Die Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten im Völkerrecht [1 ed.] 9783428541034, 9783428141036

Yasser Abdelrehim prüft die Schutznormen von Kriegskorrespondenten im Völkerrecht im Kontext der neuen Arbeitsbedingunge

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Die Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten im Völkerrecht [1 ed.]
 9783428541034, 9783428141036

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Schriften zum Völkerrecht Band 207

Die Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten im Völkerrecht Von

Yasser Abdelrehim

Duncker & Humblot · Berlin

YASSER ABDELREHIM

Die Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten im Völkerrecht

Schriften zum Völkerrecht Band 207

Die Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten im Völkerrecht Von

Yasser Abdelrehim

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 978-3-428-14103-6 (Print) ISBN 978-3-428-54103-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84103-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern Safia Abdelrehim und Mohammed Mahmoud Abdelrehim gewidmet

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2011 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. In dieser Arbeit veröffentlichte Literatur und Rechtsprechung wurden bis Anfang 2012 berücksichtigt. Die Veröffentlichung der Dissertation bietet Raum, meiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Sehr herzlich danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Stefan Kadelbach, LL.M., für seine Betreuung und für die Freiheit, die er mir bei der Ausarbeitung gelassen hat. Mein herzlicher Dank gilt auch Prof. Dr. Günter Frankenberg für die Erstellung des Zweitgutachtens. Aufrichtig danken möchte ich Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang, der mich während meines Studiums an der Universität Münster mit wertvollen Anregungen gefördert hat. Dem Auswärtigen Amt bekunde ich Dank für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. An dieser Stelle möchte ich auch allen meinen Freunden, die mich während meines Studiums an der Universität Münster und während meiner Arbeit an der Dissertation unterstützt haben. Zu nennen sind hier Salah Sharara, Guido Görge, Vesilina Vasiliva, Eva Knust, Franziska Szene und Henry Niehaus. Aus tiefstem Herzen danke ich meinen Eltern Safia Abdelrehim und Mohammed Mahmoud Abdelrehim sowie meinen Schwestern Sonia und Hanan und meinen Brüdern Khalid und Mahmoud für den ideellen Rückhalt, den sie mir während meiner Arbeit an der Dissertation gegeben haben. Schließlich danke ich von Herzen meiner Frau Seham Taymour Bayad für ihre Unterstützung und Geduld in dieser Zeit der Doppelbelastung. Erfurt, im März 2014

Yasser Abdelrehim

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Die Bedeutung der Kriegsberichterstattung in der heutigen Welt . . . . . . . . . . . . . 17 II. Die aktuelle Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 III. Der heutige Stand des Schutzsystems der Kriegskorrespondenten im Völkerrecht 20 Erstes Kapitel Historische Einleitung und die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten 22 A. Die Kriegsberichterstattung im geschichtlichen Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Die Entstehung der professionellen Kriegsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Erste Vorläufer zum Schutz der Kriegskorrespondenten im Völkerrecht . . . . . . . . 26 B. Definition des Kriegskorrespondenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Zunahme der Arbeitsgefahren als Folge der Veränderung der Natur bewaffneter Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Die Akkreditierung von Journalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Die „Eingebetteten Journalisten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Vor- und Nachteile des „Embedded Journalist“ Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Das „Embedded Journalist“ System im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IV. Zensurmaßnahmen gegenüber Journalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

6

Inhaltsverzeichnis Zweites Kapitel Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

39

A. Die Entstehungsgeschichte des humanitären Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 B. Der Begriff „humanitäres Völkerrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Art. 13 HLKO von 1907, Art. 81 GK von 1929 und Art. 4 (A) Nr. 4 GK III von 1949 42 I. Art. 13 HLKO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Art. 81 GK über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929 . . . . . . . . . . . . 44 III. Art. 4 (A) Nr. 4 GK III von 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Eine Wortlautauslegung von Art. 4 (A) Nr. 4 GK III von 1949 . . . . . . . . . . . . . 44 2. Eine teleologische Auslegung von Art. 4 (A) Nr. 4 GK III von 1949 . . . . . . . . 45 D. Der historische Hintergrund und die Vorbereitungsphase des Art. 79 ZP I von 1977

48

I. Der Montecatini-Entwurf von 1968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II. Der UNO-Entwurf von 1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Die Behandlung der Frage des Schutzes von Journalisten auf der Diplomatischen Konferenz zur Entwicklung des Humanitären Völkerrechts 1974 – 1977 . . . . . . . 52 E. Art. 79 ZP I von 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Eine Wortlautauslegung des Art. 79 Abs. 1 ZP I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Eine Wortlautauslegung des Art. 79 Abs. 2 ZP I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 III. Eine Wortlautauslegung des Art. 79 Abs. 3 ZP I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 IV. Text des Ausweises für Journalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 V. Kennzeichnendes Emblem für Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen 58 VI. Eine teleologische Auslegung von Art. 79 ZP I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 VII. Art 79 ZP I als Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 F. Kriegskorrespondenten und Bürgerkriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Inhaltsverzeichnis

7

G. Weitere Bemühungen der Vereinten Nationen zum Schutz von Journalisten . . . . . . . . 64 I. Die Waleed Saadi Studie über Journalisten von 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. UN-Sicherheitsratsresolution über Journalisten von 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 H. Kriegskorrespondenten in Feindeshand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Verlust des Schutzstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I. Spionage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Definition des Spions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Spionage im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Be- und eingeschränkte Rechte von Spionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Unmittelbare Beteiligung von Kriegskorrespondenten an Kampfhandlungen . . . . 73 1. Das Waffentragen durch Kriegskorrespondenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Kombattanten und Zivilisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Kombattanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) „Unlawful combatants“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Zivilisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d) Perfidieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 e) Anwendung des Art. 3 der Genfer Konventionen und des Art. 75 ZP I . . . . 81 III. Schutz von Radiostationen vor Angriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Militärische Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. Der NATO-Angriff auf die Radiostation und den Fernsehsender RTS . . . . . . . 89 4. Der Angriff auf das Hotel Palästina in Bagdad 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 J. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Drittes Kapitel Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

99

A. Die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Einordnung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts . . . . . . . . . . 102 II. Der Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

8

Inhaltsverzeichnis III. Möglichkeiten der Einschränkung der Fortgeltung der Menschenrechte im Krieg 106 IV. Vorteile einer parallelen Anwendung beider Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 V. Rechtsschutzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 VI. Extraterritoriale Wirkung der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

B. Die Ära der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Die UN-Resolution Nr. 59 von 1946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Die Unterkommission über Informations- und Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 121 III. Die Konferenz über Informationsfreiheit von 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 IV. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Die rechtliche Natur der AEMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Art. 19 AEMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Art. 29 AEMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4. Art. 30 AEMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und Kriegsberichterstattung . . 125 V. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Die Anwendung des Paktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Der Ausschuss für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Prüfung der Staatenberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Staatenbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Individualbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4. Art. 19 IPBPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Schutz der Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 bb) Schutz der Meinungsäußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 cc) Informationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 dd) Schutz der Presse gemäß Art. 19 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Inhaltsverzeichnis

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b) Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) Schranken-Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 VI. Die UNESCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Die UNESCO und die neue Informationsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Die UNESCO-Mediendeklaration von 1978 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Das Kolloquium von Florenz von 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4. Der MacBride Bericht von 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 5. Die 22. Generalkonferenz der UNESCO von 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 6. Die strategische Neuausrichtung der UNESCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 7. Die UNESCO-Resolution Nr. 29 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 C. Regionale Konventionen zur Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Der Europarat und die EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Die Entstehungsgeschichte der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Individualbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4. Art. 10 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa) Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Meinungsäußerungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 cc) Informationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 dd) Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Kriegskorrespondenten und Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Rechtfertigung der Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Gesetzlich vorgesehen und Verfolgung eines legitimen Zieles . . . . . . . . 152 bb) Notwendigkeit des Eingriffs in einer demokratischen Gesellschaft . . . . 153 5. Empfehlung des Europarats über Journalisten von 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. Charta der Grundrechte der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 III. Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE/OSZE) . . 157

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Inhaltsverzeichnis IV. Die Amerikanische Konvention für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 V. Die Arabische Charta der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 VI. Die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker . . . . . . . . . 163 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

D. Einreise, Bewegungsfreiheit und Ausweisung von Kriegskorrespondenten . . . . . . . . . 165 I. Einreise von Ausländern einschließlich der Kriegskorrespondenten nach den Regeln des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Einreise von Ausländern nach allgemeinem Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Einreise von Ausländern nach Menschenrechtsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Ausweisung von Ausländern einschließlich der Kriegskorrespondenten . . . . . . . . 169 III. Bewegungsfreiheit im Ausland und in Kampfgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 IV. Sonderregelungen für Kriegskorrespondenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Viertes Kapitel Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

180

A. Aussagen vor internationalen Strafgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . 180 II. Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . 183 III. Zeugnisverweigerungsrecht für Kriegskorrespondenten vor internationalen Strafgerichtshöfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Der Fall Talic´ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Der Hintergrund des Falles Talic´ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Entscheidung der ICTY-„Trial Chamber“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Entscheidung der ICTY-„Appeals Chamber“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 d) Zweiter Antrag auf Vorladung des Journalisten Randal . . . . . . . . . . . . . . . . 190

Inhaltsverzeichnis

11

2. Der ICTY-Beispielsfall und der Internationale Strafgerichtshof . . . . . . . . . . . . 191 B. Verbot der Zurschaustellung von Kriegsgefangenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 I. Zulässigkeit von Bildberichterstattung über Kriegsgefangene . . . . . . . . . . . . . . . . 195 II. Verantwortung des Staates für den Schutz der Kriegsgefangenen . . . . . . . . . . . . . 196 C. Verbot der Propaganda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Der Krieg und die Propaganda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 II. Die Kriegspropaganda und der Weltfrieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 III. Die Rolle der Kriegskorrespondenten bei der Ausübung von Kriegspropaganda und Hassrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 IV. Definition der Propaganda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 V. Internationale Abkommen über Propaganda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Der Status der Kriegspropaganda vor dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . 202 2. Kriegspropaganda und Hassrede nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . 204 a) Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . 204 b) Art. 20 IPBPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Anwendung von Art. 20 IPBPR in nationalen Rechtssystemen . . . . . . . 208 bb) Schlussfolgerungen für Kriegskorrespondenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 c) Die Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 d) Die Amerikanische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 e) Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 f) Die Völkermordkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 g) „Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind“ . . . . . . 211 VI. Kriegspropaganda und Hassrede als Herausforderung im Völkerrecht . . . . . . . . . 213 VII. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 1. Die Hassrede und die diesbezügliche US-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Rechtsprechung des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg . . . . . . . . . 218 a) Der Fall Hans Fritzsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Der Fall Julius Streicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

12

Inhaltsverzeichnis c) Ein Vergleich zwischen Hans Fritzsche und Julius Streicher . . . . . . . . . . . . 221 3. Der UN-Menschenrechtsausschuss (Der Fall Faurisson) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte . . . . 225 a) Der Fall Jersild gegen Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Der Fall Zana gegen die Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5. Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda (Media Trial) 227 a) Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda . . . . . . . . . . . . . 228 b) Journalisten als Kriegsverherrlicher und Hasspropagandaverbreiter in Ruanda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 c) Vorwürfe des Verbrechens des Völkermords und der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord gegen Journalisten . . 229 aa) Der Vorwurf des Völkermordes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Schlussfolgerungen für Kriegskorrespondenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 cc) Unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord 234 (1) Definition der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (2) Kriterien des Gerichtshofs zur Interpretation des Mediendiskurses

236

(a) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (b) Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (c) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (3) Notwendigkeit der Distanzierung bei der Vermittlung von Meinungen, die Rassenhass oder Gewaltaufrufe enthalten . . . . . . . . . . . . . . 238 VIII. Hassrede, Kriegspropaganda und Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Fünftes Kapitel Verbesserungsvorschläge und Initiativen

244

A. Sollen Kriegskorrespondenten einen besonderen Status haben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 I. Argumente gegen einen besonderen Status für Kriegskorrespondenten . . . . . . . . . 244 II. Argumente für einen besonderen Status für Kriegskorrespondenten . . . . . . . . . . . 246 III. Angriffe auf Kriegskorrespondenten als Verbrechen gegen das Völkerrecht . . . . . 248 IV. Ahndung der Verbrechen gegen Kriegskorrespondenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Inhaltsverzeichnis

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B. Rechtsschutz für Opfer schwerer Verletzungen des humanitären Völkerrechts . . . . . . 249 I. Vollzug der Regeln des humanitären Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Anwendung vor nationalen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Klagemöglichkeiten in Abweichung von der klassischen Rechtslehre . . . . . . . 259 a) Entschädigungskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) UN-Prinzipien und Richtlinien von 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 c) Internationale Untersuchungskommission über Darfur von 2006 . . . . . . . . . 261 II. Der Internationale Strafgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 III. Universelle Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 C. Initiativen der journalistischen Berufsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Zusammenfassung der Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Archivbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Veröffentlichte offizielle Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Noten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Abkürzungsverzeichnis Abs. AEMR AEUV AMRK Art. AuslG AVR Bd. BGB1. BVerfG BVerfGE Diss. ebd. ed. eds. EGMR EIG EMRK EU EuGH EuGRZ ff. Fn. GG GK GK I GK II GK III GK IV HLKO Hrsg. Hs. ICC ICJ ICTR ICTY IGH

Absatz Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Amerikanische Menschenrechtskonvention Artikel Ausländergesetz Archiv des Völkerrechts Band Bundesgesetzblatt Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts Dissertation ebenda Editor Editors Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Gericht Erster Instanz Europäische Menschenrechtskonvention Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift fortfolgende Fußnote Grundgesetz Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen von 1929 I. Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde vom 12. August 1949 II. Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See vom 12. August 1949 III. Genfer Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 12. August 1949 IV. Genfer Konvention zum Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949 Haager Landkriegsordnung Herausgeber Halbsatz International Criminal Court International Court of Justice International Criminal Tribunal for Rwanda International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia Internationaler Gerichtshof

Abkürzungsverzeichnis IKRK ILC IPBPR Jus KSZE LG N. No. Nr. OLG OSZE PLO RGB1. Rn. RPF RTLM S. s. StIGH u. a. UdSSR UN UNAMIR UN-Charta UNESCO UNO UNO-Charta UNPROFOR v. Vol. ZaöRV z. B. ZP I ZP II

15

Internationales Komitee vom Roten Kreuz International Law Commission Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Juristische Schulung Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Landgericht Numéro Number Nummer Oberlandesgericht Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Palestine Liberation Organization Reichsgesetzblatt Randnummer Ruandische Patriotische Front Radio Television Libre des Mille Collines Seite/Satz siehe Ständiger Internationaler Gerichtshof unter anderem Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken United Nations United Nations Assistance Mission for Rwanda Charta der Vereinten Nationen United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation United Nations Organisation Charta der Vereinten Nationen United Nations Protection Force versus Volume Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zusatzprotokoll vom 12.12. 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08. 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte Zusatzprotokoll vom 12.12. 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.08. 1949 über den Schutz der Opfer nichtinternationaler bewaffneter Konflikte

Einleitung I. Die Bedeutung der Kriegsberichterstattung in der heutigen Welt Krieg und Medien standen und stehen schon immer in einem besonderen Verhältnis zueinander. Für die Medien ist der Krieg ein großes Ereignis. Journalisten, die Nachrichten suchen, finden in Kriegsgeschehnissen schreckliche Fakten und auch interessante Geschichten für ihre Leser oder Zuschauer. Das Interesse der Individuen an Nachrichten ist in Kriegszeiten besonders groß. Wir haben uns in unserer Zeit daran gewöhnt, zu lesen, zu hören oder zu sehen, was in jedem Winkel der Welt passiert. Durch Kriegsberichterstattung erfahren wir, was der Krieg bedeutet und welches unsagbare Leid der Krieg über die Menschheit bringt. Andererseits bedürfen Kriege einer propagandistischen Begleitung. Die Moral des Militärapparates muss stabilisiert und verbessert werden, ebenso muss auch die Öffentlichkeit im In- und Ausland für den Krieg gewonnen werden. Über die Medien versuchen die Entscheidungsträger, die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit, Legitimität und auch Gerechtigkeit eines Krieges zu überzeugen. Die Medien bieten dem Angreifer, aber auch dem Verteidiger, ein Forum für die Verbreitung ihrer Ansichten und die Propagierung ihrer Ziele. Die Medien üben somit einen enormen Einfluss nicht nur auf die Öffentlichkeit, sondern auch auf politische Entscheidungsträger und militärische Handlungsverantwortliche aus.1 Der Umgang mit Presse und Öffentlichkeit trägt wesentlich zum Erfolg der eigenen Kriegsführung bei. Das hat Joseph Goebbels, der Reichsminister für Propaganda im deutschen „Dritten Reich“, erkannt. Für ihn war die Nachrichtenpolitik im Krieg eine der Waffen des Krieges, wobei die Nachrichtenpolitik eher der Kriegsführung denn der Information dienen sollte.2 US-General Dwight Eisenhower sagte im Jahre 1940: „Public opinion wins war“.3 Die (eigenen) Medien spielen allerdings auch eine wichtige Rolle zur Destabilisierung des Gegners. Die Verwendung von Flugblättern und die gezielte Ausstrahlung von Fernseh- und Radioprogrammen in der Sprache

1

Jertz, Wer gewann den Medienkrieg?, in: Löffelholz/Trippe (Hrsg.), Kriegs- und Krisenberichterstattung, 2008, S. 222. 2 Doob, Goebbels’ Principles of Propaganda, in: Jackall (ed.), Propaganda, 1995, S. 203. 3 Eisenhower, zitiert nach Knightley, The First Casualty: From the Crimea to Vietnam: The War Correspondent as Hero, Propagandist, and Myth Maker, 1975, S. 315.

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Einleitung

des Feindes beweisen, dass die Medien nicht nur eine Begleitung, sondern häufig Bestandteil der kriegerischen Auseinandersetzungen sind.4 In modernen Kriegen ist die Macht der Bilder eine der stärksten Waffen im Rahmen des Medienkriegs. Der jüngste Irak-Krieg 2003 war wie kein Krieg zuvor ein Krieg der Bilder und ein Krieg um Bilder.5 Die Bilder vom Abu-Gharieb-Gefängnis, die irakische Gefangene mit amerikanischen Soldaten in schändlichen Stellungen zeigten, schockierten die Weltöffentlichkeit und änderten den Diskurs über den Irak-Krieg.6 Unvergesslich ist auch die Aufnahme der Festnahme von Saddam Hussein 2003. Die Bilder von verhungernden somalischen Kindern führten zu Präsident George Bushs (Senior) Entscheidung, 1992 Truppen nach Somalia zu entsenden. Die brutalen Fernsehbilder von einem durch die Straßen in Mogadischu geschleiften amerikanischen Soldaten zwangen Präsident Clinton ein Jahr später, die amerikanischen Truppen aus Somalia abzuziehen.7 Auch in so genannten asymmetrischen Kriegen wie Partisanenkriegen und Terrorismus sind die Medien eine der stärksten Waffen der Partisanen und Terroristen. Wer nicht in der Lage ist, die konventionellen Streitkräfte einer Macht mit militärischen Mitteln erfolgreich zu attackieren, versucht durch die Verbreitung von Bildern über die Folgen seiner Attacke, die Verletzlichkeit der angegriffenen Macht oder Gesellschaft zu zeigen.8 Beispiele dafür sind Angriffe auf Eisenbahnzüge, Flughäfen, Flugzeuge und Cafés. Durch diese Inszenierung mit Bildern wirken der Partisanenkrieg und der Terror nicht nur physisch, sondern in erheblichem Maße auch psychisch auf die Seele der Gesellschaft und setzten infolgedessen die politische Führung unter massiven Druck. Für den Weltfrieden spielen die Medien ohne Zweifel eine wichtige Rolle. Eine möglichst neutrale Kriegsberichterstattung kann einen guten Beitrag zur Weltfriedensförderung leisten. Die Medien, vor allem das Fernsehen, stehen in diesem Sinne vor der Aufgabe, durch die Aufdeckung der Grausamkeiten des Krieges eine Antikriegseinstellung zu fördern und dadurch Regierungen das Führen von Kriegen zu erschweren. Besondere Erwähnung verdient auch die Rolle der Kriegsberichterstattung bei der Verwirklichung der internationalen Gerechtigkeit. Die Aufdeckung der Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien während des Krieges in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts durch die Medien veranlasste die Weltgemeinschaft und den UN-Sicherheitsrat, einen internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zu errichten, um die Kriegsverbrecher in Jugoslawien strafrechtlich verfolgen und Gerechtigkeit für die Opfer verwirklichen zu können. 4

Wiegerling, Kriegsmedien und Medienkrieg, in: Capurro/Grimm (Hrsg.), Krieg und Medien, 2004, S. 49. 5 Siehe dazu Paul, Der Bilderkrieg, 2005, S. 7. 6 Ebd., S. 181. 7 Strunz/Villinger, Heckenschütze im Informationskrieg?, in: Korte/Tonn (Hrsg.), Kriegskorrespondenten, 2007, S. 157. 8 Münkler, Die neuen Kriege, 2002, S. 197.

Einleitung

19

Die Rolle der Kriegsberichterstattung gewinnt nach der Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs eine zunehmende Bedeutung für die internationale Strafjustiz. Durch ihre Berichterstattung aus Konfliktgebieten bringen die Kriegskorrespondenten viele Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen ans Licht. Aus all dem ergibt sich die Bedeutung der Rolle des Kriegskorrespondenten in unserer heutigen Welt.

II. Die aktuelle Problemlage Die letzten zehn Jahre zeigten auffällig die zunehmende Zahl an Kriegskorrespondenten und Journalisten, die bei der Ausübung ihres Berufs getötet, entführt oder verhaftet wurden.9 Die Zahl der Opfer in den letzten Jahren zeigt schlaglichtartig, dass das Schutzsystem für Kriegskorrespondenten unzureichend ist. Noch nie in der Geschichte des Journalismus sind so viele Angriffe auf Journalisten, so viele gezielte Morde an Journalisten und auch so viele bei Kriegshandlungen umgekommene Korrespondenten gezählt worden, wie in den vergangenen Jahrzehnten.10 Im Satellitenzeitalter gewinnt die Rolle der Medien in Krisen- und Kriegszeiten immer mehr an Bedeutung. Wenn die Medien bestrebt sind, objektiv zu arbeiten, können sie bei der Wahrheitsfindung und Aufdeckung von Kriegsverbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen eine wichtige Rolle spielen. Sie können aber auch als Sprachrohr für Hass, Rassendiskriminierung, Gewalt und Kriegspropaganda verwendet werden. Medien können eine entscheidende Rolle für die Förderung des Weltfriedens und die Versöhnungsorientierung von Gesellschaften spielen, auf der anderen Seite aber auch für Aufbau und Vertiefung von Hass sorgen, schwerwiegend destruktiv auf Gesellschaften und Staaten einwirken und hierdurch den Weltfrieden gefährden. Trotz der großen Bedeutung der Kriegsberichterstattung in Krisen- und Kriegszeiten wurde das Thema in völkerrechtlicher Hinsicht selten oder wenig ausführlich behandelt. Manche völkerrechtliche Regeln, welche die Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten behandeln, sind so unbestimmt formuliert, dass man aus ihnen nicht genau ableiten kann, welche Pflichten oder Rechte für die Kriegskorrespondenten daraus entstehen. Es herrscht ein allgemeiner Mangel an Kenntnissen über die Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten im Völkerrecht nicht nur bei den zuständigen Behörden und Soldaten, sondern auch bei den betroffenen Journalisten selbst.

9

Siehe dazu die Webseite des Committee to Protect Journalists (CPJ), abrufbar unter: http:// cpj.org/killed/, abgerufen am 02.05. 2012. 10 Rediske, Schutz in der Schusslinie?, in: Deutsche Welle (Hrsg.), „Sagt die Wahrheit: Die bringen uns um!“, 2001, S. 116.

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Einleitung

III. Der heutige Stand des Schutzsystems der Kriegskorrespondenten im Völkerrecht Neben den einschlägigen Normen des humanitären Völkerrechts finden sich in internationalen und regionalen Menschenrechtsverträgen Normen über die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit. Journalisten sind auch Gegenstand zahlreicher Resolutionen und Erklärungen der Vereinten Nationen und anderer regionaler Organisationen. Aber ein strenges globales Schutzsystem für Kriegskorrespondenten gibt es nicht und wird es mit großer Wahrscheinlichkeit auch in naher Zukunft nicht geben. Anfang der siebziger Jahre gab es Anstöße der UNO, eine Sonderkonvention zum Schutz von Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen abzuschließen. Diese sind aus verschiedenen Gründen nicht zustande gekommen. Als Alternative wurde Art. 79 dem 1. Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen von 1949 hinzugefügt. Auch die Regeln der Menschenrechte können die Regeln des humanitären Völkerrechts über Journalisten ergänzen. Aber inwieweit finden die Menschenrechtsnormen Anwendung in Kriegszeiten? Völkerrechtliche Konventionen enthalten nicht nur Regeln zum Schutz der Pressefreiheit und des Kriegskorrespondenten, sondern auch Regeln über Pflichten und Verantwortung der Kriegskorrespondenten, wie etwa das Verbot der Kriegspropaganda und der Aufstachelung zum Hass, zur Rassendiskriminierung und zur Gewalt. Gefragt wird auch hier, ob sich daraus eine Sorgfaltspflicht für Kriegskorrespondenten ergibt? Manchen dieser Regeln fehlt aber die Bestimmtheit oder es fehlt an einer hinreichenden Umsetzung in die nationalen Rechtssysteme. Obwohl das Normensystem der Kriegsberichterstattung heute noch zu wenig entwickelt ist, um den schwerwiegenden Gefahren für die Pressefreiheit und auch dem Schutz vor Kriegspropaganda in Krisenherden gewachsen zu sein, so lassen sich doch einige vielversprechende Lösungsansätze im Rahmen der Forschung erkennen. Deshalb ist die von mir vertretene Hauptthese dieser Arbeit: „Die Schutznormen von Kriegskorrespondenten im Völkerrecht im Kontext der neuen Arbeitsbedingungen und der zunehmend wichtigen Rolle der Medien während der Kriegszeiten und bei der Aufdeckung von Kriegsverbrechen sind unzulänglich“.

Um diese These zu überprüfen, werden mehrere Fragen, die das Pro und Contra widerspiegeln, gestellt. Anhand einiger praktischer Fälle werden Rechtsprobleme veranschaulicht, die verdeutlichen, warum die Rechtslage der Kriegskorrespondenten unbefriedigend ist. Durch Hinzufügen von Art. 79 zum 1. Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen 1977 als ausreichender Alternative für einen kompletten UNKonventionsentwurf, erhoffte man sich damals eine Verbesserung des Schutzes der Journalisten. Die sich daraus ergebene Frage lautet: Hat Art. 79 des 1. Zusatzprotokolls das gewünschte Ziel erreicht, oder bleibt die Frage des Schutzes von Journalisten immer noch unbeantwortet? Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Behandlung der humanitär völkerrechtlichen, menschenrechtlichen und auch völkerstrafrechtlichen Fragen, die für die

Einleitung

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Arbeit der Kriegskorrespondenten und ihre Rechtsstellung im Völkerrecht relevant sind. Die Arbeit beginnt im ersten Kapitel mit einer kurzen historischen Einleitung, die die Geschichte des Kriegskorrespondenten und erste Vorläufer seines Schutzes im Völkerrecht zeigt. Anschließend daran werden die Arbeitsbedingungen, unter denen die Kriegskorrespondenten ihre Tätigkeit ausführen, kurz dargestellt. Ziel dieser Darstellung ist die Erkundung der Atmosphäre, in welcher die Kriegsberichterstatter ihren Beruf ausüben. Das zweite Kapitel behandelt die Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht. Untersucht werden das Schutzsystem der Kriegskorrespondenten im humanitärem Völkerrecht und auch die Frage des Verlustes des Schutzstatus. Im dritten Kapitel geht es um die Rechte auf Meinungsäußerungs-, Informations- und Pressefreiheit auf internationaler und regionaler Ebene. Zudem wird auf das Verhältnis der Menschenrechte zum humanitären Völkerrecht am Anfang des Kapitels eingegangen. Geprüft wird an dieser Stelle auch, ob es völkerrechtliche Regeln gibt, die ein Recht auf Einreisefreiheit oder Schutz vor Ausweisung von Journalisten begründen können. Behandelt werden besonders die einschlägigen Bestimmungen in internationalen und regionalen Menschenrechtsverträgen, Erklärungen und Resolutionen. Im vierten Kapitel geht es um Pflichten der Kriegskorrespondenten. Die Untersuchung in diesem Kapitel beschäftigt sich mit der Problematik der Kriegspropaganda und Hassrede anhand der internationalen Abkommen und der Rechtsprechung. Behandelt werden auch Fragen der Zeugnispflicht der Kriegskorrespondenten vor internationalen Strafgerichten und des Verbots der Zurschaustellung von Kriegsgefangenen. Das fünfte und letzte Kapitel beschäftigt sich mit Lösungsansätzen und Möglichkeiten der Verbesserung des Schutzsystems für Kriegskorrespondenten.

Erstes Kapitel

Historische Einleitung und die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten A. Die Kriegsberichterstattung im geschichtlichen Verlauf Die Berichterstattung über den Krieg war durch die Geschichte hindurch immer eine attraktive und interessante Sache. Schon vor Tausenden Jahren haben Soldaten, Offiziere oder Zivilisten wie Gesandte und Geschäftsleute von ihren Erlebnissen in Kriegen berichtet. Beispiele aus der Geschichte gibt es viele. Manche von ihnen sind zu großartigen unvergesslichen literarischen Werken geworden. Julius Cäsar hat seine eigene Kriegsberichterstattung verfasst, um sich zu rechtfertigen und Beschuldigungen zuvorzukommen. Josephus Flavius hat den römischen Krieg gegen die Juden geschildert.11 Friedrich der Große verfasste eine Reihe von Darstellungen, um auf das eigene Volk und Heer einzuwirken. Diese Tradition übernahm auch Napoleon, der die Kriegsberichterstattung als Kampfmittel benutzte, um seine Ziele zu propagieren. Soldaten, Offiziere oder Zivilisten hatten aber zumeist keine institutionelle Beziehung zur Presse.12

I. Die Entstehung der professionellen Kriegsberichterstattung Mit der Entwicklung der Presse und der Kommunikationsmittel sowie der Zunahme des Öffentlichkeitswunsches, aktuelle und detaillierte Informationen über Kriegsgeschehnisse zu erhalten, entstand der Bedarf, professionelle Journalisten zum Schlachtfeld zu schicken. Als einer der ersten professionellen Kriegskorrespondenten gilt William Howard Russell, der seine Berühmtheit durch seine Berichterstattung aus dem Krim-Krieg erlangt hat. Als Sohn einer bürgerlichen Familie kam Russell am 28. März 1820 in der Grafschaft Dublin zur Welt.13 Er wuchs in einer Gesellschaft und Zeit heran, in

11

Rühl, Aspekte des Militärjournalismus, in: Hoppe (Hrsg.), „Wahr muss es sein“, 1989, S. 9; Furneaux, The First War Correspondent, 1944, S. 19. 12 Marx, Begriff und Rechtsstatus des Auslandskorrespondenten, in: Fischer (Hrsg.), Auslandskorrespondenten in der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 209. 13 Furneaux (Fn. 11), S. 8.

A. Die Kriegsberichterstattung im geschichtlichen Verlauf

23

der sich die öffentliche Meinung zum wesentlichen Machtfaktor herausbildete.14 Als miserabler Vater einer unglücklichen Sippe (so nannte er sich selbst) ist Russell, nach der Meinung vieler Autoren, der Begründer dieser Zunft von Journalisten.15 Durch seine Neutralität und Objektivität, seine Ernsthaftigkeit und durch gute geschichtliche Vorkenntnisse über die Themen seiner Berichterstattung wurde er zum Vorbild für die Kriegsberichterstatter der letzten 150 Jahre.16 Diese Eigenschaften brachten ihn natürlich häufiger mit den Militärs in Schwierigkeiten.17 Seine berühmte Frage an den damaligen Chefredakteur der „Times“, John Delane: „Am I to tell these things, or should I hold my tongue?“18, reflektiert mehr oder weniger die Schwierigkeiten, mit denen die Kriegskorrespondenten sich seit der Zeit von Russell bis heute bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in Krisengebieten konfrontiert sehen. Auf Wunsch von John Delane wurde Russell beauftragt, das britische Expeditionskorps ins Mittelmeer zu begleiten. Ziel der Operation war anfangs nur, die Unterstützung für das Osmanische Reich gegen eine russische Bedrohung zu demonstrieren. Zum ersten Mal in der Geschichte berichtete ein Journalist über die Verhältnisse an der Front.19 Seine Schilderungen vom Elend, von schlechter Verpflegung und unzulänglicher Ausrüstung schockierten damals die Öffentlichkeit.20 Russells Depeschen rüttelten die britische Nation auf. Ab dieser Zeit sind Kriege nicht länger nur Sache der Politiker und Generäle, sondern auch Sache der Öffentlichkeit. Auf der Krim war Russell aber nicht der einzige Kriegskorrespondent. Dort war auch Edwin Lawrence Godkin, ein Journalist der Londoner „Daily News“.21 Nach seiner erfolgreichen Berichterstattung über den Krimkrieg 1854 – 1856 schickte ihn die Times nach Indien, um über den indischen Aufstand 1857 zu berichten. Im Jahre 1861 reiste Russell infolge des Ausbruchs des amerikanischen Bürgerkrieges nach Amerika. Während des amerikanischen Bürgerkriegs gab es ca. 500 Kriegskorrespondenten, die auf der Seite der Union (Norden) arbeiteten. Russell war auch der Kriegsberichterstatter der Times im Konflikt zwischen Österreich und Preußen 1866 und zwischen Frankreich und Preußen 1870.22 Auch Winston Churchill, der Premierminister Großbritanniens während des Zweiten Weltkriegs, war einmal Kriegskorrespondent. Er begleitete den ägyptischbritischen militärischen Feldzug im Sudan 1898 als Kriegskorrespondent. Auch im 14

Russell, Meine Sieben Kriege, 2000, S. 9. Siehe dazu Knightley, The First Casualty: The War Correspondent as Hero and MythMaker from the Crimea to Iraq, London 2004, S. 2; McLaughlin, The War Correspondent, 2002, S. 6. 16 McLaughlin, ebd., S. 20. 17 Knightley (Fn. 15), S. 11. 18 Zitiert nach Knightley (Fn. 15), S. 6. 19 Russell (Fn. 14), S. 12. 20 Russell, ebd. 21 Knightley (Fn. 15), S. 6. 22 Russell (Fn. 14), S. 19 – 25; Knightley (Fn. 15), S. 19. 15

24

1. Kap.: Die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

Buren-Krieg von 1899 arbeitete er als Kriegskorrespondent.23 Unter den berühmten Nachfolgern von Russell findet man auch den amerikanischen Schriftsteller und Nobelpreisträger Ernest Hemingway. Er war ein engagierter Kämpfer für den Frieden, der vor und während des Zweiten Weltkriegs als Kriegskorrespondent bei den Invasionstruppen in Frankreich gearbeitet hat und dort auch selbst an Kampfhandlungen teilgenommen hat.24 Dass ein Bild manchmal mehr als tausend Worte sagen kann, ist ein Sachverhalt, der im Verlauf von 150 Jahren Kriegsberichterstattung belegt werden konnte. Wenn William Howard Russell als der erste Kriegsberichterstatter gilt, so wird Roger Fenton als der erste oder einer der ersten Photojournalisten des Krieges betrachtet. Seine Berühmtheit erlangte Fenton ebenfalls im Krim-Krieg. Schon bevor Fenton zur Krim reiste, hatte die britische Regierung 1854 den Versuch unternommen, die Fortschritte des Krim-Krieges durch die Entsendung von Photographen wie Gilbert Elliott und Richard Nicklin mit dem neuen Medium der Photographie zu dokumentieren. Elliots Bilder sind verschollen, Nicklin ertrank mit seinen Bildern auf der Schiffsrückfahrt von der Krim.25 Auf Vorschlag des britischen Verlegers Thomas Agnew reiste Fenton im Frühling 1855 zum Krim-Krieg. Er hielt sich vier Monate auf den Schlachtfeldern der Krim auf und machte 360 Aufnahmen. Fenton machte keine Bilder vom Schlachtgeschehen, die die negativen Auswirkungen des Krieges schilderten. Seine Aufnahmen von den Camps der britischen Armee und der Umgebung des Schlachtortes waren für die Kommandeure der Alliierten bestimmt. Die Zurückhaltung Fentons könnte man im Rahmen seines Auftragsziels, nämlich dem der Propaganda verstehen. Er sollte nur Bilder aufnehmen, die zeigten, dass alles auf dem Schlachtfeld sehr gut verlief. Es könnte aber auch sein, dass das damalige begrenzte technische Potenzial der Photographie und die ungünstigen Wetterbedingungen eine Rolle spielten. 26 Die technischen Bedingungen, unter denen die Kriegskorrespondenten heute arbeiten, haben sich komplett verändert. In der Zeit von Russell (1854) erreichten die Nachrichten vom Krim-Krieg erst Tage oder sogar Wochen nach dem Ereignis Großbritannien.27 Damals befand sich die Telegraphentechnik, die erst 1843 erfunden wurde, noch in den Kinderschuhen.28 Im Zeitalter der digitalen Satellitenübertragung werden große Ereignisse live und ohne Zeitverzögerung in alle Winkel der Welt übertragen. 23

S. 89.

Siehe dazu Woods (ed.), Winston S. Churchill: War Correspondent 1895 – 1900, 1992,

24 Siehe Astre, Ernest Hemingway, 1964, S. 130 – 137; Brüning, Ernest Hemingway – Humanist und Antifaschist, 1985, S. 11 und 12. 25 McLaughlin (Fn. 15), S. 29. 26 Klein/Steinsieck, Geschichte der Kriegsberichterstattung im 20. Jahrhundert, 2006, S. 16; Dominikowski, Massenmedien und Massenkrieg, in: Löffelholz (Hrsg.), Krieg als Medienereignis II, 2004, S. 64; Knightley (Fn. 15), 13. 27 Foggensteiner, Reporter im Krieg, 1993, S. 36. 28 McLaughlin (Fn. 15), S. 25.

A. Die Kriegsberichterstattung im geschichtlichen Verlauf

25

Den spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 bezeichnet man als den Krieg der Journalisten. In diesem Krieg führten die Kriegskorrespondenten ihre Tätigkeit unter vergleichbar freien Arbeitsbedingungen wie beim Vietnamkrieg durch.29 Der BurenKrieg (1899 – 1902) in Südafrika kann als der erste Medienkrieg bezeichnet werden. In diesem Krieg bediente man sich nicht nur der Presse und der Fotografie, sondern auch des Films.30 Unter den Bedingungen des Radios während des Zweiten Weltkrieges konnten die Kriegskorrespondenten den Kriegsverlauf mit einem hohen Grad an Aktualität und Intimität übermitteln, dem gedruckte Worte oder Bilder nichts entgegensetzen konnten. Doch es war ähnlich wie bei der Erfindung des Telegraphen: Die Kriegskorrespondenten mussten sich der neuen Technologie anpassen. Während sie bei der Nutzung des Telegraphen die Kriegsereignisse ökonomisch schildern mussten, ermöglichte das Radio durch die Schilderung der Kriegskorrespondenten dem Zuhörer eine neue Nähe zu den Kriegsereignissen.31 Die große Bedeutung des Radios als Medium für Kriegspropaganda zeigte sich erstmals während des Zweiten Weltkrieges. Während dieses Krieges wurde eine große Zahl von Kriegskorrespondenten eingesetzt. Die Vereinigten Staaten von Amerika setzten alleine 1.646 akkreditierte Kriegskorrespondenten, darunter 127 Frauen, ein. Die Kriegsberichterstattung war Bestandteil des „war effort“ der Kriegführenden.32 Im Vietnamkrieg hat die Kriegsberichterstattung durch die „Wohnzimmer-Übertragung“ von Kriegsbildern eine neue Phase erreicht. Die durch das Fernsehen übermittelten Bilder von getöteten und verwundeten US-amerikanischen Soldaten hatten negative Auswirkungen auf die Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten und änderten deren Einstellung gegenüber diesem Krieg. Man kann durchaus sagen, dass zum ersten Mal in der modernen Geschichte das Ergebnis eines Krieges auf dem Fernsehbildschirm und nicht auf dem Schlachtfeld entschieden wurde.33 Auch wenn eine solche Aussage eine Übertreibung enthielte, ist es aber gewiss, dass dieser Krieg ohne diese tägliche Fernsehübertragung nicht so verhasst gewesen wäre.34 Der damalige US-amerikanische Präsident Nixon realisierte, dass die Fernsehdarstellung vom Vietnamkrieg die „Heimatfront“ demoralisierte und fragte sich, ob Amerika je wieder in der Lage sein würde, einen Krieg gegen einen ausländischen Feind zu führen, ohne das eigene Volk damit zu spalten.35 Im Zeitalter des Fernsehens wurden die militärischen Konflikte der Öffentlichkeit in allen Ländern der Welt nahe gebracht. Kriege der sechziger und siebziger Jahre wie der Sechs-Tage-Krieg, den Israel gegen Ägypten, Syrien und Jordanien 1967 29 30 31 32 33 34 35

Ebd., S. 28. Ebd., S. 34. Ebd., S. 36. Steinbeck, Once there was a war, 1961, S. 11. McLaughlin (Fn. 15), S. 38. Siehe Rühl (Fn. 11), S. 14. McLaughlin (Fn. 15), S. 39.

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1. Kap.: Die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

führte, der Yom-Kippur-Krieg von 1973 zwischen Israel auf der einen Seite und Ägypten und Syrien auf der anderen Seite und die türkische Invasion auf Zypern 1974, alle wurden über das Fernsehen übertragen. In den 90er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erlebte die Welt über die digitale Satellitenübertragung eine Informationsrevolution. Als erster konnte der Nachrichtensender CNN Ende der 80er Jahre weltweit und live über große Weltereignisse wie politische Umwälzungen in Osteuropa, den August-Putsch in Moskau 1990 und den Golfkrieg von 1991 berichten. Mit der Unmittelbarkeit der Live-Übertragung von großen Ereignissen und Kriegen sprach man von da an vom so genannten CNNEffekt. Man meinte damit, dass Medien den Verlauf eines Krieges ändern und dessen Ende beschleunigen könnten. Eine Idee, die ihren Ursprung im Vietnamkrieg hatte.36 Entscheidend für den Ruf und die Glaubwürdigkeit des Medienkonzerns wurde jetzt die Fähigkeit zur Live-Übertragung von Ereignissen.37 Das bedeutete, man musste mit der Kamera zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Die Geschwindigkeit der Nachrichtenübertragung setzt Journalisten zunehmend unter Zeitdruck, so dass Präzision und Qualität des Nachrichteninhalts unter der Konkurrenz zwischen den Medienkonzernen leiden. Aber auch der Journalistenwunsch, über die Ereignisse aktuell und live zu berichten, geht häufig zu Lasten des Inhalts.38 Über diese Problematik schrieb Victoria Clarke, Pentagon-Sprecherin unter dem ehemaligen USamerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld: „We can be quick, or we can be accurate, but [it] is a challenge to be both at the same time.“39

II. Erste Vorläufer zum Schutz der Kriegskorrespondenten im Völkerrecht Vor Erwähnung der ersten Vorläufer zum Schutz der Kriegskorrespondenten im neunzehnten Jahrhundert soll darauf hingewiesen werden, dass die Verankerung der Pressefreiheit als Menschenrecht in mehreren Staatsverfassungen in jener Zeit eine unerlässliche rechtliche Grundlage für die freie Berufsausübung der Journalisten in Friedens- und Kriegszeiten war. Die Verankerung der Grundrechte steht in Zusammenhang mit der Geburt des bürgerlichen Verfassungsstaates der modernen Zeit, der seine Vorbilder in der Amerikanischen und Französischen Revolution gefunden hat.40 Die „Bill of Rights of Virginia“ vom 12. Juni 1776 enthält die erste moderne 36 37 38

S. 41. 39 40

Klein/Steinsieck (Fn. 26), S. 34. Kopper, Transatlantic Reporting, 2006, S. 11; Klein/Steinsieck (Fn. 26), S. 10. Hess, International News & Foreign Correspondents, 1996, S. 64; McLaughlin (Fn. 15), Zitiert nach Hess/Kalb, The Media and the War on Terrorism, 2003, S. 7. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 2002, S. 6.

A. Die Kriegsberichterstattung im geschichtlichen Verlauf

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Menschenrechtskodifizierung der Welt, in der die Pressefreiheit in Art. 12 verankert wurde: „Die Freiheit der Presse ist eines der starken Bollwerke der Freiheit und kann nur durch despotische Regierungen beschränkt werden.“41

Ähnlich ausdrückliche Erwähnungen der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit findet man in den Verfassungen anderer amerikanischer Staaten wie in den Verfassungen von Pennsylvania, Maryland und North Carolina. Die Menschenrechte von 1776, die auf dem humanitären Rationalismus ruhten, hatten eine explosive Wirkung auf die Formulierung und den Inhalt der in der Folgezeit der Französischen Revolution verabschiedeten „Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“ von 1789, deren erster Satz in Art. 1 lautet, dass die Menschen frei und gleich an Rechten geboren sind, und die die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit in Art. X und XI verankert hatte. Die liberalen amerikanischen und französischen Konzepte über Menschenrechte entfalteten später ihre Wirkung auf dem europäischen Kontinent und in der ganzen Welt.42 Außerdem sind Kriegskorrespondenten wegen der Natur ihrer Arbeit zusätzlichen Gefahren ausgesetzt. Neben anderen Kriegsgefahren riskieren sie auch, als Spione behandelt zu werden. Im Bewusstsein dieser Gefahren und in Anerkennung der wachsenden Rolle der Presse im alltäglichen Leben, insbesondere in Kriegszeiten, fing man seit der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts an, der Frage des Schutzes der Kriegskorrespondenten eine zunehmende Aufmerksamkeit beizumessen. Der während des amerikanischen Bürgerkriegs ausgearbeitete Lieber Code von 1863, der den ersten Versuch, das Kriegsrecht zu kodifizieren, darstellt, sieht in Art. 50 vor, dass Redakteure oder Berichterstatter der Zeitungen als Kriegsgefangene behandelt werden können, wenn sie in Gefangenschaft geraten.43 Obwohl der Lieber Code nur für die US-amerikanischen Streitkräfte rechtlich verbindlich war, war sein Einfluss auf die Kodifizierung des Kriegsrechts und die Verabschiedung von ähnlichen Bestimmungen in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts sehr groß.44 Auch Art. 34 der Brüsseler Erklärung von 1874 enthält eine Bestimmung über die Behandlung der Korrespondenten und Zeitungsberichterstatter als Kriegsgefangene, vorausgesetzt, dass sie sich im Besitz einer von der zuständigen Behörde ausgestellten Genehmigung und eines Identitätszertifikats befinden: „Individuals in the vicinity of armies but not directly forming part of them, such as correspondents, newspaper reporters, sutlers, contractors, etc., can also be made prisoners. 41 Art. 12 der Verfassung von Virginia, zitiert nach Gornig, Äußerungsfreiheit und Informationsfreiheit als Menschenrechte, 1988, S. 68. 42 Siehe dazu Ritter, Ursprung und Wesen der Menschenrechte, in: Schnur (Hrsg.), Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, 1964, S. 224; Pieroth/Schlink (Fn. 40), S. 7. 43 Siehe Art. 50 des Lieber Codes von 1863, in: Schindler/Toman (eds.), The Laws of Armed Conflicts, 1988, S. 11. 44 Ebd., S. 3.

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1. Kap.: Die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten These prisoners should however be in possession of a permit issued by the competent authority and of a certificate of identity.“45

Der Wortlaut des Artikels 34 ist nicht klar genug. Man kann darunter verstehen, dass Personen, welche die Streitkräfte begleiten, ohne in sie eingegliedert zu sein, wie Korrespondenten und Zeitungsberichterstatter in Kriegsgefangenschaft genommen werden können, wenn sie mit einer Genehmigung und einem Identitätszertifikat ausgestattet sind. Unter dem Wortlaut könnte man auch verstehen, dass Korrespondenten, welche dieses Zertifikat nicht haben, freigelassen werden. Mit Sicherheit ist dies nicht der Sinn und Zweck dieser Bestimmung.46 Besser formuliert ist Art. 22 des Oxford-Manuals von 1880, der vorsieht, dass Personen, die als Korrespondenten die Streitkräfte begleiten, ohne in sie eingegliedert zu sein, als Kriegsgefangene interniert werden können, wenn sie in die Hand des Feindes fallen.47 Die zweite Haager Konvention von 1899 gilt als die erste internationale Konvention, die den Kriegskorrespondenten einen humanitär völkerrechtlichen Schutz gewährt. Gemäß Art. 13 der Konvention haben Kriegskorrespondenten und Zeitungsberichterstatter, die einem Heere folgen, ohne ihm unmittelbar anzugehören, wenn sie in die Hand des Feindes geraten und diesem ihre Festhaltung zweckmäßig erscheint, das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangene.48 Diese Artikel bildeten die Basis für ähnliche Bestimmungen über die Rechtsstellung der Kriegskorrespondenten gemäß Art. 13 der Haager Landkriegsordnung von 1907 (HLKO), Art. 81 der Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen von 1929 (GK) und Artikel 4 (A) Nr. 4 der dritten Genfer Konvention von 1949.49

B. Definition des Kriegskorrespondenten Der Beruf des Kriegskorrespondenten hat sich schnell entwickelt. Früher konnte man unter diesem Beruf jene akkreditierten Vertreter der Presse kategorisieren, welche kämpfende Armeen begleiteten.50 Dieses Verständnis ist aber jetzt zu eng und passt nicht mehr zu der Entwicklung des Berufs in den letzten Jahrzehnten. Die Definierung des Journalisten bzw. des Kriegskorrespondenten bereitete oft Schwierigkeiten.51 Das humanitäre Völkerrecht unterscheidet – ohne sie im Ein45

Art. 34 der Brüsseler Erklärung von 1874, zitiert nach Schindler/Toman (Fn. 43), S. 31. Scott (ed.), The Reports to the Hague Conference of 1899 und 1907, 1917, S. 143. 47 Siehe Art. 22 des Oxford-Manuals von 1880, in: Schindler/Toman (Fn. 43), S. 40. 48 Siehe Art. 13 HLKO von 1907, RGB1. 1910, S. 137; siehe auch Art. 13 der zweiten Haager Konvention von 1899 und Art. 13 HLKO von 1907, in: Schindler/Toman (Fn. 43), S. 79. 49 Siehe Art. 4 (A) Nr. 4 GK III, BGB1. 1954 II, S. 839; Art. 81 GK von 1929, RGB1. 1934 II, S. 251; vgl. Scott (Fn. 46), S. 144. 50 Furneaux (Fn. 11), S. 18. 51 Vgl. Thoolen, Protecting Journalists: A Dangerous Mission?, in: Hingorani (ed.), Humanitarian Law, 1993, S. 67. 46

B. Definition des Kriegskorrespondenten

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zelnen zu definieren – zwischen zwei Kategorien von Journalisten, die in Konfliktgebieten arbeiten und deren Aufgabe die Berichterstattung über Ereignisse des Konflikts ist, nämlich akkreditierte Kriegskorrespondenten und unabhängige Journalisten.52 Akkreditierte Kriegskorrespondenten sind Journalisten, die den Streitkräften folgen, ohne in sie eingegliedert zu sein. Der Journalist muss eine Ermächtigung für seine Tätigkeit als Kriegsberichterstatter von den Streitkräften, die er begleitet, erhalten.53 Das sind die Kriegskorrespondenten im Sinne von Art. 4 (A) Nr. 4 der dritten Genfer Konvention von 1949 (GK III). Um den Schutz der Journalisten zu verbessern, ohne den in Art. 4 (A) Nr. 4 GK III vorgesehen Status zu berühren, spricht Art. 79 des ersten Zusatzprotokolls der Genfer Konventionen von 1949 (ZP I) von Journalisten, die in Gebieten eines bewaffneten Konflikts gefährliche berufliche Aufträge ausführen.54 Unabhängige Journalisten (z. B. Journalisten, die einem Medienunternehmen angehören oder „freelance journalists“) sind nicht bei den Streitkräften einer der Kriegsparteien nicht akkreditiert. Sie befinden sich aber in Gebieten eines bewaffneten Konflikts, um über Ereignisse des Konflikts Bericht zu erstatten. Art. 79 ZP I umfasst somit beide Kategorien. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien gab im Fall Talic´ im Jahre 2002 eine weite Definition von Kriegskorrespondenten: „By ,war correspondents‘, the Appeals Chamber means individuals who, for any period of time, report (or investigate for the purposes of reporting) from a conflict zone on issues relating to the conflict.“55

Folgt man dieser Definition des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), sind mit Kriegskorrespondenten nicht nur Kriegskorrespondenten im Sinne von Art. 4 (A) Nr. 4 GK III gemeint, sondern Kriegskorrespondenten im weiten Sinne. Kriegskorrespondenten im weiten Sinne umfassen akkreditierte und nichtakkreditierte Journalisten. Zu ihnen gehören aber nicht Mitglieder der Armeen wie Offiziere oder Soldaten, die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen oder über den Krieg Bericht erstatten. Der Kriegskorrespondent riskiert sein Leben, um über einen Konflikt, eine Schlacht, die Stimmung der Soldaten oder das Leiden der Zivilisten und den Umfang der Zerstörung zu berichten.56 Das Mitleid mit den Opfern des Krieges und der Wunsch, die Wahrheit zu ergründen, können unter anderem Motive hierfür sein. Aus unterschiedlichen, wenn auch überwiegend ähnlichen Motivationen entscheiden sich 52

Balguy-Gallois, Protection des journalistes et des médias en période de conflit armé, Revue international de la Croix-Rouge, 2004, N. 853, S. 38. 53 Siehe Art. 4 (A) Nr. 4 GK III. 54 Siehe Art. 79 ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1610. 55 Siehe ICTY, Beschluss der Appeals Chamber vom 11. Dezember 2002, Prosecutor v. Radoslav Brdjanin and Momir Talic´, Case No. IT-99-36-AR73.9, Decision on Interlocutory Appeal, Paragraph 29, abrufbar über die Webseite des ICTY unter: http://www.icty.org/x/cases/ brdanin/acdec/en/randall021211.htm, abgerufen am 05.05. 2012. Im Folgenden: Beschluss der ICTY-Appeals Chamber im Fall Talic´ vom 11. Dezember 2002, Case No. IT-99-36-AR73.9. 56 Richter, Journalisten zwischen den Fronten, 1999, S. 34.

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1. Kap.: Die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

Journalisten für die Tätigkeit des Kriegskorrespondenten. Manche suchen aber auch ganz banal „excitement“, eine „good story“ oder schnelle Berühmtheit. Andere wiederum wollen dort sein, wo Geschichte geschrieben wird.57 Die Kriegsberichterstattung ist eine Sonderform des Journalismus.58 Sie ähnelt in diesem Zusammenhang der Tätigkeit des Auslandskorrespondenten. Da Kriege meist in anderen Staaten ausbrechen, befindet sich infolgedessen der Kriegskorrespondent während der Ausübung seiner Tätigkeit im Ausland. Da sowohl Kriegskorrespondenten als auch Auslandskorrespondenten ihren Beruf überwiegend im Ausland ausüben, erleben sie ähnliche Arbeitsbedingungen in Bezug auf beispielsweise die Visumserteilung, Aufenthaltsgenehmigung, Ausweisung, Schikanierungen durch Staatsbehörden, Festnahme oder sogar gezielten Mord. In manchen Fällen arbeitet ein Auslandskorrespondent als Kriegsberichterstatter, wenn ein bewaffneter Konflikt in dem Staat oder der Region ausbricht, wo er sich bereits aufhält oder früher gearbeitet hat. Der Vorteil in diesem Fall ist, dass der Journalist schon mit den Zusammenhängen und Hintergründen des Konflikts und mit der politischen und sozialen Lage in der Region vertraut ist. Er verfügt dann oft über gute Fachkenntnisse über die Region. Das hilft ihm, nicht nur bei der Verarbeitung des journalistischen Materials, sondern auch bei der Gewährung seiner persönlichen Sicherheit als Journalist.59

C. Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten Vor der Behandlung völkerrechtlicher Aspekte, die den Kern des hier behandelten Themas darstellen, wird nachfolgend ein Überblick bezüglich der Arbeitsbedingungen von Kriegskorrespondenten erfolgen, denn eine hinreichende Beurteilung der Rechtslage der Kriegskorrespondenten muss die Ergründung der Arbeitsatmosphäre dieses Berufsstandes mit einbeziehen. In Gebieten bewaffneter Konflikte treffen die Kriegskorrespondenten auf kriegsspezifische Gefahren. Seit der Zeit von William Howard Russell im KrimKrieg 1854 – 1856 bis zum Irak-Krieg 2003 beschweren sich Kriegskorrespondenten über Schikanierungen seitens des Militärs und über Versuche, sie zu kontrollieren.60 Die technischen Innovationen haben die Arbeitsbedingungen der Kriegsberichterstatter seit der Zeit von Russell bis in unsere Zeit erheblich verbessert. Die Digitalisierung hat nicht nur die Herstellung von Bild- und Tonmaterial erleichtert, sondern auch die Arbeit der Kriegskorrespondenten vor Ort durch die satellitengestützte

57 58 59 60

McLaughlin (Fn. 15), S. 7; Klein/Steinsieck (Fn. 26), S. 20; Paul (Fn. 5), S. 77. Richter (Fn. 56), S. 32. Richter, ebd., S. 33. Knightley (Fn. 15), S. 6.

C. Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

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Übertragung vereinfacht und beschleunigt.61 Dieser Fortschritt hat aber auch den Nachteil der Verkürzung der Zeitspanne, die dem Kriegskorrespondenten bleibt, um seine Erlebnisse und Informationen zu verarbeiten. Die Umstände von Zensur und Propaganda, welche die Journalisten in Krisengebieten eingehen, haben sich seit den Anfängen im 19. Jahrhundert bis heute nur unwesentlich verändert.62 Aber die Arbeitsgefahren haben in den letzten Jahren offensichtlich zugenommen. Die Statistik von Presseorganisationen wie „Committee to Protect Journalists“ zeigen schlaglichtartig, dass sich die Zahl der Journalisten, die in Konfliktgebieten in den letzten zehn Jahren getötet worden sind, im Vergleich mit früheren bewaffneten Konflikten mehrfach verdoppelt hat. Während im Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) nur zwei Journalisten und im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) 68 Journalisten nach Angaben des „Freedom Forums“ getötet wurden, beträgt die Zahl der getöteten Journalisten während des Koreakriegs (1950 – 1953) 17 Journalisten, während des Vietnamkriegs (1955 – 1975) 66 Journalisten und während des Irakkriegs (die Statistik deckt den Zeitraum von 2003 bis 2009 ab) 139 Journalisten.63 Das Beispiel des Irakkriegs zeigt deutlich, wie gefährlich die Arbeit der Kriegskorrespondenten geworden ist. Zu merken ist auch, dass die Mehrheit der Opfer unter Journalisten (ca. 105 Journalisten) während des Irakkriegs von Rebellen und anderen bewaffneten Gruppen getötet wurden.64 Journalistische Arbeitsgefahren in Kriegsgebieten beschränken sich nicht nur auf Tod oder körperliche Verletzung, sondern umfassen auch andere Gefahren wie Entführung, Vorwurf der Spionage, Festnahme und Internierung. Beispielsweise beträgt die Zahl der entführten Journalisten im Irak im Zeitraum von 2003 bis 2009 ca. 57 Journalisten. Viele von ihnen wurden umgebracht.65 Daneben erhöhen zusätzliche Faktoren das Arbeitsrisiko der Kriegskorrespondenten: Während ihrer Arbeit sind die Kriegsberichterstatter nicht nur physischen Gefahren, sondern auch einer Vielzahl von militärischen, politischen, technologischen und auch wirtschaftlichen Pressionen ausgesetzt. Die Jagd nach dem Scoop ist ein Teil der Konkurrenz zwischen den Presseunternehmen.66 Jeder versucht, die sensationelle Nachricht als Erster zu bekommen, um die Meinungsführerschaft zu erlangen – auch um sie besser und teurer verkaufen zu können.67 Im Rahmen dieser Konkurrenz und der Jagd nach dem Knall befindet sich der Journalist unter Zeitdruck. Er muss immer in der Lage sein, schnelle Wechsel von einem Einsatzort zum nächsten zu bewerkstelligen. Durch rasante Ortswechsel kann der Journalist in vielen Fällen die 61

Foggensteiner (Fn. 27), S. 43. Klein/Steinsieck (Fn. 26), S. 45. 63 Siehe die Webseite des „Committee to Protect Journalists“, abrufbar unter: http://cpj.org/ reports/2008/07/journalists-killed-in-iraq.php, abgerufen am 05.05. 2012. 64 Ebd. 65 Siehe die Webseite des „Committee to Protect Journalists“, abrufbar unter: http://cpj.org/ reports/2008/04/abducted.php, abgerufen am 05.05. 2012. 66 Löffelholz, Krisen- und Kriegskommunikation als Forschungsfeld, in: Löffelholz (Fn. 26), S. 25; Richter (Fn. 56), S. 56. 67 Foggensteiner (Fn. 27), S. 31. 62

32

1. Kap.: Die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

notwendigen Vorbereitungen nicht leisten. Diese Kombination von Zeitdruck, Schnelligkeit, Jagd nach dem „Scoop“ und Konkurrenz erhöht die Risiken, auf die sich Kriegskorrespondenten in Kriegsgebieten einlassen.68 Unter solchen Umständen ist auch die journalistische Sorgfaltspflicht in Frage gestellt. Die alte Regel „get it first, but first get it right“ kann allzu oft nicht eingehalten werden.69

I. Zunahme der Arbeitsgefahren als Folge der Veränderung der Natur bewaffneter Konflikte Die klassischen Kriege in früherer Zeit wurden in der Regel durch uniformierte Soldaten in einer begrenzten Frontzone und in beschränkter Zeit geführt. Besonders aufgrund des Kriegsrechts mussten die Kriegsparteien Zivilisten verschonen. Die Opfer der Kriege waren überwiegend Kombattanten. In den bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts geführten Kriegen stellten die Kombattanten im völkerrechtlichen Sinne 90 % der Opfer dar. Mit der Zunahme der asymmetrischen Kriege ist die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kombattanten massiv zurückgetreten. 80 % der Opfer von bewaffneten Konflikten sind Zivilisten, lediglich 20 % der Opfer fallen unter die Kategorie Kombattanten.70 Die Zunahme der asymmetrischen Kriege führte zu Problemen bei der Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts. Das humanitäre Völkerrecht basiert auf der Vermutung, dass Kriege zumeist zwischen gleichen Parteien oder zwischen Staaten ausbrechen, die im Hinblick auf den Grundsatz der Reziprozität Interesse an der Beachtung der Regeln des humanitären Völkerrechts haben, weil die wechselseitige Beachtung der humanitären Regeln im Interesse beider Kriegsparteien ist und ihnen unnötiges Leiden erspart.71 In den letzten Jahrzehnten hat sich die Bilanz der Stärke auf Grund der technologischen Entwicklung geändert. In vielen Situationen brechen bewaffnete Konflikte nicht mehr zwischen gleichen, sondern zwischen ungleichen Parteien aus. Während eine sehr starke Partei z. B. durch den Einsatz ihrer hochtechnologischen Waffen anstrebt, den Krieg schnell zu beenden und das Risiko für ihre eigenen Soldaten möglichst (zero death-strategies) zu minimieren,72 sieht sich eine schwächere Partei gezwungen, unerlaubte Kriegsmittel und Methoden zu benutzen, um einem starken Feind in einem asymmetrischen Krieg entgegenwirken zu können. Die schwächere Partei 68 Bizimana, Les risques du journalisme dans les conflits armés, Communication, Vol. 25, N. 1, 2006, S. 90. 69 Richter (Fn. 56), S. 58. 70 Münkler (Fn. 8), S. 28. 71 Sandoz, International Humanitarian Law in the Twenty-First Century, Yearbook of International Humanitarian Law, Vol. 6, 2003, S. 20; Fleck, International Humanitarian Law after September 11. Challenges and the Need to response, Yearbook of International Humanitarian Law, Vol. 6, 2003, S. 60. 72 Epping, Confronting New Challenges, in: Heintschel von Heinegg/Epping (eds.), International Humanitarian Law Facing New Challenges, 2007, S. 5; Oeter, Is the Principle of Distinction outdated?, in: Heintschel von Heinegg/Epping (Fn. 72), S. 54 – 58.

C. Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

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greift deswegen zu unerlaubten Methoden, wie die Benutzung von Zivilpersonen und zivilen Objekten als Schutzschilder, um militärische Ziele vor Angriffen des Feindes abzuschirmen oder eigene Kriegshandlungen zu verdecken sowie Angriffe auf die Zivilbevölkerung des Feindes, Terroranschläge und Geiselnahmen.73 Als Folge der asymmetrischen Kriege schwinden nicht nur die Frontlinien und der Grundsatz der Unterscheidung zwischen Zivilbevölkerung und Kombattanten, auch das Konzept der militärischen Ziele wird erweitert, um auch zivile Objekte einzuschließen, die auf Grund der Möglichkeit ihres Doppelgebrauchs oder ihrer wirtschaftlichen oder politischen Bedeutung für das feindliche Regime oder für die Fortsetzung des Kriegs notwendig erscheinen. Infolgedessen sind Angriffe auf Radio- und TV-Stationen, Kommunikations- und Kommandozentren, Stromeinrichtungen, Brücken, Fabriken, Paläste und Büros der politischen Führung ein zunehmendes Phänomenen in den letzten bewaffneten Konflikten geworden.74 Zudem spielt auch als einer der Faktoren der Nichtbeachtung der Regeln des humanitären Völkerrechts die Tatsache eine Rolle, dass meist eine oder mehrere unter den am Krieg beteiligten Parteien keine Staaten sind, die Vertragsparteien der Genfer und Haager Konventionen sind und sich deshalb auch nicht an die Regeln des humanitären Völkerrechts gebunden fühlen. Infolge der Einbeziehung der Zivilbevölkerung in die Kriegsführung zählen heutzutage Terrorakte gegen Unbeteiligte, Geiselnahme, Entführung von Kriegskorrespondenten und vorsätzliche Angriffe auf sie zu den Erscheinungsformen der asymmetrischen Kriege.75 Durch die technologische Entwicklung, die eine liveÜbertragung von dem Ort des Geschehens ermöglicht, kann die ganze Welt durch Kriegsberichterstattung sehen und wissen, was in Konfliktgebieten passiert. Im Gewirr asymmetrischer Kriege, in denen Zivilisten ein leichtes Ziel für Angriffe geworden sind, sind Kriegskorrespondenten per se ein Ziel für die Kriegsparteien, weil sie vermeiden wollen, dass ihre Grausamkeiten durch Journalisten vor der ganzen Welt gezeigt werden oder weil sie Journalisten für Spione oder Agenten des Feindes halten. Damit sind die Medien zum Bestandteil der Kriegsführung geworden und das Abzielen auf Kriegskorrespondenten Teil der asymmetrischen Kriegsführung.

II. Die Akkreditierung von Journalisten Die Macht und die Wirkung der Medien auf das Publikum sind bei Politikern und Militärs gefürchtet. Deswegen stellen die Behörden Spielregeln auf, welche die Berichterstatter einhalten müssen. Teil dieser Regeln sind die sogenannten Akkre-

73

Schmitt, Asymmetrical Warfare and International Humanitarian Law, in: Heintschel von Heinegg/Epping (Fn. 72), S. 16, 23, 28 und 32; Tumber, Reporting under Fire, in: Zelizer/Allan (eds.), Journalism after September 11. 2003, S. 249. 74 Oeter (Fn. 72), S. 56. 75 Vgl. Reeb, Öffentlichkeit als Teil des Schlachtfeldes, in: Löffelholz (Fn. 26), S. 199.

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1. Kap.: Die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

ditierungs- oder Beglaubigungsschreiben, die quasi als Eintrittskarte zum Kriegsgebiet gelten können.76 Die Akkreditierung ist ein Ausweis, der dem Journalisten in der Regel Zugang zu Ministerien, Behörden oder Krisengebieten verschafft.77 Um ein Kriegskorrespondent im Sinne des humanitären Völkerrechts zu werden, muss der Journalist offiziell akkreditiert sein. Eine Voraussetzung für eine Akkreditierung kann z. B. sein, dass der Journalist bei einer bestimmten Behörde anmeldet, dass er bei einer Zeitung unter Vertrag steht. Manchmal wird der Zeitung eine gewisse Zahl von Journalisten zugewiesen.78 Die Akkreditierung wird oft als Mittel zur Kontrolle von Journalisten genutzt. Der Europarat forderte deswegen in seiner Empfehlung über den Schutz von Journalisten von 1996 die Mitgliedstaaten auf, dass eine Akkreditierung die Arbeit der Journalisten erleichtern soll, und dass Ausweisungen illegitim sind.79

III. Die „Eingebetteten Journalisten“ Der Begriff „Eingebetteter Journalist“ oder „Embedded Journalist“ bezeichnet einen zivilen Kriegskorrespondenten, der im Krieg einer kämpfenden Militäreinheit zugewiesen wurde. Der Begriff und die ihm gewidmete Aufmerksamkeit sind neu, das Konzept an sich aber nicht. Schon in den Kampfverbänden des vorigen Jahrhunderts gab es Kriegsberichterstatter, die als „Embedded Journalists“ bezeichnet werden können.80 Obwohl das Konzept eine gewisse Ähnlichkeit mit den deutschen Propagandakompanien im Zweiten Weltkrieg hat, gibt es doch einen Unterschied. Der Berichterstatter der deutschen Propagandakompanien war ein befehlsgebundener Soldat; dagegen ist der eingebettete Journalist Zivilist, selbst wenn er in Uniform und auf seine militärische Einheit logistisch angewiesen ist. Im FalklandKrieg zwischen Großbritannien und Argentinien 1982 sind viele Journalisten mit den britischen Soldaten zusammen auf den Schiffen der königlichen Marine nach Falkland gereist.81 Es gab damals einfach kein anderes Verkehrsmittel zu den im Süden des Atlantiks liegenden isolierten Inseln. Im Irak-Krieg 2003 ist aber das System des „Embedded Journalist“ zur medienpolitischen Maßnahme mutiert. Es 76

Foggensteiner (Fn. 27), S. 69. Wagner, Auslandskorrespondent/in, 2001, S. 161; Richter (Fn. 56), S. 80. 78 Klein/Steinsieck (Fn. 26), S. 37. 79 Siehe die Empfehlung des Europarats vom 3. Mai 1996 über den Schutz von Journalisten in Situationen des Konflikts und der Spannungen, Prinzip Nr. 11, abrufbar unter: https://wcd. coe.int/com.instranet.InstraServlet?command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetIm age=538831&SecMode=1&DocId=540084&Usage=2, abgerufen am 06.05. 2012. 80 Siehe dazu Tumber/Palmer, Media at War, 2004, S. 13; Paul (Fn. 5), S. 76; Knightley (Fn. 15), S. 531; Gasser, The Journalist’s Right to Information in Time of War and on Dangerous Missions, Yearbook of International Humanitarian Law, Vol. 6, 2003, S. 83; Klein/ Steinsieck (Fn. 26), S. 36; Donsbach/Jandura, Kriegsberichterstatter oder willfährige Propagandisten, Medien- und Kommunikationswissenschaft 53 (2005), S. 298. 81 Knightley (Fn. 15), S. 478. 77

C. Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

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war eine organisierte Strategie, die während der Vorbereitungen für den Irak-Krieg gut geplant wurde.82 Der Anwendung des „Embedded Journalist“-Systems stand der technologische Fortschritt zur Seite. Mit dem Einsatz von Digitalkameras waren die Journalisten nicht mehr von der Anwesenheit einer großen Crew abhängig, um ihre Berichte zu produzieren. Es war nun möglich, dass nur ein Journalist die verschiedenen Aufgaben des Reporters, Kameramanns und Redakteurs übernimmt und deshalb alleine eingebettet werden konnte.83 Mit der Einführung dieses Systems wollte das amerikanische Pentagon zwei Hauptziele erreichen. Das erste Ziel war ein propagandistisches Ziel, nämlich die Darstellung des Irak-Krieges als einen gerechten und sauberen Krieg. Das erreichten sie durch den Einsatz von knapp 600 Journalisten (80 % der Journalisten kamen aus den USA, Großbritannien und ihren Alliierten), die meist nur Bilder, die den amerikanischen Interessen entsprachen, lieferten.84 Zweitens wollte das Pentagon durch dieses System die Probleme der Kriegsberichterstattung aus dem Vietnamkrieg vermeiden und auch dem Druck der Journalisten begegnen, die mit der Mediendarstellung des zweiten Irak-Krieges 1991 und des Afghanistan-Krieges 2001 nicht zufrieden waren. Das Pentagon war sich der Tatsache bewusst, dass sich die Situation im Vergleich zu 1991 verändert hatte, sei es in Bezug auf das Ansehen der Amerikaner und ihre Glaubwürdigkeit in der Welt oder sei es im Hinblick auf den Medienmarkt.85 Im Jahr 2003 gibt es jetzt nicht nur CNN, das als einziger Sender von Bagdad 1991 live übertragen hatte, sondern viele andere Sender, wie Al Jazeera und Arabia, die auch über amerikanische militärische Misserfolge oder Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht berichten. Der Tod oder die Verletzung mehrerer nicht eingebetteter Journalisten während des Irakkriegs 2003 weckte die Sorge, dass das „Embedded Journalist“-System in ähnlichen Kriegen in der Zukunft vorherrschen wird.86 Gefragt ist deswegen nach Vor- und Nachteilen dieses Systems. Fraglich ist auch, ob die Rechtsstellung der eingebetteten Journalisten im Völkerrecht und die der Kriegskorrespondenten unterschiedlich sind. 1. Vor- und Nachteile des „Embedded Journalist“ Systems Eingebettet zu sein, bedeutet für die Journalisten eine Vorortpräsenz am Geschehen sowie eine hohe Aktualität und Unmittelbarkeit für die Zuschauer.87 Und das ist der große Vorteil dieses Systems. Der Journalist kann aufgrund seiner Präsenz auf 82

Tumber/Palmer (Fn. 80), S. 13. Schwarte, Embedded Journalists, 2007, S. 82. 84 Paul (Fn. 5), S. 76. 85 Hess (Fn. 38), S. 12; Tumbler/Palmer (Fn. 80), S. 17. 86 Balguy-Gallois (Fn. 52), S. 43. 87 Rota, Dramaturgie, „Embeddedness“ und der Verlust politischer Orientierung, in: Capurro/Grimm (Hrsg.), Krieg und Medien, 2004, S. 154; Tumbler/Palmer (Fn. 80), S. 14, 16 und 48. 83

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1. Kap.: Die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

dem Schauplatz über die Kriegsgeschehnisse eins zu eins berichten und sie durch eigene Erlebnisse besser beurteilen. Im Allgemeinen ist das Konzept der „Embedded Journalists“ in den USA gut angekommen.88 In Westeuropa wurde dieses System mit vielen Vorbehalten und Sorgen gesehen. Die Darstellung und Bewertung der „Embedded Journalists“ war eher negativ. Viele sahen „Embedded Journalism“ als Gefahr für eine unabhängige Kriegsberichterstattung an. Sie wurden eher als Propagandisten dargestellt.89 Die Tatsache, dass der eingebettete Journalist sich logistisch auf eine bestimmte Kriegspartei stützt und von dieser Partei zugelassen wurde, bringt die Gefahr der Voreingenommenheit mit sich.90 Einige Journalisten identifizieren sich mit den Streitkräften, die ihnen diese Vorortpräsenz ermöglichen. Eine derartige Identifizierung ist auch zu vermuten, weil der Journalist seine persönliche Sicherheit von den taktischen Schritten der kämpfenden Einheit, in die er eingebunden ist, abhängig sieht. Distanz zu den Soldaten zu halten, wie es das journalistische Ethos fordert, ist unter solchen Bedingungen unmöglich.91 Das System der „Embedded Journalists“ muss die Journalisten nicht daran hindern, die Kriegsverbrechen und die Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu sehen und davon zu berichten, und zwar nicht nur die Kriegsverbrechen und Verstöße, die durch den Feind, sondern auch jene, die durch die eigenen Truppen begangen werden.92 Als Nachteil gilt auch die Tatsache, dass das System auf Zuweisung der Plätze für Presseunternehmen und nicht für Individuen basiert. Deswegen ist es schwierig für freiberufliche Journalisten (Freelancers) eine Akkreditierung zu bekommen, es sei denn, sie haben einen Vertrag mit einer Nachrichtenorganisation. Somit erleichtert dieses System den militärischen Behörden, die Tätigkeit der Medien durch Sanktionen gegen die Presseunternehmen zu kontrollieren.93 2. Das „Embedded Journalist“ System im Völkerrecht Es ist schwierig sich vorzustellen, dass die Rechtsstellung der eingebetteten Journalisten problematisch sein kann. Die eingebetteten Journalisten unterfallen der Kategorie der akkreditierten Kriegskorrespondenten im Sinne von Art. 4 (A) Nr. 4 GK III.94 Eingebettete Journalisten, die ermächtigt sind, die Streitkräfte zu begleiten, genießen den Status von Kriegsgefangenen, wenn sie in Kriegsgefangenschaft ge-

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Tumbler/Palmer, ebd., S. 58; Paul (Fn. 5), S. 75. Donsbach/Jandura (Fn. 80), S. 302. 90 Vgl. Schwarte (Fn. 83), S. 92. 91 Miller, The Propaganda Machine, in: Miller (ed.), Tell Me Lies. Propaganda and Media Distortion in the Attack on Iraq, 2004, S. 90; Hess (Fn. 38), S. 13; Tumbler/Palmer (Fn. 80), S. 51; Klein/Steinsieck (Fn. 26), S. 41. 92 Gasser (Fn. 80), S. 384. 93 Tumber/Palmer (Fn. 80), S. 14. 94 Balguy-Gallois (Fn. 52), S. 42. 89

C. Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

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raten.95 Hingegen sind die französischen militärischen Behörden der Meinung, dass eingebettete Journalisten nur den Status von Zivilpersonen gemäß Art. 79 ZP I genießen.96 Eine solche Meinung wäre aber im Lichte der Regeln des humanitären Völkerrechts nicht ganz korrekt.97 Die Nichtanerkennung des Kriegsgefangenenstatus für die eingebetteten Journalisten hat praktische Folgen, insbesondere in Bezug auf die Dauer der Gefangenschaft des Journalisten sowie in Bezug auf Befragungen und die Abnahme seiner Gegenstände während der Kriegsgefangenschaft (Art. 118, 17 und 18 GK III).

IV. Zensurmaßnahmen gegenüber Journalisten Zensur findet vor der Veröffentlichung von Nachrichten statt. Mit Zensur beabsichtigen Behörden, unliebsame Informationen zu verheimlichen, den Feind durch verzerrte Informationen zu täuschen und eigene Truppen, die Bevölkerung und die öffentliche Meinung auf nationaler und internationaler Ebene positiv zu beeinflussen. Durch Zensur werden in der Regel Inhalte kontrolliert, verknappt oder verändert.98 In vielen Konflikten war die Zensur Herr der Lage. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Demokratien nur geringfügig von Diktaturen.99 Um sich der Zensur zu entziehen, werden viele Tricks benutzt. Während der Befreiung Kuwaits im zweiten Golfkrieg versuchten die aus Bagdad berichtenden Journalisten, ihre englisch, französisch, spanisch oder deutsch sprechenden Zensoren mit komplizierten Sätzen und mit der Flucht in die Mundart zu überlisten.100 Die Journalisten können aber dazu beitragen, dass die Zensur nicht ausufert. Durch Protestaktionen kann man die Arbeitsbedingungen der Journalisten verbessern. Die Beschwerden und Protestaktionen der Journalisten nach dem Golfkrieg veranlassten das Pentagon, eine neue Informationsstrategie zu entwickeln, in der eine freie und unabhängige Arbeit von Journalisten auch während Krisenzeiten gewahrt wird.101

95 Simon, Journalists Are Owed Protection in Wartime, abrufbar unter: http://cpj.org/2004/ 12/journalists-are-owed-protection-in-wartime.php, abgerufen am 06.05. 2012. 96 Balguy-Gallois (Fn. 52), S. 42. 97 Saul, The international protection of journalists in armed conflicts and other violent situations, Australian Journal of Human Rights, Vol. 14 (1), 2008, S. 108. 98 Richter (Fn. 56), S. 47. 99 Fröhder, Der Zensur ein Schnippchen schlagen, in: Löffelholz/Trippe (Fn. 1), S. 192. 100 Foggensteiner (Fn. 27), S. 87. 101 Richter (Fn. 56), S. 53.

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1. Kap.: Die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten

D. Zusammenfassung Die Darstellung zeigt, dass die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten seit der Zeit von William Howard Russell bis zur Gegenwart sich wesentlich entwickelt haben. Denn Kriegskorrespondenten sind während ihrer Arbeit nicht nur physischen Gefahren, sondern auch einer Vielzahl militärischer, politischer, technologischer und auch wirtschaftlicher Pressionen ausgesetzt. Die Veränderung der Natur der Kriege brachte durch die Zunahme der sogenannten asymmetrischen Kriege eine Zunahme an Kriegsopfern unter Zivilisten einschließlich der Journalisten mit sich. Darüber hinaus sind die Kriegskorrespondenten als solche zum Angriffsziel geworden, nachdem die Medien ein wichtiger Bestandteil der asymmetrischen Kriegsführung geworden sind. Die Veränderung der Natur der Kriege gilt hat auch die Arbeitsbedingungen, unter denen die Kriegskorrespondenten ihren Beruf ausüben, stark verändert. Die heutigen Arbeitsbedingungen machen den Beruf des Kriegskorrespondenten zu einem der gefährlichsten in der Welt. Das Modell der „Embeded Journalists“ hat einige Vorteile, aber noch mehr Nachteile für den Beruf des Kriegskorrespondenten. Die Gefahr der Verwechslung von Kriegskorrespondenten mit Mitgliedern der Streitkräfte ist im Fall des eingebetteten Journalisten wahrscheinlicher als bei anderen Kriegskorrespondenten.

Zweites Kapitel

Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht A. Die Entstehungsgeschichte des humanitären Völkerrechts Da man bis heute leider weder den Krieg noch seine Übel vermeiden kann, dienen die Abkommen des humanitären Völkerrechts dem Zweck, die Brutalität des Krieges im Rahmen des Möglichen einzuschränken. Dass der Krieg als Mittel der internationalen Politik rechtlich geächtet und verboten wurde, vermindert nicht den Bedarf an Rechtsnormen zur Humanisierung seiner Brutalität.102 Die Regeln des humanitären Völkerrechts sind in erster Linie durch den Grundsatz der Menschlichkeit geprägt103 und dienen dem Ziel, auch während bewaffneter Auseinandersetzungen ein gewisses Maß an Humanität zu wahren, den Einzelnen menschlich zu behandeln sowie in seiner Person und Würde zu achten.104 Das Wesen dieses Rechts kann man in drei Hauptgrundsätze zusammenfassen: Schonung und Schutz der Verwundeten und Kranken, menschenwürdige Behandlung der Kriegsgefangenen und Immunität der Zivilbevölkerung.105 Um dieses Ziel zu erreichen, ist zum einen die Art und Weise der Kriegsführung zu beschränken, indem bestimmte Kriegsführungsmethoden (Perfidieverbot)106 und gewisse Kampfmittel (z. B. Blindwaffen, Dum-Dum-Geschosse und Giftgase) verboten und zum anderen die Kriegsführenden verpflichtet werden, die nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten beteiligten Personen zu schonen.107

102 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Auffassung vertreten, dass die Befassung mit dem Kriegsrecht nutzlos sei, nachdem der Krieg geächtet wurde. Siehe Voit, Handbuch des Deutschen Roten Kreuzes zum IV. Genfer Rotkreuz-Abkommen und zu den Zusatzprotokollen, 1984, S. 21; vgl. auch Kimminich, Humanitäres Völkerrecht – humanitäre Aktion, 1972, S. 37. 103 Gasser, Humanitäres Völkerrecht, 2008, S. 27. 104 Bremer, Nationale Strafverfolgung internationaler Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht, 1999, S. 38. 105 Voit (Fn. 102), S. 14. 106 Als Perfidie-Handlungen gelten z. B.: die meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Volkes oder Heeres, Missbrauch der Parlamentärflagge, Nationalflagge oder der besonderen Abzeichen der Genfer Abkommen (z. B. die Abzeichen des Roten Kreuzes oder Halbmonds), siehe Art. 23 HLKO und Art. 37 ZP I. 107 Vgl. Bremer (Fn. 104), S. 38.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

Die Kriegsführenden stehen unter der Grundnorm, dass sie „kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Methoden und Mittel der Kriegführung“108 haben. Diese Grundnorm ist ein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts geworden, dessen universelle Geltung unbestritten ist.109 Der Ursprung der Bestimmungen des humanitären Völkerrechts kann tatsächlich auf einige Regeln und Sitten, die in alten Zeiten unter verschiedenen Völkern berücksichtigt wurden, zurückgeführt werden, abgesehen von dunklen Zeiten und unmenschlichen Praktiken, die einige Kriege geprägt hatten. Griechen und Römer betrachteten beispielsweise andere Völker als Barbaren, die keine Rechte genossen. Mit der Zeit entstanden bestimmte Sitten und Regeln, die meist auf religiösen oder philosophischen Grundlagen beruhten und die den ersten Kern des heutigen humanitären Völkerrechts bildeten.110 Im Islam findet man diese Regeln in den die Aussagen des Propheten und der ersten Kalifen. In seinen Anweisungen an seinen Heerführer sagt der erste Kalif Abu Bakr z. B.: „Das Blut der Frauen, Kinder und Greise befleckt nicht euren Sieg. Vernichtet nicht die Palmen, brennt nicht die Behausungen und Kornfelder nieder, fällt niemals Obstbäume und tötet das Vieh nur dann, wenn ihr seiner zur Nahrung bedürft.“111

Der Krieg durfte nicht unnötig verlängert, Friedensvermittler und Geiseln nicht getötet werden.112 Bei den Chinesen hatten die so genannten „Regeln der Ritterlichkeit im Kriege“ schon im 17. Jahrhundert vor Christus Anwendung gefunden. Demnach wurde es beispielsweise für unritterlich gehalten, einen fliehenden Feind, der Schwierigkeiten mit seinem Kriegswagen hatte, anzugreifen.113 In Europa gab es im Mittelalter die so genannten „laws of God and man“, die auf den Prinzipien des Christentums, der Ritterlichkeit und der Humanität basierten.114 In Frankreich und Britannien gab es Rittergerichte, um sicherzustellen, dass diese Regeln berücksichtigt wurden.115 Die Benutzung bestimmter Kriegsmethoden oder Waffen (wie z. B. vergiftete Waffen) wurde bei vielen Völkern als eine böse hinterlistige Tat angesehen.116 Im 17. und 18. Jahrhundert wurden zwischen einigen Kriegsführenden Verträge abgeschlossen. Darin wurde beispielsweise vereinbart, Kinder unter zwölf Jahren nicht als Kriegsgefangene zu nehmen oder Kriegsgefangene unter gewissen Vor108

Art. 35 Abs. 1 ZP I. Siehe Ipsen, Völkerrecht, S. 1240. 110 Vgl. Voit (Fn. 102), S. 14. 111 Die Aussagen des Kalifen Abu Bakr, zitiert nach Greenwood, Geschichtliche Entwicklung und Rechtsgrundlagen, in: Fleck (Fn. 109), Rn. 108, S. 12. 112 Vgl. Verdross, Völkerrecht, 1964, S. 61. 113 Vgl. Green, Modern Law of War, 1998, S. 7. 114 Kimminich (Fn. 102), S. 13. 115 Green (Fn. 113), S. 436. 116 Ebd., S. 7 ff. 109

B. Der Begriff „humanitäres Völkerrecht“

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aussetzungen auszutauschen.117 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte der Schweizer Henry Dunant die Aufmerksamkeit der Welt auf die Opfer der Kriege lenken. Er erlebte 1859 zufällig die Schlacht von Solferino mit. Mit seinem Buch „Erinnerungen an Solferino“ konnte Henry Dunant durch seine Schilderungen des Elendes der Verwundeten und Kranken118 der Kriegsgegner das öffentliche Gewissen wachrütteln. Er schilderte, wie viele Soldaten an einfachen Verletzungen verstarben, weil es beispielsweise keine hinreichende Ersthilfe oder Wasser gab.119 Die nachfolgenden unablässigen Bemühungen und die starken Wirkungen, die sein Buch hinterlassen hatte, führten zur Errichtung des Internationalen Roten Kreuzes und zur Verabschiedung der Genfer Konvention von 1864 zum Schutz der Verwundeten der Armeen im Felde.120 Das ist die erste Genfer Konvention, die durch verschiedene aufeinander folgende Konventionen stets erweitert und verbessert wurde. Neben der HLKO bilden die vier Genfer Konventionen von 1949 und ihre zwei Zusatzprotokolle von 1977 den Kern des humanitären Völkerrechts.

B. Der Begriff „humanitäres Völkerrecht“ Der Begriff „humanitäres Völkerrecht“ ist noch nicht so alt und hat sich erst in den letzten Jahrzehnten etabliert. Er ist moderner als der veraltete Begriff „Kriegsrecht“ und war Resultat des Einflusses der Menschenrechtslehre.121 Den Begriff kann man auf die Genfer Konventionen von 1949 zurückführen, in denen von humanitären Organisationen oder Tätigkeiten gesprochen wurde.122 Jean Pictet definiert das humanitäre Völkerrecht im weiten Sinne wie folgt: „Im weiten Sinne besteht das Humanitäre Völkerrecht aus der Gesamtheit der geschriebenen oder herkömmlichen völkerrechtlichen Bestimmungen, die die Achtung vor der menschlichen Person und ihre Entfaltung gewährleisten.“123 117

Kimminich (Fn. 102), S. 14. Dunant, Eine Erinnerung an Solferino, 1961, siehe z. B. S. 37 ff. und 59 ff. 119 Am Schlachtort führte Henry Dunant die Hilfsaktionen ohne Unterschied für die Verwundeten und Kranken beider Kriegsgegner durch, gleichgültig ob sie Franzosen und Italiener oder ihre Feinde im Krieg, die Österreicher, waren. Alle sind Brüder – Tutti fratelli auf Italienisch – wurde zum erlösenden Wort. „Es war der Sieg der Menschlichkeit über die Unmenschlichkeit.“ Es war die Geburtsstunde der Idee des Roten Kreuzes. Siehe Heudtlass, Henry Dunant, 1985, S. 37 ff. 120 Siehe die Genfer Konvention von 1864, in: Schindler/Toman (Fn. 43), S. 279. 121 ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1-AR72, „Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction“, International Legal Materials, Vol. 35, 1996, Paragraph 87, S. 35 ff. 122 Siehe Art. 3. Abs. 2 der Genfer Konventionen, Art. 10, 59 Abs. 2, 63 und 142 der vierten Genfer Konvention, BGB1. 1954 II, S. 783, 813, 838 und 917. 123 Nach der Ansicht von Pictet umfasst das humanitäre Völkerrecht zwei Zweige: das Kriegsrecht und die Menschenrechte. Siehe Pictet, Die Grundsätze des humanitären Völkerrechts, 1967, S. 8. 118

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

Nach einer anderen Definition ist das humanitäre Völkerrecht „die Summe der Normen, die dem Schutz des Menschen in bewaffneten Konflikten dienen“124, also die Bestimmungen, die versuchen, die Schrecknisse und das Leiden des Krieges zu mildern, soweit die militärische Notwendigkeit es zulasse. Man kam zu der Überzeugung, dass unnötiges Leiden und die übermäßige Zerstörung im Krieg keiner der Kriegsparteien helfen, sondern in der Nachkriegszeit dauerhafte Probleme hinterlassen.125 Die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts treffen keine Unterscheidung zwischen den Kriegsparteien.126 Die allgemeine Anwendbarkeit der Bestimmungen des humanitären Völkerrechts für alle ohne Unterschied findet ihre Rechtfertigung darin, dass das humanitäre Völkerrecht in erster Linie nicht die Staaten schützt, sondern die Einzelpersonen, die für die Kriegsentscheidung nicht verantwortlich sind. Sie sind meist, auch wenn sie auf der Seite des Aggressors stehen, Opfer des Krieges. In vielen Fällen kann man auch nicht feststellen, welche Partei der Aggressor ist, weil jeder versucht, das Recht auf Selbstverteidigung zu beanspruchen.127 Die Präambel des ersten Zusatzprotokolls sieht vor, dass die Genfer Abkommen und das Protokoll „anzuwenden sind, und zwar ohne jede nachteilige Unterscheidung, die auf Art oder Ursprung des bewaffneten Konflikts oder auf Beweggründen beruht, die von den am Konflikt beteiligten Parteien vertreten oder ihnen zugeschrieben werden.“128

C. Art. 13 HLKO von 1907, Art. 81 GK von 1929 und Art. 4 (A) Nr. 4 GK III von 1949 Art. 4 Buchstabe A Nr. 4 GK III gilt neben Art. 79 ZP I in Bezug auf die Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten als eine der wichtigsten Normen im Völkerrecht überhaupt. Die folgende Darstellung untersucht die Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten nach dieser Norm und überprüft, inwieweit die Bestimmungen dieses Artikels zum Schutz des Kriegskorrespondenten beitragen. Da Art. 13 HLKO von 1907 und Art. 81 GK über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929 die Basis darstellen, auf die Art. 4 (A) Nr. 4 GK III von 1949 aufgebaut wurde, sollen nur die Unterschiede zwischen beiden Artikeln und Artikel 4 (A) Nr. 4 GK III hervorgehoben werden.

124 Voit (Fn. 102), S. 14; siehe auch die Erklärung von St. Petersburg von 1868, in: Schindler/Toman (Fn. 43), S. 101; siehe auch de Mulinen, Handbook on the Law of War for Armed Forces, 1987, S. 2. 125 Mushkat, The Development of International Humanitarian Law and the Law of Human Rights, German Yearbook of International Law, Vol. 21, 1978, S. 154. 126 Siehe die Präambel des ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1559; vgl. Ipsen (Fn. 109), S. 1233. 127 Greenwood (Fn. 111), S. 7. 128 Präambel des ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1559.

C. Art. 13 HLKO, Art. 81 GK 1929 und Art. 4 (A) Nr. 4 GK III

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I. Art. 13 HLKO „Personen, die einem Heere folgen, ohne ihm unmittelbar anzugehören, wie Kriegskorrespondenten, Zeitungsberichterstatter, Marketender und Lieferanten, haben, wenn sie in die Hand des Feindes geraten und diesem ihre Festhaltung zweckmäßig erscheint, das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangene, vorausgesetzt, daß sie sich im Besitz eines Ausweises der Militärbehörde des Heeres befinden, das sie begleiten.“129

Mit der Haager Landkriegsordnung setzte sich der „moderne“ Kodifizierungsprozess vom völkergewohnheitsrechtlichen Kriegsrecht fort, welchen der Lieber Code von 1863 begonnen hatte.130 Neben den Genfer Konventionen von 1949 bildet die Haager Landkriegsordnung einen wesentlichen Teil des humanitären Völkerrechts. Wie vorherige Bestimmungen über Kriegskorrespondenten im Lieber Code von 1863, in der Brüsseler Erklärung von 1874 und im Oxford-Manual von 1880 bezweckt Art. 13 HLKO u. a., dass die Kriegskorrespondenten und Zeitungsberichterstatter, welche die Streitkräfte als zivile Nichtkombattanten begleiten, nicht nur vor der Gefahr geschützt werden, als Spione behandelt zu werden, sondern auch vor Risiken, welche sich aufgrund ihrer Präsenz auf dem Schlachtfeld ergeben könnten.131 Gemäß Art. 13 HLKO haben die Streitkräfte begleitende Kriegskorrespondenten und Zeitungsberichterstatter das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangene, wenn sie in Feindeshand geraten, vorausgesetzt, dass sie sich im Besitz eines Ausweises der Militärbehörde der Streitkräfte befinden, welche sie begleiten. Demnach sind die Kriegskorrespondenten nicht automatisch als Kriegsgefangene zu behandeln, wie es bei Soldaten der Fall ist. Jedoch könnte die Kriegspartei, in deren Hand sie geraten sind, es angebracht finden, sie vorübergehend oder bis zum Ende des Krieges zu internieren. In diesem Fall ist es sicherlich für sie von Vorteil, als Kriegsgefangene behandelt zu werden. Allerdings genießen sie diesen Vorteil nur, wenn sie sich im Besitz eines Ausweises der Militärbehörde des Heeres befinden, das sie begleiten.132 Wichtig ist auch darauf hinzuweisen, dass Art. 13 HLKO dem Wortlaut des Art. 13 der zweiten Haager Konvention von 1899 folgt, der wiederum dem Wortlaut des Art. 22 des Oxford-Manuals von 1880 folgt.133 Die Haager Landkriegsordnung von 1907 trat nach ihrer Ratifikation für die Beziehungen zwischen den Vertragsstaaten an die Stelle der zweiten Haager Konvention von 1899. Die Konvention von 1899 blieb in Kraft für die Beziehungen zwischen den Staaten, die sie unterzeichnet haben, die aber die Haager Landkriegsordnung von 1907 nicht ratifizieren sollten.134 129 Art. 13 HLKO von 1907, RGB1. 1910, S. 137; siehe auch Art. 13 der zweiten Haager Konvention von 1899 und Art. 13 HLKO von 1907, in: Schindler/Toman (Fn. 43), S. 79. 130 Solis, The Law of Armed Conflict, 2010, S. 54. 131 Siehe Art. 50 des Lieber Code von 1863 und Art. 22 des Oxford-Manuals von 1880; vgl. auch Scheidl, Die Kriegsgefangenschaft, 1943, S. 187. 132 Scott (Fn. 46), S. 144; Scheidl (Fn. 131), S. 201. 133 Scott (Fn. 46), S. 144. 134 Siehe Art. 4 HLKO von 1907.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

II. Art. 81 GK über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929 „Personen, die den Streitkräften folgen, ohne ihnen unmittelbar anzugehören, wie Kriegskorrespondenten, Zeitungsberichterstatter, Marketender und Lieferanten haben, wenn sie in die Hand des Feindes geraten und diesem ihre Festhaltung zweckmäßig erscheint, das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangene, vorausgesetzt, daß sie sich im Besitz eines Ausweises der Militärbehörde der Streitkräfte befinden, die sie begleiteten.“135

Die Bestimmungen sowohl des Art. 13 der zweiten Haager Konvention von 1899 und des Art. 13 HLKO von 1907 als auch des Art. 81 GK über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929 sind wörtlich fast gleichlautend. Die Genfer Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929, die auch den Streitkräfte begleitenden Kriegskorrespondenten und Zeitungsberichterstattern das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangene gewährt, wenn sie in Feindeshand geraten, wurde jedoch revidiert und durch die dritte Genfer Konvention von 1949 ersetzt.

III. Art. 4 (A) Nr. 4 GK III von 1949 „A. Kriegsgefangene im Sinne des vorliegenden Abkommens sind die in Feindeshand gefallenen Personen, die einer der nachstehenden Kategorien angehören: […] 4. Personen, die den Streitkräften folgen, ohne in sie eingegliedert zu sein, wie […], Kriegsberichterstatter […], sofern dieselben von den Streitkräften, die sie begleiten, zu ihrer Tätigkeit ermächtigt sind, wobei diese ihnen zu diesem Zweck eine dem beigefügten Muster entsprechende Ausweiskarte auszuhändigen haben.“136

1. Eine Wortlautauslegung von Art. 4 (A) Nr. 4 GK III von 1949 Art. 4 (A) GK III stellt zwei Voraussetzungen für die Anerkennung des Kriegsgefangenenstatus im Sinne der dritten Genfer Konvention von 1949 auf: die Angehörigkeit zu einer der Kategorien in Buchstabe (A) und das Fallen in Feindeshand. Unter diesen Kategorien stellt Absatz 4 die relevante Bestimmung für den Forschungsgegenstand dar. Danach gehören die Kriegsberichterstatter zu den Kategorien von Personen, die als Kriegsgefangene im Sinne des Abkommens klassifiziert werden, wenn sie in Feindeshand fallen. Nach dem Wortlaut sind Kriegskorrespondenten genauso Kriegsgefangene wie die Mitglieder der Streitkräfte einer der Kriegsparteien, wenn sie in Feindeshand fallen. In diesem Sinne unterscheidet sich der Wortlaut des Art. 4 (A) GK III von dem Wortlaut des Art. 13 HLKO von 1907 und des Art. 81 GK über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929, in denen vorgesehen ist, dass Kriegskorrespondenten und Zeitungsberichterstatter das Recht 135 Art. 81 GK über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929, RGB1. 1934 II, S. 251. 136 Art. 4 A (4) GK III, BGB1. 1954 II, S. 839.

