikulation zwischen verschiedenen Ebenen, die Übersetzung der Marktlogiken und Stabilisierung ihrer Bedingungen. Die Leiterin eines Teilprojektes berichtet, wie die Logik des Projektes die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften erschwerte: »B: they [the local communities, JS] were not, they were a bit sceptical, let’s say. A bit sceptical. Because they are used to having all those development projects coming and then going after four years, three years, four years, and then they don’t have a project anymore. […] And then after four years because there are no funds anymore, then everybody is going back home, and then the population is still there but they have no …, they don’t see the actual changes. I: But how have you dealt with these problems? Because it was also a project just for four years. B: Yes [lacht], I think it’s an issue of all the projects. So for example in Lebanon […] the local expert that implemented those approaches, she had other projects coming in, so she was trying to link all the projects together. But it wasn’t something we did, it was something the expert did. […] And I think in Morocco it’s the same. Like the expert was very involved in the pilot site before, and after the project, he had other studies, all his life he studied this area, and so, that’s why people there, they trust him. So I think one of the keys for this kind of project is to have experts or facilitators that are already really involved on the site.« (Interview Teilprojektleiterin YS, 10. November 2016) Scheitern als Strategie Verzögerungen, Probleme in der Umsetzung oder der Abbruch von Projekten können, aus einer analytischen Perspektive, ein Ansatzpunkt sein, um die Logiken einer Regierungsform herauszuarbeiten, und um ihre Relevanz und die Widerstände, denen sie begegnet und mit denen sie interagiert, zu verstehen. Handlungen und das Zusammenkommen verschiedener Akteure können ungeplante Effekte haben; counterperformative nennt MacKenzie (2007) diese, Callon (1998a) spricht von overflow. Diese können die Versuche, assemblages wie Märkte zu stabilisieren, torpedieren – sie können jedoch zugleich konstitutiv für den Aufbau eben solcher sein, weil sie die Möglichkeit schaffen, die bestehenden
255
256
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Widerstände zu übergehen und zu überwinden. Das teilweise oder vollständige Scheitern von Programmen und Projekten muss aus einem performativen Ansatz heraus kein Scheitern sein. Es kann im Gegenteil ein konstitutioneller Bestandteil der Implementierung der Logiken sein, die ihnen zugrunde liegen: »instances of failure and breakdown are as constitutive of the process as the construction and stabilization of a market order« (Bair et al. 2013, S. 2545). Da Märkte dynamische Gebilde sind, ist eine dauerhafte Stabilisierung unmöglich. Die Notwendigkeit, sich veränderlichen Bedingungen anzupassen, ist eine Bedingung der Etablierung und der Aufrechterhaltung von Märkten selbst; Anpassung ist kein einmaliges Ereignis, sondern muss stetig wiederholt werden. Um den Prozess der marketization − und damit auch veränderte Formen der Regierung von und mit Natur − fassen zu können, um zu beurteilen, inwieweit die agencements es vermögen, »to discipline and frame the entities that they assemble« (Callon 2006a, S. 17), ist es nötig, über das einzelne Projekt hinauszublicken und es als eben eine solche »Wiederholung« im Rahmen weiter gefasster Prozesse zu sehen. Hierzu komme ich im folgenden Kapitel 5.
Neue Akteure, Räume und tools In diesem Kapitel habe ich mich, nach der historischen Analyse im Teil zuvor, mit den gegenwärtigen Prozessen im Maâmora-Wald beschäftigt. Seit Ende der 2000er Jahre laufen im Mittelmeerraum verschiedene Projekte, die darauf zielen, die mediterranen Wälder an den Klimawandel anzupassen und sie in die globalen Klimaschutzbemühungen einzubeziehen, etwa über das Programm REDD+. Das Projekt Maximize the production of goods and services of Mediterranean forest ecosystems in the context of global changes, das unter anderem vom Fonds français pour l’environnement mondial (FFEM) gefördert wurde, erprobte diese neuen Politiken an Pilotstandorten in fünf Ländern, unter anderem im Maâmora-Wald in Marokko. Das Einbringen dieser neuen, auf die globale Klimapolitik bezogenen Ansätze bringt neue Akteure in die Netzwerke des Waldes herein: Ökosystemdienstleistungen, Treibhausgase, Expert:innen, die den Prozess des Marktaufbaus dominieren. Letztere sind, wie sich gezeigt hat, keine homogene Gruppe. Im Fall des marokkanischen Teilprojekts spielen international experts eine große Rolle, hochmobile Akteure, die auf den Aufbau von ›grünen Märkten‹ spezialisiert sind und Unternehmen oder Staaten bei der Einrichtung neuer umweltpolitischer Instrumente beraten. Diese sind umgekehrt auf das Wissen und die Erfahrungen lokaler Expert:innen angewiesen, die in direktem Kontakt zum Wald und dessen Nutzer:innen stehen und sich deshalb als die eigentlichen Expert:innen verstehen. Die lokalen Nutzer:innen hingegen, so zeigt sich, verlieren an Bedeutung, sie sind in der Konzeption der Projekte kaum präsent − wo sie auftauchen, tun sie dies vor allem
4 Feldstudie
in Bezug auf den Schutz oder die Ausweitung der Güter und Dienstleistungen des Waldes. Der Aufbau von Märkten geht mit bestimmten räumlichen Bezügen einher: Im Fall von Emissionshandelssystemen spielt hier die globale Ebene eine wichtige Rolle, wie sich auch im Fall des FFEM-Projektes zeigt. Zugleich ist der Aufbau eines regionalen Bezugssystems − eben dem Raum mediterraner Wälder − entscheidend, um die Wälder mit ihren Besonderheiten im System globaler Emissionshandelssysteme verorten zu können, was zum Beispiel über die Entwicklung bestimmter, an die regionalen Begebenheiten angepasster Berechnungsmethoden versucht wurde zu erreichen. Dieser Raum wird im Fall von REDD+-Projekten mit bestimmten Zeitlichkeiten verschränkt: Der ›Wert‹ der Emissionseinsparungen errechnet sich aus der Differenz zwischen möglichen Zukunftsszenarien. Auch die Problematik, dass die Wälder im Mittelmeerraum zuletzt gewachsen sind, was die Etablierung von REDD+-Programmen erschwert, wird über bestimmte zeitliche Bezüge gelöst: Indem mit dem Klimawandel eine künftige Bedrohung der Wälder angenommen wird, wird die Knappheit erzeugt, die die Inwertsetzung ermöglichen soll. Für diese Inwertsetzung ist die Generierung einer großen Menge an Daten nötig. Dabei werden, wie hier gezeigt, nicht nur mehr Daten benötigt, sondern auch eine andere Form von Daten als zuvor: Diese müssen in sowohl in einer quantifizierten als auch einer verräumlichten Form vorliegen; wobei der Schwerpunkt nicht auf absoluten Werten, sondern auf Unterschieden liegt, also der Abbildungen von Differenzen und Veränderungen. Um diese herstellen zu können, zielen die neuen Projekte nicht auf die Erhebung von Daten, sondern auf den Aufbau von Monitoringund Messystemen, die Daten in einer solchen Form regelmäßig liefern können. Während der Aufbau solcher Systeme in den meisten der Partnerländer des Projektes im Gang ist, ist das Projekt dem Ziel, REDD+ im Mittelmeerraum zu etablieren, nur in wenigen Punkten nähergekommen. Ein Teil der beteiligten Länder hat sich aus dem Projekt zurückgezogen oder hat einzelne Ansätze des Projektes in andere Programme überführt; einzig Marokko und Tunesien sind dem UN-REDDProgramm beigetreten. Dennoch wäre es, wie ich im letzten Absatz dargelegt habe, falsch, dies als ›Scheitern‹ zu interpretieren − assemblages wie Märkte, Programme und die Regierungsansätze, die ihnen zugrunde liegen, setzen sich nicht gegen Widerstände durch, sondern mit und durch diese. Wie die neuen, hier dargestellten Ansätze sich zu bisherigen Formen der Regierung der Natur verhalten, welche Folgen sie haben (können) und was das für den Begriff der neoliberalen Natur bedeutet, diskutiere ich im nächsten Kapitel.
257
5 Diskussion: Neue Naturen?
Was sind neoliberale Naturen? In Kapitel 2 habe ich mich mit dieser Frage beschäftigt. Ich habe zusammengetragen, was unter neoliberal verstanden werden kann und wie die verschiedenen Ausprägungen des Phänomens diskutiert werden; und ich bin der Frage nachgegangen, was als Natur bezeichnet wird, und wie sich dieses Verständnis über die letzten Jahre und Jahrzehnte verändert hat. Im dritten Abschnitt des Kapitels habe ich vorgeschlagen, Ansätze wie ANT und STS, die Natur zuletzt auf neue Art und Weise gefasst haben, mit Foucaults Gouvernementalitätsanalyse zu kombinieren, um jenseits der Mikroebene Veränderungen im Umgang mit Natur und in der Herstellung von Naturen fassen zu können. In Kapitel 4 habe ich diesen Vorschlag auf mein Fallbeispiel angewandt: die Regierung mediterraner Wälder: Ich habe zum einen die historische Entwicklung der Bewirtschaftung des Maâmora-Waldes nachgezeichnet, entlang der Frage, wie der Wald jeweils ›gemacht‹ wurde, und welche Akteure, welche Praktiken und Formen des Wissens dabei eine Rolle spielten. Und ich habe zum anderen im Rahmen einer Mikroanalyse untersucht, wie Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte der letzten Jahre im Maâmora-Wald Natur fassen, konstruieren und regieren, welche scales, temporalities und welche Wissensformen dabei eine Rolle spielen. Dabei hat sich gezeigt, dass sich im Fall des Maâmora-Waldes verschiedene Phasen des Umgangs mit Natur ausmachen lassen, verschiedene Formen, den Wald zu ›regieren‹. Lässt sich anhand des Fallbeispiels also eine spezifisch neoliberale Natur ausmachen, und wenn ja, welche Form nimmt diese an? Diese Frage muss angesichts der Ergebnisse der Untersuchung neu, oder in veränderter Form gestellt werden. Denn es zeigt sich, dass die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die Regierung mediterraner Wälder zwar bestimmte Entwicklungen fortsetzen, die seit den 1990er Jahren unter dem Begriff neoliberaler Natur oder green neoliberalism gefasst wurden. Zugleich lässt sich jedoch ein Bruch feststellen: Die Naturpolitiken, die seit Ende der 2000er Jahre im Untersuchungsgebiet verbreitet werden, unterscheiden sich in zentralen Aspekten von jenen, die ab den 1990er Jahren das Leitmotiv im Umgang mit Naturen formten. Dies gilt sowohl hinsichtlich der dominierenden und beteiligten Akteure als auch hinsichtlich der Wissensformen und
260
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Praktiken der Inwertsetzung, die mit ihnen verbunden sind − und damit auch für die Naturen, die sie hervorbringen. Diese neuen Naturen betrachte ich in diesem Kapitel näher: Welche Gestalt nehmen sie an? Welche Spezifika lassen sich − soweit dies die Fallstudie zulässt − ausmachen? Welche Form nehmen die assemblages an, die die neuen Naturen hervorbringen, auf welche Macht-Wissen-Komplexe stützen sie sich? Und schließlich: Auf welche anderen Debatten und Paradigmen verweisen diese Entwicklungen, mit welchen Prozessen stehen sie in Verbindung? Diese letzten Punkte weisen bereits über die Fallstudie hinaus und verweisen auf weitere Debatten, mit denen diese Arbeit in Verbindung steht. Im zweiten Teil des Kapitels gehe ich auf die politischen Ökonomien dieser neuen Naturen ein. Zum einen frage ich, inwieweit jüngere Debatten um die Finanzialisierung von Natur (und anderen Gütern) hilfreich sein können, um die beobachteten Phänomene einzuordnen. Zum anderen erkunde ich die (möglichen) Grundlagen und Folgen der neuen Naturen, auf die das untersuchte Projekt verweist. Hier spielt nochmals die ambivalente Beziehung von Gleichheit und Ungleichheit eine Rolle, die einen Kernaspekt des Neoliberalen bildet und sich von Beginn an durch die Arbeit gezogen hat. Wie prägen sich Aspekte von Macht und Herrschaft in den Wald ein, welche räumlichen und zeitlichen (Un)Gleichheiten prägen die Topographien der neuen Naturen? Und welche theoretischen Ansätze − jenseits der bisher hier verwendeten − können hilfreich sein, diese zu fassen?
5.1
Naturen in Bewegung
Ich habe diese Arbeit mit der Absicht begonnen, die jüngste Form der Inwertsetzung mediterraner Wälder − ihre Einbeziehung in globale Kohlenstoffnetzwerke − als ein Beispiel der Neoliberalisierung von Natur zu untersuchen. Bei der Untersuchung des Fallbeispiels über einen längeren Zeitraum hat sich jedoch gezeigt, dass die derzeit dort laufenden Projekte sich in wesentlichen Punkten von dem unterscheiden, was seit den 1990ern als ›neoliberale Natur‹ untersucht wurde. Handelt es sich dabei um bestimmte Verschiebungen innerhalb neoliberaler Regulierung? Oder handelt es sich um einen Bruch, um verschiedene Formationen, die sich anhand bestimmter Kriterien voneinander abgrenzen lassen? Ich möchte diese Fragen in diesem Kapitel diskutieren, indem ich, im Anschluss an die in Kap. 2 entwickelten theoretischen Ansätze, die Prinzipien und Strukturen näher betrachte, die diese Formen der Regierung der nicht-menschlichen Natur (und der Menschen in ihr) prägen.
5 Diskussion: Neue Naturen?
Ins Innere der Natur Die nicht-menschliche Natur des Maâmora-Waldes war, soweit der Zeitraum meiner Untersuchung reicht, immer in Märkte eingebunden. Holz und Tannin aus den Wäldern versorgten die nahen Städte, in der Protektoratszeit wurde Kork nach Frankreich exportiert. Verändert haben sich aber die Aspekte von Natur, die in die verschiedenen Marktsysteme einbezogen wurden, was als Natur verstanden wurde, welche Wissensformen dem zugrunde lagen, und nach welchen Prinzipien die Regierung des Waldes, die in unterschiedlichem Ausmaß auf marktförmige Systeme zurückgriff, funktionierte. Bis Ende der 1980er Jahre wurde der Wald vorrangig in Bezug auf primäre Produkte genutzt, wie Holz, Kork, Pilze oder Tierfutter. Wie in Kap. 4 gezeigt, veränderte sich das Management des Waldes im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrfach, dennoch blieb dasselbe Prinzip bestehen: Der Wald stellt etwas her, die Menschen ernten oder entnehmen es. Der Wald wurde, ob ›natürlich‹ oder als angelegte und engmaschig kontrollierte Pflanzung, vorrangig als Quelle von Rohstoffen verstanden. Dies ändert sich mit dem Übergang zu neoliberalen Regierungsformen (vgl. Kap. 2). Natur, so die These, wird im Neoliberalismus auf eine veränderte Weise in den kapitalistischen Prozess einbezogen, es ist mehr Natur im Kapitalismus und mehr Kapitalismus in der Natur, die Verwertungsprozesse wirken nicht mehr nur oberflächlich, indem sie die Produkte der Natur ›abschöpfen‹, sie wirken in die Natur hinein. Wie in Kap. 2.2 beschrieben, haben Boyd et al. (2001) hierfür Marx‹ Unterscheidung zwischen formeller und reeller Subsumption herangezogen und diese von ihrem ursprünglichen Kontext − der menschlichen Arbeit − auf die Natur übertragen: Im Fall der formellen Subsumption der früheren Nutzungsweisen dient Natur nur als externe Ressource, deren Produkte verwendet werden, reelle Subsumption hingegen »involves altering its biophysical properties« (Castree 2008b, S. 146), um die Möglichkeiten der Kapitalakkumulation zu erweitern. »The production of nature becomes capitalized ›all the way down‹.« (Smith 2006, S. 29) Die Einbeziehung von Natur in den kapitalistischen Prozess, so die These, hat sich intensiviert. Doch damit ist noch nicht gesagt, wie dies geschieht, und welche Unterschiede, Widersprüche und Verschiebungen es möglicherweise innerhalb dieses Prozesses gibt. Wie in Kap. 4.2 beschrieben, sahen die 1990er Jahre einen Bruch im Bereich des Waldmanagements. Zum ersten Mal wurde der Wald nicht mehr nur in Bezug auf Holz oder Kork wahrgenommen. Mit Biodiversität und genetischen Ressourcen traten neue Aspekte des Waldes auf, neue Naturen, und verschoben die Bewertung des Waldes. Ziel der Bewirtschaftung war nicht mehr vorrangig die Nutzung, sondern langfristig der Erhalt des Waldes für mögliche künftige Nutzungen, etwa im Bereich genetischer Ressourcen. Damit einher ging ein neuer
261
262
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Management-Ansatz: Durch neue, partizipative Ansätze wurde die lokale Bevölkerung aktiv einbezogen. Statt Planung von oben sollten nun flexiblere Mechanismen von unten helfen, die angestrebten Ziele zu erreichen; zu diesen Mechanismen gehörten auch Märkte. Wissen und Informationen sowie der Zugang zu diesen spielten für die Bewirtschaftung des Waldes nun eine zentrale Rolle. Dies galt im Hinblick auf genetische Informationen, die in den nicht-menschlichen Akteuren des Waldes gespeichert waren und dank neuer Technologien und veränderter Gesetzgebung zugänglich und verwertbar wurden. Aber das gilt auch für das ›lokale Wissen‹, das kollektive Wissen lokaler Gemeinschaften, das über die partizipativen Ansätze oder Programme als Traditional Ecological Knowledge (TEK) ebenfalls erhalten und nutzbar gemacht werden sollte. Die neoliberale Natur dieser Zeit ist eine stark kommodifizierte Natur, aber die Form der Kommodifizierung basiert auf einem ›klassischen‹ Verständnis von Natur als dem Eigentlichen, dem Authentischen. Lokales Wissen, Tradition, die Herstellung von places und localities und das Herausstellen von deren Besonderheiten, verbunden mit ästhetischen Merkmalen wie ›einzigartig‹, ›ursprünglich‹, ›typisch‹ oder ›unberührt‹ sind der Kern der neoliberalen Natur im Standort- und Produktwettbewerb. Die Menschen, insbesondere die Menschen vor Ort, sind der Kristallisationspunkt dieser neoliberalen Umweltgouvernementalität, der Ansatzpunkt der Regierungspraktiken: Durch die Formierung ›grüner Subjektivitäten‹, in manchen Fällen verbunden mit bestimmten Lokalisierungseffekten, soll nicht nur sichergestellt werden, dass der Wald mit seinen Informationen und Möglichkeiten künftiger Inwertsetzung erhalten bleibt, es sollen auch die kollektiven und individuellen Fähigkeiten lokaler Akteure produktiv genutzt und in den kapitalistischen Kreislauf einbezogen werden. Im Maâmora-Wald führt diese Neoliberalisierung der Umweltpolitik zu einer Ausweitung partizipativer Methoden und einem Bedeutungs- und Flächengewinn der Korkeichenwälder. Diese neoliberale Inwertsetzung von Natur zielt, wie oben angedeutet, auf das Innere der Natur, auf die in ihr gespeicherten Informationen und auf bestimmte ›Fähigkeiten‹ nicht-menschlicher Wesen, etwa die Fähigkeit, Wasser zu reinigen oder Kohlenstoff aufzunehmen. Dennoch wird Natur − in diesem Fall der Wald − überwiegend als Ganzes betrachtet: Um die Funktionen und Fertigkeiten der einzelnen Teile zu erhalten, muss, so die Argumentation, der Wald insgesamt erhalten werden, und zwar in möglichst ›natürlicher‹ Form.
Die Natur im Wettbewerb mit sich selbst Mit dem Übergang zu einer funktionalistischen Ökologie, wie ich die nachfolgend beschriebene Form der Regierung hier nenne, verändert sich dies. Der Fokus verschiebt sich von der Authentizität und Einzigartigkeit der Natur zu bestimmten Funktionen des Waldes, die jeweils getrennt voneinander betrachtet werden. Der
5 Diskussion: Neue Naturen?
Begriff der Ökosystemdienstleistungen, der eine Basis für das Konzept des Natural Capital ist, zeigt diese Verschiebungen an. Das ökonomische Interesse, und damit auch das Erkenntnisinteresse, zielt nun auf das Innere des Waldes und der Bäume, auf die Fähigkeiten natürlicher Wesen und Systeme, zu reinigen, zu reparieren, zu atmen, zu zirkulieren − auf Prozesse des Lebens selbst. Was Foucault als Biopolitik verstanden hat, als die »Regierung des Lebens selbst« − gemeint war hier die Regierung des menschlichen Lebens − weitet sich auf das nicht-menschliche Leben, und darüberhinaus auf die unbelebte Natur aus. Mit Hilfe neuer Technologien und der Möglichkeit, enorme Mengen an Daten zu verarbeiten, ist es möglich, die vorherrschende Form des Regierens − das Dispositiv des Marktes, der real existierenden Märkte − auf das Leben als Ganzes auszudehnen, oder, wie der AnthropozänDiskurs deutlich macht, auf den Planeten als Ganzen. Diese Einbeziehung fußt auf bestimmten Techniken und Technologien, und formt dabei Naturen auf eine bestimmte Art und Weise. Märkte spielen als Regierungsinstrument weiterhin eine zentrale Rolle, aber in anderer Form als zehn Jahre zuvor. Waren ab den späten 1990ern einzelne Aspekte von Wäldern in verschiedene Märkte einbezogen, etwa in Form von Biodiversitätsmaßnahmen oder Klimaschutzprojekten wie dem CDM, so zielen die Maßnahmen, die in den neuen Projekten im Mittelmeerraum angelegt sind, darauf ab, Prinzipien der (ökonomischen) Bewertung als übergreifendes Ordnungs- und Regulierungsprinzip zu etablieren. Über die Projekte des CDM oder im Rahmen freiwilliger Emissionsmärkte waren einzelne Lokalitäten in die globalen Märkte einbezogen und konkurrierten innerhalb dieser Märkte miteinander. Mit dem Übergang zum flächendeckenden natural accounting oder zu Systemen wie der Kohlenstoffbilanzierung auf der Ebene von Nationalstaaten oder Staatenbünden werden die Märkte mit den Materialflüssen der gesamten wirtschaftlichen und sozialen Aktivität verwoben. Dafür ist es nötig, die Gesamtheit menschlicher und nicht-menschlicher Aktivitäten zu erfassen und sie mit- und untereinander zu vergleichen. Die unterschiedlichen Aspekte der nicht-menschlichen Natur werden dabei in verschiedene, sich überlappende Bewertungsschemata und Märkte einbezogen. Der Wald wird nicht mehr als Einheit verstanden, als Ökosystem, das als Ganzes erhalten werden muss, um die Teile zu erhalten; holistische Ontologien von Natur werden ersetzt durch eine Logik des Aufteilens und Vergleichens. »Conceptualisations of ecological and human-ecological relationships, and of interconnectedness in systems, give way to the notion that their components, facets and attributes can be separated as ecosystem ›services‹ and so sold: not just resources for provisioning, but also their regulating and even aesthetic dimensions. Thus the ›green gaze‹ valuing a tropical forest now sees deep down to its underground potential for carbon storage, its solar absorption, its soil and water as a potential for biofuel production (palm oil, sugar and Jatropha), its trees as a source
263
264
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
of REDD (Reduced Emissions from Deforestation and Degradation) funding (perhaps doubling as a potential source of sustainable biochar), and its biodiversity as a source of global conservation funding or tourism revenue.« (Fairhead et al. 2012, S. 243) Wie schon zuvor im Rahmen der Neoliberalisierung von Natur stehen Ökosysteme und Naturen an verschiedenen Standorten in Konkurrenz miteinander: »I think it’s [for the Mediterranen forests] quite difficult to be in competition with the tropical forests or the Kongo forests«, erklärte eine Mitarbeiterin des Projektes (Interview Teilprojektleiterin YS, 10. November 2016). Zusätzlich werden aber nun die verschiedenen ökonomischen Potentiale nicht-menschlicher Wesen und die unterschiedlichen Dimensionen von Natur jede für sich bewertet und verglichen. Diese Zersplitterung und Aufspaltung von Natur führen zu einem neuen Phänomen: einem Wettbewerb der Natur mit sich selbst − indem einzelne Teile von Ökosystemen getrennt bewertet werden, stehen sie im Wettbewerb miteinander; die Betonung der Multifunktionalität des Waldes, die sich durch das gesamte Projekt zieht, zielt in diese Richtung. Die Kalkulationen der Komponente 2 des FFEM-Projektes zeigen und vergleichen die verschiedenen Optionen, den Wald auf verschiedene Weise inwertzusetzen. Doch diese Optionen können nicht zugleich genutzt werden: Nutzt man das Holz, stehen die Bäume nicht mehr zur Kohlenstoffspeicherung zur Verfügung. Aber auch verschiedene Ökosystemdienstleistungen konkurrieren untereinander um die Möglichkeiten der Inwertsetzung: Das Management auf eine hohe Biodiversität und den Schutz gefährdeter Arten auszurichten, indem man etwa langsam wachsende Korkeichen fördert, bedeutet Abstriche bei der CO2 -Aufnahme; die Ausrichtung auf Tourismus kann die Biodiversität verringern. Es geht also gerade nicht um einen einseitigen Fokus auf CO2 , wie im Rahmen von Studien zu REDD+ häufig kritisiert wurde (Gutiérrez 2011; Lansing et al. 2015; Moreno et al. 2016). Stattdessen geht es, wie auch der Leiter des Teilprojekts 2 im Maâmora-Wald − der Berechnung der ökonomischen Werte der Natur − erklärte, darum, aus den verschiedenen Optionen diejenige mit dem höchsten Gesamtnutzen ermitteln zu können: »On raisonne pas uniquement au liège, mais on raisonne aussi tourisme, on raisonne maximisation de valeur économique totale d’un espace« (Interview Projektmitarbeiter ME, 26. Juli 2017, Rabat; vgl. auch FFEM RT Final Comp2 Maroc).
Vom Humankapital zum Naturkapital – posthumane Kapitalismen Der permanente Wettbewerb − zwischen Staaten, Standorten, Unternehmen, Arbeiter:innen − ist ein Kennzeichen des Neoliberalismus; Foucault hat in seinen Vorlesungen von 1979 Wettbewerb und Ungleichheit als dominierende Prinzipien der neoliberalen Gouvernementalität herausgestellt (Foucault 2006a, 305ff.). Am Bei-
5 Diskussion: Neue Naturen?
spiel des Konzepts des Humankapitals analysiert er, wie die Ausweitung des Kapitalbegriffes dazu führt, dass der Arbeiter zum »Unternehmer seiner selbst« und das Prinzip des Wettbewerbs in das Subjekt hinein ausgeweitet wird. Die Ökonomie, wie der Neoliberalismus sie definiert, so argumentiert Foucault, sehe als ihre Aufgabe weniger die Erklärung von Prozessen zwischen Dingen, sondern die Analyse menschlichen Verhaltens: »Die Analyse soll das Kalkül offenlegen, das übrigens unvernünftig sein mag, das blind und unzureichend sein kann, das aber unter der Voraussetzung knapper Ressourcen den Entscheidungen eines oder mehrerer Individuen zugrunde liegt, diese Ressourcen zu einem bestimmten Zweck und nicht zu einem anderen einzusetzen. Es handelt sich also nicht mehr um die Analyse der historischen Prozeßlogik, sondern um die Analyse der internen Rationalität, der strategischen Planung der Handlungen von Individuen.« (Foucault 2006a, S. 310) Dieses Prinzip des Wettbewerbs, des Humankapitals, wird über das menschliche Leben hinaus auf die nicht-menschliche Sphäre ausgedehnt: Das Naturkapital ist sein Äquivalent. Auch die verschiedenen Fähigkeiten und Eigenschaften natürlicher Systeme oder Wesen sind nun in Prüf- und Bewertungssysteme einbezogen, die evaluieren, welche Leistungen sie erbringen, welcher Wert durch sie zu einem bestimmten Zeitpunkt realisiert werden kann. Dies ersetzt nicht das Humankapital, so wie dieses die Rolle natürlicher Ressourcen oder Rohstoffe keineswegs ersetzt hat. Vielmehr kommt es zu einer Einbeziehung in Form von Relationen, von einer Gleichsetzung: Menschliche und nicht-menschliche Fähigkeiten und Dienstleistungen können unterschiedlich bewertet und in verschiedene Märkte einbezogen sein, doch über die ökonomischen Bewertungsinstrumenten und -schemata können sie verglichen, in Beziehung gesetzt werden; sie sind gleichgesetzt, Teil desselben Systems. Emissionszertifikate unterscheiden nicht danach, ob die mit ihnen verbundene Emissionsreduktion durch einen Baum, einen Filter oder das veränderte Verhalten eines Menschen erbracht wurde. In Gabun sieht das neue Nachhaltigkeitsgesetz von 2014 vor, ein System für sustainable development credits aufzubauen, die frei untereinander austausch- und handelbar sind; diese umfassen nicht nur biodiversity, carbon und ecosystem credits, sondern auch »community capital credits«, definiert als »sum of the natural and cultural assets belonging to a community« (fern 2015). Das Konzept des Humankapitals ist mehr als ein diskursives Konstrukt − es hat materielle Auswirkungen, strukturiert Möglichkeiten und Entscheidungen und formt Menschen und sozio-ökonomische Systeme auf eine bestimmte Art. So ist auch Naturkapital mehr als nur eine veränderte Bezeichnung. Es bringt ›neue Naturen‹ hervor, die sich auch physisch von den Naturen der Jahrzehnte zuvor unterscheiden. Besonders deutlich wird dies, wo verschiedene Formen der Inwertsetzung und der Gouvernementalität miteinander in Konflikt geraten. Wie in Kap.
265
266
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
2 beschrieben, sind Modi der Regierung nie total. Es gibt keine regelmäßige Abfolge bestimmter Gouvernementalitäten. Die verschiedenen Formationen und ihre Rationalitäten können sich ergänzen, aufeinander aufbauen oder konkurrieren − ein Fall, in dem Unterschiede zwischen ihnen besonders deutlich zu Tage treten können. In den 1990er Jahren geriet die Ausrichtung auf einen hohen Ertrag an Holz und die fordistisch-disziplinäre Regierung des Maâmora-Waldes in Konflikt mit den neuen, neoliberalen Ansätzen, die auf Erhalt der natürlichen Systeme der mediterranen Wälder setzten, insbesondere auf den Erhalt der Korkeichen, die als heimische Pflanzen als besonders authentisch galten und eine hohe Biodiversität aufweisen. Bis in die 2000er Jahre hatte sich der neue Bewirtschaftungsansatz im Maâmora-Wald durchgesetzt, partizipative Methoden wurden eingeführt, und es wurde beschlossen, den gesamten Korkeichenwald, unabhängig von seiner Produktivität, zu erhalten. Dadurch gelang es, den Verlust der Korkeichenwälder zu stoppen, ihre Fläche nahm wieder zu (Kap. 4.2). Diese − in vieler Hinsicht durchaus erfolgreichen − Praktiken geraten nun in Konflikt mit den Ansprüchen und Motiven einer neuen, funktionalistischen Sicht auf Natur. In einem System, das darauf zielt, die Nutzung des Waldes zu optimieren, indem es auf Basis einer großer Zahl an Daten unter den verschiedenen möglichen Nutzungen dynamisch diejenige ermittelt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt den höchsten Wert zu generieren im Stande ist, sind die langsam wachsenden Korkeichen, die nur wenig CO2 aufnehmen, nicht die erste Wahl. Studien aus anderen Regionen haben mehrfach gezeigt, dass ein Fokus auf Kohlenstoffspeicherung, etwa im Rahmen von REDD+, in Konflikt geraten kann mit anderen Zielen des Naturschutzes, etwa dem Erhalt ›natürlicher‹ Wälder oder der Biodiversität (vgl. Caparrós und Jacquemont 2003). Dies befürchtete auch ein am Projekt beteiligter Mitarbeiter der marokkanischen Forstverwaltung: Cette multifunctionalité dans le méchanisme de la REDD+, […] ç’est que le fait de parler [d‹] un reboisement ou [d‹] une plantation, ça pourrait être une multifunctionalité. Si je vise la sequestration de carbone, je vais mettre une plantation qui est beaucoup plus sequestrative de carbone, mais qui défavorise autres choses. (Interview Projektmitarbeiter AE, 29. Oktober 2016, Rabat) Tatsächlich kamen mit der Möglichkeit, an REDD+-Programmen teilzunehmen und Gelder für die Erhöhung der CO2 -Speicherung in den Wäldern zu generieren, in Marokko Planungen auf, wieder vermehrt schnellwachsenden Eukalyptus zu pflanzen, der große Mengen an Kohlenstoff aufnimmt − eine Praktik, die über die letzten zwei Jahrzehnte wegen ihrer ökologischen Folgen aufgegeben worden war. Sollten sich die neuen Ansätze als Leitprinzip zumindest in Teilen durchsetzen, und damit eine funktionalistische Sichtweise auf Natur, würde dies bedeuten, dass das Management des Waldes sich wieder wegbewegen würde vom derzeit angestrebten Erhalt möglichst großer Flächen an Korkeichen. Und nicht nur
5 Diskussion: Neue Naturen?
vom Schutz der Korkeichen: Viele der neoliberalen Konzepte der 1990er und frühen 2000er Jahren zielten auf den – zumindest vorübergehenden – Schutz von Natur, um künftige Inwertsetzungs-Möglichkeiten zu bewahren. Das dualistische Konzept von Natur wirkte hier zugleich als Ermöglichung bestimmter Formen der Inwertsetzung, etwa in Form von Ökotourismus oder »spectacular accumulation« (Barua 2017) durch Naturerlebnisse. Es verhinderte mit seinem holistischen, auf Selbstregulierung und Einheit zielenden Ansatz aber andere Formen der Inwertsetzung. Die neue Regierung der Ökologie überwindet diese Barrieren, indem sie die Natur überwindet, die Natur als das Authentische − der Verweis auf Einzigartigkeit, auf das Natürliche, Eigentliche mediterraner Wälder, Landschaften oder Bäume kommt in den neuen Management-Ansätzen nicht mehr vor.
