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German Pages 160 Year 2015
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1291
Die Prognose im Staatsrecht Zukunft in Vergegenwärtigung
Von
Walter Leisner
Duncker & Humblot · Berlin
WALTER LEISNER
Die Prognose im Staatsrecht
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1291
Die Prognose im Staatsrecht Zukunft in Vergegenwärtigung
Von
Walter Leisner
Duncker & Humblot · Berlin
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Vorwort Vor kurzem hat der Verfasser bereits einen rechtlichen Blick in die Zukunft versucht*, auf dem Weg über die Vergangenheit. Nun soll „das Zukünftige als solches“ Gegenstand staatsrechtlicher Betrachtung sein, aus einer anderen Perspektive: Zukunft in Vergegenwärtigung, also bereits „als eine Gegenwart“. So sieht sie das Recht, so kann es sie nur sehen; dieser Nachweis soll hier erbracht werden, in Betrachtungen, welche von der Allgemeinen Rechtslehre über die Allgemeine Staatslehre zum geltenden Staatsrecht fortschreiten. Überall dort soll Versuchen einer „Erkenntnis der Zukunft“ im Recht nachgegangen werden, bis hin zu der Zentralfrage: „Findet im Recht Gestaltung der Zukunft statt“, ist die Zukunft für das Recht nicht nur Betrachtungs-, sondern als solche Regelungsgegenstand? Grundthese und Ergebnis sind: Das Recht, das Staatsrecht als sein noch immer wichtigster Halt, kennen die Zukunft nur als Gegenwart in ihrem Entscheidungswillen. Eine „Gestaltung der Zukunft als solcher“ widerspricht gegenwärtigen Rechtsvorstellungen, auf all deren grundsätzlichen Stufen. Die Rechtsgeltung wirkt eben wesentlich in der Gegenwart ihrer Setzung und jeweiligen Anwendung. Zukunftswirkung des Rechts ist insbesondere auch keine Geltungsform des Staatsrechts. Dieses kennt Prognose nur als Vorbereitung des Erlasses und der Anwendung rechtlicher Regelungen, um darin deren bestimmte und damit bestimmende Wirkung rechtsstaatlich zu gewährleisten. Staatsrecht sichert Freiheit, damit Marktwirtschaft in deren stets gegenwärtiger Wirksamkeit. Ein „Rechtsprognosestaat“ darf nicht zum Planungsstaat werden. Dennoch, gerade deshalb, ist Prognose als Rechtserkenntnis in Gegenwart, in Vergegenwärtigung, ein wichtiger staatsrechtlicher Betrachtungsgegenstand. Rechtswissenschaft kann sich hier in erkenntnismäßiger Bescheidenheit üben: Sie ordnet Erfassbares, sie prophezeit nicht mit Blick auf eine Zukunft, die mit jedem naturwissenschaftlich-technisch-ökonomischen Fortschritt täglich noch weniger vorauserkennbar, planbar wird, eben immer noch – unbekannter. Recht ist Wille – in sehr engen Grenzen, in denen ihn menschliche Erkenntnis vorbereiten, damit gestalten kann. 1
München, den 1. Januar 2015 * Tradition
Walter Leisner
und Verfassungsrecht, Vergangenheit als Zukunft, 2013.
Inhaltsverzeichnis Einführung: Prognostische „Zukunftserfassung im Recht“? Problemstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Ergebnis 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 A. Rechtsprognose: Probleme und Vorgaben der Allgemeinen Rechtslehre . 17 I. Begriff – Gegenstand – Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Prognose als Ordnungs-Gegenstand des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Prognosefestlegung als Folgenabschätzung nach rechtlicher „Effizienz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. Rechtliche Kriterien einer möglichen / notwendigen inhaltlichen Wirkung der Rechtsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) Prognose – kein Wahrheitsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 b) Prognose als „Einschätzung einer Wahrscheinlichkeit“? „Hinreichend sichere Vorausschau“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 c) Rechtsprognose-Wirkungen nur in den (verfassungs-)rechtlichen Formen der Rechtsgeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Prognose: Fakten und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. „Fakten i. w. S.“ als wesentlicher Prognosegegenstand . . . . . . . . . . . 25 2. Trennung von Fakten- und Rechtswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Zusammenführung von Fakten- und Rechtsprognose . . . . . . . . . . . . 26 III. Exkurs: Beweis – Recht als „Vergegenwärtigung der Zukunft“ . . . . . . 27 1. Beweisverfahren und Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Beweis: Rechtliche Geltung als „gegenwärtig gewusste Zukunft“ . . 28 Ergebnis 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 IV. Rechts-Methodik als Vergegenwärtigung der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Begriffs-Interessenjurisprudenz: Zukunft als Gegenwart . . . . . . . . . . 29 a) Notwendige Ausgangspunkte der Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Finales Rechtsdenken als Vergegenwärtigung der Zukunft . . . . . 30 c) Prognose: Gleichklang von „Begriffs- und Interessenjurisprudenz“ . 31 2. Induktion – Deduktion: Erfassung des Künftigen? . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Analogie: ebenfalls eine „Vergegenwärtigung der Zukunft“ . . . . . . . 34 Ergebnis 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. „Vergegenwärtigung“ in Geltung: Notwendige Klarheit und Bestimmtheit der Prognose – Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5. Offenheit, Flexibilität des Rechts – Formen prognostischer Zukunftserfassung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
8 Inhaltsverzeichnis 6. Hypothesen – Vorsorge – Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Ergebnis 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 7. Prognose als „Geltung bis auf Weiteres“ – rebus sic stantibus . . . . 43 Ergebnis 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 V. Auslegung als Vergegenwärtigung der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Interpretation als Vergegenwärtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Auslegung als „Vorausschau“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Zukunftsbezüge der subjektiven und objektiven Auslegung . . . . . . . 46 4. Auslegung: Rechtsverständnis in jeweils „zukunftsnaher Gegenwart“ . 48 Ergebnis 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 VI. Rechtspolitik und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Rechtspolitik – Zukunftsorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Prognose und „Politik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Rechtsprognose und Politologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Ergebnis 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 B. Prognose und Allgemeine Staatslehre: Verfassungsrecht als normativer Rahmen insbesondere der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Das Wesen des Verfassungsrechts – Normwirkungen . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Prognose im Licht der klassischen Staats-(Verfassungs-)Theorien der Allgemeinen Staatslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Prognose und „Vertragsstaatlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Recht in Evolution: Nur Gegenwart auch in späterer jeweiliger Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Ergebnis 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Verfassung als höhere Normstufe: Weitere Vorausschau? . . . . . . . . . . . 61 1. Normstufenwirkung in Prognose? – Verfassung als Kontinuität . . . . 61 2. Zeitübergreifende Verfassungswerte – in Zukunft ausgreifendes rechtliches Ordnen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Verfassungsrecht als „weitere Schau von höherer Warte aus“? . . . . 63 4. „Ausstrahlung der Verfassung“ als Prognosewirkung? . . . . . . . . . . . 65 Ergebnis 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 III. „Verfassung als Programm“ und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Programm als „Ankündigung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Von der Verfassung als Programm zum „unmittelbar geltenden Staatsrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Programmatizität – keine prognoserelevante staatsrechtliche Zukunftserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Ergebnis 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IV. Verfassung als „demokratische Staatsgrundlage“ und die Rechtsprognose . 70 1. „Zukunftsorientierung“ der „vordemokratischen“ Staatsformen . . . . 70 2. Insbesondere: Prognose und „Verfassung der Demokratie“ . . . . . . . . 72
Inhaltsverzeichnis9 3. Demokratische Freiheitszentrik – Absage an Voraus-Entscheidung . 74 Ergebnis 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 C. Grundgesetzliche Grundentscheidungen und „Zukunft“ . . . . . . . . . . . . . 77 I. Die verfassungsrechtliche Fragestellung: Zeitliche Normwirkungen aus der Gegenwart in die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Das Wesen des Prognosegehalts des Staatsrechts: Zeitlicher Geltungsrahmen rechtlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Prognose: stets in Gegenwartssicht – „vergegenwärtigend“ . . . . . . . 77 3. Prognose als Bestimmung zeitlicher Geltungsformen gegenwärtiger Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4. Untersuchungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Ergebnis 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Rechtsstaatlichkeit und Rechtsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Rechtsstaatlichkeit als demokratische Grundentscheidung . . . . . . . . . 79 2. Rechtsstaatlichkeit in gegenwärtiger Wirkung – Vertrauensschutz . . 80 3. Rechtsstaatliche Bestimmtheit – Klarheit der Inhaltserkenntnis . . . . 81 4. Sorgfaltspflichten der Prüfung zur Norminhaltserkenntnis in Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5. Allseitigkeit der entscheidungsvorbereitenden Prognoseprüfung . . . . 84 6. „Sorgfaltsaufrufe“ – keine Überspannung von Prognosepflichten . . 85 Ergebnis 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Sozialstaatlichkeit in Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Die Zukunftsdimensionen des „Sozialen Rechtsdenkens“ . . . . . . . . . 87 2. „Soziales“ als „Hilfebemühen“: Prognose und Existenzsicherung in Gegenwärtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Verbindung von Sozial- und Rechtsstaatlichkeit über den Begriff der verfassungsrechtlichen Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4. Versicherungsdenken – Sozialversicherung: Verfassungsvorgaben für eine Prognose als Zukunftserfassung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Ergebnis 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 IV. Föderalismus – Prognoseaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Föderalismus als „staatsrechtlicher Prognoseraum“ . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Föderalismus als Experimentierfeld und Prognoseform . . . . . . . . . . . 93 3. Föderale Subsidiaritäts-Prognose in Normstufenform . . . . . . . . . . . . 94 Ergebnis 15: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen – Prognosegehalt . . . . . . . . . 96 I. Verfassunggebung und Verfassungsänderung – „Verfahren als Zukunftsregelung?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Jederzeitige Änderbarkeit der Normentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Erhöhte Änderungs-Mehrheit: Entscheidungserschwerung, nicht Zukunftsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. „Ewigkeitsentscheidungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Ergebnis 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
10 Inhaltsverzeichnis II. Staatsorganisatorische „Prognosevorgaben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Wahlen als Personal-Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Politische Parteien – organisierte Prognose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Ergebnis 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Teilung der Verfassungsgewalten – „Prognosegehalt“ . . . . . . . . . . . . 107 Ergebnis 18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5. Verfassungsrechtlich bestimmte „Amtszeiten“ und Prognose . . . . . . 110 6. Die beamtlich-richterliche Lebenszeitstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 7. Staatsorganisationsrecht – als solches keine Prognoseregelung . . . . 115 Ergebnis 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 III. Die Grundrechte des Grundgesetzes als Prognosevorgaben . . . . . . . . . . 116 1. Prognose als grundrechtliche Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Die besondere Geltungsqualität der Grundrechte in „vorstaatlichen Wertentscheidungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Grundrechtsgegenstand Freiheit(ssicherung) und Prognose . . . . . . . . 120 4. Grundrechtsänderungen – Grundrechtsergänzungen . . . . . . . . . . . . . . 122 Ergebnis 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5. Zur normsetzenden Wirkungsweise der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . 124 6. Prognostische Ansätze in den Grundrechten Art. 1 bis 7 GG – Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Ergebnis 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 7. Prognose und flächendeckende Einzelgrundrechte: Art. 1 bis 5 GG . 127 Ergebnis 22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 8. Prognose in Ehe, Familie, Erziehung, Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Ergebnis 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 9. Die zentralen wirtschaftlichen Grundrechte (Art. 12, 14 GG) und die Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Ergebnis 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IV. Finanzverfassung und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Eine traditionell besondere „Prognosematerie“: „Weiterfunktio nieren“ der Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Finanzwissenschaft und staatsrechtliche Prognose . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Finanzverfassungsrecht als Vergegenwärtigung „naher“ Zukunft . . . 148 4. Insbesondere: Das Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Ergebnis 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Exkurs: Rechtsprognose und Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Ergebnis 26 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 E. Prognose: „Ausblick auf eine Vorausschau“ … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Ergebnis 27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Sachwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Einführung: Prognostische „Zukunftserfassung im Recht“? Problemstellungen 1. „Quid cras futurum sit fuge quaerere et quem Fors dierum cumque dabit lucro appone“: „Was morgen annaht, meide vorauszuspähen; Und welchen Tag auch gönnet das Loos, empfah ihn als Gewinn“ (Horaz, Oden I, 9, 13–15; Übersetzung von Johann Heinrich Voss, Des Quintus Horatius Flaccus Werke, 1. A., Bd. 1, Heidelberg 1806; vgl. Leisner, W., Staatsferne Privatheit in der Antike. Horaz: In Machtferne das Leben genießen, 2012, S. 95, 97).
Die drei alten Fakultäten pflegten ihre „klassischen Wissenschaften“ alle zugleich in Zukunftsschau – und in Zukunftsblindheit: Die Theologie über den Tod hinweg in die Ewigkeit blickend, in ihr alle Zukünfte überhöhend; die Medizin in Grundlagenschaffung für ein längeres, langes Leben, als Vorbereitung für diese Zukunft; Jurisprudenz schließlich in ihren Normen befehlend, in denen die Gegenwart einer Zukunft Anordnungen gibt, darin in das Kommende auszugreifen versucht, es gestalten will – letztlich aber nur die Zeit stillstehen lässt, die Zukunft als eine „vergegenwärtigte“ aufhebt. Theologie braucht darin ihre Grenzen nicht zu bestimmen: Sie sind, ganz einfach, erreicht, wenn der Letzte aufhört zu glauben. Der Medizin nimmt die Natur die Grenzbestimmung ab, im Einzelfall: Sie verschiebt Schranken, doch sie respektiert sie am Ende. Diese beiden Schranken hat auch das Recht zu achten: Sein „Zukunftsblick“, seine Visionen hören auf, wo der letzte Adressat ihrer Befehle nicht mehr gehorcht – oder stirbt. Jenseits all dieses geistigen Bemühens der Wissenschaften beginnt die „Zukunft – das große Unbekannte“. 2. a) Das rein diesseitsordnende Recht erscheint nun aber, in einer ihm wahrhaft eigen(artig)en Weise, „geöffnet“ zu dieser unbekannten Zukunft. Zu ihr, in sie hinein will es seine ordnende Macht erstrecken, will „das Recht gestalten“ – ein (schlechtes) Wort für: „die Zukunft erfassen“, obwohl es sie vielleicht nur in seiner Gegenwart erreicht, sie im jetzigen Augenblick aufhebt.
12 Einführung
Im Recht erfolgen diese Bemühungen um eine „Prognose“ in verschiedenen Formen und Intensitätsstufen von Anordnungen, die sich aber in Notwendigkeit auseinander ergeben, ja aufbauen. – „Wissen um zukünftige Entwicklungen, Lagen, Umstände, soll sich aus dieser „Vorausschau“ ergeben. All diese Erkenntnisse werden dann, in unterschiedlichem Umfang, gegenwärtigen Entscheidungen „zugrunde gelegt“, bilden deren „Regelungsgegenstände“. Daraus folgt sodann: – Rechtliche Gestaltungen mit deutlicher Gegenwartswirkung beinhalten zugleich (gewisse) Datensetzungen für eine bereits als absehbar unterstellte Zukunft. – Gegenwärtige Gestaltungen sollen bereits für eine, wie immer (vorher-) bestimmte Zukunft gelten, also in einer Form von „Zukunft als Gegenwart“, worin dann gilt: „Gegenwart ist Zukunft“. Das Kommende als solches ist zwar faktisch noch nicht da, für das Recht aber nur insoweit inexistent; für dessen „Geltungswelt“, seinen Geltungswillen ist es bereits voll gegenwärtig vorhanden. Auf welcher dieser Stufen immer heutige Anordnung in die Zukunft hineinwirkt, auf sie, diese dritte, letzte Rechts-Intensität, also auf „Zukunft als Gegenwart“, ist die Ziel-Projektion, der teleologische Geltungsanspruch, ist die Orientierung allen staatlich-rechtlichen Ordnens bezogen. Nur auf eine „Zukunft“ in diesem Sinn, als etwas nicht nur letztlich zu Erreichendes, prinzipiell Erreichbares, sondern als „auf etwas bereits in Recht Erreichtes“ sind jedenfalls alle zeitlich übergreifenden Anordnungen ausgerichtet. In diesem Sinn, aber auch nur in ihm, ist eine „Zukunftsdimension (ein) Wesen(szug) des Rechts als solchen“, für alles Recht gilt grundsätzlich in diesem Sinne: „Es ist erreicht!“. b) Aus diesem Vorverständnis heraus konzentrieren sich die folgenden Gedanken auf Gestaltungen, Zielsetzungen, Entwicklungen der höchsten, der grundsätzlich orientierenden Normstufe, auf die Verfassungs-Ebene. Dies ist hier zu verstehen in einem erweiternden Sinn: In kelsenianischem Denken sind einzubeziehen auch alle heute mit rechtlicher Direktivkraft ausgestalteten Normen, die oberhalb der Verfassungsebene auf diese, in ihrem ordnenden Verständnis, gegenwärtig rechtlich einwirken: von den überstaatlichen Ordnungen bis zum Völkerrecht. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich dennoch im Wesentlichen auf Materien des herkömmlichen Staatsrecht, wie sie auch bereits Gegenstände der Allgemeinen Rechtslehre und der Allgemeinen Staatslehre sind: Die an sich schon in juristischer Präzision schwer fassbaren (möglichen) Bereiche einer „Zukunftswirkung der Gegenwart“ dürfen nicht noch belastet werden durch Probleme von „Ordnungen in fieri“, einer Europäischen oder gar einer Welt-
Einführung13
Gemeinschaft. Dem gegenüber weist das geltende Verfassungsrecht immerhin einen weit deutlicheren, einen bewusst zeitübergreifenden Charakter der Beständigkeit auf. 3. Eine rechtliche Prognose, welche so eine „Zukunft in den Blick nehmen will“, muss dies in drei Perspektiven versuchen: a) Künftige Entwicklungen augenblicks-gegenwärtiger faktischer Lagen muss sie abzuschätzen versuchen, jeweils für einen ihr vorgegebenen oder von ihr bestimmten Zeitraum. Dabei hat sie die jeweilige gegenwärtige Situation grundsätzlich als solche zu Grunde zu legen, auf welche Entwicklungen, auf welche in ihr wirkenden Kräfte die zurückzuführen sein mag. Rechtliche Gestaltungen sind dabei jeweils einzubeziehen. Vergangenes wirkt insoweit (nur) verdeutlichend, aber eben auch in seiner noch gegenwärtigen Mächtigkeit, in der (Un-)Wahrscheinlichkeit seines Fortbestehens. b) Wirkungskräfte anstehender rechtlicher Entscheidungen auf diese faktischen Lagen, im Sinn von deren Erhaltung, Verfestigung oder eben Veränderung, gilt es sodann in den Blick zu nehmen. Von bisher feststellbaren Wirkungen rechtlicher Gestaltungen von der Art, wie sie nun zu treffen, fortzusetzen, zu ändern sein mögen, kann und wird dabei in der Regel auszugehen sein. c) Der gegenwärtige, rechtliche Entscheidungswille der anstehenden (Um-)Gestaltungen ist schließlich ebenfalls im gegenwärtigen, in dem „Prognosezeitpunkt“ festzustellen, in den Dimensionen, die er sich heute selbst ausdrücklich vorgibt: in der Geltung einer Aufrechterhaltung oder Änderung für eine Zeit X – oder weitgehend, ja völlig in ein zeitliches In(de)finitum hinein, juristisch: „In Geltung bis auf Weiteres“. In sehr vielen, wenn nicht in den meisten Fällen wird aus einer solchen zeitlichen Unbestimmtheitsdimension des Gestaltungswillens heraus die rechtliche Entscheidung dann fallen. 4. Grundsätzlich sollten diese drei Operationen der Prognose zwar getrennt ablaufen. Ihre Sichten lassen sich aber im Folgenden nicht durchgehend unterscheiden oder gar klar voneinander abschichten. Sie werden von faktischem insbesondere naturwissenschaftlich-technischem Erkenntnisvermögen überlagert. Geprägt werden sie durchgehend vom jeweiligen Machtdenken, das die politischen Entscheidungen trägt. Mögliches und Wahrscheinliches
14 Einführung
sind deren eigentliche Domänen. Die Abschätzung erfolgt in Erkenntnis, ihre rechtlich bewertende Umsetzung in einem „Willen zur Macht“, mag er sich auch hinter einer intellektualistischen Schau zu verbergen suchen. Die Entscheidungsphasen, vor allem in Gesetzgebung und Administration, spiegeln dies wider: vom Expertenrat bis zur „heißen Entscheidungsphase“. Alles will hier eben immer Prognose sein, Ergebnis von Erkanntem. Doch der Mensch setzt zwar Geist und Herz ein. Er gestaltet aber mit seinem Willen. Für die Zukunft wird entschieden – aber ebenfalls stets heute. 5. Das Problem einer Prognose in dem so umschriebenen Sinn stellt sich bei der Vorbereitung jedes rechtlich relevanten Gestaltungsakts, jeder recht lichen Entscheidung privater oder öffentlicher Rechtsträger. Im Folgenden stehen im Mittelpunkt: Verfahren jeder Art von Gesetzgebung sowie administrativer und judikativer Entscheidungen. Die Grundsatzfragen der Rechtsgeltung sind dabei auf der Ebene des Verfassungsrechts stets die gleichen wie auch auf denen der diesem nachgeordneten niederrangigen Einzelregelungen. Die spezielleren Fragen einer Vorausschau in einzelnen Bereichen des herkömmlichen Gesetzes und allen nachgelagerten Rechts sind jeweils für diese Ordnungsbereiche sodann stets noch näher zu untersuchen, unter Beachtung der dafür geltenden Regelungen; diese haben sich jedoch stets in dem Rahmen zu halten, in welchem die folgende Untersuchung sich bewegt: in dem der für das Recht typischen Wirkungsmacht der Rechtsgeltung, in der diese Entscheidung von heute erfolgt. 6. „Vorausschau“ ist dabei kein spezifisches Rechtsproblem. Wissenschaftsübergreifend stellen sich hier gnoseologische Fragen des menschlichen Erkenntnisvermögens überhaupt. Dies sind Mittelpunkte der Philosophie in ihrer Erkenntnislehre, der Logik bis in alle Formen der Mathematik im „Weiterrechnen in die Zukunft“, und in der Psychologie, bei der Beurteilung der Gewissheit als Überzeugungskraft. All dies muss aber hier ausgeklammert wreden, auf die jeweiligen „technischen“ Bereiche rechtlicher Gestaltungsvorbereitung ist zu verweisen. Das Machtstreben, Gegenstand des Staatsrechts, überlagert hier sogar Erkenntnisse von mathematischer Eindeutigkeit. All diese vielschichtigen Dimensionen menschlichen Bewusstseins müssen allerdings als Hilfen und Hintergründe stets gegenwärtig bleiben, wenn hier in verfassungsrechtlicher Sicht eine Frage gestellt wird, die für jeden Menschen die wichtigste ist in seinem Leben: Nicht „Was ist?“ – „Was wird sein?“
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7. Die folgenden Betrachtungen müssen vor einem allgemeineren Hintergrund gesehen werden; er kann hier als solcher nicht näher behandelt werden, zeigt aber eine generelle Entwicklungstendenz: einen laufenden Verlust an Prognosemöglichkeiten, vielleicht auch bereits Prognosenotwendigkeiten. Ökonomische, wissenschaftlich-technische und kulturelle Kontakte, Verflechtungen, Kooperationen nehmen, in den nationalen, staatsrechtlich geordneten Bereichen wie in den internationalen Beziehungen ständig und rasch zu. Damit ist zwar ein Daten- und Informationsaustausch von gesteigertem Umfang und zunehmender Dichte verbunden, auf diese Weise genauere Erfassung von Erkenntnisgrundlagen auch für rechtliche Prognosebemühungen. Zugleich, und in noch viel weiteren Dimensionen, verstärken sich damit aber Unsicherheiten angesichts unvorhersehbarer Ereignisse. Diese erschweren mögliche Prognosen sowohl unabsehbar in punktueller Vielfalt, wie auch in daraus sich ergebenden oder gar in globalen Großveränderungen, welche alle bisherigen, ja stets auch gegenwärtigen, Prognosegrundlagen verschieben können. Immer mehr aktuelle Lagebilder werden geboten, in filmmäßig (ab)laufender Gegenwärtigkeit, immer weniger lässt sich darin ein als solches eben noch nicht feststellbares Morgen auch nur erahnen. „Die Zukunft“ stimmt darin bereits gewissermaßen in stets noch rascherer und übermächtigerer Gegenwartsveränderung ein auf jenes Heute, in welchem das Recht zu setzen und anzuwenden ist, ja sie beginnt bereits in ihm. Dieses Recht aber ist kein Film. Generelle Globalvergegenwärtigung ist dann vielleicht eine Folge dieses Fort-Schritts, in dem immer nur der jeweilige letzte Eindruck der Schritte erfassbar ist, nicht mehr ein „Fort“Laufen oder gar entferntere Stadien desselben. Insgesamt ist also in der Gegenwart von einem ständig zunehmenden allgemein-globalen „Verlust an Prognose überhaupt“ auszugehen, jedenfalls von einer sich verstärkenden Spezialisierung von Einzelgegenständen und -methoden einer möglichen rechtlichen Vorausschau. Dies lässt dann die im Folgenden darzustellenden Schwierigkeiten, wenn nicht gar Unmöglichkeiten einer „Rechtsprognose als solcher“, als „Erfassung und Regelung einer Zukunft im Recht“ erträglicher, vielleicht gar systemkonform erscheinen, im Sinne von größeren Zusammenhängen systematischen oder gar wissenschaftlichen Denkens; in ihm scheint immer mehr Prognose möglich, aber immer unklarer in ihrer Gegenwärtigkeit. Ergebnis 1 a) Zukunftsschau zur Zukunftserfassung, ja „Zukunftsregelung in Gestaltung des Künftigen“, versucht jede Wissenschaft, in ihrem fundamentalen Erkenntnisstreben. Das Recht bewegt sich dabei in seinem ihm wesentlichen
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Rahmen der „Geltung“, in Vorbereitung von deren Anspruch für Gegenwart wie entscheidungsbestimmte Zukunft. Es setzt hier seine typischen Methoden der Allgemeinen Rechts- und Staatslehre ein, mit Bezug vor allem auf Regelungsgegenstände des Verfassungsrechts. Insoweit ist dieses im Folgenden grundsätzlich, aber auch in seinen wichtigsten normativen Einzel-Vorgaben für eine etwa mögliche „Rechtsprognose“ zu untersuchen. b) Dabei sind stets faktische Entwicklungen des jeweiligen Regelungsbereichs, der rechtlichen Einflussnahmen auf diesen sowie der Konstanz eines derartigen Regelungswillens zu betrachten. Diese Fragestellungen liegen allerdings rechtspraktisch weithin im Gemenge. c) Die Untersuchung muss sich vor allem darauf richten, ob ein intellektuelles „Vorauserkennen als Regelung“ im Recht überhaupt möglich, ob nicht nur ein bestimmender Entscheidungswillen dessen Gegenstand ist. Dann könnte Rechtsprognose sich als eine „Vergegenwärtigung der Zukunft“ darstellen; der präsente Geltungswille wäre auf seine „für eine Zukunft gewollten Inhalte“ hin zu bestimmen. Darin könnte Rechtsprognose gewisse „Vorgaben für die zukunftswirksamen Regelungswirkungen gegenwärtiger Entscheidungen“ bieten, Elemente rechtlichen Voraus-Wollens im Recht, allerdings nicht einer regelnden „Zukunftserkenntnis im Recht“. d) Zur Zeit ist ein „steigender und laufender Verlust von rechtlichen Prognose(möglichkeiten)“ festzustellen. Rascher technisch-naturwissenschaftlicher Fortschritt, immer stärkere wirtschaftliche Verflechtungen erschweren zunehmend entscheidungsvorbereitende Vorausschau.
A. Rechtsprognose: Probleme und Vorgaben der Allgemeinen Rechtslehre I. Begriff – Gegenstand – Fragestellungen 1. Prognose als Ordnungs-Gegenstand des Rechts a) „Prognose“ ist als solche rechtlich nicht definiert, insbesondere nicht dort, wo sie eine solche Begriffsbestimmung finden müsste – in der Verfassung. Nach der allgemeinen Wortbedeutung ist Prognose „Vorauserkenntnis“, eine rechtliche Vorausschau nicht nur in die, sondern der Zukunft. Da Recht aber Geltung bedeutet, sich mit dieser allein wesentlich beschäftigt, in welcher Form und Intensität auch immer, beinhaltet Rechtsgeltung stets die Annahme einer Wirksamkeit der betreffenden Bestimmung in „der“, also in einer gewissen Zukunft. Deren Entfernung von der Setzungs-Gegenwart der Geltung, also die jeweilige „Zukunftsprojektion der Rechtsgeltung“, kann als solche nur allenfalls in Zeiteinheiten ab dem Ausgangspunkt der Gegenwarts-Geltung gemessen werden: Diese „Zukunft als solche“ beginnt dann mit der kleinsten Abstands-Zeiteinheit und endet – grundsätzlich – in der Unendlichkeit, als „Geltung für alle Zukunft“1, wird sie nicht in einem bestimmten neuen Geltungs-Zeitpunkt in rechtlicher Abänderung neu bestimmt. b) Dieser Begriff der Zukunft wird im Staatsrecht bisher ausdrücklich angesprochen, aber nicht näher bestimmt, in der „Verantwortung für die künftigen Generationen“ (Art. 20a GG)2. Allgemein steht damit die „Nachhaltigkeit“ im Mittelpunkt des gesamten Umwelt(schutz)rechts, welches ja wesentlich „Recht in, ja der Vorausschau“ sein will. In einer uferlosen Literatur behandelt findet sich hier die bedeutendste „Prognosematerie der Gegenwart“, neben dem Technik-Risiko- und dem Versicherungsrecht. „In 1 Beispiel: die „Ewigkeitsentscheidung“ in Art. 79 Abs. 3 GG; vgl. dazu Hain, K.-E., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 79 Rn. 31 ff., zum Problem der rechtlichen Unmöglichkeit einer entsprechenden Relativierung vgl. m. Nachw. Rn. 33. 2 s. allg. Appel, I., Staatliche Umwelt- und Entwicklungsvorsorge, 2005, S. 282 ff.; v. Bubnoff, A., Der Schatz der künftigen Generationen im deutschen Umweltrecht, 2001, S. 31 ff.; sowie auch Epiney, A., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20 a Rn. 30 f.
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A. Rechtsprognose
die Zukunft zu schauen“ versucht wesentlich auch das gesamte private und öffentliche Vertragsrecht, in seinen Rechtsgestaltungen mit Blick auf Kommendes. Und soweit sich Öffentliches Recht, bis hinauf zum Staatsrecht, in vertraglichen Kategorien und mit Kriterien der Vereinbarung erfassen lässt, sich ihnen wenigstens nähert oder öffnet3, will sich der rechtliche Blick in eine Zukunft öffnen, die prognostisch aus der Gegenwart heraus gesehen, rechtlich erfasst und gestaltet werden soll. Soweit der Blick dieses prognostischen Auges reicht, wird dann aber diese Zukunft rechtlich bereits zur Gegenwart. Sie wird durch den recht lichen Imperativ nicht nur an das Jetzt herangeholt, sie wird in dieses integ riert in einer „Ordnung der Zukunft, entsprechend der in der Gegenwart gewollten rechtlichen Geltungszeit“. So betrachtet ist „das Recht als solches zukunftsblind aus seinem Geltungswillen für die Gegenwart“. Das „Problem Zukunft“ stellt sich hier nur insoweit, als in der Gegenwart zu ermitteln ist, ob deren Ordnungswille in hinreichender Gestaltungskraft für diese zeitlich fest bestimmte, darin bereits rechtlich zur Gegenwart gewordene Zukunft, oder gar für eine (virtuell) unendliche Zeit ausreicht. Der Geltungsbefehl bejaht diese Frage – ganz einfach – rechtlich. Prognose spielt dabei nur insoweit eine Rolle, als sie die Rechts / Gesetzesbegründung liefert, in einer Beurteilung der Realisierung(schancen) der jeweiligen Rechtsgebote; praktisch erfolgt dies meist in etwas wie einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung der Entwicklung der jeweiligen Ordnungsgegenstände des Geltungsbefehls des Rechts. Dieser Ordnungsgegenstand, damit der „Ausgriff des Rechts in die Zukunft“, ist ein doppelter: Einerseits geht es dabei um die „voraussichtliche“, d. h. vorhersehbare Entwicklung der rechtlich zu ordnenden Tatsachenlage, die dem (ändernden) Recht vorgegeben ist und ermittelt werden muss (vgl. Vorbem. 3. a)). Zum anderen müssen die „(um)gestalterischen Zukunftskräfte“ des Rechts abgeschätzt werden in ihren Einflusswirkungen auf jene Tatsachenlage, damit auf die rechtlich zu gestaltende zukünftige Lage (vgl. Vorbem. 3. b), c), 4.). c) Dogmatisch ist damit diese Prognose nur ein Bestandteil des Rechtsetzungs-, insbesondere des Gesetzgebungsverfahrens. Wie weit und in welchen Formen sie als eine Tatsachenfeststellung faktisch möglich ist, kann das Recht als solches gar nicht bestimmen; es kann aber festlegen, wie weit es als solches diese Lage aufrecht erhalten oder abändern will und nach welchen Kriterien dies geschehen soll. Auch kann rechtlich geregelt werden, welche Maßnahmen zu dieser Faktenfeststellung ergriffen werden dürfen / müssen, auf welche tatsächlichen Ergebnisse sich dann der Rechtsbefehl 3 Grds. Leisner, W., „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“. Von der Hoheitsgewalt zum gleichordnenden Privatrecht, 2007, S. 74 ff.
I. Begriff – Gegenstand – Fragestellungen19
in gegenwärtiger Rechtsprognose soll stützen können. Durch die Regelung des Prognoseverfahrens und der Rechtsrelevanz der Prognoseergebnisse bestimmt das Recht damit seine eigene Geltung – seine Normenwelt im Sinne Hans Kelsens. Alles andere, insbesondere die Einzelheiten der Tatsachenfeststellung, muss das Recht seinen – insoweit – Hilfswissenschaften überlassen, der Technik, der Medizin, den Natur- und Geisteswissenschaften. Nur was es von ihnen übernimmt, seiner „Gegenwarts-als-Zukunftsbestimmung“ zugrunde legt, das entscheidet das Recht selbst in stets gegenwärtigem Geltungsbefehl. Das Recht ist also als solches keine Prognosedisziplin; es regelt allenfalls Prognose hinsichtlich der übernahmefähigen Ergebnisse und des Verfahrens ihrer Zugrundelegung. 2. Prognosefestlegung als Folgenabschätzung nach rechtlicher „Effizienz“ a) Prognose ist aber nicht reine Tatsachenerhebung, -sammlung, -ordnung. Die Überleitung dieser Ergebnisse ins Recht muss erfolgen im Wege der rechtlichen Prognosefestlegung, „auf Grund“ eines angenommenen tatsächlichen Sachverhalts. Was dieses „auf Grund von“ bedeutet, das wird in zahllosen Bemerkungen angesprochen, meist lediglich „gestreift“, nur selten aber, selbst für Einzelbereiche, näher behandelt oder gar geklärt. Die Feststellung der Wirkung der „Tatsachentransformation in Recht“ – ein typischer rechtlicher Folge-Schritt der „Rechtstatsachen-Forschung“4 – muss ausschließlich nach rechtlichen Kategorien und Kriterien geleistet werden, unter Direktiven der Rechtsdogmatik und, insbesondere, nach deren verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die daraus sich ergebenden inhaltlichen Abgrenzungen von Rechtsprognosewirkungen und die verfahrensrechtlichen Regelungen der Durchführung der Prognose erfolgen ausschließlich nach rechtlichen Gesichtspunkten. Dies allein ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. b) Praktisch werden diese Prognosefestlegungen laufend geleistet als „Folgenabschätzungen“ der jeweils anstehenden und beabsichtigten recht lichen Regelungen, insbesondere von Änderungen der geltenden Rechtslage. Dogmatisch handelt es sich dabei um Rechtstatsachenfeststellungen in Form rechtlich bindender Rechtsgeltungs-Ergebnisse zu künftigen Realitäten, die aber bereits rechtlich insoweit in gegenwärtige verwandelt (worden) sind. 4 Zur „Rechtstatsachenforschung“ neuerdings Baer, S., Rechtssoziologie, 2011, S. 39 ff.
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A. Rechtsprognose
Die Beurteilung dieses Vorgangs wird rechtsdogmatisch bisher vor allem betrachtet unter der Begrifflichkeit „Effizienz als Rechtsprinzip“5. Der Inhalt dieses Rechtsbegriffs als solchen, seine Rechtswirkungen in der Übernahme von Tatsachenfeststellungen ins Recht sind aber nicht geklärt, sondern eher verunklart in den sogenannten „Effektivitätstheorien“6. Weithin konturlos ist bisher auch der (Verfassungs-)Begriff der „Funktionsfähigkeit“ geblieben7, der sich letztlich ganz allgemein nur auf „Wirkungsgrenzen rechtlicher Regelungen“ bezieht – wobei zwischen rechtlichen „Weiterwirkungen derselben“ und Veränderungen der geordneten Tatsachenlagen kaum unterschieden wird. Diese Effizienzprüfung setzt jedenfalls einerseits eine möglichst klare Bestimmung des Tatsachenobjekts voraus, auf welches das Recht (um-)gestaltend einwirken soll, zum anderen eine entsprechende, aber bereits rechts immanente, Abschätzung der Gestaltungseffekte, damit der Ordnungswirksamkeit der beabsichtigten rechtlichen Anordnung. c) Man mag dies insgesamt dann Effizienzprüfung nennen. Dabei muss aber klar sein, dass es einen einheitlichen rechtlichen Effizienzbegriff gar nicht geben kann. Denn „die Effizienz“ der Rechtsgestaltung variiert eben mit dem faktischen Entwicklungspotenzial, das der jeweils zu ordnenden Materie, der Realität, als solcher innewohnt. Hier kommt es darauf an, wie weit insbesondere ein bestimmtes menschliches Verhalten durch Rechtsbefehle (überhaupt) als veränderbar erscheint. Kriterien und Formen dieser rechtlichen Gestaltungen müssen von vorneherein der jeweiligen Wirklichkeit angepasst sein, werden mithin weitgehend von dieser bestimmt. Aus dem zur Verfügung stehenden Reservoir dogmatischer Kategorien und Kriterien muss dann dementsprechend ausgewählt werden, damit die gewünschte rechtliche Wirkung erreicht werde. Ob es aber allgemeine oder gar ausschließliche klare rechtliche Kriterien gibt für diese rechtliche Auswahloperation der verändernden Rechtsgestaltung, ist durchaus zweifelhaft. In Einzelbereichen und Einzelfällen wirkt hier bereits die jeweilige Tatsachenlage, die Realität, weitgehend bestimmend. Hiervon hängt es aber ent5 Allg. grds. behandelt bereits in Leisner, W., Effizienz als Rechtsprinzip, 1971; neuerdings Mathis, K., Effizienz statt Gerechtigkeit? 2. Aufl. 2006; Pache, E. / Groß, Th., Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, VVDStRL 66, 2007, S. 106 ff. 6 Etwa zur „Mandatsrelevanz von Wahlfehlern“ (BVerfGE 59, 119 (123); 89, 291 (364)), im Zusammenhang mit „wirksamem Rechtsschutz“ (BVerfGE 49, 220 (225); 67,43 (58)). 7 Bezogen allgemein auf die Bundeswehr (BVerfG E 48, 127 (160 f.), auf den Rechtsbegriff des „Wettbewerbs“ (s. dazu Leisner, W., Wettbewerb als Verfassungsprinzip. Grundrechtliche Wettbewerbsfreiheit und Konkurrenz der Staatsorgane, 2012, S. 54 ff. m. Nachw.).
I. Begriff – Gegenstand – Fragestellungen21
scheidend ab, ob eine vorzunehmende Rechtsgestaltung sich als „effizient“ erweisen kann. Diese Feststellungen zur „Effizienz“ gelten auch für die „Prognose im Recht“, die „Rechtsprognose“, vor allem im Verfassungsrecht. Auf einen Rechtsbegriff „Effizienz“ kann man sich daher also nicht stützen; hier liegen Realität und Rechtsanordnung eben allzu sehr im Gemenge. Durch einen allgemeinen „Effizienzbefehl“ können deshalb auch Prognose-Hilfswissenschaften (vgl. vorst. 1.) nicht sachgerecht auf rechtliche Wirksamkeit hin orientiert werden. Was kann also „das Recht“, insbesondere das Verfassungsrecht, beitragen oder gar festlegen zu einer (auch nur) Annäherung an die Fassbarkeit eines „rechtlichen Prognosebegriffs“, der dann doch „Rechtsgeltung in künftiger Anwendung“, „Rechtsentwicklung der Zukunft in Veränderung“ orientieren soll? Zwei Wege in diese Richtung sind denkbar: – Inhaltliche Bestimmungsversuche „der Eintrittswahrscheinlichkeit des in Prognose Geschauten“ in prognostischer Rechtsgestaltung durch die Anordnung (i. Folg. 3. b)). – lediglich formalrechtliche Bestimmung von Verfahren und Formen, in denen (allein) Derartiges zulässig sein soll oder erfolgen muss (i. Folg. 3. c)). 3. Rechtliche Kriterien einer möglichen / notwendigen inhaltlichen Wirkung der Rechtsprognose a) Prognose – kein Wahrheitsproblem Wahrheit ist keine Voraussetzung der Rechtsetzung. Weder diese noch jene sind ihrem Wesen nach „Wahrheitssuche / findung“ – wie immer der Wahrheitsbegriff für das Recht und insbesondere das Staatsrecht definiert werden mag8. (Staats-)Recht ist als solches Wirklichkeitsgestaltung, nicht Tatsachenerkenntnis; aus dieser baut es sich, allenfalls, auf, eben in Prognose, orientiert sich an deren vorbereitenden Ergebnissen. Wesentlich ist die Realität aber staatsrechtlich nur „Materie zur Berücksichtigung“, vielleicht noch „zur Beachtung“, je nach dem wie weit der Rechtsetzungswille, als Tatsachenveränderungswille, reicht, wirken kann. Eine „objektive Staatswahrheit“ als Gegenstand des Staatsrechts gibt es grundsätzlich nicht, je8 Zu „Wahrheit und Recht“ vgl. aus früherer Zeit Stammler, R., Die Lehre vom Richtigen Recht, 1902; Spann, Otmar, Der Wahre Staat, 1923.
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A. Rechtsprognose
denfalls nicht als Zielvorgabe einer freiheitlich-demokratischen Staatsordnung9. Dagegen ist die Ermittlung dieser „objektiven Wahrheit“ zentraler Gegenstand rechtlicher Prognose als Vorbereitung der Rechtsgestaltung, jedenfalls im Sinne der Feststellung einer gegenwärtigen „Tatsachenexistenz“ nach historischer Wahrheit. Das gilt aber nur für die rückwärtsgewandte Betrachtung der Faktenlagen, also der Vergangenheit, in „Tradition“. Die Gegenwart, in der die Feststellung stattfindet, schließt dies ein, gewissermaßen als einen „Schlusspunkt der Vergangenheit und ihrer Tradition“, nicht aber bereits als „Zukunftserkenntnis“, mag auch in der Tradition bereits „Vergangenheit als Zukunft“ liegen, weil in Gegenwart begonnen haben10. Was weithin unkritisch als „Zukunftserkenntnis“ angesehen wird, vielleicht gar als eine „Zukunftswahrheit“, in der Sicht dann einer möglichen oder notwendigen Rechtsprognose, zeigt sich vor allem in zwei Formen, die aber beide in staatsrechtlicher Form kritisch zu hinterfragen sind: – Zum einen im Versuch der Erkenntnis einer „Tatsachenentwicklung“; dies ist aber bereits identisch mit der (Eintritts-)Wahrscheinlichkeit von Tatsachenlagen (i. Folg. b)), als gegenständlicher Grundlagen künftiger Rechtswirkungen, oder bereits (zugleich auch) schon als deren Ergebnis. Insoweit wird darin dann eine „Rechtsprognose“ gesehen. Eine solche muss aber, wie sich zeigen wird, in einer wesentlichen „Vergegenwärtigung“ gesehen werden. – Zum anderen kann „Zukunftswahrheit“ auch verstanden werden als Erwartung des Eintritts von Zuständen, die als eigentliche Gegenstände rechtlicher Ermittlung heutiger oder zukünftiger Tatsachenlagen aber gar nicht in Betracht kommen können, insbesondere in Form von religiösen Jenseitserwartungen. Hier beschränkt sich rechtsprognostische Ermittlung in der Sicht der Gegenwart auf (bereits feststellbare) Wirkungen solcher menschlicher Beurteilungen und Haltungen auf künftige Tatsachenentwicklungen im vorgenannten Sinn. Das rechtliche „Weiter-, in die Zukunft hinein Hoch-Rechnen“ von Rechtslagen und Rechtsentwicklungen bleibt aber stets eine „realitätsimmanente Prognose“, eine „transzendentale Erkenntnis“ im kantianischen Sinn; sie muss Halt machen vor Vorsuchen der Ermittlung „transzendenter“ Wahrheiten, die, wortsinngemäß, eben „über jede Erkenntnis, damit auch über das Recht hinausreichen (wollen)“. Prognose stellt also in keiner Weise die „Wahrheitsfrage des Pilatus“. 9 Dazu grds. Leisner, W., Die Staatswahrheit, Macht zwischen Wille und Erkenntnis, 1999. 10 Dazu grds. Leisner, W., Tradition und Verfassungsrecht zwischen Fortschrittshemmung und Überzeugungskraft. Vergangenheit als Zukunft, 2013.
I. Begriff – Gegenstand – Fragestellungen23
b) Prognose als „Einschätzung einer Wahrscheinlichkeit“? „Hinreichend sichere Vorausschau“? Wenn „Wahrheit“ kein Gegenstand, kein Ziel einer Suche in rechtlicher Prognose sein kann, so ist hier lediglich zu ermitteln eine etwaige künftige Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer bestimmten (Rechts-)Tatsachenlage in der Zeit der in gegenwärtiger Entscheidung jeweils in Bezug genommenen „rechtlichen Zukunft“. Deren Abstand von der Gegenwart, in welcher diese Feststellung versucht wird, ergibt sich aus einer Entscheidung des Zukunftsgestaltungswillens der jeweils rechtsetzenden Instanz. Diese „Wahrscheinlichkeit“, als dogmatische Grundlage einer Rechtsprognose ist aber als solche ebenso wenig ein Rechtsbegriff (jedenfalls nicht) des Staatsrechts, wie die „Wahrheit“11. Behandelt wird sie bisher vor allem im Zusammenhang mit verwaltungsrechtlichen Risiko(prüfungs)entscheidungen12. Im Technikrecht insbesondere sind derartige Überlegungen zu verorten, dort also, wo es um die Ermittlung bestimmter gegenwärtiger Tatsachen in ihrer künftigen Wirksamkeit geht. Vertiefungsversuche des Risikobegriffs als solchen liegen aber auch zeitlich bereits weit zurück13. Der Begriff der Risikovorsorge ist zwar ein – auch verfassungsrechtlich – zentraler Topos des Sozialversicherungsrechts14; dort betrifft er jedoch nicht nur Versuche einer Rechtsentwicklungserkenntnis, sondern auch, vor allem, eine Risikoermittlung in privater Freiheit des Bürgers und verweist insoweit auf den Risiko-, damit auch auf den Prognosebegriff des Versicherungsrechts. Im Bereich des Öffentlichen Rechts als solchen steht die Arzneimittelsicherheit hier in der Praxis im Vordergrund15. Die „Gefährlichkeit“ ist ferner Regelungsgegenstand aufgrund von Prognosen vor allem bei der staatlichen Genehmigung gefährlicher Tätigkeiten16, insbesondere bei Verkehrsanlagen17, beim
11 Zur Wahrscheinlichkeit, i. S. der Notwendigkeit eines hinreichend sicheren Urteils, vgl. BVerfGE 100, 59 (101); 103, 242 (247), zu ihrer Feststellung in Erprobung von Konzepten BVerfGE 113, 167 (234). 12 Allg. Di Fabio, U., Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, insb. S. 115 ff.; Huber, P. M., Neue Lebensmittel: Marktfreiheit oder Zulassungsprinzip, Jb. des Umwelt- und Technikrechts 1996, S. 459. 13 Vgl. etwa Breuer, R., NVwZ 1990, S. 211 (231 f.); w. Nachw. in Leisner, W., „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“, Fn. 3, S. 37. 14 s. dazu Depenheuer, O., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 14 Rn. 174 ff. 15 Bemerkenswert ist allerdings, dass in den letzten Jahren das juristische Schrifttum sich, soweit ersichtlich, mit dieser Materie vertiefend kaum befasst hat. 16 BVerwGE 82, 61 (75). 17 BVerwGE 107, 350 (357).
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A. Rechtsprognose
Lärmschutz18 und, grundsätzlich, auch bei der staatlichen Schutzverpflichtung im Bereich der Kernenergie19. In all diesen Fällen wird aber die (jeweils noch hinzunehmende) Eintrittswahrscheinlichkeit, das sogenannte „Rechtsrisiko“ angesprochen und durch Einzelhinweise näher verdeutlicht als ein Erkenntnisgegenstand faktischer Lagen, nicht in einer rechtsdogmatischen Operation: rechtsprognostischrechtsetzender Entscheidung. Eine allgemein anerkannte, vertiefende, dogmatisch ausgebaute Lehre zu „Eintrittswahrscheinlichkeit“, als einer recht lichen Grundlage des Prognosebegriffs, ist übrigens bisher noch nicht ersichtlich. Angesprochen wird lediglich, i. d. Regel, eine allgemeine „Voraussichtlichkeit“, ohne das deren Stufen i. S. jeweils erforderlicher Wahrscheinlichkeit, in Annäherung an eine „Gewissheit“, näher bestimmt würden. c) Rechtsprognose-Wirkungen nur in den (verfassungs-)rechtlichen Formen der Rechtsgeltung Bleibt also für eine Ermittlung des erforderlichen Grades der Richtigkeit von Prognoseergebnissen im Recht, angesichts dieses Fehlens einer recht lichen „Wahrscheinlichkeitsdogmatik“, i. S. von vorst. 2., b, nur folgender Weg der Festlegung von rechtlichen Kriterien für Voraussetzungen, welche eine „Zukunftsvorausschau im Recht“ allenfalls erfüllen muss: – Der erforderliche Gewissheitsgrad muss, u. U. bereichsspezifisch, aus dem Wesen des Rechts ermittelt werden, wie es sich nach allgemeinen (verfassungs-)rechtlichen Geltungskriterien und aus der jeweils geltenden Staatsordnung ergibt, für das Grundgesetz insbesondere aus der hier geltenden Rechtsstaatlichkeit20. Diese wirkt, mit ihren Forderungen nach Klarheit und Bestimmtheit allen Rechts bereits auf die Rechtsprognose in dem Sinn, dass dort schon die jeweils erforderliche Gewissheitsstufe in Vorbereitung für eine Vergegenwärtigung des Rechts erreicht werden muss. – Diese Feststellung von etwas „zukünftig Wahrscheinlichem“ kann aber, darf rechtlich nur in verfassungsmäßig zulässigem Umfang juristisch vorgenommen werden. Dieser wird wiederum durch die Rechtsformen bestimmt, in denen der Staat an sich und insbesondere die demokratische Gewalt gegenüber ihren Bürgern nach der Verfassungsordnung tätig werden darf 21. 18 BVerwGE
125, 116, Rn. 390. 89, (142); 77, 381 (402). 20 Vgl. i. Folg. C. II. 21 s. dazu i. Folg. D. 19 BVerfGE
II. Prognose: Fakten und Recht25
Die folgenden Ausführungen müssen also untersuchen – wie genau inhaltlich die Rechtsprognose sein muss / soll, als vorbereitende Grundlage einer Rechtsetzung, und – mit welchen rechtlichen Mitteln, von wem und in welchen Rechtsformen diese Zukunftsschau in der Gegenwart, aus ihr heraus erfolgen kann / muss, jeweils nach den Vorgaben der Allgemeinen Rechtslehre, der Allgemeinen Staatslehre und der grundgesetzlichen Verfassungsordnung. Im Folgenden werden solche „Vorgaben für einen (staats-)rechtlichen Prognosebegriff“ untersucht. Dabei sind, bereits im Ausgangspunkt, folgende rechtliche Überlegungen von grundsätzlicher Bedeutung.
II. Prognose: Fakten und Recht 1. „Fakten i. w. S.“ als wesentlicher Prognosegegenstand a) Prognose ist wesentlich (Versuch von) Tatsachenfeststellung(en) (vgl. vorst. 1.), die dann in rechtliche Prognoseentscheidungen einfließen (vgl. vorst. 2.). Fakten in diesem Sinn sind Gegenstand der Vorausschau auch insoweit, als diese jeweils Änderungen von Tatsachenlagen zu erkennen versucht, die sich unter rechtlichem Einfluss vollziehen könnten. Rechtswirksamkeitsvorausschau ist insoweit (Teil der) prognostische(n) Fakten ermittlung, mag sie auch bereits als Versuch einer rechtlichen Effizienzprognose (vgl. vorst. 1., 2. b)) rechtsdogmatisch orientiert sein. Zukunftsvorausschau bleibt aber, in rechtlicher Kategorisierung, stets wesentlich Rechtstatsachenprognose, einschließlich dessen, was das Recht jeweils an Rechtstatsachen zur Kenntnis nimmt, beurteilender gegenwärtiger Entscheidung zugrunde legt. 2. Trennung von Fakten- und Rechtswirkungen Dabei ist zunächst die Trennung von Fakten und Rechtswirkungen von fundamentaler Bedeutung für eine Rechtsprognose. Vor aller rechtlichen Entscheidung ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen – einer außerrechtlichen Faktenentwicklung und – der Entwicklung rechtlicher Regelungseinflüsse auf die jeweilige Faktenlage. Soweit möglich mag versucht werden, hier die rechtlichen Wirkungselemente isoliert von ihren Wirkungsergebnissen zu sehen; dies Letztere ist jedoch längst nicht durchgehend möglich, oft verlangt es hypothetische Betrachtung.
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A. Rechtsprognose
Praktisch finden diese Prognoseformen ihren Ausdruck im Einsatz von Sachverständigen bei Normvorbereitung wie in Normanwendung22. Der „außerrechtliche“ wie der Rechts-Sachverständige werden hier beide als Organe rechtsrelevanter Tatsachenprognostik tätig, soweit es nicht allein um Feststellungen der gegenwärtigen, sondern um Vorausschau auf zukünftige Lagen geht; dabei ist aber immer zu bedenken, dass auch diese Letztere stets in der Gegenwart erfolgt. Für das Verfahrensrecht ist diese Unterscheidung von Tatsachen und Rechtsfolgen, für Gegenwart und Zukunft, eine laufend praktizierte Selbstverständlichkeit. Gleiches gilt aber auch bereits grundsätzlich für die Allgemeine Rechtslehre, soweit sie Rechtstatsachenforschung beinhaltet. Diese hat zwar Fakten zum Gegenstand, erfolgt aber bereits, da auf Rechtsvorbereitung gerichtet, nach rechtlichen Regelungen, was bereits festzustellen war23, und zwar vor allem schon nach spezifisch verfassungsrechtlichen Vorgaben24. 3. Zusammenführung von Fakten- und Rechtsprognose Grundsätzlich zum Prognosebegriff ist insoweit festzuhalten: Die Trennungsnotwendigkeit von „Fakten“ und „Rechtsfolgen“ muss auch bei Untersuchungen zur Prognose gedanklich stets gegenwärtig sein. Soweit irgend möglich, gilt es dabei, beides zunächst getrennt zu erfassen – um es sodann zusammenzuführen in der vergegenwärtigenden Prognosefestlegung. Diese bereitet dann Rechtswirkungen für die Zukunft nach rechtlichen Vorgaben vor. Häufig wird allerdings die „Rechtsentwicklungsprognose“ dabei aufbauen können, ja müssen auf Erfahrungen mit früheren Einwirkungen von Rechtsentwicklungen auf Tatsachenentfaltungen. Wichtig bleibt im vorliegenden Zusammenhang stets eines: Welche Dimension eröffnet, welche Kriterien bietet das Staatsrecht mit seinen „Vorgaben einer Rechtsprognose“, für diese rechtsdogmatische „Operation am Körper der Wirklichkeit“?
22 Vgl. dazu grds. den Überblick bei Voßkuhle, A., Sachverständige Beratung des Staates, HbStR³, Bd. 3, § 43. 23 Vgl. dazu oben I. 1., sowie 2. a), insb. FN 4. 24 s. dazu unten B. III.