C. Art. 13 HLKO, Art. 81 GK 1929 und Art. 4 (A) Nr. 4 GK III

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auf Behandlung als Kriegsgefangene haben, wenn sie in Feindeshand geraten und festgehalten werden. Mit der zweiten Voraussetzung (dem Fallen in Feindeshand) wird der Kriegsgefangenenstatus auf die physische Existenz im Machtbereich des Feindes und auf die Zeit der Gefangenschaft beschränkt. Für den Genuss des Status eines Kriegsgefangenen setzt Art. 4 (A) (4) GK III voraus, dass der Kriegskorrespondent von den Streitkräften, die er begleitet, eine Ermächtigung für seine Tätigkeit als Kriegsberichterstatter erhält. Ohne eine gültige Ermächtigung erhält der Journalist den Status eines Kriegsgefangenen nicht. Zum Nachweis bekommt er auch von den Streitkräften einen Identitätsausweis. Dieser Ausweis muss dem vorgegebenen Muster entsprechen. Anders als in den Bestimmungen von Art. 13 HLKO von 1907 und Art. 81 GK über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929 gilt die Ausweiskarte nur als Beweis, dass der Journalist ermächtigt ist, die Streitkräfte zu begleiten. Genauso wie die Uniform der Soldaten ist die Ausweiskarte ein Indiz dafür, dass deren Träger tatsächlich die Person ist, als die sie sich ausgibt.137 Im Zweifelsfall genießt der Kriegskorrespondent gemäß Art. 5 Abs. 2 GK III von 1949 den Schutz der Konvention, bis seine Rechtsstellung durch ein zuständiges Gericht festgestellt worden ist. Diese Änderung zielte darauf ab, die Rechtslücken des Art. 81 GK über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929 zu schließen. Nach Art. 81 stellte der Besitz der Ausweiskarte eine Voraussetzung für die Ausübung des Rechtes auf Kriegsgefangenenstatus dar. Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs hatte allerdings gezeigt, dass eine solche Ausweiskarte im Chaos eines Krieges schnell verloren gehen kann. Während des Zweiten Weltkriegs wurden einigen Personen der Kriegsgefangenenstatus wegen des Verlustes des Identitätsausweises aberkannt.138 2. Eine teleologische Auslegung von Art. 4 (A) Nr. 4 GK III von 1949 Der Sinn und Zweck der Bestimmung in Art. 4 (A) (4) GK III ist der Schutz von Personen vor willkürlicher Behandlung durch einen Gewahrsamsstaat, deren Tätigkeit die Begleitung der Streitkräfte einer Kriegspartei erfordert, ohne in sie eingegliedert zu sein. In dieser Hinsicht unterscheiden sich der Sinn und Zweck der Bestimmung in Art. 4 GK III von 1949 nicht von dem Zweck der Bestimmung in Art. 13 HLKO von 1907 und Art. 81 GK über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1929. Die Behandlung als Kriegsgefangener ist das Minimum an Rechten, das dem Kriegskorrespondenten gewährleistet wird, wenn er in Kriegsgefangenschaft fällt. Das bedeutet, dass er nicht als Spion behandelt wird.139 Die Macht, in deren Hände er gefallen ist, kann ihn nach seiner Staatsangehörigkeit anders behandeln, 137

Pictet (ed.), Commentary III Geneva Convention, S. 65, im Folgenden: ICRC Commentary on the III Geneva Convention of 1949. 138 Ebd., S. 64. 139 Vgl. Kussbach, War correspondent, in: Bernhardt (ed.), Encyclopedia of International Law, Vol. IV, 2000, S. 1346.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

z. B. ihm mehr Rechte verleihen oder ihn auch freilassen.140 Die dritte Genfer Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen zielt im Allgemeinen auf die Gewährleistung einer menschenwürdigen Behandlung für diejenigen ab, die in Feindeshand gefallen sind. Demnach genießen sie die Rechte, die ihnen die Konvention garantiert. Die akkreditierten Kriegskorrespondenten genießen gemäß dieser Bestimmung alle Privilegien und den gleichen Schutz wie Kriegsgefangene der Streitkräfte, wenn sie in Feindeshand fallen. Es folgen einige Beispiele für die Rechte, welche der akkreditierte Kriegskorrespondent gemäß der Konvention genießt. Damit wird der Zweck von Art. 4 (A) (4) GK III ersichtlich. Falls ein akkreditierter Kriegskorrespondent in Gefangenschaft gerät, muss er unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt werden.141 Er hat Anspruch auf die Achtung seiner Person und seiner Ehre.142 Der Kriegskorrespondent darf über die Angaben hinaus, die er zur Identifizierung seiner Person (wie seinen Namen, sein Geburtsdatum, seine Nationalität und seinen Beruf) macht, nicht gezwungen werden, weitere Auskünfte, wie z. B. militärische Informationen über den Gegner, zu erteilen. Er ist auch aufgefordert, die Ausweiskarte der Akkreditierung zu zeigen.143 Diese Bestimmung ist für den Kriegskorrespondenten sehr wichtig, weil er damit nicht genötigt werden darf, militärische Informationen über die andere Kriegspartei, die er während seiner Arbeit als Kriegskorrespondent begleitete, preiszugeben. Die Konvention verbietet zudem Folter und unmenschliche Behandlung und macht diese zu Kriegsverbrechen.144 Der Kriegskorrespondent ist während der Zeit der Kriegsgefangenschaft berechtigt, Kontakte mit seiner Familie zu haben145 sowie Briefe und Postkarten zu verschicken und zu empfangen.146 Er ist auch berechtigt, durch Vertreter der Schutzmacht147 oder des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK)148 besucht zu werden. Er soll außerdem an einem sicheren Ort untergebracht werden, wobei die Unterkunftsbedingungen ebenso günstig sein müssen wie diejenigen der in der gleichen Gegend untergebrachten Truppen des Gewahrsamsstaats. In allen Lagern, in denen gleichzeitig gefangene Frauen mit Männern untergebracht sind, muss für getrennte Schlafräume gesorgt sein.149 Ein Kriegskorrespondent hat Anspruch auf ein faires Gerichtsverfahren, wenn er beschuldigt wird, das Kriegsrecht oder nationale Gesetze des Gewahrsamsstaats verletzt zu haben.150 Der Gewahr140

Pilloud, Protection of Journalists on Dangerous Missions in Areas of Armed Conflict, International Review of the Red Cross, No. 118, B. Januar – Februar, 1971, S. 4. 141 Siehe Art. 13 GK III. 142 Art. 14 GK III. 143 Art. 17 GK III. 144 Art. 130 GK III. 145 Art. 70 GK III. 146 Art. 71 GK III. 147 Art. 8 GK III. 148 Art. 9 GK III. 149 Art. 25 GK III. 150 Siehe Art. 82, 84, 99, 105 und 106 GK III.

C. Art. 13 HLKO, Art. 81 GK 1929 und Art. 4 (A) Nr. 4 GK III

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samsstaat ist zudem verpflichtet, Speisen in genügender Menge und Abwechslung sowie Trinkwasser zu beschaffen, um einen guten Gesundheitszustand der Gefangenen zu gewährleisten.151 Der Kriegskorrespondent genießt alle diese Rechte während seiner Gefangenschaft. Als Kriegsgefangener kann er in keinem Fall auf seine Rechte aus der dritten Genfer Konvention aufgrund von Maßnahmen des Gewahrsamsstaats oder aus eigenem Antrieb teilweise oder vollständig verzichten.152 Als Kriegsgefangener wird er spätestens nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten ohne Verzug freigelassen und heimgeschafft.153 Akkreditierte Kriegskorrespondenten haben auch Anspruch auf medizinische Behandlung gemäß Art. 13 (4) der ersten Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde von 1949 (GK I), wenn sie krank oder verwundet sind.154 Ähnliches ist auch gemäß Art. 13 (4) der zweiten Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See von 1949 (GK II) geregelt.155 Schwerkranke und schwerverwundete Kriegskorrespondenten, die in Kriegsgefangenschaft gefallen sind, sollen unverzüglich nach Hause gebracht werden, sobald sie transportfähig werden.156 Zum Sinn und Zweck von Art. 4 (A) (4) GK III gehört allerdings nicht das Recht der akkreditierten Kriegskorrespondenten auf Presse- oder Informationsfreiheit, weil die Bestimmung nur einen humanitären Zweck erfüllt und auf die Zeit der Kriegsgefangenschaft beschränkt ist. Die Bestimmung gewährleistet den akkreditierten Kriegskorrespondenten auch keinen Schutz vor anderen Kriegsgefahren oder willkürlichen Maßnahmen wie der Beschlagnahme ihrer Geräte, Internierung und Festnahme außerhalb des Gefechtes, welche Mitglieder der Streitkräfte oder Polizei gegen Kriegsberichterstatter ergreifen könnten.157 Art. 4 (A) (4) GK III gewährt den akkreditierten Kriegskorrespondenten den Kriegsgefangenenstatus, wenn sie in Feindeshand fallen. Er schützt sie aber nicht vor Internierung oder einer Festnahme als solcher. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass akkreditierte Kriegskorrespondenten, die in Kriegsgefangenschaft gefallen sind, einen Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 68 Abs. 2 GK III wegen der ihnen während der Gefangenschaft abgenommenen und anlässlich der Heimschaffung nicht zurückerstatteten persönlichen Sachen, Geldbeträge und Wertsachen haben.

151

Art. 26 GK III. Art. 7 GK III. 153 Art. 118 GK III. 154 Siehe Art. 13(4) GK I von 1949, BGB1. 1954 II, S. 788. 155 Siehe Art. 13(4) GK II von 1949, BGB1. 1954 II, S. 818. 156 Art. 109 GK III. 157 Vgl. Mukherjee, Protection of Journalists under International Humanitarian Law, Communication and the Law, Vol. 17, 1995, S. 31. 152

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

D. Der historische Hintergrund und die Vorbereitungsphase des Art. 79 ZP I von 1977 Art. 79 ZP I unterscheidet sich von den anderen Bestimmungen des Protokolls in seinem Ursprung. An dieser Stelle sollen deshalb die Bemühungen um den Schutz der Journalisten während der wenigen Jahre, die der Verabschiedung des Artikels vorausgegangen sind, dargestellt werden. Damit soll der unmittelbare historische Hintergrund des Artikels nachvollzogen werden.

I. Der Montecatini-Entwurf von 1968 Im Hinblick auf die Gefahren, denen die Journalisten während der Ausübung ihrer Arbeit in gefährlichen Missionen ausgesetzt sind, entschied sich die internationale Vereinigung der Chefredakteure 1957 eine ausführliche Überprüfung der Probleme von Journalisten auf der Konferenz von Lissabon vorzunehmen. Die Konferenzteilnehmer kamen zum Ergebnis, dass die Weltgemeinschaft zum Schutz dieser Personengruppe bisher nicht genug getan hätte. Deshalb bat die Vereinigung 1967 die Internationale Juristenkommission in Genf, einen Konventionsentwurf zum Schutz der Journalisten in gefährlicher Mission auszuarbeiten.158 Der Generalsekretär der Juristenkommission Sean MacBride arbeitete daraufhin einen Konventionsentwurf aus, welcher Anfang 1968 auf einem Seminar in Genf durch Vertreter der journalistischen Berufsorganisationen und des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes geprüft wurde und im Anschluss daran durch die Internationale Vereinigung der Journalisten auf der Konferenz von Montecatini (Italien) als Entwurf verabschiedet wurde. Der Konventionsentwurf sah die Errichtung eines internationalen unabhängigen Komitees zum Schutz der Journalisten in gefährlichen Missionen vor. Das Komitee sollte aus fünf bis sieben Mitgliedern bestehen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen sollte die Mitglieder des Komitees von einer Liste wählen, welche die internationalen Berufsverbände der Presse und des Journalismus ihm übergeben hatten.159 Das Komitee sollte die Befugnis haben, einen Ausweis an bei ihm registrierte Journalisten auszugeben. Dieses Recht sollte auch den freien Journalisten gegen Nachweis ihrer Qualifikationen als Journalisten zustehen. Sobald ein Journalist zu einer gefährlichen Mission aufbrechen würde, sollte er das Komitee darüber infor158

Mukherjee, The Internationalization of Journalists’ „Rights“: An Historical Analysis, Journal of International Law and Practice, Vol. 4, 1995, S. 100; Wilke, Der völker- und gemeinschaftsrechtliche Schutz der Tätigkeit des Auslandskorrespondenten, 1995, S. 58. 159 Young, Journalists Precariously Covering the Globe: International Attempts to Provide for their Protection, Virginia Journal of International Law, Vol. 23, 1983, S. 141; Mukherjee (Fn. 158), S. 101.

D. Hintergrund und Vorbereitungsphase des Art. 79 ZP I von 1977

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mieren. Würde der Journalist während seiner Mission in Schwierigkeiten geraten, dann sollte das Komitee eingreifen und seinen Einfluss bei den verschiedenen Parteien geltend machen, um von vornherein Schwierigkeiten auszuschließen oder seine Situation zu verbessern.160 Dem Journalisten sollte es obliegen, den Identitätsausweis mitzuführen und ihn auf Verlangen den örtlichen Behörden vorzulegen. In Gefahrensituationen sollte der Journalist auch ein Emblem tragen, durch das er sich als Journalist erkennbar machen könnte. Der Konventionsentwurf verbietet Schikanierungen oder Angriffe auf Journalisten, welche im Besitz eines solchen Ausweises oder eines Emblems sind. Untersagt ist auch die Verhaftung oder Festnahme des Journalisten aufgrund der ordentlichen Ausübung seiner Tätigkeit. Sollte es doch zu einer Verhaftung oder Festnahme kommen, sind die Vertragsstaaten verpflichtet, ihn so schnell wie möglich freizulassen und ihn in ein Land seiner Wahl ausreisen zu lassen.161 Der Konventionsentwurf wurde durch die UN nicht umgesetzt. Seine Bedeutung liegt jedoch darin, dass dadurch neue Ideen entwickelt wurden, auf die später aufgebaut werden konnte.162

II. Der UNO-Entwurf von 1971 Das spurlose Verschwinden von 17 Journalisten in Kambodscha 1970 stellte den Schutz von Journalisten neuerlich zur Diskussion.163 In seiner Rede vor der UNGeneralversammlung verlangte daraufhin der damalige französische Außenminister Schuman, welcher selbst einmal als Journalist gearbeitet hatte, ein Engagement der Organisation zum Schutz der Journalisten. Einen ähnlichen Appell richtete auch der UN-Generalsekretär an die Mitgliedsstaaten.164 Diese Aufrufe fanden eine gute Resonanz unter den Mitgliedern. Deshalb verabschiedete die UN-Generalversammlung am 9. Dezember 1970 die Resolution 2673 (XXV). Die Resolution bittet den UN-Generalsekretär um einen Bericht zum Schutz von Journalisten und fordert den UN-Wirtschafts- und Sozialrat auf, die Menschenrechtskommission zu beauftragen, die Möglichkeit, ein Abkommen zum Schutz dieses Personenkreises zu schließen, zu erkunden.165 Die Resolution stellt zudem fest, dass die schon bestehenden Normen der Genfer Abkommen in dieser Beziehung unzureichend sind:

160

Young (Fn. 159), S. 142; Wilke (Fn. 158), S. 59. Wilke, ebd., S. 60. 162 Mukherjee (Fn. 158), S. 101. 163 Ebd., S. 101 – 102. 164 Boiton-Malherbe, La protection des journalists en mission périlleuse dans les zones de conflit armé, 1989, S. 61; Pilloud (Fn. 140), S. 3. 165 Siehe die Resolution 2673 (XXV) der UN-Generalversammlung vom 09.12. 1970, Yearbook of the United Nations, Vol. 24, 1970, S. 542. 161

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht „Being aware, however, that these provisions do not cover some categories of journalists engaged in dangerous missions and do not correspond to their present needs.“166

Ein Konventionsentwurf über den Schutz von Journalisten in gefährlichen Missionen wurde im Jahre 1971 durch eine Gruppe mehrerer Staaten (Österreich, Finnland, Frankreich, Uruguay, dem Iran und der Türkei) der Menschenrechtskommission unterbreitet.167 Ähnlich wie der Entwurf von Montecatini sieht der UNEntwurf die Ausgabe von so genannten „safe conduct cards“ für Journalisten in gefährlicher Mission und die Errichtung eines Komitees zum Schutz der Journalisten vor. Erwartungsgemäß gibt es Unterschiede zwischen den beiden Entwürfen. Der Montecatini-Entwurf wurde durch private Organisationen ausgearbeitet, die nur am Schutz der Journalisten in gefährlichen Missionen Interesse hatten, während der UNEntwurf die Auffassungen der Regierungen vertrat, die nicht nur Interesse am Schutz der Journalisten hatten, sondern auch den Staatsinteressen Rechnung trugen. Im Allgemeinen bestand Einigkeit zwischen den Staaten über die Notwendigkeit des Schutzes von Journalisten, aber die Mittel hierfür waren umstritten. Der UN-Entwurf bietet daher weniger Schutz und verhängt mehr Restriktionen als der MontecatiniEntwurf.168 Gemäß dem UN-Entwurf wird der Status der Journalisten durch die nationalen Gesetze und die Staatenpraxis bestimmt.169 Über den Status der Journalisten sollte gemäß dem Montecatini-Entwurf ein internationales privates Komitee, dessen Mitglieder durch die prominenten internationalen Presseorganisationen gewählt werden, entscheiden. Nach diesem Entwurf haben alle Journalisten, die bei ihren Arbeitgebern eingeschrieben sind, Anspruch auf den Identitätsausweis.170 Im Gegensatz zum Montecatini-Entwurf enthält der UN-Entwurf einen „code of ethics“. Demnach verpflichtet sich der Journalist, die Karte nur für seine persönliche Sicherheit zu nutzen. Er darf sich – als ausländischer Journalist – in die inneren Angelegenheiten der Staaten, in denen er arbeitet, nicht einmischen und sich weder unmittelbar noch mittelbar an den militärischen Aktivitäten beteiligen.171 Die Nichteinhaltung dieser Regeln sollte zum Verlust des Konventionsschutzes und zum Entzug der „safe conduct card“ führen. Eine Vorschrift zum Entzug eines ausgestellten Ausweises gibt es in dem Montecatini-Entwurf nicht.172 166

Ebd., S. 542. Siehe Yearbook of The United Nations, Vol. 25, 1971, S. 426. 168 Vgl. Mukherjee (Fn. 158), S. 104. 169 Siehe Art. 2 beider Konventionsentwürfe, Yearbook of the United Nations, Vol. 25, 1971, S. 430 und ICRC Report on the work of the Conference of Government Experts on the Reaffirmation and Development of International Humanitarian Law Applicable in Armed Conflicts, 3 May – 3 June 1972, Vol. 1, S. 137. 170 Young (Fn. 158), S. 146. 171 Siehe Art. 13 des UN-Entwurfs von 1972, in: ICRC Report on the work of the Conference of Government Experts on the Reaffirmation and Development of International Humanitarian Law Applicable in Armed Conflicts, 3 May – 3 June 1972, Vol. 1, S. 138. 172 Mukherjee (Fn. 158), S. 106. 167

D. Hintergrund und Vorbereitungsphase des Art. 79 ZP I von 1977

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Zahlreiche Kommentare und Änderungsvorschläge von Staaten zum Entwurf von 1971 führten zu einem zweiten Entwurf im Jahre 1972. Im Unterschied zum ersten Entwurf wurde im zweiten der Hinweis des Art. 1, dass die Konvention auf den akkreditierten Kriegskorrespondenten nicht angewendet wird, welcher durch die Genfer Konventionen von 1949 erfasst ist, gestrichen. Auch im Unterschied zum ersten Entwurf sollte die „safe-conduct card“ gemäß Art. 5 des Entwurfs von 1972 für zwölf Monate ausgegeben werden und nach Ablauf dieses Datums erneuert werden. Nach dem ersten Entwurf sollte die „card“ auf eine bestimmte geografische Region und nur auf die Dauer des Auftrages beschränkt sein. Nach Art. 6 des Entwurfs von 1972 sind zudem die einheimischen Behörden für die Ausgabe, das Beglaubigen, die Erneuerung und – wenn es erforderlich ist – den Entzug der Ausweise zuständig. Das internationale Komitee wäre also nicht mehr für die Ausstellung der „card“ zuständig gewesen. Das Komitee sollte gemäß Art. 4 des Entwurfs von 1972 allerdings die Befugnis haben, Vorschriften über die Form, den Inhalt und die Voraussetzungen für Ausstellung und Entzug der „conduct cards“ zu verabschieden. Das Komitee sollte dann die Mitgliedstaaten darüber informieren. Eine solche Änderung hat Vor- und Nachteile: Sie ist positiv für Journalisten, welche in demokratischen Staaten wohnen, weil sie somit keiner Prüfung durch ein internationales Komitee bedürfen. Es kann aber auch negativ für solche Journalisten sein, welche in Staaten wohnen, die Restriktionen gegen die Presse- und Informationsfreiheit verhängen, weil das internationale Komitee ihnen gegenüber neutraler sein dürfte.173 Die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates sollten die Befugnis besitzen, die „card“ nicht nur an ihre eigenen Staatsangehörigen, sondern auch an fremde Journalisten, die ihrer Staatsgewalt unterstehen, auszugeben. Als eine weitere wichtige Änderung sollten sich die Staaten verpflichten, alles ihnen Mögliche zu tun, um alle Journalisten vor Lebens- oder Leibesgefahr oder jeder anderen mit dem Konflikt verbundenen Gefahr zu schützen.174 Der UN-Entwurf von 1972 bietet somit mehr Schutz und verhängt weniger Restriktionen im Vergleich zum UN-Entwurf von 1971. Die UN-Generalversammlung hat den Entwurf von 1972 weiter angepasst. Aber die Staaten konnten sich nicht auf eine einheitliche Fassung einigen. Einige Staaten befürchteten, dass eine solche Konvention viele Restriktionen gegen den freien Informationsfluss enthalten könnte. Andere Staaten wollten aus verschiedenen Gründen den Journalisten nicht mehr Privilegien als zuvor einräumen. Um diese lange Debatte zu beenden, verabschiedete die UN-Generalversammlung die Resolution Nr. 3058 (XXVIII) von 1973, in der sie die Diplomatische Konferenz zur Entwicklung des Humanitären Völkerrechts aufforderte, den Konventionsentwurf in seiner Endfassung zu kommentieren.175

173 174 175

Young (Fn. 159), S. 150. Art. 10 des UN-Entwurfs von 1972. Siehe Yearbook of the United Nations, Vol. 27, 1973, S. 550.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

III. Die Behandlung der Frage des Schutzes von Journalisten auf der Diplomatischen Konferenz zur Entwicklung des Humanitären Völkerrechts 1974 – 1977 Die Hauptaufgabe der Diplomatischen Konferenz zur Entwicklung des Humanitären Völkerrechts in Genf war eine Ausarbeitung der Bestimmungen der zwei Zusatzprotokolle der Genfer Konventionen von 1949. Angesichts ihrer großen Aufgaben waren die Komitees der Diplomatischen Konferenz überfordert. Aus diesem Grunde entschied sich die Konferenz 1975, eine ad-hoc-Arbeitsgruppe zu bilden, welche sich den Fragen des Journalistenschutzes widmen sollte.176 Die adhoc-Arbeitsgruppe begann ihre Arbeit am 6. März 1975. Auf ihrer Agenda standen zwei Fragen: ein Artikelentwurf über Journalisten und ein Resolutionsentwurf. Die Vertreter von Frankreich, Kanada und den USA hatten der Arbeitsgruppe jeweils Artikelentwürfe unterbreitet.177 Bei ihren Diskussionen kam die Arbeitsgruppe zum Ergebnis, dass der Schutz der Journalisten in beruflichen gefährlichen Missionen im Rahmen einer rein humanitären Perspektive behandelt werden sollte. Dies sollte durch die Hinzufügung eines Artikels zum 1. Zusatzprotokoll und nicht durch eine Sonderkonvention geschehen. Die Arbeitsgruppe diskutierte auch die Errichtung eines Ausweismusters für Journalisten. Am 12. März 1975 nahm die Arbeitsgruppe über die Frage des Schutzes der Journalisten in gefährlichen Missionen den Artikelentwurf einstimmig an, welcher dann an das Komitee I der Diplomatischen Konferenz weitergeleitet wurde.178 Der Entwurf der Arbeitsgruppe wurde später zu Art. 79 ZP I und vom Komitee I und im Plenum der Konferenz ohne Änderungen angenommen. Weil es sich beim Resultat der Arbeitsgruppe um einen Konsens zwischen unterschiedlichen Meinungen handelte, wurde es akzeptiert, obwohl es für einige Delegationen nicht zufriedenstellend war.179 Wahrscheinlich spielte hierbei auch der Zeitfaktor eine Rolle. Die Konferenz schaffte es nicht, der UN-Generalversammlung ihre Studie über die Frage des Schutzes von Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen im Jahre 1974, wie es geplant war, zu übergeben.180 Im Jahre 1975 wollte die Konferenz diese Frage abschließen.181 Eine detaillierte Dis176 Official Records of the Diplomatic Conference on the Reaffirmation and Development of International Humanitarian Law Applicable in Armed Conflicts, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR. 25, S. 241, im Folgenden: Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977). 177 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. X, CDDH/I/ 237, S. 75. 178 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. X, CDDH/I/ 237, S. 75 und 76. 179 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR.31 und 35, S. 318, 319 und 371. 180 Siehe die Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 3058 vom 2. November 1973 über Journalisten, Yearbook of the United Nations, Vol. 27, 1973, S. 550. 181 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR.25, S. 244.

E. Art. 79 ZP I von 1977

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kussion über den Artikelentwurf und große Änderungsvorschläge zur Verbesserung des Schutzes von Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen hätten wahrscheinlich die Verhandlungen der Konferenz über diese Frage verlängert. Über die Einzelheiten der Diskussionen, die in der ad-hoc-Arbeitsgruppe stattfanden, ist nicht viel veröffentlicht worden. Es wurden darüber auch keine „records“ verfasst.182 Die UN-Generalversammlung hat die Entscheidung der Diplomatischen Konferenz zur Entwicklung des humanitären Völkerrechts „with appreciation“ angenommen.183 Die Frage des Abschlusses einer Sonderkonvention zum Schutz der Journalisten in beruflichen gefährlichen Missionen wurde ignoriert.

E. Art. 79 ZP I von 1977 „(1) Journalisten, die in Gebieten eines bewaffneten Konflikts gefährliche berufliche Aufträge ausführen, gelten als Zivilpersonen im Sinne des Artikels 50 Abs. 1. (2) Sie sind als solche nach den Abkommen und diesem Protokoll geschützt, sofern sie nichts unternehmen, was ihren Status als Zivilpersonen beeinträchtigt; sind sie aber bei den Streitkräften als Kriegsberichterstatter akkreditiert, so bleibt der Anspruch auf den nach Artikel 4 Buchstabe A Absatz 4 des III. Abkommens vorgesehenen Status unberührt. (3) Sie können einen dem Muster in Anhang II dieses Protokolls entsprechenden Ausweis erhalten. Dieser Ausweis, der von der Regierung des Staates ausgestellt wird, dessen Angehörige sie sind, in dem sie ansässig sind oder in dem sich das Nachrichtenorgan befindet, bei dem sie beschäftigt sind, bestätigt den Status des Inhabers als Journalist.“184

Im Folgenden wird untersucht, ob Art. 79 ZP I den Journalisten, die in Gebieten eines bewaffneten Konflikts ihren Beruf ausüben, einen besonderen oder ausreichenden Schutz gewährleistet. Die UN-Generalversammlung stellte in ihrer Resolution Nr. 2673 (XXV) fest, dass die bestehenden Normen zum Schutz aller Kategorien von Journalisten, die ihre Arbeit in Konfliktgebieten ausüben, nicht ausreichen. Folglich bestätigte die Generalversammlung in derselben Resolution den Bedarf an einem internationalen humanitären Instrument zur Gewährleistung eines bestmöglichen Schutzes für Journalisten in Konfliktgebieten.185 An dieser Stelle befasst sich die Arbeit mit zwei Fragen: Welchen Schutz gewährt Art. 79 den Journalisten? Hat Art. 79 die Lücke, welche die Generalversammlung bereits im Jahre 1970 erkannt hatte, vollständig geschlossen?

182 Vgl. Gasser, The Protection of Journalists Engaged in Dangerous Missions, International Review of the Red Cross, Bd. Januar – Februar 1983, S. 8. 183 Siehe die Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 3500 (XXX) vom 15. Dezember 1975, Yearbook of the United Nations, Vol. 29, 1975, S. 619. 184 Art. 79 ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1610. 185 Siehe die Resolution 2673 (XXV) der UN-Generalversammlung vom 09.12. 1970, Yearbook of the United Nations, Vol. 24, 1970, S. 542.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

I. Eine Wortlautauslegung des Art. 79 Abs. 1 ZP I Dem Wortlaut des Art. 79 Abs. 1 zufolge gelten Journalisten, die in Gebieten eines bewaffneten Konflikts gefährliche berufliche Aufträge ausführen, als Zivilpersonen. Diese Regel gilt ohne Unterschied für alle Journalisten, die berufliche Aufträge ausführen. Das bedeutet, dass Kategorien wie z. B. die akkreditierten Kriegskorrespondenten im Sinne von Art. 4 (A) Nr. 4 GK III und die sogenannten „eingebetteten“ Journalisten ebenfalls vom Schutzbereich des Artikels erfasst sind, selbst wenn sie sich logistisch auf die Streitkräfte stützen. Art. 79 legt keine Definition für Journalisten fest. Als Leitlinie gilt hier wahrscheinlich die in Art. 2 (a) des UN-Konventionsentwurfs über den Schutz der Journalisten in gefährlichen Missionen erwähnte Definition186 : „The word ,Journalist‘ shall mean any correspondent, reporter, photographer, and their technical film, radio and television assistants who are ordinarily engaged in any of these activities as their principal occupation.“187

Die Entstehungsgeschichte des Art. 79 spricht dafür, dass sich auf diese Definition bezogen wird. Somit wird dieser Status für Korrespondenten, Berichterstatter, Kameramänner und ihre Assistenten angenommen, gleich, ob sie als ausländische oder einheimische Kriegskorrespondenten akkreditiert sind oder nicht, ob sie für die Presse, Radio oder TV-Sender als freiberufliche Journalisten oder Festangestellte ihre beruflichen Tätigkeiten ausüben. Die Definition setzt aber voraus, dass die journalistische Tätigkeit den Hauptberuf des Journalisten ausmacht. Dieser Status gilt also nicht für Mitglieder der Streitkräfte wie Soldaten oder Offiziere, welche Tätigkeiten oder Aufträge ausführen, die Informationen betreffen. Mitglieder der letzten Kategorie gelten als Kombattanten und dürfen folglich als solche angegriffen werden.188 Den Status von Zivilpersonen im Sinne des Art. 50 (1) genießen Journalisten, die gefährliche berufliche Aufträge in Gebieten eines bewaffneten Konflikts ausführen. Der Ausdruck „bewaffneter Konflikt“ ist in den Genfer Konventionen und Protokollen nicht definiert. Nach Knut Ipsen ist ein Konflikt dann als „bewaffnet“ zu bezeichnen, wenn eine Konfliktpartei gegen eine andere das Instrument der Waffe einsetzt.189 Der Ausdruck „gefährliche berufliche Aufträge“ ist in Art. 2 des UNOKonventionsentwurfs über Journalisten definiert. Damit ist jede berufliche Tätigkeit erfasst, die ein Journalist im Gebiet eines bewaffneten Konflikts ausübt. Die beruflichen Tätigkeiten umfassen z. B. die Sammlung von Informationen, das Foto186 Sandoz/Swiniarski (eds.), Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977 to the Geneva Conventions of 12 August 1949, S. 921, im Folgenden: ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977. 187 Siehe Artikel 2 (a) des UN-Konventionsentwurfs von 1972, Yearbook of the United Nations, Vol. 26, 1972, S. 444. 188 ICRC Commentary on the Additional Protocol of 8 June 1977, S. 921. 189 Ipsen (Fn. 109), S. 1223.

E. Art. 79 ZP I von 1977

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grafieren oder Filmen von Ereignissen, das Führen von Interviews und die Übermittlung von alldem zu einer Zeitung, einem TV- oder Radiosender.190 Da Art. 79 das Recht auf Pressefreiheit nicht behandelt, dürfen die Behörden in Tätigkeiten der Journalisten eingreifen, um sicherzustellen, dass die Journalisten die Regeln, welche sie für deren Arbeit aufgestellt haben, beachten.191 Die Worte „Journalisten, die […], gelten als Zivilpersonen“ sehen im ersten Anschein irreführend aus. Damit ist allerdings nicht gemeint, dass Journalisten durch diese Bestimmung einen neuen Status erhalten, welchen sie vorher nicht hatten. Journalisten wurden und werden als Zivilpersonen betrachtet. Die Formulierung zielt darauf ab, dass Journalisten in beruflichen gefährlichen Missionen den Schutz genießen, den die Genfer Konventionen und das 1. Zusatzprotokoll für Zivilpersonen im Sinne von Art. 50 Abs. 1 ZP I gewährleisten.192 Um Missverständnisse durch eine solche Formulierung zu vermeiden, schlug der holländische Vertreter Bloembergen auf der Diplomatischen Konferenz (1974 – 1977) in Genf während der Diskussionen über den Entwurf des Artikels 79 vor, dass die Worte: „shall be considered as civilians“ anders formuliert werden müssten. Nach seinem Vorschlag sollte der neue Satz folgendermaßen lauten: „Journalists who are engaged in dangerous professional missions in areas of armed conflict shall, as civilians within the meaning of paragraph 1 of article 45, be protected under the Conventions …“193

Obwohl der Vorschlag des holländischen Vertreters abgelehnt wurde, weil er den Sinn wenig ändert, teilten doch andere Staatsvertreter seine Meinung.194

II. Eine Wortlautauslegung des Art. 79 Abs. 2 ZP I Art. 79 Abs. 2 legt hier die rechtlichen Folgen der in Abs. 1 erwähnten Regeln fest. Die Worte: „Sie sind als solche nach den Abkommen und diesem Protokoll geschützt“

bedeuten, dass die Schutzregeln für Journalisten als Zivilisten nur Anwendung finden, wo und wenn die Regeln der Genfer Konventionen und des 1. Zusatzprotokolls anzuwenden sind. Da die Genfer Konventionen von 1949 gemäß Art. 2 der Konventionen und das 1. Zusatzprotokoll von 1977 gemäß Art. 1 des Protokolls auf 190 Siehe Art. 2 des Konventionsentwurfs über Journalisten, ICRC Commentary on the Additional Protocol of 8 June 1977, S. 921. 191 ICRC Commentary on the Additional Protocol of 8 June 1977, S. 921. 192 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR.31, S. 315. 193 Der Änderungsvorschlag des holländischen Vertreters Bloembergen wurde zitiert nach Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/ SR. 31, S. 313. 194 So war auch die Meinung des französischen Vertreters, ebd., S. 315.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

bewaffnete Konflikte, welche einen internationalen Charakter haben, anzuwenden sind, gilt der Status als Zivilperson nach dem Wortlaut nur in internationalen bewaffneten Konflikten. Regeln des humanitären Völkerrechts, die beispielsweise die Kriegsparteien verpflichten, zwischen Zivilisten und Kombattanten zu unterscheiden und Regeln, die den Angriff auf Zivilisten verbieten (Art. 51 ZP I), gelten für Journalisten als Zivilisten. Art. 52 ZP I schützt ihre eigenen Objekte, solange sie nicht von militärischer Natur sind. Den Status einer Zivilperson genießen die Journalisten unter der Voraussetzung, dass sie nichts unternehmen, was ihren Status als Zivilperson beeinträchtigt. Journalisten beeinträchtigen ihren Status als Zivilperson, wenn sie unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. In diesem Fall gelten sie als Kombattanten und dürfen folglich ein legitimes militärisches Ziel von Angriffen der Gegner sein. Gemäß Art. 51 Abs. 3 ZP I genießen Zivilisten einen Schutz, sofern und solange sie nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen.195 Nach dem IKRK-Kommentar zu Art. 51 Abs. 3 ZP I verlieren Zivilisten ihren Status als Zivilpersonen nur während der Zeit der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten.196 Kriegskorrespondenten, welche die Streitkräfte begleiten oder die sich in unmittelbarer Umgebung eines militärischen Ziels befinden, riskieren de facto, dass ihnen der Schutz nicht gewährt wird. Denn Art. 79 fordert die Kriegsparteien nicht auf, den Angriff eines legitimen militärischen Ziels zu unterlassen, weil sich dort ein Kriegskorrespondent befindet.197 Journalisten, die bei den Streitkräften als Kriegsberichterstatter akkreditiert sind, haben überdies den Anspruch auf den Status eines Kriegsgefangenen gemäß Art. 4, Buchstabe A Absatz 4 GK III von 1949, wenn sie in Feindeshand geraten. Das bedeutet, dass die akkreditierten Kriegskorrespondenten sowohl als Zivilpersonen im Sinne von Art. 50 ZP I gelten als auch den Status eines Kriegsgefangenen genießen, wenn sie in Feindeshand fallen. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich von den nicht akkreditierten Journalisten, welche nur als Zivilpersonen zu behandeln sind, wenn sie in Feindeshand fallen.

III. Eine Wortlautauslegung des Art. 79 Abs. 3 ZP I Im ersten Satz des Absatzes 3 wurde festgeschrieben, dass Journalisten einen dem Muster in Anhang II des Zusatzprotokolls entsprechenden Ausweis erhalten können. Dem Wortlaut des ersten Satzes ist zu entnehmen, dass der Ausweis keine konstitutive Funktion für den Status eines Journalisten besitzt. Journalisten können diesen Ausweis erhalten, sie müssen sich allerdings nicht damit ausstatten. Das bedeutet, dass der Besitz oder das Mitführen dieses Ausweises nicht obligatorisch für den Genuss des Status eines Journalisten ist. Der Ausweis gilt nur als Beweismittel dafür, 195 196 197

Siehe Artikel 48 und 51 des 1. Zusatzprotokolls, BGB1. 1990 II, S. 1587 ff. ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 619. Ebd., S. 922.

E. Art. 79 ZP I von 1977

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dass sein Inhaber ein Journalist ist. Der Besitz dieses Ausweises hilft also bei der Identifizierung eines Journalisten, was besonders wichtig ist, wenn der Journalist festgenommen wird oder in Kriegsgefangenschaft gerät. Journalisten haben einen Anspruch auf diesen Ausweis, wenn sie die Voraussetzungen dafür erfüllen. Da Art. 79 ZP I den Journalisten nicht definiert, verfügen die Mitgliedstaaten bei der Ausgabe dieser Ausweise an Journalisten über einen gewissen Spielraum. Wer ist Journalist und wer nicht? Diese Frage wird nach den nationalen Gesetzen und der Praxis eines jeden Landes beantwortet. Über die Voraussetzungen der Ausgabe dieser Ausweise wird in Artikel 79 ZP I nichts ausgeführt. Dies wird also ebenfalls den nationalen Behörden überlassen. Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten es nicht ablehnen, einem Journalisten diesen Ausweis auszuhändigen, wenn die Voraussetzungen der nationalen Gesetze und der Praxis erfüllt sind.198 Absatz 3 enthält eine exklusive Liste der zuständigen Behörden, welche diesen Ausweis ausstellen dürfen. Ein Journalist kann diesen Ausweis von den Behörden des Staates erhalten, dessen Staatsangehörigkeit er hat, in dem er ansässig ist oder in dem sich das Nachrichtenorgan befindet, bei dem er beschäftigt ist. Eine internationale Organisation darf diesen Ausweis demgegenüber nicht ausstellen.199 Die Behörden müssen einen dem Muster entsprechenden Ausweis ausgeben, der also die im Muster aufgeführten Personalien enthalten muss. Andere Angaben, welche die Behörden ebenfalls für wichtig erachten, können auf dem Ausweis ergänzt werden. Der durch die nationalen Behörden ausgestellte Ausweis muss nicht identisch, sondern nur dem Muster ähnlich sein. Auf der Vorderseite des Ausweises muss sich ein Hinweis finden, der in wenigen Sätzen die Bedeutung des Ausweises und die Rechte seines Trägers erklärt.200

IV. Text des Ausweises für Journalisten Über den Text des Ausweises gab es einige Debatten. Welche Informationen soll er enthalten? Das war eine wichtige Frage, welche die Delegationen auf der Diplomatischen Konferenz in Genf 1975 beschäftigte. Die Delegation von Uruguay schlug beispielsweise vor, dass das Hinzufügen des Fingerabdrucks im Interesse der Journalisten obligatorisch und nicht fakultativ sein sollte, was im Falle eines Ausweisverlustes hilfreich sein würde. Der Vorschlag fand Unterstützung, aber auch Kritik von anderen Delegationen. Am Ende wurde er verworfen.201 Das Hinzufügen eines Fingerabdrucks blieb fakultativ.202 Die Delegation von Nigeria merkte an, dass 198

ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 923. Ebd., S. 923. 200 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. X, CDDH/I/ 237, S. 91; ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 924. 201 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR. 31, S. 312, 313, 314 und 316. 202 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. X, CDDH/I/ 237, S. 83. 199

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

ein Journalist in gefährlicher Mission sicherer ist, wenn der Ausweis auch in der Sprache des Gebietes des jeweiligen bewaffneten Konflikts verfasst ist.203 Aus Platzgründen blieb das Hinzufügen anderer Sprachen auf dem Ausweis allerdings fakultativ. Das Ausweismuster enthält die vier Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch. Der Ausweis wird in diesen Sprachen, der Sprache des Staates, welcher den Ausweis ausstellt und – wenn möglich – auch in der Sprache des Gebietes, in dem der bewaffnete Konflikt stattfindet, abgefasst.204 Allerdings sind die Staaten nicht verpflichtet, alle diese Sprachen auf dem Ausweis zu verwenden. Sie können die eine oder andere dieser Sprachen auslassen, wenn sie ihnen für die Verwendung auf dem Ausweis unwichtig erscheint. Es wurde auch der Vorschlag geäußert, die Religion des Journalisten auf dem Ausweis festzuhalten. Der Vertreter des Vatikans war der Ansicht, dass bei Fällen von schweren Verletzungen oder Tod der Journalist damit eine Seelsorge nach eigenem Wunsch oder dem Wunsch seiner Familie im Einklang mit den Regeln seines Glaubens erhalten könnte.205 Das Hinzufügen der Religion blieb aber im Ausweismuster ebenfalls eine freiwillige Angabe.206

V. Kennzeichnendes Emblem für Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen Während der Diskussion über den Artikelentwurf der ad-hoc-Arbeitsgruppe schlug die Delegation von Venezuela vor, dass die Journalisten auch ein Symbol oder Emblem tragen könnten, um sie in gefährlichen Zonen von Weitem erkennbar zu machen. Die Ausweiskarte würde für Arbeitseinsätze in gefährlichen Gebieten nicht ausreichen, weil sie nur Relevanz habe, um den Zugang zu Informationsquellen zu ermöglichen oder im Fall von Gefangennahme als Zivilist behandelt zu werden. Im Chaos von Kampfhandlungen in Konfliktgebieten würde allerdings niemand nach der Ausweiskarte fragen.207 Ein kennzeichnendes Emblem wäre wichtig, damit niemand nach einem Angriff auf einen Journalisten damit argumentieren könne, er hätte nicht gewusst, dass es sich um einen Journalisten gehandelt habe. Auch dieser Vorschlag wurde abgelehnt, weil einige Delegationen, wie z. B. die Vertreter der USA, Kanadas und Frankreichs, die Furcht äußerten, dass ein solches Emblem zur Identifizierung von Journalisten durch pressefeindlich gesinnte Kräfte führen 203

Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR. 31, S. 313. 204 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. X, CDDH/I/ 237, S. 81. 205 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR. 31 und 35, S. 311, 316 und 372. 206 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. X, CDDH/I/ 237, S. 83. 207 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR. 35, S. 367.

E. Art. 79 ZP I von 1977

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könnte. Würden Zivilpersonen ähnliche Symbole gleichzeitig tragen, könnte eine Gefährdung dieser nicht ausgeschlossen werden. Insofern könne ein solches Emblem irreführend sein.208 Obwohl die Delegationen anderer Staaten dieser Befürchtung widersprachen, wurde das Anliegen Venezuelas, den Sachverhalt zum Thema im Plenum der Diplomatischen Konferenz zu machen, vergeblich vorgebracht.209 Ob das kennzeichnende Emblem letztlich Vor- oder Nachteile hat, wurde nicht eindeutig geklärt. Allerdings sind Fälle dokumentiert, in denen Journalisten – durch ihre Kameras und Autos – identifiziert und vorsätzlich angegriffen wurden. In anderen Fällen wurden sie fahrlässig angegriffen, weil man sie nicht eindeutig identifizieren konnte oder mit Kombattanten verwechselte. Es scheint daher sinnvoller zu sein, nach anderen Möglichkeiten zum Schutz von Journalisten zu suchen.

VI. Eine teleologische Auslegung von Art. 79 ZP I Was ist der Zweck von Art. 79 ZP I und welche Absicht verfolgten die Vertreter der Staaten auf der Diplomatischen Konferenz in Genf mit der Formulierung des Artikels? Zur Beantwortung dieser Fragen sollte die Entstehungsgeschichte des Artikels 79 genauer betrachtet werden. In ihrer Resolution 2673 (XXV) vom 9. Dezember 1970 über den Schutz der Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen bestätigte die UN-Generalversammlung den Bedarf nach einem zusätzlichen humanitären internationalen Instrument, das den bestmöglichen Schutz für Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen gewährleisten könne.210 Der Zweck von Art. 79 ZP I, der als Alternative für eine Sonderkonvention über den Schutz der Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen gilt, besteht in einem verbesserten Schutz aller Kategorien von Journalisten, die berufliche Aufträge in Kriegs- und Krisengebieten ausführen. Hier soll insbesondere auf die Journalisten hingewiesen werden, die nicht von dem in Art. 4 (A) Nr. 4 GK III vorgesehenen Schutz erfasst sind und die damit grundsätzlich nur humanitären physischen Schutz genießen.211 Es ist nicht der Sinn und Zweck des Art. 79 ZP I als eine der Regeln des humanitären Völkerrechts, das Recht der Journalisten, Informationen zu suchen, zu empfangen und weiterzugeben, zu gewährleisten.212

208

Ebd., S. 368 ff.; vgl. auch Boiton-Malherbe (Fn. 164), S. 127. Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR. 35, S. 368 – 374 und Vol. III, CDDH/I/242, S. 303. 210 Siehe die UN-Generalversammlung Resolution Nr. 2673 (XXV), Yearbook of the United Nations, Vol. 24, 1970, S. 542. 211 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. X, CDDH/I/ 237, S. 79. 212 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 918. 209

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

Die ad-hoc-Arbeitsgruppe der Diplomatischen Konferenz entschied sich für eine Formulierung, die den Journalisten den gleichen Schutz zuerkannte, den Zivilpersonen nach den Genfer Abkommen und dem Protokoll genießen. Journalisten werden somit alle Rechte zuteil, die das humanitäre Völkerrecht zum Schutz der Zivilpersonen in Kriegsgebieten bietet. Dieses Ergebnis betrachteten sowohl Staatsvertreter als auch Stimmen der Wissenschaft während der Diskussionen der Diplomatischen Konferenz (1974 – 1977) und der UN-Generalversammlung zu jener Zeit als eine kluge Lösung einer komplizierten Frage, für die eine Einigung nicht einfach war.213 Fraglich ist nun, ob Art. 79 ZP I seinen ersten Zweck, den die Staaten Anfang der siebziger Jahre durch ihn erreichen wollten, erfüllt hat. Vergleicht man die Zahl der Opfer an Journalisten in Konfliktgebieten vor und nach Abschluss des Zusatzprotokolls im Jahre 1977, wird die Antwort darauf eher ein „Nein“ sein. Art. 79 ZP I hat den Journalisten in Bezug auf das angestrebte Ziel nicht viele Vorteile gebracht. Art. 79 ZP I gewährleistet den Journalisten als Zivilisten in Konfliktgebieten – anders als Art. 4 (A) Nr. 4 GK III, dessen Schutz nur auf die akkreditierten Kriegskorrespondenten und auf die Zeit der Kriegsgefangenschaft beschränkt ist –, nur einen allgemeinen Schutz vor Kriegsgefahren. Es ist festzustellen, dass Art. 79 ZP I nur dann einen ausreichenden Schutz für Journalisten bietet, wenn die Regeln des humanitären Völkerrechts, insbesondere die Regeln des Schutzes von Zivilisten während eines bewaffneten Konfliktes tatsächlich streng angewendet werden. Anders als in der Theorie bleibt in der Praxis eine konsequente Anwendung allerdings oft nur ein Wunsch, für dessen Erfüllung die Mittel bislang nicht ausreichen. Das Schutzsystem für Kriegskorrespondenten verlangt besondere Vorkehrungen, weil die Natur ihrer Berufsausübung es voraussetzt, dass sie sich direkt am Ort des Geschehens befinden, um für die Zuschauer aktuell und live über die Kriegsereignisse berichten zu können. Das setzt sie zusätzlichen Gefahren aus, die Zivilisten im Allgemeinen vermeiden können. Zudem werden Kriegskorrespondenten per se in zahlreichen Fällen zum Angriffsziel. Auch das IKRK stellte am Anfang seines Kommentars über Art. 79 ZP I fest, dass Journalisten im Vergleich zu Zivilisten in Kriegsgebieten mehr Gefahren ausgesetzt sind: „The circumstances of armed conflict expose journalists exercising their profession in such a situation to dangers which often exceed the level of danger normally encountered by civilians. In some cases the risks are even similar to the dangers encountered by members of the armed forces, although they do not belong to the armed forces. Therefore special rules are required for journalists who are imperilled by their professional duties in the context of armed conflict.“214

213 Siehe Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR. 31, S. 312 ff.; die Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 3500 (XXX) vom 15. Dezember 1975, Yearbook of the United Nations, Vol. 29, 1975, S. 619; ICRC Commentary on the Additional Protocol of 8 June 1977, S. 918 und 922; Gasser (Fn. 182), S. 10. 214 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 918.

E. Art. 79 ZP I von 1977

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Angesichts der Gefahren, die Kriegskorrespondenten an der Ausübung ihres Berufs effektiv hindern, und der Tatsache, dass die Öffentlichkeit ein großes Interesse an ihrer Arbeit hat, wie der ICTY in seiner Entscheidung im Fall Talic´ festgestellte,215 ist ein zusätzlicher Schutz sicherlich gerechtfertigt. Vertreter mehrerer Staaten wiesen während der Diplomatischen Konferenz in Genf auf die Wichtigkeit des Schutzes von Journalisten hin. Die Relevanz der Arbeit eines Journalisten würde dem Vertreter von Venezuela zufolge auch darin liegen, dass er als unparteiischer Augenzeuge feststellen kann, ob die am Konflikt beteiligten Parteien das humanitäre Völkerrecht beachten oder nicht.216 In Bezug auf die Rechtsstellung der Journalisten brachte Artikel 79 ZP I nichts Neues; er wirkt nur deklaratorisch, da er Journalisten, die schon immer als Zivilpersonen betrachtet wurden und werden, weder einen neuen Status noch ein neues Privileg verliehen hat. Zusammengefasst ergibt sich: Artikel 79 ZP I hat angesichts seines Wortlautes und des von der Diplomatischen Konferenz in Genf verfolgten Zwecks das in der UN-Generalversammlungsresolution Nr. 2673 (XXV) vom 9. Dezember 1970 angestrebte Ziel, nämlich die Verwirklichung des bestmöglichen Schutzes für Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen, nicht erreicht. Diese Schlussfolgerung findet ihre Bestätigung in der alltäglichen Praxis der Kriegskorrespondenten und in der hohen Zahl der Opfer unter ihnen. Folglich hat Art. 79 ZP I die Lücke im Schutzsystem der Kriegskorrespondenten nicht vollständig geschlossen.

VII. Art 79 ZP I als Völkergewohnheitsrecht Militärhandbücher (military manuals) vieler Staaten sehen vor, dass Journalisten in Konfliktgebieten als Zivilisten behandelt werden, sofern und solange sie nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Mehrere Resolutionen internationaler Organisationen, insbesondere der Vereinten Nationen, des Europarats, des Europäischen Parlaments und mehrerer internationaler Konferenzen, bestätigen den Schutz der Journalisten in Konfliktgebieten sowie deren Status als Zivilpersonen und verurteilen jeden Angriff auf sie.217 Die Behandlung von Journalisten, die ihre beruflichen Aufträge in Konfliktgebieten ausführen, als Zivilpersonen gemäß den Bestimmungen des Art. 79 ZP I gilt somit inzwischen als Völkergewohnheitsrecht. Die Bestimmungen dieses Artikels finden deswegen unabhängig davon Anwendung, ob die betroffene Partei das 1. Zusatzprotokoll ratifiziert hat oder nicht.218 215 Siehe ICTY, Beschluss der Appeals Chamber vom 11. Dezember 2002 im Fall Talic´, Case No. IT-99-36-AR73.9 (Fn. 55), Paragraph 35 – 37. 216 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), CDDH/I/SR. 35, Vol. VIII, S. 367. 217 Henckaerts/Doswald-Beck (eds.), Customary International Humanitarian Law, Vol. II, 2005, S. 665 ff. 218 Siehe dazu auch Boiton-Malherbe (Fn. 164), S. 232.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

F. Kriegskorrespondenten und Bürgerkriege Wie die Erfahrung nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt, handelt es sich bei bewaffneten Konflikten meist um Bürgerkriege. Dementsprechend führen viele Kriegskorrespondenten berufliche Aufträge in Bürgerkriegsgebieten aus. Außer dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen von 1949 und ihrem 2. Zusatzprotokoll sind die Haager und die Genfer Konventionen für die Regelung von internationalen Konflikten vorgesehen.219 Die Bestimmungen des gemeinsamen Art. 3 und des 2. Zusatzprotokolls garantieren jedoch nur ein Mindestmaß an Rechten. Zudem enthalten sie keine ausdrücklichen Bestimmungen über Journalisten. Das bedeutet, dass das Schutzsystem für Journalisten in Bürgerkriegen im Vergleich zu den Schutzgarantien bei internationalen bewaffneten Konflikten weniger entwickelt ist. In den letzten Jahren hat sich die Rechtslage allerdings geändert. Bis zum Beginn der 90er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts war es allgemein akzeptiert, dass Individuen nach den Regeln des Völkerrechts für Kriegsverbrechen in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten keine völkerstrafrechtliche Verantwortung tragen. Diese Einstellung änderte sich, als das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda 1994 die Jurisdiktion des Gerichtshofs über Verletzungen des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Konventionen und des 2. Zusatzprotokolls vorsah.220 Die Entwicklung vieler Regeln der Haager und Genfer Konventionen sowie der zwei Zusatzprotokolle der Genfer Konventionen zum Völkergewohnheitsrecht führte dazu, dass bei der Anwendung des humanitären Völkerrechts die Grenzen zwischen internationalen bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen zu schwinden begannen.221 Im Fall Tadic´ prüfte der ICTY 1995, ob es völkergewohnheitsrechtliche Regeln gibt, welche auch in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten anwendbar seien und ob die Verletzung dieser völkergewohnheitsrechtlichen Regeln eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit begründe.222 Der Gerichtshof stellte daraufhin fest, dass einige Bestimmungen und Grundsätze der Konventionen des humanitären Völkerrechts, welche internationale bewaffnete Konflikte regeln, allmählich zu Völkergewohnheitsrecht geworden sind. Somit gelten sie auch in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten.223 Das bedeutet allerdings nicht, dass die Regeln mit all ihren detaillierten Bestimmungen automatisch auf nicht-internationale bewaffnete Konflikte zu übertragen sind. Anzuwenden ist vielmehr nur das

219

Siehe Schindler/Toman (Fn. 43), S. 689. Cottier, Article 8 War Crimes, in: Triffterer (ed.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court, 2008, S. 286. 221 ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1-AR72 (Fn. 121), Paragraph 97; Robinson/Hebel, War Crimes in Internal Conflicts: Article 8 of the ICC Statute, Yearbook of International Humanitarian Law, Vol. 2, 1999, S. 208. 222 ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1-AR72 (Fn. 121), Paragraph 95. 223 Ebd., Paragraph 98 und 125. 220

F. Kriegskorrespondenten und Bürgerkriege

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allgemeine Wesen dieser Regeln.224 Unter diese völkergewohnheitsrechtlichen Regeln fallen sowohl wesentliche Grundsätze, wie der Schutz von Zivilpersonen vor Feindseligkeiten, die Unterscheidung zwischen Zivilpersonen und Kombattanten sowie zwischen zivilen und militärischen Objekten als auch das Prinzip des Verbots unterschiedsloser Angriffe.225 Die Anwendbarkeit der Grundsätze des humanitären Völkerrechts in Bürgerkriegen und die Strafbarkeit von Individuen, die gegen diese Grundsätze verstoßen, findet Ausdruck in mehreren UN-Resolutionen. Die Resolutionen der UN-Generalversammlung Nr. 2444 von 1968 und Nr. 2675 von 1970 bestätigen die Bedeutung der Menschenrechtsregeln und der Grundsätze des humanitären Völkerrechts in allen bewaffneten Konflikten.226 Der Ausdruck „armed conflicts“ in beiden Resolutionen erfasst auch die Bürgerkriege.227 Der UN-Sicherheitsrat verurteilt beispielsweise in seinen Resolutionen Nr. 794 vom 3. Dezember 1992 und Nr. 814 vom 26. März 1993 die Verletzung des humanitären Völkerrechts während des Bürgerkriegs in Somalia und betont, dass Personen, die gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen, für diese Verstöße persönlich zur Verantwortung gezogen werden.228 Die Staatenpraxis zeigt, dass die Staaten beabsichtigen, schwere Verletzungen des Völkergewohnheitsrechts in internen bewaffneten Konflikten unter Strafe zu stellen.229 Das Römische Statut konsolidierte diese Einstellung, als es in Art. 8 Abs. 2 (c) und (e) die Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshofs über Kriegsverbrechen in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten vorsah. Daraus ergibt sich, dass Grundsätze und Regeln der Haager Konventionen und der Genfer Konventionen wie auch ihrer zwei Zusatzprotokolle zu einem Teil des Völkergewohnheitsrechts geworden sind. Damit sind sie auch in Bürgerkriegen anzuwenden und die Verletzung dieser Grundsätze und Regeln begründet eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit. Demzufolge bedeutet das Fehlen einer Bestimmung über Journalisten im 2. Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen von 1949 nicht, dass sich Kriegskorrespondenten, die in bewaffneten Konflikten, die keinen internationalen Charakter haben, während der Ausführung ihrer beruflichen Aufträge ohne völkerrechtlichen Schutz befinden.

224

Ebd., Paragraph 126. Ebd., Paragraph 127. 226 Siehe die UN-Generalversammlungsresolution Nr. 2444 vom 19. Dezember 1968, abrufbar über die Internetseite der Vereinten Nationen unter: http://daccess-dds-ny.un.org/doc/RE SOLUTION/GEN/NR0/244/04/IMG/NR024404.pdf?OpenElement, abgerufen am 06.05. 2012 und die UN-Generalversammlungsresolution Nr. 2675 vom 9. Dezember 1970, Yearbook of the United Nations, Vol. 24, 1970, S. 543. 227 ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1-AR72 (Fn. 121), Paragraph 111. 228 Die UN-Sicherheitsresolutionen Nr. 794 vom 3. Dezember 1992 und Nr. 814 vom 26. März 1993 sind abrufbar über die Internetseite der Vereinten Nationen unter: http://www.un. org/Docs/sc/unsc_resolutions.html, abgerufen am 06.05. 2012. 229 ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1-AR72 (Fn. 121), Paragraph 130. 225

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

In Bürgerkriegen sind die Kriegsparteien aufgefordert, zwischen Zivilisten und Kombattanten zu unterscheiden. Kriegskorrespondenten genießen alle Garantien, die Zivilisten in einem Bürgerkrieg besitzen. Jeder vorsätzliche Angriff auf sie ist daher verboten und gilt als Kriegsverbrechen. Die Täter, gleich, ob es sich um Mitglieder von Staatstruppen oder von Rebellen handelt, tragen für die Verletzungen des Völkerrechts Verantwortung. Das bedeutet aber nicht, dass die Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts in Bürgerkriegen reibungslos erfolgt. Wie sich herausgestellt hat, interessieren sich die Mitglieder bewaffneter Gruppen in der Realität aus mehreren Gründen kaum für die Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts: Sie stellen keine Vertragspartei der Haager und Genfer Konventionen sowie ihrer Zusatzprotokolle dar und fühlen sie sich folglich nicht daran gebunden. Geraten sie in die Hände von Regierungstruppen, genießen sie nicht den Kriegsgefangenenstatus, sondern werden meist wegen ihrer Teilnahme an Feindseligkeiten nach nationalen Gesetzen bestraft. Darüber hinaus verkennen viele Mitglieder dieser bewaffneten Gruppen die Regeln des humanitären Völkerrechts.230

G. Weitere Bemühungen der Vereinten Nationen zum Schutz von Journalisten Nach dem Abschluss des 1. Zusatzprotokolls der Genfer Konventionen haben die Vereinten Nationen der Frage des Schutzes der Journalisten in Kriegsgebieten für mehrere Jahre keine Aufmerksamkeit beigemessen. Die wachsende Zahl der Opfer unter Journalisten während der Ausübung ihrer Arbeit in Konfliktzonen zeigten aber, dass es noch viel zu tun gibt, um diesem Personenkreis einen besseren Schutz zu gewähren. Unter den UN-Bemühungen über den Journalistenschutz in den Jahren nach der Verabschiedung des 1. Zusatzprotokolls 1977, die besondere Erwähnung verdienen, sind die Studie von Waleed Saadi von 1989/1990 und die UN-Sicherheitsresolution Nr. 1738 von 2006 über Journalisten zu nennen.

I. Die Waleed Saadi Studie über Journalisten von 1990 Im Auftrag der „Sub-commission on prevention of Discrimination and Protection of Minorities“ untersuchte Waled Saadi, ein Mitglied der Sub-commission, die Frage des Journalistenschutzes. In seinem Bericht an die „Sub-commission“ im Jahre 1990 stellte Waleed Saadi fest, dass der Journalistenberuf der gefährlichste Beruf der Welt

230 Siehe dazu Beco, Compliance with International Humanitarian Law by Non-State Actors, Humanitäres Völkerrecht Schrifteninformationen, Vol. 18, 2005, S. 190.

G. Weitere Bemühungen der VN zum Schutz von Journalisten

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geworden ist.231 Folglich verdiene diese Personengruppe einen besseren Schutz während der Ausübung ihrer Tätigkeit in gefährlichen Missionen, nicht nur weil sie als Personengruppe vielen Gefahren ausgesetzt ist, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass die meisten Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch sie aufgedeckt wurden. „It is established beyond a shadow of doubt that the overwhelming majority of cases and situations of grave violations of human rights are brought to the attention of the international community in the first place through journalists and the mass media.“232

II. UN-Sicherheitsratsresolution über Journalisten von 2006 In mehreren Situationen verabschiedete der UN-Sicherheitsrat Resolutionen, die Angriffe auf Zivilisten verurteilen und verbieten. Beispiele dafür sind die Resolutionen Nr. 1296 (2000), 1265 (1999) und 1214 (1998).233 Die Resolution des UNSicherheitsrats Nr. 1738 vom 23. Dezember 2006 über Journalisten spiegelt in der Tat die Sorgen der Weltgemeinschaft um die zunehmenden Gefahren, denen Journalisten in den letzten Jahren in Kriegsgebieten ausgesetzt sind und um die Ineffizienz des existierenden Schutzsystems von Journalisten in gefährlichen Missionen wider. Die Resolution bestätigt, dass vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten einschließlich der Journalisten in Situationen der bewaffneten Konflikte ein Kriegsverbrechen darstellen. Die Resolution fordert die Staaten und alle Kriegsparteien auf, Verletzungen des humanitären Völkerrechts gegen Zivilisten einschließlich der Journalisten möglichst zu verhindern, die Angriffe auf sie zu untersuchen und die Täter strafrechtlich zu verfolgen.234 Die Resolution bestätigt auch, dass vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten (wie Journalisten) sowie grobe und systematische Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellen können.235 Das bedeutet, dass der Sicherheitsrat im Rahmen seiner Hauptaufgabe gemäß Art. 24 und seiner Kompetenzen gemäß Kapitel VII der UN-Charta im Fall eines vorsätzlichen Angriffs auf Zivilisten einschließlich der Journalisten geeignete Maßnahmen ergreifen kann, wenn es nötig ist. Die Resolution weist darauf hin, dass sowohl die Ausrüstung der 231

Commission on Human Rights, Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, Protection of Journalists, Report by Mr. Waleed Sadi pursuant to SubCommission Resolution 1989/2, S. 1 und 2. 232 Ebd., S. 2. 233 Siehe die Resolutionen des Sicherheitsrats Nr. 1296 vom 19. April 2000, Nr. 1265 vom 17. September 1999 und Nr. 1214 vom 08. Dezember 1998, abrufbar über die Webseite der Vereinten Nationen unter: http://www.un.org/Docs/sc/unsc_resolutions.html, abgerufen am 06.05. 2012. 234 Siehe die Resolution des Sicherheitsrats Nr. 1738 vom 23. Dezember 2006, abrufbar über die Webseite der Vereinten Nationen unter: http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/ GEN/N06/681/60/PDF/N0668160.pdf?OpenElement, abgerufen am 06.05. 2012. 235 Ebd.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

Journalisten als auch ihre Dienstsitze als Zivilobjekte gelten. Folglich dürfen sie nicht angegriffen werden, es sei denn, sie sind militärische Objekte.236 Ferner fordert die Resolution alle Kriegsparteien auf, die berufliche Unabhängigkeit und die Rechte der Journalisten zu respektieren.237 Erwähnenswert ist auch, dass die Resolution die Aufhetzung zur Gewalt gegen Zivilisten in Situationen bewaffneter Konflikte verurteilt. Der Sicherheitsrat betont hier die Notwendigkeit, Individuen, die zur Gewalt aufstacheln, gemäß den Regeln des Völkerrechts vor Gericht zu stellen. Zudem warnt er, dass gegen Medien, die zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zu schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts anreizen, Maßnahmen ergriffen werden können.238 Es scheint hier klar, dass die Mitglieder des Sicherheitsrats während der Formulierung dieses Abschnitts die Rolle der Medien während des Bürgerkriegs in Ruanda 1994, wie unten anhand des Falls Nahimana (Media Trial) ausführlich dargestellt wird, im Hinterkopf hatten.239 Es bleibt zu sagen, dass die Resolution keinen neuen Status für Journalisten schafft, sie wiederholt und bestätigt nur die bereits existierenden Regelungen. Die Resolution wurde nicht nach Kapitel VII der UN-Charta verabschiedet. Allerdings ist sie für die Staaten rechtsverbindlich.240

H. Kriegskorrespondenten in Feindeshand Es kommt häufig vor, dass die Streitkräfte in einer Konfliktzone Zivilisten einschließlich Kriegskorrespondenten aus Sicherheitsgründen festnehmen. Welchen Schutz kann der Kriegskorrespondent in dieser Situation beanspruchen? Wie schon oben erwähnt, unterscheidet das humanitäre Völkerrecht zwischen zwei Kategorien von Kriegskorrespondenten,241 den akkreditierten Kriegskorrespondenten und den unabhängigen Journalisten. Die akkreditierten Kriegskorrespondenten sind gemäß Art. 4 Buchstabe A (4) GK III Kriegsgefangene, wenn sie in Feindeshand fallen. Anders als Kriegskorrespondenten im klassischen Sinne sind unabhängige Journalisten nicht akkreditiert bei einer der Kriegsparteien. Für Journalisten hat der Status des Kriegsgefangen Vor- und Nachteile. Der Vorteil liegt darin, dass Kriegskorrespondenten nicht als Spione behandelt werden, sondern als Kriegsgefangene. Dementsprechend genießen sie alle Rechte, die Kriegsgefangene haben. Der Nachteil ist aber, dass diese Rechtsstellung dem Gewahrsamsstaat das Recht gibt, den Kriegskorrespondenten als einen Kriegsgefangenen in Kriegsgefangenschaft bis zum Ende der Feindseligkeiten gefangen zu halten, selbst wenn es 236 237 238 239 240 241

Ebd. Ebd. Ebd. Siehe unten, 4. Kapitel, C. VII. 5. Siehe IGH, Namibia-Gutachten vom 21. Juni 1971, I.C.J. Reports 1971, Ziffer 113 – 116. Siehe oben, 1. Kapitel, B.

H. Kriegskorrespondenten in Feindeshand

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gegen ihn keine Anklage gibt. Journalisten (beider Kategorien), die in Gebieten eines bewaffneten Konflikts gefährliche berufliche Aufträge ausführen, gelten als Zivilisten im Sinne des Art. 50 Abs. 1 ZP I. Art. 79 (2) ZP I schützt sie als Zivilisten, sofern sie nichts unternehmen, was ihren Status als Zivilperson beeinträchtigt. Gemäß Art. 79 (2) ZP I bleibt der Anspruch des Kriegskorrespondenten auf den in Art. 4 A (4) GK III vorgesehenen Kriegsgefangenenstatus unberührt, falls er bei den Streitkräften als Kriegsberichterstatter akkreditiert ist. Bestehen Zweifel über die Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten, weil er z. B. seine Ausweiskarte verloren hat oder an Feinseligkeiten teilgenommen hat und in Feindeshand gefallen ist, sieht Art. 5 GK III vor, dass die Person solange Schutz genießt, bis ihre Rechtsstellung durch ein zuständiges Gericht festgestellt worden ist. Auch im Fall, dass einer Person die Begehung einer Straftat vorgeworfen wird, sehen der gemeinsame Art. 3 Abs. 1 (d) der Genfer Konventionen und Art. 75 Abs. 4 ZP I vor, dass diese Person vor ein ordentlich bestelltes Gericht gestellt wird, das die von zivilisierten Völkern als unerlässlich anerkannten Rechtsgarantien bietet. Die Rechtsstellung der nicht akkreditierten Kriegskorrespondenten, die grundsätzlich als Zivilisten gelten, hängt von ihrer Staatsangehörigkeit ab. Ist der Journalist in die Hände der Streitkräfte seines eigenen Staates gefallen, sind die Gesetze seines Staates und relevante Regeln der Menschenrechtsverträge, die sein Staat ratifiziert hat, anzuwenden. Das bedeutet, dass er nicht als geschützte Person gemäß der vierten Genfer Konvention gilt.242 Ob er in Untersuchungshaft bleibt oder freigelassen wird usw., hängt von den Gesetzen seines Staates ab.243 Das Abstellen lediglich auf die Staatsangehörigkeit kann aber in manchen Situationen zu einem Ergebnis führen, das dem Sinn und Zweck der Genfer Konventionen widerspricht. In einem interethnischen bewaffneten Konflikt ist die ethnische Zugehörigkeit für die Behandlung der Person maßgeblich. In den Urteilen vom 2. Oktober 1995 und 15. Juli 1999 im Fall Tadic´ hat der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien diese Tatsache erkannt und entschieden, dass in interethnischen Konflikten die Zugehörigkeit zu einer Partei des Konflikts der entscheidende Faktor für die Bestimmung des Status der Person als geschützte Person gemäß den Regeln des humanitären Völkerrechts ist.244 Journalisten, die Angehörige eines neutralen Staates oder mitkriegsführenden Staates sind, werden nicht als geschützte Personen betrachtet, sondern unterstehen wie in Friedenszeiten dem diplomatischen und konsularischen Schutz ihrer Heimat oder der Vertretung eines dritten Staates, falls die Beziehungen ihres Staates mit dem Gewahrsamsstaat abgebrochen sind, unterworfen. Fällt dieser Schutz aus irgendwelchen Gründen aus, dann genießt der Journalist den Schutz der vierten Genfer Konvention.245 Journalisten können in Haft bleiben, wenn zu ihren Lasten ausreichende Vorwürfe vor242

Siehe Art. 4 GK IV, BGB1. 1954 II, S. 918. Sassoli/Bouvier, How does Law Protect in War?, 1999, S. 429; Gornig (Fn. 41), S. 340. 244 ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1-AR72 (Fn. 121), Paragraph 76; ICTY, Urteil vom 15. Juli 1999 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-941A, International Legal Materials, Vol. 38, 1999, Paragraph 166, S. 1518 ff. 245 Art. 4 GK IV. 243

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

liegen, oder freigelassen werden.246 Werden die Journalisten durch eine Besatzungsmacht auf eigenem besetzten Gebiet festgenommen, dann müssen sie auf ihrem Gebiet bleiben und dürfen nicht zu den Territorien der Besatzungsmacht transportiert werden.247 Sie können in Haft bleiben, wenn zu ihren Lasten ausreichende Vorwürfe vorliegen, oder freigelassen werden.248 Befinden die Journalisten sich während der Festnahme auf dem eigenen Territorium der Besatzungsmacht, kann gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet werden, falls sie ein Delikt begangen haben.249 Zudem können Journalisten im Allgemeinen in Haft bleiben, wenn es für die Sicherheit des Gewahrsamsstaates notwendig ist.250 Ansonsten müssen sie freigelassen werden.251 Jeder Journalist, der interniert oder dem ein Zwangsaufenthalt zugewiesen worden ist, hat ein Anrecht darauf, dass ein Gericht oder ein zuständiger, zu diesem Zweck vom Gewahrsamsstaat geschaffener Verwaltungsausschuss innerhalb kürzester Frist die Gründe der Internierung oder der Zuweisung eines Zwangsaufenthalts überprüft. Sofern sich der Journalist dem nicht widersetzt, bringt der Gewahrsamsstaat den Namen des Journalisten so schnell wie möglich der Schutzmacht zur Kenntnis. Unter dem gleichen Vorbehalt werden auch die Entscheidungen der Gerichte oder Verwaltungsausschüsse über die Internierung oder Zuweisung eines Zwangsaufenthalts so schnell wie möglich der Schutzmacht mitgeteilt.252 Im Vergleich mit dem Status der Kriegsgefangenen, die in Kriegsgefangenschaft bis zum Ende der Feindseligkeiten bleiben dürfen, selbst wenn der Kriegskorrespondent keine Sicherheitsgefahr für den Gewahrsamsstaat darstellt, gilt die Behandlung nur als Zivilist als Vorteil. Unter allen Umständen genießt der Journalist die in Art. 75 ZP I vorgesehenen grundlegenden Garantien, wenn er sich in der Gewalt einer am Konflikt beteiligten Partei befindet und nicht auf Grund der Genfer Konventionen oder des ersten Zusatzprotokolls der Genfer Konventionen eine günstigere Behandlung genießt. Der Artikel verbietet z. B. Angriffe auf das Leben, die Gesundheit oder das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, Folter jeder Art und Geiselnahme. Außerdem sieht er Garantien für faire Gerichtsverfahren im Falle der Anklage vor. In jedem Fall müssen die Journalisten als geschützte Personen mit Menschlichkeit behandelt werden.253 Für eine schlechte Behandlung geschützter Personen – Kriegsgefangene wie internierte Zivilpersonen – trägt der Gewahrsamsstaat internationale Verantwortung.254 Verwundete und kranke oder schiffbrüchige Kriegskorrespondenten werden nach der ersten oder zweiten Genfer Konvention von 1949 behandelt. Gemäß Art. 13 (4) GK I und GK II fallen akkreditierte Kriegskorre246 247 248 249 250 251 252 253 254

Sassoli/Bouvier (Fn. 243), S. 429. Art. 76 und 78 GK IV. Art. 79 GK IV. Art. 37 GK IV. Art. 42 GK IV. Art. 79 GK IV. Art. 43 GK IV. Vgl. Art. 27 Abs. 1 GK IV. Siehe dazu Rousseau, Le droit des conflits armés, 1983, S. 99 ff.

I. Verlust des Schutzstatus

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spondenten unter Kategorien, auf die die Bestimmungen beider Konventionen anzuwenden sind.

I. Verlust des Schutzstatus Art. 79 (2) ZP I sieht vor, dass Journalisten als Zivilisten im Sinne von Art. 50 Abs. 1 nach den Genfer Konventionen und dem ersten Zusatzprotokoll geschützt sind, sofern sie nichts unternehmen, was ihren Status als Zivilpersonen beeinträchtigt. Journalisten beeinträchtigen ihren Status als Zivilpersonen, wenn sie unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Eine unmittelbare Teilnahme kann durch Spionagetätigkeiten für eine der Kriegsparteien oder direkte Beteiligung an Kampfhandlungen erfolgen. In diesen Fällen verliert der Journalist seinen Schutzstatus als Kriegskorrespondent.

I. Spionage Vor ungefähr hundert Jahren riskierten Kriegskorrespondenten ihr Leben, weil sie als Spione erschossen werden konnten.255 Mit der zunehmenden Bedeutung der Rolle des Kriegskorrespondenten hat das humanitäre Völkerrecht Regeln erlassen, die den Kriegskorrespondenten vor diesem schrecklichen Schicksal schützen. Trotzdem passiert es auch heutzutage nicht selten, dass Kriegskorrespondenten Spionage im Interesse einer der am Konflikt beteiligten Parteien vorgeworfen wird. In einigen Fällen stimmt das, in vielen anderen nicht.256 Was sagt das humanitäre Völkerrecht über Spione im Allgemeinen? Das ist die Frage, die an dieser Stelle untersucht wird. 1. Definition des Spions Die Haager Konventionen von 1907 definieren den Spion in Art. 29 HLKO. Demnach gilt als Spion nur, „wer heimlich oder unter falschem Vorwand in dem Operationsgebiet eines Kriegsführenden Nachrichten einzieht oder einzuziehen sucht in der Absicht, sie der Gegenpartei mitzuteilen.“257

Da die Definition von „wer“ spricht, erfasst sie hier sowohl Streitkräftemitglieder als auch Zivilpersonen.258 Das bedeutet, dass Kriegskorrespondenten mit dem Primärstatus von Zivilpersonen, ebenfalls durch diese Definition erfasst werden. Nach der Definition kann die Tätigkeit einer Person als Spionage bezeichnet werden, wenn 255 Orme, Protection of Journalists, die Webseite von Crimes of War Project, abrufbar unter: http://www.crimesofwar.org/a-z-guide/journalists-protection-of/, abgerufen am 06.05. 2012. 256 Siehe dazu Boiton-Malherbe (Fn. 164), S. 36. 257 Art. 29 HLKO, RGB1. 1910, S. 143. 258 Vgl. Ipsen (Fn. 109), S. 82.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

sie die Informationsbeschaffung heimlich oder unter falschem Vorwand betreibt. Für die Streitkräftemitglieder kann das die Beschaffung von Informationen im Operationsgebiet des Gegners ohne militärische Uniform bedeuten. Nach Art. 29 HLKO sind Mitglieder der Streitkräfte, die in Uniform in das Operationsgebiet des Feindes eingedrungen sind, um sich Informationen zu verschaffen, nicht als Spione zu betrachten. Für Zivilpersonen einschließlich der Kriegskorrespondenten kommt beispielsweise das Betreten eines geschlossenen militärischen Gebiets ohne Genehmigung oder vorherige Anmeldung, in der Absicht, Informationen zu sammeln und sie dem Gegner mitzuteilen, in Betracht. Unter dem Ausdruck „Operationsgebiet“ in Art. 29 HLKO kann man heute im Sinne des modernen Kriegs das ganze Land verstehen. Da die Informationsbeschaffung ein wesentliches Element im Tatbestand der Spionage darstellt, ist auf die Absicht der Person abzustellen. Es gibt auch Journalisten, die heimlich Informationen suchen. Solche Journalisten riskieren, als Spione behandelt zu werden. Das entscheidende Element ist in solchen Fällen, ob sie Nachrichten einziehen oder einzuziehen suchen in der Absicht, sie der Gegenpartei mitzuteilen. Moralisch unterscheidet sich die Klassifizierung des Spions von Fall zu Fall. Ein Spion, der beispielsweise Spionage aus patriotischen Zwecken betreibt, wird in der Regel in den Augen seiner Mitbürger als eine gute Person angesehen. 2. Spionage im Völkerrecht Völkerrechtlich stellt Spionage keinen Verstoß dar.259 Spionage gilt nach wie vor als eine Kriegsmethode. Art. 24 HLKO sieht vor, dass Kriegslisten und die Anwendung der notwendigen Mittel, um sich Nachrichten über den Gegner und das Gelände zu verschaffen, erlaubt sind.260 Trotzdem werden in der Staatenpraxis Spionagetätigkeiten oft mit harten Strafen geahndet. Diese harten Strafen, die in manchen Fällen Todesstrafen sind, finden ihre Rechtfertigung in der großen Gefahr, welche Spionagetätigkeiten für die nationale Sicherheit des Landes, gegen das Spionage betrieben wird, insbesondere in Kriegszeiten darstellen. Hier entsteht aber ein Widerspruch, da Spionage als solche als eine der Kriegsmethoden völkerrechtlich erlaubt ist. Staaten setzen häufig Spione ein. Aber in der Staatenpraxis wird der Spion selbst als ein unrechtmäßiger Kombattant klassifiziert, der z. B. die Privilegien des Kriegsgefangenenstatus nicht genießt, falls er in Kriegsgefangenschaft gerät. Das bedeutet, dass er wegen einer völkerrechtlich erlaubten Handlung bestraft wird. Diesen Widerspruch wollte wahrscheinlich der US-amerikanische Supreme Court durch sein Urteil im Fall Ex parte Quirin ausräumen, als er Spione als Beispiele für unrechtmäßige Kombattanten und als Verletzer des Kriegsrechts bezeichnete, deren

259 Rousseau (Fn. 254), S. 123; Baxter, So-Called „Unprivileged Belligerency“: Spies, Guerrillas and Saboteurs, The British Yearbook of International Law, 1951, S. 329. 260 Art. 24 HLKO, RGB1. 1910, S. 142.

I. Verlust des Schutzstatus

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Tätigkeit vor einem militärischen Tribunal zu verhandeln und zu bestrafen sei.261 Das bedeutet nach Ansicht des Gerichtshofs, dass nicht nur der Spion als Person bestraft wird, sondern auch die Handlung selbst völkerrechtswidrig ist.262 Die grundsätzliche Zulässigkeit der Bestrafung des Spions ergibt sich aus Artikeln 29, 30, 31 HLKO und Art. 46 ZP I. Art. 30 HLKO sieht ausdrücklich vor, dass ein auf der Tat ertappter Spion nur aufgrund eines Urteiles bestraft werden kann.263 Diese Bestimmung zielte grundsätzlich darauf ab, ungerechtfertigte und unfaire Strafen gegen Personen, denen Spionage vorgeworfen wird, zu vermeiden. In der Regel enthalten die nationalen Gesetze der Staaten Bestimmungen über die Ahndung von Spionage in Kriegs- und Friedenszeiten. Nach Art. 31 HLKO gilt das Recht auf Bestrafung nur, solange der Spion noch nicht zu dem Heere, dem er angehört, zurückgekehrt ist. Falls er nach seiner Rückkehr zum Heere später in die Gefangenschaft des Feindes genommen wird, ist er als Kriegsgefangener zu behandeln und nicht als Spion. Fraglich ist hier, ob diese Regel nur für militärischen Spione oder auch für zivile Agenten gilt. Eine enge Auslegung kann bedeuten, dass die Regel nur für militärische Spione gilt. Die Regel kann aber auch nach einer weiten Auslegung für militärischen Spione und zivilen Agenten gelten.264 Nach Art. 4 (A) Nr. 4 GK III werden akkreditierte Kriegsberichterstatter als Kriegsgefangene behandelt, falls sie in Gefangenschaft geraten. Die akkreditierten Kriegsberichterstatter haben den Primärstatus als Zivilpersonen. Sie haben aber auch Anspruch auf Kriegsgefangenenstatus, sollten sie in Gefangenschaft geraten. Die Bestimmung zielt u. a. darauf ab, dass Kriegskorrespondenten nicht als Spione behandelt werden, falls sie in die Gewalt einer gegnerischen Partei gefallen sind. Das Betreiben von Spionage verwirkt aber dieses Recht. Ein bei einer der am Konflikt beteiligten Partei akkreditierter Kriegskorrespondent, der seinen Beruf nur als falschen Vorwand nutzt, um Spionage zu betreiben und dabei ertappt wird, verwirkt sein Recht auf die Behandlung als Kriegsgefangener gemäß Art. 4 (A) Nr. 4 GK III, falls er in Kriegsgefangenschaft gerät. Der Verlust des Anspruches auf Kriegsgefangenenstatus beim Betreiben von Spionage durch Kriegskorrespondenten ergibt sich aus Art. 29 HLKO und aus einem Gegenschluss aus Art. 31 HLKO.265 Das 1. Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen behandelt den Status des Spions in Art. 46. Dieser Artikel spricht aber nur über Angehörige der Streitkräfte.

261 US-Supreme Court, Urteil vom 31. Juli 1942 im Fall Ex parte Quirin, United States Supreme Court Reports, U.S. 317 – 319, 1942, S. 31. 262 Vgl. auch dazu Hyde, Aspects of the Saboteur Cases, American Journal of International Law, Vol. 37, 1943, S. 88; Baxter (Fn. 259), S. 329. 263 Art. 30 HLKO, RGB1. 1910, S. 144. 264 Vgl. Baxter (Fn. 259), S. 332. 265 Vgl. Ipsen, Kombattanten und Nichtkombattanten, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, S. 83; siehe auch Art. 23 des Oxford Manuals von 1880, in: Schindler/Toman (Fn. 43), S. 40.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

3. Be- und eingeschränkte Rechte von Spionen Angesichts der Gefahren, welche Spione und Saboteure für die nationale Sicherheit eines Staates, insbesondere in Kriegszeiten, darstellen, haben mehrere Delegationen während der Vorbereitungsarbeiten für die Genfer Konventionen von 1949 vorgeschlagen, dass in Bezug auf Spione und Saboteure manche Rechte und Vorrechte, welche die vierte Genfer Konvention für die geschützten Personen im Allgemeinen vorsieht, aus Sicherheitserwägungen beschränkt werden können. Zur Rechtfertigung dieser Position brachten die Delegationen vor, dass die Wirksamkeit der Maßnahmen, die ein Staat gegen Spione und Saboteure ergreifen kann, manchmal die Geheimhaltung des Verfahrens erfordert.266 Diese Voraussetzung passt aber nicht zu den gemäß der Konvention vorgesehenen Rechten und Vorrechten für die geschützten Personen, wie z. B. das Recht auf Kommunikation mit der Außenwelt.267 Daher ist es in solchen Situationen sinnvoll, dass die Internierung des Spions für einige Zeit nicht bekannt gemacht wird. Art. 5 Abs. 1 GK IV spricht allgemein von der geschützten Einzelperson, die sich auf dem Gebiet einer Kriegspartei befindet und unter dem begründeten Verdacht steht, eine der Sicherheit des Staates abträgliche Tätigkeit zu betreiben. Das IKRK ist dahingehend auszulegen, dass hier mit den Worten „abträgliche Tätigkeit“ zumindest auch das Betreiben von Spionage und Sabotage gemeint ist.268 Personen, die unter dem begründeten Verdacht stehen, sich tatsächlich einer derartigen Tätigkeit zu widmen, können sich nicht auf die durch die Konvention eingeräumten Rechte und Vorrechte berufen.269 Beschränkt werden z. B. das Recht, zu korrespondieren, Vertreter der Schutzmacht und des IKRK zu empfangen und seelsorgerischen Beistand der Geistlichen ihres Glaubensbekenntnisses zu erhalten. Aber die Rechte, gemäß Art. 37 und 38 GK IV während der Untersuchungshaft oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe menschlich behandelt zu werden und ärztliche Behandlung zu erhalten, wenn ihr Gesundheitszustand es erfordert, sind nicht derogierbar.270 Der Staat ist auch gemäß Art. 136 GK IV verpflichtet, Mitteilungen über Maßnahmen, die er gegen in seinem Herrschaftsbereich befindliche geschützte Personen ergriffen hat, an das amtliche Auskunftsbüro zu senden, wenn diese Personen über zwei Wochen festgenommen, interniert oder dem Zwangsaufenthalt unterworfen sind.271

266 Pictet (ed.), Commentary: IV Geneva Convention Relative to the Protection of Civilian Persons in Time of War, 1958, S. 52, im Folgenden: ICRC Commentary on the IV Geneva Convention of 1949. 267 Siehe Art. 25 GK IV. 268 ICRC Commentary on the IV Geneva Convention of 1949, S. 56. 269 Art. 5 Abs. 1 GK IV. 270 ICRC Commentary on the IV Geneva Convention of 1949, S. 56. 271 ICRC Commentary on the IV Geneva Convention of 1949, S. 56.

I. Verlust des Schutzstatus

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In Art. 5 Abs. 2 GK IV erwähnt der Text ausdrücklich Spione und Saboteure, die sich in besetzten Gebieten befinden. Solche Personen verwirken in den Fällen, in denen dies aus militärischen Sicherheitsgründen unbedingt erforderlich ist, ihr nach der Konvention garantiertes Recht auf Kommunikation. Bei einem Gerichtsverfahren finden die Artikel 64 – 76 GK IV Anwendung, Ausdrücklich erwähnt sei Art. 68 GK IV, der der Besatzungsmacht erlaubt, unter gewissen Umständen die Todesstrafe gegen Spione zu vollstrecken. Die Besatzungsmacht ist gemäß Art. 136 GK IV verpflichtet, dem amtlichen Auskunftsbüro die gegen den Spion ergriffenen Maßnahmen mitzuteilen.

II. Unmittelbare Beteiligung von Kriegskorrespondenten an Kampfhandlungen Die Möglichkeit einer unmittelbaren Beteiligung von Kriegskorrespondenten an Kampfhandlungen ist keine hypothetische Frage, sondern eine Tatsache, die sich in einigen Situationen realisiert hat.272 Der Verdacht der unmittelbaren Teilnahme an Kampfhandlungen besteht insbesondere, wenn der Kriegskorrespondent für seinen persönlichen Schutz eine Waffe mit sich führt. Die Behauptungen der US-Regierung gegen den Journalisten Sami Al-Haj geben ein Beispiel dafür. Sami Al-Haj, ein Sudanese, der bei Al-Jazeera-TV als Kameramann arbeitete, wurde während des Afghanistankrieges im November 2001 in der Nähe der afghanisch-pakistanischen Grenze durch die pakistanischen Behörden festgenommen, als er einen journalistischen Auftrag von Al-Jazeera ausführte. Die pakistanischen Behörden hatten ihn für ungefähr zwanzig Tage inhaftiert, bevor sie ihn an die US-Amerikaner in Afghanistan auslieferten. Die amerikanischen Behörden haben Sami Al-Haj am Anfang in einem amerikanischen Gefängnis in Baghram in Afghanistan inhaftiert und nach ein paar Monaten nach Guantánamo verlegt. Ihm wurde u. a. vorgeworfen, mit dem AlQaida-Terrornetzwerk kooperiert und eine Webseite zur Unterstützung von Terrorismus errichtet zu haben. Als „unlawful combatant“ saß Al-Haj sieben Jahre im Gefängnis ohne ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren.273 In April 2008 haben die US-amerikanischen Behörden den Journalisten Sami Al-Haj freigelassen.274 Hier erhebt sich die Frage nach der Rechtsstellung, die ein Kriegskorrespondent hat, der unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt. Gilt er in einem solchen Fall als Kombattant oder behält er seinen Status als Zivilist? Wer gilt nach den Regeln des humanitären Völkerrechts als Kombattant und wer als Zivilist? Die Beantwortung 272

Seils, Die Kamera mit der Knarre vertauscht, in: Löffelholz/Trippe (Fn. 1), S. 117. Die Geschichte der Inhaftierung des Al-Jazeera-Kameramanns Sami Al Haj ist abrufbar über die Webseite von Al-Jazeera Online unter: http://www.aljazeera.net/NR/exeres/ B6A0E43D-6ED7-421F-96C3-08452D68AB4A.htm, abgerufen am 06.05. 2012. 274 Siehe Webseite der Al-Jazeera Online, abrufbar unter: http://www.aljazeera.net/NR/exe res/AC2DE2AE-07DA-4391-AAF2-6CDC9354596F.htm, http://www.aljazeera.net/NR/exeres/ 4BAE9A54-7F4C-442E-9F96-4E6ADABA2F7C.htm, abgerufen am 06.05. 2012. 273

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

dieser Fragen hilft bei der Konkretisierung der Rechtsstellung des Kriegskorrespondenten, wenn ihm die unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten vorgeworfen wird. 1. Das Waffentragen durch Kriegskorrespondenten Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass manche Kriegskorrespondenten während der Ausführung von beruflichen Aufträgen in Kriegsgebieten mit leichten Feuerwaffen ausgerüstet sind. Manche Journalisten werden von einer Wache (escort guards) begleitet.275 Fraglich ist hier, ob Journalisten ihren Status als Zivilpersonen beeinträchtigen, wenn sie zu ihrer eigenen Verteidigung mit leichten Handfeuerwaffen ausgerüstet sind? Bezüglich Journalisten enthält das humanitäre Völkerrecht keine ausdrückliche Regelung. Aber Art. 13 (2) ZP I über den Schutz von Sanitätseinheiten sieht vor, dass die Tatsache, dass das Personal der Einheit zu seiner eigenen Verteidigung oder zur Verteidigung der ihm anvertrauten Verwundeten und Kranken mit leichten Handfeuerwaffen ausgerüstet ist, nicht als Handlung, die den Feind schädigt, gilt. Analog dazu kann man sagen, dass die Tatsache, dass manche Journalisten zu ihrer eigenen Verteidigung mit leichten Handfeuerwaffen ausgerüstet sind oder von einer Wache begleitet werden, nicht zum Verlust des Schutzes, den Zivilisten genießen, führt. Kriegskorrespondenten, die Waffen tragen, riskieren aber, ihren Status als unparteiische und objektive Beobachter zu verlieren.276 Dabei besteht auch die Gefahr, dass sie mit Kombattanten verwechselt und folglich durch den Gegner als legitimes militärisches Ziel angesehen und angegriffen werden. Es ist deshalb im Interesse der Kriegskorrespondenten, keine Waffen zu tragen und immer zu versuchen, ihren neutralen Status zu bewahren und diesen auch nach außen zu zeigen. 2. Kombattanten und Zivilisten Die Klassifizierung einer Person als Kombattant oder Zivilist kann für diese lebenswichtige Folgen haben. Eine solche Klassifizierung ist jedoch nicht immer einfach. In diesem Zusammenhang wird auf relevante Regeln der dritten Genfer Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1949 sowie Regeln der vierten Genfer Konvention zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten von 1949 und des ersten Zusatzprotokolls der Genfer Konventionen eingegangen.

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Seils (Fn. 272), S. 117. Siehe die Webseite des Committee to Protect Journalists, abrufbar unter: http://cpj.org/re ports/2003/02/journalist-safety-guide.php, abgerufen am 06.05. 2012. 276

I. Verlust des Schutzstatus

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a) Kombattanten Der Begriff „Kombattanten“ bezeichnet diejenigen Personen, die berechtigt sind, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen.277 Die Regeln des humanitären Völkerrechts bestimmen, wer als Kombattant gilt. Dazu gehören nach Art. 4 Buchstabe A Absätze 1, 2, 3 und 6 GK III Mitglieder von Streitkräften einer am Konflikt beteiligten Partei sowie Mitglieder von Milizen und Freiwilligenkorps, die in diese Streitkräfte eingegliedert sind. Dazu gehören auch Mitglieder anderer Milizen und Freiwilligenkorps, einschließlich solcher von organisierten Widerstandsbewegungen. Die Vertragsschöpfer waren bei der Formulierung dieses Absatzes durch die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs motiviert, wobei es damals schwierig war, die Mitglieder der Partisanen und Guerillas vor schlechter Behandlung oder strenger Strafe zu schützen.278 Art. 4 (A) Abs. 2 GK III stellt mehrere Voraussetzungen auf, damit die Mitglieder dieser Milizen, Freiwilligenkorps und Widerstandsbewegungen als rechtmäßige Kombattanten behandelt werden, falls sie in Gefangenschaft geraten. Die Voraussetzungen sind folgende: Sie haben eine Person an ihrer Spitze, die für ihre Untergebenen verantwortlich ist. Sie führen ein bleibendes und von weitem erkennbares Unterscheidungszeichen. Sie tragen die Waffen offen. Sie halten bei ihren Kampfhandlungen die Gesetze und Gebräuche des Krieges ein. Erwähnung verdient hier die Tatsache, dass Art. 4 (A) GK III die Voraussetzungen des Art. 1 HLKO von 1907 übernimmt. Für Partisanen und Guerillas, deren Kampfmethode auf Verstecken und Überraschen basiert, ist es aber sehr schwierig und eher unwahrscheinlich, alle diese Voraussetzungen zu erfüllen.279 Art. 4 (A) Nr. 6 GK III übernimmt auch die in Art. 2 HLKO vorgesehene „levée en masse“Kategorie. Diese Kategorie bezeichnet den Fall, dass die Bevölkerung eines unbesetzten Gebietes, die beim Herannahen des Feindes aus eigenem Antrieb zu den Waffen greift, um die eindringenden Truppen zu bekämpfen, ohne dass sie die Zeit zu haben, sich als reguläre Streitkräfte zu organisieren. Solche Personen gelten in diesem Fall als Kombattanten, sofern sie die Waffen offen tragen und die Gesetze und Gebräuche des Krieges einhalten. Art. 5 GK III sieht vor, dass im Zweifelsfall, wenn man also nicht weiß, welche Rechtsstellung eine Person hat, die eine kriegerische Handlung begangen hat und in Feindeshand gefallen ist, sie den Schutz der dritten Genfer Konvention genießt, bis ihre Rechtsstellung durch ein zuständiges Gericht festgestellt worden ist. Die Bestimmungen des Art. 43 (1) ZP I haben die Voraussetzungen des Art. 4 (A) Abs. 2 GK III in Bezug auf Milizen und Freiwilligenkorps gelockert. Die Vertragsschöpfer zielten darauf ab, die militärischen Operationen von Befreiungsbe277 278 279

Siehe Art. 43 (2) ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1583. Baxter (Fn. 259), S. 327. Vgl. Baxter, ebd., S. 336.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

wegungen in den Schutzbereich des Protokolls einzubeziehen.280 Gemäß Art. 43 (1) ZP I bestehen die Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei aus der Gesamtheit der organisierten bewaffneten Verbände, Gruppen und Einheiten, die einer Führung unterstehen. Voraussetzung ist zudem, dass diese Streitkräfte einem internen Disziplinarsystem unterliegen, das u. a. die Einhaltung der Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts gewährleistet. Zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Verringerung der Auswirkungen der Kriege auf Zivilisten verpflichtet das humanitäre Völkerrecht Kombattanten, sich von Zivilisten zu unterscheiden.281 Kombattanten, die sich von Zivilisten nicht unterscheiden, stellen in der Regel eine große Gefahr nicht nur für den Gegner, sondern auch für die Zivilbevölkerung dar, weil der Gegner in solchen Fällen nicht unterscheiden kann, wer Kombattant ist und wer nicht. Aus diesem Grund motiviert das humanitäre Völkerrecht die Kombattanten, unabhängig davon ob sie Mitglieder der regulären Streitkräfte oder Mitglieder einer organisierten bewaffneten Gruppe wie Partisanen und Widerstandskämpfer sind, sich von Zivilisten zu unterscheiden, damit sie den Kriegsgefangenenstatus genießen, falls sie in Feindeshand geraten. b) „Unlawful combatants“ Im Zusammenhang des Afghanistankrieges 2001 wurde eine bedeutende Zahl von Personen, darunter der Journalist Sami Al-Haj, in Afghanistan und an anderen Orten gefangengenommen, in Afghanistan und anderswo. Ihnen wurde vorgeworfen, in irgendeiner Weise mit Terrorakten in Verbindung zu stehen. Sie wurden in Guantánamo in Haft gehalten. Die US-amerikanische Regierung argumentierte, dass sie als Terroristen illegale Kombattanten seien, d. h. weder Kriegsgefangene noch Zivilpersonen. Deswegen gälten für sie die Regeln des humanitären Völkerrechts nicht.282 Im kodifizierten humanitären Völkerrecht gibt es diese Klassifizierung „illegale Kombattanten“ nicht.283 Im humanitären Völkerrecht gibt es nur zwei Kategorien, nämlich Kombattanten und Zivilisten. Den Ausdruck „illegale Kombattanten“ findet man nur in der Literatur und der Rechtsprechung. Im Fall Ex parte Quirin während des Zweiten Weltkriegs 1942 stellte der US-amerikanische Supreme Court fest, dass Sabotage- und Spionagetätigkeiten einen Verstoß gegen das Kriegsrecht und das Völkerrecht (Law of War and the Law of Nations) darstellen. Die Akteure solcher Handlungen seien als „unlawful combatants“ der Internierung und Gerichtsbarkeit der militärischen Tribunale zu unterwerfen.284 Die Bezeichnung 280

Vgl. Detter, The Law of War, 2000, S. 137. Art. 43 (3) ZP I. 282 Solomon/Kaye, The International Law of Hamdan v. Rumsfeld, Yearbook of International Humanitarian Law, Vol. 8, 2005, S. 198. 283 Vgl. auch dazu Wieczorek, Unrechtmäßige Kombattanten und humanitäres Völkerrecht, 2005, S. 38. 284 An dieser Stelle erwähnte der US-amerikanische Supreme Court, dass „Lawful combatants are subject to capture and detention as prisoners of war by opposing military forces. 281

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„illegale Kombattanten“ beschreibt lediglich eine konkrete Vorgehensweise, schafft damit aber keine neue Rechtskategorie.285 Mit diesem Ausdruck bezeichnet man diejenigen Soldaten, welche die Regeln des Kriegsrechts, wonach Kombattanten verpflichtet sind, sich von Zivilisten zu unterscheiden, nicht eingehalten haben, um sich dadurch einen militärischen Vorteil zu verschaffen.286 c) Zivilisten Gemäß Art. 50 ZP I gilt als Zivilperson jede Person, die keiner der Kategorien des Art. 4 (A) Absätze 1, 2, 3 und 6 GK III und der Kategorien des Art. 43 ZP I angehört. Die Definition des Art. 50 Abs. 1 hat eine negative Natur, indem sie nur die Kombattanten in Gegensatz zu Zivilisten setzt. Somit gelten alle anderen Personen, die nicht den Kategorien der Kombattanten angehören, als Zivilisten. Grundsätzlich dürfen Personen, die den Kategorien des Art. 4 GK III und des Art. 43 ZP I nicht angehören, nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Folglich werden sie in militärische Operationen nicht einbezogen. Denn nur weil sie an Kampfhandlungen nicht teilzunehmen, ist der Gegner bereit, sie zu schonen.287 Zu fragen ist nun nach den Konsequenzen, die entstehen können, falls die Voraussetzung der Nichtteilnahme verletzt wurde, weil Journalisten unmittelbar an Feindseligkeiten teilgenommen haben. Die Immunität der Zivilpersonen vor den von Kriegshandlungen ausgehenden Gefahren ist nicht absolut, sondern verbunden mit der Nichtteilnahme an Feindseligkeiten. Gemäß Art. 51 Abs. 3 ZP I genießen Zivilpersonen den gewährten Schutz, „sofern und solange sie“ nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Der Ausdruck „sofern und solange sie“ bedeutet nach dem IKRK-Kommentar, dass das Nichtgenießen des den Zivilisten gewährten Schutzes nur während seiner unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten gilt. „Once he ceases to participate, the civilian regains his right to the protection under this section.“288

Unter dem Wort „Feindseligkeiten“ können nicht nur die Zeit, in der der Zivilist seine Waffe benutzt, sondern auch andere feindliche Tätigkeiten wie die Vorbereitung für militärische Operationen verstanden werden.289 Der Ausdruck „unmittelbare Unlawful combatants are likewise subject to capture and detention, but in addition they are subject to trial and punishment by military tribunals for acts which render their belligerency unlawful.“ Siehe US-Supreme Court, Urteil vom 31. Juli 1942 im Fall Ex parte Quirin, United States Supreme Court Reports, 317 – 319 U.S., 1942, S. 31. 285 Wieczorek (Fn. 283), S. 112. 286 Siehe dazu Baxter (Fn. 259), S. 322; Callen, Unlawful Combatants and the Geneva Conventions, Virginia Journal of International Law, Vol. 44, 2004, S. 1026. 287 Gasser, Schutz der Zivilbevölkerung, in: Fleck (Fn. 109), 1994, S. 169. 288 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 618. 289 Ebd., S. 618.