Eine Gouvernementalität des Experiments Foucault hat das gouvernementale Prinzip der Sicherheit, das in der Lesart der meisten Autor:innen die Grundlage der neoliberalen Gouvernementalität bildet, als »fließen lassen« beschrieben (Kap. 2.1): Die »natürliche Zirkulation« wird zugelassen, sie wird nicht vollständig kontrolliert, nur klug gelenkt, indem man das Terrain, das Milieu bereitet, die Dinge so anordnet, dass die »gute Zirkulation« gefördert, die schlechte gehemmt wird (Foucault 2006b, 37ff.). Gouvernementalität bedeutet in dem Fall nicht, bestimmte Effekte zu eliminieren, zu verbieten oder zu verhindern, sondern vielmehr, den unvermeidlichen Overflow anzuerkennen und durch kluges Arrangement der Dinge zu minimieren. Das Management des Waldes ab etwa 2000 geht, wie in Kap. 4.2 beschrieben, in diese Richtung. Es geht dort sehr praktisch darum, das Terrain zu bereiten: Der Bewirtschaftungsplan für den Maâmora-Wald, der in den 2000ern ausgearbeitet wurde und bis 2034 gelten sollte, sah die Umwandlung großer Flächen von Eukalyptus in Korkeichenwälder vor (Interview Projektmitarbeiter AE und MM, 29. Oktober 2016, Rabat). Dazu gehörten auch gezielte Anpflanzungen − aber dort, wo der Korkeichenwald noch oder einmal stand, sollte er möglichst in Ruhe gelassen werden, seinen natürlichen Zustand annehmen können. Es ging weniger darum, den Korkeichenwald durch direkte Eingriffe zu gestalten als vielmehr darum, ihm die entsprechenden Bedingungen zu schaffen, um wachsen und sich entwickeln zu können, indem man schädliche Einflüsse eindämmt, etwa in Form der Regulierung von Beweidung und der Organisierung der lokalen Gemeinschaften zum Schutz des Waldes. Mit dem Übergang zu funktionalistischen, posthumanen Regierungsformen ab Ende der 2000er Jahre geht es nicht mehr um fließen lassen. Es geht eher darum, aktiv zu bewegen, zu verändern, und das auf eine Weise, die sich vor allem an den Zwecken, dem Nutzen der Funktionen des Waldes orientiert, und weniger an einem Bild des Natürlichen, das sich selbst reguliert, das ein Gleichgewicht findet, wenn man die Bedingungen entsprechend gestaltet. Diese neuen Ansätze
267
268
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
erinnern von den Praktiken her an frühere Formen des Pflanzens, wie sie intensiv in den 1950er und 1960er Jahren praktiziert wurden. Die Ansatzpunkte, die Objekte dieser Praktiken, sind jedoch andere, ebenso die scales, auf die sich diese Form der Regierung bezieht, und die agencies, die sie vermitteln. Die Pflanzungen der disziplinären Logik waren verwoben mit dem Nationalstaat und seinen territorialen Begrenzungen, sie fanden statt in einem definierten Rahmen, auf den sie sich bezogen. Ihre Rationalität war eine Logik des Planens und der Begrenzungen, der Objekte an festen Orten, ein geometrisches Prinzip. Es ging darum, die Objekte an ihren Platz zu setzen und sie dort zu halten, um sie kontrollieren zu können. Die neue Form des aktiven ›Formens‹ von Natur hingegen interessiert sich weniger für die Objekte selbst, ihre materielle Gestalt, sondern für die Leistungen, die sie erbringen. Diese sind in ein System von materiellen und symbolischen Strukturen einbezogen, das sich nicht mit dem Nationalstaat deckt; sie sind eingebunden in einen Markt, der über den nationalen Rahmen hinausreicht, hinausreichen muss. Und sie greift gerade nicht auf Pläne zurück, auf die Anordnung der Dinge entsprechend zuvor erdachter oder ausgearbeiteter Visionen und Zukunftsversionen. Das Vorgehen im Fall der ›neuen Naturen‹ ist experimentell. Es verläuft nicht vom Ganzen zum Detail wie im Fall der top-down-Planung der Waldbewirtschaftung in Zeiten der Disziplin, wo a priori ein Konzept gemacht, eine These aufgestellt und dann umgesetzt und überprüft wurde; aber es greift auch nicht auf kollektive Aushandlungs- oder Subjektivierungsprozesse zurück wie im Fall des ›partizipativen‹ Neoliberalismus. Im Fall der ›neuen Naturen‹ geht die Regierung vom Einzelfall aus, vom Experiment in situ: Was sich bewährt, wird kopiert, übernommen, vervielfältigt. Das Konzept der Pilotprojekte ist die Verkörperung dieses Prinzips: »The methodology is to be developed on the basis of five or six pilot sites, using the classic method of assessing emission reductions and adsorption increases. To prepare for the project, an information sheet will be produced for each of these pilot sites. The aim is that, by using a ›learning by doing‹ approach, Mediterranean specifics not covered by existing methodologies can be identified for special attention in the new methodology and that the REDD+ issues for Mediterranean forestry management can be assessed on the basis of actual case studies. Depending on the results, the methodologies and projects may be submitted for certification under voluntary carbon standards.« (FFEM Guide, S. 33) Das Prinzip Pilotprojekt ist aber nicht auf das FFEM-Projekt beschränkt. Es kann als generalisiertes Prinzip verstanden werden, das die neue Herangehensweise an die Regierung der Wälder, ihre menschlichen und nicht-menschlichen Subjekte kennzeichnet. So beschreibt ein Mitarbeiter der GIZ in Marokko das System regelmäßiger Koordinations- und Steuerungsrunden, denen jeweils ein zweitätiger
5 Diskussion: Neue Naturen?
Monitoring-Workshop mit den Verantwortlichen der verschiedenen Projekte im Land vorausgeht: »Am zweiten Tag − das ist immer ein zweitägiger Workshop − machen wir einen Workshop zu Wissensmanagement, wo wir sagen ›Was haben wir jetzt eigentlich daraus gelernt?‹ und ›Wie geht’s weiter?‹ Und vor allem ›Was sind die Produkte, die wir erstellt haben, die es verdienen, upgescaled zu werden?‹ Also Upscaling und Breitenwirksamkeit. Das hört sich jetzt sehr theoretisch an, aber das ist meistens sehr praktisch, zu sagen: Das lohnt es sich jetzt im Steuerungs-Kommittee vorzuschlagen, dass die Ministerin da ein Ministerdekret oder was auch immer verabschiedet, auf der Grundlage unserer Piloterfahrung in den Pilotregionen […], dass es dann national gemainstreamed wird. Solche Fragen zum Beispiel. Und dann gehen wir mit diesen Ergebnissen in die Steuerungssitzung und da kommen dann im Prinzip die politischen Entscheidungen auf der Grundlage dessen, was wir gemacht haben.« (Interview Mitarbeiter GIZ, 27. Juli 2017, Rabat) Die hier erwähnten Monitoring-Sitzungen arbeiten mit elektronischen Formularen, in denen die Ergebnisse der Pilotprojekte mit den vorab formulierten Zielen und Indikatoren abgeglichen werden. Die neuen tools, auf deren Errichtung auch das FFEM-Projekt zielt, automatisieren und generalisieren dieses Prinzip. Sie erheben stetig Daten, analysieren, vergleichen und bewerten weitgehend autonom. In der von der GIZ erstellten Broschüre zu REDD+ in Marokko wird auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz verwiesen, wie ihn etwa die Firma Artificial Intelligence for Ecosystem Services (ARIES) anbiete, »that make it possible to estimate the provision of multiple ecosystem services across a landscape, map the use of services and monetary value, and predict trends in service provision and value across the landscape.« (GIZ REDD Maroc, S. 96) ARIES ist spezialisiert auf »integrated modelling«; als Anwendungsbeispiele nennt das Unternehmen auf seiner Webseite unter anderem Fragen aus dem Bereich »Natural Capital Accounting«: »- How are the provision, use, and flows of ecosystem services changing over time? - How do these services contribute to specific economic sectors – both within and beyond estimates already included in Gross Domestic Product? und zur »Optimization of Payments for Ecosystem Services«: »- Where is it best to invest in payment schemes for ES so as to optimize investment? - What type of PES scheme is the most effective given the nature of the services of interest?
269
270
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
- How are opportunity costs distributed in space? How are probabilities of land conversion distributed in space?« (ARIES 2021)
Es handelt sich bei den im Projekt eingeführten tools also nicht einfach um Instrumente zur Erhebung einzelner Parameter, sondern um komplexe und weitreichende Apparate, die in Verbindung stehen mit zahlreichen weiteren Arrangements. Einmal umfassend installiert, würden Satelliten in Echtzeit Daten über den Zustand und die Funktionen des Waldes erheben, diese mit regelmäßig vor Ort erhobenen Daten abgleichen und verarbeiten, die Ergebnisse in Bewertungsschemata einleiten und dynamisch den momentanen Wert verschiedener Waren und Leistungen des Waldes auf den (Finanz)Märkten ermitteln, unter Einbeziehung von zahlreichen Parametern wie geltenden umweltpolitischen Regularien, sozioökonomischen Entwicklungen, Preisen von Holz, Emissionszertifikaten oder Futtermitteln. Und die Ergebnisse würden über die ermittelten Werte zugleich auf den Wald zurückwirken, denn seine Bewirtschaftung würde auf Grundlage der Ergebnisse angepasst: über automatisierte, algorithmengesteuerte Managementprozesse und Investmententscheidungen, die politische Aushandlungsprozesse ersetzen. Hier zeigt sich eine Form des Regierens, die mit früheren, zentralistischen Modellen des Regierens bricht, eine Gouvernementalität des Experiments. Die Lücke, die in den Sozialwissenschaften festgestellt wurde − das Fehlen einer ›großen Theorie‹ − ist ein Schlüssel zum Verständnis der neuen Regierungsformen. Denn diese beruhen nicht mehr, wie viele Jahrzehnte lang, auf dem top-down-Ansatz der Planung, des Formens des Materiellen nach dem Abstrakten, der Realität nach einer Idee, einem Modell, einer geometrischen Figur. Mit dem Neoliberalismus, der Entstehung einer tatsächlichen Biopolitik, hat die Gouvernementalität ökologischere Modelle der gesellschaftlichen Regulierung übernommen, die über stärker internalisierte, flexiblere und flüssigere Mechanismen funktionieren. Doch selbst der Neoliberalismus folgte einem Plan − es handelte sich um ein Programm, das bestimmten Grundannahmen folgte, und das zunächst theoretisiert und dann umgesetzt wurde. Dieser Ansatz geht nun auf in einer Politik der Probabilität, einer Politik des Experimentierens und Evaluierens. Mit Experiment ist hier nicht die minutiös geplante und durchgeführte Überprüfung einer Hypothese gemeint. Experiment ist hier vielmehr ein Beginnen, ohne das Ende zu kennen, ein Handeln nicht auf ein Ergebnis hin, sondern mit offenem Ausgang – das nichtdestotrotz überwacht, begleitet, ausgewertet wird: »Ein Experiment kann schiefgehen; es ist schwierig zu reproduzieren; es ist abhängig von den Instrumenten. Ein schlechtes Experiment ist nicht eines, das scheitert, sondern eines, aus dem keine Lehre für das folgende gezogen werden kann. Und ein gutes Experiment liefert kein definitives Wissen, sondern gibt den Pfad von
5 Diskussion: Neue Naturen?
Versuchen vor, dem man folgen muss, damit die nächste Runde nicht vergeblich sein wird.« (Latour 1992, 247) Es geht dabei nicht mehr darum, Ziele zu setzen und darauf hinzuarbeiten, sondern die Dinge zu beobachten, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Es geht darum, sich bestmöglich auf die möglichen künftigen Entwicklungen einzustellen. Das Ziel ist nicht mehr, über die Anordnung der Dinge einen bestimmten, gewünschten Zustand zu erreichen − etwa einen biodiversitätsreichen, naturbelassenen Korkeichenwald − und dabei ein gewisses Maß an Overflow in Kauf zu nehmen. In der neuen Form der Regierung hat Natur keinen feste Form mehr, sie hat den Bezug zum Ursprünglichen, Authentischen, der sie lange Zeit auszeichnete, verloren.1 Kern der neuen Regierungsformen des Waldes sind das Monitoring und die permanente Anpassung an fluide, nicht-stabile Systeme, »a pure activity of government that aims at nothing other than its own replication« (Agamben 2009, S. 22), die, im idealen Zustand, keinen Overflow mehr kennt, weil alle möglichen Handlungsoptionen in das System einbezogen werden können.
5.2
Politische Ökonomien der neuen Naturen
»We are witnessing the breakthrough of a new historical semantics: the breakthrough of ecology«, schreibt Hörl (2017): »There seems to be hardly any area that cannot be considered the object of an ecology and this open to ecological reformulation. This proliferation of the ecological is accompanied by a shift in the meaning of ›ecology‹. The concept is increasingly denaturalized. Whereas previously it was politically-semantically charged with nature, it now practically calls for an ›ecology without nature‹. Thus it not only abondons any reference to nature, but even occupies fields that are definitely unnatural.« (Hörl 2017, S. 1) Was Hörl hier als »new ecological paradigm« beschreibt, deckt sich in vieler Hinsicht mit den Beobachtungen dieser Arbeit: Die Ausbildung neuer Formen der Gouvernementalität, die Ausbildung einer Form der ökologischen Regulierung, die sich nicht mehr auf Natur bezieht. Dies verändere, so Hörl, nicht nur den Begriff der Ökologie, sondern auch den der Technik:
1
Sprenger (2019, S. 502) sieht diese »Dominanz der Unsicherheit« in Verbindung stehen mit der »Abkehr von Modellen des Gleichgewichts und der Stabilität zugunsten der Dynamik unvorhersagbarer Fluktuationen, die in der akademischen Ökologie um 1970 diskutiert wird (und die die populäre Ökologie sowie ihre theoretischen Aneignungen bis heute nicht erreicht hat).«
271
5 Diskussion: Neue Naturen?
Versuchen vor, dem man folgen muss, damit die nächste Runde nicht vergeblich sein wird.« (Latour 1992, 247) Es geht dabei nicht mehr darum, Ziele zu setzen und darauf hinzuarbeiten, sondern die Dinge zu beobachten, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Es geht darum, sich bestmöglich auf die möglichen künftigen Entwicklungen einzustellen. Das Ziel ist nicht mehr, über die Anordnung der Dinge einen bestimmten, gewünschten Zustand zu erreichen − etwa einen biodiversitätsreichen, naturbelassenen Korkeichenwald − und dabei ein gewisses Maß an Overflow in Kauf zu nehmen. In der neuen Form der Regierung hat Natur keinen feste Form mehr, sie hat den Bezug zum Ursprünglichen, Authentischen, der sie lange Zeit auszeichnete, verloren.1 Kern der neuen Regierungsformen des Waldes sind das Monitoring und die permanente Anpassung an fluide, nicht-stabile Systeme, »a pure activity of government that aims at nothing other than its own replication« (Agamben 2009, S. 22), die, im idealen Zustand, keinen Overflow mehr kennt, weil alle möglichen Handlungsoptionen in das System einbezogen werden können.
5.2
Politische Ökonomien der neuen Naturen
»We are witnessing the breakthrough of a new historical semantics: the breakthrough of ecology«, schreibt Hörl (2017): »There seems to be hardly any area that cannot be considered the object of an ecology and this open to ecological reformulation. This proliferation of the ecological is accompanied by a shift in the meaning of ›ecology‹. The concept is increasingly denaturalized. Whereas previously it was politically-semantically charged with nature, it now practically calls for an ›ecology without nature‹. Thus it not only abondons any reference to nature, but even occupies fields that are definitely unnatural.« (Hörl 2017, S. 1) Was Hörl hier als »new ecological paradigm« beschreibt, deckt sich in vieler Hinsicht mit den Beobachtungen dieser Arbeit: Die Ausbildung neuer Formen der Gouvernementalität, die Ausbildung einer Form der ökologischen Regulierung, die sich nicht mehr auf Natur bezieht. Dies verändere, so Hörl, nicht nur den Begriff der Ökologie, sondern auch den der Technik:
1
Sprenger (2019, S. 502) sieht diese »Dominanz der Unsicherheit« in Verbindung stehen mit der »Abkehr von Modellen des Gleichgewichts und der Stabilität zugunsten der Dynamik unvorhersagbarer Fluktuationen, die in der akademischen Ökologie um 1970 diskutiert wird (und die die populäre Ökologie sowie ihre theoretischen Aneignungen bis heute nicht erreicht hat).«
271
272
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
»There is something remarkable about this: while, from the perspective of the history of concepts and discourses, the concept of ecology designated primarily the other side of technics and of mind, it has now begun to switch sides within the nature/technics divide, undoing the sutures that bound it to nature.« (Hörl 2017, 2) Diese Umkehrung, so Hörl, gehe einher mit einer Auflösung der semantischen Beziehung zwischen Technik und instrumenteller Logik, breche mit der Zweckrationalität, die ›Technik‹ bisher ausgemacht habe: »Now, in what we will shortly describe as the technoecological condition, in contrast, the very absence of any given purpose becomes undeniable.« (Ebd.) Ist die autonome Regulierung ökologisch-technischer Systeme tatsächlich zweckfrei? Und welche Folgen haben diese Verschiebungen für die Menschen und Naturen vor Ort? Um diese Fragen zu diskutieren, komme ich abschließend wieder auf die politischen Ökonomien der Inwertsetzung zurück, mit denen die Arbeit in ihrer Analyse neoliberaler Naturen begonnen hat. Die Fallstudie hat gezeigt, dass der Umgang mit Naturen zwar durch Praktiken lokal umgesetzt wird, die Umbrüche darin sich aber nicht allein durch Veränderungen auf einer Ebene erklären lassen. Der Wald, der hier beispielhaft untersucht wurde, war zu allen Zeiten geprägt durch regionale und globale Prozesse, ein Produkt von Kolonialisierung und De-Kolonialisierung, Entwicklungs- und Inwertsetzungsparadigmen, wechselnden Diskursen und technischen Innovationen. Womit stehen die Entwicklungen in Zusammenhang, die sich derzeit im südlichen Mittelmeerraum beobachten lassen − unabhängig davon, ob sie sich langfristig durchsetzen werden? Welcher Zusammenhang besteht zwischen diesen veränderten Formen der Regierung der Bäume und globalen politischen Ökonomien?
Investment ecologies Kohlenstoffzertifikate sind (auch) Finanzprodukte. Sie werden an Börsen gehandelt und in vielen Fällen von denselben Unternehmen oder Unternehmensberatungen entwickelt und zertifiziert, die für die Entwicklung und Bewertung anderer Finanzprodukte zuständig sind. Auch als Käufer:innen von Emissionszertifikaten spielen börsennotierte Unternehmen neben Staaten eine wichtige Rolle.2 Seit
2
So kaufte laut einer Umfrage der Wirtschaftswoche unter deutschen Unternehmen allein die Allianz-Versicherung 2019 Ausgleichszertifikate für 370.000 Tonnen CO2 ; weitere wichtige Käufer waren DHL, die Deutsche Bank, SAP und der Rückversicherer Munich RE. Im Februar 2020 drängte Larry Fink, Chef des weltweit größten Vermögensverwalters Blackrock, in einem offenen Brief an CEOs großer Unternehmen darauf, die Veränderungen, die Klimawandel und Klimaschutz mit sich bringen, stärker zu berücksichtigen: »Unternehmen, Anleger und Regierungen müssen sich daher auf eine beträchtliche Umschichtung von Kapital
5 Diskussion: Neue Naturen?
in den 1990er Jahren im Rahmen des Kyoto-Protokolls erstmals Märkte für Emissionsminderungen beschlossen wurden, sind es Banken, Finanzdienstleister und Unternehmensberatungen, die, teils in Zusammenarbeit mit der UNFCCC oder anderen staatlichen Institutionen, Produkte wie CDM und JI entwickeln. Die Herstellung grüner Finanzprodukte ist Teil einer Entwicklung, die insbesondere seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 unter dem Schlagwort Finanzialisierung auch in der Geographie diskutiert wird (Langley 2010; Christophers 2013, 2015b, 2015c; Aalbers 2017, 2019; für einen historischen Abriss vgl. Labban 2010). Finanzmärkte haben, unter anderem durch politische (De)Regulierungen, seit den 1970er Jahren stark an Umfang und Bedeutung gewonnen. Anfang der 1980er Jahre überstieg das in Finanzmärkten angelegte Kapital nur geringfügig das globale Bruttosozialprodukt, 2018 war es mehr als dreimal so groß (Dutta 2018, S. 2). Wirtschaftliches Handeln richtet sich dementsprechend zunehmend auf Finanzmärkte aus. Epstein (2015, S. 3) definiert Finanzialisierung als »the increasing role of financial motives, financial markets, financial actors and financial institutions in the operation of the domestic and international economies«. Krippner (2005, S. 174) bezeichnet sie als »pattern of accumulation in which profits accrue primarily through financial channels rather than through trade and commodity production.3 Finanzialisierung wird dabei teils als ein Teilaspekt der Neoliberalisierung verstanden, teils als Mechanismus, der dem Neoliberalismus zugrunde liegt. So schlägt etwa Fine (2009) vor, statt Neoliberalismus lieber Tendenzen der Finanzialisierung zu untersuchen. Ab Mitte der 2010er Jahre wurde auch die Finanzialisierung von Natur ein Thema (Loftus und March 2015; Clark und Hermele 2013; Brand und Wissen 2014; Sullivan 2013, 2018), auch in Bezug auf Kohlenstoffmärkte (Knox-Hayes 2013) und REDD+ (Asiyanbi 2017). Es sind, wie in Kap. 2 gezeigt, häufig (Wirtschafts)Krisen, die zu Umbrüchen der Akkumulations-, Regulations- und Regierungsformen führen. So sehen auch Brand und Wissen (2014, S. 25) die Finanzialisierung von Natur als direkte Folge der Finanzkrise 2007/2008: »As a consequence of the crisis, capital is looking for
3
vorbereiten« (Fink 2020). Blackrock ist, wie zahlreiche andere Finanz- und Versicherungsunternehmen, an öffentlich-privaten Partnerschaften beteiligt, die Unternehmen, Staaten und Städten beim Übergang zu veränderten Finanz- und Risikostrukturen aufgrund des Klimawandels helfen sollen. Die Literatur zur Finanzialisierung ist inzwischen sehr umfangreich; eine Übersicht über den Stand der Forschung findet sich etwa bei Lapavitsas 2013; Christophers 2015a; Ouma et al. 2018. Christophers (2015a, S. 184) hat Finanzialisierung als »buzzword of the 2010s« bezeichnet. Die These einer zunehmenden Finanzialisierung der Wirtschaft wurde jedoch teilweise schon in den 1990er Jahren aufgestellt (Arrighi 1994; Bond 1998). Die meisten Theoretisierungen der Finanzialisierung verorten sich in der marxistischen Politischen Ökonomie; Finanzialisierung wird zumeist als Reaktion auf Krisen der kapitalistischen Akkumulation gefasst.
273
274
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
new and securer investment opportunities. And it is here where nature comes into play«.4 Ein Bezug zur Finanzkrise und der folgenden Intensivierung der Finanzialisierung von Natur liegt auch bei dem von mir untersuchten Beispiel nahe. Das neu aufkommende Interesse an mediterranen Wäldern, das ich in Kap. 4 beschrieben habe, und, damit verbunden, die Einführung neuer Finanzierungs- und Managementinstrumente, lassen sich erstmals in den Jahren nach der Finanzkrise ausmachen: 2010 fand das Gründungstreffen des CPFM statt, im selben Jahr begann das Projekt der GIZ zu mediterranen Wäldern, 2012 das FFEM-Projekt. In dieselbe Zeit fallen auch die internationalen Initiativen zu einer umfassenden Neubewertung der Natur, etwa TEEB, die 2008 unter deutschem Vorsitz ins Leben gerufen wurde, oder The Natural Choice, das Bewertungsprogramm, das die britische Regierung unter David Cameron von 2010 bis 2015 durchführen ließ. Untersuchungen aus der Sociology of markets (MacKenzie 2008; Callon 2008; Cetina 2016) haben gezeigt, dass Finanzmärkte keineswegs die ›perfekten‹ Märkte sind, als die sie teilweise dargestellt werden, sondern dass sie wie andere Märkte durch materielle und immaterielle Infrastrukturen, menschliche und nichtmenschliche Akteure geformt werden (vgl. Kap. 2). Doch haben Finanzmärkte in ihrer heutigen Form, im Vergleich zu Gütermärkten, eine Reihe von Charakteristiken, die im Zusammenhang mit den veränderten Formen, Natur zu regieren, eine Rolle spielen.5 Dazu gehören die weitgehende Automatisierung des Handels und die großen Datenmengen, die hierfür nötig sind, ebenso wie die Ausrichtung auf und die Spekulation mit verschiedenen ›Zukünften‹, die die Märkte für Derivate kennzeichnen. Dabei spielt, wie im letzten Kapitel gezeigt, die (temporäre) Vergleichbarkeit und Veränderbarkeit der Daten eine Rolle: Beim Handel mit Finanzprodukten zählt nicht der absolute Wert einer Ware, sondern dessen (tatsächliche oder erwartete) Entwicklung. Gewinne werden über Differenzen gemacht, sie beruhen darauf, dass Unterschiede existieren und neu entstehen, dass sich die Preise stetig bewegen. Auf einem Finanzmarkt, auf dem die Preise stabil bleiben, oder selbst einem Finanzmarkt, auf dem sie konstant und erwartbar steigen, sind keine großen Gewinne zu machen. Dies entspricht dem, was in Kap. 4.3 für REDD+ gezeigt wurde: Emissionszertifikate werden nicht für einen Wald ausgestellt, der in einem guten Zustand 4
5
Bracking (2019) kommt hingegen zu dem Schluss, dass sich Vorläufer der Finanzialisierung im Bereich Klimapolitik bis in die späten 1980er Jahre zurückverfolgen lassen. Ab den 1990er Jahren unterscheidet sie vier Phasen der Finanzialisierung, wobei die jüngste Phase ihr zufolge um 2010 beginnt und dominiert ist von »index insurance, risk-based multi-trigger products, and insurance-linked securities« (Bracking 2019, S. 3). Finanz- und Gütermärkte hängen eng zusammen und lassen sich in manchen Fällen nicht eindeutig voneinander trennen, z.B. im Fall der Spekulation mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln.
5 Diskussion: Neue Naturen?
ist und bleibt. Die Inwertsetzung als Kohlenstoffsenke ist nur möglich, wenn eine Dynamik vorhanden ist: wenn der Wald zerstört wurde und wiederaufgebaut wird, wenn ihm Zerstörung droht und diese verhindert wird. Die Notwendigkeit von Bewegung, das »die Dinge in Bewegung halten«, das im letzten Abschnitt als ein Charakteristikum der ›neuen Naturen‹ beschrieben wurde, steht in Beziehung zum Funktionsprinzip der Finanzmärkte als prägender Organisationsform wirtschaftlichen Handelns. Und die Finanzmärkte wiederum stehen in Zusammenhang mit der Installation von Monitoring- und Bewertungssystemen: Die großen Mengen an quantitativen Daten, die diese market devices produzieren, benötigen die Algorithmen der Finanzmärkte, um die jeweils aktuellen ›Werte‹ bestimmter Nutzungsoptionen bestimmen zu können – für die Wälder oder, über diese hinaus, für ganze Landschaften oder Regionen. Making landscapes »ready for investment« In den letzten Jahren hat in der internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik eine Verschiebung stattgefunden: von der Betrachtung getrennter Systeme, wie landwirtschaftlicher Flächen oder Wäldern hin zu Landschaften, die als Ganzes betrachtet und bewertet werden sollen.6 Dies bedeutet nicht die Rückkehr zu einem holistischeren Modell von Natur, sondern im Gegenteil eine Ausweitung des accounting, das unterschiedlich genutzte und ›ungenutzte‹ Flächen umfasst. »Turn wastelands into vital lands«, war das Thema einer Session auf dem Global Landscape Forum 2018 in Bonn.7 Auch im Rahmen des FFEM-Projektes wurde deutlich gemacht, dass es nicht nur darum gehe, ein Instrumentarium für REDD+ zu entwickeln, sondern dass die zugrunde liegenden Politiken darüber hinausreichen. In der Publikation Sustainable financing for forest and landscape restoration, die einer der zentralen Berater des Projektes zusammen mit zweien der Projektleiter für die FAO verfasst hat, heißt es:
6
7
In der akademischen Debatte wurden diese Verschiebungen vereinzelt thematisiert (so z.B. von Cavanagh 2017). Hier hat sich die Diskussion – auch im Zusammenhang mit der Debatte um Landgrabbing – zuletzt von der Finanzialisierung einzelner Ökosystemdienstleistungen zur Finanzialisierung von ›Land‹ verschoben (Sippel et al. 2017; Li 2014; Fairbairn et al. 2014). Das Global Landscape Forum (GLF), finanziert vom deutschen Umwelt- und Entwicklungsministerium und organisiert vom Forschungsinstitut CIFOR in Kooperation mit UNEP und Weltbank, ist eine der zentralen Institutionen bei der Verbreitung des Landschaftsansatzes. Es organisiert, meist parallel zu den Klimakonferenzen, Konferenzen für Wissenschaftler:innen, Umwelt- und Entwicklungs-NGOs sowie Akteure aus der Wirtschaft. Dabei spielt insbesondere die Finanzwirtschaft eine Rolle: Seit 2015 organisiert das GLF unter dem Titel »The Investment Case« eigene Symposien mit Akteuren aus der Finanzbranche, unter anderem Credit Suisse, BNP Paris und Meryl Lynch. Die Organisation beschreibt den »landscape approach« als »balancing competing land use demands in a way that is best for human wellbeing and the environment. It means creating solutions that consider food and livelihoods, finance, rights, restoration and progress towards climate and development goals« (GLF 2020).
275
276
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
»Private-sector investors – businesses and individuals – are the key to long-term FLR [Forest and Landscape Restoration, JS] finance, whether as social investors in the framework of corporate social responsibility or as impact investors looking for a mix of social and financial returns. More than ten private equity impact funds (already operational or in design) seek to invest in landscape restoration projects. […] Building the enabling environment that makes a landscape ›ready for investment‹ in FLR is critical. For this, governments, NGOs and development cooperation institutions have an important role to play in developing capacities of landscape stakeholders (e.g. local decision-makers, NGOs, small farmers, cooperatives), clarifying costs and benefits of FLR investments, establishing marketplaces for FLR and developing risk coverage mechanisms.« (FAO Sustainable Finance, S. 16, Hervorh. JS) Ein zweiter Teil, der sich an »public policy makers« richtet, macht Vorschläge, wie diese die Einwerbung solcher Gelder privater Investor:innen unterstützen können: »Developing marketplaces for FLR Governments (and other stakeholders such as NGOs, development cooperation agencies and sustainable business and investors associations) can catalyse fundraising by creating and facilitating marketplaces for FLR – settings where investors and project promoters and implementers can interact to discuss mutual opportunities, challenges, investment plans and implementation. Promoting layered funds Layered funds provide assets of varying risk to attract traditional investors into FLR investment opportunities. For example, junior shares with high risk are proposed to public investors (e.g. sovereign funds, development banks), while less risky assets (senior shares, notes) are proposed to institutional investors (e.g. commercial banks, pension funds).« (FAO Sustainable Finance, S. 10) In beiden Fällen geht es darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Akteuren der Finanzbranche ermöglichen, in Landschaften zu investieren: lokale Akteure entsprechend zu trainieren, Risiken zu klären und zu minimieren, ›Marktplätze‹ aufzubauen, passende Produkte zu kreieren. Die Anordnung und der Fluss der Dinge, die dafür nötig sind, können auf eine spezielle Funktion des Waldes ausgerichtet sein, etwa auf die Optimierung der Zirkulation von Kohlenstoffdioxid, oder auf die Aushandlung zwischen verschiedenen Nutzungsoptionen, wie im Fall eines umfassenden natural accounting. Die Entscheidungsmechanismen, die dabei aufgebaut werden, könnten, wie oben gezeigt, langfristig weitgehend autonom agieren. Aber die unzähligen Entscheidungen, die in einem solchen Rahmen getroffen werden, von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren, sind nicht neutral. Die neuen Formen des Regierens schweben nicht im leeren Raum, sie sind kein geschlossenes, von anderen
5 Diskussion: Neue Naturen?
unabhängiges System. Die Wälder stehen, über die neuen Finanzierungs- und Regierungsformen, stärker als zuvor in Verbindung mit den globalen Finanzmärkten, und diese haben, so widersprüchlich und brüchig ihr Aufbau in der Praxis sein mag, das grundsätzliche Ziel, Kapital zu verwalten und zu vermehren. Es geht, wie in obigem Zitat ausgedrückt, darum, Landschaften »ready for investment« zu machen, Anlagemöglichkeiten zu schaffen, neue Finanzprodukte zu kreieren, das Naturkapital handel- und nutzbar zu machen. Die Anordnungen, die dafür geschaffen werden, zielen darauf, ganze Landschaften bestmöglich inwertzusetzen, ihre Gestalt, ihre Funktionen derart zu formen, dass sie ein Maximum an Ertrag versprechen − nicht Ertrag im Hinblick auf ihren Gebrauchswert oder in Form materieller Produkte, sondern vor allem als investment landscapes, durch die Mobilisierung und Optimierung von allem, was in die Bewertung der Märkte einfließen kann: Ressourcen, Funktionen, Informationen, Emotionen, Bewegung.
