Die Polis als Sieger: Kriegsdenkmäler im archaisch-klassischen Griechenland 3110626047, 9783110626049

Der Band bietet die erste systematische und im Ansatz interdisziplinäre Analyse zu Phänomenen der Kriegserinnerung in ar

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German Pages 352 Year 2019

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Die Polis als Sieger: Kriegsdenkmäler im archaisch-klassischen Griechenland
 3110626047, 9783110626049

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Janett Schröder Die Polis als Sieger

KLIO Beiträge zur Alten Geschichte

Beihefte. Neue Folge

Herausgegeben von Hartwin Brandt und Martin Jehne unter Mitarbeit von Manfred Clauss, Peter Funke, Hans-Joachim Gehrke und Christian Mann

Band 32

Janett Schröder

Die Polis als Sieger Kriegsdenkmäler im archaisch-klassischen Griechenland

ISBN 978-3-11-062604-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-063711-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-063732-8 ISSN 1438-7689 Library of Congress Control Number: 2019949750 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Für Mat(t)hias

Danksagung Doktorand sein ist nicht schwer, Doktor werden umso mehr. Die vorliegende Studie ist eine geringfügig überarbeitete Fassung meiner Doktorarbeit, die im Herbst 2017 an der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern angenommen wurde. Auf den Wegen (und Umwegen) dahin haben mich viele Menschen begleitet, denen ich an dieser Stelle Dank sagen möchte. Mein Doktorvater Stefan Rebenich hat das Projekt von der ersten Idee bis zur Drucklegung eng betreut. Seine Ermutigung, seine kritischen Fragen und seine Ratschläge haben mir mehr als alles andere geholfen, die Forschungsergebnisse in eine Monographie zu verwandeln. Meine Dankbarkeit und Wertschätzung hat er aber vor allen Dingen damit verdient, dass er neben dem Projekt immer auch mich als Person auf vielfältige Weise gefördert und unterstützt hat. Sein lautstarker Einsatz für die Ausstellung meiner Aufenthaltsbewilligung im Jahr 2012 etwa bleibt sowohl im Historischen Institut als auch bei mir unvergessen! Andreas Victor Walser, mein zweiter Doktorvater, hat mir in seiner Rolle als Vorgesetzter große Freiräume zur Verwirklichung meines Forschungsvorhabens gewährt und meinen Gedanken mit seinen klugen Hinweisen oft auf die Sprünge geholfen. Außerdem verdient er großen Dank, weil er verschiedene Teile des Manuskripts in der Entstehungsphase aufmerksam gelesen und mit inhaltsschweren Kommentaren versehen hat. Er hat die Arbeit auf diese Weise mit seinem umfangreichen Wissen zur griechischen Epigraphik bereichert und viel zu ihrer Fertigstellung beigetragen. Viel gelernt habe ich auch von Christian Marek, der mir bei unseren Aufenthalten in der Türkei die Freude am Forschungsreisen und den Nutzen einer Autopsie historischer Orte vermittelt hat. Außerdem gilt mein herzlicher Dank Thomas Späth, der sich nie aufgedrängt, aber oft geholfen hat. Für einen wohlwollenden Austausch und wertvolle Tipps danke ich den Mitgliedern der Diss-Diskussions-Gruppe am Historischen Seminar der Universität Zürich und den Teilnehmern des Althistorischen Forschungskolloquiums der Universität Bern. Sie alle haben mehr über Kriegsdenkmäler gehört und gelesen, als ich zumutbar finde. Bei der Korrektur des Abgabemanuskripts waren mir Astrid Habenstein, Riccarda Schmid, Matthias Edel, Lars Rutten und Ursula Kunnert unverzichtbare Hilfen. Für fachliche Hinweise danke ich auch Lukas Thommen, Beat Näf, Bernhard Smarczyk, Elena Mango, Martin Jehne und Hartwin Brandt. Ebenso verdient Mirko Vonderstein vom Verlag DeGruyter für seine entgegenkommende und kompetente Begleitung der Drucklegung meinen Dank. Dem Fonds für Altertumswissenschaft (Zürich), der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Feldspesenfonds der Universität Bern bin für die finanzielle Unterstützung meiner Forschungen Dank schuldig.

https://doi.org/10.1515/9783110637113 202

VIII

Danksagung

Von meinen Freunden, die mir während der gesamten Promotionszeit geholfen haben, danke ich besonders Ursula Kunnert und Markus Birringer für wertvolle Ratschläge sowie Lars Rutten und Tamara Mathys für schöne Auszeiten. Unbezahlbar ist auch die Freundschaft von Matthias Edel, dessen Zuversicht mir oft geholfen hat. Schließlich danke ich meinen geliebten Eltern, Sonja und Mathias Schröder, für ihre bedingungslose Unterstützung in allem, was ich tue. Den größten Dank aber verdient mein Partner Matthias Seewer fürs Aareschwimmen, fürs Rollstuhl-Schieben, fürs Mitreisen, fürs Helfen, für seine Geduld und für seine aufrichtige Liebe. Den letztgenannten ist dieses Buch gewidmet. Nicht vergessen möchte ich schließlich Pompey, der mir in allem hilft, indem er da ist. Steckborn, im August 2019 Janett Schröder ([email protected])

Inhaltsverzeichnis Danksagung

VII

1

Einführung

1

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3

Die Politisierung der Erinnerung 24 Die Weihung erbeuteter Waffen 24 Die Anfänge der Waffenweihungen 25 Der Ursprung der Tradition 29 Die Polis als Stifter der Waffenweihungen 37 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute 53 Der Bau von Schatzhäusern 58 Die ersten Statuendenkmäler 66 Der Beginn neuer Kommemorationsformen 79 Die ersten Kultstiftungen aus kriegerischem Anlass Tropaia in vorklassischer Zeit? 86 Die Bestattung Kriegsgefallener in archaischer Zeit

3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2

Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft 102 Kultstiftungen aus Dankbarkeit für militärische Siege Überlegungen zum Stiftungsvorgang 104 Gedenkfeste im Rahmen bestehender Kulte 113 Neue Kulte zum historischen Gedenken 125 Die frühklassischen Weihdenkmäler 137 Weihungen in panhellenischen Heiligtümern 137 Weihungen im öffentlichen Raum der Polis 154 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld 163 Die frühklassischen Grabdenkmäler 164 Tropaia auf dem Schlachtfeld 186

4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2

Die Monumentalisierung des Sieges 200 Die Ehrung der Kriegsgefallenen 200 Die Bestattung Kriegsgefallener in Griechenland 201 Der athenische Patrios Nomos 211 Die Ausbreitung der attischen Traditionen 221 Die Kriegserinnerung im Raum der Polis 230 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie Die Kriegskommemoration auf dem Schlachtfeld 242 Die Denkmäler in den panhellenischen Heiligtümern 250