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Teilnahme“ bedeutet Kriegshandlungen, die ihrer Natur oder ihrem Zweck nach geeignet sind, den Mitgliedern oder den Ausrüstungen der feindlichen Streitkräfte einen tatsächlichen Schaden zufügen zu können. Die Teilnahme an „war effort“ wird aber nicht zu der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten gezählt.290 Der israelische High Court of Justice versuchte in seinem Urteil vom 14. Dezember 2006 über das „Targeted Killing“, welches die israelische Regierung gegen palästinensische Aktivisten in den besetzten Gebieten durchgeführt hat, den umstrittenen Ausdruck „sofern und solange sie nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen“ in Art. 51 Abs. 3 ZP I auszulegen.291 Nach Ansicht des Gerichts dürfen Personen, die dem militärischen Arm angehören und unmittelbar an militärischen Operationen teilnehmen, oder für militärische Operationen Informationen sammeln oder militärische Operationen planen, angegriffen werden. Mitglieder, die nur dem politischen Arm angehören oder nur „Fundraising“ betreiben, dürfen nicht angegriffen werden.292 In beiden Fällen behalten die Personen jedenfalls ihren Status als Zivilperson. Wichtig ist auch, was der Gerichtshof bezüglich der Anwendung der Regeln der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten feststellte: Der Gerichtshof konstatierte, dass, selbst wenn das humanitäre Völkerrecht Lücken aufweist, diese Lücken durch die Regeln der Menschenrechte zu füllen sind.293 Somit gelten Aktivitäten der Kriegskorrespondenten wie Fotografieren, Filmen von Kriegsgeschehnissen, Notieren von Informationen oder Führung von Interviews in Kriegsgebieten nicht als unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten, solange solche Aktivitäten im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit und nicht der Spionage unternommen werden.294 Im Gegensatz zur amerikanischen Idee des „unlawful combatants“ gelten alle Personen, die nicht den Kategorien der Kombattanten angehören, als Zivilisten. Sie verlieren grundsätzlich ihre Rechtsstellung als Zivilperson nicht, weil sie unmittelbar an Feindseligkeiten teilgenommen haben. Sie werden aber nicht als Kriegsgefangene behandelt, falls sie in Feindeshand fallen. Wegen ihrer unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten dürfen sie unter Berücksichtigung aller gerichtlichen Garantien zur Verantwortung gezogen werden.295 290

Ebd., S. 619. Urteil des israelischen High Court of Justice vom 14. Dezember 2006, Paragraph 30 – 40, abrufbar unter: http://elyon1.court.gov.il/Files_ENG/02/690/007/a34/02007690.a34.HTM, abgerufen am 06.05. 2012, im Folgenden: Urteil des israelischen High Court vom 14. Dezember 2006; siehe dazu auch Keller/Forowicz, A Tightrope between Legality and Legitimacy: An Analysis of the Israeli Supreme Court’s Judgment on Targeted Killing, Leiden Journal of International Law, Vol. 21, No. 1, 2008, S. 204. 292 Urteil des israelischen High Court vom 14. Dezember 2006, ebd., Paragraph 34 – 37. 293 Ebd., Paragraph 18. 294 Siehe auch dazu Boiton-Malherbe (Fn. 164), S. 155. 295 Gasser (Fn. 287), S. 169 und 170. 291

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Nach dem IKRK-Kommentar über Art. 4 GK IV gilt: „Every person in enemy hands must have some status under international law: he is either a prisoner of war and, as such, covered by the Third Convention, or a civilian covered by the Fourth Convention“.296

Nach dieser Auslegung gibt es nur zwei Kategorien. Es gibt keinen Platz für einen Zwischenstatus, keine dritte Kategorie, deren Angehörige weder die in der dritten Konvention vorgesehenen Rechte für Kriegsgefangene noch die in der vierten Konvention vorgesehenen Rechte für Zivilisten genießen. „Nobody in enemy hands can be outside the law.“297

Eine solche Auslegung befriedigt nicht nur die geistige Logik, sondern auch die humanitäre Logik. Nach der Auslegung des IKRK-Kommentars unterliegen somit alle anderen Personen, welche die Voraussetzungen des Kriegsgefangenenstatus nicht erfüllt haben, dem Schutzbereich der vierten Genfer Konvention zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten, vorausgesetzt, dass die Bedingungen von Art. 4 GK IVerfüllt sind. Callen vertritt aber eine andere Ansicht. Nach seiner Ansicht fällt die Kategorie der illegalen Kombattanten, die auf dem Schlachtfeld in Gefangenschaft geraten, weder unter den Schutzbereich der dritten noch der vierten Genfer Konvention. Nach seiner Meinung deckt die vierte Genfer Konvention gemäß Art. 5 GK IV nur andere Kategorien von illegalen Kombattanten wie Spione und Saboteure, die sich auf Territorien einer feindlichen Kriegspartei befinden, sowie Partisanen und Spione in besetzten Gebieten.298 Nach Callens Ansicht vertritt das IKRK eine weite Auslegung. Nach dem „Final Record“ und den Vorbereitungsarbeiten der Genfer Konventionen entspricht diese weite Auslegung dem Willen der Vertragsschöpfer nicht.299 Die Position des IKRK-Kommentars findet aber eine Bestätigung in Art. 50 und 43 ZP I. Art. 50 bestimmt die Begriffe „Zivilpersonen und Zivilbevölkerung“, und Art. 43 definiert die Streitkräfte. Im Zweifelsfall gilt eine Person als Zivilist. Die Ansicht des IKRK wird auch durch die Rechtsprechung gestützt. Der ICTY verneinte, dass es eine Lücke zwischen der dritten und vierten Genfer Konventionen gebe, die zur Entstehung einer dritten Kategorie führe, die außerhalb des Schutzbereiches der Genfer Konventionen stehe. In seinem Urteil vom 16. November 1998 im Fall Delalic´ et al stellte der ICTY fest: „There is no gap between the Third and the Fourth Geneva Conventions. If an Individual is not entitled to the protections of the Third Convention as a prisoner of war (or of the First and

296 297 298 299

ICRC Commentary on the IV Geneva Convention of 1949, S. 51. Ebd., S. 51. Callen (Fn. 286), S. 1039. Ebd., S. 1049 und 1062.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht Second Conventions) he or she necessarily falls within the ambit of Convention IV, provided that its Article 4 requirements are satisfied.“300

Der israelische High Court of Justice lehnte in seinem Urteil über das „Targeted Killing“ das Konzept der Existenz einer dritten Kategorie für illegale Kombattanten ab, die weder die in der dritten Genfer Konvention vorgesehenen Rechte für Kriegsgefangene noch die in der vierten Genfer Konvention vorgesehenen Rechte für Zivilpersonen genießen. In dem Urteil des Gerichts stellte der Richter Barak, der Präsident des israelischen High Court of Justice, fest: „It is difficult for us to see how a third category (beyond combatants and civilians) can be recognized in the framework of the Hague and Geneva Conventions.“301

Außerdem gibt es keine ausreichenden Daten, die darauf hinweisen, dass eine solche dritte Kategorie als Völkergewohnheitsrecht anerkannt ist.302 Das Gericht hat aber konstatiert, dass der Krieg gegen den internationalen Terrorismus neue Fakten geschaffen hat, die früher nicht existierten. Um sich diesen neuen Realitäten anzupassen, braucht man eine dynamische Interpretation für die Regeln. Wörtlich stellte Richter Barak fest: „… new reality at times requires new interpretation“.303

Der israelische Gerichtshof hält hier an Art. 50 Abs. 1. ZP I fest. Demnach gilt als Zivilperson jede Person, welche den Kategorien von Art. 4 (A) Nr. 1, 2, 3 und 6 GK III sowie den Kategorien von Art. 43 ZP I nicht angehört. In einem seiner wichtigsten Urteile über die Kriegsgefangenen in Guantánamo stellte der US-amerikanische Supreme Court in seinem Urteil im Fall Hamdan304 2006 fest, dass Terroristen als „unlawful combatants“ nicht außerhalb der Regeln des humanitären Völkerrechtes stehen, und dass der gemeinsame Art. 3 der Genfer Konventionen in ihrem Fall anwendbar ist.305 Die Ansicht des US-amerikanischen Supreme Court im Fall Hamdan steht somit mehr oder weniger im Einklang mit den Ansichten des ICTY und des israelischen High Court of Justice sowie mit der 300 Siehe ICTY, Urteil vom 16. November 1998 im Fall Delalic´ et al. (TC), Case No. IT-9621-T, Paragraph 271, abrufbar über die Webseite des ICTY unter: http://www.icty.org/x/cases/ mucic/tjug/en/981116_judg_en.pdf, abgerufen am 06.05. 2012. 301 Urteil des israelischen High Court vom 14. Dezember 2006 (Fn. 291), Paragraph 28. 302 Ebd., Paragraph 28. 303 Ebd., Paragraph 28. 304 Hamdan ist ein Jemenit, der während der militärischen Operationen in Afghanistan gegen die Taliban und Al-Qaida in November 2001 interniert und nach Guantánamo verbracht wurde. Er war der Fahrer und Leibwächter von Osama Bin Laden. Siehe dazu US-Supreme Court, Urteil vom 29. Juni 2006 im Fall Hamdan, Supreme Court Reporter, Interim Edition, Vol. 126B, 2005, S. 2761, im Folgenden: Urteil des US-Supreme Court von 2006 im Fall Hamdan; siehe dazu auch US-Supreme Court, Urteil vom 28. Juni 2004 im Fall Hamdi, Supreme Court Reporter, Vol. 124B, 2004, S. 2640; US-Supreme Court, Urteil vom 28. Juni 2004 im Fall Rasul, Supreme Court Reporter, Vol. 124B, 2004, S. 2686. 305 Urteil des US-Supreme Court von 2006 im Fall Hamdan, ebd., S. 2794 – 2796.

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Auslegung des IKRK-Kommentars die davon ausgehen, dass „Nobody in enemy hands can be outside the law.“ d) Perfidieverbot Das Perfidieverbot ist eine alte Regel.306 Nach den Bestimmungen des humanitären Völkerrechts ist es verboten, einen Gegner in heimtückischer Weise zu töten, zu verwunden oder gefangen zu nehmen. Art. 37 (1) ZP I lautet: „Als Heimtücke gelten Handlungen, durch die ein Gegner in der Absicht, sein Vertrauen zu mißbrauchen, verleitet wird, darauf zu vertrauen, daß er nach den Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts Anspruch auf Schutz hat oder verpflichtet ist, Schutz zu gewähren.“

Das Vortäuschen eines Zivilisten- oder Nichtkombattantenstatus gilt als unerlaubte Perfidie. Nach Art. 8 (2) (b) (xi) des Statutes des Internationalen Strafgerichtshofs gilt die meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Volkes oder Heeres als Kriegsverbrechen.307 Kriegskorrespondenten sind Zivilpersonen. Somit gelten sie als geschützte Personen, die nicht angegriffen werden dürfen. Sie sind keine Kombattanten und dürfen deswegen nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Aufgrund ihrer Nichtteilnahme an Kampfhandlungen ist der Gegner bereit, sie zu schonen, weil von ihnen keine Kampfhandlung zu befürchten ist. Eine unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten kann folglich dazu führen, dass der Kriegskorrespondent wegen Perfidie gemäß Art. 37 (1) (c) angeklagt wird. e) Anwendung des Art. 3 der Genfer Konventionen und des Art. 75 ZP I Art. 3 der Genfer Konventionen garantiert den Gefangenen bewaffneter Konflikte ein Mindestmaß an Rechten wie menschliche Behandlung, Folterverbot und auch ein ordentlich bestelltes Gericht, das die von den zivilisierten Völkern als unerlässlich anerkannten Rechtsgarantien bietet. Über die Natur des Gerichts sagt Art. 3 nicht viel. Unter einem ordentlich bestellten Gericht kann man Gerichte verstehen, die das Minimum an gerichtlichen Garantien, die als Völkergewohnheitsrecht gelten, gewährleisten.308 Über die Anwendung des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Konventionen stellte der Internationale Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. Juni 1986 im Fall Nicaragua gegen die Vereinigten Staaten von Amerika fest, dass es keine Zweifel gibt, dass die Bestimmungen des Art. 3, die als „a minimum Yardstick“ gelten, auch

306

David, Principes de droit des conflits armés, 1994, S. 354. Art. 8 (2) (b) (xi) des Statutes des Internationalen Strafgerichtshofs, BGB1. 2000 II, S. 1399; siehe auch Art. 23 (b) HLKO, RGB1. 1910, S. 141. 308 Urteil des US-Supreme Court von 2006 im Fall Hamdan (Fn. 304), S. 2797. 307

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in internationalen Konflikten Anwendung finden.309 Nach der Ansicht des Internationalen Gerichtshofs im Fall Nicaragua geben die Bestimmungen des Art. 3 wieder, was der Gerichtshof im Fall Corfu Channel 1949 „elementary considerations of humanity“ nannte.310 Im Fall Tadic´ 1995 stellte der ICTY fest, dass Art. 3 der Genfer Konventionen Anwendung in bewaffneten Konflikten findet, ungeachtet des Charakters des Konfliktes.311 Der ICTY wies darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen Staatenkriegen und Bürgerkriegen zunehmend schwindet, wenn es um Menschen geht. Er stellte fest, dass einige Bestimmungen der Konventionen des humanitären Völkerrechts nach und nach Teil des Völkergewohnheitsrechts geworden seien und dass Art. 3 der Genfer Konvention zu diesen Regeln gehöre.312 Diese Ansicht bestätigte der ICTY in seinem Urteil vom 20. Februar 2001 im Fall Delalic´ et al (Cˇelebic´i), in dem er ausführte, dass es rechtlich und moralisch unhaltbar sei zu behaupten, der gemeinsame Art. 3 der Genfer Konventionen, der ein Minimum der wesentlichen obligatorischen humanitären Regeln, die in internen bewaffneten Konflikten anzuwenden sind, darstellt, in internationalen bewaffneten Konflikten nicht anzuwenden sei.313 Die Bestimmungen des Art. 3 können als Quintessenz der humanitären Regeln, die in den Genfer Konventionen insgesamt vorgesehen sind, betrachtet werden.314 Deswegen ist es logisch, dass sie auch in internationalen bewaffneten Konflikten Anwendung finden.315 Art. 75 ZP I bietet grundlegende Garantien für alle Personen, die sich in der Gewalt einer am Konflikt beteiligten Partei befinden und keine günstigere Behandlung aufgrund der Genfer Konventionen oder des Protokolls genießen. Der Artikel enthält mehrere Bestimmungen über die rechtlichen Garantien und die menschliche Behandlung der internierten Personen. Er verbietet ausdrücklich Folter jeder Art sowie eine entwürdigende und erniedrigende Behandlung. Die Bestimmungen des Artikels sind für alle Staaten rechtlich verbindlich, selbst wenn sie keine Vertragsparteien des 1. Zusatzprotokoll sind. Somit hat ein Kriegskorrespondent, der keinen Anspruch auf den Kriegsgefangenenstatus nach der dritten Genfer Konvention hat und keine günstigere Behandlung nach der vierten Genfer Konvention genießt, jederzeit Anspruch auf den Schutz

309

IGH, Urteil vom 27. Juni 1986 im Fall Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, Ziff. 218, S. 114. IGH, Urteil vom 27. Juni 1986 im Fall Nicaragua, I.C.J. Reports 1986, Ziff. 218, S. 114; IGH, Urteil vom 9. April 1949 im Fall Corfu, I.C.J. Reports 1949, S. 22. 311 ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1-AR72 (Fn. 121), Paragraph 128 – 134 und 137. 312 Ebd., Paragraph 97 und 98. 313 ICTY, Entscheidung vom 20. Februar 2001 im Fall Delalic´ et al. (Celebici) (AC), Case No. IT-96-21-A, International Legal Materials, Vol. 40, 2001, Paragraph 150, S. 631 ff. 314 Ebd., Paragraph 143. 315 Ebd., Paragraph 150. 310

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nach Art. 75 ZP I und dem in Art. 3 der Genfer Konventionen vorgesehenen Mindestmaß an Rechten.

III. Schutz von Radiostationen vor Angriffen Das Verbot des Angriffs auf zivile Objekte ist im humanitären Völkerrecht seit dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts und in Art. 8 (2) des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs verankert.316 Das humanitäre Völkerrecht sieht vor, dass Angriffe streng auf militärische Ziele zu beschränken sind. Aber in mehreren bewaffneten Konflikten der letzten Jahre kam es zu Angriffen auf Radio- und FernsehStationen mit der Begründung, dass sie als Kommunikationsnetzwerk verwendet wurden oder Propaganda für den Feind betrieben hätten. Ein Beispiel dafür ist die Bombardierung des Belgrader TV-Gebäudes am 23. April 1999 durch die NATO während des Kosovo-Krieges. Die NATO rechtfertigte den Angriff mit der Behauptung, dass die Bombardierung des TV-Studios im Zuge eines geplanten Angriffs stattfand, um das Kommando-, Kontroll- und Kommunikationsnetzwerk zu blockieren.317 Ein weiteres Beispiel ist der Beschuss des staatlichen irakischen Fernsehsenders in Bagdad am 25. März 2003 mit einer „cruise“-Rakete. Am darauf folgenden Tag wurde die TV- und Radio-Station in Basra angegriffen, mit der Begründung, die Kommunikation zwischen Saddam Hussein, der Armee und der Bevölkerung blockieren zu wollen.318 Auch während der israelischen Angriffe gegen die Hamas im Gazastreifen hat Israel am 28. Dezember 2008 den TV-Sender AlAqsa, der der Hamas-Organisation gehört, bombardiert.319 Das jüngste Beispiel bietet der NATO-Angriff auf den libyschen Staatsfernsehsender im Zuge des Konflikts in Libyen am 30. Juli 2011.320 Die Angriffe auf die Mediengebäude waren in diesen Fällen beabsichtigt, um militärische Zwecke zu erfüllen, wie die jeweiligen Angreifer selbst einräumten. Es gibt aber auch Fälle, in denen Mediengebäude oder Orte, in denen sich Kriegskorrespondenten aufhielten, ohne militärische Notwendigkeit vorsätzlich oder fahrlässig angegriffen wurden. Beispiele aus den letzten 316 Siehe z. B. Art. 23 (g), 25 und 27 HLKO, Art. 48, 52 – 54, 56 und 85 (3 c – d und 4 d) ZP I und Art. 11, 14 – 16 ZP II. 317 Final Report to the Prosecutor by the Committee Established to Review the NATO Bombing Campaign Against the Federal Republic of Yugoslavia (13 June 2000), in: Klip/ Sluiter (eds.), Annotated Leading Cases of International Criminal Tribunals, Vol. V, 2003, S. 31. 318 Rogers, Law on the battlefield, 2004, S. 83. 319 Siehe die Webseite des „International News Safety Institute“, abrufbar unter: http:// www.newssafety.com/index.php?option=com_content&view=article&id=10966:al-aqsa-tvchannel-bombed-in-israeli-air-raids&catid=278:palestine-gazza-safety&Itemid=100371, abgerufen am 06.05. 2012. 320 Siehe die Webseite der „Internaional Federation of Journalists“, abrufbar unter: http:// mena.ifj.org/en/articles/ifj-condemns-nato-bombing-at-libyan-television, abgerufen am 06.05. 2012.

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Jahren sind der Angriff auf das Büro des TV-Senders Al-Jazeera in Kabul im November 2001 und der auf das Hotel Palästina sowie auf das Büro des TV-Senders AlJazeera in Bagdad am 8. April 2003.321 Die Büros Al-Jazeeras in Kabul und Bagdad sollen zwei Mal innerhalb von zwei Jahren nur fahrlässig angegriffen worden sein. An dieser Stelle wird der Frage nachgegangen, ob die Medien als legitimes militärisches Ziel betrachtet werden können. Zunächst wird untersucht, welche Objekte als militärische Objekte gelten und somit als militärische Ziele angesehen werden dürfen und welche als zivile Objekte gelten und deswegen nicht angegriffen werden dürfen. Anschließend werden zwei Fälle aus den letzten Jahren erörtert, um herauszufinden, inwieweit Angriffe auf Mediengebäude gerechtfertigt sein können und wann sie als Kriegsverbrechen gelten. 1. Militärische Objekte Als Grundregel sieht Art. 48 ZP I vor, dass die Kriegsparteien jederzeit zwischen der Zivilbevölkerung und Kombattanten sowie zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen unterscheiden müssen, um Schonung und Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte zu gewährleisten. Um diese Grundregel anzuwenden, ist es notwendig zu wissen, welche Objekte als militärische Objekte gelten und somit angegriffen werden dürfen und welche als zivile Objekte gelten, gegen die ein Angriff einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellt. Seit Langem gibt es Versuche, militärische Objekte zu definieren. Im Lieber Code von 1863 wurden einige militärische Objekte identifiziert. Auch findet das Prinzip der Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilpersonen eines Feindeslandes Erwähnung.322 In Art. 1 der Haager Konvention IX über die Beschießung durch Seestreitkräfte von 1907 steht: „The bombardment by naval forces of undefended ports, towns, villages, dwellings, or buildings is forbidden.“323

Der erste Versuch, eine Definition über militärische Objekte aufzustellen, findet sich in Art 24 des Entwurfs der Haager Luftkriegsregeln von 1923.324 Der Entwurf wurde nicht als Vertrag angenommen. Er ebnete aber den Weg für weitere Definitionen, die später aufgestellt wurden.325 Obwohl die Genfer Konventionen von 1929 keine bestimmte Definition von militärischen Objekten enthielten, basierten sie doch 321 Siehe Rogers (Fn. 318), S. 80 und die Webseite des „Committee to Protect Journalists“, abrufbar unter: http://www.cpj.org/Briefings/2003/palestine_hotel/palestine_hotel.html, abgerufen am 06.05. 2012. 322 Parks, Asymmetries and the Identification of Legitimate Military Objectives, in: Heinegg/Epping (eds.), International Humanitarian Law Facing New Challenges, 2007, S. 67. 323 Art. 1 der Haager Konvention IX über die Beschießung durch Seestreitkräfte von 1907, zitiert nach Schindler/Toman (Fn. 43), S. 812. 324 Siehe Art. 24 der Regeln des Luftkriegs, in: Schindler/Toman (Fn. 43), S. 210. 325 Rogers (Fn. 318), S. 58 und 61.

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auf der Existenz des Prinzips der Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten und zwischen militärischen und zivilen Objekten. Die Staaten haben das Prinzip der Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Objekten auch in jener Zeit anerkannt, jedoch war die Auslegung und Anwendung in der Praxis unterschiedlich. In Kriegszeiten haben die Staaten je nach der Situation beliebig klassifiziert, was sie als militärische Ziele betrachten. Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs ist ein prominentes Beispiel dafür.326 Die Flächenbombardierung von Städten auf beiden Seiten des Krieges, die keinen Unterschied zwischen zivilen Objekten wie Häusern, Krankenhäusern, Schulen, Universitäten und Kirchen und militärischen Objekten wie Kasernen und Waffenfabriken machte, reflektiert die großen Lücken in den Regeln des humanitären Völkerrechts und zeigt, wie wichtig die Aufstellung einer Definition ist, um die Zivilbevölkerung und zivile Objekte möglichst zu schonen.327 Die Genfer Konventionen von 1949 verwenden den Ausdruck „militärische Objekte“, sie definieren ihn aber nicht. Das Prinzip der Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Objekten wurde häufig in den Bestimmungen dieser Konventionen herausgestellt. Beispielsweise sieht Art. 18 GK IV vor, dass Zivilkrankenhäuser unter keinen Umständen das Ziel von Angriffen sein dürfen. Der Artikel empfiehlt auch, dass sie von militärischen Zielen so weit wie möglich entfernt sein sollen. Art. 8 (1) der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten von 1954 definiert teilweise militärische Objekte; so werden Radio-Stationen als Objekte, wie z. B. Hauptbahnhöfe und Kommunikationssysteme, aufgezählt, die als militärische Ziele betrachtet werden könnten.328 Im Jahre 1956 hat das IKRK einen Entwurf ausgearbeitet, der eine Liste von Kategorien militärischer Objekte enthält. Die Liste enthält u. a. auch Kommunikationssysteme und TV- und Radio-Stationen.329 Der Entwurf sieht aber auch vor, dass solche Objekte, die als militärische Objekte klassifiziert sind, nicht als militärische Objekte gelten, wenn ihre gänzliche oder teilweise Zerstörung keinen militärischen Vorteil unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen darstellt. Auf der von dem ehemaligen Generalmajor der britischen Armee Rogers erstellten Liste für militärische Objekte stehen auch Kommunikationsanlagen einschließlich Radiound TV-Stationen, wenn sie für militärische Kommunikation verwendet werden.330 Die meist akzeptierte Definition von militärischen Objekten ist die Definition von Art. 52 (2) ZP I.331 Demnach beschränken sich militärische Objekte auf solche 326

ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 631. Ebd., S. 624. 328 Siehe Art. 8 (1) der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten von 1954, in: Schindler/Toman (Fn. 43), S. 749. 329 Siehe die vollständige Liste des IKRK in: ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 632 und 633. 330 Rogers (Fn. 318), S. 84. 331 ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 21. 327

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Objekte, die aufgrund ihrer Beschaffenheit, ihres Standortes, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung wirksam zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung, deren Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen „eindeutigen militärischen Vorteil“ darstellt. Art. 52 (2) ZP I legt zwei maßgebliche Elemente fest: Das erste Element fordert, dass die Beschaffenheit, der Standort, die Zweckbestimmung oder die Verwendung des Objekts wirksam zu militärischen Handlungen beitragen muss. Nach dem IKRK-Kommentar über Art. 52 ZP 1 weist der Begriff „Beschaffenheit“ auf Objekte hin, die nach ihrer Natur unmittelbar von den Streitkräften verwendet werden, wie z. B. Waffen, militärische Ausrüstungen, militärische Kommandozentralen und Kommunikationszentren. Der Standort enthält Orte, wie z. B. Brücken, die eine militärische Bedeutung haben. Die Zweckbestimmung weist auf den Zweck hin, für den das Objekt grundsätzlich für die zukünftige Benutzung geschaffen wurde. Die Verwendung weist auf die gegenwärtige Funktion des Objekts hin. Verändert sich die Verwendung eines Objekts, kann auch ein ziviles Objekt zu einem militärischen Objekt werden. Beispielsweise sind eine Schule oder ein Hotel ohne Zweifel zivile Objekte. Aber wenn das Schulgebäude oder das Hotel Truppen oder Waffen beherbergen, dürfen sie auch als militärische Ziele betrachtet werden.332 Art. 52 Abs. 3 ZP I sieht vor, dass im Zweifelsfall vermutet wird, dass Objekte, wie z. B. ein Haus oder eine Kultstätte, nicht dazu verwendet werden, wirksam zu militärischen Handlungen beizutragen.333 Das zweite Element ist, dass die gänzliche oder teilweise Zerstörung oder Neutralisierung dieses Objekts einen „eindeutigen militärischen Vorteil“ darstellen soll. Nach dem IKRK-Kommentar versteht man unter dem Ausdruck „eindeutigen militärischen Vorteil“, dass ein Angriff, der nur eventuelle oder unbestimmte Vorteile bringen würde, unrechtmäßig ist. Im Zweifelsfall wird die Sicherheit der Zivilbevölkerung berücksichtigt.334 Der Ausdruck „eindeutig“ in Art. 52 (2) ZP I schließt Hypothesen oder Vermutungen, die auf nicht zutreffenden Informationen beruhen, aus.335 Die Voraussetzungen der Klassifizierung eines Objektes als militärisches Objekt im Sinne von Art. 52 Abs. 2 ZP I sind nur dann erfüllt, wenn beide Elemente gleichzeitig vorliegen.336 Es gibt Objekte, deren Klassifizierung unproblematisch ist. Fast jede Person wird akzeptieren, dass eine militärische Kaserne oder eine Waffenfabrik ein militärisches Ziel ist, und dass eine Kirche oder Mosche ein Zivilobjekt ist. Problematisch sind aber Objekte, die einen Doppelgebrauch haben oder nicht 332 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 636; vgl. auch Art. 19 GK IV; ICTY, Entscheidung vom 14. Januar 2000 im Fall Kupreskic´ (TC), Case No. IT-95-16T, Paragraph 523, abrufbar über die Webseite des ICTY unter: http://www.icty.org/x/cases/kupr eskic/tjug/en/kup-tj000114e.pdf, abgerufen am 06.05. 2012, im Folgenden: ICTY-Entscheidung im Fall Kupreskic´ vom 14. Januar 2000 (TC). 333 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 636. 334 Ebd., S. 636. 335 Rogers (Fn. 318), S. 65. 336 Siehe dazu ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 635.

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direkt zu militärischen Handlungen beitragen wie z. B. Transportsysteme, Kommunikationssysteme und petrochemische Komplexe.337 Ein militärischer Befehlshaber ist deshalb aufgefordert, seine Entscheidung im Lichte der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Umstände, unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, zu treffen. Wenn er beschließt anzugreifen, muss sich seine Entscheidung auf ausreichende Informationen stützen. Im Zweifelsfall muss die Sicherheit der Zivilbevölkerung berücksichtigt werden.338 Die Definition des Art. 52 (2) ZP I gilt heute als akzeptierter internationaler Standard zur Unterscheidung zwischen legitimen militärischen Zielen und zivilen Objekten, die nicht angegriffen werden dürfen. Der Artikel gilt als Völkergewohnheitsrecht und seine Bestimmungen sind in diesem Sinne auch für Staaten verbindlich, die sich bislang dem 1. Zusatzprotokoll nicht angeschlossen haben, wie z. B. die Vereinigten Staaten von Amerika, Israel und Iran. 339 Die Grundregel, dass Zivilisten und zivile Objekte nicht angegriffen werden dürfen, bedeutet aber nicht, dass es keine Kollateralschäden (collateral damage) unter der Zivilbevölkerung und an zivilen Objekten durch militärische Operationen geben dürfte. Hierbei findet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Anwendung:340 Auch im Fall des Angriffs auf ein militärisches Objekt müssen Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte als „collateral damage“ zu dem erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil im Verhältnis stehen. 2. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit enthält den Versuch, eine Abwägung zwischen den widerstreitenden militärischen und humanitären Interessen vorzunehmen, also zwischen der militärischen Notwendigkeit und der Beachtung der Menschlichkeit.341 Der Grundsatz findet einen klaren Ausdruck in Bezug auf die Reduzierung der Kollateralschäden, die durch militärische Operationen verursacht werden können.342 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet ausdrückliche Erwähnung im 1. Zusatzprotokoll in Art. 51 Abs. 5 (b) und in Art. 57 Abs. 2 (a)

337 ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 22; vgl. auch Parks (Fn. 322), S. 74. 338 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 636. 339 Vgl. ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 24; siehe auch die Webseite des „International Committee of the Red Cross“, abrufbar unter: http:// www.icrc.org/ihl.nsf/WebSign?ReadForm&id=470&ps=P, abgerufen am 06.05. 2012. 340 Rogers (Fn. 318), S. 58. 341 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 685; Rogers (Fn. 318), S. 17. 342 Siehe Rogers, ebd.

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Nr. iii sowie Abs. 2 (b) und er gilt als Teil des Völkergewohnheitsrechts.343 Das hat der ICTY in seinem Urteil vom 14. Januar 2000 im Fall Kupreskic festgestellt, als er sagte, dass die Grundsätze des Verbots der unterschiedslosen Angriffe und der Verhältnismäßigkeit sowie das Treffen von Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz von Zivilisten vor Kriegsgefahren gemäß Art. 57 und 58 ZP I als Völkergewohnheitsrecht gelten. Kein Staat, einschließlich der Staaten, die das Protokoll nicht ratifizierten, hat gegen diese Prinzipien protestiert.344 Seine Auslegung und Anwendung ist aber in der Praxis schwierig, denn es ist schwierig, einen Vergleich zwischen Dingen (militärischer Vorteil und Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung), die unvergleichbar sind, anzustellen.345 Art. 51 und 57 ZP I enthalten deshalb allgemeine und unpräzise Formulierungen über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit,346 die den Kriegsparteien in der Realität einen großen Spielraum geben.347 In manchen Situationen ist es deutlich, dass Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verletzung von Zivilpersonen und die Beschädigung ziviler Objekte in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen. Jedoch gibt es Fälle, in denen die Tatsachen nicht so deutlich sind, dass man nach objektiver Beurteilung der Situation und der Begleitumständen genau sagen kann, ob ein Angriff verhältnismäßig ist oder nicht. Ein Befehlshaber ist deshalb aufgefordert, bei jedem Angriff vorsichtig und sorgfältig eine Abwägung zwischen den militärischen und den humanitären Interessen vorzunehmen.348 Das Ergebnis einer solchen Abwägung kann aber von Fall zu Fall und von einem Befehlshaber zu einem anderen je nach militärischer Erfahrung, Bildung und Doktrin unterschiedlich sein. Wie entscheidet ein Befehlshaber, wenn es um die Verwendung z. B. von einem Kampfmittel geht, das möglicherweise keine oder weniger Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung oder eine geringere Beschädigung ziviler Objekte verursachen würde, das aber gleichzeitig das Risiko für die eigenen Streitkräfte erhöht? Inwieweit ist ein militärischer Befehlshaber bereit oder verpflichtet, sich auf ein solches Risiko einzulassen, um Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden oder die Beschädigung ziviler Objekte möglichst zu reduzieren?349 Es bleibt auch hier zu sagen, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne des Artikels 57 Abs. 2 Buchstabe a Ziffer iii als schwere

343 344

524. 345 346

685. 347

524. 348 349

Rogers, ebd. ICTY-Entscheidung im Fall Kupreskic´ vom 14. Januar 2000 (TC) (Fn. 332), Paragraph ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 26. Siehe ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 625, 684 und ICTY-Entscheidung im Fall Kupreskic´ vom 14. Januar 2000 (TC) (Fn. 332), Paragraph ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 626. ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 26.

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Verletzung des Protokolls gilt. Das bedeutet, dass ein Verstoß gegen diesen Grundsatz als Kriegsverbrechen geahndet werden muss.350 3. Der NATO-Angriff auf die Radiostation und den Fernsehsender RTS Während des Kosovo-Krieges haben die NATO-Kampfflugzeuge am 23. April 1999 das zentrale Studio des Radio- und Fernsehsenders von Serbien (RTS) im Zentrum von Belgrad vorsätzlich bombardiert. Der Angriff hat den Tod von ungefähr 16 Personen verursacht. Die Bombardierung des Studios erfolgte im Rahmen eines geplanten Angriffs, um das Kommando-, Kontroll- und Kommunikationsnetzwerk in Serbien zu blockieren.351 Im Zuge dieses Planes hat die NATO ebenfalls in dieser Nacht andere Radiostationen und Stromeinrichtungen bombardiert. Die NATO rechtfertigte den Angriff mit der Begründung, dass die angegriffenen Objekte einen zugleich militärischen und zivilen Nutzen haben. Zudem behauptete die NATO, dass RTS Propaganda für das Milosevic´-Regime betrieben habe. Schon vor dem Angriff signalisierte die NATO, dass die RTS-Station ein militärisches Angriffsziel sein könnte. Am 8. April 1999 erklärte die NATO, dass die RTS-Studios ein Angriffsziel sein würden, wenn sie nicht bereit wären, in ihren Programmen westliche Medienberichte für sechs Stunden am Tag ohne Zensur zu senden.352 Am 17. April 1999 behauptete die NATO in einer an Amnesty International gesendeten Meldung, dass die Radiostation RTS zur Unterstützung der Armee und Polizei eingesetzt würde. Folglich hielt die NATO die Station für ein legitimes militärisches Ziel.353 Ab Mitte 1999 hatte das Büro der ehemaligen Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien Louise Arbour mehrere Beschwerden und Informationen verschiedener Personen und Organisationen erhalten, in denen behauptet wurde, durch den Angriff auf RTS habe die NATO ein Kriegsverbrechen begangen, das unter die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs fallen würde.354 Daraufhin entschied die ehemalige Chefanklägerin des Strafgerichtshofs gemäß Art. 18 (1) des Gerichtsstatutes, ein Komitee einzurichten, um diese Beschwerden und Behauptungen zu prüfen. Das Komitee hat u. a. die Rechtmäßigkeit des NATOAngriffs auf das RTS-Gebäude geprüft.355

350 351 352 353 354 355

Siehe Art. 85 (3) (b und c) ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1613. ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 31. Ebd., S. 32. Ebd., S. 32. Siehe unten, 3. Kapitel, A. VI. Ebd., S. 11.

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Die Umstände des Falles zeigen, dass die NATO die Radio- und TV-Studios vorsätzlich angriff und dass es Verluste an Menschenleben unter Zivilisten gab. Deshalb konzentrierte sich die Prüfung nur darauf, ob die Fernseh-Station ein legitimes militärisches Ziel war. Und wenn dies der Fall war, dann fragte das Komitee weiter, ob die NATO bei dem Angriff Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte, und ob die Verluste unter Zivilisten und die Beschädigung ziviler Objekte im Verhältnis zu dem durch den Angriff erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil standen.356 Um festzustellen, ob die Fernsehstation ein legitimes militärisches Ziel war, griff das Komitee auf die IKRK-Liste von 1956 und die Liste von Major General Rogers zurück, welche Radio- und Fernsehstationen, die eine fundamentale militärische Bedeutung besitzen, als militärische Objekte betrachten.357 Der Angriff – wie die NATO ihn rechtfertigte – war Bestandteil eines allgemeinen Planes, um das Kommando-, Kontroll- und Kommunikationsnetzwerk zu blockieren und dadurch die Propagandamaschine des Regimes außer Betrieb zu setzen. Das Komitee kam zu der Feststellung, dass der Angriff legitim war, soweit er tatsächlich darauf abzielte, das Kommunikationsnetzwerk in diesem Sinne zu blockieren.358 Aber wenn der Angriff nur durchgeführt wurde, weil westlichen Medien keine Sendezeit eingeräumt wurde oder nur weil die RTS-Station Teil des Propagandaapparates war, sei die Rechtmäßigkeit des Angriffs fraglich.359 Die Ausschaltung der Regierungspropaganda könne zwar zur Destabilisierung der Moral der Bevölkerung und der Streitkräfte beitragen, dennoch wäre ein solcher Angriff auf ein ziviles Objekt nur wegen eines solchen Grundes nicht im Sinne von Art. 52 (2) ZP I gerechtfertigt. Der Artikel setzt, wie oben erwähnt, zwei Kriterien voraus, nämlich den „wirksamen Beitrag zu militärischen Handlungen“ und den „eindeutigen militärischen Vorteil“.360 Für Vorsichtsmaßnahmen beim Angriff, die eine Kriegspartei zum Schutz der Zivilbevölkerung und zivilen Objekte ergreifen muss, stellt Art. 57 (Abs. 2 a. iii und b) ZP I ein strengeres Kriterium auf. Demnach muss der erwartete konkrete und unmittelbare militärische Vorteil im Verhältnis zu dem verursachten Schaden stehen. Der Ausdruck „konkret und unmittelbar“ fordert vom Angreifer strengere Voraussetzungen als Rechtfertigung des erwarteten militärischen Vorteils als der Ausdruck „eindeutig“ in Art. 52 (2) ZP I.361 Der IKRK-Kommentar legt den Ausdruck „konkret und unmittelbar“ in Art. 57 (Abs. 2 a. iii und b) in dem Sinne aus, dass der erwartete

356 357 358 359 360 361

Ebd., S. 32. Ebd., S. 22. Ebd., S. 32. Ebd., S. 33. Siehe oben, 2. Kapitel, H. III. 1. ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 685.

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militärische Vorteil fundamental und sehr nahe liegend sein muss.362 Bezogen auf den Fall RTS hätte die Ausschaltung des Propagandaapparats zwar zur Demoralisierung der jugoslawischen Bevölkerung und zur Schwächung der Unterstützung für die Regierung beigetragen. Jedoch bleibe es unwahrscheinlich, dass irgendeiner dieser Zwecke einen „konkreten und unmittelbaren“ militärischen Vorteil darstelle, wie er zur Rechtfertigung eines militärischen Angriffs notwendig sei. Der erwartete Vorteil muss immer militärischer Natur sein.363 Die NATO selbst glaubte, dass die jugoslawischen Radio- und Fernsehstationen zur Anreizung zu Hass und zu Propagandazwecken eingesetzt wurden. Es wurde aber nicht behauptet, dass sie ähnlich wie Radio Milles Collines (RTLM) während des Völkermordes in Ruanda, zur Anreizung zu Gewalt eingesetzt wurden. Eine solche Verwendung hätte ihre Zerstörung gerechtfertigt.364 Im schlimmsten Fall habe die jugoslawische Regierung den Sender zur Kriegspropaganda eingesetzt. Eine solche Verwendung stellt an sich selbst kein Kriegsverbrechen dar. Das Komitee stellte fest, dass für den Fall, dass der Angriff auf RTS nur wegen seiner Propaganda durchgeführt wurde, die Rechtmäßigkeit des Angriffs unter einigen Experten im humanitären Völkerrecht in Frage gestellt würde.365 Nachdem das Komitee davon ausgegangen war, dass die TV-Station zum Kommando- und Kommunikationssystem gehöre, hat es weiter geprüft, ob die NATO bei dem Angriff alle praktisch möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat, um Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen und die Beschädigung ziviler Objekte, die durch den Angriff verursacht werden könnten, zu vermeiden und in jedem Fall auf ein Mindestmaß zu beschränken.366 Die NATO behauptete ihrerseits, alles praktisch Mögliche getan zu haben, um Verluste unter der Zivilbevölkerung und Kollateralschäden zu vermeiden. Art. 57 Abs. 2 (c) lautet: „Angriffen, durch welche die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, muss eine wirksame Warnung vorausgehen, es sei denn, die gegebenen Umstände erlaubten dies nicht.“367

Es wird bezweifelt, dass die NATO die Zivilisten vor dem Angriff wirksam vorgewarnt hatte. Die Informationen darüber sind widersprüchlich. Einerseits teilten die NATO-Verantwortlichen in Brüssel Amnesty International mit, dass sie keine konkrete Warnung gegeben hätten, weil sie damit das Leben der Piloten gefährdet hätten. Das Versäumnis, eine wirksame Warnung gemäß Art. 57 (Abs. 2 c) ZP I gegeben zu haben, könnte die Zahl der Verluste unter Zivilisten erhöht haben. Andererseits wurden die Vertreter der ausländischen Medien vor dem Angriff gewarnt. 362 Siehe dazu Art. 57 Abs. 2 des 1. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen von 1949, BGB1. 1990 II, S. 1593; ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 684. 363 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 685. 364 ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 33. 365 Ebd., S. 33. 366 Siehe Art. 57 (Abs. 2 a. ii) ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1593. 367 Art. 57 Abs. 2 (c) ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1593.

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Westliche Journalisten wurden schon durch ihre Arbeitgeber vor dem Angriff gewarnt.368 Es scheint auch, dass die jugoslawischen Behörden einen solchen Angriff erwartet hatten. Trotzdem hatten sie das Gebäude nicht evakuiert. Hätten die jugoslawischen Verantwortlichen von dem Angriff gewusst und das Gebäude trotzdem nicht evakuiert, wären sie auch für die zivilen Opfer teilweise mitverantwortlich. Das würde aber nicht die NATO von ihrer Verantwortung in Bezug auf die Vorwarnung gemäß Art. 57 (Abs. 2 c) ZP I befreien. Für den Fall, dass das RTS-Gebäude ein legitimes militärisches Ziel gewesen wäre, die NATO jedoch wusste, dass ein Angriff auf das Gebäude die Sendung nur für kurze Zeit unterbrechen würde,369 stellt sich die Frage nach der Bedeutung des militärischen Vorteils, den die NATO durch ihren Angriff auf das RTS-Gebäude erwartete und auch, ob dieser militärische Vorteil im Verhältnis zu den verursachten Verlusten an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, der Verwundung von Zivilpersonen und der Beschädigung ziviler Objekte gestanden hat. Nach dem IKRKKommentar über Art. 57 (Abs. 2 a. iii) ZP I kann die Verhältnismäßigkeit eines Angriffs, der gegen mehrere Ziele gleichzeitig gerichtet wurde, nur in vollem Umfang bewertet werden.370 Der Angriff auf das RTS war Teil eines großen Angriffs, der darauf gerichtet war, das Kommando-, Kontroll- und Kommunikationsnetzwerk zu zerstören. Bei diesem Angriff wurden auch andere Radiostationen und Stromeinrichtungen bombardiert. Es wäre deswegen sachgerechter, eine allgemeine Bewertung vorzunehmen, um festzustellen, ob die gesamte Zahl der Verluste unter Zivilisten, die Verwundung von Zivilisten und die Beschädigung ziviler Objekte im Verhältnis zu dem gesamten erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil standen.371 Das Komitee kam am Ende der Prüfung zu dem Ergebnis, dass es keinen Bedarf gäbe, eine Untersuchung über den Angriff auf die serbische Radiound Fernsehstation durchzuführen.372 Die Prüfung des Komitees kann man aber nicht ohne Kritik akzeptieren.373 Die Prüfung hat einige Punkte außer Acht gelassen. Das Komitee ist davon ausgegangen, dass die Ausschaltung des Propagandaapparates ein sekundäres Ziel der NATO gewesen wäre und das Hauptziel des Angriffs in der Lähmung des serbischen militärischen Kommando- und Kontrollsystems und der Apparate, die Milosevic´ an der Macht hielten, gelegen habe.374 Gerade diesen Punkt hätte das Komitee weiter prüfen müssen, um die Rechtmäßigkeit des NATO-Angriffs sicherzustellen. Wenn es un368

ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 34. ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, ebd. 370 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 685. 371 ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 34. 372 Ebd., S. 34. 373 Siehe auch dazu Benvenuti, The ICTY Prosecutor and the Review of the NATO Bombing Campaign against the Federal Republic of Yugoslavia, European Journal of International Law, Vol. 12, 2001, S. 526. 374 ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 33. 369

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wahrscheinlich ist, dass Demoralisierung der jugoslawischen Bevölkerung und Schwächung der politischen Unterstützung für die Regierung keinen „konkreten und unmittelbaren“ militärischen Vorteil darstellen, der zur Rechtfertigung eines militärischen Angriffs notwendig ist, dann hätte das Komitee prüfen müssen, ob die Ausschaltung der RTS-Propaganda wirklich ein sekundäres Ziel war, und ob RTS wirklich ein Teil des serbischen militärischen Kommando- und Kontrollnetzwerks war.375 Das hätte das Komitee auch nicht nur anhand von Angaben der NATO, sondern von verschiedenen anderen Quellen prüfen können. Es wäre auch zu prüfen gewesen, ob der Angriff nicht eine Art Repressalie gegen die Station war, weil sie unerwünschte Nachrichten oder Bilder über NATO-Angriffe verbreitet hatte. Eine unparteiische Prüfung dieser Punkte hätte bestimmen können, ob RTS wirklich als legitimes militärisches Ziel einzustufen war und somit angegriffen werden durfte, oder ob sie als ziviles Objekt anzusehen war und der Angriff grundsätzlich wegen ihrer Propaganda durchgeführt wurde. Im zweiten Fall wäre der NATO-Angriff ein Kriegsverbrechen gewesen. Der Schutz der Pressefreiheit und der Journalisten erfordert eigentlich, dass man sehr vorsichtig sein sollte, bevor eine Radio- oder TVStation als legitimes militärisches Ziel klassifiziert wird. Nach der Ansicht von Sandoz ist es schwierig, eine TV-Station als ein militärisches Ziel zu betrachten, es sei denn, die Station wird zur Übermittlung von militärischen Informationen verwendet oder sie verbreitet absichtlich Hass und stachelte die Menschen zum Mord auf, wie es im Fall des RTLM in Ruanda gewesen ist.376 Die Verbreitung von Propaganda für eine Partei reicht nicht aus, um einen Angriff auf Radio- und TV-Stationen zu rechtfertigen. So meinte auch Sandoz: „The simple act of making broadcasts favourable to one side in a conflict is not enough to make a station a legitimate target.“377

4. Der Angriff auf das Hotel Palästina in Bagdad 2003 Während des Irak-Kriegs haben sich viele Kriegskorrespondenten im Hotel Palästina, das eines der größten Gebäude in Bagdad in jener Zeit war, aufgehalten. Beiden Kriegsparteien war bekannt, dass sich internationale Journalisten im Hotel aufhielten, um über die Kriegsgeschehnisse zu berichten. Am 08. April 2003 beschossen die US-amerikanischen Streitkräfte während militärischer Operationen das Hotel. Bei dem Angriff kamen zwei Journalisten ums Leben. Am 08. April 2003, also am selben Tag, beschossen die US-Amerikaner auch das Büro des TV-Senders Al Jazeera mit einer Rakete. Der Angriff verursachte den Tod eines Kameramanns des

375

Vgl. Bothe, The Protection of the Civilian Population and NATO Bombing on Yugoslavia: Comments on a Report to the Prosecutor of the ICTY, European Journal of International Law, Vol. 12, 2001, S. 534. 376 Sandoz (Fn. 71), S. 19. 377 Ebd., S. 19.

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TV-Senders.378 Die Aussagen der US-amerikanischen Verantwortlichen über die Ursachen des Angriffs auf das Hotel Palästina waren zum Teil widersprüchlich.379 Sie gaben an, dass der Angriff eine Reaktion auf einen Angriff aus dem Hotel gewesen sei. Nach Victoria Clarke, der Sprecherin des Pentagons in jener Zeit: „Coalition forces were fired upon and acted in self-defense by returning fire.“380

Nach anderen US-amerikanischen Aussagen wurde das Hotel beschossen, weil es dort einen irakischen Späher gegeben habe, der mit seinem Binokular die USamerikanischen Streitkräfte beobachtete und irakische Soldaten lenkte. Beide Versionen wurden von den Journalisten, die sich damals im Hotel befanden, bestritten. Nach diesen Augenzeugen gab es weder irakische Soldaten noch andere Personen im Hotel, die auf die Amerikaner feuerten.381 Der Angriff auf das Hotel hat Besorgnis bezüglich des Schutzes der Kriegskorrespondenten als Zivilisten und ziviler Objekte erregt. Wie klassifiziert man die Handlung der US-amerikanischen Streitkräfte in diesem Fall aus völkerrechtlicher Perspektive? Da man hier an dieser Stelle nicht im Einzelnen wissen oder nachweisen kann, was genau passiert ist, wird für den Zweck der Prüfung angenommen, dass der amerikanische Angriff auf das Hotel Palästina nicht vorsätzlich gegen Kriegskorrespondenten gerichtet war. Aber für den Fall, dass der Angriff vorsätzlich war, nur weil sich dort Journalisten aufhielten, kann der Angriff ohne irgendwelche Bedenken als ein Kriegsverbrechen gelten. Wendet man die relevanten Regeln des humanitären Völkerrechts in Bezug auf die Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Objekten sowie den Schutz von Zivilisten an, zu welchem Ergebnis wird man dann kommen? Es gibt Objekte, deren Klassifizierung als militärische oder zivile Objekte problematisch sein kann. Ein Hotel gilt nach seiner Beschaffenheit und Zweckbestimmung ohne Zweifel als ein ziviles Objekt, das nicht angegriffen werden darf.382 Die Veränderung der Verwendung kann es jedoch auch in ein militärisches Objekt umwandeln. Bekanntermaßen war das Hotel Palästina, auch in der Zeit des Krieges grundsätzlich ein Gebäude, in dem sich Zivilisten, insbesondere ausländische Kriegskorrespondenten, aufhielten. Aufgrund der Aussagen von Kriegskorrespon378

Siehe dazu den Bericht der „International Federation of Journalists“ vom Oktober 2003 (Justice Denied on the Road to Baghdad), abrufbar unter: http://www.ifj.org/pdfs/iraqre port2003.pdf, abgerufen am 06.05. 2012. 379 Siehe Knightley, History or bunkum?, in: Miller (ed.), Tell me lies: Propaganda and Media Distortion in the Attack on Iraq, 2004, S. 103; siehe auch den Bericht der „International Federation of Journalists“ vom Oktober 2003 (Justice Denied on the Road to Baghdad), ebd. 380 Victoria Clarke, zitiert nach der Webseite des „Committee to Protect Journalists“ (Fn. 321). 381 Webseite des „Committee to Protect Journalists“ (Fn. 321); der Bericht der „International Federation of Journalists“ vom Oktober 2003 (Justice Denied on the Road to Baghdad) (Fn. 378). 382 Siehe Art. 48 und 52 ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1587 und 1589.

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denten, die dort selbst vor Ort waren, kann man sagen, dass das Hotel auch in der Zeit des Krieges grundsätzlich zivilen Zwecken diente.383 Selbst wenn man – die Richtigkeit der US-amerikanischen Versionen unterstellt – annähme, dass das Hotel für militärische Zwecke verwendet wurde, weil es einen Späher im Hotel gab, der irakische Soldaten gelenkt hätte oder einen Heckenschützen, der auf die US-amerikanischen Streitkräften gefeuert hätte, erscheint es fraglich, ob der Angriff auf das Hotel für die US-amerikanischen Streitkräfte unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil im Sinne von Art. 52 (2) ZP I darstellt, der den Angriff rechtfertigen könnte. Für die Existenz eines eindeutigen militärischen Vorteils spricht nicht viel. Nach dem IKRK-Kommentar über die Auslegung von Art. 52 Abs. 2 ZP I ist ein Angriff, der nur einen potenziellen oder unbestimmten Vorteil bringt, unrechtmäßig. Befehlshaber oder Soldaten, die Angriffe anordnen oder durchführen, müssen aufgrund von ausreichenden Informationen handeln, wenn sie ein Objekt angreifen wollen. Im Zweifelsfall muss die Sicherheit der Zivilbevölkerung berücksichtigt werden.384 Art. 52 (3) ZP I sieht vor, dass im Zweifelsfall vermutet wird, dass ein in der Regel für zivile Zwecke bestimmtes Objekt, wie beispielsweise ein Haus, eine sonstige Wohnstätte oder eine Schule, nicht dazu verwendet wird, wirksam zu militärischen Handlungen beizutragen. Auch wenn man annimmt, dass die Verwendung des Hotels einen „wirksamen Beitrag zu militärischen Handlungen“ geleistet hätte, und dass der Angriff auf das Hotel für die US-amerikanischen Streitkräfte einen eindeutigen militärischen Vorteil dargestellt hätte, hätten die US-amerikanischen Streitkräfte Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Zivilpersonen wie Kriegskorrespondenten im Hotel treffen müssen. In Betracht kommt hier als Vorsichtsmaßnahme eine wirksame Vorwarnung, es sei denn, die gegebenen Umstände hätten dies nicht erlaubt.385 Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die US-amerikanischen Streitkräfte die Kriegskorrespondenten im Hotel vorgewarnt haben. Unter der Voraussetzung, dass die gegebenen Umstände eine wirksame Warnung nicht erlaubten, ist fraglich, ob der Angriff dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 51 (Abs. 5 b), Art. 57 (Abs. 2 a. iii) und Art. 57 (Abs. 2 b) ZP I entsprach. Die US-Amerikaner wussten, dass es viele Kriegskorrespondenten und auch andere Zivilisten im Hotel gab. Bei einem Angriff auf ein Hotel muss man mit Verlusten an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, der Verwundung von Zivilpersonen und der Beschädigung ziviler Objekte rechnen. Fraglich ist hier, ob der Angriff für die US-Streitkräfte einen konkreten und unmittelbaren Vorteil dargestellt hat, der im Verhältnis zum verursachten Schaden steht. Der Ausdruck „einen konkreten und unmittelbaren Vorteil“ bedeutet, dass der erwartete militärische Vorteil fundamental und naheliegend sein muss.386 Es scheint 383 Siehe den Bericht der „International Federation of Journalists“ vom Oktober 2003 (Justice Denied on the Road to Baghdad) (Fn. 378). 384 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 636. 385 Siehe Art. 57 ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1593. 386 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 684.

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

hier, dass der Angriff auf das Hotel Palästina wenigstens gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieß.387

J. Zusammenfassung Gemäß Art. 4 (A) Nr. 4 GK III von 1949 genießen die akkreditierten Kriegskorrespondenten die Rechtsstellung der Kriegsgefangenen genauso wie Mitglieder der Streitkräfte, wenn sie in Kriegsgefangenschaft fallen. Folglich kommen ihnen alle Rechte zu, welche die Kriegsgefangenen gemäß den Normen der dritten Genfer Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen von 1949 haben. Art. 4 (A) Nr. 4 GK III behandelt somit die Frage der Kriegskorrespondenten im Rahmen einer humanitären Dimension nur für den Fall, dass sie in Feindeshand fallen. Vor anderen Kriegsgefahren bietet Art. 4 (A) Nr. 4 GK III keinen Schutz. Fragen der Presse- und Informationsfreiheit sind von seinem Schutzbereich nicht erfasst. Ähnlich wie Art. 4 (A) Nr. 4 GK III gewährt Art. 13 HLKO von 1907 den Kriegskorrespondenten auch nur einen humanitären Schutz. Gemäß Art. 13 HLKO haben Kriegskorrespondenten und Zeitungsberichterstatter das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangene, wenn sie in Feindeshand geraten. Artikel 79 ZP I gewährt Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen den gleichen Schutz, den Zivilisten im Sinne des Art. 50 Abs. 1 ZP I genießen. Den Journalisten wird mit diesem Artikel nur ein physischer Schutz zuteil, weil auch er nicht ihre Rechte auf Presse-, Informations- und Meinungsäußerungsfreiheit schützt. Der Artikel trägt den zusätzlichen Gefahren, welchen Kriegskorrespondenten im Vergleich zu Zivilisten im Allgemeinen ausgesetzt sind, nicht Rechnung. Art. 79 ZP I konnte die Lücke im Schutzsystem der Kriegskorrespondenten damit nicht vollständig schließen. Das Schutzsystem für Journalisten hat sich nach der Verabschiedung des Artikels im Jahre 1977 nicht wesentlich verbessert. Aufgrund der Entwicklung vieler Grundsätze und Regeln der Haager und der Genfer Konventionen sowie ihrer Protokolle zum Völkergewohnheitsrecht sind diese Grundsätze und Regeln auch in Bürgerkriegen anzuwenden. Somit genießen die Kriegskorrespondenten, welche ihre Arbeit in Bürgerkriegsgebieten ausführen, den Schutz, den diese Regeln gewähren. Im Fall, dass z. B. Rebellen diese Grundsätze verletzen, werden sie persönlich strafrechtlich verantwortlich. Kriegskorrespondenten verlieren aber den nach humanitärem Völkerrecht vorgesehenen Schutz, wenn sie Spionagetätigkeiten betreiben oder unmittelbar an Kampfhandlungen teilnehmen. Ein bei einer der am Konflikt beteiligten Partei ak387

Das Pentagon hat den Angriff ermittelt und einen kurzen Bericht darüber Ende August 2003 erstattet, der das US-amerikanische Militär von jeder Verantwortung befreite. Der Bericht des Pentagons wurde von der „International Federation of Journalists“ scharf kritisiert. Siehe hierzu den Bericht der International Federation of Journalists vom Oktober 2003 (Justice Denied on the Road to Baghdad) (Fn. 378).

J. Zusammenfassung

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kreditierter Kriegskorrespondent, der seinen Beruf als Vorwand nutzt, um Spionage zu betreiben und dabei ertappt wird, verwirkt sein Recht auf die Behandlung als Kriegsgefangener gemäß Art. 4 (A) Nr. 4 GK III, falls er in Kriegsgefangenschaft gerät. Kriegskorrespondenten, die unter dem Verdacht stehen, Spionagetätigkeiten zu betreiben, können sich nicht auf die durch die vierte Genfer Konvention von 1949 eingeräumten Rechte und Vorrechte berufen. Beschränkt wird z. B. das Recht auf Kommunikation mit der Außenwelt, falls eine solche Einschränkung aus Sicherheitsgründen notwendig ist. Kriegskorrespondenten, die unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen, behalten grundsätzlich ihren Status als Zivilisten. Sie genießen aber nicht den Schutz, den Zivilisten genießen, sofern und solange sie unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Ein Kriegskorrespondent, der unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt, genießt auch nicht den Kriegsgefangenstatus, wenn er in Feindeshand fällt. Er wird aber als Zivilist behandelt, der illegal unmittelbar an Feindseligkeiten teilnahm. Das hat zur Folge, dass er nach den Normen des nationalen Strafrechts des betreffenden Staats als Straftäter abgeurteilt werden kann. Die Rechtsstellung der Kriegskorrespondenten nach der vierten Genfer Konvention von 1949 hängt grundsätzlich von ihrer Staatsangehörigkeit ab. Sie müssen die Voraussetzungen des Art. 4 der Konvention erfüllen, damit sie als geschützte Person nach der Konvention behandelt werden. Der gemeinsame Art. 3 der Genfer Konventionen von 1949 und Art. 75 ZP I gewähren ein Mindestmaß an Rechten und rechtlichen Garantien. Die Bestimmungen beider Artikel gelten als Teil des Völkergewohnheitsrechts und finden somit und ungeachtet der Natur des bewaffneten Konflikts in jeden Fall Anwendung. Sie gewähren somit ein Mindestmaß an Schutz im Fall der Nichtanwendbarkeit anderer Regeln, die mehr Rechte garantieren. Die Untersuchung zeigt auch, dass Medieneinrichtungen unter bestimmten Umständen als legitime militärische Ziele betrachtet werden können. Nach der IKRK-Liste von 1956 und der von dem ehemaligen Experten der britischen Armee, Major General Rogers, aufgestellten Liste gelten Radio- und Fernsehstationen als militärische Objekte, wenn sie für militärische Kommunikation verwendet werden. Das bedeutet: Medieneinrichtungen sind grundsätzlich zivile Objekte und dürfen als solche nicht angegriffen werden, solange sie nicht für militärische Kommunikation verwendet werden. Medieneinrichtungen dürfen nur angegriffen werden, wenn sie aufgrund ihrer Verwendung für militärische Kommunikationen einen „wirksamen Beitrag zu militärischen Handlungen“ leisten und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung, Neutralisierung oder Inbesitznahme unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen „eindeutigen militärischen Vorteil“ darstellt. Plant oder beschließt eine Kriegspartei, eine Medieneinrichtung anzugreifen, weil sie für militärische Zwecke verwendet wird, dann muss ihre Entscheidung auf ausreichenden Informationen basieren. Die Kriegspartei muss Vorsichtsmaßnah-

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2. Kap.: Rechte der Kriegskorrespondenten nach humanitärem Völkerrecht

men treffen und alles praktisch Mögliche tun, um die Journalisten als Zivilisten und ihre zivilen Objekte zu schonen. Journalisten müssen vor einem Angriff wirksam vorgewarnt werden, es sei denn, die Umstände erlauben dies nicht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss ebenfalls eingehalten werden. Ein Angriff auf eine Medieneinrichtung mit der Begründung, dass sie Propaganda für den Feind betreibt, würde nicht vom Art. 52 (2) ZP I, der Angriffe nur auf militärische Objekte erlaubt, erfasst. Ein Angriff ist auch dann nicht erlaubt, wenn eine Station ausschließlich Nachrichten sendet, deren Richtigkeit angezweifelt wird.388 Der Einsatz der Medien zur Aufstachelung von Gewalt oder zur unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord, wie es bei Radio und Fernsehsender RTLM in Ruanda während des Bürgerkriegs 1994 der Fall war, könnte einen militärischen Angriff auf eine solche Medieneinrichtung rechtfertigen. Journalisten per se dürfen auf keinen Fall das Ziel eines Angriffs sein. Journalisten, die während eines legitimen Angriffs auf ihre Medieneinrichtung verletzt oder umgebracht werden, werden als Kollateralschäden betrachtet.

388

Vgl. Rogers (Fn. 318), S. 83.

Drittes Kapitel

Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene Ohne Pressefreiheit fällt es den Kriegskorrespondenten schwer, ihren Beruf auszuüben. Die relevanten Regeln der Menschenrechte gelten neben den relevanten Regeln des humanitären Völkerrechts als völkerrechtliche Basis für die Rechtsstellung und die Arbeit der Kriegskorrespondenten. Dieses Kapitel befasst sich mit mehreren Fragen, die darauf hinzielen, den Beitrag der Regeln der Menschenrechte im Schutz der Berufsausübung der Kriegskorrespondenten zu erklären. Deswegen beschäftigt sich dieses Kapitel mit der Darstellung von Bestimmungen über die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit aus internationalen und regionalen Verträgen, Erklärungen und Resolutionen. Da der Kriegskorrespondent seinen Beruf grundsätzlich in Konfliktgebieten und häufig im Ausland ausübt, erscheint es sinnvoll, bevor auf Bestimmungen über Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit eingegangen wird, zuerst das Verhältnis der Menschenrechte zum humanitären Völkerecht und die Frage der Fortgeltung der Menschenrechte einschließlich der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit in Konfliktgebieten zu behandeln. Anschließend daran wird auf die Frage der extraterritorialen Wirkung von Menschenrechtsverträgen eingegangen.

A. Die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht Die Konvergenz zwischen dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten ist aufgrund der heutigen politischen Entwicklung in der Welt schwer zu bestreiten. Eine große Annäherung und einen gegenseitigen Einfluss haben die letzten Jahrzehnte gebracht. Für die Annäherung zwischen den beiden Gebieten stehen viele Anhaltspunkte, die im Folgenden erörtert werden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der viele Gräueltaten und Verbrechen gegen die Menschheit erlebte, und nach der Gründung der Vereinten Nationen, die den Grundsatz des Gewaltverbotes in Art. 2 (4) der Satzung verankert haben, wandte man sich den Regeln des humanitären Völkerrechts in der Absicht zu, ihren Schutzbereich zu erweitern und die Qualität des Schutzes im Allgemeinen zu verbessern. Diese Bemühungen waren ohne Zweifel von der Konzeption der Men-

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

schenrechte motiviert.389 Beide Rechtsgebiete nehmen Bezug aufeinander. Das finden wir beispielsweise an den folgenden Stellen: Die Martenssche Klausel, die in der Präambel der HLKO sowie in Art. 1 Abs. 2 ZP I vorgeschrieben ist, sieht vor, dass Zivilpersonen und Kombattanten unter dem Schutz und der Herrschaft der Grundsätze des Völkerrechts verbleiben, wie sie sich aus feststehenden Gebräuchen, aus den Grundsätzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens ergeben. Art. 75 ZP I wurde an den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) angelehnt. Einen anderen Bezug auf die Menschenrechte findet man in Art. 72 ZP I und in der Präambel des ZP II. Andererseits nehmen viele Menschenrechtskonventionen Bezug auf das humanitäre Völkerrecht.390 Gemäß Art. 4 IPBPR, Art. 15 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und Art. 27 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (AMRK) haben die Staaten ein Derogationsrecht: demnach können einige der in diesen Abkommen garantierten Rechte bei Notstand wie in Kriegszeiten beschränkt werden. Einige grundlegende Rechte, wie z. B. das Recht auf Leben, das Folterverbot, das Verbot der Sklaverei und die Freiheit des Gewissens und der Religion sind nicht derogierbar. Diese Rechte dürfen unter keinen Umständen ausgesetzt werden. Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 gilt im Frieden wie im Krieg und unterschiedslos für die eigene Bevölkerung oder die Fremden. Der offizielle Brückenschlag zwischen den beiden Rechtsgebieten erfolgte durch die Vereinten Nationen, die 1968 eine Konferenz in Teheran über die Menschenrechte organisierte. Obwohl die Konferenz die Menschenrechte zum Thema hatte, behandelte sie Fragen des Kriegsrechts und verabschiedete ihre Resolution Nr. 2444 unter dem Titel: „Respect for Human Rights in Armed Conflicts“. Seither befassen sich die Vereinten Nationen mit der Frage der „Human Rights in Armed Conflicts“ und verabschiedeten darüber mehrere Resolutionen und Berichte. Diese Orientierung geht von der Konzeption aus, dass Fragen des Kriegs- und Friedensrechts im Lichte der Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten schwer voneinander zu trennen sind. Von einer kumulativen Anwendung beider Gebiete gehen heute die UN aus.391 Diese Überzeugung findet Ausdruck in den Resolutionen der Vereinten Nationen über die Anwendung der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten, wie die Resolution 2675 zeigt: 389 Draper, The Relationship between the Human Rights Regime and the Law of Armed Conflicts, Israel Yearbook on Human Rights, Vol. 1, 1971, S. 199. 390 Gemäß Art. 2 Abs. 2 der UN-Folterkonvention vom 10. Dezember 1984 dürfen außergewöhnliche Umstände wie Kriege oder Kriegsgefahr nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden. Siehe die Konvention in BGB1. 1990 II, S. 246 ff. 391 Siehe dazu die UN-Generalversammlungsresolution Nr. 2444 vom 19. Dezember 1968; Schindler, Kriegsrecht und Menschenrechte, in: Häfelin (Hrsg.), Menschenrechte Föderalismus Demokratie, 1979, S. 333.

A. Die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht

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„Fundemental human rights, as accepted in international law and laid down in international instruments, continue to apply fully in situations of armed conflict.“392

Obwohl diese Orientierung von einigen Autoren kritisiert wurde, weil sie diese Hinweise auf die Menschenrechte in Kriegszeiten als eine unangemessene Vermischung von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht betrachteten,393 ändert das nichts an der Tatsache, dass das Konzept der Fortgeltung der Menschenrechtskonventionen in Kriegszeiten und in besetzten Gebieten mit der Zeit immer mehr an Boden gewinnt. Nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) sind die allgemeinen Menschenrechte im Fall bewaffneter Konflikte grundsätzlich parallel zum humanitären Völkerrecht anzuwenden. Diese Position hat der IGH in seinem Gutachten über die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Atomwaffen vom 8. Juli 1996 vertreten und in seinem Gutachten vom 9. Juli 2004 über die israelische Sperrmauer in den besetzten palästinensischen Gebieten nachdrücklich bestätigt: „More generally, the Court considers that the protection offered by human rights conventions does not cease in case of armed conflict, save through the effect of provisions for derogation of the kind to be found in Article. 4 of the International Covenant on Civil and Political Rights.“394

Die Inter-Amerikanische Kommission für Menschenrechte stellte in ihrer Entscheidung vom März 2002 über vorläufige Maßnahmen „precautionary measures“ bezüglich des Status der Gefangenen in Guantánamo fest, dass die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht sich gegenseitig ergänzen.395 Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch der „Israeli High Court of Justice“ in seinem Urteil über das „Targeted Killing“ vom 14. Dezember 2006, als er konstatierte, dass, selbst wenn das humanitäre Völkerrecht Lücken aufweise, diese Lücken durch die Regeln der Menschenrechte zu füllen sind.396

392 UN-Generalversammlungsresolution Nr. 2675 vom 09.09. 1970 über den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten, Yearbook of The United Nations, Vol. 24, 1970, S. 543. 393 Partsch, Menschenrechte und überliefertes Kriegsrecht, Neue Zeitschrift für Wehrrecht, Vol. 16, 1974, S. 6; Mushkat (Fn. 125), S. 160 – 164. 394 IGH, Gutachten vom 8. Juli 1996 über „Legality of the Threat or Use of nuclear weapons“, I.C.J. Reports 1996, Ziff. 25; IGH, Gutachten vom 9. Juli 2004 über „Legal Consequences of the Construction of a wall in the Occupied Palestinian Territory“, I.C.J. Reports 2004, Ziff. 106. 395 Siehe die Entscheidung der Inter-Amerikanischen Kommission für Menschenrechte über „precautionary measures“ bezüglich des Status der Gefangenen in Guantánamo, American Journal of International Law, Vol. 96, 2002, S. 730. 396 Siehe das Urteil des israelischen High Court of Justice vom 14. Dezember 2006 (Fn. 291), Paragraph 18.

102

3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

I. Einordnung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts Tatsächlich hat das Verhältnis der Menschenrechte zum humanitären Völkerrecht viele Debatten ausgelöst. Es gibt keine Einigung über das Verhältnis beider Rechtsgebiete zueinander. Diese Meinungsverschiedenheit kann unter drei Theorien subsumiert werden. Die Vertreter der „Trennungstheorie“ gehen von einer strengen Trennung aus und betonen die großen Unterschiede zwischen den beiden Rechtsgebieten im Hinblick auf deren Ursprung, Natur, Begründung, Ziel und Inhalt. Während die Menschenrechte die Stellung des Individuums in seinem eigenen Staat regeln, schützt das humanitäre Völkerrecht die Angehörigen kriegsführender Staaten gegen den Feind. Das humanitäre Völkerrecht sei motiviert durch Mitleid und Barmherzigkeit gegenüber der leidenden Person im Krieg, wobei die Opfer eine passive Rolle spielen. Anders sei es im Fall der Menschenrechte, hinter denen das Individuum steht, das aktiv seine Rechte von seinem eigenen Staat einfordert.397 Diese Theorie muss aber angesichts der Rechtsentwicklung der vergangenen Jahre als überholt eingestuft werden.398 Im Gegensatz zu dieser Theorie steht die „integrationistische Theorie“, die von einer Fusion ausgeht.399 Nach Meinung von Draper ist das humanitäre Völkerrecht ein Teil der Menschenrechte. In diesem Sinne könnte das humanitäre Völkerrecht als Derogationsrecht gesehen werden. „We have therefore got ourselves into the position that the law of war may take its place within the general system of international law not as an alternative to the law of peace, the old and classic positioning, but seen as an exceptional and derogating regime from that of human rights, contained, controlled and fashioned by the latter at every point possible.“400

Die herrschende Lehre und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes vertreten die „komplementaristische Theorie“. Diese Theorie geht von einer Gleichordnung zweier sich ergänzender Rechtsgebiete aus. Die Vertreter dieser Theorie konstatieren, dass es eine enge Verbindung zwischen den beiden Rechtsgebieten gibt. Man lehnt es aber ab, beide Rechtsgebiete unter ein gemeinsames Dach zu stellen, weil eine solche Vermischung die Effektivität beider Rechtsgebiete reduzieren würde.401 Eine Einbeziehung des humanitären Völkerrechts in die Politik kann negative Auswirkungen haben, weil das humanitäre Völkerrecht sich im Vergleich mit den Menschenrechten durch seine Neutralität und Realität auszeichnet. Die Inte397

Schindler (Fn. 391), S. 347. Kälin, Die Interdependenz von Menschenrechtsschutz und humanitären Völkerrecht, Schweizer Zeitschrift für internationales und europäisches Recht, Bd. 3, Nr. 1, 1993, S. 235. 399 Robertson, Humanitarian Law and Human Rights, in: Swinariski (ed.), Studies and Essays on International Humanitarian Law and Red Cross Principles, 1984, S. 800. 400 Draper (Fn. 389), S. 198. 401 Vgl. Partsch, Human Rights and Humanitarian Law, in: Bernhardt (ed.), Encyclopaedia of Public International Law, Vol. 2, 2000, S. 912. 398

A. Die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht

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gration beider Rechtsgebiete unter demselben Dach übersieht die Tatsache, dass das humanitäre Völkerrecht auch die Haager Konventionen umfasst, die vorwiegend Regeln über Kampfführung und Kampfmethoden enthalten. Sollte das Kriegsrecht in die Menschenrechte integriert werden, bedeutete das, – wie Schindler schreibt – dass ein beträchtlicher Teil des Kriegsrechts außerhalb dieser Reglung bliebe.402 In dieselbe Richtung geht auch Partsch, nach dessen Ansicht die Unterschiede zwischen den beiden Rechtsgebieten nicht dadurch verwischt werden sollen, dass man sie einer gemeinsamen Bezeichnung unterstellt, weil jedes seine eigene Welt habe. „Beim ,Humanitären‘ schwingt das Element der Caritas entscheidend mit und das passt nun einmal nicht zu dem modernen Menschenrechtskonzept.“403

Zu den Anhängern dieser Theorie zählt auch Robertson, der einen Schritt weiter geht und beide Rechtsgebiete unter bestimmten Umständen nicht nur als komplementär, sondern auch als konvergent ansieht.404

II. Der Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts Eine parallele Anwendung von humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten ist nur denkbar, wenn das humanitäre Völkerrecht auf die Situation anwendbar ist, sonst finden nur Menschenrechte Anwendung. Es stellt sich daher die Frage nach dem Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts. Unter den Staaten gab es im Prinzip nach dem klassischen Völkerrecht nur zwei Zustände, nämlich den Kriegszustand oder den Friedenszustand. Während das Friedensvölkerrecht die Beziehungen unter den Staaten in normalen Zeiten regelte, waren diese Beziehungen der Gegenstand des Kriegsvölkerrechts in Kriegszeiten.405 Dabei gilt nicht der Grundsatz „inter arma silent leges“ (im Waffenlärm schweigen die Gesetze).406 Die Beziehungen zu den Nichtkonfliktparteien wurden durch das Neutralitätsrecht geregelt. Der Eintritt des Kriegszustands war abhängig von einer Kriegserklärung, einem bedingten Ultimatum oder der Eröffnung der Feindseligkeiten mit der Absicht, den Kriegszustand herbeizuführen.407 In der heutigen Zeit gibt es kaum noch Kriegserklärungen oder Ultimaten. Der Ausbruch eines Krieges hat auch nicht immer zur Folge, dass alle nichtfeindlichen Beziehungen beendet werden müssen.408 Die Anwendung des humanitären Völ402

Schindler (Fn. 391), S. 348. Siehe Partsch (Fn. 393), S. 7. 404 Robertson (Fn. 399), S. 802. 405 Greenwood (Fn. 111), S. 34. 406 Kimminich/Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2000, S. 442. 407 Ipsen (Fn. 109), S. 1213. 408 Greenwood (Fn. 111), S. 34; Schmahl, Der Menschenrechtsschutz in Friedenszeiten im Vergleich zum Menschenrechtsschutz im Krieg, in: Hasse (Hrsg.), Humanitäres Völkerrecht, 2001, S. 57; Ipsen (Fn. 109), S. 1213; die Definition von Verdross, wonach Krieg „ein völ403

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

kerrechts als ein spezielles Recht schließt auch nicht die Anwendung anderer Regeln aus, die in Friedenszeiten gelten.409 Gefragt wird hier nach der Zeit der Anwendung des humanitären Völkerrechts. Nach Art. 2 der Genfer Konventionen finden die Abkommen „Anwendung in allen Fällen eines erklärten Kriegs oder eines anderen bewaffneten Konflikts, der zwischen zwei oder mehreren der hohen Vertragsparteien entsteht, auch wenn der Kriegszustand von einer dieser Parteien nicht anerkannt wird“.

Die Anwendung des humanitären Völkerrechts ist also nicht mehr von der Erklärung oder Anerkennung des Kriegszustands abhängig. Diese Bestimmung entspricht der Praxis der Staaten in den letzten 50 Jahren, wobei die Kriegsparteien die Regeln des humanitären Völkerrechts angewendet haben, obwohl sie den Kriegszustand nicht erklärt oder anerkannt hatten.410 Im Vergleich zum klassischen humanitären Völkerrecht stellt dies einen wesentlichen Fortschritt dar, weil die Anwendung der Rechtsnormen des humanitären Völkerrechts nicht mehr wie früher von einer Kriegserklärung abhängig ist. Ein Staat kann sich demnach seinen Verpflichtungen nicht entziehen, indem er die militärischen Akte als Polizeiaktion bezeichnet. Die Abkommen finden auch in allen Fällen vollständiger oder teilweiser Besetzung des Gebietes einer hohen Vertragspartei Anwendung, selbst wenn diese Besetzung auf keinen bewaffneten Widerstand stößt.411 Für die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts muss aber der bewaffnete Konflikt eine bestimmte Intensität erreicht haben. Ohne dass der bewaffnete Konflikt ein bestimmtes Ausmaß erreicht hat, eröffnet sich nicht der Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts. In Fällen wie Tumulten und Polizeiaktionen, die nicht das Ausmaß eines bewaffneten Konflikts erreicht haben, finden die Regeln des humanitären Völkerrechtes keine Anwendung. Anzuwenden sind hier die nationalen Gesetze und die relevanten Regeln der Menschenrechtskonventionen. In der Staatenpraxis in den letzten Jahrzehnten sowie in den Genfer Abkommen und Zusatzprotokollen begann der Begriff „internationaler bewaffneter Konflikt“ den Begriff „Kriegszustand“ zu ersetzen. Die Charakterisierung eines Konflikts als „internationaler bewaffneter Konflikt“ reicht für die Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts aus. Eine Definition für den Begriff „bewaffneter Konflikt“ ist in den Genfer Konventionen nicht enthalten.412 Der ICTY hat in seiner Entscheidung vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ den Ausdruck „bewaffneter Konflikt“ wie folgt definiert:

kerrechtlicher Gewaltzustand unter Abbruch der friedlichen Beziehungen“ sei, entspricht nicht mehr der heutigen Staatenpraxis (s. Verdross [Fn. 112], S. 432). 409 David (Fn. 306), S. 64 ff. 410 Greenwood (Fn. 111), S. 34. 411 Art. 2 der Genfer Konventionen von 1949. 412 Vgl. Ipsen (Fn. 109), S. 1214 und 1215.

A. Die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht

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„[W]e find that an armed conflict exists whenever there is a resort to armed force between States or protracted armed violence between governmental authorities and organized armed groups or between such groups within a State.“413

Solange die Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts von der Existenz eines bewaffneten Konflikts abhängig ist, stellt sich die Frage: Wann fängt der Zustand eines bewaffneten Konflikts an und wann endet er? Der internationale bewaffnete Konflikt fängt mit der Erstanwendung von Waffengewalt zwischen den Konfliktparteien an. Nach Art. 3 ZP I werden die Genfer Abkommen und das 1. Zusatzprotokoll angewendet, sobald eine in Artikel 1 des Protokolls genannte Situation eintritt. Der internationale bewaffnete Konflikt endet mit der Einstellung der faktischen Handlungen, d. h. dass jeglicher Waffeneinsatz beendet wird, und dass alle durch den Waffeneinsatz herbeigeführten Zustände wie z. B. die Besetzung des gegnerischen Territoriums oder das Festhalten von Gefangenen beendet werden. Personen, deren endgültige Freilassung, deren Heimschaffung oder Niederlassung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, genießen bis zu ihrer endgültigen Freilassung, ihrer Heimschaffung oder Niederlassung weiterhin den Schutz der einschlägigen Bestimmungen der Abkommen und des 1. Protokolls.414 Die Einstellung der Kampfhandlungen erfolgt oft durch einen Waffenstillstand oder durch die Kapitulation einer der Kriegsparteien.415 Im Einklang mit der alten Tendenz, die das Ende des Kriegszustands und somit auch das Ende der Anwendung des humanitären Völkerrechts vom Abschluss eines Friedensvertrags abhängig gemacht hat,416 sagte der ICTY in seiner Entscheidung im Fall Tadic´ vom 2. Oktober 1995: „International humanitarian law applies from the initiation of such armed conflicts and extends beyond the cessation of hostilities until a general conclusion of Peace is reached; or, in the case of internal conflicts, a peaceful settlement is achieved. Until that moment, international humanitarian law continues to apply in the whole territory of the warring states or, in the case of internal conflicts, the whole territory under the control of a party, whether or not actual combat takes place there.“417

Die Anwendung der Haager und Genfer Konventionen sowie des 1. Zusatzprotokolls war grundsätzlich für die internationalen bewaffneten Konflikte gedacht. Für die Anwendung des II. Zusatzprotokolls der Genfer Konventionen von 1949 auf nicht internationale bewaffnete Konflikte wird vorausgesetzt, dass der bewaffnete Konflikt ein gewisses Maß an Intensität erreicht hat, nämlich dass die bewaffnete Opposition, die unter einer verantwortlichen Führung eine Kontrolle über einen Teil des Ho413

ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94 – 1-AR72 (Fn. 121), Paragraph 70. 414 Art. 3 (b) ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1561. 415 Siehe Ipsen (Fn. 109), S. 1236. 416 Siehe Verdross (Fn. 112), S. 440. 417 ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1-AR72 (Fn. 121), Paragraph 70.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

heitsgebiets der hohen Vertragspartei ausübt, anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchzuführen und dieses Protokoll anzuwenden vermag.418 Innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte und Straßendemonstrationen fallen nicht unter den Anwendungsbereich des II. Zusatzprotokolls.419 Das II. Zusatzprotokoll stieß wegen der rigiden Anwendungsvoraussetzungen des Art. 1 auf Kritik und wurde deshalb als wenig wirkungsvoll für nicht internationale Konflikte bezeichnet.420 Der Minimalstandard der Genfer Konventionen bleibt für den Fall anwendbar, dass die Voraussetzungen des II. Zusatzprotokolls nicht erfüllt sind.421 Der ICTY hat auch im Fall Tadic´ festgestellt, dass es am Beispiel des ehemaligen Jugoslawiens innerhalb eines Gesamtkonflikts Teilkonflikte unterschiedlichen Charakters geben kann. Das bedeutet, dass ein Konflikt einen internationalen und nichtinternationalen Charakter gleichzeitig haben kann. In solchen Situationen werden die Regeln des humanitären Völkerrechts unter Berücksichtigung der Tatsachen im konkreten Fall angewendet.422

III. Möglichkeiten der Einschränkung der Fortgeltung der Menschenrechte im Krieg Die Notstandsklauseln in Art. 4 IPBPR und Art.15 EMRK bieten z. B. die Möglichkeit, viele der in IPBPR und EMRK garantierten Menschenrechte in Kriegszeiten einzuschränken.423 Gemäß dieser Klausel dürfen die Vertragsstaaten unter bestimmten Voraussetzungen die in diesen Verträgen anerkannten Rechte außer den notstandsfesten Rechten, wie z. B. das Recht auf Leben, das Folterverbot, das Verbot der Sklaverei und die Freiheit des Gewissens und der Religion außer Kraft setzen, soweit die Lage dies unbedingt erfordert. Art. 4 IPBPR ähnelt zum großen Teil dem Wortlaut des Art. 15 EMRK. Ein Vertragsstaat kann von dem Derogationsrecht nur Gebrauch machen, wenn das Leben der Nation durch einen Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht ist. Als Schranke für dieses Derogationsrecht wurden auch einige Voraussetzungen vorgesehen und zwar: · Die ergriffenen Maßnahmen dürfen nicht im Widerspruch zu den sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates stehen. · Die Derogation darf nur soweit gehen, wie es die Lage unbedingt erfordert. Der Ausbruch eines bewaffneten Konflikts und somit die Anwendung des humanitären Völkerrechts kann nicht bedeuten, dass der Vertragsstaat die derogierbaren Rechte 418

Siehe Art. 1 Abs. 1 ZP II, BGB1. 1990 II, S. 1639. Art. 1 Abs. 2 ZP II. 420 Ipsen (Fn. 109), S. 1219. 421 Vgl. Ipsen, ebd., S. 1218. 422 ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1-AR72 (Fn. 121), Paragraph 76 und 77. 423 Siehe Art. 4 IPBPR, BGB1. 1973 II, S. 1536 und Art. 15 EMRK, BGB1. 1952 II, S. 691. 419

A. Die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht

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sofort außer Kraft setzen darf. Im Fall eines bewaffneten Konflikts, der das Leben der Nation nicht bedroht, wäre eine Derogation nicht gerechtfertigt und daher auch nicht zulässig gemäß Art. 4 IPBPR und 15 EMRK. · Der Vertragsstaat ist verpflichtet, den UN-Generalsekretär im Fall des IPBPR oder den Generalsekretär des Europarats im Fall der EMRK, zu unterrichten und den Notstand auszurufen. Erfolgt diese Unterrichtung an den Generalsekretär nicht, könnte das bedeuten, dass der Vertragsstaat auf dieses Recht verzichtet und daher an den ganzen Rechtskatalog gebunden bleibt und man sich auf den ganzen Rechtskatalog berufen kann.

IV. Vorteile einer parallelen Anwendung beider Rechtsgebiete Nachdem oben festgestellt wurde, dass die Menschenrechte grundsätzlich auch in bewaffneten Konflikten fortgelten, stellt sich jetzt die Frage nach den Konkurrenzfällen zwischen den beiden Systemen. Und welche Vorteile könnte eine kumulative Anwendung beider Rechtsgebiete bringen? Um darauf zu antworten, wird auf einige Beispiele eingegangen, weil es an dieser Stelle unmöglich ist, auf alle Bestimmungen einzugehen. Zunächst soll klargestellt werden, dass die Menschenrechte in bewaffneten Konflikten nicht uneingeschränkt fortgelten. Einschränkungsmöglichkeiten für die Menschenrechte in Zonen bewaffneter Konflikte könnten die Schranken in dem jeweiligen Artikel selbst wie Art. 19 Abs. 3 IPBPR und Art. 10 Abs. 2 EMRK, die Notstandsklauseln in Art. 4 IPBPR und 15 EMRK und der Grundsatz „lex specialis derogat generali“ sein. Solange die Bestimmungen beider Rechtsgebiete inhaltlich vereinbar sind, finden sie parallele Anwendung. Beide Systeme verbieten z. B. die Folter. Das Folterverbot als Menschenrecht ist nicht derogierbar. Da die Regeln des humanitären Völkerrechts auf bewaffnete Konflikte zugeschnitten sind, sind sie gegenüber den Bestimmungen der Menschenrechtskonventionen im Fall der Unvereinbarkeit der Rechtsfolgen der Normen beider Rechtsgebiete vorrangig. Ein gutes Beispiel dafür bietet Art. 5 EMRK, der einen abschließenden Katalog für die Fälle des Freiheitsentzuges aufstellt. Darin fehlt aber die Gefangenschaft im Krieg als einer dieser Gründe. Es ist undenkbar, dass die Vertragsstaaten auf das Recht, im Kriege Gefangene zu nehmen, verzichten wollten. Art. 5 EMRK weist hier eine Rechtslücke auf, die zeigt, dass die Schöpfer der EMRK die besonderen Verhältnisse des Krieges außer Betracht ließen.424 Fraglich war anlässlich der Beschwerde Zyperns gegen die Türkei nach der Invasion, ob eine Kriegsgefangennahme in militärischen Operationen, in denen der Staat den Notstand nicht ausruft, einen Verstoß gegen Art. 5 EMRK darstellt. Kriegsgefangene zu machen, ist nach den Regeln des humanitären Völkerrechts erlaubt und dafür gibt es die dritte Genfer Konvention, die in 143 Artikeln bestimmt, wer ein Kriegsgefangener ist und wie er behandelt werden soll. Daher ist die dritte 424

Schindler (Fn. 391), S. 337.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Genfer Konvention im Verhältnis zu Art. 5 EMRK spezieller. Folglich wird Art. 5 durch die dritte Genfer Konvention im Wege der Spezialität verdrängt.425 In zahlreichen Fällen sind die Regeln beider Rechtsgebiete kumulativ anwendbar. Es gibt Rechte, die unter keinen Umständen derogiert werden dürfen. Somit gelten sie auch in Kriegszeiten fort. Und hier erscheint als Paradox z. B. das „Recht auf Leben“ im Krieg. Abgesehen von den Kombattanten, kommen auch viele Zivilpersonen zwangsläufig ums Leben. Nach den Regeln des humanitären Völkerrechts ist das rechtlich nicht verboten, vorausgesetzt, dass die Bestimmungen der Kriegsführung, insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, beachtet werden. Art. 6 Abs.1 IPBPR sieht vor, dass niemand willkürlich seines Lebens beraubt werden darf. Die Frage, was als willkürlich in diesem Zusammenhang gilt, kann nur durch die einschlägige lex specialis, also das humanitäre Völkerrecht, beantwortet werden.426 In Art. 15 Abs. 2 EMRK wurde ausdrücklich vorgesehen, dass nur bei „Todesfällen infolge rechtmäßiger Kriegshandlungen“ von dem Recht auf Leben abgewichen werden darf. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Kriegshandlung rechtmäßig oder unrechtmäßig ist oder ob die Tötung willkürlich ist oder nicht, sind die Regeln des humanitären Völkerrechts einschlägig.427 Grundsätze des humanitären Völkerrechts, nämlich die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kombattanten sowie zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen und das daraus folgende Verbot der unterschiedslosen Angriffe, spielen dabei eine zentrale Rolle, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil im Fall Isayeva v. Russia vom 24.02. 2005 feststellte.428 Die Inter-Amerikanische Kommission und der Inter-Amerikanische Gerichtshof für Menschenrechte beziehen sich auch in einer Reihe vergleichbarer Fälle auf das humanitäre Völkerrecht.429 Folglich kann man feststellen, dass die Regeln der Menschenrechte auch in Kriegszeiten fortgelten, soweit die Regeln des humanitären Völkerrechts es zulassen und solange sie durch die Notstandsklauseln nicht eingeschränkt wurden. Im Fall der Unvereinbarkeit werden die Regeln der Menschenrechte durch das speziellere humanitäre Völkerrecht verdrängt. Der IGH stellte in seinem Gutachten vom 8. Juli 1996 über „Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons“ fest, dass der Schutz 425

Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV, Vol. 62, 2002, S. 694; Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr und Europäische Menschenrechtskonvention (Diss.), 2004, S. 47. 426 IGH, Gutachten vom 8. Juli 1996 über „Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons“, I.C.J. Reports 1996, Ziff. 25. 427 Bothe, Humanitäres Völkerrecht und Schutz der Menschenrechte, in: Dupuy/Fassbender (Hrsg.), Völkerrecht als Weltordnung, 2006, S. 79. 428 EGMR, Urteil vom 24.02. 2005 im Fall Isayeva v. Russia, Aktenzeichen Nr. 57947/00, Europäische Grundrechte Zeitschrift, 33. Jahrgang, 2006, S. 42 ff. 429 Zegveld, The Inter-American Commission on Human Rights and International Humanitarian Law: A Comment on the Tablada Case, International Review of the Red Cross, No. 324, 1998, S. 505; Bothe (Fn. 427), S. 80.

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des IPBPR nur im Rahmen von Art. 4 IPBPR im Kriegsfall eingeschränkt werden könne.430 In seinem Gutachten über die Sperrmauer Israels stellte der IGH fest: „As regards the relationship between international humanitarian law and human rights law, there are thus three possible situations: some rights may be exclusively matters of international humanitarian law; others may be exclusively matters of human rights law; yet others may be matters of both these branches of international law.“431

Demnach kann ein Verstoß gegen die Menschenrechte auch gleichzeitig ein Verstoß gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts sein. In diesen Fällen kann sich der Betroffene sowohl auf die Bestimmungen der Menschenrechte als auch auf die des humanitären Völkerrechts berufen. Und hier kann von einer kumulativen Anwendung beider Rechtsgebiete gesprochen werden. Die Fortgeltung der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten hat zur Folge, dass die aus ihnen folgenden Schadenersatzansprüche auch mit der Eröffnung des Geltungsbereichs des humanitären Völkerrechts Anwendung finden. Bezüglich der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit in Konfliktzonen sieht es komplizierter aus. Da die Kriege außergewöhnliche Umstände in der Gesellschaft schaffen, sind die Eingriffe von Seiten der Behörden und die Knebelung der Presseund Informationsfreiheit unter Berufung auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung eine normale Erscheinung in der Gesellschaft der Kriegspartei. Schlimmer ist es für die Zivilbevölkerung eines besetzten Gebietes. Die Besatzungsmacht duldet meist keine gegen sie gerichtete Kritik. Die Freiheit der Zivilbevölkerung ist meist beschränkt auf Äußerungen, die mit der Linie und Politik der Behörden vereinbar sind.432 In einer solchen Atmosphäre kann natürlich nicht von Pressefreiheit im vollen Wortsinn gesprochen werden. Die Genfer Konventionen befassen sich im Prinzip nicht mit dem Schutz der Presse- oder Informationsfreiheit, sondern mit der persönlichen Sicherheit der Individuen. Nach Art. 27 Abs. 3 GK IV ist nur die Meinungsfreiheit geschützt.433 Die Meinungsäußerungsfreiheit ist nicht vom Schutzbereich des Artikels erfasst. Eine feindselige Gesinnung bleibt straflos, solange sie nicht zum Ausdruck kommt. Verdächtige Personen, die ihre Anschauungen noch nicht geäußert haben, die aber trotzdem gefährlich für die Sicherheit des Gewahrsamsstaates oder für die Ruhe und Ordnung scheinen, können höchstens Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen unterworfen, aber nicht bestraft werden.434 Der Gewahrsamsstaat ist berechtigt, sich gegen feindselige Äußerungen oder subversive Propaganda, die auf Aufstachelung der 430 IGH, Gutachten vom 8. Juli 1996 über „Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons“, I.C.J. Reports 1996, Ziff. 25. 431 IGH, Gutachten vom 9. Juli 2004 über „Legal Consequences of the Construction of a wall in the Occupied Palestinian Territory“, I.C.J. Reports 2004, Ziff. 106. 432 Urner, Die Menschenrechte der Zivilpersonen im Krieg gemäß der Genfer Zivilkonvention von 1949, 1956, S. 110. 433 Vgl. Art. 51 GK IV. 434 Urner (Fn. 432), S. 112; siehe auch Art. 27 (4) GK IV.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Zivilbevölkerung gegen die Besatzungsmacht gerichtet sind, zur Wehr zu setzen. Harmlose Äußerungen bleiben auf jeden Fall ungeahndet. Die geschützten Personen im besetzten Gebiet dürfen nicht wegen irgendwelcher Äußerungen oder Handlungen, die gegen die Besatzungsmacht gerichtet sind, bestraft oder verfolgt werden. Da die Regeln des humanitären Völkerrechts die Rechte auf Meinungsäußerungs-, Informations- und Pressefreiheit nicht schützen, stellt man auf Bestimmungen der Menschenrechtskonventionen wie Art. 19 IPBPR oder Art. 10 EMRK ab, um einen Mindeststandard an Schutz für die Pressefreiheit zu gewähren. Obwohl das Recht auf Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit häufig ein Gegenstand der Beschränkung aufgrund der Einschränkungsmöglichkeiten in den Menschenrechtskonventionen ist, ist es jedoch auch wichtig anzumerken, dass eben die Beschränkung dieses Rechts nicht absolut ist, sondern einen vorläufigen Charakter hat und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Diskriminierungsverbots unterworfen ist. Es darf auch nicht in einer Weise beschränkt werden, die zur Unterminierung oder Abschaffung des Rechts selbst führen kann.435 Somit ist die Fortgeltung der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten geeignet, einen besseren Schutz für die Pressefreiheit und Kriegskorrespondenten zu gewähren und die Lücken des humanitären Völkerrechts in diesem Bereich teilweise zu schließen.

V. Rechtsschutzverfahren Die Menschenrechtsabkommen und die Konventionen des humanitären Völkerrechts verfügen über unterschiedliche Rechtsschutzverfahren und Methoden. Während das Verfahren des humanitären Völkerrechts auf dem Prinzip der Vertraulichkeit im Rahmen des Besuchs- und Berichtsverfahrens basiert, stützt sich das Verfahren der Menschenrechtskonventionen vor allem auf politischen Druck und Publizität. Aufgrund ihrer unpolitischen und unparteiischen Natur können die Instrumente des humanitären Völkerrechts, umgesetzt durch das IKRK und die Schutzmächte, rascher und unmittelbar wirken.436 Jedes System hat seine Vorteile und kann in bestimmten Situationen effektiver zur Erreichung der Ziele sein. Das Menschenrechteschutzsystem sieht Rechtsbehelfe für Individuen vor, die das Regime des humanitären Völkerrechts nicht kennt. So können Menschenrechtsorgane unter Umständen eine Rolle beim Schutz der Kriegskorrespondenten in bewaffneten Konflikten spielen, weil Menschenrechte unter Berücksichtigung der militärischen Notwendigkeiten und der Spezialität der Regeln des humanitären Völkerrechts grundsätzlich auch in Kriegszeiten und in besetzten Gebieten fortgelten. Organe, wie z. B. der UN-Menschenrechtsausschuss, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Inter-Amerikanische Gerichtshof für Menschenrechte können in 435 Vgl. Schmal (Fn. 408), S. 72 f.; vgl. auch Greenspan, The Protection of Human Rights in Time of Warfare, Israel Yearbook on Human Rights, Vol. 1, 1971, S. 238. 436 Bothe (Fn. 427), S. 90.

A. Die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht

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Fällen der parallelen Anwendung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zur Beachtung der Regeln der Menschenrechte in Kriegszeiten und der Regeln des humanitären Völkerrechts beitragen. Gerade die Rechtsprechung der Inter-Amerikanischen Kommission und des Inter-Amerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den letzten Jahren zeigt, dass die Menschenrechtsinstrumentarien zur effektiveren Anwendung des humanitären Völkerrechts beitragen können. In ihrer Entscheidung von 1997 im Fall Tablada stellte die Inter-Amerikanische Kommission für Menschenrechte fest, dass sie befugt ist, das humanitäre Völkerrecht anzuwenden.437 Menschenrechtsorgane können auch als Instrumentarien für die Opfer, deren Rechte nach den Regeln des humanitären Völkerrechts verletzt wurden, dienen, damit sie Schadenersatz erhalten können. Im Fall Las Palmeras erhielten die Familien der Opfer, deren Menschenrechte während des Bürgerkriegs in Kolumbien durch Staatsorgane (Polizei und Streitkräfte) verletzt wurden, Schadenersatz.438 Damit ist festzuhalten, dass beide Verfahrenssysteme einander in einigen Fällen ergänzen können, und dass damit ein besserer Schutz für die Kriegskorrespondenten erreicht werden könnte.

VI. Extraterritoriale Wirkung der Menschenrechte Nachdem festgestellt wurde, dass die Menschenrechtskonventionen unter Berücksichtigung der militärischen Notwendigkeiten und der Spezialität der Regeln des humanitären Völkerrechts grundsätzlich auch in Kriegszeiten und in besetzten Gebieten fortgelten, wird an dieser Stelle geprüft, inwieweit Menschenrechtskonventionen extraterritoriale Wirkung entfalten. Umstritten ist die Frage, ob der UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte eine extraterritoriale Wirkung entfaltet. Eine strenge Auslegung von Art. 2 Abs. 1 IPBPR („Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die in diesem Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie allen in seinem Gebiet befindlichen und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen […] zu gewährleisten“) führe zu dem Ergebnis, dass die Anwendbarkeit des Paktes nur auf die eigenen Staatsterritorien beschränkt sei. Daher entfalte das Abkommen keine Wirkung in dem Fall, dass die Organe eines Vertragsstaates, z. B. die Streitkräfte, Menschenrechtsverletzungen im Ausland begangen haben.439 Diese Schlussfolgerung sieht unlogisch aus, da eine solche Auslegung zur Entlassung des Vertragsstaates, der Menschenrechtsverletzungen im Ausland begeht, aus der Verantwortung führe. Dieses Ergebnis könnte auch dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 IPBPR widersprechen, der vorsieht, dass keine Bestimmung dieses Paktes so ausgelegt werden darf, dass sie für einen Staat, eine Gruppe oder Person das 437

Zegveld (Fn. 429), S. 505. Urteil des Inter-Amerikanischen Gerichtshofs vom 26. November 2002 im Fall Las Palmeras v. Colombia, No. 96 (2000), Paragraph 35 – 38, abrufbar unter: http://www1.umn.edu/ humanrts/iachr/C/96-ing.html, abgerufen am 07.05. 2012. 439 Siehe dazu Schindler (Fn. 391), S. 334. 438

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Recht begründet, eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung oder Beschränkung der in dem Pakt anerkannten Rechte und Freiheiten hinzielt. Für eine enge Auslegung, welche die Anwendbarkeit des Paktes auf eigene Staatsterritorien beschränke, sprechen weder die „travaux préparatoires“ von Art. 2 (1) IPBPR noch die Tatsache, dass Art. 1 des Fakultativprotokolls des Paktes im Vergleich zu Art. 2 (1) IPBPR nur von Herrschaftsgewalt und nicht von Territorien spricht.440 Man stellt vielmehr bei der Auslegung von Art. 2 (1) IPBPR auf den Sinn und Zweck des Paktes ab, um eine unlogische Interpretation, welche der universellen Natur der Menschenrechte widersprechen kann, zu vermeiden.441 Die Praxis des UN-Menschenrechtsausschusses geht in den letzten Jahren von einer extraterritorialen Geltung des UNO-Paktes aus. Der Ausschuss hat während der Diskussion des Staatsberichts des Iraks und in seinen Schlussbemerkungen die Verantwortlichkeit des Iraks für die Menschenrechtsverletzungen im besetzten Kuwait betont: „The failure of the report to address events in Kuwait after 2 August 1990, given Iraq’s clear responsibility under international law for the observance of human rights during its occupation of that country, was a matter of particular concern to the committee.“442

Auch in seinen Schlussbemerkungen über Staatenberichte von 1998 erklärte der UN-Ausschuss, dass es unangemessen sei, die Staatsverantwortung in Art. 2 (1) IPBPR in einer Weise auszulegen, die einer Staatspartei erlaubt, durch ihre Staatsorgane oder Agenten Verstöße gegen den Pakt auf den Territorien eines anderen Staates zu begehen.443 Der Ausschuss stellte auch fest, dass der Pakt in den besetzten Gebieten Anwendung findet und rügte während der Diskussion des Staatsberichts Israels, dass der Bericht keine Erwähnung über die Situation in den besetzten Gebieten macht. Nach Ansicht des Ausschusses fand der Pakt Anwendung in Gaza, der Westbank und im Südlibanon – Territorien, in denen Israel in der Zeit der Ausarbeitung des Kommentars eine effektive Kontrolle ausübte.444 Der Ausschuss wiederholte seine Einstellung in Bezug auf die Anwendung der Regeln der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten auch in jüngeren Berichten.445 Eine ähnliche Ansicht vertritt auch der Internationale Gerichtshof. Der Gerichtshof stellte in sei440 Meron, Extraterritoriality of Human Rights Treaties, American Journal of International Law, Vol. 89, 1995, S. 79. 441 Ebd., S. 80 und 82. 442 Siehe dazu Report of the Human Rights Committee, UN Doc. A/46/40 (1991), S. 150 – 158. 443 Eick, Die Anwendbarkeit des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr, in: Dupuy/Fassbender (Fn. 427), S. 118; Provost, International Human Rights and Humanitarian Law, 2002, S. 22. 444 Provost, ebd.S. 23. 445 Fischer-Lescano, Subjektivierung völkerrechtlicher Sekundärregeln, Archiv des Völkerrechts, Bd. 45, 2007, S. 311. Diese Meinung vertritt auch Kälin, der von einer extraterritorialen Wirkung des UNO-Paktes bei Besetzungen ausgeht (siehe Kälin [Fn. 398], S. 239). Eine extraterritoriale Anwendung des Paktes bezweifelt Partsch (siehe Partsch [Fn. 401], S. 912).