Uneven developments. Der Wert der Ungleichheit Diese investment landscapes sind weit davon entfernt, homogen zu sein − oder die Landschaften, die in diese Prozesse einbezogen werden, einander anzugleichen. Smith (2010 [1984]) hat sich, wie auch Harvey (1996), mit der Frage auseinandergesetzt, welche räumlichen Strukturen kapitalistische Systeme hervorbringen, und sich dabei gegen die These gewandt, Kapitalismus bestehende Unterschiede ein, mache alles ›gleich‹. Im Gegenteil: Kapitalistische Systeme, so Smith, verstärken Ungleichheit nicht nur. Sie überleben, wie er im Anschluss an Lefèbvre argumentiert, genau deshalb, weil sie fähig sind, ihre eigenen Umwelten zu schaffen, ihre eigenen Geographien hervorzubringen. Und diese Geographien, diese Naturen, diese menschlichen und nicht-menschlichen Strukturen, sind, so Smith, zutiefst ungleich: Kapitalismus braucht Ungleichheit, und muss sie daher fortwährend neu schaffen: »The point is that uneven development is the hallmark of the geography of capitalism. It is not just that capitalism fails to develop evenly, that due to accidental and random factors the geographical development of capitalism represents some stochastic deviation from a generally even process. The uneven development of capitalism is structural rather than statistical. The resulting geographical patterns are thoroughly determinate (as opposed to ›determinist‹) and are thus unique to capitalism. […] uneven development is the systematic geographical expression of the contradictions inherent in the very constitution and structure of capital.« (Smith 2010 [1984], S. 4) Dies gilt in noch stärkerem Maße für den Neoliberalismus (und, möglicherweise in veränderter Form, für das, was auf ihn folgt). Wie in Kap. 2 beschrieben, ist Ungleichheit ein Kernaspekt des Neoliberalismus, ein − von den Befürworter:in-
277
278
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
nen neoliberaler Politik − offen erklärtes Ziel. Dass die Neoliberalisierung von Natur und der Aufbau von Offset-Projekten Ungleichheiten verstärken können, haben zahlreiche Studien nachgewiesen. Dabei zeigt sich weniger ein klares Nord-SüdMuster, sondern eher, dass sich auch die lokalen Akteure spalten in jene, die von den neuen Projekten profitieren und andere, die davon ausgeschlossen sind oder Nachteile in Kauf nehmen müssen (Bumpus und Liverman 2008; Lansing 2012, 2015; für eine Übersicht vgl. Fairhead et al. 2012). Ungleichheit ist in mehrfacher Hinsicht auch konstituierend für das von mir untersuchte Projekt. Dies gilt bereits für das Instrument REDD+ an sich: Dieses basiert, wie andere Offset-Mechanismen, auf dem Prinzip, dass es (ökonomisch) günstiger ist, Emissionseinsparungen im ärmeren Globalen Süden durchzuführen als im reichen Globalen Norden − das Instrument macht nur deshalb Sinn, weil diese Unterschiede existieren. Die Unterscheidung zwischen Nord und Süd wird in der Klimarahmenkonvention durch die Einteilung in die in Kap. 4.1 dargestellten Gruppen vorgenommen: In Annex-I-Staaten − den im Anhang 1 des KyotoProtokolls genannten Industriestaaten, die einer Verpflichtung unterlagen, ihre Emissionen zu reduzieren − und Nicht-Annex-I-Staaten, jenen Staaten, die nicht verpflichtet waren, Emissionen zu reduzieren und daher Ausgleichsprojekte anbieten können.8 Im Mittelmeerraum deckt sich diese Einteilung mit dem Nord- und Südufer des Mittelmeeres − und den ökonomischen Disparitäten, die das Mittelmeer ›teilen‹: die Europäische Union auf der einen, ihre südlichen und östlichen Nachbarn auf der anderen Seite. Mit der Euro-Krise hat sich diese Grenze verändert und verschoben: Während Staaten wie Deutschland von der Krise wenig getroffen wurden oder sogar profitierten, traf diese die Länder im Süden Europas, insbesondere Griechenland, Italien und Spanien, besonders hart und führte zu ökonomischen Umstrukturierungsprozessen, die den SAP-Programmen der Weltbank und des IWF in Ländern des Globalen Südens in vieler Hinsicht ähneln. Erste Studien zeigen, dass diese auch mit einer veränderten und intensivierten Inwertsetzung von Natur einhergehen (Apostolopoulou und Cortes-Vazquez 2019; Blasor 2019). Das aufkommende Interesse an mediterranen Wäldern insgesamt − die auch die Wälder des nördlichen Mittelmeerufers umfassen − steht in diesem Zusammenhang (Schumacher 2019). Zugleich war das koloniale Erbe dieser Grenzen innerhalb des Projektes stets präsent: Dass Frankreich als ehemalige Kolonialmacht treibende Kraft und wichtigster Finanzier des Projektes war, hatte weitreichende Auswirkungen: Das Projekt wurde nahezu vollständig auf Französisch
8
Auch wenn das Pariser Abkommen inzwischen alle Länder gleichermaßen verpflichtet, Emissionen entsprechend ihrer eigenen Vorschläge zu reduzieren, bleibt die Einteilung in Annex-I und Nicht-Annex-I-Ländern bestehen: REDD+ steht im Rahmen der UNFCCC etwa nur »developing countries« offen.
5 Diskussion: Neue Naturen?
durchgeführt, die zuständigen Projektleiter bei der FAO und Plan Bleu sowie alle nahezu alle ›internationalen‹ Expert:innen stammten aus Frankreich. Die Kritik an REDD+ entzündete sich immer auch an dem Argument, dass durch solche Projekte eben diese historisch verankerten Ungleichheiten aufrecht erhalten und vertieft würden (vgl. Cabello und Gilbertson 2010): Während der Norden durch den Handel mit Emissionszertifikaten seine Industrieproduktion aufrecht erhalten kann, mit allen wirtschaftlichen Vorteilen, die dies mit sich bringt, dient der Süden entlang (post)kolonialer Muster als Lieferant von Rohstoffen, oder, in diesem Fall, als Senke für die ›Abfallprodukte‹ der Produktion. An diesem Muster ändert auch die Tatsache nichts, dass der Versuch, das natural capital von Ökosystemen zu berechnen, nicht auf den Globalen Süden beschränkt ist. Im Gegenteil: Ein monetärer Vergleich des Wertes von nicht-menschlichen Naturen auf globaler Ebene würde diese Muster insgesamt verstärken, da Orte, Lebewesen und Leistungen der nicht-menschlichen Natur im Globalen Norden überwiegend anderen Nutzungen dienen – und damit anders bewertet werden (können) – als im Globalen Süden. Zugleich reichen die Folgen einer solchen Form der Bewertung über einen schlichten Nord-Süd-Gegensatz hinaus. Die unebenen Topographien kapitalistischer Inwertsetzung erstrecken sich über verschiedene Ebenen und Räume: von Nord-Süd-Verhältnissen über verschiedene Gruppen von Expert:innen und Nutzer:innen bis in die Lebewesen selbst hinein. Dies zeigt sich etwa am Beispiel der Pilotstandorte, jener Orte, die als erstes in das Projekt, und damit in die neuen Bewertungsschemata, einbezogen wurden. Diese Orte mussten, um sich als Pilotstandort zu qualifizieren, bestimmte Kriterien erfüllen. Diese waren, wie der Katalog des Projektes zeigte, recht weitreichend: »A consistent area with respect to the questions under consideration: its boundary must be adjusted to the social, politico-administrative, geographical and ecological contexts;
- A will to improve governance of the area, comprising: o The motivation of local stakeholders for the proposed participatory approach, in particular forest managers and political leaders, o A current or imminent commitment to strengthening local governance (for example, decentralisation of forest or local area management), and the consequent human and financial resources planned to support the approach during and, in particular, after implementation of the adopted participatory method (it is planned that the project funds the workshops for method implementation and coordination/facilitation during and between workshops), o Incorporation into an approach for producing or revising a management/development plan or strategy for the area;
279
280
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
- A history of dialogue and collaboration in the area and a platform of stakeholders on whom to rely to implement the participatory approach. In particular, participatory governance approaches may have been tested in the area, facilitating start-up of the approach (existing analyses of the area and stakeholders, motivated stakeholders), as is the case for sites belonging to the Model Forests network; - The existence of local facilitators or coordinators whose can act as »go-betweens« between project owners and the stakeholders concerned (facilitating participation, running the workshops, ensuring coordination between project owners and local stakeholders); - An institutional, legal and political context that is suited to the approach.« (FFEM Guide, S. 29) Um als Pilotstandort in Frage zu kommen, musste unter anderem bereits eine gewisse materielle und vor allem immaterielle Infrastruktur vorhanden sein, es musste ein bestimmter rechtlicher Rahmen bestehen. Um REDD+ zu ermöglichen müssen daneben, wie in Kap. 4.3 beschrieben, Daten über den Wald aus den vorhergehenden Jahrzehnten vorliegen.9 Die Einbeziehung ist kontingent, sie folgt früheren Mustern anderer (kapitalistischer) Verwertungsschemata. Der MaâmoraWald wurde auch deshalb gewählt, weil er seit Jahrzehnten in verschiedene Formen von Märkten einbezogen und bestens erforscht war. Im ersten Teil dieses Kapitels habe ich beschrieben, wie die posthumanen Kapitalismen das Prinzip des Wettbewerbs über die menschliche Natur hinaus auf die nicht-menschliche Natur ausweiten. Die Zersplitterung, die Zunahme der Ungleichheit zwischen verschiedenen Orten, auch innerhalb eines Landes, setzt sich auf einer weiteren Ebene fort. Wettbewerb beruht immer auf Ungleichheit, Wettbewerb produziert Gewinner und Verlierer und letztlich Ausschlüsse. Märkte operieren über Einschlüsse; die Prozesse der marketization, die hier untersucht wurden, basieren darauf, neue Verbindungen herzustellen, neue Bereiche zu integrieren.
9
Die Auswahl der Standorte war, auch aus diesen Gründen, langwierig. Zu Beginn des Projektes forderten die Projektleiter die beteiligten Länder auf, geeignete Standorte vorzuschlagen und für jeden Vorschlag ein umfangreiches Dokument einzureichen. Dieses wurde ›korrigiert‹ und zurückgeschickt, mit Anmerkungen und der Bitte um Vervollständigung oder Ergänzungen − bei den ersten Einreichungen waren zahlreiche Felder mangels Verständnis oder verfügbarer Daten freigelassen worden. 2013 wurde im Rahmen des Workshops in Solsona, bei dem eine große Zahl internationaler Expert:innen anwesend war, eine erste Entscheidung über die Projektstandorte getroffen; diese wurde später, teils aufgrund von Sicherheitsbedenken, mehrfach verändert (Comp1 2013 ToR). Ein Mitarbeiter des HCEFLCD merkte an, dass am zweiten vorgeschlagenen Standort in Marokko, in Ifrane, eigentlich deutlich mehr CO2 hätte gespeichert werden können als im Maâmora-Wald (Interview Projektmitarbeiter AE und MM, 29. Oktober 2016, Rabat).
5 Diskussion: Neue Naturen?
Aber diese Integration hat immer auch eine Kehrseite: Eine Einheit zu integrieren, Teil des Systems Markt werden zu lassen, bedeutet eine Grenze zu verschieben, neu zu ziehen. Die Untersuchung des Aufbaus und des Verschiebens von Grenzen war ein wichtiger Teil von marketization studies, insbesondere im Mittelmeerraum und den USA, die gezeigt haben, dass diese Grenzräume zentral sind für das Aufrechterhalten der Märkte (Berndt und Boeckler 2011; Boeckler und Berndt 2017). Im Fall der hier untersuchten Projekte handelt es sich nicht primär um ›geographische‹ Grenzen oder die Grenzen zwischen Nationalstaaten, die verschoben werden. Zwar spielen auch im Fall von REDD+ Grenzen im physischen Raum eine Rolle. Aber die Produktion der ›neuen Naturen‹ verschiebt die Grenzen zugleich in die Dinge hinein. Was wertvoll, nutzbar ist, und was wertlos und dadurch ausgeschlossen werden kann, kann auf einer Vielzahl von scales entschieden und verglichen werden, von Regionen über Staaten, localities, Menschen, Ökosystemen, Bäumen, Pilzen bis in die Mikroebene hinein, zu Genen und in anderer Form gespeicherter Informationen. Dabei steht die Klassifizierung nicht im Voraus fest, sondern kann immer wieder flexibel angepasst werden. Dadurch entstehen neue scales, neue Verbindungen, aber auch neue Ausschlüsse, Topographien der Verwertbarkeit, die in stetiger Bewegung sind, überwacht und ko-konstituiert durch menschliche und nicht-menschliche devices, die versuchen, aus eben dieser Bewegung einen Gewinn zu ziehen. Die Betrachtung von Ausschlüssen − von dem, was nicht dazugehört − ist essenziell für die Untersuchung und das Verständnis von kapitalistischer Entwicklung. Die Entstehung von neuen Ungleichheiten, Ein- und Ausschlüssen zeugt von Verschiebungen im Produktionszyklus, von neuen Antworten auf die Frage, in welche Richtungen Entwicklungen gehen, wo in einem bestimmten Moment die höchsten Gewinnerwartungen liegen. So ist der zunehmende Ausschluss der lokalen Bevölkerungen in der jüngeren Form des Managements ein Zeichen, dass die Schwerpunkte der Bewirtschaftung auf andere Werte und Funktionen des Waldes zielen als dies noch vor zehn Jahren der Fall war − um die Dienstleistungen des Waldes inwertzusetzen, sind nicht mehr primär die menschlichen Nutzer:innen entscheidend, sondern die Expert:innen, die technischen Apparate und Infrastrukturen, welche eben jene Daten produzieren, die Grundlage der ›neuen Naturen‹ sind.
281
6 Resümee und Schlussfolgerungen
6.1
Zentrale Erkenntnisse der Arbeit
Ich habe diese Arbeit ausgehend vom Konzept der neoliberalen Natur begonnen, einem Konzept, das, wie ich eingangs dargestellt habe, eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt und das Selbstverständnis der Political Ecology spielt. Es handelt sich aber auch um ein Konzept, das seit Ende der 2000er Jahre zunehmend in Frage gestellt worden ist. Der Begriff des Neoliberalismus, so die Kritik, werde zu breit definiert, um in der Analyse von Nutzen zu sein. Und mit dem Begriff der Natur beziehe er sich auf eine Kategorie, die sich, auch aufgrund der Verbreitung von Ansätzen des neuen Materialismus, zunehmend in der Auflösung befinde. Der Begriff der neoliberalen Natur vereint damit die wechselhafte Geschichte zweier ambivalenter Konzepte. Zugleich ist er in mehrfacher Hinsicht innovativ: Er verdeutlicht sowohl die Gemachtheit und Veränderlichkeit von Naturen als auch deren Zusammenhang mit sozio-ökonomischen Strukturen. Er hat daher, wie ich in Kap. 2 argumentiere, weiterhin das Potential, für Untersuchungen des Umgangs mit nichtmenschlichen Umwelten wichtige Erkenntnisse zu liefern. Dazu ist es jedoch nötig, das Konzept einer neoliberalen Natur klarer abzugrenzen und zu definieren, um Veränderungen im Umgang mit Natur feststellen zu können. Es gilt, das Konzept weiterzuentwickeln – über die neoliberale Natur hinaus. Wenn von neoliberaler Natur gesprochen wird, muss es auch andere Formen kapitalistischer und nichtkapitalistischer Natur geben, und es sind Ansätze nötig, die es ermöglichen, diese zu unterscheiden – Ansätze, die es ermöglichen, herauszuarbeiten, was neoliberale Natur ist und was nicht, welche Formen sie annimmt und annehmen kann, wie sie hergestellt wird und welche Techniken und Technologien, Praktiken und Diskurse dabei eine Rolle spielen. Mit dieser Arbeit habe ich versucht, zu einer solchen Weiterentwicklung beizutragen. Im Gegensatz zu Vorschlägen, verschiedene Ausprägungen (neoliberaler) Natur auf räumlicher Ebene miteinander zu vergleichen (zum Beispiel von Castree 2009), habe ich einen Ansatz gewählt, der eine Studie auf der Mikroebene mit einer genealogischen Herangehensweise kombiniert. Die laufenden Inwertsetzungsprozesse – die Einbeziehung eines marokkanischen Korkeichenwaldes in den Kohlen-
284
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
stoffhandel – werden dabei vor dem Hintergrund und im Vergleich zu früheren Formen der Bewirtschaftung des Waldes diskutiert. In Kapitel 2 habe ich einen theoretischen Rahmen entwickelt, der es ermöglicht, neoliberale (und andere) Formen von Natur und deren Unterschiede aus einer solchen Perspektive zu untersuchen. Hierzu habe ich auf Foucaults Konzept der Gouvernementalität zurückgegriffen, das sich mit Formen des Regierens und deren Genealogien beschäftigt, und dieses um Aspekte des neuen Materialismus und der Akteur-Netzwerk-Theorie erweitert. Die Gouvernementalitätsanalyse wurde bisher überwiegend genutzt, um die Regierung menschlicher Subjekte zu untersuchen. Die Beschäftigung mit Foucaults Schriften zeigt indes, dass der Gouvernementalitätsansatz eine ausgeprägte materialistische Basis hat, und damit Anknüpfungspunkte bietet für Studien, die über die Betrachtung menschlicher Akteure hinausgehen. Dies gilt für die materielle Basis, die Infrastrukturen, die nötig sind, um menschliche Subjekte zu regieren. Dies gilt aber auch, wie ich argumentiere, für das Regieren über menschliche Subjekte hinaus: Aus der Regierung der Individuen und der Regierung der Bevölkerung lässt sich eine ›Regierung der Dinge‹ ableiten, eine Regierung − und damit die Herstellung − von Naturen. Diese materialistische Lesart der Gouvernementalität bildet den Rahmen für meine Untersuchung der Regierungen des Waldes und der Naturen, die sie hervorbringen. Sie ist damit auch ein Vorschlag, wie die Einsichten, die Ansätze der STS und der ANT im Hinblick auf die Rolle nicht-menschlicher Akteure ermöglichen, in empirischen Studien aufgenommen werden können, ohne deshalb eine vergleichende oder übergreifende Perspektive bestimmter Entwicklungen aufgeben zu müssen. Ausgehend von diesen theoretischen Überlegungen habe ich am Beispiel des Maâmora-Waldes im Norden Marokkos untersucht, ob sich in der Geschichte des Waldes verschiedene Formen der Regierung und der Produktion von Naturen unterscheiden lassen, wie diese hergestellt werden und in welchem Verhältnis sie zu den gegenwärtigen Politiken des Waldes stehen. Regierungen des Waldes und ihre Naturen Dabei zeigt sich, dass sich der Umgang mit dem Wald und seine Bewirtschaftung über das letzte Jahrhundert mehrfach verändert haben. Anhand der Entwicklungs- und Bewirtschaftungsprogramme, die im Maâmora-Wald seit 1912 umgesetzt wurden, lassen sich verschiedene Phasen ausmachen, die jeweils mit bestimmten Formen des Regierens einhergehen. Sie unterscheiden sich voneinander in Bezug auf die menschlichen und nicht-menschlichen Akteure, die in die Netzwerke des Waldes einbezogen werden, die Techniken und Technologien, die zum Einsatz kommen, in Bezug auf die räumlichen Bezüge, die sie herstellen, die Praktiken, die in der Regierung des Waldes angewandt werden und die Formen des Wissens, das generiert und genutzt wird. Diese Formen des Regierens prägen sich in die Landschaft ein. Sie beruhen auf bestimmten sozio-materiellen Arrangements, geometrischen und dynamischen An-
6 Resümee und Schlussfolgerungen
ordnungen, und bringen den Wald auf eine bestimmte Weise hervor, so dass er sich auch physisch von den Wäldern anderer Regierungsformen unterscheidet. Der ›souveräne‹ Wald der Kolonialzeit hatte eine andere Gestalt als der ›disziplinierte‹ Wald der Nachkriegszeit; mit dem Übergang von einer Form des Managements zu einer anderen änderte sich jeweils auch die Zusammensetzung der Spezies, die Dichte und der Bedeckungsgrad des Waldes, die Anordnung der Bäume im Raum. Ein solcher Übergang zeigte sich auch in den späten 1990er Jahren. Ab etwa 2000 lässt sich im Maâmora-Wald eine Form des Regierens ausmachen, die in vieler Hinsicht dem entspricht, was, wie in Kap. 2 dargestellt, als neoliberale Natur betrachtet wird: Die Natur wird im Wesentlichen über Marktprozesse verwaltet und gestaltet; sie ist als Ware stärker als zuvor in den kapitalistischen Prozess einbezogen, und dieser zielt auf Aspekte und Fähigkeiten der Natur, die zuvor aufgrund technischer Barrieren nicht zugänglich waren. Diese neoliberale Natur ist über eine bestimmte Ästhetik des ›Natürlichen‹ und ›Authentischen‹ definiert und mit bestimmten Affekten verbunden. Sie wird durch die aktive Einbeziehung des Wissens und der Praktiken lokaler Nutzer:innen im Rahmen partizipativer GovernanceAnsätze geformt und sie geht schließlich mit der Ausbildung bestimmter ›ökorationaler‹ Subjektivitäten einher. Die (aktive) Ökonomisierung und der Aufbau von neuen Märkten ist eine Voraussetzung und ein zentrales Element all dieser Merkmale. Doch das Fallbeispiel zeigt, dass Ökonomisierung allein nicht ausreicht, um neoliberale Natur zu kennzeichnen. Der Maâmora-Wald war mindestens seit der Zeit des französischen Protektorats auf die eine oder andere Form in Märkte eingebunden, er war immer ›ökonomisiert‹. Was sich hingegen mehrfach verändert hat, sind die Formen dieses Marktmachens, ihre Ansatzpunkte im Wald, die Praktiken, räumlichen und zeitlichen Bezüge, die ihnen zugrunde liegen – eben die beschriebene Form des Regierens, die mit der Inwertsetzung in Verbindung steht. Es reicht, um die Neoliberalisierung von Natur zu untersuchen, nicht aus, einen Prozess der Ökonomisierung zu konstatieren – eben dieser Prozess der Ökonomisierung muss aufgebrochen und sein inneres Funktionieren seziert werden. Der zweite Teil der empirischen Untersuchung widmet sich einer solchen Analyse. Angelehnt an Arbeiten der marketization studies habe ich untersucht, wie die Programme, die seit Anfang der 2010er Jahre darauf zielen, mediterrane Wälder in den Kohlenstoffhandel zu integrieren, im Maâmora-Wald umgesetzt werden und welche Auswirkungen sie auf den Wald haben. Dabei ging es weniger um den Aufbau eines Marktes als vielmehr um dessen Vorbedingungen. Die Analyse zeigt, dass der spezifische Markt-Raum der mediterranen Wälder selbst erst konstituiert werden musste, um perspektivisch einen Markt-Aufbau möglich zu machen, und dass sich die Inwertsetzung der Wälder als Kohlenstoffsenke nur über bestimmte time-spaces, die Verschränkung räumlicher und zeitlicher Bezüge fassen lässt. Die Untersuchung zeigt, welche verschiedenen, teils konkurrierenden Formen von Wissen und Expertise,
285
286
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
welche Infrastrukturen, Akteure und Datenformen in diesem Prozess eine Rolle spielen. Sie zeigt, wieviel Arbeit und Ressourcen nötig sind, um Kohlenstoffmärkte praktisch herzustellen, aber auch − anhand des zumindest teilweisen Scheitern des Projektes − wie brüchig dieser Prozess ist. Das Ende neoliberaler Naturen und die Gouvernementalität des Experiments Das Fallbeispiel zeigt aber noch etwas anderes. Die Formen des Regierens und Ökonomisierens im Rahmen der derzeit laufenden Inwertsetzungsprozesse weichen in mehreren Punkten von der oben genannten Definition neoliberaler Natur ab, und sie unterscheiden sich auch fundamental von den Formen neoliberaler Natur, die, wie in der Analyse gezeigt, die Bewirtschaftung des Maâmora-Waldes ab Ende der 1990er Jahre prägten. Im Maâmora-Wald lässt sich ab 2010 ein deutlicher Bruch ausmachen − ein Bruch in den Formen des Wissens und der Wissensproduktion, der Akteure und der Gestalt des Waldes. Hier zeigen sich Ansätze einer neuen Form der Regierung des Waldes, die über das Neoliberale hinausgeht. Diese funktionalistische, ökologische Form des Regierens bricht, wie ich in Kap. 5 zeige, mit wesentlichen Aspekten des neoliberalen Ansatzes, in dessen Zentrum noch das Humankapital stand, die Regierung menschlicher Subjekte und ihr Bezugs zur nicht-menschlichen Natur. Menschliche Akteure und nicht-menschliche Akteure, die im Rahmen neoliberaler Gouvernementalität im Maâmora-Wald eine zentrale Rolle gespielt haben – lokale Nutzer:innen, Korkeichen, Biodiversität – verlieren an Bedeutung. Die Ästhetik des Natürlichen löst sich auf; die Verbindung zum Authentischen, Ursprünglichen, die die Kategorie der Natur über Jahrhunderte ausgemacht hat, wird gekappt. Stattdessen bringen die Automatisierung und Finanzialisierung der Bewertung des Waldes neue Formen von Natur hervor. Die Monitoring- und Bewertungssysteme, die unter anderem im Rahmen des untersuchten Projektes aufgebaut werden, und die calculative agencies, denen sie Daten liefern, tragen das Prinzip des Wettbewerbs ins Innere natürlicher Systeme und Einheiten hinein. An die Stelle einer holistischen Konzeption von Ökosystemen tritt eine Ökologie der Teile und Funktionen, die miteinander in Form einer permanenten Überprüfung und Bewertung konkurrieren – in Form einer Konkurrenz, die nicht zwischen menschlichen und nichtmenschlichen ›Ressourcen‹ unterscheidet. Beide sind gleichermaßen in dieselben Bewertungsschemata einbezogen, das Humane löst sich in dieser Form der Regierung ebenso auf wie das Natürliche. Diese Prozesse gehen, wie das Beispiel des Maâmora-Waldes zeigt, einher mit der Ausbildung einer neuen Gouvernementalität: einer Gouvernementalität des Experiments, die Strategien und Techniken des Planens ersetzt. Dieser Form der Regierung geht es nicht mehr darum, durch bestimmte Arrangements einen bestimmten Zustand herzustellen. Sie zielt darauf, sich durch engmaschiges Monitoring und permanente Aktualisierung an fluide Systeme anzupassen – eine Regierungs-
6 Resümee und Schlussfolgerungen
form, die nicht mehr fließen lässt, sondern fließen macht. Die Prozesse stehen, wie ich in Kap. 5 diskutiere, in enger Beziehung zu Tendenzen der Finanzialisierung und der spezifischen Funktionsweise digitalisierter Finanzmärkte; und sie beruhen ebenso auf Prozessen ungleicher Entwicklung wie sie diese hervorbringen und ausdifferenzieren. Dass das Konzept der neoliberalen Natur Ende der 2000er Jahre in die Kritik geraten ist, ist somit nicht (nur) theoretischen Schwächen oder Widersprüchen zwischen verschiedenen Theorieansätzen geschuldet. Die Untersuchung zeigt, dass die Krise der neoliberalen Natur nicht nur eine Krise des Begriffes ist, sondern auch der neoliberalen Produktion von Naturen im materiellen, physischen Sinn. Das, was weithin als neoliberale Natur verstanden wurde, eine ökonomisierte, ästhetisierte Natur, die jedoch noch um den Menschen, das Humankapital und menschliche Subjektivität zentriert ist, wird als Leitbild der Naturproduktion zunehmend abgelöst von neuen Formen der Ökonomisierung: den funktionalen, hybriden Naturen posthumaner Kapitalismen.
6.2
Ausblick: Politische Ökologie jenseits der Natur
Ob die jüngsten Verschiebungen innerhalb der Gouvernementalität der Natur, die in dieser Arbeit beschrieben und im letzten Abschnitt zusammengefasst wurden, sich langfristig durchsetzen, ist nicht ausgemacht. Ob sie sich auch in anderen Regionen und Bereichen jenseits des Waldes beobachten lassen, können nur weitere Untersuchungen zeigen. Die Kombination eines genealogischen Ansatzes mit Untersuchungen eines Fallbeispiels auf der Mikroebene hat sich als fruchtbar erwiesen, um Veränderungen in der Produktion von Naturen über einen längeren Zeitraum unterscheiden und herausarbeiten zu können. Sie geht notwendigerweise auf Kosten einer detaillierteren Betrachtung einzelner Aspekte. Weitergehende Untersuchungen könnten hier wichtige Erkenntnisse liefern, etwa im Hinblick auf die Brüche und Übergänge der Regierungsformen und die Frage, welche Akteure solche Veränderungen tragen und bewirken, und ob sie vorrangig auf externe Faktoren oder interne Krisen der Regierung zurückgehen. Ebenso bietet der Ansatz, die physische Gestalt und die materiellen Ausprägungen bestimmter Regierungsformen in die Analyse einzubeziehen, weiteres Potential für Fallstudien, die stärker in die Tiefe gehen, etwa im Hinblick auf Veränderungen von Stoffkreisläufen, biologischen oder ökologischen Prozessen in und zwischen den Bäumen, und die Frage, welche Widerstände von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren geleistet werden. Umgekehrt könnte eine stärker vergleichende Perspektive Antworten auf die Frage liefern, wie sich die – allesamt kapitalistisch geprägten – Naturen des Fallbeispiels nicht nur untereinander, sondern insgesamt auch von nicht-kapitalistischen Naturen unterscheiden. Schließlich lässt die Arbeit weitgehend offen, in welchem
287
6 Resümee und Schlussfolgerungen
form, die nicht mehr fließen lässt, sondern fließen macht. Die Prozesse stehen, wie ich in Kap. 5 diskutiere, in enger Beziehung zu Tendenzen der Finanzialisierung und der spezifischen Funktionsweise digitalisierter Finanzmärkte; und sie beruhen ebenso auf Prozessen ungleicher Entwicklung wie sie diese hervorbringen und ausdifferenzieren. Dass das Konzept der neoliberalen Natur Ende der 2000er Jahre in die Kritik geraten ist, ist somit nicht (nur) theoretischen Schwächen oder Widersprüchen zwischen verschiedenen Theorieansätzen geschuldet. Die Untersuchung zeigt, dass die Krise der neoliberalen Natur nicht nur eine Krise des Begriffes ist, sondern auch der neoliberalen Produktion von Naturen im materiellen, physischen Sinn. Das, was weithin als neoliberale Natur verstanden wurde, eine ökonomisierte, ästhetisierte Natur, die jedoch noch um den Menschen, das Humankapital und menschliche Subjektivität zentriert ist, wird als Leitbild der Naturproduktion zunehmend abgelöst von neuen Formen der Ökonomisierung: den funktionalen, hybriden Naturen posthumaner Kapitalismen.