III. Exkurs: Beweis – Recht als „Vergegenwärtigung der Zukunft“ 27
III. Exkurs: Beweis – Recht als „Vergegenwärtigung der Zukunft“ 1. Beweisverfahren und Zukunft „Beweis“ ist nicht „Prognose“; er erhärtet aber deren Ergebnis als einer Vorbereitung / Vorstufe rechtswirksamer Gestaltungsentscheidungen. An dieser Rechtsfigur lässt sich etwas auch für die Prognose Wesentliches zeigen: „Vergegenwärtigung der Zukunft“ im Recht. Im Beweisverfahren des gerichtlichen Prozessrechts wie aller Verwaltungsverfahrensrechte werden vorliegende Fakten, aber auch für die Zukunft gewollte Abläufe ermittelt25. Damit vollzieht sich, was gemeinhin zu wenig beachtet wird, nicht nur eine „Klärung der (rein) gegenwärtigen Lage als solcher“, in einem Vorgang, der keinerlei Zukunftsdimension aufwiese. Zugleich liegt darin auch ein „Ausgriff in die Zukunft“, betrachtet man die Beweisführung26 auch als gegenwärtigen Erkenntnisvorgang. „Gelingen eines Beweises“ – das bedeutet, dass nun künftig keine Erkenntnisbemühungen mehr angestellt werden müssen / können / dürfen, weder hinsichtlich reiner Fakten- noch der auf sie wirkenden Rechts-Entwicklung. „Die Situation ist da“ (Konrad Adenauer): Die Zukunft ist aber darin nicht als solche erfasst, sondern eben in Vergegenwärtigung, bereits jetzt ist sie „Gegenwart im Recht“, und sie bleibt es, aus jeder Evolution in der Zeit gewissermaßen herausgenommen, hinsichtlich der Wirkungen ihrer rechtsunabhängigen, etwa technisch-naturwissenschaftlichen Faktizität wie auch der sie (etwa) kanalisierenden, prägenden rechtlichen Evolution27. Dieser „Beweis“ ist verfahrensmäßige Stütze und zugleich bereits inhaltliche Ausformung der „rechtlichen Geltung“, mit ihm wird Tatsächliches zu Geltendem. Zugleich wird damit aber auch Zukunft zur Gegenwart: ein weiteres Verfahren, weitere rechtliche Erkenntnisanstrengungen in (einer unbegrenzt weiten) Zukunft finden nicht mehr statt. Abschätzung hat rechtlich ausgedient; zeitliche Zukunft ist zur Gegenwart geworden.
25 Vgl.
dazu oben I. 3. Wesen der Beweisführung vgl. Groner, R., Beweisrecht: Beweise und Beweisverfahren im Zivil- und Strafrecht, 2011; Vierhaus, H.-P., Beweisrecht im Verwaltungsprozess, 2011. 27 Zur „Rechts-“ als „Institutionenevolution“ s. Leisner, W., Institutionelle Evolution. Grundlinien einer Allgemeinen Staatslehre, 2012, S. 46 ff. 26 Zum
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A. Rechtsprognose
2. Beweis: Rechtliche Geltung als „gegenwärtig gewusste Zukunft“ Der Beweis, das praktisch Wichtigste im Recht, ja in aller Gemeinschaft geistig überzeugungsfähiger menschlicher Wesen, ist nichts anderes als „Vergangenheit oder Zukunft im Recht zur Gegenwart geworden“. Dies vollzieht sich tagtäglich, in dem Augenblick einer rechtlichen Entscheidung, die sich auf Beweisbares und Bewiesenes gründet. Recht – das ist also hier, und damit in seinem innersten Wesen, nicht Prophezeiung, sondern „Geltung als gegenwärtiges Wissen“, wenn nicht geradezu, und in seiner „höchsten Geltungsform“, als „Setzung der Wirklichkeit, ihrer Zukunft als Gegenwart“, in etwas wie Fiktionen28, in den staatsrechtlichen Formen eines „Willens zur Macht“. Hier zeigt sich klar, was bereits eingangs29 anklang: Ziel und damit Wesen der Drei alten klassischen Fakultäten, Theologie, Medizin, Recht, ist eben Zukunftserfassung in „Vergegenwärtigung“ im vollen Sinn des Wortes. Damit ist das Recht prinzipiell grundgelegt als „Zukunftserfassung, aber wesentlich in Gegenwartsgeltung“. Bevor nun untersucht wird, welche Vorgaben und Instrumente gerade der Verfassungsstaat nach Allgemeiner Staatslehre (i. Folg. B.), sodann konkret das geltende Staatsrecht des Grundgesetztes bietet (i. Folg. C.), gilt es noch, allgemeine rechtliche Ordnungsformen zu betrachten, in denen sich all dies vollzieht; diese sind herkömmlich Gegenstände einer Allgemeinen Rechtslehre. Im Recht geht es bei der Prognose eben nicht nur um das Aufsuchen von einzelnen konkreten Zukunftsan- oder -verweisungen; in seinem Wesen ist bereits, aus dem Geltungsbegriff heraus, dazu Grundsätzliches angelegt. Ergebnis 2 a) Das Recht ist, aus seinem „Wesen in Geltung heraus“, „Feststellung heute“, damit in seinem Geltungswillen zukunftsblind. „Zukunft“ nimmt es allenfalls in Annahme von Eintrittswahrscheinlichkeiten zur Kenntnis, in Rezeption von Erkenntnissen anderer Disziplinen. Das Recht als solches ist keine Prognosedisziplin. Hier erfolgen Folgenabschätzungen der Rechtsregelungen auf (mögliche) künftige Tatsachenlagen, die in Rechtstatsachenforschung ermittelt werden. Rechtsbegriffe wie „Effizienz“ oder „Nachhaltigkeit“ sind aber insoweit problematisch; aus ihnen lassen sich keine allgemeinen Prognosekriterien im (Verfassungs-)Recht gewinnen. 28 Zum Begriff der Fiktion im Staatsrecht, s. insb. Leisner, W., Das Volk – Realer oder fiktiver Souverän?, 2005, S. 46 ff. 29 Vorbemerkung 1.
IV. Rechts-Methodik als Vergegenwärtigung der Zukunft 29
b) Bei einer „Prognose“ stellt sich im Recht nicht eine „Wahrheitsfrage“; es gibt auch keine „Staatswahrheit“. Wahrheitserforschung findet für die Vergangenheit statt, endet in Tatsachenfeststellungen der Gegenwart. Ein „Vorauserkennen von Wahrheiten“ gibt es rechtlich nicht. c) „Wahrscheinlichkeit“ als Prognosevoraussetzung ist aber ebenso wenig ein Topos des Rechts, der die Prognose nach rechtlichen Kriterien und Stufen leiten könnte. Der Risikobegriff und das Versicherungsdenken bieten hier keine hinreichenden rechtsdogmatischen Grundlagen. Entscheidend ist immer, wie gegenwärtig gehandelt werden darf / wird – also (allenfalls) Zukunftserfassung in Gegenwartssicht. d) Was immer einen geltungsmäßigen Zukunftsbezug hat im (Staats-) Recht, dessen „Prognose“ muss stets grundsätzlich in einer Trennung von Vorausschau der Fakten- und der Rechtswirkungsentwicklung beurteilt werden. Diese beiden sind sodann zu einer „Prognose“ zusammenzuführen, in Vorbereitung einer rechtlichen Entscheidung in der Gegenwart. So ist im Folgenden der Rechtsprognosebegriff zu sehen. e) Der Beweis wirkt mit seiner Feststellungswirkung aus Vergangenheit und Gegenwart in die Zukunft; er lässt diese rechtlich in Geltung zur Gegenwart werden. In ihm, in seinem Verfahren, wird Zukunft bereits „als Gegenwart“ erkannt. Hier findet daher nicht „Zukunftserkenntnis, Zukunftsregelung“ statt, sondern die auch für die Prognose im Recht typische „Vergegenwärtigung“ der Zukunft.
IV. Rechts-Methodik als Vergegenwärtigung der Zukunft 1. Begriffs-Interessenjurisprudenz: Zukunft als Gegenwart Rechtsmethodik begegnet bei Fragen der Rechtsprognose sogleich einer ihrer wahrhaft klassischen Fragestellungen: Rechtsgeltung in „Begriffs-“ oder (und) in „Interessenjurisprudenz“: Beides will Zukunft vergegenwärtigen in rechtlicher Gegenwartsgeltung. a) Notwendige Ausgangspunkte der Prognose Bei aller gebotener Trennung der Vorausschau in eine solche auf (möglichst) rein faktische Lagen und deren Entwicklungen sowie, andererseits, auf die der (zu erwartenden) Einwirkungspotenziale rechtlicher Regelun-
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A. Rechtsprognose
gen30 – auszugehen ist, bei jeder Prognose, stets von einem rechtlichen Ordnungswillen mit Geltung für eine, überwiegend, wenn nicht meist, unbestimmte Zukunft, welche in die Gegenwart „hineingeholt“ werden soll. Ausgangspunkte müssen also stets die jeweils zu ordnenden Bereiche sein, und auch die dort zur Verfügung stehenden Ordnungskräfte: die bisherigen, eben die gegenwärtigen Rechtslagen, welche beibehalten oder verändert werden sollen. Derartige Ausgangspunkte gibt es immer, selbst für die radikalste revolutionär auftretende Neuordnung. Prognose erfolgt nie aus einem „rechtsleeren, rechtsfreien Raum“ heraus in einen ebensolchen hinein. In der Gegenwart der Rechtsetzung und Rechtsanwendung wird sie sich an diesen Ausgangspunkten stets orientieren, dabei sich festhalten an einem „Geländer von Tradition(en)“31. b) Finales Rechtsdenken als Vergegenwärtigung der Zukunft „Vision“ ist kein Rechtsbegriff, sondern ein Wort der Politik32. Alles Visionäre – eben doch Prophetische – muss aus der Rechtsprognose ausscheiden; zwischen beiden besteht geradezu ein Dimensionsunterschied. Die Rechtsregel ist, schon in ihrem grundlegenden Geltungsanspruch, stets bereichsmäßig festgelegt, und dies selbst für wesentlich teleologisch geprägte Rechtslehren wie die der „Finalismen“. Gerade der Jheringsche „Zweck im Recht“33 kann sich von der bereichsmäßig orientierten „Rechtsbegrifflichkeit“ nicht völlig lösen, er bestimmt lediglich deren Bereiche in anderer Methodik. Aller rechtlicher Finalismus weist zwar in eine Zukunft, aber nur darin, dass er sie letztlich in seiner Begründung der Geltung aus Finalität – zur Gegenwart will werden lassen.
30 Vgl.
vorst. III. Risikoprognose vgl. FN 10; zur „Einschätzungsprärogative“ des Gesetzgebers, einem Begriff, unter dem Prognose im verfassungsrechtlichen Zusammenhang nicht selten behandelt wird, s. Hillgruber, Chr., Ohne rechtliches Maß? JZ 2011, 861 ff.; Schwarz, K.-A. / Bravidor, Chr., Kunst der Gesetzgebung und Begründungspflichten des Gesetzgebers, JZ 2011, 653. 32 „Visionen“ dürfen sich auch nicht als eine „Zukunft in potentia“ der Rechtspolitik überlagern oder gar ihr übergeordnet werden, vgl. i. Folg. VI. 33 Zum finalistischen Rechtsdenken vgl. v. Jhering, R., Der Zweck im Recht, 1877; neuerdings zum „Finalismus“ Penski, U., Der Zweck des Rechts ist das Recht, 2004; Meyer, St., Fordert der Zweck im Recht wirklich eine „Neue Verwaltungsrechtswissenschaft?“, VerwArch 101 (2010), 351 ff. 31 Zur
IV. Rechts-Methodik als Vergegenwärtigung der Zukunft 31
c) Prognose: Gleichklang von „Begriffs- und Interessenjurisprudenz“ Prognose ist also keine rechtliche Betrachtungs- oder gar Gestaltungsform, welche die klassischen Methodengegensätze der Begriffs- und Inte ressenjurisprudenz neu beleben, vielleicht gar gegeneinander ausspielen könnte. Diesen beiden Betrachtungsformen des Rechts ist eines letztlich und wahrhaft fundamental gemeinsam: Im Namen der von ihnen jeweils beschriebenen, begründeten Rechtsgeltung wollen sie auch ausgreifen in eine Zukunft: Die Begriffsjurisprudenz mit der Ordnungs- und Überzeugungskraft der Worte und ihrer Inhalte, die Interessenjurisprudenz mit der (zusätzlichen) in diesen Begriffen ja letztlich bereits liegenden rechtlichen Ordnungskraft der verfolgten Ziele. „Reine Gegenwart in Begriffen“ kann es im Recht ja so wenig geben wie „reine Zukunft in Interessen“. Prognose muss notwendig in einer eigentümlichen Zweigleisigkeit fahren: in eine Zukunft, die aber in Rechtsgeltung jedenfalls bereits erreicht ist. 2. Induktion – Deduktion: Erfassung des Künftigen? a) Die Fortentwicklung des Rechts, wie sie die Prognose „in eine Zukunft hinein“ vorbereiten will, läuft wesentlich ab über den Einsatz der rechtlichen Methoden der Induktion und der Deduktion34. In ihnen werden ihre „Ausgangspunkte“ in der geltenden Ordnung bewertend gebildet, in „Hochrechnung“, in etwas wie einer erweiterten Analogie, als geistige Gestaltungswege zu künftigen Lösungen. Alle Induktion wie Deduktion ist daher, begrifflich wie zielmäßig, ein „Spiel mit der, besser: um die Zukunft“ in inhaltlicher Verfahrensgestaltung. Begriffsjurisprudenzieller Methodik liegt dabei eine induktive35, interessenjurisprudenzieller eine deduktive Schwerpunktsetzung näher: Deduktion will ja in Zielerreichungsversuchen gestalten, welche notwendig, faktisch wie in der Betrachtung rechtlicher Effekte auf die Tatsachenlagen, allgemeinere, jedenfalls enge juristische Bereichsbildungen übergreifende, gegenwärtige Lagen fortentwickeln sollen; dies aber geschieht eben in der begriffsüberschreitenden Interessenwertung.
34 Zu Induktion und Deduktion in der Allgemeinen Staatslehre vgl. Leisner, W., Institutionelle Evolution, FN 27, S. 82 f.; Kaufmann, A., Das Verfahren der Rechtsgewinnung, 1999, S. 51 ff.; Jacobi, Chr. A., Methodenlehre der Normwirkung, 2008, S. 188 ff. 35 Zur Induktion allgemein s. Hofmann, J., Die Induktion und ihre Widersacher, 2002; Kersten, E. Chr., Worin besteht die Methode der Induktion? 2004.
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A. Rechtsprognose
b) Induktion ist insoweit stärker „ausgangsbereichsverhaftet“, als sie eben von jenen Einzelentscheidungen ausgeht, welche bereits in der Gegenwart ordnend wirken; vornehmlich sind ihre Ausgangslagen also Ordnungssituationen unterhalb der Verfassungsebene, wenn nicht Rechtslagen welche in normanwendender Einzelfalldezision bestimmt werden. Es wird der Induktion damit stets eine vorsichtig-schrittweise Lösungsannäherung auch bei der Prognose eigen sein36; damit mag sie noch weiter die tagtägliche Rechtsentwicklungspraxis beherrschen. Das schließt allerdings nicht aus, dass auch ihre „vielen schmäleren Wege nach Rom“ enden können auf großen säulenumfassten Plätzen, Gesamtbereichen der Rechtsordnung, über denen sich deren mächtiger Kuppelbau erhebt. Dort steht dann ja auch die große Zukunftsmaxime des siegreichen Rechts: „In hoc signo vinces“. c) Deduktion dagegen steigt abwärts, aus der zukunftsbeleuchtenden Laterne der Kuppel, in den weichen, kontinuierlich sich verbreiternden Erfassungsformen von deren Architektur, in das große „Gemeinschaftshaus“ des Kirchenschiffes hinab – um im Bild zu bleiben. Hier trägt das zukunftsgestaltende System37, das von oben kommt, aus den Himmeln, aus dem IdealStaat38, aus dem erkennenden Denken, das sich eben „selbst hält – oben“. Aber es gibt dieses System, in Dauer-, ja mit Ewigkeitsanspruch, einen letzten Halt auch jenem (Gemeinschaft / Kirchen-)Schiff der Rechtsordnung des Ewigen Staates in seinen zukunftsumfassenden, -erfassenden Allgemeinheitsanspruch. „Fluctuat nec mergitur“ durfte auch die Älteste Tochter dieser Römischen Kirche über ihre Hauptstadt schreiben, im Wappen von Paris. Die systematisch deduktive Zukunftsschau verbindet sich dann mit induktiver, stützt sich auf zahlreiche, wenn nicht zahllose Einzelentscheidungen in einem Vorgang, wie er in der Wiederbewusstwerdung des Römischen Rechts in der Pandektistik bereits abgelaufen ist. Induktion wird zum System. Induktion ermöglicht Deduktion. All dies ist nicht juristische Zukunftspoesie, ein Bild aus der Geschichte, wie es auch retrospektiv das Recht als Vision nicht kennen darf. Es sollte nur in historisch erfassbaren Bildern etwas gezeigt, nicht aus Historie deduziert werden. d) Klar muss sein, in ganz prosaisch-juristischer Gegenwärtigkeit: Die Grundkategorien einer Rechtsmethodik, auf welchen gerade jede staats36 Es ist dies die Gesetzgebungsmethode des stärker anwendungsverhafteten Bundesrates, gegenüber dem mehr „grundsätzlich“, oft partei-ideologisch orientierten Vorgehen im Bundestag. 37 Als Deduktion in diesem Sinn der „allgemeinen Ausgangslage“ wirkt vor allem die „Ableitung aus dem System“, vgl. Leisner, FN 34. 38 Zur Idealstaatlichkeit s. Leisner, W., Platons Idealstaat und das Staatsrecht der Gegenwart, 2014.
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rechtliche Betrachtung aufruht, sind zugleich wesentlich Formen des Versuchs einer prognostischen Zukunftserfassung, auf schmäleren oder weiteren, rechtlich bereits „ausgetretenen“ Wegen, hinein in das „Geschaut-Geregelte“. Doch es bleibt dies alles eben doch noch „ganz Gegenwart“: Der Prognoseblick erreicht die Zukunft – wieder bildlich gesprochen – nur von einer „präsenten Plattform“ aus, auf welcher der juristische Gestalter steht; von ihr aus darf sich Rechtsgestaltung nicht in die, vielleicht unendlichen, Tiefen einer unerkennbaren Geltungs-Zukunft stürzen, darin wenn nicht zerbrechen, so doch sich auflösen in unbekannten Strömungen. Die Prognose muss als solche, in Induktion wie Deduktion, noch immer ganz Gegenwart bleiben, in ihren juristischen Folgen ganz erfassbar in rechtlichem Denken; und dieses darf eben die Zukunft betrachten als eine „Gegenwart des Als Ob“. In ihr ist die, ist jede denkbare Situation schon ganz da, in juristischer Methodik, diesem Zentralgegenstand der Allgemeinen Rechtslehre, in täglicher juristischer Mathematik, in Induktion wie Deduktion. Prognose als Wagnis des Denkens? Ja – aber nur soweit auch Mathematik nichts ist als Wagnis. e) Prognose muss als Vorgang des Erkennens, in Vorbereitung der Rechtsgestaltung, einen möglichst festen Stand als Ausgangspunkt stets suchen; er kann nur, grundsätzlich und primär, in engen Ordnungsbereichen liegen, wie auch in begrenzt wirkenden rechtlichen Ordnungsmitteln. Dies begründet den prinzipiellen methodischen Vorrang der Induktion bei aller Prognose, im Sinn einer bis zur Banalität gepriesenen wie kritisierten juristischen Vorsicht, ja des „schrittweisen Vorgehens“ aller Methodik. Hier gerät induktive Prognose sogar in Spannung, wenn nicht in einen gewissen Gegensatz zu einem Dezisionismus39, der stets in großen, jedenfalls in größeren Dimensionen gestalten will, mögen auch gelegentlich selbst „enge Prognosen“ zu Explosionen mit atomähnlicher Sprengkraft in der Rechtsordnung führen. Eine oft in Pedanterie ausartende Sorgfaltsbeschwörung bei Prognosen versucht horizontal immer noch weitere Bereiche und Lösungswirkungen einzubeziehen, in Einzelheiten immer noch genauer zu prüfen; sie endet damit nicht selten in billiger, weil kaum voll zu integrierender oder gar zu widerlegender Detailbetrachtung, hinter der sich nur zu oft rechtliche Entscheidungsscheu verbirgt. Oder es wird so eine prüfungsmäßige Quadratur des Prüfungskreises versucht, in der gerade immer noch mehr Einzelheiten Überzeugungskraft eines größeren Systems bringen sollen, welches aber ganz anders gestaltet ist, daher auch andere, größere Gestaltungskraft ausstrahlt. Beides lenkt die Prognosediskussion auf Holz39 Über mögliche Spannung der induktiven Prognose zu einem Dezisionismus vgl. i. Folg. B. I. 1.
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A. Rechtsprognose
wege, in die Unendlichkeitsferne einer „Deduktion allein aus Induktion“; es drängt die Jurisprudenz in fataler Weise „aus dem Systemdenken“. Prognose muss in der Methodik von Induktion und Deduktion ebenso zweigleisig fahren wie schon im Denken in Begriffs- und Interessenjurisprudenz (vorst. 1.). Und dies setzt sich nun fort in 3. Analogie: ebenfalls eine „Vergegenwärtigung der Zukunft“ a) Induktion und Deduktion stellen etwas dar wie ein Hoch-, jedenfalls ein Höher-Bauen der Rechtsordnung, im Wege einer juristischen Hochrechnung, aber in beiden Richtungen der Vertikale, nach unten wie nach oben. Darin kann sich typische Verfassungsrechtlichkeit bewähren, in den Kategorien vor allem ihres Normstufendenkens, ihrer Ausstrahlungswirkungen40. Doch Prognosen bedeuten nicht nur ein Denken in Treppen und Stufen, sondern auch in Brücken, in horizontalem Weiterbauen. Damit wird die Methodik der Analogie erreicht41, ihre Bedeutung für Zukunftserfassung in Prognose. Hier besteht erheblicher Vertiefungsbedarf. Nach verbreiteten, wenn nicht allgemeinen Vorstellungen geht es ja bei Lösungsfindung auf diesem Weg um etwas wie eine juristische Maieutik im sokratischen Sinn42. Ob sich dies überhaupt methodisch-grundsätzlich von Induktion / Deduktion unterscheidet, mag hier offen bleiben. b) Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Methoden liegt jedenfalls nicht darin, dass für sie Unsicherheiten der Eintrittswahrscheinlichkeit (vgl. oben I. 3.) eine Rolle spielen mögen; denn dies belastet ebenso die horizontale Zukunftsschau der Analogie: Auch in diesem Fall ist ja in der Regel nicht eindeutig feststellbar, ob die „analoge Lösung“ noch dem zwischenzeitlichen Entwicklungsstand der Fakten- und / oder der Rechtslagen entspricht, ob damit die (angeblich) bereits (implizit) getroffene Lösung, welche eine Analogie anbieten will, noch der gegenwärtigen Lage gerecht wird, ob ihr Entscheidungspotenzial so weit in die Zukunft reichen wird, dass es diese überhaupt sachgerecht zu gestalten vermag. c) Trotz derartiger Unsicherheiten muss die „analoge Lösung“ als ein Vergegenwärtigungsversuch der Zukunft erscheinen. Auch mit ihr wird ja davon 40 Zu einem typischen verfassungsrechtlichen Denken in diesen Kategorien, vor allem in Normstufen, vgl. B. II. 1. sowie zum Kelsenianismus B. I. 1. a). 41 Zur Analogie s. Leisner, Institutionelle Evolution, FN 27, S. 91 m. zahlr. Nachw., sowie noch Kaufmann, FN 34. 42 Zu dieser „Sinnentbindung“ in der platonischen Staatslehre, vgl. Leisner, Platons Idealstaat, FN 38, S. 23 ff., 35 ff.
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ausgegangen, dass die im Augenblick der Analogieoperation zu treffende, in dieser jedenfalls vorbereitete Entscheidung bereits vor dem Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit getroffen (worden) ist, nicht nur „dem Grunde nach“, oder „unter Vorbehalt“, sondern „als solche“, in Gegenwartswirkung. Da sich aber Gegenwart als solche begrifflich nicht fortsetzen kann, lässt sich in der Analogie nur eines sehen: eine Vergegenwärtigung von Zukunft(swirkungen). Und dies ist eben das Wesen der Rechtsdogmatik, welche als solche nur im Präsens der Geltung wirken kann. Dass in dieser eben doch letztlich reinen Gegenwart, in welcher Analogie zur Zukunftserkenntnis wird, stets auch eine, die einzige zeitliche (Tiefen-)Dimension mitgedacht ist, welche das „wesentlich in Geltung gegenwärtige Recht“ nun wirklich kennt: die Vergangenheit, deren Schlusspunkt sie setzt43 – das ist nicht ein Widerspruch zu dieser „Vergegenwärtigungsvorstellung“ der Analogie, es bestätigt sie. Denn so wie die Gegenwart als Schlusspunkt der Vergangenheit mit dieser eine juristische, eben eine Geltungs-Einheit bildet, so kann es auch eine Trennung, einen Abstand oder gar einen Gegensatz zwischen Gegenwart und Zukunft im Recht gar nicht geben: Rechtsdogmatik stellt die geistige Wiedervereinigung des erfahrensmäßig in Gedanken, nach Zeiteinheiten getrennten Geltens in dessen totaler Gegenwart wieder her. Dies gilt gerade für die Analogie: Hochrechnung – Herunterrechnen in Induktion / Deduktion und Analogie als „Weiterrechnung“, nicht in der Zeit, sondern „auf der selben (Geltungs-)Ebene – das ist im Grunde, d. h. rechtsprinzipiell, nun wirklich Eins. Die theologischthomistische Analogia Entis44 hat diese Einheit eindrucksvoll dogmatisiert: Analogie in der Welt als Analogie über die Welt hinaus ins ewige Jenseits. Die Verheißung der Bibel, „es werde (dann) keine Zeit mehr sein“45, ist Grundlage der großen Drei Vergegenwärtigungswissenschaften Theologie, Medizin – und eben doch auch Jurisprudenz, in deren Geltungsdogmatik46. Ergebnis 3 a) Ausgangspunkt der Rechtsprognose ist stets eine bisherige Rechtslage. Sie wird zur Geltungsbasis für zukunftswirksame Regelungen. „Vision“ ist dagegen kein Rechtsbegriff, auch nicht in final geprägtem Rechtsdenken. Rechtsprognose als Vergegenwärtigung ist auch kein Feld für die Vertiefung des Gegensatzes Begriffs-Interessenjurisprudenz. 43 Zu
„Gegenwart aus (als) Vergangenheit“, s. Leisner, Tradition, FN 10. Analogia Entis als System einer „Höher-Weiter-Rechnung“ in der (neothomistischen) Theologie, in welcher sie hoch im Kurs stand, s. Söhngen, G., Analogie entis in analogia fidei, in: FS Karl Barth zum 70. Geburtstag, 1956. 45 In wissenschaftlicher Erkenntnis ist dies genau jener biblische Zustand, in dem es dann heißen kann: „Es wird keine Zeit mehr sein“ für den Gläubigen. Transzendentales fällt hier mit Transzendentem zusammen. 46 Zu den Drei Klassischen „Vergegenwärtigungswissenschaften“ vgl. A. 1. 44 Zur
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A. Rechtsprognose
b) Induktion wie Deduktion sind Methoden der Rechtsprognose, jene stärker der einzelnen fassbaren Ausgangslage verhaftet, diese mehr systematischen Zusammenhängen. Rechtsprognose bietet eine Plattform des Schauens in die Zukunft, sie ist kein Weg, der sich in dieser verliert; stets ist sie ganz Gegenwart, eben „Vergegenwärtigung der Zukunft“. Deshalb muss Prognose hier auch einen möglichst festen Standpunkt suchen, was einen gewissen Vorrang der Induktion begründen mag. Sorgfaltsappelle als solche haben wenig Sinn. c) Analogie ist ebenfalls eine Methode für Prognose als Vergegenwärtigung der Zukunft, insoweit Induktion wie Deduktion nahe stehend. Auch in ihr wird, in Gegenwartssicht „in die Zukunft hinein“, das bereits Entschiedene als für eine Zukunft geltend, gewollt betrachtet, die ihrerseits zur Gegenwart wird. 4. „Vergegenwärtigung“ in Geltung: Notwendige Klarheit und Bestimmtheit der Prognose – Vorhersehbarkeit a) In der Prognose wird etwas gesucht, das Gegenstand und Rechtfertigung einer (Neu-)Gestaltung von Rechtslagen sein kann, was aber sogleich gelten soll, als wäre diese Rechtswirkung in ihrem Gegenwartszeitpunkt des Vorausschauens bereits eingetreten. Die Erkennbarkeit dieser Rechtswirkungen, der durch sie (neu) zu schaffenden Rechtslagen, muss also doch – so mag es scheinen – im Zeitpunkt der Prognose bereits so deutlich, wenn nicht gar eindeutig sein, wie dies auch noch nach ihrem Inkrafttreten erforderlich ist. Beides gehört begrifflich wesentlich zu allem Recht, als Voraussetzung von dessen Verbindlichkeit. Dem steht nun aber gerade jene Ungewissheit der zukünftigen Entwicklung(en) gegenüber, welche unter der Perspektive der „(Rechts-) Wahrheit – (Rechts-)Wahrscheinlichkeit“ bereits angesprochen wurde47. Darf dann nicht von dem Prognosebild nur ein – bedeutsames – Minus an Klarheit und Bestimmtheit dem gegenüber erwartet werden, was bei Rechtsgestaltung und Rechtsanwendung bereits in der Gegenwart verlangt werden muss, Prognose also eben doch nicht als Feststellung, sondern, nur als Abschätzung, als eine Zukunftsschau, unter Vorbehalten von Unsicherheiten? b) Dies entspricht zweifellos einer verbreiteten Grundeinstellung, vor allem in der Praxis: „Schauen wir einmal, dann sehen wir schon“: regeln – Wirkungsentwicklungen abwarten – entscheiden. Also doch Prognose nur 47 Vgl.
oben I. 3.
IV. Rechts-Methodik als Vergegenwärtigung der Zukunft 37
als „Wette auf die Zukunft“, als im Grunde noch immer unverbindliche Abschätzung? Es fragt sich nun aber, ob diese Sicht der Bedeutung der Prognose gerecht wird, als einem Blick in die Zukunft. In der so allgemeinen Form eines „Vorbehalts einer anderen als der gegenwärtig voraussehbaren Zukunft“ steht eine solche Haltung eben doch in prinzipiellem Gegensatz zu einer Grundkonzeption des geltenden Staatsrechts, insbesondere der gegenwärtigen Demokratievorstellungen: Sie sehen die Staatsform als eine einzige große Rationalisierungsbemühung, welche politischen Machtwillen zurückzudrängen, ja letztlich zu eliminieren sucht. In dem Maß, in welchem jede Rechtsprognose unter einem (letzten) Vorbehalt der „Unvorhersehbarkeit der Zukunft“ steht, damit den Klarheits- und Bestimmtheitsgrundsätzen des gegenwärtig geltenden, daher schon heute anzuwendenden Rechts nicht zu genügen braucht, gar nicht genügen kann, tritt an die Stelle der Rationalität der Prognoseerkenntnis des Künftigen nur der Wille: „So soll es sein!“. Damit wird aus dem „Sein“ des Rechts, so scheint es, zwar nur jenes „Sollen“ des Imperativs, das von jeher geradezu als Wesen des Rechts angesehen worden ist48. Bedeutet das nicht doch: Prognose als „Erkenntnis in Wahrscheinlichkeit“ – Erkenntnis des Wahrscheinlichen? Wo aber verläuft dann die Grenze bis zu der auch der Prognose „die Klarheit und Bestimmtheit“ des zu setzenden Rechts abverlangt werden darf, werden muss? Wenn sie sich zu Lasten des rational Erkennbaren verschieben lässt, so gerät die Prognose insoweit generell unter den Vorbehalt des Rechtsetzungswillens, des „Willens zur Macht“. Dann aber sind all die – wahrhaft schönen – Worte von einer „Rationalisierung“, von einer rationalen Evolution49 des Rechts, der Rechtsordnungen, im Letzten nichts als Schall und Rauch. Vor allem in der Rechtsstaatlichkeit50 liegt dann keine Legitimation heutiger Entwicklungen mehr, welche Machtwillen durch Erkenntnis verdrängen könnte51. c) Will man die Anforderungen an Klarheit und Bestimmtheit aber dergestalt bei der Prognose absenken gegenüber dem, was vom gegenwärtig geltenden Recht verlangt wird, als rechtsstaatliche Voraussetzungen seiner Anwendung, so begegnet dies einem schwer aufzulösenden Problem: Auch in der Rechtsstaatlichkeit sind diese Kriterien ja nach der (jeweiligen) Vor48 Zum „Recht als Sollen oder als Sein“, vgl. Rehbinder, M., Einführung in die Rechtswissenschaft, 8. Aufl. 1995, Kap. II.; Hofmann, H., Einführung in die Rechtsund Staatsphilosophie, 5. Aufl. 2011, § 2. 49 Zur „Evolution“ vgl. Leisner, Institutionelle Evolution, FN 27, S. 48 ff. 50 Vgl. unten zur Rechtsstaatlichkeit in ihrer positivrechtlichen, verfassungsrechtlichen Bedeutung C. II. 51 Evolution hier zu verstehen als innere Selbstentwicklung der Rechtsordnung, vgl. FN 49.
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A. Rechtsprognose
hersehbarkeit zu erfüllen. Diese betrifft die Rechtswirkungen, in welcher die Fakten in Rechtslagen gestaltet, „verwandelt“ werden. Darin aber liegt die Ungewissheit des Zukünftigen: Wie etwa wird sich eine Vertragsbestimmung auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Partnern auswirken, wie die Aufhebung einer gesetzlichen Vorschrift durch die Verfassungsgerichtsbarkeit? In beiden Fällen mögen Richter „vorsorgliche Zukunftsregelungen“ gleich mit erlassen52. Doch dies sind dann Normen, welche sie ebenso, ja genauso in Prognose setzen wie der Gesetzgeber seine legislative Vorausschau jedenfalls anlegen sollte53. Bisher wird die Rechtsanwendung jedoch nicht allgemein von dem „Rechtsmisstrauen der Zukunftsschau“ begleitet, welches Prognosen stets belastet. Es zeigt sich hier also, dass jede Rechtsanwendung, auch eine solche eindeutig gegenwärtig bereits geltender Regeln, letztlich eben doch eine Prognoseentscheidung darstellt – in welchem Maße und mit welcher Abschwächung gegenüber den Erfordernissen der Klarheit und Bestimmtheit des Rechts, das bleibt dabei meist vollständig, jedenfalls bisher grundsätzlich, offen. Die Folgerung daraus kann nur sein: Die rechtliche Beurteilung der Wirkungen von Rechtsregeln ist letztlich stets „Prognose“. Gesetzgebungsprognosen unterscheiden sich davon eben nicht prinzipiell. Da aber jene Gesetzanwendungsprognosen unter dem normativen Vorbehalt der Klarheit und Bestimmtheit stehen, muss dies dann nicht auch für – jede Rechtsprognose eben doch gelten? d) Eines jedenfalls zeigt sich hier deutlich: Alle Geltung, weil alle Rechtsanwendung, die sie sichert, stellt zwar einen prognostischen Ausgriffsversuch in die Zukunft dar: Der Gesetzgeber darf aber auch nicht nach anderen Methoden und Kriterien prognostizieren als der Richter. Beide stehen ja einer letztlich unbekannten Zukunft gegenüber, verwandeln diese in Recht, damit in ihre jeweilige Entscheidungs-Gegenwart. Dann aber kann dies, rechtsgrundsätzlich, nur bedeuten: Recht ist durchgehend, grundsätzlich zukunftsblind, in seiner wesentlichen Vergegenwärtigungsfunktion. Diese Vergegenwärtigung tritt jeweils ein in jeder künftigen Anwendungs situation der Rechtsregel. Eines steht damit fest: grundsätzliche Anwendbarkeit von Kriterien der Klarheit und Bestimmtheit auf alle Prognose im Namen der Vorhersehbar52 Über die „Zukunftswirkungen“ von verfassungsgerichtlichen Entscheidungen, insb. zu Art. 3 GG, vgl. f. Viele BVerfGE 102, 127 (145); 105, 73 (134); 122, 210 (246). 53 Eine Systematisierung verfassungsgerichtlicher Geltungsverdeutlichungen für eine (unbestimmte) Zukunft ist noch nicht überzeugend gelungen.
IV. Rechts-Methodik als Vergegenwärtigung der Zukunft 39
keit54 – wenn damit auch praktisch weitgehend der Wille an die Stelle der Erkenntnis-Schau tritt. Vorhersehbarkeit mag insoweit eine Art von rechtsstaatlichem Minimum sein; „Zukunftserkenntnis“ bedeutet dennoch stets nur gegenwärtige Entscheidung in Minimalsicherheit, damit aber eben doch Zukunft allein als Gegenwart im Recht. 5. Offenheit, Flexibilität des Rechts – Formen prognostischer Zukunftserfassung? a) Klarheit und Bestimmtheit55 sind als solche bereits, und nicht nur als rechtsstaatliche Gebote (dazu unten B. 3.), allgemeine rechtsdogmatische Begriffe, mit einem jedenfalls rahmenmäßig fassbaren Inhalt. Mit ihm wirken diese Forderungen der Rechtssicherheit als solcher grundsätzlich auch als Vorgaben für alle Rechtsprognose (vgl. vorst. 4.). Die in ihnen liegende Verpflichtung zur Setzung und Anwendung vorhersehbaren Rechts56 bestätigt und konkretisiert dies verfassungsrechtlich. Erstaunlich ist daher, mit welcher Allgemeinheit und nicht selten auch abkürzender Leichtigkeit die Formel von der „Offenen Verfassung“ gebraucht wird57, mag sie auch in die gängigen Erläuterungswerke zum Grundgesetz bisher noch nicht Eingang gefunden haben. Nach allgemeinem rechtlichen Wortverständnis kann „Offen“ hier ja nur bedeuten: „Rechtlich“, also insbesondere auch auf der Ebene des Verfassungsrechts, ist (insoweit noch) keinerlei Entscheidungsgehalt feststellbar; der betreffende Bereich bleibt der „offenen Gesellschaft“ überlassen, die sich in Meinungsfreiheit entwickelt. Was immer diese offene Gesellschaft bedeuten, ob sie rechtlich überhaupt irgendetwas beinhalten mag – eines ist damit auch für die „Offene Verfassung“ angesprochen: Gerade die Rechtsvorbereitung, in all ihren Inhalten, soll sich zwar nicht in staatlicher Reglementierung erschöpfen; sie soll jedoch „rechtlich bestimmt“ ablaufen. Zu dieser „Rechtsvorbereitung“ gehört aber nun eindeutig auch, ja zentral, die „Rechtswirkungsprognose“ im Rahmen der Erfassungsversuche zukünftiger Rechtslagen und ihrer Ver54 Zur Vorhersehbarkeit als rechtsstaatliches Minimum vgl. neuerdings: Bernhard, D., Ex ante Transparenz im Verwaltungsverfahren, 2011; Stober, R., Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, 17. Aufl. 2011, S. 53 ff. 55 Nachweise bei Sommermann, K.-P., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20 Rn. 287 ff., schon aus der Rechtssicherheit heraus; als Grundrechtsgebot ders., ebenda, Art. 14 Rn. 243 ff.; Gusy, Chr., ebenda, Art. 10 Rn. 71. 56 Zur speziellen Vorhersehbarkeit in der Verordnunggebung vgl. Brenner, M., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 80 Rn. 36. 57 Unter dem Titel der „Offenheit“ stehen ganze Sammelwerke, vgl. etwa Grawert, R., (Hg.), Offene Staatlichkeit, FS für Böckenförde, 1995. Weitere Nachweise bei Leisner, Institutionelle Evolution, FN 27, S. 46.
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gegenwärtigung. „Der Gesellschaft“, also Willens / Entscheidungsträgern des staats-rechtsordnungsfreien Raumes, muss daher in diesem Vorbereitungsstadium des Rechts ebenfalls Prognosefreiheit zukommen; sie dürfen eben „frei meinen“, „sich etwas vorstellen“, Zukunft abschätzen, wie die(se) „Gesellschaft“ die Zukunft sieht, wie sie in ihrer Vorausschau sich dieselbe vorstellt. Dies darf in einer Ordnung „offener Verfassung“ lediglich nicht durchgehend rechtlich geordnet, reglementiert werden – inhaltlich. In den Ausdrucksformen dieser ihrer Vorstellungen unterliegen die gesellschaftlichen Akteure und Instanzen jedoch rechtlichen Geboten. Insbesondere haben sie sich in den Schranken der Meinungsfreiheit zu halten; und diese werden ausdrücklich ihrerseits als prognostische Entscheidungsvorbereitungen rechtlich geordnet58 – von der insoweit reglementierenden Staatsgewalt. Die Ergebnisse dieser freien rechtlichen Ordnungsformen werden dann staatsrechtlich verbindlich. b) Daraus ergibt sich eindeutig: „Offenheit“ ist kein inhaltlicher Gestaltungsbegriff der Rechtsordnung, der beliebige Inhalte möglicher Zukunftsregelungen gestattete; sie bezeichnet lediglich deren Abgrenzung gegenüber dem außerrechtlichen Bereich der Gesellschaft. Als solche bezieht sie sich auf das politische Wirken, in welchem „die Gesellschaft“ in der Demokratie hineinwirkt in deren Staatlichkeit, insbesondere in die Rechtsetzung über Abgeordnete des Volkes auf allen rechtlichen Ebenen. Sämtliche Akteure des „prognostischen Meinens“ – und Meinung ist wesentlich prognostisch ausgerichtet59 – dürfen in den rechtlichen Vorbereitungsphasen ihrer Rechtsetzungsaktivitäten nicht durch rechtliche Vorgaben eingeengt werden, weder formal noch inhaltlich, soweit sie eben freiheitlichen oder speziellen verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutz genießen. Gerade dieser verfassungsrechtliche Prognoseschutz steht auch den Vertretern der Staatsrechtswissenschaft zu, nach Art. 5 Abs. 3 GG, allerdings nur im Rahmen der Grenzen ihrer Freiheit. Alle staatlichen Rechtsetzungs- und Anwendungsorgane sind nun aber „an Gesetz und Recht“ gebunden, also zugleich an die Grundsätze, wie sie die Allgemeine Rechtslehre zur Rechtsgeltung in Gegenwart entwickelt, auch zur Prognose. Dies gilt jedoch nur insoweit, als diese Prognose einen Rechtsbegriff darstellt, d. h. soweit in ihr eine Vorbereitung gegenwärtiger Rechts-Geltungs-Entscheidungen stattfindet. Alle Rechtsetzungs / Entwicklungsorgane dürfen also zwar „prognostisch frei meinen in ihrer Rechtsvorbereitung“. Dies bedeutet aber nicht – und das ist hier nun entscheidend – dass alle ihre Prognosen im hier behandelten Sinn, eben in dem der Vorbe58 s.
Brenner, FN 56, Rn. 49 zur „Vorwirkungsprognose“. Meinungsbegriff vgl. Starck, Chr., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 5 Rn. 22. 59 Zum
IV. Rechts-Methodik als Vergegenwärtigung der Zukunft 41
reitung rechtlicher Entscheidungen, damit auch „völlig offen“ sein dürften. „Offenheit“ überträgt die Prognosekompetenz des Meinens als Rechtsvorbereitung auf die Gesellschaft, mit allem, was diese umfasst, also auch einschließlich der Interessenverfolgung in politischer Willensentscheidung. Eines aber darf diese „frei meinende, abschätzende Gesellschaft“ nicht im Rahmen ihrer (verfassungsrechtlichen) Freiheit der Rechtsvorbereitung: „frei erkennen (wollen), wie es ihr gefällt“. Dies ist auch der Rechts-, es ist aller Wissenschaft versagt; Vorausschau darf sich nur als ein Verhalten denkender, vernunftbegabter Wesen zeigen, eben als ein solches von „Menschen“, einen Irrationalismus als verfassungsgeschütztes Prinzip gibt es nicht, als solches wäre er rechtswidrig. „Politische Bauchgefühle“, „Bürgerwut“ mögen politisch zu berücksichtigen sein; dem Rationalismus des Rechts faktische Grenzen setzen, ihn verdrängen – das dürfen sie nicht. „Offenheit“ ist also als Verfassungsbegriff aus den folgenden Überlegungen auszuscheiden, auch soweit er auf den Meinungsbildungsprozess in der Gesellschaft verweist. Es ist dies eben ein Freiheitsbegriff, nur als solcher ein rechtlicher Topos, keine Erkenntnismaxime. Bezeichnet wird mit ihm ein Raum möglicher Zukunftsgestaltung, nicht eine Form von Zukunftserkenntnis. c) Nicht anders steht es, im Rahmen der vorliegenden Prognosebetrachtung, mit dem Begriff der „Flexibilität“; er wird oft ebenso leichthin, ja unkritisch gebraucht wie der der „Wandlung“60 – beides bezeichnet nur das Bemühen um Abschwächung strenger, als „begriffsjuristisch“ kritisierter Rechtsbindungen. Etwas wie eine rechtliche „Wandlungsdogmatik“ ist bisher auch nicht in Ansätzen entwickelt worden. Hingewiesen wird damit nur auf die – unbestreitbare – „normative Kraft des Faktischen“ und deren, wohl auf ewig ungeklärte, letztlich in rechtsferner Politik sich verlierende Auswirkung auf Regelungsinhalte. Oder „Flexibilität“ soll ein Globalbegriff für rechtliche Änderungs / Fortentwicklungsgrenzen und -räume sein; dann muss sie in dogmatischer Strenge im Einzelnen beurteilt werden. In all dem ist Flexibilität rechtlich aber stets nur ein Rahmen, allenfalls ein Hinweis auf (Änderungs-)Kompetenzen. Eine „flexible Prognose“ ist begrifflich ein rechtslogischer Widerspruch in sich. Erkenntnis ist nie flexibel, sondern allenfalls unklar – verschwommen. Sie erfasst nur „Ordnungs-Räume“, in denen sich etwas rechtlich abspielt – insoweit ist sie vergegenwärtigende Prognose; oder Bereiche, in denen etwas sich ändern könnte / sollte: dann ist von Prognose als Zukunftserfassung nicht mehr die Rede. Dem Prognosebegriff wird man rechtlich nie wesentlich näher kommen können, solange er sich in „Argumentationsstimmungen“ einer Offenheit 60 Vgl.
Leisner, W., Tradition, FN 10, S. 14, 17.
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oder von Wandlung(sfähigkeit)en bewegt. Da ist dann nichts als „verdeckte Politik“, Prognose ist hier allenfalls noch Zukunftscamouflage. 6. Hypothesen – Vorsorge – Versicherung a) Hypothetisches Denken ist dem Recht als solchem durchaus geläufig, auch dem Staatsrecht, etwa in Kompetenzregelungen für einen Verteidigungsfall (vgl. etwa Art. 115 a ff. GG). Darin erfolgt aber nicht eine Vergegenwärtigung ungewisser Zukunft, für einen „dies incertus an incertus quando“; nicht liegt darin also eine prognostische Erkenntnis als Grundlage einer juristischen Zukunftsregelung. Der Eintritt des hypothetischen Falles ist ja völlig ungewiss; er wird als solcher rechtlich so behandelt, wie dies aus gegenwärtiger Sicht zu geschehen hätte, würde sich seine Konstellation im Augenblick heutiger Rechtsgestaltung realisieren (lassen). Vorausgesehen wird hier nichts, Vorsorge wird gerade für einen wesentlich unvorhersehbaren Eintrittsfall getroffen. Ebenso sind die Geltungsmethoden und Regelungsformen einer Versicherung zeitlich zu beurteilen: weder als „Vorausschau der Zukunft“ noch, erst recht nicht, als eine rechtliche Regelung auf der Grundlage von deren Erkenntnis. Das „Versicherungsdenken“, „Vorsorge(gestaltungen)“, „Sicherungsnormen“, wie sie auch das Grundgesetz als Regelungsgegenstand kennt (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 12 GG), ist hypothetisch, nicht prognostisch gedacht und ausgestaltet. Die rechtliche Entscheidung ergeht hier abstrahiert, unabhängig von einer Zukunftserkenntnis, die eben als „Gnosis“ weder bereits möglich, noch als „Zukunftserfassung“ gewollt ist. b) Als eine besondere Konstellation eines „dies certus an, incertus quando“ kann zwar, geradezu als Prototyp, der Todesfall gelten. Allgemeiner Sprachgebrauch mag auch hier laufend Begriffe wie „Vorsorge für“, „Versicherung auf“ einsetzen. Es liegt hier jedoch gerade eine „Prognose“ nicht vor im hier behandelten Sinn einer etwaigen regelnden Zukunftserfassung. Der Eintritt des Regelungsfalles ist zwar als solcher sicher, sein Zeitpunkt aber derart ungewiss, dass die Zukunft in einer Regelung auf den Todesfall überhaupt nicht absehbar ist. Vielmehr wird für ihn eine Gestaltung getroffen, die als solche eine Ordnung mit einem völlig unbekannten Eintrittsdatum bewirkt. Wenn diese Bedingung, der Tod, eintritt außerhalb des rechtlichen Geltungswillens, unter dem sie Gegenstand heutiger Entscheidung ist, so bleibt selbst diese Vorsorge für den Todesfall zunächst ohne jegliche rechtliche Regelungswirkung. Denn auch sie ist eben letztlich rein hypothetisch gedacht und ausgestaltet, im Wege einer Potestativbedingung: Wenn die Regelung auf den Todesfall zu diesem Zeitpunkt noch gelten soll. Auch sie erfolgt also aus der Sicht einer Gegenwart, in welcher gedanklich nur
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insoweit „die Zukunft geregelt werden soll“, als der Todesfall innerhalb des im Entscheidungswillen bestimmten Regelungshorizonts auch eintritt. Dies aber ist als solches völlig unsicher, da die Gestaltung ja jederzeit abänderbar ist. Die jederzeitige Abänderbarkeit des Testats zeigt also, dass „eine Regelung für die Zukunft, d. h. für einen ungewissen Eintrittszeitpunkt“ als solche eben letztlich doch nur eine hypothetische ist, damit eine Regelung in der Gegenwart, unter der Voraussetzung, dass sich an der Lage derselben, hinsichtlich des Testamentswillens, nichts ändert. Ergebnis 4 a) Auch Prognose, wie immer bestimmt, muss im Recht dessen Geboten der Klarheit und Bestimmtheit entsprechen. Unsicherheit der Zukunft wird hier zum Problem für eine Rationalität, welche dem Recht aber wesentlich ist. Die Erkennbarkeit beschränkt sich auf den Inhalt der jeweiligen zeitlichen Gegenwartsentscheidung. Vorhersehbarkeit verlangt dabei nur jeweilige Klarheit des gegenwärtigen Willensinhalts, i. S. eines „Klarheitsminimums“. Insoweit ist „Zukunft“ für das Recht nur Inhalt gegenwärtigen Regelungswillens. b) „Offenheit“ ist als solche, in der Sicht der Allgemeinen Rechtslehre, kein Rechtsbegriff der rechtlichen Zukunftserfassung, einer Zukunftsgestaltung. In ihr wird lediglich der freien, „offenen“ Gesellschaft die rechtsvorbereitende Abschätzung des „Meinens“ überlassen – stets aber geregelt in (staats-)rechtlichen Formen, in denen sodann ein derart vorbereiteter Wille zu bindendem Recht wird, für eine „vergegenwärtigte Zukunft“. Gleiches gilt für die ebenso wenig weitergehend präzisionsfähigen Begriffe „Flexibilität“ und „Wandlung“. c) Hypothetisches Rechtsdenken stellt keine Zukunftsregelung dar, sondern eine solche von deren Vergegenwärtigung für den Eintrittsfall der Hypothese. Gleiches gilt für die Gestaltungen in Versicherungsform. Bei Bezug auf den – als solchen eintrittsicheren – Todesfall bleibt jedenfalls völlig ungewiss, ob der betreffende Regelungswille dann noch gelten wird. 7. Prognose als „Geltung bis auf Weiteres“ – rebus sic stantibus Die Zukunft als solche ist, als das „große, völlig Unbekannte“, weder erkenntnismäßig erfassbar, noch – deshalb – geltungsmäßig regelbar. Sie kann nur heute in Vorausschau „abgeschätzt“, auf dieser Grundlage vorbereitet, sie muss dann in rechtlichem Willensakt der Entscheidung „vergegenwärtigt“ werden. „Geltung bis auf Weiteres“ stellt das Recht unter den Vorbehalt jederzeitiger Abänderbarkeit in der Zukunft, eben als einer inso-
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weit „jederzeitigen Gegenwart“. Dies ist das grundsätzliche „rebus sic stantibus“ aller Rechtsregelung. Unter ihm steht nicht nur omnis conventio, jede vertragliche Regelung, sondern omne Ius. Alle gegenständlichen Regelungsverhältnisse, vor allem der Regelungswille als solcher mit all seinen Einflussmöglichkeiten, stehen unter einem Generalvorbehalt jederzeitiger Änderung. Dies schließt jede Art von intellektueller Voraus-Erkennbarkeit aus; insoweit kann es also eine bindende Rechtsprognose aus Erkenntnis der Zukunft nicht geben, sondern nur einen „Rechtsetzungswillen der Gegenwart auch für die Zukunft“ – er aber steht als solcher unter einer Potestativbedingung („wenn kein Änderungswille eingreift“). Hier endet jede Vorausschau im eigentlichen Sinn dieses Wortes. Es bleibt eine Möglichkeit der Vorauswirkung; sie lässt sich aber allenfalls abschätzen – vorausahnen, nicht in bindender Weise erkenntnismäßig voraussehen. Mit dem eingeführten Begriff der Prognose wird zwar nun die Untersuchung fortgeführt; stets aber muss dabei klar bleiben: Es ist dies eine intellektuelle Vorbereitung eines Voraus-Wollens in der Gegenwart, kein Ergebnis erkenntnismäßiger Zukunftserfassung im Recht. Ergebnis 5 „Geltung bis auf Weiteres“ ist weder Zukunftserfassung noch Zukunftsregelung. Sie stellt gegenwärtige Rechtsentscheidung nur unter den – letztlich selbstverständlichen – Vorbehalt, „dass sich in der Zukunft nichts ändert“. Nicht nur omnis conventio – omne Ius steht unter dem großen rebus sic stantibus. Der Staat fügt diese Potestativbedingung all seinen Gestaltungen in der Gegenwart hinzu, mit Wirkung für eine Zukunft, die er damit in eine Hypothese verwandelt.
V. Auslegung als Vergegenwärtigung der Zukunft 1. Interpretation als Vergegenwärtigung Auslegung ist ein Vorgang, ja bereits eine (Vor-)Form innerhalb der Rechtsanwendung. In einer „Prognoseuntersuchung“ verdient sie besondere Betrachtung, gleich wie man im Übrigen ihre Stellung innerhalb der Rechtsmethodik bestimmen mag. Jedenfalls ist sie ja Grundlage von rechtlichen Entscheidungen, welche in die Zukunft hineinwirken, diese gestalten, sie zur bereits geordneten Gegenwart werden lassen. Alle Auslegung erfolgt zweifellos mit einer gewissen Zielsetzung von rechtlicher Vorausschau: Der Rechtsinhalt soll in ihr so bestimmt werden, wie er sodann wirken wird, nicht wirken soll. Interpretation ist also insoweit ein Erkenntnisvorgang, kein Willensakt, darin der Prognose gleichartig.