80 91

102

241

X

Inhaltsverzeichnis

5

Zusammenfassung

6 6.1 6.2 6.3 6.4

Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias 275 Pausanias als Quelle 275 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten 281 Die Kriegsdenkmäler aus dem Demosion Sema 301 Die Kriegsdenkmäler in der Polis Plataiai 307

Abkürzungsverzeichnis Bibliographie

263

311

313

Sach-, Orts- und Personenregister

335

1 Einführung οἱ δὲ Ἕλληνες ὡς ἐν Πλαταιῇσι τὴν ληίην διείλοντο, ἔϑαπτον τοὺς ἑωυτῶν χωρὶς ἕϰαστοι. [. . .] τούτων μὲν δὴ πάντων πλήρεες ἐγένοντο οἱ τάφοι· τῶν δὲ ἄλλων ὅσοισι ϰαὶ φαίνονται ἐν Πλα ταιῇσι ἐόντες τάφοι, τούτους δὲ, ὡς ἐγὼ πυνϑάνομαι, ἐπαισχυνομένους τῇ ἀπεστοῖ τῆς μάχης ἐκάστους χώματα χῶσαι ϰεινὰ τῶν ἐπιγινομένων εἵνεκεν ἀνϑρώπων, ἐπεὶ ϰαὶ Αἰγινητέων ἐστὶ αὐτόϑι ϰαλεόμενος τάφος, τὸν ἐγὼ ἀϰούω ϰαὶ δέκα ἔτεσι ὕστερον μετὰ ταῦτα δεηϑέντων τῶν Αἰγινητέων χῶσαι Kλεάδην τὸν Αὐτοδίϰου ἄνδρα Πλαταιέα, πρόξεινον ἐόντα αὐτῶν. Nach der Teilung der Beute bei Plataiai bestatteten auch die Griechen ihre Toten, jede Stadt für sich. [. . .] Dieser aller Gräber wurden voll. Wie ich erfahren habe, haben die andern, soweit ihre Gräber in Plataiai zu sehen sind, der Nachwelt wegen aus Scham über ihre Abwesenheit in der Schlacht leere Grabhügel aufschütten lassen; denn es gibt dort auch ein sogenanntes Grab der Aigineten, das wie man mir erzählt hat Kleades aus Plataiai, der Sohn des Auto dikos, erst zehn Jahre nach diesen Ereignissen auf Bitten der Aigineten aufgeschüttet hat, weil er ihr Gastfreund war. (Hdt. 9, 85, 1 3; Übers. Feix 1963.)

Das Bedürfnis zur Errichtung von Kriegsdenkmälern ist mit Blick auf moderne ebenso wie auf antike Kulturen zunächst kaum erklärungsbedürftig. Militärisch errungene Siege sind – wie auch die damit verknüpften territorialen, politischen oder wirtschaftlichen Auswirkungen – vergänglich. Jedem Sieger muss es daher ein Anliegen sein, den Ausgang des Krieges zu dokumentieren und möglichst dauerhafte Erinnerungen an dieses Ereignis zu schaffen. Genauso wie in der Moderne konnte man in der Antike deswegen kaum eine Stadt, einen Kultort oder ein ehemaliges Schlachtfeld durchqueren ohne mit Kriegserinnerungen in Form vom Denkmälern konfrontiert zu werden. Doch damals wie heute ging das Interesse der Denkmalstifter weit über die bloße Aufzeichnung des Schlachtausgangs hinaus. Besonders gut veranschaulicht wird dieser Umstand durch die – zunächst kurios anmutende – Episode aus der Zeit der Perserkriege. Demnach haben die Bewohner der Insel Aigina auf dem Schlachtfeld von Plataiai ein Monument errichten lassen, obwohl sie an der hier ausgetragenen Schlacht gegen die Perser nicht einmal beteiligt waren – ein Umstand, der bereits im 5. Jh.1 bei dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot für Erstaunen sorgte. Was hat die Bewohner des Inselstaates Aigina dazu bewogen, mit zehn Jahren Abstand die Errichtung eines Grabdenkmals zu initiieren, für das es keine Toten gab? Herodot selbst sagt, es sei die Scham (ἐπαισχυνομένοι) über die Nichtteilnahme an der Schlacht. Und tatsächlich hat der vereinte Kampf der griechischen Städte gegen das Invasionsheer des persischen Großkönigs Xerxes in Hellas ein starkes Gemeinschaftsgefühl aufkommen lassen – so stark, dass Stadtstaaten, welche sich im Krieg perserfreundlich oder neutral verhalten hatten, nun innerhalb der

1 Jahreszahlen ohne entsprechende Angabe bezeichnen hier und in der gesamten Arbeit jeweils Daten in vorchristlicher Zeit. https://doi.org/10.1515/9783110637113 001