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nem Gutachten über die Rechtmäßigkeit des Baus der israelischen Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten fest, dass ein Vertragsstaat auch dann an die Regeln des IPBPR gebunden ist, wenn er Jurisdiktion außerhalb seiner Territorien ausübt: „The Court would observe that, while the jurisdiction of States is primarily territorial, it may sometimes be exercised outside the national territory. Considering the object and purpose of the International Covenant on Civil and Political Rights, it would seem natural that, even when such is the case, States Parties to the Covenant should be bound to comply with its provisions.“446

Folgt man der Praxis des UN-Menschenrechtsausschusses in den letzten Jahren und der Meinung des IGH, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass der IPBPR extraterritoriale Wirkung auch in Kriegszeiten und in besetzten Gebieten, wo der Vertragsstaat Herrschaftsgewalt oder effektive Kontrolle auf fremde Territorien ausübt, entfaltet. Während jeder innerstaatliche Hoheitsakt mit den Vorgaben der EMRK in Einklang stehen muss, ist nun fraglich, ob die EMRK auch eine extraterritoriale Wirkung entfaltet. Der EGMR hat sich in seiner Rechtsprechung mehrfach mit der Frage der exteraterritorialen Ausübung von Hoheitsgewalt auseinander gesetzt. Im Allgemeinen ist für die Eröffnung des Schutzes der EMRK die Existenz eines rechtlichen Bandes zwischen den Opfern und den beklagten Staaten notwendig.447 Die EMRK ist nicht dafür gedacht, überall in der Welt Anwendung zu finden. Im Fall Bankovic´ betonte der EGMR den regionalen Charakter der EMRK. Die Konvention stellt eine Art Verfassungsurkunde für den europäischen Verfassungsraum dar.448 Ein europäischer Kriegskorrespondent, der z. B. aus einem Bürgerkrieg in Afrika berichtet, genießt nicht den Schutz der EMRK im Fall der Verletzung einer der Konventionsnormen seitens einer Partei, die nicht Mitgliedstaat zur EMRK ist. Er fällt aber in den Schutzbereich anderer relevanter Menschenrechtskonventionen wie z. B. des IPBPR und der Afrikanischen Charta der Rechte der Menschen und Völker. Eine extraterritoriale Wirkung der EMRK, die den europäischen Verfassungsraum überschreitet, könnte ohne Zweifel ein zusätzliches Schutzmittel für Kriegskorrespondenten bieten, wenn die Voraussetzungen der Jurisdiktionsbegründung erfüllt sind. Von besonderer Relevanz für Kriegskorrespondenten ist die Jurisdiktionsbegründung eines Konventionsstaates aufgrund militärischer Operationen im Ausland. Im Folgenden werden einige Beispielfälle aufgeführt, die zeigen, welche Kriterien für die Juridiktionsbegründung im Ausland nach der EMRK erforderlich sind. Im Anschluss an die türkische Invasion der Insel Zypern 1974 legte die Regierung Zyperns eine Beschwerde gegen die Türkei vor der Europäischen Kommission für 446

IGH, Gutachten vom 9. Juli 2004 über „Legal Consequences of the Construction of a wall in the Occupied Palestinian Territory“, I.C.J. Reports 2004, Ziff. 109. 447 EGMR, Beschluss vom 12. Dezember 2001 im Fall Bankovic´, Aktenzeichen Nr. 52207/ 99, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 29. Jahrgang, 2002, Paragraph 82, S. 143. 448 Ebd., Paragraph 80, S. 142.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Menschenrechte ein. Sie rügte die Verletzung der Art. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 13 und 17 EMRK durch die türkische Armee im besetzten Teil von Zypern. Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde argumentierte die Türkei u. a., dass Nordzypern der Jurisdiktion der Türkei nicht unterliege, und dass die Verwaltung der türkischen Zyprioten auf dem besetzten Teil der Insel vollständige Jurisdiktion habe. Außerdem habe die Türkei ihre Jurisdiktion auf die Insel nicht erstreckt. Nach der Prüfung der Stellungnahmen beider Seiten hat die Kommission die Beschwerde Zyperns für zulässig erklärt und die türkische Stellungnahme zurückgewiesen. Zur Begründung ihrer Entscheidung stellte die Kommission fest, dass sich der Begriff „Jurisdiktion“ in Art.1 EMRK nicht auf das Staatsgebiet beschränke, und dass die hohen Vertragsparteien verpflichtet seien, allen ihrer tatsächlichen Hoheitsgewalt und Verantwortung unterstehenden Personen die in der Konvention angeführten Rechte und Freiheiten zuzusichern, unabhängig davon, ob diese Hoheitsgewalt innerhalb der eigenen Staatsterritorien oder im Ausland ausgeübt wurde.449 Im Fall Loizidou gegen die Türkei war die Hauptfrage: Wer übt in Nordzypern Hoheitsgewalt aus? In seinem Urteil stellte der EGMR fest, dass ein Staat durch militärische Maßnahmen „effektive Kontrolle“ über Gebiete außerhalb seiner eigenen Territorien ausüben könne und der Begriff „Jurisdiktion“ in Art.1 EMRK nicht auf das Staatsgebiet begrenzt sei.450 Die tatsächliche Kontrolle stellte in diesen Entscheidungen das entscheidende Kriterium für die Jurisdiktionsbegründung im Sinne von Art. 1 EMRK dar.451 Der EGMR-Beschluss im Fall Bankovic´ vom 12. Dezember 2001 gilt als einer der wichtigen Beschlüsse des EGMR, die viel debattiert wurden. Es geht in diesem Fall darum, dass das Gebäude des Fernseh- und Radiofunksenders RTS in Belgrad durch die NATO-Truppen während des Kosovo-Konflikts am 23. 04. 1999 bombardiert wurde. Durch den Angriff wurden 16 Menschen getötet und 16 weitere schwer verletzt.452 Die Eltern der Opfer legten im Oktober 1999 eine Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gegen die 17 Mitgliedstaaten der NATO ein, die auch gleichzeitig Mitgliedsstaaten bei der EMRK sind. Sie rügten die Verletzung des Rechts auf Leben gemäß Art. 2 EMRK und Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 10 EMRK. Wie im zweiten Kapitel bereits dargestellt, wurde auch dem ICTY eine ähnliche Beschwerde im gleichen Fall, in der die Beschwerdeführer die Verletzung der Regeln des humanitären Völkerrechts 449 Siehe die Entscheidung der Kommission vom 26.05. 1975 über die Beschwerde Zyperns gegen die Türkei, Yearbook of the European Convention on Human Rights, Vol. 18, 1975, S. 118. 450 Siehe EGMR, Urteil vom 23. März 1995 im Fall Loizidou gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 40/1993/435/514, Human Rights Law Journal, Vol. 16, No. 1 – 3, 1995, Paragraph 62, S. 22. Siehe auch EGMR, Urteil vom 18. Dezember 1996 im gleichen Fall, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 24. Jahrgang, 1997, Paragraph 52, S. 560. 451 Jankowska-Gilberg, Exteraterritorialität der Menschenrechte, 2008, S. 69. 452 Siehe oben, 2. Kapitel, H. III. 3.; siehe auch EGMR, Beschluss vom 12. Dezember 2001 im Fall Bankovic´, Aktenzeichen Nr. 52207/99 (Fn. 447), Paragraph 9 – 11.

A. Die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht

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rügten, unterbreitet.453 Der Gerichtshof prüfte, ob die betroffenen Opfer der Jurisdiktion der Mitgliedstaaten unterworfen waren. Im Rahmem seiner Auslegung des Begriffs „Jurisdiction“ (Hoheitsgewalt) in Art. 1 EMRK stellte der EGMR fest, dass „from the standpoint of public international law, the jurisdictional competence of a state is primarily territorial.“ 454

Obwohl sich die Jurisdiktion des Staats völkerrechtlich grundsätzlich auf seine eigenen Territorien bezieht, ist die Ausübung einer extraterritorialen Jurisdiktion auch völkerrechtlich in einigen Fällen nicht ausgeschlossen. Eine extraterritoriale Wirkung bleibt eine Ausnahme, die eine besondere Rechtfertigung benötigt. In diesem Rahmen soll, nach Ansicht des Gerichtshofs, der Begriff der „jurisdiction“ in Art. 1 EMRK ausgelegt werden.455 Diese enge Auslegung entspricht nach Ansicht des EGMR der Praxis der Mitgliedstaaten seit der Ratifikation der Konvention. In ähnlichen militärischen Operationen wie z. B. am Golf und in Bosnien-Herzegowina hat kein Mitgliedstaat die Überzeugung gezeigt, dass seine extraterritorialen Akte Ausübung der Jurisdiktion darstellen.456 Zu den Ausnahmefällen, in denen die extraterritorialen Akte Ausübung der Jurisdiktion darstellen, gehört die extraterritoriale Ausübung der Hoheitsgewalt im Zusammenhang mit einer umfassenden und effektiven Kontrolle der fremden Territorien aufgrund einer militärischen Besetzung oder Zustimmung der Regierung des Landes.457 Der EGMR betonte, dass nicht jegliches Handeln der Streitkräfte im Ausland Personen unter den Schutz der EMRK bringt.458 Die Bombardierung eines fremden Territoriums ist nicht ausreichend, um die Opfer der Bombardierung unter die Jurisdiktion der bombardierenden Staaten zu stellen. Hätten die Mitgliedsstaaten bei der Erstellung der Konvention eine so weitgehende Bindung an die Konvention gewollt, wie die Beschwerdeführer sie sich vorgestellt haben, hätten sie einen anderen Wortlaut für Art.1 EMRK gewählt, der dem Art. 1 der Genfer Konventionen von 1949 ähnelt.459 Nach der Konstruktion der Genfer Konventionen sind die Parteien eines bewaffneten Konflikts an ihre Verpflichtungen auch außerhalb ihrer eigenen Territorien gebunden. Den Maßstab der effektiven Kontrolle hat der EGMR in den Nordzypern-Fällen gegen die Türkei entwickelt.460 Infolgedessen war der EGMR nicht überzeugt, dass ein rechtliches Band zwischen den Opfern und den beklagten Staaten bestand. Somit unterlagen die Opfer nicht der Jurisdiktion der betroffenen Mitgliedstaaten.461 Daher wurde die 453

Siehe ICTY Final Report to the Prosecutor von 2000, in: Klip/Sluiter (Fn. 317), S. 31 ff. EGMR, Beschluss vom 12. Dezember 2001 im Fall Bankovic´, Aktenzeichen Nr. 52207/ 99 (Fn. 447), Paragraph 59. 455 Ebd., Paragraph 61. 456 Ebd., Paragraph 62. 457 Ebd., Paragraph 71. 458 Ebd., Paragraph 75. 459 Ebd., Paragraph 74 und 75. 460 Ebd., Paragraph 75. 461 Ebd., Paragraph 82. 454

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Beschwerde für unzulässig erklärt.462 Wichtig ist hier anzumerken, dass der EGMR im Fall Bankovic´ eine restriktive Auslegung des Begriffs „jurisdiction“ in Art. 1 EMRK vertrat. Aber er hat eine extraterritoriale Wirkung der EMRK nicht ausgeschlossen. Der Maßstab der effektiven Kontrolle ist aber nicht das einzige Kriterium für die Begründung der Jurisdiktion eines Staates auf fremde Territorien. Es gibt auch andere Kriterien, die zur Jurisdiktionsbegründung eines Staates führen können. Die Jurisdiktion kann sich aus völkervertrags- oder völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Fällen extraterritorialer Ausübung von Hoheitsgewalt ergeben. Hierzu gehört das Tätigwerden des diplomatischen und konsularischen Personals eines Staates.463 Auch die Machtausübung über Personen oder Eigentum durch Staatsagenten auf die Territorien eines anderen Staates kann zur Begründung der Jurisdiktion des Staates führen. Im Fall Öcalan hat der EGMR angenommen, dass die Unterstellung von Personen unter die Kontrolle eines Konventionsstaates wie im Fall des Freiheitsentzugs, unabhängig vom Ort, an dem sie geschieht, Hoheitsgewalt darstellt, deren Ausübung in den Anwendungsbereich der EMRK fällt.464 Erwähnung verdienen auch die Entscheidung des EGMR vom 30. Juni 2009 im Fall Al-Saadoon und Mufdhi gegen Vereinigtes Königreich sowie sein Urteil vom 02. März 2010 im gleichen Fall. In seiner Entscheidung stellte der EGMR fest, dass die Beschwerdeführer infolge der umfassenden und exklusiven de facto- und später auch de jure-Kontrolle, welche das Vereinigte Königreich auf die betroffenen Lager im Irak ausübte, der Jurisdiktion des Vereinigten Königreichs unterlagen.465 In seinem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass die EMRK auch im Fall eines Normenkonflikts zwischen den Staatsverpflichtungen aus der EMRK und anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen Anwendung findet und der Mitgliedstaat auch in einem solchen Fall die Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsnormen trägt.466 Auch in weiteren Fällen, wie z. B. im Fall Öcalan (Tatort: Kenia) und AlSaadoon und Mufdhi (Tatort: Irak), zeigt die Rechtsprechung des EGMR, dass die EMRK auch außerhalb des europäischen Verfassungsraums anwendbar ist, wenn die Voraussetzungen der Jurisdik-tionsbegründung erfüllt sind. Gegen eine extraterritoriale Geltung im Sinne von Art. 1 EMRK könnte aber Art. 56 Abs. 1 EMRK sprechen. Danach kann ein Vertragsstaat die Anwendbarkeit 462

Ebd., Paragraph 85. Ebd., Paragraph 73. 464 EGMR, Urteil vom 12. März 2003 im Fall Öcalan gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 46221/99, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 30. Jahrgang, 2003, Paragraph 93, S. 475. 465 EGMR, Beschluss vom 30. Juni 2009 im Fall Al-Saadoon und Mufdhi gegen Vereinigtes Königreich, Aktenzeichen Nr. 61498/08, Paragraph 88, abrufbar unter: http://cmiskp.echr.coe. int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=852086&portal=hbkm&source=externalby docnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA3986, abgerufen am 12.05. 2012. 466 EGMR, Urteil vom 02. März 2010 im Fall Al-Saadoon und Mufdhi gegen Vereinigtes Königreich, Aktenzeichen Nr. 61498/08, Paragraph 128, abrufbar über: http://cmiskp.echr.coe. int/tkp197/search.asp?sessionid=30479342&skin=hudoc-en, abgerufen am 12.05. 2012. 463

A. Die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht

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der EMRK für alle oder einzelne Hoheitsgebiete, für deren internationale Beziehungen er verantwortlich ist, erklären. Das kann bedeuten, dass eine extraterritoriale Geltung der EMRK nur durch eine Erklärung des Vertragsstaates erfolgt. Durch ein genaues Betrachten des Art. 56 EMRK – vor allem des Abs. 3 – im Lichte der Rechtsprechung könnte man zu einem anderen Ergebnis kommen und zwar, dass Art. 56 EMRK nicht den territorialen Geltungsbereich der EMRK, sondern die sachliche Verantwortlichkeit des Vertragsstaates bestimmt.467 In ihrer Entscheidung über die Beschwerde Zyperns gegen die Türkei sah die Kommission auch, dass Art 56 (63) EMRK nicht in einer Weise ausgelegt werden kann, die zur Begrenzung der Reichweite der Geltung des Begriffs „Jurisdiktion“ in Art. 1 EMRK führe, indem sie ihn nur auf eigene Staatsgebiete beschränke. Das Ziel von Art. 56 EMRK ist nach der Meinung der Europäischen Kommission für Menschenrechte nicht nur auf eine territoriale Ausdehnung der Konvention gerichtet, sondern zielt auch auf eine Anpassung an das erreichte Maß an Selbstbestimmung in autonomen Gebieten mit ihren unterschiedlichen kulturellen und sozialen Besonderheiten ab.468 Um die Position der Europäischen Kommission deutlicher zu machen, ist auf den Fall Tyrer hinzuweisen. Die Umstände dieses Falles ereigneten sich auf der Isle of Man. Die Isle of Man ist kein Teil von Großbritannien, sondern eine abhängige Insel der Britischen Krone. Sie genießt Autonomie. Sie hat ihre eigene Verwaltung, eine eigene Regierung, ein Parlament, eigene Gesetze und eine eigene Rechtsprechung. Auf der Isle of Man, für deren internationale Beziehungen Großbritannien verantwortlich ist und für die Großbritannien auch eine Erstreckungserklärung gemäß Art. 56 Abs. 1 EMRK abgegeben hat, ist die Prügelstrafe durch die lokalen Gesetze der Insel vorgesehen. Aufgrund der Beschwerde von Tyrer gegen das Urteil eines Gerichtes der Isle of Man, das Tyrer zur Prügelstrafe verurteilte, kam der EGMR zu dem Ergebnis, dass die Prügelstrafe gegen Art. 3 EMRK verstößt, der Folter und erniedrigende Strafe oder Behandlung verbietet. Somit hatte Großbritannien seine Verpflichtungen gemäß der Konvention verletzt. Die Grundlage der Verantwortung Großbritanniens bildet hier die Erstreckungserklärung, die Großbritannien für die Insel abgegeben hat, weil das handelnde Organ hier kein britisches Organ, sondern ein lokales Gericht der Isle of Man war.469 Die Verantwortlichkeit des Staates liegt vor, wenn eines seiner Organe handelt, gleichgültig, ob sich dieses Organhandeln auf die eigenen Territorien oder im Ausland ereignet. Der Vertragsstaat kann aber durch die Erstreckungserklärung weitere Verantwortung übernehmen, indem er auch für das Handeln lokaler Organe in Selbstverwaltungsgebieten, für deren internationale Beziehungen er zuständig ist, verantwortlich wird. 467

Siehe Erberich (Fn. 425), S. 26; Jankowska-Gilberg (Fn. 451), S. 51. Entscheidung der Kommission vom 26.05. 1975 über die Beschwerde Zyperns gegen die Türkei (Fn. 449), S. 118. 469 EGMR, Urteil vom 25.04. 1978 im Fall Tyrer gegen Großbritannien, Aktenzeichen Nr. 5856/72, Yearbook of the European Convention on Human Rights, Vol. 21, 1978, S. 612. 468

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Folglich kann man zu dem Ergebnis kommen, dass die EMRK auch außerhalb der Staatsgrenzen der Mitgliedstaaten Anwendung findet, soweit die Organe des Vertragsstaates dort hoheitliche Akte ausführen. Entscheidend sind die Ausübung der Jurisdiktion und das Vorliegen einer Handlung oder Unterlassung eines Staatsorgans eines Mitgliedstaats, das auf Personen oder Gegenstände einwirkt. Handelt der Staat durch seine Organe wie z. B. seine Streitkräfte im Ausland, zieht dies die Verantwortlichkeit des Staates nach sich. Ob der Staat seine Jurisdiktion mit oder ohne Zustimmung des betroffenen Staates ausübt, spielt keine große Rolle bezüglich der Bindung an die EMRK. Wichtig ist, dass das Verhalten des Staates im Rahmen einer umfassenden und effektiven Kontrolle der fremden Territorien oder im Fall der Erfüllung anderer Kriterien, die zur Juridiktionsbegründung eines Staates führen können, erfolgt. Daher stellt nicht jegliches Handeln eines Vertragsstaats im Ausland oder ein vorübergehendes Eindringen in dem Luftraum eines Staates eine tatsächliche Hoheitsgewalt dar, wie man dem Fall Bankovic´ entnimmt.470 Für Kriegskorrespondenten stellen die Fortgeltung der Menschenrechtskonventionen in Kriegszeiten und die extraterritoriale Wirkung dieser Konventionen ein zusätzliches Schutzmittel neben den Regeln des humanitären Völkerrechts dar. Die Regeln der Menschenrechte schützen Pressegebäude und Radiostationen vor Angriffen der Kriegsparteien, wenn die Voraussetzungen der Jurisdiktionsbegründung erfüllt sind, wie man dem Fall Bankovic´ entnehmen kann. Der menschenrechtliche Schutz bleibt gültig, solange er nicht durch eine humanitär völkerrechtlich gerechtfertigte Handlung verdrängt wird. Nach Ansicht des ICTY-Komitees in seinem Gutachten über den NATO-Angriff auf den Radio- und Fernsehsender RTS, war der Angriff verhältnismäßig, so dass kein Verstoß gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts vorlag.471 Personen, die während des Angriffs getötet oder verletzt wurden, werden als Kollateralschäden betrachtet. Die Entscheidung des EGMR im Fall Bankovic´ und die Ansicht des ICTY-Komitees bezüglich des NATO-Angriffs auf das Gebäude des RTS sowie die kommenden Beispiele zeigen die Reichweite des Schutzes, welche die Regeln der Menschenrechte den Kriegskorrespondenten und ihren Pressegebäuden in Konfliktgebieten gewähren können. Übertragen wir den Fall Al-Saadoon und Mufdhi gegen Vereinigtes Königreich sowie den Fall Öcalan gegen die Türkei als Beispiele auf die Kriegskorrespondenten, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass sie den Schutz der EMRK genießen, wenn sie Mitgliedern der Streitkräfte, Behörden oder Agenten einer der Vertragsparteien der EMRK gegenüberstehen. Ähnliches gilt auch für den IPBPR. Somit genießen Kriegskorrespondenten auch in Kriegsgebieten alle Rechte, die ihnen Menschenrechtskonventionen wie der IPBPR und die EMRK gewähren, solange der Vertragsstaat Herrschaftsgewalt oder effektive Kontrolle über das Konfliktgebiet oder über die Person des Kriegskorrespondenten selbst im In- oder Ausland ausübt. Das bedeutet aber nicht, 470 471

Vgl. Erberich (Fn. 425), S. 30. Siehe oben, 2. Kapitel, H. III. 3.

B. Die Ära der Vereinten Nationen

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dass Kriegskorrespondenten ihren Beruf in Konfliktgebieten ohne Schwierigkeiten ausüben können. Abgesehen von den Risiken, die sich infolge ihrer Präsenz in einem Kriegsgebiet ergeben können, ist die Ausübung der in den Menschenrechtskonventionen vorgesehenen Rechte in Konfliktgebieten häufig vielen Schranken unterworfen. Ein Kriegskorrespondent kann beispielsweise seine Rechte auf Presseund Informationsfreiheit sowie Bewegungsfreiheit ausüben, solange diese Rechte durch den betroffenen Vertragsstaat nicht derogiert worden sind und solange diese Rechte durch militärische Notwendigkeiten und im Wege der Spezialität der Regeln des humanitären Völkerrechts nicht verdrängt werden, wie oben bereits erläutert wurde.472 In Konfliktgebieten finden Regeln des humanitären Völkerrechts gegenüber Regeln der Menschenrechte vorrangig Anwendung. Beispielsweise darf eine Kriegspartei Sicherheitsmaßnahmen gegen geschützte Personen ergreifen. Ein Vertragsstaat darf geschützte Personen aus zwingenden Sicherheitsgründen internieren, wenn er eine solche Maßnahme für ihre Sicherheit als notwendig erachtet.473 Dies gilt auch für Kriegskorrespondenten. Die Internierung oder die Zuweisung eines Zwangsaufenthalts von Kriegskorrespondenten darf aber nur angeordnet werden, wenn es die Sicherheit des Staats, in dessen Machtbereich sie sich befinden, unbedingt erfordert. Besteht beispielsweise die Gefahr, dass ein Kriegskorrespondent wichtige und geheime militärische Informationen durch seine Präsenz in einem Konfliktgebiet erfahren hat, und dass er sie sehr wahrscheinlich verbreiten wird, dann darf die betroffene Kriegspartei den Kriegskorrespondent internieren, um sicherzustellen, dass der Kriegskorrespondent ihren militärischen Interessen nicht schaden wird. Eine solche Maßnahme, die die Rechte des Kriegskorrespondenten auf Presseund Informationsfreiheit sowie Bewegungsfreiheit verletzt, kann nur durch die Existenz einer konkreten militärischen Notwendigkeit oder zwingender Sicherheitsgründen gerechtfertigt werden. Ein internierter Kriegskorrespondent wird vom Gewahrsamsstaat freigelassen, sobald die Gründe, welche seine Internierung verursacht haben, nicht mehr bestehen.474 Die Internierung wird auch nach Beendigung der Feindseligkeiten so schnell wie möglich aufgehoben.475

B. Die Ära der Vereinten Nationen Bevor auf die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), den IPBPR und die von der UNESCO vorgesehenen Regeln über die Meinungsäußerungs-, Informations- und Pressefreiheit eingegangen wird, ist es sinnvoll, auch auf für die Pressefreiheit relevante UN-Resolutionen und Konferenzen hinzuweisen. Schon seit ihrer Errichtung haben die Vereinten Nationen der Frage der Men472 473 474 475

Siehe oben, 3. Kapitel, A. IV., V. und VI. Siehe Art. 42 und 78 GK IV. Siehe Art. 132 GK IV. Art. 133 GK IV.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

schenrechte einschließlich der Meinungsäußerungs-, Informations- und Pressefreiheit große Aufmerksamkeit gewidmet. Die in der Charta aufgeführten Ziele beruhen explizit auf der universellen Achtung der Menschenrechte. Angesichts der Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs und der Missachtung der Menschenrechte durch das nationalsozialistische Regime wollten die Alliierten bei der Erstellung der UN-Satzung eine neue Weltordnung, beruhend auf der Achtung von Menschenrechten und Grundfreiheiten, begründen.476 Während der Vorbereitungsphase für die UN-Satzung schlugen einige Staaten wie z. B. Panama vor, einen Menschenrechtskatalog – eine „International Bill of Rights“ – in die Satzung einzuführen, was von vielen anderen Staaten, die keine größere Beschränkung ihrer Souveränität akzeptieren wollten, abgelehnt wurde.477 Die endgültige Fassung der UN-Satzung umfasst sieben explizite Hinweise auf die Menschenrechte.478 Alle diese Bestimmungen machen die UN-Organe zu Instrumenten der Verwirklichung und Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten einschließlich der Pressefreiheit für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion.

I. Die UN-Resolution Nr. 59 von 1946 Die UN-Resolution Nr. 59, die die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 14.12. 1946 erlassen hat, kann als das erste Dokument der Vereinten Nationen im Bereich der Informationsfreiheit angesehen werden. „Freedom of information is a fundamental human right and is the touchstone of all the freedoms to which the United Nations is consecrated; freedom of information implies the right to gather, transmit and publish news anywhere and everywhere without fetters. As such it is an essential factor in any serious effort to promote the peace and progress of the world.“479

Die Resolution bestätigt die Rolle der Informationsfreiheit zur Förderung des Friedens und der Entwicklung in der Welt. In der Resolution wurde auch die Ausrichtung einer Konferenz über die Informationsfreiheit im Jahre 1947 empfohlen.480

476

Shehab, Die internationalen Organisationen, 1988, S. 183 ff. Clark, A United Nations High Commissioner for Human Rights, 1972, S. 8; Ghandhi, The Universal Declaration of Human Rights at Fifty Years, German Yearbook of International Law, Vol. 41, 1998, S. 222 ff. 478 Der erste Hinweis findet sich in der Präambel. Die weiteren Hinweise finden sich in Art. 1 (3), Art. 13 (2), Art. 55(3), Art. 62 (2), Art. 68 und schließlich in Art. 76 (3) der Satzung, siehe die Charta der Vereinten Nationen, BGBI. 1973 II, S. 432 ff. 479 UN-Generalversammlungsresolution Nr. 59, zitiert nach Yearbook of the United Nations, Vol. 1, 1946 – 1947, S. 176. 480 Ebd. 477

B. Die Ära der Vereinten Nationen

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II. Die Unterkommission über Informationsund Pressefreiheit Im Zuge der UNO-Bemühungen über die Pressefreiheit wurde eine Unterkommission über die Informations- und Pressefreiheit durch die Menschenrechtskommission im Jahre 1947 eingerichtet. Die Unterkommission hatte zwei Hauptaufgaben zu erfüllen, nämlich die Prüfung der Rechte und Pflichten, die von dem Konzept der Informationsfreiheit erfasst werden müssen, sowie die Ausarbeitung eines Entwurfes für die Konferenz über die Informationsfreiheit.481 Da die Unterkommission fortlaufend Freiheit mit Pflichten und Verantwortung verbinden wollte, waren westliche Journalisten mit ihrer Orientierung nicht zufrieden.482 Die Diskussionen und die Arbeit im Rahmen der Unterkommission reflektierten die widerstreitenden Interessen zwischen dem Grundsatz der Staatssouveränität und dem Recht auf Informationsfreiheit sowie die Meinungsverschiedenheit zwischen den westlichen und nichtwestlichen Staaten über den Umfang dieser Freiheit.483 Die Unterkommission wurde 1951 aufgelöst.

III. Die Konferenz über Informationsfreiheit von 1948 Die Konferenz wurde im Jahre 1948, statt wie geplant 1947, in Genf abgehalten. Auf der Tagesordnung standen Fragen wie die Rechte und Pflichten, die mit dem Grundsatz der Informationsfreiheit verbunden sind. Am Ende der Konferenz konnten drei Konventionsentwürfe, nämlich die „Draft Convention on the Gathering and Transmission of News“,484 die „Draft Convention concerning the Institution of an International Right of Correction“485 und die „Draft Convention on Freedom of Information“486 ausgearbeitet werden. Die Konventionsentwürfe waren in der Folgezeit Gegenstand vieler Diskussionen in der Generalversammlung und dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen. Die anwachsenden Spannungen zwischen dem Ostblock unter Führung der Sowjetunion und den westlichen Staaten verhinderten damals einen Kompromiss. Am Ende konnten sich die Staaten nur über die „Draft Convention concerning the

481

Yearbook of the United Nations, Vol. 2, 1947 – 1948, S. 586. Clark (Fn. 477), S. 12. 483 Mukherjee (Fn. 158), S. 96. 484 Siehe den Konventionsentwurf, Yearbook of the United Nations, Vol. 2, 1947 – 1948, S. 590. 485 Siehe den Konventionsentwurf, Yearbook of the United Nations, Vol. 2, 1947 – 1948, S. 592. 486 Siehe den Konventionsentwurf, Yearbook of the United Nations, Vol. 2, 1947 – 1948, S. 593. 482

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Institution of an International Right of Correction“ einigen.487 Diese Konvention ist am 24. August 1962 in Kraft getreten.488

IV. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Mit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 1948 haben die Vereinten Nationen einen historischen Erfolg auf dem Gebiet der Menschenrechte erreicht. Diese universelle Errungenschaft, die Eleanor Roosevelt489 mit der Magna Charta von 1215 in Großbritannien, der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 in Frankreich und der Erklärung der Menschenrechte von 1776 in den Vereinigten Staaten verglichen hat, stellt den allerersten internationalen Katalog von Menschenrechten auf Weltebene dar und kann somit als das bedeutendste Werk in der Geschichte der UNO angesehen werden.490 1. Die rechtliche Natur der AEMR Über die Verbindlichkeit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besteht allerdings keine Einigkeit. Die meisten Delegationen äußerten bei der Vorbereitung und Verabschiedung der Erklärung ihren Eindruck, dass die Erklärung nicht verbindlich werden wird.491 Das erklärt, warum die Vorbereitung für die Erklärung relativ kurz ausfiel. Die Ansicht, dass die Erklärung von vornherein keine Bindung hätte und nur einen moralischen Wert genösse, findet große Akzeptanz in der Lehre.492 Nicht zu leugnen ist allerdings heute die starke Wirkung der Erklärung auf viele internationale und regionale Abkommen, die nach ihrer Verabschiedung abgeschlossen wurden, insbesondere auf solche, die sich mit Fragen der Menschenrechte befassen. Unter den Konventionen, welche sich auf die Erklärung in ihren Präambeln beriefen, sind die UN-Pakte von 1966, die EMRK von 1950, die AMRK von 1969 und die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker von 1981. Außerdem konkretisieren sie in vielen ihrer Artikel die Bestimmungen der Allgemeinen Erklärung in verbindlicher Form auf internationaler und regionaler Ebene. Bis heute nahmen alle UN-Erklärungen zu Menschenrechten, die nach 1948 verabschiedet wurden, Bezug auf die Erklärung. Auf nationaler Ebene wurden die

487

Yearbook of the United Nations, Vol. 3, 1948 – 1949, S. 564. Wilke (Fn. 158), S. 54. 489 Eleanor Roosevelt war sowohl die Vertreterin der Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Chefin des Ausschusses, der den Erklärungsentwurf ausgearbeitet hatte. Siehe Lauterpacht, International Law and Human Rights, 1950, S. 394. 490 Lauterpacht (Fn. 489), S. 394. 491 Gornig (Fn. 41), S. 234. 492 Steiner/Alston, International Human Rights in Context, 1996, S. 119 ff. 488

B. Die Ära der Vereinten Nationen

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ganze Deklaration oder einige Teile von ihr in den Verfassungen vieler neuer unabhängiger Staaten oder neuer Demokratien berücksichtigt.493 Viele Autoren vertreten daher die Auffassung, dass einige Artikel der Allgemeinen Erklärung bereits Verbindlichkeit erlangt haben, weil sie ein Teil des Völkergewohnheitsrechts geworden sind.494 2. Art. 19 AEMR Unter den Bestimmungen der Erklärung ist Art. 19 zum Schutz der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit hervorzuheben. Die materielle Pressefreiheit ist genauso wie die Rundfunkfreiheit nur implizit geschützt. Das Wort Presse wird im Wortlaut des Artikels nicht ausdrücklich erwähnt. a) Schutzbereich Art. 19 schützt im ersten Halbsatz nicht nur das Haben einer Meinung, sondern auch die Äußerung einer Meinung. Offensichtlich ist hier, dass sich die deutsche Übersetzung für den ersten Halbsatz von dem tatsächlichen englischen und französischen Text unterscheidet. Der erste Halbsatz des Art. 19 lautet: „Everyone has the right to freedom of opinion and expression;“495 „Tout individu a droit à la liberté d’opinion et d’expression,“496 „Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung;“497

Im deutschen Text benutzt man nur den Ausdruck „Meinungsäußerung“ und erwähnt nicht den Ausdruck „Meinungsfreiheit“. Der Artikel gewährleistet nicht nur die Meinungsäußerungsfreiheit, sondern auch die Informationsfreiheit. „[D]ieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“498 493 Ghali, Introduction, in: United Nations (Hrsg.), The United Nations and Human Rights, 1945 – 1995, Vol. VII, 1995, S. 27 f.; Drzewicki, The United Nations Charter and the Universal Declaration of Human Rights, in: Hanski/Suksi (eds.), An Introduction to the International Protection of Human Rights, 1997, S. 74. 494 Ghali (Fn. 493), S. 7; vgl. auch Ghandi (Fn. 477), S. 248 – 251; Robertson, Human Rights in the World, 1996, S. 27. 495 Die englische Version des ersten Halbsatzes des Art. 19 AEMR wurde zitert nach Yearbook of the United Nations 1948 – 1949, S. 536. 496 Die französische Version des ersten Halbsatzes des Art. 19 AEMR wurde zitert nach der Webseite der Vereinten Nationen, abrufbar unter: http://www.un.org/fr/documents/udhr/index. shtml, abgerufen am 10.05. 2012; vgl. auch de la Chapelle, La déclaration universelle des droits de ˇl homme et le catholicisme, 1967, S. 155. 497 Die deutsche Übersetzung wurde zitiert nach Sartorius II, (Stand: Oktober 2006), Nr. 19. 498 Art. 19 AEMR, abgedruckt in Sartorius II, (Stand: Oktober 2006), Nr. 19.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Auffällig ist, dass der Artikel durch die Verwendung des Wortes „Verständigungsmittel“ so allgemein formuliert wurde, dass er sämtliche zukünftigen technischen Ressourcen bereits mitberücksichtigt. Diesem Wort kann auch entnommen werden, dass Individuen Mittelwahlfreiheit haben. Das aktive und passive Recht, Meinungen, Informationen und Ideen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten, genießt man nicht nur innerhalb der Grenzen seines Staates, sondern kann es auch über die Grenzen hinweg ausüben. Diesen Sinn haben der Wirtschafts- und Sozialrat sowie die Generalversammlung der Vereinten Nationen bestätigt, als sie erklärten, dass das von einigen Staaten ausgeübte Stören fremder Rundfunksendungen gegen den Grundsatz der Informationsfreiheit in Art. 19 AEMR verstoße.499 b) Schranken Art. 19 AEMR enthält keine speziellen Schranken. Von Seiten der Sowjetunion gab es während der Verhandlungen zur Formulierung des Artikels und auch anschließend in der Generalversammlung mehrere Versuche, den Artikel dahingehend zu beschränken, dass eine Staatskontrolle der Meinungsäußerungsfreiheit möglich sein könne. Dieses Ansinnen wurde aber durch den Westen verhindert.500 Artikel 19 ist allerdings, wie alle anderen Artikel der Erklärung, den allgemeinen Schranken von Art. 29 und 30 AEMR unterworfen. 3. Art. 29 AEMR Eine allgemeine Einschränkungsmöglichkeit für die in der Erklärung angeführten Rechte stellen die in Art. 29 Abs. 1 angesprochenen Pflichten des Menschen gegenüber seiner Gemeinschaft dar. Der Artikel zählt allerdings keine konkreten Pflichten auf. Der Absatz wurde so allgemein formuliert, dass er für viele Auslegungen offen ist. Art. 29 Abs. 2 sieht vor, dass die Ausübung der Rechte und Freiheiten einigen Beschränkungen aufgrund eines Gesetzes zu bestimmten Zwecken unterworfen werden kann. „Jeder Mensch ist in Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zwecke vorsieht, um die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten der anderen zu gewährleisten und den gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und der allgemeinen Wohlfahrt in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen.“501

Daher erfolgen staatliche Eingriffe nur aufgrund eines Gesetzes zum Schutz der erwähnten Rechtsgüter. Ein Eingriff in das Recht auf Pressefreiheit ist beispielsweise 499 500 501

Gornig (Fn. 41), S. 240. Gornig (Fn. 41), S. 239. Art. 29 Abs. 2 AEMR, abgedruckt in Sartorius II, (Stand: Oktober 2006), Nr. 19.

B. Die Ära der Vereinten Nationen

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im Falle einer Ehrverletzung oder Verleumdung anderer durch Missbrauch der journalistischen Freiheiten zulässig.502 Die Begriffe Moral, öffentliche Ordnung und allgemeine Wohlfahrt können durch die Behörden so weit ausgelegt werden, dass sie alle in der Erklärung angeführten Rechte nichtig machen können. Der Begriff „demokratische Gesellschaft“ gilt als Schranke für die Schranken. Er ist aber nicht definiert. Bezog man sich damit auf die demokratische Gesellschaft im westlichen oder kommunistischen Sinne oder die Demokratie der Dritten Welt, in welcher die Demokratie in den meisten Fällen nur als ein „Lippenbekenntnis“ erscheint? Nach Abs. 3 dürfen die in der Erklärung verankerten Rechte und Freiheiten in keinem Fall im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen ausgeübt werden. Dies ist so zu lesen, dass ein Missbrauch dieser Rechte und Freiheiten zur Provozierung von Feindschaft und Kriegshetze unter den Staaten nicht erlaubt ist. 4. Art. 30 AEMR Art. 30 AEMR enthält ein Missbrauchsverbot, demnach darf kein Staat, keine Gruppe oder Person die Bestimmungen der Erklärung in einer Weise auslegen, die ihm oder ihr das Recht gibt, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, die auf die Vernichtung der in der Erklärung angeführten Rechte abzielt. 5. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und Kriegsberichterstattung Anders als z. B. der IPBPR oder die EMRK und die AMRK enthält die AEMR keine Notstandsklausel.503 Die in der AEMR verbürgten Rechte sind deswegen auch im Krieg zu beachten. Kriegskorrespondenten dürfen somit unter Berücksichtigung der in der Erklärung vorgesehenen Einschränkungsmöglichkeiten und der militärischen Notwendigkeiten sowie der Spezialität der Regeln des humanitären Völkerrechts unter Berufung auf die Regeln der AEMR aus Konfliktgebieten Bericht erstatten. Eingriffe in ihre Berufsausübung, die nicht durch die in der AEMR vorgesehenen Schranken oder durch speziellere Regeln des humanitären Völkerrechts, die bei der Anwendung in Kriegsgebieten Vorrang haben, gerechtfertigt sind, können einen Verstoß gegen die AEMR darstellen. Somit haben Journalisten grundsätzlich einen Anspruch auf Kriegsberichterstattung gemäß den Regeln der AEMR.504 502

Gornig (Fn. 41), S. 242. Siehe Art. 4 IPBPR, BGB1. 1973 II, S. 1536; Art. 15 EMRK, BGB1. 1952 II, S. 691; Art. 27 AMRK, abgedruckt in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen, 2004, S. 509. 504 Eine ähnliche Meinung vertritt Hans-Joachim Heintze (siehe Hörl/Löbe (Hrsg.), „Medien und Krieg“, Humanitäres Völkerrecht-Informationsschriften, Heft 2, 2004, S. 119. 503

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

V. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte Wie schon oben festgestellt wurde, gilt der IPBPR nicht nur in Friedenszeiten, sondern auch in Kriegszeiten.505 Anders als regionale Menschenrechtskonventionen wie die EMRK und die AMRK, deren Mitgliedstaaten einem bestimmten geographischen Raum gehören, stammen die Mitgliedstaaten des IPBPR aus allen Regionen der Welt. Er gilt somit auf Weltebene. Die Anwendung des Paktes beschränkt sich nicht nur auf eigne Staatsgebiete, sondern er entfaltet auch extraterritoriale Wirkung, soweit der Vertragsstaat Herrschaftsgewalt oder effektive Kontrolle auf fremden Territorien ausübt.506 Das hilft zum Schutz der Berufsausübung der Kriegskorrespondenten, weil die Regeln des humanitären Völkerrechts sich nicht mit Fragen der Pressefreiheit befassen. Kriegskorrespondenten können sich auf Normen des Paktes gegenüber einer Vertragspartei des IPBPR berufen. Der Pakt gewährt ihnen viele Rechte, die für ihre Berufsausübung von großer Bedeutung sind. Der Pakt schützt z. B. ihr Recht auf Presse- und Informationsfreiheit gemäß Art. 19 IPBPR sowie ihr Recht auf Bewegungsfreiheit gemäß Art. 12 IPBPR. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, allen Personen, die sich auf ihrem Territorium befinden oder ihrer Jurisdiktion unterliegen, die in dem Pakt angeführten Rechte zu gewähren. Das gilt für Personen, auf die Streitkräfte oder Staatsagenten Hoheitsgewalt im In- oder Ausland ausüben. Unbeachtlich ist, ob diese Gewaltausübung rechtmäßig ist oder nicht.507 Somit sind z. B. US-amerikanische Truppen im Irak sowie irakische Streitkräfte und Behörden (beide Staaten sind Vertragsparteien des IPBPR) an die Bestimmungen des IPBPR gegenüber Kriegskorrespondenten, die ihrer Jurisdiktion unterstehen, gebunden, solange sie keine Derogationserklärungen bezüglich der Anwendung des IPBPR abgegeben haben. 1. Entstehungsgeschichte Wie oben erwähnt, war die unverbindliche Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ein Schritt auf dem Weg weltweiter Förderung des Schutzes der Menschenrechte. Infolgedessen wandte sich die UN-Menschenrechtskommission direkt nach der Verabschiedung der Erklärung der Ausarbeitung einer völkerrechtlich bindenden Konvention mit einem Durchführungsinstrumentarium zu. Im Jahre 1952 beschloss die UN-Generalversammlung, die in der Erklärung niedergelegten Rechte in zwei Konventionen zu formulieren. 1954 gelang es der Kommission, Entwürfe für zwei Pakte einzureichen: Den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte – den so genannten Rechten der ersten Generation –, welche wir im Rahmen des Artikels 19 IPBPR behandeln werden, und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte – den so genannten Rechten der zweiten 505

Siehe oben, 3. Kapitel, A. Siehe oben, 3. Kapitel, A. VI. 507 Vgl. Meron (Fn. 440), S. 81; Cerone, Minding the Gap: Outlining KFOR Accountability in Post-Conflict Kosovo, European Journal of International Law, Vol. 12, No. 3, 2001, S. 479. 506

B. Die Ära der Vereinten Nationen

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Generation. Nach zwölf Jahren Beratungen wurden 1966 beide Pakte verabschiedet und traten dann im Jahre 1976 in Kraft.508 Die Pakte bilden zusammen mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die so genannte „International Bill of Human Rights“.509 Augenfällig ist die lange Zeit, die man brauchte, um eine endgültige Fassung für die Pakte zu erreichen. Die Dauer spiegelt tatsächlich die tiefe Kluft zwischen den Staaten bezüglich ihres Menschenrechtsverständnisses wider. Im Völkerrecht sind beispielsweise Meinungs- und Informationsfreiheit nicht nur ein Problem zwischen dem Staat und dem Individuum, sondern auch zwischen den Staaten untereinander,510 zwischen Staaten, die über Grenzen hinweg Informationen und Meinungen vermitteln sowie Staaten, die diesen Informationsfluss über ihre Grenzen hinweg nicht gestatten wollen.511 2. Die Anwendung des Paktes Der Vollzug der im IPBPR vorgesehenen Rechte ist grundsätzlich eine innerstaatliche Sache.512 Gemäß Art. 2 Abs. 2 IPBPR verpflichtet sich jeder Vertragsstaat im Einklang mit seiner Verfassung und den Bestimmungen des Paktes, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die gesetzgeberischen oder sonstigen Vorkehrungen zu treffen, um den in diesem Pakt anerkannten Rechten Wirksamkeit zu verleihen. Art. 2. Abs. 1 verpflichtet die Vertragsstaaten, diese Rechte für alle zu gewährleisten und gebietet ein Diskriminierungsverbot. Der persönliche Geltungsbereich umfasst alle der Herrschaftsgewalt eines Vertragsstaates unterstehenden Personen, unabhängig davon, ob sie eigene Bürger, Ausländer oder Staatenlose sind. Die allgemeine Regel ist daher, dass Ausländer ebenso wie Staatsbürger ohne Unterschied die in dem Pakt vorgesehenen Rechte genießen. Die Anwendung dieser Rechte ist nicht dem Grundsatz der Gegenseitigkeit unterworfen. Ausgenommen sind nur einige Rechte, die gemäß Art. 25 IPBPR die Staatsbürger betreffen. Art. 13 IPBPR betrifft nur Ausländer.513 Für eine unmittelbare Anwendung (self executing) dieser Rechte spricht Art. 2 Abs.3 IPBPR, der dem Einzelnen das Recht zuspricht, eine Beschwerde zu erheben, falls er in einem seiner in diesem Pakt anerkannten Rechte verletzt worden ist. Dafür spricht auch ein Vergleich mit der EMRK, die nach vorherrschender Meinung eine unmittelbare Geltung genießt.514 Nach dem Fakultativprotokoll darf der Einzelne eine Individualbeschwerde einlegen. Zur Beob508

Tomuschat, Menschenrechte, 1992, S. 8. Vgl. Nowak, The International Covenant on Civil and Political Rights, in: Hanski/Suksi (eds.), An Introduction to the International Protection of Human Rights, 1997, S. 82. 510 Blumenwitz, Freedom of Expression and Information after Art. 19 CCPR, in: Nowak (Hrsg.), Fortschritt im Bewusstsein der Grund- und Menschenrechte, 1988, S. 68. 511 Robertson (Fn. 494), S. 48 ff. 512 Castan/Joseph, The International Covenant on Civil and Political Rights, 2000, Rn. 1.18, S. 9. 513 Yearbook of the Human Rights Committee 1985/1986, S. 437. 514 Gornig (Fn. 41), S. 246. 509

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

achtung der Einhaltung des IPBPR durch die Vertragsstaaten wurde ein Ausschuss für Menschenrechte errichtet. 3. Der Ausschuss für Menschenrechte Der Ausschuss für Menschenrechte wurde als Organ zur Beobachtung der Durchführung der in diesem Pakt anerkannten Rechte in den Mitgliedstaaten errichtet. Der Ausschuss besteht aus achtzehn Mitgliedern von hohem sittlichen Ansehen und anerkannter Sachkenntnis auf dem Gebiet der Menschenrechte. Die Mitglieder werden aus unterschiedlichen geographischen Regionen der Welt gewählt.515 Der Ausschuss nimmt die folgenden Aufgaben wahr: Prüfung der Staatenberichte, Staatenbeschwerde und Individualbeschwerde. a) Prüfung der Staatenberichte Gemäß Art. 40 IPBPR verpflichten sich die Vertragsstaaten, über die Maßnahmen, die sie zur Verwirklichung der in dem Pakt anerkannten Rechte getroffen haben, Berichte vorzulegen. Als System ist dies nicht effektiv genug, um den Status der Menschenrechte und die Verpflichtungen der Mitglieder hinreichend zu kontrollieren. Nach der Ausschusspraxis werden diese Berichte alle fünf Jahre übermittelt.516 b) Staatenbeschwerde Ein Vertragsstaat kann jederzeit erklären, dass er die Zuständigkeit des Ausschusses zur Entgegennahme und Prüfung von Mitteilungen anderer Staaten akzeptiert.517 Es genügt dabei aber nicht nur, dass der beklagte Staat die Zuständigkeit des Ausschusses akzeptiert hat, sondern der klagende Staat muss auch diese Zuständigkeit akzeptiert haben. c) Individualbeschwerde Auch Einzelpersonen dürfen mit der Behauptung, dass sie in einem ihrer in diesem Pakt anerkannten Rechte verletzt wurden, vor dem Ausschuss vorsprechen, vorausgesetzt, dass sie der Herrschaftsgewalt eines Vertragsstaates, welcher das erste Fakultativprotokoll des Paktes schon ratifiziert hat, unterstehen.518 Der Beschwerdeführer muss auch alle zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe bereits ausgeschöpft haben.519 Eine Mitteilung, die anonym oder missbräuchlich ist

515 516 517 518 519

Art. 28 IPBPR, BGB1. 1973 II, S. 1545. Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights, 2005, S. 715. Art. 41 Abs. 1 IPBPR. Art. 1 des ersten Fakultativprotokolls zum IPBPR, BGB1. 1992 II, S. 1247. Art. 2 und 5 Abs. 2 (b) des ersten Fakultativprotokolls.

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oder für unvereinbar mit dem Pakt gehalten wird, ist unzulässig.520 Unzulässig ist auch eine Beschwerde, die schon in einem anderen internationalen Untersuchungsoder Streitbeilegungsverfahren geprüft wird.521 Der Ausschuss als Überwachungsorgan gilt nicht als Gericht, wie es beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Fall ist. Während der Ausarbeitung des Paktes schlug Australien vor, einen internationalen Gerichtshof für Menschenrechte zu errichten. Dieser Vorschlag hatte aus Gründen der Souveränität aber keinen Erfolg.522 Dem Ausschuss mangelt es an einem Sanktionssystem. Seine Entscheidungen oder Ansichten im Fall der Verletzung eines der im Pakt niedergelegten Rechte sind nicht bindend. Der Ausschuss kann die Vertragsstaaten nicht zur Kooperation mit ihm oder zur Befolgung ihrer Verpflichtungen zwingen. Der Ausschuss kann in solchen Fällen nur den betroffenen Staat dazu auffordern, eine Maßnahme zu ergreifen oder dem Opfer eine angemessene Entschädigung zu leisten. Um ein „followup“ für den Vollzug seiner Entscheidungen und Ansichten vorzunehmen, hat der Ausschuss 1990 zu diesem Zweck einen Berichterstatter eingesetzt.523 Außerdem registriert der Ausschuss im Allgemeinen die Fälle von Verletzungen sowie seine Aktivitäten in einem Jahresbericht. Die Entscheidungen und Ansichten des Ausschusses genießen in jedem Fall einen großen moralischen Wert und haben einige Vertragsstaaten dazu veranlasst, einige Reformen durchzuführen, um einer internationalen Verurteilung zu entgehen.524 4. Art. 19 IPBPR Im Folgenden wird dargestellt, wie Art. 19 IPBPR die Arbeit der Journalisten einschließlich der Kriegskorrespondenten schützt. Die Darstellung zeigt die Rechte, welche der Artikel garantiert, und die Schranken, denen diese Rechte unterworfen sind. „(1) Jedermann hat das Recht auf unbehinderte Meinungsfreiheit. (2) Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäusserung; dieses Recht schliesst die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben. (3) Die Ausübung der in Abs. 2 vorgesehenen Rechte ist mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Sie kann daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die erforderlich sind a) für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer; 520 521 522 523 524

Siehe Art. 3 des ersten Fakultativprotokolls. Art. 5 Abs. 2 (a) des ersten Fakultativprotokolls. Robertson (Fn.494), S. 28. Nowak (Fn. 509), S. 95. Castan/Joseph (Fn. 512), S. 14; vgl. auch Robertson (Fn. 494), S. 68 ff.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

b) für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (Ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit.“525

a) Schutzbereich Art. 19 Abs. 1 und 2 IPBPR erfasst in seinem Schutzbereich mehrere Rechte, die nicht nur für Journalisten, sondern allgemein für die Entfaltung und Entwicklung des Individuums und der Gesellschaft in einem demokratischen Staatssystem von großer Bedeutung sind. aa) Schutz der Meinungsfreiheit Art. 19 Abs. 1 IPBPR schützt das Recht, eine eigene Meinung zu haben. Die Meinungsfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit sind zwei unterschiedliche Rechte. „Die Meinungsfreiheit sei eine rein private Angelegenheit im Bereich der geistigen Existenz, während die Äußerung einer Meinung eine Angelegenheit des zwischenmenschlichen und/oder öffentlichen Bereiches darstelle.“526

Der UN-Menschenrechtsauschuss betonte 1983 /1984 in seinem Kommentar über Art. 19 IPBPR den Unterschied zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit in Abs. 1 und dem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit in Abs. 2. Das Recht auf Meinungsfreiheit ist absolut und nicht beschränkbar. Die in Abs. 3 vorgesehenen Schranken betreffen nur die in Abs. 2 erwähnten Rechte.527 Erfasst ist hier nicht nur der Schutz gegen Eingriffe staatlicher Behörden, sondern auch gegen die von Seiten Dritter. Dieser absolute Schutz endet jedoch, wenn eine Meinung geäußert wird. Erst wenn dies geschieht, dürfen Eingriffe erfolgen.528 bb) Schutz der Meinungsäußerung Der UN-Menschenrechtsausschuss betonte die Bedeutung des Schutzes des Rechtes auf Meinungsäußerungsfreiheit als fundamentales Recht zum Schutz anderer Rechte im Pakt.529 Art. 19 Abs. 2 IPBPR schützt nicht nur Meinungen, sondern im Prinzip Äußerungen aller Art. Der Schutz bezieht sich auch nicht nur auf bestimmte Informationsformate wie Berichte oder Kommentare, sondern auf alle Formen, in denen Informationen dargestellt sind. Diese Bedeutung entnimmt man dem Wortlaut im 2. Halbsatz „Informationen und Gedankengut jeder Art“. Geschützt 525

Art. 19 IPBPR, englischer, französischer und deutscher Text in BGB1. 1973 II, S. 1542. Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, 1989, S. 359. 527 Yearbook of the Human Rights Committee, 1983/1984, Vol. 1, S. 260. 528 Yearbook of the Human Rights Committee, 1983/1984, Vol. 1, S. 238. 529 Yearbook of the Human Rights Committee, 1983/1984, Vol. 1, S. 238. 526

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sind somit Tatsachen, Unterhaltungen, Werbungen und eben auch unerwünschte Inhalte, wie z. B. Pornographie und Blasphemie, vorbehaltlich der in Abs. 3 zulässigen Schranken.530 Somit ergibt sich, dass vorbehaltlich der in Abs. 3 IPBPR zulässigen Schranken Kriegsberichterstattung, auch wenn sie sehr kritische oder unerwünschte Inhalte umfasst, vom Schutzbereich des Artikels erfasst ist. Kriegskorrespondenten dürfen z. B. über Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen berichten. Ihre Berichterstattung ist nicht nur vom Schutzbereich des Art. 19 IPBPR erfasst, sondern fördert auch die Anwendung des Paktes, der den Schutz der Menschenrechte bezweckt. Der Schutz der Meinungsäußerung hat, genauso wie der der privaten Meinungsfreiheit, eine Horizontalwirkung. Das bedeutet, dass er nicht nur gegen Eingriffe öffentlicher Behörden, sondern auch gegen Eingriffe Dritter gerichtet ist. Der Staat ist verpflichtet, Pluralismus zu gewährleisten. Denn ein Medienmonopol könnte ebenso gefährlich für die Meinungsäußerungs-, Presse- und Informationsfreiheit sein wie eine Staatszensur.531 cc) Informationsfreiheit Die Informationsfreiheit ist ohne Zweifel ein wesentlicher Teil des Rechtes auf Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit. Ohne Informationsfreiheit fällt es beispielsweise den Kriegskorrespondenten schwer, Informationen für ihre Berichte aus den Konfliktgebieten zu suchen und weiterzugeben. Geschützt ist gemäß Art. 19 Abs. 2 Hs. 2 IPBPR nicht nur das passive Recht, Informationen aller Art zu empfangen, sondern auch das aktive Recht, genauso wie nach Art. 19 AEMR und Art. 13 AMRK, sie sich zu beschaffen und weiterzugeben. Geschützt ist somit jedes legitimes Bemühen, Informationen zu suchen und zu erlangen oder Meinungen zu erkunden und sie weiterzugeben, unabhängig davon, ob dieses Bemühen durch Kontaktaufnahme mit privaten Personen, öffentlichen Behörden oder durch andere geeignete Mittel erfolgt.532 Journalistische Tätigkeiten wie z. B. Durchführung von Interviews oder Notierung von Informationen oder Filmaufnahmen sind somit vom Schutzbereich erfasst. Art. 19 Abs. 2 IPBPR kann entnommen werden, dass dem Informationssuchenden überlassen ist, das Mittel oder die Form, in der er seine Informationen aufnimmt (z. B. schriftliche Aufzeichnungen oder Filmaufnahmen), zu wählen.533 Für Kriegskorrespondenten ergibt sich somit aus Art. 19 (2) IPBPR ein Anspruch auf Mitnahme der journalistischen Ausrüstungen wie Kameras und Kassetten zum Zweck der Durchführung von journalistischen Aufträgen in Konfliktgebieten. Ob das Recht auf Informationsfreiheit die Staatsbehörden auch ver530

Siehe Nowak (Fn. 526), S. 362; Castan/Joseph (Fn. 512), Rn. 18.05, S. 387. Nowak (Fn. 526), S. 365. 532 Vgl. Wilke (Fn. 158), S. 179. 533 Vgl. EGMR, Urteil vom 22. Mai 1990 im Fall Autronic AG gegen Schweiz, Aktenzeichen Nr. 12726/87, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 17. Jahrgang, 1990, S. 262; Wilke (Fn. 158), S. 181. 531

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

pflichtet, in bestimmten Fällen den Zugang zu staatlichen oder privaten Informationen zu gewährleisten oder die Informationen selbst bereitzustellen, ist nicht klar. Die Entwicklung in den Staaten tendiert aber heutzutage in diese Richtung. Informations- und Auskunftspflichten wurden in vielen Staaten bereits verankert.534 dd) Schutz der Presse gemäß Art. 19 Abs. 2 Art. 19 Abs. 2 IPBPR schützt nach seinem Wortlaut nur die materielle Pressefreiheit. Der Schutz der formellen Presse, also die Presse als Beruf, fehlt hier. In seinem Kommentar über Lesotho erklärte der Ausschuss für Menschenrechte, dass unzulässige Eingriffe nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare Maßnahmen sein können, die diskriminierende Akte oder Schikanen gegen unbeliebte Journalisten oder Presseunternehmen enthalten.535 Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 19 IPBPR ergibt sich, dass er auch ein Recht auf Entgegnung im Falle der Veröffentlichung von falschen Informationen enthält. Eine ausdrückliche Erwähnung dieses Rechtes wurde allerdings als zu spezifisch abgelehnt.536 Geschützt ist gemäß Abs. 2 auch implizit die Rundfunkfreiheit. b) Eingriffe Beispiele für typische Eingriffe gegen Kriegskorrespondenten sind Zensur,537 Berufsausübungsverbote, Verbreitungsverbote, Nichtzulassung des Einführens von Ausrüstungen wie Kameras und Kassetten, Beschlagnahme von Zeitungen und Verurteilung wegen Spionage (in vielen Fällen stimmt der Vorwurf nicht) oder wegen Beleidigung der Regierung, der Rechtsprechung oder eines der Staatsorgane (z. B. Armee oder Polizei). Ferner stellt die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung für ausländische Kriegskorrespondenten oder die Ausweisung infolge unerwünschter Berichte oder Kommentare einen Eingriff dar. Die auf diese Weise agierenden staatlichen Behörden beabsichtigen damit in der Regel eine Veröffentlichung unerwünschter Meinungen oder Nachrichten zu behindern. Strafen oder Strafandrohungen führen darüber hinaus nicht nur unmittelbar zur Verhinderung der Veröffentlichung vermeintlich unerwünschter Meinungen, sondern bei anderen Betroffenen in ihrer mittelbaren Auswirkung auch zur Selbstzensur. Einige Eingriffe stellen nicht nur einen Verstoß gegen Art. 19 IPBPR dar, sondern auch gegen andere einschlägige Artikel wie Art. 6, 7, 9 und 12 des Paktes, die das Recht auf Leben, das Folterverbot sowie die persönliche Freiheit und Freizügigkeit gewährleisten. Ob ein Eingriff im Rahmen der in Art. 19 Abs. 3 vorgesehenen Schranken gerechtfertigt ist, 534

Nowak (Fn. 526), S. 364; vgl. auch Blumenwitz (Fn. 510), S. 71. Castan/Joseph (Fn. 512), Rn. 18.13, S. 390. 536 Seidel, Handbuch der Grund- und Menschenrechte auf staatlicher, europäischer und universeller Ebene, 1996, S. 109. 537 Fröhder (Fn. 99), S. 192. 535

B. Die Ära der Vereinten Nationen

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ist zu prüfen.538 Kriegsberichterstattung ist wie alle anderen Formen der Meinungsäußerung bestimmten Einschränkungsmöglichkeiten unterworfen, wie im Folgenden dargestellt wird. c) Schranken Die Ausübung der in Art. 19 (2) IPBPR garantierten Rechte ist mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Die Ausübung dieser Rechte kann daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden. Einschränkungsmöglichkeiten können nur durch ein Gesetz erfolgen, das allein dem Schutz der in Art. 19 Abs. 3 IPBPR vorgesehenen Rechtsgüter dient. Aufgrund der vorgeschriebenen Einschränkungsgründe können Staatseingriffe gerechtfertigt werden. Anzumerken ist, dass die in Art. 19 Abs. 3 vorgesehenen Einschränkungsgründe im Vergleich mit den in Art. 10 (2) EMRK vorgeschriebenen Schranken weniger umfangreich sind. Gefährlich ist für die Presse- und Informationsfreiheit, insbesondere für Kriegsberichterstattung, eine weite Auslegung von Begriffen wie „öffentliche Ordnung“ (Ordre public), unter die man allerlei subsumieren kann. Auslegungsunterschiede ergeben sich auch aus der Verschiedenheit der Kulturen der Mitgliedstaaten. Eine zu weite Auslegung und die Nichteinhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit können im Ergebnis zu einer Aushöhlung des ganzen Rechts führen. Die Eingriffszwecke sind aber als Ausnahmen für die Regel, welche das Recht garantiert, anzusehen. Die in Art. 19 (3) vorgesehenen Eingriffszwecke sind deswegen eng auszulegen und dürfen nicht zur Aushöhlung des ganzen Rechts führen.539 Da diese Rechte eine Horizontalwirkung haben, ist der Staat verpflichtet einzuschreiten, wenn die Ausübung dieser Rechte die Rechte anderer beeinträchtigen kann.540 Die Schranken des Abs. 3 rechtfertigen grundsätzlich keine Vorzensur. Viele Mitglieder des Menschenrechtsausschusses waren der Ansicht, dass Art. 19 Abs. 2 die Zensur verbietet.541 Somit ergibt sich, dass Zensurmaßnahmen, die fast alle Staaten in Kriegszeiten ergreifen, gegen Art. 19 IPBPR verstoßen. Aus der Sicht des humanitären Völkerrechts können Zensurmaßnahmen nur gerechtfertigt werden, wenn sie militärisch notwendig sind, um beispielsweise Kriegskorrespondenten an der Veröffentlichung von militärischen Geheimnissen zu hindern. Zensurmaßnahmen gegen Kriegskorrespondenten die nur dem Ziel dienen, Kriegsverbrechen oder schwere Menschenrechtsverletzungen zu verdecken, können nicht durch Regeln des humanitären Völkerrechts gerechtfertigt werden. Zu den Pflichten und der Verantwortung der Journalisten gehört gemäß Art. 19 (3) IPBPR u. a. die ehrliche, präzise und neutrale Darstellung von Fakten und Nach538

Siehe Nowak (Fn. 526), S. 366. Vgl. EGMR, Urteil vom 16. März 2000 im Fall Özgür Gündem gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 23144/93, Paragraph 57, abrufbar über: http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/se arch.asp?sessionid=30479342&skin=hudoc-en, abgerufen am 13.05. 2012. 540 Siehe Yearbook of the Human Rights Committee, 1983/1984, Vol. 1, S. 260. 541 Blumenwitz (Fn. 510), S. 73. 539

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

richten.542 Somit ergeben sich aus Art. 19 (3) IPBPR Sorgfaltspflichten für Kriegskorrespondenten. Sie sind grundsätzlich verpflichtet, den Inhalt ihrer Informationen zu überprüfen, bevor sie sie veröffentlichen oder senden, es sei denn, dies ist unter Berücksichtigung der Umstände im konkreten Fall entweder unmöglich oder unverhältnismäßig.543 Als weitere Schranken gegen die in Art. 19 vorgesehenen Rechte gelten die Bestimmungen des Art. 20 IPBPR über das Verbot der Kriegspropaganda und Aufstachelung zu Hass, die unten ausführlich behandelt werden.544 d) Schranken-Schranken Auf alle Fälle dürfen die in Art. 19 Abs. 3 IPBPR vorgesehenen Einschränkungsmöglichkeiten im Prinzip nicht so weit ausgelegt oder benutzt werden, dass sie zur Demontage der in Art. 19 Abs. 2 angeführten Rechte führen würden.545 Die Schranken-Schranken gewähren den in Art. 19 (2) IPBPR garantierten Rechten einen gewissen Schutz vor übermäßigen Beschränkungen. Die Existenz eines Gesetzes genügt nicht, um ein bestimmtes Recht zu beschränken, sondern die Maßnahme muss auch erforderlich sein. Im Unterschied zu anderen Bestimmungen des Paktes wie Art. 14 Abs. 1, Art. 21 und Art. 22 Abs. 2 oder Art. 10 Abs. 2 der EMRK wurde das Demokratieprinzip als Maßstab für die Notwendigkeit der Maßnahme nicht vorgesehen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Art. 19 (3) IPBPR von Art. 10 (2) EMRK, welcher vorsieht, dass Eingriffe am Maßstab ihrer Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft einer Erforderlichkeitsprüfung zu unterziehen sind. Aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist heranzuziehen, um die Notwendigkeit der Maßnahme gegen das Recht auf Äußerungsfreiheit zu messen. Der Ausschuss für Menschenrechte hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seinen Kommentaren immer betont. Der Ausschuss hat in seinem Kommentar über den Fall Gauthier (Kanada) ausgeführt, dass das Recht des Beschwerdeführers (Journalist) auf den Zugang zu Informationen (in diesem Fall Gebäude des Parlaments) verletzt wurde, weil die ergriffene Maßnahme zum Schutz der Parlamentarier und der Ge-

542 Partsch, Freedom of Conscience and Expression, and Political Freedoms, in: Henkin (ed.), The International Bill of Rights, 1981, S. 219. 543 Vgl. EGMR, Urteil vom 25.06. 1992 im Fall Thorgeirson gegen Island, Aktenzeichen Nr. 13778/88, Paragraph 65, abrufbar unter: http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/search.asp?sessio nid=30479342&skin=hudoc-en, abgerufen am 13.05. 2012; siehe dieses Urteil auch in der Österreichischen Juristen-Zeitung, 47. Jahrgang, 1992, S. 810 ff.; EGMR, Urteil vom 21. Januar 1999 im Fall Fressoz und Mr Roire gegen Frankreich, Aktenzeichen Nr. 29183/95, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 26. Jahrgang, 1999, Paragraph 55, S. 7; EGMR, Urteil vom 20.05. 1999 im Fall Bladet Tromsø, Aktenzeichen Nr. 21980/93, Europäische GrundrechteZeitschrift, 26. Jahrgang, 1999, Paragraph 51, S. 461. 544 [Siehe unten, 4. Kapitel, C. V. 2. b)]. 545 Yearbook of the Human Rights Kommittee, 1983/1984, Vol. 1, S. 260.

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währleistung der parlamentarischen Arbeit nicht erforderlich und angemessen war. Der Vollzug müsse auch frei von Willkür, fair und transparent sein.546 Wenden wir das alles auf die Arbeit der Kriegskorrespondenten an, dann kann man zu der Schlussfolgerung kommen, dass sich grundsätzlich ein Anspruch auf Kriegsberichterstattung auf universeller Ebene unter Berücksichtigung der Regeln des humanitären Völkerrechts aus dem IPBPR herleiten lässt, und dass die in Art. 19 Abs. 3 vorgesehenen Einschränkungsmöglichkeiten nicht zur Unterminierung dieses Anspruchs führen dürfen.547

VI. Die UNESCO Im Lichte ihrer Satzung ist es nicht verwunderlich, dass die UNESCO als die Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur im Mittelpunkt der internationalen Bemühungen steht, die sich sowohl auf die Erleichterung des internationalen Informationsflusses, als auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Journalisten richten.548 Das Konzept und die Strategie der UNESCO waren von Anfang an die Festigung der Kultur des Friedens in einer an der Geißel des Krieges leidenden Welt. Auf die Wichtigkeit der Verbreitung und Festigung der Kultur des Friedens wiesen die Vertragsstaaten hin. Sie erklärten in der UNESCO-Präambel „dass, da Kriege im Geiste der Menschen entstehen, auch die Bollwerke des Friedens im Geiste der Menschen errichtet werden müssen.“549

Das Ziel der UNESCO ist nach Art.1 Abs.1 der Satzung, einen Beitrag zum Frieden und zur Sicherheit in der Welt zu leisten.

546

Castan/Joseph (Fn. 512), S. 396 – 399. Vgl. die diesbezügliche Meinung von Hans-Joachim Heintze, in: Hörl/Löbe (Fn. 504), S. 119. 548 Die UNESCO als eine der Sonderorganisationen der Vereinten Staaten wurde auf der Konferenz von London am 16. November 1945 gegründet und am 4. November 1946 trat ihre Satzung in Kraft. Einige Wochen darauf wurde der Kooperationsvertrag mit der UN unterzeichnet. Die Mitgliedschaft der Staaten in der UNESCO kann jedoch unabhängig von der Mitgliedschaft in der UN erfolgen. Die UNESCO besteht heutzutage aus 195 Mitgliedern und 8 assoziierten Mitgliedern. Als Sitz für die Organisation wurde Paris gewählt. Siehe dazu Kipp, UNESCO, 1957, S. 30 – 34; Höhns, Die „Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung“, 1993, S. 60 – 61; sowie die Webseite des UNESCO unter: http://portal.unesco.org/en/ev. php-URL_ID=11170&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html, abgerufen am 13.05. 2012. 549 UNESCO-Präambel, zitiert nach Hüfner/Reuther (Hrsg.), UNESCO-Handbuch, 1996, S. 11 ff. 547

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

„The Purpose of the organisation is to contribute to peace and security by promoting collaboration among the nations through education, science and culture.“550

Um dieses Ziel zu erreichen, will sie nach Art. 1 Abs. 2. (a) der Satzung unter anderem an der Förderung der gegenseitigen Kenntnis und des gegenseitigen Verständnisses der Völker durch Nutzung der Massenkommunikationsmittel mitarbeiten und zur Erleichterung des freien Austauschs von Ideen notwendige internationale Abkommen vorschlagen. Die Dokumente der Organisation und ihre Resolutionen beinhalten schon seit ihrer Gründung im November 1945 Begriffe wie „free flow of mass communication“ und „free flow of information“. Die Formulierung „free flow of information“ erschien in den Resolutionen der Generalkonferenz im Jahre 1947. Im Rahmen der Bemühungen zur Bildung einer neuen Weltordnung nach dem Ende des Krieges erstrebten die meisten Staaten auch eine Neuordnung des internationalen Informationssystems. Die erste internationale Anerkennung gewann die Doktrin des freien Informationsflusses im Februar 1945 durch die „Inter-American Conference on Problems of War and Peace“ in Mexiko.551 Das Prinzip selbst war schon bekannt und in Verfassungen des Westens niedergeschrieben, bevor es durch UNO und UNESCO aufgenommen wurde. Nach dieser Doktrin im westlichen Sinne sollte jede Behinderung eines freien Informationsflusses unterbunden werden. Da die Doktrin des freien Informationsflusses der uneingeschränkten Staatssouveränität gegenübergestellt wurde, ergaben sich Probleme: Die Sowjetunion552 und ihre Verbündeten versuchten damals, eine völkerrechtlich geregelte Staatskontrolle über die Medien über die UNESCO zu legitimieren. Nach ihrer Auffassung wurde auch eine kritische Berichterstattung aus dem Ausland als eine Intervention in die inneren Angelegenheiten betrachtet.553 Diese Kluft hat sich, nach dem Beitritt vieler Entwicklungsländer zur UNO und UNESCO in den sechziger und siebziger Jahren, immer mehr vergrößert. Das hatte zur Folge, dass die westlichen Staaten als weltweite Befürworter der freiheitlichen Demokratie und der Presse- und Informationsfreiheit in der UNESCO seit dieser Zeit nicht mehr den maßgeblichen Einfluss ausüben konnten und wollten. Anfänglich traten diese Differenzen nicht so intensiv auf, weil die UNESCO sich bis Ende der sechziger Jahre hauptsächlich mit der Verbesserung und Modernisierung der Kommunikationssysteme der Mitgliedstaaten im Rahmen technischer Infrastrukturprogramme befasste. Aber mit Anfang der siebziger Jahre begann die Organisation auf Drängen der Entwicklungsländer auch dem Informationsinhalt eine größere Aufmerksamkeit beizumessen.554 Dies stellte den Beginn der Probleme dar, 550

Art. 1 der UNESCO-Verfassung, abrufbar unter: http://portal.unesco.org/en/ev.php-UR L_ID=15244&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html, abgerufen am 13.05. 2012. 551 Breunig, Kommunikationspolitik der UNESCO, 1987, S. 58 ff. 552 Der Beitritt der UdSSR zur UNESCO war im Jahre 1954, Höhns (Fn. 548), S. 65. 553 Breunig (Fn. 551), S. 62. 554 Young (Fn. 159), S. 152 ff.

B. Die Ära der Vereinten Nationen

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die die UNESCO stark erschütterten und zum vorläufigen Austritt der Vereinigten Staaten und Großbritanniens führten.555 1. Die UNESCO und die neue Informationsordnung Seit dem Ende der sechziger Jahre begannen die Staaten der Dritten Welt ihre Unzufriedenheit mit dem bestehenden alten Informationssystem zu äußern. Das alte Informationssystem konkretisiert das Ungleichgewicht, besser ausgedrückt die Einbahnstraße der Kommunikation auf dem Weltnachrichtenmarkt zugunsten westlicher Nachrichtenagenturen wie Associated Press, Reuters, Agence France Press und United Press International.556 Die Ursache der Empörung der Entwicklungsländer besteht darin, dass die entwickelten Staaten „ihre logistischen Vorteile nutzen und eine Form von kultureller und ideologischer Hegemonie ausüben, die die nationale Identität anderer Länder gefährdet“.557 Zudem konzentrierten westliche Medien ihre Berichterstattung über die Entwicklungsländer auf negative Nachrichten. Infolgedessen würde meist ein falsches und verzerrtes Bild über diese Staaten vermittelt.558 Neben den Konferenzen der Blockfreien Staaten, 559 waren die Konferenzen der UNESCO ein Forum für die Staaten der Dritten Welt, sich bei ihren Forderungen nach einer gerechten Weltinformationsordnung, die auch im Zusammenhang mit einer neuen Weltwirtschaftsordnung stand, Gehör zu verschaffen.560 Angesichts des Wunsches der Entwicklungsländer, ihre eigene Identität zu wahren und eine größere Rolle im internationalen Nachrichtenaustausch zu spielen, wurde 555 Die Vereinigten Staaten von Amerika traten 1984, Großbritannien 1985 aufgrund der Politik und Orientierung der UNESCO, insbesondere in Bezug auf die Presse- und Informationsfreiheit, aus. Beide Staaten sind aber später zur UNESCO zurückgekehrt (Großbritannien 1997, die Vereinigten Staaten von Amerika im Oktober 2003). Siehe hierzu die Webseite der UNESCO, abrufbar unter: http://erc.unesco.org/portal/UNESCOMemberStates.asp?langu age=en, abgerufen am 13.05. 2012. 556 Righter, Noch eine „neue Weltordnung“? Zur Mediendeklaration der UNESCO und den Forderungen nach Kontrolle der Presse, Europa Archiv, Vol. 34/1, 1979, S. 212. 557 Bericht der Internationalen Kommission zum Studium der Kommunikationsprobleme unter dem Vorsitz von Sean MacBride an die UNESCO, hrsg. von den UNESCO-Kommissionen der Bundesrepublik Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, Viele Stimmen – eine Welt. Kommunikation und Gesellschaft – heute und morgen, 1981, S. 64 – im Folgenden: Viele Stimmen – eine Welt. 558 Breunig (Fn. 551), S. 81. 559 Die Bewegung der Blockfreien wurde 1961 in Belgrad gegründet. Sie entstand während des Kalten Krieges als Ausdruck des anti-kolonialen Nationalismus besonders in Afrika und Asien und auch als Ausdruck der Weigerung, sich in den Ost-West-Konflikt einbeziehen zu lassen. Die Gründungsväter der Bewegung sind Gamal Abdel Nasser (Ägypten), Nehru (Indien) und Tito (Jugoslawien), Höhns (Fn. 548), S. 71 ff. 560 Die IV. Konferenz der Staats- und Regierungschefs der blockfreien Länder in Algier 1973 war das erste Treffen, bei dem die Entwicklungsländer ihre Forderung nach einer neuen Ordnung zum Ausdruck brachten, siehe Viele Stimmen – eine Welt (Fn. 557), S. 71; Wilke (Fn. 158), S. 70; Höhns (Fn. 548), S. 81 – 85.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

der Generaldirektor der UNESCO durch die Generalkonferenz von 1970 beauftragt „die Mitgliedstaaten bei der Formulierung ihrer Massenmedienpolitik zu unterstützen“.561 In der Enddeklaration 1972 wurde vorgesehen, dass der sendende Staat die Zustimmung des Empfängerstaates im Voraus einholt.562 Auf der 18. Generalkonferenz der UNESCO 1974 in Paris wurde der Senegalese Amadou Mahtar M‘Bow als Nachfolger für den Franzosen René Maheu zum Generaldirektor gewählt.563 Während dieser Konferenz wurde der Begriff des „freien und ausgewogenen Informationsflusses“ – „free and balanced flow of information“ – formuliert.564 Solche Formulierungen waren beunruhigend für die westlichen Staaten, die die Nutzung der Konzeption der neuen Weltinformationsordnung als Vorwand ansahen, um die Staatskontrolle im Medienbereich zu legitimieren und somit die Ansicht der Sowjetunion und ihrer Verbündeten im ehemaligen Ostblock über die Medien durch die UNESCO umzusetzen.565 Die Kontroverse über die neue Informationsordnung wurde in den siebziger und achtziger Jahren bis zur 25. UNESCOGeneralkonferenz 1989 fortgeführt. Auf ihr schlug die Organisation eine neue Strategie ein. 2. Die UNESCO-Mediendeklaration von 1978 Die Ursprünge der „Deklaration über die Grundprinzipien für den Beitrag der Massenmedien zur Stärkung des Friedens und der Internationalen Verständigung, zur Förderung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Rassismus, Apartheid und Kriegshetze“ können auf die Konferenz von Montevideo von 1954 zurückgeführt werden, auf der in einer Resolution gefordert wurde, den Gebrauch der Massenmedien zur Stärkung des Weltfriedens zu fördern.566 Ab 1972 spitzte sich die Debatte über die Deklaration zu. Die sozialistischen Staaten wollten, dass Begriffe wie Staatenverantwortlichkeit, Staatskontrollpflicht und nationale Souveränität gleichberechtigt zur Verbreitung der Informationen in der Deklaration verankert werden, was westliche Staaten immer ablehnten.567 Auf den Generalkonferenzen von 1974 und 1976 konnte man sich wegen der großen Meinungsverschiedenheit auf keinen Entwurf einigen. Auf der 20. Generalkonferenz von 1978 wurde die Deklaration nach zähen Verhandlungen, nachdem Ausdrücke wie Staatenverantwortung gestrichen wurden, verabschiedet. Die westlichen Staaten konnten die Entwicklungsländer auf ihre Seite ziehen, nachdem die Industriestaaten den Entwicklungsstaaten versprachen, ihnen beim Auf- und Ausbau ihrer Informationssysteme zu helfen, um die 561

Breunig (Fn. 551), S. 83. Breunig, Kommunikationspolitik als Beitrag zur internationalen Verständigung, UNESCO heute, Nr. 1, 1998, S. 71. 563 Maheu: 1961 – 1974; M’Bow: 1974 – 1987. 564 Resolution 4.121 der UNESCO, zitiert nach: Breunig (Fn. 551), S. 84. 565 Young (Fn. 159), S. 154; Viele Stimmen – eine Welt (Fn. 557), S. 68 ff. 566 Breunig (Fn. 562), S. 86. 567 Gornig (Fn. 41), S. 357 ff. 562

B. Die Ära der Vereinten Nationen

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Disparitäten im Medienbereich zu beseitigen.568 Obwohl die Änderung der Formulierung in der Deklaration als ein Sieg für die westliche Sichtweise betrachtet werden kann, ist der Westen der Deklaration, möglicherweise aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte oder der vagen Formulierung, mit Skepsis begegnet, da sie als Vorwand für Einschränkungen der Pressefreiheit missbraucht werden könnte.569 Die letzte Fassung der Mediendeklaration ist in Wirklichkeit ein Kompromiss zwischen strittigen ideologischen Zielsetzungen und einem divergierenden Verständnis über die Funktion von Medien. In Übereinstimmung mit den westlichen demokratischen Werten bestätigt die Deklaration in ihrer Präambel, besonders in den Abschnitten 1, 2, 4 und 9 und in Artikel II und X, die Anerkennung der Meinungs- und Meinungsäußerungsfreiheit und des freien Informationsflusses über Grenzen hinweg. Die sozialistischen Staaten entnahmen wiederum einigen Artikeln die ihnen genehme Auffassung.570 Auf Drängen der Sowjetunion wurde in der Deklaration auf Art. 19 und 20 IPBPR Bezug genommen.571 Auch die Entwicklungsländer haben ihre Interessen durch die Hervorhebung des Beitrags der Medien zur Verdammung von Kolonialismus, Rassismus und Neokolonialismus, durch die Bestätigung der Errichtung einer neuen Weltinformationsordnung und schließlich durch die Wahrung der kulturellen Identität, verwirklichen können.572 Unter den Abänderungen, welche in die Deklaration eingeführt wurden, waren die folgenden Bestimmungen zugunsten von Journalisten vorgesehen: – Gemäß Art. II Abs. 2 müssen die Journalisten das Recht zur freien Berichterstattung und einen weitest möglichen Zugang zu Informationen erhalten. – Gemäß Art. II Abs. 4 genießen die Journalisten einen Schutz, der ihnen die besten Bedingungen im eigenen Land und im Ausland bei der Ausübung ihres Berufes garantiert. – Art. III Abs. 1 besagt „Die Massenmedien haben zur Stärkung des Friedens und der internationalen Verständigung sowie zur Bekämpfung von Rassismus, Apartheid und Kriegshetze einen wichtigen Beitrag zu leisten.“

– Nach Art. IX Abs.1 hat die Völkergemeinschaft „im Geist dieser Erklärung […] zur Schaffung der Voraussetzungen für einen freien Austausch und eine umfassendere und ausgewogenere Verbreitung von Informationen und der 568 569

S. 73. 570

Gornig, ebd., S. 358 ff. Viele Stimmen – eine Welt (Fn. 557), S. 69; Young (Fn. 159), S. 154; Wilke (Fn. 158),

Righter (Fn. 556), S. 216; Breunig (Fn. 551), S. 104; Gornig (Fn. 41), S. 362 ff. Siehe Abs. 4 der Präambel sowie Art. I, II und III der Deklaration, Die Mediendeklaration der UNESCO von November 1978, abgedruckt in Europa Archiv, Vol. 34/2, 1979, S. 188 – 192. 572 Siehe die Präambel, insbesondere Abschnitte 15 und 16 sowie Art. II, III, VI, VII und X Abs. 3 und 4 der Mediendeklaration, S. 188 – 192. 571

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Bedingungen für den Schutz der Journalisten und den anderen Vertretern der Massenmedien bei der Ausübung ihrer Tätigkeit beizutragen.“

3. Das Kolloquium von Florenz von 1977 Auf Einladung der UNESCO fand 1977 ein Kolloquium zur Diskussion der Fragen des freien und ausgewogeneren Informationsflusses zwischen den entwickelten und den sich entwickelnden Staaten in Florenz statt. Das Arbeitspapier forderte u. a. sowohl die Gleichbehandlung der inländischen und ausländischen Journalisten bezüglich ihrer beruflichen Garantien als auch die Gewährleistung des Schutzes der Berichterstatter in bewaffneten Konflikten.573 4. Der MacBride Bericht von 1980 Im Hinblick auf die Meinungsunterschiede und Schwierigkeiten, die auf der 19. UNESCO Generalkonferenz in Nairobi 1977 besonders deutlich wurden, wurde der Generaldirektor M’Bow beauftragt, „eine Untersuchung aller Kommunikationsprobleme in der heutigen Gesellschaft, im Lichte des technologischen Fortschritts und neuester Entwicklungen in den internationalen Beziehungen unter Berücksichtigung ihrer Komplexität und ihres Umfangs, durchzuführen.“574

Für diese Aufgabe beauftragte M’Bow eine Expertenkommission unter dem Vorsitz des irischen Journalisten, Politikers, Rechtsanwalts, Nobel- und Leninpreisträgers Sean MacBride.575 Die so genannte „International Commission for the Study of Communication Problems“ bestand aus 16 Mitgliedern verschiedener geographischer Regionen der Welt. Mit diesem kulturellen und ideologischen Mosaik begann die Kommission ihre Arbeit im Dezember 1977.576 1980 gelang es der Kommission, dem Generaldirektor ihren Schlussbericht unter dem Titel „Many Voices – One World“ vorzulegen, der im gleichen Jahr auf der Generalkonferenz in Belgrad diskutiert wurde. Unter anderem behandelte die Studie den Schutz der Journalisten. Obwohl die Schutzbedürftigkeit der Journalisten besonders in bewaffneten Konflikten festgestellt wurde,577 forderte die Kommission die Gewährleistung der beruflichen Unabhängigkeit und Integrität der Beschäftigten im Me573

Wilke (Fn. 158), S. 74. Viele Stimmen – eine Welt (Fn. 557), S. 13. 575 Höhns (Fn. 548), S. 83; Breunig (Fn. 551), S. 107. 576 Viele Stimmen – eine Welt (Fn. 557), S. 16 ff. 577 Ebd., S. 297; „Journalisten, die oft unbequeme Zeugen sind und daher zu Zielscheiben von Angriffen werden, sind in Zeiten von Konflikten – in erklärten oder nicht erklärten Kriegen, in Bürgerkriegen oder bei der Berichterstattung über öffentliche Zusammenkünfte und Demonstrationen, die von den Behörden unterdrückt werden – physischen Gefahren ausgesetzt.“ Siehe die Empfehlung der Kommission zu dieser Frage, ebd., S. 332. 574

B. Die Ära der Vereinten Nationen

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dienbereich, allerdings ohne dass sie Privilegien oder einen Sonderstatus genießen.578 Ein Abkommensentwurf von MacBride über den Schutz der Journalisten fand keine Zustimmung unter den Mitgliedern.579 Auch in den Berufskreisen der Journalisten waren viele gegen eine Sonderkonvention über Journalisten. Man befürchtete, dass ein derartiges internationales Übereinkommen zur Lizenzierung führen würde, bei der der Staat bestimme, wer Journalist sei und wer nicht. Es gab auch Skepsis, dass bestimmte Schutzmaßnahmen dazu führen könnten, dass die Journalisten von Behörden beobachtet und geleitet würden und dies die Erschwerung der Berufsausübung für Journalisten bedeuten könnte.580 Es wurde auch argumentiert, dass die Verbesserung der Menschenrechte für alle die beste Garantie für die Informationsfreiheit sei. „Mit anderen Worten: die Journalisten wären wirklich geschützt, wenn die Rechte des Einzelnen voll anerkannt wären.“581

Anderer Ansicht war der Kommissionschef Sean MacBride, der einen solchen Sonderstatus für Journalisten für wichtig hielt. Er erachtete die Empfehlungen zu dieser Frage als „vollkommen unzureichend.“582 Zur Frage eines Kodexes findet die Kommission die Erstellung eines Berufskodexes auf nationaler oder auch in einigen Fällen auf regionaler Ebene wünschenswert, vorausgesetzt, dass er durch die Berufsverbände und Medienarbeiter ohne staatliche Einmischung ausgearbeitet wird.583 Die Erstellung eines internationalen Kodexes von Verhaltensnormen stellt sich aber im Hinblick auf die verschiedenen Verständnisse von der Rolle der Presse äußerst schwierig und kontrovers dar.584 Ähnlich ist die Situation zur Frage der Einführung des Rechtes auf Entgegnung und Richtigstellung auf internationaler Ebene. Die Einführung eines internationalen Rechts auf Entgegnung und Richtigstellung soll auf freiwilliger Basis in allen Ländern in Erwägung gezogen werden, um den negativen Auswirkungen einer falschen oder böswilligen Darstellung von internationalen Nachrichten entgegenzuwirken.585 Der Bericht verurteilte auch den Einsatz von Journalisten zu Spionagezwecken und forderte die Regierungen nachdrücklich auf, auf die Einsetzung von Journalisten zu Spionagezwecken zu verzichten. Der Bericht fordert die Staaten desweiteren auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Zulassung von Auslandskorrespondenten zu ge578 Ebd., S. 298. Interessant ist auch in dieser Beziehung der Kommentar des sowjetischen Vertreters, des Generaldirektors der Nachrichtenagentur TASS Serjei Losev, ebd., S. 303. 579 Wilke (Fn. 158), S. 75. 580 Viele Stimmen – eine Welt (Fn. 557), S. 298. 581 Ebd. 582 Vgl. den Kommentar von Sean MacBride, ebd., S. 303. 583 Ebd., S. 330. 584 Ebd., S. 307 ff. 585 Ebd., S. 331.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

währleisten und ihnen die Sammlung und Verbreitung von Nachrichten zu erleichtern. Für eine genaue, wahrheitsgetreue und ausgewogene Berichterstattung müssen die Journalisten auch einen freien Zugang zu Nachrichtenquellen haben. „Dies schließt notwendigerweise auch den Zugang zu inoffiziellen und offiziellen Informationsquellen mit ein.“586

Der Bericht empfiehlt sowohl die Erweiterung der Informationsquellen für den einzelnen Bürger als auch die Abschaffung der Zensur und der willkürlichen Kontrolle von Informationen.587 Ein großes Anliegen der Kommission war die Errichtung einer neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung.588 Diese angestrebte neue Ordnung ist nicht ein Ziel, sondern eine Station auf einer langen Reise. „Sie ist ein kontinuierliches Streben nach immer freieren, gleichberechtigten und gerechteren Beziehungen innerhalb aller Gesellschaften und unter allen Nationen und Völkern.“589

Der Bericht selbst ist kein offizielles Dokument, sondern enthält nur Empfehlungen, die auf der 21. Generalkonferenz in Belgrad 1980 teilweise diskutiert wurden und auf deren Grundlage eine Medienresolution verabschiedet wurde. Der Bericht, der in großen Teilen die westliche Position vertritt, trägt auch einen Kompromisscharakter.590 Scharfe Kritik wurde an dem Bericht wegen der vagen Formulierungen geübt, auch wegen des Mangels an Definitionen für wichtige Begriffe.591 5. Die 22. Generalkonferenz der UNESCO von 1983 Die Frage der Errichtung einer neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung war erneut einer der Beratungsgegenstände auf den Generalkonferenzen der UNESCO von 1982, 1983 und 1985. Die Konzeption der Errichtung einer neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung für einen freien Fluss und ausgewogenere Verbreitung von Informationen wurde auf diesen Konferenzen vereinbart. Umstritten war aber die Natur dieser neuen Ordnung als starres (autoritäres Prinzip) im sozialistischen Sinne oder als ein sich entwickelnder, kontinuierlicher Prozess nach westlich-demokratischer Vorstellung, der geeignet wäre, allmählich die Disparitäten zwischen den Ländern zu verringern.592 Auf der 22. Generalkonferenz von 1983 in Paris wurde die westliche Formel adoptiert. Die Kontroverse über die Natur dieser Ordnung ging aber später nochmals unter den Entwicklungsländern und den Staaten des Ostblocks weiter.593 586 587 588 589 590 591 592 593

Ebd., S. 330. Ebd., S. 333 ff. Ebd., S. 70, 320 und 336. Ebd., S. 344. Young (Fn. 159), S. 157; Breunig (Fn. 551), S. 113. Breunig, ebd., S. 113. Gornig (Fn. 41), S. 366; Breunig (Fn. 551), S. 116. Breunig, ebd., S. 116 ff.

B. Die Ära der Vereinten Nationen

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6. Die strategische Neuausrichtung der UNESCO Nach dem Ende des Kalten Krieges sollte die UNESCO eine Revision vornehmen und eine neue Strategie nutzen, die nicht nur den neuen Fakten entsprach, sondern auch grundlegend auf ihrer Verfassung beruhte, die den Grundsatz des freien Informationsflusses hervorhob. Das Konzept der neuen Informationsordnung, das die Organisation in den siebziger und achtziger Jahren erschütterte, musste jetzt ins Archiv verbannt werden.594 Diese große Wende konnte die UNESCO auf ihrer 25. Generalkonferenz 1989 vollziehen. Die Beseitigung der Ungleichheiten im Medienbereich, die der Anlass für eine neue Ordnung war, kann nicht verordnet werden. Ein solches Ziel kann aber durch die Unterstützung der Bemühungen der Entwicklungsländer zur Verbesserung ihrer Kommunikationskapazitäten erreicht werden. „Ich glaube, dass es für die UNESCO kein besseres Mittel zur Förderung der Demokratie gibt als die Förderung einer freien und unabhängigen Presse überall auf der Welt“ erklärte der Generaldirektor der UNESCO Federico Mayor595 vor dem Medienzentrum der Gannet-Stiftung in New York 1991.596 7. Die UNESCO-Resolution Nr. 29 Angesichts der zunehmenden Zahl von Journalisten, die in den letzten Jahren wegen der Ausübung ihres Berufs ermordet worden waren, verabschiedete die UNESCO auf ihrer 27. Generalkonferenz in Paris 1997 die Resolution Nr. 29. In der Resolution äußerte die Generalkonferenz Besorgnis wegen der in einigen Fällen nicht erfolgten Bestrafung von Verbrechen gegen Journalisten. Die Resolution weist in diesem Zusammenhang unter anderem auf Art. 19 AEMR und IPBPR sowie auf die EMRK, die AMRK und die Afrikanische Charta für die Rechte der Menschen und Völker hin. Die Resolution bestätigt, dass die Meinungsäußerungsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht ist, und dass sie auch für die Wahrung der anderen Menschenrechte notwendig ist. Die Resolution verurteilt in Paragraph 1 (a) die Ermordung von Journalisten und die physische Gewalt gegen sie als Verbrechen gegen die Gesellschaft, ein Verbrechen, das die Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit und somit die Beeinträchtigung auch anderer Menschenrechte zur Folge hat.597 594

Rosenbach, von der „Neuen Weltordnung“ zu mehr Freiheit, UNESCO heute, 1993, S. 134; Frommlet, Alte oder neue internationale Informationsordnung?, in: Hüfner/Reuther (Hrsg.), UNESCO-Handbuch, 1996, S. 76. 595 Federico Mayor (Spanien) wurde im Jahre 1987 gewählt und blieb in seinem Amt bis 1999. 596 Federico Mayor wurde zitiert nach Rosenbach (Fn. 594), S. 134. 597 Ziffer 1 (a) der UNESCO-Resolution Nr. 29, Webseite der UNESCO, abrufbar unter: http://www.unesco.org/new/fileadmin/MULTIMEDIA/HQ/CI/CI/pdf/WPFP/WPFP2011/resolu tion29-en.pdf, abgerufen am 14.05. 2012.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Die Resolution fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Aufgabe zur Verhinderung und Bestrafung solcher Verbrechen zu erfüllen. Gemäß Paragraph 2 empfiehlt die Resolution den Mitgliedstaaten, ihre Gesetzgebungen so zu revidieren, dass die Täter sowie die Anstifter von Verbrechen, die gegen Personen wegen derer Ausübung ihres Rechtes auf Meinungsäußerungsfreiheit gerichtet sind, strafrechtlich verfolgt und verurteilt werden können.598 Schließlich muss darauf hingewiesen werden, dass die von der UNESCO verabschiedeten Resolutionen oder Empfehlungen keine rechtliche Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten entfalten.599

C. Regionale Konventionen zur Pressefreiheit I. Der Europarat und die EMRK Der Europarat wurde als eine internationale Organisation mit Rechtspersönlichkeit in London am 5. Mai 1949 gegründet. Der Rat, dessen Sitz in Straßburg ist, besteht aus 47 Mitgliedern, die alle die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert haben.600 Ähnlich wie die Charta der Vereinten Nationen misst die Satzung des Europarats der Frage der Menschenrechte und Grundfreiheiten eine große Bedeutung bei. Ohne Zweifel standen die Autoren der Satzung hier in der Tradition der Erinnerung an die systematischen Menschenrechtsverletzungen des Zweiten Weltkriegs durch das NS-Regime. Dies war aber nicht der einzige Grund für die Verankerung und Hervorhebung der Menschenrechte in der Satzung des Rates oder für die spätere Ratifizierung der EMRK. Die kommunistischen totalitären Regime, die während des Kalten Kriegs in Osteuropa herrschten, hatten durch ihr Verständnis von Menschenrechten und Grundfreiheiten unmittelbar die Werte der Freiheit und Demokratie gefährdet, die die Magna Charta und die Französische Revolution hervorgebracht hatten.601 In Art. 1 der Satzung des Rates ist der Schutz und die Fortentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten eines der Mittel zur Wahrnehmung der Aufgaben des Rates.602 1. Die Entstehungsgeschichte der EMRK Da die Satzung des Europarates keine Aufzählung der Grundrechte enthält, gab es einen Bedarf, einen bindenden völkerrechtlichen Vertrag unter den Mitgliedern des 598

Ziffer 2(b) der UNESCO-Resolution Nr. 29 (Fn. 597). Breunig (Fn. 551), S. 28. 600 Siehe dazu Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, 2003, S. 1; Webseite des Europarates, abrufbar unter: http://www.coe.int/DefaultDE.asp, abgerufen am 13.05. 2012. 601 Siehe Robertson (Fn. 494), S. 102; Gornig (Fn. 41), S. 275. 602 Siehe Präambel, Art. 1, 3, 7 und 8 der Satzung des Europarates, BGB1. 1950, S. 263 ff. 599

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Rates zum Schutz dieser Rechte abzuschließen. Auf dem Kongress von Den Haag 1948 erschien die Idee der Konvention als eine Voraussetzung für den Anschluss an ein freies und geeintes Europa. Daraufhin wurde ein Konventionsentwurf ausgearbeitet, der dem vorläufigen Ministerrat des Europarates vorgelegt wurde. Nach mehreren Beratungen und Änderungen am Entwurf in Versammlungen und Ausschüssen des Rates wurde die Europäische Menschenrechtskonvention am 4. November 1950 verabschiedet und trat 1953 als erste regionale Menschenrechtskonvention in Kraft, und gilt damit als allererste rechtsverbindliche Menschenrechtskonvention auf Weltebene, weil die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UN von 1948, wie oben bereits erwähnt, nicht verbindlich war.603 Zusammen mit ihren Zusatzprotokollen bildet die EMRK den Rechtskatalog der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Europa.604 2. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Nach dem Inkrafttreten des 11. Protokolls und der Abschaffung der Europäischen Kommission für Menschenrechte wurde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das einzige Überwachungsorgan der EMRK. Der neue Gerichtshof wurde nun ein ständig arbeitendes Gericht mit einer automatischen und obligatorischen Gerichtsbarkeit für alle Mitgliedstaaten der EMRK über die Staatenbeschwerde gemäß Art. 33 EMRK sowie auch die Individualbeschwerde gemäß Art. 34 EMRK. 3. Individualbeschwerde Anfangs stellte sich die Anerkennung des Rechtes des Einzelnen auf Zugang zum Gerichtshof als schwierig zu bewerkstelligen dar. Als Kompromiss wurde Einzelpersonen das Recht auf Individualbeschwerde vor der Kommission eingeräumt, die sodann darüber entscheiden konnte, ob sie die Beschwerde an das Gericht weiterleitete oder nicht. Dazu musste der Mitgliedsstaat die Zuständigkeit des Gerichtshofs durch eine Unterwerfungserklärung angenommen haben. Anders ist die Staatenbeschwerde, die immer automatisch nach dem Beitritt zur Konvention eingelegt werden kann.605 Eine grundlegende Änderung hat das 11. Zusatzprotokoll eingeführt, mit dem die Kommission abgeschafft und die Zuständigkeit des Gerichtshofs obligatorisch wurde. Eine Unterwerfungserklärung ist nicht mehr erforderlich.606 603 Siehe oben, 3. Kapitel, B. IV. 1.; siehe auch Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar, 1996, S. 1; Peters (Fn. 600), S. 1; Robertson (Fn. 494), S. 103 und 104; Gornig (Fn. 41), S. 276. 604 EMRK, BGB1. 1952 II, S. 685. 605 Walter, Geschichte und Entwicklung der europäischen Grundrechte und Grundfreiheiten, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten 2003, S. 3. 606 Siehe das 11. Zusatzprotokoll zur EMRK, BGB1. 1995 II, S. 579 ff. Siehe dazu auch Friedland/Heymann, Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Gemäß Art. 34 EMRK kann jede natürliche Person, nichtstaatliche Organisation oder Personengruppe, mit der Begründung, Opfer einer Konventionsverletzung geworden zu sein, eine Klage vor dem EGMR erheben. 4. Art. 10 EMRK Zusammen mit dem Recht auf Leben (Art. 2) und dem Folterverbot (Art. 3) steht die Meinungsäußerungsfreiheit an der Spitze des Grundrechtssystems der EMRK.607 Der EGMR hat wiederholt die grundlegende Bedeutung der Meinungsäußerungsund Pressefreiheit für jede demokratische Gesellschaft sowie für die Entfaltung des Individuums betont.608 Ohne Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit verliert die Demokratie ihren Sinn. a) Schutzbereich Art. 10 EMRK schützt eine Vielzahl von Grundrechten, nämlich die Meinungsfreiheit, die Meinungsäußerungsfreiheit, die Informationsfreiheit, die Pressefreiheit sowie die Rundfunk-, Fernseh- und Filmfreiheit. Art. 10 steht auch im Zusammenhang mit den in anderen Artikeln garantierten Rechten, insbesondere Art. 9 EMRK, der die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit gewährleistet und Art. 11 EMRK, der die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit schützt.609 Wie oben festgestellt wurde, gelten die in der EMRK garantierten Rechte grundsätzlich nicht nur in Friedenszeiten, sondern unter Berücksichtigung der in der Konvention vorgeschriebenen Einschränkungsmöglichkeiten und der Spezialität der Regeln des humanitären Völkerrechts auch in Kriegszeiten und in besetzten Gebieten.610 Für Kriegskorrespondenten stellt das, insbesondere in Fällen der extraterritorialen Wirkung der Konvention, ein zusätzliches Schutzmittel neben dem Schutz, den der IPBPR und die Regeln des humanitären Völkerrechts gewährleisten, dar. Kriegskorrespondenten, die in Konfliktgebieten arbeiten, wo eine Vertragspartei der EMRK Herrschaftsgewalt oder effektive Kontrolle ausübt, können sich – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – auf die in der EMRK verbürgten Rechte, insbesondere ihre Rechte gemäß Art. 10 EMRK, die im Folgenden erörtert werden, berufen. Kriegskorrespondenten, die beispielsweise zurzeit in Afghanistan in Gebieten arbeiten, wo Großbritannien oder Deutschland effektive Kontrolle ausüben, genießen auch den Schutz der EMRK. Beide Staaten sind verpflichtet, die EMRK zu beachten und somit die Pressefreiheit gemäß Art. 10 EMRK zu gewähren, wenn sie Hoim Jahre 1999, German Yearbook of International Law, Vol. 42, 1999, S. 569; Walter (Fn. 605), S. 4. 607 Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), 1999, S. 389. 608 EGMR, Urteil vom 21. Januar 1999 im Fall Fressoz und Mr Roire gegen Frankreich, Aktenzeichen Nr. 29183/95 (Fn. 543), Paragraph 45, S. 6. 609 Siehe Art. 9, 10 und 11 EMRK, BGB1. 1952 II, S. 689 und 690. 610 Siehe oben, 3. Kapitel, A.