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Sie beinhaltet auch eindeutig eine solche in der vorausschauenden Bestimmung der Rechtswirkung(en), welche sich aus dem in ihr vorbereiteten Regelungsinhalt ergeben werden; andernfalls wäre Normanwendung ein Hasardspiel, in unüberbrückbarem Gegensatz zu ihrer Ordnungsfunktion. Jede Art von Rechtsauslegung muss also als eine Prognosebemühung angesehen werden, in welcher Form immer sie auch erfolgt, als grammatische, wortlautbestimmte, begriffliche, teleologische, systematische oder wie sonst man ihre Ausprägungen umschreiben will. Denn auf der Inhaltsbestimmung durch sie baut die Rechtswirkung auf, letztlich daher das Ergebnis der durch diese gestalteten Rechtslagen. Die damit stets verbundene (gewisse) Unsicherheit der künftigen Rechtsregelwirkung ändert nichts daran, dass der mit Entscheidung gewollte Zustand rechtlich jedenfalls mit der „Entscheidung aus Interpretation“ bereits in deren Gegenwart als erreicht gilt. Insofern ist daher Auslegung eine rechtliche Vergegenwärtigungsoperation der Zukunft: Sie „ist“ (Teil der) Rechtsanwendung, diese aber ist ein Phänomen der Rechtsgeltung; all dies wirkt in der Gegenwart, in der es vorgenommen wird, lässt die Zukunft, als Inhalt der Entscheidungswirkung, rechtlich zur Gegenwart werden; nichts Zukünftiges bietet daraus noch eine rechtliche Ausflucht. Auslegung ist insoweit bindende Vorform der Rechtsentscheidung. Wenn Auslegung einen Rechtsinhalt ändert oder gar leerlaufen lässt, so findet eben etwas statt, wie ein „Selbstmord der Rechtsgeltung“, zwar mit Wirkung von der jeweiligen Gegenwart der Rechtsanwendung an, aber ganz in Weiterwirkung der betreffenden „letzten“ Gegenwart. Rechtsinterpretation ist also ihrem Wesen nach ein Vorgang der Vergegenwärtigung. 2. Auslegung als „Vorausschau“ Interpretation schaut ihrem Wesen nach nur so in die Zukunft wie die Entscheidung, welche sie vorbereitet. Diese aber wirkt sogleich, in der Gegenwart des Zeitpunkts ihres Inkrafttretens, wie die Normsetzung selbst: Vor dem Geltungseintritt existiert sie nicht, von diesem ab gibt es rechtlich „nur sie“ – eben als eine wesentlich und stets voll gegenwärtige. Auslegung erfolgt also als solche ohne jede Zukunftsdimension, als ein rein gegenwärtiger, daher eben zukunftsvergegenwärtigender Vor-Vorgang des Inkrafttretens von Rechtswirkungen. Soll dies nun aber bedeuten, dass „Interpretation als Vor-Form der Entscheidung“ ohne jede Vorausschau erfolgt? Für ihr Ergebnis, die Entscheidung, gilt dies sicher. Doch als deren Vorbereitung kommt in der Auslegung „Prognose als Versuch einer Erkenntnis“ zum Einsatz: die Entscheidungswirkungen in der jeweiligen Wirkungszukunft der
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A. Rechtsprognose
Rechtsanwendung müssen jedenfalls bedacht werden, können, werden in der Regel das Interpretationsergebnis beeinflussen. Der „reine Gegenwartsvorgang Auslegung“ beruht auf (dem Versuch) einer Zukunftsschau, einer Erfassung zukünftiger Wirkungen. Dann aber stellt sich die Frage, welche Prognoseregeln, Prognoseformen, Prognosedimensionen das „Recht der Auslegung“ als solches vorgibt. Damit erreicht die Prognosebetrachtung insbesondere den Problembereich der subjektiven und objektiven Auslegung. 3. Zukunftsbezüge der subjektiven und objektiven Auslegung a) Die objektive Auslegung, welcher grundsätzlich und im Zweifel zu folgen ist61, legt das Verständnis zugrunde, welches sich im Zeitpunkt der Interpretation, also in dem der unmittelbaren Vorbereitung der Anwendungsentscheidung anbietet, gerade dann am nächsten liegt. Es ist dieses, natürlich, auch Ergebnis einer Entwicklungsprognose der zu regelnden Ordnungslage, wie insbesondere Ergebnis einer Wirkungsvorausschau auf die anstehende Rechtsetzung / änderung. Dies alles erfolgt aber eben, nach den allgemeinen Grundsätzen der objektiven Interpretation, eindeutig und ausschließlich (ex)nunc, also aus der Sicht der bereits bestehenden Rechtslage, welche zugleich die rechtliche Entscheidungssituation darstellt. Gewiss sind dabei deren in diesem Zeitpunkt bereits absehbare Entwicklungspotenziale, nach tatsächlichen Ordnungsgegenständen wie rechtlicher Geltungswirkung, vorbereitend zu berücksichtigen. Doch der Standpunkt dieser Prognose als Vorausschau ist der einer rein gegenwärtigen Geltung im betreffenden rechtlichen Entscheidungszeitpunkt. Sie wird darin „festgeschrieben“, damit aber wird die so erfasste – meist ohnehin schon aus politischen Gründen nur verhältnismäßig kurze – Zukunft einer vorbereitenden „Vorausschau-Zeit“ in diese Auslegung einbezogen, besser: vorweggenommen in der objektiven Interpretation. Diese bedeutet damit letztlich eindeutig eine „Gegenwartsbeurteilung“, ein rechtliches „So soll dieses Recht auch weitergelten“, wie es eben gegenwärtig ordnet. Objektive Auslegung verlangt also keine umfangreichen, tiefgreifenden, erkenntnismäßigen Prognosebemühungen über zukünftige Entwicklungen; rechtlich zählt allein stets das Verständnis der Gegenwart. In der Praxis treten daher entscheidungsvorbereitende prognostische Elemente in der Regel weit zurück zugunsten eines klaren Vergegenwärtigungsstrebens, wie es aller objektiver Interpretation eben zugrunde liegt. Zumindest gilt hier eines: Prognosen sind nur insoweit rechtlich ge61 Insb. zur objektiven Auslegung Bydlinski, F., Grundzüge der juristischen ethodenlehre, 2. Aufl. 2012, S. 28 ff.; Zippelius, R., Juristische Methodenlehre, M 11. Aufl. 2012, S. 35 ff.
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fordert, als sich bereits in der Gegenwart Wirkungszweifel an der Geltung einer bestimmten rechtlichen Ordnung ergeben, als Wirkungsdefizienzen derselben in Erscheinung getreten sind, d. h. aber: gerade gegenwärtig (bereits und noch immer) auftreten. Darin liegt dann u. U. eine Vergegenwärtigung der Vergangenheit, deren, ebenfalls vergegenwärtigende, Überwirkung (bis) in die Zukunft62. D. h.: Hier erscheint Vergangenheit als Gegenwart, darin auch als Zukunft. Die gesamte objektive Interpretation ist also, als solche, ein Vorgang der Vergegenwärtigung des Rechts, in ihrer Rechtsanwendung nach heutigem, gegenwärtigem Verständnis – nicht aber eine Erfassung der Zukunft als solcher. Dies alles gilt auch, ja besonders deutlich, für jenes „Richterrecht“63, in dem u. U. in objektiver Auslegung ein (ganz) anderes Ergebnis gewonnen wird, als es dem Willen des jeweiligen (früheren) Normgebers entspricht. b) Es stellt sich aber auch, gerade in dieser letzteren Konstellation, die Frage nach der „subjektiven Auslegung“, nach dem Willen der Instanz der jeweiligen rechtlichen, der auszulegenden Gestaltung, in seiner Bedeutung im Rahmen der Prognose als Zukunftserfassung64. Hier wird nach einem Verständnis entschieden, das sich aus dem jeweiligen rechtsetzenden Willensakt ergibt, wie er in der Vergangenheit aufgetreten ist, aber nur, soweit er eben in der Gegenwart noch immer wirkt, aus Sicht des ebenfalls gegenwärtig entscheidenden Interpreten in gegenwärtiger Geltung zu gestalten scheint. Daher wird subjektive Interpretation denn auch grundsätzlich als reine Bestätigungsform objektiver Auslegungsergebnisse gewertet: Sie ist gegenüber der objektiven Interpretation schon darin wesentlich subsidiär, dass diese „in der Gegenwart“ als solcher entscheidet, die subjektive Auslegung in einer „bereits zur Gegenwart gewordenen“, darin „erneut vergegenwärtigter Vergangenheit“. In subjektiver Auslegung soll ganz klar frühere, bereits „vergegenwärtigte Vergangenheit“, d. h. „Vergangenheit über Gegenwart“, auch für die Zukunft gestaltend wirken, in „weiterwirkender Vergegenwärtigung des Früheren“. Die Interpretation erscheint daher, auch in der Form der subjektiven Auslegung, eindeutig als Ausdruck eines Vergegenwärtigungswillens der Zukunft im Recht; und dies gilt damit also insgesamt, in allen wesentlichen Interpretationsformen. Auslegung blickt auf das Recht als gegenwärtige Ordnungserscheinung, den heutigen Ordnungszustand will sie dann auch als 62 Zur Vergegenwärtigung der Vergangenheit in Tradition durch Interpretation vgl. grds. Leisner, Tradition, FN 10, S. 42, 49 („Vergangenheit als Zukunft“). 63 Zum Richterrecht s. Sommermann, K.-P., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20 Rn. 286. 64 Zur subjektiven Interpretation s. neuerdings Leisner, W. G., Die subjektive Auslegung im Gemeinschaftsrecht, EuR 2007, 689 ff.
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A. Rechtsprognose
eine weiter-, d. h. aber eben: auch mit einer in Zukunft geltenden Wirkungskraft; diese Zukunft lässt sie gerade damit jedoch zur Gegenwart werden, sie regelt sie nicht als etwas erst Kommendes. 4. Auslegung: Rechtsverständnis in jeweils „zukunftsnaher Gegenwart“ Interpretation ist demnach zwar als solche nicht Erfassung einer Zukunft, sondern deren Vergegenwärtigung. Dennoch ist ihr ein gewisser Zukunftsbezug wesentlich: Sie beurteilt und entscheidet weithin bereits „weit näher“ bei der jeweiligen Zukunft als der „ursprüngliche Rechtsetzungswille“, den sie fortführt. Die subjektiven Interpretationsformen, welche Auslegung in ihrer Vergegenwärtigung früheren Willens zum Tragen bringen, variieren in dieser ihrer „Weiterrechnung“ auch noch deutlich nach dem Interpretationsstandpunkt der jeweils hier tätigen Instanz: Der Richter wird nur in beschränktem Umfang über die bereits gegenwärtig bekannten Rechtsordnungswirkungen der von ihm anzuwendenden Normen hinwegschauen (können), weiter schon die „gestaltende Verwaltung“65, (u. U. weit) darüber hinaus noch die normsetzenden Instanzen. Bei letzteren wird solche Perspektive sich noch je nach Normstufe und Norminhalt erweitern oder verengen. Allgemein kann immerhin von Folgendem ausgegangen werden: Richter und Verwaltung sind in ihrer Auslegung jeweils „vergegenwärtigende Kenner“, damit „Herren der näheren Zukunft“; der authentisch auslegende Gesetzgeber ist es, will es jedenfalls sein, für eine weitere Zukunft. Doch immer ist hier nur etwas wirksam wie ein rechtlicher Erweiterungswille der Gegenwart, bei allen in Interpretation rechtsgestaltenden Instanzen, in all deren Entscheidungsformen. Ihr jeweiliger „Vergegenwärtigungswille“ bestimmt das Ausmaß, in dem sie in Auslegung, in ihrem Rechtsverständnis eben, Zukunft bereits zur Gegenwart werden lassen. Damit erreicht die Betrachtung aber bereits die Schwelle zu den Wirkungen des politischen Willens, damit zur Politik. Macht setzt hier von vorne herein jeder, auch rechtlicher, Erkenntnis Grenzen. Ergebnis 6 a) Auslegung ist rechtlicher Erkenntnisvorgang zur Vorbereitung der Rechtsetzung, insoweit gnoseologischer Natur. Sie wirkt hier aber als eine 65 Die „gestaltende Verwaltung“ ist als solche unauffindbar im Sinn eines „Verwaltungstopos“. Eine Analyse der näheren Bestimmungsversuche der „Exekutive“ hat dies bereits verdeutlicht, vgl. Leisner, W., Die Undefinierbare Verwaltung. Zerfall der Vollziehenden Gewalt, 2002.
VI. Rechtspolitik und Prognose49
Form der Vergegenwärtigung der Zukunft, als eine Art von Vor-Form der Entscheidung. Als solche ist Interpretation „gegenwärtig“, nach Zeitpunkt, Gegenstand, Wirkung auf die Rechtsentscheidung. Sie will deren Effekte in einer von ihr als Gegenwart gesehenen Zeitspanne vorbereitend erkennen. b) Dies gilt für die objektive Auslegung, die daher vom „Verständnis der Gegenwart“ ausgeht, wie für die subjektive Interpretation, welche deren Ergebnisse, als „vergegenwärtigten“ Normsetzungswillen der Vergangenheit, nur bestätigt. c) Auslegung beinhaltet häufig ein Rechtsverständnis von „zukunftsnaher Gegenwart“, insbesondere durch den Richter. Stets bleibt sie dennoch Ausdruck eines „rechtlichen Erweiterungswillens“ (von Entscheidungen in) der Gegenwart, durch Einbeziehung der Zukunft in diese.
VI. Rechtspolitik und Prognose 1. Rechtspolitik – Zukunftsorientierung Rechtspolitik, verstanden als (rechts-)wissenschaftliche Bemühung um zukünftige Gestaltungen der Rechtsordnung, von deren System und Grund entscheidungen bis zu einzelnen Regelungen66, muss, nach ihrem begrifflichen Anspruch, auch auf eine Erfassung von künftigen Entwicklungen und Lagen hin orientiert sein. Schon nach diesem ihrem Grundverständnis ist Prognose eine wesentliche Voraussetzung für die Vorschläge und Programme, Grundlage der geistigen Überzeugungskraft der Rechtspolitik. Diese ist aber mit solcher „Zukunftserkenntnis“ als solche nicht identisch; hinzutreten muss als ihr Gegenstand eine Betrachtung der Wirkkräfte (eben) des politischen Gestaltungswillens des Künftigen. In diesem Sinn sind Gegenstand der Rechtspolitik die jeweiligen Gestaltungspotenziale der rechtlichen Akteure, die Gesetzmäßigkeiten, nach denen sie sich entfalten. Von der Historie bis zur Psychologie eröffnet sich hier ein weites Betrachtungsfeld. Auf ihm hat prognostische, intellektuell orientierte analysierende und zusammen ordnende Vorausschau ihren festen und wohl zentralen Platz, und dies gilt auch für die Wirkungen der dogmatischen rechtlichen Gestaltungen, bis hin zu Effizienzüberlegungen67.
66 Zur Rechtspolitik allgemein s. die zusammenfassenden neueren Darstellungen bei Hassemer, W., Rechtspolitik im Gespräch: eine Bilanz aus fünf Legislaturperioden, 2011; Münch, I. v., Rechtspolitik und Rechtskultur, Kommentare zum Zustand der Bundesrepublik Deutschland, 2011. 67 Vgl. dazu bereits oben I. 2.
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A. Rechtsprognose
Untersucht werden in Rechtspolitik aber nicht nur rechtliche Imperative nach ihrem Inhalt, nach der daraus sich rechtsdogmatisch ergebenden jeweiligen anordnenden Wirkung. Ihrer zu erwartenden tatsächlichen Wirksamkeit kommt vielmehr in einer „umfassenden rechtspolitischen Zukunftssicht“ zwar eine besondere, eine hohe Bedeutung zu. Inhalt des rechtspolitischen Anliegens ist aber nicht allein diese Feststellung von abzusehenden Entwicklungen, als Material zur Berücksichtigung, bei Rechtsetzung und -anwendung. Einem Kriterium „rechtlicher Möglichkeiten“ kommt in der Rechtspolitik eine andere, höhere Bedeutung zu als im Bereich der (reinen) Rechtsprognose. Ob sich darauf eine streng begriffliche Trennung von Rechtsprognose und Rechtspolitik gründen lässt, mag fraglich sein und darf hier offen bleiben. Jedenfalls werden in Rechtspolitik (auch noch) andere Kategorien und Kriterien in die Betrachtung einbezogen als in den hier untersuchten Gegenständen dogmatisch geforderter und gesteuerter Rechtsprognose. Übergänge mögen dabei in einer Grauzone sich verwischen. Wichtig aber ist: Rechtspolitik baut zwar auf Prognose auf, ist mit ihr aber schwerpunktmäßig schon deshalb nicht identisch, weil hier eine „andere geistige Welt hereinragt“, mit ihren Dimensionen und Betrachtungsgegenständen: „Die Politik als solche“. 2. Prognose und „Politik“ a) „Rechtspolitik“ muss wesentlich auch als „Politik“ erfasst werden. Dies bedeutet, dass sie insoweit nicht nur nach rechtlichen, sondern auch nach „politischen“ Kategorien und Kriterien zu beurteilen ist. Ohne in die uferlose Diskussion um das Verhältnis von „Politik und Recht“68 einzutreten, darf doch jedenfalls davon ausgegangen werden, dass es eine „rechtliche Definition des Politischen, der Politik als solcher“ nicht gibt. Damit würde auch eine Suche nach dem Wesen der Rechtspolitik nach juristischen Kriterien allenfalls Erkenntnisse zu deren – eben auch rechtlichen – Gegenständen erbringen, nicht aber zu deren Behandlung und Beurteilung unter dem Blickwinkel gerade der „Politik“. Ist nun ein Rechtsbegriff des „Politischen“ nicht auffindbar, jedenfalls nicht allgemein anerkannt, so kann auch nicht erkannt werden, wie eine Prognose im Sinn einer rechtlichdogmatischen Vorausschau innerhalb der Rechtspolitik, oder gar als eine solche, bestimmt werden sollte. Jedenfalls brächte es nicht von vorneherein 68 Zur Diskussion um das Verhältnis von „Politik“ und „Recht“ vgl. neuerdings Ehs, T. / Gschiegl, St. / Ucakar, K. / Welan, M., Politik und Recht, 2012; Gschiegl, St., Recht und Politik, 2012, S. 27 ff.
VI. Rechtspolitik und Prognose51
einen Erkenntnisgewinn, Prognose in dem Bereich der Rechtspolitik zu verorten. b) In dieser Lage bleibt nur ein Ansatz für die Bestimmung von „Rechtspolitik“ im Verhältnis zu der hier untersuchten Rechtsprognose: Bei der „Rechtspolitik“ ist „Recht“ der Gegenstand, „Politik“ bezeichnet dessen Gestaltungsformen, mit Wirkung für eine noch nicht begonnene Geltungszeit. Rechtspolitik beinhaltet ausschließlich Überlegungen über Zukunfts gestaltung, zukünftige Geltungsmöglichkeiten. Sie hat also eindeutig eine „Zukunft als solche“ zum Gegenstand, nicht, wie aber die Rechtsprognose, Vorausschau als Vergegenwärtigung des Zukünftigen, damit Behandlung der Zukunft als Gegenwart. Rechtsprognose ist dazu ein Hilfsmittel. Ziele der Rechtspolitik sind aber auch hier nicht Feststellungen über bereits absehbare Rechtslagen, sondern Überlegungen zum Umgang mit möglichen künftigen Rechtslagen, zu deren eventueller Gestaltung. c) In der Rechtspolitik liegt deshalb im Gegensatz zur Rechtsprognose, keinerlei Vergegenwärtigung der Zukunft, sondern nur Überlegungen zum Umgang mit möglichen Zukunftslagen. Gegenstand der Rechtsprognose ist dagegen die Feststellung von Rechtslagen aus gegenwärtiger Perspektive. Bei Prognose geht es mithin wesentlich um rational Feststellbares, in der Rechtspolitik (zugleich auch) um „Mögliches“, im Sinne einer „Politik“, die ja stets als eine „Kunst des Möglichen“ angesehen worden ist. Die Folge davon kann nur sein: Eindeutige Trennung von Rechtsprognose und Rechtspolitik. Erstere ist allein den Regeln strikten Rechts unterworfen; Rechtspolitik bewegt sich weitestgehend außerhalb rechtlicher Bindungen, jedenfalls ist ihr Anwendungsbereich viel weitergehend dem politischen Willen überantwortet, als der erkennenden Feststellung, mit der eine Rechtsprognose ihren feststellbaren Ausgangspunkt für Entscheidungen gewinnen will, als Material zur Berücksichtigung, nicht als Bestimmungsfaktor im eigentlichen Sinn. d) Daher verbietet sich auch eine Fragestellung an die Rechtspolitik, welche aber die Prognose im Folgenden leiten muss: Welche Räume, Dimensionen, Formen gibt die Rechtsordnung ihr vor? Dies alles ist, als solches, zwar global auch Gegenstand der Rechtspolitik, nicht aber Vorgabe für deren Realisierung, jedenfalls nicht mit einem solchen Bestimmungsanspruch, wie dies bei der Prognose der Fall ist, gerade nach Verfassungsrecht; dies wird nun in der Folge noch näher zu zeigen sein.
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A. Rechtsprognose
3. Rechtsprognose und Politologie a) Die Prognose ist als solche auch bedeutsam für die Bestimmung einer Trennungslinie zwischen staatsrechtlicher und politologischer Betrachtung69, wenn es denn eine solche Abschichtung gibt. Letztere beschäftigt sich zwar ebenso wie das Staatsrecht mit rechtlicher Normgeltung, mit Voraussetzungen und Wirkungen einer solchen. In derartigen Überlegungen erschöpft sich aber weder politologisches Denken, noch steht dies bei ihm eindeutig im Mittelpunkt: Historische, soziologische, wirtschaftliche, ja psychologische Kriterien verbinden sich in ihm mit rechtlichen in einer der Politischen Wissenschaft eben eigentümlichen Weise. Formen, Inhalte, Ergebnisse dieses auch methodisch vielschichtigen Phänomens können hier nicht vertiefend untersucht werden. Für eine Bestimmung des Wesens der Rechtsprognose genügt die Feststellung, dass diese zentral, wenn nicht ausschließlich, jedenfalls aber in einer ganz anderen, speziellen Weise nach den methodischen Kriterien des Rechts und dessen konkreten normativrechtlichen Vorgaben zu erfolgen hat, als dies in politologischem Denken der Fall sein kann. b) Daraus ergibt sich immerhin eine gewisse Abschottung politologischer von rechtlichen Prognosebetrachtungen, gegenständlich wie methodisch. Wie weit die typisch „rechtsdogmatische“ Vorausschau in eine politologische Gesamtschau, vor allem eine Gesamtmethodik der Politologie integriert werden, mit dieser eine wissenschaftsmethodische Einheit bilden kann, oder ob sie als ein selbständiger Bereich in derselben anzusehen ist, muss aus dem wissenschaftlichen Selbstverständnis der Politologie, es kann nicht (allein) in rechtlicher Prognosesicht entschieden werden. Diese mag auf politologische Betrachtungen zurückgreifen – aber eben nur als Material, allenfalls als Gegenstand rechtsdogmatischer Prüfung von Wesen und Grenzen der Rechtsprognose. Nach diesen allgemeinen Überlegungen zum Wesen der Rechtsprognose, aus deren spezifischem Wesen, zu ihren rechtlich-gegenständlichen Inhalten wie ihrer juristischen Methodik, wendet sich die Betrachtung nun dem engeren Bereich typisch staatsrechtlicher Vorgaben einer Rechtsprognose zu. Von der Allgemeinen Rechts- führt damit ihr Weg zur Allgemeinen Staatslehre, darin vor allem zu dem, was sich aus dem herrschenden Verfassungsverständnis der Demokratie zur Prognose ergibt. 69 Zur Entwicklung der Politischen Wissenschaft(en) s. neuerdings insb. BergSchlosser, D. / Stammen, Th., Politikwissenschaft. Eine grundlegende Einführung, 8. Aufl. 2013, S. 41 ff.; Pelink, A. / Verwick, J., Grundzüge der Politikwissenschaft, 2. Aufl. 2010, S. 13 ff.
VI. Rechtspolitik und Prognose53
Ergebnis 7 a) Rechtspolitik mag auf Rechtsprognose beruhen; auch sie ist Vorausschau auf mögliche künftige Faktenlagen, Rechtswirkungen, Gestaltungspotenziale rechtlicher Akteure. In dieser „Möglichkeitsschau“ bewegt sie sich aber insgesamt in einer anderen Dimension als der des Rechts: in Politik. b) Der Begriff des „Politischen“ ist bisher im (Staats-)Recht nicht in allgemein anerkannter Weise definiert. Prognose kann also rechtlich nicht aus ihm heraus bestimmt werden. „Politik“ beschäftigt sich mit der „Kunst des Möglichen“, nicht des „Geltenden“. Darin bereits ist sie von „Rechtsprognose“ zu unterscheiden. c) Eine Grenze zwischen (Staats-)Recht und Politologie verläuft gerade hier: Politische Wissenschaft betrachtet einen viel weiteren Gegenstand, in Verbindung – oder Integration – vielfältiger Methoden. Rechtsprognose ist allein dem (Staats-)Recht verpflichtet, dessen Entscheidungen sie „in Gegenwärtigkeit vorbereitet“; sie leuchtet nicht (dessen) virtuelle Räume aus, in Zukunftserfassung.
B. Prognose und Allgemeine Staatslehre: Verfassungsrecht als normativer Rahmen insbesondere der Demokratie I. Das Wesen des Verfassungsrechts – Normwirkungen Die Vorausschau im Recht, juristische Zukunftserfassung, ja -ordnung wird hier in ihren grundsätzlichen Fragestellungen behandelt, nicht in ihren einzelnen Instrumenten oder gar ihren methodischen Sorgfaltsanforderungen und möglichen inhaltlichen Ergebnissen; dies alles stellt nur Konkretisierungsformen in Einzelbereichen dar. Im Folgenden wird daher aus Kategorien und Kriterien heraus argumentiert, welche in der Allgemeinen Staatslehre70 zu verorten sind. Gerade dabei zeigt sich auch die eminent praktische Bedeutung gerade dieser Disziplin, in welcher eben Weichen gestellt werden für das „Allerkonkreteste“ sämtlicher rechtlicher Gedankenoperationen: in der Einzelvorbereitung juristischer Entscheidungen, welche alle, auch in engsten Wirkungsräumen, einer „Prognose“ bedürfen. 1. Prognose im Licht der klassischen Staats-(Verfassungs-)Theorien der Allgemeinen Staatslehre Prognose bewegt sich im Rechts stets zwischen (Macht-)Willen und (Rechtstatsachen-)Erkenntnis; dies zeigte sich bereits71; sie ist dabei allerdings wesentlich „willensgesteuert“ in ihrem Erkennen. Die Problematik dieses Zusammenwirkens – oder dieser Abgrenzung – war Gegenstand der inzwischen bereits „klassischen“ Staatslehren der Weimarer Zeit; sie wirken auch heute noch als Grundlagen des Staatsrechts in der Allgemeinen Staatslehre72. Die Bedeutung dieser Grundkonzeptionen muss daher Ausgangspunkt auch gegenwärtigen Verständnisses einer Rechtsprognose sein. 70 Zur Bedeutung der Allgemeinen Staatslehre vgl. Leisner, Institutionelle Evolution, FN 27, S. 38 ff. 71 s. etwa Vorbem., vor allem 4. und 6., sowie IV., insb. 1., 4. 72 s. dazu Isensee, J., in: Depenheuer, O. / Grabenwarter, Chr., Verfassungstheorie, 2010, S. 211 ff. m. Nachw.; Leisner, Institutionelle Evolution, FN 27, S. 29 ff.
I. Das Wesen des Verfassungsrechts – Normwirkungen 55
a) Für die Grundgedanken der Lehre Hans Kelsens73 über das Wesen eines Rechts, das sich im Stufenaufbau der Normen zeigt, darin die Staatsorganisation, das Staatsrecht als solches bestimmend prägt, stellen Prognosefragen nicht einen zentralen Betrachtungsgegenstand dar. „Das Recht“ wird hier als eine (völlig) eigen-ständige gedankliche Welt vorgestellt, die aus ihren typischen Normstrukturen heraus zu verstehen ist. Diese sind als solche ebenso wesentlich un-, außer- oder überzeitlich zu denken wie das Verfahren der Produktion der Normen und, folgerichtig, auch deren Auslegung. „Zeit“, damit eben auch „Zukunft“, Normwirkungen typisch gerade in ihr – all das sind keine zentralen kelsenianischen Kategorien. Dies bedeutet nun allerdings nicht, dass Prognose nicht (auch) in deren Licht zu sehen, zu beurteilen wäre. Denn dies alles sind ja Formen des Erkennens, ein solches aber findet, unbestritten, in den Kategorien von Raum, Zeit und Kausalität statt. Nach diesen muss sich alle Erkenntnis denn auch im Staatsrecht richten74. Der Gegenstand staatsrechtlichen Erkennens als solcher, die „Normenwelt“, ist aber in der Reinen Rechtslehre nicht in Bewegung zu denken, unterwegs auf ein Ziel hin. Der Kelsenianismus ist nicht wesentlich finalistisch, sondern grundsätzlich eben doch begriffsjurisprudenziell ausgerichtet75. Er sieht gerade das Staatsrecht, letztlich alle Normativität, als Ergebnis und Ausdruck einer Rahmenvorstellung. Alle Rechtsentwicklung vollzieht sich „in rechtlichen Rahmen“, ist in dieser Perspektive allein zu sehen; nur daraus zieht sie ihre typisch juristische Legitimation. In diesem Sinn zeigt sich also Kelsenianismus als eine „zeitlose“, jedenfalls „zeitfreie“ Sicht auf das Staatsrecht; in ihr kommt Zukunft allenfalls vor in der Bedeutung des jeweiligen Zeitpunkts der Rechtsetzung, damit der Rechtswirkung, welche vor oder nach einer anderen eintritt. Die Kategorien der lex prior – posterior beherrschen insoweit auch diese Rechtsvorstellungen. Im Übrigen aber ist für dieses „Rechtsdenken in Rahmenkategorien“ die Zukunft mit ihren spezifischen Rechtserscheinungen und Rechtswirkungen ein Phänomen jener „außerrechtlichen Wirklichkeit’“, von der es grundsätzlich diese seine Rechtswelt abgrenzt. Zeitliche Nähe oder Ferne von Rechtswirkungen, deren Voraussehbarkeit, „das noch Unbekannte darin“ – all dies sind hier letztlich außerrechtliche Probleme. Der Produktionsprozess des Rechts mag, muss wohl wesentlich in der Zeit stattfinden, damit auch „in 73 Zum
Kelsenianismus aus neuerer Sicht Isensee, FN 72. Betrachtungen des Staatsrechts nach den Drei Kantischen Kategorien bei Leisner, W., orientieren sich daran, vgl. Institutionelle Evolution, FN 27, S. 110 ff.: Der Triumph, 1985 (Kausalität): Die Staatsrenaissance 1987 (Zeit); Der Monumentalstaat (Raum) 1989. 75 Im Sinne von A. IV. 1. 74 Die
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B. Prognose und Allgemeine Staatslehre
die Zukunft hinein“ sich erstrecken. Solche Dimensionen sind aber eben keine wesentlich (staats-)rechtlichen. Kelsenianismus, damit auch die noch heute für alles Recht geltende normative Betrachtungsweise, kann also nur als ein nicht nur grundsätzlich, sondern ausschließlich gegenwartsbezogenes Rechtsverständnis angesehen werden. Rahmen bedeutet insoweit „Dogmatik ohne Evolution“. Prognose ist hier kein Topos – grundsätzlich nicht. b) Smends Integrationslehre76 erscheint, auf den ersten Blick, als wesentlich zukunftsoffen, ja zukunftsbestimmt. Hier soll doch der (kelsenianischjuristische) Rahmen des Staatsrechts als ein „Einigungsraum“ gesehen werden, letztlich gerade nach gegenwärtigem demokratischen Verständnis, damit sich in ihm der Volkswille bilde, demokratischer Konsens entfalte77. Dies ist nun allerdings wesentlich ein Verfahren, das in einer prinzipiellen Zukunftsdimension zu sehen ist, schon in seiner grundlegenden, wenn auch (nur) prozedural finalen Zielorientierung. Hier müsste also diesem Ziel, in Beachtung seiner orientierenden Kraft, damit aber auch der Prognose als deren wesentlicher Methode, zentrale Bedeutung zukommen: Was lässt sich dann, bei Rechtsauslegung oder neuer Rechtsetzung, jeweils bereits als deren „einende Potenz“ erkennen, vorausschauend? Hier darf aber nicht eine vereinfachende Betrachtung vorherrschen, im Sinne eines „irgendwie“ zukunftsgeprägten Rechts. Zielbetrachtung, darin Finalistik, liegt der Integrationslehre zwar zugrunde, findet aber aus gegenwärtiger Sicht statt, in der Bestimmung des Einungsziels wie der angestrebten Annäherung an dieses. Legitimierend zugrunde gelegt werden die „Einungspotenziale“ der jeweiligen Entwicklungen, so wie sie sich eben gegenwärtig in Vorausschau bestimmen lassen. Eine wesentliche Zukunftserfassung, „Einbeziehung der Zukunft“ in diesen Vorgang liegt dem nicht zugrunde. Integrationslehre bedeutet Betrachtung des Staatsrechts in Öffnung zu einer (bestimmten) Teleologie. Die Perspektive wechselt damit von Kelsenianischer Begriffs- zu Smendscher Interessenjurisprudenz, welche auf kollektiv-demokratische Interessenbündelung setzt, sich in ihr entfalten, aus ihr sich rechtfertigen lassen soll. Eine spezielle Zukunftswirkung als solche kommt aber auch dieser Orientierung am „Einungspotenzial“ nicht zu. Sie wird gesteuert aus gegenwärtigen, vor allem demokratischen Überzeugungen heraus; es wirken demokratische Zukunftshoffnungen, nicht aber erkenntnismäßige (Annäherungen an) Zukunftsgewissheiten. 76 Zur
Integrationslehre vgl. Isensee, FN 72. Konsens grdl. noch immer Scheuner, U., Konsens und Pluralismus als verfassungsrechtliches Problem in: Jakobs (Hg.), Rechtsgeltung und Konsens, 1976, S. 33. 77 Zum
I. Das Wesen des Verfassungsrechts – Normwirkungen 57
Integrationslehre ist letztlich finalistische Staats-, Rechtsordnungsbetrachtung; als solche zeigt sie sich zudem wesentlich verfahrensmäßig orientiert („Einung“), nicht auf konkrete Ordnungsergebnisse hin ausgerichtet. Sie sieht das Recht als Gegenwartswillen, der in die Zukunft hinein wirken soll, aus deren Voraus-Erkenntnis als solcher aber weder konkrete Inhalte noch spezielle Geltungslegitimation gewinnt. Als Allgemeine Staatslehre bleibt die Integrationstheorie also, ebenso wie der Kelsenianismus, letztlich gegenwartsbezogen – damit eben eine (mögliche) Betrachtungsweise in staatsrechtlicher Dogmatik. „Immer mehr Einung“ – das mag ein Staatsziel sein, ebenso wie „immer mehr Wohlstand“ – es sind dies aber nicht Ergebnisse von Erkenntnissen in Rechtsprognose. Auch hier „bleibt alles (Staats-)RechtsGegenwart“, Gestaltung in ihr, von ihr aus, auf einer Plattform. c) Der Dezisionismus78 bietet dem gegenüber ganz offen eine entschiedene, eben eine „entscheidende“ Gegenwartsbetrachtung, damit eine geradezu grundsätzliche Vergegenwärtigung des Staatsrechts. Gerade dessen Wesen wird in jener „Entscheidung“ gesehen, die nur hic et nunc fallen kann, entsprechend dem Napoleonischen79 „En fait de guerre on s’engage et puis en voit“. Auch die wesentlichen Ziele dieses entscheidenden Handelns, wie die Einheit der Verfassung, der Nation80, müssen über die „Einheit der Dezision“ erfasst und angestrebt werden. Das Recht darf darin nicht, in übersteigerter Rechtsstaatlichkeit, in den Raum zukunftsorientierter „Politik“ einbrechen. Sie ist eine andere, machtpolitisch zu erfassende Welt, welche von (insbesondere verfassungs-)gerichtlich-rechtlichen „Erkenntnissen“ klar und endgültig zu unterscheiden ist. Diesem „Raum des Politischen“ ist im Dezisionismus letztlich alle „Prognose“ zugeordnet. Zukunft mag sich in Vorausschau erkennend überblicken lassen, rechtlich erfassen lässt sie sich als solche mit solchen Kräften und Methoden nicht, noch weniger (bereits) aus der von ihr noch u. U. weit, ja unbestimmt entfernten Gegenwart heraus gestalten. Was an zukünftigen Entwicklungen und möglichen Ergebnissen heute bereits erfassbar erscheint, wird in der Dezision völlig in diese Gegenwart hinein-genommen, als eine solche gestaltet. Die Härte, welche der Dezisionismus in alle Rechtsauslegung und -anwendung trägt, distanziert sich, in reiner Präsenz, von allen Wirkungen eines dubium, wie es der Zukunft eigen sein mag. Die Grundstimmung dieser Verfassungslehre ist also eine prinzipiell prognose-, weil eben eine „erkenntnisfeindliche“, vielmehr eine willensorientierte. Sie setzt auf Recht als einen Willen, welcher in Geltung die Erkennt78 Zu Carl Schmitt und dem Dezisionismus s. Leisner, Institutionelle Evolution, FN 27, S. 33. 79 s. Leisner, W., Napoleons Staatsgedanken auf St. Helena, 2006, S. 26. 80 Vgl. Isensee, FN 72, S. 214 ff.
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B. Prognose und Allgemeine Staatslehre
nis ersetzt. Ohne dass sich dies vielleicht in allen Einzelheiten aus dezisionistischen Äußerungen ableiten lässt, dieses Recht als Entscheidung: Eine solche Grundkonzeption muss sich geradezu wesentlich prognosefeindlich im konkreten Handeln der Rechtspraxis auswirken; und dies ist heute bedeutsamer als dogmatische Auslegungsversuche dieser ohnehin weithin „politisierten Staatsrechtstheorie“: Dezionismus mag in Effizienz81 denken, darauf auch prognostische Blicke richten – Prognose als solche kann, ganz grundsätzlich, hier weder Problem sein noch Aufgabe des Staatsrechts. d) So zeigt sich denn, dass die klassischen Staatstheorien als solche, damit aber auch in ihren heutigen (Nach-)Wirkungen über die Allgemeine Staatslehre, sämtlich in einer staatsrechtlichen Grundstimmung zusammenwirken: Ihre rechtliche Betrachtung, wie sie vom Staatsrecht geprägt und in Geltung realisiert wird, ist eine wesentlich gegenwartsorientierte. Dies entspricht dem beherrschenden Rechtsbegriff der Rechtsgeltung, dessen Wesen durch Machtwillen bestimmt wird. Daraus ist abzuleiten: Rechtsprognose kann Zukunft als solche demnach nicht erfassen, nicht regeln. Stets bestimmt sie das Recht in Gegenwart, in Vergegenwärtigung. Man mag dies als „rechtliche Fiktion“82 werten, oder Vorausschau nur als Feststellungsform von Fakten ohne jeden Rechtsgehalt – Normierung der Zukunft, Ausgriff in sie, findet nach den Staatstheorien in Prognose nicht statt. Sie ist nur ein Hilfsmittel der „Vergegenwärtigung“. 2. Prognose und „Vertragsstaatlichkeit“ a) Staatsrecht kann nicht nur als einseitig gesetztes Hoheitsrecht betrachtet werden, sondern auch, einer bereits erkennbaren „Privatisierungsentwicklung des Öffentlichen Rechts“ entsprechend83, im Sinne einer Vertragsstaatlichkeit84. Das Wesen dieses staatlichen Rechts als Vertragsrecht wird dann als Ausdruck einer Einigung gesehen und ausgelegt, welche auch in hoheitliche Erlassvorgänge hineinzudeuten ist. Wieweit derartiges zulässig oder erforderlich sein kann, ist hier nicht Gegenstand der Untersuchung. Es fragt sich jedoch, ob sich aus einem solchen Vertragscharakter (auch) des Staatsrechts Folgerungen für eine „Rechtsprognose“ ergeben könnten, wie sie insbesondere im Gesetzgebungsverfahren eingesetzt werden soll. 81 Zur
Effizienz vgl. oben A. I. 2. Fiktion im staatsrechtlichen Zusammenhang grds. Leisner, W., Das Volk. Realität oder Fiktion, FN 28, S. 31 ff. 83 Dazu grundlegende Überlegungen bei Leisner, W., „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“, FN 3, S. 127 ff. 84 Leisner, W., Vertragsstaatlichkeit. Die Vereinbarung – eine Grundform des Öffentlichen Rechts, 2009, insb. S. 75 ff. 82 Zur
I. Das Wesen des Verfassungsrechts – Normwirkungen 59
b) Dann aber ist zu fragen, wie es um eine „Vertragsprognose“ steht. Soweit hier Tatsachenfeststellungen Grundlagen sind, auch hypothetischer Art, sind gerichtliche Feststellungen in diesem Bereich, im Zivil- wie aber auch im Öffentlichen Recht85, zu beurteilen im Rahmen des Rechts der Beweisführung86; dem dienen dann auch die vorbereitenden Überlegungen der Vertragspartner, welche auf diesem Wege den Vertragsgegenstand, zivilrechtlich die Geschäftsgrundlage, damit eine Zukunftswirkung ihrer Vereinbarung bestimmen wollen. Im Vertrag soll eben wesentlich gerade diese Zukunft in Rechtsgeltung gestaltet werden. Darin unterscheidet sich aber auch die vertraglich gesetzte Norm, der Vertrag als „la loi des parties“, nicht von einer in Gesetzesform erfolgenden Regelung87. Stets geht es um Vorausschau von Tatsachen, um deren Beeinflussung durch das Verhalten der Staatsorgane – wie eben generell der Vertragspartner – und um erwartete Ergebnisse einer derart zu beeinflussenden Entwicklung. Auch hier wird aber allein in der Gegenwart gehandelt und ausschließlich in einer Sicht, welche in der jeweiligen Gegenwart nicht nur möglich, sondern rechtstatsächlich existent ist. Der Vertrag vergegenwärtigt ebenso die Zukunft wie das Gesetz; vertragsstaatliche Deutung ändert also nichts an den Ergebnissen der Allgemeinen Staatslehre zum Wesen der Normen. Als solche sind sie Regelungen zwar für eine Zukunft, aber aus der Sicht, mit einer Geltungskraft, die lediglich in der jeweiligen Gegenwart inhaltlich bestimmt ist. 3. Recht in Evolution: Nur Gegenwart auch in späterer jeweiliger Änderung Der Vollständigkeit halber sei hier noch angefügt, dass diese Ergebnisse aus der Sicht der Allgemeinen Staatslehre auch insoweit gelten, als das Staatsrecht in einer Evolution gesehen wird88. Wie sich diese Entwicklung vollzieht, in Über-, Fort-, Weiterentwicklung bisheriger Rechtslagen – all das bleibt letztlich ohne grundsätzliche Auswirkung auf das Wesen einer „Rechtsprognose als Erfassung der Zukunft“: Eine solche findet auch hier nur als deren Vergegenwärtigung statt. Der Evolutionsvorgang vollzieht sich jeweils in Normsetzungen aufeinander folgender Gegenwarten, welche Rechtsänderungen zum Gegenstand haben. Jede von ihnen aber ist und bleibt hinsichtlich ihrer Geltung jeweils reine Gegenwart, aus deren jewei85 Vgl. Neumann, W., in: Sodan / Ziekow (Hg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, S. 137, Rn. 126. 86 Vgl. oben A. III. 2. 87 Ein Ergebnis, das sich auch über die Allgemeine Staatslehre aufgrund eines unbestrittenen kelsenianischen Normverständnisses ergibt (vgl. vorst. 1. a). 88 Vgl. Leisner, Institutionelle Evolution, FN 27, insb. S. 46 ff.
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B. Prognose und Allgemeine Staatslehre
ligem Rechtserkenntniszustand heraus und von gegenwärtigem Rechtsetzungswillen getragen. Evolutionistisches Denken kommt allerdings schwerpunktmäßig aus einer Betrachtung der Entwicklungspotenziale gegenwärtiger Rechtszustände, welche aus Erfahrungen der Vergangenheit schöpfen will. Doch sie bleibt stets stehen am (Zeit-)Punkt der gegenwärtigen Prognose, Erwartungen und Hochrechnungen gelten nur aus der Sicht des Heute. Wie für alle bisher betrachteten Perspektiven einer Vorausschau gilt auch hier: Sie wirkt heute, Zukünftiges als solches kann sie nicht gestalten, sondern nur „jeweils behandeln wie eine Gegenwart“. Für die Prognose gilt: Sie „lässt die Uhren alle, alle stehen“89 – dann kann sie weiter auf sie schauen, aber nur auf die Zukunft des Rechts in Gegenwart. Ergebnis 8 a) Wird Prognose mit Blick auf die Verfassung untersucht, also im Lichte der Allgemeinen Staatslehre, so ist dabei vor allem von den „klassischen Staatslehren“ der Weimarer Zeit auszugehen, ihren Betrachtungen zum Zusammenwirken von Erkenntnis und Willen im Normbereich. Kelsens Rechts- und Staatslehre erfasst das (Verfassungs-) Recht nicht in Zukunftsorientierung, in Abläufen, sondern statisch-erkenntnismäßig, aber in Rahmen-Kategorien. Prognose ist hier kein Topos. (Smends) Integrationslehre sieht Verfassung(srecht) als Einungsprozess in der Zeit, Zukunft aber stets als jeweilige Gegenwart. Zwar wird hier finalistisch und verfahrensrechtlich, insoweit zukunftsbezogen gedacht, in der Evolution eines demokratischen Konsenses; „Zukunftserkenntnis in Prognose“ findet darin aber nicht statt. Der Dezisionismus (Carl Schmitt), die Lehre des „hic et nunc“ entscheidenden Willens, nicht der Erkenntnis, ist als solcher deutlich prognosefeindlich. Die „klassischen Staatslehren“ sind also doch nur Rechtsgeltungstheorien in Gegenwart. „Zukunftsregelung“ findet im Staatsrecht nach ihnen nicht statt. Prognose ist Hilfsmittel einer Vergegenwärtigung des Künftigen. b) Wird Staatsrecht gesehen in Vertragsstaatlichkeit, in fortgesetztem Vertragswillen, so ist auch hier „Rechtsprognose“ nur Vergegenwärtigung der Zukunft eines jeweils künftig geltenden Rechts, auf der Grundlage von dessen gegenwärtig bestimmter Vertragsgrundlage, nicht eine „Rechtsgestaltung der Zukunft“. Gleiches gilt für eine Evolutionstheorie des (Staats-) Rechts, welche dieses nur in seiner jeweiligen Gegenwart sehen kann, wie auch alle seine späteren Änderungen.
89 Wie
es im I. Akt des „Rosenkavaliers“ heißt.
II. Verfassung als höhere Normstufe61
II. Verfassung als höhere Normstufe: Weitere Vorausschau? 1. Normstufenwirkung in Prognose? – Verfassung als Kontinuität Mit dem Begriff der Verfassung ist die Vorstellung von einer Kontinuität der Ordnung verbunden, in welcher Normstufen länger, vielleicht gar „ewig“ unabänderlich gelten90. Wo aber Kontinuität angestrebt wird, da erscheint Prognose entbehrlich, wenn nicht geradezu begrifflich ausgeschlossen: Soweit eine Rechtslage darauf angelegt ist, zu bleiben wie sie ist, entfallen jene Änderungsnotwendigkeiten, zu deren Überprüfung gerade Vorausschau eingesetzt werden soll. Gegenwart besitzt dann zugleich rechtlich Zukunftskraft, nach Verfassungsrecht in geradezu grundlegender Weise. Von Vorausschau auf eine – mögliche – Verfassungsentwicklung kann also jedenfalls nur in einem sehr eingeschränkten Verständnis die Rede sein. Verfassungsänderungen sind ja auch praktisch, wie in ihrem rechtlichen Grundverständnis, etwas wie „Haupt- und Staatsaktionen“. Und dieses Kontinuitätsbedürfnis in Rechtsgeltung setzt sich normativ nach unten fort, wenn auch abgeschwächt im Abstieg der Normstufen: Änderung einfacher Gesetzgebung führt immerhin zu etwas wie einem „größeren Aufwand“ für verfassungstragende Institutionen und Kräfte, während untergesetzliche Entwicklungen sich in politisch stilleren Wassern, wenn nicht gar weithin unbemerkt vollziehen. Der jeweilige „Prognoseaufwand“ auf den einzelnen Normstufen muß allerdings, auch wenn er lediglich einer Vergegenwärtigung der jeweiligen Zukunft dient, eher von niederer (Norm-)Stufe zu höherer Stufe zunehmen. Im Bereich der verfassungsrechtlichen Regelungsgegenstände kann dann, entsprechend bisheriger Praxis der Verfassungsänderungen, auch noch weiter differenziert werden: Bei Zuständigkeits-, überhaupt bei Organisationsnormen muss noch immer so Manches geprüft und bedacht werden; im Bereich der Grundrechte so Vieles, dass es in der Regel schon gar nicht mehr auch nur zu Versuchen einer Verfassungsprognose kommen wird. Sicher ist jedenfalls: Die Normenpyramide führt auch zu entsprechend deutlich abgestufter Rechtsprognose in der Vorbereitung jeweiliger Rechtsänderungen in der Gegenwart. Eine einheitliche Verfassungsprognose in diesem Sinn gibt es kaum, Rechtsprognose ist jedenfalls grundsätzlich normstufenmäßig zu differenzieren: zunehmend in Stufen-Aufstieg. 90 Zur Kontinuität vgl. grdl. Leisner, A., Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 100 f. Zur Ewigkeitsentscheidung, FN 1.
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B. Prognose und Allgemeine Staatslehre
2. Zeitübergreifende Verfassungswerte – in Zukunft ausgreifendes rechtliches Ordnen? a) Die Verfassung als solche soll, nach nicht nur verbreiteter, sondern konsensgetragener Auffassung, Stabilität im Staat sichern, ja in der Gesellschaft, über die in ihr zu Recht gewordenen „Verfassungs-Werte“91. Sie sind der Ausgestaltung, nicht aber wesentlichen Änderungen zugänglich. In ihnen liegt eine „vertikale Dimension“, in welcher die Stufenlehre sich aufbaut: „Höhere Stufen des Rechts“ – das kann nur „höhere Wertigkeit“ ihrer Norminhalte bedeuten, daraus sich legitimieren. Liegt damit in den Verfassungswerten nicht eine zeitlich weiterwirkende Inhaltlichkeit, darin temporär übergreifende Zukunftsgestaltung? Sind sie nicht Gegenstand von Überzeugungen, die eben nicht in modischer Tagtäglichkeit gewechselt werden, nicht „des Kaisers Kleider“ darstellen, sondern Ausdruck und Ausfluss der Staats-Majestät sind, wenn nicht gar einer gewissen „Monumentalstaatlich keit“92? In dieser könnten dann diese Verfassungswerte doch, als Entscheidungen in die, in alle Zukunft hineinragen, diese in ihrer Ordnung prägen. Die zentralen Inhaltsbereiche der „Werte“ wären dann als in Überzeugung vorweggenommene Erkenntnis(se) einer Zukunft zu betrachten, die allenfalls an ihren Rändern, „marginal“, in einer Unsicherheit des (vielleicht nicht) Kommenden verschwimmen mögen; auf diese letzteren Bereiche mag sich der schärfere Blick niederrangiger Gesetzgebung weiter konkretisierend richten. Ist damit nicht „erweiterte Zukunftsgeltung“ geradezu Wesen allen Verfassungsrechts, aus dessen Werthaltigkeit heraus? b) So sehr eine solche Perspektive sich anbieten mag – sie gerade unterliegt grundlegenden Bedenken. Werte sind, formell wie inhaltlich, Gegenstände, ja Produkte menschlicher Überzeugungen. Diese wirken zwar in zeitloser Dimension, immer aber und ausschließlich aus der jeweiligen Gegenwart heraus. Ihr Wesen liegt in Willensentscheidungen, welche (angebliche) Erkenntnisse zu subjektiver Wahrheit werden lassen. Der Wert als solcher ist nicht wesentlich, und auch nicht in einem wie immer zu bestimmenden Sinn, als solcher „Wahrheit“, Gegenstand eines (vermeintlichen) Erkennens. So kann denn auch eine wie immer zu bestimmende verrecht91 Zur Verfassung als Werte-Ordnung vgl. den Überblick bei Wernsmann, Th., Wert, Ordnung und Verfassung, 2007; Di Fabio, U., Grundrechte als Werteordnung, JZ 2004; Leisner, W., „Wertewandel“ und Verfassungsrecht, JZ 2001, S. 313 ff. m. Nachw.; ders., Gott und Volk. Religion und Kirche in der Demokratie, 2008, S. 93 ff. 92 Leisner, W., Monumentalstaatlichkeit. „Große Lösung“ – Wesen der Staatlichkeit, 1989, 2. Aufl. in: ders., Das demokratische Reich, Reichsidee und Volksherrschaft in Geschichte und Recht, 2004, S. 553 ff., dort zu den „zeitlichen Dimensionen“, S. 588 ff.
II. Verfassung als höhere Normstufe63
lichte „Staatswahrheit“93 nicht Gegenstand einer Rechtsprognose sein. Wahrheitssuche in Werten ist ihrem Wesen nach Willensanstrengung, nicht Erkenntnisstreben. Eigene Überzeugungen als Zukunftsvisionen – das zeigt potenzierten Regelungswillen, nicht aber zeitübergreifende Geltungskraft aus einer Erkenntnis. Überzeugung wird mit Brustton vertreten, nicht in zerebraler Kühle; diese Unterscheidung werden die „heißen Herzen der (Rechts-)Politiker“ allerdings in der täglichen Praxis weiterhin ignorieren. In einer Vorausschau der Prognose können dazu allenfalls Marginalien beigetragen werden. Verfassungspathos bewegt sich auf einer ganz anderen Ebene als Verfassungsrecht, damit als alle Prognose. Es mag gerade dort seine stärkste Wirksamkeit entfalten, wo es in sog. „Visionen“ über alles gegenwärtig Erkennbare hinwegschreitet. Entsprechende intellektuelle Kritik mancher Politiker an anderen als „Visionären“ hat es denn auch in den vergangenen Jahrzehnten stets gegeben. Belege dafür liefert Gegenwartsgeschichte; es ist dies alles aber nicht Gegenstand der vorliegenden staatsrechtlichen Betrachtungen. 3. Verfassungsrecht als „weitere Schau von höherer Warte aus“? a) Führt man die Prognoseproblematik aus der weithin voluntativ gesteuerten Wertediskussion zurück in ihren eigentlichen, den intellektuellen Erkenntnisbereich, so mag sich immerhin die Frage stellen, ob nicht allein schon die „dogmatische Höher-Ordnung der Verfassungsnormen“ diese erkennen lässt als Ausdruck juristischer Entscheidung der jeweiligen verfassunggebenden Gegenwart für eine Zukunft, als ein rechtlich-erkennendes „Ausgreifen in diese Zukunft“. Werden in Verfassunggebung nicht dem Normgeber „weiterblickende Augen zugetraut“, rechtlich zugebilligt – Staatsrecht als wesentliche, als „die bessere Zukunftsprognose“? b) Die Vorstellung ist politisch reizvoll, rechtlich aber nicht voll durchdacht. An der Grundmaxime des Staatsrechts kann auch so nicht gerüttelt werden: Sic volo sic iubeo stat pro ratione voluntas: Die Willensentscheidung (volo) ersetzt auch im Verfassungsrecht alle Erkenntnis (stat pro ra tione). Prognose ist kein intellektualisierender Mantel, mit dem verdeckt werden könnte, was allein in ihr aber abläuft: Erkenntnissuche, nicht Entscheidung. Diese letztere ist jedoch – der Verfassungsinhalt, und sie fällt hic et nunc, ihre „Zukunftsvisionen“ können in jeder nächsten oder ferneren Zukunft wieder ausgelöscht werden, weil diese dann eben nicht mehr be93 Zu Werten als Staatswahrheiten vgl. Leisner, W., Die Staatswahrheit. Macht zwischen Wille und Erkenntnis, 1999, insb. grds. S. 15 ff.
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B. Prognose und Allgemeine Staatslehre
reits in Gegenwart geordnet erscheint. Dazu bedarf es nur „desselben Willens“, der heute das Verfassungsrecht bestimmt, gesetzt hat. Dies ist Sinn und grundlegende Bedeutung der Stufenordnung des Rechts: Höherer Wille bricht den niederen, wie es im Föderalismus grundlegend positiviert worden ist94. Dieser Wille auf der höheren Ebene reicht nicht zeitlich weiter, er ist allein in der jeweiligen Gegenwart stärker, er ist viel stärker durch seine vielen Träger als der, welcher die nachgeordneten Normen trägt. c) „Verfassung“ ist also nicht bessere, weil weiter vorausschauende Erkenntnis. Auf solchen Wegen laufen zwar von jeher Selbstbestätigungsversuche aller Staatsformen ab: Die Monarchie verlegte ihren Geltungsgrund in die zeitliche Unendlichkeit mit ihrem Dei gratia, legte ihn in die Hände eines Gottes, bei dem „Zeit nicht (mehr) sein wird“, für den „Tausend Jahre sind wie ein Tag“. Die Demokratie steht jedenfalls in der Versuchung, sich als „rationale Staatsform“ auszugeben, ihre jeweiligen politischen Überzeugungen als Ausdruck und Ergebnisse eines normativen Erkennens, „das reicht bis in alle Ewigkeit“ (Art. 79 Abs. 3 i. V. m. Art. 20 GG). Dies wäre dann eine Art von „verfassungsrechtlich gesicherter Prognose als Zukunftsordnung“. Derartiges mag Achtung verdienen als Ausdruck eines normativen demokratischen Deismus – es ist vielleicht gar der Staatsrechtswissenschaft als einer Art von „wissenschaftlicher Staatsreligion“ vorgegeben (Art. 5 Abs. 4 S. 2 GG). Nichts ändern kann aber dieser Normbefehl an der Erkenntnis, dass all solche Verfassungs-Vorausschau allein, ausschließlich heute, in der jeweiligen Gegenwart stattfindet. Es soll hier durch Verfassungs-Rechtsbefehl der Blick in eine Zukunft nicht mehr stattfinden, weil diese als solche schon stattgefunden hat, in der Verfassungsentscheidung. Für die Verfassungsprognose, welche diese Entscheidung nur erkenntnismäßig vorbereitet, kann nichts anderes gelten als für alle andere „Vorausschau im Recht“. Es ist ihr daher auch kein schärferer Fernblick zuzutrauen als der einer Entwicklungsabschätzung des Haushalts einer kleinen Kommune. Verfassungsprognose erfolgt – und wirkt damit – nur, wie eben alles Recht, hic et nunc. Und ihr Gegenstand ist, gerade im Verfassungsrecht, das heutige Recht als Rahmen für eine Bewältigung von allem Zukünftigen; sie ist aber eben nur in einer Zukunft als jeweiliger rahmenmäßig bereits geordneter Gegenwart zu leisten.