2

1 Einführung

griechischen Welt ausgegrenzt und bestraft wurden.2 Die Tatsache, dass offenbar auch Aigina dieses Los getroffen hat, beweist, wie selektiv die Erinnerungsmechanismen nach dem Krieg wirkten und wie wenig innerhalb der vermeintlichen „Perserfreunde“ differenziert wurde.3 Die Bewohner der kleinen, mittelgriechischen Insel hatten sich bereits einige Monate zuvor mit dem immerhin drittgrößten griechischen Flottenkontingent von 30 Schiffen in Salamis am Krieg gegen die Perser beteiligt. Ihre Truppen hatten sich in dieser Seeschlacht derart verdienstvoll geschlagen, dass sie als die Tapfersten aller Griechen ausgezeichnet wurden und das Recht erhielten, in Delphi ein wertvolles Denkmal aus Gold und Bronze zu stiften.4 In Plataiai jedoch litt das Heer der Hellenen tagelang unter Angriffen der persischen Reiterei sowie unter sich zuspitzenden Versorgungsengpässen. Die 500 aiginetischen Hopliten zogen sich daher – zusammen mit den Kontingenten vieler anderer griechischer Städte – bereits vor dem Beginn der entscheidenden Kampfhandlungen vom Schlachtfeld zurück.5 Den verbleibenden Verbänden gelang es, unter der Führung Spartas die Perser zu schlagen und deren westliche Expansionsbestrebungen vorerst abzuwehren. Die in der Schlacht gefallenen Hopliten wurden feierlich auf dem Schlachtfeld beigesetzt und die Grabdenkmäler manifestierten in der Folgezeit die Beteiligung der entsprechenden Stadtstaaten an der Rettung Griechenlands. Die Aigineten büßten mit der Entscheidung, nicht an der Schlacht teilzunehmen, möglicherweise ihren zuvor erworbenen Ruhm zusammen mit der Akzeptanz innerhalb der griechischen Staatenwelt ein. Ob und inwiefern ihnen daraus konkrete Nachteile erwuchsen, können wir heute nicht mehr ermessen. Aber der Aufwand, nachträglich ein Monument auf dem Schlachtfeld zu errichten, muss in ihren Augen gerechtfertigt gewesen sein. Sie versuchten auf diese Weise, die Geschichte neu zu schreiben und sich einen besseren Platz in der Erinnerung der griechischen Staatenwelt zu verschaffen. Die Kriegsdenkmäler der klassischen Epoche sind also keine bloße Geschichtsdokumentation, sondern die Manifestation eines kollektiven Gedächtnisses und vermögen als solche Zugehörigkeit, Identität und Legitimation zu verschaffen. Die in Kriegsgräbern, Siegesmalen, Kulten und Beutedenkmälern manifestierte Erinnerung an vergangene Kriege nimmt eine zentrale Rolle im Geschichts- und Gegenwartsverständnis der griechischen Stadtstaaten ein. Das Ziel der folgenden Arbeit 2 Zum Phänomen des Medismos vgl. Graf 1984, S. 15 16. 3 Aigina hatte sich bereits im Zusammenhang mit dem Feldzug des Dareios des Medimos schuldig gemacht. Laut Hdt. 6, 49 50 hatten die Bewohner der Insel den persischen Boten Erde und Wasser übergeben und wurden dafür von Athen und Sparta angeklagt. Die Erinnerung an dieses Vergehen wirkte sicher auch in den folgenden Jahrzehnten nach. 4 Hdt. 8, 46, 1; 8, 93, 1; 8, 122: [. . .] ὁ [᾿Απόλλων] δὲ παρ’ ῾Ελλήνων μὲν τῶν ἄλλων ἔφησε ἔχειν, παρὰ Αἰγινητέων δὲ οὔ, ἀλλὰ ἀπαίτεε αὐτοὺς τὰ ἀριστήια τῆς ἐν Σαλαμῖνι ναυμαχίης. Αἰγινῆται δὲ πυϑόμενοι ἀνέϑεσαν ἀστέρας χρυσέους, οἵ ἐπὶ ἱστοῦ χαλκέου ἐστᾶσι τρεῖς ἐπὶ τῆς γωνίης, ἀγχοτάτω τοῦ Κροίσου ϰρητῆρος. 5 Hdt. 9, 28, 6; 9, 50 52.

Vorüberlegungen

3

ist es, zu klären, wie Kriegserinnerung mithilfe von Denkmälern in kollektive Identität transformiert werden kann. Außerdem ist zu fragen, welches Selbstbild die klassischen Stadtstaaten von sich und von ihrer Stellung innerhalb der griechischen Staatenwelt in den Monumenten evozieren und welche Rolle dabei der Kommemoration von Kriegsereignissen zukommt. Auf diese Weise soll aufgezeigt werden, welche Abhängigkeiten zwischen der Geschichte der Poleis und ihren Kriegsdenkmälern bzw. zwischen den Denkmälern und der Ausbildung gemeinschaftlicher Identitäten bestehen. Um die Fragestellung präzisieren zu können, wird im folgenden Abschnitt zunächst der aktuelle Kenntnisstand zur Funktion und Funktionsweise des kollektiven Gedächtnisses skizziert.

Vorüberlegungen Den engen Zusammenhang von Gruppenidentitäten und kollektiven Erinnerungen hat zuerst der französische Soziologe Maurice Halbwachs in den 1920er Jahren beschrieben.6 Weder Erinnerungen noch Gedächtnisse existieren – so seine zentrale These – ohne sozial bedingte Vorgaben der Gegenwart. Da Menschen nicht in der Lage sind, historisches Wissen bzw. historische Ereignisse in ihrem persönlichen Gedächtnis auf authentische Weise zu archivieren, muss Geschichte bei der Vergegenwärtigung – unter Hinzuziehung gesellschaftlich vorgegebener Prämissen – immer wieder neu rekonstruiert werden.7 Die von Halbwachs postulierten cadres sociaux für das Erinnern sind Sprache, Zeit, Raum und Erfahrung.8 Diese Bedingungen bilden ein dynamisches System, welches durch die Verarbeitung neuer Eindrücke ständigen Modifikationen, Aktualisierungen und Selektionen unterworfen ist.9 Menschen mit vergleichbaren Bezugssystemen teilen ihre Geschichtsbilder demnach in Form eines kollektiven Gedächtnisses, welches die Summe der gemeinsamen Erinnerungen beinhaltet. Die wichtigste Funktion dieser gemeinsamen Erinnerungen ist die Imagination einer Kontinuität, welche das Bedürfnis der Gruppe nach sozialer Stabilität und Zugehörigkeit erfüllen kann.10

6 Die entsprechenden Thesen entstammen seinen drei Hauptwerken: „Les cadres sociaux de la mémoire“ (1925, im folgenden 1966), „La Topographie légendaire des Evangiles en Terre Sainte“ (1941, im folgenden 2008) und „La mémoire collective“ (1950, im folgenden 1967). Etwa zeitgleich mit Halbwachs prägte der Kunsthistoriker Aby Warburg den Begriff des sozialen Gedächtnisses. Er erklärte damit das „Bildgedächtnis des Abendlandes“, in dem kollektiver Sinn in Form von antiker Formensprache angereichert ist und das damit zur Stabilisierung der kulturellen Identität beiträgt. Vgl. Assmann 1988, S. 12. Die relevanten Notizen Warburgs sind weiterhin unveröffentlicht. Dazu Assmann 1988, S. 9, Fn. 1. 7 Halbwachs 1966, S. 30; 55; vgl. 121. 8 Halbwachs 1966, S. 147; vgl. Wetzel 2009, S. 65. 9 Halbwachs 1966, S. 189. 10 Wetzel 2009, S. 61; vgl. Gehrke 2001, S. 296.