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heitsgewalt in den von ihnen effektiv kontrollierten Gebieten ausüben. Eine Bindung an die EMRK ergibt sich auch, wenn der Mitgliedstaat Hoheitsgewalt über eine Person ausübt, wie man dem Fall Öcalan entnehmen kann.611 aa) Meinungsfreiheit Die Meinungsfreiheit ist ausdrücklich in Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK erwähnt. Geschützt sind hier die innere Meinungsbildung, sowie die Gedankenfreiheit, die auch wesentlich unter den Schutzbereich des Art. 9 EMRK fällt. Der Staat darf nach Ansicht des EGMR nicht indoktrinieren.612 Ihm obliegt auch die Verpflichtung, den im Medienbereich tätigen Unternehmen Pluralismus zu garantieren.613 bb) Meinungsäußerungsfreiheit In einem demokratischen Staatssystem erfüllt die Meinungsäußerungsfreiheit eine elementare Funktion für die Entwicklung der Gesellschaft und des Einzelnen.614 Meinungsäußerungsfreiheit ist das Recht, eigene und andere Ideen und Informationen mitzuteilen, ohne daran durch den Staat gehindert zu werden.615 Geschützt sind Tatsachen, Meinungen, Werbung und Unterhaltung. Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 EMRK erfasst nicht nur unproblematische oder unkritische Inhalte, sondern auch Äußerungen, die den Staat oder einen Teil der Bevölkerung verletzen, schockieren oder beunruhigen. Das sind Erfordernisse des Pluralismus und der Toleranz, ohne die es keine demokratische Gesellschaft gibt.616 Art. 10 EMRK garantiert nicht nur den Inhalt der Mitteilung, sondern auch die Form und die Dar-

611

Siehe oben, 3. Kapitel, A. VI. EGMR, Urteil vom 7. Dezember 1976 im Fall Kjeldsen, Bus Madsen und Pedersen, Aktenzeichen Nr. 5095/71, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 3. Jahrgang, 1976, Paragraph 52 und 53, S. 485. 613 EGMR, Urteil vom 24. November 1993 im Fall Imformationsverein Lentia u. a. gegen Österreich, Aktenzeichen Nr. 36/1992/381/455 – 459, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 20. Jahrgang, 1994, Paragraph 38, S. 550. 614 EGMR, Urteil vom 16. März 2000 im Fall Özgür Gündem gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 23144/93 (Fn. 539), Paragraph 57. 615 Siehe Meyer-Ladewig, EMRK Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 2003, S. 163. 616 Siehe EGMR, Urteil vom 7. Dezember 1976 im Fall Handyside v. The United Kingdom, Aktenzeichen Nr. 5493/72, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 4. Jahrgang, 1977, Paragraph 49, S. 42; EGMR, Urteil vom 26. April 1979 im Fall The Sunday Times (No. 1), Aktenzeichen Nr. 6538/74, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 6. Jahrgang, 1979, Paragraph 65, S. 390; EGMR, Urteil vom 21. Januar 1999 im Fall Fressoz und Mr Roire gegen Frankreich, Aktenzeichen Nr. 29183/95, (Fn. 543), Paragraph 45; EGMR, Urteil vom 1. Juli 1997 im Fall Oberschlik gegen Österreich (No. 2), Aktenzeichen Nr. 20834/92, Yearbook of the European Convention on Human Rights, Vol. 40, 1997, S. 308. 612

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

stellung der Mitteilung.617 Vorbehaltlich der in Art. 10 Abs. 2 EMRK vorgesehenen Einschränkungsmöglichkeiten sind somit auch Kriegsberichterstattung über heikle Themen vom Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 erfasst. cc) Informationsfreiheit Garantiert ist nach Art. 10 Abs. 1 S. 2 die Freiheit, Informationen und Ideen zu empfangen und weiterzugeben. Augenfällig ist, dass Art. 10 EMRK im Gegensatz zu Art. 19 Abs. 2 IPBPR und Art. 13 Abs. 1 AMRK die aktive Informationsbeschaffung nicht ausdrücklich erwähnt. Nach noch vertretbarer Auffassung qualifiziert man diesen Wortlautunterschied als Redaktionsfehler. Dafür spricht, dass die Entwürfe dieses Recht enthielten, und dass ohne aktive Informationsbeschaffung auch die Rechte auf Mitteilung, Verbreitung und Äußerungsfreiheit von vornherein verletzt werden.618 Nach Ansicht des EGMR ist nicht nur das Recht des Individuums enthalten, die von Medien verbreiteten Informationen zu erhalten, sondern auch das Recht, angemessen informiert zu werden.619 Art. 10 (1) schützt den freien internationalen Informationsfluss, denn der Schutz wird „ohne Rücksicht auf die Landesgrenzen“ gewährleistet. Der Artikel enthält aber keinen Anspruch auf Informationen, die der Inhaber geheim halten möchte.620 Art. 10 verbietet auch nicht ausdrücklich die Zensur. dd) Pressefreiheit Art. 10 EMRK schützt die Pressefreiheit als Bestandteil der Meinungsäußerungsund Informationsfreiheit nur implizit. Dass die Presse nicht ausdrücklich erwähnt ist, verwundert, weil die Rolle der Presse in einer freiheitlichen Demokratie nicht in Frage steht. Dieses Recht ist schon im westlichen Demokratieprinzip vor der EMRK verankert.621 Eine der Hauptaufgaben der Presse als „Wachhund“ ist, die Öffentlichkeit auf Mängel und Fehler sowie rechtswidrige Machenschaften in Politik und Gesellschaft hinzuweisen.622 Erfahrungsgemäß ist eine freie und unparteiische Presse in Kriegszeiten besonders wichtig. Darin liegt die Bedeutung der in Menschenrechtskonventionen wie IPBPR und EMRK garantierten Rechte. 617 EGMR, Urteil vom 23. September 1994 im Fall Jersild gegen Dänemark, Aktenzeichen Nr. 15890/89, European Human Rights Reports, Vol. 19, 1995, Paragraph 31, S. 1 ff. Das Urteil ist auch abrufbar über: http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/search.asp?sessionid=30479342& skin=hudoc-en, abgerufen am 14.05. 2012. 618 Marauhn, Kommunikationsgrundrechte, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2003, S. 77. 619 EGMR, Urteil vom 26. April 1979 im Fall The Sunday Times (No. 1), Aktenzeichen Nr. 6538/74 (Fn. 614), Paragraph 66. 620 Seidel (Fn. 536), S. 103; Meyer-Ladewig (Fn. 615), S. 164. 621 Vgl. dazu Guradze, Die Europäische Menschenrechtskonvention, 1968, S. 146. 622 EGMR, Urteil vom 26. November 1991 im Fall Observer und Guardian gegen Vereinigtes Königreich, Aktenzeichen Nr. 51/1990/242/313, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 22. Jahrgang, 1995, Paragraph 59, S. 20.

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Der Schutz der Pressefreiheit erstreckt sich auf alle Informationen und Ideen, die durch das gedruckte Wort oder andere Reproduktionsmethoden der Öffentlichkeit vermittelt werden.623 Geschützt ist nicht nur das individuelle Presseerzeugnis, sondern das gesamte Pressewesen. Somit ist der Zeitungsvertrieb vom Schutzbereich erfasst.624 Nach dem EGMR bezieht sich Art. 10 (1) EMRK nicht nur auf den Informationsinhalt, sondern auch auf die erforderlichen Übertragungs- und Empfangsmittel.625 Somit gilt die Wegnahme oder Beschlagnahme der Geräte, wie z. B. Kameras von Kriegskorrespondenten während der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit in Konfliktgebieten, als ein Eingriff in das Recht auf Empfang oder Mitteilung von Nachrichten. Art. 10 (1) EMRK erfasst auch den Schutz journalistischer Quellen. Das ermöglicht der Presse, die Rolle eines öffentlichen „Wachhundes“ zu spielen, da sich ohne diese Garantie die Arbeit des Journalisten bei der Recherche erschwert. Ein Eingriff in den Quellenschutz ist mit Art. 10 (1) EMRK nur vereinbar, wenn er durch übergeordnete Erfordernisse des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist.626 Für Kriegskorrespondenten ist der Schutz journalistischer Quellen von großer Bedeutung, wie unten ausführlich dargestellt wird.627 Der Staat ist verpflichtet, den notwendigen Pluralismus zu gewährleisten. Ein staatliches Monopol stellt einen scharfen Eingriff dar und ist nur zulässig, wenn dafür ein zwingendes soziales Bedürfnis besteht.628 Dies ist auch wichtig für eine umfassende und vielfältige Kriegsberichterstattung, die normalerweise erfolgt, wenn es verschiedene Medienquellen gibt. Dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 S. 3 entnimmt man, dass ein Genehmigungsverfahren nur auf den Rundfunk beschränkt ist, und infolgedessen die Lizenzierung von Presseunternehmen verboten ist.629 Der Staat ist verpflichtet, nicht nur Eingriffe zu unterlassen, sondern auch positive Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit bedroht ist.630 623

Siehe Villiger (Fn. 607), S. 405. Vgl. Marauhn (Fn. 618), S. 79; Villiger (Fn. 607), S. 405. 625 EGMR, Urteil vom 22. Mai 1990 im Fall Autronic AG gegen die Schweiz, Aktenzeichen Nr. 12726/87 (Fn. 533), Paragraph 47, S. 262. 626 Siehe EGMR, Urteil vom 27. März 1996 im Fall Goodwin v. United Kingdom, Aktenzeichen Nr. 17488/90, Reports of Judgments and Decisions, 1996 II, Paragraph 39; EGMR, Urteil vom 22. November 2007 im Fall Voskuil/Niederlande, Aktenzeichen Nr. 64752/01, Neue Juristische Wochenschrift, 61. Jahrgang, 2008, Paragraph 65, S. 2564; EGMR, Urteil vom 27.11. 2007 im Fall Tillack/Belgien, Aktenzeichen Nr. 20477/05, Neue Juristische Wochenschrift, 61. Jahrgang, 2008, Paragraph 65, S. 2567; die Urteile sind auch abrufbar unter: http:// cmiskp.echr.coe.int/tkp197/search.asp?sessionid=30479342&skin=hudoc-en, abgerufen am 14.05. 2012. 627 Siehe unten, 4. Kapitel, A. I. 628 EGMR, Urteil vom 20.10. 1997 im Fall Radio ABD v. Österreich, Aktenzeichen Nr. 19736/92, Paragraph 32, abrufbar über: http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/search.asp?sessio nid=30479342&skin=hudoc-en, abgerufen am 13.05. 2012; Meyer-Ladewig (Fn. 615), S. 174. 629 Guradze (Fn. 621), S. 147. 630 EGMR, Urteil vom 16. März 2000 im Fall Özgür Gündem gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 23144/93 (Fn. 539), Paragraph 43. 624

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Die Journalisten müssen bei ihrer Arbeit bestimmte Grenzen einhalten. Die Überschreitung der erlaubten Grenzen rechtfertigt Eingriffe in ihr Recht auf Pressefreiheit. Ihre Aufgabe ist es, Informationen und Ideen über Fragen öffentlichen Interesses im Einklang mit ihren Pflichten und ihrer besonderen Verantwortung zu vermitteln.631 b) Kriegskorrespondenten und Sorgfaltspflicht Krieg bedeutet Ausnahmezustand. Auch die Medien unterliegen diesem. Die üblichen Regeln der Berufsausübung des Journalismus gelten dann oft nicht mehr.632 „Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.“633

Jedoch sind im Krieg nicht nur die Möglichkeiten der Recherche und vielleicht auch Empfang und Verbreitung von Informationen eingeschränkt, sehr verbreitet ist zudem das Parteiergreifen aus nationalen, religiösen oder rassistischen Gründen. Überdies befindet sich der Journalist im Rahmen der Konkurrenz zwischen Presseunternehmen und der Jagd nach dem „Scoop“ unter Zeitdruck. Dies alles könnte dazu führen, dass die Presse unpräzise und unzuverlässige Nachrichten an die Öffentlichkeit liefert. Die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit ist nach Art. 10 (2) EMRK mit Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Die Presse spielt sicherlich eine fundamentale Rolle in einer demokratischen Gesellschaft. Jedoch darf sie bestimmte Grenzen zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer oder der wesentlichen Staatsinteressen wie der nationalen Sicherheit, der territorialen Integrität oder der öffentlichen Ordnung nicht überschreiten. Die Aufgabe der Presse ist es, Ideen und Informationen über alle Angelegenheiten öffentlichen Interesses im Einklang mit ihren Pflichten und ihrer Verantwortung zu übermitteln.634 Die Ausübung der Pressefreiheit ist von der Voraussetzung abhängig, dass Journalisten in gutem Glauben und auf einer präzisen Tatsachengrundlage handeln, um genaue und zuverlässige Informationen in Übereinstimmung mit dem Berufsethos der Journalisten zu liefern.635 631

EGMR, Urteil vom 23. September 1994 im Fall Jersild gegen Dänemark, Aktenzeichen Nr. 15890/89 (Fn. 617), Paragraph 31. 632 Meyn, Aus Fehlern gelernt, in: Deutsche Welle (Fn. 10), S. 105. 633 Ziffer 1 des „Pressekodex des Deutschen Presserates“, zitiert nach: http://www.presserat. info/index.php?id=26, abgerufen am 14.05. 2012. 634 EGMR, Urteil vom 18.07. 2000 im Fall Sener gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 26680/95, Paragraph 41, abrufbar über: http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/search.asp?sessio nid=30479342&skin=hudoc-en, abgerufen am 14.05. 2012 = Österreichische Juristen-Zeitung, 56. Jahrgang, 2001, S. 696 ff.; EGMR, Urteil vom 21. Januar 1999 im Fall Fressoz und Mr Roire gegen Frankreich, Aktenzeichen Nr. 29183/95 (Fn. 543), Paragraph 45. 635 EGMR, Urteil vom 20.05. 1999 im Fall Bladet Tromsø, Aktenzeichen Nr. 21980/93 (Fn. 543), Paragraph 65, S. 463.

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Diesen Sinn hat der EGMR im Fall Fressoz und Mr Roire gegen Frankreich vom 28. Januar 1999 und im Urteil vom 20.05. 1999 im Fall Bladet Tromsø gegen Norwegen sowie in weiteren Urteilen betont, als er ausführte: „It (Art. 10) protected journalists’ rights to divulge information on issues of general interest provided that they were acting in good faith and on an accurate factual basis and furnished, reliable and precise information in accordance with the ethics of journalism.“636

Bei bewaffneten Konflikten bestehen besondere Sorgfaltspflichten, insbesondere, wenn Ansichten veröffentlicht werden sollen, die Aufrufe zum Hass oder zur Gewalt enthalten. Die Medien dürfen nicht ein Mittel zur Verbreitung von Hass und Gewalt werden.637 Generell haben Journalisten die Pflicht, die Richtigkeit der Informationen zu überprüfen, es sei denn, dies ist unter Berücksichtigung der Umstände im konkreten Fall entweder unmöglich oder unverhältnismäßig.638 Dieser allgemeinen Regel ist zu entnehmen, dass auch Kriegskorrespondenten trotz der Schwierigkeiten, auf die sie in Konfliktgebieten bei der Suche nach Nachrichten treffen, verpflichtet sind, ihre Informationen zu überprüfen, um genaue und zuverlässige Informationen zu liefern. Dieser allgemeinen Regel, welche Journalisten verpflichtet, die Richtigkeit ihrer Informationen zu überprüfen, kann auch entnommen werden, dass die Jagd um „scoop“, die auf Kosten der Qualität und der Richtigkeit der Informationen erfolgt, einen Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht darstellen kann. Grundsätzlich können Journalisten von der Überprüfungspflicht befreit werden, wenn es sich um Informationen handelt, die auf amtlichen Berichten beruhen. Die Presse kann sich auf die Richtigkeit amtlicher Berichte verlassen.639 Der EGMR ist auch der Meinung, dass zur journalistischen Freiheit der mögliche Rückgriff auf eine gewisse Übertreibung oder sogar Provokation gehört.640

636 EGMR, Urteil vom 21. Januar 1999 im Fall Fressoz und Mr Roire gegen Frankreich (Fn. 543), Paragraph 54; EGMR, Urteil vom 20.05. 1999 im Fall Bladet Tromsø, Aktenzeichen Nr. 21980/93 (Fn. 543), Paragraph 65; EGMR, Urteil vom 22.10. 2007 im Fall Lindon gegen Frankreich, Aktenzeichen Nr. 21279/02 und 36448/02, Paragraph 67, abrufbar über: http:// cmiskp.echr.coe.int/tkp197/search.asp?sessionid=30479342&skin=hudoc-en; EGMR, Urteil vom 02.11. 2006 im Fall Standard Verlags GmbH und Krawagna-Pfeifer gegen Österreich, Aktenzeichen Nr. 19710/02, Paragraph 57, abrufbar über: http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/se arch.asp?sessionid=30479342&skin=hudoc-en, abgerufen am 14.05. 2012. 637 EGMR, Urteil vom 18.07. 2000 im Fall Sener gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 26680/95 (Fn. 634), Paragraph 42; EGMR, Urteil vom 8. Juli 1999 im Fall Sürek (Nr. 1) gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 26682/95, Reports of Judgments and Decisions, 1998 IV, Paragraph 59. 638 EGMR, Urteil vom 25.06. 1992 im Fall Thorgeirson gegen Island, Aktenzeichen Nr. 13778/88 (Fn. 543), Paragraph 65; EGMR, Urteil vom 21. Januar 1999 im Fall Fressoz und Mr Roire gegen Frankreich, Aktenzeichen Nr. 29183/95 (F. 543), Paragraph 55; EGMR, Urteil vom 20.05. 1999 im Fall Bladet Tromsø, Aktenzeichen Nr. 21980/93 (Fn. 543), Paragraph 51. 639 EGMR, Urteil vom 20.05. 1999 im Fall Bladet Tromsø, Aktenzeichen Nr. 21980/93 (Fn. 543), Paragraph 68. 640 Ebd., Paragraph 59.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Der EGMR unterschied auch zwischen Tatsachen und Werturteilen. Erstere könnten bewiesen werden, Letztere nicht.641 Die Sorgfaltspflichten dürfen aber nicht überspannt werden. Ein Journalist kann z. B. über Aussagen Dritter zu Kriegsverbrechen oder von Übergriffen der Polizei berichten, ohne dass er deren Richtigkeit beweisen kann, sofern er die Berichte nach bestem Wissen gemacht hat.642 c) Rechtfertigung der Eingriffe Gerechtfertigt ist ein Eingriff und damit konventionsgemäß, wenn er gesetzlich vorgeschrieben ist und einen der in Art. 10 (2) EMRK abschließend genannten Zwecke verfolgt. Ferner muss der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein. Diese Bedingungen müssen kumulativ vorliegen. aa) Gesetzlich vorgesehen und Verfolgung eines legitimen Zieles Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 (1) EMRK muss gesetzlich vorgesehen sein und einen legitimen Zweck verfolgen.643 Art. 10 Abs. 2 enthält eine abschließende Aufzählung der Zwecke, auf denen ein Staatseingriff beruhen darf. Demgemäß sind alle anderen unmittelbaren Eingriffsformen, die nicht im Einklang mit Art. 10 (2) stehen, ungerechtfertigt. Generell sind die in Art. 10 (2) EMRK erwähnten Eingriffszwecke eng auszulegen und der Bedarf nach der Beschränkung des Rechts auf Pressefreiheit muss überzeugend begründet werden.644 Unter den Eingriffszwecken sind für die Presse die Eingriffe zum Schutz des guten Rufes anderer von großer Bedeutung. Da aufgrund der Tatbestände einer Beleidigung die Rechte auf Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit erheblich beschränkt werden können, sind bei einer Interessenabwägung die Grundsätze der Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft und der Verhältnismäßigkeit heranzuziehen.645 Ähnliches kann auch über den Schutz der Rechte anderer gesagt werden, der im Zusammenhang mit dem Schutz des guten Rufes und dem Ehrschutz steht. In engem Zusammenhang mit dem Forschungsthema stehen die Eingriffszecke der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit, der öffentlichen Sicherheit und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Große Begriffe, unter die man vieles

641 EGMR, Urteil vom 08. Juli 1986 im Fall Lingens gegen Österreich, Aktenzeichen Nr. 9815/82, Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 13. Jahrgang, 1986, Paragraph 46, S. 429. 642 Vgl. EGMR, Urteil vom 25.06. 1992 im Fall Thorgeirson gegen Island, Aktenzeichen Nr. 13778/88 (Fn. 543), Paragraph 65. 643 EGMR, Urteil vom 26. April 1979 im Fall the Sunday Times (No. 1), Aktenzeichen Nr. 6538/74 (Fn. 614), Paragraph 45. 644 EGMR, Urteil vom 16. März 2000 im Fall Özgür Gündem gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 23144/93 (Fn. 539), Paragraph 57. 645 Vgl. Marauhn (Fn. 618), S. 84.

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subsumieren kann. Sie müssen aber eng interpretiert werden.646 Ein typisches Beispiel für Staatseingriffe zum Schutz der nationalen Sicherheit sind Maßnahmen, die eine Veröffentlichung von geheimen Informationen über den Staat durch die Presse verhindern sollen. Nach Ansicht des EGMR sind Maßnahmen gegen Journalisten, die darauf hinzielen, die Veröffentlichung von Informationen zu verhindern, unverhältnismäßig, wenn die angeblich geheimen Informationen bereits bekannt bzw. im Ausland erhältlich sind.647 bb) Notwendigkeit des Eingriffs in einer demokratischen Gesellschaft In einer demokratischen Gesellschaft muss ein Eingriff in der Meinungsäußerungsfreiheit notwendig sein. Das ist er, wenn er einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht.648 Dabei spricht der EGMR den Staaten einen Beurteilungsspielraum zur Bestimmung dieser Notwendigkeit im Lichte des Einzelfalles zu. Den zugesprochenen Beurteilungsspielraum üben die Mitgliedstaaten unter Überwachung des EGMR aus, der überprüft, ob die ergriffenen Maßnahmen im Einklang mit der in Art. 10 EMRK garantierten Meinungsäußerungsfreiheit stehen.649 Der Eingriff muss darüber hinaus auch verhältnismäßig sein und die staatlichen Behörden müssen zur Rechtfertigung des Eingriffs Gründe angeführt haben, die stichhaltig und ausreichend sind.650 Bei der Prüfung der Rechtfertigung eines Eingriffs gemäß Art. 10 EMRK ist die Schwere des Eingriffs seinem Zweck gegenüberzustellen. Der EGMR privilegiert die politische Meinungsäußerung gegenüber anderen Meinungsäußerungen bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.651 Der EGMR wiederholte stets, dass Art. 10 (2) EMRK nur einen geringen Spielraum für Eingriffe in die politische Meinungsäußerung und die Debatte über öffentliche Angelegenheiten zulässt. Die Grenzen der erlaubten Kritik gegenüber der Regierung seien weiter zu ziehen als gegenüber Privatpersonen oder Politikern.652 Ebenfalls seien die Grenzen der Kritik bei Politikern weiter zu ziehen als gegenüber Privatpersonen, weil der Ehrschutz des 646

EGMR, Urteil vom 16. März 2000 im Fall Özgür Gündem gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 23144/93 (Fn. 539), Paragraph 57. 647 EGMR, Urteil vom 26. November 1991 im Fall Observer und Guardian gegen Vereinigtes Königreich, Aktenzeichen Nr. 51/1990/242/313 (Fn. 622), S. 21. 648 EGMR, Urteil vom 7. Dezember 1976 im Fall Handyside v. The United Kingdom, Aktenzeichen Nr. 5493/72 (Fn. 616), Paragraph 48. 649 Ebd., Paragraph 49. 650 Ebd., Paragraph 50. 651 Marauhn, Kommunikationsgrundrechte, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2009, S. 131. 652 EGMR, Urteil vom 18.07. 2000 im Fall Sener gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 26680/95 (Fn. 634), Paragraph 40; EGMR, Urteil vom 8. Juli 1999 im Fall Sürek (Nr. 1) gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 26682/95 (Fn. 637), Paragraph 61; EGMR, Urteil vom 9. Juni 1998 im Fall Incal gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 41/1997/825/1031, Reports of Judgments and Decisions, 1998 IV, Paragraph 54.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Politikers ins Verhältnis zum Interesse an einer öffentlichen Diskussion gesetzt werden muss, und weil von den Politikern eine größere Toleranz gegenüber der Kritik in den Medien erwartet wird.653 Im Fall Oberschlick gegen Österreich wurde ein Journalist wegen Beleidigung des österreichischen Politikers Haider von einem österreichischen Gericht verurteilt. Er hatte in einem Artikel Haider einen Trottel genannt. Der EGMR sah die Verurteilung als Verletzung des Art. 10 EMRK und begründete seine Entscheidung damit, dass die Äußerungen des Journalisten auch im Zusammenhang mit dem gesamten Artikel und den provozierenden Aussagen von Haider gesehen werden müssen, die den Journalisten veranlassten, dies zu schreiben.654 5. Empfehlung des Europarats über Journalisten von 1996 Die Empfehlung des Europarats von 1996 über den Schutz von Journalisten in Situationen des Konflikts und der Spannungen bietet ein gutes Beispiel für die Bemühungen internationaler Regierungsorganisationen auf internationaler und regionaler Ebene zum Schutz der Journalisten. Die Empfehlung bestätigt, dass die Medienfreiheit und die freie Berufsausübung des Journalismus während der Kriegsund Krisenzeiten beachtet werden müssen, weil das öffentliche Interesse an der Informationsfreiheit und Berichterstattung in solchen Situationen und Zeiten besonders groß ist.655 Die Empfehlung betont auch die Wichtigkeit der Rolle der Journalisten und Medien bei der Unterrichtung über Verletzungen des nationalen Rechts und Völkerrechts sowie über menschliches Leid in Kriegsgebieten. Hierdurch helfen die Medien, neue Verletzungen zu verhindern und bei der Vermeidung von größerem Leid.656 Die Empfehlung verweist auf die Wichtigkeit der Achtung und Anwendung der Regeln der Menschenrechte in Situationen bewaffneter Konflikte und betont, dass der Eingriff in die Arbeit der Journalisten eine Ausnahme sei und im Einklang mit den in den relevanten Menschenrechtsverträgen vorgesehenen Voraussetzungen erfolgen müsse.657 Zur Verbesserung des Schutzes der Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten stellte der Europarat zwölf Grundsätze auf, die eine Anzahl von Maßnahmen enthalten, deren Ergreifen zur Verwirklichung dieses Ziels beitragen soll. Der Rat weist auf präventive Maßnahmen – wie praktischer Unterricht und Training durch Fachpersonal – hin, die Medienunternehmen, Presseorganisa653

EGMR, Urteil vom 08. Juli 1986 im Fall Lingens gegen Österreich, Aktenzeichen Nr. 9815/82 (Fn. 641), Paragraph 42; EGMR, Urteil vom 02.11. 2006 im Fall Standard Verlags GmbH und Krawagna-Pfeifer gegen Österreich, Aktenzeichen Nr. 19710/2 (Fn. 636), Paragraph 50. 654 EGMR, Urteil vom 1. Juli 1997 im Fall Oberschlick gegen Österreich (No. 2), Aktenzeichen Nr. 20834/92 (Fn. 616), S. 309. 655 Siehe die Empfehlung des Europarats vom 3. Mai 1996 über den Schutz von Journalisten in Situationen des Konflikts und der Spannungen (Fn. (79). 656 Ebd. 657 Ebd.

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tionen und Journalisten selbst ergreifen können, um zur Verwirklichung der physischen Sicherheit der Journalisten beizutragen. Journalisten, die ihre Aufträge in Konfliktgebieten ausführen, müssen für den Fall der Krankheit, Verletzung, Rückführung und im Todesfall angemessen versichert sein.658 „Hotline“ Telefone wie diejenigen, die das IKRK eingerichtet hatte, haben sich als sehr hilfreich beim Aufspüren vermisster Journalisten erwiesen. Journalisten haben auch in Kriegs- und Krisenzeiten das Recht, Informationen und Ideen zu suchen, zu empfangen und weiterzugeben. Journalisten haben auch das Recht, sich frei zu bewegen und zu recherchieren.659 Die Empfehlung bestätigt den Grundsatz der Vertraulichkeit der Informationsquellen der Journalisten, besonders in Situationen bewaffneter Konflikte und Krisenfällen. Kommunikationsmittel, die die Journalisten zur Übertragung von Nachrichten und Informationen benutzen, dürfen nicht eingeschränkt werden.660 Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen, wie den Entzug der Akkreditierung, die Ausweisung von Journalisten wegen Ausübung ihres journalistischen Berufs oder wegen des Inhalts der Berichterstattung oder der Informationen, unterlassen.661 Die Empfehlung weist auch darauf hin, dass die Mitgliedstaaten die Angehörigen ihrer Armeen und ihrer Polizei darüber zu informieren haben, dass sie Journalisten in Konfliktgebieten erforderlichenfalls Schutz und Hilfeleistung gewähren und sie als Zivilisten behandeln.662 Die Mitgliedstaaten sollen auch sicherstellen, dass Journalisten, seien sie einheimische oder ausländische Journalisten, ohne Diskriminierung behandelt werden.663 Die Mitgliedstaaten sollen auch den Zugang zum Staatshoheitsgebiet sowie die Erteilung von Visa und notwendigen Dokumenten für Journalisten und die Ein- und Ausfuhr von medialen Fachausrüstungen erleichtern.664 Außerdem soll eine Akkreditierung die Arbeit der Journalisten in Konfliktgebieten erleichtern.665 Angriffe auf die körperliche Integrität von Journalisten sollen strafrechtlich verfolgt und geahndet werden.666

II. Charta der Grundrechte der Europäischen Union Die Meinungsäußerungs- und die Medienfreiheit wurden in Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert.667 Auffällig ist, dass Art. 11 an 658

Ebd., Prinzip Nr. 1 und 2. Ebd., Prinzip Nr. 3 und 4. 660 Ebd., Prinzip Nr. 5 und 6. 661 Ebd., Prinzip Nr. 7. 662 Ebd., Prinzip Nr. 8. 663 Ebd., Prinzip Nr. 9. 664 Ebd., Prinzip Nr. 10. 665 Ebd., Prinzip Nr. 11. 666 Ebd., Prinzip Nr. 12. 667 Siehe den Vertrag von Maastricht über die Europäische Union von 1992, BGB1. 1992 II, S. 1253 ff. Siehe auch den Vertrag von Amsterdam über die Europäische Union von 1997, 659

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Art. 10 EMRK angelehnt ist. Der erste Absatz des Art. 11 hat Abs. 1 S. 1 und 2 des Art. 10 EMRK wortgetreu übertragen. Der Artikel schützt, wie die EMRK auch, die Meinungsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit und die Freiheit, Informationen und Ideen ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen und ohne behördliche Eingriffe zu empfangen und weiterzugeben. Die Einwände, dass der Artikel nach seinem Wortlaut, wie in der EMRK, die passive Informationsfreiheit, nicht aber die aktive Informationsbeschaffung schützt, wurden nicht berücksichtigt.668 Ähnlich der EMRK garantiert der Artikel dem Empfänger nicht irgendeine, sondern eine angemessene Information. Auf die Einfügung einer besonderen Schrankenregelung für Art. 11 hat das Präsidium verzichtet. Das bedeutet aber nicht, dass diese Rechte absolut sind. Für Art. 11 Abs. 1 sind die Schranken von Art 10 Abs. 2 EMRK sowie die von Art. 52 Abs. 3 S. 1 der Charta anwendbar.669 Angesichts der überragenden und gewachsenen Rolle der Pressefreiheit und der Massenmedien im Allgemeinen in einer demokratischen Gesellschaft war es nicht akzeptabel, während der Formulierung des Art. 11 am Wortlaut des Art. 10 EMRK festzuhalten und die Medienfreiheit als bloße Erscheinungsform der Meinungsäußerungsfreiheit zu behandeln. Um diesen Belangen nachzukommen wurde ein Abs. 2 eingefügt, der die Medienfreiheit verselbständigt. Der Begriff „Pressefreiheit“ wurde durch den Begriff „Medienfreiheit“ ersetzt; damit wurden die anderen Medienmittel, wie Rundfunk- und Filmfreiheit, in den Schutzbereich des Absatzes aufgenommen.670 Die Formulierung (Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet) trägt somit auch den neuen Medienformen, die schon bestehen oder die zukünftig erscheinen können, Rechnung. Mit der Einfügung des Ausdrucks „Pluralität“ wird die Meinungs- und Informationsvielfalt gewährleistet. Das bringt nicht nur die Abwehr von Eingriffen mit sich, sondern auch die Verpflichtung zum positiven Schutz vor Monopolisierungs- und Konzentrationsprozessen. In der letzten Fassung ersetzte der Ausdruck „geachtet“ den Ausdruck „gewährleistet“. Diese Änderung findet ihre Begründung in den eingeschränkten Zuständigkeiten der Union:671 Nach Art. 167 Abs. 2 AEUV ist die Union nur dazu berechtigt, die Zusammenarbeit der Mitglieder auf dem Gebiet der audiovisuellen Medien zu fördern. Als Beschränkungsmöglichkeit kommt für Art. 11 Abs. 2 der Charta die allgemeine Schrankenregelung des Art. 52 Abs. 1 der Charta zur Anwendung. Am 1. Dezember 2009 ist der Vertrag von Lissabon über die Europäische Union in Kraft getreten. Nach Art. 6 (1) des Vertrags sind die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 in der am 12. Dezember 2007 in BGB1. 1998 II, S. 387 ff. und den Vertrag von Nizza über die Europäische Union von 2001, BGB1. 2001 II, S. 1667 ff.; Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, BGB1. 2008 II, S. 1167. 668 Bernsdorff, Art. 11 Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2011, S. 246. 669 Ebd., S. 250. 670 Ebd., S. 248. 671 Ebd., S. 252.

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Straßburg angepassten Fassung und die Verträge rechtlich gleichrangig.672 Damit inkorporiert der Vertrag von Lissabon die Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als Primärrecht.673

III. Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE/OSZE) Auf internationaler und regionaler Ebene können Vereinbarungen zwischen Staaten zum Zwecke der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der ausländischen Journalisten abgeschlossen werden. Ein gutes Beispiel dafür bietet die KSZE/OSZE während des Kalten Krieges in den siebziger und achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.674 Unter den Opfern der Atmosphäre des Kalten Krieges waren häufig ausländische Korrespondenten, insbesondere westliche Journalisten, die in den Ländern des damaligen Ostblocks ihre Tätigkeit ausübten. Oft waren sie aufgrund ihrer Arbeit Gegenstand von Ausweisung oder Bestrafung, weil sie nach Ansicht der lokalen Behörden verzerrte Nachrichten über diese Länder übermittelt hätten, also von der offiziellen Linie abgewichen wären.675 Diese Schwierigkeiten veranlassten die westlichen Staaten, sich um Absprachen mit ihren sozialistischen Teilnehmerstaaten im Rahmen der KSZE zu bemühen, um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der ausländischen Korrespondenten zu erreichen. Die Schlussakte von Helsinki enthält eine Vielzahl von Prinzipien, die auf die Verbesserung der Ar672

Siehe den Vertrag von Lissabon über die Europäische Union von 2007, BGB1. 2008 II, S. 1039 ff. 673 Siehe dazu Grosche, Die Grundrechte, in: Marchetti/Demesmay (Hrsg.), Der Vertrag von Lissabon, 2010, S. 111 ff. 674 Die Idee der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa lässt sich auf die „Bukarester Erklärung“ des Warschauer Paktes vom 5. Juli 1966 zurückführen, in der vorgeschlagen wurde, eine „Konferenz über Fragen der Sicherheit in Europa“ einzuberufen. Die ungelöste Deutschlandfrage stellte damals das größte Hindernis für die Verwirklichung der Idee der Konferenz dar. Die von der sozialliberalen Koalition eingeleitete ostpolitische Wende 1969 ebnete tatsächlich den Weg zur Konferenz. Die Sacharbeiten der ersten KSZE-Konferenz begannen 1973 und währten bis 1975. In Helsinki wurde das ausgehandelte Dokument mit der Bezeichnung „Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ in der Anwesenheit der Staats-, Regierungs- und Parteichefs von 35 Europäischen Staaten 1975 unterzeichnet. Auf der Gipfelkonferenz von 1994 in Budapest vereinbarten die Mitgliedstaaten die Umbenennung des Namens der Organisation ohne Änderung der Verpflichtungen oder des Status der KSZE. Daher existiert die Organisation ab dem 1. Januar 1995 unter den Namen: Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Im Allgemeinen ist die OSZE an der Idee der Krisenprävention orientiert. Eine sicherheitspolitische Sphäre für Gesamteuropa zu stabilisieren und regionale desintegrative Tendenzen zu behandeln ist das Anliegen der OSZE heutzutage. Die Konferenzbeschlüsse basieren auf dem Konsensprinzip. Siehe dazu Fastenrath (Hrsg.), KSZE: Die Dokumente der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, 1992, S. 9 ff.; Kimminich/Hobe (Fn. 406), S. 138; Tudyka, Das OSZE–Handbuch, 2002, S. 22. 675 Vgl. Wilke (Fn. 158), S. 85.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

beitsbedingungen für Journalisten aus KSZE-Teilnehmerstaaten in anderen Teilnehmerstaaten abzielen. Um dieses Ziel zu erreichen, beabsichtigen die Teilnehmerstaaten, folgende Fragen zu regeln: die Prüfung der Anträge von Journalisten auf Visumerteilung innerhalb einer sachgerechten und vernünftigen Frist, die Erteilung von Mehrfachvisa für ständig akkreditierte Journalisten aus den Teilnehmerstaaten auf der Grundlage von Vereinbarungen, die Erleichterung der Ausgabe von Aufenthaltsbewilligungen für akkreditierte Journalisten, die interne Reisefreiheit im Gastland, eine Verbesserung der Möglichkeiten des Zugangs zu Informationsquellen für Journalisten aus den Teilnehmerstaaten und die Gewährleistung ihres Rechtes auf Einführung von technischen Ausrüstungen, die für die Ausübung ihres Berufes erforderlich sind.676 Die Teilnehmerstaaten bekräftigen auch, dass die legitime Ausübung der beruflichen Tätigkeit weder zur Ausweisung der Journalisten noch zu anderweitigen Strafmaßnahmen gegen sie führen wird.677 Diese Fragen kamen dann oft auf den KSZE-Folgekonferenzen zur Sprache. Da es schwierig war, zufriedenstellende Vereinbarungen über alle diese Fragen auf einmal zu erreichen, versuchten die Staaten, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Journalisten Schritt für Schritt zu erzielen. Ähnlich wie bei UNESCO kam es oft zu heftigen Auseinandersetzungen über das Verständnis der Presse- und Informationsfreiheit unter den Mitgliedstaaten. Während die westlichen Staaten einen uneingeschränkten freien Informationsfluss wollten, versuchte der Osten unter Berufung auf das Nichteinmischungsprinzip, unerwünschte Nachrichten abzuschotten.678 Während auf der Folgekonferenz von Belgrad 1977 – 1978 nur wenig erreicht werden konnte, einigte man sich auf der Folgekonferenz von Madrid 1980 – 1983 unter anderem auf die folgenden Punkte: Die Prüfung der Visumsanträge ohne ungebührliche Verzögerung,679 die Festlegung der Geltungsdauer der Mehrfachvisa für ständige Korrespondenten und ihre Familien auf ein Jahr,680 die Erleichterung der Reisen von Journalisten aus den Teilnehmerstaaten innerhalb der Territorien des Gastlands681 sowie die Vermehrung der Möglichkeiten und Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die den Journalisten ermöglichen, persönliche Kontakte und Verbindungen zu ihren Quellen herzustellen und aufrechtzuerhalten.682 Eine Absprache über die Ausweisung der Journalisten im Rahmen der Ausübung ihres Berufs war aufgrund einer harten sowjetischen Position 676

Siehe Fastenrath (Fn. 674), S. 56 und 57. Ebd., S. 57. 678 Kleinwächter, Von der UNESCO zur KSZE?, UNESCO heute 1, 1993, S. 37. 679 Ziffer 5 des abschließenden Dokuments des Madrider Folgetreffens, abgedruckt in Fastenrath (Fn. 674), S. 23. 680 Ziffer 6 des Madrider Folgetreffens, abgedruckt in: Fastenrath, ebd., S. 23. 681 Ziffer 8 des Madrider Folgetreffens, abgedruckt in: Fastenrath, ebd., S. 24. 682 Ziffer 9 des Madrider Folgetreffens, abgedruckt in: Fastenrath, ebd., S. 24. 677

C. Regionale Konventionen zur Pressefreiheit

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nicht möglich.683 Auf der Folgekonferenz von Wien 1986 – 1989 konnte trotz anhaltender Divergenzen ein Fortschritt erzielt werden. Das Problem der Ausweisung fand endlich seine Lösung. Die schon auf der Konferenz von Helsinki erwähnte Aussage, die legitime Ausübung der beruflichen Tätigkeit werde weder zur Ausweisung noch zu anderweitigen Strafmaßnahmen führen, wurde erneut bekräftigt.684 Dem Journalisten wurde auch der freie Zugang zu öffentlichen und privaten Informationen gewährleistet.685 Gewährleistet wurde auch, dass offizielle Pressekonferenzen und, wenn angebracht, ähnliche offizielle Presseveranstaltungen auch ausländischen Journalisten, erforderlichenfalls nach Akkreditierung, offen stehen.686 Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime in Osteuropa erledigten sich viele Probleme von selbst. Man hoffte auf einen neuen Anfang zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Journalisten und ein Bekenntnis zum freien Informationsfluss. Der Eindruck über den neuen Anfang wurde schon in der „Charta von Paris für ein neues Europa“ auf dem KSZE-Gipfeltreffen 1990 erweckt. Die Charta erklärt, dass Menschenrechte und Grundfreiheiten allen Menschen von Geburt an eigen sind, und bekräftigt, „dass der freie Fluss von Informationen und Gedanken ausschlaggebend ist für den Fortbestand und die Entwicklung freier Gesellschaften und lebendiger Kulturen.“687

Auf der KSZE-Folgekonferenz in Moskau Oktober 1991 über die „Menschliche Dimension“ haben die Mitgliedstaaten betont, „dass Fragen der Menschenrechte, Grundfreiheiten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein internationales Anliegen sind.“688

Im Abschlussdokument versprechen die Teilnehmerstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zum Schutz von Journalisten, die in gefährlicher Mission, insbesondere bewaffneten Konflikten, tätig sind, zu ergreifen. Als zu ergreifende Maßnahmen nennt das Dokument die Suche nach verschollenen Journalisten, das Bemühen, Gewissheit über ihr Schicksal zu erhalten, ihnen angemessene Hilfestellung zu leisten und ihre Rückkehr zu ihren Familien zu erleichtern.689 Auf der Folgekonferenz von Helsinki 1992 wurde den Problemen der Journalisten keine große Aufmerksamkeit beigemessen. Fragen der Pressefreiheit fanden später ihren Platz auf den Folgekonferenzen im Rahmen der „Menschlichen Dimension“ und im Rahmen der Aufgaben des Büros für Demokratische Institutionen und 683

Wilke (Fn. 158), S. 88. Ziffer 39 des abschließenden Dokuments des Wiener Folgetreffens, abgedruckt in Fastenrath (Fn. 674), S. 41. 685 Ziffer 40 des Wiener Folgetreffens, ebd., S. 41. 686 Ziffer 44 des Wiener Folgetreffens, ebd., S. 41. 687 Zitiert nach Kleinwächter (Fn. 678), S. 38. 688 Zitiert nach Tudyka (Fn. 674), S. 49. 689 Ziffer 34 des abschließenden Moskauer Dokuments, abgedruckt in Fastenrath (Fn. 674), S. 18. 684

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Menschenrechte in Warschau. Das Büro ist zuständig für die Stärkung rechtsstaatlicher und demokratischer Prozesse in den Mitgliedsstaaten.690

IV. Die Amerikanische Konvention für Menschenrechte Im amerikanischen Raum gewähren die Amerikanische Konvention für Menschenrechte und ihre Überwachungsmechanismen ein zusätzliches Schutzmittel für Kriegskorrespondenten. Die Amerikanische Konvention für Menschenrechte wurde 1969 in San José abgeschlossen und trat 1978 in Kraft. Ähnlich dem IPBPR und der EMRK enthält die Konvention in Art. 13 Bestimmungen über den Schutz der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit. Ca. 30 Jahre vor dem Inkrafttreten der Konvention haben amerikanische Staaten 1948 unter dem Eindruck der Menschenrechtsverletzungen während des Zweiten Weltkriegs die Amerikanische Erklärung für Rechte und Pflichten des Menschen verabschiedet. Die Erklärung, die nicht verbindlich ist und nur einen moralischen Wert genießt, schützt in Art. 4 Meinungsäußerungs-, Informations- und Pressefreiheit.691 Gemäß Art. 44 AMRK dürfen Individuen im Fall der Verletzung einer ihrer in der Konvention garantierten Rechte eine Beschwerde bei der Inter-Amerikanischen Kommission für Menschenrechte einlegen. Es gibt auch einen Amerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Aber gemäß Art. 61 (1) AMRK haben nur die Vertragsstaaten und die Kommission das Recht, den Gerichtshof mit einem Fall zu befassen. Auch im AMRK-System stellt die Öffnung eines unmittelbaren Beschwerdeweges Einzelner zu einem regionalen Gremium einen fundamentalen Fortschritt in der Entwicklung von Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte dar.692 1. Schutzbereich Ähnlich Art. 19 IPBPR und Art. 10 EMRK schützt Art. 13 AMRK die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit.693 Art. 13 schützt die passive und auch die positive Informationsfreiheit. Jede Person hat das Recht, sich Informationen und Gedankengut jeder Art über die Landesgrenzen hinweg in mündlicher, schriftlicher oder gedruckter Form oder durch irgendein anderes Mittel eigener Wahl zu beschaffen, zu empfangen oder weiterzugeben. Art. 13 AMRK enthält keine abschließende Aufzählung der Informationsquellen. Somit können neue Informationsquellen im Schutzbereich des Artikels mit eingeschlossen werden. Wie in der EMRK ist die Pressfreiheit in der AMRK nicht ausdrücklich erwähnt. Sie ist aber 690

Kimminich/Hobe (Fn. 406), S. 138. Gornig (Fn. 41), S. 321. 692 Seifert, Das interamerikanische System zum Schutz der Menschenrechte und seine Reformierung, 2008, S. 51. 693 Eine deutsche Übersetzung der AMRK ist abgedruckt in: Bundeszentrale für politische Bildung (Fn. 503), S. 500 ff. 691

C. Regionale Konventionen zur Pressefreiheit

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implizit geschützt. Im Gegensatz zu Art. 19 IPBPR und Art. 10 EMRK sieht Art. 13 AMRK den Schutz der Gedankenfreiheit vor, die in IPBPR und EMRK zusammen mit der Gewissens- und Religionsfreiheit vorgesehen ist. Art. 13 (2) AMRK verbietet ausdrücklich die Vorzensur bei der Ausübung der in Absatz 1 garantierten Rechte. 2. Schranken Die in Art. 13 (1) AMRK garantierten Rechte sind nicht absolut, sondern unterliegen den in Art. 13 (2) AMRK vorgesehenen Beschränkungsmöglichkeiten zum Schutz der Rechte und des Rufes anderer oder der inneren Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Volksgesundheit oder der Moral. Art. 13 (3) AMRK verbietet aber die mittelbare Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung durch Methoden oder Mittel zur Behinderung der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit wie beispielsweise missbräuchliche staatliche oder private Kontrollen von Zeitungspapier, Rundfunkfrequenzen oder Geräten zur Informationsverbreitung. Als weitere Schranke für die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit gilt Art. 13 (5) AMRK, der ähnlich wie Art. 20 IPBPR ein Verbot der Kriegspropaganda und des Eintretens für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, das zu widerrechtlicher Gewalttätigkeit oder zu anderen ähnlichen widerrechtlichen Handlungen gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen z. B. der Rasse, Hautfarbe oder Religion anstachelt, verankert. Das Recht auf Gegendarstellung ist nach Art. 14 AMRK gewährt. Die AMRK enthält eine Notstandsklausel. Ähnlich wie der IPBPR und die EMRK ist das Recht auf Meinungsäußerungs-, Informations- und Pressefreiheit nicht notstandsfest nach Art. 27 (2) AMRK.

V. Die Arabische Charta der Menschenrechte Die arabische Welt, diese ereignisträchtige Region, die von Dauerkriegen und politischen Katastrophen geplagt wird, bietet leider auf dem Niveau der Ausgestaltung von Normen weniger Schutz für Kriegskorrespondenten. Am 15. September 1994 hat der Rat der Arabischen Liga694 durch die Resolution 5437 die Arabische Charta der Menschenrechte angenommen. Die Charta wurde im Mai 2004 revidiert. Die revidierte Fassung ist am 30. Januar 2008 in Kraft getreten.695 In der Präambel bekräftigt die Charta den Glauben an die Menschenwürde, die 694 Die Arabische Liga wurde am 22. März 1945 gegründet. Ihr Sitz ist in Kairo und sie gilt als eine der ältesten regionalen Organisationen in der Welt. Die Hauptziele der Liga sind die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten in politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht sowie die friedliche Konfliktbeilegung, die Bewahrung der Unabhängigkeit der Mitgliedsstaaten und die Behandlung der arabischen Angelegenheiten im Allgemeinen. Die Liga besteht aus 21 arabischen Staaten und der PLO. Siehe dazu Shehab (Fn. 476), S. 421 ff. 695 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 2009, S. 396.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Grundsätze der Brüderlichkeit und die Gleichheit aller Menschen und erkennt die enge Beziehung zwischen den Menschenrechten und dem Weltfrieden an. Die Präambel weist auch auf die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Bestimmungen des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte hin. Im Vergleich mit der Version von 1994, die lediglich in Art. 26 der Charta die Meinungsfreiheit neben der Religions- und Gedankenfreiheit in der sehr kurzen Formulierung „Jeder hat das Recht auf Religions-, Gedanken- und Meinungsfreiheit.“696, vorgesehen hatte, bietet der Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 der überarbeiteten Version von 2004 ausdrücklich einen besseren Schutz für die Rechte auf Informationsfreiheit, Meinungsfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit. Art. 32 Abs. 1 schützt auch die Freiheit, sich ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen durch alle Verständigungsmittel zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben. Das Recht auf Pressefreiheit ist im Wortlaut des Art. 32 nicht ausdrücklich erwähnt. Es ist aber implizit geschützt. Die in Art. 32 Abs. 1 gewährleisteten Rechte und Freiheiten dürfen gemäß Art. 32 Abs. 2 nur im Rahmen der wesentlichen Gesellschaftsprinzipien ausgeübt werden und dürfen nur eingeschränkt werden, wenn dies zur Achtung des Rufs und der Rechte anderer oder zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit oder der Moral notwendig ist.697 Verfahren für Individual- oder Staatenbeschwerde sind nach der Charta bislang nicht vorgesehen.698 Ein arabischer Gerichtshof für Menschenrechte ist auch nicht vorgesehen. Ein effektiver Durchsetzungsmechanismus besteht in der überarbeiteten Version bislang nicht. In fast allen arabischen Staaten unterliegen Pressefreiheit und Presseunternehmen immer noch vielen Restriktionen, komplizierten Genehmigungsverfahren für Presseunternehmen, wie auch strengen Gesetzen und Freiheitsstrafen zur Einschüchterung von Journalisten. Daher ist zur Förderung der Menschenrechte, einschließlich der Pressefreiheit in der arabischen Welt, noch viel zu tun. Aber das Licht am Ende des Tunnels wird sichtbar. Die arabische Welt befindet sich derzeit im Umbruch. Besonders nach den letzten revolutionären Bewegungen und dem Absturz einiger Regime in 2011 in mehreren arabischen Staaten wurden viele Schritte auf dem Weg der Demokratisierung und Pressefreiheit auf Drängen der arabischen Völker unternommen. Die Artikel 50, 51 und 52 der Arabischen Charta der Menschenrechte von 2004 sehen ausdrücklich die Möglichkeit von Abänderungen oder das Hinzufügen von Fakultativprotokollen zu der Charta vor. Das öffnet die Tür für die Ver696 Deutsche Übersetzung des Art. 26 der Arabischen Charta der Menschenrechte von 1994, abgedruckt in: Bundeszentrale für politische Bildung (Fn. 503), S. 572. 697 Siehe die überarbeitete Version der Arabischen Charta der Menschenrechte von 2004, abrufbar über die Webseite der Arabischen Liga: http://www.arableagueonline.org/wps/portal/ las_en/home_page/!ut/p/c5/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP0os3gXy8CgMJMgYwO LYFdLA08jF09_X28jIwN_E6B8JG55C3MCuoNT8_TDQXbiNwMkb4ADOBro-3nk56bqFRGVHjqOioCAKQoUKM!/dl3/d3/L2dBISEvZ0FBIS9nQSEh/, abgerufen am 12.05. 2012. 698 Vgl. Stein/von Buttlar (Fn. 695), S. 397.

C. Regionale Konventionen zur Pressefreiheit

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besserung der Charta und die Förderung der Menschenrechte in der arabischen Welt z. B. durch die Errichtung eines arabischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Gewährleistung des Rechts auf Erhebung einer Individualbeschwerde im Fall der Verletzung einer der in der Charta garantierten Rechte und Freiheiten.

VI. Die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker Neben dem IPBPR bietet die Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker ein zusätzliches Schutzmittel für Kriegskorrespondenten in Afrika. Auf dem Gipfeltreffen der Organisation der Afrikanischen Einheit699 in Monrovia 1979 wurde der Generalsekretär der Organisation beauftragt, ein Expertentreffen zum Zweck der Ausarbeitung eines Entwurfes einer afrikanischen Charta für Menschenrechte auszurichten. In Banjul konnte man sich 1981 auf einen endgültigen Entwurf einigen, der auf der Gipfelkonferenz in Nairobi im selben Jahr einmütig angenommen wurde.700 Nach der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls von 1998 wurde ein Fortschritt auf dem Weg der Förderung der Menschenrechte auf dem schwarzen Kontinent durch die Errichtung eines Afrikanischen Menschenrechtsgerichtshofs in Addis Abeba erzielt.701 Einzelpersonen und NGOs können einen Fall gemäß Art. 5 Abs. 3 des Protokolls direkt beim Afrikanischen Gerichtshof einreichen, wenn der betreffende Staat die entsprechende Zuständigkeit des Gerichtshofs durch eine Unterwerfungserklärung gemäß Art. 34 Abs. 6 des Protokolls abgegeben hat.702 Für die Kriegskorrespondenten und die Pressefreiheit ist Art. 9 der Charta besonders relevant. Er lautet wörtlich: „(1) Jedermann hat das Recht auf Information. (2) Jedermann hat das Recht, im Rahmen der Gesetze seine Meinung zu äußern und zu verbreiten.“703 699

Die Organisation der Afrikanischen Einheit wurde am 25. Mai 1963 in Addis Abeba gegründet. Die Ziele der Organisation sind Förderung der afrikanischen Einheit, Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten, Förderung der internationalen Zusammenarbeit und Schutz der Souveränität, der territorialen Integrität und der Unabhängigkeit der Mitgliedstaaten. Mit dem Inkrafttreten der Gründungsakte der Afrikanischen Union am 25. Mai 2001 wurde die Organisation der Afrikanischen Einheit in die neue Union umgewandelt. Die neue Afrikanische Union übernimmt im Kern die Institutionen der alten Organisation. Außerdem hat die Afrikanische Union neue Organe, wie das Panafrikanische Parlament und den Gerichtshof, geschaffen. Siehe Ipsen (Fn. 109), S. 542. 700 Siehe Gornig (Fn. 41), S. 333. 701 Kimminich/Hobe (Fn. 406), S. 140. 702 Siehe dazu Bortfeld, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte, 2005, S. 139. 703 Deutsche Übersetzung des Art. 9 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker von 1981, abgedruckt in: Bundeszentrale für politische Bildung (Fn. 503), S. 534.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Augenfällig ist, dass der Text im Vergleich mit Art. 19 AEMR, Art. 19 IPBPR, Art. 10 EMRK und Art. 13 AMRK sehr kurz ist und deswegen zu Schwierig-keiten bei der Auslegung führen kann. 1. Schutzbereich Art. 9 Abs. 1 der Charta gewährleistet nur die passive Informationsfreiheit, indem jede Person das Recht hat, Informationen zu empfangen. Darüber hinaus begründet der Absatz keinen Informationsanspruch des Einzelnen gegen den Staat.704 Die Freiheit, Informationen zu suchen oder zu verbreiten, ist hier nach dem Wortlaut des Abs. 1 nicht erfasst. Nach Art. 9 Abs. 2 ist das Recht auf Meinungsäußerung und Meinungsverbreitung, also auch die Freiheit der Informationsverbreitung geschützt. Von einer aktiven Informationsbeschaffung oder Gewährleistung dieser Freiheiten über die Grenzen hinweg ist keine Rede. Die Pressefreiheit ist nur implizit geschützt. 2. Schranken Art. 9 enthält keine Schrankenklausel. Die in dem Artikel gewährleisteten Rechte und Freiheiten finden aber ihre Schranken im Rahmen des Gesetzesvorbehaltes. Nach Art. 27 Abs. 1 der Charta hat jede Person Pflichten gegenüber ihrer Familie und ihrer Gesellschaft, dem Staat und der internationalen Gemeinschaft. Art. 27 Abs. 2 konstatiert, dass die Rechte und Freiheiten jedes Einzelnen unter Berücksichtigung der Rechte anderer, der kollektiven Sicherheit, der Moral und des öffentlichen Interesses ausgeübt werden. Andere Schranken bezüglich der Pressefreiheit können auch Art. 28 und Art. 29 der Charta entnommen werden. Nach Art. 28 der Charta ist jeder verpflichtet, die Mitmenschen zu achten. Nach Art. 29 ist jeder verpflichtet, die Eltern zu achten, die Sicherheit seines Staates nicht zu kompromittieren, internationale und nationale Solidarität zu erhalten und zu stärken, die nationale Unabhängigkeit und territoriale Integrität seines Landes zu bewahren und zu stärken, positive afrikanische kulturelle Werte in den Beziehungen zu anderen Mitgliedern zu bewahren und zu stärken. Wie man merkt, enthalten die Art. 27, 28 und 29 zahlreiche Begriffe, die viele Auslegungen ertragen können, mit denen die Behörden, wenn sie es intendieren, das Recht auf Pressefreiheit und somit auch Rechte der Kriegskorrespondenten nach der Charta untergraben können.

704

Vgl. Wilke (Fn. 158), S. 198.

D. Einreise, Bewegungsfreiheit und Ausweisung von Kriegskorrespondenten

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D. Einreise, Bewegungsfreiheit und Ausweisung von Kriegskorrespondenten Wer sich informieren will, muss reisen und sich frei bewegen können. Das gehört zur Berufsausübung des Journalismus. Besonders die Kriegskorrespondenten und die Auslandskorrespondenten sind diejenigen unter den Journalisten, die am meisten durch bürokratische Hürden betroffen sind. Das Einreisevisum muss beantragt und genehmigt werden. Die Visumserteilung ist nicht immer eine Selbstverständlichkeit.705 Dabei ist es häufig so, dass einem Kriegskorrespondenten die Erteilung eines Visums verweigert wird, ihm eine Ausweisungsverfügung übermittelt wird oder seine Bewegungsfreiheit in einem Land eingeschränkt wird. Solche Maßnahmen gehören zum Werkzeugkasten der Mittel, deren sich die Behörden eines Staates zur Belohnung oder Bestrafung bzw. Einschüchterung von Journalisten bedienen. Kriegskorrespondenten, die sich in fremden Staaten, insbesondere solchen, die von diktatorischen Regimen regiert werden, aufhalten, müssen sich immer überlegen, welche Folgen möglicherweise ein kritischer Kommentar oder Artikel oder die Kontaktierung eines Mitglieds einer illegalen Opposition auf das weitere Verbleiben im Land oder auf den nächsten Besuch haben kann. An dieser Stelle wird der Frage nachgegangen, ob es Regeln im Völkerrecht gibt, auf die sich der Kriegskorrespondent als Ausländer bei der Beantragung des Einreisevisums oder gegen eine ungerechtfertigte Ausweisungsverfügung berufen kann. Anschließend wird auch geprüft, ob es diesbezüglich völkerrechtliche Sonderregeln für Journalisten gibt.

I. Einreise von Ausländern einschließlich der Kriegskorrespondenten nach den Regeln des Völkerrechts Der Begriff „Ausländer“ ist in der Regel nach den Gesetzen der Staaten legal definiert. Gemäß § 2 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes des deutschen Rechts ist beispielsweise Ausländer jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist.706 Die folgende Darstellung geht der Frage nach, ob und inwieweit ein Staat einen Ausländer in sein Staatsgebiet lassen muss oder abweisen darf. Dieser Frage wird zunächst im Lichte der Regeln des allgemeinen Völkerrechts und anschließend im Rahmen der Menschenrechtsverträge nachgegangen.

705 706

Wagner (Fn. 77), S. 160. Siehe § 2 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes, BGB1. 2008 I, S. 165.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

1. Einreise von Ausländern nach allgemeinem Völkerrecht Als Ausgangspunkt für die Untersuchung stellt sich die Frage, ob der Staat nach den Regeln des allgemeinen Völkerrechts verpflichtet ist, Ausländer in seine Territorien einreisen zu lassen. Diese Frage ist seit jeher ein Gegenstand der Debatte im Völkerrecht. Nach De Vattel hat der Souverän das Recht, Ausländer im Allgemeinen oder in Einzelfällen oder bestimmte Personen zurückzuweisen, wenn er das angebracht findet. Das Verbot stammt hier von den souveränen Rechten des Herrschers und muss von den Anderen respektiert werden. Aus Angst vor moralischer Korruption verweigerten die Chinesen Ausländern die Einreise in das Imperium.707 Der Souverän darf auch die Einreise von Bedingungen abhängig machen.708 Er soll aber dieses Recht nicht missbrauchen, indem er einem Ausländer die Einreise oder den Aufenthalt in das eigene Territorium ohne einen guten Grund verbietet.709 Nach der Meinung von Bluntschli ist kein Staat berechtigt, Fremden überhaupt das Betreten seines Gebietes zu untersagen und das Land vom allgemeinen Verkehr abzusperren, weil der Schutz des friedlichen Verkehrs innerhalb der Menschheit eine völkerrechtliche Pflicht sei. Folglich lehnt er die alte Lehre ab, die den Staaten aufgrund der Souveränität das Recht zuspricht, alle Fremden auszuschließen.710 Jedoch sind die Staaten – nach seiner Meinung – berechtigt, einzelne Fremde aus Gründen der staatlichen Ordnung und Sicherheit oder des öffentlichen Wohls auszuschließen. Bis auf diese Ausnahme stände die Ausschließung im Widerspruch zu dem völkerrechtlichen Grundsatz des freien Verkehrs.711 Zu den Anhängern des Grundsatzes des freien Verkehrs gehört auch von Liszt. „Aus dem Grundbegriffe des Völkerrechts, der gegenseitigen Anerkennung der Staaten als Glieder einer großen Staatengemeinschaft, ergibt sich die Eröffnung des Landes für die Staatsangehörigen aller Verbandsstaaten.“712

Er unterscheidet jedoch zwischen Staaten als Mitgliedern einer großen Staatengemeinschaft und Staaten, die sich nicht vollkommen der Völkerrechtsgemeinschaft angeschlossen haben. Im Verkehr mit in der Völkerrechtsgemeinschaft nicht vollkommen integrierten Staaten beruhe die Erschließung des Landes auf besonderen Vereinbarungen, wie Fremdenniederlassungsverträgen. Der Staat könne auch den Eintritt in sein Gebiet denjenigen Personen versagen, die für Sicherheit und Ordnung gefährlich werden könnten.713

707 708 709 710 711 712 713

De Vattel, The Law of Nations, 1834, S. 169. Ebd., S. 171. Ebd., S. 184. Bluntschli, Das moderne Völkerrecht, 1872, S. 223. Ebd., S. 223. von Liszt, Das Völkerrecht, 1925, S. 170. Ebd., S. 171 und 179.

D. Einreise, Bewegungsfreiheit und Ausweisung von Kriegskorrespondenten

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Im Völkergewohnheitsrecht besteht bislang keine Pflicht, Ausländern die Einreise in das eigene Hoheitsgebiet zu gestatten. Diese Regel gilt unabhängig davon, ob es um einen unbefristeten oder befristeten Aufenthalt im Hoheitsgebiet oder lediglich um eine Durchreise geht.714 Gewährt ist nur die Einreise in den eigenen Staat. Es ist allgemein anerkannt, dass jeder Staat kraft seiner Souveränität selbst darüber entscheiden kann, unter welchen Voraussetzungen ein Ausländer in sein Gebiet einreisen darf.715 Die Staaten können sich aber durch multilaterale oder bilaterale Verträge über Personenverkehr verpflichten, die Einreise oder den Aufenthalt der Staatsangehörigen der Vertragsparteien zu erleichtern. Einen Rechtsanspruch auf Einreise hat der Ausländer nur in Ausnahmefällen.716 2. Einreise von Ausländern nach Menschenrechtsverträgen Trotz der Entwicklung der Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht findet sich in den Katalogen der Menschenrechte bislang kein Recht auf Einreise in ein fremdes Land. Ein Einreiserecht in ein fremdes Land findet sich nicht in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Art. 13 Abs. 1 der Erklärung lautet: „Jeder Mensch hat das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl seines Wohnsitzes innerhalb eines Staates.“717

Wie man dem Wortlaut entnimmt, ist die beanspruchte Freizügigkeit nur innerhalb der Staatsgrenzen garantiert, wo man lebt. Nach Art. 13 Abs. 2 AEMR hat jeder Mensch das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen, sowie in sein Land zurückzukehren. Die Allgemeine Erklärung begründet somit keinen Anspruch auf Einreise in ein fremdes Land. Ein Recht auf Einreise ist auch in den Menschenrechtskonventionen nicht niedergelegt.718 Gemäß Art. 12 Abs. 1 IPBPR hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Artikel begründet hier nur ein Recht auf Freizügigkeit und macht dieses von der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes in einem Land abhängig. Selbst diese Freizügigkeit darf gemäß Art. 12 (3) IPBPR zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Volksgesundheit, der öffentlichen Sitt-

714

Hailbronner, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzhum (Hrsg.), Völkerrecht, 2004, S. 227; Ipsen (Fn. 109), S. 810. 715 Siehe Bogdan, Admission of Foreign Tourists and the Law of Nations, ZaöRV, B. 37, 1977, S. 86; Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 1960, S. 378; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 1984, S. 799. 716 Frowein, Schlußbericht zum Heidelberger Kolloquium über die Rechtsstellung von Ausländern nach staatlichem Recht und Völkerrecht, in: Frowein/Stein (Hrsg.), die Rechtsstellung von Ausländern nach staatlichem Recht und Völkerrecht, Bd. II, 1987, S. 2070. 717 Art. 13 (1) AEMR wurde zitiert nach Sartorius II, (Stand: Oktober 2006), Nr. 19. 718 Bogdan (Fn. 715), S. 88.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

lichkeit und der Rechte und Freiheiten anderer eingeschränkt werden.719 Die Vorschrift begründet dagegen kein allgemeines Recht auf Einreise in einen anderen fremden Staat. Während der Diskussionen des UN-Menschenrechtsausschusses 1985/1986 über den „Draft General Comment on the Position of Aliens under the Covenant“ erwähnten die Mitglieder des Ausschusses, dass die Staaten nicht verpflichtet seien, Ausländer in ihre Staatsgebiete einzulassen.720 Das Bestimmungsrecht des Staates darüber zu entscheiden, wer seine Grenzen überquert, bleibt dem Staat überlassen. Dieses Recht wird nur durch das so genannte Refoulement-Verbot bei drohender Gefahr schwerer Menschenrechtsverletzung eingeschränkt, soweit die nationale Sicherheit des Staates dadurch nicht gefährdet wird.721 Gemäß Art. 33 (1) der UN-Flüchtlingskonvention von 1951 sind die Vertragsstaaten verpflichtet, Flüchtlinge über die Grenzen von Gebieten, in denen ihr Leben bedroht ist, nicht auszuweisen oder zurückzuweisen.722 Ein Recht auf Einreise ist nur in das eigene Land gemäß Art. 12 Abs. 4 IPBPR gewährt. Der Ausdruck „das eigene Land“ wird weit ausgelegt. Damit gewährleistet Art. 12 (4) das Recht auf Einreise in das eigene Land nicht nur für die Staatsangehörigen, sondern auch für die Staatenlosen und die ausländischen Immigranten, die für lange Zeit in einem Gastland gelebt und ihre Beziehung zu dem Vaterland abgebrochen haben.723 Art. 12 Abs. 2 IPBPR gewährt das Recht auf Verlassen jedes Landes, einschließlich des eigenen. Dieses Recht ist in der Praxis keine Selbstverständlichkeit.724 Das Beispiel der DDR und der Staaten Osteuropas vor dem Zusammenbruch des Kommunismus und der Berliner Mauer zeigt, dass es Staaten gibt, die ihren eigenen Staatsangehörigen das Recht auf Ausreise aus politischen Gründen verweigern.725 Politische oder religiöse Gründe können aber in der Regel keine legitime Rechtfertigung sein, das Individuum an der Ausreise zu hindern.726 Gemäß Art. 12 (3) IPBPR darf das Recht auf Ausreise eingeschränkt werden, wenn dies gesetzlich vorgesehen und zum Schutz der großen legitimen Interessen des Staates, wie dem Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Volksgesundheit, notwendig ist. Beispiele sind die Einschränkung oder der Entzug der Freiheit

719

Siehe Art 12 IPBPR, BGB1. 1973 II, S. 1539. Yearbook of the Human Rights Committee 1985/1986, S. 375 und 437. 721 Stein, Aufenthalt und aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber Fremden, in: Hailbronner (Hrsg.), Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts, 2000, S. 58. 722 Art. 33 (1) des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGB1. 1953 II, S. 572. 723 Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights, 1989, S. 220. 724 Siehe dazu Hofmann, Die Ausreisefreiheit nach Völkerrecht und Staatlichem Recht, 1988, S. 57. 725 Nowak (Fn. 723); U.N. Covenant on Civil and Political Rights, S. 204. 726 Jagerskiold, The Freedom of Movement, in: Henkin (ed.), The International Bill of Rights, 1981, S. 178. 720

D. Einreise, Bewegungsfreiheit und Ausweisung von Kriegskorrespondenten

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einer Person aufgrund einer Gerichtsentscheidung oder die Hinderung von Personen, den Staat zu verlassen, bevor sie die Wehrpflicht erfüllen.

II. Ausweisung von Ausländern einschließlich der Kriegskorrespondenten Die Ausweisung ist eine Dauerbeschwerde von Kriegskorrespondenten, die im Ausland arbeiten. Beispielsweise wurden im Irak zu Beginn des Golfkrieges 1991 alle ausländischen Journalisten bis auf den CNN-Kriegskorrespondent Peter Arnett ausgewiesen.727 Dieses Problem verdient deshalb besondere Beachtung. Im Folgenden wird untersucht, ob das Völkerrecht in solchen Fällen irgendeine Art von Schutz bietet. Nach Oppenheim/Lauterpacht sind die Staaten im Allgemeinen berechtigt, Ausländer von ihren Territorien auszuweisen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Ausländer sich seit kurzer oder langer Zeit im Land aufhält oder einen Beruf ausübt oder nicht.728 Nach dieser Ansicht ist die Ausweisung von Ausländern, welche die Staatangehörigkeit der Feindstaaten besitzen, in Zeiten der Kriege gerechtfertigt.729 Nach von Liszt ist jeder Staat berechtigt, Ausländer, die sich bereits auf seinem Gebiet befinden, auszuweisen. Die Ausweisung muss aber zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlich sein.730 Im Völkerrecht gibt es bis heute kein allgemeines Verbot der Ausweisung, sofern es sich nicht um eine kollektive Ausweisung handelt, weil diese die individuellen Verhältnisse nicht berücksichtigen kann. Eine Ausnahme hiervon bildet das gewohnheitsrechtlich und völkervertragsrechtlich geltende Verbot der Ausweisung einer Person unmittelbar oder mittelbar in einen Staat, in dem ihr politische Verfolgung oder nicht politisch motivierte schwerste Menschenrechtsverletzungen drohen.731 Die grundsätzliche Freiheit des Staates zur Ausweisung von Ausländern einschließlich der Kriegskorrespondenten ist einigen Schranken unterworfen, welche die relevanten völkerrechtlichen Verträge und auch das Völkergewohnheitsrecht vorsehen. Die Vertragsstaaten verpflichten sich z. B. durch Niederlassungsverträge, Handels- und Freundschaftsverträge, aber auch durch Menschenrechtsverträge, Ausländern den Aufenthalt zu gestatten, d. h. sie nicht ohne Grund auszuweisen.732 727 Neuber, Erstes Opfer: Pressefreiheit, in: Palm/Rötzer (Hrsg.), Medien Terror Krieg, 2002, S. 126. 728 Lauterpacht (ed.), Oppenheim’s International Law, Vol. I, Peace, 1955, S. 691. 729 Ebd., S. 693. 730 von Liszt (Fn. 712), S. 180. 731 Siehe Art. 33 (1) des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGB1. 1953 II, S. 572. 732 Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts und das deutsche Verfassungsrecht, 1963, S. 394.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Jedoch behalten sich die Staaten immer das Recht vor, z. B. aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diesen Aufenthalt zu beenden. Verdross/Simma nannten folgende Ausweisungsgründe: Störungen der inneren Ordnung, strafbare Handlungen, Beleidigungen des Aufenthaltsstaats oder fremder Staaten, politische Umtriebe und auch ansteckende Krankheiten.733 Als Ausweisungsgründe kommen bei Kriegskorrespondenten, die Störung der inneren Ordnung, die Beleidigung des Aufenthaltsstaates oder fremder Staaten und politische Umtriebe in Betracht. Solche Gründe, wenn sie wirklich vorliegen, können eine Ausweisung rechtfertigen. Die Störung der inneren Ordnung als Ausweisungsgrund darf aber nicht so weit ausgelegt werden, dass die Staatsbehörden jede unliebsame Kritik eines Journalisten als Störung der inneren Ordnung klassifizieren können. Art. 13 IPBPR räumt dem Staat das Recht ein, einen Ausländer, der sich rechtmäßig in seinem Staatshoheitsgebiet aufhält, nur aufgrund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung auszuweisen. Der Artikel verbietet die Ausweisung als solche nicht. Er macht sie aber von bestimmten Verfahrensgarantien abhängig, um eine willkürliche Ausweisung zu vermeiden. Art.13 behandelt somit grundsätzlich nur das Verfahren und nicht die materiellen Gründe der Ausweisung.734 Von diesen Verfahrensgarantien profitieren nur die ausländischen Kriegskorrespondenten, die sich rechtmäßig in einem Land aufhalten. Kriegskorrespondenten, die illegal ins Land eingereist sind oder deren Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist, sind vom Schutzbereich des Artikels nicht erfasst. Ist jedoch die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts selbst strittig, finden die Verfahrensgarantien des Art. 13 IPBPR Anwendung.735 Im Fall der Auslieferung finden auch andere völkerrechtliche und nationale Bestimmungen Anwendung.736 Um eine willkürliche Ausweisung zu vermeiden ist der Staat verpflichtet, der betroffenen Person, sofern nicht zwingende Gründe der nationalen Sicherheit entgegenstehen, Gelegenheit zu geben, die gegen ihre Ausweisung sprechenden Gründe vorzubringen und diese Entscheidung durch die zuständige Behörde nachprüfen und sich dabei vertreten zu lassen. Das bedeutet, dass der betroffene Kriegskorrespondent einen Anspruch auf rechtliches Gehör hat, um ihm die Gelegenheit zu geben, sich gegen seine Ausweisung vor der zuständigen Behörde zu verteidigen und Rechtsmittel einzulegen. Er darf sich auch eines Rechtsanwalts zu diesem Zweck bedienen. Das alles muss der betroffenen Person gewährt werden, sofern nicht zwingende Gründe der nationalen Sicherheit entgegenstehen. In der Praxis rechtfertigten die Staaten oft die Ausweisung sowie die Missachtung dieser Verfahrensgarantien mit Gründen der nationalen Sicherheit. Dieser Grund soll eng ausgelegt und nur in ernsten Fällen, in denen einer Nation tatsächlich militärische oder politische Gefahren drohen, angewandt werden. Sonst 733 734 735 736

Verdross/Simma (Fn. 715), S. 279. Yearbook of the Human Rights Committee 1985/1986, S. 437. Ebd., S. 437. Ebd., S. 437.

D. Einreise, Bewegungsfreiheit und Ausweisung von Kriegskorrespondenten

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werden die Verfahrensgarantien in Art. 13 IPBPR sinnlos, wenn die Staaten sich auf Gründe der nationalen Sicherheit, die in der Realität nicht überzeugend und auch nicht zwingend sind, berufen, um eine Ausweisung oder die Abweichung von den Garantien des Art. 13 IPBPR zu rechtfertigen.737 Nur in gefährlichen Situationen wie z. B. im Fall der Spionage oder des Terrorismus dürfen die Betroffenen ohne Beachtung dieser Verfahrensgarantien ausgewiesen werden.738 Eine Ausweisung, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist willkürlich und somit auch völkerrechtswidrig. Anders als in der EMRK gibt es in Art. 13 IPBPR kein ausdrückliches Verbot der kollektiven Ausweisung. Jedoch stellte der UN-Menschenrechtsausschuss in seinem Allgemeinen Kommentar über die Position der Ausländer unter dem IPBPR fest, dass eine kollektive Ausweisung einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Artikels 13 IPBPR darstellt, welche die Ausweisung von bestimmten Verfahrensgarantien abhängig machen.739 Der Ausdruck „kollektive Ausweisung“ erweckt oft den Eindruck, dass mit einer solchen Ausweisung Akte der Massenvertreibung von Tausenden Personen gemeint sind. Eine solche Auslegung ist in diesem Zusammenhang sehr eng. Es geht hier grundsätzlich nicht um die Zahl, sondern eher um die Nichtberücksichtigung der individuellen Verhältnisse. In der EMRK kann die Ausweisung eines Ausländers, der sich rechtmäßig auf den Territorien eines Staates aufhält, nur unter den Bedingungen des Art. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK erfolgen. Der Artikel sieht vor, dass eine ausländische Person, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, aus diesem Staat nur aufgrund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung ausgewiesen werden darf.740 Als Schutzgarantien muss der ausländischen Person gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchstaben a), b) und c) gestattet werden, Gründe vorzubringen, die gegen ihre Ausweisung sprechen, ihren Fall prüfen zu lassen und sich zu diesem Zweck vor der zuständigen Behörde vertreten zu lassen. Unter einer „zuständigen Behörde“ kann sowohl eine Verwaltungs- als auch eine Gerichtsbehörde verstanden werden.741 Vom Schutzbereich der Vorschrift ist nur die Ausweisung und nicht die Auslieferung erfasst. Der Artikel betrifft die Ausländer, die sich rechtmäßig in einem Konventionsstaat aufhalten. Ausländer, die in einem Hafen oder Flughafen angekommen sind und die Einreisekontrolle noch nicht passiert haben, werden vom Schutzbereich des Artikels nicht erfasst. Der Ausdruck „rechtmäßig“ verweist auf das staatliche Recht. Ein Ausländer hält sich rechtmäßig in einem Staat auf, wenn er die Bedingungen erfüllt, die für seinen Aufenthalt ausgesprochen sind und die Aufenthaltserlaubnis noch nicht abgelaufen ist.742 Als Beschränkung kommt Art 1 (2) des Protokolls Nr. 7 zur EMRK zur Anwendung, der die Ausweisung eines Ausländers erlaubt, bevor er 737

Castan/Joseph, The International Covenant on Civil and Political Rights, 2004, S. 383. Yearbook of the Human Rights Committee 1985/1986, S. 437. 739 Ebd., S. 437. 740 Siehe Art. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK, abgedruckt in: Sartorius II, (Stand: Oktober 2006), Nr. 135. 741 Frowein/Peukert (Fn. 603), S. 857. 742 Siehe Meyer-Ladewig (Fn. 615), S. 380. 738

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

seine Rechte nach Abs. 1 Buchstaben a), b) und c) ausgeübt hat, wenn die Ausweisung im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erfolgt. Gemäß Art. 3 (1) des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK ist die Ausweisung eigener Staatsangehörige aus dem eigenen Land unzulässig. Das Zugangsrecht zum eigenen Staat ist auch nur für die eigenen Staatsangehörigen gesichert.743 Verboten nach Art. 4 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK ist die kollektive Ausweisung von Ausländern. Kollektive Ausweisungen sind Ausweisungen, bei denen eine Einzelprüfung nicht stattfindet, sondern die betroffenen Personen oder Personengruppen nach generellen Kriterien, etwa der Religion, der Rasse, der Nationalität oder der Hautfarbe, ausgewiesen werden.744 Eine Ausweisung von Ausländern kann auch aufgrund der Art der Durchführung völkerrechtswidrig sein. Als typisches Beispiel dafür gilt hier unnötige Härte, mit der die Ausweisung durchgeführt wird. Die Erzwingung durch die Polizei, Verhaftung usw. sind nur gerechtfertigt, wenn der Betroffene das Land binnen der bestimmten Frist nicht freiwillig verlässt.745 Somit kann man feststellen, dass es jedem Staat überlassen ist, darüber zu entscheiden, wer seine Grenzen überqueren darf. Jeder Staat hat auch ein ähnliches Recht, Ausländern – einschließlich der Kriegskorrespondenten –, die sich legal oder illegal auf seinem Territorium befinden, den weiteren Aufenthalt zu untersagen, d. h. über ihre Ausweisung zu entscheiden. Jedoch zeigt sich aus der Darstellung, dass es leichter ist, den Zugang zu einem Staat zu verweigern als den Aufenthalt in einem Staat zu beenden. Im Vergleich zu der Zulassung von Ausländern zum Staatsgebiet sind die Staaten nicht so frei bei der Beendigung des Aufenthalts Fremder. Das liegt nicht nur an nationalen Gesetzen, die in einigen Ländern einen Ausweisungsschutz vorsehen, sondern auch an völkerrechtlichen Regeln, welche die Ausweisung von Ausländern von bestimmten Verfahrensgarantien abhängig machen.746 Hieraus ergibt sich, dass Menschenrechtsverträge wie der IPBPR und die EMRK nur eine Art des Schutzes vor willkürlicher Ausweisung gewähren. Sie machen die Ausweisung von bestimmten Verfahrensgarantien abhängig. Sie behandeln aber nicht die materiellen Gründe einer Ausweisung. Jedoch gilt die Ausweisung eines Kriegskorrespondenten nur wegen z. B. eines kritischen Kommentars oder Artikels oder der Kontaktierung eines Mitglieds in einer illegalen Opposition als Verstoß gegen Art. 19 IPBPR und Art. 10 EMRK, die jedermann die Rechte auf Meinungsäußerungs-, Informations- und Pressefreiheit garantieren. Somit kann man sagen, dass eine individuelle oder kollektive Ausweisung von ausländischen Kriegskorrespondenten von einem Staat nur mit der Absicht, Kriegskorrespondenten 743 744 745 746

Art. 3 (2) des Protokolls Nr. 4 zur EMRK, BGB1. 1968 II, S. 424. Frowein/Peukert (Fn. 603), S. 850. Berber (Fn. 715), S. 388. Stein (Fn. 721), S. 60.

D. Einreise, Bewegungsfreiheit und Ausweisung von Kriegskorrespondenten

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an der Berichterstattung über bestimmte Ereignisse zu hindern, einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Menschenrechtskonventionen wie des IPBPR und der EMRK darstellen kann. Die Rechtfertigung einer solchen individuellen oder kollektiven Ausweisung mit den Bedürfnissen der nationalen Sicherheit oder der physischen Sicherheit der Kriegskorrespondenten selbst, wäre in vielen Fällen nicht ausreichend.

III. Bewegungsfreiheit im Ausland und in Kampfgebieten Art. 12 (1) IPBPR und 13 (1) AEMR gewähren die Freizügigkeit der Personen in den Staaten, in denen sie sich rechtmäßig aufhalten. Diese Freizügigkeit kann insbesondere für Ausländer, einschließlich der Kriegskorrespondenten, bestimmten Schranken unterworfen werden.747 Im Allgemeinen Kommentar über die Position der Ausländer stellte der UN-Menschenrechtsausschuss fest, dass die Zulassung von Ausländern ins eigene Territorium von bestimmten Bedingungen über die Bewegung und den Aufenthalt abhängig gemacht werden darf.748 Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Ausländer, die ohne Bedingungen in ein Land eingereist sind und sich in diesem Land rechtmäßig aufhalten, muss im Einklang mit Art. 12 (3) IPBPR gerechtfertigt werden.749 Es reicht nicht aus, dass die einschränkende Maßnahme einem legitimen Zweck dient. Die Maßnahme muss auch notwendig, geeignet und verhältnismäßig sein. Eine Maßnahme ist unverhältnismäßig, wenn das geschützte Interesse nicht im Verhältnis zum zugefügten Schaden steht.750 Nach Art. 2 Abs. 1 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK genießen die Staatsangehörigen und die Ausländer, die sich im Hoheitsgebietsgebiet eines Staates aufhalten, Bewegungsfreiheit.751 Der Wortlaut des Artikels macht keinen Unterschied zwischen Ausländern und Staatsangehörigen. Ausländer genießen das Recht auf Bewegungsfreiheit aber nur, wenn und solange sie das Recht zum Aufenthalt im Staat haben.752 Die Vorschrift verpflichtet die Vertragsstaaten nicht zur Gestattung der Einreise, sondern macht die Freizügigkeit von der Zulassung zum Staatsgebiet abhängig.753 In der Praxis passiert es aber oft, dass die Aufenthaltsrechte der Ausländer eingeschränkt werden.754 Art. 2 Abs. 3 des 4. Protokolls zur EMRK sieht die Möglichkeit, die Bewegungsfreiheit einzuschränken, nur vor, wenn das gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen 747 Art. 12 IPBPR, BGB1. 1973 II, S. 1539; Art. 13 AEMR, abgedruckt in Sartorius II, (Stand: Oktober 2006), Nr. 19. 748 Yearbook of the Human Rights Committee 1985/1986, S. 437. 749 Ebd., S. 375. 750 Castan/Joseph (Fn. 737), S. 362. 751 Art. 2 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK, BGB1. 1968 II, S. 424. 752 Frowein/Peukert (Fn. 603) S. 845. 753 Geck, die verhinderte Demonstration, JuS, 23. Jahrgang, 1983, S. 130. 754 Strunz, Die Freizügigkeit der Personen in der Europäischen Union, 2004, S. 41.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

oder öffentlichen Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Der Schutz dieser Werte wird innerstaatlich durch Gesetze, beispielsweise durch Ausländergesetze gewährleistet. Bei Ausländern, deren Aufenthalt nur in einem bestimmten Gebiet gestattet ist, ist der Aufenthalt nur rechtmäßig, wenn sie die Bedingungen des Aufenthalts einhalten.755 Für Kriegskorrespondenten ergibt sich das Recht auf Bewegungsfreiheit auch aus den Bestimmungen der Menschenrechte über Presse- und Informationsfreiheit, die auch während der bewaffneten Konflikte anwendbar sind. Das Recht auf Bewegungsfreiheit wird in Konfliktgebieten in der Regel aus Gründen der nationalen Sicherheit, des Schutzes der Zivilpersonen und der militärischen Notwendigkeit eingeschränkt. Aber die gegen Journalisten ergriffenen Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit müssen erforderlich und angemessen sein. Sonst stellen sie einen Verstoß gegen das Recht der Journalisten auf Zugang zu Informationen gemäß Art. 19 (2) IPBPR und Art. 19 AEMR dar. Art. 79 ZP I gewährt Journalisten als Zivilisten nur einen humanitären Schutz. Er sagt nichts über die Bewegungsfreiheit der Journalisten in Konfliktgebieten. Jedoch weist er auf die gefährliche Natur ihrer Arbeit in Kriegsgebieten hin. Dieser Hinweis ist wichtig, weil das humanitäre Völkerrecht Bestimmungen über die Entfernung von Zivilpersonen von der Umgebung militärischer Ziele enthält. Die Vertragsstaaten sind gemäß Art. 58 (a) ZP I verpflichtet, sich zu bemühen, die Zivilbevölkerung, einzelne Zivilpersonen und zivile Objekte, die ihrer Herrschaft unterstehen, aus der Umgebung militärischer Ziele zu entfernen. Soll das bedeuten, dass die Kriegsparteien Journalisten als Zivilisten den Zugang zur Umgebung militärischer Ziele verweigern sollen, um sie vor Kriegsgefahren zu schützen? Eine solche Pflicht ist im Fall der Zivilpersonen im Allgemeinen erforderlich. Aber im Fall der Kriegskorrespondenten, deren Arbeit die Anwesenheit in gefährlichen Gebieten erfordert, ist die Entfernung aus der Umgebung militärischer Ziele nur, um sie zu schützen, in der Regel unangemessen.756 Gemäß Art. 49 GK IV „kann die Besatzungsmacht eine vollständige oder teilweise Räumung einer bestimmten besetzten Gegend durchführen, wenn die Sicherheit der Bevölkerung oder zwingende militärische Gründe es erfordern.“757

Eine vollständige oder teilweise Räumung umfasst sicherlich auch die Zugangsverweigerung. Die Entfernung von Kriegskorrespondenten mit dem Zweck, Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder der Menschenrechte zu verbergen, stellt keinen zwingenden militärischen Grund im Sinne des humanitären Völkerrechts dar und kann somit nicht durch Bestimmungen des humanitären Völkerrechts 755

Meyer-Ladeweg (Fn. 615), S. 380. Geiß, The Protection of Journalists in Armed Conflicts, German Yearbook of International Law, Vol. 51, 2008, S. 302. 757 Siehe Art. 49 GK IV, BGB1. 1954 II, S. 933. 756

D. Einreise, Bewegungsfreiheit und Ausweisung von Kriegskorrespondenten

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gerechtfertigt werden.758 Daraus folgt aber, dass Kriegskorrespondenten sich in einer Konfliktzone nicht beliebig bewegen können. Sie müssen den Anweisungen und den Befehlen der militärischen Behörden folgen.759 Aber auch das Recht der Staaten, Kriegskorrespondenten aus Kriegszonen zu entfernen, ist Beschränkungen unterworfen.

IV. Sonderregelungen für Kriegskorrespondenten Nachdem die Darstellung gezeigt hat, dass Fragen der Einreise von Ausländern in die Staatsgebiete zu den souveränen Rechten der Staaten gehören, und dass es kein allgemeines Verbot der Ausweisung von Ausländern gibt, fragt sich, ob die relevanten internationalen Bestimmungen über die Pressefreiheit einen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt in einem fremden Land oder Schutz vor Ausweisung begründen können. Die Existenz einer solchen Bestimmung wäre für die Berufsausübung von Auslandskorrespondenten notwendig, insbesondere Kriegsberichterstatter, die meistens der Gnade der Staatsbehörden ausgeliefert sind. Es ist kein Geheimnis, dass Behörden in Krisengebieten, insbesondere in Staaten, in denen diktatorische Regime herrschen, Fragen des Visums und Aufenthalts benutzen, um Journalisten zu kontrollieren und zu beeinflussen. In Betracht kommen hier Art. 19 IPBPR und Art. 19 AEMR sowie die relevanten Bestimmungen in regionalen Menschenrechtskonventionen wie Art. 10 EMRK. Art. 19 (2) IPBPR gewährt das Recht, sich ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben. Die Frage ist nun: kann Art. 19 (2) IPBPR, insbesondere die Worte „ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen“, so ausgelegt werden, dass Journalisten unter Berücksichtigung der in Art. 19 (3) IPBPR vorgesehenen Einschränkungsmöglichkeiten grundsätzlich einen Anspruch auf Einreise in die Mitgliedstaaten haben? Der Wortlaut und der Zweck der Bestimmungen des Art. 19 IPBPR sprechen eigentlich für eine solche Auslegung. Die Freiheit, sich ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben ist jedermann gewährleistet. Für Kriegskorrespondenten ist der Genuss dieser Rechte besonders wichtig für ihre Berufsausübung. Die Hinderung eines Journalisten an der Einreise begrenzt praktisch seine Freiheit, sich Informationen zu beschaffen. Die Nichtzulassung von Journalisten in das Territorium eines Staates erfolgt meist als Maßnahme gegen ausländische Journalisten, die unerwünschte Nachrichten übermittelt oder unliebsame Ansichten vertreten haben. Eine Maßnahme, die nur darauf abzielt, Journalisten, die z. B. unerwünschte Nachrichten oder Kommentare schreiben, an der Einreise zu hindern, kann gegen Art. 19 IPBPR und die Kommentare des UN-Menschenrechtsausschusses in diesem Zusammenhang verstoßen.760 Aber gegen eine solche Auslegung spricht, dass der 758 759 760

Geiß (Fn. 756), S. 303. Vgl. Pilloud (Fn. 140), S. 5. Castan/Joseph (Fn. 737), S. 523.

176

3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Schutz der Presse als Beruf in Art. 19 IPBPR fehlt. Die Pressefreiheit selbst ist auch nicht ausdrücklich erwähnt. Dagegen spricht auch die Tatsache, dass der IPBPR kein Recht für Ausländer im Allgemeinen, unabhängig vom Reisezweck, auf Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gewährt. Das gleiche kann auch in Bezug auf Art. 19 AEMR gesagt werden. Obwohl Art. 10 EMRK ebenso wie Art. 19 IPBPR und AEMR die Pressefreiheit nicht ausdrücklich erwähnt, betonte aber der EGMR in vielen seiner Entscheidungen, die Journalisten betrafen, die besondere Bedeutung der Pressefreiheit in einer demokratischen Gesellschaft.761 Art. 10 EMRK wurde so ausgelegt, dass er auch die Berufsausübung des Journalisten schützt.762 Ähnlich wie bei dem IPBPR spricht gegen einen Anspruch des Journalisten auf Einreise in die Territorien eines Konventionsstaats die Tatsache, dass die EMRK kein Recht für Ausländer auf Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats enthält. Zudem spricht die Staatenpraxis gegen einen solchen Anspruch.763 Trotz ihrer unverbindlichen Natur enthalten einige Erklärungen und Akte internationaler und regionaler Organisationen und Konferenzen Empfehlungen zum Schutz und zur Erleichterung der Arbeit der Journalisten bezüglich z. B. der Visumserteilung, Aufenthaltsgenehmigung, Bewegungsfreiheit und Ausweisung. Wie oben dargestellt wurde, sind die Schlussakte und Erklärungen der KSZE/OSZE seit 1975 ein prominentes Beispiel dafür.764

E. Zusammenfassung Die Darstellung zeigt, dass das Verhältnis der allgemeinen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts kein gegenseitiges Ausschlussverhältnis ist, sondern eines der Verschränkung und parallelen Anwendung. Die Menschenrechtskonventionen gelten in Kriegszeiten und in besetzten Gebieten fort, soweit die Regeln des humanitären Völkerrechts es zulassen. Anderenfalls werden die Regeln der Menschenrechte durch das spezielle humanitäre Völkerrecht verdrängt. Nach der Praxis des UN-Menschenrechtsausschusses in den letzten Jahren und der Meinung des IGH sind die Vertragsstaaten an die Regeln des IPBPR in Kriegszeiten und besetzten Gebieten auch im Ausland gebunden, vorausgesetzt, dass der Staat Herrschaftsgewalt oder effektive Kontrolle dort ausübt. Nach der Rechtsprechung des EGMR gilt die EMRK in Ausnahmefällen extraterritorial. Die extraterritoriale Geltung der EMRK bietet ein zusätzliches effektives Schutzmittel für Kriegskorrespondenten in Fällen, in denen die Voraussetzungen der Jurisdiktionsbegründung eines Konven761 762 763 764

Siehe oben, 3. Kapitel, C. I. 4. a) dd); siehe auch Frowein/Peukert (Fn. 603), S. 393. Marauhn (Fn. 618), S. 79. Vgl. Geck (Fn. 753), S. 133. Siehe oben, 3. Kapitel, C. III.

E. Zusammenfassung

177

tionsstaats erfüllt sind. Die Fortgeltung der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten und die kumulative Anwendung von beiden Rechtssystemen tragen zur Verbesserung des Schutzes von Kriegskorrespondenten und zur Schließung von Lücken des humanitären Völkerrechts bei. Das hat zur Folge, dass die aus Menschenrechtskonventionen folgenden Schadenersatzansprüche auch mit der Eröffnung des Geltungsbereichs des humanitären Völkerrechts Anwendung finden. Da die Regeln des humanitären Völkerrechts Kriegskorrespondenten nur im Rahmen einer humanitären Dimension schützen, ist auf die Regeln der Menschenrechte abzustellen, um Rechte der Kriegskorrespondenten auf Presse- und Informationsfreiheit zu gewähren. Auf internationaler Ebene schützen Artikel 19 AEMR und IPBPR die Rechte auf Meinungs-, Meinungsäußerungs-, Informations- und Pressefreiheit. Diese Rechte sind auch durch relevante Bestimmungen von regionalen Menschenrechtskonventionen wie Art. 10 EMRK, Art. 13 AMRK, Art. 32 der Arabischen Charta der Menschenrechte und Art. 9 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker geschützt. Wie festgestellt wurde, bietet die EMRK auf regionaler Ebene ein effektiveres Schutzsystem im Vergleich mit anderen Konventionen. Die Bestimmungen zur Pressefreiheit schützen journalistische Tätigkeiten wie z. B. Durchführung von Interviews, Notierung von Informationen, Filmaufnahmen und Nachrichtensendung. Diesen Bestimmungen kann auch entnommen werden, dass Kriegskorrespondenten einen Anspruch auf Mitnahme der journalistischen Ausrüstungen wie Kameras und Kassetten zum Zweck der Durchführung von journalistischen Aufträgen in Konfliktgebieten haben. Die Ausübung dieser Rechte ist aber mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Die Pflichten und die Verantwortung der Journalisten enthalten u. a. die ehrliche, präzise und neutrale Darstellung von Fakten und Nachrichten. Bei bewaffneten Konflikten bestehen besondere Sorgfaltspflichten, insbesondre wenn Ansichten veröffentlicht werden sollen, die Aufrufe zum Hass oder zur Gewalt enthalten. Die Kriegskorrespondenten sind grundsätzlich verpflichtet, die Wahrheit ihrer Informationen zu überprüfen. Die Jagd nach „scoop“, die auf Kosten der Qualität und der Richtigkeit der Informationen erfolgt, kann einen Verstoß gegen die Pflichten und die Verantwortung der Journalisten darstellen. Das Recht auf Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit ist in Kriegszeiten ein Gegenstand der Beschränkung. Angesichts der wichtigen Rolle, die die Presse in einer demokratischen Gesellschaft spielt, sind die vorgesehenen Eingriffszwecke wie in Art. 19 (3) IPBPR und Art. 10 (2) EMRK eng auszulegen und dürfen nicht zur Aushöhlung des ganzen Rechts führen. Nach der Rechtsprechung des EGMR lässt Art. 10 (2) EMRK nur einen geringen Spielraum für Eingriffe in die politische Meinungsäußerung und Debatte über öffentliche Angelegenheiten zu, die ohne Zweifel Gegenstände der Kriegsberichterstattung umfassen. Die Darstellung zeigt, dass die Staaten nach den Regeln des Völkerrechts nicht verpflichtet sind, Ausländern einschließlich der Kriegskorrespondenten die Einreise in das eigene Territorium zu ermöglichen oder den Aufenthalt dort zu gewähren.