6.2
Ausblick: Politische Ökologie jenseits der Natur
Ob die jüngsten Verschiebungen innerhalb der Gouvernementalität der Natur, die in dieser Arbeit beschrieben und im letzten Abschnitt zusammengefasst wurden, sich langfristig durchsetzen, ist nicht ausgemacht. Ob sie sich auch in anderen Regionen und Bereichen jenseits des Waldes beobachten lassen, können nur weitere Untersuchungen zeigen. Die Kombination eines genealogischen Ansatzes mit Untersuchungen eines Fallbeispiels auf der Mikroebene hat sich als fruchtbar erwiesen, um Veränderungen in der Produktion von Naturen über einen längeren Zeitraum unterscheiden und herausarbeiten zu können. Sie geht notwendigerweise auf Kosten einer detaillierteren Betrachtung einzelner Aspekte. Weitergehende Untersuchungen könnten hier wichtige Erkenntnisse liefern, etwa im Hinblick auf die Brüche und Übergänge der Regierungsformen und die Frage, welche Akteure solche Veränderungen tragen und bewirken, und ob sie vorrangig auf externe Faktoren oder interne Krisen der Regierung zurückgehen. Ebenso bietet der Ansatz, die physische Gestalt und die materiellen Ausprägungen bestimmter Regierungsformen in die Analyse einzubeziehen, weiteres Potential für Fallstudien, die stärker in die Tiefe gehen, etwa im Hinblick auf Veränderungen von Stoffkreisläufen, biologischen oder ökologischen Prozessen in und zwischen den Bäumen, und die Frage, welche Widerstände von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren geleistet werden. Umgekehrt könnte eine stärker vergleichende Perspektive Antworten auf die Frage liefern, wie sich die – allesamt kapitalistisch geprägten – Naturen des Fallbeispiels nicht nur untereinander, sondern insgesamt auch von nicht-kapitalistischen Naturen unterscheiden. Schließlich lässt die Arbeit weitgehend offen, in welchem
287
288
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
systemischen Zusammenhang die Regierung der Menschen und die Regierung der Dinge stehen. Die von Foucault aufgebrachte – und unbeantwortet gelassene – Frage, ob der Liberalismus eine inhärente Beziehung zum Natürlichen hat, kann hier ergänzt werden um die Frage, welche Form diese liberale Natur annimmt, und was die zunehmende Auflösung des Natürlichen für die Regierung der menschlichen und nicht-menschlichen Populationen bedeutet. Es war ein Ziel dieser Arbeit, theoretisch und methodisch Ansätze zu entwickeln, um den Begriff der neoliberalen Natur klären und um verschiedene Ausprägungen von Natur untersuchen zu können. Sie sollte, zweitens, einen Beitrag leisten zu den laufenden Diskussionen um die Möglichkeiten und Grenzen der Aufnahme der neuen Materialismen in die kritische geographische Forschung, einen Beitrag zur Frage, was es für die Political Ecology bedeutet, wenn der Gehalt von Begriffen wie ›Natur‹, die sie über lange Zeit definiert haben, zunehmend erodiert. Drei Folgerungen möchte ich abschließend in dieser Hinsicht aus der Arbeit ziehen. Zum einen legen ihre Ergebnisse nahe, dass es, um das kritische Potential zu erhalten, das die Political Ecology ausmacht, nötig ist, zumindest in Teilen über die Mikroebene hinauszugehen. Studien, die sich auf die ANT und verwandte Theorieansätze beziehen, haben eine Tendenz, sich auf einzelne, klar abgegrenzte Fallbeispiele zu fokussieren − jene Ebene, auf der sich diese Ansätze methodisch am ›reinsten‹ umsetzen lassen. So hat Mol (2002, viii) ihre Untersuchungen der Performativität und Multiplizität von Krankheit auf eine Diagnose und ein Krankenhaus beschränkt. Die Geschichten der beteiligten Entitäten, ihre zeitliche Dimension, werden dabei (bewusst) ausgelassen; es wird jeder Versuch vermieden, Aspekte jenseits dieser Momentaufnahme in den Blick zu nehmen. Hingegen wären die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit ohne den Rückgriff auf weitere theoretische, zeitliche und geographische Ebenen nicht möglich gewesen. Veränderungen in den grundlegenden Strukturen und Tendenzen der Entwicklung würden unsichtbar bleiben − wie die hier beobachtete »Abkehr von Techniken der Regulation hin zu Maßnahmen der Adaption« (Sprenger 2019, S. 502) und die Produktion neuer, ›postnatürlicher‹ Naturen. Die neuen Materialismen haben geholfen, blinde Flecken in der Forschung zu erhellen. Damit sie nicht neue blinde Flecken an anderer Stelle schaffen, ist es nötig, kreativ neue Forschungsansätze zu entwickeln: Ansätze, die einerseits althergebrachte Kategorien überwinden, es andererseits aber ermöglichen, Strukturen und Hierarchien zu fassen; Ansätze, die den Akteuren folgen, aber dennoch über die Ebene des einzelnen Fallbeispiels hinausgehen, sei es komparativ, oder wie hier, ergänzt durch genealogische Arbeiten. Dies schließt an frühe Forderungen aus der feministischen Technikforschung an, sowohl die Situiertheit von Wissen als auch die ungleichen Strukturen auf der Makroebene wahrzunehmen, die wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Erkenntnis bedingen und maßgeblich dazu beitragen, Netzwerke zu stabilisieren (Haraway 1988; Haraway 1991a). Die globale Erwärmung, die den Hintergrund dieser Arbeit bildet,
6 Resümee und Schlussfolgerungen
ist trotz aller lokalen Auswirkungen ein Phänomen, das nur begriffen und bearbeitet werden kann, wenn man es (auch) in seiner Globalität betrachtet. Die Rolle der ›neuen Naturen‹ im hier untersuchten Beispiel wird erst verständlich, wenn man über den einen Zeit-Punkt, Zeit-Raum hinausschaut, sie in das Neben- und Miteinander verschiedener kapitalistischer und nicht-kapitalistischer Formen des Markt- und Weltmachens einordnet. In einem Moment, wo die Gouvernementalität potenziell auf den Planeten als Ganzes zielt, braucht es Analyserahmen und Gegenentwürfe, die diese Globalität fassen können. So ist diese Arbeit auch ein Plädoyer für den »engaged pluralism« (Barnes und Sheppard 2009) verschiedener theoretischer Strömungen und Ansätze und für das aktive Herausarbeiten neuer Erkenntnisse und Erkenntnismöglichkeiten, die eine solche Kombination ergibt. Die Ergebnisse dieser Arbeit sprechen zweitens dafür, dass die Political Ecology ihren kritischen, auf die Analyse kapitalistischer Systeme fokussierten Blickwinkel nicht vorschnell über Bord werfen sollte. Insbesondere die Diskussion in Kap. 5 zeigt, dass die Betrachtung verschiedener Gouvernementalitäten zwar bestimmte Entwicklungen sichtbar macht, allein aber nicht ausreicht, um diese vollständig zu erfassen oder zu erklären. Sie machen erst Sinn, wenn man sie in Bezug zur Funktionsweise kapitalistischer Systeme, deren Produktion von Ungleichheiten und zu bestimmten Verschiebungen im Akkumulationsregime betrachtet. Es ist Latour selbst, der Ökonomisierung als eine Strategie vorschlägt, um Szenarien einer »gemeinsamen Welt« zu entwickeln (Latour 2001, S. 194) und den »kapitalen Beitrag der Ökonomisierer« beim Ordnen der Dinge jenseits einer Unterscheidung von Politik und Natur rühmt: »denn dem heterogenen Ensemble der Entitäten, die eine Hierachie bilden sollen […], können sie eine gemeinsame Sprache geben. Bisher ließen sich schwarze Löcher, Flüsse, genmanipulierter Soja, Landwirte, Klima, menschliche Embryonen, humanisierte Schweine durch nichts in einer Ordnungsbeziehung verbinden. Durch das ökonomische Kalkül werden jedoch alle diese Entitäten kommensurabel.« (Latour 2001, S. 196, Hervorh. im Orig.) Doch das Ökonomische ist, wie zahlreiche Arbeiten aus der Political Ecology und anderen Disziplinen zeigen, keine neutrale Sprache. Monetäre Bewertungen bilden nicht Ordnungen ab, sie schaffen Ordnungen. Es ist nichts gewonnen, wenn eine Form unsichtbarer Hierarchien durch eine andere ersetzt wird, wenn statt der Wissenschaft nun der Markt für die Natur spricht. Es ist die Stärke der Political Ecology, ebenso wie der kritischen Geographie insgesamt, dass sie im Gegensatz zu reinen Formen der neuen Materialismen über Instrumente und Konzepte verfügt, diese Probleme fassen und theoretisieren zu können. Wenn, wie sich in den Ergebnissen der Arbeit andeutet, zunehmend nicht mehr die Wissenschaft, sondern die Ökonomie die Regierung stellt – eine Ökonomie, die nicht mehr auf die Un-
289
290
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
terscheidung zwischen Natur und Kultur angewiesen ist –, sind diese Werkzeuge nötig, um kritische Analysen zu ermöglichen. Schließlich stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die neuen Materialismen selbst zu neuen Formen des Regierens stehen. Einer der wenigen Beiträge, die den Zusammenhang von neuen Materialismen und neoliberaler Natur thematisieren, stammt von Braun (2015b): »the neoliberalization of nature must be understood, in part, as the strategic containment of the critical energies of new materialist thought, and that the role of critical historiography is to recognize within processes of containment the contents and qualities of more radical possibilities« (Braun 2015b, S. 1). Braun sieht die Neoliberalisierung der Natur hier als eine Form der Eindämmung: Sie beschränkt die Möglichkeiten neuen Welt-Machens, die sich durch die Auflösung des Natur-Kultur-Dualismus ergeben, sie lenkt sie in eine bestimmte Richtung. Dies ist, wie Braun selbst schreibt, nur eine Möglichkeit, die historische Beziehung zwischen dem Aufkommen des Neoliberalismus und dem der neuen Materialismen zu denken. Sie lässt viele Fragen offen: Sind die neuen Materialismen und ihre Verbreitung der Grund oder die Folge der ökonomischen und sozialen Prozesse, die die Trennung in Natur und Kultur zunehmend untergraben? Sind die neuen Materialismen eine Reaktion, eine Anpassung der Theorie an Praktiken, die sich bis dato weithin unsichtbar entwickelt hatten und im Moment, da sie an Bedeutung gewannen, nach theoretischen Konstrukten verlangten, die sie greifbar machen können? Oder haben die theoretischen Arbeiten der neuen Materialismen und ihrer Vorläufer dazu beigetragen, diese Prozesse anzustoßen? Hier, im Grenzbereich alter Fragen von Theorie und Praxis, Diskurs und Materialität, ist noch viel Raum für theoretische und empirische Forschung: Nicht nur in Bezug auf die historische und theoretische Verortung der neuen Materialismen, sondern auch im Hinblick auf deren Verbindung zum neoliberalem Denken, im Hinblick auf die Zukünfte, die sie öffnen oder schließen, auf die Aspekte, die sie erhellen, und jene, die sie unsichtbar machen. Dies gilt insbesondere auch für das Prinzip des Experiments, das seit den 1980er Jahren einen Kern linker Praxis bildet. Experimente auf der lokalen Ebene, als bewusste politische Handlung oder im Rahmen von Alltagspraxen, werden von vielen sozialen Bewegungen als Grundlage der Entwicklung von Alternativen verstanden, Alternativen etwa zum Wachstumsparadigma oder zum kapitalistischen Wirtschaften; und auch in der Political Ecology lässt sich, wie Braun (2015a, S. 103) feststellt, zuletzt eine Hinwendung zum Experimentellen beobachten, ein »shift toward experimentation as a new critical – or perhaps post-critical – practice«. Was bedeutet es für eine solche Sichtweise, wenn Experimente, wie es die Ergebnisse dieser Arbeit nahelegen, Teil einer Regierungsform werden können? Wenn sie, innerhalb eines bestimmten gouvernementalen Rahmens, nicht eine Heraus-
6 Resümee und Schlussfolgerungen
forderung der Regierung bedeuten, sondern im Gegenteil deren Basis bilden, wenn sie nicht auf die Auflösung, sondern auf die Fortsetzung und Stärkung des Bestehenden hinwirken? Können praktische soziale Experimente innerhalb eines solchen Rahmens noch radikal Neues ausprobieren oder zumindest den Spielraum der Gouvernementalität erweitern? Oder steuern sie mit ihren Handlungen nur neue Erfahrungswerte und Daten bei, auf deren Basis die Regierung optimiert werden kann? Angesichts einer Politik des Risiko-Managements, einer fluiden Regierung, die auf Daten, Apparaten und Algorithmen beruht, muss die Frage, wie über den Horizont des Erwart- und Regierbaren hinausgegangen, wie Widerstand gedacht werden kann, neu gestellt werden. Die Ergebnisse der Arbeit haben somit auch Relevanz für politische Praktiken. Sie zeigen, dass die Untersuchung und Konzeptualisierung neoliberaler Naturen weiterhin Potential bieten – wenn dies auf eine differenzierte und fundierte Weise geschieht, und wenn sich eine solche Untersuchung nicht auf neoliberale Naturen beschränkt, sondern sich mit der Produktion von Naturen insgesamt beschäftigt, und mit deren Verbindung zu Formen der Regierung und der Ökonomie. Sie zeigen aber auch, dass das Aufkommen der neuen Materialismen für die Political Ecology eine besondere Herausforderung bedeutet, und dass eine intensive Auseinandersetzung mit diesen nötig ist, um angemessene Antworten zu finden – Antworten, zu denen die Political Ecology mit ihrer reichen und diversen Geschichte der kritischen Beschäftigung mit Naturen beitragen kann. Nimmt man die These ernst, dass sich zunehmend eine Ökologie ohne Natur herausbildet, eine Ökologie als hybrides, selbstreferenzielles und selbstregulierendes System, das die Basis posthumaner Kapitalismen bildet, ist eine politische Ökologie wichtiger denn je: als kritische Instanz, um vergangene und gegenwärtige Entwicklungen zu hinterfragen, um dazu beizutragen, inmitten der »politics of probability«, wie Appadurai (2013) sie genannt hat, weiterhin »politics of possibility« zu ermöglichen und die Zukunft, allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz, offen zu halten.
291
Literaturverzeichnis
Aalbers, Manuel B. (2017): The Variegated Financialization of Housing. In: International Journal of Urban and Regional Research 41 (4), S. 542-554. Aalbers, Manuel B. (2019): Financial Geographies of Real Estate and the City. A Literature Review. University of Leuven (Financial Geography Working Paper, 21). Abulafia, David (2013): The Great Sea: A Human History of the Mediterranean. Oxford: Oxford University Press. Abu-Lughod, Janet L. (1980): Rabat: Urban Apartheid in Morocco. Princeton, N.J: Princeton University Press. Adams, Richard H.; Page, John (2001): Holding the line: Poverty Reduction in the Middle East and North Africa, 1970-2000. Paper prepared for the Annual Conference of the Economic Research Forum for the Arab Countries, Iran and Turkey, Manama, Bahrain, 25.-27. Oktober, 2001. Washington, D.C.: The Worldbank. Adger, W. Neil; Dessai, Suraje; Goulden, Marisa; Hulme, Mike; Lorenzoni, Irene; Nelson, Donald R. et al. (2009): Are there social limits to adaptation to climate change? In: Climatic Change 93 (3-4), S. 335-354. Adloff, Fanny; Somot, Samuel; Sevault, Florence; Jordà, Gabriel; Aznar, Roland; Déqué, Michel et al. (2015): Mediterranean Sea response to climate change in an ensemble of twenty first century scenarios. In: Climate Dynamics 45 (9-10), S. 2775-2802. Agamben, Giogio (2009): What is an Apparatus? and Other Essays. Übersetzt von David Kishik und Stefan Pedatella. Stanford, California.: Stanford University Press. Agarwal, Anil; Narain, Sunita (1992): Globale Erwärmung in einer ungleichen Welt. Ein Fall von Öko-Kolonialismus. Herrsching: Durga Press. Aglietta, Michel (1979): A Theory of Capitalist Regulation: The US Experience. Übersetzt von David Fernbach. London: NLB. Agrawal, Arun (2005a): Environmentality: Technologies of Government and the Making of Subjects. Durham: Duke University Press.
294
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Agrawal, Arun (2005b): Environmentality: Community, Intimate Government, and the Making of Environmental Subjects in Kumaon, India. In: Current Anthropology 46 (2), S. 161-190. Agrawal, Arun; Nepstad, Daniel; Chhatre, Ashwini (2011): Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation. In: Annual Review of Environment and Resources 36 (1), S. 373-396. Akesbi, Najib (2011): Le Plan Maroc Vert: une analyse critique. In: Questions d’économie marocaine, S. 9-48. Akrich, Madeleine (1987): Comment décrire les objets techniques? In: Techniques et culture. Éditions de la Maison des sciences de l’homme, S. 49-64. Akrich, Madeleine; Callon, Michel; Latour, Bruno (Hg.) (2006): Sociologie de la traduction. Paris: Presses des Mines. Albera, Dionigi (1999): The Mediterranean as an anthropological laboratory. In: Anales de la Fundacion Joaquín Costa (16), S. 215-232. Alexander, Anne; Bassiouny, Mostafa (2014): Bread, Freedom, Social Justice. Workers and the Egyptian Revolution. London: Zed Books. Allal, Amin (2010): »Ici, si ça ne ›bouge‹ pas ça n’avance pas!« Les mobilisations protestataires de l’année 2008 dans la région minière de Gafsa. Réformes néo libérales, clientélismes et contestation. In: Myriam Catusse, Blandine Destremau und Eric Verdier (Hg.): L’Etat face aux »débordements« du social au Maghreb. Formation, travail et protection. Paris: Karthala, S. 173-186. Altvater, Elmar (2006): Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen. Eine radikale Kapitalismuskritik. 2. Aufl. Münster: Westfälisches Dampfboot. Ambrose-Oji, Bianca; Allmark, Tim; Buckley, Peter; Clements, Bindi; Woodgate, Graham (2015): The environmental state and the forest. Of lookouts, lumberjacks, leopards, and losers. In: The Environmental State Under Pressure, Bd. 10. Bingley: Emerald, S. 149-169. Amegroud, Tayeb (2015): Morocco’s Power Sector Transition: Achievements and Potential. Instituto Affari Internazionali. Rom (IAI Working Papers, 15). Angelsen, Arild (2012): Analysing REDD+. Challenges and choices. Unter Mitarbeit von Maria Brockhaus, William D. Sunderlin und Louis V. Verchot. Bogor: CIFOR. Angelsen, Arild; Brockhaus, Maria (Hg.) (2009): Realising REDD+. National strategy and policy options. Bogor: CIFOR. Annunziata, Sandra; Mattiucci, Cristina (Hg.) (2018): The Austerity and (spatial) rights. Sonderheft. Lo Squaderno (47). Aoun, Marie-Claire (2015): European Energy Security Challenges and Global Energy Trends: Old Wine in New Bottles? Instituto Affari Internazionali. Rom (IAI Working Papers, 15).
Literaturverzeichnis
Apostolopoulou, Elia; Cortes-Vazquez, Jose A. (2019): The Right to Nature. Social Movements, Environmental Justice and Neoliberal Natures. New York: Routledge. Appadurai, Arjun (2013): The Future as Cultural Fact: Essays on the Global Condition. London, New York: Verso. ARIES (2021): Our mission. ARIES – ARtificial Intelligence for Environment & Sustainability. Online verfügbar unter https://aries.integratedmodelling.org/ourmission/, zuletzt geprüft am 04.02.2021. Armbrust, Walter (2011): Egypt: A Revolution against Neoliberalism? In: Al Jazeera, 24.02.2011. Online verfügbar unter https://www.aljazeera.com/indepth/opinio n/2011/02/201122414315249621.html, zuletzt geprüft am 20.02.2022. Arrighi, Giovanni (1994): The Long Twentieth Century: Money, Power, and the Origins of Our Times. London, New York: Verso. Arsel, Murat; Büscher, Bram (2012): Nature™ Inc. Changes and Continuities in Neoliberal Conservation and Market-based Environmental Policy. In: Development and Change 43 (1), S. 53-78. Asiyanbi, Adeniyi (2019): Complexities and surprises in local resistance to neoliberal conservation. Multiple environmentalities, technologies of the self and the poststructural geography of local engagement with REDD+. In: Political Geography 69, S. 128-138. Asiyanbi, Adeniyi; Arhin, Albert; Isyaku, Usman (2017): REDD+ in West Africa. Politics of Design and Implementation in Ghana and Nigeria. In: Forests 8 (3), S. 78. Asiyanbi, Adeniyi P. (2016): A political ecology of REDD+. Property rights, militarised protectionism, and carbonised exclusion in Cross River. In: Geoforum 77, S. 146-156. Asiyanbi, Adeniyi P. (2017): Financialisation in the green economy. Material connections, markets-in-the-making and Foucauldian organising actions. In: Environment and Planning A 50 (3), S. 531-548. Aubert, Pierre-Marie (2010): Action publique et société rurale dans la gestion des forêts marocaines: changement social et efficacité environnementale. Dissertation. AgroParisTech, Paris. Aubert, Pierre-Marie (2014a): Les évolutions de la politique forestière au Maroc. Entre réappropriation du modèle forestier français et idéalisation de la tribu. In: Revue forestière française (4), S. 305-316. Aubert, Pierre-Marie (2014b): Projets de développement et changements dans l’action publique. In: Revue Tiers Monde 4 (4), S. 221-237. Aubert, Pierre-Marie; Romagny, Bruno (2012): De l’économie néoinstitutionnelle et patrimoniale à la sociologie de l’action organisée. In: Laurent Auclair und Mohamed Alifriqui (Hg.): Agdal. Patrimoine socio-écologique de l’Atlas marocain. IRCAM-IRD. Rabat, Marseille. S. 245-281.
295
296
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Aubert, Pierre-Marie; Sabir, Mohamed (2013): Du technique au politique et retour. État des lieux et enjeux dans la gestion des forêts au Maroc. Introduction au dossier. In: Revue forestière française (4), 295-304. Auclair, Laurent; Alifriqui, Mohamed (Hg.) (2012): Agdal. Patrimoine socioécologique de l’Atlas marocain. IRCAM-IRD. Rabat, Marseille. Auclair, Laurent; Baudot, Patrick; Genin, Didier; Romagny, Bruno; Simenel, Romain (2011): Patrimony for Resilience: Evidence from the Forest Agdal in the Moroccan High Atlas Mountains. In: Ecology and Society 16 (4), S. 24. Auclair, Laurent; Simenel, Romain (2013): Quand le forestier endosse les habits du saint… La géstion des frontières communautaires dans le Haut Altas et l’Arganérie (Maroc). In: Revue Forestière Française (4), S. 341-357. Ayeb, Habib (2012): The marginalization of the small peasantry: Egypt and Tunisia. In: Ray Bush und Habib Ayeb (Hg.): Marginality and Exclusion in Egypt. London: Zed Books, S. 72-96. Baccini, Alessandro; Walker, Wayne; Carvalho, Luis; Farina, Mary; Sulla-Menashe, Damien; Houghton, Richard (2017): Tropical forests are a net carbon source based on aboveground measurements of gain and loss. In: Science 358 (6360), S. 230-234. Bachram, Heidi (2004): Climate fraud and carbon colonialism. The new trade in greenhouse gases. In: Capitalism Nature Socialism 15 (4), S. 5-20. Bäckstrand, Karin; Lövbrand, Eva (2006): Planting Trees to Mitigate Climate Change. Contested Discourses of Ecological Modernization, Green Governmentality and Civic Environmentalism. In: Global Environmental Politics 6 (1), S. 50-75. Bagaram, Bawinabadi M.; Mounir, Fouad; Lahssini, Said; Ponette, Quentin (2016): Site Suitability Analysis for Cork Oak Regeneration Using GIS Based Multicriteria Evaluation Techniques in Maamora Forest-Morocco. In: Open Access Library Journal 3 (3), S. 1-9. Bair, Jennifer; Berndt, Christian; Boeckler, Marc; Werner, Marion (2013): Dis/articulating producers, markets, and regions: New directions in critical studies of commodity chains. In: Environment and Planning A 45, S. 2544-2552. Bakker, K. (2010): The limits of ›neoliberal natures‹: Debating green neoliberalism. In: Progress in Human Geography 34 (6), S. 715-735. Bakker, Karen (2005): Neoliberalizing Nature? Market Environmentalism in Water Supply in England and Wales. In: Annals of the American Association of Geographers 95 (3), S. 542-565. Bakker, Karen (2009): Neoliberal Nature, Ecological Fixes, and the Pitfalls of Comparative Research. In: Environment and Planning A 41 (8), S. 1781-1787. Bakker, Karen; Bridge, Gavin (2016): Material worlds? Resource geographies and the ›matter of nature‹. In: Progress in Human Geography 30 (1), S. 5-27.
Literaturverzeichnis
Bakker, Karen J. (2003): An Uncooperative Commodity. Privatizing Water in England and Wales. Oxford: Oxford University Press. Baldwin, Andrew (2016): The Nature of the Boreal Forest. In: Space and Culture 6 (4), S. 415-428. Balser, Markus; Stawski, Dominik (2011): Dreckige Geschäfte. In: Süddeutsche Zeitung, 20.01.2011. Online verfügbar unter https://www.sueddeutsche.de/geld/ chaos-im-emissionshandel-dreckige-geschaefte-1.1049129, zuletzt geprüft am 08.01.2021. Barad, Karen (2007): Meeting the Universe Halfway. Quantum Physics and the Entanglement of Matter and Meaning. Durham: Duke University Press. Barad, Karen (2017): Agentieller Realismus. Über die Bedeutung materiell-diskursiver Praktiken. 2. Auflage. Berlin: Suhrkamp. Barnes, Jessica (2014): Cultivating the Nile. The Everyday Politics of Water in Egypt. Durham: Duke University Press. Barnes, Trevor J.; Sheppard, Eric (2009): ›Nothing includes everything‹. Towards engaged pluralism in Anglophone economic geography. In Progress in Human Geography 34 (2), S. 193-214. Barnett, Clive (2005): The consolations of ›neoliberalism‹. In: Geoforum 36 (1), S. 7-12. Barry, Andrew; Osborne, Thomas; Rose, Nikolas S. (1996): Foucault and Political Reason. Liberalism, Neo-Liberalism, and Rationalities of Government. Chicago: University of Chicago Press. Barthel, Pierre-Arnaud (2015): Le Maroc à l’heure de l’éco-urbanisme. Innovations et décalages sur le terrain des premiers projets urbains ›vert‹. In: Baudouin Dupret, Zakaria Rhani, Assia Boutaleb und Jean-Noël Ferrié (Hg.): Le Maroc au présent: Centre Jacques-Berque, S. 77-89. Barua, Maan (2014): Circulating elephants: unpacking the geographies of a cosmopolitan animal. In: Transactions of the Institute of British Geographers 39 (4), S. 559-573. Barua, Maan (2017): Nonhuman labour, encounter value, spectacular accumulation. The geographies of a lively commodity. In: Transactions of the Institute of British Geographers 42 (2), S. 274-288. Bathelt, Harald (1994): Die Bedeutung der Regulationstheorie in der WirtschaftsGeographischen Forschung. In: Geographische Zeitschrift 82 (2), S. 63-90. Bathelt, Harald; Glückler, Johannes (2006): Wirtschaftsgeographie. Ökonomische Beziehungen in räumlicher Perspektive. Stuttgart: UTB. Bauer, Susanne; Heinemann, Torsten; Lemke, Thomas (Hg.) (2017): Science and Technology Studies. Klassische Positionen und aktuelle Perspektiven. Berlin: Suhrkamp. Bauriedl, Sibylle; Wichterich, Claudia (2014): Ökonomisierung von Natur, Raum, Körper. Feministische Perspektiven auf sozialökologische Transformationen. Rosa-Luxemburg-Stiftung. Berlin.
297
298
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Baviskar, B. S. (2017): NGOs and Civil Society in India. In: Sociological Bulletin 50 (1), S. 3-15. Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Behrends, Andrea; Reyna, Stephen P.; Schlee, Günther (2011): Crude Domination. An Anthropology of Oil. New York: Berghahn Books. Beierkuhnlein, Carl (2007): Biogeographie. Die räumliche Organisation des Lebens in einer sich verändernden Welt. Stuttgart: UTB. Beinart, William; McGregor, JoAnn (Hg.) (2003): Social History and African Environments. Oxford: Currey. Beinin, Joel (2013): Social Movements, Mobilization, and Contestation in the Middle East and North Africa. Stanford, California: Stanford University Press. Belghazi, Bakhiyi; Ezzahiri; Mustapha; Khaldi, Abdelhamid (2004): Bilan des travaux de régénération artificielle du chêne-liège (Quercus suber L.) dans quelques forêts d’Afrique du Nord. Online verfügbar unter www.fao.org/3/ XII/0307-B4.htm, zuletzt geprüft am 14.04.2020. Belghazi, Bakhiyi; Ezzahiri, Mustapha; Amhajar, Mohamed; Benzyane, Mohamed (2001): Régénération artificielle du chêne-liège dans la forêt de la Mâamora (Maroc). In: forêt mediterranéenne 22 (3), S. 254-261. Belina, Bernd.; Best, Ulrich; Naumann, Martin (2009): Critical geography in Germany. From exclusion to inclusion via internationalisation. In: Social Geography 4 (1), S. 47-58. Benedetti, Fabio; Guilhaumon, François; Adloff, Fanny; Ayata, Sakina-Dorothée (2018): Investigating uncertainties in zooplankton composition shifts under climate change scenarios in the Mediterranean Sea. In: Ecography 41 (2), S. 345360. Bennett, Jane (2010): Vibrant Matter. A Political Ecology of Things. Durham: Duke University Press. Benton, Ted (Hg.) (1996): The Greening of Marxism. New York: Guilford Press. Benzyane, Mohamed; Naggar, Mustapha; Lahlou, Bouchra (2003): L’aménagement concerte: Une nouvelle approche pour la gestion des forêts SudMéditérrannéens. Paper submitted to the XII World Forestry Congress, Québec-City, Canada, 2003. Online verfügbar unter www.fao.org/3/XII/0089C1.htm, zuletzt geprüft am 18.06.2019. Bergh, Sylvia I. (2012a): ›Inclusive‹ Neoliberalism, Local Governance Reforms and the Redeployment of State Power: The Case of the National Initiative for Human Development (INDH) in Morocco. In: Mediterranean Politics 17 (3), S. 410-426. Bergh, Sylvia I. (2012b): Introduction: Researching the effects of neoliberal reforms on local governance in the Southern Mediterranean. In: Mediterranean Politics 17 (3), S. 303-321.
Literaturverzeichnis
Berglund, Eeva (2001): Facts, Beliefs and Biases. Perspectives on Forest Conservation in Finland. In: Journal of Environmental Planning and Management 44 (6), S. 833-849. Berndt, Christian; Boeckler, Marc (2009): Geographies of circulation and exchange. Constructions of markets. In: Progress in Human Geography 33 (4), S. 535-551. Berndt, Christian; Boeckler, Marc (2010): Geographies of markets. Materials, morals and monsters in motion. In: Progress in Human Geography 35 (4), S. 559567. Berndt, Christian; Boeckler, Marc (2011): Performative regional (dis)integration: transnational markets, mobile commodities, and bordered North – South differences. In: Environment and Planning A 43 (5), S. 1057-1078. Berriane, Yasmine (2016): Bridging social divides. Leadership and the making of an alliance for women’s land-use rights in Morocco. In: Review of African Political Economy 43 (149), S. 350-364. Bertrand, Hugues (1983): Accumulation, régulation, crise. Un modèle sectionnel théorique et appliqué. In: Revue Économique 34 (2), S. 305-343. Besnard, Guillaume; Hernández, Pilar; Khadari, Bouchaib; Dorado, Gabriel; Savolainen, Vincent (2011): Genomic profiling of plastid DNA variation in the Mediterranean olive tree. In: BMC Plant Biology 11, S. 80. Beymer-Farris, Betsy A.; Bassett, Thomas J. (2012): The REDD menace. Resurgent protectionism in Tanzania’s mangrove forests. In: Global Environmental Change 22 (2), S. 332-341. Bhavnani, Kum-Kum; Foran, John; Kurian, Priya A. (Hg.) (2019): Climate Futures. Re-imagining Global Climate Justice. London: Zed Books. Bigger, Patrick; Dempsey, Jessica (2018): Reflecting on neoliberal natures: An exchange. In: Environment and Planning E 1 (1-2), S. 25-75. Birch, Kean (Hg.) (2017a): A Research Agenda for Neoliberalism. Cheltenham, Northampton: Edward Elgar Publishing. Birch, Kean (2017b): Introduction. In: Kean Birch (Hg.): A Research Agenda for Neoliberalism. Cheltenham, Northampton: Edward Elgar Publishing, S. 1-10. Blaikie, Piers M.; Brookfield, H. C. (Hg.) (1987): Land Degradation and Society. London, New York: Methuen. Blasor, Eric (2019): Back to modernity: How changing narratives of rurality have shaped a region’s institutionally contested space. Konferenzvortrag. Rurality and Future-Making. Comparative Perspektives from Europe, the Middle East, and the Mediterranean. Köln, 23.05.2019. Blondel, Jacques (2006): The ›Design‹ of Mediterranean Landscapes. A Millennial Story of Humans and Ecological Systems during the Historic Period. In: Human Ecology 34 (5), S. 713-729. Blondel, Jacques (2010): The Mediterranean region. Biological diversity in space and time. 2. Auflage. Oxford, New York: Oxford University Press.
299
300
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Blondel, Jacques; Aronson, James (1999): Biology and wildlife of the Mediterranean region. Oxford: Oxford University Press. Bluwstein, Jevgeniy (2017): Creating ecotourism territories. Environmentalities in Tanzania’s community-based conservation. In: Geoforum 83, S. 101-113. Boas, Taylor C.; Gans-Morse, Jordan (2009): Neoliberalism. From New Liberal Philosophy to Anti-Liberal Slogan. In: Studies in Comparative International Development 44 (2), S. 137-161. Boeckler, M.; Berndt, C. (2012a): Geographies of circulation and exchange III: The great crisis and marketization ›after markets‹. In: Progress in Human Geography 37 (3), S. 424-432. Boeckler, M.; Berndt, C. (2017): B/ordering the Mediterranean: Free Trade, Fresh Fruits and Fluid Fixity. In: Jörg Gertel (Hg.): Seasonal Workers in Mediterranean Agriculture. The Social Costs of Eating Fresh. London: Routledge, S. 23-35. Boeckler, Marc; Berndt, Christian (2012b): Geographies of Marketization. In: Barnes, Trevor, Eric Sheppard and Jamie Peck (Hg.): The Wiley-Blackwell Companion to Economic Geography. Malden, MA, Oxford: Wiley-Blackwell, S. 199212. Bogaert, Koenraad (2011): The Problem of Slums. Shifting Methods of Neoliberal Urban Government in Morocco. In: Development and Change 42 (3), S. 709-731. Bogaert, Koenraad (2013): Contextualizing the Arab Revolts. The Politics behind Three Decades of Neoliberalism in the Arab World. In: Middle East Critique 22 (3), S. 213-234. Bogaert, Koenraad (2015): The revolt of small towns. The meaning of Morocco’s history and the geography of social protests. In: Review of African Political Economy 42 (143), S. 124-140. Boltanski, Luc; Chiapello, Ève (2006): Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: UVK. Bond, Patrick (1998): UNEVEN ZIMBABWE: A Study of Finance, Development, and Underdevelopment. Trenton, NJ: Africa World Press. Bond, Patrick (2008): Accumulation by Dispossession in Africa: False Diagnoses and Dangerous Prescriptions. In: Joseph Mensah (Hg.): Neoliberalism and Globalization in Africa. New York: Palgrave Macmillan US, S. 17-31. Borras, Saturnino M.; Hall, Ruth; Scoones, Ian; White, Ben; Wolford, Wendy (2011): Towards a better understanding of global land grabbing. An editorial introduction. In: Journal of Peasant Studies 38 (2), S. 209-216. Bose, Purabi; Arts, Bas; van Dijk, Han (2012): ›Forest governmentality‹. A genealogy of subject-making of forest-dependent ›scheduled tribes‹ in India. In: Land Use Policy 29 (3), S. 664-673. Boulhol, P. (1952): Législation forestière marocaine. In: Révue Forestière Française 92.2 (64), S. 232-245.