4

1 Einführung

Halbwachs’ Konzept des kollektiven Gedächtnisses hat der Heidelberger Ägyptologe Jan Assmann in den 1980er Jahren übernommen und weiterentwickelt.11 Er betrachtet das Phänomen zunächst in Abgrenzung von einem kommunikativen Gedächtnis, welches Erinnerungen an diejenigen Ereignisse umfasst, welche der Träger entweder selbst erlebt oder im Austausch mit Zeitgenossen erfahren hat. Die entsprechenden Informationen können einen Zeitraum von 3–4 Generationen (80–100 Jahren) umfassen und vergehen mit dem Tod ihres Trägers.12 Der zweite „Modus“ des Erinnerns dagegen – das kulturelle Gedächtnis – kann Informationen über einen wesentlich längeren Zeitraum bewahren, ist dafür aber auf künstliche Hilfsmittel, wie Denkmäler, angewiesen.13 Um die Überlieferung der Erinnerungen über den Tod ihres Trägers hinaus zu gewährleisten, bedarf es nicht nur der externen Zwischenspeicherung, sondern auch eines komplexen Systems von „Auslagerung, Speicherung und Wiedereinschaltung“.14 Wie funktioniert das kulturelle Gedächtnis? Wenn Erinnerungen vom biologischen Gedächtnis des Einzelnen in externe Medien ausgelagert werden, müssen sie notwendigerweise verkürzt und abstrahiert werden. Darüber hinaus werden die konkreten historischen Fakten in das Ideensystem der Gesellschaft eingebunden und dadurch mit kulturellem Sinn versehen. Diese Form des symbolisch angereicherten Vergangenheitswissens bezeichnet Assmann als Erinnerungsfigur. Der Begriff findet Parallelen im Konzept der lieux de mémoire des französischen Historikers Pierre Nora, welcher damit bestimmten Erinnerungen eine symbolische und identitätsstiftende Bedeutung für die Gesellschaft zuschreibt.15 Als

11 Assmann 1988; Assmann 1992 (im folgenden 2007). Vgl. Assmann 2006. 12 Assmann 2007, S. 49 51. Zur Funktionsweise des kommunikativen Gedächtnisses auf der Ebene des Individuums ausführlich Welzer 2002. Einen Überblick zu den neurologischen und psychologi schen Grundlagen des Gedächtnisses bieten auch Gudehus/Eichenberg/Welzer 2010, S. 11 53. 13 Assmann 1988, S. 15: „Unter dem Begriff des kulturellen Gedächtnisses fassen wir den jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauchstexten, bildern und riten zusammen, in deren Pflege sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise [. . .] über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewusstsein von Einheit und Eigenart stützt.“ 14 Assmann 2007, S. 22. 15 Nora 1984 (im folgenden 1997) nutzte dieses Konzept zunächst, um mit einer Sammlung der wichtigs ten Erinnerungsorte das kollektive Gedächtnis und damit letztlich die Identität der französischen Nation zu beschreiben. Zur Definition des Begriffs hat sich inzwischen die deutsche Aneignung des Konzepts durchgesetzt: Francois/Schulze 2001, S. 18: „Es handelt sich um langlebige, Generationen überdauernde Kristallationspunkte kollektiver Erinnerung und Identität, die in gesellschaftliche, kulturelle und politi sche Üblichkeiten eingebunden sind und sich in dem Masse verändern, in dem sich die Weise ihrer Wahr nehmung, Aneignung, Anwendung und Übertragung verändert.“ Noras Ansicht, das Bedürfnis nach Schaffung von Erinnerungsorten sei dem Zerfall traditioneller Gedächtnisgemeinschaften geschuldet und damit ein spezifisches Phänomen moderner Gesellschaften, hat sich nicht bewahrheitet (Nora 1997a, S. XXIII XLII). Den Autoren des Nachfolgeprojektes „Erinnerungsorte der Antike“ ist es vielmehr gelun gen, zu zeigen, dass sich auch vormoderne Gesellschaften materielle und immaterielle Erinnerungsorte zur Pflege ihres identitätsstiftenden Vergangenheitswissens schufen (Stein Hölkeskamp/Hölkeskamp

Vorüberlegungen

5

Grundelemente des kollektiven Gedächtnisses haben Erinnerungsfiguren spezifische Eigenschaften, die weitgehend mit den Bezugsrahmen von Halbwachs übereinstimmen: sie sind rekonstruktiv, sie lagern sich an konkrete zeitliche (Jahrestage) oder räumliche Fixpunkte (Schauplätze, Monumente) an und sie sind auf Träger angewiesen, die ihren symbolischen Gehalt lesen und sich damit identifizieren können.16 Begründet eine soziale Gruppe ihr Selbstverständnis auf den gleichen Erinnerungsfiguren, spricht man von einer Gedächtnis- oder Erinnerungsgemeinschaft.17 Bei der Definition einer kollektiven Identität über gemeinsame Erinnerungen – in der Regel an den (mythischen) Ursprung der Gruppe – stehen immer zwei Aspekte im Vordergrund: die Abgrenzung der Gemeinschaft nach außen und die innere Absicherung durch vermeintliche Kontinuitäten aus der Vergangenheit.18 Das so gewonnene Bewusstsein der Eigenart ist eine fundierende und normative Kraft, die der Gruppe neben der Selbstvergewisserung in der Gegenwart auch das Planen und Hoffen für die Zukunft ermöglicht.19 Reinhard Koselleck beschreibt diesen Zusammenhang mit den treffenden Begriffen Erfahrungsraum und Erwartungshorizont.20 So werden bei der Vergegenwärtigung von kollektiven Erinnerungen in der Regel Kontinuitäten konstruiert, mit deren Hilfe aus vergangenen Erfahrungen handlungsleitende Prinzipien für die Zukunft abgleitet werden. Gefallenendenkmäler zielen etwa auf die politische Meinungsbildung ab, indem sie den Betrachter dazu aufrufen, sich mit dem von ihnen vorgegebenen Sinn des gewaltsamen Todes zu identifizieren.21 Im Namen der Toten wird dem Rezipienten des Denkmals dabei die Verpflichtung auferlegt, im gleichen Sinne zu handeln und in der Zukunft zur Erfüllung der daraus abgeleiteten Erwartungen beizutragen. Politische Akteure können auf diese Weise wirkungsvoll zum Einsatz für die innere und äußere Behauptung derjenigen Gedächtnisgemeinschaft vereinnahmt werden, die sich in die Tradition der Kriegstoten stellt und die Errichtung der Denkmäler unternimmt.

2006). Noras Modell wird in der vorliegenden Arbeit nicht weiter aufgegriffen, da es auf die rückblickende Beschreibung kollektiver Gedächtnisse abzielt. Der vorwärtsgerichtete Charakter von Denkmalstiftungen wird bspw. in Gehrkes Konzept der intentional history besser erfasst. Dazu: Gehrke 2001, S. 298: „‚Intentio nal‘ in this sense denotes the elements of subjective and conscious self categorization as belonging to a particular group, ethnic or of other sort. This self categorization, relevant to group identity, was regularly projected back into the past.“ 16 Assmann 2007, S. 37 42. 17 Assmann 2007, S. 30 definiert den Begriff im Anschluss an Nora: „Dort, wo [die Frage ‚Was dür fen wir nicht vergessen?‘] zentral ist und Identität und Selbstverständnis der Gruppe bestimmt, dür fen wir von Gedächtnisgemeinschaften sprechen.“ 18 Assmann 2007, S. 40. 19 Assmann 2007, S. 31; 42. 20 Koselleck 1989, S. 359 375 versteht eine größere werdende Differenz von Erfahrungsraum und Erwartungshorizont als Spezifikum der Moderne. 21 Koselleck 1996, S. 256 257.