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3. Kap.: Die Pressefreiheit auf globaler und regionaler Ebene

Ausgenommen davon sind Staaten, die sich aufgrund bilateraler oder multilateraler Verträge – wie die Verträge der EU und Niederlassungs- oder Freundschaftsverträge – verpflichten, Freizügigkeit und Aufenthalt von ausländischen Personen unter Berücksichtigung bestimmter Voraussetzungen zu gewähren oder zu erleichtern. Grundsätzlich gilt das Gleiche auch bei der Ausweisung von Ausländern einschließlich der Kriegskorrespondenten. Jedoch ist die Freiheit des Staates zur Ausweisung einigen Schranken durch völkerrechtliche Verträge und durch Völkergewohnheitsrecht unterworfen. Die Berufung auf die relevanten Bestimmungen in den Menschenrechtskonventionen wie Art. 19 IPBPR, Art. 19 AEMR und Art. 10 EMRK wäre nicht ausreichend, um einen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt in ein fremdes Land zu begründen. Das Recht auf Bewegungsfreiheit von Personen, die sich rechtmäßig in einem Land aufhalten, ist völkerrechtlich garantiert. Für Kriegskorrespondenten ergibt sich das Recht auf Bewegungsfreiheit auch aus den Bestimmungen der Menschenrechte über Presse- und Informationsfreiheit. Es kann aber bestimmten Schranken, die gesetzlich vorgesehen sind, unterworfen sein. Die Bemühungen der KSZE/OSZE in den siebziger und achtziger Jahren bezüglich der Absicherung von Journalisten bieten ein gutes Beispiel für die Versuche der Weltgemeinschaft, Journalisten, die ihren Beruf im Ausland oder in Krisengebieten ausüben, bessere Arbeitsbedingungen zu gewähren. Das Resultat der Bemühungen der KSZE/OSZE waren z. B. Vereinbarungen über die Erleichterung der Erteilung von Visa und der Ausgabe von Aufenthaltsbewilligungen für Journalisten aus den Teilnehmerstaaten sowie die Verbesserung der Möglichkeiten des Zugangs zu Informationsquellen für Journalisten und die Nichtausweisung von Journalisten, welche ihren Beruf legitim ausüben. Die Schlussakte der KSZE/OSZE sind nicht verbindlich. Sie haben aber einen moralischen Wert. Auch die Aktivitäten der UNESCO sind ein weiteres Beispiel für die Bemühungen der internationalen Organisationen zum Schutz der Pressefreiheit, des freien Informationsflusses und der Arbeitsbedingungen der Journalisten. In Kenntnis ihrer Verantwortung hat sich die UNESCO aufgrund ihrer Verfassung als „Forum für Probleme der modernen Welt“765 und in Anerkennung der Bedeutung der Medien bemüht, Probleme und Schwierigkeiten der Medien zu behandeln. Hierzu wurden durch die UNESCO auch in der Periode des Kalten Krieges vielfältige Foren, Round Tables, Meetings und Konferenzen organisiert, auf denen unterschiedliche Auffassungen, divergierende Ideologien und kontroverse Interessen eingebracht wurden, wobei das Verständnis über die Rolle der Medien unterschiedlich war. Das Ergebnis war eine von Kompromissen getragene Mediendeklaration. Die Bemühungen der UNESCO, insbesondere die Mediendeklaration von 1978 und der MacBride Bericht von 1980, haben der Informations- und Pressefreiheit im Allgemeinen einen Impuls

765

261.

Mitterand, Ein Forum für Probleme der modernen Welt, UNESCO heute 1991, S. 258 –

E. Zusammenfassung

179

verliehen.766 Nach dem Ende des Kalten Krieges scheinen die Chancen für Vereinbarungen zum Schutz der Journalisten besser zu stehen. Die von der UNESCO verabschiedeten Resolutionen und Empfehlungen entfalten aber keine rechtliche Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten.767

766 Vgl. Lee, Peace and the Press: Media Rules during U.N. Peacekeeping Operations, Vanderbilt Journal of Transnational Law, Vol. 30, 1997, S. 157 – 159. 767 Breunig (Fn. 551), S. 28.

Viertes Kapitel

Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht Die völkerrechtlichen Pflichten des Individuums sind das logische und notwendige Korrelat zu den durch das Völkerrecht dem Individuum eingeräumten Rechten.768 Der Rechtsgrundsatz, dass die Rechte des einen durch die Rechte des anderen beschränkt sind, enthält eine Pflicht und bedeutet, dass das Individuum auf die Rechtssphäre des Mitmenschen achten muss. Kriegskorrespondenten als Individuen haben nach den Regeln des Völkerrechts nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.

A. Aussagen vor internationalen Strafgerichten Im Rahmen ihrer Berufsausübung bekommen Kriegskorrespondenten viele Ereignisse in Konfliktgebieten mit. Sie sehen viel und hören auch viel über Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen. Sie suchen Nachrichten und berichten dann über viele der Sachverhalte, die sie gesehen oder von denen sie gehört haben. Im Zuge ihrer Tätigkeiten kontaktieren sie nicht nur Opfer des Konflikts, sondern auch Täter. Als Journalisten sind sie aufgefordert, das Berufsgeheimnis zu wahren. Bevor auf die Rechtsprechung von internationalen Strafgerichtshöfen zur Frage des Zeugnisverweigerungsrechts von Kriegskorrespondenten eingegangen wird, soll die Frage anhand einiger Beispiele der nationalen und regionalen Rechtsprechung in Kürze beleuchtet werden.

I. Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten auf nationaler Ebene „Die vereinbarte Vertraulichkeit ist grundsätzlich zu wahren.“769

So lautet Ziffer 5 des Pressekodexes des Deutschen Presserates. Der Grundsatz der Vertraulichkeit ist aber nicht bindend, wenn die Information ein Verbrechen betrifft und eine Pflicht zur Anzeige besteht. Die Vertraulichkeit bindet auch nicht, wenn ein wichtiges staatspolitisches oder großes öffentliches Interesse an Information vorliegt, welches das Interesse des Informanten oder des Journalisten an 768

Lauterpacht (Fn. 489), S. 45. Ziffer 5 des Pressekodexes des Deutschen Presserates ist abrufbar unter: http://www.pres serat.info/index.php?id=26, abgerufen am 18.05. 2012. 769

A. Aussagen vor internationalen Strafgerichten

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Geheimhaltung überwiegt.770 Der Grundsatz der Vertraulichkeit, wie er am Beispiel des Pressekodexes des Deutschen Presserates dargestellt wurde, findet in den nationalen Gesetzen vieler Staaten Ausdruck und gilt deswegen als einer der wichtigen Grundsätze der Berufsausübung in der ganzen Welt.771 Im deutschen Recht steht es dem Journalisten nach § 53 (1) Nr. 5 StPO zu, Namen und Wohnort eines Informanten oder Inhalte einer Mitteilung im Strafprozess geheim zu halten.772 Die Regel ist eine einfachgesetzliche Ausprägung des Grundrechts der Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.773 Die Funktionsfähigkeit der Presse als Institution und öffentlicher „Wachhund“ in einer demokratischen Gesellschaft erfordert als eine Grundvoraussetzung den Schutz journalistischer Informationsquellen und des Redaktionsgeheimnisses. Nach Ansicht des deutschen Bundesverfassungsgerichts gehört zur Pressefreiheit „ein gewisser Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und privaten Informanten.“774 Dieser Schutz ist unentbehrlich für den Informationsfluss und somit für die Funktionsfähigkeit der Presse, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich darauf verlassen kann, dass das „Redaktionsgeheimnis“ gewahrt bleibt.775 Die Pflicht, als Zeuge in einem Strafverfahren auszusagen, ist eine normale Bürgerpflicht in einem demokratischen Rechtsstaat. Das Zeugnisverweigerungsrecht bedeutet, dass ein Zeuge von der allgemeinen Zeugnispflicht enthoben werden kann. Er hat demnach das Recht, aus einzelnen in den Verfahrensordnungen ausdrücklich aufgeführten Gründen ausnahmsweise entgegen der allgemeinen Zeugnispflicht die Aussage vor Gericht zu verweigern. Die Gewährung dieses Rechts hat ihren Grund in der Abwägung zwischen der rechtsstaatlich gebotenen Wahrheitsfindung und dem Gebot der Rücksichtnahme auf die persönliche und berufliche Geheimnissphäre des betroffenen Zeugen.776 Trotz der sehr liberalen Einstellung gegenüber der Pressefreiheit im US-amerikanischen Ersten Verfassungszusatz (First Amendment) und in der Rechtsprechung gibt es dort kein föderales Gesetz, das Journalisten das Vorrecht eines Zeugnisverweigerungsrechts vor Gerichten gewährt. In einigen US-Staaten gibt es allerdings Gesetze, die ein Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten vorsehen.777 In seiner 770

Richtlinie 5. 1 – Vertraulichkeit (Fn. 769). Berman, Notes in Pursuit of Accountability: The Red Cross, War Corespondents, and Evedentiary Privileges in International Criminal Tribunals, New York University Law Review, Vol. 80, No. 1, 2005, S. 257; Buchanan, Freedom of Expression and International Criminal Law: An Analysis of the Decision to Create a Testimonial Privilege for Journalists, Victoria University of Wellington Law Review, Vol. 35, No. 3, 2004, S. 625. 772 Siehe dazu Roxin, Strafverfahrensrecht, 1995, S. 192. 773 Mensching, Das Zeugnisverweigerungsrecht der Medien, 2000, S. 17. 774 BVerfGE 20, S. 176; BVerfGE 36, S. 204. 775 BVerfGE 20, S. 176; BVerfGE 36, S. 204. 776 Mensching (Fn. 773), S. 14. 777 US-Supreme Court, Urteil vom 29. Juni 1972 im Fall Branzburg v. Hayes, United States Reports, Vol. 408 U.S. 665, 690 (1972). 771

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Entscheidung von 1972 im Fall Branzburg beschäftigte sich der US-amerikanische Supreme Court mit der Frage, ob die Anordnung, dass Journalisten vor Gericht auszusagen haben, eine Verletzung des Rechts auf Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit nach dem US-amerikanischen Ersten Verfassungszusatz (First Amendment) darstelle. Diese Frage verneinte die Mehrheit der Richter allerdings. Sie lehnten die Verleihung eines absoluten oder qualifizierten Zeugnisverweigerungsrechts für Journalisten in Strafsachen ab. In diesem Zusammenhang dürften Journalisten keine Privilegien genießen, die andere Bürger nicht haben. Das einzige Privileg, das aber auch für alle anderen Bürger gilt, ist das Verbot des Selbstbelastungszwangs, das in dem US-amerikanischen Fünften Verfassungszusatz (Fifth Amendment) vorgesehen ist. „We are asked to create another by interpreting the First Amendment to grant newsmen a testimonial privilege that other citizens do not enjoy. This we decline to do.“,

sagte Richter White dazu, der die Entscheidung der Mehrheit aussprach.778 Der Supreme Court stellte auch fest, dass Gerichte in dem „common law system“ die Existenz eines Privilegs für Journalisten, das sie berechtigen würde, vor Gericht die Preisgabe vertraulicher Informationen zu verweigern, fortlaufend abgelehnt habe.779 Das Gericht lehnte das Argument ab, dass ein Zeugniszwang vor Gericht den Informationsfluss beschädigen würde. Nach Ansicht des Gerichts bestehe kein Beweis, der zeigt, dass ein Zeugniszwang den Informationsfluss erheblich einschränken würde.780 Im gleichen Fall äußerten aber andere Richter eine abweichende Meinung für die Schaffung eines qualifizierten Zeugnisverweigerungsrechts für Journalisten. Nach Richter Stewart darf das Gericht die Vorladung eines Journalisten nur anordnen, wenn ein Anlass besteht, anzunehmen, dass der Journalist Informationen hat, die entscheidend für die Bestimmung über eine Rechtsverletzung sind, wenn diese Informationen nicht durch Alternativmaßnahmen ermittelbar sind, und wenn es ein zwingendes und überwiegendes Interesse an der Offenbarung dieser Informationen gibt.781 Der von Richter Stewart aufgestellte Maßstab ähnelt dem Maßstab des EGMR im Fall Goodwin gegen Großbritannien.782 Viele US-amerikanische Gerichte haben einen ähnlichen Maßstab aufgestellt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass keine Einigkeit über die Frage des Zeugnisverweigerungsrechts von Journalisten in der US-amerikanischen Rechtsprechung besteht.783 778

US-Supreme Court, Urteil vom 29. Juni 1972 im U.S. 665, 691. 779 US-Supreme Court, Urteil vom 29. Juni 1972 im U.S. 665, 686. 780 US-Supreme Court, Urteil vom 29. Juni 1972 im U.S. 665, 694. 781 US-Supreme Court, Urteil vom 29. Juni 1972 im U.S. 665, 744. 782 Siehe EGMR, Urteil vom 27. März 1996 im Fall tenzeichen Nr. 17488/90, (Fn. 626), Paragraph 39. 783 Buchanan (Fn. 771), S. 627.

Fall Branzburg v. Hayes, Vol. 408 Fall Branzburg v. Hayes, Vol. 408 Fall Branzburg v. Hayes, Vol. 408 Fall Branzburg v. Hayes, Vol. 408 Goodwin v. United Kingdom, Ak-

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II. Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten auf europäischer Ebene Die Rechtsprechung des EGMR bezüglich der Frage des Zeugnisverweigerungsrechts von Journalisten gilt im Vergleich zur Einstellung des US-amerikanischen Supreme Court als fortschrittlich, wie die Entscheidung des Gerichtshofes im Fall Goodwin/Großbritannien zeigt. Im Fall Goodwin stellte der EGMR in seiner Entscheidung vom 27. März 1996 fest, dass der Schutz journalistischer Informationsquellen als eine der Grundvoraussetzungen von Pressefreiheit gilt. Dieser Schutz ist für die Beschaffung von Informationen notwendig. „Without such protection, sources may be deterred from assisting the press in informing the public on matters of public interest.“784

Angesichts der großen Bedeutung des Schutzes von Informationsquellen für die Pressefreiheit in einer demokratischen Gesellschaft und der möglichen abschreckenden Wirkungen, die entstehen können, wenn ein Journalist gezwungen wird, seine journalistischen Informationsquellen zu offenbaren, stellt ein solcher Zwang einen Verstoß gegen Art. 10 EMRK dar, es sei denn, ein solcher Eingriff wird durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt.785 Eine ähnliche Position vertrat im selben Fall auch die Europäische Kommission für Menschenrechte. Nach ihrer Ansicht ist der Schutz journalistischer Informationsquellen ein notwendiges Mittel der Presse, damit sie ihre wichtige Aufgabe als „öffentlicher Wachhund“ in einer demokratischen Gesellschaft wahrnehmen kann.786 In mehreren Urteilen wie z. B. in seinem Urteil vom 22.11. 2007 zum Fall Voskuil/ Niederlande und in seinem Urteil vom 27.11. 2007 im Fall Tillack/Belgien bestätigte der EGMR seine Richtlinien über den Schutz journalistischer Informationsquellen, die er im Fall Goodwin/Großbritannien aufgestellt hatte. Dort stellte der Gerichtshof fest, dass ohne den Schutz journalistischer Informationsquellen Informanten abgeschreckt werden könnten, der Presse bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit über Angelegenheiten öffentlichen Interesses zu helfen. Die Folge wäre, dass die wichtige Aufgabe der Presse als „Wachhund“ erschwert und ihre Fähigkeit, genaue und verlässliche Informationen zu liefern, beschädigt würde.787 Die Einstellung des EGMR über die Schaffung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Journalisten fand Unterstützung durch Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarats über Journalisten. In der Empfehlung vom 8. März 2000 über das Recht der Journalisten, ihre Informationsquellen nicht zu offenbaren, stellte der 784 Siehe EGMR, Urteil vom 27. März 1996 im Fall Goodwin v. United Kingdom, Aktenzeichen Nr. 17488/90 (Fn. 626), Paragraph 39. 785 Ebd., Paragraph 39. 786 Ebd., Paragraph 64. 787 EGMR, Urteil vom 22. November 2007 im Fall Voskuil/Niederlande, Aktenzeichen Nr. 64752/01 (Fn. 626), Paragraph 65, S. 2564; EGMR, Urteil vom 27.11. 2007 im Fall Tillack/ Belgien, Aktenzeichen Nr. 20477/05 (Fn. 626), Paragraph 65, S. 2567.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Europarat fest, dass der Schutz journalistischer Informationsquellen eine Grundvoraussetzung für journalistische Arbeit und Pressefreiheit darstellt. Der Rat forderte die Mitgliedstaaten auf, Gesetze zu erlassen, die Journalisten explizit und eindeutig das Recht einräumen, ihre Informationsquellen im Einklang mit Art. 10 EMRK nicht zu offenbaren.788 Garantiert ist nach dieser Empfehlung nicht nur das Recht des Journalisten, die Identität seiner Informationsquellen nicht preiszugeben, sondern auch das Recht, faktische Umstände, unveröffentlichte Inhalte und relevante Daten von ihm selbst oder seinem Arbeitgeber nicht preiszugeben. Dieses Recht ist aber nicht absolut, sondern den Schranken des Art. 10 (2) EMRK unterworfen. Ein Gericht kann nämlich unter bestimmten Voraussetzungen die Offenbarung von vertraulichen Informationsquellen anordnen. Die Offenbarung wird für notwendig erachtet, wenn es sich als überzeugend erweist, dass das öffentliche Interesse an einer Offenbarung der journalistischen Quellen das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung der Informationsquelle überwiegt und es keine angemessene Alternativmaßnahme als die Offenbarung der journalistischen Quelle gibt. Dies bedeutet, dass das Gericht somit aufgefordert ist, alle anderen angemessenen Beweismittel auszuschöpfen, bevor es eine Offenbarung der journalistischen Quelle anordnet. Das öffentliche Interesse an der Preisgabe überwiegt also eindeutig das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung, – wenn es für das öffentliche Interesse einen ausreichend großen Bedarf an der Offenbarung gibt, – wenn die Sachlage entscheidend und ernsthaft ist, – und wenn die Notwendigkeit einer Offenbarung der Informationsquellen einem dringenden sozialen Bedarf entspricht.789 Die Empfehlung des Europarates zielt darauf ab, Rechtssicherheit bei Justiz, Polizei und auch bei Journalisten und ihren Informanten über den Schutz und die Vertraulichkeit journalistischer Informationsquellen und die Inhalte ihrer Mitteilungen zu schaffen. In der Empfehlung vom 26. September 2007 bestätigte das Ministerkomitee des Europarats in seinen Richtlinien über den Schutz der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Krisenzeiten die Prinzipien des Europarates von 2000. Die Empfehlung stellte auch fest, dass Journalisten nicht aufgefordert werden sollen, Informationen oder Material, das sie im Rahmen ihrer Berichterstattung von

788

Recommendation No. R (2000) 7 of the Committee of Ministers to member states on the right of journalists not to disclose their sources of information, abrufbar unter: https://wcd.coe. int/ViewDoc.jsp?id=342907&BackColorInternet=B9BDEE&BackColorIntranet=FFCD4F& BackColorLogged=FFC679, abgerufen am 14.05. 2012. 789 Recommendation No. R (2000) 7 of the Committee of Ministers to member states on the right of journalists not to disclose their sources of information (Fn. 788).

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Krisengebieten gesammelt haben, zur Verwendung in einem Gerichtsverfahren preiszugeben. Dies soll unter anderem ihrer Sicherheit dienen.790

III. Zeugnisverweigerungsrecht für Kriegskorrespondenten vor internationalen Strafgerichtshöfen Die Arbeit der Kriegskorrespondenten als eine Sonderform des Journalismus charakterisiert sich durch weitere Dimensionen, die den Schutz ihrer Informationsquellen mehr als notwendig machen. Diese Dimensionen betreffen besonders die persönliche Sicherheit des Kriegskorrespondenten, die Suche nach Informationsquellen in Konfliktgebieten und die Rolle der Kriegskorrespondenten bei der Aufdeckung von Kriegsverbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen. Die Einrichtung von internationalen Strafgerichtshöfen zur Verurteilung von Kriegsverbrechern und Tätern von schweren Menschenrechtsverletzungen ist nicht mehr nur ein Traum oder eine Frage des „wishful thinking“, sondern bereits Realität geworden. Die internationalen Gerichtshöfe verhandeln meist Fälle, über die die Medien bereits berichtet haben. Das bedeutet, dass Kriegskorrespondenten in nicht wenigen Fällen von den Gerichten als ernstzunehmende Augenzeugen betrachtet werden. In der Vergangenheit haben Kriegskorrespondenten bereits freiwillig vor dem Internationalen Tribunal für das ehemalige Jugoslawien Zeugnis abgelegt. Sie taten dies in dem Bewusstsein, moralisch dazu verpflichtet zu sein, über Verbrechen, die sie gesehen oder von denen sie gehört haben, auszusagen.791 Diese Ansicht teilen allerdings andere Journalisten nicht, die die Meinung vertreten, dass Aussagen vor Gericht im Widerspruch zu journalistischen Berufsgrundsätzen wie dem Grundsatz der Neutralität und ihrer Rolle als „Wachhund“ stünden. Die Teilnahme an der Beweisaufnahme vor Gericht würde nach ihrer Sicht die Fähigkeit der Journalisten, Informationen zu sammeln, einschränken. Denn ein häufiges Erscheinen von Kriegskorrespondenten als Zeugen vor Gericht würde auf Dauer bei Informanten zu Misstrauen ihnen gegenüber führen.792 Das Völkerrecht enthält keine ausdrücklichen Regeln über eine Privilegierung von Journalisten, wie es z. B. bei den Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz der Fall ist.793 Der Mangel an Privilegien 790 Guidelines of the Committee of the Council of Europe on protecting freedom of expression and information in times of crisis, 26. September 2007, abrufbar unter: https://wcd.coe. int/ViewDoc.jsp?id=1188493&Site=CM&BackColorInternet=9999CC&BackColorIntra net=FFBB55&BackColorLogged=FFAC75, abgerufen am 14.05. 2012. 791 Jones, Compelling War Correspondents to Testify: A Prerogative of International Criminal Tribunals?, Dalhousie Journal of Legal Studies, Vol. 15, 2006, S. 157. 792 Bernstein, Should War Reporters Testify, Too? Abrufbar unter: http://query.nytimes. com/gst/fullpage.html?res=9A04EFD6113AF937A25751C1A9649C8B63, abgerufen am 20.05. 2012. 793 Siehe ICTY, Beschluss der Appeals Chamber vom 11. Dezember 2002, Prosecutor v. Radoslav Brdjanin and Momir Talic´, Case No. IT-99-36-AR73.9, Decision on Interlocutory Appeal (Fn. 55), Paragraph 30 und 31.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

für Kriegskorrespondenten könnte ihnen Probleme verursachen. Die Weigerung, vor einem Gericht zur Aussagen zu erscheinen, könnte als Missachtung des Gerichts angesehen werden. Und das häufige Erscheinen als Augenzeugen vor Gericht könnte die persönliche Sicherheit der Kriegskorrespondenten gefährden.794 Das Fehlen einer regulierenden Norm offenbart eine weitere Lücke bezüglich der völkerrechtlichen Regeln über Kriegskorrespondenten und ihr Schutzsystem. Beispielsfälle in der internationalen Rechtsprechung über den Zwang von Kriegskorrespondenten, vor einem internationalen Strafgerichtshof auszusagen, gibt es kaum. Daher gewinnt die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien im Fall Talic´ eine besondere Bedeutung. 1. Der Fall Talic´ In diesem Fall beschäftigte sich der ICTY mit der Frage: Inwieweit darf ein internationaler Gerichtshof einen Kriegskorrespondenten dazu zwingen, vor einem Gerichtshof zu erscheinen, um über Informationen, die er als Kriegsberichterstatter gesammelt hat, Auskunft zu geben? a) Der Hintergrund des Falles Talic´ Jonathan Randal ist ein Kriegskorrespondent, der im Rahmen seiner Berichterstattung aus dem ehemaligen Jugoslawien Radislav Brdjanin, einen der Angeklagten, interviewt hatte.795 Brdjanin wurden u. a. Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwere Verletzungen der Genfer Konventionen von 1949 vorgeworfen.796 Am 11. Februar 1993 schrieb Randal in der Zeitung Washington Post einen Aufsatz mit dem Titel: „Preserving the Fruits of Ethnic Cleansing“.797 Der Aufsatz enthielt Aussagen des Angeklagten während des Interviews und seinen Namen. Während der Verhandlung des Falls erachtete die Anwaltschaft des Gerichtshofs den Aufsatz als relevant für die Vorwürfe gegen den Angeklagten. Die Verteidigung des Angeklagten lehnte aber die Einbeziehung des Aufsatzes ab und begründete die Ablehnung damit, dass die Aussagen des Angeklagten im Aufsatz nicht korrekt seien. Sollte der Gerichtshof den Aufsatz als Beweisdokument zulassen, müsste auch der Kriegskor794

McDonald, Under Fire: The Fight for the War Correspondent’s Privilege, Howard Law Journal, Vol. 47, 2003 – 2004, S. 134. 795 ICTY, Beschluss der Trial Chamber vom 7. Juni 2002, Prosecutor v. Radoslav Brdjanin and Momir Talic´, Case No. IT-99-36, Decision on Motion to Set Aside Confidential Subpoena to Give Evidence, Paragraph 1, abrufbar über die Webseite des ICTYunter: http://www.icty.org/x/ cases/brdanin/tdec/en/t020612.htm, abgerufen am 05.05. 2012. Im Folgenden: Beschluss der ICTY-Trial Chamber im Fall Talic´ vom 7. Juni 2002, Case No. IT-99-36. 796 Beschluss der ICTY-Appeals Chamber im Fall Talic´ vom 11. Dezember 2002, Case No. IT-99-36-AR73.9 (Fn. 55), Paragraph 4. 797 Beschluss der ICTY-Trial Chamber im Fall Talic´ vom 7. Juni 2002, Case No. IT-99-36 (Fn. 795), Paragraph 28.

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respondent als Augenzeuge für eine „cross examination“ vor dem Gerichtshof erscheinen. Da die Aussagen von Randal nachweisen könnten, dass der Angeklagte in Bezug auf die ihm zur Last gelegten Vorwürfe vorsätzlich handelte, entschied der Gerichtshof, den Kriegskorrespondenten zur Gerichtssitzung vorzuladen.798 Randal lehnte es jedoch ab, freiwillig vor dem Gerichthof als Augenzeuge zu erscheinen und stellte einen begründeten Antrag auf Befreiung von der Aussagepflicht. Die „Trial Chamber“ und „Appeals Chamber“ des ICTY sollten darüber entscheiden, ob Randal als Kriegskorrespondent ein qualifiziertes Vorrecht genießt und somit grundsätzlich nicht gezwungen werden darf, in Bezug auf das Interview, das er im Rahmen seiner Berufsausübung mit dem Angeklagten geführt hatte, vor dem Gerichtshof auszusagen. b) Entscheidung der ICTY-„Trial Chamber“ Nachdem die Trial Chamber in ihrer Entscheidung auf die wichtige Rolle der Kriegskorrespondenten bei der Aufdeckung von Kriegsverbrechen hingewiesen hatte, kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass es nicht einsichtig sei, wie die Unabhängigkeit und Objektivität der Kriegskorrespondenten durch eine Anordnung zur Aussage vor dem Gerichtshof beschädigt werden könnten, wenn ihre Aussagen wichtig seien und diese Aussagen auch bereits in einer Zeitung veröffentlicht wurden.799 Es ging hier also nicht um die Preisgabe journalistischer vertraulicher Informationen oder Quellen, weil Randal selbst die Informationen und den Namen seiner Quelle in der Zeitung veröffentlicht hatte.800 Der Gerichtshof konstatierte, dass er den Kriegskorrespondenten von einem Zeugnis vor Gericht nur befreien könnte, wenn die Informationen oder die Quelle vertraulich und nicht veröffentlicht wären.801 Die Trial Chamber betonte auch, dass es ein Schritt in die falschen Richtung und ein harter Rückschlag für die Pressefreiheit wäre, wenn der Gerichtshof einen niedrigeren Maßstab anwenden würde als denjenigen, welchen der EGMR in seiner Entscheidung im Fall Goodwin gegen Großbritannien aufgestellt hatte. Da es aber hier nicht um journalistische vertrauliche Informationen oder Quellen gehe, fände der Maßstab im Fall Goodwin keine Anwendung.802 Das Gericht war auch der Meinung, dass Kriegskorrespondenten nicht unnötigerweise vor Gericht zur Aussage gezwungen werden dürften, und dass ihre Vorladung in einer Weise erfolgen müsse, die ihre Arbeit nicht schädigt. Darüber soll allerdings von Fall zu Fall und unter Berücksichtigung und Abwägung der verschiedenen Interessen entschieden werden.803 Im vorliegenden Fall entschied der Gerichtshof, dass die veröffentlichten Aussagen des Angeklagten relevant und wichtig in der Sache sind. Somit seien auch die Aussagen von Randal wichtig und relevant. Daher wies die Trial Chamber den 798 799 800 801 802 803

Ebd., Paragraph 1 – 4. Ebd., Paragraph 26. Ebd., Paragraph 28. Ebd., Paragraph 31 und 32. Ebd., Paragraph 31. Ebd., Paragraph 27.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Antrag von Randal zurück.804 Gegen die Entscheidung der „Trial Chamber“ legte der Journalist Randal Berufung bei der „Appeals Chamber“ ein.805 c) Entscheidung der ICTY-„Appeals Chamber“ Zum Zwecke der Abgrenzung stellte die Appeals Chamber klar, dass ihre Entscheidung aufgrund der Natur ihrer Arbeit und der Risiken, die sie treffen, nur Kriegskorrespondenten betreffe, also eine kleine Gruppe unter den Journalisten. Die Appeals Chamber begann ihre Prüfung in der Sache mit der Aufstellung von drei Fragen, deren Beantwortung maßgeblich für ihre Entscheidung war. Der Gerichtshof hinterfragte erstens, ob es ein öffentliches Interesse an der Arbeit der Kriegskorrespondenten gibt. Dieser Frage stimmte der Gerichtshof zu. Weiter hinterfragte der Gerichtshof, ob der Zwang des Kriegskorrespondenten, vor einem Gericht auszusagen, abträgliche Auswirkungen auf seine Berufsausübung insgesamt haben würde. Diese Frage bejahte der Gerichtshof ebenfalls. Schließlich suchte der Gerichtshof nach einem Kriterium, das geeignet sei, eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Arbeit der Kriegskorrespondenten und dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung im Gerichtsverfahren sowie dem Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren, vorzunehmen.806 Ohne Bedenken bestätigte die Appeals Chamber, dass es ein großes öffentliches Interesse an der Arbeit der Kriegskorrespondenten gibt. Das Interesse der Gesellschaft am Schutz der Integrität eines Informationssammlungsprozesses sei besonders im Fall der Kriegskorrespondenten eindeutig. Es sei nicht nur die Aufgabe der Presse, Informationen und Ideen von öffentlichem Interesse zu verbreiten, sondern es bestehe auch ein Anspruch der Öffentlichkeit darauf, sie zu empfangen.807 Die Trial Chamber hatte keine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Objektivität der Kriegskorrespondenten durch den Zwang, über journalistische Informationen und Quellen, die bereits veröffentlicht wurden, vor Gericht auszusagen, angenommen.808 Die Appeals Chamber konstatierte, dass es unmöglich sei, mit Sicherheit festzustellen, ob und inwieweit die Unabhängigkeit und Objektivität der Kriegskorrespondenten durch diesen Zwang beeinträchtigt würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Gefahr tatsächlich eintrete, sei nicht einfach auszuschließen, weil es um veröffentlichte Informationen und nicht vertrauliche Quellen gehe, wie die Trial Chamber angenommen habe. Nach Ansicht der Appeals Chamber können die eventuellen Auswirkungen auf die Sicherheit der Kriegskorrespondenten sowie auf die Funktionsfähigkeit der Presse, Nachrichten zu sammeln, erheblich 804

Ebd., Paragraph 32 und 33. Beschluss der ICTY-Appeals Chamber im Fall Talic´ vom 11. Dezember 2002, Case No. IT-99-36-AR73.9 (Fn. 55), Paragraph 10. 806 Ebd., Paragraph 34. 807 Ebd., Paragraph 35 – 37. 808 Ebd., Paragraph 39. 805

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sein.809 Es sei nicht wichtig, ob die journalistischen Informationen und Quellen veröffentlicht oder bekannt sind oder nicht, sondern wichtig sei hier die Vorstellung, dass Kriegskorrespondenten dazu gezwungen werden könnten, vor Gericht über ihre journalistischen Quellen auszusagen. Die Appeals Chamber stellte deshalb fest, dass die Folgen eines Zeugnisses vor Gericht für den Interviewten schlimmer seien als eine Veröffentlichung des Interviewmaterials, da aufgrund des Zeugnisses vor Gericht der Interviewte im Falle seiner Verurteilung seine Freiheit verlieren könnte. Somit sei die Auswirkung eines Zeugnisses vor Gericht auf die persönliche Sicherheit des Kriegskorrespondenten und seine Fähigkeit als Journalist, Nachrichten zu sammeln, erheblicher als eine Veröffentlichung des Interviewmaterials. Der Kriegskorrespondent solle als unabhängiger Beobachter und nicht als eventueller Zeuge vor einem Strafgericht betrachtet werden. 810 Es gehe hier um nicht weniger als die institutionelle Eigenständigkeit der Presse und ihre Funktionsfähigkeit. Die Appeals Chamber konstatierte deshalb, dass „compelling war correspondents to testify before the International Tribunal on a routine basis may have a significant impact upon their ability to obtain information and thus their ability to inform the public on issues of general concern.“811

Nachdem die Appeals Chamber die ersten zwei Fragen beantwortet hatte, hinterfragte der Gerichtshof den Maßstab, der bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen anzuwenden wäre. Die Appeals Chamber lehnte den Maßstab ab, den die Trial Chamber angewendet hatte. Der von der Trial Chamber angewendete Maßstab der Relevanz (pertinence) erschien der Appeals Chamber nicht ausreichend, um das öffentliche Interesse an der Arbeit des Kriegskorrespondenten zu schützen. Das Wort „relevant“ (pertinent) sei so allgemein, dass es dem Kriegskorrespondenten nicht mehr Schutz als anderen Augenzeugen bieten würde.812 Der Gerichtshof lehnte aber auch die von Randal und den Berufsorganisationen, die Randal im Fall unterstützt haben, vorgeschlagenen Maßstäbe ab. Der Maßstab von Randal käme nahezu einem absoluten Vorrecht gleich und der Maßstab der Berufsorganisationen wäre wahrscheinlich zu streng.813 Daraufhin stellte die Appeals Chamber ihren eigenen Doppeltest vor, welchen die Trial Chamber nun vor einer Entscheidung über die Vorladung eines Kriegskorrespondenten vor Gericht anwenden muss. Nach diesem Maßstab soll der Gerichtshof im Vorfeld zwei Umstände prüfen. Erstens muss der Beweis, dem der Gerichtshof durch den Kriegskorrespondenten nachzufolgen sucht „of direct and important value in determining a core issue in the case“ sein. Das bedeutet, dass der Beweis einen unmittelbaren und bedeutenden Wert 809 810 811 812 813

Ebd., Paragraph 40. Ebd., Paragraph 43. Ebd., Paragraph 44. Ebd., Paragraph 47. Ebd., Paragraph 47.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

zur Entscheidung einer wesentlichen Frage im konkreten Fall haben muss. Zweitens sollte der Beweis „cannot reasonably be obtained elsewhere“ sein. Dies bedeutet, dass er nicht angemessen durch eine andere Quelle erlangt werden kann.814 Nach Ansicht der Appeals Chamber kann nur die Aufnahme eines Beweises, der einen unmittelbaren und bedeutenden Wert zur Entscheidung einer wesentlichen Frage im Fall hat und der nicht angemessen durch eine andere Quelle erlangt werden kann, den Zwang eines Kriegskorrespondenten, vor dem Internationalen Tribunal auszusagen, rechtfertigen. Die Anwendung dieses Kriteriums soll einerseits garantieren, dass das Gericht alle wichtigen Beweise zu der Sache aufnimmt. Andererseits soll dies auch verhindern, dass Kriegskorrespondenten unnötigerweise bei Gericht vorgeladen werden. Wenn der gesuchte Beweis durch andere Quellen als einen Kriegskorrespondenten ersetzt werden kann, dann muss der Gerichtshof dies zunächst mit den alternativen Quellen versuchen.815 Im vorliegenden Fall entschied die Appeals Chamber nicht, ob Randal aufgrund der Tatsachen im Fall dazu gezwungen werden könne, vor dem Gerichtshof auszusagen. Darüber müsse die Trial Chamber selbst entscheiden.816 Sollte die Anwaltschaft noch auf der Aussage von Randal bestehen, müsse dies durch einen neuen Antrag erfolgen.817 Der Gerichtshof stellte auch fest, dass die Einbeziehung des Aufsatzes von Randal als Beweismittel den Angeklagten nicht unbedingt beeinflussen würde, weil die Verteidigung des Angeklagten die Richtigkeit des Aufsatzes immer in Frage stellen kann und der Gerichtshof bei der Bewertung der Bedeutung des Aufsatzes als Beweismittel gegen den Angeklagten das Nichterscheinen von Randal berücksichtigen werde.818 d) Zweiter Antrag auf Vorladung des Journalisten Randal Nach der Entscheidung der Appeals Chamber beantragte die ICTY-Anwaltschaft erneut, dass die Trial Chamber das Erscheinen des Journalisten Randal als Zeuge aufgrund seines Artikels anordnet. Bei der Entscheidung über den neuen Antrag folgte die Trial Chamber dem Doppeltest der Appeals Chamber. Nachdem sie festgestellt hatte, dass die von der Appeals Chamber aufgestellten Kriterien nicht erfüllt waren, lehnte sie den Antrag der Anwaltschaft ab.819 Für die Trial Chamber war es nun schwierig geworden, von der Begründung der Appeals Chamber abzuweichen.820 814

Ebd., Paragraph 50. Ebd., Paragraph 48 – 50. 816 Ebd., Paragraph 51. 817 Ebd., Paragraph 55. 818 Ebd., Paragraph 53. 819 ICTY, Beschluss der ICTY-Trial Chamber im Fall Talic´ vom 30. Juni 2003, Prosecuter v. Brdjanin, Case No. IT-99-36, Decision on Prosecution’s Second Request for a Subpoena of Jonathan Randal, Paragraph 40, abrufbar über die Webseite des ICTY unter: http://www.icty. org/x/cases/brdanin/tdec/en/030630.htm, abgerufen am 05.05. 2012. 820 Ebd., Paragraph 29. 815

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2. Der ICTY-Beispielsfall und der Internationale Strafgerichtshof Durch die Entscheidung zum Zwang von Kriegskorrespondenten vor einem internationalen Strafgerichtshof auszusagen schuf der ICTYein qualifiziertes Vorrecht für Kriegskorrespondenten und einen Beispielsfall, der seine Wirkung auf die Rechtsprechung anderer internationalen Strafgerichthöfe hinterlassen wird. Da die ICTY-Appeals Chamber auch als die Appeals Chamber des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda (ICTR) fungiert, wäre es für eine Trial Chamber am ICTY oder ICTR sehr schwierig, in einem ähnlichen Fall über Journalisten anders zu entscheiden. Eine ähnliche Wirkung kann auch das ICTY-Urteil über Kriegskorrespondenten auf den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) haben. Auch wenn Entscheidungen des ICTY nicht bindend für den ICC sind, würde er es jedoch schwierig finden, von einem Maßstab des vom UN-Sicherheitsrat eingerichteten Strafgerichtshofs abzuweichen. Wie der Internationale Strafgerichtshof mit dieser Problematik umgehen wird, bleibt eine offene Frage, die der Internationale Strafgerichtshof durch seine Praxis in der Zukunft beantworten wird.821 Die Frage, die aber hier an dieser Stelle zu beantworten versucht wird, ist, ob der ICC dem ICTY-Maßstab über die Zeugnisablegung der Kriegskorrespondenten folgen soll. Diese Frage ist kompliziert, weil es um widerstreitende legitime Interessen geht. Deswegen sollte man sich nicht wundern, dass sie nicht nur unter Völkerrechtlern, sondern auch unter Journalisten selbst umstritten ist.822 Während der Ausarbeitung der Regeln für eine Verfahrens- und Beweisordnung des ICC gab es bereits Diskussionen darüber, ob man Journalisten ein ähnliches Vorrecht gewähren sollte wie den Mitgliedern des IKRK. Darüber herrschte aber keine Einigkeit. Deshalb wurde darauf verzichtet.823 Die Regel Nr. 73 (2) der Verfahrens- und Beweisordnung des ICC privilegiert allerdings solche Kommunikationen, die im Rahmen einer professionellen oder vertraulichen Beziehung stattfinden.824 Diese Regel erwähnt die Journalisten zwar nicht ausdrücklich, nach dem Wortlaut können aber Kontakte der Kriegskorrespondenten aufgrund des Grundsatzes der Vertraulichkeit erfasst werden. Komplizierter sind Fälle, in denen der Kriegskorrespondent seine Informationsquellen bereits veröffentlicht hat, wie es im Fall Randal war. Solche Fälle werden nicht von den jetzt existierenden Regeln der Beweisaufnahme des ICC erfasst. Die Verfahrens- und Beweisordnung des ICC enthält keine Regel, die den ICC an der Annahme des Maßstabs der ICTY-Appeals Chamber auch in Fällen wie bei Randal hindert. Selbst wenn die Richter des ICC im Vergleich mit den 821 Powles, To Testify or not to testify, Leiden Journal of International Law, Vol. 16, 2003, S. 522. 822 Jones (Fn. 791), S. 157. 823 Powles (Fn. 821), S. 523. 824 Siehe Regel Nr. 73 (2) der Verfahrens- und Beweisordnung des Internationalen Strafgerichtshofs, abrufbar unter: http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/F1E0AC1C-A3F3-4A3CB9A7-B3E8B115E886/140164/Rules_of_procedure_and_Evidence_English.pdf, abgerufen am 05.05. 2012.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Richtern des ICTY und ICTR einen geringeren Spielraum bezüglich der Aufstellung neuer Regeln haben, sind sie aber befugt, für Situationen, die nicht durch die Verfahrens- und Beweisordnung erfasst sind, neue Regeln im Einklang mit Art. 51 des Gerichtsstatuts aufzustellen.825 Der Maßstab der ICTY-Appeals Chamber gewährt den Kriegskorrespondenten kein absolutes Zeugnisverweigerungsrecht, sondern nur ein qualitatives Vorrecht. Das bedeutet, dass sie freiwillig vor Gericht erscheinen und aussagen können. Sie können aber auch zur Aussage gezwungen werden, wenn die Kriterien, welche die Appeals Chamber aufgestellt hat, erfüllt sind. Somit vernachlässigt der Maßstab auch nicht das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung im Gerichtsverfahren und das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren. Vielmehr berücksichtigt der Maßstab das öffentliche Interesse an der Arbeit der Kriegskorrespondenten. Die Öffentlichkeit besitzt ein starkes Interesse an der Pressefreiheit und ihrem Recht, Informationen zu empfangen, was besonders stark in Kriegszeiten ausgeprägt ist. Aber auch die internationale Strafjustiz ist an der Arbeit der Kriegskorrespondenten stark interessiert. Durch ihre Arbeit unterstützen die Kriegskorrespondenten die internationalen Strafgerichtshöfe bei der Aufdeckung vieler Kriegsverbrechen und bei der Strafverfolgung ihrer Täter. Wie der ICTY im Fall Talic´ erwähnte, wurden viele Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen erst durch die Arbeit der Kriegskorrespondenten ans Licht gebracht.826 Die durch die Aufdeckung von Kriegsverbrechen entstehenden Diskussionen in den Medien und deren Auswirkungen innerhalb der Weltöffentlichkeit leisten ohne Zweifel erhebliche Hilfe für die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den Widerstand der Staaten, die es aus Gründen der nationalen Souveränität ablehnen, dem Gerichtshof Angeklagte auszuliefern. Jede Gefährdung der Fähigkeit von Kriegskorrespondenten, Nachrichten zu sammeln, bedeutet auch eine mittelbare Einschränkung der Fähigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, von zahlreichen Kriegsverbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen Kenntnis zu erlangen und ihre Täter effektiv strafrechtlich verfolgen zu können. Betrachtet man das Interesse der internationalen Strafjustiz an der Arbeit der Kriegskorrespondenten neben dem Interesse der Öffentlichkeit an der Pressefreiheit als einem fundamentalen Menschenrecht und dem besonderen Interesse der Öffentlichkeit am Wissen über die Auswirkungen eines Krieges, kann man zu dem Ergebnis kommen, dass ein überwiegendes Interesse an der Verhinderung jeder Maßnahme besteht, welche die persönliche Sicherheit der Kriegskorrespondenten und ihre Suche nach Informationsquellen gefährden würde. Wie die ICTY-Appeals Chamber festgestellt hat, kann allein die Annahme, dass Kriegskorrespondenten zur Aussage gezwungen werden könnten, den Beruf des

825 Siehe Art. 51 des Gerichtsstatutes, BGB1. 2000 II, S. 1429; Lieberman/Campbell, International Tribunal Recognizes Qualified Privilege for War Correspondents, Communications Lawyer, Vol. 20, No. 4, 2003, S. 13; Jones (Fn. 791), S. 166. 826 Beschluss der ICTY-Appeals Chamber im Fall Talic´ vom 11. Dezember 2002, Case No. IT-99-36-AR73.9 (Fn. 55), Paragraph 36.

B. Verbot der Zurschaustellung von Kriegsgefangenen

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Kriegskorrespondenten noch gefährlicher machen.827 Kriegsverbrecher würden sich nicht scheuen, das Leben eines Kriegskorrespondenten zu gefährden, wenn sie im Nachhinein herausfinden, dass der Kriegskorrespondent gegen sie vor Gericht aussagen müsste. Vergleicht man dieses Interesse mit dem öffentlichen Interesse an der Arbeit der IKRK-Vertreter, dann kann man feststellen, dass das Interesse im Fall der Kriegskorrespondenten genauso relevant ist. Es ist auch zu beobachten, dass die Regeln des Völkerrechts in diesem Zusammenhang in Bezug auf den Schutz der Kriegskorrespondenten eine Lücke aufweisen. Nach Ansicht von Richter Richard Goldstone, dem ehemaligen Chefankläger des ICTY, soll eine Regel im Völkerrecht erlassen werden, welche Kriegskorrespondenten davor schützen soll, vor einem Gericht aussagen zu müssen. „I would therefore support a rule of law to protect journalists from becoming unwilling witnesses in situations that would place them or their colleagues in future jeopardy.“828

Diese Lücke versuchte die ICTY-Appeals Chamber durch ihren neuen Maßstab zu schließen. Man hofft, dass der Präzendenzfall, welchen der ICTY geschaffen hat, in der Rechtsprechung anderer internationaler Gerichtshöfe, insbesondere des Internationalen Strafgerichtshofs, Anwendung finden wird.

B. Verbot der Zurschaustellung von Kriegsgefangenen Unter den großen Ereignissen während des jüngsten Irakkriegs 2003, die viele Debatten verursacht haben, war die Vorführung von Bildern Kriegsgefangener im irakischen Staatsfernsehen und auch im Fernsehen der Alliierten.829 Fraglich ist hier, ob Bildberichterstattung über Kriegsgefangene überhaupt völkerrechtlich zulässig ist. Unter den Regeln des humanitären Völkerrechts gibt es keine spezifischen Regeln, die über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Bildberichterstattung über Kriegsgefangene eine explizite Antwort geben. In Betracht kommen aber die Bestimmungen der Art. 13 und 14 GK III von 1949. Nach Art. 13 müssen die Kriegsgefangenen jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden. Sie werden jederzeit geschützt, insbesondere auch vor Gewalttätigkeiten oder Einschüchterung, Beleidigungen und öffentlicher Neugier. Gemäß Art. 14 GK III haben die Kriegsgefangenen „unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre“. Der Wortlaut der Art. 13 und 14 GK III enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen zur Kriegsberichterstattung über Kriegsgefangene. Auch die IKRK-Kommentare zu Art. 13 und 14 GK III behandeln diese Frage nicht. Das liegt wahr827

Ebd., Paragraph 43. Goldstone, Foreward to Crimes of War, abgerufen am 22.03. 2010 unter: http://www.cri mesofwar.org/thebook/book.html. (Diese Internetseite ist nicht mehr verfügbar.) 829 Rogers (Fn. 318), S. 53. 828

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

scheinlich daran, dass die Genfer Konventionen im Jahre 1949 abgeschlossen wurden. In jenen Jahren verstand man unter dem Ausdruck „öffentliche Neugier“ grundsätzlich die Neugier der am Ort anwesenden Menschenmenge.830 Aber eine solche Auslegung ist zu eng und erfüllt nicht den Zweck der Bestimmungen der Konvention in moderner Zeit.831 Die Bilder und Aufnahmen der Kriegskorrespondenten werden im Fernsehen und in Zeitungen überall in der ganzen Welt vorgeführt und gezeigt. Wenn die einzelnen Kriegsgefangenen auf den Bildern identifizierbar sind, kann das zu sehr negativen Auswirkungen auf die psychologische und physische Integrität der Kriegsgefangenen und auch zu ihrer Bestrafung in ihren Heimatländern führen.832 Diese Auswirkungen verstoßen zweifellos gegen den Sinn der Bestimmungen in Art. 13 GK III, die eine menschliche Behandlung der Kriegsgefangenen und deren Schutz vor Gewalttätigkeiten und Beleidigungen gebieten. Sie verstoßen auch gegen ihren Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre gemäß Art. 14 GK III, wenn die Veröffentlichung von ihren Bildern z. B. zu ihrer Missachtung im Heimatland führt, weil sie in Gefangenschaft des Feindes gefallen sind. Angesichts der Zwecke der Bestimmungen der Art. 13 und 14 GK III und auch im Wege einer dynamischen Interpretation können Ausdrücke wie „öffentliche Neugier“ in Art. 13 und „Achtung ihrer Person und ihrer Ehre“ in Art. 14 so ausgelegt werden, dass auch die Bildberichterstattung der Kriegskorrespondenten von den Bestimmungen beider Artikel erfasst wird.833 Die Bestimmungen der Art. 13 und 14 GK III müssen auch in Verbindung mit Art. 17 GK III ausgelegt werden. Nach Art. 17 GK III ist jeder Kriegsgefangene auf Befragen nur verpflichtet, seinen Namen, seinen Dienstgrad, sein Geburtsdatum und seine Matrikelnummer zu nennen. Dieser Regel ist zu entnehmen, dass die Kriegsgefangenen nicht gezwungen werden dürfen, Kriegskorrespondenten Interviews zu geben. Die Frage der Bildberichterstattung betrifft aber nicht nur die Kriegsgefangenen und ihren Schutz vor öffentlicher Neugier, sondern auch Belange der Gesellschaft, die Interesse an der Veröffentlichung von Kriegsgefangenenbildern hat. Es gibt ein öffentliches Interesse an Informationen über den Krieg und seine verschiedenen Ereignisse einschließlich der Erlebnisse in der Kriegsgefangenschaft. Der Gewahrsamsstaat hat auch Interesse an einer Dokumentierung des Kriegs und an der Beeinflussung der Moral der eigenen Bevölkerung sowie der Moral des Feindes durch die Veröffentlichung von Bildern der Soldaten und Offiziere, die seine Truppen in Gefangenschaft halten. Die Veröffentlichung von Bildern der Kriegsgefangenen kann auch im Interesse der Kriegsgefangenen selbst und der Verbesserung der 830 Vgl. Lauterpacht (ed.), Oppenheim’s International Law, 1952, S. 377; Fischer, Schutz der Kriegsgefangenen, in: Fleck (Fn. 109), S. 330. 831 Siehe Winter, Der völkerrechtliche Schutz Kriegsgefangener vor Abbildung ihrer Person in den Medien, Archiv des Völkerrechts, B. 42, 2004, S. 426 und 427. 832 Dworkin, The Geneva Conventions and Prisoners of War, Crimes of War Project vom 24.03. 2003, abgerufen am 02. 03. 2010 unter: http://www.crimesofwar.org/special/Iraq/briefpow.html. (Diese Internetseite ist nicht mehr verfügbar.) 833 Winter (Fn. 831), S. 428.

B. Verbot der Zurschaustellung von Kriegsgefangenen

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Anwendung der einschlägigen humanitären Regeln sein, wenn z. B. die Bilder zeigen, dass sie noch am Leben sind, oder dass ihre Behandlung gegen Regeln des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte verstößt. Die Bilder der Gefangenen im Abu Ghareeb-Gefängnis nach dem jüngsten Irakkrieg 2003 zeigten die Gefangenen in einer sehr demütigenden Haltung, aber sie zeigten gleichzeitig auch, wie schwerwiegend die Verletzungen des humanitären Völkerrechts waren, die im Gefängnis von US-amerikanischen Soldaten und Offizieren begangen wurden. Da es keine völkerrechtlichen Regeln gibt, die Bildberichterstattung über Kriegsgefangene ausdrücklich verbieten, weil es auch ein Interesse der Gesellschaft und der Kriegsparteien an der Veröffentlichung oder Vorführung von Kriegsgefangenbilder gibt, und weil die Veröffentlichung der Bilder nicht immer schädlich ist, kann man an dieser Stelle fragen: Wann ist die Bildberichterstattung über Kriegsgefangene völkerrechtlich zulässig?

I. Zulässigkeit von Bildberichterstattung über Kriegsgefangene Die Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Bildberichterstattung über Kriegsgefangene ist umstritten. Darauf kann man auch keine pauschale Antwort geben. Maßgeblich bei der Antwort auf die Frage sind Faktoren wie die der Identifizierbarkeit der einzelnen Kriegsgefangenen auf den Bildern, die Art und Weise der Veröffentlichung der Bilder, die Absicht der Kriegspartei, die die Bilder zeigt und die Einwilligung des Kriegsgefangenen. Bilder, die die Kriegsgefangenen in demütigender Haltung zeigen, sind grundsätzlich verboten, weil sie deutlich gegen die Bestimmungen der Art. 13 und 14 GK III verstoßen. Nach einer Ansicht stellen Bilder, auf denen die Kriegsgefangenen erkennbar sind, einen Verstoß gegen Art. 13 GK III dar, weil gerade die Kriegsgefangenschaft als solche als degradierend und entwürdigend betrachtet werden könnte.834 Nach Fechner ist die Veröffentlichung von Bildern von Kriegsgefangenen, auf denen ohne ihre Einwilligung einzelne Personen identifizierbar sind, verboten.835 Eine Einwilligung reicht aber nicht aus, wenn die Veröffentlichung der Bilder deutlich gegen die Zwecke der Konvention verstößt. Nach Art. 7 GK III können die Kriegsgefangenen in keinem Falle, weder teilweise noch vollständig, auf ihre Rechte nach der Konvention verzichten. Auch ist die Intention des Gewahrsamsstaates maßgeblich. Wenn die Absicht hinter der Veröffentlichung von Bildern nur auf die Degradierung der Kriegsge-

834 835

Dworkin (Fn. 832). Fechner, Medienrecht, 2007, S. 200.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

fangenen im Rahmen der Kriegspropaganda hinzielt, dann ist eine solche Veröffentlichung ein Verstoß gegen die Konvention.836 Nach Rogers muss die Vorführung von Kriegsgefangenen im Fernsehen nicht unbedingt einen Verstoß gegen die dritte Genfer Konvention darstellen. Die Interessen der Kriegsgefangenen müssten gegenüber den legitimen Interessen der Medien an Kriegsberichterstattung abgewogen werden.837 Eine ähnliche Einstellung vertrat der ehemalige britische Verteidigungsminister Hoon, der den Journalisten am 24. März 2003 sagte: [there is] „an enormous difference“ between „the factual photographs very often of the backs of prisoners surrendering as against the appalling, barbaric behavior of Iraqi forces dealing with […] American prisoners.“838

Wenn ein Kriegsgefangener im Fernsehen mit seinem Gesicht gezeigt wird, während ein Soldat ihn trinken lässt, kann ein solches Bild zeigen, dass die Gewahrsamsmacht die Regeln der dritten Genfer Konvention beachtet. Andererseits kann aber die Veröffentlichung des Bildes mit dem Gesicht des Gefangenen einen Verstoß gegen Art. 13 GK III darstellen.839 Nach Fischer stellt die Bildberichterstattung über Kriegsgefangene durch den Gewahrsamsstaat einen Verstoß gegen die Regel der menschlichen Behandlung der Kriegsgefangenen dar. Nur zwei Fälle der Bildberichterstattung können nach seiner Meinung erlaubt sein: Wenn die Einzelpersonen auf dem Bild nicht identifizierbar sind und wenn die Bildberichterstattung über die Kriegsgefangenen durch die Schutzmacht, das IKRK oder eine internationale Organisation erfolgt. Obwohl die Bildberichterstattung im zweiten Fall den Kriegsgefangenen der öffentlichen Neugier aussetzt, ist sie erlaubt, weil die Berichterstattung auf die Förderung der Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts und die Verbesserung der Umstände der Gefangenschaft hinzielt.840

II. Verantwortung des Staates für den Schutz der Kriegsgefangenen Die Genfer Konventionen verpflichten in erster Linie die Staaten. Somit liegt der Schutz der Kriegsgefangenen vor physischen und psychologischen Gefahren während der Gefangenschaftzeit grundsätzlich in der Verantwortung des Gewahrsamsstaats.841 Art. 13 GK III enthält eine Schutzpflicht. Demnach sind die Staatsbehörden 836 Siehe Solis (Fn. 130), S. 324; Lane, When are Pictures of POWs Propaganda? BBC News Online vom 26.03. 2003, abrufbar unter: http://news.bbc.co.uk/1/hi/uk/2883915.stm, abgerufen am 20.05. 2012. 837 Rogers (Fn. 318), S. 53. 838 Der britische Verteidigungsminister wurde zitiert nach Dworkin (Fn. 832). 839 Lane (Fn. 836). 840 Fischer (Fn. 830), S. 330. 841 Lauterpacht (Fn. 830), S. 377.

C. Verbot der Propaganda

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verpflichtet, nicht nur unmenschliche Handlungen gegen die Kriegsgefangenen zu unterlassen, sondern auch die Einwirkungen, die von Dritten ausgehen, zu verhindern.842 Während des jüngsten Irakkriegs 2003 hatten das US-amerikanische Pentagon und das britische Verteidigungsministerium die Medien aufgefordert, die irakischen Kriegsgefangenen auf Bildern nicht zu identifizieren.843 Die Behörden müssen dafür sorgen, dass die Kriegskorrespondenten und die Medienunternehmen mit den Kriegsgefangenen korrekt umgehen. Somit liegt die Pflicht der Verhinderung von unzulässiger Bildberichterstattung über Kriegsgefangene grundsätzlich in der Verantwortung der Behörden der Staaten.

C. Verbot der Propaganda I. Der Krieg und die Propaganda „The first casualty when war comes is truth.“ Senator Hiram Johnson, 1917844 „Today’s wars are not fought using bullets only, it is also a War of Media, Words, Newspapers, and Radio Stations.“ Ferdinand Nahimana, RTLM-Journalist, 1994845

Zwei Aussagen von zwei verschiedenen Personen, welche die Rolle der Propaganda im Krieg zeigen. Vor und während jedes Krieges übernimmt die Propaganda eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung für das große Ereignis. Das Militärtribunal von Nürnberg bezeichnete die Propaganda, die das Nazi-Regime vor und während des Zweiten Weltkriegs betrieb, als eine der stärksten Waffen, welche die Nazis verwendeten.846 Während der Kriegszeit ist der Bedarf an Propaganda stärker als in Friedenszeiten. An der Front wird Propaganda eingesetzt, um den Kampfeswillen des Feindes zu schwächen und ihn in die Irre zu führen, gleichzeitig den eigenen Kampfeswillen zu 842

Fischer (Fn. 830), S. 329. Lane (Fn. 836). 844 Senator Hiram Johnson, zitiert nach Knightley (Fn. 15). Das Zitat ist am Anfang des Buches erwähnt. 845 Ferdinand Nahimana, ein Journalist, der vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda 2003 u. a. wegen der unmittelbaren und öffentlichen Anstachelung zur Begehung von Völkermord verurteilt wurde. Siehe das ICTR-Urteil vom 3. Dezember 2003 im Fall Nahimana (TC), Case No. ICTR-99-52-T, Paragraph 539, abrufbar über die Webseite des ICTR unter: www.ICTR.Org, abgerufen am 05.05. 2012. 846 The Trial of German Major War Criminals: Proceedings of the International Military Tribunal Sitting at Nuremberg, Germany, Part I, 20th November, 1945 to 1st December, 1946, S. 122. 843

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

stärken und die öffentliche Meinung für die Unterstützung des Krieges zu mobilisieren.847 Die Wirkung der psychologischen Kriegführung war schon in der Vergangenheit bekannt. Das wusste bereits vor mehr als 800 Jahren Dschingis Khan. Zu den Ländern, die er zu erobern beabsichtigte, schickte Khan seine Vorreiter und Spione, um dort Gerüchte über die Grausamkeit und die gewaltige Zahl seiner Reiterhorden verbreiten zu lassen. Durch diese Gerüchte zielte Khan auf die Schwächung des Widerstandswillens der Bewohner ab.848 In der Gegenwart sind die Medien ein Teil dieser psychologischen Kriegführung geworden. Beispielsweise haben die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs die so genannten Propaganda-Kompanien an allen Fronten eingesetzt. Diese Kompanien bezweckten die Unterstützung der Truppen an der Front durch aktive Propaganda.849 Auch auf der Seite der Alliierten waren die Kriegskorrespondenten ein Teil des „war effort“.850

II. Die Kriegspropaganda und der Weltfrieden Die Kriegspropaganda führt oft zu Hass, Diskriminierung und Gewalt. In diesem Sinne steht sie im Widerspruch zur Wahrheitssuche und Friedensförderung. Die „Convention Concerning the Use of Broadcasting in the Cause of Peace“ von 1936 ist ein gutes Beispiel für die ersten Bemühungen der Weltgemeinschaft, die Medien zur Förderung des Weltfriedens und der Völkerverständigung und des Verbots von Kriegspropaganda einzusetzen.851 In mehreren Resolutionen und Erklärungen der Vereinten Nationen wurde bereits darauf hingewiesen, dass Journalisten dazu aufgefordert sind, einen Beitrag zur Förderung des Weltfriedens zu leisten. Als Beispiel dafür gilt die Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 59 vom 14. 12 1946.852 Nach Art. 3 Abs. 1 der UNESCO-Mediendeklaration von 1978 sind die Massenmedien aufgefordert, zur Stärkung des Weltfriedens und der internationalen Verständigung sowie zur Bekämpfung von Rassismus und Kriegshetze einen wichtigen Beitrag zu leisten.853 Die Kriegskorrespondenten können diese Rolle bereits durch Achtung der Wahrheit und Menschenwürde sowie durch Achtung und Verbreitung der Regeln der

847

Foggensteiner (Fn. 27), S. 58. Meyn (Fn. 632), S. 105. 849 Hoppe, Bildung verfeinert das Militär, in: ders. (Hrsg.), „… wahr muss es sein“. Militär und Journalismus in 2 Jahrhunderten, 1989, S. 25. 850 Steinbeck (Fn. 32), S. 11. 851 Siehe Art. 1, 2, 3, 4 und 5 der Konvention, American Journal of International Law, Vol. 32, 1938, Supplement, S. 113. 852 Resolution Nr. 59 der UN-Generalversammlung, Yearbook of the United Nations, Vol. 1, 1946 – 1947, S. 176. 853 Mediendeklaration der UNESCO vom November 1978, Europa Archiv, Vol. 34/2, 1979, S. 188 – 192. 848

C. Verbot der Propaganda

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Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts spielen. Im Fall Talic´ erwähnte der ICTY, dass Kriegskorrespondenten „play a vital role in bringing to the attention of the international community the horrors and reality of conflict.“854

In seiner Entscheidung hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Kriegsberichterstattung und die mutigen Bemühungen der Kriegskorrespondenten im ehemaligen Jugoslawien zur Errichtung des ICTY und zur Aburteilung von Kriegsverbrechern beigetragen haben.855 Vor allem die Berichte der Kriegskorrespondenten über das Leiden der internierten Zivilisten in Omaraska Camp während des Krieges in Bosnien-Herzegowina hatten die Aufmerksamkeit der Welt auf die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in diesem Land gelenkt.856 Die zunehmende Bedeutung der Kriegskorrespondenten bei der Aufdeckung von Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Leiden der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten ist im Satellitenzeitalter nicht zu verleugnen. Durch objektive journalistische Arbeit und Wahrheitssuche können Journalisten auch nach dem Ende des Konflikts dazu beitragen, Brücken zwischen verfeindeten Parteien zu schlagen und den Ausbruch neuer Konflikte zu verhindern. Denn ohne das Wissen darüber, wer sich in einem Krieg schuldig gemacht hat, wer Opfer und wer Täter ist, ist Frieden schwierig zu verwirklichen.857 Um eine friedensfördernde Rolle spielen zu können, sollen die Kriegskorrespondenten deswegen die Verherrlichung des Kriegs unterlassen und sich nicht für die Interessen der Kriegsparteien instrumentalisieren lassen. Die große Gefahr, die die Kriegspropaganda und die Anreizung zu Hass, Rassendiskriminierung und Gewalt für den Weltfrieden darstellen, insbesondere wenn Massenmedien wie Radio, Fernsehen und Presse verwendet werden, beschäftigte bereits seit langer Zeit viele Autoren.858 Selbst wenn Kriege grundsätzlich wegen divergierender bzw. konfligierender Interessen zwischen Völkern und Gruppen

854 Siehe Beschluss der ICTY-Appeals Chamber im Fall Talic´ vom 11. Dezember 2002, Case No. IT-99-36-AR73.9 (Fn. 55), Paragraph 36. 855 Beschluss der ICTY-Trial Chamber im Fall Talic´ vom 7. Juni 2002, Case No. IT-99-36 (Fn. 795), Paragraph 25. 856 Beschluss der ICTY-Appeals Chamber im Fall Talic´ vom 11. Dezember 2002, Case No. IT-99-36-AR73.9 (Fn. 55), Paragraph 36. 857 Spasovska, Friedensberichterstattung, in: Deutsche Welle (Fn. 10), S. 127; Guidelines of the Committee of the Council of Europe on protecting freedom of expression and information in times of crisis, 26. September 2007 (Fn. 790). 858 Siehe dazu z. B. Whitton, Efforts to Curb Dangerous Propaganda, American Journal of International Law, Vol. 41, 1947, S. 899; Wright, the Crime of War-Mongering, American Journal of International Law, Vol. 42, 1948, S. 128; Larson, The Present Status of Propaganda in International Law, Law and Contemporary Problems, Vol. 31, 1966, S. 439; Bobrakov, War Propaganda: A serious Crime against Humanity, ebd., S. 473; Schabas, Hate Speech in Rwanda: The Road to Genocide, McGill Law Journal, Vol. 46, 2000/01, S. 141; Paul, Zur Rolle der Bilder im Golfkrieg von 1991 und im Irakkrieg von 2003, in: Korte/Tonn (Fn. 7), S. 122.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

ausbrechen, ist es wichtig zu wissen, wie man verhindern kann, dass sich der Interessenskonflikt in einen Krieg verwandelt.

III. Die Rolle der Kriegskorrespondenten bei der Ausübung von Kriegspropaganda und Hassrede Das Image von nicht wenigen Kriegskorrespondenten ist mit Kriegspropaganda verbunden. Sie waren, bewusst oder unbewusst, Teil einer Propagandamaschine, die von den betreffenden Regierungen vor oder während eines Kriegs betrieben wurde. Viele von ihnen haben diese Rolle aus patriotischen, rassistischen oder religiösen Gründen gespielt. Die völkerrechtlichen Regeln über Kriegspropaganda und Hassrede beeinflussen die Rechtsstellung der Kriegskorrespondenten und ihre Berufsausübung. Auch können durch völkerrechtliche Regeln strafrechtliche Folgen entstehen. Mit der Entwicklung der Regeln des Völkerrechtes, das den Grundsatz des Gewaltverbots für ein Teil des ius cogens hält, und mit der Verankerung des Verbots der Kriegspropaganda und der Aufstachelung zu Hass, Diskriminierung und Gewalt in mehreren Menschenrechtskonventionen sowie UN-Deklarationen und Resolutionen kann eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Journalisten nach den Regeln des Völkerrechts entstehen, wenn der Journalist die erlaubten Grenzen überschreitet und sich zu einem Sprachrohr für Gewalt macht; vielleicht sogar öffentlich und unmittelbar zur Begehung von Völkermords anreizt. Die folgende Darstellung untersucht deswegen die Behandlung der Kriegspropaganda und Hassrede im Lichte der Regeln des Völkerrechts und anhand einiger Fälle aus der internationalen, regionalen und nationalen Rechtsprechung. Es soll verdeutlicht werden, welche Propaganda erlaubt ist und welche nicht. Eine Festlegung der Konturen der unerlaubten Kriegspropaganda und Hassrede kann so erleichtert werden. Die Untersuchung wird auch aufzeigen, ob eine individuelle Verantwortlichkeit aufgrund des Betreibens unerlaubter Kriegspropaganda oder wegen Anreizung zu Hass, zu Rassendiskriminierung oder zu Gewalt für Kriegskorrespondenten entstehen kann. Sanktionen können aufgrund der Verletzung der Regeln des Völkerrechts durch strafrechtliche oder auch nichtstrafrechtliche Maßnahmen erfolgen. Wenn man die völkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Kriegskorrespondenten wegen der Verletzung von Regeln des Völkerrechts betrachtet, dann muss es sich um die Verletzung einer Norm handeln, die eine direkte Strafbarkeit natürlicher Personen nach dem Völkerrecht begründet.859 Das Vorliegen einer völkerstrafrechtlichen Norm, die die Strafbarkeit des Individuums (des Kriegskorrespondenten) begründet, erfordert bestimmte Voraussetzungen. Grundsätzlich muss es sich um völkerrechtliche Regeln handeln, die eindeutig ein Ge- oder Verbot enthalten. Die Regeln müssen sich unmittelbar an Individuen richten und ihre Verletzung muss die Strafbarkeit des Individuums zur 859

Werle, Völkerstrafrecht, 2003, S. 30; Stein/von Buttlar (Fn. 695), S. 416.

C. Verbot der Propaganda

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Folge haben.860 Die völkerstrafrechtliche Norm kann aus dem Völkervertragsrecht oder auch dem Völkergewohnheitsrecht entstehen. Sonst könnte eine Bestrafung gegen das in verschiedenen Menschenrechtskonventionen und auch im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in den Art. 22 bis 24 normierte Legalitätsprinzip „nullum crimen, nulla poene sine lege“ verstoßen.861 Danach ist eine Verurteilung und Bestrafung wegen einer Straftat nur dann zulässig, wenn das fragliche Verhalten zur Zeit der Tat strafbar war. Verboten sind somit die rückwirkende Bestrafung und auch die strafbarkeitsbegründende Analogie. Das Legalitätsprinzip wurde auch in der Rechtsprechung des ICTY und ICTR in mehreren Fällen bestätigt.862 Im Völkerrecht kommt die Strafbarkeit eines Individuums nur wegen Handlungen, die ein fundamentales im Völkerrecht geschütztes Interesse verletzen, in Betracht. Das bedeutet, dass es sich z. B. um eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts oder der Menschenrechte handeln muss.

IV. Definition der Propaganda Es gibt sowohl gute als auch schlechte Propaganda. Politik und Propaganda sind untrennbar sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene verbunden. Eine politische Partei kann zum Beispiel für ihre Programme durch Fakten, Zahlen usw. propagieren. Diese Form der Propaganda ist für den demokratischen Meinungsbildungsprozess in einer Gesellschaft erforderlich. Die Propaganda als solche existiert wohl schon seit dem Beginn menschlichen Zusammenlebens. Weder das Völkerrecht noch die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen kennen einen einheitlichen Propagandabegriff.863 Die Art der Propaganda, die hier grundsätzlich gemeint ist, ist jene, die durch vielfältige Kommunikationskanäle absichtlich zu dem Zweck der Verbreitung unrichtiger oder 860 König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, 2003, S. 209 ff. 861 Siehe z. B. Art. 15 (1) IPBPR, Art. 7 EMRK und das ICC-Statut. Geltung und Inhalt des Legalitätsprinzips ist im Völkerrecht eine der umstrittenen Fragen. Das strenge Verständnis der kontinentaleuropäischen staatlichen Rechtsordnungen von diesem Grundsatz und seinen Ausprägungen unterscheidet sich von dem anglo-amerikanischen Verständnis. Mit der Entwicklung des Völkerrechts und der Verankerung des Legalitätsprinzips in mehreren Menschenrechtsverträgen wird die Geltung dieses Prinzip auch im Völkerrecht überwiegend bejaht. Strittig ist allerdings nach wie vor der genaue Inhalt dieses völkerrechtlichen Grundsatzes. Siehe dazu König (Fn. 860), S. 193 ff. 862 Vgl. ICTY, Beschluss vom 02. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1AR72 (Fn. 121), Paragraph 92; ICTY, Urteil vom 30. November 2006 im Fall Galic´ (AC), Case No. IT-98-29-A, Paragraph 81 ff., abrufbar über die Webseite des ICTY unter: http://www.icty. org/case/galic/4#acjug, abgerufen am 20.05. 2012; ICTR, Urteil vom 02. September 1998 im Fall Akayesu (TC), Case No. ICTR-96-4-T, Paragraph 605, abrufbar über die Webseite des ICTR unter: http://www.unictr.org/Portals/0/Case/English/Akayesu/judgement/akay001.pdf, abgerufen am 20.05. 2012. 863 Nowak (Fn. 526), S. 385.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

übertriebener Tatsachenbehauptungen erzeugt wird. Sie bezweckt, die Individuen unlauter zu beeinflussen. Sie ist eine Handlung, die mit Provokation, Anstiftung oder Verhetzung vergleichbar ist. Sie erfolgt über Kommunikationskanäle wie Presse, Radio oder Fernsehen.864 Wie unten dargestellt wird, war der Ausdruck „Propaganda“ wegen seiner Unbestimmtheit immer problematisch.865

V. Internationale Abkommen über Propaganda Angesichts der Entwicklung der Kommunikationsmittel in der modernen Zeit und im Bewusstsein der Auswirkungen von Kriegspropaganda auf die Staatenbeziehungen und den Weltfrieden war die Bekämpfung von Kriegspropaganda und subversiver Propaganda Gegenstand mehrerer bilateraler und multilateraler Verträge.866 1. Der Status der Kriegspropaganda vor dem Zweiten Weltkrieg Mehrere Staaten haben schon vor langer Zeit Verträge abgeschlossen, die Fragen der Propaganda regeln, 1801 haben z. B. Frankreich und Russland einen Vertrag abgeschlossen, in dem in Art. 3 vorgesehen wurde, dass beide Staaten ihren Untertanen nicht erlauben werden, „to propagate principles contrary to their respective constitutions, or to foment disturbances.“867

Ein prominentes Beispiel für die multilateralen Verträge in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg ist die „Convention Concerning the Use of Broadcasting in the Cause of Peace“, die 1936 im Rahmen des Völkerbundes unterzeichnet wurde und im Jahre 1938 in Kraft trat. Art. 2 der Konvention enthält die erste Bestimmung in einer internationalen multilateralen Konvention über das Verbot der Kriegspropaganda.868 Artikel 3 und 4 der Konvention verpflichten die Vertragsstaaten, keine unrichtigen Informationen, die die gute Völkerverständigung beeinträchtigen würden, von ihren Territorien aus zu senden. Nach Art. 5 der Konvention sind die Vertragsparteien 864

Siehe Nowak (Fn. 723), S. 364. Siehe unten, 4. Kapitel, C. V. 2. b). 866 Siehe dazu Lauterpacht, Revolutionary Activities by Private Persons against Foreign States, American Journal of international Law, Vol. 22, 1928, S. 119; Preuss, International Responsibility for Hostile Propaganda against Foreign States, American Journal of International Law, Vol. 28, 1934, S. 660; Whitton, The Problem of Curbing International Propaganda, Law and Contemporary Problems, Vol. 31, 1966, S. 611. 867 Lauterpacht (Fn. 866), S. 120. 868 Art. 2 der Konvention lautet: „The high contracting parties mutually undertake to ensure that transmissions from stations within their respective territories shall not constitute an incitement either to war against another high contracting party or to acts likely to lead thereto.“ Siehe den Konventionstext, American Journal of International Law, Vol. 32, 1938, Supplement, S. 113. 865

C. Verbot der Propaganda

203

verpflichtet, auf Aufforderung der anderen Staaten Informationen zur Verfügung zu stellen, die in Sendungen der Staaten verwendet werden können. Diese Informationen dienen dem Ziel der Verbesserung der Kenntnisse dieser Staaten über andere Völker und Kulturen. Nur wenige Staaten haben die Konvention ratifiziert. Sie hat aber eine historische und moralische Bedeutung.869 Mit der Ächtung des Aggressionskriegs im Kellogg-Pakt von 1928 ist auch jede Anreizung oder Anstiftung zum Aggressionskrieg verboten worden. Für diese Schlussfolgerung spricht, dass, wenn eine Handlung als Verbrechen verboten wird, grundsätzlich auch die Anstiftung zur Begehung dieser Handlung verboten wird.870 Die subversive Propaganda ist schon seit langer Zeit nach dem allgemeinen Völkerrecht geächtet. Im achtzehnten Jahrhundert schrieb de Vattel: „It is a violation of the law of nations to invite those subjects to revolt who actually pay obedience to their sovereign.“871

Außerdem enthielten die nationalen Gesetze vieler Staaten Normen, welche die subversive Propaganda und Kriegspropaganda gegen andere Staaten verboten.872 Für diese Periode muss man aber zwischen der Propaganda, welche Privatpersonen betrieben, und der Propaganda, die Staatsorgane betrieben, unterscheiden. Die Staatsverantwortlichkeit für die Propaganda, welche Staatsorgane gegen einen anderen Staat führten, stand schon in jener Zeit fest. Dagegen waren die Staaten völkerrechtlich im Allgemeinen nicht verpflichtet, feindliche und subversive Propaganda, welche Individuen gegen fremde Staaten machten, zu verhindern oder die Individuen zu bestrafen, solange die feindlichen Aktivitäten der Individuen die Schwelle der Gewalthandlungen nicht erreichten.873 Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs zeigte, wie die Nazis im deutschen „Dritten Reich“ mit der Kriegspropaganda und der Anreizung zum rassischen und religiösen Hass und zur Diskriminierung gegen die Juden den Weg für den Holocaust und die Aggressionskriege gegen die Nachbarstaaten ebneten. „Durch kluge und dauernde Anwendung von Propaganda (kann) einem Volke selbst der Himmel als Hölle vorgemacht werden und umgekehrt das elendste Leben als Paradies.“

sagte Hitler, um die Effektivität der Propaganda als gefährlicher Waffe zu zeigen.874 An dieser Propaganda beteiligten sich nicht nur Staatsorgane und die Partei, sondern auch Individuen. Die schlechten Erfahrungen mit Kriegspropaganda und Hassrede hatten sowohl die Richter des Militärtribunals von Nürnberg, als auch die Delegationen in der Phase der Ausarbeitung mehrerer relevanter Konventionen nach dem 869

Kearny, The Prohibition of Propaganda for War in International Law, 2007, S. 33. Larson (Fn. 858), S. 443. 871 De Vattel (Fn. 707), S. 156. 872 Larson (Fn. 858), S. 450. 873 Lauterpacht (Fn. 866), S. 126; Preuss (Fn. 866), S. 668. 874 Die Aussagen von Hitler wurden zitiert nach Palm, Kriegsstimmungen zwischen Propaganda und Informationskrieg, in: Palm/Rötzer (Hrsg.), Medien Terror Krieg, 2002, S. 108. 870

204

4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Zweiten Weltkrieg vor Augen. Es war deswegen erforderlich, eindeutige völkerrechtliche Normen zu verabschieden, die alle Mitgliedstaaten verpflichten, Kriegspropaganda und Hassrede unabhängig davon, ob diese Propaganda und Hassrede von Staatsorganen oder Individuen ausgeübt wird, zu verbieten. 2. Kriegspropaganda und Hassrede nach dem Zweiten Weltkrieg Nach dem Zweiten Weltkrieg fand das Verbot der Kriegspropaganda und einiger Formen der Hassrede einen expliziten Ausdruck in mehreren internationalen und regionalen Konventionen und Resolutionen, wie im Folgenden dargestellt wird. a) Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete kurz nach der Gründung der UNO mehrere Resolutionen über die Verurteilung der Kriegspropaganda. Resolution Nr. 59 weist darauf hin, dass die Informationsfreiheit eine moralische Verpflichtung mit sich bringt, Fakten ohne Vorurteile zu suchen und Kenntnisse ohne bösartige Absicht zu verbreiten.875 In der UN-Generalversammlungsresolution Nr. 110 (II) vom 3. November 1947, die unter dem Titel „Measures to be taken against propaganda and the inciters of a new war“ verabschiedet wurde, nahm die Generalversammlung Bezug auf die Präambel der UN-Charta, die an die Notwendigkeit der Bewahrung künftiger Geschlechter vor der Geißel des Krieges hinweist. Die Generalversammlung verurteilte in der Resolution jede Form von Propaganda, die auf Friedensbedrohung und Friedensbruch abzielt oder eine Aggression provoziert oder unterstützt. Die Resolution fordert auch die Staaten auf, geeignete Maßnahmen zur Förderung der Verbreitung von Informationen, die den Wunsch der Völker nach Frieden zeigen, zu ergreifen.876 In der Resolution Nr. 290 (IV) vom 1. Dezember 1949 „Essentials of Peace“ befand die Generalversammlung, dass die Bewahrung des Weltfriedens unter anderem die Beseitigung der Barriere erfordert, die den freien Austausch von Informationen und Ideen behindert, die zur Förderung der Völkerverständigung und des Friedens beitragen.877 In der Resolution Nr. 381 (V) vom 17. November 1950 wiederholte die Generalversammlung ihre Verurteilung von Propaganda, die zu Konflikten und Aggression anreizt, sowie ihre Forderung nach einem freien Austausch von Informationen und Ideen zwischen den Völkern.878

875

Siehe die Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 59, Yearbook of the United Nations, Vol. 1, 1946 – 1947, S. 176. 876 Siehe die UN-Generalversammlungsresolution Nr. 110 (II), in: Djonovich (ed.), United Nations Resolutions, Vol. I, 1946 – 1948, 1973, S. 205. 877 UN-Generalversammlungsresolution Nr. 290 (IV), ebd., Vol. II., 1948 – 1949, S. 293. 878 UN-Generalversammlungsresolution Nr. 381 (V), ebd., Vol. III, 1950 – 1952, S. 88.

C. Verbot der Propaganda

205

Die UN-Generalversammlung verbietet in ihrer Resolution Nr. 2625 von 1970 „Declaration of Friendly Relations“ auch Kriegspropaganda. „In accordance with the purposes and principles of the United Nations, States have the duty to refrain from propaganda for wars of aggression.“879

Obwohl die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 die Kriegspropaganda und Hassrede nicht ausdrücklich behandelt, setzen Art. 29, 30 und 7 der Erklärung Schranken für die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit, wenn sie Rechte anderer verletzen oder Rassenhass und Diskriminierung propagieren. Art. 7 der Erklärung sieht vor, dass alle Menschen Anspruch auf den gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung haben, welche die in der Erklärung verankerten Rechte verletzen würde und gegen jede Aufreizung zu einer derartigen Diskriminierung. Die travaux préparatoires über diesen Artikel weisen darauf hin, dass diese Bestimmung darauf hinzielt, vor Propaganda für Hass oder für nationale, religiöse und rassische Feindseligkeit zu schützen.880 b) Art. 20 IPBPR Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 verbietet ausdrücklich die Kriegspropaganda sowie jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird. Anders als die anderen Artikel des Paktes, gewährleistet Art. 20 keine Rechte, sondern stellt eine weitere Schranke für das Recht auf Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit dar. Die Verankerung einer Bestimmung über das Verbot der Kriegspropaganda und Hassrede zielte darauf hin, einen Missbrauch der Meinungsäußerungsfreiheit zu verhindern.881 Die Bestimmungen der Artikel gelten als präventive Maßnahme zum Schutz des Rechtes auf Leben (Art. 6 IPBPR) und des Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz und Freiheit von Diskriminierung (Art. 26 IPBPR). Diese zwei fundamentalen Rechte werden regelmäßig durch Kriegspropaganda oder das Anstacheln zu nationaler, rassischer oder religiöser Diskriminierung und Gewalt bedroht.882 Die Bestimmungen von Art. 20 IPBPR waren für mehrere Jahre während der Ausarbeitung des Paktes Gegenstand vieler Debatten. Einige Delegationen, insbesondere die US-amerikanische Delegation, waren gegen die Einbeziehung einer Bestimmung über das Verbot der Kriegspropaganda und des Eintretens für nationalen, rassischen oder religiösen Hass in eine Konvention, die grundsätzlich individuelle Rechte enthält. Sie befürchteten, dass solche Bestimmungen durch Regierungen missbraucht würden, um die Pressefreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit zu unterdrücken und Zensur auszuüben. Der Text des Ar-

879

UN-Generalversammlungsresolution Nr. 2625, ebd., Vol. XIII, 1970 – 71, S. 338. Farrior, Molding the Matrix. The Historical and Theoretical Foundations of International Law Concerning Hate Speech, Berkely Journal of International Law, Vol. 14, 1996, S. 14. 881 Farrior (Fn. 880), S. 28. 882 Nowak (Fn. 723), S. 359. 880

206

4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

tikels 20 wurde deswegen mehrmals geändert.883 Des Weiteren wurde argumentiert, dass Ausdrücke wie Propaganda und rassischer oder religiöser Hass schwer zu definieren seien.884 Die Problematik der Definition des Begriffs Kriegspropaganda und die Frage, welches Verhalten konkret verboten sein soll, beschäftigte die Delegationen lange Zeit.885 Mehrere Staaten, insbesondere westliche Mitglieder, hatten deshalb Vorbehalte gegen Art. 20 IPBPR, weil ihrer Meinung nach die Bestimmungen dieses Artikels nicht im Einklang mit dem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit stünden und einige Ausdrücke, wie z. B. der der „Propaganda“, nicht definiert seien.886 Unter den Staaten, die einen Vorbehalt gegen Art. 20 IPBPR abgegeben haben, als sie den Pakt ratifizierten, waren die Vereinigten Staaten von Amerika.887 Anzumerken ist hier, dass die Befürworter der Einbeziehung einer Bestimmung über Kriegspropaganda und Hassrede insbesondere Staaten wie die ehemalige Sowjetunion, Polen, das ehemalige Jugoslawien, Frankreich und Israel waren, die infolge der Kriegspropaganda und der Aufhetzung zum rassischen und religiösen Hass und zur Diskriminierung im deutschen „Dritten Reich“ vor und während des Zweiten Weltkriegs viel erlitten hatten.888 Während der Ausarbeitung des Paktes versuchten auch einige Delegationen, insbesondere die der UdSSR, eine Schranke für Kriegspropaganda in Art. 19 (3) IPBPR hinzuzufügen. Das wurde aber abgelehnt.889 Um die enge Beziehung zwischen den Bestimmungen über das Verbot der Kriegspropaganda und Hassrede und Art. 19 IPBPR über die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit eindeutig zu zeigen, wurden auf Vorschlag der Delegation Chiles die Bestimmungen über Kriegspropaganda und Hassrede als Art. 20 festgelegt. Art. 19 IPBPR soll deswegen im Zusammenhang mit Art. 20 gelesen und ausgelegt werden. Er gilt als Paragraph 4 für Art. 19 IPBPR.890 Der UN-Menschenrechtsausschuss bestätigte in seinen allgemeinen Bemerkungen im Jahre 1983 zu Art. 20 IPBPR, dass die Bestimmungen dieses Artikels nicht als ein Widerspruch zu Art. 19 IPBPR betrachtet werden sollen.891 Diesbezüglich erwähnte der Ausschuss, dass seiner Meinung nach das Verbot der Kriegspropaganda und des Eintretens für nationalen, rassischen oder 883

112.

McGoldric, The Human Rights Committee, 1994, S. 480; Kearney (Fn. 869), S. 92 und

884 Yearbook of the Human Rights Committee 1983 – 1984, Vol. I, S. 229; Kearney (Fn. 869), S. 129; Farrior (Fn. 880), S. 37. 885 Kearney (Fn. 869), S. 124 – 129. 886 Siehe dazu McGoldric (Fn. 883), S. 481; Kearney (Fn. 869), S. 155. 887 Der US-amerikanische Vorbehalt, der 1992 eingereicht wurde, lautet: „Article 20 does not authorize or require legislation or other action by the United States that would restrict the right of free speech and association protected by the constitution and laws of the United States.“ (zitiert nach Farrior (Fn. 880), S. 43. 888 Farrior, ebd., S. 33. 889 Kearney (Fn. 869), S. 115 und 118. 890 Partsch (Fn. 542), S. 227. 891 Yearbook of the Human Rights Committee 1983 – 1984, Vol. I, S. 226.

C. Verbot der Propaganda

207

religiösen Hass gemäß Art. 20 sei „fully compatible with the right of freedom of expression as contained in article 19“, weil die Ausübung dieses Rechtes mit Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden sei.892 Da die Hassrede einen Angriff auf Rechte und den Ruf anderer darstellt, kann in diesem Zusammenhang auch Art. 5 (1) IPBPR als rechtliche Grundlage herangezogen werden, um die Rechte auf Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit in Art. 19 (2) IPBPR zu beschränken.893 Art. 20 Abs. (1) IPBPR lautet: „jede Kriegspropaganda wird durch Gesetz verboten.“894 Folgt man dem Wortlaut des Artikels, dann kann darunter verstanden werden, dass jegliche Kriegspropaganda verboten ist, unabhängig davon, ob diese Propaganda den Weg für eine Aggression ebnet oder im Rahmen eines völkerrechtlich erlaubten Selbstverteidigungskriegs betrieben wird. In seinem Kommentar über Art. 20 IPBPR stellte der UN-Menschenrechtsausschuss fest, dass das Verbot der Kriegspropaganda nur „forms of Propaganda threatining or resulting in an act of aggression or breach of the peace contrary to the Charter of the United Nations.“ betrifft.895 Die Beziehung zwischen Propaganda, Befreiungskriegen und dem Selbstbestimmungsrecht war ein Gegenstand der Debatte in den Sitzungen des Ausschusses. Um einen Konsens unter den Mitgliedern zu erreichen, wurde vereinbart, dass Propaganda nur erlaubt sein soll, wenn die Ausübung dieser Rechte im Einklang mit der UN-Charta erfolgt.896 Danach ist Propaganda für die Ausübung des Rechts auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung gemäß Art. 51 der UN-Charta oder für Befreiungskriege und Selbstbestimmungsrechte im Einklang mit der UN-Charta nicht verboten. Erlaubt ist auch Propaganda für militärische Operationen gemäß Kapitel VII der UN-Charta.897 Art. 20 (1) IPBPR verbietet nur die Kriegspropaganda für Aggressionskriege. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Kriegspropaganda des deutschen „Dritten Reichs“ vor und während des Zweiten Weltkriegs. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass die Verwirklichung des Tatbestands der Kriegspropaganda nicht unbedingt den Ausbruch eines Aggressionskriegs als Erfolg voraussetzt. Entscheidend ist hier, dass die Propaganda darauf abzielt, die Bereitschaft zu erzeugen und die Atmosphäre vorzubereiten, einen Aggressionskrieg zu führen.898 Erfasst vom Art. 20 (1) IPBPR ist sowohl die Kriegspropaganda, die von offiziellen Organen des Staates, als auch diejenige, die von Privatpersonen betrieben wird.899 892 893 894 895 896

254. 897 898 899

Yearbook of the Human Rights Committee 1983 – 1984, Vol. I, S. 254. Siehe Art. 5 (1) IPBPR, BGB1. 1973 II, S. 1534 ff. Art. 20 IPBPR, englischer, französischer und deutscher Text in BGB1. 1973 II, S. 1543. Yearbook of the Human Rights Committee 1983 – 1984, Vol. I, S. 226 und 254. Yearbook of the Human Rights Committee 1983 – 1984, Vol. I, S. 244 – 248 und 250 – Vgl. Castan/Joseph (Fn. 737), S. 544. Nowak (Fn. 723), U.N. Covenant on Civil and Political Rights, S. 364. Yearbook of the Human Rights Committee 1983 – 1984, Vol. I, S. 229.

208

4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Die Diskussionen des UN-Menschenrechtsausschusses im Jahre 1983 über Art. 20 IPBPR zeigen, dass das Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass in allen Fällen verboten ist.900 Das bedeutet, dass die Ausübung des Rechtes auf Selbstverteidigung oder des Selbstbestimmungsrechts nicht als Ausrede zur Propagierung für Hass gegen den Gegner verwendet werden darf. aa) Anwendung von Art. 20 IPBPR in nationalen Rechtssystemen Die Bestimmungen des Art. 20 richten sich ausdrücklich nur an die Staaten, die zur Umsetzung verpflichtet sind. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Gesetze zu verabschieden, welche Kriegspropaganda und das Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass ausdrücklich verbieten, falls ihre nationalen Gesetze ein solches Verbot nicht enthalten. bb) Schlussfolgerungen für Kriegskorrespondenten Das Verbot der Kriegspropaganda in Art. 20 Abs. 1 IPBPR sowie das Verbot der Verhetzung in Abs. 2 sind als Antwort auf die Propaganda im deutschen „Dritten Reich“ zu verstehen. Somit ist der Zweck der Bestimmungen von Art. 20, Kriegspropaganda und Hassrede, die mit der Propaganda im „Dritten Reich“ vergleichbar sind, zu verbieten. Damit gilt nicht jede Meinungsäußerung oder Diskussion über Krieg als Propaganda für Krieg. Mit der verbotenen Kriegspropaganda ist grundsätzlich jede Propaganda für Aggressionskriege gemeint, die vorsätzlich darauf abzielt, die Bevölkerung insbesondere durch unrichtige bzw. übertriebene Behauptungen zu beeinflussen. Maßgeblich ist hier, dass die Propaganda auf die Erzeugung oder Verstärkung der Aggressionskriegsbereitschaft abzielt.901 Die Fälle Julius Streicher, Hans Fritzsche und Media Trial, die unten ausführlich dargestellt werden, zeigen, welche strafrechtliche Verantwortlichkeit entstehen kann, wenn Journalisten sich an dieser Form von Kriegspropaganda und Hassrede beteiligen.902 Wie die Diskussionen des UN-Menschenrechtsausschusses über Art. 20 IPBPR zeigen, ist das Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass in allen Fällen verboten. Das bedeutet, dass die Kriegskorrespondenten während ihrer Berichterstattung, abgesehen von der Natur des Krieges oder Konflikts, nicht den Hass gegen eine Kriegspartei propagieren dürfen. Verfälschung von Informationen oder Übertreibungen bei der Berichterstattung, die darauf abzielen, zu nationalem, rassischem oder religiösem Hass gegen eine bestimmte Partei aufzustacheln, verstößt gegen Art. 20 (2) IPBPR. Eine Berichterstattung z. B. über Kriegsverbrechen oder schwere Menschenrechtsverletzungen, die in der Realität nicht stattgefunden haben, mit der Absicht, zu Hass oder zur Gewalt gegen einen Staat oder eine religiöse oder 900 901 902

Yearbook of the Human Rights Committee 1983 – 1984, Vol. I, S. 245. Nowak (Fn. 526), S. 386. Siehe unten, 4. Kapitel, C. VII.

C. Verbot der Propaganda

209

rassische Gruppe aufzustacheln, stellt einen Verstoß gegen Art. 20 (2) IPBPR dar. Ein solches Eintreten für Hass oder Gewalt dürfen die Kriegskorrespondenten nicht betreiben, unabhängig davon, ob der Krieg ein Aggressionskrieg oder ein Verteidigungskrieg ist. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Verantwortlichkeit des Kriegskorrespondenten für Verstöße gegen Art. 20 IPBPR grundsätzlich durch die Transformation der Bestimmungen des Artikels 20 in die nationalen Rechtssystemen der Vertragsstaaten begründet werden kann. c) Die Europäische Menschenrechtskonvention Obwohl die EMRK keine ausdrücklichen Bestimmungen über das Verbot der Kriegspropaganda und der Hassrede im Vergleich zu Art. 20 IPBPR oder Art. 13 (5) AMRK enthält, legten der Europäische Gerichtshof und auch die Europäische Kommission für Menschenrechte in mehreren Fällen, wie unten gezeigt wird, Art. 10 EMRK in einer Weise aus, die den Mitgliedstaaten erlaubt, die Kriegspropaganda und die Anreizung zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt zu verbieten.903 Ein solches Verbot steht im Einklang mit den Beschränkungen des Art. 10 (2) und Art. 17 EMRK, sowie mit den travaux préparatoires der Konvention.904 d) Die Amerikanische Menschenrechtskonvention Die Amerikanische Menschenrechtskonvention enthält in Art. 13 (5) eine ähnliche Bestimmung wie Art. 20 IPBPR über das Verbot der Kriegspropaganda und des Eintretens für nationalen, rassischen oder religiösen Hass. In Artikel 13 (5) wurde vorgesehen, dass „Jegliche Kriegspropaganda oder Begünstigung eines national, rassistisch oder religiös motivierten Hasses, die eine Anstiftung zu widerrechtlicher Gewalttätigkeit oder zu anderen ähnlichen widerrechtlichen Handlungen gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen […] darstellt, gilt als gesetzlich strafbare Handlung.“905

e) Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung Im Vergleich zu Art. 20 IPBPR geht Art. 4 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 7. März 1966 einen Schritt weiter. Er verbietet in Abs. (a) nicht nur das Eintreten für Rassendiskriminierung, sondern auch die Verbreitung von Ideen, die sich auf die Überlegenheit einer 903

Siehe unten, 4. Kapitel, C. VII. 4. Vgl. Farrior (Fn. 880), S. 66. 905 Art. 13 (5) AMRK wurde zitiert nach Bundeszentrale für politische Bildung (Fn. 503), S. 505. 904

210

4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Rasse oder den Rassenhass gründen. Verboten sind zudem jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung, jede Gewalttätigkeit oder Aufreizung dazu gegen eine Rasse oder Personengruppe anderer Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit. In Abs. (b) verbietet das Übereinkommen auch alle Organisationen und Propagandatätigkeiten, welche die Rassendiskriminierung fördern und dazu aufreizen. Die Beteiligung an derartigen Organisationen oder Tätigkeiten ist als eine nach dem Gesetz strafbare Handlung anzuerkennen. Nach Abs. (c) müssen die Staaten verhindern, dass staatliche Behörden oder öffentliche Einrichtungen die Rassendiskriminierung fördern oder dazu aufreizen.906 Im Vergleich zu Art. 20 IPBPR gilt das Aufreizen zu Rassendiskriminierung und Gewalttätigkeit nach Art. 4 des Übereinkommens als eine nach dem Gesetz strafbare Handlung. In Art. 20 IPBPR sind derartige Handlungen verboten. Das Verbot in Art. 20 IPBPR erfordert nicht unbedingt ein Verbot durch strafrechtliche Sanktionen.907 Der Ausschuss, der für die Beseitigung der Rassendiskriminierung gemäß Art. 8 des Übereinkommens errichtet wurde, hat den Ausdruck „strafbare Handlung“ in Art. 4 als eine Straftat ausgelegt. Nach seiner Ansicht würden zivilrechtliche Sanktionen nicht ausreichen, um das Ziel der Beseitigung der Diskriminierung zu erreichen. Einige Staaten sind aber mit dieser Auslegung nicht einverstanden.908 Art. 4 des Übereinkommens unterscheidet sich von Art. 20 IPBPR auch dadurch, dass er in Bezug auf das Aufreizen zur Rassendiskriminierung und zum Rassenhass eine strengere Formulierung wählt, welche die Verbotszone erweitert. Der Artikel verbietet und verurteilt nicht nur die Verbreitung von rassischen Ideen und Theorien, sondern auch die rassischen Organisationen, die Beteiligung an ihrer Tätigkeit und auch die Unterstützung und Finanzierung von derartigen Organisationen und deren Tätigkeiten. Ähnlich wie Art. 20 IPBPR war auch Art. 4 des Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung Gegenstand vieler Debatten während der Ausarbeitung des Übereinkommens. Einige Staaten befürchteten, dass die Bestimmungen dieses Artikels das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit, Pressefreiheit und Vereinigung beeinträchtigen könnten. Unter diesen Staaten war Kolumbien, dessen Vertreter erwähnte, dass Art. 4 ein Rückschritt in die Vergangenheit sei, „since punishing ideas whatever they may be, is to aid and abet tyranny, and leads to the abuse of power.“909

906

Siehe Art. 4 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 7. März 1966, BGB1. 1969 II, S. 962 ff. 907 Nowak (Fn. 723), S. 361. 908 Farrior (Fn. 880), S. 51. 909 Der Vertreter von Kolumbien wurde zitiert nach Lerner, The U.N. Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, 1970, S. 59.

C. Verbot der Propaganda

211

Er sagte auch: „Ideas should be fought with ideas and reasons; theories must be refuted by arguments and not by the scaffold, prison, exile, confiscation or fines.“910

Um diese Sorgen um die Meinungsäußerungsfreiheit auszuräumen, wurde in Art. 4 des Übereinkommens ein Hinweis auf die gebührende Berücksichtigung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der in Art. 5 des Übereinkommens genannten Rechte hinzugefügt. Der Hinweis auf die Allgemeine Erklärung als solche bedeutet, dass die Berücksichtigung nicht nur in Bezug auf die Meinungsäußerungsfreiheit in Art. 19 erfolgt, sondern auch in Bezug auf alle verankerten Rechte und die allgemeinen Beschränkungen von Art. 29 der Erklärung.911 f) Die Völkermordkonvention In der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords von 1948912 wird die unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord als eine der Handlungen genannt, die genauso wie Völkermordverbrechen oder Verschwörung zur Begehung von Völkermord strafbar ist.913 Die Vertragsschöpfer trugen damit der großen Gefahr, welche das Völkermordverbrechen für eine Gesellschaft darstellt, Rechnung. Obwohl die Hinzufügung von den Worten „unmittelbare und öffentliche“ zu dem Wort Anreizung das Ziel hatte, Grenzen für das Verbrechen der Anreizung aufzustellen, wurden diese Ausdrücke während der Diskussionen über den Artikel nicht definiert.914 Eine Definition wurde später durch die Völkerrechtskommission bei der Bearbeitung des „Code of Crimes“ von 1996 und die Rechtsprechung der ICTR in den Fällen Akayesu und Nahimana geleistet. Wichtig ist auch hier zu erwähnen, dass es während der Ausarbeitung der Konvention einen sowjetischen Vorschlag gab, eine Bestimmung in der Konvention zur Ächtung der Hasspropaganda hinzuzufügen. Der Vorschlag wurde aber abgelehnt.915 g) „Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind“ Während der Vorarbeiten für den „Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind“ wurde auch über die Formulierung des Texts über die unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord viel debattiert. 910

Ebd., S. 59. Ebd., S. 60. 912 Die UN-Generalversammlung hat die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes am 9. Dezember 1948 verabschiedet. Die Konvention trat am 12. Januar 1951 in Kraft. 913 Art. 3 (c) der Völkermordkonvention, BGB1. 1954 II, S. 730 ff. 914 Schabas (Fn. 858), S. 160. 915 Ebd., S. 164. 911

212

4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Die Völkerrechtskommission hat auf die negative Rolle der Medien in Ruanda hingewiesen, um die Einbeziehung von Art. 2 (3) (f) des „Code“ von 1996 über die unmittelbare und öffentliche Anreizung zu rechtfertigen.916 Art. 2 (3) (f) sieht vor, dass ein Individuum für das Verbrechen verantwortlich ist, wenn es „directly and publicly incites another individual to commit such a crime which in fact occurs“917

Die Anreizung betrifft hier alle Verbrechen, die in Art. 17 (Verbrechen des Völkermords), Art. 18 (Verbrechen gegen die Menschlichkeit), Art. 19 (Verbrechen gegen die Vereinten Nationen und assoziiertes Personal) und Art. 20 (Kriegsverbrechen) genannt sind. Die Anreizung zur Aggression ist nicht von Art. 2 Abs. 3 (f) erfasst. Art. 16 des „Code“, der dem Verbrechen der Aggression gewidmet wurde, erwähnt ebenfalls nicht ausdrücklich die Anreizung zur Aggression als Verbrechen. Die Nichterwähnung der Anreizung zur Aggression, obwohl sie als Verbrechen in dem „Draft Code of Offences against the Peace and Security of Mankind“ von 1954 verankert war, wurde als eine Lücke bezeichnet.918 Anders als das Verbrechen der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung des Völkermords in Art. III (c) der Völkermordkonvention und auch die Version des „Draft Code“ von 1954 gilt die Anreizung hier nicht als ein selbständiges Verbrechen, sondern als eine Beteiligungsform und erfordert das Geschehen des Verbrechens.919 Die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit entsteht nur im Fall der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung. In ihrem Kommentar legte die Völkerrechtskommission die Ausdrücke „unmittelbar und öffentlich“ aus. In Bezug auf das Element der Unmittelbarkeit stellte die Kommission fest, dass „The element of direct incitement requires specifically urging another individual to take immediate criminal action rather than making a vague or indirect suggestion.“920

Darunter kann man verstehen, dass das Element der Unmittelbarkeit voraussetzt, dass die Anreizung deutlich sein muss. Eine solche Auslegung weist in manchen Situationen Schwierigkeiten auf, wenn die anreizende Person euphemistische Worte zur Vermittlung einer bestimmten Botschaft benutzt. Der Sinn, der vermittelt wird, ist trotzdem für seine Zuhörer oder Leser verständlich. Es ist nicht der Zweck der 916

Ambos, General Principles of Criminal Law in the Rome Statute, in: Bekou/Cryer (eds.), The International Criminal Court, 2004, S. 160. 917 Art. 2 Abs 3 (f) des „Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind“ von 1996, zitiert nach: Report of the International Law Commission on the work of its fortyeighth session, 6 May – 26 July 1996, S. 18; siehe auch Human Rights Law Journal, Vol. 18, No. 1 – 4, 1997, S. 96 ff. 918 Kearney (Fn. 869), S. 211. 919 Art. 2 Abs. 13 (ii) des „Draft Code of Offences“ von 1954 lautet: „Direct incitement to commit any of the offences defined in the preceding paragraphs of this article“, siehe U.N. International Law Commission Yearbook, 1954, Vol. II, S. 152. 920 Report of the International Law Commission on the work of its forty-eighth session, 6 May – 26 July 1996, S. 26.