94 Dies ist der Sinn des Art. 30 GG, vgl. dazu auch noch näher unten C. IV. (Föderalismus). „Brechen“ bedeutet dabei eben nicht „Geltung zeitlich beschränken“, sondern von Grund auf, von Anfang an auslöschen, außerhalb von jeder zeitlichen Dimension.
II. Verfassung als höhere Normstufe65
4. „Ausstrahlung der Verfassung“ als Prognosewirkung? a) Die wesentliche „höhere Normstufenqualität“ des Verfassungsrechts veranlasst in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung zu einer gängigen, wenn auch im Einzelnen keineswegs voll geklärten staatsrechtlichen Begrifflichkeit, im Zusammenhang mit einer Prognosebetrachtung: „Ausstrahlungswirkung“95 der Verfassung in die gesamte Rechtsordnung hinein. Ihre sedes materiae ist vor allem die Vorstellung von einer notwendig „verfassungskonformen Auslegung“ allen nachgeordneten Rechts96. Eine zentrale Rolle spielt sie, bereits als ein anerkannter begrifflicher verfassungsrechtlicher Topos, in der Drittwirkungsdiskussion der Grundrechte97. Welche Bedeutung kommt dem in der zeitlichen Dimension der Rechtsprognose zu? Ist denn einem dergestalt verfassungsrechtlich überformten einfachen Recht, auf all seinen Stufen, eine weiterreichende Geltungsdimension in zeitlicher Hinsicht zuzuerkennen, wird es so gewissermaßen „in die Zukunft hinein geltungsmäßig weitergetragen“? Unterschwellig liegen derartige Vorstellungen wohl dem Normverständnis der Verfassung in vielen Bereichen zugrunde: als sei in dem jeweiligen „verfassungsgeprägten Kern“98 der nachgeordneten Normen bereits etwas zu achten wie eine für alle, jedenfalls für eine weitere, längere Zukunft getroffene Rechtsentscheidung. b) Auch derartige, meist unausgesprochene, rechtlich wohl auch manchmal undurchdachte Vorstellungen sind aber kritisch zu hinterfragen. Bei all solcher Ausstrahlungswirkung geht es doch stets um dogmatische Geltungslagen ohne jeden Zeithorizont, allein in ihrer Beurteilung hic et nunc, wie dies bereits für die Auslegung grundsätzlich festgestellt wurde99. Ausstrahlung wirkt, normativ gesehen, nicht zeitlich horizontal, sondern allein gel95 Zur Ausstrahlungswirkung der Verfassung vgl. BVerfGE 73, 261 (269); 76, 143 (161); 112, 332 (358) – st. Rspr. 96 Zur verfassungskonformen Auslegung vgl. Starck, Chr., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 1 Rn. 326 ff.; s. auch für Viele BVerfGE 84, 192 (195); 114, 339 (348). 97 Gerade in der Drittwirkungsdiskussion spielt aber die zeitliche Dimension als solche, etwa das Problem einer Erkenntnis der Zukunft des Privatrechts, bisher keine entscheidende Rolle; dogmatisch geht es vielmehr um jeweilige Gegenwartswirkung. 98 Auch „Kernbereichsvorstellungen“ im Staatsrecht kommen bei solcher „Ausstrahlung“ zum Tragen, vgl. die Diskussion um den „Wesensgehalt“ der Grundrechte (Art. 19 Abs. 2 GG), und die Abgrenzung der Tarifvertragsgarantie gegenüber staatlicher Gesetzgebung (Art. 9 Abs. 3 GG), etwa BVerfGE 4, 96 (106 ff.); 44, 423 (431) u. ö., sowie bei der näheren Bestimmung der gemeindlichen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG), BVerfGE 1, 167 (175 f.); 91, 228 (238) u. ö. 99 Zur Frage der Geltung der Ausstrahlung als einer zeitlosen Geltungsform vgl. auch bereits die Ausführungen zur Auslegung oben A. VI. 2.
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B. Prognose und Allgemeine Staatslehre
tungsmäßig vertikal, in der insoweit kelsenianisch „geschlossenen RechtsWelt“; diese ist auch hier rahmenmäßig abgeschlossen, nicht zeitlich zur Zukunft geöffnet100. Es wird hier nicht (vorher-)gesehen, sondern rechtlich angeordnet, dogmatisch, d. h. in der jeweiligen Gegenwart. Rechtslagen werden verändert, niederrangige stets mit Wirkung ex tunc, aus der u. U. früheren, aber immer aus der normativen Gegenwart der verfassungsrechtlichen Rechtsetzung heraus. Als eine „höhere“ ist diese Verfassungsordnung eben, von Anfang an, mit einer stärkeren rechtlichen Wirkungskraft begabt; sie gewinnt eine solche nicht über sich in Zukunft erst ergebende, gerade darin sich etwa verstärkende Rechtswirkungen. Verfassungsrecht ist in allen seinen Normwirkungen nicht ferne Zukunftsmusik, sondern ganz Formation der Zukunft in Verfassungsnormative der Gegenwart, damit Zukunftsordnung in gegenwärtigem Befehl. Mag diese Wirkung auch als aufgenommen, erkannt worden sein, ihre Wirkungen werden dann, in diesem Augenblick, „rückprojiziert“ in die Vergangenheit als eine normlogisch frühere rechtliche Gegenwart. Die Ausstrahlungsdogmatik ist damit ein typischer Ausdruck, ja eine Bestätigung dafür, dass alle Zukunft der Rechtsgeltung als solcher verschlossen ist; sie kann nur als schon potenzielle Gegenwart auch bereits gegenwärtig geordnet werden. Und wie weit diese Wirkung zeitlich-geltungsmäßig reichen soll, gelten kann, gerade das ist „in Prognose als Gegenwartsvorgang zu ermitteln“, nicht als eine Form von „Zukunftsprophezeiung“. Die Bescheidenheit der Prognose als Erkenntnis in der Gegenwart bedeutet, dass Zukunft „als solche nicht existiert“ für das „Recht als künftiger Wille und Entscheidung“. Strahlen können stets nur fallen auf Existentes, als existent Anzunehmendes – für „eine Zukunft als solche“, in welcher möglicher Erscheinung immer, kann dies nicht gelten. So befiehlt es die Rechtsdogmatik. Gerade hier hat Carl Schmitt recht und hier denkt er auch Hans Kelsen fort – in der gleichen Zeitlosigkeit der Normstufen, die stets nur einen gegenwärtigen Weg beschreitet. Ergebnis 9 a) „Verfassung“ ist als „Höhere Normstufe“ wesentlich auf Kontinuität hin angelegt, auf den Augenblick, die jeweilige Gegenwart der Verfassungsentscheidung bezogen. Eine Verfassungsentwicklungsprognose ist also, schon vom Gegenstand her, kaum möglich, ebenso wenig ein einheitlicher Begriff einer „Rechtsprognose“; eine solche müsste jedenfalls stets differenziert nach Normstufen erfolgen. b) Verfassungsrecht mag von zeitlosen Werten getragen sein. Diese verändern sich nicht in Entwicklung. Eine „Prognose“ kann aber nicht eine 100 Vgl.
oben A. IV. 5.; B. I. 1. a).
III. „Verfassung als Programm“ und Prognose67
von ihnen ausgehende rechtliche Zukunftswirkung erkennen. Werte sind nicht in Zukunft erweiterte Normgeltung, sondern Zukunft in, aus gegenwärtiger Überzeugung, daher bekennbar, nicht als Wahrheit erkennbar, nicht als zukunftsordnendes Recht. c) In der Verfassung schaut das Recht nicht weiter, regelnd, in die Zukunft aus „höherer Warte“. Niederrangiges Recht, normativ Nachgeordnetes wird jeweils gebrochen, in Vergegenwärtigung. d) Ausstrahlungswirkungen der Verfassung auf alles Recht sind keine „Gestaltungswirkungen in die Zukunft“ hinein; sie lassen diese normlogisch zu Gegenwart werden.
III. „Verfassung als Programm“ und Prognose 1. Programm als „Ankündigung“ a) Eine „Programmwirkung“ von Verfassungsnormen, im Unterschied zu einer Bindungswirkung derselben, sollte, so möchte man annehmen, als ein Gegenstand staatsrechtlicher Betrachtung von Gewicht angesehen werden. Der Begriff „Programm“ beinhaltet doch eine Realisierungsaufforderung, jedenfalls spricht er Möglichkeiten einer rechtlichen Gestaltung an. In einer Untersuchung der Prognose erscheint dies dann jedenfalls, in unbefangener Betrachtung, zunächst als eine gedankliche Brücke in die Zukunft, deren Tragfähigkeit jedenfalls zu prüfen ist. Als umso erstaunlicher mag es erscheinen, dass heute Programmwirkung von Normen, Programmatizität derselben gerade im Verfassungsbereich kein Gegenstand vertiefter staatsrechtlicher Untersuchung mehr ist, ja dass das „Programm“ als solches nicht einmal mehr als ein verfassungsrechtlicher Topos angesprochen wird101. Damit scheint Vorausschau als Grundlage oder als „Anfang“ einer Geltung von vorneherein aus der normativen Betrachtung ausgegrenzt, und zwar auch insoweit, als in ihr ein Willenselement der Vorausbestimmung der Zukunft liegen mag: „Angekündigt“ wird nichts mehr in normativ bindender Form, so könnte es scheinen. Auf den ersten Blick spricht dies immerhin für das schon bisher immer wieder gewonnene Ergebnis: Trotz aller Beschäftigung mit Rechtsprognose – eine Zukunftserfassung in deren Formen gibt es im Staatsrecht nicht. Normen gelten, sie kündigen ihre Wirkungen nicht an. b) Immerhin ist aber Ankündigung in normativer Form keineswegs rechtlich unvollziehbar, ja sie stellt eine laufende Erscheinung der Rechts 101 „Programm“ als solches erscheint nicht (mehr) als Behandlungsgegenstand in den großen Erläuterungswerken zum Grundgesetz.
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praxis dar. Feste Termine für künftigen Eintritt einer Normwirkung werden laufend bestimmt, ja sie sind als solche eine unabdingbare Voraussetzung für diese, in der Bestimmung des Zeitpunkts des Inkrafttretens einer rechtlichen Regelung sogar striktes Gebot der Rechtsstaatlichkeit102. Gerade daraus folgt aber auch: Nach geltendem Staatsrecht haben Ankündigungen grundsätzlich Normcharakter nur in diesem Rahmen: d. h. soweit sie in rechtsstaatlicher Präzision die Geltung von Recht festlegen, in zeitlichen Kategorien. Dies ist dann eine „Zukunftswirkung“, welche eindeutig rechtlich bestimmbar ist – aber es ist dies ebenso eindeutig „Zukunft bereits in Gegenwart“. Damit aber ergibt sich als Grundproblem: Kann es, außer dieser Vergegenwärtigung, einer solchen „Prognose in Terminbestimmung der Geltung“ überhaupt noch etwas geben wie Programm, vielleicht insoweit auch Prognose als Zukunftsvorausschau? 2. Von der Verfassung als Programm zum „unmittelbar geltenden Staatsrecht“ a) Die Verfassungsgeschichte ist, spätestens seit der Französischen Revolution, deutlich bis zur zweiten Nachkriegszeit, beherrscht von einer Entwicklung der „Rechtspositivierung“ des Staatsrechts. Von rein politischer Proklamation entfaltet sich seine Wirkung, auch in Deutschland, bereichsmäßig über den Verfassungsentwurf von 1849 und eine Weimarer „Verpflichtung zur Gesetzgebung“103 bis zu einer „unmittelbaren Geltung“, wie sie in Art. 1 Abs. 3 GG als solche ausdrücklich verfassungsrechtlich festgelegt wurde. Zutreffend wurde darin eine „Schlüsselnorm des Grundgesetzes“ gesehen104. Zwar ist dort eine solche Unmittelbarkeit der Rechtsgeltung ausdrücklich nur für die Grundrechte angeordnet. Ebenso bindende Normwirkung wird aber doch für den gesamten Regelungsinhalt der Verfassung anzunehmen sein105. Allein für die Grundrechte hat diese Aussage allerdings bis heute Beachtung im Staatsrecht gefunden106, was sich daraus erklären 102 s. dazu m. Nachw. Brenner, M., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 82 Rn. 40 ff. 103 Zum Programm als Verpflichtung zur Gesetzgebung, vgl. Anschütz, G., Kommentar zur WRV, 14. Aufl., S. 507. 104 Stern, K., Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1178 ff. 105 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Demming / Füßlein / Matz, JÖR n. F. 1 (1951), S. 48 ff. 106 Zu Art. 1 Abs. 3 GG vgl. Starck, Chr., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 1 Rn. 151 ff.; Höfling, W., in: Sachs, GG 6. Aufl. 2011, Art. 1 Rn. 80 ff. m. Nachw.
III. „Verfassung als Programm“ und Prognose69
mag, dass in der Weimarer Zeit nur die Geltung der Freiheitsrechte zum Problem geworden war107. Jedenfalls ist inzwischen eine „Programmwirkung“ des Verfassungsrechts als solche kein spezieller Topos, ja nicht einmal mehr ein Betrachtungsgegenstand des Staatsrechts; allenfalls wird eine gewisse Programmatizität noch im Zusammenhang mit Äußerungen zu den Staatszielen in den Blick genommen. Auch dies erfolgt dann aber im Sinne einer grundsätzlich „vollen“, eben einer „unmittelbaren“ Normgeltung. Verfassungsrechtsprechung hat lediglich klargestellt, dass dieser „unmittelbaren Grundrechts-Bindung“ alle Äußerungen der Staatsgewalt in Gegenwart und, als einer jeweiligen solchen, auch in der Zukunft unterliegen108. b) Die ursprünglich wohl programmatisch im früheren Sinn verstandenen Regelungen des Grundgesetzes (etwa in Art. 3 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 5 GG) – Gleichstellung der Frau und der Ausserehelichen – sind inzwischen in aktuell geltendes Verfassungsrecht mit normativer Maßstabswirkung umgedeutet worden, für alle Rechtsanwendung und für die Rechtsfortbildung, welche allerdings gesetzlicher Gestaltungsfreiheit unterliegt. Auch dies ist also grundsätzlich als eine volle, nicht als eine programmatisch abgeschwächte Rechtsgeltung anzusehen. 3. Programmatizität – keine prognoserelevante staatsrechtliche Zukunftserfassung Damit scheidet die Programmatik als solche, begrifflich, grundsätzlich, entwicklungsgeschichtlich wie auf Grund positivrechtlicher Entscheidung, aus dem staatsrechtlichen Betrachtungsbereich zu einer Rechtsprognose aus: Es gibt staatsrechtlich nur eine „unmittelbare Geltung“, keine zukunfts orientierten Vorstufen einer solchen, welche Gegenstand juristisch relevanter Bemühungen sein könnten. Prognose ist gegenwärtiges Hilfsmittel zur Erkenntnis einer formalen und inhaltlichen, stets aber einer gegenwärtigen Normwirkung. Von einer „Normierung der Zukunft“, einem rechtlichen Ausgreifen des Staatsrechts in diese, kann auch unter dem Gesichtspunkt einer „staatsrechtlichen Programmatik“ nicht (mehr) die Rede sein. Diese Feststellung, welche sich schon in begrifflich-dogmatischer Betrachtung ergab (vgl. oben 1.), wird durch die Entwicklung des redaktionell positivierten Staatsrechts insgesamt anerkannt und durch verfassungsgerichtliche Erkenntnisse bestätigt. Prognose erfolgt „in Gegenwart“; sie ist 107 s.
dazu Leisner, W., Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 78. aus früherer Zeit BVerfGE 6, 386 (387); neuerdings BVerfG NJW 2011,
108 Vgl.
1201 ff.
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B. Prognose und Allgemeine Staatslehre
(allenfalls) Hilfsmittel einer Vergegenwärtigung möglicher Zukunft in heutiger Entscheidung, und insoweit könnte es sogar heißen: Rechtsprognose ist ein Mittel der Zukunftsnegation, in deren Verwandlung in Gegenwart, nicht ein Instrument der Zukunftsgestaltung. Ergebnis 10 Der Programmcharakter von Verfassungsnormen, früher herrschend, hat sich entscheidend abgeschwächt (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG). Als solcher ist er nicht mehr Gegenstand vertiefender staatsrechtlicher Betrachtung. Darin verstärkt sich „Verfassung als Gegenwartsentscheidung“. Wo Programmatik noch einen Zukunftsbezug zu zeigen scheint (etwa in Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 5 GG), ist dies als gegenwärtig wirkender, rechtlicher Maßstab gedeutet worden. Damit beinhaltet die Verfassung auch hier wesentlich Gegenwartsentscheidung, nicht „Zukunftserfassung durch Staatsrecht“.
IV. Verfassung als „demokratische Staatsgrundlage“ und die Rechtsprognose 1. „Zukunftsorientierung“ der „vordemokratischen“ Staatsformen a) Wenn die Allgemeine Staatslehre, in ihren herkömmlichen Inhalten oder in Formen einer – weithin neu zu entwickelnden – Verfassungstheorie109 zur Klärung einer „Prognose als Zukunftserfassung“ etwas beitragen soll, so muss „Verfassung“ heute in besonderer Weise in ihrer Bedeutung als Grundlage einer sog. oder einer näher zu beschreibenden „Demokratischen Staatsform“ betrachtet werden110. Damit richtet sich die Untersuchung auf eine Problematik des Zukünftigen, aber auch auf die anderen beiden „klassischen Staatsformen“ der Vergangenheit: Monarchie und Aristokratie. Dies ergibt sich daraus, dass Elemente derselben eben auch in den gegenwärtigen rechtlichen Ausprägungen der Volkssouveränität begegnen, so dass der Demokratiebegriff auf diesen Wegen dann vertieft analysiert werden kann. b) „Monarchien“ im weiteren Sinn erscheinen auf einen ersten Blick als in besonderer Weise „zukunftszugewandt“, ja als staatsrechtliche Regelungen der Zukunft. Die Unvorhersehbarkeiten derselben wurden hier nicht nur „überformt“, sondern geradezu als solche eliminiert in einer Schau, welche sich auf „in jeder Hinsicht Gegenwärtiges“ richtete: auf den „Thronfolger“ 109 Zu Verfassungstheorie und Allgemeiner Staatslehre vgl. Jestaedt, M., in: Verfassungstheorie; Depenheuer, O. / Grabenwarter, Chr (Hg.), 2010, S. 3 (5ff.). 110 Zu Verfassungstheorie und Demokratie vgl. Horn, H.-D., Verfassungstheorie, FN 109, S. 743 ff.
IV. Verfassung als „demokratische Staatsgrundlage“ 71
in seiner konkret-persönlichen, schon heute „angelegten“ Potenzialität. Die „Zukunft“ war damit aber nur in diesem sehr weiten Rahmen als „vorhergesehen“, nicht in Einzelheiten als vorhersehbar festgelegt, blieben diese doch der Persönlichkeitsentwicklung des jeweiligen Nachfolgers überantwortet. Dies erschien aber eben bereits in einer Gegenwart gebilligt, als Grundlage einer Staatsleitung in einem im Übrigen unbekannten Morgen. Die (jeweilige) Faktenerkenntnis über Persönlichkeit, Erziehung, Entwicklung des Thronfolgers sollte jedenfalls in schon gegenwärtig entschiedener und entscheidender Form die Zukunft bestimmen. Es zeigte sich darin aber nur ein besonders stark ausgeprägtes staatsrechtliches Kontinuitätsstreben, ein staatsrechtlicher Versuch der Zukunftserfassung jedoch lediglich in einer verkürzend-unkritischen Betrachtung. In Wahrheit fand damit nur eine Verengung der Zukunft in einem schon heute zu überblickenden Prognosekanal statt: auf das Entwicklungspotenzial einer Persönlichkeit des Nachfolgers, seiner entfaltungsbestimmenden Umgebung richtete sich der Blick. Mehr konnte auch „monarchische Prognose“ nie leisten; ihre faktengestützte Sicherheit aus der Gegenwart heraus war in der Geschichte häufig noch weit geringer als eine solche aus der Betrachtung gegenwärtiger Machtstrukturen, als gegenwärtige Hochrechnung auf eine Zukunft hin. Monarchie als Kontinuitätsstütze mag, unter diesen Vorbehalten eine rechtshistorische Erfahrung sein. Monarchisches, in Personen fortgesetztes Regieren als Ausdruck einer Rechtsprognose als solcher lässt sich staatsrechtlich aber wohl nicht dogmatisieren. c) Für Erscheinungen Persönlicher Gewalt111 gilt Vergleichbares insoweit, als sich hier eine Prognose stets auf die Entwicklungsgewalt, auf die Autoritätsperson richtet, sich weitgehend darauf zu beschränken hat. Daher spielt, wie bereits übrigens auch in der Monarchie für die Lebzeiten des Herrschers, der Blick auf die jeweilige (mit)bestimmende Umgebung des Regierenden, auf die „Camarilla“, eine wesentliche Rolle. Den persönlich geprägten Regimen ist allerdings eine spezielle „Gegenwärtigkeit der Machtausübung“ eigentümlich, die in Befehlsintensität auf Zukunftsvisionen nur zu oft verzichtet. Zwar liegt in der persönlichen Gewalt, als deren Legitimation, stets entscheidend auch eine Hoffnung, welche die gesamte Staatsordnung als eine „hoffnungsorientierte“ erscheinen lässt. Doch auch all dies ist Gegenwartssicht, allenfalls Rechtsbegründung aus möglicher, als solcher abgeschätzter, nicht rechtlich erfasster / geregelter Zukunft. Insgesamt, vor allem in historisch grundsätzlicher Betrachtung, ist „Persönliche 111 Vgl. dazu Leisner, W., Der Führer. Persönliche Gewalt – Staatsrettung oder Staatsdämmerung, 1983, zur Gegenläufigkeit im Befehl, S. 58 ff., zur Zukunftsdimension der Hoffnung, S. 97 ff., 2. Aufl. in: ders., Demokratie, 1998, S. 757 ff.
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B. Prognose und Allgemeine Staatslehre
Gewalt“ als Autoritäts-, ja als Befehlsordnung eindeutig prognosefeindlich strukturiert. d) Aristokratien sichern weithin Kontinuität, als ihr zentrales Ziel, in Formen einer Vervielfältigung monarchischer Machtnachfolge; insoweit gilt für sie das unter b) Ausgeführte. Soweit sie darüber hinaus an klassenähnliche Gruppenzugehörigkeiten anschließen oder diese schaffen und verfestigen112, steht die Erreichung der gewünschten Beständigkeit unter ähnlichen Vorbehalten wie bei der Familienentwicklung der Machtträger nach vorstehend a), überdies noch unter Bedingungen der Persönlichkeitsentwicklung der Kooptationsträger. „Zukunftsoffen“ sind grundsätzlich derartige Staatsorganisationsformen; doch sie sind zugleich auch, weil weithin persönlichkeitsbedingt, zwar Ausdruck eines Kontinuitätsstrebens, nicht aber ihrem Wesen nach ohne weiteres „prognosegeneigt“. Als Fazit lässt sich in einer Betrachtung der häufig als „vordemokratisch“ bezeichneten Staatsformen feststellen: Diese sind zwar, allerdings mit deutlichen Intensitätsunterschieden, kontinuitätsbezogen, nicht aber prognosegeneigt in dem Sinn, dass in ihnen ein Mehr oder Weniger an Vorausschau auf Tatsachen- und Rechtswirkungen stattfinden müsste / könnte, oder auch nur ihnen an sich schon wesentlich wäre. In allen Fällen bleibt Prognose auch hier eine sehr abgeschwächte Form des Erkenntnisbemühens als Hilfsmittel für die Bestimmung von Normwirkungen der Gegenwart in gewissen, grundsätzlich ganz unterschiedlichen, inhaltlich bestimmten zeitlichen Grenzen. 2. Insbesondere: Prognose und „Verfassung der Demokratie“ a) Demokratie als eine, in welcher Form immer, auf einem „Volkswillen“ gegründete Staatsform verdient als solche eine spezielle Betrachtung in der Perspektive einer Rechtsprognose. Diese, als Betrachtung der Zukunft in rechtlicher Voraussehbarkeit, gewinnt gerade hier eine besondere Dimen sion, wenn „Demokratie“ verstanden werden darf als eine „Staatsform des Unvorhersehbaren“. Sie muss sich dann mit Versuchen auseinandersetzen, dies bereits aus der Gegenwart heraus eben doch in Vorausschau klarer werden zu lassen, unter Einsatz verrechtlichter Ordnungsinstrumente, welche gerade derartiges ermöglichen. Hier aber zeigt sich die Volksherrschaft zwar als ein „Ordnungs(ent)wurf“, der, wie kein anderer, als „zukunftsoffen“ erscheint113. Dies bedeutet aber noch keineswegs, dass demokratischer Gestaltungswillen in besonderer Weise zukunftsorientiert wäre. Eines ist 112 Wie 113 Zur
es in Formen der Kooptation ablaufen kann. Offenheit vgl. vorst. A. IV. 5.
IV. Verfassung als „demokratische Staatsgrundlage“ 73
kaum bestreitbar: In der Demokratie wird immerhin die Zukunft als solche, als Dimension insoweit deutlich, als Fakten und Rechtswirkungen in der „ständigen Gegenwärtigkeit des demokratischen Willens“, im „demokratischen Prozess“, besonders intensiv analysiert, erkannt und jeweils in Entscheidungen umgesetzt werden. b) Demokratie will aber Zukunft weder kennen noch gestalten, als solche sie nicht einmal „vergegenwärtigen“. Sie ist wesentlich eine Staatsform der „Tagtäglichkeit“, nach ihrem Ideal des täglichen Plebiszits114. In ihr zählt nichts als der rein gegenwärtige Geltungswille der jeweiligen Mehrheit. Eine Prognose, verstanden als Vorausschau auf diesen Volkswillen, muss schon an jener Auflösung der Einheit des Volkes scheitern, welche dieses als einen Machtträger in ständiger Fluktuation sehen lässt; gerade als ein solcher will sich jedoch „das Volk als Souverän legitimieren“115. Wer wollte Flutenbildungen des demokratischen Gesetzesstaates prognostizieren, in dem sich mit dem Normenstaat die Vorhersehbarkeit der Normlagen auflöst116? Hier wird zeitliche Vorausbestimmung bereits bei den Kompetenzen der Entscheidungsträger eng beschränkt; nicht einmal deren Zukunft, geschweige denn die ihrer gestaltenden rechtlichen Einflussnahmen auf eine in „Gesellschaftlichkeit fluktuierende Faktenlage“ sind einer Prognose zugänglich. Dies gilt jedenfalls in den hier so gewichtigen Einzelheiten, erst recht für jene größeren Züge, welche die Demokratie als wesentlich „unmonumentale Staatsform“ ohnehin kaum zeigen darf117. Vorauserkennen im Klein-Klein eines tagtäglichen gesellschaftsgerechten Ordnens könnte also zwar möglich sein; doch es steht dem sogleich die relativierende Rückbeziehung auf die jeweiligen Augenblicke der vielen geltungschaffenden Entscheidungen entgegen. Hier läuft ein Film ab, Geltungszustände sind nicht erfassbar, jedenfalls nicht vorhersehbar. Die Demokratie mag sich als rationale Staatsform geben – ihrem Wesen nach wird sie von einem Voluntarismus getragen, der machtüberhöhende, machtbändigende Erkenntnis auf Entscheidungsvorbereitung in wesentlicher Gegenwärtigkeit beschränkt. c) Mit ihrer Bemühung um „Gesellschaftskonformität“ ihrer Ordnung, der einzigen Perspektive, welche demokratisch-tagtäglicher Machtwille in Normwirkung bestätigen, zum Gegenstand erkennender Betrachtung werden 114 Ernest Renans demokratisches Ideal eines „Plébiscite de tous les jours“, ja bereits Rousseaus Voluntarismus der Volonté générale sind nur Schlaglichtbeleuchtungen aus dieser Grundeinstellung heraus. 115 Vgl. dazu Leisner, Das Volk, FN 28, S. 42 ff. 116 s. Leisner, W., Krise des Gesetzes. Die Auflösung des Normenstaates, 2001, insb. S. 167 ff. 117 Leisner, Der Monumentalstaat, FN 52, S. 57 ff.
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lassen könnte, nimmt die Volksherrschaft, gerade umgekehrt, eine „Adressatenoptik“ in Kauf, welche Rechtsprognosemöglichkeiten besonders eng beschränkt. Denn eben diese Entwicklungen sind einer Voraus-Erkenntnis kaum zugänglich, entziehen sie sich doch weithin dem Einfluss gesetzlicher Ordnungsprogrammatik. Rechtsentwicklung als solche mag noch, in ihren Kategorien betrachtet, in ihrer Evolution als abschätzbar erscheinen; als Ausdruck einer „Gesellschafts-”, einer geistigen, einer Kulturentwicklung überschreitet dies als Betrachtungsgegenstand jedes prognostische (Er-) Fassungsvermögen. In Demokratie wird Politik erlebt, nicht Recht erkannt – so könnte man dies (pointierend) zusammenfassen. In einer, allerdings exemplarischen, Rationalität erfolgt nur die Umsetzung der so als einer gewollten, in Erkenntnis allenfalls vorbereiteten, Entscheidung. Dies könnte bedeuten: Die Demokratie kennt keine Zukunft als solche, nicht einmal in einer rechtlichen Vergegenwärtigung. Staatsrechtlich ist sie „Gegenwart pur“ – rein gegenwärtiges Entscheiden, wie es ihrem Idealbild des täglichen Plebiszit eben entspricht. Zusammenfassend betrachtet bestätigt also der Blick auf die Staatsformenlehre das bisherige rechts- und staatsgrundsätzliche Ergebnis zur Rechts-Prognose: In ihr soll, kann Zukunft gar nicht wesentlich gestaltet, auch nicht vor-erkannt werden. Alle Prognose hält sich im Rahmen einer reinen Vergegenwärtigung der Zukunft in der Geltung der Gegenwart. Gerade in einer demokratischen Sicht des Staatsrechts wird dies besonders deutlich. Prognose bleibt rechtsvorbereitendes Hilfsmittel auch, ja gerade für die Volksherrschaft im Sinne der Allgemeinen Staatslehre, aber ohne Entscheidungsgehalt. 3. Demokratische Freiheitszentrik – Absage an Voraus-Entscheidung Dieses Ergebnis fügt sich ein in den Kernbereich jeder demokratischen Betrachtung: ihrer Perspektive aus der Freiheit. Diese ist ein Begriff für das wesentlich dem Staat Unbekannte, für einen Raum, den das Staatsrecht allenfalls zu garantieren hat, den es als solchen schützt, aber nicht ausfüllt. Wie sollte dann auch nur versucht werden, hier in Voraus-Erkenntnis, oder gar in Vorausgeltung etwas rechtlich zu „korsettieren“, das unbekannte, unerkennbare Ergebnis eines jeden Freiheitsgebrauchs im Namen eines Heute einzubinden in Recht, als dessen Zukunftswirkung? Offenheit ist also nicht „ein Verfassungsprinzip“, es bezeichnet dies das Wesen demokratischen Herrschens; hier kann, darf in keiner Weise in angeblicher Zukunftserkenntnis die Freiheit eingeengt werden. In dubio pro Libertate – soweit dies in der Demokratie gilt, im Namen der Rechtsstaatlichkeit, kann es nur bedeuten: Im Zweifel gegen jede Erkenntnisanstrengung für die Zukunft –
IV. Verfassung als „demokratische Staatsgrundlage“ 75
und nicht nur im Zweifel: in aller Regel, als Allgemeines Staatsrecht. „Der Denkende ist passiv“ (Seneca), der Erkennende, nicht aber der Inhaber gestaltender Macht, der demokratisch legitimierte Normsetzer und Normanwender. Unterschwellig entspricht dieses Ergebnis – Manche mögen hinzufügen: leider – gerade gegenwärtigen Grundströmungen zu einer Mitbestimmung, Entscheidungsteilhabe von Adressaten überall. Damit lässt sich ja das vernichtende Dichter-Wort „überreiten“, dass Vernunft stets bei Wenigen nur sich finde: Mögen sie nichts erkennen – wenn sie nur alles rechtlich entscheiden – dieses Recht dann fürchten! Das Recht als Irrationale – soll dies das Ergebnis staatsgrundsätzlicher Betrachtung sein? Dem mag man dann den Vorwurf des Voluntarismus machen, welcher die Prognose zu seiner Magd erniedrigt. Diese Betrachtungen müssen sich solcher Kritik stellen, vielleicht beugen. Versuchen können sie immerhin, sie durch die folgenden Überlegungen zu entschärfen, die nun zeigen sollen: Gewisse Wirkungen einer Prognose ergeben sich, gerade in Form gegenwärtiger Normgeltung, aus nicht wenigen befehlenden Anordnungen des geltenden Staatsrechts. Als solche sollten sie sogar weit mehr untersucht und dogmatisch fruchtbarer werden als bisher. Ergebnis 11 Verfassung ist Grundlage der Staatlichkeit. Daher sind die Staatsformen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsprognose zu betrachten. a) Monarchien wollen Kontinuität in „vorgezogener Herrscherbestimmung“ erreichen. Prognose ist dabei, als „Vorausschau von Persönlichkeitsentwicklung“ kaum möglich. Ähnliches gilt für Nachfolgeregelungen in Regimen Persönlicher Gewalt, und auch für Formen einer Aristokratie; hier kommen noch Unsicherheiten zukünftiger Entwicklung der die jeweils herrschende Schicht tragenden Verhältnisse hinzu. „Rechtsprognose“ kann in all diesen Regierungsformen daher nur als Hilfsmittel einer gegenwärtigen Rechtsgestaltung in engbegrenzter Zukunftsabschätzung wirken. b) Demokratie ist, als „tagtägliche Staatsform des fluktuierenden Volkswillens“, als solche prognosefeindlich. Gerade ihre „Gesellschaftskonformität“ lässt sich als „allgemeine Entwicklung“ kaum prognostisch erfassen. In ihr wird „Politik gelebt, nicht Recht erkannt“, sie ist ganz gegenwärtiges Entscheiden. In allen Staatsformen ist daher Rechtsprognose als Zukunftsgestaltung schon wegen Erkenntnisschwierigkeiten höchst problematisch. c) Demokratie bedeutet Schutz der Freiheit – diese aber ist der wesentlich „offene“ (noch) nicht erkennbare Raum der Zukunft. Rechtsprognose
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als Zukunftsordnung darf also nicht dazu führen, dass private Entscheidungsmöglichkeiten hier allzu sehr eingeengt werden. Freiheitsbeschränkungen müssen deshalb stets grundsätzlich-beschränkt sein. Dies verlangt dann aber eine jeweilige Gegenwarts-, nicht eine Zukunftsbeurteilung ihrer Wirkungen.
C. Grundgesetzliche Grundentscheidungen und „Zukunft“ I. Die verfassungsrechtliche Fragestellung: Zeitliche Normwirkungen aus der Gegenwart in die Zukunft 1. Das Wesen des Prognosegehalts des Staatsrechts: Zeitlicher Geltungsrahmen rechtlicher Entscheidungen Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass es eine „Erfassung der Zukunft in Rechtsgeltung“ grundsätzlich nicht geben kann. Rechtsprognose kann also nichts anderes sein als eine verfahrensrechtliche Phase in der Vorbereitung von rechtlichen Entscheidungen, in deren jeweiliger Gegenwart. Diese wirken in Rechtsgeltung auf eine bestimmte Zeit, wie aus ihrem jeweiligen Inhalt abzulesen ist. Es ist dies der gegenwärtig bestimmte zeitliche „Geltungsrahmen“ rechtlicher Normentscheidung; er wird durch Prognose nicht in Erkenntnis bindungsmäßig festgelegt, sondern es wird allenfalls der Normwille ermittelt. Dies allein ist das rechtliche Wesen der „Prognose“, nicht etwa eine „vorausschauende Zukunftsregelung“. Diese wesentliche Rahmenziehung der Rechtsgeltung entspricht insbesondere dem Wesen der staatsrechtlichen Regelungen als „rahmenmäßiger Grund(satz)entscheidungen“ in einer normativen Stufenordnung des Rechts. Diesen Fundamentalentscheidungen des Grundgesetzes ist daher, entsprechend ihrem jeweiligen Regelungsinhalt, eine bestimmte „prognostische Bedeutung“ eigen. Sie gilt es zunächst (unter II. bis IV.) zu ermitteln, in der positivrechtlichen geltenden Ordnung der Verfassung. Das ist der Gegenstand der nun folgenden Betrachtungen. 2. Prognose: stets in Gegenwartssicht – „vergegenwärtigend“ Eine „rechtliche Zukunftssicht“ als solche gibt es nicht, als eine derartige kann Prognose nicht aufgefasst werden. „Abschätzung“, „Wahrscheinlich keit“118 mögen Genauigkeitsstufen der Bestimmung von rechtlichen Regelungsinhalten bezeichnen; als solche charakterisieren sie aber eine Prognose 118 Zur
Wahrscheinlichkeit oben A. I. 2., 3.
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C. Grundgesetzliche Grundentscheidungen und „Zukunft“
nicht als eine besondere dogmatische Form juristischer Inhaltsfestlegung nach geltendem Staatsrecht. „Prophezeiung“ ist eben kein rechtlicher, insbesondere kein verfassungsrechtlicher Topos. Wie bereits eingehend dargelegt, findet in der Prognose eine „Vergegenwärtigung der Zukunft“ statt, die als solche aufgehoben, in heutiger Willensentscheidung zur Gegenwart wird. Dass die dies vorbereitende Erkenntnis, nach einer gängigen Formulierung, in besonderer Weise „mit Unsicherheit belastet ist“, als eine „Hochrechnung“, unterscheidet vorbereitende erkenntnismäßige Vorausschau-Anstrengungen nicht grundsätzlich von anderen Erkenntnisbemühungen, -vorgängen. Prognosen finden aber schon deshalb stets als Gegenwartserscheinungen / vorgänge statt, weil es für die Rechtsgeltung, welche die Prognose nur vorbereitet, eine „Zukunft“ begrifflich eben nicht gibt, nur gegenwärtige Regelungsgegenstände und deren ebenso gegenständliche Begrenzung(en). Gerade diese werden aber in solcher Vorausschau in Gegenwart ermittelt. 3. Prognose als Bestimmung zeitlicher Geltungsformen gegenwärtiger Entscheidungen Da es bei einer Prognose um Erkenntnis geht, muss diese nach Raum, Zeit und Kausalität in ihren Ergebnissen bestimmt werden. Die Prognose richtet den Blick auf die „Kategorie Zeit der Rechtsgeltung“. Die Bestimmung von Inkrafttreten und Außerkrafttreten sind gängige inhaltliche Festlegungsformen; die Prognose kann also von vorneherein nur so weit reichen, wie der sie dergestalt eingrenzende jeweilige inhaltliche Geltungswille der Norm es verlangt. Prognose muss daher lediglich diesen Willen ermitteln, und es ist sodann in prognostizierender Erkenntnis die voluntative Geltungsentscheidung in ihrer „inhaltlichen Tragweite“ festzustellen. Soweit im Inhalt einer rechtlichen Regelung ein Zeitpunkt des In- oder Außerkrafttretens bestimmt ist, kann so die vorbereitende Prognosebetrachtung auf diesen Zeitraum beschränkt werden. In den weitaus meisten Fällen sollen aber die Entscheidungen „ohne Verfallsdatum“ gelten, bis zu ihrer noch nicht absehbaren Änderung, Ergänzung, ihrem Außerkrafttreten. Der Prognosezeitraum ist also, jedenfalls virtuell, eine unendliche Größe, die aus der Gegenwart, aus der Vorbereitung ihrer Inkraftsetzung heraus, nach ihrer inhaltlichen Tragweite zu beurteilen ist. Dabei sind übrigens die einmalige Setzungsprognose und die jeweilige Anwendungsprognose zu unterscheiden. Erstere erstreckt sich auf den gesamten Geltungszeitraum, letztere gilt vom Anwendungszeitraum an. Dogmatisch sind sie aber alle von gleicher Qualität: In ihnen allen findet stets eine „Vergegenwärtigung“ statt, im Sinn von vorst. 2., immer in der Gegenwart des jeweiligen Beurteilungszeitraums.
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4. Untersuchungsgegenstände Es beginnt mit den verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen der Rechtsstaatlichkeit, der Sozialstaatlichkeit und des Föderalismus (Teil C. II. bis IV.), nachdem die Demokratizität bereits unter B. IV. behandelt wurde. In Teil D. werden sodann „Prognosevorgaben“ des Grundgesetzes in dessen einzelnen Bestimmungen untersucht: zunächst die (sachnächsten) Verfassungsänderungsvorschriften, sodann staatsorganisatorische Vorgaben, solche allgemein grundrechtlicher Art und freiheitsrechtliche Bestimmungen im Einzelnen. Am Ende steht als ausgewählter Einzelbereich das Finanzrecht. Ergebnis 12 a) Prognosevorgaben lassen sich aus allgemeinen (Grund-) Entscheidungen und einzelnen normativen Vorgaben des Grundgesetzes ableiten (i. Folg. Teil D.). Dabei geht es stets um Prognose im Sinn einer verfahrensrechtlichen Phase der Vorbereitung von gegenwärtigen Entscheidungen zur Bestimmung von deren „Geltungsrahmen“. Rechtsgeltung, damit auch Rechtsprognose, erkennt eben Zukunft als solche nicht, sie kennt sie nur in ihrer „Vergegenwärtigung“ im Entscheidungszeitpunkt. b) Der zeitliche Geltungsrahmen des Rechts wird durch dessen In- und Außerkrafttreten in Gegenwärtigkeit bestimmt, meist „bis auf Weiteres“. Innerhalb dieses Geltungsraumes erfolgt jede Rechtswirkung in ihrer jeweiligen „Gegenwart der Anwendungswirkung“. c) Zunächst sind also die „Grundentscheidungen“ des Grundgesetzes zu betrachten (Art. 20 GG), sodann die „Prognosevorgaben“ der Verfassung in deren Einzelregelungen.
II. Rechtsstaatlichkeit und Rechtsprognose 1. Rechtsstaatlichkeit als demokratische Grundentscheidung Rechtsstaatlichkeit bedeutet in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes mehr als eine gewisse verfassungsrechtlich-normative Verbindlichkeitsfolge des Demokratiegebots. Als Verfassungsgrundsatz, der die Normgeltung als solche betrifft, sie rechtlich erst fassbar werden lässt, ist Rechtsstaatlichkeit bereits ein Prinzip der Allgemeinen Rechts- wie der Allgemeinen Staatslehre119. Im Grundgesetz wirkt es aber, in der positivrechtlichen Kon119 Vgl. dazu Böckenförde, E. W., Demokratie als Verfassungsprinzip, HStR³ Bd. 2, 2004, § 25.
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kretisierung der Art. 20, 79 Abs. 3 GG, als eine in ihren wesentlichen Inhalten unabänderliche normative Ausprägung gerade der demokratischen Staatsform120. Dies führt zurück auf das Prinzip der Entscheidungshoheit aller durch einen Staatsakt Betroffener: Quod omnes tangit ab omnibus decidetur. Die allgemeine Geltung des Gesetzes (Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG) verlangt also allgemeine Erkennbarkeit von dessen Inhalten, als Voraussetzung der demokratischen Teilnahme an dessen rechtlichem Erlassverfahren, wie sodann eines effektiven Rechtsschutzes gegenüber seinen Wirkungen (Art. 19 Abs. 4 GG). Gesetzesstaatlichkeit steht insoweit in absolutem Gegensatz zu jeder Form, zu jedem Bereich von Arkanstaatlichkeit. Neuerdings besonders intensiv vorgetragene Transparenzforderungen sind nur politischer Ausdruck dieser demokratischen Staatsgrundsätzlichkeit. Diese Rechtsstaatlichkeit bedeutet eine Grundperspektive des Verfassungsrechts; sie gipfelt normativ in der wahrhaft staatsgrundlegenden Forderung nach rechtsstaatlicher Bestimmtheit121, die sich ihrerseits aus der fundamentalen Forderung nach Rechtssicherheit ergibt, welche hier in normativer Form auch volle Rechtserkenntnismöglichkeit gewährleisten muss. Selbstverständliche Folge dieser „demokratischen Akzentuierung“ des Rechtsstaatsgebotes ist, dass auch die Rechtsprognose den „Generalvorgaben“ der Rechtsstaatlichkeit genügen muss – deren besonderen Ausprägungen. Dies ist nun, in einzelnen Richtungen, wenigstens anzudeuten, in rechtlicher Vertiefung auf solchen Grundlagen weiter zu verfolgen. 2. Rechtsstaatlichkeit in gegenwärtiger Wirkung – Vertrauensschutz Rechtsstaatlichkeit ist als solche in keiner ihrer verfassungsrechtlich präzisierten Ausprägungen wesentlich „zukunftsorientiert“. Die Zukunftsblindheit des Rechts, sein wesentlicher Gegenwartsbezug in Geltung, wird durch den Legalitätsgrundsatz eher bekräftigt, nicht in die Zukunft erstreckt, darin nicht in irgendeiner Weise „verwandelt“, etwa in Wahrscheinlichkeit wesentlich abgeschwächt. Blockhafte Gegenwärtigkeit ist vielmehr die Grundstimmung, in welcher die Rechtsstaatlichkeit eine Erkenntnis von Rechtslagen, von Rechtswirkungen fordert. Sie will ja die Basis jener Verlässlichkeit des Rechts verfassungsrechtlich un-, oder jedenfalls schwer verrückbar 120 Überblick über Wesen, Entwicklung und Regelungsgehalt der Rechtsstaatlichkeit bei Sommermann, K.-P., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20 Rn. 226 ff.; grdl. noch immer Kunig, Ph., Das Rechtsstaatsprinzip, 1986. 121 Sommermann, FN 120, Rn. 288 ff.
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schaffen, als einen juristischen Fels in der Brandung des demokratischen Volkswillens. Schon deswegen kann es nicht Wesen der Rechtsstaatlichkeit sein, den Volkssouverän in die auch ihm noch unbekannten Fluten der Hohen See der Zukunft hinaus zu begleiten. Hier liegt ein wesentlicher Norminhalt der Rechtsstaatlichkeit: der Vertrauensschutz122. Er greift auch nur dann in voller Normwirkung ein, wenn seine Grundlagen bereits in einer gewissen „Inswerksetzung“ des Vertrauens im Bereich des Geschützten, insbesondere durch dessen gegenwärtig feststellbares bisheriges Verhalten vorbereitend geschaffen worden sind. In dieser Gegenwartssicht verlangt Vertrauensschutz wesentlich eine Vorhersehbarkeit der Rechtsentwicklung, in welcher sich der Geschützte eben gegenwärtig „einrichten“, sich auf sie verlassen darf. Die Zukunftswirkungen dieses Vertrauens sind dann später zu beurteilen, in jeweiliger Gegenwart. All dies zeigt den wesentlichen Gegenwartsbezug der Rechtsstaatlichkeit, welchen diese allen ihren Normwirkungen aufprägt. „Der Rechtsstaat ist wesentlich“, er wird, er will nicht nur sein. Er nimmt als Prognoseergebnis nur zur Kenntnis, was in der jeweils erforderlichen Klarheit gegenwärtig bereits erkennbar war / ist, nicht etwas, was „möglicherweise sein wird“. Rechtsstaatlichkeit ist eine deutliche Entscheidung gegen eine „regelnde Rechtsprognose“, die wesentlich mit den Unvorhersehbarkeiten einer jeden Zukunft belastet erscheinen müsste. Der Rechtsstaat verlangt Prognose als gegenwärtige Erkenntnis. 3. Rechtsstaatliche Bestimmtheit – Klarheit der Inhaltserkenntnis Zentrale Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit in diesem ihrem Bestimmtheitsanspruch (vgl. 1.) ist die Normenbestimmtheit123. Sie schließt die klare Inhaltserkenntnis, damit eine Normklarheit ein, in welcher dann Regelungsinhalte, insbesondere in ihren begrifflichen Abgrenzungen, rechtsüberzeugend deutlich werden müssen. Von der Verfassungsgerichtsbarkeit wird diese Bestimmtheit seit langem unabdingbar gefordert124, insbesondere für das Verfassungsrecht, als Grundlage von dessen Justiziabilität, damit der 122 Der Vertrauensschutz wird denn auch der Rechtsstaatlichkeit als besonders bedeutsamer Norminhalt zugeordnet, vgl. Sommermann, FN 120, RN. 292 ff.; er greift vor allem ein mit dem Gebot der Herstellung von Rechtsklarheit in lückenhaften und verworrenen Rechtslagen. 123 Zur Normklarheit BVerfGE 119, 331 (366 m. Nachw.). 124 Zum Bestimmtheitsgebot allg. s. BVerfGE 163, 332 (384); 108, 52 (75) – st. Rspr.
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Funktionsfähigkeit von jeder Art der Verfassungskontrolle, letztlich der Normgeltung des Grundgesetzes überhaupt. Diese Normenklarheit kann als solche rechtsbegrifflich nur in der gegenwärtigen rechtsstaatlichen Bestimmtheit der Norminhalte (vgl. vorst. 2.) erreicht werden. Verdeutlicht wird darin, wie die betreffende Norm gegenwärtig wirkt und nur entsprechend dem in ihrem Inhalt bestimmten Geltungswillen weiter wirken soll, zu jedem Zeitpunkt ihrer Anwendung, in der aus demselben Inhalt abzuleitenden, in der Entscheidung gewollten Geltungszeit. Diese rechtsstaatliche Betrachtung hat Prognosegehalt nur im Sinne der Ermittlung künftiger Rechtswirkungen der Regelungen. Diese treten aber u. U., ja in der Regel in tatsächlichen Konstellationen auf, mit Wirkung auf faktisch dann jeweils gegebene Regelungsgegenstände. Rechtsstaatliche Wirkungsermittlung wird also auch dies in den Blick nehmen, unter hypothetischer Betrachtung für die jeweils möglicherweise eintretenden Wirkungen auf künftige Faktenlagen. Insoweit ist also Rechtsprognose typischer Gegenstand der Rechtsstaatlichkeit; sie ist mit der von dieser vorgegebenen Methodik vorzunehmen, aber stets aus einer gegenwärtigen Schau der Regelungsinhalte heraus, nicht in einem „Regelungsbemühen um die Zukunft als solche“. Rechtsstaatlichkeit fordert keine Zukunftserkenntnis, sie unterstellt weder deren faktische noch ihre rechtliche Möglichkeit. Prognose ist und bleibt gegenwärtige Rechtsinhaltserkenntnis, in Vorbereitung von gegenwärtig zu treffenden Entscheidungen – in Rechtsstaatlichkeit. 4. Sorgfaltspflichten der Prüfung zur Norminhaltserkenntnis in Prognose a) Hier erhebt sich nun die Frage, ob so verstandene Rechtsprognose die Erfüllung spezieller Sorgfaltspflichten verlangt, ob sie also nicht nur allgemein als Methode der Rechts(inhalts)erkenntnis, sondern etwa als eine besondere Form derselben anzusehen ist. In erster Linie böten sich dann Intensivierungen oder Abschwächungen jener Sorgfaltspflicht an, welche in jeder Erkenntnis einzusetzen ist, im rechtlichen Bereich nach Kriterien der Rechtsmethodik bestimmt werden muss. Gibt es spezielle methodische Sorgfaltskriterien bei (besonderer) zukunftsgerichteter Rechtserkenntnis, im Sinne einer Rechtsprognose? Vor allem läge es nahe, hier nur ein geringeres Maß an Erkenntnissicherheit zu verlangen, damit Sorgfaltsansprüche (immer weiter) abzusenken. b) Die Praxis verfährt mit Sicherheit in diesem Sinn, nach einer gängigen „Je / Desto-Formel“: Je weiter zeitlich entfernt Rechtswirkungen „heute
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zu erwarten sind“, desto weniger kann ihre eindeutige Erkenntnis, wie die der zu ordnenden Faktenlage, in der Gegenwart der jeweiligen Entscheidung verlangt werden. Ultra posse nemo tenetur gilt dann heute für den Gesetzgeber wie für gesetzesanwendende Vertreter der Zweiten und Dritten Gewalt, jeweils im Augenblick ihrer „Entscheidungen in Prognose“. „Ins Blaue hinein“ darf zwar im Rechtsstaat weder legiferiert noch administriert oder gar judiziert werden. Aber etwas wie ein „Abschwächungsklima der Rechtsetzungssorgfalt“, von der Normsetzung über die vorläufige zur endgültigen Normanwendung, dürfte doch wohl der juristischen „praktischen Vernunft“, d. h. der Vernunft der Rechtspraxis jeweils entsprechen. c) Dem muss aber, aus dem Prognosebegriff heraus, widersprochen werden, und zwar gerade im Namen der Rechtsstaatlichkeit. Für sie muss die Maxime gelten: Wo keine Inhaltserkenntnis aus der Norm-Setzungs-Gegenwart heraus (mehr) möglich ist, dort ist keine Rechtsgeltung (mehr) anzunehmen. Nicht in dubio, sondern stets nur in „Rechtsklarheit“ erfolgt Rechtsentscheidung. Selbst, ja gerade der „normativ verewigte Staat“ des Grundgesetzes (Art. 79 Abs. 3 GG) ist kein „Zukunftsstaat“; ein solcher wird durch die „Geltung“, in der Wirkung dieser juristischen Grundbegrifflichkeit des Rechtsstaats, vollständig und endgültig ausgeschlossen. Die Demokratie gerade ist ja übrigens der Gegenwartsstaat par excellence, in ihrem sie stets, aber eben nur präsent tragenden Volkswillen (vgl. vorst. B. IV.). d) Für die methodische Sorgfaltspflicht bedeutet dies: Eine typische „Prognosesorgfalt“ als solche gibt es nicht, Rechtsstaatlichkeit schließt dies aus. Zwar kann jede rechtsetzende oder anwendende Instanz nur soweit inhaltsbeurteilend auf ihre jeweilige Gegenwart schauen, wie diese bereits bei ihr „angekommen ist“; für die Gesetzgebung ist dies weithin noch nicht der Fall, jedenfalls nicht „bis in alle Einzelheiten hinein“. Hier kann nur erkennend hochgerechnet werden aus gegenwärtig bekannten Lagen und ihren Details heraus. Lediglich soweit reicht dann aber auch jeweils der in Prognose rechtsvorbereitete gesetzgeberische Wille, welcher den Inhalt der Gesetzesentscheidung bestimmt. Gleiches gilt für Administratoren wie Richter: Sie müssen von der gegenwärtigen Lage ausgehen, in und aus ihr allein Normwirkungen beurteilen. Wird aber, wo immer im Entscheidungsbereich, rechtliche Erkenntnismöglichkeit schwächer, so ist dann eben zurückhaltender oder gar nicht zu entscheiden, Recht nicht zu setzen, nicht zur Anwendung zu bringen. Der Rechtsstaat ist nicht der (möglichst) totale Normenstaat, sondern eine Ordnung (auch) der „weißen Flecken“ auf der Landkarte der Regelungen und ihrer Erkenntnis: Dies sind dann Räume der Freiheit von rechtlicher Regelung. „In dubio pro Libertate“ wird hier zum gnoseologischen Prinzip: „Im
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Zweifel keine Erkenntnis von Rechtswirkungen“. Was nicht zu sehen ist von der Plattform der Gegenwart aus, mit ihrer Brille, existiert nicht als Regelungsgegenstand des Rechts. Denn was so nicht erkennbar ist, kann nicht in Gegenwart gewollt, nicht entschieden und daher nicht Recht sein. „Zukunftsspekulation“ ist also ein Gegenwort zu aller Rechtsmethodik. Der nüchterne Jurist hat eben keinerlei „Visionen“. e) Fragen mag man sich schließlich, wie weit in dieser Sicht die Sorgfaltspflichten bei der Vorbereitung rechtlicher Entscheidungen jeweils zu steigern sind, ob sie sich insbesondere nach deren jeweiligen Geltungsformen und -inhalten akzentuieren oder abschwächen (sollten). Hier greift die säkulare Erfahrung der jeweiligen Verfahrensrechte ein, welche Rechtsgestaltungen regeln: vom Gesetzgebungsverfahren nach den Regelungen des Grundgesetzes (Art. 73 ff. GG) und i. V. m. der Gesetzgebungslehre125 über das Verwaltungsverfahren bis hin zum gerichtlichen Beweisverfahren126. Im vorliegenden Zusammenhang ist aus der Sicht der Rechtsstaatlichkeit festzustellen: Prognose verlangt grundsätzlich nicht den Einsatz anderer Erkenntnismethoden, höherer Sorgfalt als einer Rechtsbeurteilung in „reiner Gegenwart“, aber eben auch kein geringeres Maß an Sorgfalt. Erkenntnismethode wie -grundlage sind stets grundsätzlich identisch. Allerdings haben sie sich am jeweiligen Entscheidungsgegenstand zu orientieren, und hier erfordert – selbstverständlich – Gesetzesvorbereitung als Wirksamkeitserkenntnis u. U. eine weiter ausgreifende, eine tiefer eindringende Prüfung als die Beurteilung eines gegenständlich eng begrenzten Vertragsentwurfs. Dies führt noch zur Frage einer Allseitigkeit als möglicher spezieller Ausprägung der Prognoseprüfung. 5. Allseitigkeit der entscheidungsvorbereitenden Prognoseprüfung a) Die Prognoseprüfung in Gegenwartserkenntnis, als Vorbereitung der jeweiligen Rechtsentscheidung muss jedenfalls einen methodischen Grundzug aufweisen: Sie sollte den betreffenden Geltungsbereich möglichst allseitig erfassen, sich also so wenig wie möglich auf reine Detailschau beschränken. Dies gilt hinsichtlich der zu beurteilenden Faktenlage wie der Gestaltungseinflüsse der (anstehenden) Entscheidung. Was immer eine Geltung der letzteren über den Zeitpunkt ihres Ergehens hinaus anlangt – wenn auch stets in 125 Mit den Sorgfaltspflichten bei der Vorbereitung der Gesetzgebung im Gesetzgebungsverfahren beschäftigt sich die Gesetzgebungslehre. Vgl. dazu Ossenbühl, F., in: HStR³, § 102, Rn. 8 ff. 126 Zum Beweis vgl. oben A. III.