6

1 Einführung

In größeren ethnopolitischen Gebilden dient die kollektive Erinnerung darüber hinaus auch der Stabilisierung politischer Strukturen und der Integration heterogener Träger. Je umfangreicher die zu beherrschende Gruppe, so Assmann, desto monumentaler fällt die Formensprache des kulturellen Gedächtnisses aus.22 In diesem Sinn sind kollektive Erinnerungen natürlich offen für die Eingriffe politischer Akteure, insofern sie neue Erinnerungsfiguren implementieren und deren Kontinuität in die Vergangenheit konstruieren können. Hobsbawm bezeichnet diese Praktiken als invented traditions.23 Wie werden Informationen im kollektiven Gedächtnis aufbewahrt und reaktiviert? Zur Speicherung der Erinnerungsfiguren dienen feste Objektivationen, wie Rituale, Tänze, Mythen, Kleidung und andere Zeichensysteme, die artifiziell geschaffen werden müssen. Darüber hinaus bedürfen die Medien der kollektiven Erinnerung der Einrichtung und Pflege durch Spezialisten, die laut Assmann dem Alltag der sozialen Gruppe enthoben sind. Ihnen obliegt auch die Kontrolle über die Partizipation am Gedächtnis, insofern sie die Teilhabe (durch Institutionalisierung) erzwingen oder aber Außenstehenden verwehren können.24 Als Mittel zur Vergegenwärtigung (Abrufung) kollektiver Erinnerungen betrachtet Assmann in erster Linie Riten und Feste. Bei rituellen Inszenierungen kann das identitätssichernde Wissen beliebig oft vor einem großen Publikum reproduziert und weiter vermittelt werden. Die einzigen Voraussetzungen dafür sind die persönliche Anwesenheit der Träger und die regelmäßige Wiederholung.25 Dieser rituellen Kohärenz entgegen setzt Assmann die textuelle Kohärenz. Der kulturelle Sinn wird hier nicht durch Objektivationen tradiert, sondern in Texten, die aufgrund ihrer Bedeutung kanonischen Rang erreichen und durch institutionalisierte Rezeption die formativen und normativen Werte der Erinnerungsgemeinschaft reproduzieren können.26

22 Assmann 2007, S. 144 151. 23 Hobsbawm 2013, S. 1 2: „Invented tradition is taken to mean a set of practices, normally gover ned by overtly or tacitely accepted rules and of a ritual or symbolic nature, which seek to inculcate certain values and norms of behaviour by repetition, which automatically implies continuity with the past. In fact, where possible, they normally attempt to establish continuity with a suitable his toric past. [. . .] However, insofar as there is such reference to a historic past, the peculiarity of in vented traditions is that the continuity with it is largly factitious.“ 24 Assmann 2007, S. 52 56. Die von Assmann beschriebenen Ausformungen des kollektiven Ge dächtnisses erfordern durch die Träger und Spezialisten ein hohes Maß an Intentionalität. Mit den weniger bewusst geschaffenen Formen überindividueller Erinnerungen befasst sich Welzer 2001, S. 9 21 unter dem Begriff des Sozialen Gedächtnisses. 25 Assmann 2007, S. 56 59; 142 144. 26 Assmann 2007, S. 90 103. Die Kriegserinnerung der griechischen Polisgemeinschaften hat sich selbstverständlich auch in Texten manifestiert, die allerdings im engen Zeitrahmen der archaisch klassischen Epoche keinen kanonischen Rang erlangt haben und deshalb in der Fragestellung die ser Arbeit außen vor bleiben.

Vorüberlegungen

7

Denkmäler wie der Grabhügel der Aigineten in Plataiai entsprechen nicht den von Assmann beschriebenen Kategorien ritueller und textueller Kohärenz. Sie bilden vielmehr eine dritte Gruppe von Speichern, welche kollektive Erinnerungen in erster Linie durch ihre Materialität und Präsenz verbürgen. Im Gegensatz zu den anderen Medien der Erinnerung sind sie im öffentlichen Raum uneingeschränkt verfügbar, omnipräsent und werden aufgrund ihrer physischen Eigenschaften von allen Passanten bewusst oder unbewusst wahrgenommen. Ihre Eigenschaften ließen sich daher am ehesten mit einer zusätzlichen Kategorie der materiellen Kohärenz beschreiben. Als Ausformung des kulturellen Gedächtnisses haben Denkmäler eine weitere Besonderheit: sie bieten die Möglichkeit, Erinnerungen an historische Ereignisse mit deren Schauplätzen zu verbinden und dadurch weiter zu beglaubigen. Denn Orte können Geschichtsbilder nicht nur lokal fixieren, sondern sie sind darüber hinaus auch dauerhafter als alle anderen artifiziell geschaffenen Speicher kultureller Erinnerung.27 Da die Vergangenheit für den Menschen in dieser Form nicht nur nachhaltig beglaubigt, sondern auch erlebbar ist, neigt das kollektive Gedächtnis zur Verräumlichung und Materialisierung.28 Diese Form der Archivierung kultureller Erinnerungen mag, insbesondere in agrarischen Gesellschaften wie dem antiken Griechenland, besonders einflussreich sein.29 Die Betrachtung von Monumenten und das Begehen von historischen Schauplätzen evozieren neben der kognitiven Wahrnehmung von Vergangenheit auch emotionale und physische Erfahrungen.30 Vor diesem Hintergrund neigen soziale Gruppen dazu, den sie umgebenden Raum, jeweils ihrem aktuellen Selbstverständnis entsprechend, kontinuierlich umzuformen.31 Denkmäler haben in diesem Sinn die doppelte Funktion, ein von den Initiatoren geschaffenes Vergangenheitsbild im öffentlichen Raum der Erinnerungsgemeinschaft zu etablieren und dasselbe damit auch nach außen zu kommunizieren.32 Die allgemeine Sichtbarkeit des Monuments entspricht dabei der allgemeinen Gültigkeit, welche die Stifter für ihre Erinnerungen beanspruchen – prinzipiell gilt: je zentraler der Standort des Denkmals im öffentlichen Raum der Gemeinschaft ist, desto größer ist die aktuelle Verbindlichkeit der darin transportierten Wertvorstellungen. In der kontinuierlichen Gestaltung

27 Assmann 2006, S. 299. 28 Halbwachs 2008, bes. S. 163 164. 29 Alcock 1996, S. 249. 30 Siebeck 2010, S. 182. 31 Halbwachs 1967, S. 129 130. Vgl. auch die neuere Untersuchung Ma 2009 im Bezug auf die Er innerungsräume griechischer Polisgemeinschaften. 32 Neben der Gedächtnis Funktion waren Denkmäler als touristische Ziele wohl auch schon in der Antike eine Form von kulturellem und ökonomischen Kapital. Qualität und Quantität dieses Phänomens lassen sich aber insbesondere für die klassische Zeit nicht aus den Quellen erschließen. Dicaearchos, FHG 2, 255 belegt immerhin touristisch motivierte Reisen nach Athen im 5. Jh. Zum Phänomen des antiken Tourismus: Zwingmann 2012, S. 15 28; bes. S. 23 25 zum Problem der Abgrenzung „touristisch motivierter“ Reisen. Zum Tourismus im antiken Griechenland vgl. André/Baslez 1993, S. 11 42; 358 361; Giebel 2000, S. 185 188.