C. Verbot der Propaganda

213

Bestimmung, eine solche Anreizung nicht zu verurteilen, weil die verwendete Sprache zweideutig ist.921 Die Kommission versteht unter dem Ausdruck „öffentliche Anreizung“ „a call for criminal action to a number of individuals in a public place or to members of the general public at large“.

Die Kommission erklärte, dass die öffentliche Anreizung voraussetzt, dass ein Individuum seinen Aufruf zur kriminellen Handlung im öffentlichen Raum persönlich vermittelt oder „by such means as the mass media, for example, radio or television.“922 An dieser Stelle nannte die Kommission die Ereignisse des Bürgerkriegs in Ruanda als Beispiel.923 Solche öffentlichen Aufrufe zur kriminellen Handlung sind sehr gefährlich, weil die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass mindestens eine Person darauf reagieren wird. Des Weiteren ermutigen sie so genannte „mob violence“, bei der eine Gruppe von Personen in kriminelles Verhalten verwickelt ist.924

VI. Kriegspropaganda und Hassrede als Herausforderung im Völkerrecht Wie die Darstellung oben zeigt, hat die Weltgemeinschaft die Gefahr der Kriegspropaganda und Hassrede erkannt und völkerrechtliche Bestimmungen darüber in mehreren Konventionen verabschiedet. Die Frage blieb aber umstritten. Sich über eine Definition für verbotene Kriegspropaganda und Hassrede zu einigen, war immer schwierig. Einige Staaten haben in Bezug auf die Normen über Kriegspropaganda und Hassrede Vorbehalte und Erklärungen abgegeben. Eine effektive Anwendung dieser Regeln ist bislang nicht so erfolgt, wie man es sich wünscht.925 In Bezug auf den Weltfrieden hat sich die Bekämpfung der Medienpropaganda für Kriegszwecke als eine der wichtigsten Ansätze zur Bekämpfung und Eliminierung des Krieges selbst als Konzept und Mittel zur Beilegung von Streitigkeiten in internationalen Beziehungen und zwischen verschieden rassischen, religiösen oder politischen Gruppen und Minderheiten herausgestellt. Es gibt aber viele Sorgen um die Meinungsäußerungsfreiheit. Es besteht dabei die Gefahr, dass die Bekämpfung der Kriegspropaganda und des Eintretens für nationalen, rassischen oder religiösen Hass als Ausrede, insbesondere in nicht demokratischen Staaten, verwendet werden

921

Schabas (Fn. 858), S. 161. Report of the International Law Commission on the work of its forty-eighth session, 6 May – 26 July 1996, S. 26. 923 Ebd., S. 27. 924 Ebd., S. 27. 925 Siehe dazu: Yearbook of the Human Rights Committee 1983 – 1984, Vol. I, S. 254. 922

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

kann, um unliebsame Meinungen und die Pressefreiheit zu unterdrücken und vielleicht auch Zensur auszuüben. Des Weiteren und vor dem Hintergrund des Grundsatzes „nullum crimen sine lege“ sind ¢ insbesondere aus Gründen der Bestimmtheit ¢ strafrechtliche Sanktionen wegen Kriegspropaganda oder Hassrede in manchen Fällen bedenklich. Nach Meinung der Parteien, insbesondere der Vereinigten Staaten von Amerika, die jeder Verankerung einer Bestimmung über Kriegspropaganda und Hassrede skeptisch gegenüberstehen, ist die beste Methode zur Bekämpfung von Kriegspropaganda und Hassrede mehr Informationsfreiheit. Mit der Existenz von verschiedenen Informationsquellen (the Marketplace of ideas) können die Menschen zwischen den falschen und richtigen Informationen unterscheiden.926 In diesem Zusammenhang erwähnte der US-Supreme Court in seiner Entscheidung von 1951 im Fall Dennis v. United States: „Speech can rebut speech, propaganda will answer propaganda“.927

Um Kriegspropaganda zu bekämpfen, ohne dass man die Meinungsäußerungsund Pressefreiheit verletzt, müssen die Grenzen der erlaubten zur rechtswidrigen Propaganda gezeichnet werden. Im Hinblick auf die Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Kriegspropaganda und Hassrede ist diese Aufgabe nicht einfach. Dies ist die schwierige Aufgabe, die der Rechtsprechung durch Auslegung und Anwendung von völkerrechtlichen Normen obliegt.

VII. Rechtsprechung Nachdem völkerrechtliche Normen und Resolutionen über Kriegspropaganda und Hassrede dargestellt wurden, wird an dieser Stelle anhand einiger Entscheidungen internationaler und regionaler Instanzen untersucht, wie die Rechtsprechung mit diesen Normen umgegangen ist. Die internationale Rechtsprechung hat schon seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Fälle zu Kriegspropaganda und Hassrede in den Medien verhandelt. Anhand dieser Fälle wurden bestimmte Kriterien entwickelt, welche zur Festlegung von Konturen und Grenzen der Pressefreiheit beitragen. Ihr Vorläufer ist die Rechtsprechung des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg, der im Rahmen der Verhandlung der Fälle der Journalisten Hans Fritzsche und Julius Streicher einige wichtige Prinzipien über Kriegspropaganda und Hassrede in den Medien aufgestellt hatte. Aber im Hinblick auf die besondere Bedeutung, welche die US-amerikanische Rechtsprechung der Frage der Meinungsäußerungs926 Larson/Whitton, Propaganda: Towards Disarmament in the War of Words, 1964, S. 241 und 246; Motala, The First Amendment and Hate Speech, Howard Law Journal, Vol. 46, 2002/ 03, S. 511. 927 US-Supreme Court, Urteil vom 4. Juni 1951 im Fall Dennis v. United States, in: Supreme Court Reporter, 340 – 341 U.S., 1950, S. 864.

C. Verbot der Propaganda

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freiheit widmet, wird zunächst in Kürze auf einige prominente Fälle der US-amerikanischen Rechtsprechung eingegangen. 1. Die Hassrede und die diesbezügliche US-Rechtsprechung Die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit genießen in der US-amerikanischen Verfassung und Rechtsprechung eine besondere Bedeutung.928 Nach der US-amerikanischen Verfassung darf der amerikanische Kongress keine Regel erlassen, welche die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit einschränkt. „Congress shall make no law […] abridging the freedom of speech, or of the press.“929

Im Vergleich zu völkerrechtlichen Normen über Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit, wie Art. 19 IPBPR, Art. 10 EMRK und Art. 13 AMRK, die dem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit Schranken setzen, verwendet der 1. Verfassungszusatz der US-amerikanischen Verfassung (1. amendment) eine absolute Sprache. Die US-amerikanische Rechtsprechung stellt deswegen sehr hohe Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit. Während des Ersten Weltkriegs entwickelte der Richter Holmes im Fall Schenck v. United States den Maßstab „clear and present danger“, um zwischen der von der Verfassung geschützten Meinungsäußerung und der verbotenen Meinungsäußerung zu unterscheiden. Entscheidend ist nach diesem Maßstab, wie der Richter Holmes feststellte, „whether the words used are used in such circumstances and are of such a nature as to create a clear and present danger that they will bring about the substantive evils that Congress has a right to prevent.“930

Dieser Standard setzt das Element der Unmittelbarkeit voraus. Erforderlich ist das Bestehen einer Kausalbeziehung zwischen der Äußerung und der erwarteten sozialschädlichen Handlung, um die Bestrafung einer Äußerung zu rechtfertigen.931 Nach Richter Frankfurter können nur eine extrem ernste Gefahr und ein hoher Grad der Unmittelbarkeit die Bestrafung einer Äußerung rechtfertigen. Der Eingriff in das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit ist nur gerechtfertigt, wenn das geschützte

928

Siehe dazu Alstyne, The First Amendment and the Suppression of Warmongering Propaganda in the United States, Law and Contemporary Problems, Vol. 31, 1966, S. 530; Schabas (Fn. 858), S. 150. 929 Der 1. Verfassungszusatz der US-amerikanischen Verfassung wurde zitiert nach Tribe, American Constitutional Law, Vol. 1, 2000, S. 2. 930 US-Supreme Court, Urteil vom 3. März 1919 im Fall Schenck v. United States, United States Supreme Court Reports, 248 – 250 U.S., 1919, S. 473. 931 Newhouse, The Constitution and International Agreements or Unilateral Action Curbing „Peace Imperiling“ Propaganda, Law and Contemporary Problems, Vol. 31, 1966, S. 512.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Interesse durch eine deutliche und gegenwärtige Gefahr und nicht nur durch eine zweifelhafte oder mittelbare Gefahr bedroht ist.932 In seiner Entscheidung von 1949 im Fall Terminiello ist der Supreme Court weit gegangen, als er feststellte, dass „a function of free speech under our system of government is to invite dispute. It may indeed best serve its high purpose when it induces a condition of unrest, creates dissatisfaction with conditions as they are, or even stirs people to anger. Speech is often provocative and challenging.“933

Der Gerichtshof stellte auch fest, dass eine Rede nur dann nicht geschützt ist, wenn sie „likely to produce a clear and present danger of a serious substantive evil“934 ist. In seiner Entscheidung von 1951 im Fall Dennis v. United States relativierte der Supreme Court den Maßstab „clear and present danger“. Nach seiner Ansicht kann eine dringende Gefahr, die als Dauergefahr jederzeit in eine Rechtsgutbeeinträchtigung umschlagen kann, auch als eine gegenwärtige Gefahr verstanden werden.935 Die Dringlichkeit und Schwere der Gefahr können hier den Eingriff rechtfertigen. Das Gericht stellte auch fest, dass das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit nicht absolut ist.936 Der Maßstab „clear and present danger“ zeigt die große Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit. Jedoch soll die Ausübung dieser Freiheit im Einklang mit dem Schutz von anderen Freiheiten, welche die Verfassung garantiert, stehen.937 Der Supreme Court legte in seiner Entscheidung von 1969 im Fall Brandenburg v. Ohio den Maßstab „clear and present danger“ anders aus. Hier unterschied das Gericht zwischen dem abstrakten Eintreten (mere advocacy) einer rechtswidrigen Handlung und der Anreizung (incitement to imminent lawless action) zu einer bevorstehenden rechtswidrigen Handlung. Das bloße Eintreten für rechtswidrige Handlungen ist nach der Verfassung geschützt. Verboten ist nach dem neuen Maßstab nur eine Äußerung, wenn sie zu einer unmittelbar drohenden Gefahr oder zu einer rechtswidrigen Handlung anreizt und wenn die Äußerung geeignet ist, diese rechtswidrige Handlung herbeizuführen.938 Der neue Maßstab setzt unbedingt voraus, dass eine Gefahr bevorsteht. Der Maßstab im Fall Brandenburg unterscheidet sich somit von der Ansicht des Supreme Courts im Fall Dennis v. United States. Nach 932 US-Supreme Court, Urteil vom 4. Juni 1951 im Fall Dennis v. United States, Supreme Court Reporter, 340 – 341 U.S., 1950, S. 891 und 892. 933 US-Supreme Court, Urteil vom 16. Mai 1949 im Fall Terminiello v. Chicago, Supreme Court Reporter, 335 – 338 U.S., 1949, S. 896. 934 Ebd., S. 896. 935 US-Supreme Court, Urteil vom 4. Juni 1951 im Fall Dennis v. United States, Supreme Court Reporter, 340 – 341 U.S., 1950, S. 867. 936 Ebd., S. 864. 937 Ebd., S. 885. 938 US-Supreme Court, Urteil vom 9. Juni 1969 im Fall Brandenburg v. Ohio, Supreme Court Reporter, 394 – 395 U.S., 1969, S. 1829.

C. Verbot der Propaganda

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dem Maßstab im Fall Dennis ist eine Anreizung auch dann strafbar, wenn die rechtswidrige Handlung als eine Dauergefahr jederzeit in der Zukunft in eine Rechtsgutbeeinträchtigung umschlagen kann. Im Fall Brandenburg hat der Supreme Court den Maßstab der Gegenwärtigkeit der Gefahr verengt.939 Allein das Eintreten für Gewalt, die nicht bevorsteht, und allein das Eintreten für Gewalt, das nicht geeignet ist, zur Gewalt zu führen, reicht nach dem Maßstab des Supreme Court im Fall Brandenburg v. Ohio für eine Verurteilung nicht aus. In seiner Entscheidung von 2003 im Fall Virginia v. Black entschied der Supreme Court, dass ein Verbot von Kreuzverbrennung, die historisch als Symbol der Gewalt des Ku Klux Klans gegen die Schwarzen in den USA gilt und die heute zum Zweck der Einschüchterung verwendet werden kann, im Einklang mit der US-amerikanischen Verfassung ist, vorausgesetzt, dass der Vorgang der Kreuzverbrennung die Absicht hatte, eine Person oder eine Gruppe von Personen einzuschüchtern.940 Man merkt hier, dass der Supreme Court in diesem Fall seine Anforderungen für eine Verurteilung im Vergleich zu seiner Entscheidung im Fall Brandenburg relativ verringert hat. Daraus ergibt sich, dass nach dem Maßstab „clear and present danger“ in seinen verschiedenen Formen die Schwelle der Rechtfertigung eines Eingriffs in Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit sehr hoch ist. Die Gefahr, die von einer Äußerung ausgeht, muss gegenwärtig und unmittelbar sein und zwischen der Äußerung und der Rechtsgutbeeinträchtigung muss eine Kausalbeziehung bestehen. Im Fall Dennis relativierte der Supreme Court den Maßstab „clear and present danger“ und legte die Voraussetzung der Gegenwärtigkeit weit aus. Aber mit der Verschärfung des Maßstabs durch die Voraussetzung des Vorliegens einer „imminent lawless action“ trägt man den mittelbaren oder zukünftigen Gefahren, die eine Anreizung verursachen kann, nicht Rechnung.941 Eine Meinungsäußerung kann auch mittelbare Wirkungen auf Leser oder Zuhörer haben, indem sie zur Meinungsbildung anderer Personen oder zur Erzeugung der Bereitschaft und der passenden Atmosphäre für die Begehung einer rechtswidrigen Handlung in der Zukunft beiträgt. Die Methode des US-amerikanischen Supreme Court bezüglich der Behandlung der Hassrede stellt eine Abweichung von den relevanten Regeln der internationalen Konventionen sowie von der internationalen Rechtsprechung dar.942 Das zeigt, warum die USA sich gegen die Verankerung von Bestimmungen, die Hassrede und Kriegspropaganda verbieten, eingesetzt haben, steht aber nicht ganz im Einklang mit ihrer Position 939

Siehe dazu Lynd, Brandenburg v. Ohio: A Speech Test for all Seasons, The University of Chicago Law Review, Vol. 43, 1975/76, S. 159 und 164; Linde, „Clear and Present Danger“ Reexamined, Stanford Law Review, Vol. 22, 1970, S. 1163. 940 US-Supreme Court, Urteil vom 7. April 2003 im Fall Virginia v. Black, Supreme Court Reporter, Vol. 123 A, 2002, S. 1539. 941 Gaudreault-DesBiens, From Sisyphus’s Dilemma to Sisyphus’s Duty? A Mediation on the Regulation of Hate Propaganda in Relation to Hate Crimes and Genocide, The McGill Law Journal, Vol. 46, 2000/01, S. 124. 942 Motala (Fn. 925), S. 513.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

gegen einige ausländische TV-Sender. Die US-amerikanische Regierung hat oft TVSendern wie Al-Jazeera die Aufstachelung zu religiösen Hass und zu Gewalt vorgeworfen, weil sie gegenüber den USA eine kritische Medienpolitik verfolgen. AlJazeera und auch andere arabische TV-Sender bezeichneten beispielsweise den USamerikanischen Krieg 2003 gegen den Irak als Invasion und Besatzung. Außerdem strahlte Al-Jazeera Botschaften von Al-Qaida-Terrornetzführer aus.943 In objektiver Hinsicht könnte man die gesendeten Botschaften der Al-Qaidaführer unter die Kategorie der Kriegspropaganda und Anreizung zu Gewalt und Hass subsumieren. Das Argument, dass die Ausstrahlung dieser Botschaften als eine exklusive für Al-Jazeera gilt, reiche als Rechtfertigung nicht aus. Man kann unterstellen, dass einige dieser Botschaften Beispiele für die Kriegspropaganda und Hassrede sind, die Art. 20 IPBPR verbietet. Gegen Art. 20 IPBPR haben aber die USA einen Vorbehalt eingelegt. Die Vorbehalte und Erklärungen, welche die USA und andere Staaten gegen Art. 20 IPBPR und andere relevante Bestimmungen in den internationalen und regionalen Konventionen abgegeben haben, hinderten nach Ansicht des ICTY in seiner Entscheidung von 2001 im Fall Kordic´ die Entwicklung eines Völkergewohnheitsrechts, das einige Formen der Hassrede verbieten würde.944 2. Rechtsprechung des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg Das Einsetzen von Kriegspropaganda war eine der stärksten Waffen, die das NaziRegime in Deutschland in der Zeit von 1933 bis 1945 einsetzte, um eine Bereitschaft für die Kriegführung zu erzeugen und den Weg für politisch motivierte Handlungen und Aggressionskriege zu ebnen. Die Gefahr der Rolle der Propaganda bei der Vorbereitung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen gegen den Frieden und Kriegsverbrechen hat das Internationale Militärtribunal von Nürnberg während der Aburteilung der Nazi-Führer als erheblich eingestuft. Das Tribunal stellte fest, dass „Propaganda was used to create a specific thought pattern designed to make the people amenable to the aims and programme of the Nazis“.945

Im Bewusstsein dieses gefährlichen Beitrags, den die Kriegspropaganda während des Zweiten Weltkriegs geleistet hat, wurden zwei Journalisten genauso wie die anderen Nazi-Hauptkriegsverbrecher vor das Tribunal gestellt. 943 Siehe die Webseite der International Federation of Journalists, abrufbar unter: http:// www.ifj.org/assets/docs/058/088/9eb323a-dacec58.pdf, abgerufen am 20.05. 2012. 944 ICTY, Entscheidung vom 26. Februar 2001 im Fall Kordic´ (TC), Case No. IT-95-14-2-T, Paragraph 209, abrufbar unter: http://www.icty.org/x/cases/kordic_cerkez/tjug/en/kor-tj 010226e.pdf, abgerufen am 20.05. 2012. 945 The Trial of German Major War Criminals: Proceedings of the International Military Tribunal Sitting at Nuremberg, Germany, Part I, 20th November, 1945 to 1st December, 1946, S. 121. Im Folgenden: The Trial of German Major War Criminals.

C. Verbot der Propaganda

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a) Der Fall Hans Fritzsche Hans Fritzsche war der Leiter der Presseabteilung im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda in der Nazi-Ära. Er bekleidete mehrere Ämter im Reichsministerium und leitete die Rundfunkabteilung.946 Außerdem hatte er seine eigenen wöchentlichen Reportagen im Rundfunk.947 Vor dem Tribunal wurde Fritzsche die Verschwörung gegen den Weltfrieden, die Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen.948 Im Rahmen seiner Tätigkeit soll Fritzsche Nachrichtenberichte gefälscht haben, um in der deutschen Gesellschaft Ressentiments zu wecken, die später zur Begehung von Grausamkeiten führten.949 Vor dem Tribunal behauptete Fritzsche, dass er die ganze Zeit seiner „Berufsausübung“ von den aggressiven Absichten Hitlers nichts gewusst habe.950 Fritzsche sagte auch aus, dass er durch seine Propaganda nicht versucht habe, Hass gegen Engländer, US-Amerikaner, Franzosen und Russen aufzustacheln. Er habe lediglich für die Notwendigkeit des Krieges propagiert, weil Deutschland vor seinen Feinden nicht kapitulieren sollte.951 Er bestritt auch, dass er vorsätzlich Nachrichten gefälscht habe.952 Bezüglich der Kriegsverbrechen gegen die Juden oder andere Gruppen behauptete Fritzsche, dass er nicht gewusst habe, dass systematische Menschenrechtsverletzungen und massive Kriegsverbrechen von Nazis gegen Juden und andere Völker begangen worden waren. Fritzsche erwähnte, dass er jedes Mal, wenn er von der Begehung solcher Verbrechen gehört habe, nachgefragt hätte. Oft habe er eine Bestätigung von den zuständigen Personen erhalten, dass es sich um böse Gerüchte bzw. feindliche Propaganda der Alliierten oder Einzel-Verbrechen gehandelt habe, deren Täter bestraft würden.953 Das Tribunal konnte seine Behauptung, dass er selbst ein gutgläubig Getäuschter war, nicht widerlegen. Das Tribunal stellte fest, dass er den Inhalt der Propaganda nicht kontrollierte und, dass seine Rolle sekundär gewesen sei. Er sei nicht befugt gewesen, den Inhalt der veröffentlichten Nachrichten in Zeitungen oder Rundfunk-

946

The Trial of German Major War Criminals, Part 5, 21st January, 1946 to 1st February, 1946, S. 79; The Trial of German Major War Criminals, Part 17, 20th June, 1946 to 1st July, 1946, S. 282. 947 Ebd., S. 239. 948 The Trial of German Major War Criminals, Part 22, 30th September, 1946 to 1st October, 1946, S. 525. 949 The Trial of German Major War Criminals, Part 5, 21st January, 1946 to 1st February, 1946, S. 91. 950 The Trial of German Major War Criminals, Part 17, 20th June, 1946 to 1st July, 1946, S. 239, 242 und 267. 951 Ebd., S. 243 und 244. 952 Ebd., S. 248 und 250. 953 Ebd., S. 254, 260, 261, 262, 263 und 267.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

sendungen zu bestimmen.954 Er sei auch nicht persönlich an den Plänen oder der Verschwörung zur Durchführung eines Angriffskriegs oder zur Ausführung einer der Aggressionshandlungen beteiligt gewesen.955 Die Propaganda von Fritzsche erzeugte aber eine allgemeine Bereitschaft, die die Ausführung der Aggressionspläne erleichterte. Seine Radioreportagen waren im Allgemeinen anti-semitisch. In diesen sagte er z. B., dass die Juden diejenigen gewesen seien, die den Ausbruch des Krieges verursacht und ein unglückliches Schicksal erlitten hätten. Der Gerichtshof konnte nicht nachweisen, dass er von den Vernichtungsverbrechen in Osteuropa wusste. Im Gegenteil zeigten die Beweise, dass er gegen den Inhalt des Hetzblattes „Der Stürmer“ protestiert und versucht hatte, das Erscheinen dieser Zeitung zwei Mal zu verhindern.956 In seinen Radioreportagen hatte Fritzsche unrichtige Informationen verbreitet. Der Gerichtshof konnte aber seine Behauptung nicht widerlegen, dass er von der Unrichtigkeit dieser Informationen nichts gewusst habe. In seinen Reportagen hatte er auch Gebrauch von kriegspropagandistischen Äußerungen gemacht. Das Tribunal aber nicht nachweisen, dass Fritzsche diese Äußerungen vorsätzlich gemacht hatte, um das deutsche Volk zur Begehung von Grausamkeiten gegen die besiegten Völker anzureizen. Nach den Aussagen sei sein Ziel gewesen, Unterstützung für Hitler und den Krieg beim deutschen Volk zu schaffen.957 Das Tribunal sprach den Journalisten Hans Fritzsche frei. b) Der Fall Julius Streicher Der Journalist Julius Streicher gilt als ein krasses Beispiel für Personen, welche die Presse nutzen, um für Hass, Rassendiskriminierung und Gewalt zu propagieren. Vor und während des Zweiten Weltkriegs verwendete Streicher, der Herausgeber und Eigentümer des Hetzblattes „Der Stürmer“, die Zeitung als Propagandaforum gegen die Juden. Ein Leitartikel in „Der Stürmer“ im Mai 1939 enthielt z. B. den Satz: „The Jews in Russia must be killed. They must be exterminated root and branch.“958

Vor dem Tribunal wurde Julius Streicher der Verschwörung gegen den Frieden und der Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.959 954 The Trial of German Major War Criminals, Part 17, 20th June, 1946 to 1st July, 1946, S. 238 und 239; The Trial of German Major War Criminals, Part 22, 30th September, 1946 to 1st October, 1946, S. 525. 955 The Trial of German Major War Criminals, Part 22, 30th September, 1946 to 1st October, 1946, S. 526. 956 The Trial of German Major War Criminals, Part 22, 30th September, 1946 to 1st October, 1946, S. 526. 957 The Trial of German Major War Criminals, Part 22, 30th September, 1946 to 1st October, 1946, S. 525. 958 Die englische Übersetzung des Texts des „Der Stürmer“ wurde zitiert nach: The Trial of German Major War Criminals, Part 22, 30th September, 1946 to 1st October, 1946, S. 501. 959 The Trial of German Major War Criminals, Part 8, 27th February, 1946 to 11th March, 1946, S. 158.

C. Verbot der Propaganda

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Vor dem Tribunal verleugnete Streicher, dass er von den Verbrechen gegen die Juden gewusst hätte. Das Tribunal stellte aber fest, dass er davon wusste, und dass er seine Aufstachelung gegen die Juden auch fortführte, nachdem er von den Vernichtungsverbrechen gegen sie in Osteuropa im Rahmen der so genannten „final solution“ wusste. Er bekam und las die jüdische Zeitung „Israelitisches Wochenblatt“, die in jeder Ausgabe von den Zahlen der umgebrachten Juden und von dem Verschwinden von Juden aus Europa berichtete.960 Das Tribunal stellte fest, dass der Inhalt der Zeitung „Der Stürmer“, für sein Wissen von den Verbrechen gegen die Juden und auch die Zeit für das Vorliegen des Elements der „mens rea“ sprechen. Um die äußerst destruktive und gefährliche Rolle, welche die Worte von Streicher spielten, aufzuzeigen, konstatierte das Tribunal, dass Streicher und seine Propaganda hinter allen diesen Grausamkeiten standen, welche die Deutschen gegen die Juden begangen haben. Das Tribunal erwähnte, dass „… without Julius Streicher, no Ausschwitz, no Mauthausen, no Maidanek, no Lublin.“961

Wichtig ist hier anzumerken, dass die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit von Streicher nur wegen seiner anreizenden Propaganda für Gewalt entstanden ist. „Only his propaganda, his effective use of both the written and spoken word, was made the subject of the accusation against him.“962

In Bezug auf den Vorwurf der Beteiligung an der Verschwörung gegen den Frieden stellte das Tribunal fest, dass Streicher nicht zur Gruppe der Führer, die die Pläne des Kriegs aufstellte, gehörte.963 Das Tribunal stellte aber fest, dass die Anreizung zum Mord und zur Ausrottung in der Zeit, in der die Juden im Osten unter den grausamsten Umständen getötet wurden, ein Verfolgungsverbrechen aus politischen und rassistischen Gründen darstellt und somit als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gilt.964 Daher verurteilte das Tribunal Julius Streicher zum Tode.965 c) Ein Vergleich zwischen Hans Fritzsche und Julius Streicher Das Tribunal von Nürnberg stellte fest, dass beide angeklagten Journalisten Propaganda vor und während des Zweiten Weltkriegs betrieben haben. Während das Tribunal Fritzsche freisprach, verurteilte es Streicher zum Tode durch den Strang. 960 The Trial of German Major War Criminals, Part 22, 30th September, 1946 to 1st October, 1946, S. 502. 961 The Trial of German Major War Criminals, Part 18, 2nd July, 1946 to 15th July, 1946, S. 317. 962 Ebd., S. 317. 963 The Trial of German Major War Criminals, Part 22, 30th September, 1946 to 1st October, 1946, S. 501. 964 The Trial of German Major War Criminals, Part 22, 30th September, 1946 to 1st October, 1946, S. 502. 965 Ebd., S. 529.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Ein Vergleich zwischen den Handlungen von Fritzsche und Streicher könnte bei der Abgrenzung der erlaubten von der unerlaubten bzw. kriminalisierten Propaganda helfen. Während das Tribunal im Fall Fritzsche nicht feststellen konnte, dass Fritzsche verantwortlich für die Gestaltung der Medienpolitik oder den Inhalt der veröffentlichten und gesendeten Nachrichten war, war die Verantwortung Streichers als Chefredakteur des Hetzblattes „Der Stürmer“ eindeutig. Er schrieb persönlich Aufsätze, die zur Ausrottung der Juden anreizten. Sein Einfluss auf den Inhalt der veröffentlichten Briefe und Aufsätze, die zur Ausrottung der Juden anreizten, war auch nicht zu bestreiten. Er war in der Lage, die Veröffentlichung von solchem Material zu verhindern. Er hat es aber nicht getan. Er hat solche Aufsätze weiter veröffentlicht, auch nachdem er von den Vernichtungsverbrechen gegen die Juden wusste. Das zeigt die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Chefredakteurs als Vorgesetzter nicht nur für das, was er persönlich schreibt, sondern auch für das, was in seinem Presseunternehmen im Allgemeinen veröffentlicht wird. Die Entstehung der Vorgesetztenverantwortlichkeit erfordert aber, dass der Vorgesetzte in der Lage ist, den Inhalt des veröffentlichten Materials zu kontrollieren, und wenn nötig, die Veröffentlichung zu verhindern. Im Fall Fritzsche konnte das Tribunal nicht beweisen, dass er von der Unrichtigkeit der Informationen, die er veröffentlichte, oder von den Verbrechen gegen die Juden wusste oder hätte wissen müssen. Außerdem versuchte Fritzsche, das Erscheinen des Hetzblatts „Der Stürmer“ wegen seines Inhalts zu verhindern. Der Gerichtshof konnte nicht feststellen, dass er vorsätzlich handelte. Noch ein weiterer Unterschied besteht zwischen den beiden Fällen. Im Fall Fritzsche war der Inhalt des veröffentlichten Materials im Allgemeinen anti-semitisch und reizte die Deutschen zum Kampf gegen die Feinde Deutschlands an. Es gab aber keine unmittelbare Anreizung zur Begehung einer bestimmten rechtswidrigen Handlung gegen Juden als solche. Im Gegensatz dazu stand das veröffentlichte Material in „Der Stürmer“, das unmittelbar zur Gewalt und zur Ausrottung der Juden aufstachelte. Dieser Punkt zeigt die Wichtigkeit des Unmittelbarkeitselements bei der Anreizung zur Begehung von solchen Verbrechen. Diese Unterschiede in Bezug auf den Inhalt des veröffentlichten Materials, das Unmittelbarkeitselement, den Vorsatz und die Ausübung einer effektiven Kontrolle über das veröffentlichte Material waren für das Tribunal die Kriterien, die es bei der Beurteilung der Angeklagten verwendete. Wichtig ist auch hier anzumerken, dass das Tribunal auf einen unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang zwischen den Äußerungen und Veröffentlichungen von Streicher und spezifischen Mordhandlungen nicht hingewiesen hat. Es gab aber eine Kausalbeziehung zwischen dem, was er sagte und schrieb, und den Gewalthandlungen im Allgemeinen. Dadurch ergibt sich, dass das Tribunal hier zwischen zwei Formen von Propaganda unterschied. Die eine zielte auf die Verschaffung von unterstützenden Gefühlen unter der deutschen Bevölkerung für den Krieg, die zweite reizte zum Hass und zur Gewalt gegen die Juden und zu ihrer Vernichtung auf Grund ihrer Religion und Rasse auf. Nur die zweite Form ist nach der Rechtsprechung des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg völkerrechtlich kriminalisiert, die erste nicht.

C. Verbot der Propaganda

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3. Der UN-Menschenrechtsausschuss (Der Fall Faurisson) Anhand des Falles Faurisson wird im folgenden Abschnitt dargestellt, wie der UN-Menschenrechtsausschuss mit Fragen der Hassrede umgegangen ist. Faurisson, ein ehemaliger Professor, war bekannt durch seine Äußerungen über den Holocaust, insbesondere sein Bestreiten der Existenz der Gas-Kammern für Vernichtungszwecke (chambres a gaz homicides) in Auschwitz und anderen Nazi-Konzentrationslagern.966 In Juli 1990 hat Frankreich ein Gesetz erlassen, welches das Bestreiten der Existenz der Kategorie der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie sie in der London Charter vom 8. August 1945 definiert sind, unter Strafe stellt.967 In September 1990 hat „Le Choc du Mois“, eine französische Zeitschrift, ein Interview mit dem Beschwerdeführer veröffentlicht, in dem er seine Meinungen über die GasKammern wiederholte. Er behauptete, dass „the myth of the gas chambers“ eine Erfindung gewesen sei, die von den Alliierten unterstützt und von der französischen Regierung als offizielle Tatsache eingestuft worden sei. Infolge der Veröffentlichung des Interviews haben 11 Vereine der französischen Widerstandskämpfer und der Überlebenden von Nazi-Konzentrationslagern eine Beschwerde gegen Faurisson und Patrice Boizeau, den Redakteur von „Le Choc du Mois“, eingelegt. Ein französisches Gericht verurteilte Faurisson und Boizeau wegen Verstoßes gegen das Gesetz. Bei der Berufung wurde die Entscheidung des Gerichts erster Instanz bestätigt. Am 2. Januar 1993 hat Faurisson eine Mitteilung gemäß dem Fakultativprotokoll zu dem IPBPR bei dem UN-Menschenrechtsausschuss eingereicht. In seiner Mitteilung behauptete Faurisson, dass das Gesetz, seine Festnahme und Verurteilung sein Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit und seine akademische Freiheit verletzten.968 Da die Mitteilung um Fragen von Art. 19 IPBPR ging, erklärte der Ausschuss die Mitteilung von Faurisson für zulässig. Zur Rechtfertigung der Gerichtsentscheidung trug Frankreich u. a. bei dem Ausschuss Folgendes vor: Die Handlungen des Beschwerdeführers enthielten eindeutig Elemente von Rassendiskriminierung, die gemäß dem IPBPR und anderen internationalen Menschenrechtsverträgen verboten seien. In diesem Zusammenhang berief sich die Staatspartei auf Art. 5 (1), Art. 26 und Art. 20 (2) IPBPR.969 Frankreich trug auch vor, dass Rassismus keine Meinung sei, sondern eine Aggression darstelle, und dass immer dann, wenn es erlaubt war, sich rassistisch zu äußern, die öffentliche Ordnung unmittelbar und schwer bedroht gewesen sei.970 Der UN-Menschenrechtsausschuss prüfte gemäß Art. 5 (1) des Fa966

UN-Menschenrechtsausschuss, Entscheidung vom 8. November 1996 im Fall Faurisson v. France, in: Lord Lester of Herne Hill (ed.), Butterworths Human Rights Cases, Vol. 2, 1997, S. 1. Im Folgenden: UN-Menschenrechtsausschuss, Entscheidung vom 8. November 1996 im Fall Faurisson v. France. 967 UN-Menschenrechtsausschuss, Entscheidung vom 8. November 1996 im Fall Faurisson v. France, S. 1. 968 Ebd., S. 4. 969 Siehe Art. 5, 20 und 26 IPBPR, BGB1. 1973 II, S. 1534 ff. 970 UN-Menschenrechtsausschuss, Entscheidung vom 8. November 1996 im Fall Faurisson v. France, S. 9.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

kultativprotokolls zum IPBPR die Mitteilung des Beschwerdeführers im Lichte der ihm von den betroffenen Parteien unterbreiteten schriftlichen Angaben. Der Ausschuss hatte zu prüfen, ob der Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt war. Ein Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit muss auf Grund eines Gesetzes erfolgen und ein legitimes Ziel verfolgen, das den in Art. 19 (3) IPBPR vorgesehenen Zwecken entspricht. Der Eingriff muss auch erforderlich zur Verwirklichung des legitimen Ziels sein. Im vorliegenden Fall erfolgte die Einschränkung des Rechts des Beschwerdeführers aufgrund eines Gesetzes. Der Ausschuss nahm Bezug auf die Entscheidung des französischen Gerichts, das seine Entscheidung auf die folgenden Aussagen von Faurisson gründete: „I have excellent reasons not to believe in the policy of extermination of Jews or in the magic gas chambers […]. I wish to see that 100 per cent of the French citizens realize that the myth of the gas chambers is a dishonest fabrication.“971

Aufgrund dieser Äußerungen kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass das Gericht den Beschwerdeführer zu Recht wegen der Verletzung der Rechte und des Rufes anderer verurteilt hat. Der Ausschuss war überzeugt, dass das Gesetz, wie es in diesem Fall durch das französische Gericht gelesen, ausgelegt und angewendet worden war, im Einklang mit den Bestimmungen des IPBPR steht.972 Die Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit zum Schutze eines Rechtsguts kann für das Interesse anderer Personen oder für das Interesse der Gesellschaft als Ganzes erfolgen. Da die Äußerungen des Beschwerdeführers im Kontext gelesen ihrer Natur nach geeignet sind, anti-semitische Gefühle zu fördern, kommt der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass die Einschränkung des Rechts des Beschwerdeführers auf Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 19 (3) IPBPR erlaubt war.973 Schließlich musste der Ausschuss prüfen, ob die Einschränkung des Rechts des Beschwerdeführers erforderlich war. Dabei griff der Ausschuss auf die Argumente Frankreichs in Bezug auf den Erlaß des Gesetzes zurück. Das Gesetz zielt darauf, dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus zu dienen. Folglich kam der Ausschuss zu der Überzeugung, dass die Einschränkung des Rechts von Faurisson auf Meinungsäußerungsfreiheit im Sinne des Art. 19 (3) IPBPR erforderlich war. Nach alledem war der Ausschuss der Meinung, dass die vorliegenden Tatsachen keinen Verstoß Frankreichs gegen Art. 19 IPBPR darstellen.974

971 UN-Menschenrechtsausschuss, Entscheidung vom 8. November 1996 im Fall Faurisson v. France, S. 14. 972 Ebd., S. 14. 973 Ebd., S. 14. 974 Ebd., S. 14.

C. Verbot der Propaganda

225

4. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit haben in der westlichen Demokratie einen besonderen Platz. Die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben in vielen Fällen die Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft betont. Diese Freiheit ist aber nicht absolut. Eingriffe durch Behörden sind gemäß Art. 10 (2) EMRK nach bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Äußerungen, die als Kriegspropaganda oder Hassrede gelten, werden nicht vom Schutzbereich des Art. 10 EMRK erfasst. Der EGMR beschäftigte sich mit mehreren Fällen dieser Art.975 Als einer der ersten und prominenten Fälle gilt die EGMR-Entscheidung vom 23. September 1994 im Fall Jersild. In diesem Fall, sowie auch in seiner Entscheidung vom 25. November 1997 im Fall Zana, stellte der Gerichtshof einige Prinzipien auf, die zur Festlegung der Grenzen zwischen erlaubten und unerlaubten Formen der Hassrede und Kriegspropaganda beitragen können. a) Der Fall Jersild gegen Dänemark Der Beschwerdeführer ist ein Journalist, der drei Personen interviewte, die der rassistischen Jugendgruppe „Grünjacken“ in Dänemark angehören. Das Interview wurde von einem seriösen Fernsehprogramm, das „Sonntag Nachrichtenzeitschrift“ heißt, gesendet. In diesem Interview identifizierten sich die „Grünjacken“ als Rassisten und machten extrem aggressive Äußerungen über die Schwarzen und Immigranten in Dänemark. In dem Interview wies der Journalist darauf hin, dass es unter den Schwarzen auch sehr kompetente Personen gäbe. Außerdem wurden die interviewten Personen bei der Vorstellung des Programms als Rassisten bezeichnet. Jedoch gab es keine explizite Verurteilung ihrer Äußerungen.976 Vor einem dänischen Gericht wurden der Journalist und die drei „Grünjacken“ nach einem dänischen Gesetz, das die Verbreitung von Ideen basierend auf Rassenüberlegenheit, Hass, Aufstachelung zur Rassendiskriminierung und Gewalt verbietet, verurteilt.977 Bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte hat der Journalist nach Ausschöpfung der Rechtsmittel in Dänemark eine Beschwerde eingereicht mit der Begründung, dass die Entscheidung des dänischen Gerichts sein Recht auf Meinungsäu975

Siehe dazu z. B. EGMR, Urteil vom 18.07. 2000 im Fall Sener gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 26680/95 (Fn. 634), Paragraph 42; Urteil des EGMR vom 9. Juni 1998 im Fall Incal gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 41/1997/825/1031 (Fn. 652), S. 1548 ff.; vgl. auch zwischen den Urteilen des Gerichts vom 8. Juli 1999 im Fall Sürek I, Aktenzeichen Nr. 23927/ 95 (Fn. 637), S. 353 ff. und im Fall Sürek und Özdemir gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 26682/95, in: Lord Lester of Herne Hill (ed.), Butterworths Human Rights Cases, Vol. 7, 2000, S. 339 ff. 976 EGMR, Urteil vom 23. September 1994 im Fall Jersild gegen Dänemark, Aktenzeichen Nr. 15890/89, (Fn. 617), Paragraph 9 – 12. 977 Ebd., Paragraphen 12 – 17.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

ßerungs- und Pressefreiheit verletze.978 Nach der Zulassung der Beschwerde untersuchte der Gerichtshof im Rahmen seiner Prüfung des Falls, ob das Urteil des dänischen Gerichts in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war. Das ist es, wenn es einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht.979 Der EGMR prüfte den Fall im Lichte der Gesamtheit der Vorgänge. Der EGMR prüfte, ob die Rechtfertigungsgründe der innerstaatlichen Instanzen relevant und ausreichend sind und ob das angewendete Mittel – im vorliegenden Fall die Verurteilung – im Vergleich zu dem entstehenden Schaden verhältnismäßig ist. Bei seiner Prüfung berücksichtigte der Gerichtshof die Art und Weise, mit der die Grünjacken vorgestellt wurden, den Inhalt ihrer Äußerungen, den Kontext, in dem sie gesendet wurden und den Zweck des Programms.980 Dänemark rechtfertigte die Gerichtsentscheidung mit der Begründung, dass sie zum Schutz der Rechte und des guten Rufes anderer notwendig gewesen sei. Die Entscheidung sei auch notwendig gewesen zur Bekämpfung von Rassismus im Einklang mit den Verpflichtungen Dänemarks unter dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1966, das die Mitgliedstaaten verpflichtet, jede Verbreitung von Ideen oder Theorien, die sich auf die Überlegenheit einer Rasse oder den Rassenhass gründen, und jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung zu einer nach dem Gesetz strafbaren Handlung zu erklären.981 In dieser Hinsicht konstatierte der EGMR, dass die Verpflichtungen Dänemarks in Art. 10 EMRK möglichst im Einklang mit seinen Verpflichtungen gemäß dem Internationalen Übereinkommen ausgelegt werden müssen.982 Im Rahmen seiner Prüfung prüfte der Gerichtshof, ob der Zweck des Programms die Verbreitung von rassistischen Meinungen und Ideen war. Maßgeblich für die Entscheidung des EGMR war deswegen die Vorstellung des Programms, in der der Journalist sich von diesen Personen distanzierte und sie als extremistische Jugendliche bezeichnete. Das habe gezeigt, dass das Ziel des Interviews nicht die Propagierung rassistischer Ideen, sondern das Diskutieren eines gesellschaftlichen Phänomens war.983 Daraufhin befand der Gerichtshof, dass der Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Meinungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig war, und dass besonders das angewendete Mittel zum Schutz des Rufes und der Rechte anderer nicht verhältnismäßig war. Der Eingriff stellte folglich eine Verletzung von Art. 10 EMRK dar.984

978

Ebd., Paragraph 1. Ebd., Paragraph 31. 980 Ebd., Paragraph 31. 981 EGMR, Urteil vom 23. September 1994 im Fall Jersild gegen Dänemark, Aktenzeichen Nr. 15890/89 (Fn. 617), Paragraph 27; siehe auch Art. 4 (a) des Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1966, BGB1. 1969 II, S. 966. 982 EGMR, Urteil vom 23. September 1994 im Fall Jersild gegen Dänemark, Aktenzeichen Nr. 15890/89 (Fn. 617), Paragraph 30. 983 Ebd., Paragraph 33 und 34. 984 Ebd., Paragraph 37. 979

C. Verbot der Propaganda

227

b) Der Fall Zana gegen die Türkei „I support the PKK national liberation movement, on the other hand, I am not in favour of massacres. Anyone can make mistakes, and the PKK kill women and children by mistake“.

Dies sagte Mehdi Zana, der ehemalige Bürgermeister der Stadt Diyarbakir im Südosten der Türkei in einem Interview im Gefängnis mit „Cumhuriyet“, einer der großen nationalen Tageszeitungen in der Türkei. Das Interview wurde kurz nach PKK-Angriffen, deren Opfern Zivilisten gewesen waren, veröffentlicht.985 Vor einem türkischen Gericht wurde Zana wegen seiner Äußerungen gemäß einem türkischen Gesetz verurteilt. Bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte hat Zana eine Beschwerde eingereicht. Neben anderen Kriterien prüfte der EGMR auch die Funktion des Beschwerdeführers und den Kontext, in dem die Äußerungen gemacht wurden. Bei der Prüfung des Inhalts der Äußerungen des Beschwerdeführers berücksichtigte der EGMR die Situation, in der die Äußerungen gemacht wurden und die Persönlichkeit des Beschwerdeführers als ehemaligem Bürgermeister einer der großen Städte der Türkei. Der Gerichtshof hielt die Äußerungen von Zana für widersprüchlich und zweideutig. Sie würden eine bereits gespannte Situation in dem Gebiet weiter verschärfen. Der EGMR nahm eine Abwägung zwischen dem Recht des Individuums auf Meinungsäußerungsfreiheit und dem Recht einer demokratischen Gesellschaft auf Schutz vor Aktivitäten terroristischer Organisationen vor. 986 Der Gerichtshof stellte fest, dass der Eingriff einem dringenden sozialen Bedarf nach Bekämpfung von Terrorismus und Gewalt entspricht. Er sei im Rahmen des Spielraums erfolgt, den die Mitgliedstaaten bei solchen Situationen genießen. Angesichts des verfolgten legitimen Ziels sei der Eingriff auch verhältnismäßig gewesen. Daher hat der Gerichtshof die Entscheidung des türkischen Gerichts nicht als Verletzung der EMRK angesehen. 987 5. Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda (Media Trial) Untersucht werden hier anhand des Falles „Media Trial“ (Nahimana) die völkerstrafrechtlichen Konsequenzen, die entstehen können, wenn Journalisten sich im Propaganda-Krieg und bei der Aufstachelung zum Hass, zur Rassendiskriminierung und zur Gewalt einspannen lassen, um die Stimmung in einem Land anzuheizen und die Bereitschaft für die Begehung von Völkermordverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu erzeugen.988 985

EGMR, Urteil vom 25. November 1997 im Fall Zana gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 69/1996/688/880, European Human Rights Reports, Vol. 27, 1999, S. 667. 986 Ebd., S. 690. 987 Ebd., S. 691. 988 Die Untersuchung behandelt an dieser Stelle nicht den ganzen Fall, sondern nur Fragen, die im engen Zusammenhang mit dem Forschungsthema stehen.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

a) Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda Infolge der Massaker und des Massenmordes, welche die Hutus gegen die TutsiMinderheit in Ruanda 1994 verübten und die zum Tod von hunderttausenden Personen führten, hat der UNO-Sicherheitsrat gemäß Kapitel VII der UNO-Charta am 8. November 1994 die Resolution Nr. 955, die einen Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda errichtete, verabschiedet.989 Die Errichtung des ICTR bezweckte gemäß Art. 1 des Gerichtsstatutes die strafrechtliche Verfolgung und Bestrafung von Personen, die für schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht in Ruanda im Jahre 1994 verantwortlich waren.990 Unter den berühmten Fällen, die der Gerichtshof verhandelt hat, war der Fall Nahimana/Barayagwiza/Negeze, der durch den Namen „Media Trial“ bekannt geworden ist. Der Prozess fing am 23. Oktober 2000 an und endete am 22. August 2003 nach 230 Sitzungen.991 Auf Berufung der Angeklagten nahm die Appeals Chamber die Sache auf. Am 28. November 2007 verkündete die Appeals Chamber ihre Entscheidung im Fall.992 Die Entscheidung der Appeals Chamber hob die Trial Chamber-Entscheidung teilweise auf, wiederholte und bestätigte aber auch mehrere Prinzipien, die die Trial Chamber in Bezug auf den Mediendiskurs aufgestellt hatte. Aus Platzgründen wird an dieser Stelle nur auf einige Punkte und Prinzipien in beiden ICTR-Urteile eingegangen. b) Journalisten als Kriegsverherrlicher und Hasspropagandaverbreiter in Ruanda Die Rolle der Medien und Journalisten war sehr schädlich während des Bürgerkriegs in Ruanda. Sie ebneten den Weg für die später im Land begangen Massaker, die das Leben von ca. 800.000 Personen gekostet haben, die barbarisch durch die Hutu-Milizen und die damalige ruandische Armee massakriert wurden.993 Radio Television Libre des Mille Collines (RTLM) war ein ruandischer Rundfunksender, der als Sprachrohr der extremistischen Hutus agierte. Schon vor dem Anfang der Massaker haben der Radiosender RTLM und die Zeitung „Kangura“ Hasspropa989 Siehe die Resolution des UN-Sicherheitsrats Nr. 955, abrufbar über die Webseite der Vereinten Nationen unter: http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N95/140/97/PDF/ N9514097.pdf?OpenElement, abgerufen am 15.05. 2012. 990 Siehe das ICTR-Statut, abrufbar unter: http://www.unictr.org/Portals/0/English/Legal/Tri bunal/English/2007.pdf, abgerufen am 15.05. 2012. 991 ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana vom 3. Dezember 2003, Case No. ICTR-99-52-T, Paragraph 94, abrufbar über die Webseite des ICTR unter: www.ICTR.Org, abgerufen am 20.05. 2012, im Folgenden: ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana. 992 Siehe ICTR, Urteil der Appeals Chamber vom 28. November 2007 im Fall Nahimana, Case No. ICTR-99-52-A, abrufbar über die Webseite des ICTR unter: http://www.unictr.org/Por tals/0/Case/English/Nahimana/decisions/071128_judgement.pdf, abgerufen am 15.05. 2012, im Folgenden: ICTR, Urteil der Appeals Chamber im Fall Nahimana. 993 ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 115; Mackinnon, International Decisions, American Journal of International Law, Vol. 98, 2004, S. 325.

C. Verbot der Propaganda

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ganda gegen die Tutsi-Minderheit, gemäßigte Hutus, Belgier (die ehemalige Kolonialmacht) und die United Nations Assistance Mission for Rwanda (UNAMIR) betrieben. Kangura war in der Zeit ihrer Veröffentlichung eine der prominentesten Zeitungen in Ruanda.994 Besonders das Radio war ein destruktives Instrument der Hassrede und Verbreitung von Informationen an die weitgehend analphabetische Bevölkerung während des Bürgerkriegs.995 Das blieb nicht ohne völkerstrafrechtliche Folgen für diejenigen Journalisten, die gegen ihre Pflichten und das Völkerrecht verstießen. „The power of the media to create and destroy fundamental human values comes with great responsibility. Those who control such media are accountable for its consequences.“996

Mit diesen Worten begann der Gerichtshof seine Rechtsausführung im Fall. Hierbei zitierte der Gerichtshof die Resolution Nr. 59 (1) der UN-Generalversammlung von 1946, die die Informationsfreiheit als ein fundamentales Menschenrecht bezeichnet. Die Resolution weist aber auch auf die Verantwortung der Medien bei der Beschaffung und Verbreitung von Informationen hin: (It) „requires as an indispensable element the willingness and capacity to employ its privileges without abuse. It requires as a basic discipline the moral obligation to see the facts without prejudice and to spread knowledge without malicious intent.“997

c) Vorwürfe des Verbrechens des Völkermords und der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord gegen Journalisten Den drei Journalisten: Ferdinand Nahimana, Mitbegründer von RTLM und Mitglied des Organisationsausschusses des RTLM, Jean-Bosco Barayagwiza, Mitbegründer von RTLM und Mitglied des Organisationsausschusses des RTLM und Hassan Ngeze, Begründer und Chefredakteur der Zeitung „Kangura“ wurden wegen der Sendung und Veröffentlichung von Berichten und Bildern, welche ethnische Grausamkeiten herbeigeführt und gefördert haben und aufgrund ihrer individuellen Verantwortlichkeit gemäß Art. 6 des Statutes u. a. die Begehung des Verbrechens des Völkermords und die unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord gemäß Art. 2 des Gerichtsstatutes zur Last gelegt. aa) Der Vorwurf des Völkermordes Die drei Journalisten wurden gemäß Art. 2 (3) (a) des Gerichtsstatutes der Begehung von Völkermordverbrechen angeklagt. Bezüglich der Rolle der Angeklagten 994 Gordon, A War of Media, Words, Newspapers, and Radio Stations, Virginia Journal of International Law, Vol. 45, No. 1, 2004, S. 157. 995 Schabas (Fn. 858), S. 145. 996 ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 945. 997 ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 944.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

als Journalisten der Zeitung „Kangura“ und RTLM war ganz klar, dass sie persönlich niemals unmittelbar in die Tötung oder Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Tutsi-Gruppe verwickelt waren. Der Angeklagte muss aber nicht unbedingt selbst das Verbrechen begehen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit einer Person kann auch unter einer der Formen der Verantwortlichkeit, die in Art. 6 (1) und (3) des Gerichtstatutes vorgesehen sind, begründet sein. Der Angeklagte wird für das Verbrechen des Völkermords verantwortlich, wenn er das Verbrechen geplant, zu dessen Begehung angestiftet oder dessen Begehung angeordnet hat. Hierbei ist entscheidend, dass der Gerichtshof nachweist, dass die Handlungen des Angeklagten oder sein Unterlassen wesentlich zur Begehung des Verbrechens des Völkermords beigetragen haben.998 Der Gerichtshof hat Abschnitte der Zeitung „Kangura“ als Beispiele gegeben. „The Ten Commandments“ und „The Appeal to the Conscience of the Hutu“ waren zwei Aufsätze, die mit einer sehr scharfen und aufhetzenden Sprache geschrieben worden waren. Durch Worte wie „The enemy was still there, among us, and waiting to decimate us“

hat die Zeitung die Hutus zur Gewalt aufgestachelt.999 Die Radio-Station, die von einigen „Radio Machete“ genannt wurde, hat sich des Medienpotentials mit dem Ziel bedient, durch Ausnutzung der Furcht der Hutus vor eventuellen Tutsi-Angriffen, zur Gewalt gegen die Tutsis aufzustacheln. Sie stellten die Tutsis als Feinde dar und forderten die Hutus auf, die Tutsis anzugreifen: „RTLM actively encouraged them to kill, relentlessly sending the message that the Tutsi were the enemy and had to be eliminated once and for all.“ 1000

Bezüglich der Kausalität stellte der Gerichtshof fest, dass im Hinblick auf die Natur der Medien die Verursachung von Tötung und anderen Handlungen des Völkermordes unbedingt durch eine weitere separate unmittelbare Ursache zusätzlich zu der Kommunikation selbst herbeigeführt wird. Dies reduziere jedoch nicht die Kausalität, die den Medien zugeschrieben werden kann oder die Verantwortlichkeit derjenigen, die für die Kommunikation zuständig waren.1001 Zur Feststellung des völkermörderischen Vorsatzes der Angeklagten prüfte der Gerichtshof ihre Handlungen, Aufsätze, Äußerungen und die Botschaften, die sie durch die von ihnen kontrollierten Medien vermittelt haben.1002 Die Trial Chamber kam zu dem Ergebnis, dass Handlungen, Äußerungen und Aufsätze der drei An998

ICTR, Urteil der Appeals Chamber im Fall Nahimana (Fn. 992), Paragraph 492. Abschnitte von den zehn Geboten, die im Aufsatz: „The Appell to the Conscience of the Hutu“ waren. Der Aufsatz wurde im Dezember 1990 in der Zeitung Kangura veröffentlicht. Siehe ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 153. 1000 Ebd., Paragraph 488. 1001 Ebd., Paragraph 952 und 1060. 1002 Ebd., Paragraph 957. 999

C. Verbot der Propaganda

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geklagten für ihre Absicht sprechen, die Tutsis als eine ethnische Gruppe als solche zu zerstören.1003 Gemäß Art. 6 (1) des ICTR-Statuts kann die persönliche Verantwortlichkeit des Angeklagten wegen Verbrechen, die er persönlich geplant, angeordnet, verübt oder dazu angestiftet hat oder auf andere Weise an der Planung, Vorbereitung oder Ausführung des Verbrechens beteiligt war oder dazu Beihilfe geleistet hat, entstehen.1004 Dabei muss bewiesen werden, dass die Handlung oder das Unterlassen des Angeklagten wesentlich zur Begehung des Verbrechens beigetragen hat. Der Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit in Art. 6 (1) des Gerichtsstatutes steht so im Einklang mit den Grundsätzen, die das Internationale Militärtribunal von Nürnberg aufgestellt hat.1005 Die Strafverantwortlichkeit kann auch aufgrund der Vorgesetztenverantwortlichkeit gemäß Art 6 (3) des Gerichtsstatutes für die Handlungen, die von Untergebenen begangen wurden, entstehen. Die Vorgesetztenverantwortlichkeit stammt aus dem Militärstrafrecht und verankert den Grundsatz der Verantwortlichkeit für Handlungen der Untergebenen beim Kommandeur.1006 Sie findet unter bestimmten Voraussetzungen auch Anwendung auf die zivilen Vorgesetzten. Die Vorgesetztenverantwortlichkeit gilt als subsidiäre Form strafrechtlicher Verantwortlichkeit für pflichtwidriges Unterlassen. Das bedeutet, dass sie zurücktritt, wenn der Angeklagte sich an der Verbrechensbegehung direkt beteiligt hat. Der Unrechtsgehalt der Vorgesetztenverantwortlichkeit liegt dabei in dem schuldhaft pflichtwidrigen Unterlassen, indem er die ihm übertragenen Kontrollpflichten in vorwerfbarer Weise verletzt hat.1007 Im vorliegenden Fall musste der Gerichtshof prüfen, ob die Angeklagten persönlich gehandelt haben oder ob es ein Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis zwischen den Angeklagten und den Journalisten in RTLM und Kangura gab. Im Fall des Vorliegens dieses Verhältnisses musste der Gerichtshof weiter prüfen, ob die Angeklagten den Inhalt der Sendungen des RTLM oder der in der Zeitung „Kangura“ veröffentlichten Aufsätze kannten oder Grund zu der Annahme hatten, dass ihre Untergebenen die gerügten Sendungen oder Aufsätze zu senden oder zu veröffentlichen, beabsichtigten oder bereits gesendet oder veröffentlicht hatten und sie die erforderlichen und angemessenen Maßnahmen nicht ergriffen haben, um diese Handlungen zu verhindern oder die Täter zu bestrafen.1008

1003

Ebd., Paragraph 966 – 968. Art. 6 (1) des ICTR-Statuts über die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit. 1005 ICTR, Urteil vom 2. September 1998 im Fall Akayesu (TC), Case No. ICTR-96-4-T, Paragraph 471 und 474, abrufbar über die Webseite des ICTR unter: http://www.unictr.org/Por tals/0/Case/English/Akayesu/judgement/akay001.pdf, abgerufen am 20.05. 2012, im Folgenden: ICTR-Urteil im Fall Akayesu. 1006 ICTR-Urteil im Fall Akayesu (Fn. 1005), Paragraph 471. 1007 Werle, Völkerstrafrecht, 2007, S. 190. 1008 Siehe Art. 6 Abs. 1 und 3 des ICTR-Statutes (Fn. 990). 1004

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Die Trial Chamber kam zu dem Ergebnis, dass Nahimana und Barayagwiza aufgrund ihrer Verantwortlichkeit bei der Gründung und Verwaltung des RTLM die Verantwortlichen Nr. 1 und 2 in der Oberverwaltung des RTLM waren.1009 Die Radiostation verbreitete über einen längeren Zeitraum ethnische Hassbotschaften und Aufrufe zur Gewalt gegen die Tutsis. Für diese Hassbotschaften waren Nahimana und Barayagwiza verantwortlich. Als Vorgesetzte von RTLM intervenierten sie nicht, um diese Hasspropaganda zu verhindern, obwohl sie davon wussten und aufgrund ihrer de facto-Gewalt in der Lage gewesen waren, zu intervenieren.1010 Anders als Barayagwiza war Nahimana gemäß Art. 6 Abs. 3 des Statutes wegen der Begehung von Völkermord nicht angeklagt.1011 Die Trial Chamber verurteilte ihn auf Grund seiner persönlichen Verantwortlichkeit gemäß Art. 6 (1) des Gerichtstatutes wegen seiner speziellen persönlichen Rolle in RTLM, die zur Begehung des Völkermords gegen die Tutsis angestiftet hat.1012 Die Trial Chamber verurteilte Barayagwiza gemäß Art. 6 (3) des Gerichtstatutes auf Grund seiner Vorgesetztenverantwortung wegen seines aktiven Engagements in der Verwaltung des RTLM vor dem 6. April 1990, das zur Begehung des Völkermords gegen die Tutsis angestiftet hat.1013 Negeze befand der Gerichtshof für schuldig gemäß Art. 6 (1) wegen seiner Rolle als Gründer, Eigentümer und Redakteur der Zeitung „Kangura“, die zur Begehung von Völkermord gegen die Tutsis angestiftet hat.1014 In ihrer Entscheidung vom 20. November 2007 hat die ICTR-Appeals Chamber einige Punkte in der Entscheidung der Trial Chamber, insbesondere in Bezug auf die zeitliche Zuständigkeit des Gerichtshofs, den ursächlichen Zusammenhang und die individuelle Strafverantwortlichkeit der Angeklagten, revidiert. In Bezug auf RTLM-Sendungen und Kangura-Schriften aus dem Jahre 1994 musste der Gerichtshof nachweisen, dass sie wesentlich zur Begehung der Massaker in Ruanda in diesem Jahr beigetragen haben.1015 Der Gerichtshof prüfte, ob es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den RTLM-Sendungen oder den KanguraSchriften und dem Verbrechen des Völkermordes gab, das gegen die Tutsis in Ruanda im Jahre 1994 begangen wurde. In Bezug auf RTLM-Sendungen stellte die Appeals Chamber fest, dass nur die Sendungen der Station nach dem 6. April 1994 wesentlich zur Begehung des Verbrechens des Völkermords beigetragen haben. Eine ursächliche Beziehung zwischen den Sendungen vor dem 6. April 1994 und den Massakern

1009 1010 1011 1012 1013 1014 1015

ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 567 und 970. Ebd., Paragraph 563, 568 und 971. Ebd., Paragraph 973. Ebd., Paragraph 974. Ebd., Paragraph 973. Ebd., Paragraph 977 A. ICTR, Urteil der Appeals Chamber im Fall Nahimana (Fn. 992), Paragraph 502.

C. Verbot der Propaganda

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war nach Meinung der Appeals Chamber nicht ausreichend nachzuweisen.1016 Sie reichte somit für eine Verurteilung nicht aus. In diesem Punkt wich die Appeals Chamber von der Entscheidung der Trial Chamber ab.1017 In Bezug auf die Zeitung Kangura stellte die Appeals-Chamber fest, dass der Gerichtshof auf Grund der zeitlichen Zuständigkeit nur auf die Kangura-Schriften nach dem 1. Januar 1994, die zum Völkermord angestiftet haben, seine Urteile stützen darf. Da die Appeals Chamber festgestellt hat, dass nur die Sendungen des RTLM nach dem 6. April 1994 wesentlich zur Begehung des Verbrechens des Völkermords beigetragen haben, brauchte sie nur zu prüfen, ob es bei Nahimana bestimmte Handlungen oder ein Unterlassen bezüglich RTLM nach dem 6. April 1994 gegeben hatte, die den Tatbestand eines Verbrechens erfüllen. Dabei ging die Appeals Chamber auf die Argumente der Trial Chamber ein, die diese der Verurteilung von Nahimana gemäß Art. 6 (1) des Statutes zugrunde gelegt hatte. Im Rahmen ihrer Prüfung stellte sie im Gegensatz zu der Entscheidung der Trial Chamber fest, dass Nahimanas Rolle als einer der Gründer des RTLM keinen objektiven Tatbestand eines Verbrechens, das seine individuelle Strafverantwortlichkeit gemäß Art. 6 (1) des Gerichtstatutes begründen könnte, erfüllt. Seine Rolle als Gründer bedeute auch nicht unbedingt, dass er wesentlich zur Begehung des Verbrechens des Völkermords beigetragen habe.1018 Desgleichen stellte die Appeals Chamber auch in Bezug auf seine Rolle als Hauptideologe von RTLM fest, dass die TV-Station sich seinen Anordnungen und Interessen fügte, und dass sie die Waffe seiner Wahl zur Anstiftung gegen die Tutsis war.1019 Eine Verurteilung gemäß Art. 6 (1) des Gerichtstatutes erfordert das Vorliegen eines bestimmten Tuns oder Unterlassens des Angeklagten, das den Tatbestand eines Verbrechens erfüllt.1020 Die Tatsache, dass Nahimana mit den Sendungen, die gegen die Tutsis angestiftet haben, einverstanden war, erfüllt als solche keinen objektiven Tatbestand eines Verbrechens, das seine Verantwortlichkeit gemäß Art. 6 (1) des Gerichtstatutes begründen kann.1021 Es gab auch keinen Beweis, dass Nahimana eine aktive Rolle in den Sendungen gespielt hat, die zur Begehung des Völkermords nach dem 6. April 1994 angestiftet haben, oder dass er selbst den Mitarbeitern Anweisungen zur Anstiftung gegeben hätte.1022 Auch wurde nicht mit Sicherheit festgestellt, dass er einen Kurs für die Anstiftung zum Völkermord vor dem 6. April 1994 für RTLM eingeschlagen hätte, von dem die Station nach dem 6. April 1994 nicht mehr abgewichen ist.1023 Daher hob 1016 1017 1018 1019 1020 1021 1022 1023

Ebd., Paragraph 513 und 515. Siehe ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 949. ICTR, Urteil der Appeals Chamber im Fall Nahimana (Fn. 992), Paragraph 594. Ebd., Paragraph 595. Ebd., Paragraph 594 und 595. Ebd., Paragraph 593. Ebd., Paragraph 597. Ebd., Paragraph 600.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

die Appeals Chamber die Verurteilung von Nahimana wegen Anstiftung zum Völkermord aufgrund seiner individuellen Strafverantwortlichkeit gemäß Art. 6 (1) des Gerichtsstatutes auf.1024 Auch die Verurteilung von Barayagwiza auf Grund seiner Vorgesetztenverantwortung gemäß Art. 6 (3) des Gerichtsstatutes wegen Anstiftung zum Völkermord durch RTLM nach dem 6. April 1994 hob die Appeals Chamber auf. Die Appeals Chamber stellte fest, dass die Trial Chamber sich geirrt habe, als sie befand, dass Barayagwiza in der Lage gewesen wäre, eine effektive Kontrolle über die Journalisten des RTLM nach dem 6. April 1994 auszuüben.1025 bb) Schlussfolgerungen für Kriegskorrespondenten Die Lehre, die man hier für die Kriegskorrespondenten ziehen kann, ist, dass ihre persönliche Verantwortlichkeit nur aufgrund bestimmten Tuns oder Unterlassens, das den Tatbestand eines Verbrechens erfüllt, entstehen kann. Ihre Verantwortlichkeit kann beispielsweise durch etwas, das sie persönlich geschrieben oder mit anderen Personen zu schreiben geplant oder zu dessen Schreiben sie angestiftet haben und nicht bloß wegen grober Schätzungen oder Vermutungen über ihre Rolle in dem Presseunternehmen entstehen. Maßgeblich neben den anderen Voraussetzungen für die Entstehung der Verantwortlichkeit der Vorgesetzten ist, dass der Vorgesetzte effektive Kontrolle über andere Journalisten ausübt. cc) Unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord Im Lichte der Gefährlichkeit und der Schwere des Verbrechens des Völkermords, das als das „Verbrechen aller Verbrechen“ für die Gesellschaften gilt, ist auch die unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord nach den Regeln des Völkerrechts zu bestrafen, auch wenn die Anreizung den von dem Täter erwarteten „Erfolg“ nicht herbei geführt hat.1026 (1) Definition der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord Die Anreizung zur Begehung von Völkermord unterscheidet sich von der Anstiftung dadurch, dass die Erste einen unmittelbaren und öffentlichen Aufruf zur Handlung enthalten muss.1027 Die Anreizung zur Begehung von Verbrechen des Völkermords gilt als ein selbständiges Verbrechen, das zu ahnden ist, auch wenn das 1024 1025 1026 1027

Ebd., Paragraph 601. Ebd., Paragraph 635 und 636. ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 1013. ICTR-Urteil im Fall Akayesu (Fn. 1005), Paragraph 481.

C. Verbot der Propaganda

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Verbrechen des Völkermords sich nicht ereignet hat. Der ICTR versteht Anstiftung als „prompting another to commit an offence“.1028 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Anstiftung entsteht nur, wenn die Anstiftung wesentlich zur Begehung eines der in dem Gerichtsstatut vorgesehenen Verbrechen beigetragen hat.1029 Bezüglich des Ausdrucks „öffentliche Anreizung“ folgte der Gerichtshof der Auslegung der UN-Völkerrechtskommission für diesen Ausdruck, die schon oben erwähnt ist.1030 In Bezug auf den Ausdruck „unmittelbare Anreizung“ war der Gerichtshof der Ansicht, dass der Ausdruck „unmittelbar“ in seinem kulturellen und sprachlichen Inhalt ausgelegt werden soll. Eine bestimmte Rede kann in einem Staat als unmittelbar betrachtet werden und in einem anderen Staat nicht.1031 Entscheidend ist, ob der Zuhörer oder Leser die gewünschte Botschaft unmittelbar verstanden hat oder nicht.1032 Über die „mens rea“ als ein erforderliches Element in jeder Straftat betonte der Gerichtshof, dass der Angeklagte die Absicht haben muss, eine andere Person zur Begehung von Völkermord zu veranlassen oder zu provozieren. Die Person, die zur Begehung von Völkermord anreizt, muss auch selbst die Absicht haben, Völkermord zu begehen, nämlich eine ethnische oder rassische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören.1033 Der Gerichtshof unterschied auch zwischen Hassrede im Allgemeinen und der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord. Meistens wird die unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord durch Hassrede begleitet oder sie geht dieser voran. Jedoch ist nur die unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord gemäß Art. 2(3) (c) des Gerichtsstatutes verboten.1034 Im vorliegenden Fall stellte die Appeals Chamber fest, dass im Lichte ihrer Definition für das Verbrechen keine der RTLM-Sendungen in der Zeit vom 1. Januar bis 6. April 1994 zur Begehung von Völkermord unmittelbar und öffentlich anreizten. Sie reizten aber zum Rassenhass an. Der Vorwurf wurde in Bezug auf Sendungen nach dem 6. April 1994 erhärtet.1035 In Bezug auf die Zeitung Kangura stellte die Appeals Chamber fest, dass einige Schriften von 1994 den Tatbestand des 1028

Ebd., Paragraph 482. ICTR, Urteil der Appeals Chamber im Fall Nahimana (Fn. 992), Paragraph 678. 1030 Siehe oben, 4. Kapitel, C. VI.; siehe auch Report of the International Law Commission on the work of its forty-eighth session, 6 May – 26 July 1996, S. 26; ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 1011. 1031 ICTR-Urteil im Fall Akayesu (Fn. 1005), Paragraph 558; ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 1011. 1032 ICTR, Urteil der Appeals Chamber im Fall Nahimana (Fn. 992), Paragraph 703. 1033 ICTR-Urteil im Fall Akayesu (Fn. 1005), Paragraph 560; ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 1012. 1034 ICTR, Urteil der Appeals Chamber im Fall Nahimana (Fn. 992), Paragraph 692. 1035 Ebd., Paragraph 754 und 758. 1029

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

Verbrechens der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord erfüllten.1036 (2) Kriterien des Gerichtshofs zur Interpretation des Mediendiskurses Zur Feststellung der Elemente des Verbrechens der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord griff die Trial Chamber auf die relevanten Regeln des Völkerrechts und Entscheidungen der internationalen Rechtsprechung über Anreizung zum Hass, zur Diskriminierung und Gewalt zurück.1037 Daraus ergaben sich einige Rechtsgrundsätze, an denen sich die Trial Chamber orientierte. Die Appeals Chamber, die den Unterschied zwischen Hassrede im Allgemeinen und der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord betonte, stellte fest, dass die Kriterien, die die ICTR-Trial Chamber aufgestellt hat, tatsächlich zur Interpretation des Mediendiskurses im Allgemeinen und nicht nur als Leitlinien zur Feststellung der Elemente des Verbrechens der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord herangezogen werden können.1038 (a) Zweck Die Redakteure und Herausgeber tragen im Allgemeinen die Verantwortung für die von ihnen kontrollierten Medien. Die in den Medien verwendete Sprache war oft ein Indiz für die Absicht ihrer Redakteure und Herausgeber.1039 Zum Beispiel wurde der Ausdruck „magic gas chamber“ im Fall Faurisson von dem UN-Menschenrechtsausschuss als Hinweis betrachtet, dass der Autor von Antisemitismus und nicht von historischer Forschung motiviert war.1040 Im Fall Jersild war die Distanzierung des Journalisten, der das Interview machte, von den rassistischen Äußerungen der neonazistischen Jugendgruppe (die Grünjacken) ein Indiz für den EGMR, dass der Zweck des Fernsehprogramms die Verbreitung von Informationen und nicht die Propagierung rassistischer Meinungen war.1041 Bei der Feststellung der Verantwortlichkeit des Redakteurs und Herausgebers ist der Inhalt des Textes wichtiger als der Autor selbst. Die Verantwortlichkeit der Redakteure, Herausgeber oder Eigentümer kann sogar, wie im Fall Sürek (Nr. 1), durch Leserbriefe entstehen.1042 Während die Verantwortlichkeit der Redakteure und Herausgeber hier entsteht, weil 1036

Ebd., Paragraph 775. ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 980. 1038 ICTR, Urteil der Appeals Chamber im Fall Nahimana (Fn. 992), Paragraph 695. 1039 ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 1001. 1040 UN-Menschenrechtsausschuss, Entscheidung von November 1996 im Fall Faurisson v. France, S. 14 und 17. 1041 EGMR, Urteil vom 23. September 1994 im Fall Jersild gegen Dänemark, Aktenzeichen Nr. 15890/89 (Fn. 617), Paragraph 33 und 34. 1042 EGMR, Urteil vom 8. Juli 1999 im Fall Sürek (Nr. 1) gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 26682/95 (Fn. 637), Paragraph 63. 1037

C. Verbot der Propaganda

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sie ein Forum für unerlaubte Äußerungen geschaffen haben, entsteht die Verantwortlichkeit des Eigentümers, weil er die Macht hat, die redaktionelle Politik zu gestalten.1043 (b) Kontext Der Untersuchung der internationalen Rechtsprechung entnahm der Gerichtshof, dass es bei der Feststellung der eventuellen Wirkung von Meinungsäußerungen wichtig sein kann, den Kontext zu berücksichtigen. Im Fall Faurisson berücksichtigte der UN-Menschenrechtsausschuss, dass die Anzweiflung der Existenz der Gaskammer im Auschwitz-Konzentrationslager Antisemitismus fördern würde.1044 Der EGMR bewertete im Fall Zana die Äußerungen des ehemaligen Bürgermeisters von Diyarbakr im Kontext der Massaker, die zum gleichen Zeitpunkt begangen wurden. Die Äußerungen würden – nach Meinung des Gerichts – die bereits gespannte politische Lage in dem Gebiet verschärfen.1045 Der EGMR stellte auch in mehreren Fällen, wie im Fall Incal, fest, dass in einem Text vielleicht andere Ziele und Absichten versteckt sind, die sich von dem unterscheiden, was er offensichtlich zeigt oder behauptet.1046 Bei der Berücksichtigung des Kontexts ist auch der Schutz der politischen Meinungsäußerung wichtig, insbesondere der Schutz des Rechts von Opposition und Minderheiten vor Zensur und Unterdrückung durch Behörden. Zu diesem Zweck gibt die Rechtsprechung oft mehr Raum für solche Meinungen.1047 (c) Kausalität Der ICTR stellte fest, dass die internationale Rechtsprechung keine bestimmten Kausalitätsvoraussetzungen aufgestellt hat, welche die strittige Äußerung von dem Eintreten eines unmittelbaren Erfolgs abhängig macht.1048 Im Fall Streicher hatte niemand behauptet, dass das Hetzblatt „Der Stürmer“ in bestimmte Gewalttätigkeiten verwickelt war. Der Zeitung wurde allgemein vorgeworfen, die Köpfe von Tausenden Deutschen mit giftigen Ideen gefüllt zu haben, die sie zur Unterstützung der Politik der Nationalsozialisten führten.

1043

ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 1003; EGMR, Urteil vom 8. Juli 1999 im Fall Sürek (Nr. 1) gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 26682/95 (Fn. 637), Paragraph 63. 1044 UN-Menschenrechtsausschuss, Entscheidung von November 1996 im Fall Faurisson v. France, S. 14; ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 1004. 1045 EGMR, Urteil vom 25. November 1997 im Fall Zana gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 69/1996/688/880, (Fn. 985), S. 667. 1046 EGMR, Urteil vom 9. Juni 1998 im Fall Incal gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 41/ 1997/825/1031 (Fn. 652), Paragraph 51. 1047 ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 1006. 1048 Ebd., Paragraph 1007.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

(3) Notwendigkeit der Distanzierung bei der Vermittlung von Meinungen, die Rassenhass oder Gewaltaufrufe enthalten Im Fall Nahimana merkte der Gerichtshof an, dass einige Aufsätze und RTLMSendungen historische Informationen, politische Analyse oder Verteidigung des ethnischen Bewusstseins der Hutus vermittelt hatten. Daraufhin versuchte der Gerichtshof in Anlehnung an die Kriterien, die er aufgestellt hatte, die erlaubte Meinungsäußerung von der rechtswidrigen Anreizung abzugrenzen. Schwierig ist es aber in manchen Situationen, zwischen Diskussionen über historische, politische oder gesellschaftliche Tatsachen und Diskussionen oder Äußerungen, die nur beabsichtigen, den ethnischen Hass zu fördern, zu unterscheiden. Nur die Ersten unterliegen dem Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit.1049 Deswegen betonte der Gerichtshof, dass die Medien aufgefordert sind, bei der Übermittlung von Meinungen, die Rassenhass oder Gewaltaufrufe enthalten, sich von solchen Meinungen zu distanzieren. Eine Distanzierung ist in solchen Fällen notwendig, damit solche Meinungen nicht propagiert werden. RTLM und Kangura distanzierten sich nicht von solchen Meinungen; im Gegenteil: sie propagierten für sie.1050 Der Gerichtshof merkte auch an, dass im Fall der mündlichen Kommunikationen der Ton des Sprechers und die Art und Weise, mit der er seine Worte ausspricht, zur Feststellung der Natur der Rede beitragen können.1051 Der Gerichtshof betonte, dass er akzeptiert, dass die Medien eine Rolle zum Schutz von Demokratie zu spielen haben und sie, wenn es notwendig ist, zur Mobilisierung des Volkes zur Verteidigung der Nation beitragen. Im vorliegenden Fall wurden aber die Leser und Zuhörer nicht gegen bestimmte gefährliche bewaffnete Personen oder Gruppen mobilisiert, sondern gegen alle Tutsis als solche.1052 Die drei Journalisten wurden wegen der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord für schuldig befunden.1053

VIII. Hassrede, Kriegspropaganda und Völkergewohnheitsrecht Nicht jede Form der Hassrede gilt im Völkerrecht als Verbrechen. Die einzige, die als Verbrechen gilt und als solches auch zum Völkergewohnheitsrecht gehört, ist die unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord. Sie ist die einzige Form der Hassrede, die in den Statuten des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg, ICTY, ICTR und ICC als Verbrechen benannt ist.1054 Andere Formen, 1049

Ebd., Paragraph 1120. Ebd., Paragraph 1024. 1051 Ebd., Paragraph 1022. 1052 Ebd., Paragraph 1025. 1053 Ebd., Paragraph 1033, 1034,1038 und 1039. 1054 Siehe ICTY, Urteil vom 26. Februar 2001 im Fall Kordic´ (TC), Case No. IT-95-14-2-T (Fn. 944), Paragraph 209. 1050

C. Verbot der Propaganda

239

wie jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeiten oder Gewalt aufgestachelt wird, sind im Völkervertragsrecht verboten.1055 Sie sind aber noch nicht ein Verbrechen im Völkergewohnheitsrecht geworden. Zu diesem Ergebnis kam der ICTY in seiner Entscheidung im Fall Kordic´ vom 26. Februar 2001.1056 In diesem Fall lehnte es der ICTY ab, den Angeklagten wegen des Menschlichkeitsverbrechen der Verfolgung aufgrund der Unterstützung und Förderung von Hass, Misstrauen und Streit aus politischen, ethnischen oder religiösen Gründen durch Propaganda zu verurteilen.1057 Eine andere Ansicht vertrat die ICTR-Trial Chamber in seiner Entscheidung im Fall Nahimana von 2003. Nach der Ansicht der ICTR-Trial Chamber ist Hassrede eine diskriminierende Form der Aggression.1058 Sie verletze die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln, die Diskriminierung verbieten, und stelle an sich ein Verbrechen der Verfolgung dar, wenn sie sich gegen eine Bevölkerung aus ethnischen oder anderen diskriminierenden Gründen richtet.1059 Nach dieser Ansicht muss die Hassrede nicht unbedingt einen Aufruf zu Gewalt enthalten. In seiner Entscheidung vom 28. November 2007 im gleichen Fall stellte die ICTR-Appeals Chamber fest, dass nicht jede einzelne Handlung der Diskriminierung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Verfolgung) darstellt. Sie prüfte aber nicht, ob Hassrede an sich ein Verbrechen im Völkerrecht ist oder nicht.1060 Gegen die Ansicht der ICTR-Trial Chamber spricht, dass ihre weite Auslegung bezüglich der Kriminalisierung der Hassrede wegen des Legalitätsprinzips bedenklich sein könnte.1061 Für das Ergebnis des ICTY im Fall Kordic´ sprechen mehrere Argumente. Über die Auslegung und Umsetzung der Hassredebestimmungen in den nationalen Rechtssystemen besteht keine Einigkeit. Wie schon oben erwähnt, haben einige Staaten Vorbehalte und Erklärungen in Bezug auf Art. 20 IPBPR eingelegt.1062 Nach Nowak erfordert das Verbot in Art. 20 IPBPR nicht unbedingt ein Verbot durch strafrechtliche Sanktionen.1063 Wie die Fälle oben zeigen, hat die internationale Rechtsprechung nur Äußerungen der Hassrede, die eine bestimmte Schwelle überschritten haben, aufgrund bestimmter Kriterien bestraft. Dies zeigt z. B. der Vergleich zwischen dem Fall Streicher und dem Fall Hans Fritzsche, die vor dem Internationalen Militärtribunal 1055 Siehe Art. 20 (2) IPBPR, BGB1. 1973 II, S. 1543; siehe dazu auch Art. 4 (a) des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 7. März 1966, BGB1. 1969 II, S. 966. 1056 ICTY, Urteil vom 26. Februar 2001 im Fall Kordic´ (TC), Case No. IT-95-14-2-T (Fn. 944), Paragraph 209. 1057 Ebd., Paragraph 209. 1058 ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 1072. 1059 Ebd., Paragraph 1076. 1060 ICTR, Urteil der Appeals Chamber im Fall Nahimana (Fn. 992), Paragraph 985. 1061 Orentlicher, Human Rights Brief, Vol. 13, 2005, S. 4, abrufbar unter: http://www.wcl. american.edu/hrbrief/131.cfm, abgerufen am 15.05. 2012. 1062 Siehe S. 253. 1063 Nowak (Fn. 723), S. 361.

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

verhandelt wurden. Die nationalen Gesetze und die Rechtsprechung der Staaten reflektieren auch keine einheitliche Praxis in dieser Hinsicht. Während viele Staaten der Welt in ihren nationalen Gesetzen bestimmte Formen der Hassrede unter Strafe stellen, genießt die Meinungsäußerungsfreiheit in den USA einen besonderen Schutz durch den 1. Verfassungszusatz der US-amerikanischen Verfassung und die USamerikanische Rechtsprechung.1064 Die Hassrede ist dort erlaubt, solange sie nicht eine „clear and present danger“ darstellt.1065 Daraus ergibt sich, dass die einzige Hassredeform, die ohne Bedenken als Verbrechen im Völkerrecht gilt und auch als solches zum Völkergewohnheitsrecht gehört, die unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord ist. Wenn das Gewaltverbot einen ius-cogens-Charakter hat und wenn das Verbot des Aggressionskriegs als Verpflichtung erga omnes gilt,1066 dann ist hier zu erwägen, ob auch Propaganda für Aggressionskriege von diesem Verbot erfasst ist.1067 Wie oben dargestellt wurde, waren einige Staaten wegen der Unbestimmtheit des Ausdruckes „Propaganda“ skeptisch und haben deswegen Vorbehalte gegen Art. 20 IPBPR abgegeben.1068 Das bedeutet, dass die Norm in ihrer Gesamtheit nicht angenommen und anerkannt wurde. Diese Vorbehalte und die Nichtumsetzung des Art. 20 (1) IPBPR in einigen Mitgliedstaaten, wie der UN-Menschenrechtsausschuss in seinem Kommentar 1983/1984 über Art. 20 feststellte,1069 sprechen nicht dafür, dass das Verbot der Kriegspropaganda Völkergewohnheitsrecht geworden ist.

D. Zusammenfassung Die Berufsausübung der Kriegsberichterstattung ist mit Pflichten und besonderer Verantwortung verbunden. Kriegskorrespondenten berichten in der Regel über Themen zum Krieg und Frieden. Ihnen obliegen besondere Sorgfaltspflichten, weil sie durch ihre Arbeit zur Meinungsbildung auf nationaler und internationaler Ebene beitragen. Die Frage des Zeugnisverweigerungsrechts von Kriegskorrespondenten dreht sich um zwei widerstreitende öffentliche Interessen, nämlich das öffentliche Interesse an Pressefreiheit einschließlich des Schutzes journalistischer Informationsquellen und das öffentliche Interesse an der Verwirklichung von Gerechtigkeit in Gerichtsverfahren. Auf der nationalen Ebene gilt der Schutz journalistischer vertraulicher Informationsquellen als ein anerkannter Grundsatz in vielen Staaten. Auf 1064 Siehe auch ICTY, Urteil vom 26. Februar 2001 im Fall Kordic´ (TC), Case No. IT-95-142-T (Fn. 944), Paragraph 209. 1065 Siehe oben, 4. Kapitel, C. VII. 1. 1066 Siehe dazu Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 234 ff. 1067 Vgl. Kearny (Fn. 869), S. 244. 1068 Siehe oben, 4. Kapitel, C. V. 1. b). 1069 Yearbook of the Human Rights Committee 1983 – 1984, Vol. I, S. 254.

D. Zusammenfassung

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der regionalen Ebene haben z. B. der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Europarat das Recht des Journalisten, seine vertraulichen journalistischen Quellen nicht zu offenbaren, mehrmals bestätigt. In Bezug auf den Schutz vertraulicher Informationsquellen genießen Journalisten auch auf internationaler Ebene ein Zeugnisverweigerungsrecht. Das hat nicht nur die ICTY-Appeals Chamber, sondern auch die Trial Chamber im Fall Talic´ bestätigt. Dieses Recht ist auch von der Regel Nr. 73 (2) der Verfahrens- und Beweisordnung des Internationalen Strafgerichtshofs erfasst. Problematisch sind aber die Fälle, in denen der Kriegskorrespondent seine Informationsquellen bereits veröffentlicht hat. Im Fall Talic´ hat die ICTY-Appeals Chamber einen Doppeltest aufgestellt. Nach diesem Maßstab soll der Gerichtshof zwei Fragen im Vorfeld prüfen, bevor er die Aussage eines Kriegskorrespondenten zu Informationen, die er im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeiten gesammelt hat, vor Gericht anordnet. Erstens muss der Beweis einen unmittelbaren und bedeutenden Wert zur Entscheidung über eine wesentliche Frage im konkreten Fall haben. Und zweitens muss der Beweis nicht angemessen durch eine andere Quelle erlangt werden können. Nach diesem Maßstab können Kriegskorrespondenten vor dem Gerichtshof freiwillig aussagen. Die Anwendung des Maßstabs erfolgt unabhängig davon, ob der Kriegskorrespondent seine Informationen oder Quellen bereits veröffentlicht hat oder nicht. Somit berücksichtigt der Maßstab insoweit die verschiedenen widerstreitenden Interessen. Mit der Aufstellung dieses Maßstabs versuchte die ICTY-Appeals Chamber, eine Lücke bezüglich der Rechtsstellung der Kriegskorrespondenten im Völkerrecht zu schließen. Der Gerichtshof hat bei der Aufstellung seines Maßstabs die Natur der Arbeitsbedingungen von Kriegskorrespondenten als eine Sonderform des Journalismus und das große Interesse der Weltöffentlichkeit an ihrer Arbeit berücksichtigt. Folglich betrifft dieser Beispielsfall grundsätzlich nur die Kriegskorrespondenten. Die Entscheidung der ICTY-Appeals Chamber stellt einen Präzedenzfall dar, von dem die Rechtsprechung des ICTY oder ICTR nur schwer abweichen kann. Die Entscheidung schafft auch einen Präzedenzfall für die Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs. Es bleibt zu hoffen, dass der Internationale Strafgerichtshof unter Berücksichtigung des großen öffentlichen Interesses an der Arbeit der Kriegskorrespondenten sowie des Interesses der internationalen Strafjustiz selbst dem Maßstab der ICTY-Appeals Chamber folgen wird. Die Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Bildberichterstattung über Kriegsgefangene ist umstritten. Es gibt keine völkerrechtlichen Regeln, die Bildberichterstattung über Kriegsgefangene ausdrücklich verbieten. Maßgeblich bei der Antwort auf die Frage, ob eine Bildberichterstattung über Kriegsgefangene völkerrechtlich erlaubt ist oder nicht, sind Faktoren wie die Identifizierbarkeit der einzelnen Kriegsgefangenen auf den Bildern, die Art und Weise der Veröffentlichung der Bilder, die Absicht der Kriegspartei, welche die Bilder zeigt, und die Einwilligung des betroffenen Kriegsgefangenen. Die Behandlung der Kriegsgefangenen liegt grundsätzlich in der Verantwortung des Gewahrsamsstaates, der dafür sorgen

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4. Kap.: Pflichten der Kriegskorrespondenten nach Völkerrecht

muss, dass die Kriegskorrespondenten und die Medienunternehmen mit den Kriegsgefangenen korrekt umgehen. Journalisten dürfen nicht die völkerrechtlich erlaubten Grenzen der Meinungsäußerung überschreiten und sich zu einem Sprachrohr für Gewaltaufhetzung und Aggressionskriege machen. Die Problematik der Kriegspropaganda und Hassrede ist schon seit langer Zeit Gegenstand mehrerer internationaler Verträge. Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg wurden mehrere Verträge abgeschlossen und Resolutionen und Erklärungen verabschiedet, die Bestimmungen zur Bekämpfung der Kriegspropaganda und Hassrede, die sich gegen andere Nationen, Völker, Minderheiten und Gruppen auf Grund von Religion, Rasse, Nationalität, Sprache oder politischen Anschauung richten, enthalten. Art. 20 IPBPR ist eines der prominentesten Beispiele dafür. Die US-amerikanische Rechtsprechung stellt nach dem Maßstab „clear and present danger“ in seinen verschiedenen Formen hohe Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit. Die Gefahr, die von einer Äußerung ausgeht, muss gegenwärtig und unmittelbar sein. Insbesondere durch den Maßstab „imminent lawless action“ trägt man den mittelbaren oder zukünftigen Gefahren, die eine Anreizung verursachen kann, nicht Rechnung. Die US-amerikanische Rechtsprechung weicht damit von der internationalen Rechtsprechung in Fällen der Meinungsäußerungsfreiheit ab. Die internationale Rechtsprechung stellte im Rahmen der Verhandlung von Fällen über dem Fall Fritzsche und dem Fall Streicher, die vor dem Internationalen Militärtribunal von Journalisten Kriterien auf, die zur Abgrenzung der völkerrechtlich erlaubten von der unerlaubten bzw. kriminalisierten Meinungsäußerung beitragen. Einem Vergleich zwischen Nürnberg verhandelt wurden, können Kriterien wie der Inhalt des veröffentlichten Materials, das Unmittelbarkeitselement, der Vorsatz und die Ausübung einer effektiven Kontrolle über das veröffentlichte Material, die für das Tribunal bei der Beurteilung der angeklagten Journalisten maßgeblich waren, entnommen werden. Anhand des Falles Faurisson, der von dem UN-Menschenrechtsausschuss behandelt wurde, ergibt sich, dass Äußerungen, die eine Anreizung zu religiösem Hass, zu Rassendiskriminierung oder zu Gewalt enthalten, nicht dem Schutzbereich des Art. 19 IPBPR unterliegen. Rassismus ist keine Meinungsäußerung, sondern eine Aggression gegen die Rechte und den Ruf anderer. Maßgeblich bei der Feststellung des Vorsatzes des Autors war die verwendete Sprache. Auf regionaler Ebene bestätigte der EGMR, dass die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit nicht absolut sind. Im Fall einer politischen Spannungslage ist den Journalisten eine besondere Verantwortung auferlegt. Sie müssen mit der Wirkung ihrer eigenen Worte und auch fremder Äußerungen, die sie durch ihre Medien verbreiten, auf die Gesellschaft rechnen. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Eingriffs in die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit untersuchte der EGMR

D. Zusammenfassung

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neben dem Inhalt der Äußerungen auch den Zweck, der hinter den Äußerungen stand, und den Kontext, in dem die Äußerungen gemacht wurden. Die Fälle Julius Streicher und Media Trial als krasse Beispiele für den Missbrauch der Pressefreiheit und die Verletzung der Pflichten der Journalisten zeigen, welche Konsequenzen und auch völkerstrafrechtliche Verantwortung entstehen können, wenn der Journalist zur Gewalt aufstachelt. Julius Streicher wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Internationalen Militärtribunal von Nürnberg zum Tode durch den Strang verurteilt, obwohl er persönlich keinen militärischen oder administrativen Beitrag während des Zweiten Weltkriegs geleistet hat. Die Anreizung zu Gewalt und Ausrottung der Juden sowie anti-semitische Propaganda bildeten den Anklagegegenstand gegen ihn. Die zwei Urteile des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda im Fall „Media Trial“ (Nahimana) gelten als ein Markstein in der Rechtsprechung über Hassrede, weil sie versuchten, die erlaubte Meinungsäußerung und die Pressefreiheit als fundamentale geschützte Rechtsgüter im Völkerrecht von Aufrufen zu Gewalt, zu Diskriminierung und zu Hass abzugrenzen. Hassrede ist keine geschützte Rede im Völkerrecht.1070 Das stellte die ICTR-Trial Chamber fest. Daraufhin zeigen beide Urteile im Fall Nahimana, welche Konsequenzen und auch völkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit entstehen können, wenn der Journalist selbst oder seine Untergebenen sich durch propagandistische Worte für Hass, Rassendiskriminierung und Gewalt einsetzen. Der Fall Nahimana zeigt, dass allein die Worte der Medien das Verbrechen des Völkermordes ausmachen können. Beide Urteile im Fall Nahimana zeigen, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Journalisten nicht nur durch das, was er sagt oder schreibt, sondern auch durch die Verbrechen, die seine Worte verursachen, entstehen kann. Die Medien begehen das Verbrechen des Völkermords durch dessen Anstiftung. Folglich entsteht auch die Verantwortlichkeit der Journalisten.1071 Auch wenn es nicht zum Verbrechen des Völkermordes gekommen ist, können Journalisten wegen der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord zur Rechenschaft gezogen werden. Mit den Kriterien Zweck, Kontext und Kausalität, welche die ICTR-Trial Chamber bei der Prüfung des Vorwurfes der unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord aufgestellt hat, schuf der ICTR einen Maßstab, den die Gerichte in Zukunft zur Interpretation des Mediendiskurses heranziehen können.

1070 1071

ICTR, Urteil der Trial Chamber im Fall Nahimana (Fn. 991), Paragraph 1074. Vgl. Gordon (Fn. 994), S. 183; Mackinnon (Fn. 993), S. 329.

Fünftes Kapitel

Verbesserungsvorschläge und Initiativen Diskussionen über die Verbesserung des Schutzes der Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen haben über die letzten vierzig Jahre auf mehreren Foren, wie z. B. der Vereinten Nationen, des Europarats, des IKRK und der Berufsorganisationen der Journalisten, stattgefunden. Die Debatte über das Schutzsystem der Journalisten in gefährlichen Missionen war schärfer und intensiver nach jedem tragischen Ereignis, das Journalisten getroffen hat. Bevor man Möglichkeiten der Verbesserung des Schutzes der Kriegskorrespondenten untersucht, soll zunächst auf die alte, neue Frage geantwortet werden.

A. Sollen Kriegskorrespondenten einen besonderen Status haben? Die Frage des Schutzes der Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen war jahrzehntelang Gegenstand vieler Debatten. Es gab Vorschläge und Versuche zur Verleihung eines besonderen Status für diesen Personenkreis durch z. B. den Abschluss einer Sonderkonvention über Journalisten als Mittel zur Verbesserung ihres Schutzsystems. Solche Vorschläge stießen auf Kritik, aber auch Befürwortung nicht nur unter Völkerrechtlern und Staatsvertretern, sondern auch unter Journalisten selbst.

I. Argumente gegen einen besonderen Status für Kriegskorrespondenten Die Bemühungen, die die UNESCO in den siebziger Jahren unternommen hat, sowie der Versuch des Abschlusses einer Sonderkonvention über den Schutz von Journalisten zeigen, dass es häufig schwierig war, sich über einen Vorschlag zu einigen. Ideologische Fragen sowie Fragen über Pflichten der Journalisten und die Einführung eines internationalen „code of ethics“ machten es immer schwierig, eine Vereinbarung zu erreichen, die die Staaten mit ihren verschiedenen Ansichten und Vorstellungen über die Rolle der Presse akzeptieren konnten. Nach langem Hin und Her und über fünfjähriger Diskussion über fünf Jahre haben die Vereinten Nationen die Idee einer Sonderkonvention aufgegeben, und man nahm den Entwurf des Artikels 79 ZP I an, den die Diplomatische Konferenz zur Entwicklung des humanitären

A. Sollen Kriegskorrespondenten einen besonderen Status haben?

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Völkerrechts in Genf ausgearbeitet hatte, und hieß ihn gut.1072 Der Text des UNKonventionsentwurfs zeigt, wie ein Sonderstatus für Journalisten auch mit vielen Pflichten verbunden werden kann, die die Pressefreiheit einschränken und die Journalisten der Gnade der Staatenbehörden ausliefern könnten.1073 Die Behörden können Journalisten z. B. durch die Ausstellung, Verlängerung und den Entzug der Ausweiskarten, die die Journalisten besitzen müssen, um den Status genießen zu können, kontrollieren.1074 Diese Kontrolle ist auch in manchen Fällen erforderlich, um einen Missbrauch der Ausweiskarten zu verhindern.1075 Nach den Bestimmungen des Konventionsentwurfs dürfen die Journalisten in die inneren Angelegenheiten des Staates, in dem sie arbeiten, nicht intervenieren.1076 Die Staatsbehörden können immer eine solche Bestimmung als Vorwand verwenden, um ihre Maßnahmen gegen einen Kriegskorrespondenten, insbesondere in Kriegs- und Krisenzeiten, zu rechtfertigen. Um einen besonderen Status zu haben, müssen die Journalisten wie die anderen geschützten Kategorien im humanitären Völkerrecht ein Emblem tragen. Gerade die Frage des Emblems war Gegenstand vieler Debatten während der Ausarbeitung von Art. 79 ZP I. In Kenntnis dieser Schwierigkeiten bevorzugen einige Experten und Autoren keinen besonderen Status für Journalisten. Ihre Ablehnung rechtfertigten sie mit mehreren Gründen. Während der IKRK-Konferenz der Regierungsexperten von 1971 und 1972, die den Konventionsentwurf über den Schutz der Journalisten untersuchte, argumentierten einige Regierungsexperten gegen die Idee der Schaffung einer weiteren Kategorie, die einen besonderen Schutz für Journalisten vor Gefahren der militärischen Operationen gewährleistet. Nach ihrer Meinung würde ein solcher besonderer Schutz das Konzept des allgemeinen Schutzes, das zugunsten aller Zivilisten einschließlich der Journalisten angewendet wird, beeinträchtigen. Erforderlich sei deswegen nur eine strengere Anwendung des existierenden Rechts.1077 Viele Experten auf der Konferenz erwähnten auch, dass Journalisten nur insoweit besonderen Schutz verdienen, als die Informationen, die sie an die Öffentlichkeit übermitteln, unparteiisch sind. Ein Experte äußerte die Befürchtung, dass ein besonderer Schutz für Journalisten in einigen Situationen als Deckmantel für abträgliche Tätigkeiten genutzt werden könne.1078 Ein anderer Ex1072 Siehe die Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 3500 (XXX) vom 15. Dezember 1975, Yearbook of the United Nations, Vol. 29, 1975, S. 619. 1073 Siehe den Konventionsentwurf von 1972, ICRC Report on the work of the Conference of Government Experts on the Reaffirmation and Development of International Humanitarian Law Applicable in Armed Conflicts of 3 May – 3 June 1972, S. 136. 1074 Siehe Art. 6 des Konventionsentwurfs von 1972. 1075 Gasser (Fn. 182), S. 10. 1076 Siehe Art. 13 des Konventionsentwurfs von 1972. 1077 Siehe dazu ICRC Report on the work of the Conference of Government Experts on the Reaffirmation and Development of International Humanitarian Law Applicable in Armed Conflicts, 24 May – 12 June 1971, Paragraph 509 und ICRC Report on the work of the Conference, 3 May – 3 June 1972, Paragraph 3.76, im Folgenden: ICRC Report on the work of the Conference. 1078 ICRC Report on the work of the Conference, 24 May – 12 June 1971, Paragraph 510.