Literaturverzeichnis
Boyd, William; Prudham, W. Scott; Schurman, Rachel A. (2001): Industrial Dynamics and the Problem of Nature. In: Society & Natural Resources 14 (7), S. 555-570. Boyer, Dominic (2008): Thinking through the Anthropology of Experts. In: Anthropology in Action 15 (2), S. 38-46. Boyer, Robert (1990): The Regulation School: A Critical Introduction. New York: Columbia University Press. Boyer, Robert (2005): How and Why Capitalisms Differ. Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. Köln (MPIfG discussion paper, 05/4). Boyer, Robert (2010): Is a Finance-led growth regime a viable alternative to Fordism? A preliminary analysis. In: Economy and Society 29 (1), S. 111-145. Bracking, Sarah (2019): Financialisation, Climate Finance, and the Calculative Challenges of Managing Environmental Change. In: Antipode 36 (12), S. 1-21. Brand, Ulrich (2008): Conflicts in Environmental Regulation and the Internationalisation of the State. Contested Terrains. New York: Routledge. Brand, Ulrich (2011): Post-Neoliberalismus? Aktuelle Konflikte und gegen-hegemoniale Strategien. Hamburg: VSA. Brand, Ulrich; Görg, Christoph (2002): »Nachhaltige Globalisierung«? Sustainable Developent als Kitt des neoliberalen Scherbenhaufens. In: Christoph Görg und Ulrich Brand (Hg.): Mythen globalen Umweltmanagements. »Rio + 10« und die Sackgassen nachhaltiger Entwicklung. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 12-47. Brand, Ulrich; Görg, Christoph (Hg.) (2003): Postfordistische Naturverhältnisse. Konflikte um genetische Ressourcen und die Internationalisierung des Staates. Münster: Westfälisches Dampfboot. Brand, Ulrich; Sekler, Nicola (Hg.) (2009): Postneoliberalism – A Beginning Debate. Sonderheft. In: development dialogue 51 (1). Uppsala: Dag Hammarskjöld Foundation. Brand, Ulrich; Wissen, Markus (2014): The Financialisation of Nature as Crisis Strategy. In: Journal für Entwicklungspolitik 30 (2), S. 16-45. Brand, Ulrich; Wissen, Markus (2017): Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus. München: Oekom. Braudel, Fernand (1985): La méditerranée. Paris: Flammarion. Braudel, Fernand; Reynolds, Siân (1972): The Mediterranean and the Mediterranean World in the Age of Philip II. London: Collins. Braun, Bruce (2000): Producing vertical territory: Geology and governmentality in late Victorian Canada. In: Ecumene 7 (1), S. 7-46. Braun, Bruce (2002): The Intemperate Rainforest: Nature, Culture, and Power on Canada’s West Coast. Minneapolis: University of Minnesota Press. Braun, Bruce (2005): Environmental issues: writing a more-than-human urban geography. In: Progress in Human Geography 29 (5), S. 635-650.
301
302
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Braun, Bruce (2006): Environmental issues: global natures in the space of assemblage. In: Progress in Human Geography 30 (5), S. 644-654. Braun, Bruce (2008): Environmental issues. Inventive life. In: Progress in Human Geography 32 (5), S. 667-679. Braun, Bruce (2015a): From Critique to Experiment? Rethinking political ecology for the Anthropocene. In: Tom Perreault, Gavin Bridge und James McCarthy (Hg.): The Routledge Handbook of Political Ecology. London, S. 102-113. Braun, Bruce (2015b): New Materialisms and Neoliberal Natures. The 2013 Antipode RGS-IBG Lecture. In: Antipode 47 (1), S. 1-14. Braun, Bruce; Castree, Noel (Hg.) (1998a): Remaking Reality. Nature at the Millenium. London, New York: Routledge. Braun, Bruce; Castree, Noel (1998b): The construction of nature and the nature of construction. Analytical and political tools for building survivable futures. In: Bruce Braun und Noel Castree (Hg.): Remaking Reality. Nature at the Millenium. London, New York: Routledge, S. 3-42. Braun, Bruce; Whatmore, Sarah (Hg.) (2010): Political Matter: Technoscience, Democracy, and Public Life. Minneapolis: University of Minnesota Press. Brenner, Neil. (2001): The limits to scale? Methodological reflections on scalar structuration. In: Progress in Human Geography 25 (4), S. 591-614. Brenner, Neil.; Madden, David J.; Wachsmuth, David (2011): Assemblage urbanism and the challenges of critical urban theory. In: City 15 (2), S. 225-240. Brenner, Neil.; Peck, Jamie; Theodore, Nik (2010): Variegated neoliberalization: geographies, modalities, pathways. In: Global Networks 10 (2), S. 182-222. Brenner, Neil.; Theodore, Nik (2002): Preface. From the »New Localism« to the Spaces of Neoliberalism. In: Antipode 34 (3), S. 341-347. Brenner, Neil; Theodore, Nik (2002): Spaces of Neoliberalism. Chichester, UK: Wiley-Blackwell. Breton, Catherine; Tersac, Michel; Bervillé, André (2006): Genetic diversity and gene flow between the wild olive (oleaster, Olea europaea L.) and the olive. Several Plio-Pleistocene refuge zones in the Mediterranean basin suggested by simple sequence repeats analysis. In: Journal of Biogeography 33 (11), S. 1916-1928. Bridge, Gavin (2011): Resource geographies 1: Making carbon economies, old and new. In: Progress in Human Geography 35 (6), S. 820-834. Brockington, Dan (2009): Celebrity and the Environment. Fame, Wealth and Power in Conservation. London: Zed Books. Brockington, Dan; Duffy, Rosaleen; Igoe, Jim (2010): Nature Unbound. Conservation, Capitalism and the Future of Protected Areas. London: Earthscan. Bröckling, Ulrich; Krasmann, Susanne; Lemke, Thomas; Foucault, Michel (2000): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Literaturverzeichnis
Brosius, J. Peter; Tsing, Anna Lowenhaupt; Zerner, Charles (Hg.) (2005): Communities and Conservation: Histories and Politics of Community-based Natural Resource Management. Lanham, MD: Rowman Altamira. Bruff, Ian (2014): The Rise of Authoritarian Neoliberalism. In: Rethinking Marxism 26 (1), S. 113-129. Bruff, Ian; Tansel, Cemal Burak (Hg.) (2020): Authoritarian Neoliberalism. Philosophies, Practices, Contestations. London: Routledge. Brunnengräber, Achim (2006): The Political Economy of the Kyoto Protocol. In: Leo Panitch und Colin Leys (Hg.): Coming to terms with nature. New York: Monthly Review Press, S. 213-230. Bryant, Raymond L. (1998): Power, knowledge and political ecology in the third world. A review. In: Progress in Physical Geography: Earth and Environment 22 (1), S. 79-94. Buckel, Sonja (2014): »Welcome to Europe« – Die Grenzen des europäischen Migrationsrechts. Bielefeld: transcript. Bugalho, Miguel N.; Caldeira, Maria C.; Pereira, João S.; Aronson, James; Pausas, Juli G. (2011): Mediterranean cork oak savannas require human use to sustain biodiversity and ecosystem services. In: Frontiers in Ecology and the Environment 9 (5), S. 278-286. Bühler, Benjamin (2018): Ökologische Gouvernementalität. Zur Geschichte einer Regierungsform. Bielefeld: transcript. Bumpus, Adam; Liverman, Diana (2008): Accumulation by Decarbonization and the Governance of Carbon Offsets. In: Economic Geography 84 (2), S. 27-155. Bumpus, Adam; Liverman, Diana (2011): Carbon Colonialism? Offsets, greenhouse gas reductions, and sustainable development. In: Richard Peet, Paul Robbins und Michael Watts (Hg.): Global Political Ecology. London, New York: Routledge, S. 203-224. Bumpus, Adam G. (2011): The Matter of Carbon: Understanding the Materiality of t CO2 e in Carbon Offsets. In: Antipode 43 (3), S. 612-638. Burchell, Graham; Gordon, Colin; Miller, Peter (Hg.) (1991): The Foucault Effect. Studies in Governmentality. With two lectures by and an interview with Michel Foucault. Chicago: University of Chicago Press. Burgess, Neil D.; Mwakalila, Shadrack; Munishi, Pantaleo; Pfeifer, Marion; Willcock, Simon; Shirima, Deo et al. (2013): REDD herrings or REDD menace. Response to Beymer-Farris and Bassett. In: Global Environmental Change 23 (5), S. 1349-1354. Büscher, Bram; Dressler, Wolfram Heinz; Fletcher, Robert (Hg.) (2014): Nature Inc.: Environmental Conservation in the Neoliberal Age. Tucson: University of Arizona Press. Bush, Ray (Hg.) (2002): Counter-revolution in Egypt’s Countryside: Land and Farmers in the Era of Economic Reform. London, New York: Zed Books.
303
304
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Bush, Ray (2004): Civil society and the Uncivil State. Land Tenure Reform in Egypt and the Crisis of Rural Livelihoods. United Nations Research Institute for Social Development. Geneva (Civil society and social movements programme paper, 9). Bush, Ray (2004b): Poverty and Neo-Liberal Bias in the Middle East and North Africa. In: Development and Change 35 (4), S. 673-695. Bush, Ray (2011): Coalitions for Dispossession and Networks of Resistance? Land, Politics and Agrarian Reform in Egypt. In: British Journal of Middle Eastern Studies 38 (3), S. 391-405. Bush, Ray; Ayeb, Habib (Hg.) (2012): Marginality and exclusion in Egypt and the Middle East. London: Zed Books. Cabello, Joanna; Gilbertson, Tamra (Hg.) (2010): NO REDD! A reader. Carbon Trade Watch; Indigenous Environmental Network. Online verfügbar unter http://no redd.makenoise.org/, zuletzt geprüft am 19.11.2013. Cahill, Damien (2013): ›Actually Existing Neoliberalism‹ and the Global Economic Crisis. In: Labour and Industry 20 (3), S. 298-316. Çalışkan, Koray (2010): Market Threads: How Cotton Farmers and Traders Create a Global Commodity. Princeton, NJ.: Princeton University Press. Çalışkan, Koray; Callon, Michel (2009): Economization, part 1. Shifting attention from the economy towards processes of economization. In: Economy and Society 38 (3), S. 369-398. Callon, Michel (1998a): An Essay on Framing and Overflowing. Economic Externalities Revisited by Sociology. In: The Sociological Review 46, S. 244-269. Callon, Michel (Hg.) (1998b): The Laws of the Markets. Malden, Oxford: Blackwell. Callon, Michel (2006a): Einige Elemente der Übersetzung: Die Domestikation der Kammuscheln und der Fischer der St. Brieuc-Bucht. In: Andréa Belliger (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript, S. 135-174. Callon, Michel (2006b): What does it mean to say that economics is performative? Centre de Sociologie de l’Innovation. Ecole des Mines de Paris. Paris (CSI Working Papers Series, 5). Callon, Michel (2007): An Essay on the Growing Contribution of Economic Markets to the Proliferation of the Social. In: Theory, Culture & Society 24 (7-8), S. 139-163. Callon, Michel (2008): Economic Markets and the Rise of Interactive Agencements. From Prosthetic Agencies to Habilitated Agencies. In: Richard Swedberg und Trevor J. Pinch (Hg.): Living in a material world. Economic sociology meets science and technology studies. Cambridge, MA: MIT Press, S. 28-56. Callon, Michel (2009): Civilizing markets: Carbon trading between in vitro and in vivo experiments. In: Accounting, Organizations and Society 34 (3-4), S. 535-548. Callon, Michel; Law, John (2005): On Qualculation, Agency, and Otherness. In: Environment and Planning D 23 (5), S. 717-733.
Literaturverzeichnis
Callon, Michel; Law, John; Rip, Arie (1986): Mapping the dynamics of science and technology. Sociology of science in the real world. Basingstoke: Macmillan. Callon, Michel; Muniesa, Fabian (2016): Peripheral Vision. In: Organization Studies 26 (8), S. 1229-1250. Cames, Martin; Harthan, Ralph O.; Füssler, Jürg; Lazarus, Michael; Lee, Carrie M.; Erickson, Pete; Spalding-Fecher, Randall (2016): How additional is the Clean Development Mechanism? Analysis of the application of current tools and proposed alternatives. Öko-Institut. Berlin. Candeias, Mario (2009): Neoliberalismus – Hochtechnologie – Hegemonie. Grundrisse einer transnationalen kapitalistischen Produktions- und Lebensweise. Eine Kritik. Hamburg: Argument-Verlag. Caparrós, Alejandro; Jacquemont, Frédéric (2003): Conflicts between biodiversity and carbon sequestration programs: economic and legal implications. In: Ecological Economics 46 (1), S. 143-157. Carey, Mark; Jackson, M.; Antonello, Alessandro; Rushing, Jaclyn (2016): Glaciers, gender, and science. In: Progress in Human Geography 40 (6), S. 770-793. Carroll, William K.; Sapinski, Jean Philippe (2016): Neoliberalism and the Transnational Capitalist Class. In: Simon Springer, Kean Birch und Julie MacLeavy (Hg.): The Handbook of Neoliberalism. New York: Routledge, S. 25-35. Castree, Noel (2002): False Antitheses? Marxism, Nature and Actor-Networks. In: Antipode 34 (1), S. 111-146. Castree, Noel (2003): Commodifying what nature? In: Progress in Human Geography 27 (3), S. 273-297. Castree, Noel (2005a): Marxism, Capitalism, and the Production of Nature. In: Noel Castree und Bruce Braun (Hg.): Social Nature. Theory, Practice, and Politics. Malden, MA: Blackwell, S. 189-207. Castree, Noel (2005b): Nature. London, New York: Routledge. Castree, Noel (2005c): Socializing Nature: Theory, Practice, and Politics. In: Noel Castree und Bruce Braun (Hg.): Social Nature. Theory, Practice, and Politics. Malden MA: Blackwell, S. 1-21. Castree, Noel (2006): From neoliberalism to neoliberalisation: consolations, confusions, and necessary illusions. In: Environment and Planning A 38 (1), S. 1-6. Castree, Noel (2008a): Neoliberalising nature: processes, effects, and evaluations. In: Environment and Planning A 40 (1), S. 153-173. Castree, Noel (2008b): Neoliberalising nature: the logics of deregulation and reregulation. In: Environment and Planning A 40 (1), S. 131-152. Castree, Noel (2009): Neoliberal nature, ecological fixes, and the pitfalls of comparative research. In: Environment and Planning A 41, S. 1781-1787. Castree, Noel (2010): Neoliberalism and the Biophysical Environment: A Synthesis and Evaluation of the Research. In: Environment and Society: Advances in Research 1 (1), S. 5-45.
305
306
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Castree, Noel (2013): Making Sense of Nature. Abingdon: Routledge. Castree, Noel; Braun, Bruce (Hg.) (2005): Social Nature. Theory, Practice, and Politics. Reprinted. Malden, MA: Blackwell. Castree, Noel; MacMillan, Tom (2005): Dissolving Dualisms: Actor-Networks and the Reimagination of Nature. In: Noel Castree und Bruce Braun (Hg.): Social Nature. Theory, Practice, and Politics. Malden MA: Blackwell, S. 208-224. Catusse, Myriam; Destremau, Blandine; Verdier, Eric (Hg.) (2010): L’Etat face aux »débordements« du social au Maghreb‹. Formation, travail et protection. Paris: Karthala. Catusse, Myriam (2010): Maroc: un fragile état social dans la réforme néolibérale. In: Myriam Catusse, Blandine Destremau und Eric Verdier (Hg.): L’Etat face aux »débordements« du social au Maghreb. Formation, travail et protection. Paris: Karthala, S. 121-148. Cavanagh, Connor; Benjaminsen, Tor A. (2014): Virtual nature, violent accumulation. The ›spectacular failure‹ of carbon offsetting at a Ugandan National Park. In: Geoforum 56, S. 55-65. Cavanagh, Connor J. (2017): Political ecology, variegated green economies, and the foreclosure of alternative sustainabilities. In: Journal of Political Ecology 24, S. 200-216. Cavanagh, Connor J. (2018): Political ecologies of biopower. Diversity, debates, and new frontiers of inquiry. In: Journal of Political Ecology 25 (1), S. 402-425. CERED (2017): Projections de la population des regions et des provinces 20142030. Royaume du Maroc. Haut Commissariat du Plan. Centre d’Etudes et de Recherches Démographiques, Rabat. Cetina, Karin Knorr (2016): The Market. In: Theory, Culture & Society 23 (2-3), S. 551556. Chalvet, Martine (1998): La forêt méditerranéenne au XIXe siècle. Un espace naturel ou construit ? In: anami 110 (222), S. 185-204. Chalvet, Martine (2001): L’invention de la forêt méditerranéenne de la fin du XVIIIe siècle aux années 1960. Thèse de doctorat d’histoire. In: Revue d’histoire du XIXe siècle (23), S. 294-296, online verfügbar: http://journals.openedition.org/rh19/34 2. Chancel, Lucas; Piketty, Thomas (2015): Carbon and inequality: from Kyoto to Paris. Trends in the global inequality of carbon emissions (1998-2013) & prospects for an equitable adaptation fund. Paris School of Economics. Paris. Cherki, Khalid (2013): Analyse de la répartition spatiale des incendies de forêt en fonction des facteurs anthropiques, écologiques et biophysiques. Le cas de la forêt de la Mâamora (Maroc septentrional). In: Études caribéennes (20). Online verfügbar unter: http://journals.openedition.org/etudescaribeennes/10978.
Literaturverzeichnis
Chhatre, Ashwini; Agrawal, Arun (2009): Trade-offs and synergies between carbon storage and livelihood benefits from forest commons. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 106 (42), S. 17667-17670. Chrisman, Nicholas (2005): Full Circle. More than Just Social Implications of GIS. In: Cartographica: The International Journal for Geographic Information and Geovisualization 40 (4), S. 23-35. Christophers, Brett (2011): Follow the Thing. Money. In: Environment and Planning D 29 (6), S. 1068-1084. Christophers, Brett (2013): Geographies of finance I. In: Progress in Human Geography 38 (2), S. 285-293. Christophers, Brett (2015a): The limits to financialization. In: Dialogues in Human Geography 5 (2), S. 183-200. Christophers, Brett (2015b): Geographies of finance II. In: Progress in Human Geography 39 (2), S. 205-213. Christophers, Brett (2015c): Geographies of finance III. In: Progress in Human Geography 40 (1), S. 138-148. Clark, Eric; Hermele, Kenneth (2013): Financialisation of the environment: A literature review. Financialisation, Economy, Society and Sustainable Development. Lund University (FESSUD Papers, 17). Climate Action Tracker (2021a): Countries. Online verfügbar unter https://climate actiontracker.org/countries/, zuletzt geprüft am 10.01.2021. Climate Action Tracker (2021b): Morocco. Online verfügbar unter https://climateac tiontracker.org/countries/morocco/, zuletzt geprüft am 11.01.2021. Climate Justice Charter Movement (2020): Climate Justice Charter. COPAC; SAFSC. Johannesburg. Online verfügbar unter: https://climateandcapitalism.com /wp-content/uploads/2020/09/Climate-Justice-Charter-Aug-2020.pdf, zuletzt geprüft am 21.02.2022. Climate Summit 2014 (2014): New York Declaration on Forests. Declaration and Action Agenda. New York. Online verfügbar unter https://unfccc.int/media/ 514893/new-york-declaration-on-forests_26-nov-2015.pdf, zuletzt geprüft am 21.02.2022. Coalition for Rainforest Nations (2020). Online verfügbar unter https://www.rainf orestcoalition.org/, zuletzt geprüft am 08.01.2021. Cochoy, Franck (2002): Sociologie du packaging. Ou l’âne de Buridan face au marché. Paris: Presses universitaires de France. Collier, Stephen J. (2009): Topologies of Power. In: Theory, Culture & Society 26 (6), S. 78-108. Collier, Stephen J. (2012): Neoliberalism as big Leviathan, or … ? A response to Wacquant and Hilgers. In: Social Anthropology 20 (2), S. 186-195.
307
308
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Collier, Stephen J. (2017): Neoliberalism and Rule by Experts. In: Vaughan Higgins und Wendy Larner (Hg.): Assembling Neoliberalism. Expertise, Practices, Subjects. New York: Palgrave Macmillan, S. 23-44. Cook, Ian (2004): Follow the Thing. Papaya. In: Antipode 36 (4), S. 642-664. Coole, Diana H.; Frost, Samantha (Hg.) (2010): New Materialisms. Ontology, Agency, and Politics. Durham, NC: Duke University Press. Corbera, Esteve; Costedoat, Sébastien; Ezzine-de-Blas, Driss; van Hecken, Gert (2019): Troubled Encounters. Payments for Ecosystem Services in Chiapas, Mexico. In: Development and Change 1 (2), S. 223. Corbera, Esteve; Estrada, Manuel; May, Peter; Navarro, Guillermo; Pacheco, Pablo (2011): Rights to Land, Forests and Carbon in REDD+. Insights from Mexico, Brazil and Costa Rica. In: Forests 2 (1), S. 301-342. Corbera, Esteve; Schroeder, Heike (2017): REDD+ Crossroads Post Paris. Politics, Lessons, and Interplays. In: Forests 8 (12), S. 508. Corson, Catherine; MacDonald, Kenneth Iain (2012): Enclosing the global commons: the convention on biological diversity and green grabbing. In: Journal of Peasant Studies 39 (2), S. 263-283. Correctiv (2019): Grand Theft Europe. 07.05.2019. Online verfügbar unter https:/ /correctiv.org/top-stories/2019/05/06/grand-theft-europe/, zuletzt geprüft am 08.01.2021. Cramer, Wolfgang (2001): Fire Ecology, Mediterranean Forests and Global Change. In: Forest Ecology and Management (147), S. 1-2. Cramer, Wolfgang; Guiot, Joël; Fader, Marianela; Garrabou, Joaquim; Gattuso, JeanPierre; Iglesias, Ana et al. (2018): Climate change and interconnected risks to sustainable development in the Mediterranean. In: Nature Climate Change 8 (11), S. 972-980. Crampton, Jeremy W.; Elden, Stuart (Hg.) (2007): Space, Knowledge and Power. Foucault and Geography. London, New York: Routledge. Crang, Michael; Crosbie, Tracie; Graham, Stephen (2007): Technology, Time–Space, and the Remediation of Neighbourhood Life. In: Environment and Planning A 39 (10), S. 2405-2422. Croitoru, Lelia (2007): How much are Mediterranean forests worth? In: Forest Policy and Economics 9 (5), S. 536-545. Cronon, William (1995): The Trouble with Wilderness; or, Getting Back to the Wrong Nature. In: William Cronon (Hg.): Uncommon Ground. Toward Reinventing Nature. New York: W.W. Norton, S. 69-90. Daget, Philippe (1977): Le bioclimat mediterraneen: Caracteres generaux, modes de caracterisation. In: vegetatio 34 (1), S. 1-20. D’Angelo Lorenzo (2018): Diamonds and Plural Times. Articulating Temporalities in the Mines of Sierra Leone. In: Pijpers, Robert Jan; Eriksen, Thomas Hylland
Literaturverzeichnis
(Hg.): Mining Encounters. Extractive Industries in an Overheated World. London: Pluto. Darier, Éric (Hg.) (1999): Discourses of the Environment. Oxford: Blackwell. Davis, Diana K. (2005a): Potential Forests. Degradation Narratives, Science, and Environmental Policy in Protectorate Morocco, 1912-1956. In: Environmental History 10 (2), S. 211-238. Davis, Diana K. (2005b): Indigenous knowledge and the desertification debate. Problematising expert knowledge in North Africa. In: Geoforum 36 (4), S. 509524. Davis, Diana K. (2006): Neoliberalism, environmentalism, and agricultural restructuring in Morocco. In: Geographical Journal 172 (2), S. 88-105. Davis, Diana K. (2007): Resurrecting the Granary of Rome. Environmental History and French Colonial Expansion in North Africa. Athens: Ohio University Press. Davis, Diana K. (2012): Enclosing Nature in North Africa: National Parks and the Politics of Environmental History. In: Alan Mikhail (Hg.): Water on Sand: Environmental Histories of the Middle East and North Africa. New York: Oxford University Press, S. 159-180. Davis, Diana K.; Burke, Edmund (Hg.) (2013): Environmental Imaginaries of the Middle East and North Africa. Athens: Ohio University Press. Davis, Diana K. (2013): Restoring Roman Nature. French Identity and North African Environmental History. In: Diana K. Davis; Edmund Burke (Hg.): Environmental Imaginaries of the Middle East and North Africa. Athens: Ohio University Press, S. 60-86. Davis, Diana K. (2018): Between Sand and Sea: Constructing Mediterranean Plant Ecology. In: Rebecca Lave, Christine Biermann und Stuart N. Lane (Hg.): The Palgrave Handbook of Critical Physical Geography. Cham: Springer International, S. 129-151. Dean, Mitchell (2009): Governmentality. Power and Rule in Modern Society. Los Angeles: Sage. Demangeon, A. (1931): Le commerce de la France avec ses colonies. In: Annales de géographie (223), S. 110-111. Online verfügbar unter https://www.persee.fr/doc/ geo_0003-4010_1931_num_40_223_10374, zuletzt geprüft am 10.04.2020. Demeritt, David (2001): Scientific Forest Conservation and the Statistical Picturing of Nature’s Limits in the Progressive-Era United States. In: Environment and Planning D 19 (4), S. 431-459. Demeritt, David (2005): Being Constructive about Nature. In: Noel Castree und Bruce Braun (Hg.): Social Nature. Theory, Practice, and Politics. Malden, MA: Blackwell, S. 22-40. Demirović, Alex; Sablowski, Thomas (2012): Finanzdominierte Akkumulation und die Krise in Europa. Rosa-Luxemburg-Stiftung. Berlin. Dempsey, Jessica (2016): Enterprising Nature: Economics, Markets, and
309
310
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Finance in Global Biodiversity Politics. Chichester, UK: Wiley-Blackwell. Denoeux, Guilain; Maghraoui, Abdeslam (1998): King Hassan’s Strategy of Political Dualism. In: Middle East Policy 5 (4), S. 104-130. Dillmann, Bradford (2001): Facing the Market in North Africa. In: Middle East Journal 55 (2), S. 198-215. Dölemeyer; Anne; Rodatz, Mathias (2010): Diskurse und die Welt der Ameisen. Foucault mit Latour lesen (und umgekehrt). In: Robert Feustel und Maximilian Schochow (Hg.): Zwischen Sprachspiel und Methode. Perspektiven der Diskursanalyse. Bielefeld: transcript, S. 197-220. Dolphijn, Rick; van der Tuin, Iris (2012): New Materialism. Interviews & Cartographies. Ann Harbor: Open Humanites Press. Online verfügbar unter http://openhumanitiespress.org/books/download/Dolphijn-van-der-Tuin_ 2013_New-Materialism.pdf. Dooley, Kate (2014): Misleading numbers. The Case for Separating Land and Fossil Based Carbon Emissions. Forests and the European Union Resource Network (fern). Brüssel. Doolittle, Amity A. (2008): Stories and Maps, Images and Archives: Multimethod Approach to the Political Ecology of Native Property Rights and Natural Resource Management in Sabah, Malaysia. In: Environmental management 45 (1), S. 67-81. Duménil, Gérard; Lévy, Dominique (2013): Crisis of Neoliberalism. Cambridge, Mass.: Harvard University Press. Dunne, Michele (2011): What Tunisia Proved − and Disproved − about Political Change in the Arab World. Carnegie Endowment for International Peace. Online verfügbar unter https://carnegieendowment.org/2011/01/19/what-tunis ia-proved-and-disproved-about-political-change-in-arab-world/b1wu, zuletzt geprüft am 06.05.2019. Dutta, Sahil Jai (2018): Financialisation: a primer. Überarbeitete Fassung. September 2018. Transnational Institute. Amsterdam. Dzudzek, Iris (2016): Kreativpolitik. Über die Machteffekte einer neuen Regierungsform des Städtischen. Bielefeld: transcript. Eblinghaus, Helga; Stickler, Armin (1998): Nachhaltigkeit und Macht. Zur Kritik von Sustainable Development. Frankfurt a.M.: IKO – Verlag für Interkulturelle Kommunikation. Eden, Sally; Tunstall, Sylvia M.; Tapsell, Susan M. (2000): Translating Nature: River Restauration as Nature-Culture. In: Environment and Planning D 18 (2), S. 257273. El Boukhari, El Mostafa; Najib, Gmira; Brhadda, N. (2016): Contribution à l’étude de la régénération artificielle du chêne liège (Quercus suber L.) vis-à-vis du contenu minéral des feuilles et des paramètres physicochimiques des sols de la Maâmora (Maroc). In: Nature & Technologie (14), S. 26-39.
Literaturverzeichnis
El Boukhari, El Mostofa; Brhadda, Najiba; Gmira, Najib (2015): Un regard rétrospectif sur la gestion antérieure et sur les principaux résultats acquis de la régénération du chêne liège (Quercus suber L.) dans la Maâmora (Maroc occidental). In: The International Journal of Multi-disciplinary Sciences 1 (1), S. 30-37. El Karmouni, Ghassan Waïl (2016): Moroccan Energy Policy: From One Dependence to Another. In: A Region Heating Up: Climate Change Activism in the Middle East and North Africa. Heinrich-Böll Stiftung, Büro Rabat (Perspectives, 9), S. 26-30. Elden, Stuart (2007): Rethinking Governmentality. In: Political Geography 26 (1), S. 29-33. Elyachar, Julia (2007): Markets of Dispossession. NGOs, Economic Development, and the State in Cairo. Durham NC: Duke University Press. Epstein, Gerald A. (2015): Financialization and the World Economy. Cheltenham, Northampton, MA: Edward Elgar. Escobar, Arturo (1999): After Nature: Steps to an Antiessentialist Political Ecology. In: Current Anthropology 40 (1), S. 1-30. Escobar, Arturo (2010): Latin America at a Crossroads. In: Cultural Studies 24 (1), S. 1-65. Escobar, Pepe (2019): Burn, Neoliberalism, Burn! Strategic Culture Foundation. Online verfügbar unter https://www.strategic-culture.org/news/2019/10/23/burnneoliberalism-burn/, zuletzt geprüft am 26.11.2019. ESO-JEDI (2019): Critical Approaches to the Spatial Dimension of Social Relations: Transdisciplinary and Transnational Debates. Call for Papers. ESO mixed research unit (Espaces et Sociétés – Spaces and Societies) and JEDI (Justice, Espace, Discriminations, Inégalités – Justice, Space, Discriminations, Inequalities), Urban Futures Laboratory of Excellence, University of Paris-Est. Caen, 26.06.2019. Online verfügbar unter https://calenda.org/504330?file=1, zuletzt geprüft am 25.02.2021. Esser, Josef (Hg.) (1994): Politik, Institutionen und Staat. Zur Kritik der Regulationstheorie. Hamburg: VSA. European Commission (2013): Forest fires in Europa, Middle East and North Africa 2012. Joint Research Center of the European Commission. Luxemburg (JRC Technical Report, EUR 26048 EN). European Commission (2020): Climate Action – Use of international credits. European Commission. Online verfügbar unter https://ec.europa.eu/clima/polici es/ets/credits_en, zuletzt geprüft am 08.01.2021. Fabiani, Riccardo (2020): Repression or Development? Morocco after the Hirak. In: Jadaliyya, 12.03.2020. Online verfügbar unter https://www.jadaliyya.com/De tails/38785/Repression-or-development-Morocco-after-the-Hirak, zuletzt geprüft am 12.03.2020.
311
312
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Fairbairn, Madeleine; Fox, Jonathan; Isakson, S. Ryan; Levien, Michael; Peluso, Nancy; Razavi, Shahra et al. (2014): Introduction: New directions in agrarian political economy. In: The Journal of Peasant Studies 41 (5), S. 653-666. Fairhead, James; Leach, Melissa; Scoones, Ian (2012): Green Grabbing: a new appropriation of nature? In: Journal of Peasant Studies 39 (2), S. 237-261. Fall, Juliet J. (2007): Catalysts and Converts: Sparking Interest for Foucault among Francophones Geographers. In: Jeremy W. Crampton und Stuart Elden (Hg.): Space, Knowledge and Power. Foucault and Geography. London, New York: Routledge, S. 107-127. FAO (2010): Global Forest Resources Assessment 2010. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rom (FAO Forestry Paper, 163). FAO (2012a): Project funded by the French Global Environment Facility (FFEM). Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rom. Online verfügbar unter www.fao.org/forestry/82782/en/, zuletzt geprüft am 21.02.2022. FAO (2012b): Forest Resources Assessment 2015. Terms and Definitions. Food and Agriculture Organization of the United Nations. Rom (FRA Working Paper, 180). FAO (2015): FFEM Project. Bibliographic Database. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rom. Online verfügbar unter www.fao.org/forestry/89068/en/, zuletzt geprüft am 21.01.2021. FAO (2017): REDD+ Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation. Addressing forestland encroachment in Tunisia. Food and Agriculture Organization of the United Nations. Rom. Online verfügbar unter www.fao.org/redd/news/detail/en/c/1073137/, zuletzt geprüft am 02.02.2021. FAO; Plan Bleu (2013): State of Mediterranean Forests 2013. Hg. v. Christophe Besacier, Marion Briens, Marion Duclerq und Valentina Garavaglia. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Plan Bleu. Rom, Marseille. FAO; Plan Bleu (2018): State of Mediterranean Forests 2018. Hg. v. Nelly Bourlion, Valentina Garavaglia und Nicolas Picard. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Plan Bleu. Rom und Marseille. Farías, Ignacio; Bender, Thomas (Hg.) (2010): Urban Assemblages. How ActorNetwork Theory Changes Urban Studies. London: Routledge. Farmer, Tessa; Barnes, Jessica (2018): Environment and Society in the Middle East and North Africa. Introduction. In: International Journal of Middle East Studies 50 (3), S. 375-382. FCPF (2020): Forest Carbon Partnership Facility. Online verfügbar unter https://w ww.forestcarbonpartnership.org/, zuletzt geprüft am 19.11.2020. Fennane, Mohamed; Rejadali, Mohamed (2015): The world largest cork oak Maamora forest. Challenges and the way ahead. In: Flora Mediterranea 25, S. 277285.