8

1 Einführung

und Umgestaltung des sozialen Raums (u.a. mit Monumenten) spiegelt sich der „permanente [. . .] Aushandlungsprozess über kulturelle und politische Leitmotive einer jeweiligen Gesellschaft“.33 Zwischen dem Raum und dessen artifizieller Ausgestaltung durch den Menschen besteht dabei ein wechselseitiges Verhältnis, das Koselleck in seinem zweigeteilten Raumbegriff zum Ausdruck bringt: „Raum ist sowohl jeder nur denkbaren Geschichte metahistorisch vorauszusetzen wie selbst historisierbar, weil er sich sozial, ökonomisch und politisch verändert.“34 Bei der Analyse von historischen Kriegsdenkmälern müssen also neben den zeitlichen Bedingungen unbedingt auch die topographischen (sowohl natürliche als auch artifizielle) mitgedacht werden. Die Tatsache, dass die Aigineten ihr Grabdenkmal bei Plataiai in Form eines Hügels gestalteten, mag den üblichen Bestattungsformen der Zeit entsprechen, könnte aber auch von den naturräumlichen Gegebenheiten her erklärt werden: ein Hügel ist in der weiten boiotischen Ebene besser sichtbar, als alle anderen Formen von Grabmonumenten. Denkmäler schaffen also – unter Berücksichtigung verschiedener Vorbedingungen – lokal fixierte Kristallationspunkte kultureller Identität, die als Brücke zwischen der von ihnen repräsentierten Vergangenheit und der Gegenwart fungieren. Für Räume, in denen die Bedeutung von Einzelmonumenten durch die topographische Verbindung zu anderen Erinnerungsorten gesteigert oder sogar übertroffen wird, soll im Folgenden der Begriff Erinnerungslandschaft gebraucht werden.35 Beeinflusst werden Räume und Landschaften natürlich auch durch die darin stattfindende menschliche Interaktion und Nutzung, die immer wieder zur Neubewertung, Umdeutung und Abgrenzung der Lokalitäten führen kann.36 Löw spricht in diesem Zusammenhang von einer „Dualität von Raum“, um zum Ausdruck zu bringen „dass Räume nicht einfach nur existieren, sondern dass sie im Handeln geschaffen werden und als räumliche Strukturen, eingelagert in Institutionen, Handeln beeinflussen können.“37 Diese gegenseitige Beeinflussung geschieht einerseits durch das bewusste Positionieren von Gütern und Menschen sowie andererseits durch Syntheseleistungen der handelnden Personen. Diese stellen aufgrund von Wahrnehmungs-, Vorstellungs- und Erinnerungsprozessen (imaginierte) Verbindungen zwischen den Objekten im Raum her.38 Eine Interpretation des sozialen Raums muss daher auch die darin stattfindenden Handlungen und den Erfahrungsraum der Betrachter mit einschließen.

33 Siebeck 2010, S. 177; Zitat S. 179. Vgl. Löw/Steets/Stoetzer 2008, S. 64 65. 34 Koselleck 2003, S. 82. Unter „metahistorisch“ versteht Koselleck diejenigen Bedingungen, die sich dem Einfluss des Menschen entziehen, aber konkrete Auswirkungen auf dessen Denken und Handeln haben. Ebd. S. 83 85. 35 Die Definition orientiert sich an den entsprechenden Überlegungen bei Assmann 2007, S. 60. 36 Torre 2008, bes. S. 1139; Vgl. Torre 2011. 37 Löw 2008, S. 63. 38 Löw 2001, S. 152 165; Vgl. Löw/Steets/Stoetzer 2008, S. 63 66.

Vorüberlegungen

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Wie in allen vormodernen Gesellschaften zeichneten sich öffentliche Räume im antiken Griechenland durch ein hohes Maß an Variabilität und Multifunktionalität aus.39 Formen der religiösen, politischen und wirtschaftlichen Interaktion gingen an gemeinschaftlichen Orten, wie dem Heiligtum oder der Agora (die beide auch Aufstellungsorte für Kriegsdenkmäler waren), fließend ineinander über. Untersuchungen zur praktischen Einbindung der Denkmäler erlauben darüber hinaus Rückschlüsse auf ihre Funktionsweise als Speicher kultureller Erinnerungen und sozialer Identitäten. Bei einer weiter gefassten Definition des Politischen ist es möglich, das Lesen von Denkmälern als Akt der politischen Kommunikation zu betrachten und als solchen zu historisieren.40 Sowohl das Monument selbst als auch dessen Rezipient sind demnach Akteure im politischen Raum, die untereinander in einen Dialog treten können. Bei bewusster Betrachtung vermittelt das Denkmal unter Verwendung verschiedener Symbolsysteme (Form, Bild und Text) eine bestimmte Botschaft. Ob der Betrachter in der Lage ist, den kulturellen Sinn dieser Erinnerungsfigur zu entschlüsseln und sich damit zu identifizieren, ist von seinen individuellen cadres sociaux abhängig. Denkmäler weisen dabei als Speicher kollektiver Erinnerungen eine weitere Besonderheit auf: durch die Verwendung von erklärendem Text ermöglichen sie (anders als etwa stumme Ruinenlandschaften) neben dem „eingedenkenden“ auch das „informative Lesen“.41 D.h. sie können die in ihnen ausgelagerten, kulturellen Erinnerungen beim menschlichen Träger nicht nur reaktivieren, sondern auch neu konstituieren. Bei Denkmälern ohne Text ist dies freilich nur durch die mündlichen Erklärungen Dritter möglich. Neben dieser – weitestgehend im Alltag angesiedelten – Kommunikation mit den Denkmälern sind andere, insbesondere rituelle Formen der Interaktion möglich. Aufgrund des normativen Anspruchs der Monumente neigen die Rezipienten hier zu symbolträchtigem Verhalten,42 welches eher den Medien von Festen und Ritualen entspricht, die Assmann dem kulturellen Gedächtnis zuordnet.43 Durch die Einbindung der Denkmäler in regelmäßige und institutionell organisierte Inszenierungen (Umzüge, Versammlungen, Reden, Wettkämpfe) können die baulich manifestierten Erinnerungsfiguren weiter verbreitet und den aktuellen politischen Bedürfnissen entsprechend aktualisiert werden. In