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Gegenwartssicht – sollte immer sachlich möglichst weit auszugreifen versuchen, bei der Bereitstellung von rechtlichen Beurteilungsgrundlagen. Dies gilt allgemein vor allem in den weithin besonders detailbezogenen Prognoseentscheidungen im Zivilrecht127, wie auch in jenem strafrechtlichen Gesamtbereich des Rechts, der in besonderer Weise einer intensiven Rechtsstaatlichkeitskontrolle unterliegt128, dort wiederum speziell bei den „politischen Straftaten“ in einem weiten Sinn und in ihrer zugleich staatsrecht lichen Dimension129. In wirtschaftlichen Zusammenhängen, wie etwa bei der Fortführungsprognose im Insolvenzrecht130, müssen ökonomische Daten in systematischem Einsatz betriebswirtschaftlicher Kategorien einbezogen werden, „reine Rechtsprognose“ ist hier in der Regel nicht ausreichend. b) Insgesamt wird einer „entscheidungsvorbereitenden Prognoseprüfung“ im Recht stets methodisch ein gewisser Zug zu einer „Globalerfassung in Systematik“ eigen sein (müssen); die Gegenwart bezeichnet für sie eben als solche im Zweifel eine Rechtslage, die nicht auf eine Detailsicht zu beschränken ist, mögen auch später rechtliche Effekte in ihren spezielleren Räumen auftreten. Solche Allseitigkeit ist selbstverständliches Gebot, vor allem dort, wo es um Gesetzgebung mit weit(er)reichenden Regelungsinhalten geht. Die Stufenbetrachtung131 erfordert ein gewisses Maß von „vertikaler Allseitigkeit“; in die Prüfung sind hier bisher geschaffene Konkretisierungslagen im Bereich der betreffenden zu setzenden oder zu ändernden Norm einzubeziehen. „Allseitigkeit“ bedeutet sogar oft ein „im Zweifel für (möglichst) systematische Vorbereitung der Rechtsentscheidung“, damit Rechtsstaatlichkeit als ein Tendenzgebot zugunsten von Methoden der Induktion / Deduktion wie der Analogie132. 6. „Sorgfaltsaufrufe“ – keine Überspannung von Prognosepflichten Rechtsstaatlichkeit wird in der Praxis sehr allgemein eingesetzt als eine Art von Schutzschild öffentlicher wie privater Entscheidungsinstanzen ge127 s.
dazu Regenfus, Th., Prognoseentscheidungen im Zivilrecht, JR 2012, S. 132. etwa Ebner, M. / Jahn, M., Strafvereitelung im strafprozessualen Revisionsverfahren – Eine Risikoprognose, NJW 2012, 30. 129 Haverkamp, R., Die Prognose von terroristischen Anschlägen: Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnisse und Versuch zur Entwicklung eines Prävisionsmodells, ZStRW 2011, 92. 130 Dazu etwa Ehlers, H., Anforderungen an die Fortführungsprognose, NZI 2011, 173; Frystatzki, Chr., Die Fortführungsprognose, ebenda S. 173; Aleth, F. / Harlfinger, W., Die Fortführungsprognose, ebenda S. 166. 131 Zur Stufenbetrachtung vgl. oben B. II. 132 s. vorst. A. IV. 2., 3. 128 s.
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gen möglicherweise ihnen drohendes Haftungsrisiko in allen Bereichen „gefährlicher Tätigkeit“. Die Verwaltung wird von der Judikative laufend zur Sorgfalt ermahnt in allen derartigen Fällen133, der Gesetzgeber vor allem im Bereich der Nutzung der Kernenergie134. Derartige Ermahnungen mögen in der Praxis nützlich sein; sie sind auch von grundsätzlich rechtsmethodischer Bedeutung, weil sie rechtsstaatliche Prüfungskriterien verdeutlichen. Allerdings dürfen sie eben nicht nur als Instrumente vorsorglicher Haftungsfreizeichnung eingesetzt werden. Außerdem müssen Gerichte und Verwaltungen sich einer naheliegenden Versuchung stets bewusst sein: Sorgfaltskontrolle eröffnet ihnen laufende prüfungsmäßige Zugriffsmöglichkeiten auf sämtliche, auf immer weitere Freiheitsbereiche der von ihnen zu Überwachenden, seien dies Private oder Staatsinstanzen. Und Sorgfaltspflichten kennen ja keine begrifflichen Grenzen, es geht „immer (noch etwas) sorgfältiger …“. Es droht daher eine „Überspannung von Prognoseverpflichtungen“, vor allem durch die Judikative, von Grenzbestimmung zu Ingerenz; dies sollte ebenso ernst genommen werden wie die Sorgfaltsmahnungen. Ergebnis 13 a) Rechtsstaatlichkeit, Prinzip der Allgemeinen Rechts- wie der Staatslehre, verlangt, als Ausprägung der Demokratie als Staatsform, allgemeine Transparenz der Rechtsordnung: Rechtssicherheit als Rechtsbestimmtheit. Auch jede Rechtsprognose muss den Generalvorgaben der Rechtsstaatlichkeit entsprechen. b) Rechtsstaatlichkeit bedeutet blockhafte Gegenwärtigkeit des Rechts. Der rechtsstaatlich begründete Vertrauensschutz fordert eindeutige Vorhersehbarkeit von Rechtsfolgen, daher deren Erkennbarkeit in einer Klarheit der Gegenwart – also Prognose als gegenwärtige Erkenntnis. c) Normklarheit ist rechtsstaatliches Gebot der Verfassung, Grundlage von deren Justiziabilität, sanktioniert durch die Verfassungsgerichtsbarkeit. Wirkungen in der Zeit sind in deren jeweiliger Gegenwärtigkeit rechtlich zu beurteilen, hier wird nicht „Zukunft vorausgestaltet“. d) In der Rechtspraxis wird weithin verfahren in einer gewissen „Abschwächung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots“, entsprechend der zeitlichen Entfernung zwischen Normsetzung und -anwendung, damit in einer Stufung der Prognose-Sorgfalt. Dem steht aber bereits die grundsätz liche Gegenwärtigkeit der Demokratie mit ihrem fluktuierenden Volkswillen entgegen. Gleiche Gegenwartsprägung, nicht eine die Vorhersehbarkeitskri133 Zur Sorgfalt bei der Genehmigung von Tätigkeiten z. B. BVerfGE 54, 211 (222 f.); 82, 61 (75). 134 Zur Sorgfaltspflichten im Bereich der Kernenergie BVerfGE 53, 30 (56); 77, 381 (402 f.); K NVwZ 2010, 116.
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terien für die Zukunft abschwächende Anwendungssorgfalt ist also für jeden Wirkungszeitpunkt des Rechts gefordert. Der Rechtsstaat akzeptiert weiße Flecken auf der Landkarte der Inhaltserkenntnis seiner Regelungen; insoweit gilt in dubio pro Libertate. Den Sorgfaltspflichten bei einer „stets gegenwärtigen Rechtsanwendung“ tragen die jeweiligen Verfahrensregelungen Rechnung. e) Entscheidungsvorbereitende Rechtsprognose aus Gegenwartssicht muss möglichst allseitig, wenn auch strikt bereichsspezifisch erfolgen. Das verlangt Sorgfalt in jeweils auch optimaler Systematik, damit ist dies ein Tendenz-Gebot zu möglichst induktiv / deduktiver Analogie. f) Laufende, insbesondere judikative „Sorgfaltsermahnungen“ sind nötig, dürfen aber im Ergebnis nicht zu Haftungsentlassungen führen. Andererseits gilt rechtsstaatlich auch: Keine freiheitsgefährdende Überspannung von Prognosepflichten!
III. Sozialstaatlichkeit in Prognose 1. Die Zukunftsdimensionen des „Sozialen Rechtsdenkens“ a) Mit dem Thema „Prognose im Sozialstaat – Sozialstaatlichkeit als Rechtsstaatlichkeit“ begegnet sogleich die tiefe, nach wie vor unbewältigte Problematik des (staats-) rechtlichen Inhalts und der Ziele eines „sozialen Denkens“: Bedeutet dieses „Gemeinschaftsbezogenheit“, Vorrang eines wie immer dann näher zu bestimmenden Gemeinschafts-, eines öffentlichen Interesses schlechthin – oder liegt in ihm, vor allem wirtschaftlich und weit konkreter, eine gleichheitsbezogen geprägte Grundtendenz zu einer Umverteilung, mit dem Fernziel weitgehender, vielleicht gar totaler Nivellierung? Besonders deutlich zeigt sich dies bei der Beurteilung der „Sozialbindung“ des Eigentums135. Dieser schon aus politischen Gründen unaufgelösten, vielleicht unauflöslichen Doppeldeutigkeit muss sich gerade jeder Versuch rechtlicher Vorausschau stets bewusst sein. b) Diese beiden möglichen Denkrichtungen des „Sozialen“, im Sinn des sozialen Rechtsstaates, weisen beide einen möglichen Zukunftsbezug auf: – Wenn „sozial“ im Sinne der Bindung in der Gemeinschaft gedeutet wird, so wie diese hier, gerade in der Demokratie, gedacht wird, im Sinne eines „Volkes“136 in seinen Interessenlagen, die nur in ständig fluktuierender Bewegung wahrgenommen werden können, so ist die Lage dann laufend, gerade aus der Sicht der Gegenwart, in jeder Art vorbereitender Voraus135 Dazu 136 Vgl.
Leisner, W., Eigentum, HStR³, Bd. 8, § 73 Rn. 127 ff. Leisner, Das Volk, FN 28, insb. S. 42 ff.
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schau zu ermitteln. Soziales Denke stellt sich darin geradezu als eine intensive Prognoseschau par excellence dar. – Geht es hier, andererseits, primär um inhaltliche Angleichung der Rechtsund Wirtschaftslage der Rechtsgenossen, so gewinnt eine Zielprojektion zentrale Bedeutung, mit ihr ein teleologisches Verfassungsdenken, wie es bereits allgemein als Rechtsdimension der Prognose behandelt137 worden ist, für das Verfassungsrecht im Zusammenhang mit der Programmatizität der Rechtswirkungen138. In beiden Dimensionen eines Verständnisses des „Sozialen“ im Sinne einer zeitlichen Vorausbeurteilung, wenn auch stets in einer Gegenwartssicht, erscheint Sozialstaatlichkeit stets als eine in besonderer Weise dem Staatsrecht vorgegebene Methode der Erfassung des Rechtlichen. 2. „Soziales“ als „Hilfebemühen“: Prognose und Existenzsicherung in Gegenwärtigkeit Mag soziales Denken sich allgemein in Gleichheitsstreben, damit in einer besonderen „Zukunftsteleologie zeigen“, so beinhaltet es, nach seinem Gegenstand, hier zugleich eine spezifisch gegenwartsorientierte rechtliche Aufgabenstellung: „Hilfe bei Bedürfnis“, kulminierend in dem Existenz sicherungsgehalt der Sozialstaatlichkeit139. Eine solche kann ja geradezu als „globalisierter Existenzschutz“, nicht nur als dessen Ausgangspunkt oder Minimum verstanden werden. (Über-)Lebenshilfe aber muss stets wesentlich in der Gegenwart geleistet werden, für sie. Wenn dann verfassungsrechtliche Sozialstaatlichkeit gerade hier gesehen werden muss als ein „sinnarmer Begriff“140, dessen Normwirkungen im Wesentlichen (nur) vom einfachen Gesetzgeber bestimmt werden (können), so öffnet dies die Prognoseperspektive der Verfassung in der Normstufenordnung grundsätzlich und erst recht „nach unten“; sozialstaatlich muss entschieden werden auf allen nachgeordneten Konkretisierungsstufen, im Sinn einer möglichst vollen Sicht auf die jeweiligen gegenwärtigen Rechtslagen (vgl. vorst. 1. b)), nicht in einer in besonderem Maße zukunftsorientierten Betrachtungsweise, etwa des Verfassungsrechts. In jeder ihrer vorstehend erörterten Verständnisrichtungen ist also Sozialstaatlichkeit mit Blick auf das Gebot einer Prognose als Rechtslagenschau 137 Vorst.
A. IV. 1. B. III. 139 Dazu Leisner, W. G., Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, 2007, S. 150 ff. 140 Zur Erfüllung der Sozialstaatlichkeit durch einfaches Gesetzesrecht BVerfGE 5, 283 (298); 102, 258 (298) – st. Rspr. 138 Vorst.
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stets zu verstehen in einer wesentlichen Gegenwärtigkeit; diese ist ihm ja bereits allgemein nach den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung eigen. Wiederum könnte es heißen: Prognose hat Zukunftsdimension, aber nur vorbereitend in Gegenwartssicht, nicht als rechtliche Ordnung einer Zukunft als solcher. 3. Verbindung von Sozial- und Rechtsstaatlichkeit über den Begriff der verfassungsrechtlichen Sicherung a) Die grundgesetzliche Formulierung vom „sozialen Rechtsstaat“ ist häufig und grundsätzlich kritisiert141, in dem Begriff eher ein Gegensatz gesehen worden. Eine Verbindung der beiden Elemente mag sich aber gerade aus der Sicht einer Prognosebetrachtung anbieten: Rechts- wie Sozialstaatlichkeit sind „Sicherheitssäulen“ der Rechtsordnung, sie tragen eben gerade (nur) zusammen das schützende Norm-Dach der Verfassung. Rechtsstaatlichkeit verlangt Prognose auch als Perfektionierungsmethode der Normerkenntnis-Sicherheit, damit des Sicherheit verbürgenden Rechtsschutzes. Sozialstaatlichkeit will sie im Materiellen der Bedürfnisbefriedigung gewährleisten, aber eben auch in der Erkenntnis der Bedürfnisse und deren Transformation in die Rechtsform der materiellen Ansprüchlichkeit. b) Diese Sicherung bedeutet zwar, in dieser ihrer Dimension wie in ihren einzelnen Ausprägungen, notwendig einen Ausgriff in die Zukunft, aber nicht eine Regelung derselben als solcher. Gerade ihre begriffliche Grundbedeutung ist ja die Herstellung gegenwärtiger Erkenntnis-, Willens-, Lebensstabilität in rechtlicher Ordnung, sie ergeht sich nicht in einer Vorausschau dahin, ob und wie es diese (auch) einmal in Zukunft geben werde; eine solche würde sich allzu rasch zu einer Hoffnung abschwächen, wie sie das Recht weder kennen kann, noch bieten will. Sicherheit vermittelt stets und ausschließlich die gegenwärtige Daten- und Lagen-Festigkeit: in ihr wird die Zukunft nicht nur „angeseilt“ an die in Prognose erkennende Gegenwart, sie wird durch Vorausschau ein Teil der letzteren. Eben dies vermittelt die ständig beschworene „soziale Sicherheit“, der primäre und KernNormierungsgegenstand der Sozialstaatlichkeit, soweit diese überhaupt verfassungsrechtlich eindeutig erfassbar ist. Der Staat ermittelt prognostizierend für den Bürger aus dessen gegenwärtiger Lage die Bedürfnisse seines künftigen Lebens; er verleiht dem zu Sichernden damit einen „sozialen Stand“, ja einen verfassungsrechtlichen derartigen Status, der sich bereits in Rechtswirkungen gegenwärtig messen lässt, nach den Kriterien der „sozialen Standards“. 141 In klassischer Weise von Forsthoff, E., Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats, VVdStRL 12, 1954, S. 8 ff.
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4. Versicherungsdenken – Sozialversicherung: Verfassungsvorgaben für eine Prognose als Zukunftserfassung? a) Inhalt der Sozialstaatlichkeit ist, nach der Verfassungsrechtsprechung142, ein verfassungsrechtlicher normativer Auftrag zur Schaffung sozia ler Sicherungssysteme gegen die Wechselfälle des Lebens. Dies ist für alle Ausprägungen der Sozialversicherung festgestellt worden. Die Sozialversicherung muss in finanzieller Stabilität gestaltet sein143. Eine solche aber kann nicht für die Zukunft organisiert werden, sondern nur in der Gegenwart. In ihr allein wirkt daher dieser Auftrag, verbunden jedoch mit der üblichen Realisierungsfreiheit des einfachen Sozialgesetzgebers nach Ob und Wie. Dieses ist wiederum nicht in Zukunftsprophezeiung, sondern in jeweiliger Gegenwartsschau zu ermitteln und zu gestalten. Sozialversicherungsrecht ist keine Zukunftswissenschaft, sondern eine Form rechtlicher Gegenwartsbetrachtung der Notwendigkeit einer stets präsenten Sicherheitsgestaltung. b) Ob es nach dem Grundgesetz eine „Sozialversicherung geben muss“144, mag grundsätzlich fraglich sein, wird allerdings wohl weitestgehend bejaht. Eine solche muss allerdings nicht in den aus der einfachen Gesetzgebung bekannten Formen – jedenfalls in all ihren Einzelheiten – ausgestaltet sein. Immerhin ergibt sich aus dieser gesamten verfassungsrechtlich relevanten Lage der Sozialstaatlichkeit ein gewisses „Versicherungsdenken“ als verfassungsrechtliche Vorgabe rechtlicher Erkenntnismethode, damit auch für die Prognosebetrachtung. Dem Bürger in seiner Freiheit, den Staatsinstanzen in Rechts- und Sozialstaatlichkeit obliegt eine bestimmte „Pflicht zur Vorsorge“, die jedoch nicht identisch ist mit einer „Pflicht zur Zukunftsgestaltung“; eine solche kann schon deshalb nicht auferlegt werden, weil sie tatsächlich unter entscheidenden, sie inhaltlich möglicherweise entleerenden Vorbehalten stünde. Vorsorge aber ist demgegenüber Gegenwartsentscheidung, Bereitstellung hic et nunc, nicht erst in einer „Zukunft“. Zwangsversicherung ist sofort wirksame Beschränkung einer (privaten) Vorsorgefreiheit145; sie bedarf daher stets einer Begründung aus einer gegenwärtig zu ermittelnden Notwendigkeitslage heraus. Hier ist eine gewisse Sicherheit in der Beurteilung erforderlich146; um eine „Zukunftsbeurteilung als solche in Wahr142 BVerfGE
28, 324 (348 ff.); 68, 193 (209) – st. Rspr. 103, 293 (307). 144 Zur undifferenzierten Weite des Begriffs vgl. BVerfGE 75, 108 (146); 88, 203 (103). 145 In der Verfassungsjudikatur wurde, jedenfalls in früherer Zeit, angenommen, dass der Eigenvorsorge Vorrang zukomme, vgl. BVerfGE 17, 38 (56); 18, 257 (267). 146 BVerfGE 100, 59 (101); 103, 242 (267). 143 BVerfGE
III. Sozialstaatlichkeit in Prognose91
scheinlichkeit“ geht es nicht. Prognose ist hier gegenwärtige Bestimmung zukünftiger Leistungen, solange das ebenfalls gegenwärtig zu ermittelnde Bedürfnis für diese besteht. „Zukunftsqualität“ kommt dabei der Prognose als solcher weder zu aus ihrem Gegenstand (Bedürfnis), noch nach ihrer Dauer. Dass „Sozialstaatlichkeit“ begonnen hat mit der Sozialversicherung, dass in ihr, wie überhaupt in jeder derartigen Zukunftsvorsorge, rechtliches Versicherungsdenken wirkt, bedeutet nicht, dass verfassungsrechtliche Sozialstaatlichkeit eine grundsätzlich-normative Dimension von Rechtsprognose als Zukunftsgestaltung eröffnet. c) In der Sozialstaatlichkeit, in deren staatsformtragender Verbindung nicht nur mit der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch mit der „Demokratie“, liegt dieses „Versicherungsdenken“ allerdings noch in einer anderen Perspektive: Versicherungslösungen müssen stets auf der Grundlage von Durchschnittsberechnungen stattfinden: In ihnen kommt dann eine gewisse Wahrscheinlichkeit zum Ausdruck, die wiederum im demokratischen Mehrheitsprinzip147 dogmatischen Ausdruck findet. „Demokratischer sozialer Rechtsstaat“ – diese grundgesetzliche Formel in Art. 20, 28 GG findet daher gerade im sozialstaatlich ausgeprägten Versicherungsdenken des Staatsrechts, als Ausdruck einer „Durchschnittssicherung“, dogmatische Bestätigung und Rechtfertigung zugleich. Diese „Durchschnitts-Perspektive“ darf, ja sie muss aber auch jede Prognose leiten, wenn nicht geradezu konstituieren. Sie ist es auch, in welcher solche Vorausschau „wesentlich in Gegenwärtigkeit“ stattfindet, ja in einer Beurteilung von „Vergangenheit als Zukunft“148. Die Perspektive der Prognose wird insoweit zur Retrospektive; eine Zukunft ist nicht ihr Gegenstand; wenn diese die Prognose falsifiziert, so ist eine solche eben zu korrigieren149. In der Sozialstaatlichkeit als Ausdruck staatlichen Versicherungsdenkens schließen sich so die Elemente der grundgesetzlichen Staatsformbestimmung zusammen. Ergebnis 14 a) Sozialstaatlichkeit wird als „Vorrang der Gemeinschaft“, des öffentlichen Interesses gedeutet, oder als ein Programm der Angleichung, ja Nivellierung. Beides begründet „Prognose in Gegenwart“ – in der des jeweils gegenwärtigen Volkswillens oder in der einer „Bedürfnisbefriedigung“, die 147 Zum Mehrheitsprinzip vgl. Böckenförde, E.-W.; HStR³, § 24 Rn. 52 ff. Grdl. noch immer Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, 1973; s. auch Hain, W., Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, 1983. 148 „Vergangenheit als Zukunft“, vgl. grds. Leisner, Tradition, FN 10; vgl. insb. dort zu den grundgesetzlichen Verfassungsentscheidungen S. 90 ff. 149 BVerfGE 110, 141 (158); Breuer, R., HStR³, Bd. 6, § 148 Rn. 19.
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C. Grundgesetzliche Grundentscheidungen und „Zukunft“
nur hic et nunc ermittelt, lediglich in Gegenwärtigkeit jeweils geleistet werden kann. b) Im Begriff der „Sicherung des Bürgers“ verbinden sich Rechts- und Sozialstaatlichkeit, beide in gegenwärtig bestimmter Rechtssetzung und -anwendung. Jeweilige Gegenwart wird gesichert, nicht Zukunft normiert. c) Versicherungsdenken in „Pflicht zur Vorsorge“ ist allgemeines Verfassungsgebot der Sozialstaatlichkeit. Durchschnittsmaßstäbe sind hier zugrunde zu legen, nicht in Zukunftsordnung, sondern in vorbereitendem recht lichem Bemühen der Gegenwart um Beurteilung auf der Grundlage gegenwärtiger Erfahrungen und solcher der Vergangenheit.
IV. Föderalismus – Prognoseaspekte 1. Föderalismus als „staatsrechtlicher Prognoseraum“ a) Auf einen ersten Blick scheint der Föderalismus, als grundlegende Staatsformbestimmung des Grundgesetzes, zur Problematik der Rechtsprognose keinen dogmatischen Beitrag zu bieten. Dieses staatsrechtliche Organisationsschema wirkt geradezu in einer Zeitlosigkeit, in der jede seiner Erscheinungen hic et nunc fällt. Lässt sich hier überhaupt etwas feststellen wie eine Prognosedimension – abgesehen von solchen, welche sich bereits aus der Vergangenheit heraus eröffnen150, aber eben nicht wesentlich in eine wie immer zu bestimmende Zukunft hinein wirken? Bei näherem Zusehen zeigt sich allerdings, dass auch dieses Kriterium der Staatsformbestimmung durchaus Bedeutung gewinnt für die vorliegenden Betrachtungen. Eine solche liegt zunächst und vor allem darin, dass sich gerade das deutsche Staatsrecht hier in einem dogmatisch zu bestimmenden Raum bewegt, der dann als solcher einen Entfaltungs-, damit aber eben auch einen Prognosebereich des Staatsrechts darstellt. Damit ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob dies auch Formen einer „rechtlichen Zukunftserfassung“ oder doch nur eine Form der „Beurteilung in Gegenwart“ darstellt, als die sich Prognose bisher im Wesentlichen gezeigt hat. b) Nach herkömmlichen Vorstellungen liegt die wesentliche Bedeutung des Föderalismus vor allem in ihm als einem „Wachstumspotenzial der Demokratie“. Diese soll sich ja gerade hier wesentlich „von unten nach oben entwickeln“; sie ist insoweit als eine besonders „dynamische Staatsform“ zu verstehen151. In ihr müssen laufend gesellschaftliche Veränderun150 Dazu
Leisner, Tradition, FN 10, S. 118 ff. Demokratie als dynamischer Staatsform s. Benz, A., Föderalismus als dynamisches Konzept, 1985. 151 Zur
IV. Föderalismus – Prognoseaspekte93
gen bewältigt werden152, in einem Weiterdenken und in Fortentwicklung. Damit sind deutlich Kategorien und Kriterien angesprochen, welche in die Richtung einer Prognose weisen, ohne dass diese damit allerdings als eine Erfassung der Zukunft erschiene. Eine solche Bestimmung des Prognoseraums, wenn auch nicht einer staatsrechtlichen „Zukunftsdimension“ als solcher, ergibt sich für den Föderalismus ja auch bereits daraus, dass dieser Verfassungsbegriff dogmatisch in einer gewissen Vielfalt geprägt, wenn nicht geradezu durch diese konstituiert erscheint153. Diese wirkt als solche bereits dynamisierend in dem Sinne, dass sie in ständiger Änderung, in einer Entwicklung, adaptierend Zukünftiges zu bewältigen, d. h. es normierend zu ordnen versuchen muss. Damit stellt der Föderalismus jedenfalls organisatorische Gestaltungen zur Verfügung, die in ihrem Zusammenspiel in die Zukunft hinein wirken können, auch wenn dies in jeweiliger Gegenwart geschieht. Daraus ergibt sich auch eine begriffliche Rechtserkenntnis: Föderalismus erscheint hier als eine Form dynamischer Staatlichkeit. Als eine solche muss vor allem das Grundgesetz gesehen werden, in seiner politisch bestimmten Fortentwicklung, in Distanz zu der Grundsätzlichkeit des nationalsozialistischen Staatsverständnisses154. Gerade diese das deutsche Staatsrecht seit 1945 deutlich beherrschende Entwicklung, in klarem Gegensatz zum Zentralismus der vorher herrschenden Staatsauffassung, zeigt den „grundgesetzlichen Föderalismus als eine dogmatische Form einer verfassungsdynamischen Ordnung“, welche als solche dauernde, wenn allerdings auch stets gegenwärtige Prognose verlangt. 2. Föderalismus als Experimentierfeld und Prognoseform Gerade in dieser seiner Vielfalt, wie bereits schon in der Eröffnung eines Prognoseraums, zeigt sich der Föderalismus als ein staatsrechtliches Experimentierfeld155, für dessen normative Bearbeitung er zugleich die notwendigen Instrumente bereitstellt: Er macht damit seine Staatlichkeit zu einem „Experimentierstaat“. Dies fügt sich wiederum in die Grundkonzeption einer Ordnung, die zugleich in Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit und Demokratie geprägt ist: Klare rechtsstaatliche Erkenntnisse sind in einer naturwissenschaftlich-technisch getragenen Welt vor allem vom „Versuch“ zu erwarten; der fluktuierende Volkswille lässt Entscheidungen gar nicht in einer 152 s. in diesem Sinn bereits Scheuner, U., Strukturen und Aufgaben des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, 641 (648). 153 Vgl. vertiefend Leisner, A., Vielfalt – Ein Begriff des Öffentlichen Rechts, 204, S. 106 ff. m. zahlr. Nachw. 154 Dazu Leisner, Tradition, FN 10, S. 68 ff. 155 s. dazu Michael, L., Der experimentelle Bundesstaat, JZ 2006, 884 ff.
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C. Grundgesetzliche Grundentscheidungen und „Zukunft“
anderen Form zu als in einer solchen des Experiments. Dieses aber ist dann geradezu begrifflich notwendige Grundlage einer Prognose. Der föderale Experimentierstaat muss also Rechtsprognose als ein zentrales methodisches Vorbereitungsinstrument staatsrechtlicher Entscheidungen laufend zum Einsatz bringen, und er vermag dies gerade in seiner Vielfaltsstruktur. In dieser Experimentalität liegt nun aber eben nicht ein laufender dog matischer, ein normativer Ausgriff in „zukunftswirksamer Regelung“, auch nicht in einer methodischen Zukunftsoffenheit. Es werden im Föderalismus lediglich Voraussetzungen für jederzeitige, stets aber gegenwärtige recht liche Erkenntnisse bereitgestellt, eine immer neue Gegenwart. Föderalismus ist dogmatisch eine Organisationsstruktur stets gegenwärtig wirkender Prognoseformen. 3. Föderale Subsidiaritäts-Prognose in Normstufenform a) Die Bundesstaatlichkeit wird weithin auch im Sinn eines Verfassungsprinzips der Subsidiarität verstanden156, in welchem dann insbesondere die Verfassungsmaxime des Art. 30 GG zugunsten der kleineren Einheiten der Länder ihre Grenzen finden, wenn nicht sich grundsätzlich umkehren soll. Selbst wenn dem allgemein-grundsätzlich nicht gefolgt wird, so verdeutlicht solche Betrachtungsweise des „Vorrangs der kleineren Einheit“ doch, in zeitlicher Sicht, die Prognosebedeutung in der föderalen Staatsform. Jedenfalls in ihren Experimentformen (vgl. vorst. 2.) kommt praktisch eben meist ein gewisser zeitlicher Vorrang der Regelungserfahrungen auf der jeweils nachgeordneten Stufe zum Ausdruck – gerade wenn diese dann in den dies alles „brechenden“ Inhalten der übergeordneten Entscheidung wieder aufgehoben wird. Prognose mag darin in ihrem Gegenstand als Ablaufbeschreibung der Normstufung in Subsidiarität erscheinen; eine Entscheidung für oder gegen einen „Vorrang der kleineren Entscheidungseinheit“ als solcher stellt sie im Föderalismus allerdings nicht dar. b) Konkret-verfassungsrechtlich zeigt sich aber Föderalismus in seiner Prognosedimension der Experimentalität jedenfalls in Art. 29 GG. Die Neuordnung des Bundesgebietes verlangt stets eine gewisse Entwicklungs-Vorausschau. Dies erscheint vor allem im Voraussetzungs-Begriff der „Leistungsfähigkeit“ der jeweiligen (neu) zu gliedernden staatlichen Einheiten157. Hier ist Prognose gefordert, in zentraler Form, als Voraussetzung der Neu156 Vgl. zum Meinungsstand Sommermann, K.-P., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20 Rn. 32; zur EU-rechtlichen Betrachtung Calliess, Chr., Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzipen in der EU, 2. Aufl. 1999, insb. S. 26 ff. 157 s. dazu Meyer-Teschendorf, K.-G., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 29 Rn. 28 m. Nachw.
IV. Föderalismus – Prognoseaspekte95
gliederungsentscheidung. Sie wird sich vornehmlich auf die ökonomischen und kulturellen Bereiche in deren Faktizität beziehen, dabei aber auch die bisherigen rechtlichen Regelungseffekte einbeziehen, sie „fortzudenken“ versuchen. Dieses „Fortdenken“ ist nun aber hier, wie auch begrifflich, noch kein Vorgang versuchter Zukunftsregelung, sondern Prognose als Ausdruck der „Vergegenwärtigung“, der Einbeziehung künftiger Daten in gegenwärtige Erkenntnis, welche eine zu treffende Entscheidung vorbereitet. Dass in Art. 29 GG, im Lauf seiner Normentwicklung, die ermessensmäßige Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers entscheidend ausgeweitet worden ist, spricht für eine bewusste verfassungsrechtliche Vergegenwärtigung der Verfassung in einer jeweils zeitnäheren Gesetzgebung. In diesem Sinn lässt sich also einer erforderlichen „Entwicklungsvorausschau“ in der Föderalität des Art. 29 GG nicht ein spezieller „Zukunftsbezug des föderalen Staatsrechts als einer Regelung der Zukunft als solcher“ entnehmen, sondern nur wiederum Föderalismus erkennen als Staatsform eines Experimentierens, welches Prognosegrundlagen schafft. Sämtliche Verfassungsgrundentscheidungen der Art. 20 und Art. 79 Abs. 3 GG erweisen mithin die Rechtsprognose als rechtliche Form einer Entscheidungsvorbereitung in Gegenwart, damit als Formen wesentlicher rechtlicher Vergegenwärtigung der Zukunft. Ergebnis 15: Föderalismus hat einen, allerdings nur sehr allgemeinen, Zukunftsbezug, soweit in ihr „Demokratie von unten nach oben wachsen soll“. Diese Staatsform wirkt insoweit dynamisch, darin aber eben „ganz in jeder Gegenwart“, welche sie jedoch nicht als solche vorausbestimmen will. Dies ergibt sich schon aus ihrem Dynamik-Potenzial der staatsrechtlichen Vielfalt. Der Föderalismus ist eine „Staatsform des Experimentierens“, in „staatsrechtlichen Vorversuchen in den Ländern“. Diese Subsidiarität wird dann allerdings u. U. immer wieder in bundesrechtlicher Gegenwartsentscheidung gebrochen. Als ein solches Experimentierfeld wirkt auch die Bestimmung staatlicher Leistungsfähigkeit bei föderalen Neugliederungen (Art. 29 GG).
D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen – Prognosegehalt Das geltende Staatsrecht des Grundgesetzes trifft zu seinen weithin klassisch-traditionellen Regelungsgegenständen Entscheidungen, in denen „Verfassungsprognosen“ gesehen werden könnten. Aus den Inhalten der grundgesetzlichen Normen ergibt sich jedenfalls ein Geltungswille der jeweiligen verfassunggebenden Gegenwart für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit. Darin ist aber nicht notwendig eine „Regelungswirkung für die Zukunft als solche“ zu sehen, sondern nur „für die Gegenwart und bis auf Weiteres“, auf Grund früherer verfestigter Erfahrungen und unter dem Vorbehalt jederzeit möglicher Änderung bei künftigen Verschiebungen der normgegenständlichen Lage158. Wie hier im Verfassungsrecht diese normprognostische Erkenntnis jeweils eingeschätzt wird, welche Vorgaben sich daraus für die Vergegenwärtigungswirkungen der staatsrechtlichen Prognosen ergeben, soll nun an den wichtigsten, in diesem Sinne prognoseträchtigen Regelungen des Grundgesetzes, in Betrachtung von Einzelbestimmungen untersucht werden.
I. Verfassunggebung und Verfassungsänderung – „Verfahren als Zukunftsregelung?“ 1. Jederzeitige Änderbarkeit der Normentscheidung a) Verfassungsrecht ist getragen von einem in Dauer potenzierten Geltungswillen. Das rechtliche Stabilisierungsstreben zeigt sich grundsätzlich darin, dass hier Geltungsbegrenzungen in der Zeit oder in Übergangs- und Schlussbestimmungen marginale Ausnahmen darstellen. Die frühere Vorausschau auf eine künftige Wiedervereinigung in Art. 146 GG a. F. war ebenfalls als eine solche Ausnahme anzusehen. Das Verfahren der Verfassunggebung / Änderung hat immerhin jederzeitige Möglichkeit der Schaffung neuer Norminhalte zum Gegenstand. b) Nun könnte jede spezielle Normierung des Verfahrens einer Änderung der Verfassungsrechtslage, jede Form verfassungsrechtlicher Änderungser158 Zur Dynamik aber eben auch Diskontinuität des Verfassungsrechts s. grds. Leisner, A., FN 153, S. 376 ff., 390 ff.
I. Verfassunggebung und Verfassungsänderung97
schwerung oder gar eines Abänderungsverbots als Versuch „rechtlicher Erfassung eines Zukunftszeitraumes“ erscheinen, insoweit eben doch als normative Regelung für eine dergestalt abgegrenzte Zukunft. Dies würde dann für die Erforderlichkeit erhöhter Mehrheiten gelten (Art. 79 Abs. 2 GG), erst recht für die „Ewigkeitsentscheidung“ in Art. 79 Abs. 3 GG. Qualifizierte Mehrheiten für Verfassungsänderungen wären insoweit zu verstehen als besondere Formen einer „Prognose als Regelung einer Zukunft“. Es gäbe etwas wie organisationsrechtliche Formen einer „speziellen Prognose“ weitreichend-grundsätzlicher, eben verfassungsrechtlicher Regelungen gerade solcher künftiger Rechtslagen. Der volle Ausschluss einer Verfassungsänderung (Art. 79 Abs. 3 GG) erschiene in dieser Betrachtung als Ausdruck von Verfassungsrecht als Regelung gerade für „alle Zukunft“. All diese Änderungsregelungen des Verfassungsrechts wären als solche zu beurteilen, in denen die Ordnungsstabilisierung formal durch spezielle „Regelungen der Zukunft“ erreicht werden sollte. Gegen eine solche Sicht bestehen jedoch Bedenken: 2. Erhöhte Änderungs-Mehrheit: Entscheidungserschwerung, nicht Zukunftsregelung a) Verfassung(sgesetz)gebung war und ist, wo immer es in neuerer Zeit Verfassung mit formalem Unterschied zur übrigen, eben der einfachen Gesetzgebung, gegeben hat, gekennzeichnet, ja definiert durch einen Erlassvorgang, der höhere „qualifizierte“ Mehrheiten verlangt. Im Grundgesetz ist dies denn auch in Art. 79 Abs. 2 in dieser Weise festgelegt worden. Die Frage, ob sich dies gerade aus der Verfassungsqualität dieser Normen notwendig ergeben muss, ist gestellt und überwiegend stets positiv beantwortet worden159. Warum derartige erhöhte Umsetzungs- und Abänderungsmehrheiten gerade für alles Verfassungsrecht verlangt werden, ist jedoch, soweit ersichtlich, seit langem kein Gegenstand vertiefender Überlegungen mehr. Die Erläuterungswerke zu Art. 79 GG widmen dem allenfalls Ausführungen zur Frage, wie sich diese Erfordernisse qualifizierter Majorität aus Sicht der Volkssouveränität und des sie tragenden Volkswillens deuten lassen160. Wesen und darauf gestützte Legitimation des erhöhten Mehrheitserfordernisses bei der Verfassunggebung und -änderung lassen sich letztlich nur mit der speziellen normativen Sicherungsfunktion der Regelungen auf dieser Normstufe begründen. Dies kann dann mit dem Begriff einer „Stabilität“ 159 Zum
Rn. 9.
Meinungsstand vgl. Sachs, M., in: Sachs, GG 6. Aufl. 2011, Einführung
160 s. dazu die Kontroverse zwischen Bryde, B.-O. und Hain K.-E., v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 79 Rn. 26.
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
bezeichnet werden, die einer allzu leichten, raschen, damit häufigen Änderung von Normlagen im Wege stehe, eben geradezu aus dem Begriff der Verfassung als solcher heraus. In der dynamisch-flutenden Volksherrschaft soll so eine feste rechtliche Verankerung der Ordnung geschaffen werden, welche Gesetzesfluten und damit letztlich alle Normwirkungen kanalisiert161. b) Diese Stabilität der Verfassung weist nun zwar, gerade auch in dogmatischer Sicht, eine zeitliche Wirkung auf: Majoritätsmäßige Erleichterung der Verfassungsänderung würde ja, umgekehrt, nach ganz allgemeiner, vor allem auch gesetzespolitischer Erfahrung, zu Änderungshäufigkeit der betreffenden Normlage führen, hier der Verfassung. Damit wäre dann eine Kurzfristigkeit der jeweiligen verfassungsrechtlichen Regelungsgeltung verbunden. Geltungsstabilität lässt sich also unzweifelhaft durch höhere Mehrheitserfordernisse anstreben, wenn auch nicht immer erreichen. Denn hier muss immerhin bedacht werden: Die Leichtigkeit, mit welcher es, vor allem in Zeiten Großer Koalitionen, zu Verfassungsänderungen, ja zu größeren „Verfassungsreformen“ kommen kann, unterläuft jedenfalls ein Stabilitätsstreben in höheren Verfassungsänderungsmehrheiten. Aus der Sicht demokratischer Dynamik mag diese „politische Erleichterung“ der Verfassungsänderung begrüßt werden; normlogisch wird sie für eine Verfassungsdogmatik, welche Stabilität sichern will, zum Problem, ganz abgesehen von der hiermit eintretenden Zurückdrängung der Opposition162. c) Sieht man von diesen neueren Entwicklungen ab, so mag sich längere zeitliche Geltungswirksamkeit durch erhöhte verfassungsrechtliche Majoritätsvoraussetzungen begründen lassen, damit sogar eine gewisse Prognoserelevanz dieser letzteren. Dennoch kann aus einer Steigerung der Mehrheitserfordernisse als solcher eine spezielle Zukunftswirkung nicht abgeleitet werden. Der Begriff der „Stabilität“ ist als solcher unklar, doppeldeutig. Mit ihm soll das Wesen der Geltung von Regelungen (auf) einer höheren Normschicht verdeutlicht werden, mit der normativen Folge, dass diese nachgeordneten Regelungen vorgeht, und zwar jeweils mit Wirkung „von Anfang an“, seit der Kollision der niederrangigen Normen mit der Verfassung. Darin liegt zwar ein gewisser zeitlicher Geltungseffekt des jeweiligen Verfassungsrechts. Es ist dies aber doch ein wesentlich und ausschließlich gegenwärtiger, er weist keinerlei Inhalt einer normgrundsätzlichen Zukunftsnormierung mit zeitlicher Wirkung auf, etwa einer solchen „bis zu einer späteren Verfassungsänderung“. Alle gesetzlichen Normen gelten ja bis zu ihrer Aufhebung oder Änderung; dennoch sind sie gerade darin stets Ausdruck 161 Dazu allg. Leisner, W., Die Krise des Gesetzes. Die Auflösung des Normenstaates, 2001, insbes. S. 182 ff. 162 Zur Zurückdrängung der Opposition neuerdings Leisner, W., Opposition in der „Großen Koalition“, DÖV 2014, 880.
I. Verfassunggebung und Verfassungsänderung99
gegenwärtiger Normentscheidung. Die Normwirkung des Verfassungsrechts ist ebenfalls eine stets wesentlich und ausschließlich gegenwartsbezogene, in jeder Gegenwart ihrer Anwendung, auch in jeder „Zukunft als deren Gegenwart“, eben bis zu ihrem Außerkraftteten. All dies sind aber dogmatische Effekte, keine zeitlichen „Vorausnormierungswirkungen“. Eine Verfassungsgeltung in diesem Sinn, „bis auf weiteres“, für eine unbestimmte Zukunft, vielleicht gar „auf ewig“, wäre als solche nicht nur völlig „offen“, sondern total unbestimmt, in prinzipiellem Widerspruch zu jedem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit. d) Erhöhte Mehrheiten sind also, dogmatisch gesehen, allein Regelungen von Normgeltungsvoraussetzungen in der jeweiligen Gegenwart, nicht Formen von „geregelter Zukunft“. Das schließt nicht aus, dass in einem Verfahren, einem Stadium der Vorbereitung einer verfassungsrechtlichen Normgebung ein geschärfter Blick sich richten wird, in Erkenntnissuche, auf faktische und normgeltungsmäßige Entwicklungswahrscheinlichkeiten der Zukunft, eben damit nicht ständige, erneute Verfassungsänderung erforderlich werde. Diese Prognose bezieht sich dann auch auf eine spezielle Weite der Wirkungsgegenständlichkeit, sie muss damit in gesteigerter Normensystematik unternommen werden, vor allem in der Bewertung der auszugleichenden, etwa ökonomischen Interessen. Hier hat dann eben grundsätzlich zu gelten: „Gesamtschau vor Einzelschau“. All dies verbleibt aber im Bereich verfahrenmäßiger Vorbereitungsmethodik der Rechtsgeltung in der Gegenwart, es greift nicht über, in normativ-inhaltlicher Geltungswirkung, in eine „Normierung der Zukunft“ als solcher. 3. „Ewigkeitsentscheidungen“ a) Gleiches gilt, mit ebensolcher Begründung, auch für etwaige Zukunftswirkungen einer „Ewigkeitsentscheidung“ (Art. 79 Abs. 3 GG), und zwar als Ergebnis einer a fortiori-Argumentation. Das Verbot jeder Verfassungsänderung stellt sich zwar rechtsdogmatisch dar als eine „zeitliche Ewigkeitswirkung“, also in etwas wie einer „normativen Unendlichkeitsdimension“. Ob es eine solche begrifflich geben kann und in welchen Formen sich ein normativer Blick in nicht abgrenzbare Dimensionen überhaupt öffnen kann – dies mag ein Grundproblem des Rechts als solchen, insbesondere auch des Verfassungsrechts sein. Hier spielen religiöse, ideologische und eben auch philosophisch-erkenntnismäßige Gedanken eine kombinierte Rolle, in Bestimmungsversuchen der Grenzen der Rechtsstaatlichkeit. Dies muss daher einer anderen rechtlichen Betrachtung vorbehalten werden. b) Hier dagegen lässt sich immerhin feststellen: In der Perspektive dessen, was bisher im Staatsrecht unter dem Begriff „Prognose“ diskutiert
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
worden ist, lassen sich grundsätzliche Aussagen nicht treffen zu einer „Ewigkeitsentscheidung“. Sie will doch „ganz andere“ Dimensionen eröffnen als die der methodisch-erkennenden Prognose als Normvorbereitung; eine solche wird hier für die Zukunft, ja gerade ausgeschlossen. Sie würde in eine völlige Unbestimmtheit, Unbestimmbarkeit der Normwirkungen führen. Dies geschähe auch noch über eine Verfassung, die damit in einem und demselben Gesetzeswerk Bestimmbarkeit der Geltung in ihrer Rechtsstaatlichkeit und totale Unbestimmbarkeit in ihrer Ewigkeitsentscheidung für alle Normgeltung vorschreiben wollte. Die Folge eines solchen inneren Widerspruchs163 lassen sich nur durch eine Feststellung vermeiden, die als solche auf der Grundlinie der bisherigen Ergebnisse dieser Untersuchung liegt: Gerade in der grundgesetzlichen Festschreibung von Norminhalten zur „Unendlichen Geschichte“, in Ewigkeitsentscheidung(en), liegt eine geradezu radikale Vergegenwärtigung des gesamten Verfassungsrechts, normlogisch, normstufenmäßig, in der Grundentscheidung des Art. 79 Abs. 3 GG, in einer Normsetzung für „Ewigkeit als Gegenwart“; und nur als eine solche ist diese Unendlichkeit ja denkbar. Ergebnis 16 Geltendes Verfassungsrecht bietet normative Vorgaben für eine „Rechtsprognose“ insoweit, als seine jeweiligen Inhalte, stets aus der Sicht der betreffenden Normsetzung / Anwendung, einen Geltungswillen erkennen lassen. a) Auch Verfassungsnormen sind als solche grundsätzlich jederzeit abänderbar. Notwendige höhere Änderungsmehrheiten dürfen aber nicht als „Zukunftsregelungen“ verstanden werden, sondern nur als spezielle Entscheidungserschwerungen, welche damit einer Stabilitäts-Sicherung (auf) dieser Normenschicht dienen, vor allem gegen „demokratische Normfluten“. Verfassungsänderungen haben also Stabilitäts-, nicht Prognosebedeutung. Höhere Mehrheiten begründen normativen Vorrang, sie führen als solche nicht zu „anderer“, genauerer Vorausschau; sie zeigen verstärkten Geltungswillen der Verfassungsentscheidung in der Gegenwart. b) Für „Ewigkeitsentscheidungen“ (Art. 79 Abs. 3 GG) der Verfassung gilt grundsätzlich Gleiches: Gerade sie wären ja als „rechtliche Regelungen der Zukunft“ völlig unvollziehbar, stünden in unauflöslichem Gegensatz zur rechtsstaatlichen Bestimmtheit. Begriffen werden können sie nur im Sinne einer „Augenblicksgeltung als Ewigkeitsgeltung“ – also in überzeitlicher Präsenz. 163 Als Widerspruch in sich geradezu im engsten Wortsinn: Denn der Normwirkung des Art. 79 Abs. 3 wird in Verweisung die des Art. 20 „hinzugefügt“.
II. Staatsorganisatorische „Prognosevorgaben“101
II. Staatsorganisatorische „Prognosevorgaben“ 1. Fragestellung Das Staatsorganisationsrecht des Grundgesetzes ist insgesamt geprägt von blockhaftem Geltungsanspruch, hic et nunc. Dies entspricht den Ergebnissen der Untersuchung, welche „Prognose“ als einen gnoseologischen Vorgang sehen, in einer Methodik des erkennenden Abschätzens der Zukunftsentwicklung, aber in gegenwärtiger Sicht und in jederzeit präsenter Normgeltung. Immerhin finden sich im Staatsorganisationsrecht des Grundgesetzes Norminhalte, welche auf eine zeitlich konkretisierte, als solche bestimmbare Vergegenwärtigungswirkung einer „Verfassungszukunft“ hindeuten. Prognosen müssen dann, in besonderer Weise, im Lichte dieser zeitlich-gegenständlichen Vorgaben erfolgen. Herausgegriffen werden können, in diesem Zusammenhang, nur einzelne normative Komplexe, welche in besonderer Weise gerade die demokratische Staatsform prägen, in ihrer systematischen Grundsätzlichkeit. Ergebnisse dazu lassen sich dann auch auf Einzelbereiche der Gesetzgebung „hinunterrechnen“, jeweils allerdings in einer speziell(en) juristischen Dogmatik, welche philosophisch-gnoseologische Erkenntnisfragen im weiteren Sinn ausklammern muss. 2. Wahlen als Personal-Prognosen a) Wahlen sind die tragenden Grundlagen der demokratischen Staatsform164, in jedem juristisch bedeutsamen Sinn. Dies gilt hier für sie von der grundsätzlichen Rechtsfertigung der Gewaltausübung durch den Volkssouverän bis hin zu all ihren wesentlichen Ausprägungen im Einzelnen, etwa den Rechten des Bundestages als des ersten und wichtigsten Staatsorgans165. 164 In der Verfassungsrechtsprechung werden die Wahlen als wichtigste Ausprägung des Demokratieprinzips bezeichnet, vgl. BVerfGE 11, 351 (360); 69, 92 (105 f.); 71, 81 (94); 123, 267 (340 ff.). 165 Insoweit folgerichtig werden daher die Wahlrechtsgrundsätze im Grundgesetz am Eingang zum Verfassungsrecht des Bundestags behandelt (Art. 38 GG). Auf einen speziellen Abschnitt über „Demokratie“, deren Grundlagen und wesentliche verfassungsrechtliche Ausprägungen, wurde 1949 allerdings verzichtet; die prinzipielle Demokratiedogmatik nimmt dies noch immer nicht hinreichend zur Kenntnis, als einen ihrer Ausgangspunkte. Redaktionell werden hier „Grundrechtsgleiche Rechte“ als Demokratiegrundlage von den „Grundrechten“ unterschieden, im Verfassungsprozess dann allerdings den ersteren weithin gleichgestellt. Die erforderliche staatsgrundsätzliche Begründung dafür ist bisher nicht hinreichend vertiefend erfolgt (vgl. Starck, Chr., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 1 Rn. 149).
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
Angesichts dieser eindeutigen Prinzipialität166 des Wahlrechts als solchem und seiner allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzbestimmungen muss sich gerade eine Betrachtung zur Prognose mit ihnen beschäftigen. Liegt in ihnen inhaltlich ein „Normgehalt von Vorausschau“, lassen sich aus ihnen formale Orientierungen für eine notwendige Gestaltung einer solchen ableiten? Ergebnisse einer derartigen Prüfung könnten über die durch sie im wahren Sinne konstituierte Demokratie geradezu als Bestandteile einer in Art. 79 Abs. 3 GG zur Ewigkeitsentscheidung erhobenen Staatsformbestimmung erscheinen. Ein etwaiger Prognosegehalt aus Wahlen wäre Inhalt, ja Grundlage des Demokratieprinzips als solchen. b) Im Wahlakt liegt wesentlich ein Vertrauensbeweis. Dieses Vertrauen war bereits, im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit, in seiner „Zukunftsdimension“ Gegenstand der Betrachtung167; es tritt bei Wahlen in der Form von etwas wie einer Personal-Prognose in Erscheinung: Dem Abgeordneten wird „Macht auf Zeit“ anvertraut, in einer genauen temporären Begrenzung. Dies kann nur bedeuten – beinhalten: Aufgrund gegenwärtig vorliegender Daten wird ihm für diese genau bestimmte Zukunft ein sorgfältiger Umgang mit dieser Macht zugetraut und anvertraut, vom jeweiligen Wähler, daher doch notwendig im Sinne von dessen Interessenlagen, welche der Volksvertreter dann in so begrenztem Umfang fördern soll – vertreten wird. Der ganze Wahlkampf, das Wahlergebnis im weiteren Sinn, ist insoweit Form einer Datensammlung als Grundlage für diese begrenzte Zukunfts-PersonalPrognose. Lässt sich daraus nicht der Schluss ableiten, alle Wahl sei als solche, als Vertrauensbeweis, eben wesentlich, vielleicht sogar ausschließlich – Zukunftsprognose? Liegt darin nicht auch schon etwas wie ein normativer Ausgriff in diese eingegrenzte Zukunft, insoweit eine „Zukunftsregelung“? Das Verfassungsrecht wäre damit, in seiner in der Demokratie zentralen Grundlage, wesentlich auf Prognose gegründet. Es fragte sich, welche Anforderungen an ein so wichtiges, rechtlich zu organisierendes „Wahlrecht als Prognoseverfahren“ verfassungsrechtlich zu stellen wären. c) Hier kämen dann alle jene Überlegungen zu Prognose-Gegenständen als Objekten rechtlicher Erkenntnis zum Tragen, welche bereits als solche vertieft behandelt wurden168: Fakten(entwicklung) als Ordnungsgegenstand rechtlicher Einwirkungen, deren Entfaltungsmöglichkeiten als solche in diesem Sinn, nicht zuletzt die Konstanz des politischen Willens, der während einer durch das Mandat bestimmten Zeit diese Prognose in Geltung tragen soll. Ist all dies verfassungsrechtlicher Inhalt des Wahlakts in seiner Ausgestaltung, vor allem aber in der staatlich-politischen Realität? 166 Zu
dem Begriff vgl. Leisner, Institutionelle Evolution, FN 3, S. 86 ff. oben C. II. 168 Vgl. oben A. I. II. 167 Vgl.