Literaturverzeichnis
Ferguson, James (1994): The Anti-Politics Machine. Development, Depoliticization, and Bureaucratic Power in Lesotho. Minneapolis, London: University of Minnesota Press. Ferguson, James (2009): The Uses of Neoliberalism. In: Antipode 41, S. 166-184. Ferguson, James; Gupta, Akhil (2002): Spatializing States. Toward an Ethnography of Neoliberal Governmentality. In: American Ethnologist 29 (4), S. 981-1002. Fern (2015): Beyond biodiversity offsetting; trading away community rights in Gabon. Forests and the European Union Resource Network. Moreton-inMarsh, UK (Briefing note, 4). Online verfügbar unter https://www.fern.org/fil eadmin/uploads/fern/Documents/Trading %20away %20rights.pdf, zuletzt geprüft am 15.07.2020. Ferry, Elizabeth Emma; Limbert, Mandana E. (2008a): Introduction. In: Elizabeth Emma Ferry und Mandana E. Limbert (Hg.): Timely Assets: The Politics of Resources and Their Temporalities. Santa Fe: School for Advanced Research Press, S. 3-24. Ferry, Elizabeth Emma; Limbert, Mandana E. (Hg.) (2008b): Timely Assets: The Politics of Resources and Their Temporalities. Santa Fe: School for Advanced Research Press. FFEM (2020): Fonds Français pour l’Environnement Mondial. Paris. Online verfügbar unter https://www.ffem.fr/en, zuletzt geprüft am 12.01.2021. Filer, Colin (2012): Why green grabs don’t work in Papua New Guinea. In: Journal of Peasant Studies 39 (2), S. 599-617. Fine, Ben (2009): Development as Zombieconomics in the Age of Neoliberalism. In: Third World Quarterly 30 (5), S. 885-904. Fink, Larry (2020): Eine grundlegende Umgestaltung der Finanzwelt. BlackRock. Online verfügbar unter https://www.blackrock.com/ch/privatanleger/de/larry -fink-ceo-letter, zuletzt geprüft am 03.08.2020. Flatscher, Matthias; Seitz, Sergej (2018): Latour, Foucault und das Postfaktische. Zur Rolle und Funktion von Kritik im Zeitalter der »Wahrheitskrise«. In: Le foucaldien 4 (1), S. 1-30. Fletcher, Robert (2010): Neoliberal Environmentality. Towards a Poststructuralist Political Ecology of the Conservation Debate. In: Conservation and Society 8 (3), S. 171-181. Fletcher, Robert (2017): Environmentality unbound. Multiple governmentalities in environmental politics. In: Geoforum 85, S. 311-315. Fletcher, Robert; Dressler, Wolfram; Büscher, Bram (2014): Introduction. In: Bram Büscher, Wolfram Heinz Dressler und Robert Fletcher (Hg.): Nature Inc. Environmental conservation in the neoliberal age. Tucson: University of Arizona Press, S. 3-24. Flitner, Michael (2003): Kulturelle Wende in der Umweltforschung? Aussichten in Humanökologie, Kulturökologie und Politischer Ökologie. In: Hans Gebhardt,
313
314
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Paul Reuber, Günter Wolkersdorfer und Harald Bathelt (Hg.): Kulturgeographie. Aktuelle Ansätze und Entwicklungen. Heidelberg: Spektrum, S. 213-228. Florida, Richard L. (2002): The Rise of the Creative Class: And How It’s Transforming Work, Leisure, Community, and Everyday Life. New York: Basic Books. Folkers, Andreas; Lemke, Thomas (2014): Biopolitik. Ein Reader. Berlin: Suhrkamp. Fondation Mohammed VI pour la Protection de l’Environnement (2021). Rabat. Online verfügbar unter https://fm6e.org/, zuletzt geprüft am 11.01.2021. Forsyth, Tim (2019): Who Shapes the Politics of Expertise? Co-Production and Authoritative Knowledge in Thailand’s Political Forests. In: Antipode 71 (4), S. 320. Foster, John Bellamy (2000): Marx’s ecology. Materialism and nature. New York: Monthly Review Press. Foucault, Michel (1978): Dispositive der Macht. Michel Foucault über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin: Merve. Foucault, Michel (1994): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Übersetzt von Walter Seitter. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Foucault, Michel (2006a): Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementlität II. Vorlesung am Collège de France 1978-1979. Hg. von Michel Sennelart. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Foucault, Michel (2006b): Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Geschichte der Gouvernementlität I. Vorlesung am Collège de France 1977-1978. Hg. von Michel Sennelart. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Foucault, Michel (2007a): Questions on Geography. Übersetzt von Colin Gordon. In: Jeremy W. Crampton und Stuart Elden (Hg.): Space, Knowledge and Power. Foucault and Geography. London, New York: Routledge, S. 173-184. Foucault, Michel (2007b): Some Questions from Michel Foucault to Hérodote. Übersetzt von Stuart Elden. In: Jeremy W. Crampton und Stuart Elden (Hg.): Space, Knowledge and Power. Foucault and Geography. London, New York: Routledge, S. 19-20. Fournier, Patrick; Massard-Guilbaud, Geneviève (Hg.) (2016): Aménagement et environnement. Perspectives historiques. Rennes: Presses universitaires de Rennes. Online verfügbar unter: https://books.openedition.org/pur/44409. Fritz, Thomas (2009): Landnahme im Treibhaus. Land und Wald auf den Kohlenstoffmärkten. Berlin: FDCL. G8 Summit (2011): Declaration of the G8 on the Arab Spring. Deauville, Frankreich. Online verfügbar unter https://www.bundesregierung.de/resource/blob/97525 4/389110/6f32ab3c808738078e8c8752869a1859/declaration-of-the-g8-on-the-ar ab-spring-data.pdf?download=1, zuletzt geprüft am 06.01.2021. Gandy, Matthew (2003): Concrete and Clay. Reworking Nature in New York City. Cambridge, MA: MIT Press. Gandy, Matthew (2004): Rethinking urban metabolism: water, space and the modern city. In: City 8 (3), S. 363-379.
Literaturverzeichnis
Gautier, Catherine (2008): Oil, Water, and Climate. An Introduction. New York: Cambridge University Press. Gertel, Jörg; Breuer, Ingo (Hg.) (2012): Alltagsmobilitäten. Aufbruch marrokanischer Lebenswelten. Bielefeld: transcript. Gertel, Jörg; Le Heron, Richard (Hg.) (2011): Economic Spaces of Pastoral Production and Commodity Systems. London: Routledge. Gertenbach, Lars (2016): (2016) Politik – Diplomatie – Dezisionismus. Über das Politische in den neueren Schriften von Bruno Latour. In: Soziale Welt 67 (3), S. 281-297. Gertenbach, Lars; Opitz, Sven; Tellmann, Ute (Hg.) (2016): Bruno Latours neue politische Soziologie. Themenheft. Soziale Welt 67 (3). Gesing, Friederike; Knecht, Michi; Flitner, Michael; Amelang, Katrin (Hg.) (2019): NaturenKulturen. Denkräume und Werkzeuge für neue politische Ökologien. Bielefeld: transcript. Gibbs, Holly K.; Brown, Sandra; Niles, John O.; Foley, Jonathan A. (2007): Monitoring and estimating tropical forest carbon stocks: making REDD a reality. In: Environmental Research Letters 2 (4), S. 45023. Gil, Luis; Varela, Maria Carolina (2003): Cork oak (Quercus suber). Euforgen. Biodiversity International. Rom (Technical guidelines for genetic conservation and use). Gilbertson, Tamra; Reyes, Oscar (2009): Carbon Trading. How it works and why it fails. Dag Hammarskjöld Foundation. Uppsala (critical currents, 7). Giroux, Henry A. (2006): The New Authoritarianism in the United States. In: Dissident Voice, 03.01.2006. Online verfügbar unter https://dissidentvoice.org/Jan06 /Giroux03.htm, zuletzt geprüft am 25.2.2021. GIZ (2010): Anpassung forstpolitischer Rahmenbedingungen an den Klimawandel in der MENA-Region. Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Online verfügbar unter https://www.giz.de/de/weltweit/14279.html, zuletzt geprüft am 03.03.2017. GIZ (2020a): Umweltmanagement- und Umweltschutzprogramm (PGPE). Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Online verfügbar unter https://www.giz.de/de/weltweit/20169.html, zuletzt geprüft am 11.01.2021. GIZ (2020b): Unterstützung der marokkanischen Energiepolitik (PAPEM III). Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Online verfügbar unter https://www.giz.de/de/weltweit/33691.html, zuletzt geprüft am 11.01.2021. GIZ (2021): REDD Early Movers – Tools and Instruments. Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Online verfügbar unter https://www.giz. de/en/worldwide/33356.html, zuletzt geprüft am 11.01.2021. Glaser, Barney G.; Strauss, Anselm L. (2007 [1967]): The Discovery of Grounded Theory. Strategies for Qualitative Research. New Brunswick: Aldine.
315
316
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Glassman, Jim (2016): Primitive accumulation, accumulation by dispossession, accumulation by ›extra-economic‹ means. In: Progress in Human Geography 30 (5), S. 608-625. Glasze, Georg (Hg.) (2009): Handbuch Diskurs und Raum. Theorien und Methoden für die Humangeographie sowie die sozial- und kulturwissenschaftliche Raumforschung. Bielefeld: transcript. GLF (2020): What is the Landscape Approach? Global Landscapes Forum. Online verfügbar unter https://www.globallandscapesforum.org/about/what-is-the-l andscape-approach/, zuletzt geprüft am 04.02.2021. Global Canopy Programme (2014): The Little Book on legal frameworks on REDD+. How policy and legislation can create an enabling environment for REDD+. Oxford. Online verfügbar unter https://globalcanopy.org/sites/default/files/do cuments/resources/LittleBookofLegalFrameworksforREDD+.pdf. Goetz, Scott J.; Hansen, Matthew; Houghton, Richard A.; Walker, Wayne; Laporte, Nadine; Busch, Jonah (2015): Measurement and monitoring needs, capabilities and potential for addressing reduced emissions from deforestation and forest degradation under REDD+. IOP Publishing (Environmental Research Letters, 10). Goldman, Mara J.; Nadasdy, Paul; Turner, Matthew D. (Hg.) (2011): Knowing Nature. Conversations at the intersection of political ecology and science studies. Chicago, London: University of Chicago Press. Goldman, Michael (2004): Eco-Governementality and other transnational practices of a ›green‹ World Bank. In: Richard Peet und Michael Watts (Hg.): Liberation Ecologies. London: Routledge, S. 166-192. Goldman, Michael (2005): Imperial Nature: The World Bank and Struggles for Social Justice in the Age of Globalization. New Haven, London: Yale University Press. Gonzalez-Hidalgo, Marien; Otero, Iago; Kallis, Giorgos (2014): Seeing beyond the Smoke: The Political Ecology of Fire in Horta de Sant Joan (Catalonia). In: Environment and Planning A 46 (5), S. 1014-1031. González-Rodríguez, Victoria; Navarro-Cerrillo, Rafael M.; Villar, Rafael (2011): Artificial regeneration with Quercus ilex L. and Quercus suber L. by direct seeding and planting in southern Spain. In: Annals of Forest Science 68 (3), S. 637-646. Görg, Christoph (1999): Gesellschaftliche Naturverhältnisse. Münster: Westfälisches Dampfboot. Graham, Stephen; Hewitt, Lucy (2012): Getting off the ground: On the politics of urban verticality. In: Progress in Human Geography 37 (1), S. 72-92. Green Climate Fund (2020): REDD+. Online verfügbar unter https://www.greencl imate.fund/redd, zuletzt geprüft am 08.01.2021.
Literaturverzeichnis
Gregory, Derek (2005): (Post)Colonialism and the Production of Nature. In: Noel Castree und Bruce Braun (Hg.): Social Nature. Theory, Practice, and Politics. Malden, MA: Blackwell, S. 84-111. Greif, Hajo (2006): Vom Verschwinden der Theorie in der Akteur-Netzwerk-Theorie. In: Martin Voss und Birgit Peuker (Hg.): Verschwindet die Natur? Die AkteurNetzwerk-Theorie in der umweltsoziologischen Diskussion. Bielefeld: transcript, S. 53-70. Grimaldi d’Esdra, Ch. (1952): La question forestière au Maroc. In: Révue Forestière Française (4), S. 221-261. Grove, A. T.; Rackham, Oliver (2003): The Nature of Mediterranean Europe: An Ecological History. New Haven: Yale University Press. Guazzone, Laura; Pioppi, Daniela (2009): The Arab State and Neo-Liberal Globalization. The Restructuring of State Power in the Middle East. Reading, UK: Ithaca. Guérin, J.-C. (1961): L’Aménagement 1951-1954 et l’avénir du chêne-liège en Mamora. In: Révue Forestière Française, S. 424-438. Guérin, J.-C. (1964): La mise en valeur et l’aménagement des suberaies marocaines. In: Révue Forestière Française (1), S. 4-32. Guthman, Julie (2007): The Polanyian Way? Voluntary Food Labels as Neoliberal Governance. In: Antipode 39 (3), S. 456-478. Guthman, Julie (2011): Bodies and Accumulation. Revisiting Labour in the ›Production of Nature‹. In: New Political Economy 16 (2), S. 233-238. Gutiérrez, María (2011): Making Markets Out of Thin Air: A Case of Capital Involution. In: Antipode 43 (3), S. 639-661. Hafner, Manfred; Tagliapietra, Simone; Bergasse, Emmanuel (2013): A New EuroMediterranean Energy Roadmap for a Sustainable Energy Transition in the Region. Centre for European Policy Studies. Brüssel (MEDPRO policy paper, 3). Hall, Ruth; Edelman, Marc; Borras, Saturnino M.; Scoones, Ian; White, Ben; Wolford, Wendy (2015): Resistance, acquiescence or incorporation? An introduction to land grabbing and political reactions ›from below‹. In: Journal of Peasant Studies 42 (3-4), S. 467-488. Hall, Stuart (2011): The Neo-Liberal Revolution. In: Cultural Studies 25 (6), S. 705-728. Hamouchene, Hamza (2016): The Ouarzazate Solar Plant in Morocco: Triumphal ›Green‹ Capitalism and the Privatization of Nature. In: Jadaliyya, 23.03.2016. Online verfügbar unter https://www.jadaliyya.com/Details/33115/The-Ou arzazate-Solar-Plant-in-Morocco-Triumphal- %60Green %60-Capitalismand-the-Privatization-of-Nature, zuletzt geprüft am 25.03.2020. Hamrick, Kelley; Gallant, Melissa (2018): Voluntary Carbon Markets Insights: 2018 Outlook and First-Quarter Trends. Hg. v. Stephen Donofrio und Anne Thiel. Ecosystem Marketplace. Washington D.C.
317
318
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Handoussa, Heba (Hg.) (1997): Economic Transition in the Middle East: Global Challenges and Adjustment Strategies. Cairo: American University in Cairo Press. Hanieh, Adam (2013): Lineages of Revolt. Issues of Contemporary Capitalism in the Middle East. Chicago, Illinois: Haymarket Books. Hannah, Matthew G. (2007): Formations of ›Foucault‹ in Anglo-American Geography. An Archeological Sketch. In: Jeremy W. Crampton und Stuart Elden (Hg.): Space, Knowledge and Power. Foucault and Geography. London, New York: Routledge, S. 83-105. Haraway, Donna (1988): Situated Knowledges: The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective. In: Feminist Studies 14 (3), S. 575-599. Haraway, Donna Jeanne (1991a): A Cyborg Manifesto. Science, Technology, and Socialist-Feminism in the Late Twentieth Century. In: Donna Jeanne Haraway (Hg.): Simians, Cyborgs and Women: The Reinvention of Nature. New York: Routledge, S. 149-181. Haraway, Donna Jeanne (Hg.) (1991b): Simians, Cyborgs and Women: The Reinvention of Nature. New York: Routledge. Haraway, Donna Jeanne (2003): The Companion Species Manifesto. Dogs, People, and Significant Otherness. Chicago: Prickly Paradigm Press. Haraway, Donna Jeanne (2008): When Species Meet. Minneapolis: University of Minnesota Press. Hardin, Garrett James (1968): The Tragedy of the Commons. In: Science 162 (3859), S. 1243-1248. Hardt, Michael; Negri, Antonio (2002): Empire. Die neue Weltordnung. Frankfurt a.M.: Campus. Harris, Edmund (2009): Neoliberal subjectivities or a politics of the possible? Reading for difference in alternative food networks. In: Area 41 (1), S. 55-63. Harvey, David (1974): Population, Resources, and the Ideology of Science. In: Economic Geography 50 (3), S. 256-277. Harvey, David (1990): The Condition of Postmodernity: An Enquiry into the Origins of Cultural Change. Cambridge: Blackwell. Harvey, David (1996): Justice, Nature, and the Geography of Difference. Cambridge, MA: Blackwell. Harvey, David (2003): The New Imperialism. Oxford, New York: Oxford University Press. Harvey, David (2005): A Brief History of Neoliberalism. Oxford, New York: Oxford University Press. Hecht, Susanna B. (2004): Invisible forests. The political ecology of forest resurgence in El Salvador. In: Richard Peet und Michael Watts (Hg.): Liberation Ecologies. London: Routledge, S. 64-103.
Literaturverzeichnis
Heinrich-Böll Stiftung (2016): A Region Heating Up: Climate Change Activism in the Middle East and North Africa. Heinrich-Böll Stiftung, Büro Rabat (Perspectives, 9). Hekman, Susan (2009): We have never been postmodern. Latour, Foucault and the material of knowledge. In: Contemporary Political Theory 8 (4), S. 435-454. Herzfeld, Michael (1984): The Horns of the Mediterraneanist Dilemma. In: American Ethnologist 11 (3), S. 439-454. Heydemann, Steven (2015): Explaining the Arab Uprisings: transformations in Comparative Perspective. In: Mediterranean Politics 21 (1), S. 1-13. Heynen, Nik; McCarthy, James; Prudham, Scott; Robbins, Paul (2007a): Introduction: false promises. In: Nik Heynen, James McCarthy, Scott Prudham und Paul Robbins (Hg.): Neoliberal Environments. False promises and unnatural consequences. New York: Routledge, S. 1-22. Heynen, Nik; McCarthy, James; Prudham, Scott; Robbins, Paul (Hg.) (2007b): Neoliberal environments. False promises and unnatural consequences. New York: Routledge. Heynen, Nik; Robbins, Paul (2005): The Neoliberalization of Nature: Governance, Privatization, Enclosure and Valuation. In: Capitalism Nature Socialism 16 (1), S. 5-8. Heynen, Nikolas Cunnington; Kaika, Maria; Swyngedouw, Erik (2011): In the Nature of Cities. Urban political ecology and the politics of urban metabolism. London, New York: Routledge. Himley, Matthew (2008): Geographies of Environmental Governance: The Nexus of Nature and Neoliberalism. In: Geography Compass 2 (2), S. 433-451. Hirsch, Joachim (1990): Kapitalismus ohne Alternative? Hamburg: VSA. Hirsch, Joachim; Roth, Roland (1986): Das neue Gesicht des Kapitalismus. Vom Fordismus zum Post-Fordismus. Hamburg: VSA. Hopkins, Nicholas S.; Westergaard, Kirsten (Hg.) (1998): Directions of Change in Rural Egypt. Cairo: American University in Cairo Press. Horden; Peregrine (2014): A Companion to Mediterranean History. Malden, MA, Oxford: Wiley-Blackwell. Horden, Peregrine; Purcell, Nicholas (2000): The corrupting sea. A study of Mediterranean history. Oxford: Blackwell. Horkheimer, Max; Adorno, Theodor Wiesengrund (2006 [1944]): Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt a.M.: Fischer. Houston Durrant, Tracy; de Rigo, Daniele; Caudullo, Giovanni (2016): Quercus suber. In: Jesús San-Miguel-Ayanz, Daniele de Rigo, Giovanni Caudullo, Tracy Houston Durrant, Achille Mauri (Hg.): European Atlas of Forest Tree Species, S. 164-165.
319
320
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Hörl, Erich (2017): Introduction to general ecology. The ecologization of thinking. In: Erich Hörl und James Burton (Hg.): General Ecology. The New Ecological Paradigm. London: Bloomsbury, S. 1-74. Hughes, J. Donald (1983): How the Ancients Viewed Deforestation. In: Journal of Field Archaeology 10 (4), S. 435. Hughes, J. Donald (1994): Pan’s Travail. Environmental Problems of the Ancient Greeks and Romans. Baltimore: Johns Hopkins University Press. Huré, B. (1961): Note sur l’aménagement Vidal en forêt de Mamora. In: Révue Forestière Française (8-9), S. 574-577. ICAO (2020): Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA). Online verfügbar unter https://www.icao.int/environmental-protec tion/CORSIA/Pages/default.aspx, zuletzt geprüft am 26.02.2021. ICAP (2019): Emissions Trading Worldwide. Status Report 2019. Executive Summary. International Carbon Action Partnership. Berlin. Idle, Nadia (2011): Tweets from Tahrir. Egypt’s Revolution As It Unfolded, In the Words of the People Who Made It. New York: OR Books. IEA (2019): World energy balances and statistics – Data services. International Energy Agency. Online verfügbar unter https://www.iea.org/news/internation al-energy-agency-publishes-new-review-of-moroccos-energy-policies, zuletzt geprüft am 24.03.2020. Igoe, Jim; Neves, Katja; Brockington, Dan (2010): A Spectacular Eco-Tour around the Historic Bloc. Theorising the Convergence of Biodiversity Conservation and Capitalist Expansion. In: Antipode 42 (3), S. 486-512. IKI (2021): Nationale Waldbeobachtungs- und Informationssysteme für ein transparentes und wahrheitsgetreues REDD+. 2013-2016. BMU. Internationale Klimaschutzinitiative. Online verfügbar unter https://www.international-clim ate-initiative.com/de/details/project/nationale-waldbeobachtungs-und-infor mationssysteme-fuer-ein-transparentes-und-wahrheitsgetreues-redd-13_III_ 044-332?iki_lang=de, zuletzt geprüft am 02.02.2021. IKI (2022): Nationales Landbeobachtungs- und Informationssystem für ein transparentes NDC-Reporting. 2018-2022. BMU. Internationale Klimaschutzinitiative. Online verfügbar unter https://www.international-climate-initiativ e.com/de/details/project/nationales-landbeobachtungs-und-informationssyst em-fuer-ein-transparentes-ndcreporting-18_III_081-3030, zuletzt geprüft am 18.2.2022. Initiative AAA (2016): Initiative for the Adaptation of African Agriculture to Clilmate Change (AAA). Online verfügbar unter: https://www.aaainitiative.org/initiativ e, zuletzt geprüft am 25.02.2021. Institut Méditerranéen du Liège (2020). Online verfügbar unter www.institutduliege.fr/index.php, zuletzt geprüft am 13.01.2021.
Literaturverzeichnis
IPCC (2013): Climate Change 2013. Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge, New York: Cambridge University Press. IPCC (2019a): Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate. Genf. Online verfügbar unter https://www.ipcc.ch/srocc/. IPCC (2019b): Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystem. Genf. Online verfügbar unter https://www.ipcc.ch/srccl/. Jänicke, Martin; Kunig, Philip; Stitzel, Michael (1999): Lern- und Arbeitsbuch Umweltpolitik: Politik, Recht und Management des Umweltschutzes in Staat und Unternehmen. Bonn: Dietz. Jasanoff, Sheila (Hg.) (2006): States of Knowledge. The Co-Production of Science and the Social Order. London, New York: Routledge. Jasanoff, Sheila (2010): A New Climate for Society. In: Theory, Culture & Society 27 (2-3), S. 233-253. Jasanoff, Sheila; Martello, Marybeth Long (2004): Earthly politics. Local and global in environmental governance. Cambridge, MA: MIT Press. Jazeel, Tariq (2009): Governmentality. In: Social Text 27 (3 100), S. 136-140. Jessop, Bob (Hg.) (2001): Regulation theory and the crisis of capitalism. Cheltenham, Northampton: Elgar Pub. Johnstone, Sarah; Mazo, Jeffrey (2011): Global Warming and the Arab Spring. In: Survival 53 (2), S. 11-17. Jonas, Andrew E. G. (2006): Pro scale: further reflections on the ›scale debate‹ in human geography. In: Transactions of the Institute of British Geographers 31 (3), S. 399406. Jones, Toby Craig (2010): Desert Kingdom: How Oil and Water Forged Modern Saudi Arabia. Cambridge, Mass: Harvard University Press. Jouve, Anne-Marie (2006): Les trois temps de l’eau au Maroc. In: Confluences Méditerranée 58 (3), S. 51-61. Kalaora, Bernard; Savoye, Antoine (1986): La forêt pacifiée: sylviculture et sociologie au XIXe siècle. Paris: L’Harmattan. Kenner, Dario (2019): Carbon Inequality. The Role of the Richest in Climate Change. London, New York: Routledge. Khosrowshahi, Cameron (1997): Privatization in Morocco: The Politics of Development. In: Middle East Journal 51 (2), S. 242-255. Kill, Jutta (2018): REDD Early Movers. Ergebnisbasierte Zahlungen ohne klimarelevante Ergebnisse? Unter Mitarbeit von Thomas Fatheuer. Berlin: FDCL. Kill, Jutta (2019): REDD+: Ein verlorenes Jahrzehnt für den internationalen Waldschutz. Heinrich-Böll-Stiftung. Online verfügbar unter https://www.boel
321
322
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
l.de/de/2019/01/11/redd-ein-verlorenes-jahrzehnt-fuer-den-internationalen-w aldschutz, zuletzt geprüft am 30.04.2019. Klein, Naomi (2007): The Shock Doctrine. The Rise of Disaster Capitalism. London: Penguin Books. Klepp, Silja (2017): Climate Change and Migration. In: Oxford Research Encyclopedia of Climate Science. Online verfügbar unter https://doi.org/10.1093/acrefor e/9780190228620.013.42, zuletzt geprüft am 18.08.2021. Klepp, Silja (2018): Klimawandel und Migration. Heterogenes Forschungsfeld und politisierte Debatte. APuZ. Bundeszentrale für politische Bildung. Online verfügbar unter www.bpb.de/apuz/269304/klimawandel-und-migrationheterogenes-forschungsfeld-und-politisierte-debatte?p=all, zuletzt geprüft am 17.03.2019. Klepp, Silja; Chavez-Rodriguez, Libertad (2018): Governing climate change. The power of adaptation discourses, policies, and practices. In: Silja Klepp und Libertad Chávez Rodríguez (Hg.): A Critical Approach to Climate Change Adaptation Discourses, Policies, and Practices. London: Routledge, S. 3-34. Kloppenburg, Jack Ralph (2004): First the Seed. The Political Economy of Plant Biotechnology, 1492-2000. Madison: University of Wisconsin Press. Knorr-Cetina, Karin (2002): Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie von Wissenschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Knox-Hayes, Janelle (2013): The spatial and temporal dynamics of value in financialization. Analysis of the infrastructure of carbon markets. In: Geoforum 50, S. 117-128. Krippner, G. R. (2005): The financialization of the American economy. In: SocioEconomic Review 3 (2), S. 173-208. Laaribya, Saïd (2006): Il faut sauver la forêt de la Maâmora (Maroc). In: forêt méditerranéenne (1), S. 65-72. Laaribya, Saïd; Gmira, Najib; Alaoui, Assmaa; Faiçal Benchekroune (2011): Aménagement récréatif et paysager de la forêt de la Maamora, Cas du site de Taicha Province de Kenitra-Maroc. In: Kastamonu University, Journal of Forestry Faculty 11 (1), S. 85-101. Labban, Mazen (2014): Deterritorializing Extraction: Bioaccumulation and the Planetary Mine. In: Annals of the Association of American Geographers 104 (3), S. 560576. Labban, Mazen (2010): Oil in parallax: Scarcity, markets, and the financialization of accumulation. In: Geoforum 41 (4), S. 541-552. Lafi, Nora; Freitag, Ulrike (2006): Cities Compared: Cosmopolitanism in the Mediterranean and Adjacent Regions. Wissenschaftskolleg Berlin. Online verfügbar unter https://halshs.archives-ouvertes.fr/halshs-00139290v2. Lahssini, Said; El Aidouni, Mohammed; Moukrim, Saïd; Naggar, Mustapha.; Sbay, Hassan; Sabir, Mohamed; Al Karkouri, Jamal (2016): Mécanisme de compensa-
Literaturverzeichnis
tion pour mise en défens: analyse, durabilité et impacts. Cas de la Mâamora (Maroc). In: Christine Farcy und Nicole Huybens (Hg.): Forêts, savoirs et motivations. Paris: L’Harmattan, S. 303-319. Lahssini, Said; Vanuxem, Sarah (2016): Les Paiements pour Services Écologiques ou la reconquête de la Mâamora par ses habitants? Enquête sur une forêt emblématique du littoral méditerranéen marocain. In: Développement durable et territoires. Économie, géographie, politique, droit, sociologie 7 (1). S. 1-15. Online verfügbar unter http://journals.openedition.org/developpementdurable/pdf/11165. Lal, Rattan (2019): Promoting ›4 Per Thousand‹ and ›Adapting African Agriculture‹ by south-south cooperation. Conservation agriculture and sustainable intensification. In: Soil and Tillage Research 188, S. 27-34. Lang, Chris (2010): The Cancun agreement on REDD: Four questions and four answers. REDD-Monitor. 18.12.2010. Online verfügbar unter https://redd-mo nitor.org/2010/12/18/the-cancun-agreement-on-redd-four-questions-and-fou r-answers/#2, zuletzt geprüft am 25.02.2021. Lang, Chris (2015): I’m a GNU. How do you do? A REDD animal appears in Paris with a promise of US$5 billion. REDD-Monitor. 2.12.2015. Online verfügbar unter https://redd-monitor.org/2015/12/02/im-a-gnu-how-do-you-do-a-reddanimal-appears-in-paris-with-a-promise-of-us5-billion/, zuletzt geprüft am 28.03.2020. Langley, Paul (2010): The Everyday Life of Global Finance: Saving and Borrowing in Anglo-America. Oxford: Oxford University Press. Lansing, David M. (2009): The Spaces of Carbon: Calculation, Technology, and Discourse in the Production of Carbon Forestry Offsets in Costa Rica. Dissertation. Ohio State University. Lansing, David M. (2010): Carbon’s Calculatory Spaces: The Emergence of Carbon Offsets in Costa Rica. In: Environment and Planning D 28 (4), S. 710-725. Lansing, David M. (2011): Realizing Carbon’s Value: Discourse and Calculation in the Production of Carbon Forestry Offsets in Costa Rica. In: Antipode 43 (3), S. 731-753. Lansing, David M. (2012): Performing carbon’s materiality: the production of carbon offsets and the framing of exchange. In: Environment and Planning A 44 (1), S. 204-220. Lansing, David M. (2015): Carbon Forestry and Sociospatial Difference: An Examination of Two Carbon Offset Projects Among Indigenous Smallholders in Costa Rica. In: Society and Natural Resources 28 (6), S. 593-608. Lansing, David M.; Grove, Kevin; Jennifer, Rice (2015): The Neutral State: A Genealogy of Ecosystem Service Payments in Costa Rica. In: Conservation and Society 13 (2), S. 200-211. Lapavitsas, Costas (2013): The financialization of capitalism. ›Profiting without producing‹. In: City 17 (6), S. 792-805.
323
324
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Larner, Wendy (2000): Neo-liberalism: Policy, Ideology, Governmentality. In: Studies in Political Economy 63, S. 5-25. Latour, Bruno (1987): Science in Action: How to Follow Scientists and Engineers Through Society. Cambridge, MA: Harvard University Press. Latour, Bruno (1988): The Pasteurization of France. Cambridge, MA: Harvard University Press. Latour, Bruno (1996): Aramis, or the Love of Technology. Cambridge, MA: Harvard University Press. Latour, Bruno (2001): Das Parlament der Dinge. Für eine politische Ökologie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Latour, Bruno (2006): Über den Rückruf der ANT. In: Andréa Belliger (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript, S. 561-572. Latour, Bruno (2017a): Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. Unter Mitarbeit von Gustav Roßler. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Latour, Bruno (2017b): Kampf um Gaia. Acht Vorträge über das neue Klimaregime. Unter Mitarbeit von Achim Russer und Bernd Schwibs. Berlin: Suhrkamp. Laurier, Eric; Philo, Chris (1999): X-Morphising: Review Essay of Bruno Latour’s Aramis, or the Love of Technology. In: Environment and Planning A 31 (6), S. 10471071. Law, John (Hg.) (1991): A Sociology Of Monsters: Essays On Power, Technology And Domination. London, New York: Routledge. Law, John (2007): After Method. Mess in Social Science Research. London: Routledge. Law, John (2008): Actor Network Theory and Material Semiotics. In: Bryan S. Turner (Hg.): The New Blackwell Companion to Social Theory. Oxford: Wiley-Blackwell, S. 141-158. Law, John; Hassard, John (Hg.) (1999): Actor network theory and after. Oxford: Blackwell. Le Billon, Philippe (2008): Diamond Wars? Conflict Diamonds and Geographies of Resource Wars. In: Annals of the Association of American Geographers 98 (2), S. 345372. Leach, Melissa; Mearns, Robin (1996): The Lie of the Land: Challenging received wisdom on the African environment. Oxford: James Currey. Leach, Melissa; Scoones, Ian (2013): Carbon forestry in West Africa. The politics of models, measures and verification processes. In: Global Environmental Change 23 (5), S. 957-967. Leach, Melissa; Scoones, Ian (2015): Political Ecologies of Carbon in Africa. In: Melissa Leach und Ian Scoones (Hg.): Carbon Conflicts and Forest Landscapes in Africa. London: Routledge, S. 1-42.