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5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

perte sagte, dass die Ausdehnung der in Art. 4 (A) Abs. 4 GK III vorgesehenen Bestimmung über die Behandlung der akkreditierten Kriegskorrespondenten ausreichend sei.1079 Obwohl das IKRK am Anfang seines Kommentars über Art. 79 ZP I den Bedarf an besonderen Schutzregeln für Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen anerkannte, bezeichnete es die Lösung, die die Diplomatische Konferenz erreichte, nämlich Art. 79 ZP I mit seiner gegenwärtigen Formulierung, als eine weise Lösung. Durch die Vermehrung der geschützten Kategorien Sanitätspersonal, Seelsorgepersonal und Vertreter des IKRK würde die Effektivität des Schutzsystems dieser Kategorien reduziert.1080 In die gleiche Richtung geht auch Gasser, wenn er meint, dass die Mitglieder der privilegierten Kategorien grundsätzlich für die Milderung des Leidens der Kriegsopfer und der Zivilbevölkerung während der Kriegszeiten sorgen. Ihre Tätigkeit unterscheide sich somit von der Arbeit der Journalisten.1081 Nach der Meinung von Gasser sollte die Idee der Schaffung eines besonderen Status für Journalisten aus politischen und praktischen Gründen aufgegeben werden.1082 Schließlich ist festzuhalten, dass nach diesem Trend das Hinzufügen eines Artikels über den Schutz der Journalisten zu dem Protokoll ein effektiveres Mittel als der Abschluss einer separaten Konvention zu diesem Zweck wäre.1083

II. Argumente für einen besonderen Status für Kriegskorrespondenten Aber auch für einen besonderen Status sprechen viele Erwägungen. Die Rolle der neutralen Kriegskorrespondenten bei der Aufdeckung von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen ist nicht weniger wichtig als die Rolle, die die Kategorien, die einen besonderen Status im humanitären Völkerrecht genießen, spielen. Durch ihre Rolle üben die Medien Druck auf die Kriegsparteien im Interesse der Kriegsopfer und der Zivilbevölkerung aus. Für einen besonderen Schutz sprechen auch zwei weitere Hauptfaktoren. Der erste Faktor ist die Änderung der Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten durch die technologische Entwicklung in der Welt der Kommunikation in den letzten Jahren im Vergleich zu den sechziger und siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts und die Zunahme der asymmetrischen Kriege. Die Zunahme der asymmetrischen Kriege, in denen die Grenzen der Frontzonen verwischt sind, trug zur Vermehrung der Kriegsgefahren für Zivilisten, insbesondere für Kriegskorrespondenten, bei. Unter solchen Arbeitsbedingungen 1079

ICRC Report on the work of the Conference, 24 May – 12 June 1971, Paragraph 513. ICRC Commentary on the Additional Protocol of 8 June 1977, S. 918 und 922. 1081 Gasser (Fn. 182), S. 10. 1082 Ebd., S. 11. 1083 Official Records of the Diplomatic Conference, Geneva (1974 – 1977), Vol. VIII, CDDH/I/SR. 31, S. 313. 1080

A. Sollen Kriegskorrespondenten einen besonderen Status haben?

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erscheint der Bedarf an einem besonderen Schutz dringlicher als in einem konventionellen Krieg. Einen absoluten Schutz für Journalisten vor allen Kriegsgefahren kann man nicht verwirklichen. Eine konkrete und realistische Verbesserung ihres Schutzes ist aber erforderlich, um ihnen zu ermöglichen, ihre wichtige Rolle auszuüben. Der zweite Faktor ist die Zunahme der Bedeutung der Kriegsberichterstattung im Satellitenzeitalter angesichts des öffentlichen Interesses am Wissen von Kriegs- und Krisenabläufen. Das Argument, dass es ausreichend sei, dass Journalisten den gleichen Schutz haben, den Zivilisten genießen, für die die Journalisten arbeiten,1084 ist irreführend. Ein solches Argument berücksichtigt nicht die Tatsache, dass Kriegskorrespondenten viel mehr Gefahren als Zivilisten ausgesetzt sind. In manchen Fällen sind Kriegskorrespondenten selbst das Angriffsziel. In diesem Fall helfen ihnen weder eine Identitätskarte noch das Tragen eines Emblems oder andere Dokumente. In solchen Fällen könnte das Emblem sogar kontraproduktiv sein.1085 Es ist auch nicht überzeugend zu sagen, dass Kriegskorrespondenten das Risiko freiwillig suchen,1086 weil gerade die Öffentlichkeit ein großes Interesse an ihrer Arbeit habe. Dieses öffentliche Interesse reicht für die Rechtfertigung eines besonderen Schutzsystems für die Kriegskorrespondenten aus. Die Kriegsberichterstattung hat zur Aufdeckung von vielen Kriegsverbrechen gegen Zivilisten beigetragen.1087 Das bedeutet, dass der durch Kriegskorrespondenten ausgeübte Druck auf die Kriegsparteien zur verbesserten Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechtes beitragen kann.1088 Davon profitieren alle Kriegsopfer, insbesondere Zivilisten. Neutrale Kriegskorrespondenten sind in der Realität die Augen der Außenwelt im Getümmel der bewaffneten Konflikte und Krisen. Hieraus folgt, dass ein besonderer Schutz für Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen eher zur Durchsetzung der Regeln des humanitären Völkerrechts führen würde als zur Reduzierung des vorgesehenen Schutzes für Zivilisten oder für andere geschützte Kategorien. Folglich ist die Einführung eines besonderen Schutzes für die Kriegskorrespondenten erforderlich und gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang ist nun zu überlegen, welche geeigneten und praktischen Mittel oder Methoden, die das Ziel der Verbesserung des Schutzes der Kriegskorrespondenten verwirklichen können, in Frage kommen. Zunächst muss 1084

Siehe Gasser (Fn. 182), S. 17. Vgl. Howard, An Evaluation of the Growing Need for the International Protection of Journalists, Georgia Journal of International and Comparative Law, Vol. 30, 2002, S. 524. 1086 ICRC Report on the work of the Conference, 3 May – 3 June 1972, Paragraph 3.76. 1087 Siehe ICTY, Beschluss der Appeals Chamber vom 11. Dezember 2002 im Fall Talic´, Case No. IT-99-36-AR73.9 (Fn. 55), Paragraph 36; Beschluss der Trial Chamber vom 7. Juni 2002 im Fall Talic´, Case No. IT-99-36 (Fn. 795), Paragraph 25. 1088 Eine ähnliche Meinung äußerten einige Regierungsexperten auf der IKRK-Konferenz von 1971 und 1972. Siehe ICRC Report on the work of the Conference, 24 May – 12 June 1971, Paragraph 510 und ICRC Report on the work of the Conference, 3 May – 3 June 1972, Paragraph 3.78. 1085

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5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

man zugeben, dass eine umfassende und präzise Antwort auf diese Frage nicht einfach ist. Dargestellt werden hier nur ein paar Überlegungen, die im Rahmen der Darstellung der bereits existierenden völkerrechtlichen Normen und Mittel beleuchtet werden.

III. Angriffe auf Kriegskorrespondenten als Verbrechen gegen das Völkerrecht Bei Betrachtung der Formulierung des Art. 79 ZP I fällt auf, dass die Diplomatische Konferenz zur Entwicklung des humanitären Völkerrechts in Genf eine Formulierung gewählt hatte, die eigentlich nicht viel hinzufügt. Die Tatsache, dass Journalisten Zivilisten sind, ist nichts Neues. Es bedeutet, dass sie z. B. nicht als Spione behandelt werden und auch, dass sie genauso wie alle anderen Zivilisten vor militärischen Angriffen geschont werden müssen und nicht angegriffen werden dürfen. Jedoch hätte die Konferenz angesichts der zusätzlichen Kriegsgefahren, denen Kriegskorrespondenten ausgesetzt sind, eine stärkere Formulierung aufnehmen können. Es scheint, dass die Verwirklichung eines besseren Schutzes für Kriegskorrespondenten neben anderen Mitteln durch Ahndung von vorsätzlichen Angriffen auf sie erfolgen kann. Dieses Ziel kann beispielsweise durch das Hinzufügen von einem oder zwei Absätzen zu dem gegenwärtigen Text des Art. 79 ZP I erfolgen. Die vorgeschlagenen Absätze würden den besonderen Schutz, den Journalisten als Zivilisten in Kriegszeiten genießen, eindeutig hervorheben. Die vorgeschlagene Änderung lautet: „Journalisten werden jederzeit besonders geschont und geschützt und dürfen nicht angegriffen werden, sofern und solange sie nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Der vorsätzliche Angriff auf Journalisten als solche gilt als Verbrechen gegen das Völkerrecht. Angriffe auf Journalisten, die ihren Beruf in gefährlichen beruflichen Missionen ausüben, werden durch einen internationalen Ausschuss für Journalisten, der für diesen Zweck gebildet wird, untersucht.“

Eine Bestimmung über das Verbot von willkürlichen Maßnahmen, wie die Beschlagnahme der Geräte, Internierung und Festnahme, die Mitglieder der Streitkräfte oder der Polizei gegen Kriegsberichterstatter in Kriegs- und Krisenzeiten ergreifen, wäre ebenfalls erforderlich. Der große Vorteil dieser Variante liegt darin, dass man Komplikationen des Abschlusses einer Sonderkonvention über Journalisten vermeidet. Die Erfahrung der siebziger Jahre hat gezeigt, dass der Abschluss einer Sonderkonvention sich wegen des Interessenkonflikts und wegen einiger Befürchtungen in Bezug auf die Pressefreiheit als ein sehr komplexer und zeitraubender Prozess erwiesen hat. Einer Sonderkonvention über Journalisten würden, wenn sie zustande käme, Pflichten anhaften, die das Recht der Kriegskorrespondenten auf Pressefreiheit und Berufsausübung einschränken könnten. Eine solche kurze Änderung in Art. 79 ZP I wäre deswegen einfacher, praktischer und auch effektiver, um die Journalisten besser zu schützen.

B. Rechtsschutz für Opfer schwerer Verletzungen

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Gegen eine solche Variante kann man einwenden, dass die Klassifizierung der Angriffe auf Journalisten als Kriegsverbrechen überflüssig sei, weil Angriffe auf Zivilisten einschließlich der Journalisten bereits als Kriegsverbrechen nach den Genfer Konventionen von 1949 und ihren Zusatzprotokollen gelten. Dafür spricht aber, dass die ausdrückliche Kriminalisierung in Bezug auf Angriffe auf Journalisten auf die Feinde der Presse abschreckend wirken würde.

IV. Ahndung der Verbrechen gegen Kriegskorrespondenten Der Erlass von Normen, die keine Anwendung oder Beachtung finden, hilft sicher nicht viel bei der Gewährleistung eines besseren Schutzes für Journalisten. Ein besserer Schutz für Kriegskorrespondenten und für Zivilpersonen in Kriegszeiten kann auch durch effektivere Anwendung der bereits existierenden Regeln des Völkerrechts erreicht werden. Die Einhaltung der Grundsätze des humanitären Völkerrechts, die z. B. die Kriegsparteien verpflichten, zwischen Zivilisten und Kombattanten und zwischen zivilen und militärischen Objekten zu unterscheiden sowie das Ergreifen von Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Zivilpersonen und die Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sollen dazu führen, einen besseren Schutz für Zivilpersonen im Allgemeinen zu gewährleisten. Im Fall der Verletzung der erwähnten Grundsätze müssen die verantwortlichen Personen strafrechtlich verfolgt und bestraft werden. In Bezug auf die Angriffe auf Journalisten und ihre Gebäude in den letzten Jahren fällt auf, dass in den meisten Fällen, wie im Fall des US-amerikanischen Angriffs auf das Al-Jazeera-Büro in Kabul während des Afghanistan-Kriegs 2001 oder im Fall der drei amerikanischen Angriffe auf das Al-Jazeera-Büro, den TV-Sender Abu Dhabi und das Hotel Palästina in Bagdad am 8. April 2003 während des Irakkriegs, keine Untersuchung oder keine richtige und faire Untersuchung unternommen wurde.1089 Erforderlich sind deswegen die strafrechtliche Verfolgung der Täter und die Ahndung solcher Verbrechen gegen Journalisten. Das bietet jedenfalls die effektivste und geeignetste Methode zur Gewährleistung eines besseren Schutzes für Kriegskorrespondenten.

B. Rechtsschutz für Opfer schwerer Verletzungen des humanitären Völkerrechts Die Anerkennung des Individuums als Rechtsträger soll auch dazu führen, dass das Individuum schwere Verletzungen der gewährten Rechte geltend machen kann. Aufgrund der Rechtsstellung, die die Regeln des humanitären Völkerrechts den 1089 Siehe dazu den Bericht der „International Federation of Journalists“ vom Oktober 2003 (Justice Denied on the Road to Baghdad) (Fn. 378); siehe auch die Webseite des „Committee to Protect Journalists“ (Fn. 321).

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5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

Journalisten gewähren, genießen sie bestimmte Rechte. Die Verletzung dieser Regeln kann nicht nur die Verantwortlichkeit des Staates und die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Individuen begründen, sondern auch eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit. Eine Kriegspartei verstößt gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts, wenn sie beispielsweise den Grundsatz der Unterscheidung zwischen Zivilpersonen und Kombattanten und der Unterscheidung zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen, sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht einhält.1090 Bezogen auf die Kriegskorrespondenten kommen diese Grundsätze und andere Regeln des humanitären Völkerrechts in Betracht, wenn ein Kriegskorrespondent unter Verletzung dieser Regeln beispielsweise vorsätzlich getötet, gefoltert, als Geisel genommen, festgenommen, interniert oder ihm das Recht auf ein unparteiisches ordentliches Gerichtsverfahren entzogen wurde. Im Folgenden wird zunächst auf den Vollzug der Regeln des humanitären Völkerrechts eingegangen. Anschließend daran werden Rechtsmittel, deren die Kriegskorrespondenten sich im Fall der Verletzung ihrer Rechtsstellung gemäß den Regeln des humanitären Völkerrechts bedienen können, beleuchtet, um aufzuzeigen, welches Rechtsmittel besteht und was die Alternativen sind.

I. Vollzug der Regeln des humanitären Völkerrechts Gleichlautend sind die Bestimmungen in den Genfer Konventionen bezüglich des Vollzugs ihrer Rechtsnormen. Nach Art. 1 Abs. 1 der Genfer Konventionen und des 1. Zusatzprotokolls sind die Vertragsparteien verpflichtet, die Abkommen und das 1. Protokoll unter allen Umständen einzuhalten und diese Einhaltung durchzusetzen. Das Gegenseitigkeitsprinzip als wesentliche Voraussetzung der Beachtung der vertraglichen Verpflichtungen hat hier keinen Platz.1091 Nach Art. 49 GK I, Art. 50 GK II, Art. 129 GK III und Art. 146 GK IV verpflichten sich die Hohen Vertragsparteien, alle notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Festsetzung von angemessenen Strafbestimmungen für solche Personen zu treffen, die schwere Verletzungen der Genfer Konventionen begangen haben. Strafrechtlich verfolgt werden gemäß diesen Artikeln nicht nur die Ausführenden, sondern auch Personen oder Führer, die den Befehl erteilt haben. Gemäß diesen Artikeln müssen die Vertragsstaaten nicht nur entsprechende Gesetze erlassen, sondern auch den mutmaßlichen Täter, falls er sich auf dem eigenen Gebiet befindet, ermitteln und ihn vor die eigenen Gerichte stellen1092 oder ihn an einen anderen an der Strafverfolgung in-

1090

Siehe Art. 48, 50, 51, 52 und 57 ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1587 – 1593. Vgl. Ipsen (Fn. 109), S. 1262. 1092 Die Bestimmungen der Genfer Konventionen legen keine bestimmte Art oder Höhe der Strafe für schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts fest. Die Art und Weise der Bestrafung sind dem Vertragsstaat überlassen. Erforderlich ist aber eine angemessene Strafverfolgung. 1091

B. Rechtsschutz für Opfer schwerer Verletzungen

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teressierten Staat ausliefern (aut dedere aut judicare).1093 Dabei findet das Universalitätsprinzip Anwendung, denn die Verfolgungspflicht gilt ungeachtet der Staatsangehörigkeit des mutmaßlichen Täters oder des Tatorts.1094 Von großer Bedeutung für die Ahndung schwerer Verletzungen des humanitären Völkerrechts sind die Bestimmungen des Art. 85 ZP I, die nicht nur bestimmte Tatbestände, die als schwere Verletzungen des Protokolls gelten, umschreiben, sondern auch das Konzept individueller Strafbarkeit für schwere Verletzungen der Genfer Konventionen und des Protokolls inkorporieren. Art. 85 (5) ZP I sieht vor, dass schwere Verletzungen der Genfer Konventionen und des Protokolls als Kriegsverbrechen gelten. Damit findet das Konzept der unmittelbaren Verantwortlichkeit des Individuums für schwere Verletzungen der Genfer Konventionen und des Protokolls ausdrücklich Eingang in eine Kodifikation des humanitären Völkerrechts.1095 Auch bei Verletzungen der Abkommen unter der Schwelle von schweren Verletzungen besteht die Verpflichtung, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Zuwiderhandlungen1096 gegen die Bestimmungen der Abkommen zu unterbinden. Zu den Zuwiderhandlungen gehören Tathandlungen, die nicht zu den in Art. 50 GK I, Art. 51 GK II, Art. 130 GK III und Art. 147 GK IV umschriebenen schweren Verletzungen zählen.1097 Die Vertragsparteien sind auch verpflichtet, bei erheblichen Verstößen gegen die Abkommen oder das Protokoll gemeinsam oder einzeln in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und im Einklang mit der Charta tätig zu werden.1098 Obwohl der Vertragsstaat verpflichtet ist, nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda“1099 seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, ist die Verletzungsanfälligkeit der Rechtsnormen der Genfer Konventionen im Hinblick auf die Belastung des Kriegs und der militärischen Notwendigkeiten sehr hoch.1100 Ein einheitliches Konzept für einen Durchsetzungsmechanismus im Vergleich zu vielen Menschenrechtskonventionen gibt es bislang im humanitären Völkerrecht nicht.1101 1093

Werle (Fn. 1007), , S. 388. König (Fn. 860), S. 153. 1095 Ebd., S. 210. 1096 Die Konventionen machen somit einen klaren Unterschied zwischen schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der anderen Kategorie der Zuwiderhandlungen. Bei den Zuwiderhandlungen geht es, wie man dem Text entnimmt, nicht unbedingt um die Strafverfolgungspflicht, sondern im Allgemeinen um Maßnahmen zur Unterbindung der Zuwiderhandlungen. Vgl. Bremer (Fn. 104), S. 91. 1097 Schwere Verletzungen sind z. B. vorsätzliche Tötung, Folter, unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche, vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit, rechtswidrige Gefangennahme und Geiselnahme. 1098 Art. 89 ZP I. 1099 Der Grundsatz „pacta sunt servanda“ findet eine Widerspiegelung in Art. 26 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge von 1969. Siehe Wiener Übereinkommen, BGB1. 1985 II, S. 927 ff. 1100 Vgl. Ipsen (Fn. 109), S. 1261. 1101 Siehe Schmahl (Fn. 408), S. 66. 1094

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5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

Eine Rechtsdurchsetzungsalternative, die im Einvernehmen mit den am Konflikt beteiligten Staaten hilfreich sein kann, ist die sogenannte Schutzmacht, deren Aufgaben auf Mitwirkung und Aufsicht der Durchführung begrenzt ist. Die Schutzmacht kann für diesen Zweck außer ihren diplomatischen oder konsularischen Vertretern Delegierte von Angehörigen ihres eigenen Landes oder anderer neutraler Mächte ernennen.1102 Sie beobachtet die Einhaltung der Regeln durch die Kriegführenden, legt die Defizite offen und vermittelt zwischen den Kriegsparteien.1103 Die Vertreter oder Delegierten dürfen die Grenzen ihrer Aufgaben keinesfalls überschreiten. Die am Konflikt beteiligten Parteien erleichtern ihre Aufgabe im größtmöglichen Maße. Ihre Arbeit bezieht sich aber nur auf bewaffnete Konflikte internationaler Art.1104 Ein anderes Institut, das als Neuerung eingefügt wurde, ist die Errichtung einer internationalen Ermittlungskommission aufgrund des Artikels 90 ZP I, um die Tatsachen in Fällen, in denen Verletzungen des humanitären Völkerrechts geltend gemacht wurden, zu ermitteln. Die Kommission existiert bereits seit 1991 und zielt darauf ab, die Beachtung des humanitären Völkerrechts wesentlich zu fördern. Eine sehr bedeutende Rolle spielt auch das Internationale Komitee des Roten Kreuzes bei der Beobachtung der Durchführung der Regeln des humanitären Völkerrechts.1105 Die Aktivitäten des IKRK sind schon völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. Es richtet regelmäßig Appelle an die am bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien, die Regeln des humanitären Völkerrechts zu beachten. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt das IKRK auf diplomatische Überzeugungskraft und die Aufdeckung der Verletzungen des humanitären Völkerrechts und übt hierdurch Druck auf die verletzende Partei aus.1106 Nach Maßgabe der Genfer Konventionen kann das IKRK als Nichtregierungsorganisation (NGO) die Aufgaben einer Schutzmacht erfüllen. Es ist befugt, die Kriegsgefangenen dort, wo sie sich befinden, zu besuchen und sich mit ihnen ohne Zeugen zu unterhalten.1107 Die Kriegsgefangenen dürfen sich auch mit ihren Beschwerden an das IKRK wenden. Erwähnung verdient hierbei, dass das IKRK der Frage des Schutzes der Journalisten durch die Einrichtung einer „hot line“ 1985 für Journalisten während der Ausübung ihres Berufes in gefährlichen Missionen besondere Aufmerksamkeit beigemessen hat.1108 Das IKRK ist insoweit beschränktes Völkerrechtssubjekt in internationalen bewaffneten Konflikten.1109 1102

Art. 8 GK I, GK II und GK III sowie Art. 9 GK IV. Siehe Art. 11 GK I, GK II und GK III sowie Art. 12 GK IV. 1104 Z.B. wurden im Falklandkrieg die Schweiz für Großbritannien und Brasilien für Argentinien als Schutzmächte bestellt. Siehe Ipsen (Fn. 109), S. 1263. 1105 Art. 9 und 10 GK I, GK II und GK III sowie Art. 10 und 11 GK IV. 1106 Siehe Schmahl (Fn. 408), S. 67. 1107 Art. 126 Abs. 4 GK III. 1108 Kussbach (Fn. 139), S. 1348. 1109 Siehe Ipsen (Fn. 109), S. 1232. 1103

B. Rechtsschutz für Opfer schwerer Verletzungen

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Die Errichtung der internationalen Strafgerichtshöfe wie des ICTY, ICTR und des ICC löste einen neuen wichtigen Impuls bei der Durchsetzung der Regeln des humanitären Völkerrechts aus. Die drei Strafgerichtshöfe haben in den letzten Jahren Personen wegen schwerer Verletzungen des humanitären Völkerrechts strafrechtlich verfolgt. Einen wichtigen Beitrag leistet auch der Internationale Gerichtshof durch seine Urteile und Gutachten bei der Durchsetzung der Regeln des humanitären Völkerrechts.1110 Zur Verwirklichung dieser Rechte reicht es aber nicht aus, dass die Staaten verpflichtet sind, die Regeln des humanitären Völkerrechts anzuwenden, oder dass die Internationale Ermittlungskommission, das IKRK und die Schutzmächte die Anwendung der humanitären Regeln betreuen. Eine effektivere Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts und die Gewährleistung eines effektiven Rechtschutzes erfordern unter anderem auch, dass den Individuen, zu deren Schutz und Interesse diese Regeln erlassen wurden, der Rechtsweg zu nationalen und internationalen Gerichten eröffnet wird, damit sie ihre Rechte selbst wahrnehmen können. Die Eröffnung des Rechtswegs für Individuen vor nationalen und internationalen Instanzen erweitert zweifelsohne das Sanktionsinstrumentarium des humanitären Völkerrechts und wirkt abschreckend gegen die das Völkerrecht verletzenden Parteien. Den Opfern, wie in unserem Fall Kriegskorrespondenten, soll das Recht zustehen, im Fall der Verletzung ihrer Rechte gemäß des humanitären Völkerrechts Beschwerde einzulegen, um z. B. Wiedergutmachung oder Schadenersatz zu beantragen. Fraglich ist nun, ob es im humanitären Völkerrecht Rechtsmittel gibt, von denen die Kriegskorrespondenten im Fall der Verletzung ihrer Rechtsstellung Gebrauch machen können. Können der Kriegskorrespondent oder Mitglieder seiner Familie wegen z. B. unrechtmäßigen Angriffs, vorsätzlichen Mordes, Geiselnahme, Folter oder unmenschlicher Behandlung oder wegen ungerechtfertigter Beschlagnahme seiner Geräte durch Kriegsparteien eine Klage auf Schadenersatz gemäß den Regeln des humanitären Völkerrechts erheben? Wie schon oben erwähnt wurde, wurde dem Einzelnen in gewissem Umfang durch die Menschenrechtskonventionen ein Rechtsweg eröffnet, damit er seine Rechte vor den Organen dieser Konventionen selbst durchsetzen kann. Die EMRK als prominentes Beispiel räumt dem Individuum nach Art. 34 das Recht ein, eine Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzulegen, wenn eines seiner in der Konvention anerkannten Rechte wie das Recht auf Pressefreiheit1111 oder das Recht auf ein faires Verfahren1112 verletzt wurde. Art. 13 EMRK sieht vor, dass im Fall der Verletzung der in der Konvention gewährleisteten Rechte das Opfer das Recht hat, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen 1110

Ein aktuelles Beispiel ist das Gutachten des IGH vom 9. Juli 2004 über „Legal Consequences of the Construction of a wall in the Occupied Palestinian Territory“, I.C.J. Reports 2004, S. 136. 1111 Art. 10 EMRK, in: BGB1. 1952 II, S. 690. 1112 Art. 6 EMRK.

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5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

Instanz einzulegen. Gemäß Art. 41 EMRK spricht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erforderlichenfalls der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn das innerstaatliche Recht nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen der Verletzung der Konvention gestattet. Ähnlich ist auch Art. 63 (1) AMRK ausgestaltet.1113 Art. 2 (3) IPBPR verpflichtet die Vertragsstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass Opfer der Verletzung des Paktes das Recht haben, eine wirksame Beschwerde einzulegen. Art. 9 (5) IPBPR sieht vor, dass eine Person, die unrechtmäßig festgenommen oder in Haft gehalten worden ist, einen Anspruch auf Entschädigung hat. Ein Recht auf Entschädigung gewährleistet auch Art. 14 (6) IPBPR im Fall eines Fehlurteils.1114 Für die Überwachung der Einhaltung dieser Menschenrechtskonvention stehen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, die Inter-Amerikanische Menschenrechtskommission, der Amerikanische Gerichtshof für Menschenrechte und der UN-Menschenrechtsausschuss zur Verfügung. Im Unterschied dazu enthalten die Konventionen des humanitären Völkerrechts bislang keine eigenen Instrumente. Die bereits existierenden Instrumente wie das System der Schutzmächte, die Internationale Ermittlungskommission gemäß Art. 90 ZP I und das IKRK spielen zwar bei der Überwachung der Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts eine bedeutende Rolle. Sie stellen aber keine Instrumentarien für Entschädigungen von Individuen wie Kriegskorrespondenten wegen der Verletzung der Regeln des humanitären Völkerrechts dar.1115 Soll das bedeuten, dass die Opfer der Verletzungen des humanitären Völkerrechts keine Rechtsmittel gemäß den Regeln des Völkerrechts gegen den verletzenden Staat haben? Art. 3 HLKO von 1907 sieht vor, dass die Kriegspartei, welche die Bestimmungen des Abkommens verletzt, gegebenenfalls zum Schadenersatz verpflichtet ist. Nach diesem Artikel umfasst die Verantwortlichkeit der Kriegspartei alle Handlungen, die von Personen, die zu ihrer bewaffneten Macht gehören, begangen werden.1116 Der Staat haftet hier für Schäden, die durch Mitglieder ihrer Streitkräfte fremden Personen oder Staaten unter Verletzung des humanitären Völkerrechts zugefügt wurden. Die Haftung erfolgt unabhängig davon, ob der Krieg völkerrechtswidrig oder völkerrechtskonform ist.1117 Fraglich ist nun, ob Artikel 3 HLKO den geschädigten Individuen nur ein materielles Recht auf Schadenersatz wegen Verletzung des humanitären Völkerrechts gewährt oder auch ein unmittelbares Recht begründet, ihr Recht vor Gerichten des Schädigerstaates selbst geltend zu machen.

1113

Siehe Art. 63 AMRK, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Fn. 503), S. 518. Siehe Art. 2 (3), Art. 9 (5) und Art. 14 (6) IPBPR, BGB1. 1973 II, S. 1534 ff. 1115 Siehe dazu Art. 8, 9, 10, 11 und 78 GK III, BGB1. 1954 II, S. 838 ff. sowie Art. 9, 10, 11, 12 und 101 GK IV, BGB1. 1954 II, S. 917 ff. und Art. 90 ZP I, BGB1. 1990 II, S. 1615. 1116 Art. 3 HLKO, RGB1. 1910, S. 125. 1117 Graefrath, Schadenersatzansprüche wegen Verletzung humanitären Völkerrechts, Humanitäres Völkerrecht Informationsschriften, Vol. 14, 2001, S. 111. 1114

B. Rechtsschutz für Opfer schwerer Verletzungen

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Nach Kalshoven gewährt dieser Artikel Zivilpersonen von einem Feindstaat oder einem neutralen Staat das Recht auf Zugang zu nationalen Behörden des verletzenden Staates wie Gerichten oder anderen zuständigen Behörden, um Wiedergutmachung im Fall der Verletzung ihrer Rechte nach der HLKO zu beantragen.1118 Diese Schlussfolgerung entspricht den Vorarbeiten zu Artikel 3 HLKO, die zeigen, dass es das Ziel des Artikels ist, den geschädigten Individuen Entschädigung zu gewährleisten.1119 Die Genfer Konventionen von 1949 enthalten keine ausdrücklichen Hinweise auf Schadenersatz wie Art. 3 HLKO. Der Grundsatz des Schadenersatzes für Verletzungen ist aber in den Genfer Konventionen implizit niedergelegt.1120 Ähnlich wie Art. 3 HLKO sieht Art. 91 ZP I vor, dass eine am Konflikt beteiligte Partei, welche die Bestimmungen der Genfer Konventionen von 1949 oder des Protokolls verletzt, gegebenenfalls zum Schadenersatz verpflichtet ist. Art. 91 ZP I folgt größtenteils dem Wortlaut des Art. 3 HLKO. Wortlautunterschiede zwischen beiden Artikeln reflektieren die zeitliche Entwicklung. Oft ist es in der Vergangenheit passiert, dass Schadenersatz nur die besiegte Kriegspartei, die zumeist auf Schadenersatzansprüche gegen den Sieger verzichtete, bezahlte. Diese Situation wollte die Regel in Art. 91 ZP I und Art. 3 HLKO beseitigen.1121 Die Verpflichtung zum Schadenersatz bezieht sich auf jede Kriegspartei, die Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begangen hat. Beide Artikel machen deshalb in diesem Zusammenhang keinen Unterschied zwischen Sieger und Besiegten oder zwischen Aggressor und Selbstverteidiger.1122 Der Anspruch auf Schadenersatz kann nicht nur wegen des aktiven Tuns eines Staatsorgans wie der Streitkräfte und der Polizei, sondern auch wegen eines Unterlassens entstehen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht.1123 Das bedeutet, dass auch rechtswidrige Handlungen von Privatpersonen, die den Staatsorganen nicht angehören, Schadenersatzansprüche für das Opfer begründen können, wenn die Staatsbehörden es unterlassen haben, die rechtswidrige Handlung zu verhindern.1124 Umstritten ist aber das Mittel, mit dem die geschädigten Personen den Schadenersatzanspruch geltend machen können. Nach dem IKRK-Kommentar zu Art. 91 ZP I sollen Personen, die durch eine rechtswidrige Handlung einer Kriegspartei geschädigt wurden, in der Regel ihre Beschwerden bei ihrer eigenen Regierung einreichen, die die Beschwerde an die 1118 Kalshoven, State Responsibility for Warlike Acts of the Armed Forces, The International and Comparative Law Quarterly, Vol. 40, 1991, S. 833. 1119 Kalshoven, ebd., S. 830. 1120 Siehe Art. 51 GK I; Art. 52 GK II; Art. 131 GK III; Art. 148 GK IV. 1121 ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 1054. 1122 Ebd., S. 1055. 1123 Siehe Art. 86 Abs. 1 ZP I; vgl. auch Art. 87 ZP I über die Pflichten der militärischen Führer. 1124 Siehe dazu ICRC Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977, S. 1057.

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5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

verletzende Kriegspartei oder Parteien abgibt.1125 Nach dieser Auslegung von Art. 91 haben Individuen wie z. B. in unserem Fall Kriegskorrespondenten grundsätzlich keinen Anspruch auf unmittelbare Rechtsmittel gegen die verletzende Partei, sondern sie sollen, abgesehen von Ausnahmen, ihre Beschwerden bei ihrer eigenen Regierung einreichen, die sie im Wege des diplomatischen Schutzes von Beschwerden bei der verletzenden Partei geltend machen wird. Kalshoven lehnte die IKRK-Auslegung ab, weil seiner Meinung nach eine solche Auslegung gegen Art. 3 HLKO, der als Völkergewohnheitsrecht gilt, verstößt. Diese Meinung wird von zahlreichen Autoren, wie Graefrath, Mazzeschi und Fischer-Lescano, geteilt.1126 Andere Autoren, wie Heintschel von Heinegg, Hofmann und Provost, teilen dagegen nicht die Meinung von Kalshoven. Heintschel von Heinegg erwähnt ausdrücklich, dass Art. 3 HLKO Rechte (und Pflichten) allein für Staaten, nicht für Einzelpersonen begründet.1127 Der Wortlaut von Art. 91 ZP I und auch sein Sinn und Zweck sprechen aber nicht gegen das Recht eines Individuums, das von einer rechtswidrigen Handlung der Streitkräfte einer Kriegspartei geschädigt wurde, auf ein unmittelbares Rechtmittel gegen die Behörden des Schädigerstaats. Die IKRK-Auslegung von Art. 91 ZP I entspricht der klassischen Lehre im Völkerrecht. Demnach sind nur Staaten Völkerrechtssubjekte. Individuen wie Kriegskorrespondenten sind nicht durch das Völkerrecht adressiert. Die Staatenpraxis geht grundsätzlich auch in die gleiche Richtung und bestätigt diese Einstellung. Die Staatenpraxis zeigt, dass die Staaten grundsätzlich dagegen sind, dass Individuen eine Beschwerde wegen der Verletzung des humanitären Völkerrechts unmittelbar bei den Behörden der verletzenden Partei einlegen, um Wiedergutmachung zu beantragen. Nach der klassischen Methode wurden Schadenersatzansprüche der Individuen zumeist mit den Schadenersatzansprüchen ihres eigenen Staats zusammen im Rahmen der Staatsansprüche auf Reparationen in einem Friedensvertrag oder durch Vereinbarungen geregelt.1128 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zum Beispiel mehrere multilaterale und bilaterale Reparationsvereinbarungen unter den Alliierten in Bezug auf die deutschen Reparationen und zwischen ihnen und Deutschland abgeschlossen.1129 Ein 1125

Ebd., S. 1056. Kalshoven (Fn. 1118), S. 852; Graefrath (Fn. 1117), S. 116; Mazzeschi, Reparation Claims by Individuals for State Breaches of Humanitarian Law and Human Rights, Journal of International Criminal Justice, Vol. 1, 2003, S. 341; Fischer-Lescano (Fn. 445), S. 372 und 373. 1127 Heintschel von Heinegg, Entschädigung für Verletzungen des humanitären Völkerrechts, in: Heintschel von Heinegg/Kadelbach (Hrsg.), Entschädigung nach bewaffneten Konflikten. Die Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung, 2003, S. 31 und 39; Hofmann, Victims of Violations of International Humantarian Law in: Dupuy/Fassbender (Hrsg.), Völkerrecht als Weltordnung, 2006, S. 350; Provost (Fn. 443), S. 48; vgl. auch Kadelbach, Staatenverantwortlichkeit für Angriffskriege und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, in: Heintschel von Heinegg/Kadelbach (Hrsg.), Entschädigung nach bewaffneten Konflikten. Die Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung, 2003, S. 84. 1128 Dolzer, The Settlement of War-Related Claims: Does International Law Recognize a Victim’s Private Right of Action? Lessons after 1945, Berkeley Journal of International Law, Vol. 20, 2002, S. 296. 1129 Dolzer, ebd., S. 316 und 324. 1126

B. Rechtsschutz für Opfer schwerer Verletzungen

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weiteres Beispiel für die Verpflichtung des Staates zum Schadenersatz für die Kriegsverbrechen ist der Vertrag, der zwischen Westdeutschland und Israel in Luxemburg 1952 abgeschlossen wurde. Der Vertrag sieht vor, dass Westdeutschland an Israel 3.450.000.000 DM als Schadensersatz für die von dem nationalsozialistischen Regime gegen die Juden begangenen Verbrechen zahlt.1130 1. Anwendung vor nationalen Gerichten Im Einklang mit der klassischen Ansicht waren in mehreren Staaten Individualklagen vor nationalen Gerichten auf Schadensersatz unter Berufung auf die Regeln des humanitären Völkerrechts erfolglos. Die Beschwerden der Opfer wurden meist mangels sachlicher Zuständigkeit und wegen der Immunität des Schädigerstaates abgewiesen.1131 Zudem wurde auch darauf verwiesen, dass die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als eines zwischenstaatlichen Rechts den Einzelnen nicht als Völkerrechtsubjekt verstehe, sondern ihm nur mittelbaren internationalen Schutz gewähre.1132 Im Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 2006 im Fall Distomo stellte das Gericht fest, dass Art. 3 HLKO keinen unmittelbaren individuellen Entschädigungsanspruch bei Verstößen gegen das Kriegsvölkerrecht begründet. Obwohl das Gericht Kalshoven zitierte und erwähnte, dass Art. 3 HLKO grundsätzlich zum Schutz des Einzelnen bestimmt sei, teilte es aber mit den US-amerikanischen Gerichten die Meinung, dass Art. 3 HLKO nicht vollzugsfähig (self-excuting) wäre.1133 Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt hierzu seine Einstellung in ähnlichen Fällen und steht jedenfalls im Einklang mit der herrschenden Ansicht in der Rechtslehre.1134 In der BVerfG-Entscheidung von 2004 über Ansprüche italienischer Militärinternierter wegen Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs stellte das BVerfG fest, dass ein sekundärrechtlicher Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des humanitären Völkerrechts nur zwischen den Staaten bestehe. Das schließt aber grundsätzlich nicht aus, dass das nationale Recht des verletzenden Staates dem Opfer einen individuellen Anspruch gewähren

1130

Siehe Greenspan, The Modern Law of Land Warfare, 1959, S. 405. Siehe das Urteil des US District Court for the Central District of California vom 31. Januar 1985 im Fall Leo Handel, abgedruckt in: Sassoli/Bouvier (Fn. 243), S. 714; Thorn, Schadenersatzansprüche der Zivilbevölkerung gegen ausländische Besatzungsmächte, in: Zimmermann/Hobe (Hrsg.), Moderne Konfliktformen, 2010, S. 318; Kalshoven, (Fn. 1118), S. 836. 1132 Beschluss des OLG Köln vom 28.07. 2005, Neue Juristische Wochenschrift, 58. Jahrgang, 2005, S. 2861; Beschluss des LG Bonn vom 10.12. 2003, Neue Juristische Wochenschrift, 57. Jahrgang, 2004, S. 525. 1133 BVerfG, Beschluss vom 15.02. 2006, Die Öffentliche Verwaltung, 59. Jahrgang, 2006, S. 517. 1134 Rau, State Liability for Violations of International Humanitarian Law, German Law Journal, Vol. 7, No. 7, 2006, S. 708. 1131

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5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

kann, der neben die völkerrechtlichen Ansprüche des Heimatstaates tritt.1135 Im Fall der Brücke von Varvarin stellten das Oberlandesgericht (OLG) Köln in seiner Entscheidung von 2005 und das Landgericht (LG) Bonn in seiner Entscheidung von 2004 fest, dass bei völkerrechtlichen Delikten durch Handlungen gegenüber fremden Staatsbürgern ein Anspruch nicht dem Betroffen selbst, sondern nur seinem Heimatstaat zusteht.1136 Solche Gerichtsentscheidungen sind aber auf Kritik in Deutschland gestoßen.1137 Obwohl die US-amerikanische Rechtsprechung bezüglich der Durchsetzung von Rechten der Opfer schwerer Verletzungen des Völkerrechts eine beachtliche Vorreiterrolle eingenommen hat, sieht die Rechtspraxis in vielen Fällen auf Grund von wirtschaftlichen und politischen Interessen sowie unter Berücksichtigung des Konzepts der „international comity“ zurückhaltend aus.1138 Im Fall Leo Handel et al. v. Artukovic lehnte ein US-amerikanisches Gericht die Berufung des Klägers auf die HLKO von 1907 und die Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen von 1929 mit der Begründung ab, dass die dritte Genfer Konvention von 1949, welche die Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen von 1929 ersetzt hat, und die HLKO nicht „self-excuting“ wären.1139 Zudem konstatierte das US-amerikanische Gericht, dass die Anerkennung eines individuellen Rechts auf Rechtsmittel nach HLKO zu Problemen für das nationale Rechtssystem führen würde, das mit Fällen von Individuen, die behaupten würden, Opfer von Verletzungen der Konvention während eines bewaffneten Konflikts gewesen zu sein, überflutet würde. Außerdem hätten solche individuellen Klagen negative Auswirkungen auf die Beziehungen mit ausländischen Staaten.1140 Diese Position vertrat auch ein US-amerikanisches Berufungsgericht im Fall Hamdi v. Rumsfeld.1141 In seiner Entscheidung lehnte das Gericht die Anwendung von Art. 5 GK III von 1949 ab, weil nach seiner Ansicht die Konvention nicht „self-excuting“ sei. Art. 5 GK III sieht vor, dass im Zweifelsfall, ob eine Person, die eine kriegerische Handlung begangen hat und in Feindeshand gefallen ist, einer der in Art. 4 GK III aufgezählten Kategorien angehört, diese Person den Schutz der Konvention genießt, bis ihre Rechtsstellung durch ein zuständiges Gericht festgestellt worden ist.

1135

BVerfG, Beschluss vom 28.06. 2004, Neue Juristische Wochenschrift, 57. Jahrgang, 2004, S. 3258. 1136 Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 28.07. 2005, in: Neue Juristische Wochenschrift, 58. Jahrgang, 2005, S. 2861; Beschluss des Landgerichts Bonn vom 10.12. 2003, in: Neue Juristische Wochenschrift, 57. Jahrgang, 2004, S. 525. 1137 Graefrath (Fn. 117), S. 114. 1138 Fischer-Lescano (Fn. 445), S. 354. 1139 Urteil des US District Court for the Central District of California vom 31. Januar 1985 im Fall Leo Handel, abgedruckt in: Sassoli/Bouvier (Fn. 243), S. 714. 1140 Ebd., S. 715. 1141 Zegveld, Remedies for Victims of Violations of International Humanitarian Law, International Review of the Red Cross, Vol. 85, 2003, S. 509.

B. Rechtsschutz für Opfer schwerer Verletzungen

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Schließlich ist festzuhalten, dass dieser Mangel an Sanktionen einer der Faktoren ist, die nicht zur effektiven Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts beitragen. Im humanitären Völkerecht fehlen nicht nur starke Durchsetzungsmechanismen, sondern es gibt auch keine Normen in diesem Rechtsbereich, welche die Staaten verpflichten, den Regeln des humanitären Völkerrechts eine unmittelbare Anwendung in ihren nationalen Rechtssystemen zuzusprechen. Das bedeutet, dass es für Individuen schwierig ist, sich auf diese völkerrechtlichen Normen vor nationalen Gerichten zu berufen, es sei denn, der Staat lässt dies nach seinem nationalen Rechtssystem zu.1142 Für die Schadenersatzansprüche von Einzelpersonen der besiegten Staaten oder von Drittstaaten kann das bedeuten, dass ihr Recht auf Schadenersatz verloren ginge. Daher erfordert die Gewährung eines effektiveren Rechtschutzes der Opfer von schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts ein Abrücken von der klassischen Rechtslehre, insbesondere bei der Auslegung der Artikel 3 HLKO und 91 ZP I. Die Interpretation beider Normen als individualbezogene Sekundäranspruchsnormen trägt zweifelsohne zur Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes für die Opfer von schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts und somit auch zur Schließung der Lücken der Anwendung des humanitären Völkerrechts bei.1143 Eine solche Interpretation verstößt nicht gegen den Wortlaut beider Artikel, sondern steht vielmehr im Einklang mit den Zwecken beider Normen und auch mit der neuen Orientierung im Völkerrecht, die, wie im Folgenden dargestellt wird, zur Gewährung individueller Sekundärrechte auf Wiedergutmachung im Fall der Verletzung der Primärrechte des Individuums gemäß des humanitären Völkerrechts tendiert. Für eine solche teleologische oder dynamische Interpretation äußerte sich auch die Internationale Untersuchungskommission über Darfur in ihrem Bericht an dem UN-Generalsekretär vom 25. Januar 2005. „The universal recognition and acceptance of the right to an effective remedy cannot but have a bearing on the interpretation of the international provisions on State responsibility for war crimes and other international crimes. These provisions may now be construed to the effect that the obligations they enshrine are assumed by States not only towards other contracting States but also vis-à-vis the victims, i. e. the individuals who suffered from those crimes.“1144

2. Klagemöglichkeiten in Abweichung von der klassischen Rechtslehre Die Anerkennung des Rechts des Individuums auf Individualbeschwerde gemäß den Regeln des Völkerrechts erfährt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zunehmenden Zuspruch. Diese Entwicklung ist besonders deutlich im Menschen1142

Ebd., S. 507. Fischer-Lescano (Fn. 445), S. 373 und 375. 1144 Report of the International Commission of Inquiry on Darfur to the United Nations Secretary – General pursuant to Security Council Resolution No. 1564 vom 25. Januar 2005, Ziffer 597, abrufbar über die Webseite der Vereinten Nationen unter: http://www.un.org/News/ dh/sudan/com_inq_darfur.pdf, abgerufen am 20.05. 2012. 1143

260

5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

rechtsbereich. Auch im humanitären Völkerecht geht die Entwicklung in die gleiche Richtung. a) Entschädigungskommissionen Die Einrichtung von Entschädigungskommissionen nach dem Ende von bewaffneten Konflikten zur Prüfung von Entschädigungsansprüchen der betroffenen Staaten und Individuen wegen Verletzung des Völkerrechts einschließlich des humanitären Völkerrechts schafft ein Instrumentarium für Beschwerden der Individuen einschließlich der Kriegskorrespondenten, die in einem bewaffneten Konflikt geschädigt wurden. Als ein prominentes Beispiel aus den letzten Jahren ist hier die UNEntschädigungskommission zu nennen, die gemäß der UN-Sicherheitsratsresolution Nr. 687 vom 3. April 1991 infolge der völkerrechtswidrigen Invasion von Kuwait durch den Irak eingerichtet wurde.1145 Die Kommission hat fast 2,6 Millionen Entschädigungsanträge erhalten. Der größte Teil dieser Anträge stammte von Individuen.1146 Die Anträge der Individuen werden oft am Beispiel dieser Kommission nach dem Maß des Schadens kategorisiert und nicht auf einer „case by case“ Basis behandelt.1147 Individuen sind in der Regel nicht befugt, an dem Prozess teilzunehmen. Solche Kommissionen kommen ad hoc zustande und ihre Einrichtung hängt oft von politischen Erwägungen ab.1148 b) UN-Prinzipien und Richtlinien von 2005 Der Trend der Anerkennung des Rechts der Opfer schwerer Verletzungen des humanitären Völkerrechts auf Rechtsschutz findet einen neuen Impuls in der Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 60/147 vom 16. Dezember 2005 über „Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Gross Violations of International Human Rights Law and Serious Violations of International Humanitarian Law“. Die Prinzipien und Leitlinien beziehen sich insbesondere auf schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts und sind Ausdruck der Verschränkung der Sekundärpflichten im Bereich des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte.1149 1145

Siehe die UN-Sicherheitsratsresolution Nr. 687 vom 3. April 1991, abrufbar über die Webseite der Vereinten Nationen unter: http://daccess-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/ NR0/596/23/IMG/NR059623.pdf?OpenElement, abgerufen am 20.05. 2012. 1146 Seegers, Das Individualrecht auf Wiedergutmachung, 2005, S. 157; The United Nations Compensation Commission, abrufbar über die Webseite der Vereinten Nationen unter: http:// www.uncc.ch/theclaims.htm, abgerufen am 20.05. 2012. 1147 Siehe dazu Seegers (Fn. 1146), S. 159; The United Nations Compensation Commission, ebd. 1148 Zegveld (Fn. 1141), S. 523. 1149 Fischer-Lescano (Fn. 445), S. 334; vgl. auch Bassiouni, Accountability for Violations of International Humanitarian Law and Other Serious Violations of Human Rights, The Global Community Yearbook of International Law & Jurisprudence, 2001, S. 33.

B. Rechtsschutz für Opfer schwerer Verletzungen

261

Die Resolution bestätigt, dass ihre Prinzipien und Leitlinien keine neuen internationalen rechtlichen Verpflichtungen schaffen, sondern sie zeigen nur Mechanismen, Modalitäten, Verfahren und Methoden der Umsetzung der bereits bestehenden rechtlichen Verpflichtungen der Staaten unter den Regeln der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts auf.1150 Das bedeutet, dass die Grundsätze und Leitlinien als Kodifikation des geltenden Völkerrechts gelten. Die Prinzipien bestätigen das Recht des Opfers auf Rechtsschutz im Fall der schweren Verletzung seiner Rechte gemäß den Regeln der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Die Staaten sind nicht nur verpflichtet, die Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte zu verhindern, sondern auch diese Verletzungen im Fall ihrer Begehung effektiv, prompt und unparteiisch zu untersuchen.1151 Nach dem Prinzip Nr. 11 haben die Opfer das Recht auf Rechtsschutz einschließlich des Rechts auf gleichberechtigten und effektiven Zugang zur Justiz und eine angemessene, effektive und prompte Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden.1152 Obwohl die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Regeln des humanitären Völkerrechts in der Resolution nicht auftaucht, bestätigen die in der Resolution aufgenommenen Grundsätze und Leitlinien die Verpflichtung der Staaten zur Schaffung der Mittel, die es dem Individuum ermöglichen, seine Rechte gemäß den Genfer Konventionen auch vor nationalen Gerichten geltend zu machen.1153 c) Internationale Untersuchungskommission über Darfur von 2006 Die Orientierung über die Anerkennung des Rechts des Individuums auf Wiedergutmachung für schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts findet eine neue Bestätigung im Bericht der „International Commission of Inquiry on Darfur“ im Sudan von 2006. In dem Bericht stellte die Kommission fest, dass „serious violations of international humanitarian law and human rights law can entail not only the individual criminal liability of the perpetrator but also the international responsibility of the State (or state-like entity) on whose behalf the perpetrator was acting. This international responsibility involves that the State (or the state-like entity) must pay compensation to the victim.“1154

1150

Siehe die Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 60/147 vom 16. Dezember 2005 über „Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy“, abrufbar über die Webseite der Vereinten Nationen unter: http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N05/496/42/ PDF/N0549642.pdf?OpenElement, abgerufen am 20.05. 2012. 1151 Siehe das Prinzip Nr. 3 der „Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy“. 1152 Das Prinzip Nr. 11 der „Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy“. 1153 Siehe auch dazu Zegveld (Fn. 1141), S. 513. 1154 Report of the International Commission of Inquiry on Darfur to the United Nations Secretary – General pursuant to Security Council Resolution No. 1564 vom 25. Januar 2005 (Fn. 1144), Ziffer 593.

262

5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

Die Kommission stellte auch fest, dass gemäß dem Völkergewohnheitsrecht nicht nur die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Individuen, die Verbrechen gegen das Völkerrecht begehen, entsteht, sondern auch der Staat verpflichtet ist, den Opfern, deren Rechte durch Staatsorgane oder Staatsagenten verletzt worden sind, Wiedergutmachung zu leisten. Daraufhin konstatierte die Kommission, dass der sudanesische Staat und auch die Rebellen wegen schwerer Verletzungen des Völkerrechts verpflichtet sind, den Opfern des Bürgerkriegs in Darfur Wiedergutmachung zu leisten.1155

II. Der Internationale Strafgerichtshof Die Einrichtung von internationalen Strafgerichtshöfen wie dem ICTY, dem ICTR und dem ICC trägt ohne Zweifel zur Verhütung von Kriegsverbrechen und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilisten einschließlich der Kriegskorrespondenten bei. Anders als der ICTY, der gemäß der UNO-Sicherheitsratsresolution Nr. 827 von 1993 eingerichtet wurde, und der ICTR, der gemäß der UNO-Sicherheitsratsresolution Nr. 955 von 1994 eingerichtet wurde, ist der ICC, dessen Statut auf der Konferenz von Rom am 17. Juli 1998 angenommen wurde, eine ständige Einrichtung.1156 Ähnlich wie der ICTY und der ICTR sitzt der ICC in Den Haag nur über Individuen und nicht über Staaten zu Gericht. Die Jurisdiktion des ICC betrifft nur die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Individuums und nicht Fragen der Staatenverantwortlichkeit oder der Streitbeilegung zwischen den Staaten.1157 Der Gerichtshof übt seine Gerichtsbarkeit über Individuen aus, ungeachtet ihrer amtlichen Eigenschaft. Das bedeutet, dass die amtliche Eigenschaft eine Person nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit enthebt. Auch Immunität hindert den Gerichtshof nicht an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über eine solche Person.1158 Die sachliche Zuständigkeit des Gerichtshofs erstreckt sich nur auf die in Art. 5 (1) des Gerichtsstatutes bezeichneten Verbrechen, nämlich das Verbrechen des Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression. Wichtig ist hierbei, dass der Gerichtshof gemäß Art. 8 (Abs. 2 Nr. c und e) Gerichtsbarkeit auch über nichtinternationale bewaffnete Konflikte hat. Das Gerichtsstatut stellt im Fall von Bürgerkriegen im Vergleich zu dem 2. Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen von 1949 weniger Anforderungen zur Erfüllung seiner Anwendungsvoraussetzungen auf. Im Vergleich zu den Statuten des ICTYund ICTR, in denen das Recht des Individuums auf Wiedergutmachung wegen der 1155

Ebd., Ziffer 598 und 600. Siehe die Resolutionen Nr. 827 und 955 des UN-Sicherheitsrats, abrufbar über die Webseite der Vereinten Nationen unter: http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N93/ 306/28/IMG/N9330628.pdf?OpenElement; http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/ N95/140/97/PDF/N9514097.pdf?OpenElement, abgerufen am 20.05. 2012. 1157 Bergsmo, Preamble, in: Triffterer (ed.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court, 2008, S. 12. 1158 Art. 27 des Gerichtsstatutes, BGB1. 2000 II, S. 1414. 1156

B. Rechtsschutz für Opfer schwerer Verletzungen

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Verletzung seiner Rechte gemäß den Regeln des humanitären Völkerrechts nicht besteht, erkennt das Römische Statut das Recht des Individuums auf Wiedergutmachung im Fall der Verwirklichung der in den Art. 6, 7 und 8 des Gerichtsstatutes bezeichneten Tatbestände an.1159 Gemäß Art. 75 (1) des Gerichtsstatutes stellt der Gerichtshof Grundsätze der Wiedergutmachung für die Opfer auf. Art. 79 (1) des Gerichtsstatutes sieht vor, dass auf Beschluss der Versammlung der Vertragsstaaten ein Treuhandfonds zugunsten der Opfer von Verbrechen, die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegen, und der Angehörigen der Opfer errichtet wird.1160 Das Statut des ICC stellt somit das erste Instrumentarium dar, das deutlich die Möglichkeit einer Entschädigung wegen Verletzung des humanitären Völkerrechts gewährleistet.1161 Wichtig ist aber hier darauf hinzuweisen, dass die Verantwortlichkeit für eine Entschädigung nur die Täter und nicht die Staaten trifft.1162 In Bezug auf den Schutz der Kriegskorrespondenten in Kriegsgebieten z. B. vor vorsätzlichen Angriffen auf Leib und Leben oder Geiselnahme, die als Kriegsverbrechen gemäß Art. 8 des Römischen Statutes der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs unterliegen, darf man nicht erwarten, dass der Gerichtshof sich nach seinem gegenwärtigen Statut mit einzelnen Kriegsverbrechen gegen Kriegskorrespondenten oder andere geschützte Personen wie Zivilisten und Kriegsgefangene befassen wird. Das würde den Gerichthof überfordern. Internationale Strafgerichtshöfe wie der ICTY, der ICTR und auch der ICC stellen in der Regel nur Führer, Entscheidungsträger und hohe Ausführende vor Gericht.1163 Man darf nicht vergessen, dass die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs gemäß Art. 5 (1) des Statuts nur auf schwerste Verbrechen beschränkt ist, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren.1164 Der Gerichtshof kann auch nicht alle in Art. 5 (1) des Statutes vorgesehenen Verbrechen verhandeln.1165 Das Komplementaritätsprinzip schränkt gemäß Art. 1 des Gerichtsstatuts die Gerichtsbarkeit des ICC zugunsten der nationalen Gerichtsbarkeit ein. Die Bedeutung des Komplementaritätsprinzips ist Abs. 10 der Präambel sowie den Art. 12 – 15, 17 und 18 des Statutes zu entnehmen. Demnach hat die nationale Jurisdiktion grundsätzlich Vorrang gegenüber der Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshofs, es sei denn, eine Situation wurde durch den Sicherheitsrat dem Gerichtshof gemäß Art. 13 (b) des Statuts unterbreitet oder der betreffende Staat ist nicht willens oder nicht in der Lage, seine nationale

1159 Alam, Is there any Right to Remedy for Victims of Violations of International Humanitarian Law?, Humanitäres Völkerrecht, Vol. 19, 2006, S. 185. 1160 Siehe Art. 75 und Art. 79 des Gerichtsstatutes, BGB1. 2000 II, S. 1452 und 1454. 1161 Provost (Fn. 443), S. 54. 1162 Heintschel von Heinegg (Fn. 1127), S. 43. 1163 Bassiouni (Fn. 1149), S. 27. 1164 Siehe die Präambel Abs. 9 und Art. 1 des Römischen Statutes. 1165 Triffterer, Establishment of the Court, in: Triffterer (ed.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court, 2008, S. 33.

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5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

Jurisdiktion auszuüben.1166 Art. 17 des Statuts regelt Fragen der Zulässigkeit. Anklagen in Fällen, die nicht schwerwiegend genug sind, sind unzulässig. Über die Zulässigkeit entscheidet der Gerichtshof selbst.1167 Bezüglich der Schwere der Fälle reicht es nicht aus, dass das dem Gerichtshof unterbreitete Verbrechen der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes unterfällt. Obwohl die in dem Gerichtsstatut vorgesehenen Verbrechen nach ihrer Natur schwerwiegend sind, muss die dem Gerichtshof unterbreitete Situation noch zusätzliche Schwere aufweisen, damit sich der Gerichtshof mit ihr befassen kann.1168 Das bedeutet, dass der Gerichtshof Fälle von Kriegsverbrechen gegen Kriegskorrespondenten grundsätzlich nur verhandelt, wenn die Verbrechen eine gewisse Schwelle überschritten haben, und auch die weiteren Voraussetzungen der Zulässigkeit erfüllt sind. Um die Sache zu verdeutlichen, kann man als Beispiel erwähnen, dass einige extreme Fälle, in denen eine große Zahl von Kriegskorrespondenten vorsätzlich getötet worden ist oder auch im Fall des absichtlichen Mordes an einem Kriegskorrespondenten wegen seiner Rolle bei der Aufdeckung mehrerer schwerer Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder der Menschenrechte, vor dem Gerichtshof verhandelt werden können. Dazu kann es aber nur kommen, wenn auch die weiteren Voraussetzungen der Zulässigkeit erfüllt sind, insbesondere wenn der betreffende Staat aus irgendwelchen Gründen nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Täter strafrechtlich zu verfolgen und sie unparteiisch und fair vor Gericht zu stellen. Ob der Gerichtshof sich mit einer Sache befassen wird oder nicht, steht im Ermessen des Gerichtshofes, der aufgrund der im Statut vorgesehenen Kriterien darüber entscheiden kann. Nach Art. 13 des Statuts dürfen nur die Vertragsstaaten, der Sicherheitsrat und der Ankläger des Gerichts dem Gerichtshof eine Situation unterbreiten. Das bedeutet, dass Individuen nicht befugt sind, eine Klage vor dem Gerichtshof zu erheben. Aber die Tatsache, dass der Chefankläger des Gerichtshofs gemäß Art. 15 des Statuts befugt ist, proprio motu Ermittlungen aufzunehmen, bietet den Individuen, Organisationen und Nichtvertragsparteistaaten die Möglichkeit, dem Ankläger Informationen über Sachverhalte mitzuteilen und ihn zu überzeugen, Maßnahmen zu ergreifen.1169

III. Universelle Jurisdiktion Nach dem Universalitätsprinzip ist jeder Staat unabhängig vom Tatort des Verbrechens und von der Nationalität des Täters oder des Opfers originär zur Strafverfolgung legitimiert, vorausgesetzt, dass es um Verletzungen von Rechtsgütern geht, die völkergewohnheitsrechtlich oder aufgrund internationaler Abkommen als 1166

S. 60.

Triffterer, ebd., S. 57; Stagel, Sicherheitsrat und Internationaler Strafgerichtshof , 2008,

1167 Siehe Art. 17 Abs. 1 (d) des Römischen Statutes; Schabas, An Introduction to the International Criminal Court, 2004, S. 29 und 69. 1168 Schabas/Williams, Article 17: Issues of admissibility, in: Triffterer (Fn. 1165), S. 622. 1169 Schabas (Fn. 858), S. 120.

C. Initiativen der journalistischen Berufsorganisationen

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so genannte „delicta juris gentium“ anerkannt sind. Bei ihnen haben alle Staaten ein Interesse daran, die Täter strafrechtlich zu verfolgen.1170 Unter das Universalitätsprinzip fallen neben dem klassischen internationalen Verbrechen der Piraterie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord.1171 Im Hinblick auf die Entwicklungen in den letzten Jahren bezüglich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus können auch terroristische Attentate unter das Universalitätsprinzip fallen.1172 Bezogen auf die Kriegskorrespondenten ergibt sich daraus, dass Kriegsverbrechen oder schwere Menschenrechtsverletzungen wie vorsätzliche Tötung und Folter nicht nur am Tatort, sondern auch in anderen Staaten, unabhängig von dem Vorliegen einer Nähebeziehung zwischen der Tat und dem strafenden Staat, nach dem Universalitätsprinzip geahndet werden können. Dabei ist unbeachtlich, ob der Täter auf Befehl handelte oder eine amtliche Eigenschaft hat. Unbeachtlich ist auch, ob er Mitglied der Streitkräfte oder der Polizei eines Staates oder Mitglied einer Widerstandsbewegung oder revolutionären Gruppe oder bewaffneten Bande ist. Ihm droht Strafverfolgung und Bestrafung bei der Einreise ins Ausland. Die Anwendung des Universalitätsprinzips kommt möglicherweise nur in Betracht, wenn der betreffende Staat oder das Tatortland nicht willens oder nicht in der Lage ist, den Täter vor Gericht zu stellen. Bislang findet das Prinzip nur in wenigen Staaten Anwendung.1173

C. Initiativen der journalistischen Berufsorganisationen Erwähnung verdient auch die Rolle der NGOs wie die Berufsorganisationen der Journalisten bezüglich der Frage der Verbesserung des Schutzes der Journalisten in Kriegsgebieten. Durch vielfältige Tätigkeiten tragen die journalistischen Berufsorganisationen zur Lösungsfindung für Probleme der Journalisten und zur Aufmerksamkeit für Mängel ihres Schutzsystems in Kriegsgebieten bei. Für diesen Zweck führen sie z. B. Studien durch und bieten Programme und Vorschläge über ihr Schutzsystem. Außerdem organisieren sie Konferenzen und Foren und koordinieren sich mit den zuständigen internationalen Organisationen und Staatenbehörden zum gleichen Zweck. Als Beispiel dient die „Charter for the Safety of Journalists Working in War Zones or Dangerous Areas“, welche die Organisation der „Reporters without Borders“ 2002 aufgestellt hat.1174 Die Charta enthält acht Prinzipien, die im Fall ihrer 1170

S. 79. 1171

Siehe dazu Bassiouni (Fn. 1149), S. 24; Bremer (Fn. 104), S. 123; Werle (Fn. 1007),

Ambos, Internationales Strafrecht, 2008, S. 55; Ipsen (Fn. 109) S. 663; Doehring, Völkerrecht, 2004, S. 358; Stein/von Buttlar (Fn. 695), S. 218. 1172 Ambos (Fn. 1171), S. 55. 1173 Bassiouni (Fn. 1149), S. 13. 1174 Siehe „Charter for the Safety of Journalists“, abrufbar unter: http://www.rsf.org/IMG/ pdf/charter_en.pdf, abgerufen am 20.05. 2012.

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5. Kap.: Verbesserungsvorschläge und Initiativen

Beachtung durch die Medienunternehmen zu einer erheblichen Reduktion der Gefahren bei der Berufsausübung der Kriegsberichterstattung führen können. Die Prinzipien bestätigen die Wichtigkeit der Schulung und des Tragens von Schutzausrüstungen sowie der Informationen, der Kommunikationsmittel und der Versicherung für Kriegskorrespondenten, bevor sie in ein Krisengebiet gehen. Zudem muss die Übernahme von solchen gefährlichen Aufträgen auf freiwilliger Basis und in Kenntnis des Begleitrisikos erfolgen.1175 Erwähnung verdienen auch die Richtlinien und Programme von anderen Berufsorganisationen wie des „Committee to Protect Journalists“,1176 des „International News Safety Institute“1177 und der „International Federation of Journalists“,1178 die darauf hinzielen, die Arbeitsrisiken für Journalisten zu minimieren.

D. Zusammenfassung Die Verleihung eines besonderen Status für Journalisten, die in Krisengebieten arbeiten, findet sowohl Kritiker als auch Befürworter. Die Verbesserung des Schutzes der Kriegskorrespondenten kann, wenn nicht durch den Abschluss einer Sonderkonvention über Journalisten, der sich als ein sehr komplizierter und zeitraubender Prozess erwiesen hat, auch durch andere Mittel erfolgen. Dieses Ziel kann beispielsweise durch eine Erweiterung um einen oder zwei Absätze des Texts des Art. 79 ZP I, die den besonderen Schutz, den die Journalisten als Zivilisten in Kriegszeiten genießen, eindeutig hervorheben, und die vorsehen, dass Angriffe auf sie durch einen internationalen Ausschuss für Journalisten untersucht werden, erfolgen. Der große Vorteil dieser Variante liegt darin, dass man die Komplikationen des Abschlusses einer Sonderkonvention über Journalisten vermeidet. Die strenge Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts über den Schutz von Zivilpersonen einschließlich der Kriegskorrespondenten und die Ahndung von vorsätzlichen Angriffen auf sie bieten jedenfalls die effektivsten und geeignetsten Methoden zur Gewährleistung eines besseren Schutzes für Kriegskorrespondenten. Die Darstellung hat auch gezeigt, dass Individuen wie Kriegskorrespondenten sich vor nationalen Gerichten nach der klassischen Lehre auf völkerrechtliche Normen nicht berufen können, um z. B. eine Klage auf Schadenersatz zu erheben, wenn ihre Rechte nach dem humanitären Völkerrecht verletzt worden sind. Das hat 1175

Ebd. Siehe andere Richtlinien und Programme zum Schutz der Journalisten auf der Website des „Committee to Protect Journalists“, abrufbar unter: http://cpj.org/reports/2003/02/journa list-safety-guide.php, abgerufen am 20.05. 2012. 1177 Siehe die Webseite des „International News Safety Institute“, abrufbar unter: http:// www.newssafety.com/index.php?option=com_content&view=category&layout= blog&id=229&Itemid=100078, abgerufen am 20.05. 2012. 1178 Siehe die Webseite der „Internaional Federation of Journalists“, abrufbar unter: http:// www.ifj.org/en, abgerufen am 20.05. 2012. 1176

D. Zusammenfassung

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zur Folge, dass das Recht der Individuen einschließlich der Kriegskorrespondenten auf Schadenersatz in vielen Fällen verloren ginge. Das Abrücken von der klassischen Lehre in den letzten Jahren erweckt aber die Hoffnung, dass Individuen ein Recht auf Schadenersatz unter Berufung auf die einschlägigen völkerrechtlichen Normen wie Art. 3 HLKO und Art. 91 ZP1 vor nationalen Gerichten zugesprochen werden könnte. Die Errichtung von internationalen Strafgerichtshöfen, insbesondere die Errichtung des ICC, stellt einen großen Fortschritt auf dem Weg der Ahndung von Verbrechen gegen das Völkerrecht dar. Die Möglichkeit der Strafverfolgung und die Bestrafung von Personen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor einem internationalen Strafgerichtshof wirkt ohne Zweifel abschreckend auf zukünftige Täter. Dies trüge zur Verbesserung des Schutzes von Zivilisten einschließlich der Kriegskorrespondenten bei. Man darf aber nicht erwarten, dass der ICC sich nach seinem gegenwärtigen Statut mit einzelnen Kriegsverbrechen gegen Kriegskorrespondenten befassen wird. Der Gerichtshof kann Fälle von Kriegsverbrechen gegen Kriegskorrespondenten nur verhandeln, wenn diese Verbrechen eine gewisse Schwelle überschritten haben, und die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Auch die Anwendung des Universalitätsprinzips öffnet einen weiteren Weg für Opfer der Kriegsverbrechen und schwerer Menschenrechtsverletzungen für die Erhebung einer Klage gegen die mutmaßlichen Täter vor nationalen Gerichten eines Drittstaats, der dieses Prinzip, unabhängig vom Tatort oder der Staatsangehörigkeit des Täters, anwendet.

Zusammenfassung der Kapitel Die Hauptthese der Arbeit, nämlich die Unzulänglichkeit der Schutznormen von Kriegskorrespondenten im Völkerrecht im Kontext der neuen Arbeitsbedingungen und der zunehmenden wichtigen Rolle der Medien während Kriegszeiten und bei der Aufdeckung von Kriegsverbrechen, wurde im Rahmen der Forschung an mehreren Stellen bestätigt. Für die Begründetheit der These der Arbeit sprechen mehrere Faktoren, die sich in den letzten Jahrzehnen intensiviert haben. Unter diesen Faktoren treten besonders die Änderung der Natur der Kriege und die Zunahme der Bedeutung der Arbeit der Kriegskorrespondenten im Lichte der technologischen Entwicklung in der Welt der Kommunikation und ihrer wichtigen Rolle bei Aufdeckung von Kriegsverbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen hervor. Trotz der besonderen Rolle, welche Kriegskorrespondenten spielen, und trotz der zusätzlichen Gefahren, denen Kriegskorrespondenten während der Ausübung ihres Berufs in Konfliktgebieten ausgesetzt sind, gewähren ihnen die Regeln des Völkerrechts einen Grad von Schutz, der den zusätzlichen Gefahren und der besonderen Rolle nicht Rechnung trägt. Gemäß Art. 79 Abs. 1 ZP I gelten Journalisten, die in Gebieten eines bewaffneten Konflikts gefährliche berufliche Aufträge ausführen, als Zivilpersonen im Sinne des Art. 50 Absatz 1 ZP I. Mit dieser Formulierung wirkt Art. 79 nur deklaratorisch. Der Artikel hat Journalisten nichts Neues bezüglich ihres Schutzes in Konfliktgebieten geboten. Akkreditierte Kriegskorrespondenten genießen wie Mitglieder der Streitkräfte die Rechtsstellung der Kriegsgefangenen, wenn sie in Feindeshand fallen. Folglich genießen sie alle Rechte, welche die Kriegsgefangenen gemäß den Normen der dritten Genfer Konvention von 1949 haben. Art. 4 (A) Nr. 4 GK III – ähnlich wie Art. 79 ZP I – behandelt die Frage der Kriegskorrespondenten nur im Rahmen einer humanitären Dimension für den Fall, dass sie in Feindeshand fallen. Der Schutz ist auf die Zeit der Kriegsgefangenschaft beschränkt. Vor anderen Kriegsgefahren bietet Art. 4 (A) Nr. 4 GK III keinen Schutz. Fragen der Presse- und Informationsfreiheit sind vom Schutzbereich beider Artikel nicht erfasst. Artikel 79 ZP I gewährt Journalisten in gefährlichen beruflichen Missionen den gleichen humanitären Schutz, den Zivilisten im Sinne des Art. 50 Abs. 1 ZP I während Kriegszeiten genießen. Art. 79 ZP I konnte die Lücke im Schutzsystem der Kriegskorrespondenten daher nicht vollständig schließen. Die Bestimmungen des Artikels 79 ZP I gelten als Teil des Völkergewohnheitsrechts und finden deswegen auch Anwendung in Bürgerkriegen und unabhängig davon, ob die betreffende Partei das 1. Zusatzprotokoll ratifiziert hat oder nicht.

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Kriegskorrespondenten verlieren den nach den Regeln des humanitären Völkerrechts vorgesehenen Schutz, wenn sie unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Ein akkreditierter Kriegskorrespondent, der seinen Beruf nur als Deckmantel nutzt, um Spionage zu betreiben, und dabei ertappt wird, verwirkt sein Recht auf Behandlung als Kriegsgefangener gemäß Art. 4 (A) Nr. 4 GK III, falls er in Kriegsgefangenschaft gerät. Journalisten, die unter dem begründeten Verdacht stehen, Spionagetätigkeiten zu betreiben, können sich nicht auf die durch die vierte Genfer Konvention von 1949 eingeräumten Rechte und Vorrechte berufen. Beschränkt wird z. B. das Recht auf Kommunikation mit der Außenwelt, falls eine solche Einschränkung aus Sicherheitsgründen notwendig ist. In Konfliktgebieten genießen Kriegskorrespondenten den Schutz, den Zivilpersonen genießen. Insbesondere genießen sie gemäß den Regeln des humanitären Völkerrechts bestimmte Rechte, die darauf hinzielen, sie vor Kriegsgefahren zu schonen. Kriegskorrespondenten genießen als Zivilpersonen den vorgesehenen Schutz, „sofern und solange sie“ nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Darunter können nicht nur die Zeit, in der der Zivilist seine Waffe benutzt, sondern auch andere feindliche Tätigkeiten wie die Vorbereitung für militärische Operationen verstanden werden. Ein Kriegskorrespondent, der unrechtmäßig unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt und in Feindeshand fällt, wird nicht als Kriegsgefangener, sondern als Zivilist behandelt. Das hat zur Folge, dass er nach den Normen des nationalen Strafrechts des betreffenden Staats als Straftäter vor Gericht gestellt werden kann. Mediengebäude gelten grundsätzlich als zivile Objekte und dürfen als solche nicht angegriffen werden, solange sie nicht für militärische Kommunikation verwendet werden. Allein das Betreiben von Propaganda reicht nicht zur Rechtfertigung eines militärischen Angriffs auf eine Medieneinrichtung aus. Jedoch könnte der Einsatz der Medien zur Aufstachelung zur Gewalt oder zur unmittelbaren und öffentlichen Anreizung zur Begehung von Völkermord, wie es im Fall Radio RTLM in Ruanda war, einen militärischen Angriff auf sie rechtfertigen. Die Regeln der Menschenrechte finden grundsätzlich Anwendung in Kriegszeiten und in besetzten Gebieten, vorausgesetzt, dass der Vertragsstaat effektive Kontrolle ausübt. Für Kriegskorrespondenten stellen die Fortgeltung der Menschenrechtskonventionen in Kriegszeiten und die extraterritoriale Wirkung dieser Konventionen ein zusätzliches Schutzmittel neben den Regeln des humanitären Völkerrechts dar. Da die Regeln des humanitären Völkerrechts die Frage der Kriegskorrespondenten nur im Rahmen einer humanitären Dimension behandeln, wird auf die Regeln der Menschenrechte zum Schutz der Rechte der Kriegskorrespondenten auf Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit abgestellt. Beide Rechtssysteme können einander ergänzen. Damit können viele Lücken, an denen eines der beiden Systeme leidet, geschlossen werden. Der Genuss menschenrechtlicher Garantien nach IPBPR oder EMRK setzt aber auch voraus, dass sie nicht nach Art. 4 IPBPR oder Art. 15 EMRK derogiert wurden und dass sie nicht im Wege der Spezialität durch die Regeln

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des humanitären Völkerrechts verdrängt wurden. Bei der Anwendung der Regeln der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts können Lücken entstehen, weil die Anwendungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. In solchem Fall sind die Regeln des Art. 75 ZP I anzuwenden. Ähnlich wie der gemeinsame Art. 3 der Genfer Konventionen von 1949 bietet Art. 75 ZP I ein Mindestmaß an Rechten und rechtlichen Garantien. Die Bestimmungen beider Artikel gelten als Teil des Völkergewohnheitsrechts und finden somit in Gebieten des bewaffneten Konflikts auf jeden Fall und unabhängig von der Natur des bewaffneten Konflikts Anwendung. Als Völkergewohnheitsrecht sind die Bestimmungen des Art. 75 ZP I verbindlich für alle Staaten der Welt einschließlich der Staaten, die das Protokoll nicht ratifiziert haben. Im Fall der parallelen Anwendung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts setzen sich die relevanten Garantien des Systems durch, das mehr Schutz in der Situation bietet. Als ein grundlegendes Menschenrecht findet das Recht auf Meinungsäußerungs-, Informations- und Pressefreiheit seinen Platz in mehreren Menschenrechtskonventionen, Erklärungen und Resolutionen auf internationaler und regionaler Ebene. Individuen wie Kriegskorrespondenten sind befugt, ihre Rechte gemäß den Menschenrechtskonventionen, welche das Recht auf Individualbeschwerde gewähren, vor internationalen Instanzen geltend zu machen. In diesem Zusammenhang sind die EMRK und ihr Gerichtshof ein vorbildliches Modell. Auf der Durchsetzungsebene genießt der EGMR, insbesondere infolge der Änderungen, die das 11. Zusatzprotokoll zur EMRK eingeführt hat, im Vergleich mit anderen Durchsetzungsinstrumentarien wie dem UN-Menschenrechtsausschuss oder dem Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte stärkere Befugnisse, die seine Überwachung der Anwendung der in der Konvention enthaltenen individuellen Rechte effektiver macht. Auf regionaler Ebene und gerade in der arabischen Welt, wo mehrere Kriege und bedrohliche Krisen ablaufen, besteht immer noch ein großer Mangel an Schutz der Pressefreiheit und der Journalisten wegen des Fehlens geeigneter Schutznormen und Überwachungsinstrumentarien. Die überarbeitete Version der Arabischen Charta der Menschenrechte von 2004 stellt jedenfalls eine positive Entwicklung dar. Die Individualbeschwerde ist aber in der Charta bislang nicht vorgesehen. Ein arabischer Gerichtshof für Menschenrechte ist auch nicht vorgesehen. Die Menschenrechtskonventionen und die Regeln des Völkerrechts sprechen den Individuen viele Rechte zu. Unter diesen Rechten besteht aber bislang kein Recht auf Einreise in ein fremdes Land. Die Rechtsstellung der Kriegskorrespondenten im Völkerrecht bezüglich der Einreise und des Aufenthalts im Ausland unterscheidet sich nicht sehr von der Rechtsstellung anderer Individuen. Für Kriegskorrespondenten ergibt sich das Recht auf Bewegungsfreiheit auch aus den Bestimmungen der Menschenrechte über Presse- und Informationsfreiheit. Es kann aber bestimmten Schranken, die gesetzlich vorgesehen sind, unterworfen sein. Als ein gutes Beispiel für die Bemühungen internationaler Organisationen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Journalisten, welche ihre Arbeit im Ausland ausüben, gelten die Bemühungen der KSZE/OSZE in den siebziger und achtziger Jahren des zwan-

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zigsten Jahrhunderts. Ihre Akte in dieser Periode enthalten Vereinbarungen und Empfehlungen über die Erleichterung der Arbeitsbedingungen von ausländischen Journalisten bezüglich Visumserteilung, Aufenthalt, Ausweisung und Zugang zu Informationsquellen. Journalisten haben nach den Regeln des Völkerrechts nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Die Ausübung der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit ist mit Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Bei bewaffneten Konflikten bestehen besondere Sorgfaltspflichten, insbesondere wenn Ansichten veröffentlicht werden sollen, die Aufrufe zum Hass oder zur Gewalt enthalten. Die Kriegskorrespondenten sind grundsätzlich verpflichtet, die Wahrheit ihrer Informationen zu überprüfen. Ein Kriegskorrespondent, der den Aggressionskrieg propagiert oder nationalen, rassischen oder religiösen Hass verbreitet, kann sich z. B. auf die in Art. 19 IPBPR, Art. 19 AEMR oder Art. 10 EMRK verbürgte Presse- und Informationsfreiheit nicht berufen. Nach völkerrechtlichen Regeln wie z. B. Art. 20 IPBPR, Art. 4 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, Art. 3 (c) der Völkermordkonvention und Art. 2 (3) (f) des „Draft Code“ von 1996 verpflichten sich die Staaten, Gesetze zu erlassen, um bestimmte Äußerungen wie Kriegspropaganda, Aufhetzen zu religiösem Hass, Rassendiskriminierung und Gewalttätigkeiten sowie unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord zu verbieten. Anhand der Fälle Fritzsche, Streicher, Faurisson, Jersild, Zana und „Media Trial“, die als Beispiele von der Rechtsprechung des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg, des UN-Menschenrechtsausschusses, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda angeführt wurden, versuchte die internationale Rechtsprechung durch Anwendung und Auslegung von relevanten völkerrechtlichen Regeln, Grenzen der völkerrechtlich erlaubten Äußerung aufzustellen und zu verdeutlichen, wann ein Eingriff in das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt ist. Die Fälle zeigen, welche Äußerungen als verbotene Kriegspropaganda oder Hassrede gelten, die Kriegskorrespondenten vermeiden oder von denen sie sich distanzieren müssen, und welche als erlaubte Kriegspropaganda gelten. Nicht jede Form der Hassrede gilt als Verbrechen im Völkerrecht. Die einzige Hassredeform, die ohne Bedenken als Verbrechen im Völkerrecht gilt und auch als solches zum Völkergewohnheitsrecht gehört, ist die unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord. Das Völkerrecht enthält keine ausdrücklichen Regeln über eine Privilegierung der Journalisten bezüglich der Zeugnispflicht vor einem internationalen Gerichtshof, wie es z. B. bei den Vertretern des IKRK vor dem Internationalen Strafgerichtshof der Fall ist. Das zeigt eine weitere Lücke bezüglich der Schutznormen der Kriegskorrespondenten im Völkerrecht. Im Fall Talic´ hat die ICTY-Appeals Chamber ein qualifiziertes Vorrecht für Kriegskorrespondenten in Bezug auf ihre Aussagen vor dem Gerichtshof betreffend Informationen, die sie im Zuge ihrer Berichterstattung gesammelt haben, anerkannt. Für diesen Zweck stellte der ICTY einen Doppeltest auf. Nach diesem Test soll der Gerichtshof zwei Fragen im Vorfeld prüfen, bevor er

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die Aussage eines Kriegskorrespondenten vor dem Gerichtshof anordnet. Erstens, der Beweis muss einen unmittelbaren und bedeutenden Wert zur Entscheidung über eine wesentliche Frage im konkreten Fall haben. Zweitens, der Beweis kann nicht angemessen durch eine andere Quelle erlangt werden. Nach diesem Test können die Kriegskorrespondenten vor dem Gerichtshof freiwillig aussagen. Die Anwendung des Tests erfolgt unabhängig davon, ob der Kriegskorrespondent seine Informationen oder Quellen bereits veröffentlicht hat oder nicht. Somit berücksichtigt der Test insoweit die verschiedenen widerstreitenden Interessen. Die Entscheidung der ICTYAppeals Chamber stellt einen Präzedenzfall dar, von dem die Rechtsprechung des ICTY und ICTR nicht leicht abweichen kann. Die Entscheidung schafft auch einen Präzedenzfall für die Rechtsprechung des ICC. Man hofft, dass der ICC unter Berücksichtigung des großen öffentlichen Interesses einschließlich des Interesses der internationalen Strafjustiz selbst an der Arbeit der Kriegskorrespondenten dem Test der ICTY-Appeals Chamber folgen wird. Nachdem die Unzulänglichkeit der völkerrechtlichen Normen über die Kriegskorrespondenten und ihr Schutzsystem an verschiedenen Stellen im Rahmen der Forschung festgestellt wurden, versucht die Arbeit anhand einiger Ansätze, normative Lücken im Schutzsystem der Kriegskorrespondenten zu schließen. Der Abschluss einer Sonderkonvention über Journalisten hat sich als ein sehr komplizierter und zeitraubender Prozess erwiesen. Eine Sonderkonvention über Journalisten würde auch viele Pflichten mit sich bringen. In Frage kommt deswegen die Möglichkeit des Hinzufügens von einem oder zwei Absätzen zu Art. 79 ZP I, die den besonderen Schutz der Kriegskorrespondenten eindeutig hervorheben. Die strenge Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts über den Schutz der Zivilpersonen einschließlich der Journalisten und die Ahndung vorsätzlicher Angriffe auf sie bieten jedenfalls die effektivsten und geeignetsten Methoden zur Gewährleistung eines besseren Schutzes für Kriegskorrespondenten. Das erfordert die Effektivierung der Anwendung der bereits existierenden relevanten Regeln des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Die Anerkennung des Rechts des Individuums einschließlich der Kriegskorrespondenten auf Erhebung einer unmittelbaren Klage im Fall der Verletzung seiner Rechte gemäß den Regeln des humanitären Völkerrechts, um beispielsweise Schadenersatz zu beantragen, trägt zur Verbesserung des Schutzsystems der Kriegskorrespondenten bei. Die Einrichtung des ICC sowie die Anwendung des Prinzips der universellen Jurisdiktion tragen – auch wenn sie keinen besonderen Schutz für Kriegskorrespondenten bieten – ohne Zweifel durch Ahndung von Kriegsverbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen zur Verbesserung des Schutzes der Zivilpersonen einschließlich der Kriegskorrespondenten während der Kriegszeiten bei. Vielversprechend ist auch die parallele und kumulative Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Das Heranziehen der Durchsetzungsinstrumentarien der Menschenrechtskonventionen zur Beobachtung der Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts, deren Verletzung aufgrund der parallelen Anwendung beider Rechtssysteme auch als eine Verletzung der

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Regeln der Menschenrechte gilt, trägt zur Verbesserung des Schutzsystems der Kriegskorrespondenten bei. Auch die Berufsorganisationen der Journalisten tragen z. B. durch die Durchführung von Studien, Schulung von Journalisten und Vorschläge zum Journalistenschutz dazu bei, die Arbeitsbedingungen der Kriegskorrespondenten zu erleichtern und die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf die Probleme der Kriegskorrespondenten und der Verbesserung ihres Schutzsystems zu lenken.

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Kordic´ : ICTY, Urteil vom 26. Februar 2001 im Fall Kordic´ (TC), Case No. It-95-14-2, abrufbar über die Webseite des ICTY unter: http://www.icty.org/x/cases/kordic_cerkez/tjug/en/kortj010226e.pdf, abgerufen am 20.05. 2012. Kupreskic´ : ICTY, Entscheidung vom 14. Januar 2000 im Fall Kupreskic´ (TC), Case No. IT-9516-T, abrufbar über die Webseite des ICTYunter: http://www.icty.org/x/cases/kupreskic/tjug/ en/kup-tj000114e.pdf, abgerufen am 06.05. 2012. Tadic´ : ICTY, Beschluss vom 2. Oktober 1995 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1-AR72, „Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction“, International Legal Materials, Vol. 35, 1996, S. 35 – 76. – ICTY, Urteil vom 15. Juli 1999 im Fall Tadic´ (AC), Case No. IT-94-1A, in: International Legal Materials, Vol. 38, 1999, S. 1518 – 1623. Talic´ : ICTY, Beschluss vom 7. Juni 2002, Prosecutor v. Radoslav Brdjanin and Momir Talic´ (TC), Case No. IT-99-36, Decision on Motion to Set Aside Confidential Subpoena to Give Evidence, abrufbar über die Webseite des ICTY unter: http://www.icty.org/x/cases/brdanin/ tdec/en/t020612.htm, abgerufen am 05.05. 2012. – ICTY, Beschluss vom 11. Dezember 2002, Prosecutor v. Radoslav Brdjanin and Momir Talic´ (AC), Case No. IT-99-36-AR73.9, Decision on Interlocutory Appeal, abrufbar über die Webseite des ICTY unter: http://www.icty.org/x/cases/brdanin/acdec/en/randall021211.htm, abgerufen am 05.05. 2012. – ICTY, Beschluss vom 30. Juni 2003 im Fall Talic´ (TC), Case No. IT-99-36, Decision on Prosecution’s Second Request for a Subpoena of Jonathan Randal, abrufbar über die Webseite des ICTY unter: http://www.icty.org/x/cases/brdanin/tdec/en/030630.htm, abgerufen am 05.05. 2012. 4. Ruanda-Strafgerichtshof Akayesu: ICTR, Urteil vom 2. September 1998 im Fall Akayesu (TC), Case No. ICTR-96-4-T, abrufbar über die Webseite des ICTR unter: http://www.unictr.org/Portals/0/Case/English/ Akayesu/judgement/akay001.pdf, abgerufen am 20.05. 2012. Nahimana: ICTR, Urteil vom 3. Dezember 2003 im Fall Nahimana (TC), Case No. ICTR-9952-T, abrufbar über die Webseite des ICTR unter: www.ICTR.Org, abgerufen am 20.05. 2012. – ICTR, Urteil vom 28. November 2007 im Fall Nahimana (AC), Case No. ICTR-99-52-A, abrufbar über die Webseite des ICTR unter: http://www.unictr.org/Portals/0/Case/English/ Nahimana/decisions/071128_judgement.pdf, abgerufen am 20.05. 2012. 5. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Al-Saadoon und Mufdhi: EGMR, Beschluss vom 30. Juni 2009 im Fall Al-Saadoon und Mufdhi gegen Vereinigtes Königreich, Aktenzeichen Nr. 61498/08, abrufbar unter: http://cmiskp. echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=852086&portal=hbkm&sour ce=externalbydocnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA3986, abgerufen am 12.05. 2012. – EGMR, Urteil vom 02. März 2010 im Fall Al-Saadoon und Mufdhi gegen Vereinigtes Königreich, Aktenzeichen Nr. 61498/08, abrufbar über: http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/se arch.asp?sessionid=30479342&skin=hudoc-en, abgerufen am 12.05. 2012.

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Voskuil: EGMR, Urteil vom 22. November 2007 im Fall Voskuil/Niederlande, Aktenzeichen Nr. 64752/01, Neue Juristische Wochenschrift, 61. Jahrgang, 2008, S. 2563 – 2565; auch abrufbar über: http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/search.asp?sessionid=30479342&skin=hu doc-en, abgerufen am 15.05. 2012. Zana: EGMR, Urteil vom 25. November 1997 im Fall Zana gegen die Türkei, Aktenzeichen Nr. 69/1996/688/880, European Human Rights Reports, Vol. 27, 1999, S. 667 – 691. 6. Inter-Amerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte Urteil des Inter-Amerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26. November 2002 im Fall Las Palmeras v. Colombia, No. 96 (2000), abrufbar unter: http://www1.umn.edu/human rts/iachr/C/96-ing.html, abgerufen am 18.05. 2012. II. Nationale Gerichte 1. Deutschland Ansprüche italienischer Militärinternierter wegen Zwangsarbeit: BVerfG-Beschluss vom 28.06. 2004 über Ansprüche italienischer Militärinternierter wegen Zwangsarbeit, Neue Juristische Wochenschrift, 57. Jahrgang, 2004, S. 3257 – 3258. „die Brücke von Varvarin“: Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 28.7. 2005 im Fall „die Brücke von Varvarin“, Neue Juristische Wochenschrift, 58. Jahrgang, 2005, S. 2860 – 2865. – Beschluss des Landgerichts Bonn vom 10.12. 2003 im Fall „die Brücke von Varvarin“, Neue Juristische Wochenschrift, 57. Jahrgang, 2004, S. 525 – 526. Distomo: BVerfG-Beschluss vom 15.2. 2006 im Fall Distomo, Die Öffentliche Verwaltung, 59. Jahrgang, 2006, S. 516 – 518. 2. Israel „Targeted Killing“: Urteil des israelischen High Court of Justice vom 14. Dezember 2006 über „Targeted Killing“, abrufbar unter: http://elyon1.court.gov.il/Files_ENG/02/690/007/a34/ 02007690.a34.HTM, abgerufen am 10.05. 2012. 3. Vereinigte Staaten von Amerika Brandenburg: US-Supreme Court, Urteil vom 9. Juni 1969 im Fall Brandenburg v. Ohio, Supreme Court Reporter, 394 – 395 U.S., 1969. Branzburg: US-Supreme Court, Urteil vom 29. Juni 1972 im Fall Branzburg v. Hayes, United States Reports, Vol. 408 U.S., 1972. Dennis: US-Supreme Court, Urteil vom 4. Juni 1951 im Fall Dennis v. United States, Supreme Court Reporter, 340 – 341 U.S., 1950. Ex parte Quirin: US-Supreme Court, Urteil vom 31. Juli 1942 im Fall Ex parte Quirin, United States Supreme Court Reports, 317 – 319 U.S., 1942. Filartiga: US-Court of Appeals for the Second Circuit, Urteil vom 30. Juni 1980 im Fall „Filartiga v. Pena-Irala“, abgedruckt in: Janis, Mark/Noyes, John, Cases and Commentary on International Law, Third Edition, Thomson/West 2006. Hamdan: US-Supreme Court, Urteil vom 29. Juni 2006 im Fall Hamdan, Supreme Court Reporter, Interim Edition, Vol. 126B, 2005.

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Entscheidungsverzeichnis

Hamdi: US-Supreme Court, Urteil vom 28. Juni 2004 im Fall Hamdi, Supreme Court Reporter, Vol. 124B, 2004. Leo Handel: Urteil des US District Court for the Central District of California vom 31. Januar 1985 im Fall Leo Handel, abgedruckt in: Sassoli/Bouvier, How does Law Protect in War, Geneva 1999. Rasul: US-Supreme Court, Urteil vom 28. Juni 2004 im Fall Rasul, Supreme Court Reporter, Vol. 124B, 2004. Schenck: US-Supreme Court, Urteil vom 3. März 1919 im Fall Schenck v. United States, United States Supreme Court Reports, 248 – 250 U.S., 1919. Sosa: US-Supreme Court, Urteil vom 29. Juni 2004 im Fall Sosa, Supreme Court Reporter, Vol. 124B, 2004. Terminiello: US-Supreme Court, Urteil vom 16. Mai 1949 im Fall Terminiello v. Chicago, Supreme Court Reporter, 335 – 338 U.S., 1949. „The Paquete Habana“: US-Supreme Court, Urteil vom 8. Januar 1900 im Fall „The Paquete Habana“, United States Supreme Court Reports, 175 – 178 U. S., 1900. Virginia: US-Supreme Court, Urteil vom 7. April 2003 im Fall Virginia v. Black, Supreme Court Reporter, Vol. 123 A, 2002.

Stichwortverzeichnis Abu-Gharieb 18 AEMR 122 Afghanistankrieg 73 Agnew 24 Ägypten 25, 26 Akkreditierung 5, 33, 34, 36, 46, 155, 159 Al Jazeera 35, 93 Al-Jazeera-TV 73 Al-Qaida 73 Al-Saadoon und Mufdhi 116 Atomwaffen 101 Ausschuss für Menschenrechte 128 Ausweiskarte 44, 45, 46, 58, 67 Bagdad 7, 35, 37, 83, 84, 93, 249 Bankovic’ 113 – 116, 118, 291 Barak 80 Belgrader TV-Gebäud 83 Bildberichterstattung 11, 193 – 197, 241 Brandenburg v. Ohio 216, 217, 282, 293 Branzburg 181, 182, 293 Britannien 40 Buren- Krieg 25 BVerfG 14, 257, 258, 293 Cäsar 22 Churchill 23 Clarke 26 clear and present danger 215 – 217, 240, 242 CNN 26 Committee to Protect Journalists 20, 31, 74, 84, 94, 249, 266 Darfur 261 Delalic’ 79, 80, 82, 289 Delane 23 Der Stürmer 220,–222, 237 Derogationsrecht 100, 102 Dunant 41, 276, 279

EGMR 183 Eisenhower 17 Elliott 24 Embedded Journalist 5, 34, 35 Emblem 6, 49, 58, 59, 245, 247 EMRK 144 Europäische Union 156 Europarat 9, 34, 144, 154, 184, 241 Ex parte Quirin 70, 71, 76, 77, 293 Fenton 24 Final Record 79 Finnland 50 First Amendment 181, 182, 214, 215, 274, 282 Flavius 22 Folterverbot 132 Frankreich 23, 24, 40, 50, 52, 122, 134, 146, 147, 150, 151, 202, 206, 223, 291 freelance journalists 29 Fritzsche 219 Gazastreifen 83 Genfer Konvention von 1864 41 George Bushs 18 Godkin 23 Goebbels 17, 276 Goodwin 149, 182, 183, 187, 291 Grundsatz der Vertraulichkeit 155, 180, 181 Guantánamo 73, 80, 101 Haager Konvention 28, 43, 44, 84, 85 Hamas 83 Hamdan 76, 80, 81, 286, 294 Hasspropagandaverbreiter 228 Hassrede 200 Heimatfront 25 Hemingway 24 HLKO 6, 14, 28, 39, 41 – 45, 69 – 71, 75, 81, 83, 96, 100, 254 – 259, 267

296 Hotel Palästina Hutus 230

Stichwortverzeichnis 7, 84, 93, 94, 96, 249

ICC 191, 262 ICTR 228 ICTY 29, 61, 62, 80, 187 ICTY-Maßstab 191 Identitätsausweis 45, 50 IGH 14, 66, 82, 101, 108, 109, 113, 176, 253, 283, 289 IKRK 15, 46, 56, 60, 72, 77, 79, 81, 85, 86, 90, 92, 95, 97, 110, 155, 191, 193, 196, 244 – 247, 252 – 256, 271 Individualbeschwerde 128 Informationsfreiheit 124, 131, 148 Inter-Amerikanische Kommission 101, 108, 111 International Federation of Journalists 266 International News Safety Institute 266 IPBPR 126 Irak-Krieg 18, 30, 34, 35, 93 Iran 50, 87 Islam 40 Israel 25, 26, 83, 87, 100, 110, 112, 206, 257, 276, 278, 293 ius cogens 200 Jersild 12, 148, 150, 225, 226, 236, 271, 291 Johnson 197 Jordanien 25 Juden 22, 203, 219 – 222, 243, 257 Jugoslawien 18, 29, 67, 89, 137, 185, 186, 199, 206, 289 Juristenkommission 48 Kabul 84, 249 Kanada 52, 134 Kangura 228 – 233, 235, 238 Kollateralschäden 87, 91, 98, 118 Kombattanten 75 Kosovo-Krieg 83 Kriegsgefangenenstatus 67 Kriegskorrespondenten und Sorgfaltspflicht 150 Kriegspropaganda 200 Krim 23 KSZE/OSZE 157

Kupreskic 86, 88, 290, 291 Kuwait 37 Leserbriefe 236 Libyen 83 Loizidou 114 MacBride 9, 48, 137, 140, 141, 179, 287 Magna Charta 122, 144 Martenssche Klausel 100 Maryland 27 Media Trial 227 Meinungsäußerungsfreiheit 123, 147 Meinungsfreiheit 109, 123, 130 Militärische Objekte 84 military manuals 61 Mogadischu 18 Montecatini-Entwurf 6, 48, 50 Nahimana 66, 197, 211, 227 – 230, 232 – 239, 243, 290 Napoleon 22 NATO 89 NATO-Angriff 7, 83, 89, 93, 118 Nazi-Regime 197 Nicklin 24 Nigeria 57 Nixon 25 North Carolina 27 Nürnberg 218 Öcalan 116 öffentliche Neugier 194 Österreich 23, 50, 147, 149, 151, 152, 154, 291, 292 Oxford-Manual 43 Oxford-Manuals 28 Palästina 94 Panama 120 Pennsylvania 27 Pentagon 26, 197 Perfidieverbot 7, 39, 81 Pictet 41, 45, 72, 284 Pressefreiheit 109, 123, 148 Radio 25 Radio-Station

83, 230

Stichwortverzeichnis Randal 10, 186 – 191, 290 Rassendiskriminierung 210 Refoulement-Verbot 168 Religion 58 Reporters without Borders 265 Roger 24, 276 Rogers 83 – 88, 90, 97, 98, 193, 196, 284 RTLM 15, 91, 93, 98, 197, 228 – 235, 238, 269 RTS 7, 89 – 93, 114, 118 Ruanda 12, 62, 66, 91, 93, 98, 191, 197, 211, 213, 227 – 229, 232, 243, 269, 271, 290 Rumsfeld 26, 76, 258, 286 Rundfunkfreiheit 132 Russell 22 – 24, 30, 38, 285 Saboteure 72, 73 Saddam Hussein 18, 83 safe conduct card 50 Sami Al-Haj 73, 76 Schadenersatz 47, 254 Schuman 49 Scoop 31, 32, 150 Somalia 18, 63 Sorgfaltspflichten 134 Spionage 69 Spione 27, 33, 43, 66, 69 – 73, 79, 198, 248 Staatenbeschwerde 128 Streicher 220 Südafrika 25 Sudan 23 Südlibanon 112 Syrien 25, 26 Tablada 108, 111, 288 Tadic’ 41, 62, 63, 67, 82, 104 – 106, 201, 290 Talic’ 10, 29, 61, 185, 186, 188, 190, 192, 199, 241, 247, 271, 290 Targeted Killing 78, 80, 101, 280, 293

297

Teheran 100 Telegraphentechnik 24 Times 23 Türkei 12, 50, 107, 113 – 118, 133, 147, 149 – 153, 225, 227, 236, 237, 291 – 293 Tutsis 231 TV-Sender Al- Aqsa 83 Tyrer 117 UNESCO 9, 15, 119, 135 – 140, 142 – 144, 158, 178, 179, 198, 244, 275, 277, 279, 280, 284, 287 UNESCO-Mediendeklaration 138 UN-Generalsekretär 49, 107, 259 UN-Generalversammlung 49, 51 – 53, 59, 60, 126, 198, 204, 205, 211, 245, 260, 261 unlawful combatant 73 UN-Sicherheitsrat 18, 63, 65, 191 Uruguay 50, 57 USA 35, 36, 52, 58, 217, 218, 240 US-Streitkräfte 95 Vatikan 58 Verlust des Schutzstatus Vietnamkrieg 25 Völkermord 211

69

Waleed Saadi 7, 64 war effort 25 Washington Post 186 Westeuropa 36 Yom-Kippur

26

Zensur 31, 37, 89, 132, 133, 142, 148, 205, 214, 237, 277 Zeugnisverweigerungsrecht 180 Zivilisten 77 Zurschaustellung von Kriegsgefangenen 11, 193 Zypern 26, 113, 114