II. Staatsorganisatorische „Prognosevorgaben“103
Daran bestehen doch erhebliche Zweifel. Rechtlich gesehen stellt das Grundgesetz keine regelnden Voraussetzungen für einen solchen „Vertrauensakt Wahl“ auf, überlässt dies vielmehr dem einfachgesetzlichen Wahlrecht. Dieses wiederum normiert nur Mindestvoraussetzungen, deren Erfüllung ein so weitgehendes Vertrauen wie das der Mandatsübertragung nie auch nur annähernd rechtfertigen könnte, auch noch in einem näher bestimmten 4-jährigen Bezug. Hier fehlt es an jeder rationalen Fassbarkeit auch nur irgendwelcher als Prognoseausgestaltungen fassbarer rechtlicher Regelungsinhalte, welche als Vorgabe einer solchen Wahl als Vorausschau wirken könnten. Der Prognosegegenstand wird, ganz einfach, hinsichtlich der „Entwicklung der Verhältnisse“ wie einer solchen der Persönlichkeit des zu Wählenden, der Vorausschau jedes einzelnen Wählers überlassen. Jeder wird hier anders, insbesondere nach – auch völlig – unterschiedlichen Kriterien entscheiden, aus seiner jeweiligen, meist zufälligen Interessenlage oder seinen Kenntnissen über den Kandidaten heraus. Eben dieses Verhalten wird im Grundgesetz auch noch in einer speziellen, einer zentralen Wahlrechtsnorm geschützt: durch das Wahlgeheimnis169. Dieses umfasst gerade auch jene Wahlvorbereitung, den hier entscheidenden Raum der Überzeugungsbildung beim Wähler, damit auch die Prognose über eine Eignung des Kandidaten zur Erfüllung der künftig anstehenden Aufgaben. Es bedarf keines Rückgriffs auf politologische Untersuchungen um festzustellen, dass hier der Wahlwerbung ein weithin entscheidendes Gewicht zukommt. Sie aber belastet die „Prognose-Entscheidung-Wahl“ eben auch mit all jenen Unsicherheiten, welche „Erkenntnis in Reklame“ beim Adressaten zwar nicht grundsätzlich aufhebt, wobei diese jedoch primär nicht an seine Erkenntnis, sondern an seinen Entscheidungswillen appellieren wird. d) „Prognose als Werbungsergebnis“ – damit wird ein Grundproblem aller Public Relations angesprochen, in der Demokratie sogar der Staatsform als solcher: (Alle) Grundentscheidungen dieser Volksherrschaft die doch so wesentlich Rationalität anstrebt in der Rechtsstaatlichkeit der vorauserkennbaren Normenordnung, fallen in ihren wichtigsten Personalentscheidungen, den Wahlen, in dem weitestgehend suggestiv gesteuerten Erkenntnisvorgang einer Personalprognose. Dies muss nicht als ein Widerspruch gesehen werden zu demokratischer Rationalität, der ja die „beste aller Staatsformen“, die (heute jedenfalls) einzig mögliche mit dem Vorwurf tiefster Irrationalität belasten müsste. Vielleicht liegt darin sogar etwas für die Erkenntnis der Rechtsprognose fundamental Wichtiges: Die Demokratie kann als eine im höchsten Maße rationale Staatsform gerade darin verstanden werden, dass sie sich gegenüber den Möglichkeiten einer rationalen 169 Das „Wahlgeheimnis“ ist der „wichtigste institutionelle Schutz der Wahlfreiheit“ (BVerfGE 99, 1 (13); 124, 1 (25)).
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
Vorausschau in einer grundsätzlichen Skepsis verhält: Eben weil „Zukunft rechtlich nicht zu erkennen ist“, können die wichtigsten staatsrechtlichen Entscheidungen nur in Vertrauensbeweisen fallen, insoweit also in willensbestimmten Stellungnahmen. Dies ist dann ein klares Verfassungsvotum für den Dezisionismus; es verdeutlicht auch noch die Banalerkenntnis „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ in der Formulierung: „Anvertrautes kontrollieren“. Die „Wahl“ bestätigt damit verfassungsrechtlich letztlich die grundsätzliche Problematik allen Zukunftserfassens in Erkenntnis: „Das Beste ist doch ein Befehl“, „Du (Abgeordneter) sollst für mich entscheiden“, denn „Ich (Wähler) entscheide heute darin über alle Zukunft hinweg, die wesentlich Unerkennbare!“. e) Der Wähler aber entscheidet eben hic et nunc, in der Gegenwart des Wahlakts, die diesen wesentlich prägt. Darin liegt ein weiterer analoger Erkenntnisgewinn des Wahlrechts für den Begriff der Rechtsprognose: Das Mandat wird in einer bestimmten Gegenwart erteilt, nur aufgrund von deren möglichem Erkenntnisstand. Dieser Akt beruht auf keinerlei fassbarer Zukunftsvorausschau. Er hat auch keinen „zukunftsgeprägten“ Inhalt, etwa in ständiger Erneuerung seiner Wirkungen. Ein „imperatives Mandat“ ist verfassungsrechtlich denn auch folgerichtig ausgeschlossen170. Dies bedeutet zugleich die vollständige und ausschließliche Gegenwärtigkeit des Wesens des Wahlakts als Mandatsübertragung. Sie erfolgt gerade nicht unter irgendeiner Bedingung (der Änderung) zukünftiger Verhältnisse. Solche Überlegungen müssen also auch im Augenblick der Wahlentscheidung nicht angestellt werden, jedenfalls nicht mit normativ-relevanten Auswirkungen auf deren Legitimation und Inhalt. Insgesamt stellt sich also der Wahlakt als eine reín gegenwartsgestützte, gegenwartsbezogene Entscheidung dar. Wahlperioden sind nicht Prognosezeiträume. Prognosen die hier – überhaupt nur in sehr geringem Umfang – angestellt werden können, sind rein vorbereitende, allenfalls hypothetische Entscheidungshilfen. Den Inhalt des Organisationsakts Wahl prägen sie in keiner Weise im Sinne einer „rechtlichen Zukunftsregelung“. Wahlen bedeuten eine eindeutige organisationsrechtliche Absage an „Zukunftserfassung oder gar -regelung in Rechtsprognose“.
170 Dazu grds. Achterberg, N. / Schulte, M., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 38 Rn. 34. Zur Vorstellung vom „freien Mandat“ s. BVerfGE 114, 121 (148 f.).
II. Staatsorganisatorische „Prognosevorgaben“105
3. Politische Parteien – organisierte Prognose? a) Politische Parteien sind wesentliche, geradezu unabdingbare Organisationseinheiten des Staatsrechts der Demokratie. Ob sie und / oder ihre Funktionäre insoweit eine staatsorgan(ähnliche) Stellung innehaben, wie ihr Verhältnis zu den in der Verfassung geregelten (übrigen) Staatsorganen bestimmt werden muss, ist Gegenstand einer umfangreichen Grundsatzdiskussion171. Deren Ergebnis ist – bisher – eine vielschichtige Betrachtungsweise, in welcher Vorstellungen des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft eine entscheidende Rolle spielen; „irgendwie“, „irgendwo“ werden die politischen Parteien beiden Bereichen zu- oder sie werden zwischen beiden eingeordnet. Dies mag hier offen bleiben. Wie immer aber dieser ihr Bereich bestimmt wird – gerade er ist auch Gegenstand einer Prognose, der faktischen wie der rechtlichen Wirkungen auf ihn. Daher und jedenfalls sind politische Parteien auch bei den vorliegenden Untersuchungen in besonderer Weise in den Blick zu nehmen. Mit ihren politischen Kräften erscheinen sie sogar als Akteure einer „(virtuellen) Verfassungs-Zukunft“, an deren Entwicklung sie „mitwirken“, über den von ihnen zum Ausdruck gebrachten Volkswillen. Etwas wie eine „politische Verfassungs-Zukunftsdimension“ ist dem Wirken dieser Parteien also gewiss eigen im Gesamtbild ihrer Aktivitäten; doch wie steht es mit deren Auswirkungen auf eine Rechtsprognose? b) Die Parteien sind, faktisch und auch (verfassungs-)rechtlich „ganz Programm“. Ihre innere Ordnung (Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG) richtet sich nach dem Parteiprogramm. „Ziele“ ihrer Anhänger werden im Grundgesetz ausdrücklich angesprochen (Art. 21 Abs. 2 GG). Ihre Wirkungskräfte kommen weitestgehend aus dem, was sie für die Zukunft versprechen (können). Ihre führenden Persönlichkeiten sind im Idealfall „lebende Programme“, personifiziertes Versprechen mit Zukunftswirksamkeit, gerade aus ihrer Persönlichkeitswirkung heraus. Die für Parteien begriffswesentliche, rechtlich in diesem Sinn geregelte „Teilnahme an Wahlen“ (Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG)172 bestimmt auch, wenn nicht allein, die Wahlvorbereitung, lässt Parteien als solche durchaus als Wahlorganisationen im weiteren Sinne erscheinen; insoweit jedenfalls sind sie dann auch Staats-, ja Verfassungsorgane (vgl. a)). Alle diese Wirkungsweisen lassen sich nun allerdings in fassbaren zeit lichen Zukunftsabschnitten nicht näher bestimmen. Manches spricht in der politischen Realität ihrer Aktivitäten für eine gewisse Kurzfristigkeit von 171 Dazu m. Nachw. Streinz, R., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 21 Rn. 1 ff. 172 Grdl. BVerfGE 85, 264 (284).
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
Parteizielsetzungen, ja auch, konkreter, zu deren Erreichung eingesetzter Programme und Instrumente, bis hin zu gelegentlicher politischer Atemlosigkeit. In solchen Formen bewegen sich die Parteien auch in ihren Einflussnahmen auf die Tätigkeit von Regierungen, an denen sie teilnehmen; in der Opposition wirken sie geradezu als Kräfte im Sinne einer meist kürzerfristig kritisierenden, verunsichernden Dynamik. Typisches Parteienhandeln erfolgt nicht selten in Formen einer Demagogik, der mit Sicherheit eines eigen ist: wesentliche Kurzfristigkeit. Von politischen Parteien mögen darin zwar vielfältige Prognoseanstöße ausgehen; als Prognoseorgane in (ruhiger) Erkenntnis wird sie aber kaum jemand sehen, mögen auch gerade ihnen tiefere Einblicke in Faktenentwicklungen der Gesellschaft möglich sein. Politische Parteien erscheinen als Repräsentanten einer eher „nächsten“, jedenfalls „nahen zukünftigen“ Entwicklung, die deshalb ganz wesentlich aus der Gegenwart heraus auch in und von ihnen „erkannt“ wird. Als Organisationen intellektueller Erkenntnis wird sie kaum jemand verstehen. Im Gegenteil – wenn etwas sie charakterisiert, so dies: Parteien sind Träger gegenwärtigen Entscheidungswillens. Wenn schließlich gilt: „Soviel Politik wie Parteien“, so ist für diese Instanzen aus Sicht einer Rechtsprognose nichts anderes anzunehmen als das bereits zur (Verfassungs-)Rechtspolitik Festgestellte173: Sie sind Instanzen einer „voll gegenwärtigen“, einer geradezu zukunftsblinden Staatlichkeit – gerade weil sie ständig in die Dunkelheit der Zukunft blicken (müssen), damit locken, ja faszinieren. Das Grundgesetz hat also mit dem Parteienrecht, gerade in der neuesten Zeit Kräfte und Wirkungen für eine Vergegenwärtigung des Rechts bestimmt, nicht für einen Gegenstand „Zukunftsregelung“ oder speziell Methoden zur Erfassung eines (Über-) Morgen. Ergebnis 17 Vorgaben für Prognosebetrachtungen in gegenwärtiger Entscheidungsvorbereitung ergeben sich aus grundlegenden Gestaltungen des Staatsorganisationsrechts des Grundgesetzes: a) Wahl(rechtsregelung)en könnten, als Grundlage jeder Demokratizität, geradezu als verfassungskonstitutive Orientierungen für jede Prognose erscheinen. Wahlen sind Verfassungsentscheidungen aufgrund von Personalprognosen. Weder Verfassungs- noch einfaches Gesetzesrecht regeln aber substantielle Voraussetzungen für eine überzeugende Eignungsprognose der zu Wählenden. Die Wahlentscheidung erfolgt in ausschließlicher Gegenwärtigkeit; jedes imperative Mandat ist ja ausgeschlossen. Die Wahl als Orga173 Vgl.
oben A. VII.
II. Staatsorganisatorische „Prognosevorgaben“107
nisationsakt, als Vorschussvertrauen ist in keiner Weise „zukunftstragend ausgestaltet“. Hier wird Zukunftserfassung nicht einmal versucht. b) Politische Parteien stehen „zwischen Staat und Gesellschaft“. Ihre Tätigkeit ist zwar auf „Wirkung in die Zukunft hinein ausgerichtet“, vor allem in Wahlen und deren Vorbereitung. Parteien sind auch als solche „ganz Programm“. Doch sie stellen die Akteure zukunftswirksamer Entscheidungen, nicht rechtliche Regelungsorgane der Zukunft. Sie werden tätig in einer politischen Kurzfristigkeit des „typisch Gegenwärtigen“, nicht in „Zukunftsgestaltung als solcher“. 4. Teilung der Verfassungsgewalten – „Prognosegehalt“ a) Die Gewaltenteilung kann, wie immer ihr dogmatisches Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit zu bestimmen sein mag174, als solche im Sinne einer gewissen Zukunftsbezogenheit gewertet werden. Ihr Mechanismus einer Gewaltenbeschränkung durch die grundsätzliche Trennung von Rechtsetzung, Rechtsanwendung und Rechtskontrolle setzt ein prius – posterius voraus. In ihm hat die Erste Gewalt zeitlich den Vorrang, die Zweite kommt nach deren Willensentscheidung, nicht nach einer Vorausschau seitens der Ersten zum Einsatz, und auch nicht zeitlich nach ihrer eigenen. Der Zeitpunkt des Eingreifens der Dritten Gewalt in einer „Zukunft“ ist also weithin, wenn nicht in aller Regel, jeder Vorausschau in der Sicht der beiden ersten entzogen. Die zeitliche Abfolge der gewaltenteilenden Gewaltenkontrolle lässt sich mithin weder als solche grundsätzlich, noch in den wichtigsten Fällen ihres Eingreifens überhaupt „prognostizieren“; erkennende Vorausbestimmung findet hier, geradezu mit dogmatischer Notwendigkeit, nicht statt. b) Insbesondere können die Staatsgewalten den Zeitpunkt des Eingreifens der ihnen jeweils nachgeschalteten zeitlich nicht vorherbestimmen, also auch nicht vorherzusehen versuchen; Faktisch-politisch können sie allenfalls davon ausgehen, vielleicht auch nur hoffen, dass diese dann tätig wird, wenn andernfalls Gefahr droht, dass der Normsetzungs- oder Verdeutlichungswille der jeweils „vorgeschalteten“ Gewalt verkannt, unterlaufen werden könnte. In diesem Verhältnis steht der Gesetzgeber zur Exekutive, diese wiederum zu der sie kontrollierenden Judikative. Daher sollte allenfalls zur erwarten sein, dass die jeweils letzte entscheidende Gewalt die Gedanken der Vorgeschalteten, insbesondere des Gesetzgebers, auch „weiterdenkt“ (Radbruch); bestimmender Einfluss gerade darauf steht diesem aber nicht zu. Die Verfassungsordnung des Grundgesetzes geht vielmehr vom Gegenteil aus: Nicht der tatsächliche Wille des Gesetzgebers bindet die 174 s. etwa Schmidt-Aßmann, E., Der Rechtsstaat, HStR³, Bd. 2, § 26 S. 541 (565); Di Fabio, M., U., Gewaltenteilung, ebenda § 27 S. 613 (615).
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Gesetzesanwendung im Wege der subjektiven Auslegung, sondern jede nachgeordnete, kontrollierende Instanz verfährt grundsätzlich nach objektiver Interpretation175, d. h. nach ihrem eigenen Verständnis der von ihr anzuwendenden Normen. Dies alles muss dann aber auch, ja vor allem gelten für die jeweilige Prognose als vorbereitenden Vorgang der Entscheidungsfindung: Sie erfolgt im Zeitpunkt, in der jeweiligen Gegenwart der Entscheidung der zuständigen Staatsgewalt. Weder kann diese Gegenwart als solche von der vorgeordneten Staatsgewalt vorhersehend bestimmt werden, noch verfügt gerade sie über entscheidenden Einfluss auf die nachgeordnete Instanz im Hinblick auf die Art und Weise, auf Kategorien und Kriterien der etwa von dieser einzusetzenden Erkenntnisprognose. Der ganze verfassungsdogmatische Mechanismus der Gewaltenteilung schließt also, jedenfalls in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, jede Art von einheitlicher, übergreifender Rechtsprognose über jeweils gewollte künftige konkrete Rechtslagen aus. Diese werden in einer zeitlichen stufenförmigen Normgeltungskonkretisierung von der jeweils nachgeordneten Gewalt bestimmt, gerade darin liegt Ziel und wesentliche Funktion der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung. c) Daraus folgt, dass Prognosen, die im Bereich einer Gewalt angestellt werden, als gegenwärtige Vorbereitungen in erkenntnismäßiger Bestimmung der jeweils gewollten Entscheidungswirkungen, weder methodisch noch inhaltlich zu übertragen sind auf Prognosen, welche von einer anderen Gewalt für deren Entscheidungsraum vorgenommen werden (können). Dies bedeutet: „Die Prognose als solche“ – wie immer man sie näher bestimmen will – kann keinesfalls als einheitlicher gedanklicher Vorgang begriffen werden, sie muss stets „gewaltenspezifisch“ gesehen, ausgestaltet und ausgeübt werden. Dies ist eine klare Folgerung aus der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung. Die Prognose erfolgt immer aus der jeweiligen Entscheidungsgegenwart der betreffenden, entscheidenden Gewalt. Für alle Instanzen derselben kann insoweit allerdings von einer gewissen Gleichartigkeit, Gleichförmigkeit der Prognosen ausgegangen werden. Dies ist eine der Folgerungen aus der Grundentscheidung für die Gewaltenteilung, wie sie bereits in einer Reihe von Einzeluntersuchungen näher verdeutlicht worden ist176. Der jeweilige Prognosezeitpunkt differiert von Legislative zu Judikative, ebenso der Prognosegegenstand, die Wirkung des beabsichtigten Verhaltens der betreffenden Instanz. Schon aus dieser Sicht des geltenden Verfassungsrechts kann es keine einheitliche Theorie der Prognose im Staatsrecht geben, weder im Erkenntnisziel, noch in den zu seiner Erreichung einzusetzenden Methoden. 175 Zur 176 s.
Auslegung s. oben V. dazu Leisner, Institutionelle Evolution, FN 27, S. 119 ff.
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d) Diese prinzipielle Erkenntnis der Bedeutung der Gewaltenteilung für Prognosen in all deren Folgeerscheinungen entspricht denn auch voll der von jeher geübten Praxis der Setzung und Auslegung von Rechtsregeln: Sie sind völlig unterschiedlich im Bereich der Gesetzes-, Verordnungs- oder Satzungsvorbereitung, entsprechend eben den Vorgaben der jeweiligen Gesetzgebungsverfahrens auf diesen Stufen177. Dies ist im Grunde nichts als eine Folge der völlig unterschiedlichen Aktions-, damit aber auch der jeweils diese vorbereitenden Erkenntnismöglichkeiten in den Bereichen der Drei klassischen Gewalten, deren Unterscheidungen gerade daraus konstituiert und begründet sind; dem entspricht auch ihre unterschiedliche finan zielle Ausgestaltung. Gesetzgebung versucht i. d. R. den weiteren, allgemeineren, damit aber auch notwendig ungenaueren Blick in die Zukunft; in der Exekutive verengt sich der Blickwinkel auf „nähere Zukunft“, wie sie in der rasch wechselnden Verordnunggebung erfasst werden soll. Im Bereich der Judikative findet eine Fokussierung auf die Entscheidungsgegenstände des jeweiligen Einzelfalles statt. Konsequenz daraus ist eine bereits angesprochene Feststellung: Allgemeine Mahnungen, Aufrufe, ja auch nur interpretatorische Bemühungen zur Notwendigkeit rechtlicher Entscheidungsvorbereitung in „sorgfältiger Prüfung“ sind weitestgehend unbehilflich, meist rein salvatorisch-selbstrechtfertigend; sie sollten insoweit unterbleiben. Einerseits sind sie selbstverständlich, verdecken häufig vor allem administrative oder richterliche Selbstgerechtigkeit; zum anderen sind sie nicht einheitlich vollziehbar, rechtlich fassbar eben nur in der jeweiligen verfahrensrechtlichen Kanalisierung verfassungsrechtlich näher bestimmter Konstellationen. „Die“ juristische Sorgfalt in der Vorausschau gibt es weder bei der Prognose, noch für andere juristische Entscheidungsvorbereitungen. Dies ist eine fundamentale Verfassungskonsequenz aus der Gewaltenteilung. Ergebnis 18 Gewaltenteilung bewirkt eine Aktionsabfolge der Entscheidungen. Als solche ist diese aber nicht prognostizierbar. Jede nachgeschaltete Instanz verfährt, in ihrer jeweiligen Entscheidungs-Gegenwart, nach ihrem eigenen Entscheidungswillen, der den der jeweils vorgeschalteten in objektivierter Betrachtung realisiert. Es findet darin stufenförmige Normkonkretisierung durch die jeweils damit befasste Gewalt statt. Prognose erfolgt daher stets gewaltspezifisch. Eine einheitliche, gewaltübergreifende Prognose gibt es im Staatsrecht nicht. Der entscheidungsvorbereitende prognostische Blickwinkel wird zunehmend enger, von Gesetzgebung zu Judikative. Allgemeine 177 Dies spricht übrigens dafür, dass es ein „einheitliches Gesetzgebungsverfahren“ für alle Normstufen nicht geben kann.
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zeitliche „Sorgfaltsaufrufe“ dienen meist nur der Haftungsentlastung. Eine einheitliche juristische Prognosesorgfalt kann nicht angemahnt werden. 5. Verfassungsrechtlich bestimmte „Amtszeiten“ und Prognose Die Betrachtung der Gewaltenteilung führt im vorliegenden Zusammenhang zu der Dauer der Amtszeiten in ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Festlegungen; denn sie sind die Folge, die wichtigsten staatsorganisatorischen Formen der Umsetzung der die Gewaltenteilung tragenden und zugleich trennenden Unterschiede. a) Für die Erste Gewalt sind die Amtszeiten weitestgehend durch die Wahlperioden bestimmt; es kann daher insoweit grundsätzlich auf die Ausführungen zu den Auswirkungen der Wahlen für den Prognosebegriff verwiesen werden178. Die weitreichenden, grundsätzlichen, die „großen“ Entscheidungen der Demokratie, welche in Gesetzesform ergehen, werden in der Wahl nicht wesentlich „prognosegestützt“, erkenntnisgeprägt vorbereitet, sondern willensgetragen, entscheidend geprägt im vollen Wortsinn eben durch die Kraft, die Legitimation, das Ziel der Vertretung des Volkes. Dies alles mag „(verfassungs-)politisch“ genannt werden179, in Wahrheit ist es Dezisionismus, nicht rationale Inhaltsprognose, was hier Zukunft gestaltet180. Prognose beschränkt sich auf eine Hilfestellung in einem dezisionistischen Vorgang. Die Amtszeiten werden im Bereich der Ersten Gewalt durch Wahlen, nicht in Formen oder zum Zweck einer erkenntnismäßigen Prognose festgelegt und beschränkt, welche als solche eine „Regelung der Zukunft“ durch organisatorisches Staatsrecht darstellen könnte. Dies bestätigt also die bisherige Grunderkenntnis, dass Prognose nichts sein kann als Erkenntnisversuch, als Entscheidungsvorbereitung in der Gegenwart, nicht etwa eine Form von rechtlicher Regelung der Zukunft. Im parlamentarischen Bereich wird dies noch nicht einmal wahlmäßig in Form prognosemäßiger Gewaltübertragung vorbereitet. 178 s.
insoweit oben 2., insbesondere das Ergebnis unter e). „transzendiert“ gerichtliche Betrachtung den Bereich des geltenden Verfassungsrechts, sie will „hinauf-“, nicht „hinüber-“ gehen in den einer allgemeinen Rechtslehre der Prognose, vgl. oben A. VI. 180 Insoweit „hat Carl Schmitt doch Recht“, schon aus der eindeutigen VolksWillens-Bezogenheit der Staatsform heraus (vgl. dazu Leisner, Das Volk, FN 28, S. 106 ff.), nicht Hans Kelsen, der die Demokratie gerade auf eine NormstufenWirksamkeit stützen wollte, welche er ja als solche intellektuell-gnoseologisch auch zur systematischen Legitimation der Staatsform einsetzt. Allerdings ist dies letztere schwerpunktmäßig erst in der Reinen Rechtslehre (1934) perfektioniert worden. 179 Damit
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b) Für die Zweite Gewalt in ihrer Organisation im Regierungsbereich gilt Ähnliches: Auch hier verzichtet politische Personalprognose auf Zukunftsschau. Verfassungsrechtliche Aufgabenstellungen und Verhalten der Staatsorgane in Prognose sollen sich lediglich nach Formen und Möglichkeiten entsprechen. Die zeitlichen Horizonte der Entscheidungen werden kürzer, darauf richten sich dann die organisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten der Regierungsexekutive. Dort wo diese in der eindeutig zukunftsbezogenen Richtliniengewalt des Bundeskanzlers am deutlichsten zugleich prognosebezogen erscheinen181, enden sie allerdings am raschesten im politischen Takt der parlamentarischen Mehrheitsbeschlüsse. Soweit Regierungsentscheidungen den „parlamentarischen Diskontinuitätsschnitt“ überdauern182, als Entscheidung des Bundeskanzlers183 wie der Bundesregierung als Kollegium, sollte denn auch, schon nach Verfassungsrecht, in einem Bereich der Regierung184 weiterreichende gesetzgebungstechnisch vorbereitende Vorausschau stattfinden. Hier greift bereits eine verwaltungsrechtliche „Ermessensdogmatik“ ein. Diese ist im Verfassungstopos des „gesetzgeberischen Ermessens“ schon näher, auch verfassungsgerichtlich, ausgedeutet worden185, wenn auch nicht im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit186. Dort könnte nähere Betrachtung der Prognose, als vorbereitender Erkenntnishilfe, daher als notwendige Aufgabe im Exekutivbereich der Regierung, eine Lücke schließen. In all dem findet aber Prognose als solche nicht als inhaltliche Zukunftsregelung statt. 181 Unter diesem Prognosegesichtspunkt bedürfen bisherige Betrachtungen der „Richtlinienkompetenz“ nach Art. 65 Abs. 1 S. 1 GG, die sich meist auf kürzere Bemerkungen in Erläuterungswerken beschränken, in laufenden Inhaltsübernahmen (Ausnahme etwa Maurer, H., Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, in: FS f. Thieme, 1993, 123), der Ergänzung und Vertiefung mit Blick auf die „Prognose“Tätigkeit und die daraus sich ergebenden Konsequenzen. 182 Zum „parlamentarischen Diskontinuitätsschnitt“ vgl. Leisner, A., Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 390 ff. 183 Zu den organisatorischen Befugnissen des Bundeskanzlers vgl. Schröder, M., HStR³ III., § 64 Rn. 19. 184 Ein „Bereich der Regierung“ ist allerdings, im Zuge einer „Demokratisierung als Parlamentarisierung der Staatsform“, als solcher in der Einheit derartiger Begrifflichkeit nur selten mehr Gegenstand vertiefender Betrachtung. Eine solche könnte gerade auch aus der Perspektive der „Prognose als Entscheidungsvorbereitung“ erfolgen. Dies gilt dann auch für jenen „Kern exekutivischer Befugnisse“, wie er vor allem im Zusammenhang mit Grenzen des Auskunftsrechts gegenüber parlamentarischen Untersuchungenausschüssen Gegenstand verfassungsrechtlicher Regelung ist (vgl. BVerfGE 124, 78 (120 ff.). 185 Zur Entwicklung des gesetzgeberischen Ermessens vgl. den Überblick bei Oeter, St., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 72, Rn. 33 m. Nachw. 186 Wie es etwa Sommermann, K.-P., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20, Rn. 289 zeigt.
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c) Für wesentliche, damit gerade entscheidungsintensive Bereiche der Exekutivtätigkeit, unter Einsatz „hoheitlicher Befugnisse“, wie für den wichtigsten Teil des Gesamtbereichs der Dritten Gewalt, „die Verwaltung“, ist jedoch im Grundgesetz eine organisatorische Grundentscheidung „in Personalprognose“ gefallen, zur Zuständigkeit des wichtigsten Personals der jeweiligen Entscheidungsorgane: in der Lebenszeitstellung der Beamten (i. Folg. 6.) wie in einer solchen der unabhängigen Richter (Art. 97 GG). Letztere ist zwar funktional begrenzt auf deren Tätigkeit, zugleich im Ergebnis aber auch zeitlich gesichert in der Unabsetzbarkeit, wodurch hier eine Art von „funktional begründeter zeitlicher Unbegrenztheit“ verfassungsrechtlich normiert erscheint. Diese beiden Gewalten, der Exekutive in deren nachgeordneten, praktisch aber weithin entscheidenden, personalen Strukturen, wie der Judikative, werden also in zeitlich nicht abgegrenzten Räumen verfassungsorganisatorisch tätig. Nur für das Bundesverfassungsgericht ist dies wahlrechtlich besonders geregelt (Art. 94 GG) – verfassungsrechtlich folgerichtig, mit Blick auf den speziell von der Ersten Gewalt bestimmten, von der Verfassungsgerichtsbarkeit hier zu kontrollierenden Entscheidungs-, damit auch Prognosebereich (vgl. oben a)). Die Lebenszeitlichkeit stellt also, unter dem Gesichtspunkt der Rechtsprognose, jedenfalls ein spezielles Problem dar: Entscheidungsgrundstimmung in einer langen Zeitlichkeit, durch ein in zeitlicher Gewaltausübung nicht begrenztes Staatspersonal. Liegt darin etwas wie eine „Vorausschau“? 6. Die beamtlich-richterliche Lebenszeitstellung a) Beamte, damit das entscheidungswesentliche Personal der Exekutive, wie auch alle Richter, mit Ausnahme der „gesetzesnahen“ Entscheider (Verfassungsrichter) werden in einer Lebenszeitstellung tätig, welche sich aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums ergibt und als einer derselben verfassungsfest wirkt. Für die Beamten gilt dies nur i. S. von Grundregelungen187, abweichende Gestaltungen sind möglich, allerdings lediglich in gewissen Grenzen188. Das Verfassungsrecht geht noch immer davon aus, und zwar für eine verfassungsrechtlich unabsehbare Zukunft (Art. 33 Abs. 5 a. E.: „und fortzuentwickeln“)189, dass das wichtigste staat liche Entscheidungspersonal der Zweiten und Dritten Gewalt auf einer 187 So immerhin noch i. S. einer Grundregelung BVerfGE 70, 251 (267), welche Altersgrenzen zulässt (BVerwGE 133, 143 Rn. 13 ff.). 188 Vgl. zu den Führungspositionen auf Zeit BVerfGE 121, 205 (224 ff.). 189 s. dazu i. S. eines Regelungsauftrags Jachmann, M., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 33 Rn. 40, einschränkend auch Rn. 54. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bleibt die so allgemeine Bestimmung immerhin auch dann bedenklich.
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verfassungsrechtlich gesicherten Grundlage zu beschäftigen ist, welche in der verordneten Lebenszeitlichkeit grundsätzlich auch eine Langzeitlichkeit rechtlichen Denkens und Entscheidens nahelegt, jedenfalls begünstigt. Darin mag immerhin eine gewisse Spannung gesehen werden, zu der weithin enger begrenzten zeitlichen Dimension der gerade von diesem Personal zu treffenden Verwaltungs- wie gerichtlichen Einzelentscheidungen. Dies zeigt sich bei einer Betrachtung der Prognose: Der Beamte wird einerseits als Entscheidungsträger gerade in Fällen eingesetzt, in denen keineswegs notwendig lang- oder auch nur wesentlich längerfristige Entscheidungen fallen – zugleich aber wird er grundsätzlich in einer Lebenslänglichkeit beschäftigt, aus welcher heraus er dann eben auch prognostizierend tätig sein kann – entscheiden soll. Gerade er ist ja wesentlich das staatsrechtliche Erkenntnisorgan der Prognose; darin unterscheidet er sich von jenem Politiker, der zwar „nicht ebenso viel kann oder können muss“, dies aber durch seine politische Willenskraft als Entscheider ersetzt. So werden jedenfalls Ministerialbeamte nicht selten in Resignation denken, wenn es ihnen ihre beamtliche Gehorsamspflicht verbietet, intensiver „politische Vorgesetze“ auf ihre eigene bessere Erkenntnis hinzuweisen190. b) Ist übrigens diese „Lebenszeitdimension für Kurzzeitvorausschau“ nicht geradezu gewollt, in dem Erstere die Defizite der letzteren wenigstens in Grenzen kompensieren soll? Der Lebenszeitbeamte soll ein „sub specie vitae“, wenn schon nicht ein „sub specie aeternitatis“, in die oft atembeklemmende demokratische Entscheidungs-Dynamik tragen, dünnere intellektuellere Luft von Bergen aus in weiterblickender Betrachtung in die politikbelastete Gegenwart, um ein Umweltbild zu gebrauchen. Dafür spricht auch eine traditionsgestützte historische Betrachtung, wie sie ja dem Berufsbild des Beamten in der Verfassung auch zugrunde liegt, gerade in Art. 33 Abs. 5 GG: Diese Verfassungsinstitution kommt aus einem fürstlich-aristokratischen, aus einem feudalen Herkommen191: Das Beamtenrecht war ja seinem Wesen nach stets eine organisationsrechtliche Gestaltungsform jener monarchisch-aristokratischen Regierungsformen, in denen zeitübergreifend die Zukunft bereits darin zur Gegenwart wurde, dass sie ihre Macht-Grundlagen in der Familie fanden. Aus festzustellenden Leistungen und Veranlagungen ließ sich das Regieren der Zukunft nicht nur erahnen, prognostizieren, in ihm war es bereits Gegenwart. „Familienherrschaft“ bis hin zu amerikanischen Clanstrukturen, ist / war eine Form der Zukunftsvorausschau in kollektiver Personal-Prognose der Macht. Insoweit bedeutet(e) sie eine 190 Diese „politologische Feststellung“ ist aus praktischer Erfahrung heraus berechtigt. 191 Leisner, Tradition, FN 10, S. 72 ff.
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Absage sogar an eine Öffnung zur Zukunft192. Der staatsrechtliche Einbruch in die grundsätzliche Lebenszeitlichkeit des Beamtenrechts im Staats-Konkurs (nach) 1945, in der Globalentlassung von Beamten193, war demgegenüber eine historisch begrenzte Krisenerscheinung. Hier brach ja jede Vorausschau zusammen, weil das völlig Einmalig-Unvorhersehbare des totalen Zusammenbruchs der Staatlichkeit eintrat, es wurde aber diese Zwischenphase alsbald wieder in staatsrechtlicher Kontinuität beendet194. c) In der grundsätzlichen Lebenszeitstellung der Beamten als Verfassungsgrundsatz liegt jedoch, relativiert man sie auf ihren traditionsbestimmten historischen Kontext, keine organisatorische Prognoseregelung des Grundgesetzes. In solcher Lebenszeitlichkeit wird rechtlich „Zukunft als solche ja nicht geregelt“, jedenfalls nicht die der gewaltunterworfenen Adressaten beamtlicher Entscheidungen, also auch nicht Zukunftsentwicklungen der Rechtsordnung als solcher. Sie wären in ihren Auswirkungen als solche ja auch völlig unvorhersehbar. Ergebnis wie Sinn der Lebenszeitstellung ist die soziale Sicherung des Personals, darin allenfalls die Schaffung einer gewissen, institutionell nicht näher definierbaren Beamtenmentalität. Deren allgemeine Effekte können allenfalls in der Sicherung einer beamtlich-judikativen Kontinuität der Staatstätigkeit liegen; weiter reichen sie als solche nicht. Der einzige eindeutig zukunftregelnde Aspekt ist hier der einer weiterreichenden sozialen Sicherheit; sie mag zwar geradezu als exemplarisch für alle Zukunftssicherung angesehen werden, Vielen als eine sozialstaatliche End(zeit)lösung195 erscheinen. Als solche führt sie aber auch nicht wesentlich über Ergebnisse zur Prognose hinaus, welche bereits im Zusammenhang mit der Sozialstaatlichkeit gewonnen wurden196. Lebenszeitlichkeit wirkt allerdings allein aus der (jeweiligen) Gegenwart der Entscheidung in die Zukunft hinaus; und sie stellt in der durch sie geschaffenen Ruhe, ihren Abschirmungseffekten gegen politische Einflüsse auf Karriereentwicklungen, besonders günstige wirtschaftliche und psychologische Voraussetzungen für eine Rechtsentwicklung in der Zukunft auf, gerade auch in der diese vorbereitenden „beamtlichen Hilfstätigkeit“; eben 192 Allerdings müssen auch die Grenzen solcher feudaler Vorausschau beachtet werden: vgl. oben IV. 1. 193 Zum „Staats-Konkurs von 1945“ mit seinen Folgen des Endes der beamt lichen Lebenszeit, vgl. grds. Leisner, A., Die Leistungsfähigkeit des Staates. Grenze der Staatsleistungen, 1998, in diese erfolgte hier ein entscheidender Einbruch. 194 In Art. 131 S. 1 GG, wenn auch unter dem Vorbehalt der salvatorischen Regelung der Aufrechterhaltung der Entnazifizierungsvorschriften in Art. 139 GG. 195 Durchaus auch im Sinn jenes Kommunismus, der sie als eine verabscheuenswürdige Gestaltungsform des verhassten Feudalismus und seiner bourgeoisen Abirrungen bekämpfte. 196 s. oben C. III. (Sozialstaatlichkeit).
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diese beinhaltet aber auch die den so gesicherten Beamten anvertraute Prognose. Lebenszeitbeamtlichkeit ist also prognosegünstig, aber als solche keine Form von rechtlicher, zukunftsregelnder Prognose. 7. Staatsorganisationsrecht – als solches keine Prognoseregelung Das Staatsorganisationsrecht regelt Status und Verfahren der Akteure zukünftiger Rechtslagenentwicklungen; insoweit liegt in ihm Zukunftsbezug, Zukunftswirksamkeit – aber keine rechtliche Zukunftsregelung. Es stellt Rahmenbedingungen sicher, Instrumente bereit für Entscheidungen, damit eben auch für deren Vorbereitung in Prognose, es regelt aber nicht „die Prognose in ihren Inhalten als solche“. Die Staatsorganisation beeinflusst diese hier nur über die Gewaltenorganisation insgesamt, die Gewaltenteilung, im Besonderen darin, dass sie die Akteure auf Rahmen(Zuständigkeiten) und Instrumente beschränkt. Zu dem „personalen Erkenntnisgewicht“, zu Erkenntnismöglichkeiten aus dem Einsatz des so gesicherten Personals sagt das nichts aus. Denn das Staatsorganisationsrecht als solches ist eben insoweit nur ein juristisches Medium der Zukunftserkenntnis, nicht inhaltlich eine solche. In seinen Normierungen als solchen liegt (noch) kein Erkenntnisgehalt dessen, was kommen soll. Bestimmt wird die Organisation, welche die Zukunft gestalten wird, nicht die Zukunft als solche, als gestaltete Rechtslage. Mehr ist begrifflich von „Organisation und Verfahren“ als solchen auch gar nicht zu erwarten. In ihnen mögen „rechtliche Zukunftsgestaltungskräfte“ liegen, geregelt werden, bereitgestellt sein – in diesen als solchen liegt aber noch keine materiell-rechtliche, inhaltliche Zukunftsentscheidung. Insoweit darf hier sogar von einer gewissen „organisationsrechtlichen Offenheit der Verfassung“ gesprochen werden197. Allerdings bezieht sich diese eben nur auf Voraussetzungen, allenfalls Methoden, die ihrerseits vorbereitende Ausgangspunkte rechtswirksamer Entscheidungen darstellen, in Vergegenwärtigung der Zukunft. In dieses Schema ist die Rechtsprognose auch hier einzuordnen, wiederum auf der Stufe instrumentaler Vorbereitung, nicht aber auf der einer „Prognose als Erscheinungsform von inhaltlichen Rechtsregelungen“; gerade derartige stellt das Staatsrecht als solches in diesem Zusammenhang nicht bereit. Daher bleibt nun zu prüfen, was sich aus dieser letzteren Problematik, also für den Gegenstand der vorliegenden Betrachtungen, aus anderen grundgesetzlichen Regelungen ergeben könnte, aus den allgemeineren der Grundrechte wie aus zentralen bereichsspezifischen Verfassungsnormierungen.
197 Im
Sinne von oben A. IV. 5.
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
Ergebnis 19 a) Verfassungsrechtlich festgelegte Amtszeiten mögen einen rechtlichen Prognosebezug nahelegen. Im Bereich der Ersten Gewalt verzichtet aber ihre Bestimmung durch Wahlen (Ergebnis 16) auf Voraussetzungen einer rational regelnden Vorauserkenntnis, es herrscht politischer Dezisionismus. Amtszeiten entfalten hier keine personalprognostischen Entscheidungswirkungen für die Zukunft. Im Bereich der Exekutive als Regierung gilt Gleiches. Eine „zukunftsgestaltende Ermessensgewalt der Regierung“ äußert sich wesentlich in politischer Entscheidung, nicht in personalrechtlich vorbereiteter Erkenntnissorgfalt. b) In der Beamten- und Richterschaft wird eine solche dagegen durch die Kontinuitätssicherung der Entscheidung in Lebenszeitlichkeit angestrebt. Diese steht in verfassungsrechtlicher Spannung – und Kompensationswirkung – zur reinen Gegenwärtigkeit des demokratisch-politischen Dezisionismus. Auch hier ergeben sich Prognosewirkungen aber nur in der jeweiligen Gegenwart der Entscheidungen der beamtlichen Gewaltträger. Das Beamtenrecht stellt als solches keine „Zukunftserfassung in personalrechtlicher Lebenszeitordnung“ dar. In seiner Tradition, aus dem Spätfeudalismus heraus, sollte es zwar „Zukunft in Familienkontinuität“ rechtlich tragen (helfen); auch dies geschah aber in zeitübergreifender Vergegenwärtigung der Zukunft. Beamtliche Lebenszeitstellung ist nicht Zukunftsregelung, sondern Gegenwarts-Stabilisierung, in einer Beamtenmentalität, in der die Entscheidungen fallen. Lebenszeitlichkeit mag prognosegünstig sein – Zukunftsprognose ist sie nicht. c) Staatsorganisationsrecht bringt also als solches keine Form von Zukunftsregelung, kein inhaltsbestimmendes Medium ihrer Organisation in Erkenntnis. Es regelt nur Voraussetzungen und Methoden, in Vorbereitung von stets in Gegenwart zu treffenden Entscheidungen.
III. Die Grundrechte des Grundgesetzes als Prognosevorgaben 1. Prognose als grundrechtliche Fragestellung a) Die Grundrechte sind eine für jede Prognosebetrachtung besonders bedeutsame Materie des Staatsrechts. Hier stellt sich in spezieller Entscheidungsform, aber auch inhaltlicher Intensität, die Frage nach der Verfassung als einer „höheren Normstufe“198, unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Freiheitszentrik199, wie auch der Rechtsstaatlichkeit. In dieser sind 198 Vgl. 199 Vgl.
oben B. III. oben B. IV. 3.
III. Die Grundrechte als Prognosevorgaben117
vor allem die Grundrechte in besonderer Weise der Konkretisierung zugänglich und auch bedürftig200. Die Sicherungsfrage der Sozialstaatlichkeit betrifft ebenfalls speziell auch ein zentrales Anliegen der Grundrechtlichkeit als einer Freiheitssicherung201. Den Kernbereichen der Grundrechte liegen ja „Ewigkeitsentscheidungen“ zugrunde202. Zu all diesen Problemlagen wurde daher bereits in den entsprechenden vorstehenden Kapiteln Stellung genommen. Auf deren methodische wie inhaltliche Ergebnisse zur Prognose darf daher zunächst verwiesen werden. b) Im Folgenden sind nun aber die Grundrechte als solche wie in ihren wichtigsten Einzelausprägungen in den Blick zu nehmen, unter der Fragestellung einer Rechtsprognose: Kommt ihnen in einer solchen, ihrem Wesen nach, ein gesteigerter Zukunftsbezug zu (i. Folg. 2.)? Ist gerade ihr Regelungsbereich, die Freiheit als solche, in besonderem Maße prognosefähig oder, umgekehrt, prognoseresistent (i. Folg. 3.)? Sind hier „änderungsfeste Entscheidungen“ „Zukunftsregelungen“ (i. Folg. 4.)? Die Grundrechte stellen im Staatsrecht nicht nur einen „Hauptteil des Grundgesetzes“ dar; sie haben methodisch wie inhaltlich-bedeutungsmäßig in dieser Materie einen Selbststand erreicht, dem es auch bei einer verfassungsrechtlichen Betrachtung der Rechtsfigur Prognose in einem Vertiefungsversuch derselben Rechnung zu tragen gilt. In ihrem normativen Wesen zeigen sich diese Freiheitsrechte in ihrer Geltung vor allem in etwas wie besonderen zeitlichen Dimensionen, in denen dann eben auch eine staatliche „Rechtsprognose“ zu sehen sein könnte. 2. Die besondere Geltungsqualität der Grundrechte in „vorstaatlichen Wertentscheidungen“ a) Den Grundrechten kommt grundsätzlich innerhalb der Verfassung eine besondere Normqualität und damit eben auch Geltungswirkung zu. Zwar werden sie in den Redaktionsformulierungen des Grundgesetzes ebenso angesprochen wie die organisationsrechtlichen Grundentscheidungen der Verfassung: Art. 79 Abs. 3 GG stellt sie, in ihrer Unabänderlichkeit, damit als „Ewigkeitsentscheidungen“, gewissen Organisationsprinzipien gleich, als Grundsätze, welche in den Art. 1 und 20 GG niedergelegt sind. Sie sind allerdings, in rechtshistorischer Entwicklung, weithin in einer spezifischen Qualitätsbetrachtung gesehen worden203. Dem Verfassung(sgesetz)geber 200 Vgl.
oben C. II. 1. bis 3. oben C. III. 202 Vgl. vorst. I. 3. 203 In der Menschenrechtserklärung von 1789 werden sie noch ausdrücklich zusammen mit der Gewaltenteilung als Wesenselement jeder denkbaren Verfas 201 Vgl.
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
mag zwar ein Rahmen auch für ihre Ausgestaltung zur Verfügung stehen204. Dennoch kommt den Grundrechten, Kraft ihrer „Unverletzlichkeit“, eine andere Normqualität zu als jeder Ausprägung des Staatsorganisationsrechts. Dies ergibt sich schon daraus, dass alle letzteren ja in erster Linie der Grundrechtssicherung dienen, ihre teleologische Legitimation also im Grundrechtsschutz finden, während dies, umgekehrt, für einen „organisationsrechtlichen Wertebezug der Grundrechte“ nicht gleichermaßen gelten kann. b) Diese Besonderheit ergibt sich hier schon aus dem „Menschenrechtsgehalt als Kerninhalt der Grundrechte“, wie er in Art. 1 Abs. 2 GG, gewissermaßen als „Obersatz“, zu ihrer Verfassungsbedeutung und Verfassungsgeltung in Art. 1 Abs. 3 GG hinführt. Die „Menschenrechtlichkeit“ verleiht dem Inhalt der Grundrechte, anders als dem jeder anderen Verfassungsnorm oder -entscheidung, eine spezielle Geltungsqualität, welche als „überstaatlich“, damit aber eben auch als „überzeitlich“ beschrieben wird205. Demgegenüber erscheint Staatsorganisation als solche, jedes staatliche Gebilde, auch wenn es Grundrechte und damit Menschenrechte sichert, als eine Erscheinung in der Zeit, eingebunden in sie. Grundrechte dagegen stehen als solche über dieser Zeit. Für die Prognosebedeutung der Grundrechte im Verfassungsrecht muss dies bedeuten: Grundrechte sind Gegenstände eines rechtlich als solchen wirksamen „Bekennens“, nicht eines „Erkennens“ in Prognose. Vorstellungen von einer immer klareren gnoseologischen Erfassbarkeit und damit juristischer Bestimmbarkeit des Inhalts der Grundrechte in ihrer Geltung wären völlig unvollziehbar. Als Menschenrechte sind sie, in ihrem Kernbestand, ein für allemal, gewissermaßen „von Ewigkeit her erkannt“, um es biblisch auszudrücken; (nur) deshalb soll ihnen ja auch die Ewigkeitswirkung in Art. 79 Abs. 3 GG zukommen. Eine „Rechtsgeltung als, aus Rechtserkenntnis“, in rechtlicher Regelung der Zukunft, in welcher Form immer, ist damit rechtsgrundsätzlich, ja rechtsbegrifflich ausgeschlossen. Verfassungs- wie einfachgesetzlich können sie „konkretisiert“ werden, und dies mag Gegenstand einer Prognose sein, in welcher Bedeutung immer dann diese Verdeutlichung gesehen wird. Ihrem Wesen nach aber laufen freiheitsrechtliche Grundsätze rechtlich „an der Problematik einer Rechtsprognose vorbei“, besser, sie laufen über diese hinweg, bleiben über allen Formen derselben stehen. c) Gleiches gilt, wenn man die Grundrechte als Ausdruck eines wie immer näher zu bestimmenden oder gar zu definierenden Naturrechts ansieht. sung(sordnung) bezeichnet: „Jede Gesellschaft, in der weder die Garantie der Grundrechte gesichert noch die Gewaltenteilung bestimmt ist, hat keine Verfassung“. 204 Vgl. zu Verfassungsänderungen oben I. 1. 205 Dazu, vor allem unter Hinweis auf übernationale Normen, Starck, Chr., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 1 Rn. 125 ff. m. Nachw.
III. Die Grundrechte als Prognosevorgaben119
Naturrechtlichkeit206 als mögliche Legitimation oder gar Grundlage des Staatsrechts, kann nicht als Gegenstand eines prognostischen Entscheidens angesehen werden: Sie dürfte dann ja nur in ihrer jeweiligen rechtlichen Wirkungsmöglichkeit vorgestellt werden, gerade dies widerspricht aber ihrer Geltung als einer unwandelbaren, nicht als Gegenstand einer in Prognose in der Zeit fortschreitenden Erkenntnis. d) Bei einer Prognosebetrachtung der Grundrechte als solcher ist aber jedenfalls eine Wesensqualität derselben in den Blick zu nehmen: Ihre besondere „Wertbezogenheit“, ja „Werthaltigkeit“. Die Diskussion um die „Verfassungswerte“ stand vor einem Jahrzehnt im Mittelpunkt des staatsrechtlichen Interesses207. Vertieft und erweitert wurde sie durch Erkenntnisse zu einer „Wertegemeinschaft Europa“208. Anknüpfungspunkt im positiven Verfassungsrecht fand dies für die Grundrechte in Art. 1 Abs. 2 GG, im Bekenntnis zu den Grundrechten als „Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft“, damit als normative Ausprägung(en) einer „Wertebezogenheit“209 des Grundgesetzes, nicht zuletzt aber auch in der „Ewigkeitsentscheidung“ des Art. 79 Abs. 3 GG210. Für eine Rechtsprognose, Verfassungsregelungen zu deren Methoden und Inhalten, ergibt sich daraus aber, im Sinne einer Grundsatzentscheidung: Die „werthaltigen“ Grundrechte sind als solche weder Gegenstände noch Regelungsformen einer Erfassung der Zukunft in Prognose: zu ihnen bekennt man sich, man erkennt sie nicht. Ihre Regelungswirkungen mögen in faktischen Entwicklungen deutlicher, deren Notwendigkeiten einsichtiger werden. Selbst in derartiger Sicht aber stellen sie als solche keinen Versuch einer „Zukunftsbewältigung durch das Recht dar“, weil eben keine Form von „Voraus-Erkenntnis von Künftigem“. Das Wesen der Grundrechte liegt ja gerade in ihrer Wertqualität, in ihrer jederzeitigen Erkennbarkeit, damit ihrem zeitübergreifenden Wertgehalt. Er ist in jedem Augenblick als solcher, jeweils aber eben nur für eine spezifische rechtliche Grundausprägung, er206 Zur Naturrechtlichkeit vgl. Schambeck, H., FS. f. Messner 1995, S. 440 ff.; Diekmann, H.-E., Überpositives Recht als Prüfungsmaßstab im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 2006, S. 138 ff. 207 s. f. Viele Wernsmann, R., Wert, Ordnung und Verfassung, 2007; Di Fabio, U., Grundrechte als Wertordnung, JZ 2004, 1; Leisner, W., „Wertewandel“ und Verfassungsrecht, JZ 2001, S. 313 ff. m. Nachw. 208 Meyer, J., Die EU ist auch eine Wertegemeinschaft, ZRP 2000, S. 114 ff.; Calliess, Chr., Europa als Wertegemeinschaft, JZ 2004, S. 1033; Mandry, Chr., Europa als Wertegemeinschaft, 2009. 209 Dazu s. Starck, Chr., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 1 Rn. 124 ff. 210 Vgl. Hain, K.-E., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 79 Rn. 67 ff.
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
fassbar. Wirkungsdimensionen der Werte werden daher in den Grundrechten wesentlich in der jeweiligen Gegenwart und (wertmäßig nur) aus ihr heraus erkannt und rechtlich bestimmt. Andernfalls würde etwas zu unterstellen sein, das in diametralem Gegensatz stünde zu jeder Werthaftigkeit: Die Grundrechtsgebote würden, ja sie müssten als „verdämmerungsfähig“, als mit Unklarheiten, Unbestimmbarkeiten der Zukunft belastet angesehen werden. Dies würde geltungsmäßig-dogmatisch ihre Relativierung, wenn nicht ihre Negation bedeuten, jedenfalls im Bereich der Verfassung. 3. Grundrechtsgegenstand Freiheit(ssicherung) und Prognose a) Die „Freiheit als solche“ ist nicht Beurteilungsgegenstand der Verfassung. Im Grundrechtsteil tritt sie als Ordnungsgegenstand der Grundrechte, die von jeher und auch in der geltenden Ordnung als „Freiheitsrechte“ bezeichnet werden, darin in Erscheinung, dass diese eben primär als Abwehrrechte zu verstehen sind: Sie sichern darin die Freiheit in all deren Ausprägungen gegen Eingriffe der Öffentlichen Gewalt211. Leistungsinhalte auf grundrechtlicher Basis erfüllen ebenfalls grundsätzlich derartige Sicherungsfunktionen212, sind also insoweit in einer „sekundären Leistungsfunktion“ der Grundrechte als Freiheitsrechte213 zu sehen. Das einheitliche Wesen der Grundrechte liegt dogmatisch in diesem Freiheitsschutz. b) Dieser Freiheit ist zwar, in einem solchen Sicherungsverständnis, eindeutig ein rechtlicher Zukunftsbezug eigen, und zwar in einem begriffswesentlichen Sinn: Die Freiheiten bestehen ja alle in dem Recht, künftig etwas zu tun oder zu unterlassen, sie wirken insoweit, so mag es scheinen, „regelnd in die Zukunft“, in deren gesamter Breite menschlicher Verhaltensformen. Diese reagieren auf die Entwicklung der Verhältnisse als solcher und gestalten diese zugleich wesentlich. Muss also nicht deshalb gerade in den Grundrechten, vor allem ihren normativen Regelungen, eine „rechtliche Erfassung der Zukunft in inhaltlicher Geltung“ gesehen, eben darum inhaltlich aus ihnen Zukunft bereits in einer vorausschauenden Verfassungsanalyse bestimmt werden? Freiheit ist zugleich Gegenwart und Zukunft, sie betrifft auch, ja wesentlich, diese letztere. Muss sich also nicht die bisherige Erkenntnis der Prognose, als einer „Zukunftserfassung aus einer Gegenwart“ geradezu umkehren im Verständnis der Grundrechte als „Regelungen der Zukunft als einer in Freiheit verlängerter Gegenwart“, als einer Gegenwart 211 BVerfGE
7, 198 (204); 68, 193 (205) – st. Rspr. dazu neuerdings Leisner, W., Gleichheit als Grundrecht, Güterbesitz als Freiheit, FS f. Rudolf Wendt, hg. v. Jochum, H. u. a., im Erscheinen 2015, zu Gleichheit von Leistungen und Umverteilung. 213 Jarass, H. D., in: Jarass / Pieroth, GG. 11. Aufl. 2011, Vorb. Rn. 6. 212 s.
III. Die Grundrechte als Prognosevorgaben121
nur in prognostischer Zukunftsperspektive? Und lässt sich nicht eben dann der Grundrechtlichkeit als solcher, allen Grundrechten, Wesentliches, „Entscheidendes“ im vollen Wortsinn entnehmen, gerade in ihrem Verständnis von Freiheitsrechten als wesentlich zukunfts-regelnder Vorausschau“? c) Eine solche Sicht spräche eine ernste grundrechtsdogmatische Problematik an; sie könnte grundsätzlich sogar hochgerechnet werden zu einem Verständnis des gesamten Verfassungsrechts als einer Ordnung der Sicherung der Freiheit, auch organisationsrechtlich214. Der Sicherungsbegriff wäre es dann, aus welchem rechtsdogmatisch speziellere Zukunftswirkung der einzelnen Grundrechte abzuleiten wären: darin erwiesen sie sich als Ausdruck eines Verfassungsrechts als wesentlicher rechtlicher Zukunftsregelung. d) Gerade dieser wesentliche Sicherungsaspekt, eindeutige Grundlage der Grundrechtsdogmatik, schließt jedoch ein Verständnis der Freiheitsrechte als „normativer Regelungen der Zukunft“ aus, damit Freiheit als Gegenstand „rechtlicher Prognosegehalte als Inhalte grundrechtlicher Freiheits gewährleistung(en)“. Gewährleistet, gesichert werden in Form der Aufrechterhaltung soll ja nicht ein Rechtszustand „in“ einer, irgendeiner, jeder möglichen Zukunft. Derartiges wäre nicht vollziehbar; es müsste dann eine unerträgliche „Grundrechtsrelativierung“ nach jeweiliger Lage der Verhältnisse die Folge sein. Dem Grundrechtsinhalt, seiner Geltung, ist vielmehr wesentlich etwas „Statisches“ eigen: „Die Freiheit“ wird in ihren zeitübergreifenden Formen und Inhalten stets aufrecht erhalten, ihre Uhren werden angehalten, in der jeweiligen wesentlich libertären Gegenwart. Gesichert wird diese Freiheit jeweils nur für einen gegenwärtigen Rechtszustand, gegen einschränkende, ebenfalls stets gegenwärtige, Gefahren. Diese werden nicht etwa „voraussehend geregelt“; sollten sie „irgendwann“ eintreten, so greift dann die ebenfalls gegenwärtige, andauernde grundrechtliche Schutzwirkung ein, eben in jeder derartigen Gegenwart, mit einem durch sie bestimmten Inhalt. Grundrechte sind also nach ihrer inhaltlichen Geltung ganz statische Gegenwart, Kontinuitätssicherung, nicht Zukunftsregelung. Den Grundrechten kann, darf daher als solchen keine zukunftsregelnde Rechtsgeltung entnommen werden, sondern nur stets in Gegenwart zu betrachtende Sicherungsentscheidungen. Freiheitsrechte stellen die jeweiligen „Plattformen“ dar, aus deren Sicht der gegenwärtige Rechtszustand zu betrachten ist, in jeder seiner zukünftigen Anwendungsgegenwärtigkeiten. Diese aber lassen sich, und das ist hier entscheidend, nicht unter Einsatz grundrechtlicher Wertungen voraussehen. Solche können also nur jeweils in 214 Staatsorganisationsrecht kann ja durchaus verstanden werden als organisatorischer Freiheitsschutz, vgl. dazu Leisner, W., Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 5 ff.