39 Zu Funktionen öffentlicher Räume in der Frühen Neuzeit vgl. Rau/Schwerhoff 2004, bes. S. 27 48. 40 Kröger 2013, S. 16 17: „Politik wurde [. . .] wie bisher verstanden als das engere Feld der profes sionalisierten Entscheidungsvorbereitung, findung und legitimation im Umkreis von Regierungen und Verwaltungen, kurz: im Staat. Das Politische hingegen wurde konzipiert als ein weiter aus greifender, in seinen Grenzen unbestimmter und historisch variabler Bereich, in dem über allge meinverbindliche Normen, Weltsichten, Grenzen des Sag und Machbaren verhandelt, mitunter auch gewaltsam gestritten wird, ohne dass der Streit notwendigerweise auf eine Entscheidung, von wem auch immer getroffen, zulaufen muss.“ Vgl. Steinmetz/Haupt 2013, S. 21 31. 41 Begriffe bei Assmann 2006, S. 312. 42 Siebeck 2010, S. 179. 43 Assmann 2007, S. 56 59.

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diesem Fall werden die physischen und emotionalen Eindrücke durch das kollektive Erlebnis weiter verstärkt. Die Verknüpfung von lokalen (Denkmäler) und temporalen Fixpunkten (Jahrestage u.ä.) des kulturellen Gedächtnisses ist dabei oft so eng, dass eine Trennung hinfällig wird. Die Erinnerungsfiguren selbst betreffend hat Koselleck gezeigt, dass die Botschaften von Kriegsdenkmälern jeweils Identifikationsangebote enthalten, die von den Überlebenden definiert werden. Sie verfolgen den Zweck, den gewaltsamen Tod der Kombattanten nachträglich zu rechtfertigen, indem sie ihm einen Sinn zuschreiben, der mit dem Selbstbild und den Zielen der Gedächtnisgemeinschaft übereinstimmt.44 Koselleck hat dabei die nationalstaatlich organisierten Gesellschaften der Neuzeit vor Augen, deren Kriegserinnerung sich fast vollständig auf das Totengedenken bezieht.45 Die klassische Antike kennt jedoch ein reicheres Spektrum an Kriegsdenkmälern, das im folgenden Abschnitt zunächst umrissen werden soll. Die hier angestellten theoretischen Überlegungen zum kollektiven Gedächtnis zeigen bereits, dass eine Auseinandersetzung mit den Kriegsdenkmälern der archaisch-klassischen Stadtstaaten grundlegende Erkenntnisse über das Selbstverständnis und die normativen Werte der Polisgemeinschaften – ebenso wie über die Rolle des Krieges in deren politischen Kommunikationsräumen – verspricht. Denn „in ihrer kulturellen Überlieferung wird eine Gesellschaft sichtbar: für sich und für andere. Welche Vergangenheit sie darin sichtbar werden [. . .] lässt, sagt etwas über das, was sie ist und worauf sie hinaus will.“46

Untersuchungsgegenstand Im antiken Griechenland gab es weder einen Begriff für „sich an Kriege erinnern“, noch für „Kriegsdenkmäler“. Unter dem Phänomen der Kriegserinnerung lässt sich vielmehr eine ganze Gruppe von spezifischen Kommemorationsformen zusammenfassen. Der moderne Begriff „Kriegsdenkmal“47 soll daher zunächst modellhaft definiert und kategorisiert werden. Bei der Definition des Begriffs wird den vorhergehenden Überlegungen zum kulturellen Gedächtnis Rechnung getragen, indem einerseits auf eine strenge Trennung zwischen lokalen und zeitlichen

44 Koselleck 1996, S. 256 257. 45 Zum modernen Gefallenengedenken vgl. auch Hettling/Echternkamp 2013. Zum Gefallengeden ken in Griechenland Kap. 4.1.1. 46 Assmann 1988, S. 16. 47 Die Arbeit nutzt den allgemeinen Begriff „Kriegsdenkmal“, um einen möglichst ergebnisoffenen Zugang zum Phänomen der Kriegskommemoration in der archaisch klassischen Epoche zu erhalten. Der an sich ältere Begriff wird dem jüngeren Terminus „Kriegerdenkmal“ vorgezogen, da die Verwen dung des letzten in Deutschland auf die Gruppe der Gefallenendenkmäler beschränkt ist. Zur Ge schichte des Begriffs und zu seinen deutschsprachigen Varianten vgl. Hettling 2013, S. 32 39.

Untersuchungsgegenstand

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Fixpunkten (materiellen Denkmälern und Ritualen) verzichtet und andererseits die identitätsstiftende und handlungsleitende Funktion der Erinnerungen mit einbezogen wird. Der Begriff „Kriegsdenkmal“ bezeichnet Gegenstände, Bauten und Rituale, welche die Erinne rung an einen militärisch ausgetragenen Konflikt bewahren sollen und damit eine Botschaft verbinden, welche das Selbstverständnis und die Ideale der jeweiligen Erinnerungsgemein schaft reflektiert.48

Moderne Gesellschaften nutzen zur Kommemoration militärischer Unternehmungen verschiedene Formen von Denkmälern, die sich dieser Definition unterordnen lassen. So kennen die Staatsgebilde der Neuzeit Gefallenengräber, Kranzniederlegungen, Schweigeminuten, Mahnmale, Jubiläen, Ruhmeshallen, Triumphbögen, Feldherrendenkmäler, Siegesmonumente, Dankesstiftungen, usw. Dieser Vielfalt entsprechend existierten auch im antiken Griechenland unterschiedliche Phänomene, welche im Zusammenhang der Kriegskommemoration relevant sind. Ihnen allen gemeinsam ist – neben dem Rückbezug auf konkrete historische Ereignisse – die Stiftung im Namen einer staatlichen Gemeinschaft und die Lokalisierung im öffentlichen Raum. Aus heuristischem Interesse soll hier der Versuch unternommen werden, diese recht einheitliche Gruppe von Denkmälern zu differenzieren. Selbstverständlich hat eine derartige Kategorisierung modellhaften Charakter und die Beschreibungen können nur im Sinne von Idealtypen Geltung beanspruchen. In der Auseinandersetzung mit den einzelnen Denkmälern wird sich zeigen, dass es Abweichungen und Übergangsformen gibt, die als solche bemerkenswert sind. Die erste und auch älteste Gruppe bilden die Weihungen (1) aus kriegerischem Anlass. Es handelt sich um in der Schlacht erbeutete Gegenstände oder um Denkmäler bzw. Bauten, deren Herstellung mit Kriegsbeute finanziert wurde. Charakteristischerweise wurden die Gegenstände und Monumente mit einem Ritual aus dem profanen Bereich heraus in die Einflusssphäre einer Gottheit übereignet (unspezifisch ἀναϑήματα), um dem Empfänger für die Unterstützung im Krieg zu danken. Ihren Aufstellungsort fanden sie dementsprechend in Heiligtümern und Tempeln. In vielen Fällen trugen die Denkmäler Inschriften, welche den Namen der beschenkten Gottheit(en), den Stifter und ggf. auch den Anlass der Weihung nannten. Auf diese Weise wurde die Identifikation der Monumente