Literaturverzeichnis
Legg, Stephen (2007): Spaces of Colonialism. Oxford, UK: Blackwell. Legg, Stephen (2019): Subjects of truth. Resisting governmentality in Foucault’s 1980s. In: Environment and Planning D 37 (1), S. 27-45. Leitner, Helga; Miller, Byron (2007): Scale and the limitations of ontological debate: a commentary on Marston, Jones and Woodward. In: Transactions of the Institute of British Geographers 32 (1), S. 116-125. Lejeusne, Christophe; Chevaldonné, Pierre; Pergent-Martini, Christine; Boudouresque, Charles F.; Pérez, Thierry (2010): Climate change effects on a miniature ocean. The highly diverse, highly impacted Mediterranean Sea. In: Trends in Ecology & Evolution 25 (4), S. 250-260. Lelieveld, Johannes; Proestos, Yiannis; Hadjinicolaou, Panos; Tanarhte, Meryem; Tyrlis, Evangelos; Zittis, George (2016): Strongly increasing heat extremes in the Middle East and North Africa (MENA) in the 21st century. In: Climatic Change 137 (1-2), S. 245-260. Lemke, Thomas (1997): Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität. Hamburg: Argument-Verlag. Lemke, Thomas (2000): Neoliberalismus, Staat und Selbsttechnologien. Ein kritischer Überblick über die governmentality studies. In: Politische Vierteljahresschrift 41 (1), S. 31-47. Lemke, Thomas (2001): Gouvernementalität. In: Marcus S. Kleiner (Hg.): Michel Foucault. Eine Einführung in sein Denken. Frankfurt a.M.: Campus, S. 108122. Lemke, Thomas (2002): Foucault, Governmentality, and Critique. In: Rethinking Marxism 14 (3), S. 49-64. Lemke, Thomas (2008): Eine Analytik der Biopolitik. Überlegungen zu Geschichte und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs. In: Behemoth 1 (1), S. 72-89. Lemke, Thomas (2014): »Die Regierung der Dinge«. Politik, Diskurs und Materialität. In: Zeitschrift für Diskursforschung 2 (3), S. 250-267. Lemke, Thomas (2015): Varieties of materialism. In: BioSocieties 10 (4), S. 490-495. Lemke, Thomas (2017): Gouvernementalität. In: Clemens Kammler, Rolf Parr, Ulrich Johannes Schneider und Elke Reinhardt-Becker (Hg.): Foucault-Handbuch. Leben – Werk − Wirkung. Sonderausgabe. Stuttgart: J.B. Metzler, S. 260-263. Lemke, Thomas (2018): An Alternative Model of Politics? Prospects and Problems of Jane Bennett’s Vital Materialism. In: Theory, Culture & Society 35 (6), S. 31-54. Lemke, Thomas (2019): Von Sandkörnern und Stolpersteinen. Ein bescheidener Vorschlag zur Zukunft der Science and Technology Studies. In: Laboratory: Anthropology of Environment | Human Relations (Hg.): After Practice. Thinking through Matter(s) and Meaning Relationally. Band 1. Berlin: Panama Verlag, S. 116-124. Li, Tania (2007): The Will to Improve: Governmentality, Development, and the Practice of Politics. Durham: Duke University Press.
325
326
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Li, Tania Murray (2014): What is land? Assembling a resource for global investment. In: Transactions of the Institute of British Geographers 39 (4), S. 589-602. Limbert, Mandana E. (2001): The Senses of Water in an Omani Town. In: Social Text 19 (3), S. 35-55. Lipietz, Alain (1985): The Enchanted World: Inflation, Credit and the World Crisis. London: Verso. Lipietz, Alain (1987): Mirages and Miracles: The Crises of Global Fordism. London: Verso. Little, Paul Elliott (2007): Political ecology as ethnography: a theoretical and methodological guide. In: Horizontes Antropológicos (3). Online verfügbar unter http://socialsciences.scielo.org/scielo.php?pid=S0104-7183200700010001 2&script=sci_arttext, zuletzt geprüft am 22.02.2022. Liverman, Diana (2009): Conventions of climate change: constructions of danger and the dispossession of the atmosphere. In: Journal of Historical Geography 35, S. 279-296. Loftus, Alex; March, Hug (2015): Financialising nature? In: Geoforum 60, S. 172-175. Lohmann, Larry (2006): Carbon Trading: a critical conversation on climate change, privatisation and power. Dag Hammarskjöld Centre, in Kooperation mit The Corner House. Uppsala, Schweden (development dialogue, 48). Lohmann, Larry (2011): The Endless Algebra of Climate Markets. In: Capitalism Nature Socialism 22 (4), S. 93-116. Lohmann, Larry (2014): Performative Equations and Neoliberal Commodification: The Case of Climate. In: Bram Büscher, Wolfram Heinz Dressler und Robert Fletcher (Hg.): Nature Inc. Environmental conservation in the neoliberal age. Tucson: University of Arizona Press, S. 158-180. Lomolino, Mark V. (2010): Biogeography. Sunderland, MA: Sinauer. Lorey, Isabell (2011): Figuren des Immunen. Elemente einer politischen Theorie. Zürich: Diaphanes. Lorey, Isabell (2012): Die Regierung der Prekären. Wien: Turia + Kant. Lorimer, Jamie (2010): Elephants as companion species. The lively biogeographies of Asian elephant conservation in Sri Lanka. In: Transactions of the Institute of British Geographers 35 (4), S. 491-506. Lovell, Heather; Bulkeley, Harriet; Liverman, Diana (2009): Carbon offsetting: sustaining consumption? In: Environment and Planning A 41 (10), S. 2357-2379. Luisetti, Federico (2017): Decolonizing Gaia. Or, Why the Savages Shall Fear Bruno Latour’s Political Animism. In: Azimuth 5 (9), S. 61-70. Luke, Timothy W. (1995): On Environmentality. Geo-Power and Eco-Knowledge in the Discourses of Contemporary Environmentalism. In: Cultural Critique (31), S. 57-81. MacKenzie, Donald (2007): Is Economics Performative? Option Theory and the Construction of Derivatives Markets. In: Donald A. MacKenzie, Fabian Muniesa und
Literaturverzeichnis
Lucia Siu (Hg.): Do Economists Make Markets? On the Performativity of Economics. Princeton: Princeton University Press, S. 54-86. MacKenzie, Donald (2009): Making things the same: Gases, emission rights and the politics of carbon markets. In: Accounting, Organizations and Society 34 (3-4), S. 440-455. MacKenzie, Donald A. (2008): An Engine, not a Camera. How Financial Models Shape Markets. Cambridge, MA, London: MIT Press. MacKenzie, Donald A.; Muniesa, Fabian; Siu, Lucia (Hg.) (2007): Do Economists Make Markets? On the Performativity of Economics. Princeton: Princeton University Press. Madra, Yahya M.; Adaman, Fikret (2014): Neoliberal Reason and Its Forms: DePoliticisation Through Economisation. In: Antipode 46 (3), S. 691-716. Mahdi, Mohamed (2014): Devenir du foncier agricole au Maroc. Un cas d’accaparement des terres. In: New Medit 13 (4), S. 2-10. Mahony, Martin; Hulme, Mike (2012): Model migrations. Mobility and boundary crossings in regional climate prediction. In: Transactions of the Institute of British Geographers 37 (2), S. 197-211. Malon, Claude (2006): Le Havre colonial de 1880 à 1960. Mont-Saint-Aignan: Publications des Univ. de Rouen et du Havre. Online verfügbar unter: http://books. openedition.org/purh/7177. Mansfield, Becky (2004): Neoliberalism in the oceans: »rationalization,« property rights, and the commons question. In: Geoforum 35 (3), S. 313-326. Mansfield, Becky (2007a): Articulation between Neoliberal and State-Oriented Environmental Regulation. Fisheries Privatization and Endangered Species Protection. In: Environment and Planning A 39 (8), S. 1926-1942. Mansfield, Becky (2007b): Property, Markets, and Dispossession. The Western Alaska Community Development Quota as Neoliberalism, Social Justice, Both, and Neither. In: Antipode 39 (3), S. 479-499. Mansfield, Becky (Hg.) (2008): Privatization: Property and the Remaking of NatureSociety Relations. Malden, MA: Blackwell. Marcus, George E. (1995): Ethnography in/of the World System: The Emergence of Multi-Sited Ethnography. In: Annual Review of Anthropology 24, S. 95-117. Marston, S. A. (2000): The social construction of scale. In: Progress in Human Geography 24 (2), S. 219-242. Marston, Sallie A.; Jones, John Paul; Woodward, Keith (2005): Human geography without scale. In: Transactions of the Institute of British Geographers 30 (4), S. 416432. Marx, Karl (2013): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band: Der Produktionsprozess des Kapitals. 17. Aufl. Berlin: Dietz Verlag (Karl Marx, Friedrich Engels Werke, Bd. 23).
327
328
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Mason, Arthur (2007): The Rise of Consultant Forecasting in Liberalized Natural Gas Markets. In: Public Culture 19 (2), S. 367-380. Massey, Doreen (1994): Space, Place, and Gender. Minneapolis: University of Minneapolis Press. Massey, Doreen B. (2005): For space. London, Thousand Oaks: Sage. Mattes, Hanspeter (2016): Die regionalen Ambitionen Marokkos in Westafrika: Strategie ‒ Aktivitäten ‒ Erfolgsbilanz. Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien. Hamburg (GIGA Working Papers, 284). Mattissek, Annika (2008): Die neoliberale Stadt. Diskursive Repräsentationen im Stadtmarketing deutscher Großstädte. Bielefeld: transcript. Mattissek, Annika (2014): Waldpolitik in Thailand zwischen globaler Klimapolitik und lokaler Spezifik. Überlegungen zu einer konstruktivistischen Regionalforschung. In: Geographische Zeitschrift 102, S. 41-59. Mattissek, Annika; Pfaffenbach, Carmella; Reuber, Paul (2013): Methoden der empirischen Humangeographie. Braunschweig: Westermann. Matvejević, Predrag; Heim, Michael Henry (1999): Mediterranean. A Cultural Landscape. Berkeley: Univ. of California Press. May, Jon; Thrift, Nigel (2003): Timespace. Geographies of Temporality. London: Routledge. McAfee, Kathleen (1999): Selling Nature to Save It? Biodiversity and Green Developmentalism. In: Environment and Planning D 17 (2), S. 133-154. McCann, Eugene J. (2008): Livable City/Unequal City. The Politics of Policy-Making in a »Creative« Boomtown. In: Revue Interventions économiques 37. Online verfügbar unter: https://journals.openedition.org/interventionseconomiques/489. McCarthy, James; Prudham, Scott (2004): Neoliberal nature and the nature of neoliberalism. In: Geoforum 35 (3), S. 275-283. McFarlane, Colin (2011): Assemblage and critical urbanism. In: City 15 (2), S. 204224. Meadows, Dennis L. (1972): Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart: DVA. Médail, Frédéric; Myers, N. (2004): Méditerranean Basin. In: Russell A. Mittermeier; Patricio Robles Gil; Michael Hoffman; John Pilgrim; Thomas Brooks; Cristina Goettsch Mittermeier; John Lamoreux Gustavo; A. B. da Fonseca (Hg.): Hotspots revisited. Earth’s biologically richest and most endangered terrestrial ecoregions. Mexico City: CEMEX, S. 144-147. MedECC (2020): Climate and Environmental Change in the Mediterranean Basin – Current Situation and Risks for the Future. First Mediterranean Assessment Report Union for the Mediterranean, Plan Bleu, UNEP/MAP. Hg. v. Wolfgang Cramer; Joël Guiot; Katarzyna Marini. UfM, Plan Bleu, UNEP/MAP. Marseille. Online verfügbar unter: https://www.medecc.org/first-mediterranean-assess ment-report-mar1/
Literaturverzeichnis
Mehta, Lyla; Huff, Amber; Allouche, Jeremy (2018): The new politics and geographies of scarcity. In: Geoforum 101, S. 222-230. Merchant, Carolyn (1994): Der Tod der Natur. Ökologie, Frauen und neuzeitliche Naturwissenschaft. München: Beck. Merlo, Maurizio; Croitoru, Lelia (2005): Valuing Mediterranean forests. Towards Total Economic Value. Wallingford, UK, Cambridge, MA: CABI. Mhirit, Omar.; Blérot, Philippe (1999): Le grand livre de la forêt marocaine. Unter Mitarbeit von Mohamed Benzyane, Zaki Ahlafi, Marie-Anne Blerot und Astrid Revelart. Sprimont: Mardaga. Michaelowa, Axel; Shishlov, Igor; Hoch, Stephan; Bofill, Patricio; Espelage, Aglaja (2019): Overview and comparison of existing carbon crediting schemes. Perspectives Climate Goup, Nordic Initiative for Cooperative Approaches (NICA). Freiburg. Online verfügbar unter https://www.nefco.org/wp-content/upload s/2019/05/NICA-Crediting-Mechanisms-Final-February-2019.pdf, zuletzt geprüft am 24.02.2022. Michel, Boris (2005): Stadt und Gouvernementalität. Münster: Westfälisches Dampfboot. Mikesell, Marvin W. (1969): The Deforestation of Mount Lebanon. In: Geographical Review 59 (1), S. 1-28. Mikhail, Alan (Hg.)(2012): Water on Sand: Environmental Histories of the Middle East and North Africa. New York: Oxford University Press Millenium Ecosystem Assessment (2005): Ecosystems and Human Wellbeing. A Synthesis for Policy Makers. Unter Mitarbeit von Walter V. Reid, Harold A. Mooney, Angela Cropper, Doris Capistrano, Stephen R. Carpenter, Kanchan Chopra et al. World Resources Institute. Washington D.C. Ministre délégué auprès du ministre de l’agriculture, du développement rural et des eaux et forêts, chargé des eaux et forêts (2002): Arrêté n° 1855-01 du 6 moharrem 1423 (21 mars 2002) fixant les limites, conditions et modalités de demande et d’octroi de la compensation pour mises en défens du domaine forestier à exploiter ou à régénérer. Online verfügbar unter https://adala.justice.gov.ma/ production/html/Fr/117874.htm, zuletzt geprüft am 25.02.2021. Mirowski, Philip; Plehwe, Dieter (Hg.) (2009): The Road From Mont Pèlerin. The Making of the Neoliberal Thought Collective. Cambridge, MA: Harvard University Press. Mitchell, Timothy (1996): Dreamland: The Neoliberalism of Your Desires. In: Middle East Report 29 (210). Online verfügbar unter www.merip.org/mer/mer210/dreamland-neoliberalism-your-desires. Mitchell, Timothy (2002): Rule of Experts: Egypt, Techno-politics, Modernity. Berkeley, Los Angeles: University of California Press. Mitchell, Timothy (2003): Colonising Egypt. Berkeley: University of California Press.
329
330
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Mitchell, Timothy (2007): The Properties of Markets. In: Donald A. MacKenzie, Fabian Muniesa und Lucia Siu (Hg.): Do Economists Make Markets? On the Performativity of Economics. Princeton: Princeton University Press, S. 244-275. Mitchell, Timothy (2011): Carbon Democracy. Political Power in the Age of Oil. London, New York: Verso. Miyazaki, Hirokazu (2003): The Temporalities of the Market. In: American Anthropologist 105 (2), S. 255-265. Mol, Annemarie (2002): The Body Multiple. Ontology in Medical Practice. Durham, London: Duke University Press. Moore, Adam (2008): Rethinking scale as a geographical category. From analysis to practice. In: Progress in Human Geography 32 (2), S. 203-225. Moreno, Camila; Speich Chassé, Daniel; Fuhr, Lili (2016): CO2 als Maß aller Dinge. Die unheimliche Macht von Zahlen in der globalen Umweltpolitik. Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung (Schriften zur Ökologie, Band 42). Moukrim, Said; Lahssini, Said; Naggar, Mustapha; Lahlaoi, Hicham; Rifai, Nabil; Labbaci, Adnane; Moustapha Arahou et Laïla Rhazi (2019): Compensation pour mises en défens forestières et réhabilitation des écosystèmes par l’implication de la population. In: Alternatives Rurales (7), S. 1-16. Moustakbal, Jawad (2017): Despotism, neoliberalism and climate change: Morocco’s catastrophic convergence. In: Middle East Eye, 31.07.2017. Online verfügbar unter https://www.middleeasteye.net/big-story/despotism-neoliberalismand-climate-change-moroccos-catastrophic-convergence, zuletzt geprüft am 25.02.2021. Murdoch, Jonathan (1995): Actor-networks and the evolution of economic forms: combining description and explanation in theories of regulation, flexible specialization, and networks. In: Environmet and Planning A 27 (5), S. 731-757. Murdoch, Jonathan (1997): Inhuman/nonhuman/human: actor-network theory and the prospects for a nondualistic and symmetrical perspective on nature and society. In: Environment and Planning D 15 (6), S. 731-756. Myers, Norman; Mittermeier, Russell A.; Mittermeier, Christina G.; da Fonseca, Gustavo A.; Kent, Jennifer (2000): Biodiversity hotspots for conservation priorities. In: Nature 403 (6772), S. 853-858. Nair, P. K. Ramachandran.; Rao, M. R.; Buck, L. E. (2004): New Vistas in Agroforestry. A Compendium for 1st World Congress of Agroforestry, 2004. Dordrecht: Springer Netherlands. Najem, Tom P. (2010): Privatization and the State in Morocco. Nominal Objectives and Problematic Realities. In: Mediterranean Politics 6 (2), S. 51-67. Nalepa, Rachel A.; Bauer, Dana Marie (2012): Marginal lands. The role of remote sensing in constructing landscapes for agrofuel development. In: Journal of Peasant Studies 39 (2), S. 403-422.
Literaturverzeichnis
NASA (2020): Landsat Science. History. Online verfügbar unter https://landsat.gsf c.nasa.gov/about/history, zuletzt geprüft am 25.02.2021. Nast, Heidi J. (2006): Loving…Whatever: Alienation, Neoliberalism and Pet-Love in the Twenty-First Century. In: ACME, An International Journal for Critical Geographies 5 (2), S. 300-327. Online verfügbar unter https://acme-journal.org/index. php/acme/article/view/761. Nel, Adrian; Hill, Douglas (2014): Beyond »Win–Win« Narratives: The Varieties of Eastern and Southern African Carbon Forestry and Scope for Critique. In: Capitalism Nature Socialism, S. 1-17. Neumann, R. P. (2009): Political ecology: theorizing scale. In: Progress in Human Geography 33 (3), S. 398-406. O’Connor, James (1988): Capitalism, Nature, Socialism: A Theoretical Introduction. In: Capitalism Nature Socialism 1 (1), S. 11-38. Oels, Angela (2005): Rendering climate change governable. From biopower to advanced liberal government? In: Journal of Environmental Policy & Planning 7 (3), S. 185-207. Oels, Angela (2010): Die Gouvernementalität der internationalen Klimapolitik: Biomacht oder fortgeschrittenes Regieren? In: Martin Voss (Hg.): Der Klimawandel. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 171-186. O’Malley, Pat; Weir, Lorna; Shearing, Clifford (2006): Governmentality, criticism, politics. In: Economy and Society 26 (4), S. 501-517. Ong, Aihwa (2006): Neoliberalism as Exception. Mutations in Citizenship and Sovereignty. Durham: Duke University Press. Ong, Aihwa (2007): Neoliberalism as a mobile technology. In: Transactions of the Institute of British Geographers 32 (1), S. 3-8. Ong, Aihwa; Collier, Stephen J. (Hg.) (2005): Global Assemblages: Technology, Politics, and Ethics as Anthropological Problems. Malden, MA: Blackwell. Opitz, Sven (2004): Gouvernementalität im Postfordismus. Macht, Wissen und Techniken des Selbst im Feld unternehmerischer Rationalität. Hamburg: Argument-Verlag. Osborne, Tracey; Shapiro-Garza, Elizabeth (2017): Embedding Carbon Markets. Complicating Commodification of Ecosystem Services in Mexico’s Forests. In: Annals of the American Association of Geographers 108 (1), S. 88-105. Ott, Klaus (2013): Umsatzsteuertricks. Die EU – eine Goldgrube für Betrüger. In: Süddeutsche Zeitung, 25.07.2013. Online verfügbar unter https://www.sueddeut sche.de/wirtschaft/umsatzsteuertricksereien-die-eu-eine-goldgrube-fuer-bet rueger-1.1730226, zuletzt geprüft am 08.01.2021. Ouma, S. (2012): Markets in the Making. Zur Ethnographie alltäglicher Marktkonstruktionen in organisationalen Settings. In: Geographica Helvetica 67 (4), S. 203211.
331
332
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Ouma, Stefan (2015): Assembling Export Markets. The Making and Unmaking of Global Food Connections in West Africa. Chichester, UK: Wiley-Blackwell. Ouma, Stefan; Johnson, Leigh; Bigger, Patrick (2018): Rethinking the financialization of ›nature‹. In: Environment and Planning A 50 (3), S. 500-511. Oxfam (2015): Extreme Carbon Inequality. Why the Paris climate deal must put the poorest, lowest emitting and most vulnerable people first. 2. Dezember 2015. Den Haag und Nairobi (Oxfam Media Briefing). Paladino, Stephanie; Fiske, Shirley J. (Hg.) (2016): The Carbon Fix. Forst Carbon, Social Justice and Environmenal Governance. Abingdon, New York: Routledge. Peck, Jamie; Brenner, Neil; Theodore, Nik (2018): Actually existing neoliberalism. In: David Primrose, Martijn Konings, Melinda Cooper und Damien Cahill (Hg.): The SAGE Handbook of Neoliberalism. London u.a.: Sage Publications, S. 3-15. Peck, Jamie; Theodore, Nik (2007): Variegated capitalism. In: Progress in Human Geography 31 (6), S. 731-772. Peck, Jamie; Theodore, Nik; Brenner, Neil (2012): Neoliberalism Resurgent? Market Rule after the Great Recession. In: South Atlantic Quarterly 111 (2), S. 265-288. Peck, Jamie (2001): Neoliberalizing states. Thin policies/hard outcomes. In: Progress in Human Geography 25 (3), S. 445-455. Peck, Jamie (2005): Struggling with the Creative Class. In: International Journal of Urban and Regional Research 29 (4), S. 740-770. Peck, Jamie (2008): Remaking laissez-faire. In: Progress in Human Geography 32 (1), S. 3-43. Peck, Jamie (2013): Explaining (with) Neoliberalism. In: Territory, Politics, Governance 1 (2), S. 132-157. Peck, Jamie; Theodore, Nik (2012): Follow the Policy. A Distended Case Approach. In: Environment and Planning A 44 (1), S. 21-30. Peck, Jamie; Tickell, Adam (2002): Neoliberalizing Space. In: Antipode 34 (3), S. 380404. Peet, Richard (2002): Ideology, Discourse, and the Geography of Hegemony. From Socialist to Neoliberal Development in Postapartheid South Africa. In: Antipode 34 (1), S. 54-84. Peet, Richard; Robbins, Paul; Watts, Michael (2011a): Global nature. In: Richard Peet, Paul Robbins und Michael Watts (Hg.): Global Political Ecology. London, New York: Routledge. Peet, Richard; Robbins, Paul; Watts, Michael (Hg.) (2011b): Global Political Ecology. London, New York: Routledge. Peluso, Nancy Lee; Lund, Christian (2011): New frontiers of land control. Introduction. In: Journal of Peasant Studies 38 (4), S. 667-681. Peluso, Nancy Lee; Vandergeest, Peter (2001): Genealogies of the Political Forest and Customary Rights in Indonesia, Malaysia, and Thailand. In: Journal of Asian Studies 60 (3), S. 761-812.
Literaturverzeichnis
Petzold, Tino (2018): Austerity forever?! Die Normalisierung der Austerität in der BRD. Münster: Westfälisches Dampfboot. Philo, Chris (2012): A ›new Foucault‹ with lively implications – or ›the crawfish advances sideways‹. In: Transactions of the Institute of British Geographers 37 (4), S. 496-514. Pieper, Marianne; Atzert, Thomas, Karakayali, Serhat; Tsianos, Vassilis (Hg.) (2004): Empire und die biopolitische Wende: Die internationale Diskussion im Anschluss an Hardt und Negri. Frankfurt a.M.: Campus. Piketty, Thomas (2014): Capital in the Twenty-First Century. Übersetzt von Arthur Goldhammer. Cambridge, MA: Harvard University Press. Pinson, Gilles; Morel Journel, Christelle (2015): The Neoliberal City – Theory, Evidence, Debates. In: Territory, Politics, Governance 4 (2), S. 137-153. Pinto-Correia, Teresa; de Almeida Ribeiro, Nuno Manuel Cabral; Sá-Sousa, Paulo (2011): Introducing the montado, the cork and holm oak agroforestry system of Southern Portugal. In: Agroforest Syst 82 (2), S. 99-104. Pitt-Rivers, Julian (Hg.) (1963): Mediterranean countrymen: essays in the social anthropology of the Mediterranean. Paris: Mouton. Plehwe, Dieter; et al. (2007): Neoliberal Hegemony. A Global Critique. London: Routledge. Poffenberger, Mark (2016): Empowering Forest Dependent Communities. The Role of REDD+ and PES Projects. In: Stephanie Paladino und Shirley J. Fiske (Hg.): The Carbon Fix. Forest Carbon, Social Justice, and Environmenal Governance. Abingdon, New York: Routledge, S. 273-285. Polanyi, Karl (2010 [1944]): The Great Transformation. The Political and Economic Origins of Our Time. Boston, MA: Beacon Press. Polanyi-Levitt, Kari; Mendell, Marguerite (1987): Karl Polanyi. His Life and Times. In: Studies in Political Economy 22 (1), S. 7-39. Porter, Libby (2016): Producing Forests. In: Journal of Planning Education and Research 26 (4), S. 466-477. Prakash, Gyan (1999): Another Reason. Science and the Imagination of Modern India. Princeton, NJ: Princeton University Press. Preda, Alex; Knorr-Cetina, Karin (Hg.) (2005): The Sociology of Financial Markets. Oxford, New York: Oxford University Press. Primrose, David; Konings, Martijn; Cooper, Melinda; Cahill, Damien (Hg.) (2018): The SAGE Handbook of Neoliberalism. London u.a.: Sage Publications. Puyo, Jean-Yves (2004): Les conséquences de la Première Guerre mondiale pour les forêts et les forestiers français. In: Revue Forestière Française (6), S. 573-584. Puyo, Jean-Yves (2007): Lyautey et la politique forestière du Protectorat marocain. Des influences leplaysiennes »tardives«? In: Antoine Savoye und Fabien Cardoni (Hg.): Frédéric Le Play: Parcours, audience, héritage. Paris: Presses des Mines,
333
334
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
S. 239-262. Online verfügbar unter https://books.openedition.org/pressesmine s/451. Puyo, Jean-Yves (2014): Les suberaies marocaines sous le protectorat français au Maroc (1912-1956). In: forêt mediterranéenne 35 (1), S. 67-80. Pyyhtinen, Olli; Tamminen, Sakari (2011): We have never been only human. Foucault and Latour on the question of the anthropos. In: Anthropological Theory 11 (2), S. 135-152. Quézel, Pierre; Médail, Frédéric (2003): Que faut-il entendre par »forêts méditerranéennes«? In: forêt mediterranée 24 (1), S. 11-31. Rachidi, Ilhem (2015): Inside the movement: what is left of Morocco’s February 20? In: Middle East Eye, 26.02.2015. Online verfügbar unter https://www.middleeas teye.net/news/inside-movement-what-left-moroccos-february-20, zuletzt geprüft am 25.2.2021. Rachik, Abderrahmane (1995): Ville et pouvoirs au Maroc. Casablanca: Afrique orient. Raffestin, Claude (1986): Territorialité: concept ou paradigme de la géographie sociale? In: Geographica Helvetica (2), S. 91-96. Raffestin, Claude (2007): Could Foucault have Revolutionalized Geography? Übersetzt von Gerald Moore. In: Jeremy W. Crampton und Stuart Elden (Hg.): Space, Knowledge and Power. Foucault and Geography. London, New York: Routledge, S. 129-137. Rancière, Jacques (2004): Introducing disagreement. In: Angelaki 9 (3), S. 3-9. Rankin, Katharine N. (2001): Governing development. Neoliberalism, microcredit, and rational economic woman. In: Economy and Society 30 (1), S. 18-37. Reckwitz, Andreas (2013): Die Erfindung der Kreativität. In: Kulturpolitische Mitteilungen 141 (2), S. 22-34. Rhani, Zakaria; Boutaleb, Assia; Ferrié, Jean-Noël; Dupret, Baudouin (2015): Introduction. In: Baudouin Dupret, Zakaria Rhani, Assia Boutaleb und Jean-Noël Ferrié (Hg.): Le Maroc au présent. Centre Jacques-Berque, S. 13-27. Online verfügbar unter https://books.openedition.org/cjb/995. Rignall, Karen Eugenie (2015): Solar power, state power, and the politics of energy transition in pre-Saharan Morocco. In: Environment and Planning A 48 (3), S. 540557. Robbins, Paul (2007): Lawn People: How Grasses, Weeds, and Chemicals Make Us Who We Are. Philadelphia: Temple University Press. Robbins, Paul (2011): Political Ecology: A Critical Introduction. Malden, MA: WileyBlackwell. Robertson, Morgan M. (2004): The neoliberalization of ecosystem services: wetland mitigation banking and problems in environmental governance. In: Geoforum 35 (3), S. 361-373.
Literaturverzeichnis
Robertson, Morgan M. (2016): The Nature That Capital Can See. Science, State, and Market in the Commodification of Ecosystem Services. In: Environnement and Planning D 24 (3), S. 367-387. Rocheleau, Dianne E. (2011): Rooted networks, webs of relation, and the power of situated science. bringing the models back down to earth in zambrana. In: Mara J. Goldman, Paul Nadasdy und Matthew D. Turner (Hg.): Knowing Nature: Conversations at the Intersection of Political Ecology and Science Studies. Chicago, London: University of Chicago Press, S. 209-226. Rocheleau, Dianne E.; Thomas-Slayter, Barbara P.; Wangari, Esther (1996): Feminist Political Ecology. Global Issues and Local Experience. London, New York: Routledge. Rose, Nikolas (1999): Powers of Freedom. Reframing Political Thought. Cambridge: Cambridge University Press. Rose, Nikolas; Miller, Peter (2010): Political power beyond the State: problematics of government [Nachdruck des Artikels von 1992]. In: The British Journal of Sociology 61 (1), S. 271-303. Rose, Nikolas; O’Malley, Pat; Valverde, Mariana (2009): Governmentality. The University of Sydney. Sydney Law School. Sydney. Royaume du Maroc (2011): La Constitution. Edition 2011. Online verfügbar unter www.sgg.gov.ma/Portals/0/constitution/constitution_2011_Fr.pdf, zuletzt geprüft am 25.02.2021. Rutherford, Paul; Rutherford, Stephanie (2013): The Confusions and Exuberances of Biopolitics. In: Geography Compass 7 (6), S. 412-422. Rutherford, Stephanie (2007): Green governmentality. Insights and opportunities in the study of nature’s rule. In: Progress in Human Geography 31 (3), S. 291-307. Rutherford, Stephanie (2017): Environmentality and Green Governmentality. In: International Encyclopedia of Geography. People, the Earth, Environment, and Technology. Hoboken: Wiley, S. 1-5. SalvaTerra (2015): Team. Online verfügbar unter www.salvaterra.fr/en/team#, zuletzt geprüft am 25.02.2021. SalvaTerra (2020a). Online verfügbar unter www.salvaterra.fr/en/, zuletzt geprüft am 25.02.2021. SalvaTerra (2020b): References. Online verfügbar unter www.salvaterra.fr/en/references, zuletzt geprüft am 28.03.2020. Salzmann, James; Ruhl, J. B.; Nash, Jonathan Remy (2015): Environmental Law in Austerity. In: Pace Environmental Law Review 32 (481-491). Satgar, Vishwas (Hg.) (2018): The Climate Crisis. South African and Global Democratic Eco-Socialist Alternatives. Johannesburg: Wits University Press. Scarascia-Mugnozza, Giseppe; Oswald, Helfried; Piussi, Pietro; Radoglou, Kalliopi (2000): Forests of the Mediterranean region: gaps in knowledge and research needs. In: Forest Ecology and Management 132 (1), S. 97-109.