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
hypothetischen Erkenntnismodellen, stets aber als gegenwärtige Erkenntnishilfen eingesetzt werden. Auf Erkenntnis-Hilfswissenschaften ist zurückzugreifen215. Grundrechte als Freiheitssicherungen, nach deren jeweiligem dogmatischen Verständnis im Staatsrecht, leisten als solche auch, im Sinne von Rechtserkenntnisgrundlagen, ihren Beitrag immer nur in ihrer dogmatischen, eben in einer Geltungs-Gegenwartssicht. In diesem Sinn sind sie denn auch im Folgenden zu betrachten. Die Freiheit als solche ist Verhaltensraum; nur ihre Sicherung ist in den Grundrechten rechtlicher Regelungsgegenstand, aber nicht in Zukunftswirkung, sondern in der Gegenwart und einer Prognosesicht aus dieser. 4. Grundrechtsänderungen – Grundrechtsergänzungen a) Die vorstehend erzielten Ergebnisse zu einer Rechtsprognose im Bereich der Grundrechte veranlassen noch eine Bemerkung zu einem grundsätzlichen rechtlichen Zukunftsbezug der Grundrechte, der hier allerdings in einem besonderen Licht erscheint: Rechtsänderungen / Ergänzungen im Bereich der Grundrechte und Prognoseverständnis216. Das Verfassungsrecht des Grundgesetzes, immerhin für Viele die „beste deutsche Verfassung“, unterlag seit seinem Erlass, vor 65 Jahren, fast ebenso vielen Verfassungsänderungen und -ergänzungen. Nicht wenige waren „reaktiv“ durch politische Veränderungen bedingt (Beendigung des Besatzungsregimes, Wiedervereinigung), zahlreiche beinhalteten jedoch auch inhaltlich nicht unwesentliche staatsorganisatorische Veränderungen. Deutlich treten demgegenüber Grundrechtsänderungen in den Hintergrund, welche meist nur Klarstellungen brachten217. Die Grundrechte als solche waren denn auch nicht zentraler Gegenstand der mehrfachen globalen „Verfassungsreformen“, in denen vielmehr insgesamt ihre wahrhaft zeitübergreifende Geltung bestätigt wurde. In der „Feuerprobe“ der Wiedervereinigung218 wurde durch ihre globale Übernahme in die Neuen Länder diese ihre zeitüberwölbende Bedeutung eindrucksvoll bestätigt. b) Diese Entwicklung kann geradezu als ein verfassungshistorischer Beleg für die Qualität der Grundrechte mit Blick auch auf ihre „Prognosebedeutung“ angesehen werden: Die Grundrechte des Grundgesetzes regeln nicht die Zukunft im Einzelnen in Rechtsprognose, sie sind ein als solches 215 Vgl.
oben etwa A. II. jederzeitigen Änderbarkeit der Rechtslage s. oben I. 1. 217 Vgl. den Überblick bei Jarass / Pieroth, FN. 213, Einleitung Rn. 1. 218 Zur Übernahme der Grundrechte bei der Wiedervereinigung vgl. Isensee, J., HStR², § 202, Rn. 122 ff. 216 Zur
III. Die Grundrechte als Prognosevorgaben123
überzeitlich-gleichbleibendes Ergebnis derselben, aber im Sinn einer „Globalvergegenwärtigung der Zukunft“, in der statischen Präsenz ihrer überzeitlichen Geltung, als Sicherung von Werten. In dem Schlagwort ihrer „Bewährung“ kommt dies in politischer Akzentuierung zum Ausdruck, allerdings auch in der damit verbundenen rechtsdogmatischen Unklarheit. Grundrechte bedurften der Änderung nicht, weil in ihnen das Verfassungsrecht als solches, geradezu exemplarisch, geleistet hat, was vom Grundgesetz, nach seinem Wesen, zu erwarten war: Gegenwartsregelung als Vergegenwärtigung der Zukunft; sie hat in der Werteerkenntnis der Gegenwart nicht etwa „bereits begonnen“, sondern sie ist im Staatsrecht schon „ganz da, ganz Gegenwart“. Langdauernde Staatspraxis der Verfassungsänderungen bestätigt also die dogmatischen Ergebnisse der bisherigen Betrachtungen. Sie sind nun für einzelne Grundrechtsbereiche noch zu belegen; dem kommt dann, gerade aus der wesentlichen „Einzelgrundrechtlichkeit“ der grundgesetzlichen Ordnung, auch für die Prognose besondere Bedeutung zu. Das „Gesamtergebnis“ dieses Abschnitts II. muss allerdings lauten: Das Wesen der Prognose lässt sich in der Grundrechtsdogmatik verdeutlichen; dies führt jedoch für den Grundrechtsbereich vor allem zu überzeitlichen Ergebnissen, nicht zu methodischen oder inhaltlichen Vorgaben im Sinne einer „Vorherbestimmung der Zukunft im Staatsrecht“. Ergebnis 20 Die Grundrechte werfen wegen ihrer spezifischen Norm(geltungs)qualität besondere zeitliche Geltungsprobleme auf, insbesondere hinsichtlich ihrer Prognoserelevanz: a) Der Menschenrechtsgehalt der Grundrechte, bis hin zu ihrer Unabänderlichkeit, ihrem naturrechtlich geprägten Verständnis, ihrer Werthaftigkeit, worin auch immer man ihr verfassungsrechtliches, verfassungstragendes Wesen sehen mag, – all dies qualifiziert sie als „einsichtige“, als unwandelbare, nicht als in der Zukunft zu realisierende Ordnungsformen. Grundrechte sind nicht Gegenstände oder Instrumente einer Prognose, sondern Ausdruck überzeitlich-gegenwärtiger Stets-Geltung. Sie gelten immer ganz, sie kennen keine Zukunft. b) Grundrechtlicher Regelungsgegenstand ist „die Freiheit“ in all ihren Ausprägungen; sie soll durch Freiheitsrechte „gesichert“ werden. Dies bedeutet aber nicht rechtliche „Zukunftsregelung“; eine solche wäre, weil völlig unbestimmt, unvollziehbar. Gesichert ist nur, für die Gegenwart und für alle Zukunft, eben als vorweggenommene Gegenwart, ein Freiheitszustand, der sich bei jeder zukünftigen Gelegenheit, aber eben stets in der jeweiligen Entscheidungsgegenwart, zu bewähren hat. „Die Freiheit als
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
solche“ ist Verhaltensraum, nicht rechtlicher Regelungsgegenstand; die Grundrechte regeln in ihr daher keine Zukunft. c) Die Praxis der (sehr zahlreichen) Verfassungsänderungen der vergangenen Jahrzehnte hat die Grundrechte weitestgehend ausgeklammert. Dies bestätigt deren zugleich gegenwärtigen wie bleibenden, jedenfalls ihren überzeitlich vergegenwärtigenden Regelungsgehalt. 5. Zur normsetzenden Wirkungsweise der Grundrechte Den Kataloggrundrechten des Grundgesetzes wie auch den justiziellen Grundrechtsgarantien der Art. 101 ff. GG ist vieles gemeinsam, was nach den bisherigen Untersuchen aber gerade für die Rechtsprognose von Bedeutung sein kann, jedenfalls in bestimmten Anwendungskonstellationen Relevanz gewinnt: a) Wirkungszeiten des Freiheitsschutzes sind nicht vorgesehen. Grundrechte sind keine Zeitgesetze219. Ihre Wirkungsweise variiert grundsätzlich nicht nach zeitlichen Nähen oder Fernen ihrer vorauszusehenden Anwendungsfälle. Diese sind Zukunft, voraussehbar oder nicht wie alles Zukünftige. Besorgnisse drohender Gefährdungen spielen für sie ebenso wenig eine Rolle wie deren Unwahrscheinlichkeit. Für jedes Grundrecht ist es stets ein und derselbe Freiheitsschutz, der nach ihm, jederzeit, zu gewähren ist. Dies gerade ist jene Sicherheit, in welcher sich der Grundrechtsträger immer soll fühlen dürfen. b) Wirkungsweisen dieses Freiheitsschutzes als solchen sind durch dessen Inhalte verfassungsrechtlich bestimmt, ebenfalls zeitübergreifend. Sie sind nicht etwa „als schwächere“ zu erwarten, sollen sie in zeitlich entfernten, nach Eintritt und Bedeutung noch nicht „festen“, „genauer feststellbaren“ Konstellationen zur Wirkung kommen. „Schauen, dann wird man sehen“ ist hier in seinem eigentlichen Sinn zu verstehen: Nicht „Vorausschau“, „um darin zu erkennen“, sondern (die Anwendungsgegenwart) abwarten, dann (ihr) entsprechend entscheiden, eben stets in einem Praesens. c) Das jeweilige Anwendungsergebnis des Grundrechtsschutzes, die Rechtslage, die er sichert, wird auch in der Verfassung nicht in der Form einer „Zukunftsprojektion“ erkennend angesprochen. Es ist vielmehr von vorne herein, eben „vorherbestimmt“ durch den Norminhalt des Grundrechtsschutzes; dieser aber ist nach juristischem Verständnis, vor allem nach Auslegungskategorien220 zu ermitteln. Hier mögen Prognoseoperationen als 219 Zu
den Zeitgesetzen vgl. Leisner, W., Krise des Gesetzes, FN 116, S. 143 ff. A. V. 2.
220 Vgl.
III. Die Grundrechte als Prognosevorgaben125
Hilfsmittel dienen. Interpretation ist als solche aber nicht Prognose, nicht Zukunftserfassung in Vorauserkenntnis. Wie man übrigens ein bestimmtes Grundrecht in einem bestimmten künftigen Zeitpunkt verstehen und (daher) anwenden wird, liegt schon deshalb in einer rechtlich unprognostizierbaren Zukunft, weil es sich ja auch in der rechtswissenschaftlichen Erkenntnis als solcher jederzeit, unvorhersehbar, völlig anders darstellen kann. Selbst der Vorausschau einer Rechtsprechungsentwicklung stehen allgemein, vor allem aber im Bereich der Grundrechte, grundsätzlich die Unterworfenheit des Richters und der Verwaltung unter das jeweils geltende Gesetz, anzuwenden nach dessen jeweiligem Erkenntnisstand, entgegen. Wie immer aber rechtswissenschaftliche Erkenntnis sich in Zukunft entwickeln wird, das kann und darf, schon nach Art. 5 Abs. 3 GG, der Staat nicht wissen, noch weniger vorausbestimmend seinen Entscheidungen zugrunde legen. Den einzelnen Grundrechten kommt also, allgemein, eine in Prognose zu bestimmende Inhaltlichkeit nicht zu. 6. Prognostische Ansätze in den Grundrechten Art. 1 bis 7 GG – Allgemeines a) Dass gerade diese Freiheitsrechte in ihren sehr allgemeinen, in jedem Sinn übergreifenden Regelungsgegenständen grundsätzlich einer Prognose weder bedürftig noch sogar zugänglich sind, liegt schon nach den bisherigen Überlegungen nahe. Sie normieren eben nicht Bereiche, in denen sich wesentlich zeitgebundene Entwicklungen vollziehen. Daher ist auch mit Entfaltungen ihrer rechtlichen Wirkungsweisen kaum zu rechnen, welche den Einsatz prognostischer Methoden im Rahmen der Entscheidung erforderlich machen könnten. Allenfalls gewisse technische Entwicklungen, vor allem in der Kommunikation, könnten hier tiefer reichende Ansätze bieten. Gerade sie aber sind, angesichts technisch-naturwissenschaftlicher Erfahrungen, weithin einer Prognose an sich schon schwer zugänglich, als mehr faktisch, weniger rechtlich gestaltete Zukunftslagen. b) Neue Gefährdungslagen dieser Grundrechte werden allerdings, gerade in Folge technisch-naturwissenschaftlicher Fortschritte, immer wieder, in absehbarer Zukunft wohl sogar verstärkt auftreten. Dies verdeutlicht dann einerseits auch die Schutzbereiche jeweils entsprechend, andererseits muss es zu Schutzreaktionen der Staatsgewalt führen. Vor allem einzelne Schutzaspekte werden von solchen Entwicklungen betroffen sein. Nicht auszuschließen ist aber, dass solche Freiheitsbedrohungen sich bis in die Kernbereiche der Grundrechte auswirken, diese daher dann sogar bis in ihre Zentren hinein verändern, gefährden, ja aufheben könnten. Eine weitergehende oder
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
gar totale „Prognoseruhe“ darf also an dieser freiheitlichen Schutzfront nicht eintreten. c) Die außerordentliche Weite der Schutzgarantien gerade der ersten Freiheitsrechte des Grundgesetzkatalogs begünstigt einerseits derartige Beeinträchtigungen, würde also an sich besonders intensive Prognose verlangen – andererseits steht gerade sie einer klaren Erkenntnismöglichkeit aus einer solchen entgegen. Da es sich um Bereiche privater Betätigungsfreiheit handelt, wirken hier auch Schutz- und Abwehrkräfte der Bürger möglicherweise Grundrechtsverletzungen bereits entgegen. Sie aber lassen sich erst recht vorausschauend weder einfordern, noch auch nur bestimmen221. „Irgendwie“ berühren nahezu alle möglichen künftigen Entwicklungen die Schutzbereiche vor allem der sehr allgemein formulierten Grundrechte der Art. 1 bis 5 GG. Immerhin sollte dies ein Argument für die Beachtung einer allgemeinen Verständnisgrundsätzlichkeit eben hier darstellen: Die Schutzbereiche dürfen eben gerade bei weit formulierten Freiheitsrechten nicht auch noch überdehnt werden; denn andernfalls hört nicht nur jede als solche ohnehin problematische Zukunftserfassung auf; selbst aus der Gegenwart heraus kann dann keine wirksame Vorsorge mehr gegen Freiheitsbedrohungen getroffen werden, welche aber vielleicht bereits absehbar, insofern auch normativ-entscheidungsmäßig „gegenwärtig“ sind. Ergebnis 21 a) Gemeinsam ist allen einzelnen Grundrechten: Sie sind keine „Zeitgesetze“, zeitlich in ihrer Wirkung also nicht begrenzt. Ihr Regelungsgehalt wird stets in ihrer jeweiligen Anwendungsgegenwart „erkannt“, er variiert nicht mit deren Entfernung vom Zeitpunkt der Setzung der rechtlichen Gestaltung des Grundrechtsschutzes. Das Anwendungsergebnis lässt sich rechtlich nicht vorherbestimmen, weder als Resultat jeweiliger rechtswissenschaftlicher Entwicklung, noch nach dem Stand der Judikatur. b) Die Schutzbereiche der (einzelnen) Grundrechte sind in der Entwicklung ihres Sicherungsbedürfnisses nicht zu prognostizieren; allenfalls Veränderungen / Akzentuierungen von typischen Gefährdungslagen lassen sich, ökonomisch oder technisch-naturwissenschaftlich, vorhersehen, nicht aber in Formen „rechtlicher Erkenntnisprognose“ bindend vorausbestimmen.
221 Dabei ist auch auf die Ausführungen zu den „Freiheitsprognosen“ zurückzugreifen, vgl. vorst. III. 3.
III. Die Grundrechte als Prognosevorgaben127
7. Prognose und flächendeckende Einzelgrundrechte: Art. 1 bis 5 GG a) Art. 1 GG sichert mit der Menschenwürde wesentlich überzeitlich Schutzwürdiges, er „regelt keine Zukunft“. Aufgrund der jahrtausendjährigen Entwicklung der heute herrschenden Rechtskultur, auf welcher das Grundgesetz aufbaut, liegt es auch fern, etwas wie „neue Erkenntnisse zur Menschenwürde“ proklamieren zu wollen. Besondere Tötungs- und Foltermethoden tragen zu derartigen „Fortschritten“ eines Schutzes ebenso wenig bei wie die jeweilige Zahl der in ihrer Würde verletzten Individuen. „Vorausschauende Normgestaltung“ hat hier, praktisch jedenfalls, kaum Sinn. Überlegungen rechtlicher Art, wie man etwa rassistisch motivierte Massenvernichtungen, oder die Tötung von Hunderttausenden durch Atombombenabwurf prognostisch bestimmen und ihnen „entgegenwirken“ könnte, sind ebenso absurd wie Versuche, derartige allerschwerste Untaten in der Zukunft zu verhindern222. An der Einmaligkeit solcher geschichtlicher Ereignisse findet auch jede Historia Magistra223 wirkungsmäßig ihre Grenzen. Ohne jeden Rechtfertigungswert sind schließlich Versuche, angesichts dieser Überzeitlichkeit der Normwirkung des Schutzes der Menschenwürde hier den Nulla poena-Satz zu bemühen224: Was sich eben, nach aller historischen Erfahrung, in keiner Weise voraussehen lässt, wie derart schwere Rechtsverletzungen, welche die Menschenwürde betreffen, dass kann weder, noch braucht es überhaupt rechtlich vorsorglich verboten zu werden. Dass es straferschwerend im Einzelfall wirkt, ist nicht Ausdruck rechtlicher Vorausschau. b) aa) Art. 2 Abs. 1 GG spricht die „Entfaltung der Persönlichkeit“ an, als Schutzgegenstand von „Entwicklung(smöglichkeiten) in die Zukunft hinein“. Dass die grundrechtlichen Schutzwirkungen hier von Anfang an auf das beschränkt werden, was nach Normen und Grundüberzeugungen des (jeweils) geltenden Rechts unzulässig ist, hat die möglichen Zukunftsdimensionen des Schutzgegenstandes weitgehend in den Hintergrund treten lassen: Sicherungsgegenstand wurde die „allgemeine Handlungsfreiheit“225, damit 222 Deshalb allein, und nicht etwa um groteske Rechtfertigungsversuche zu verhindern, sind Veranstaltungen sinnlos, in denen „durch Erinnern Wiederholungen verhindert“ werden sollen. Volle Wiedergutmachung ist gefordert und selbstverständlich. Der Rest ist Trauer. Die Ausnutzung der Reue über vergangene Untaten, ohnehin begrenzt durch das Verbot einer Sippenhaft, zu gegenwärtigen eigennützigen Zwecken ist politisch wie rechtlich gleichermaßen verwerflich. 223 Leisner, A., Historia Magistra des Staatsrechts, 2004. 224 Der Nulla poena-Satz wird allerdings insofern zutreffend auch bei Art. 1 GG verortet (BVerfGE 25, 269 (285); 110, 1 (13); 120, 224 (253 f.) – st. Rspr.), wenn dessen Verletzung durch (völlig) gesetzloses Verhalten erfolgt. 225 BVerfG st. Rspr., etwa E 114, 371 (383 f.); zu dieser Entwicklung vgl. Starck, Chr., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 1 Rn. 11.
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
eine Freiheit, die sich rechtlich nicht prognostizieren, sondern nur über Rechtsgeltungsschranken aktuell jeweils feststellen lässt. Wie sich insbesondere die hier zentral gesicherte Persönlichkeit jeweils entwickeln wird, ist rechtlich nicht vorauszubestimmen. Dass ihr dazu „alle Wege in der Rechtsordnung offengehalten werden müssen“, betrifft allenfalls eine Vorausschau im Rahmen spezieller Grundrechte, etwa Erziehung, Berufstätigkeit, Eigentum. Für den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG als solchen ist also eine Prognosevorgabe nicht zu erkennen. bb) Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ist sedes materiae des Gesundheitsschutzes, damit auch, ja vor allem, der Gesundheitsvorsorge. Hier sind vorausschauende Veranstaltungen auf breitester Front geboten und laufend an der Tagesordnung. Eine Zukunftserkenntnis für den Menschen, in der Entwicklung seines Gesundheitszustandes, wird hier jedoch vollständig von der Medizin, einer zentralen prognostischen Hilfswissenschaft des Rechts geleistet, vom Recht werden nur jeweils deren Ergebnisse ratifiziert, sanktionierend ausgestaltet226. Dabei sind rechtliche Verpflichtungen zwar allenthalben auf Grund von Wahrscheinlichkeiten eines Gefahrens / Schadenseintritts bestimmt. Dieser wird aber, ebenso durchgehend, nicht nach rechtlichen, sondern nach medizinisch vorhersehbaren Wahrscheinlichkeitsstufen bestimmt. Einer Rechtsprognose eröffnen sich hier keine Räume. Solche könnten zwar im Rahmen einer rechtlichen Risikoprognose und damit rechtlich unter dem „Gesichtspunkt der öffentlichen Sicherheit und Gefahrenabwehr“ angenommen werden. Doch diese entsprechen in ihrer Allgemeinheit wiederum lediglich dem Begriff der „Gesundheit“; hier lässt sich nichts näher mit auch nur einiger rechtsstaatlicher Genauigkeit juristisch prognostizieren. Im Übrigen übernehmen dabei die technisch-naturwissenschaftlichen Hilfswissenschaften des Rechts, einschließlich der Medizin, eben die Vorausschau im Bereich des Gesundheitsschutzes. Eine juristisch fassbare allgemeine Sicherheitsprognose, dass „keinem ein Leid geschehen mag“, ist rechtlich unvollziehbar. Rechtliche „spezielle Sicherung“ wirkt hier nur „rezipierend“. c) aa) Art. 3 Abs. 1 GG spricht ausdrücklich nur die Gleichheit aller vor dem Gesetz an, übernimmt nicht eine Tatsachenfeststellung ins Recht. Erst recht verlangt dies nicht allgemein-grundsätzlich eine Rechtsordnung, in der alle Rechtssubjekte materiell-inhaltlich gleichbehandelt werden müssten, so dass also faktische Gleichheit im Sinn eines Rechtsgebots herzustellen wäre, soweit irgendwelche rechtliche Wirkungsmöglichkeiten reichen. Im letzteren Sinn könnte allenfalls das Sozialstaatsprinzip wirken227. Aus der Gleichheit als solcher folgt aber weder ein Gebot der Prognose tatsächlicher Lagen und 226 Hierzu ist auf spezielle rechtliche Darstellungen zur Gesundheitsvorsorge zu verweisen. 227 s. vorst. C. III.
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Entwicklungen, noch ein solches der Vorausschau rechtlicher Einwirkungen auf deren Veränderung(en). Vielmehr hat die Rechtsordnung den tatsächlichen Entwicklungen in der jeweiligen Gegenwart Rechnung zu tragen, nur ihnen entsprechend jeweils zu differenzieren228. Dies kommt in der Forderung nach einem sachlich überzeugenden Differenzierungsgrund229 zum Ausdruck. Bei dessen Beurteilung ist grundsätzlich stets die gegenwärtige Tatsachen- und rechtliche Wirkungslage zugrunde zu legen; es ist hier nicht zu „prognostizieren“, wie diese sich etwa künftig entwickeln würde / könnte. Angesichts der (nahezu) grenzenlosen Weite des Regelungsbereichs von Art. 3 Abs. 1 GG könnte dies nur in halt- und grundlosen Spekulationen, damit in schwerstwiegenden Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit enden230. Art. 3 Abs. 1 GG rezipiert, verfestigt, verrechtlicht gewissermaßen die jeweilige Gegenwart; darin liegt seine besondere, aber nicht eine zukunftsregelnde Wirkkraft. Art. 3 Abs. 1 GG ist also seinem Wesen nach als solcher ein prognoseblindes, ein reines „Gegenwartsgrundrecht“, bei der Normgebung wie in aller Normanwendung. Stets in einem gegenwärtigen, nicht einem möglichen, vorhersehenden Tatsachen- und Rechtslagenvergleich für die Zukunft wirkt diese Bestimmung. Ein derartiger Vergleich als solcher findet nicht nur stets in der Gegenwart statt, er ist auch gegenständlich-inhaltlich, bis in Einzelheiten hinein, wesentlich gegenwartsbezogen. Art. 3 Abs. 3 GG verdeutlicht dies nur für einzelne mögliche Untersuchungsmerkmale. bb) Art. 3 Abs. 2 GG bestimmt in S. 1 eine Feststellung von Tatsachen als notwendige Grundlage rechtlicher Normierung: Die rechtliche Anspruchssituation muss in allen Bereichen verfassungsrechtlich stets der jeweils festzustellenden faktischen Egalität der Geschlechter entsprechen. Wie der Zustand dieser letzteren dabei aber zu bestimmen ist, das ist nicht in irgendeiner Form der Vorausschau zu bestimmen, sondern im jeweiligen Zeitpunkt, in welchem die rechtliche Regelungsentscheidung fällt. Dabei mag von einer in dubio-Egalität ausgegangen werden. Für Prognosen künftiger Tatsachenentwicklung ist jedoch kein Raum, sie ist in der jeweiligen Gegenwart der geltungsbegründenden Regelentscheidung festzustellen, nicht zu prognostizieren. Gleiches gilt für die Wirksamkeit dieser Entscheidung im Sinn der durch sie bewirkten, festgestellten, rechtlich festgeschriebenen Gleichheit. Wiederum muss ja gelten: Prognosen über mögliche tatsächliche Entwicklungen wie rechtliche Effekte auf diese müssten hier in grundlagenlosen Spekulationen enden, schon angesichts der Weite des Gleichheitsgebotes. Auch für Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG ist also eine Prognose weder erforderlich noch überhaupt möglich. 228 s.
die st. Rspr. des BVerfG, vgl. E 13, 290 (298); 36, 321 (330 f.). für Viele BVerfGE 93, 121 (133 f.). 230 Vgl. oben C. II. 229 s.
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cc) Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG beeinhaltet eine zwingende Förderungswirkung der Rechtsordnung in Richtung auf Gleichstellung, damit eindeutig ein Programm für alle Staatsgewalten231. Als ein solches mag hier die Gleichheit eine Rechtswirkung als Förderentscheidung in eine zeitlich unbestimmte Zukunft hinein zum Gegenstand haben. Sie wird aber in der Gegenwart als eine solche verordnet; damit wird nicht bereits die Zukunft geregelt, in der dieses Gleichstellungsprogramm ja noch gar keine Wirkung entfalten könnte. Wie eine solche eines Tages sich zeigen wird, ist Gegenstand rechtspolitischer Entscheidung des Gesetzgebers, nicht einer rechtlichen Wirkungsprognose über künftige Gleichstellungsgesetzgebung. Vorbereitende Tatsachen- und Rechtsvorausschau ist ein hier weitgehend spekulativer Betrachtungsgegenstand, schon angesichts der Weite des Regelungsgegenstands. Mit ihr beschäftigen sich soziologisch-ökonomische Hilfsdisziplinen des Rechts, nicht dieses als eine insoweit eigenständige Materie. d) aa) Art. 4 GG betrifft einen Rechtsbereich, der als „Glaube“ in einer deutlichen Zukunftsdimension zu verorten ist. Sein Gegenstand kann, in seinem wesentlichen Bezug auf eine transzendente Wirklichkeit232, als solcher nicht von einer rationalen Rechtsprognose erfasst werden, sondern allenfalls in einer typisch religiösen (Zukunfts-)Schau. Diese ist jedoch Gegenstand der Theologie, insoweit einer „Hilfswissenschaft“ des Staatsrechts, als ihre Methoden und Ergebnisse in das Staatskirchenrecht des Grundgesetzes rezipiert sind (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 ff. WRV). Nach Art. 4 GG ist dies zugleich Bestandteil eines verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsbereichs. Was an „religiöser Prognose“ aber hier sich vollzieht, hat als solches mit einer Rechtsprognose nichts zu tun, kann diese also auch in keiner Weise prägen oder auch nur vorausbestimmen. „Glauben“ bedeutet verfassungsrechtlich „Nicht wissen“; es kommt hier also schon grundsätzlich kein zukunftserfassendes Regelungsmedium der Rechtsordnung zum Einsatz. Diese nimmt Wirkungen des Religiösen im Tatsächlich-Politischen zur Kenntnis; auch dort kann sie aber „Glaubenskräfte“ als solche im Sinne einer rechtlichen Erkenntnis nicht einsetzen. Wirklichkeit des Glaubens bedeutet für das Recht – einfach nur Tatsächlichkeit. bb) Weltanschauung ist unter Prognosegesichtspunkten nicht einfach, wie es die Redaktion des Grundgesetzes in Art. 4 GG nahelegen mag, mit „Glauben“ gleichzusetzen233. Während dem „Glauben“, wenigstens in der geschichtlichen Entwicklung, stets etwas wie ein wesentlicher zeitlicher Bezug eigen ist („Jenseits“, „Weiterleben“), ist dies nicht notwendiger In231 Vgl.
oben B. III. 90, 132 (115). 233 Zur Gleichbehandlung Starck, Chr., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 4 Rn. 10, 32. 232 BVerfGE
III. Die Grundrechte als Prognosevorgaben131
halt einer Weltanschauung, die auch jede Zukunft nach dem Tode anzweifeln oder leugnen mag. „Weltanschauung“ ist, jedenfalls soweit sie auf seriösen philosophischen Grundlagen beruht, insoweit im Grundgesetz angesprochen wird, durchaus einem Erkenntnisbemühen zugänglich. Für ihre Wertung nach rechtlichen Kriterien tritt insoweit eine wie immer orientierte Philosophie an die Stelle der Theologie (vgl. aa)), als vorbereitende Hilfe prognostischer Erkenntnisbemühungen. Juristische Qualität haben dieselben auch im Falle der „Weltanschauung“ aber nicht. Diese richtet sich überdies auf eine derartige Breite möglicher Gegenstände, dass eine wie immer versuchte Vorausschau künftiger faktischer Entwicklungen oder rechtlicher künftiger Einwirkungen auf sie jeden juristischen Rahmen sprengen würde. „Weltanschauung“ beinhaltet, bereits von der Globalität ihres Gegenstandes her, im Übrigen schon begrifflich eine nicht zeitorientierte, insoweit jedenfalls zeitübergreifende Betrachtungsweise. Der verfassungsrechtliche Schutz ihres Bereichs in Art. 4 GG ist daher, wie auch beim Gegenstand des Glaubens, nach den Grundsätzen über „Freiheitssicherung und Prognose“ aus der Sicht der letzteren zu beurteilen234. cc) Damit erscheinen insgesamt prognoseträchtige Ansätze im Bereich des Art. 4 GG als grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Prognose darüber, wie weit dessen Schutzwirkung im Einzelnen, in einem konkreten Fall, reicht, könnte allenfalls darauf gerichtet sein, ob eine bestimmte (Grund-) Auffassung sich, in absehbarer Zeit, zu einer „Religion“ verdichten könnte, sodass ihr dann der spezifische Schutz des Grundrechts insoweit zuteil werde. Dies aber wird wohl in aller Regel nicht in irgendeiner Zukunfts-, sondern stets aus der jeweiligen Gegenwartssicht heraus zu entscheiden sein. Das begriffliche Wesen des Schutzbereichs steht bei diesem Grundrecht mithin einer Betrachtung unter Prognosegesichtspunkten, selbst in einer „neutralen Verfassungsordnung“, eindeutig entgegen, im Sinne etwa eines Ansatzes zu einer „Zukunftserfassung durch Verfassungsrecht“ in Form eines Grundrechtsschutzes. e) aa) Art. 5 GG weist mit dem Schutz der „Meinungsfreiheit“, schon aus deren Begrifflichkeit heraus, immerhin mögliche Ansatzpunkte für eine Prognosemöglichkeit, ja -notwendigkeit zu deren näherer Eingrenzung auf. Was als „Meinung“ – noch oder nicht mehr – geschützt wird, ist allerdings begrifflich so weit zu fassen235, dass ihr Gegenstand inhaltlich einer näheren Bestimmung in prognostischem Erkenntnisbemühen nicht nur nicht bedürftig, sondern nicht einmal zugänglich erscheint. Dies gilt insbesondere für ökonomische Entwicklungen, auf welche sich der Schutzbereich des Art. 5 234 s.
vorst. III. 1. Viele BVerfGE 33, 1 (15); 61, 1 (9).
235 Für
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
GG ja auch erstreckt (Werbung)236. Hier wäre jeder Versuch einer Eingrenzung des Freiheitsschutzes auf Grund einer Vorausschau möglicher Wirkungen geradezu abwegig. Die Wirkung der Meinungsbildung „in die Zukunft hinein“ steht zwar außer Frage. Allein schon im Begriff der „Bildung“ von solchen individuellen, gruppenspezifischen oder (ganz) „allgemeinen Meinungen“ kommt dieser Zukunftsbezug zwar zum Ausdruck. Er ist jedoch, nach Gegenstand wie Wirkung, in der Verfassungsnorm nur derart allgemein angesprochen, dass er als solcher keine rechtliche Direktive für eine Prognose bieten kann. bb) Die Gegenstände des Schutzbereiches der Meinungsfreiheit, welche bei deren Anwendung von jeher in der Praxis im Vordergrund stehen, damit deren zulässige Wirkungen beschränken, weisen einen Inhalt auf, welcher sich weitestgehend einer prognostischen rechtlichen Voraus-Erkenntnis der Inhalte, ihrer Schwerpunkte und Begrenzungen entzieht: Hier geht es vor allem um Persönlichkeits-, dabei insbesondere um Ehrenschutz. Was hier in Zukunft jeweils „besonders gefährdet sein könnte“, ist jedoch generell wie im Einzelnen kaum vorausschauend zu bestimmen; letzteres hat in einer Abwägung im jeweiligen Einzelfall zu erfolgen – damit eben in der Gegenwart der Rechtsanwendung237. Ein „Programm nach zu erwartender Schutzwürdigkeit der Persönlichkeit“ ist, rein inhaltsbezogen, kaum vorstellbar; es könnte allenfalls in einem Bezug auf mögliche Verletzungsmittel, damit auf die Gefährdungsformen, entwickelt werden (vgl. dazu cc)). Gleiches gilt für den anderen zentralen Inhaltsbereich (des Schutzes) der Meinungsfreiheit: die ökonomischen Belange, insbesondere in Räumen des Wettbewerbs. Hier ist zwar eine Grundrechtsbeschränkung grundsätzlich möglich, wie insbesondere die Gesetzgebung gegen Unlautere Konkurrenz zeigt238. Eine inhaltsmäßige, erkenntnisgeschützte Prognose verbietet sich dabei aber weitestgehend, letztlich grundsätzlich aus dem Wesen der als solcher eben prognosefeindlichen Markwirtschaft heraus239. cc) Aus den Mitteln der Ausübung der Meinungsfreiheit könnten sich verfassungsrechtliche Prognoseräume, Ansätze, ja Zukunftsdirektiven einer „erkenntnismäßigen Vorausschau“ rechtlicher Regelungens-, insbesondere Begrenzungsformen und -inhalte ergeben. Im Anschluss an die traditionellen, ja bereits „klassischen“ normierenden Eingriffsformen in den Bereich der Presse- und Rundfunkfreiheit, allgemeiner in alle Veranstaltungen, welche die Informationsfreiheit gewährleisten und beschränken, kämen hier an sich Pro236 s.
etwa BVerfGE 30, 336 (352); 95, 173 (182); 162, 347 (359). dazu etwa BVerfGE 99, 185 (196); 114, 339 (348). 238 Grds. zu verfassungsrechtlichen Direktiven BVerfGE 102, 347 (360 ff.). 239 Vgl. dazu Vorbemerkung 8. 237 Vgl.
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gnosegegenstände in Betracht. Im „Rundfunk / Fernsehprogramm“ liegt bereits begrifflich ein entsprechender, wenn auch sehr kurzfristiger, Zukunftsbezug, Ansatz vielleicht sogar für entsprechende rechtliche Ansprüche. All dies wirkt jedoch nicht in einer erkenntnisgestützten Rechtsprognose mit inhaltlichem Anspruch einer Zukunftserfassung und -ordnung in juristischen Formen. Es geht um zeitlich sehr begrenzte programmatische Wirkungen gegenwärtiger Entscheidungen, um Absichtserklärungen, hier sogar sehr deutlich unter dem Vorbehalt von zukünftigen Veränderungen. Eine rechtlich verbindliche „Kommunikationsprogrammatik“ wäre als solche in einer meinungsfreien Ordnung undenkbar. Gerade die gesamte Kommunikationstechnologie ist, nach ihren gegenständlichen Wirkungen und Ergebnissen, das Gegenbild einer in Voraus-Erkenntnis meinungslenkenden Ordnung. Hier beschränkt sich das Recht, insbesondere das nur umrisshaft regelnde Verfassungsrecht, auf laufende Rezeptionen technisch-naturwissenschaftlicher Entwicklungsergebnisse. Geordnet werden diese dann rechtlich in der jeweiligen Gegenwart, aus dieser heraus. In den Neuen Medien steht dies in einer rechtlich völlig unvorhersehbaren Entfaltung, in welcher das Recht nur seine jeweiligen Ordnungskategorien in gegenwärtiger Wirkung zur Anwendung bringen kann. Gerade aus diesem Rechtsbereich heraus rechtliche, vielleicht gar allgemeine Prognosevorgaben und -kriterien entwickeln zu wollen, wäre ein absurdes Unterfangen. Allenfalls mit Hypothesen kann hier gearbeitet werden240; sie müssen jedoch in derart rasanter Entwicklung gewechselt, in Entscheidungen jeweils „vergegenwärtigt“ werden, dass von einem „juristisch relevanten Vorauswissen“ als solchem nicht die Rede sein kann. Naturwissenschaften und Technik sind hier nicht mehr nur Vorbereitungs-, es sind dies die „jeweiligen inhaltsentscheidenden Wissenschaften“; das Recht stellt dafür nur in gegenwärtiger Entscheidung rezipierende Formen, keinerlei Bindungswirkung in Zukunftserfassung oder gar -vorherbestimmung zur Verfügung. dd) Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 2 S. 1 GG) ist zwar auch eine Äußerungsform der Meinungsfreiheit, jedoch nur in einem so weiten Sinn, dass ihr Schutz als lex specialis zu jener angesehen wird241; lediglich insoweit gilt auch hier das vorstehend (aa) bis cc)) Ausgeführte. Vor allem aber, und geradezu „kunst-zentral“ wirkt für die Kunst eine Eigengesetzlichkeit des Ästhetischen, welche jede rechtliche Ordnung ausschließt, nach Verfassungsrecht242. Dies muss eindeutig dabei „erst recht“ für jede Form von Prognose gelten. Alle künstlerische Betätigung ist par excellence prognosefeindlich, dieses menschliche, rein gegenwärtige „Überraschungsverhalten“. 240 s.
zu den Hypothesen oben A. IV. 6. etwa BVerfGE 30, 173 (191); 31, 229 (238 f.). 242 BVerfG st. Rspr., etwa E 31, 229 (238 f.). 241 Vgl.
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Erwartungen mag es geben, aus gegenwärtig Feststellbarem, aus dessen künstlerischen Wirkungen heraus. Kunstförderung ist zulässig, ja geboten – aber nur entsprechend der jeweiligen Lage des (Kunst-) Markts, eben als eine marktkonforme Regelung. Diese Lage ist im Kunstbereich aber mindestens so zukunftserkenntnis-resistent wie in anderen wirtschaftlich relevanten Sektoren243. Der Kunstfreiheit kommt also eher etwas zu wie eine „Pilotfunktion“ gegen ausufernde nicht nur Prognosebemühungen, sondern sogar Prognosehoffnungen aus dem Verfassungsrecht heraus. Und etwas wie „künstlerische Kategorien“ lenken im Übrigen gerade auch das staatsrechtliche Denken: „Staatskunst“, „organisatorische Kunst“ sind mehr als zufällige Metaphern des Kunstbegriffs ins Staatsrecht. ee) Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 2 S. 1 GG) ist schon deshalb unter Prognosegesichtspunkten in besonderer Weise zu betrachten, anders als die Kunstfreiheit, weil in aller Wissenschaft stets ein – sogar zuhöchst gesteigerter – menschlicher Erkenntnisanspruch liegt. In seiner eben typisch wissenschaftlichen Grenzenlosigkeit kann er auch vor zeitlichen gnoseologischen Schranken nicht grundsätzlich Halt machen. „Die Wahrheit als solche“ als Gegenstand244 der Wissenschaft ist ein aliud gegenüber jener Wahrhaftigkeit als Grenzbestimmung der Meinungsfreiheit245, welche der Wissenschaft ohnehin, in ihrer Ernsthaftigkeit, begrifflich abverlangt wird246. Das wesentliche Erkenntnisstreben der Wissenschaft ist notwendig, ja geradezu zentral, auch zukunftsbezogen; prinzipiell ist jeder Erkenntnisprozess ein in der Gegenwart und auf ihrer Grundlage beginnender, in seinem Ablauf aber unabgeschlossener Vorgang247: „Heute feststellen was morgen nicht nur sein kann, sondern sein wird“; weit über alle Hypothesen hinaus sollen ja Erkenntnisse in Form von Zukunftsthesen geboten werden. Die Unterscheidung von Astrologie und Astronomie gilt allerdings für den gesamten Bereich der Wissenschaften. Jede von ihnen hat ihre eigene Prognosemethodik entwickelt, stellt deren Erkenntnisse der Rechtswissenschaft zur Verfügung. Diese dagegen ist, nach den bisherigen Resultaten der vorliegenden Betrachtungen, als solche eben keine Prognose-, sondern eine Prognoseergebnisse ratifizierende, ordnende Gegenwartsdisziplin. Dies ist auch der Sinn der Wissenschaftsfreiheit: In die wesentlichen Prognosebemühungen derselben darf rechtlich gerade nicht eingegriffen werden; eben darum darf sich aber auch eine „Staatsrechtswissenschaft“ gar nicht bemühen, selbst 243 Zur marktkonformen Wirtschaftsförderung vgl. Leisner, W., Der Förderstaat – Grundlagen eines marktkonformen Subventionsrechts, 2010, insb. S. 66 ff. 244 Zur „Wahrheit“ als Erkenntnisgegenstand A. I. 3. 245 BVerfGE 99, 185 (197). 246 BVerfGE 111, 333 (354); 122, 89 (105). 247 BVerfGE 90, 1 (12).
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wenn gerade weil und / soweit sie auch wesentlich „fremde Wissenschaftsergebnisse“ übernehmen darf, ja rezipierend ordnen muss. „Das Staatsrecht“ kann dennoch als Wissenschaft bezeichnet werden248. Darin betreibt es nicht Fortschrittshemmung, sondern Zukunftsvorbereitung – aber eben als solches nicht Gestaltung der Zukunft249, sondern Entscheidungshilfe in Gegenwart. Das Staatsrecht ist, mit all seinen Öffnungen auch zu übergeordneten freiheitsrechtlichen Normschichten, Wissenschaft in allgemeinerer Sicht, nicht aber in (weiterreichender) Prognose. Ergebnis 22 a) Art. 1 GG betrifft keinen prognosefähigen Schutzbereich, ein solcher kann weder nach Formen, noch nach Begründungen der Verletzung der Menschenwürde, noch schließlich nach der Zahl der in ihr Verletzten bestimmt werden. Der Grundrechtsschutz ist absolut, immer gleich, stets gegenwärtig. b) Art. 2 Abs. 1 GG enthält keine Prognosevorgabe: Allgemeine Handlungsfreiheit wird durch jeweils geltenden gesetzlichen Schutz stets gegenwärtig bestimmt; Persönlichkeitsentwicklung ist unvorhersehbar. – Art. 2 Abs. 2 verlangt Vorausschau zur „Gesundheitsvorsorge“. Das Recht ratifiziert hier aber nur Prognosen der Medientechnik, von Naturwissenschaften und Technik. c) Art. 3 Abs. 1 (und 3) GG rezipieren, in der allgemeinen Gleichheit, Gegenwart in jeweiliger Anwendung ihrer tatsächlichen Lagen; nur in diesen Nivellierungs- oder Differenzierungswirkungen gestaltet die Gleichheit Zukunft, aber stets in Feststellung, nicht in Prognose. Art. 3 Abs. 2 GG ordnet Geschlechtergleichheit nach den Notwendigkeiten der jeweils feststellbaren Gegenwart, nicht im Blick auf eine Zukunft, in Regelung derselben. Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG ist jederzeit gegenwärtig wirkendes rechtliches Gleichstellungsprogramm, vorbereitende Prognose leisten hier vor allem Soziologie und Ökonomie. d) Art. 4 GG ist im „religiösen Glauben“ und in dessen „Zukunftsdimension“ Gegenstand „rechtlichen Nicht-Wissens“, bestimmt, bestimmbar allein in Religion, Theologie; dies ist Rezeptions-, nicht Regelungsgegenstand des Rechts. – Für „Weltanschauung“ gilt Gleiches, wobei u. U. Philosophie, Ökonomie oder Naturwissenschaften an die Stelle der Theologie treten. 248 Um „Die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft des Öffentlichen Rechts“ bemühte sich die Staatsrechtslehrervereinigung auf ihrer Tagung 2007, vgl. VVdStRL 67, 2008. 249 Wie es im Titel der Untersuchung von Leisner, Tradition, FN 10, „Zwischen Fortschrittshemmung und Überzeugungskraft. Vergangenheit als Zukunft“ zum Ausdruck kommt (S. 13 ff.).
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Gegenstand einer Rechtsprognose kann dieses Grundrecht bereits nach der Weite seines Schutzgegenstands nicht sein. In diesem gesamten Sicherungsraum findet „Rechtsprognose“ nicht statt. e) Art. 5 Abs. 1 GG entzieht sich schon in seinem Schutz der „Meinung“, nach der Weite dieses Begriffs, einer Zukunftsprognose seiner Gegenstände und Wirkungen. Begrenzungen der Meinungsfreiheit in Persönlichkeits-, insbesondere Ehrenschutz, sind angesichts der Unvorhersehbarkeit von deren jeweiligen Schutznotwendigkeiten nicht prognostizierbar. Gleiches gilt für den zentralen Schutzbereich von Werbung und Wettbewerb; die Marktwirtschaft gestattet hier nur jeweils gegenwärtig wirkende Sicherungen. Erkenntnisgestützte Zukunftsprognose als Zukunftserfassung ist auch beim Schutz der Rundfunk / Fernseh / Medienkommunikationsfreiheit und zur rechtlichen Bestimmung von deren künftigen Grenzen nicht möglich. Rechtlich verbindliche Kommunikationsprogrammatik ist nur in laufender Rezeption technisch-naturwissenschaftlicher Ergebnisse, also rein instrumental, zulässig. Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 2 S. 1 GG) ist, als lex specialis, geradezu Prototyp der völlig unvorhersehbaren, daher für die Zukunft unregelbaren Freiheitsbetätigung. Kunstförderung ist nur, als deren Folgegestaltung, in marktwirtschaftlichen Grenzen zulässig. Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 2 S. 2 GG) wird geschützt als Möglichkeit und Anspruch einer exakten Zukunftsvorausschau. Insoweit übernimmt auch Staatsrecht als Wissenschaft, sichernd in jeweiliger Gegenwärtigkeit, den jeweiligen Ergebnistrend anderer Wissenschaften. So wird darin Recht vorbereitet in der Gegenwart, nicht aber Zukunft gestaltet. 8. Prognose in Ehe, Familie, Erziehung, Bildung a) Art. 6 Abs. 1 GG „schützt die Ehe“ als Grundrecht, damit die Ehefreiheit. Nach h. L. ist die Freiheit der Eheschließung250 und die des ehelichen Zusammenlebens ihr Gegenstand, während die verfassungsrechtliche Garantie der „negativen Ehefreiheit“ umstritten ist251. Damit bedeutet „Ehe“ eine Rechtsgeltung auf unbestimmte Zeit; in einer Lage wie der am Tag der Eheschließung ist diese Rechtsbeziehung Gegenwart und als solche in Entscheidung verfestigt. Darin liegt ein Zukunftsbezug im Sinn einer Rechtsgeltung, die nach dem Willen der Gegenwart andauern soll. Zukunft als solche wird darin aber weder „rechtlich prognostizierend er250 BVerfGE 251 Dagegen
105, 313 (342 ff.). BVerfGE 56, 363 (364).
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kannt“, noch, aufgrund einer solchen Prognose, als solche rechtlich geregelt. Ihrem Wesen nach ist die Ehe Vertrag, Regelung der Zukunft als deren Vergegenwärtigung. Das so in Gegenwartssicht geregelte grundsätzlich lebenslange Zusammenleben kann ja, seinem Wesen nach, einer Vorausschau überhaupt nicht zugänglich sein, wird es doch schon durch Tod, völlig unvorhersehbar, aufgelöst. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ ist wahrhaft frommer Wunsch, begründet weder eine Rechtspflicht zu erkenntnismäßiger Prognose, noch ist eine „Prüfung“ in einem solchen Sinn auch nur möglicher Gegenstand einer rechtlich bindenden Vorausschau. Deshalb ist ja auch, unter bestimmten Voraussetzungen, Scheidung jederzeit möglich, wie bei jedem anderen Vertrag, in Beendigung der Vertragsbindungen. Gerade dies beinhaltet auch das Grundrecht der Ehefreiheit252. Die Ehe wird nicht gehalten durch eine Prognose, die hier erkenntnismäßig derartiges vorbereiten könnte, sondern nur durch den Willen der Partner zusammen zu bleiben. Nicht einmal dass dies, rational betrachtet, wahrscheinlich oder gar für sie besser sei, kann Gegenstand einer erkenntnismäßigen Rechtsprognose sein. Gerade in jener Rechtsinstitution, die wie kaum eine andere auf Zukunftswirkung, im Sinn einer Kontinuitätsbewahrung ausgerichtet ist, kann also die Verfassung rechtlich erkennender Prognose keine Vorgabe bieten, keinen Ansatz für eine auf Erkenntnis gestützte Regelung. – Anreize zur Förderung der Ehe beinhaltet Art. 6 GG zweifelsfrei als Rechtsprogramm253. Gerade hier sind aber nur sehr allgemein vorbereitende Erkenntnisbemühungen programmatisch angesagt. b) Die „Familie“ ist in der grundgesetzlichen Ordnung lediglich als Kleinfamilie näher geregelt, nicht als Großfamilie254. Bedeutung und Schutzwürdigkeit der Kleinfamilie liegt nach der Verfassungsrechtsprechung in der Lebensgemeinschaft. Diese wird praktisch insbesondere in der sozio-ökonomischen Versorgungsfunktion für die Ehegatten und die gemeinsamen Kinder rechtlich geregelt sowie in den Erziehungsaufgaben gegenüber letzteren. Deshalb kommt es für den Familienbegriff und den entsprechenden Verfassungsschutz auf Erfüllung dieser Funktionen in der Familie an, nicht allein auf blutsmäßige Bande zwischen den Familienangehörigen. Familie wird auch durch Adoption begründet; eheliche und abstammungsmäßige Verbindungen sind, ebenso wie das rechtlich begründete Adoptionsverhältnis, Voraussetzungen für diesen versorgungsrechtlichen Schutzgegenstand „Familie“. 252 BVerfGE
53, 224 (250). Sinne von vorst. B. III. 254 Die Großfamilie spielt verfassungsrechtlich keine rechtlich bestimmende Rolle, vgl. Robbers, G., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 6, Rn. 86 m. Nachw. z. Schrifttum, das hier überwiegend auch weitere Verwandte einbezieht. Auch insoweit steht aber praktisch meist die Versorgungs- und Erziehungsgemeinschaft im Vordergrund. 253 Im
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Diese „Lebensgemeinschaft“ wie alle ihre Voraussetzungen weisen, in irgendeiner Weise, in die Zukunft: Sie betreffen grundsätzlich nur einen Rechtszustand der, entsprechend gegenwärtiger Entscheidung, in einer völlig unvorhersehbaren Zukunft gelten soll. Keine theoretische oder praktische Jurisprudenz wird darin irgendetwas sehen wollen wie eine „Zukunftserfassung durch Rechtsprognose“. „Rechtlich erfasst“ wird damit diese Zukunft überhaupt nicht. Lediglich tatsächliche Tatbestände (Blutsbande), die in einer bestimmten Gegenwart in ihrer rechtlichen Bedeutsamkeit festgestellt worden sind, oder rechtliche Vorgänge, ebenso in der Gegenwart begründend (Eheschließung, Adoption), konstituieren den „Schutzgegenstand Kleinfamilie“. Dessen rechtliche Wirkungen können jederzeit beendet werden, soweit Scheidung möglich ist, oder sich die Feststellung der blutsmäßigen Abstammung als unrichtig erweist. Ihre rechtlichen Effekte (Versorgung) lassen sich dann inhaltlich verändern, einer neuen rechtlichen Bindungssituation jederzeit anpassen. Dies erfolgt wiederum stets in einer bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Gegenwart, nur in und für diese werden solche Verpflichtungen begründet und geschützt – eben im Rahmen ihrer recht lichen „Vergegenwärtigung in Familienrecht“. Eine „Regelung der Zukunft“ in Prognose bedeutet dies in keiner Weise. Eine solche wäre auch schon faktisch völlig ausgeschlossen: Weder Tod noch Scheidung, noch familiäre Hilfsbedürftigkeit lassen sich in irgendeiner Weise erkenntnismäßig prognostizieren. Der rechtlich in der Gegenwart allein in Entscheidung bestimmte Wille verliert seine Wirkungen (nur) in unvorhersehbaren Änderungen der Tatsachen- bzw. einer diese ratifizierenden Rechtslage (Scheidung). Der Familienschutz ist also nach seinem Gegenstand einer Prognose nicht zugänglich. Im Übrigen gilt hier für die Versorgungsfunktion das zur So zialstaatlichkeit und zum Versicherungsdenken Ausgeführte255. c) aa) „Erziehung“ (Art. 6 Abs. 2, S. 1; Abs. 3; Art. 7 GG), als Gegenstand, aber auch insgesamt in dem weiteren Verständnis einer „Bildung“, erscheint dem Inhalt nach eindeutig als ein „zukunftsorientierter“ Begriff. Als Auftrag an die Eltern wie an die staatlichen Schulen und die Aufsicht über diese256 – insoweit gleichgeordnet257 – ist deren Tätigkeit sowohl auf gegenwärtige als auch, und insbesondere, auf die Erreichung künftiger Erziehungsziele gerichtet. Für den öffentlichen Bereich des Schulwesens sind diese Lehr- und Lernziele in Lehrplänen festgelegt258. Diese werden in 255 Vgl.
oben C. III. dazu Jestaedt, M., Schule und außerschulische Erziehung, HStR³, Bd. VII. 2009, § 156; Huber, P. M., Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, BayVBl. 1994, 545. 257 BVerfGE 96, 288 (304); 98, 218 (244 f.). 258 Vgl. Jestaedt, FN 256, Rn. 56; BVerwGE 90, 1 (6 ff.). 256 s.
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pädagogischer Prognose vorbereitet, deren Ergebnisse in verbindliche Rechtsnormen übernommen werden. Zukunftserfassung, Zukunftsregelung findet darin jedoch nur statt hinsichtlich der Verpflichtungen der Eltern und Lehrpersonen, nicht in Regelung von Tatsachen- oder Rechtslagen als solcher. Nicht eine (etwaige) künftige Lage oder Entwicklungsstufe ist hier Normierungsgegenstand; sie ist als solche ja gerade, in allen Erziehungsbereichen, völlig unvorhersehbar. Vielmehr findet eine Verpflichtung von Eltern, anderen Erziehungspersonen und Erziehungsadressaten statt aufgrund eines gegenwärtig festgelegten Verhaltens, welches entsprechende Wirkungen der Erziehung vorbereiten soll – also in einer Vergegenwärtigung der (erwarteten) Zukunft, in deren bereits in verschiedenen Zusammenhängen dargelegtem Sinn. Bildungs- / Erziehungswissenschaften leisten dafür in der Methodik ihrer Disziplinen Vorbereitungshilfe; Staats-, Eltern-, Schulrecht übernimmt deren Ergebnisse lediglich in jeweils gegenwärtiger Entscheidung. Eine zukünftige Lage ist damit aber, hinsichtlich von erreichbaren Zielen und Ergebnissen, völlig offen; sie wird durch das Recht als solches nicht „bereits gestaltet“. Wie eine bestimmte Erziehung, ein gewisses Lehr / Lernziel wirken wird, bleibt unbekannt. Rechtlich geregelt werden in der Gegenwart nur vorbereitend Voraussetzungen, unter denen ein Ergebnis erreicht werden soll, nicht erreicht werden wird. Ersteres erfolgt aufgrund von bisherigen Erfahrungen der Vergangenheit, in deren Ausgestaltung in Gegenwart, nicht in einer Gestaltung der Zukunft, sondern eben nur in einer Vergegenwärtigung derselben. Erziehung und Bildung stellen also keine Zukunftserfassung, keine Zukunftsgestaltung dar. Gerade hier ist derartiges nur eine mehr oder weniger „realistische“ Hoffnung. Art. 6 und 7 GG regeln Zukunftsvorbereitungsversuche, nicht die Zukunft als solche. bb) Für die in Art. 6 und 7 GG angesprochenen zentralen menschlichen Lebensbereiche verlangt das Staatsrecht allerdings „Prognosen“, ausdrücklich sogar bei den Lehrzielen zuzulassender Privatschulen. Auch lassen sich Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG Zielvorstellungen über die Wirkungen von gesetzlichen Regelungen des Erziehungs / Bildungsbereichs entnehmen, sowie zu organisatorischen Voraussetzungen der Erreichung dieser Ziele259. Dies alles ist aber so allgemein formuliert, so wenig darin rechtlich fassbar, in seinen konkreten Auswirkungen auf künftige Bildungszustände, dass hier vielleicht sehr allgemeine Programmwirkungen feststellbar sind260, nicht aber etwas wie eine rechtliche Erfassung einer „Bildungszukunft“ als solcher.