335
336
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Schachtschneider, Ulrich (2005): Nachhaltigkeit als geänderte Moderne? Spielräume nicht-technischer Strategien nachhaltiger Entwicklung. Frankfurt a.M.: Lang. Scheba, Andreas (2014): Commodifying forest carbon: How local power, politics and livelihood practices shape REDD+ in Lindi Region, Tanzania. Dissertation. University of Manchester, Manchester. School of Environment, Education and Development. Online verfügbar unter https://www.escholar.manchester.ac.uk/u k-ac-man-scw:234415, zuletzt geprüft am 24.02.2022 Scheba, Andreas; Scheba, Suraya (2017): REDD+ as ›inclusive‹ neoliberal conservation. The case of Lindi, Tanzania. In: Journal of Eastern African Studies 11 (3), S. 526-548. Schleussner, Carl-Friedrich; Fyson, Claire; Hare, Bill (2018): Beyond offsets? Market mechanisms under the Paris agreement. Climate Analytics. Analytics Blog. 7.12.2018. Online verfügbar unter https://climateanalytics.org/blog/2018/the -importance-of-the-paris-agreements-article-64-on-market-mechanism/, zuletzt geprüft am 26.2.2021. Schneider, Lambert; Day, Thomas; La Hoz Theuer, Stephanie; Warnecke, Carsten (2017): Discussion Paper: CDM Supply Potential up to 2020. German Emissions Trading Authority (DEHSt) at the German Environment Agency. Umweltbundesamt. Berlin. Schneider, Lambert; Kollmuss, Anja (2015): Perverse effects of carbon markets on HFC-23 and SF6 abatement projects in Russia. In: Nature Climate change 5, S. 1061-1063. Schultz, Jürgen (2016): Die Ökozonen der Erde. Stuttgart: UTB. Schumacher, Juliane (2011): Loans and Cigarettes. Egypt & the IWF. In: Egyptian Spring. News about the revolution, 28.06.2011. Online verfügbar unter http://egy ptianspring.blogsport.de/2011/06/28/loans-and-cigarettes-egypt-the-iwf/, zuletzt geprüft am 06.01.2021. Schumacher, Juliane (2016a): Ein Land im Klimarausch. Von der UN-Konferenz wollen viele profitieren: die Regierung, Wissenschaftler, Aktivisten und der Tourismus. In: taz, die tageszeitung, 07.11.2016, S. 11. Schumacher, Juliane (2016b): Avantgarde in der Sahara. Ressourcenexport. In: taz, die tageszeitung, 08.11.2016, S. 8. Schumacher, Juliane (2016c): Sonne, Wind und Tränen. In: JungleWorld, 17.11.2016 (46). Online verfügbar unter https://jungle.world/artikel/2016/46/sonne-windund-traenen, zuletzt geprüft am 26.02.2021. Schumacher, Juliane (2018): Klimaschäden – die Welt geht unter und niemand will bezahlen. Rosa-Luxemburg-Stiftung. Berlin (Analysen, 29). Schumacher, Juliane (2019): (Re)making Mediterranean forests. Exploring an ecological ›regionalism‹ in times of climate change and regional separation. Kon-
Literaturverzeichnis
ferenzvortrag. Rurality and Future-Making. Comparative Perspektives from Europe, the Middle East, and the Mediterranean. Köln. 23.05.2019. Shapiro-Garza, Elizabeth; McElwee, Pamela; van Hecken, Gert; Corbera, Esteve (2019): Beyond Market Logics. Payments for Ecosystem Services as Alternative Development Practices in the Global South. In: Development and Change 51 (1), S. 3-25. Silvamed (2013): IV Mediterranean Forest Week. Tlemcen, Algerien. FAO Secretariat of Silva Mediterranea. Online verfügbar unter http://med.forestweek.or g/content/iv-mediterranean-forest-week, zuletzt geprüft am 08.12.2020. Silvamed (2015): IV Mediterranean Forest Week. Barcelona, Spanien. FAO Secretariat of Silva Mediterranea. Online verfügbar unter http://iv-med.forestweek .org/content/iv-mediterranean-forest-week, zuletzt geprüft am 08.12.2020. Silvamed (2017): V Mediterranean Forest Week. Agadir, Marokko. FAO Secretariat of Silva Mediterranea. Online verfügbar unter www.fao.org/forestry/4927106da4bcf8231a434bab4ed78f1ab2cac3.pdf, zuletzt geprüft am 25.2.2021. Sippel, Sarah Ruth (2016): Breaking ground. Multi-family farm entrepreneurs in Moroccan export agriculture. In: Journal of Rural Studies 45, S. 279-291. Sippel, Sarah Ruth; Larder, Nicolette; Lawrence, Geoffrey (2017): Grounding the financialization of farmland. Perspectives on financial actors as new land owners in rural Australia. In: Agriculture and Human Values 34 (2), S. 251-265. Slangen, Aimée; Adloff, Fanny; Jevrejeva, Svetlana; Leclercq, Paul W.; Marzeion, Ben; Wada, Yoshihide; Winkelmann, Ricarda (2017): A Review of Recent Updates of Sea-Level Projections at Global and Regional Scales. In: Surveys in Geophysics 38 (1), S. 385-406. Smith, Neil (1992): Geography, Difference and the Politics of Scale. In: Joe Doherty, Elspeth Graham und Mo Malek (Hg.): Postmodernism and the Social Sciences. London: Palgrave Macmillan, S. 57-79. Smith, Neil (2006): Nature as accumulation strategy. In: Leo Panitch und Colin Leys (Hg.): Coming to terms with nature. London, New York: Monthly Review Press, S. 1-36. Smith, Neil (2010 [1984]): Uneven Development. Nature, Capital, and the Production of Space. Dritte Auflage. London: Verso. Soper, Kate (1998): What Is Nature? Culture, Politics, And The Non Human. Oxford, Cambridge, MA: Blackwell. Sowers, Jeannie (2007): The Many Injustices of Climate Change. In: Global Environmental Politics 7 (4), S. 140-146. Sprenger, Florian (2019): Epistemologien des Umgebens. Bielefeld: transcript. Springer, Simon (2010): Neoliberalism and Geography. Expansions, Variegations, Formations. In: Geography Compass 4 (8), S. 1025-1038. Springer, Simon (2014): Postneoliberalism? In: Review of Radical Political Economics 47 (1), S. 5-17.
337
338
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Springer, Simon; Birch, Kean; MacLeavy, Julie (2016a): An Introduction to Neoliberalism. In: Simon Springer, Kean Birch und Julie MacLeavy (Hg.): The Handbook of Neoliberalism. New York: Routledge. Springer, Simon; Birch, Kean; MacLeavy, Julie (Hg.) (2016b): The Handbook of Neoliberalism. New York: Routledge. Stoll, Mark (2015): Inherit the Holy Mountain: Religion and the Rise of American Environmentalism. New York u.a.: Oxford University Press. Sullivan, Sian (2009): Green capitalism, and the cultural poverty of constructing nature as service provider. In: Radical Anthropology (3), S. 18-27. Sullivan, Sian (2013): Banking Nature? The Spectacular Financialisation of Environmental Conservation. In: Antipode 45 (1), S. 198-217. Sullivan, Sian (2018): Making Nature Investable. In: S&TS, S. 47-76. Sunderlin, William D.; Ekaputri, Anandita. D.; Sills, Erin O.; Duchelle, Amy E.; Kweka, Demetrius; Diprose, Rachael et al. (2014): The challenge of establishing REDD+ on the ground: Insights from 23 subnational initiatives in six countries. Bogor: Center for International Forestry Research (CIFOR Occasional Paper, 104). Svarstad, Hanne; Benjaminsen, Tor A. (2020): Reading radical environmental justice through a political ecology lens. In: Geoforum 108, S. 1-11. Swyngedouw, Erik (2004): Globalisation or ›glocalisation‹? Networks, territories and rescaling. In: Cambridge Review of International Affairs 17 (1), S. 25-48. Swyngedouw, Erik (2005): Governance Innovation and the Citizen. The Janus Face of Governance-beyond-the-State. In: Urban Studies 42 (11), S. 1991-2006. Swyngedouw, Erik (2006): Water, Money and Power. In: Leo Panitch und Colin Leys (Hg.): Coming to terms with nature. New York: Monthly Review Press. Swyngedouw, Erik (2007): Dispossessing H20: the contested terrain of water privatization. In: Nik Heynen, James McCarthy, Scott Prudham und Paul Robbins (Hg.): Neoliberal Environments. False promises and unnatural consequences. New York: Routledge, S. 51-62. Swyngedouw, Erik (2009): The Antinomies of the Postpolitical City. In Search of a Democratic Politics of Environmental Production. In: International Journal of Urban and Regional Research 33 (3), S. 601-620. Swyngedouw, Erik (2011): Depoliticized Environments. The End of Nature, Climate Change and the Post-Political Condition. In: Royal Institute of Philosophy Supplement 69, S. 253-274. Tänzler, Dennis; Groß, Julia; Li, Lina; Warnecke, Carsten; Kurdziel, Marie-Jeanne; Tewari, Ritika et al. (2019): Analysing the interactions between new market mechanisms and emissions trading schemes: Opportunities and prospects for countries to use Article 6 of the Paris Agreement. Umweltbundesamt (Climate Change, 2/2019).
Literaturverzeichnis
TEEB (2010): The Economics of Ecosystems and Biodiversity: Mainstreaming the Economics of Nature: A synthesis of the approach, conclusions and recommendations of TEEB. Hg. Von Pavan Sukhdev, Heidi Wittmer, Christoph SchröterSchlaack, Carsten Nesshöver, Joshua Bishop, Patrick ten Brink et al. Genf. TEEB (2021): The Economics of Ecosystems and Biodiversity. Online verfügbar unter http://teebweb.org/, zuletzt geprüft am 11.01.2021. Thompson, John D.; Lavergne, Sébastien; Affre, Laurence; Gaudeul, Myriam; Debussche, Max (2005): Ecological Differentiation of Mediterranean Endemic Plants. In: Taxon 54 (4), S. 967-976. Tickell, Adam; Peck, Jamie A. (1992): Accumulation, regulation and the geographies of post-Fordism. Missing links in regulationist research. In: Progress in Human Geography 16 (2), S. 190-218. Tickell, Adam; Peck, Jamie A. (1995): Social regulation after Fordism. Regulation theory, neo-liberalism and the global-local nexus. In: Economy and Society 24 (3), S. 357-386. Tisdall, Simon (2011): The failure of governance in the Arab world. In: The Guardian, 11.01.2011. Online verfügbar unter https://www.theguardian.com/world /2011/jan/11/tunisia-algeria-riots-failure-arab-governance, zuletzt geprüft am 06.05.2019. Toulmin, Camilla (2009): Climate Change in Africa. London: Zed Books. Tsing, Anna Lowenhaupt (2005): Friction: An Ethnography of Global Connection. Princeton: Princeton University Press. Tsing, Anna Lowenhaupt (2009): Beyond economic and ecological standardisation. In: The Australian Journal of Anthropology 20 (3), S. 347-368. Tsing, Anna Lowenhaupt (2015): The Mushroom at the End of the World: On the Possibility of Life in Capitalist Ruins. Princeton: Princeton University Press. Tsukerman, Irina (2018): Morocco’s Integration into Africa. Implications for the United States. In: Morocco World News, 26.01.2018. Online verfügbar unter https://www.moroccoworldnews.com/2018/01/239285/moroccos-int egration-into-africa-implications-for-the-united-states/, zuletzt geprüft am 02.02.2021. UBA (2020): Der Europäische Emissionshandel. Umweltbundesamt. Online verfügbar unter https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/der-europaeische-e missionshandel#textpart-2, zuletzt geprüft am 07.01.2021. UNDP (2009): Arab Human Development Report 2009. Challenges to Human Security in the Arab Countries. United Nations Development Programme. New York. UNDP (2020): Trust Fund Factsheet – UN REDD Programme Fund. Online verfügbar unter http://mptf.undp.org/factsheet/fund/CCF00, zuletzt geprüft am 08.01.2021.
339
340
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
UNEP (2011): Towards a GREENeconomy. Pathways to Sustainable Development and Poverty Eradication. A Synthesis for Policy Makers. United Nations Development Programme. UNFCCC (2015): Paris Agreement. Online verfügbar unter https://unfccc.int/pro cess-and-meetings/the-paris-agreement/the-paris-agreement, zuletzt geprüft am 28.02.2022. UNFCCC (2016): Morocco. Nationally determined contribution under the UNFCCC. UNFCCC. Online verfügbar unter https://www4.unfccc.int/sites/ndc staging/PublishedDocuments/Morocco %20First/Morocco %20First %20NDCEnglish.pdf, zuletzt geprüft am 28.02.2022. UNFCCC (2020a): CDM. United Nations Framework Convention on Climate Change. Online verfügbar unter https://cdm.unfccc.int/, zuletzt geprüft am 08.01.2021. UNFCCC (2020b): Global Warming Potentials (IPCC Second Assessment Report). Online verfügbar unter https://unfccc.int/process/transparency-and-reportin g/greenhouse-gas-data/greenhouse-gas-data-unfccc/global-warming-potenti als, zuletzt geprüft am 22.01.2021. UNFCCC (2020c): Glossary CDM terms. Version 10.0 (CDM-EB07-A04-GLOS). Online verfügbar unter: https://cdm.unfccc.int/Reference/Guidclarif/glos_CDM. pdf, zuletzt geprüft am 26.02.2021. UNFCCC (2020d): Safeguards. Online verfügbar unter https://redd.unfccc.int/fact -sheets/safeguards.html, zuletzt geprüft am 21.01.2021. UNFCCC (2021): Warsaw Framework for REDD+. Online verfügbar unter https://r edd.unfccc.int/fact-sheets/warsaw-framework-for-redd.html, zuletzt geprüft am 22.01.2021. United Nations (1992a): United Nations Framework Convention on Climate Change. FCCC/INFORMAL/84 GE.05-62220 (E) 200705. Online verfügbar unter https://unfccc.int/resource/docs/convkp/conveng.pdf, zuletzt geprüft am 26.02.2021. United Nations (1992b): Rio Declaration on Environment and Development. A/CONF.151/26/Vol.I. Online verfügbar unter https://www.un.org/en/develop ment/desa/population/migration/generalassembly/docs/globalcompact/A_CO NF.151_26_Vol.I_Declaration.pdf, zuletzt geprüft am 04.05.2020. UN-REDD (2020): Regions and Countries Overview. Hg. v. UNEP, UNDP und FAO. Online verfügbar unter https://www.unredd.net/regions-and-countries/regio ns-and-countries-overview.html, zuletzt geprüft am 19.11.2020. van der Zwan, Natascha (2014): Making sense of financialization. In: Socio-Economic Review 12 (1), S. 99-129. Vanuxem, Sarah (2014): Les contrats de services écologiques ou »la reféodalisation du lien contractuel«?: L’exemple du projet-pilote REDD+ et des »compensations pour mises en défens« dans la forêt marocaine de Maâmora. In: Soraya
Literaturverzeichnis
Amrani-Mekki, Jean-Claude Bevillard, Philippe Billet und Mathilde HautereauBoutonnet (Hg.): Le contrat et l’environnement. Étude de droit interne, international et européen. Marseille: Presses universitaires d’Aix-Marseille, S. 235-250. Vanuxem, Sarah (2016): Des paiements pour services écologiques en faveur des populations locales? In: VertigO: La Revue Électronique en Sciences de l’Environnement 16 (1). Venugopal, Rajesh (2015): Neoliberalism as concept. In: Economy and Society 44 (2), S. 165-187. Vidal, P. (1952): Particularités des aménagements auf Maroc. In: Revue forestière française 64 (6), S. 245-261. Walter, Heinrich; Breckle, Siegmar-Walter (1999): Vegetation und Klimazonen. Grundriß der globalen Ökologie. Stuttgart: UTB. Waterbury, John (2013): The Political Economy of Climate Change in the Arab Region. New York: United Nations Development Programme (Arab Human Development Report. Research Paper Series). Watts, Michael (1987): State, Oil, and Agriculture in Nigeria. Berkeley: Institute of International Studies, University of California. Watts, Michael (2003): Development and Governmentality. In: Singapore Journal of Tropical Geography 24 (1), S. 6-34. WCED (1987): Our common future. Unter Leitung von Gro Harlem Brundtland. World Commission on Environment and Development. Online verfügbar unter https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/5987our -common-future.pdf, zuletzt geprüft am 26.02.2021. Werber, Niels (2015): Gaias Geopolitik. In: Merkur 69 (5), S. 59-67. Online verfügbar unter https://volltext.merkur-zeitschrift.de/article/mr_2015_05_0059-006 7_0059_01, zuletzt geprüft am 26.02.2021. Werz, Michael; Hoffman, Max (2018): Europe’s Twenty-first Century Challenge. Climate Change, Migration and Security. In: European View 15 (1), S. 145-154. Weszkalnys, Gisa (2008): Hope & Oil. Expectations in São Tomé e Príncipe. In: Review of African Political Economy 35 (117), S. 473-482. Weszkalnys, Gisa (2014): Anticipating oil: the temporal politics of a disaster yet to come. In: The Sociological Review 62, S. 211-235. Whatmore, Sarah (2002): Hybrid Geographies. Natures Cultures Spaces. London: Sage. Williams, Raymond (1983): Keywords. A vocabulary of culture and society. Revised edition. New York: Oxford University Press. Winkel, Georg (2012): Foucault in the forests − A review of the use of ›Foucauldian‹ concepts in forest policy analysis. In: Forest Policy and Economics 16, S. 81-92. Wodon, Quentin (2014): Climate Change and Migration. Evidence from the Middle East and North Africa. Washington D.C.: The World Bank.
341
342
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Wolford, Wendy; Borras, Saturnino M.; Hall, Ruth; Scoones, Ian; White, Ben (2013): Governing Global Land Deals. The Role of the State in the Rush for Land. In: Development and Change 44 (2), S. 189-210. World Bank (2020a): GDP (current US$). Data. IBRD; IDA. Online verfügbar unter https://data.worldbank.org/indicator/ny.gdp.mktp.cd?view=map, zuletzt geprüft am 26.02.2021. World Bank (2020b): GDP per capita (current US$). Data. IBRD; IDA. Online verfügbar unter https://data.worldbank.org/indicator/ny.gdp.pcap.cd, zuletzt geprüft am 26.02.2021. World People’s Conference on Climate Change and the Rights of Mother Earth (2010): People’s Agreement of Cochabamba. Online verfügbar unter https ://pwccc.wordpress.com/2010/04/24/peoples-agreement/, zuletzt geprüft am 26.02.2021. Yates, J. S.; Bakker, K. (2014): Debating the ›post-neoliberal turn‹ in Latin America. In: Progress in Human Geography 38 (1), S. 62-90. Yates, Katherine L.; Bouchet, Phil J.; Caley, M. Julian; Mengersen, Kerrie; Randin, Christophe F.; Parnell, Stephen et al. (2018): Outstanding Challenges in the Transferability of Ecological Models. In: Trends in Ecology & Evolution 33 (10), S. 790-802. Yousfi, Fayrouz (2016): COP22 in Morocco: Between greenwashing and environmental injustice. In: Middle East Eye, 16.11.2016. Online verfügbar unter https://www.middleeasteye.net/opinion/cop22-morocco-between-greenw ashing-and-environmental-injustice, zuletzt geprüft am 26.02.2021. Zee, Jerry (2017): Holding Patterns. Sand and Political Time at China’s Desert Shores. In: Cultural Anthropology 32 (2), S. 215-241.
Dokumentenverzeichnis Aménagement 1973: Plan d’aménagement. Forêt de la Maâmora, Rabat 1973. Comp1 2013 CR: Compte rendu de l’atelier pour définir et adopter une méthodologie commune pour les analyses de vulnérabilité des sites pilo-tes de la comp. 1 du projet FFEM, 27-31 Mai 2013, Solsona, Espagne. Comp1 2013 ToR: Termes of reference. Workshop to define and adopt a common methodology for vulnerability assessment of FFEM pilot sites, 27-31 May 2013, Solsona, Spain. Comp1 2014 Agenda ToR: Analyses de vulnérabilité aux changements climatiques dans les sites pilotes retenus en Algérie, Maroc, Lebanon, Tunisie et Turquie. Agenda et termes de référence. Workshop of Comp. 1 of the FFEM project, 21-25 Avril 2014, Tunis, Tunisie.
Literaturverzeichnis
Comp1 final 2015 Maroc: Bakhiyi, Belghazi; Mounir, Fouad: Maroc. Atélier final du comp. 1 du projet FFEM: Production de données et élaboration d’outils d’aide à la décision et à la gestion en matière de vulnérabilité des écosystèmes forestiers méditerranéens aux effets du changement climatique et en matière de capacité d’adaptation de ces écosystèmes forestiers. 13-15 Janvier 2015, Antalya, Turkey. Comp1 Training1 2014 Report: Kempeneers, Pieter; Debruyn, Walter; Royer, Antoine; Capel, Anne-Cécile: Report on first week of training in Belgium, May 2014. Comp1 Training2 2014 Report: Kempeneers, Pieter; Van Hoolst, Roel; Capel, AnneCécile: Report on second training for second training on Comp. 1. 22-26 September 2014. Rabat, Maroc. Comp2 Report methodology: Methods and tools for socio-economic assessment of goods and services provided by Mediterranean forest ecosystems. Draft report on methodology. Comp. 2 of the FFEM project: assess the socio-economic value of goods and services provided by Mediterranean forest ecosystems, to support effective decision-making and strengthen actions to support the sustainable management of these ecosystems. Prepared by EFIMED and CTFC for PLAN BLEU. 2013. Comp3 2013 Report methodology: Lessons learned from international participatory area management initiatives. Draft report on methodology. Comp. 3 of the FFEM project: Participatory Governance for the multifunctional management of mediterranean woodland areas. Produced by the CTFC and COFOR International on behalf of PLAN BLEU. 2013. Comp4 2013 CR: Atélier de la Comp. 4 du projet FFEM. 22-25 Octobre 2013, Rabat, Maroc. Annex II. Compte rendu de l’atélier de Rabat. 22-25 Octobre 2013, Rabat, Maroc. Comp4 2014 soumission: Tunisia’s submission on REDD+ non-carbon benefits [to be submitted to the SBSTA meeting in June 2014]. Draft. March 2014. Comp4 mid 2014 agents: Résultats préliminair de l’analyse des agents et causes de la déforestation et de la dégradation dans les sites pilotes du projet FFEM. Version du 30 juin 2014. Comp. 4 du projet FFEM. Comp4 mid 2014 Cork Terraprima: Canaveira, Paulo; Manso, Sara; Valada, Tatiana: Cork Oak Landscapes, their Products and Climate Change Policies. Terraprima. Aug. 2014. COP 21 Cost Action: Ducci, Fulvio: Cost Action FP1202. Strengthening conservation: a key issue for adaptation of marginal/peripheral populations of forest trees to climate change in Europe (MaP-FGR). Renforcement de la conservation: une question clé pour l’adaptation des populations marginales/périphériques d’arbres forestiers au changement clima-tique en Europe (MAP-FGR). Présentation à ›Les forêts méditerranéenes et nous face au changement climatique‹. UNFCCC COP21, Le Bourget, Climate Generations Area, 7 December 2015.
343
344
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Dahir 1917: Dahir du 10 Octobre 1917 (20 Hijja 1JJ5) sur la conservation et l’exploitation des forêts. Titre premier (modifié par dahir des 17 Avril 1959 et 21 Juillet 1960) du régime et du domaine forestier. Evaluation CPMF: Bianchini, Sabina: Rapport d’Évaluation du Partenariat de Collaboration sur les Forêts Méditerranéennes PCFM, Rom, Juni 2015. Evaluation Silvamed 2013: Farcy, Christine; Chaudron, Alain; Mokhtar, Ameur; Plaza, Placido; Scarascia, Giuseppe: Evaluation 2013 du Comité CFF-SA/CEF/ CFPPO des questions forestières méditerranéennes (Silva Mediterranea) de la FAO. Version provisoire. Décembre 2013. FAO Sustainable Finance: FAO and Global Mechanism of the UNCCD: Sustainable financing for forest and landscape restoration: Opportunities, challenges and the way forward. Discussion paper. Lead author: Liagre, Ludwig. Rome, 2015. FFEM 2012 Proceedings: Inception workshop and Steering Committee of the FFEM Project. Proceedings. 18-21 September 2012, Rome. FFEM 2013 Leb Report: Decisions of the Steering Committee of the project fund for French Global Environment Facility. Report of the 2nd Steering Committee of the FFEM project. 4-6 June 2013, Beirut, Lebanon. FFEM GP Comp3 Maroc: Quarro, Mohamed: Exemple de deux modèles socioéconomiques étudiés initialement en forêt de la Maâmora (Maroc) et proposés pour les pays du Maghreb. Guide pratique pour la mise en œuvre d’une gestion participative et durable des espaces boisés dans les pays du Maghreb, Plan Bleu 2016. FFEM Guide: Guide for Project Partner Countries of the FFEM project. Identifying Pilot Sites, May 2012. FFEM Guide participation Maâmora: Quarro, Mohamed: Guide pratique pour la mise en œuvre d’une gestion participative et durable des espaces boisés à travers des contrats gagnant-gagnant dans la forêt de la Maâmora. Exemple d’une gestion participative de la suberaie en forêt de la Maâmora, Maroc. Plan Bleu, Valbonne, 2016. FFEM Rapport final: FAO; Plan Bleu: Rapport d’achèvement du projet »Optimiser la production de biens et services par les écosystèmes boisés méditerranéens dans un contexte de changements globaux«, Rome, 2016. FFEM RT Final Comp2 Maroc: El Mokaddem, Abdelmohssin: Estimation de la valeur économique et sociale des services rendus par les écosystèmes forestiers méditerranéens. Forêt de la Maâmora, Maroc. Rapport technique du projet »Optimiser la production des biens et services par les écosystèmes boisés méditerranéens dans un contexte de changements globaux«, Plan Bleu, Valbonne, 2016. FFEM RT Final Comp3 Maroc: Quarro, Mohamed: Améliorer la gouvernance des espaces boisés méditerranéens à travers la mise en oeuvre de démarches participatives, Forêt de la Maâmora, Maroc. Rapport technique du projet »Optimiser
Literaturverzeichnis
la production des biens et services par les écosystèmes boisés méditerranéens dans un contexte de changements globaux«, Plan Bleu, Valbonne, 2016. FFEM RT Comp1 Maroc: Belghazi, Bakhiyi; Mounir, Fouad: Analyse de vulnérabilité au changement climatique du couvert forestier Forêt de la Maâmora, Maroc, Rapport technique du projet »Optimiser la production des biens et services par les écosystèmes boisés méditerranéens dans un contexte de changements globaux«, FAO, Rome 2016. FI SP Maâmora: Fiche d’identification de site pilote pour le projet FFEM: Forêt de la Maâmora, Maroc, 28 Mai 2012. FI SP Tlemcen: Fiche d’identification de site pilote pour le projet FFEM: Tlemcen, 2012. GIZ REDD Liban: Maurice, Jérôme; Bouyer, Olivier; Le Crom, Maden; Bassil, Michel: Analyse Coûts-Bénéfices de la REDD+ au Liban. Rapport final. SalvaTerra/GIZ. Elaborée dans le cadre du Projet Régional Silva MediterraneaCPMF de la GIZ »Adaptation au changement climatique des conditions-cadres de la politique forestière dans la région MENA«. Paris, 2014. GIZ REDD Maroc: Boyer, Olivier; Le Crom, Maden: Etude des coûts et avantages du mécanisme REDD+ pour le Maroc. SalvaTerra/GIZ. Elaborée dans le cadre du Projet Régional Silva Mediterranea-CPMF de la GIZ »Adaptation au changement climatique des conditions-cadres de la politique forestière dans la région MENA«. Paris, 2013. GIZ REDD MENA: Boyer, Olivier; Le Crom, Maden: Synthèse études coûts-bénéfices REDD+ région MENA. SalvaTerra/GIZ. Paris, 2014. GIZ REDD Tunisie: Le Crom, Maden, Maurice, Jérôme; Bouyer, Olivier; Touns, Kamel: Analyse Coûts-bénéfices de la REDD+ en Tunisie. SalvaTerra/GIZ. Elaborée dans le cadre du Projet Régional Silva Mediterranea-CPMF de la GIZ »Adaptation au changement climatique des conditions-cadres de la politique forestière dans la région MENA«. Paris, 2014. GIZ REDD Turkey: Cost-benefit assessment of implementing LULUCF Accounting rules in Turkey. SalvaTerra/GIZ, elaborated by the GIZ Regional Project »Adapting Forest Policy Conditions to Climate Change in the MENA-region« in the context of its cooperation with the network SILVA MEDITERRANEA and the Collaborative Partnership on Mediterranean Forests (CPMF). 2014. Leaflet CPMF: CPMF: The Collaborative Partnership on Mediterranean Forests. Leaflet. Leaflet FFEM: Maximize the production of goods and services of Mediterranean forest ecosystems in the context of global changes, Leaflet, FAO, Rome, 2016. NEP FFEM project: Comité de pilotage de FFEM: Note d‹ Engagement de projet (NEP) »Optimiser la production des biens et services par les écosysteme boisés méditerraneens dans un contexte des changements globaux«. 5 Juillet 2011.
345
346
Die Regierung des Waldes. Klimawandel, Kohlenstoffmärkte und neoliberale Naturen in Marokko
Pres Comp1 2013 Maroc: Bengueddour, Mustapha; El Houssine, Jdira: Présentation du site pilote Maâmora Maroc. Atélier pour définir et adopter une méthodologie commune pour les analyses de vulnérabilité des sites pilotes, Comp. 1 du projet FFEM, 27-31 Mai 2013, Solsona, Espagne. Pres Comp1 2013 CTFC: Coll, Lluís: Les forêts méditerranéens face aux changements globaux: L’approche du CTFC. Présentation. Atélier pour définir et adopter une méthodologie commune pour les analyses de vulnérabilité des sites pilotes, Comp. 1 du projet FFEM, 27-31 Mai 2013, Solsona, Espagne. Pres Comp1 2013 Synthèse: Synthèse atelier de Solsona. Ebauche de guide méthodologique pour l’analyse de la vulnérabilité au changement climatique (y inclus relations/synergies à développer/promouvoir avec les autres composantes du projet FFEM). Atélier pour définir et adopter une méthodologie commune pour les analyses de vulnérabilité des sites pilotes, Comp. 1 du projet FFEM, 27-31 Mai 2013, Solsona, Espagne. Pres Comp1 2013 Tunisie: Gader, Ghazi: Méthodes d’analyse de la vulnérabilité des écosystèmes face au CC, Projet CCC/GIZ, Tunisie, Présentation. Atélier pour définir et adopter une méthodologie commune pour les analyses de vulnérabilité des sites pilotes, Comp. 1 du projet FFEM, 27-31 Mai 2013, Solsona, Espagne. Pres Comp1 Maroc 2015: Bengueddour, Mustapha: Comp. 1: Production de données et élaboration d’outils d’aide à la décision et à la gestion en matière de vulnérabilité des écosystèmes forestiers méditerranéens aux efets du changement climatique et en matière de capacité d’adaptation de ces écosystèmes forestiers. Site pilote: Maâmora, Maroc. Présentation au Comité de pilotage du projet FFEM, 26 et 27 Janvier 2015, Rabat. Pres Comp3 Maroc 2015: Comp. 3: Améliorer la gouvernance des espaces boisés méditerranéens à travers la mise en œuvre de démarches participatives. Etat d’avancement – Premiers résultats de l’approche partcipative – Morocco. Présentation au Comité de pilotage du projet FFEM, 26 et 27 Janvier 2015, Rabat. Pres Comp4 2013 Maroc: Lefhaili, Abdelmoula: Résultats préliminaires de l’analyse des agents et causes de déforestation et dégradation. Site pilote de Maamora, Maroc. Présentation. Atélier de la Comp. 4 du projet FFEM. 22-25 Octobre 2013, Rabat, Maroc. Pres Comp4 2016: Présentation au Comité de pilotage du projet FFEM, Comp. 4: Optimisation et valorisation du rôle d’atténuation des forêts méditerranéennes. Résultats à l’échelle régionale. 26 janvier 2016, Rome. Pres Comp4 mid 2014 agents: Martinet, Anne: Synthèse régionale de l’analyse des agents et causes de déforestation et dégradation. Présentation. Atelier à mi parcours de la comp. 4 du projet FFEM: Optimisation et valorisation du rôle d’atténuation des forêts méditerranéennes, 21 – 24 Octobre 2014, Rome, Italie.
Literaturverzeichnis
Pres FFEM 2012 SoMF: Garavaglia, Valentina; Briens, Marion; Besacier, Christophe: State of Mediterranean Forests – SoMF. Présentation. 3rd Mediterranean Forest Week, 17-21 Mars 2013, Tlemcen, Algeria. Steering Committee 2015 Report: Report of the steering committee of the project »Maximize the production of goods and services of Mediterranean forest ecosystems in the context of global changes«. Fifth session, 26 January 2016, Rome. Worldbank 1999: Banque mondiale: Rapport d’achèvement. Royaume du Maroc. Deuxième projet de développement forestier (Prêt 3156 – MOR). Rapport No: 19212, 27 Avril 1999.
347
Geographie Finn Dammann, Boris Michel (Hg.)
Handbuch Kritisches Kartieren Februar 2022, 336 S., kart., 4 SW-Abbildungen, 77 Farbabbildungen 32,00 € (DE), 978-3-8376-5958-0 E-Book: PDF: 31,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5958-4
Stefan Heinig
Integrierte Stadtentwicklungsplanung Konzepte – Methoden – Beispiele 2021, 206 S., kart., 66 SW-Abbildungen 49,00 € (DE), 978-3-8376-5839-2 E-Book: PDF: 48,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5839-6
Johanna Betz, Svenja Keitzel, Jürgen Schardt, Sebastian Schipper, Sara Schmitt Pacífico, Felix Wiegand (Hg.)
Frankfurt am Main – eine Stadt für alle? Konfliktfelder, Orte und soziale Kämpfe 2021, 450 S., kart., durchgängig vierfarbig 25,00 € (DE), 978-3-8376-5477-6 E-Book: PDF: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5477-0
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Geographie Friederike Landau, Lucas Pohl, Nikolai Roskamm (eds.)
[Un]Grounding Post-Foundational Geographies 2021, 348 p., pb., col. ill. 50,00 € (DE), 978-3-8376-5073-0 E-Book: PDF: 49,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5073-4
Georg Glasze, Annika Mattissek (Hg.)
Handbuch Diskurs und Raum Theorien und Methoden für die Humangeographie sowie die sozial- und kulturwissenschaftliche Raumforschung 2021, 484 S., kart., 18 SW-Abbildungen, 7 Farbabbildungen 29,50 € (DE), 978-3-8376-3218-7 E-Book: PDF: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3218-1
Lisa Maschke, Michael Mießner, Matthias Naumann
Kritische Landforschung Konzeptionelle Zugänge, empirische Problemlagen und politische Perspektiven 2020, 150 S., kart., 3 SW-Abbildungen 19,50 € (DE), 978-3-8376-5487-5 E-Book: PDF: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5487-9
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de