259 Negativ: Keine überhöhten Schulgelder, BVerfGE 75, 40 (64); positiv: wirtschaftliche Sicherung des Lehrpersonals, vgl. BAGE 118, 66 (74). 260 Zu den Prognosewirkungen vgl. oben B. III.
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
Ergebnis 23 a) Die Ehe wird als rechtliche Einrichtung, als Gestaltung auf Langfristigkeit angelegter gemeinsamer Lebensführung geschützt (Art. 6 Abs. 1 GG). Dabei wird die Freiheit der Eheschließung unter gewissen Voraussetzungen gesichert, aber auch die der (grundsätzlich jederzeitigen) Scheidung. Diese verfassungsrechtliche Sicherung erfolgt in gegenwärtiger Entscheidung; eine Zukunft – die hier völlig unbestimmt wäre – wird damit weder erfasst noch geregelt. b) Familie, nun im Wesentlichen im Sinne der Kleinfamilie, wird in Art. 6 Abs. 1 GG durch Vereinbarung (Ehe, Adoption) in gegenwärtiger rechtlicher Entscheidung begründet, oder ihre Begründung stützt sich auf gegenwärtige Rechtsentscheidung (Abstammung). Dies allein sind Grundlagen von Rechtswirkungen für die Zukunft; es sind dies aber nicht Regelungen einer Erfassung der Zukunft als solcher, in erkenntnismäßiger Prognose, sondern Vergegenwärtigungen derselben, bis zu einer, grundsätzlich jederzeit möglichen, Änderung derartiger familienbegründender Entscheidungen, die damit aus einem Erkenntnisstand der jeweiligen Gegenwart heraus fallen. c) Erziehung (Art. 6 Abs. 2 S. 1; Abs. 3; Art. 7), auch im weiteren Sinn einer „Bildung“, soll in die, in der Zukunft wirken. Dies lässt sich zwar in der Gegenwart, aus deren Sicht, vorbereiten, nicht aber rechtsregelnd erfassen. Eine dadurch zu schützende zukünftige Lage ist hier nicht prognosemäßig vorauszusehen. Lehrziele im Schulrecht haben allenfalls programm-, nicht aber prognosemäßigen Erkenntnischarakter. 9. Die zentralen wirtschaftlichen Grundrechte (Art. 12, 14 GG) und die Prognose a) Eine „Wirtschaftsordnung“ als rechtlich ausgestaltetes Verfassungssystem ist im Grundgesetz als solche nicht festgelegt oder auch nur in wesentlichen Zügen rechtlich geregelt; ihre Entwicklung kann also auch nicht Gegenstand einer staatsrechtlichen, einer globalen rechtlichen Prognose im volkswirtschaftlichen oder gar im rechtlichen Sinn sein. Instanzen einer Vorausschau auf einfachgesetzlicher Grundlage, wie der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung“261, sind eindeutig als beratende Vorbereitungsgremien jeweils gegenwärtiger Entscheidungen, nicht als Organe rechtlicher Zukunftsgestaltung einer Gesamtentwicklung konzipiert. 261 Zum Sachverständigenrat s. Strätling, A., Der Sachverständigenrat u. s. w., in: Falk, S. u. A. (Hg.), Hb der Politikberatung, 2006, S. 353 ff.
III. Die Grundrechte als Prognosevorgaben141
Im Einzelnen wird die Wirtschaftsordnung allerdings vor allem durch grundrechtliche Verfassungsregelungen beeinflusst, begrenzt, kanalisiert; die wichtigsten finden sich in den Art. 12 und 14 des Grundgesetzes. Diese sind daher mit Blick auf etwaige grundgesetzliche Prognosevorgaben zu untersuchen. b) aa) Art. 12 GG statuiert grundsätzlich eine weitgehende verfassungsrechtliche Prognosezurückhaltung in der Gewährleistung einer Berufs- und Gewerbefreiheit. Die Entwicklung rechtlich relevanter Gestaltungen ist prinzipiell einer Freiheit Privater anvertraut, was auch die jeweilige Vorausschau staatlichen Instanzen, ja staatlichen Regelungen entzieht. Prognostische Auswirkungen in rechtlicher Form, im Sinne von „Regelungen der Zukunft“, könnten sich hier also allein im Rahmen von staatlichen Eingriffsmöglichkeiten auf gesetzlicher Grundlage ergeben. Die Verfassung regelt solche ausdrücklich nicht, über die Erkenntnisse der Verfassungsgerichtsbarkeit nur große gegenständliche Normierungskomplexe (Ausübungs-, Zugangsfreiheiten)262, Eingriffsformen lediglich in entsprechenden Ermächtigungen an staatliche Ordnungsinstanzen, in den Bereichen der Drei Staatsgewalten. Lediglich aus der Weite der jeweiligen Delegationen lässt sich daraus etwas im Sinne einer „Prognoserelevanz“ von staatsrechtlichen Vorgaben erkennen. bb) Die gesetzliche Berufsregelung ist unterschiedlich nach Stufen zulässig, entsprechend der Intensität von möglichen Beeinträchtigungen öffent licher Interessen durch die jeweiligen Tätigkeiten der Grundrechtsträger. Ausübungsbeschränkungen263, subjektive Berufswahlbeschränkungen264, objektive Berufswahleinschränkungen265 erfolgen jeweils als Ausdrucksformen einer Vorsorge gegen mögliche Gefahren für verfassungsgeschützte private oder öffentliche Belange. Die Vorsorge dient zwar dem Ziel, in der Zukunft derartige nachteilige Entwicklungen zu verhindern. Völlig offen, in keiner Weise vorhergesehen oder auch nur vorhersehbar sind jedoch Zeitpunkte des Eintritts oder auch nur von dessen Wahrscheinlichkeit, Formen einer Interessenbeeinträchtigung, deren Gegenstände im Einzelnen sowie Ergebnisse all dieser Vorgänge. Mit solcher Vorsorge regelt das Recht (mögliche) künftige Reaktionen auf diese Ereignisse. Diese sind ebenso wenig rational feststellbar wie die Entwicklung, welche sie auslösen (könnten). Alles verbleibt im Bereich von Hypothesen: „Wenn, dann …“. Vorausschau der Zukunft, im Sinne einer rationalen erkenntnismäßigen Erfassung dersel262 Zu
dem Stufenschema des Apothekenurteils BVerfGE 7, 377. BVerfGE 123, 186 (238). 264 Etwa BVerfGE 103, 172 (183). 265 Vgl. z. B. BVerfGE 102, 197 (214). 263 Z. B.
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
ben, ist damit in keiner Weise verbunden. Die künftigen Gefahren werden in gegenwärtigen Entscheidungen – eben vergegenwärtigt, nicht als solche erfasst, „vor-gestellt“ allenfalls in der Weise, in welcher sie bereits früher aufgetreten sind. Dies erfolgt in einem Denken von „Vergangenheit als Gegenwart“, im Übrigen in Abschätzung einer Wahrscheinlichkeit der Wiederholung in der Zukunft, die aber eben keinerlei Erkenntnis dieser letzteren darstellt, sondern allenfalls eine „Befürchtung des Gefahreneintritts“. Dieser soll mit etwas wie einer „negativen“, „apotropäischen“ Willensentscheidung entgegengewirkt werden. Das gilt für die berufsordnende „Eignung“ bei den subjektiven Zulassungsschranken ebenso wie für die Fiktion des Eintritts der Gefahr im Rahmen der objektiven Zulassungsschranken. cc) Gerade in der – notwendigen – Allgemeinheit der in der gesamten Berufsordnung allenfalls möglichen „hypothetischen“ Reaktionen des Rechts auf mögliche Zukunft(sentwicklungen) zeigt sich die grundsätzliche Unmöglichkeit einer Rechtsprognose als Zukunftserkenntnis / Regelung. Dies ergibt sich bereits aus dem hier übergreifend-allgemeinen Begriff der Verhältnismäßigkeit266. Weil die Gefahr in ihren künftigen Erscheinungsformen und Auswirkungen eben unvorhersehbar ist, soll, darf auf sie (dann, für den Fall ihres Eintritts) nur in „jeweils angemessener Weise reagiert werden“, einer solchen, die sich in der jeweiligen Gegenwart als erforderlich erweist. Der Verfassungsbegriff der Verhältnismäßigkeit beinhaltet zwar übergreifende Begrenzung, Voraussetzung aller Regelungswirkungen des Berufsrechts als rechtlichen Ausdrucks einer „Rechtsprognose“; diese kann hier aber nichts sein kann als Erkenntnis von Grundlagen „gegenwärtiger Vorsorgeentscheidung“, „für den rechtlich völlig unvorhersehbaren Fall des Gefahreneintritts“. dd) Die Eingriffsregelungen, welche in den (weiten) Rahmen der Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 12 GG zulässig sind, werden, insbesondere für die Beschränkung der Berufswahlfreiheit, zusammenfassend vorbereitet in „Berufsbildern“267. Hier zeigt sich gerade der Vorgang der Vergegenwärtigung der Vorsorgeregelungen als Gefahrenvergegenwärtigung, nicht als Zukunftsregelung: Die Berufsbilder werden aus der Vergangenheit für die jeweilige Entscheidungs-Gegenwart erkannt, im Augenblick der Normierung als solche festgelegt und in der Gegenwart für die Zukunft als Ausgangspunkte dann vergegenwärtigend bereitgestellt. Sie müssen daher später auch jeweils, in neuer Vergegenwärtigung der Zukunft in einer späteren Gegenwart, den veränderten Verhältnissen derselben angepasst werden268. 266 Zum
Berufsrecht vgl. für die Verhältnismäßigkeit BVerfGE 121, 317 (356). 119, 59 (80). 268 BVerfGE 78, 179 (193). 267 BVerfGE
III. Die Grundrechte als Prognosevorgaben143
Art. 12 GG bringt also keine Vorgabe für eine Rechtsprognose als solche. Seine Regelungen betreffen Vorbereitungen, welche bei jeweils präsentem Gefahreneintritt ebenso gegenwärtige Reaktionen gestatten – dann aber in der jeweiligen, einer als solcher unvorhersehbaren Zukunft. c) aa) Das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) ist, neben der Berufs- und Gewerbefreiheit, die wichtigste Verfassungsgrundlage der Wirtschaftsordnung. Es ist darin ein zentraler, wenn nicht praktisch der wichtigste normative Verfassungsinhalt. In seiner traditionellen wie seiner – darin auch269 – gegenwärtigen Ausformung zeigt sich gerade dieses Grundrecht als besonders deutlich gegenwartsorientiert, als eine in Präsenz feste Grundlage aller rechtlichen Prognosen als Vergegenwärtigungen der Zukunft. Im Eigentum, allen seinen Gebrauchsmöglichkeiten, ist unvorhersehbare „Zukunft in potentia bereits Gegenwart“. Zukunft ist in Gegenwart geronnen in diesem Eigentum als in gegenwärtiger Werteinhabe gefestigter Sicherung der Freiheit für die Zukunft. Eigentum ist wesentlich gegenwärtig, es erfasst „Inne-Gehabtes“, „fest Gehaltenes“ im jeweiligen jetzigen Augenblick, dem einzigen, den das Recht „wirklich voll kennt“. Eigentum ist Recht in Gegenwärtigkeit par excellence, kein „Recht der Zukunft“, „in Zukunft“ (erst) gestaltbar; es ist darin geradezu ein juristisches Gegenbild einer jeden Art von „Zukunftsrecht“. Selbst soweit es Erwartungen in sich trägt, Expektanzen, Hoffnungen (auf Gewinn) – verfassungsrechtlich geschützt ist heute, in werthaltiger Anwartschaft ebenfalls nur Gegenwart, gegenwärtige Sicherung, begriffswesentlich zukunftsblind. Darin ist es geradezu dogmatischer Prototyp dessen, worin das Recht, selbst in seiner entscheidungsvorbereitenden Vorausschauanstrengung, die es „Prognose“ nennen mag, die Zukunft als solche nicht erkennend erfassen, nicht juristisch regeln kann. Lediglich in dieser Geltungsgegenwart bietet das alle Zukunft vergegenwärtigende Eigentum aller Vorausschau eine „feste Rechtsbasis“. Darin war dieses Herrschaftsrecht übrigens stets auch Prototyp allen Rechts. bb) Als eine solche „feste Grundlage einer Geltung in Innehabung“ war das Eigentum stets, in seiner Geschichte, ebenso lang wie es etwas gibt wie „Recht“, wesentlich „wandlungsresistent“270. Seine Gegenstände mochten sich ändern im Zuge einer Entwicklung, in der sich der Mensch „die Erde untertan machte“, in Formen „rechtlichen Festhaltens“ im Einzelnen; das Wesen dieser rechtlichen Innehabung als solcher ist jedoch gleichgeblieben,
269 Vgl.
§ 173.
dazu und grds. zum Folgenden Leisner, W., in: HStR³, Bd. VIII., 2010,
270 Leisner,
FN 269, Rn. 95 ff.
144
D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
über alle „Wandlungen des Eigentumsbegriffs“ in der Geschichte hinweg271. Sein Ziel, das hier final sein rechtliches Wesen bestimmt, ist das einer „Lebens-Sicherung aus Vergangenheit in Gegenwart für Zukunft, in einer einheitlichen Gegenwartsbetrachtung“, einem „Festhalten des rechtlichen Regelungsaugenblicks in Kontinuität“, der Wiederherstellung dieser Lage bei Verletzung in Entschädigung272. cc) Der Inhalt des Eigentums liegt jeweils fest, er bedarf keiner Prognose. Eingriffe in diese „Rechtspositionen“ par excellence lassen sich auch nicht voraussehen, vorauserkennen in Prognose. Mit ihnen reagiert die Rechtsordnung, innerhalb gewisser verfassungsrechtlicher Zulässigkeitsmargen, auf nur umrisshafte, ebenso wenig im einzelnen prognostizierbare Gefährdungen privater oder öffentlicher höherwertiger Belange wie dies auch im Fall der Berufsordnung (vorst. b)) nur möglich und erforderlich ist. Dadurch darf es aber nicht zu etwas kommen wie einem „Eigentum nach Gesetz“273. Die „Wirkung des Eigentums“ kann also auch nicht auf dem Weg über eine Prognose der Entwicklung der einfachen (beschränkenden, „ausgestaltenden“) Gesetzgebung Gegenstand einer Rechtsprognose werden. Es ist das Eigentum eben in keiner Weise ein „offener Begriff“274. dd) Eigentum ist, nach seiner Wirkung, in der jeweiligen Reaktionsentscheidung zu seinem gegebenenfalls erforderlichen Schutz, ein „typisches Gegenwartsrecht“. Dies zeigt sich ebenso in seinem Wesen als einem Abwehrrecht275 wie in seiner Situationsgebundenheit276 in den jeweiligen Schutzwirkungen. Hier ist dann entscheidend, dass „die Situation da ist“, in ihr Schutzwürdigkeit, gegenwärtig, nicht als Gegenstand irgendeiner Art von erkenntnismäßig festlegender Vorausschau. Das Verfassungsrecht sichert den Eigentumsinhalt zeitübergreifend, aus Sicht einer entsprechend diesem Wesen gefallenen Entscheidung; daher ist es hier auch nie zu einer substanziell inhaltsverändernden Revision der grundgesetzlichen Bestimmung des Schutzbereichs gekommen. ee) Das Wesen des Freiheitsrechts des Art. 14 GG liegt in dessen Sicherungsfunktion für eine Zukunft nach dem (vor allem wirtschaftlichen) Standard der Gegenwart, einer bestimmten Lebensführung. Daher kann insoweit 271 Nachw.
bei Leisner, FN 270, 226 ff. Leisner, FN 269, Rn. 213 ff. 273 Zu einem solchen Leerlauf der Eigentumsgarantie s. die Kritik von Depen heuer, O., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 14 Rn. 35 ff.; Leisner, FN 269, Rn. 136 ff. 274 s. oben A. IV. 5. 275 Depenheuer, FN 273, Rn. 28. 276 Leisner, FN 269, Rn. 174 m. Nachw. 272 s.
III. Die Grundrechte als Prognosevorgaben145
von einem „Sicherungseigentum“ gesprochen werden277. Gegenstand der Sicherung ist aber, in diesem Rahmen, „die Freiheit“, in der Form des freien Eigentumsgebrauchs278. Sicherung bedeutet daher einen Freiheitsbezug auf die jeweils gegenwärtigen Möglichkeiten, welche die Eigentumsherrschaft eröffnet, nicht auf solche im Sinne einer etwa – gar nicht möglichen – erkennbaren Zukunftserfassung in Rechtsprognose. Unter allen denkbaren dogmatischen Gesichtspunkten279 ist daher Eigentum ein Schutzrecht in, aus jeweiliger Gegenwartsentscheidung. Das Verfassungsrecht „erkennt“ mit ihm keine Zukunft. d) Die Marktwirtschaft bedeutet wesentlich „prognoseresistente Zukunft“. Die grundgesetzliche Wirtschaftsordnung ist eine solche der rechtlich disziplinierten Freiheit, nicht einer in Vorausschau gelenkten Bürger- und Staatstätigkeit. Marktentwicklungen sind Gegenstände von „Prognosen“, dies aber nur in einem sehr weiten Sinn der Zukunftsabschätzung, in keiner Weise in dem einer Zukunftsvorauserkenntnis. Durch diese kann nicht eine rechtlich bindende Fixierung für den Fall eines bestimmten „Eintritts von Kommendem“ zum Ausdruck kommen, also eine „Erfassung der Zukunft in Recht“. Im Sinn der h. Verfassungsdoktrin des Grundgesetzes280 sind daher „Marktwirtschaft“ und „Lenkungswirtschaft nach Rechtsprognose“ ein unauflöslicher Widerspruch. Dies findet eine Bestätigung insbesondere in jenem Artikel 14 Grundgesetz, welcher ein „marktkonformes Eigentum“ zwingend voraussetzt, als Schutzgegenstand der Verfassung281. Die gesamte Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes (vgl. vorst. a)), nicht nur die Schutzbereiche einzelner, zentraler Grundrechte, ist also durchgehend im Sinne einer marktkonformen Vorstellung von Rechtsprognose zu verstehen. „Markt“ aber ist eben die lediglich in ihren jeweils gegenwärtigen Ergebnissen fassbare Lage. Aus ihr allein heraus fallen rechtliche Entscheidungen in der Marktwirtschaft; Markt ist Zukunft als Gegenwart, Prognose nur Vorbereitung jener in dieser letzteren. Ergebnis 24 a) Eine Wirtschaftsordnung als rechtlich ausgestaltetes System legt das Grundgesetz zwar nicht fest. Ihre wichtigsten Bestimmungselemente ergeben sich jedoch aus grundrechtlichem Freiheitsschutz, insbesondere in Art. 12 277 Leisner,
FN 269, Rn. 119 ff. hier verstanden in ihrer Bedeutung für eine Rechtsprognose (vgl. III. 3.), ein Zusammenhang, in dem das Eigentum nun ja auch hier untersucht wird; zum Freiheitsbezug vgl. Leisner, FN 269, Rn. 110 ff. 279 Vgl. die Untersuchungsgesichtspunkte bei Leisner, FN 269. 280 Nachw. b. Leisner, „Privatisierung“, FN 3, S. 104. 281 s. Leisner, Der Förderstaat, FN 243, S. 70 m. Nachw. 278 Freiheit
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
und 14 GG. Auf ihnen beruht auch die ganz h. gegenwärtige Verfassungsdoktrin. b) Art. 12 GG zeigt insgesamt deutlich prognostische Zurückhaltung: Wirtschaftstätigkeit ist, ohne staatliche Vorausschau, Gegenstand freier Privatentscheidung. Staatliche Regelungseingriffe auf den Stufen des Apothekenurteils des Bundesverfassungsgerichts sind lediglich Ausdruck einer Vorsorge gegen mögliche Gefährdungen von Verfassungsbelangen, ebenso gegenwartsbezogen wie jene. Die dabei stets zu beachtende Verhältnismäßigkeit konkretisiert diese Vorsorge in jeweiliger Gegenwart. Berufsbilder orientieren diese Vergegenwärtigungsentscheidungen in Wirkungen aus vergegenwärtigter Vergangenheit. c) Art. 14 GG ist seinem Wesen nach Schutz des jeweiligen „Inne-Habens“ in gegenwärtiger Rechtsposition, kein „Zukunfts(erfassungs-)Recht“. Eigentum war immer Prototyp der festen gegenwärtigen Rechtsbasis, als solches bedarf es keiner Prognose, insbesondere nicht der einer „Sicherung nach (jeweiliger) Gesetzeslage“. Als Abwehrrecht reagiert es stets gegenwärtig, in Situationsgebundenheit. Als Sicherungseigentum schützt es wesentlich gegen unvorhersehbare Wechselfälle der Zukunft. d) Marktwirtschaft bestimmt nach dem Grundgesetz Wert und Wirkungen des Verfassungseigentums. Sie steht aber in unauflöslichem Gegensatz zu einer „Lenkungswirtschaft als Rechtsprognose“. Markt(eigentum) ist Zukunft als Gegenwart, Prognose ist nur Vorbereitung jener in dieser letzteren.
IV. Finanzverfassung und Prognose 1. Eine traditionell besondere „Prognosematerie“: „Weiterfunktionieren“ der Staatlichkeit Seit Verfassungsrecht in rechtlicher Geltung flächendeckend im Staatsrecht wirkt, sich nicht mehr auf programmatische Grundsatzerklärungen beschränkt, muss es für den staatlichen Finanz-, den Haushaltsbereich rechtliche Regelungen treffen, welche das „weitere“ Wirken dieser Rechtsordnung sicherstellen: in der Finanzierung der zuständigen Staatsaktivitäten, der Staatsinstanzen. Ziel dieser Finanzverfassung, mit ihrem Kernbereich, dem Haushaltsrecht, sind eindeutig Zukunftswirkungen rechtlicher Geltungsentscheidungen, welche in der jeweiligen Gegenwart fallen. Ihr Ziel ist zeitlich verhältnismäßig eng begrenzte organisationsrechtliche Vorsorge im weiteren Sinn für ein Weiter- Funktionieren der staatlichen Ordnung. Ein solches liegt dieser letzteren an sich schon begrifflich zugrunde, aus dem gesamten Wesen des Rechts und der Staatlichkeit als solcher. Damit
IV. Finanzverfassung und Prognose147
soll deren Existenz in „Geltung bis auf Weiteres“ sichergestellt werden. Eine gewisse Zukunftswirkung mag in der Sicherung solcher Kontinuität liegen, eine konkrete Erfassung oder gar Regelung der Zukunft als solcher oder bestimmter Phasen derselben, in fassbarer rechtlicher Gestaltung, ist damit (noch) nicht verbunden. Dies gilt nun auch mit Blick auf eine rechtliche Zukunftsbedeutung einer Rechtsprognose im Rahmen der Finanzverfassung: Sie soll das „Weiterlaufen der Staatlichkeit auf bisherigen Geleisen“, solchen einer jeweils „gegenwärtigen“ Entscheidung, in einer bestimmten Ordnung ermöglichen. Eine rechtliche Zukunftsgestaltung als solche ist damit jedoch – von Anfang an und grundsätzlich – nicht verbunden. Das gesamte Finanzverfassungsrecht, in all seinen nun im Grundgesetz in immer neuen Facetten aufgefalteter, bereits „hochtechnisierter“ Form, kann nicht verstanden werden als ein Versuch, eine bestimmte Zukunft in vorausschaubaren Ergebnissen zu erfassen und zu gestalten. Vielmehr wird hier nur organisatorische Vorsorge getroffen, für ein „Weiterfunktionieren der Staatlichkeit“. In eine Zukunft hinein soll diese Organisation sich bewegen (können), nicht in bestimmten Formen oder Ergebnissen dieser „Ordnung“, sondern eben wie bisher, aus der Sicht der in jeweiliger Gegenwart festzustellenden Lage. Sämtliche Regelungen, ja alle Begriffe, welche hier eingesetzt werden, dienen nur dazu. Diese, also „die Zukunft“ in der ganzen Breite einer durch bisheriges Recht ausgestalteten, geprägten Faktenlage, ist für alle Wirkungen der Finanzverfassung bestimmend; doch diese sind als solche eben unbestimmt, durch Finanzstaatsrecht daher (noch) nicht regelbar, deshalb auch nicht ausdrücklich geregelt. Über der gesamten Finanzverfassung in dieser ihrer Zukunftsorientierung, nicht Zukunftsregelung, steht damit ein großes hypothetisches zukunftsbezogenes „Wenn – Dann“. Finanzverfassung ist also vorbereitende Vorsorge der Gegenwart für eine unbekannte Zukunft im bisher immer wieder betrachteten Sinn. Insoweit haben ihre Regelungen prognostischen Charakter, in einer „Vergegenwärtigung von Brandsituationen in gegenwärtiger Ausstattung der Feuerwehr“. 2. Finanzwissenschaft und staatsrechtliche Prognose Damit fügt sich die Finanzverfassung ein in die bisherigen Erkenntnisse zur Vergegenwärtigung, zu Entscheidungsvorbereitung in Gegenwart, zur Gefahrenvorsorge in heutiger Sicht und mit bereits gegenwärtiger, für alle möglichen jeweiligen Gegenwarten erforderlicher Geltung. Es ist dies also kein Gegenstand, der im vorliegenden Zusammenhang als solcher einer
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
besonderen, speziell vertiefenden Behandlung bedürfte. Die zahlreichen Methoden, Gegenstände und Probleme, die sich gerade hier ergeben, sind denn auch Objekte einer spezifischen, der finanzwissenschaftlichen Prognose. Sie ist hier die entscheidende „Hilfswissenschaft“ in diesem bereits eingangs und immer wieder angesprochenen Sinn. Finanzwissenschaft leistet aber als solche noch keine erkenntnismäßig gestützte, als solche rechtlich bindende Erfassung der Zukunft. Sie verdeutlicht Möglichkeiten, Optionen, auf welche sich dann jeweils das Staatsrecht in organisatorischen Regelungen, rechtswirksam in Vorsorge – d. h. in möglicher Zukunft als jeweiliger Gegenwart – einzustellen hat. Finanzwissenschaftliche Prognosemethoden lassen sich daher als solche nicht ins Staatsrecht übernehmen. 3. Finanzverfassungsrecht als Vergegenwärtigung „naher“ Zukunft a) Im Finanzrecht des Grundgesetzes ist allerdings ein klarer Grundzug festzustellen: Regelung des staatswirtschaftlichen Verhaltens öffentlicher Träger durch Bestimmungen, deren Wirkungen stets möglichst gegenwartsnah eintreten (sollen). Dies liegt bereits der Regelung der Finanzhilfen des Bundes für die Länder zugrunde (Art. 104 b GG), allgemein der gefahrenabwehrenden Vorsorgevorstellung der Finanzordnung. Feste Prozentsätze der Aufkommensverteilung der Steuern sind zwar teilweise in der Verfassung festgelegt, werden jedoch, wenn auch jeweils nach Entwicklung der Verhältnisse, gegenwartsnäher in einfacher Gesetzgebung bestimmt (vgl. Art. 106 Abs. 3 ff. GG). Die Deckung der notwendigen Ausgaben hat immerhin in einer kürzeren (mehrjährigen) Finanzplanung zu erfolgen (Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 S. 2 GG). Bei unvorhergesehenen, insoweit von den regelnden Inhalten der Gegenwartsentscheidungen abweichenden Entwicklungen soll ein Ausgleich auf einen „kurzen Zeitraum“ beschränkt werden (Art. 106 Abs. 4 S. 2 GG). Im Falle der Veranlassung kostenträchtiger Einrichtungen durch den Bund in einzelnen Ländern und Gemeinden ist ein Finanzausgleich nur unter engen Voraussetzungen vorgesehen (Art. 106 Abs. 4 GG). Dem Horizontalen Finanzausgleich (Art. 107 GG) liegt ersichtlich das Bemühen zugrunde, den jeweiligen Finanzbedarf zeit-, d. h. aber gegenwartsnah zu bestimmen. Dem dienen vor allem die Kriterien, nach denen periodisch durch einfaches Bundesgesetz die entsprechenden Parameter rechtlich bindend aufzustellen sind (Art. 107 Abs. 1 S. 2; Abs. 3 GG). Dies sind dann zeitlich derart nahe jeweilige Zukünfte, dass diese eben rechtlich bereits als Gegenwart behandelt und geregelt erscheinen können. Insoweit findet also sogar etwas statt wie eine Vergegenwärtigung der Zukunft auf verfassungsrechtlicher Normstufe, wenigstens im Prinzip.
IV. Finanzverfassung und Prognose149
b) Überhaupt ist das gesamte Finanzaufkommens- und -verteilungsrecht des Grundgesetzes stillschweigend, aber doch klar bestimmt von einem Prinzip des Bedarfs und seiner rechtlich zu sichernden Deckung. Dieser Bedarf wird zwar – selbstverständlich – als ein zukünftiger zugrunde gelegt; seine Deckung wird aber so zeitnah geordnet, dass sich daraus ein Zweifaches ergibt: – ein verfassungsrechtliches Bekenntnis zur grundsätzlichen Unfassbarkeit der weiteren, der „eigentlichen“ Zukunft, und – ein deutlicher normativer Versuch, diese Zukunft „bereits als Teil einer Gegenwart in Vergegenwärtigung“ zu sehen; denn hinter diesem Bedarf steht jederzeit die nicht ausdrückliche Konkretisierung desselben: „in jeweiliger Gegenwart zeitnah auftretend“. Etwas wie eine „überschaubare Zukunft als Gegenwart“ ist damit eigentlicher Gegenstand der Finanzverfassung in ihrer Mittelverteilung. Dies lässt sich, in etwas wie einer Grundtendenz des verfassungsrechtlichen Verständnisses, durchaus auf andere Regelungsbereiche des Staatsrechts übertragen; es passt sich darin ein in die bisherigen Ergebnisse zu einer Prognose als gegenwärtiger Hilfe zu einer rechtlichen Vergegenwärtigung der Zukunft. Dies ist hier ein Grundsatzgehalt der Verfassungsordnung, der auch auf andere Bereiche derselben übertragbar ist; für Einzelausgestaltungen einer Finanzprognose kann dies, selbstverständlich, nicht gelten. 4. Insbesondere: Das Haushaltsrecht Das Haushaltsrecht des Grundgesetzes ist ebenfalls nach dieser Konzeption aufgebaut: Es soll ein kontinuierliches Weiterfunktionieren des Staatsapparates sichern, im Sinne von jeweiligen Rechtsentscheidungen, welche die „nächste, absehbare Zukunft als Gegenwart“ betreffen. Geregelt werden „Haushaltsnotlagen“ i. S. von als solchen konkret unvorhersehbaren Entwicklungen (Art. 109 a GG); der Haushaltsplan als eindeutige normative Vergegenwärtigung einer Vorausschau aus Sicht der Gegenwart ist jeweiliger Gegenwartsregelung durch Haushaltsgesetz überantwortet (Art. 110 GG); ein Nothaushalt ist auch hier, für unvorhersehbare Fälle, eben für eine nicht erfassbare Zukunft, vorgesehen (Art. 111 GG). Eng sind Vorschriften mit einer gewissen Zukunftswirkung gefasst; bei den außerplanmäßigen Ausgabenerhöhungen aufgrund von Gesetzen (Art. 112 GG) findet sich allerdings immerhin das Wort „für die Zukunft“ (Art. 113 Abs. 1 S. 1 GG). Die Rechnungskontrolle hat streng gegenwartsnah zu erfolgen (Art. 114 GG). Als zukunftswirksame Leistungen erscheinen nur mehr Kredite für „künftige Rechnungsjahre“ (Art. 115 Abs. 1 GG). Die umstrittene frühere
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
Bestimmung über Wirkungsvoraussetzungen von Investitionen ist entfallen, in einer „Zukunftsabstinenz“ des Verfassungsrechts. Insgesamt steht also auch das Haushaltsrecht unter der klaren Tendenz: Nahe Zukunft als Gegenwart – im Übrigen sind gegenwärtige Erkenntnisse allenfalls Grundlagen einer Vorbereitung von entscheidungsfähigen Vorsorgemaßnahmen. Ergebnis 25 Die Finanzverfassung des Grundgesetzes regelt rechtliche Voraussetzungen, unter denen Staatlichkeit, in allen jeweiligen Entscheidungen der Drei Staatsgewalten, „weiter funktionieren“ kann, sie nimmt diese aber nicht in Zukunftsregelungen vorweg, gestaltet als solche keine bestimmten künftigen Ordnungszustände. Hier wirkt finanzwissenschaftliches Erkenntnisbemühen als Prognosehilfe. Rechtlich organisiert wird Abwehr von – unvorhersehbaren – künftigen Gefahren für die Finanzstabilität. Die Regelungen der Finanzverfassung sind weitgehend gegenwartsnah ausgestaltet in diesem ihrem Zukunftsbezug. Eine Zukunftserfassung / Regelung in Zukunftsprognose findet in ihnen nicht statt.
Exkurs: Rechtsprognose und Planung Rechtsprognosen sind, im Sinne der vorliegenden Betrachtungen, Überlegungen zu Erkenntnisversuchen in Vorbereitung gegenwärtiger rechtlicher Entscheidungen, nicht aber Formen rechtlicher Erfassung und Regelung einer Zukunft als solcher. Deshalb wurde auch in den vorstehenden Kapiteln in diesem Zusammenhang der „Prognose“ der Begriff der „Planung im Staatsrecht“ als solcher nicht vertiefend thematisiert282. Eine Untersuchung und nähere Auseinandersetzung mit Begriffen, einzelnen Formen und Wirkungen der Planung hätte den vorliegenden Zusammenhang überschritten, der sich auf die Erfassung der Zukunft in rechtlichen Formen konzentriert und hierzu Grundlinien entwickeln soll. In einer zukünftigen Betrachtung besteht hier noch Vertiefungsbedarf. Immerhin kann am Ende der Überlegungen zu „Prognose und Zukunft“ bereits einiges zu einer Einordnung der Planung in diesem Zusammenhang festgehalten werden: 1. Das geltende Staatsrecht des Grundgesetzes kennt kein allgemeines, auch nur einigermaßen rechtlich ausgestaltetes Planungsrecht, es enthält keine Vorgaben gerade für ein solches, welches sich wesentlich von dem 282 Zum Begriff der Planung vgl. Roellecke, G., Ein Rechtsbegriff der Planung, DÖV 1994, 2024 ff. sowie insb. FS f. Hoppe, 2000, m. zahlr., auch grds. Beiträgen.
Exkurs: Rechtsprognose und Planung151
unterschiede, was vorstehend unter dem Gesichtspunkt der Prognose behandelt worden ist. Finanzplanung wird nur in sehr speziellem Kontext angesprochen283: Bauplanung ist Gegenstand eines eigentumsrechtlichen Rechtsschutzes284, Unternehmensplanung ein Schutzbereich der Berufs- und Gewerbefreiheit285. Auf das zur Prognose in diesen Zusammenhängen jeweils Ausgeführte darf verwiesen werden. 2. In allen Räumen, in welchen Entscheidungen der Drei Klassischen Staatsgewalten fallen (können), werden solche laufend und intensiv in Planung vorbereitet, im Blick auf die Zukunft, in einer Abschätzung von (möglichen) Entwicklungen derselben. Dies ist Rechtsprognose im legitimen, rechtsstaatlich notwendigen Sinn. Sie verdichtet sich dann allenthalben zu mehr oder weniger formalisierten Ergebniszusammenfassungen: den Planungen. Diese stellen Handlungsprogramme dar, welche unter dem Gesichtspunkt von rechtlicher Wirksamkeit von Ankündigungswirkungen bereits näher betrachtet worden sind286 – unter staatsrechtlichen Aspekten. 3. Spezielle Programmierungen solcher Art lassen sich in vielen Bereichen feststellen, wobei jedoch zu unterscheiden ist: Am geringsten ausgeprägt ist diese Praxis im Bereich der Dritten Gewalt; hier beschränkt sie sich praktisch auf die Organisation der Aufgabenerledigung. Die gesetzgebende Gewalt hat verfassungsrechtlich ihr übertragene Aufgaben zu erfüllen und wird in diesen ihre Tätigkeit auch in Programmen, in vorbereitenden „Planungen“, konkretisieren oder neue Aufgabenstellungen formulieren. Ihr ist dabei Planung zwar nicht verfassungsrechtlich aufgegeben, aber auch nicht versagt; praktisch wird es hier auf die politische Stabilität ankommen, in der sie ihre Normgebung jeweils gestalten kann, daher auch vorbereiten muss. Die gesetzgebende Gewalt ist sicher eine Prognose-, sie ist aber nicht notwendig in gleicher Intensität Planungsinstanz. 4. Planung ist jedoch die zentrale Domäne der Zweiten Gewalt. Der Verwaltung stehen zu einer vorbereitenden Sammlung und Auswertung von Daten für ihre Tätigkeit die erforderlichen Kompetenzen zur Verfügung. Insoweit muss sie auch gar nicht als eine „einheitliche Gewalt Exekutive“ vorgestellt werden287: Hilfstätigkeit in Prognose vollzieht sich ja laufend in vielen, durchaus heterogenen Bereichen; die Sammlung von entsprechenden Ergebnissen diverser Hilfswissenschaften können beliebig zusammengesetzte und orientierte Instanzen der Exekutive übernehmen und in „Planungs283 Vgl.
Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG. zum Grundeigentum Leisner, FN 269, Rn. 191 ff.; s. auch vorst. III. 9. c). 285 Vgl. dazu oben III. 9. b). 286 Vgl. vorst. B. III. 2. 287 s. dazu Leisner, W., Die Undefinierbare Verwaltung. Zerfall der vollziehenden Gewalt, 2002, S. 15 ff. 284 s.
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D. Einzelne verfassungsrechtliche Regelungen
unterlagen“ zusammenführen, zusammenfassen. Darin mag dann sogar einer einheitlichen Bezeichnung der „Exekutive als Planungstätigkeit“ eine gewisse koordinierende Bedeutung, wenn auch nicht die einer rechtlichen Konstituierung dieser Staatsgewalt zukommen. 5. Planung ist also zwar kein „gewalt-spezifisches“, wohl aber ein in allen staatlichen rechtlich relevanten Verhaltensbereichen auffindbares, insgesamt eben ein notwendiges Vorbereitungsstadium von Entscheidungen im staatsrechtlichen Bereich. Sie stellt eine zusammenfassende, datenbündelnde und -integrierende intermediäre Form staatlichen Handelns dar, zwischen aufgabenkonformer Befassung mit Ordnungsgegenständen in deren (möglicher) rechtlicher Relevanz und deren rechtsverbindlicher Beurteilung in Entscheidungsform. In ihr spielt die hier vertiefend behandelte „Prognose“ als erkenntnismäßig orientiertes vorbereitendes Bemühen eine wichtige Rolle. „Planung“ aber ist einerseits (noch) nicht Entscheidung – zum andern erschöpft sie sich nicht wesentlich in einem Erkenntnisstreben, das Grundlagen für die Entscheidung sammelt. Im Begriff der Planung fließen vielmehr alle Wirkungen entscheidungsvorbereitender Anstrengungen zusammen, vor allem gnoseologisches Bemühen und voluntative Entschlossenheit. Verkürzend mag es dann heißen: Prognose ist eine Vor-Form der Planung, diese eine Vor-Form der Entscheidung. In diesem Sinn muss die „Planung als solche“, wie gesagt, Gegenstand weiterer Vertiefung bleiben. 6. Planung ist jedenfalls, dies ließ sich hier bereits feststellen, die „entscheidungsnächste“, teilweise schon weitgehend rechtlich formalisierte VorForm der rechtlich bindenden Entscheidung. Dies zeigt sich deutlich, wo sie sich als solche bereits in rechtlich bindenden Formen zeigt, etwa in der Bauplanung, aber auch überall dort, wo sie als „Landesplanung“ in gesetzlicher Form erscheint. Ihre Inhalte stellen dann bereits bindende Entscheidungen dar; in ihnen wird die „geplante Zukunft“ im Planungszeitpunkt in Rechtsform vergegenwärtigt, damit auch die Ergebnisse von erkenntnisgestützten Vorbereitungen in einer Rechtsprognose im hier behandelten Sinn. 7. In dieser in gesetzliche Form geronnenen Planung findet alle Normgebung den verfassungsrechtlichen Anschluss an die Rechtsstaatlichkeit: Planung ist insoweit der Rechtsbefehl, von dem nur unter eindeutig bestimmten Voraussetzungen, insbesondere unter Wahrung von Vertrauen, abgewichen werden darf – also Rechtsregelung unter einem besonders ausgestalteten Ausnahmevorbehalt. Ebenso wichtig wie der „Planungsinhalt als Entscheidung“ sind dabei „Ausnahme / Abweichungsvorbehalte in Entscheidungen von der Planung“. Dies alles ist zusammenzusehen in Betrachtungen zum jeweiligen Entscheidungsverfahren, insbesondere in der Gesetzgebungs-, aber auch, allerdings schon stark erweitert, nicht selten verunklart, in der Verwaltungslehre.
Exkurs: Rechtsprognose und Planung153
Aus all dem wurde hier nur ein Ausschnitt behandelt: Rechtsprognose als ein Bemühen um Erfassung der Zukunft. Als ein solches musste es, in einer kritischen Betrachtung, letztlich in etwas wie einem kantianischen Sinn, entzaubert werden: Vorbereitung findet hier statt, Datensammlung, -ordnung. Regelung der Zukunft in rechtlichem Erkennen – das ist die hier behandelte Prognose aber nicht. Ergebnis 26 Planung ist als solche nicht Prognose, beruht aber meist auf einer derartigen; insgesamt ist „Planung“ rechtlich noch vertiefungsbedürftig. Prognose ist „(Teil-)Vorbereitung einer Entscheidungsvorbereitung in Planung“; in dieser letzteren wirkt sie bereits in Rechtsbindung: als Handlungsprogramm, schon in Vorbereitung eines rechtsverbindlichen Verhaltens, von dem aber Abweichungsmöglichkeiten eröffnet werden. Planung zeigt sich darin als eine Verbindung von Erkenntnissuche und rechtlich entscheidendem Willen. Sie ist von spezifischem Gewicht für die Tätigkeit jeder der Drei Staatsgewalten. Planung ist die entscheidungsnächste, rechtlich bereits formalisierte Vorbereitungsform rechtlicher Entscheidungen.
E. Prognose: „Ausblick auf eine Vorausschau“ … Diese Betrachtungen galten einem viel gebrauchten, wenig als solchem vertieften Begriff des Staatsrechts, in seiner grundsätzlichen Bedeutung wie in den möglichen positiven Vorgaben für ihn, aus geltendem Verfassungsrecht. Das Ergebnis mag insgesamt als ernüchternd erscheinen: Das Recht vermag in Prognose Zukunft nicht zu regeln, nicht rechtlich zu erfassen. Für eine Disziplin, welche stets auf das Beiwort „nüchtern“ sogar stolz war, mag dies zunächst immerhin eine Selbstbestätigung bedeuten: Das Recht ist – muss man hinzufügen: „letztlich eben doch nur“? – „Gegenwartsbemühen“ i. S. einer Entscheidungswissenschaft, darin letztlich – Dezisionismus. Dies gilt zwar nicht im Sinne einer „Machtstaatlichkeit“, eines „ent-intellektualisierenden Voluntarismus“. Dem menschlichen Erkenntnisvermögen, dem Bemühen wissen zu wollen, wo Entscheidung gefordert ist, werden hier allerdings, wieder einmal, Grenzen aufgezeigt. Erkenntnisbemühen liegt dann sicher auch in jenem Streben, in welchem sogar das Recht Belohnung verdient, nicht nur verteilt: „Wer immer strebend sich bemüht …“. Das Recht hat, mit Hans Kelsen, versucht, sein Erkenntnisvermögen in der Selbstentwicklung systematischer Institutionalität zu perfektionieren, mit Rudolf Smend es unternommen, vor allem in der Demokratie, in rechtlicher Integration seine tragenden Elemente zusammenzuführen, von Verfassungspolitik zu Verfassungsrecht fortschreitend. Das Letzte, nicht als solches, sondern nur in all diesen Vorgängen und Verfahren auch „das Beste“, bleibt dann allerdings „doch ein Befehl“ im Sinne von Carl Schmitt. Die „Zeit“ ist die Verfassungsdimension, in der all dies abläuft: Rückwärtsgewandt in „Gegenwart aus Vergangenheit“, in deren Tradition, vorwärtsgewandt in reiner Prognose, in Zukunft als Gegenwart, in der Vergegenwärtigung des Rechts, wie sie hier betrachtet wurde. Dieses Futurum kann nicht „gesucht“ werden – um zum Eingangswort des Horaz zurückzukehren, in Erkenntnis; aus den Unklarheiten des Zukünftigen, aus den platonischen Höhlen der Erkenntnis, führt erst ein faustisches „Im Anfang war die Tat“, in rechtlich ordnendem Willen. Das Staatsrecht will darin, wie alle wissenschaftlichen Disziplinen, Ergebnisse abliefern, die sich in Entwicklung weiter-hoch-rechnen lassen. Dies letztere aber hat die Jurisprudenz nicht zu leisten. Sie „erkennt“ – aber nur die Gegenwart, diese in ihrem präsenten Willensakt erkennend gestal-
E. Prognose: „Ausblick auf eine Vorausschau“ …155
tend. Ihre Zukunfts-Geltung ist und bleibt Gegenwartsgestaltung, erschöpft sich in den Effekten einer Vergegenwärtigung der Zukunft. Zu Nietzsches Gespenst der Historischen Krankheit darf nicht ein zweites hinzutreten: Gewollte Zukunft als erkanntes Morgen. Zur auszehrenden Aktivitätsschwächung einer laus temporis acti käme dann, nicht weniger gefährlich, eine Zukunftsschau hinzu in phantasierender Erkenntnissicherheit. Erkenntnis ist, im Rechts besonders, mit Illusionskraft begabt – und mit deren Gefahren belastet. Sie will dem Augenblicke sagen „O bleibe doch, du bist so schön!“ – so wahr, im geltungsstützendem Erkennen. „Prognose“ ist aber nur ein Aspekt einer größeren, viel weiteren Problematik: „Recht und Realität “, „Sollen als Sein“. Dies bleibt eine Antithese, nicht aufzulösen ist sie in der Synthese eines „realitätsnahen“, „realitätskonformen“, „realitätsabbildenden“, vermeintlich erkennenden intellektuellen Illuminismus. Verfassung ist Wille, Gestaltung der Realität durch ihn, nicht ihre Erkenntnis in seiner Entscheidung. Dieser Wille ist, einmal gesetzt, Gegenstand der Analyse, als solcher analysiert er nicht erkennend. Diese Betrachtungen zur Rechtsprognose führen denn auch zu einem bedenkenswerten, wenn nicht bedenklichen Ergebnis: Erkenntnis, ist im Recht, im Staatsrecht besonders deutlich, „Magd des Willens“, wie es einst die Philosophie gegenüber einer Theologie sein sollte, welche letztere (auch) über das „Staatsrecht Gottes auf Erden“ sich entfalten wollte, hinüberführen ins unendliche Jenseits, wie dies das Staatsrecht immer wieder versucht in geltenden Programmen, gegenüber einer offenen, einer unendlichen Zukunft. Die Gegenwart ist geprägt, wird umgestaltet in nie bisher gekannten Erkenntnislawinen; sie drohen ihr erkennendes Ordnungsvermögen zu überschütten, zu ersticken. Der zukunftsgestaltende, der wesentliche Geltungswille des Rechts reagiert mit einer Erkenntniseuphorie, welcher „die beste Staatsform“ nicht finden, sondern gefunden haben will; mit Instrumenten des Erkennens will sie den intellektuellen Herausforderungen des lawinenmäßigen Anwachsens der Erkenntnisgegenstände, der Ergebnisse des medizinisch-technisch-naturwissenschaftlichen Fortschritts begegnen. Immer mehr Erkenntnis kann zwar zunehmend vernetzt werden, vor allem im Recht; ob darin als solchem ein weiterer Erkenntnisfortschritt liegt, muss sich erst noch weisen. Mit dem Corpus Iuris hat die Vergangenheit es versucht, mit ihren Mitteln vor vielen Jahrhunderten, im Pandektismus vor einigen Jahrzehnten von neuem. In dieser Versuchung – oder Illusion – steht auch gegenwärtiges Recht. Die ganz großen juristischen Herausforderungen für das gegenwärtige Staatsrecht wurden damit noch nicht einmal erwähnt, geschweige denn auch
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E. Prognose: „Ausblick auf eine Vorausschau“ …
nur implizit angesprochen: Europäisches Recht, Weltrecht in Weltorganisationen. Werden hier Prognosen endgültig zur Fata Morgana? So kann, so darf eine Betrachtung der Prognose nicht enden; deshalb musste ihr Bereich ein bescheidener bleiben: auf Staatsrecht beschränkt. Für dieses, damit aber für alles geltende Recht, wahrlich im vollen Sinn eines Erkennens „in gegenwärtigem Verstande“, muss gelten: Recht hat zu ent-scheiden, zu unter-scheiden, zu trennen – zu „schauen“ aber nur auf eines: auf den Gordischen Knoten, den es dann erst zu durchschlagen gilt. In diesem Sinn ist im Recht imperial zu denken288, so wie jener es „tat“, welcher damals das Schwert führte. Ergebnis 27 In Prognosebetrachtung erscheint das Recht als eine Gegenwartswissenschaft, in Vorbereitung von rechtlichen Gestaltungen, wesentlich geprägt von Dezisionismus. Als solche stellt Rechtsprognose aber eine „Form rechtlicher Zukunftserkenntnis“ nicht dar. Zunehmende Komplikationen und Vernetzungen machen eine solche immer schwieriger. Das Recht aber durchschlägt erst in Willensentscheidung gordische Knoten.
288 In diesem Sinn wurden staatsrechtliche Analysen bereits früher zusammengeordnet bei Leisner, W., Das demokratische Reich. Reichsidee und Volksherrschaft in Geschichte und Recht, 2004.
Sachwortverzeichnis Analogie 34 f. Aristokratie 72, 113 Auslegung 44 ff., 108 f. – objektive 46 f. – subjektive 47 f. – als Vorausschau 45 – zukunftsnahe 48 f. Beamtenrecht 112 ff. – Lebenszeitstellung 112 ff. Begriffsjurisprudenz 31 Berufsfreiheit 141 ff. – Berufsbilder 142 – Verhältnismäßigkeit 142 Bestimmtheit 36 ff. Beweis(verfahren) 27 f. Deduktion 31 ff. Demokratie siehe auch Mehrheit(en), Wahlen – und Freiheit 74 ff. – als „Rationalisierung“ 37 – und Rechtsstaatlichkeit 79 ff. – Verfassung der 72 ff. Dezisionismus 57 f., 104 Effizienz 20 f., 58 Ehe 136 f. Ehrenschutz 132 Eigentum 143 ff. – als Sicherung 144 f. – Situationsgebundenheit 144 Ermessen 111 Erziehung 138 f. Europäische Gemeinschaften 13
Evolution im Recht 59 f. Ewigkeitsentscheidung 17, 99 f., 117 Existenzsicherung 88 Experimentierstaat 93 f. Fakten passim – und Recht 25 ff. Familie – Groß- und Klein-Familie 137 f. Finalismus 30, 56 Finanzausgleich 148 Finanzverfassung 146 ff. Flexibilität der Verfassung 41 f. Föderalismus 92 ff. Folgenabschätzung 19 ff. Freiheit 74 ff., 83 f. siehe auch Demokratie – Grundrechte als Freiheit(ssicherungen) 120 f. – Schutz, Wirkungsweisen 124 f. Gefahr – gefährliche Tätigkeiten 23 Geltung 14, 36 ff. und passim 43 f. – „Bis auf Weiteres“ 43 f. – In/Außerkrafttreten 78 f. Gesellschaft – offene 39 ff. – Verfassung und 73 f. Gesundheitsvorsorge 128 Gewaltenteilung 107 ff. Glaube 130 Gleichheit 128 f. – der Geschlechter 129 f.
158 Sachwortverzeichnis Grundrechte 116 ff. siehe auch Demokratie, Verfassung – Änderungen, Ergänzungen 122 f. – und Freiheit(ssicherung) 120 ff. – und (als) Menschenrechte 118 – und (Verfassungs-)Werte 119 f. – Wirkungsweisen 124 f. Haushaltsrecht 149 ff. Hypothesen 25, 42 Induktion 31 ff. – Vorrang 33 f. Integrationslehre 56 f. Interessenjurisprudenz 31 Kernenergie 23 Konsens 56 Kontinuität 121 Kunst(freiheit) 133 f. Macht – Machtdenken 13 – Wille zur 14, 37 Marktwirtschaft 145 Medizin 11, 35 Mehrheiten, qualifizierte 97 ff. Mehrheitsprinzip 91 Meinungsfreiheit 131 ff. Menschenrechte – und Grundrechte 118 Menschenwürde 127 Monarchie 70 f., 113 Neugliederung des Bundesgebiets 95 Normstufen 12, 34, 55 f., 85, 94 f., 109 – Verfassung als Normstufe 61 f. Offenheit des (Verfassungs-)Rechts 39 ff., 74 f. Parteien, politische 105 ff. persönliche Gewalt 71 f.
Persönlichkeitsentfaltung 127 f. Planung 150 ff. Politik 50 f. – und Dezisionismus 57 f. Politologie 52 f. Programm siehe Verfassung – als Ankündigung 67 Rahmen, rechtlicher 55 f. Rebus sic stantibus 43 f. Rechnungskontrolle 149 f. Rechtsklarheit 36 ff., 81 f. Rechtspolitik 49 ff. Rechtsstaat(lichkeit) 24, 79 ff. siehe auch Bestimmtheit, Rechts klarheit Reine Rechtslehre 55 ff. Religion siehe auch Glaube – Jenseitserwartungen 22 Richter 38 Richtliniengewalt 111 Rundfunkfreiheit 133 Sachverständige 26 Sicherheit und Ordnung 128 Sorgfalt(spflichten) 82 ff. Sozialstaatlichkeit 87 ff., 117 siehe auch Versicherung Sozialversicherung 90 f. siehe auch Sozialstaatlichkeit Staatsform(en) – vordemokratische 70 ff. Staatsorganisationsrecht 101 ff. System 32 Tatsachen passim – Entwicklung 22 – und Rechtsfolgen 26 Theologie 11, 35 Tradition 22
Sachwortverzeichnis159 Umweltschutz 17 Verfassung 54 ff., 61 f. siehe auch Grundrechte, Finanz verfassung, Normstufen – Ausstrahlung(en) 65 f. – als Erkenntnis 64 – Grundsatzentscheidungen 77 ff. – als Programm 67 ff. – als Sicherung 89 – Stabilität 98 f. – Verfassungswerte 119 f. – Wandlungen 41 ff. – als Wille 155 – als Zukunftserfassung 62 ff. Verfassungsänderung 96 ff. Vergegenwärtigung der Zukunft passim – Methode 29 ff. Verhältnismäßigkeit – Berufsfreiheit 142 Versicherungs(recht) 17, 23 – Lebensversicherung 42 f. – „Versicherungsdenken“ 42 f., 90 f.
Vertragsrecht 18 Vertragsstaatlichkeit 58 f. Vertrauen(sschutz) 80 f. Verwaltung – als Zweite Gewalt 111 f. Vielfalt 93 Vorhersehbarkeit 14, 36 ff. und passim Vorsorge 90 f., 144 f., 147 siehe auch Versicherung Wahlen 101 ff. – Wahlgeheimnis 103 – Wahlperioden 110 – Wahlvorbereitung 103 Wahrheit 21 f. Wahrscheinlichkeit 23 f. Weltanschauung 130 f. Wettbewerb 132 Wirtschaftsordnung 140 f. Wissenschaft(sfreiheit) 134 f. Zivilrecht 85 siehe auch Vertragsrecht Zukunft 17 und passim