48 Vgl. Springer 1999, Sp. 738: „Denkmal bezeichnet im engeren Sinne ein Memorialmonument, das die Erinnerung an Menschen, Taten oder Ereignisse bewahren soll und damit meist einen Ap pell oder eine Botschaft verbindet.“ Springer und andere Autoren grenzen ihre Definition vom Be griff des Denkmals im weiteren Sinne ab, welcher jedes erhaltene Zeugnis früherer Kulturen einschließt. Die hier vorgeschlagene Definition beschränkt sich außerdem auf artifiziell geschaffene Monumente. Natürliche Strukturen und Orte können ebenfalls als Medien der kollektiven Erinne rung fungieren, stellen aber einen Sonderfall dar, insofern sie zur Vermittlung der Botschaft zusätz lich auf oral history und deren spezifische Überlieferungsmechanismen angewiesen sind.

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langfristig ermöglicht. Obwohl wir vereinzelte Ausnahmen kennen, war diese Form des Kriegsdenkmals sowohl aus Motivations- (Dank für erhaltene Leistungen) als auch aus wirtschaftlichen Gründen (Finanzierung durch Beute) der siegreichen Partei vorbehalten. Eine andere Form der Anerkennung von göttlicher Unterstützung ist die Stiftung neuer bzw. der Ausbau bestehender Kulte (2). Die betreffende Gottheit wurde mit regelmäßigen Feierlichkeiten (ἑορταί) geehrt, welche bspw. jeweils am Jahrestag der Schlacht begangen wurden. Neben der lokalen Bindung an das Heiligtum des Kultempfängers wies diese Form des Kriegsdenkmals also insbesondere auch eine immaterielle, zeitliche Fixierung auf. Den Kern der Festveranstaltungen bildeten kultische Handlungen in Form von Opfern, die durch Prozessionen, Spiele und Reden begleitet wurden. Im Rahmen dieser Inszenierungen wurden ausgewählte Aspekte des kommemorierten Krieges unter Einbeziehung der Teilnehmer rekonstruiert und reproduziert. Einen Ansatzpunkt für die Stiftung von Monumenten bildete neben dem Dank an die beteiligten Gottheiten auch die Erinnerung an die gefallenen Kombattanten, welche in Grabdenkmälern (3) zum Ausdruck kam. Die Gefallenen wurden im Anschluss an das Kampfgeschehen kremiert und auf dem Schlachtfeld in einem Massengrab (πολυανδρεῖον) beigesetzt. Nur in Ausnahmefällen wurde die Asche der Toten überführt und in der Heimatstadt selbst begraben. Da sich die Grabdenkmäler auf den Schlachtfeldern in großer Entfernung befinden konnten, wurden zusätzlich „leere“ Monumente (ϰενοτάφια) auf dem Gebiet der eigenen Polis angelegt. Die sterblichen Überreste (sofern sie verfügbar waren) wurden unterirdisch deponiert und das Grab durch einen Erdhügel oder durch architektonische Elemente sichtbar gemacht. Die dauerhafte Identifikation des Denkmals gewährleisteten auch hier Inschriften, welche Angaben zur Schlacht, Ehrengedichte oder Listen mit den Namen der Gefallenen trugen. Aus nachvollziehbaren Gründen handelt es sich bei den Grabmonumenten um die einzige Form der Kriegskommemoration, die neben den siegreichen Gegnern üblicherweise auch von den Unterlegenen praktiziert wurde. Die letzte Gruppe von Kriegsdenkmälern diente dagegen explizit der Dokumentation des Sieges. Die Partei, welche die Auseinandersetzung für sich hatte entscheiden können, errichtete nach Abschluss der Kampfhandlungen ein Tropaion (4). Das Monument (τρόπαιον) bestand in seiner ursprünglichen Form aus einem in den Boden gerammten Holzpfahl, an dem in anthropomorpher Gestalt erbeutete Waffen und Rüstungsteile befestigt wurden. Späteren Etymologien zufolge, wurde das Tropaion an der Stelle des Schlachtfeldes aufgestellt, an der sich die unterlegende Schlachtreihe zur Flucht gewandt hatte.49 Die Verwendung von vergleichsweise vergänglichen Materialien (Holz und Metall) weist darauf hin, dass diese

49 Diod. 13, 51, 7; Cass. Dio 42, 40, 5. Zu den jüngeren Testimonien vgl. Pritchett 1974, S. 253.

Untersuchungsgegenstand

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Form des Denkmals – anders als die Grab- und Weihmonumente aus Stein – zunächst nicht zur langfristigen Kommemoration gedacht war. Ein Spezifikum aller klassischen Kriegsdenkmäler ist, dass sie einen offiziellen Charakter aufweisen, insofern sie von staatlichen Gemeinschaften (Poleis) gestiftet wurden. Monumente, welche auf Stiftungen von Privatpersonen zurückgehen, blieben in archaisch-klassischer Zeit die Ausnahme und sollen hier nur am Rande betrachtet werden.50 Der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit wird weiter dadurch begrenzt, dass nur Denkmäler zur Erinnerung an Konflikte betrachtet werden, die in offizieller Vertretung von Stadtstaaten geführt wurden. Von der Untersuchung ausgeschlossen werden also Monumente, welche private Kämpfe, individuelle Beutezüge oder innerstaatliche Auseinandersetzungen (Bürgerkriege) kommemorierten. Im Zentrum der Überlegungen stehen weiter Denkmäler, die in direktem Zusammenhang mit dem Abschluss des militärischen Konflikts und in dessen zeitlicher Nähe gestiftet wurden. Sie erlauben einen Blick auf die Interaktion der Zeitgenossen mit dem historischen Ereignis, auch wenn sie methodisch nicht immer von den späteren – in größerem zeitlichen Abstand erfolgten – Konstruktionen bzw. Vereinnahmungen zu trennen sind. Die Athener errichteten etwa nach der Schlacht von Marathon ein Grabdenkmal für die Gefallenen und stifteten aus der Beute Waffenweihungen auf der Akropolis und in Olympia.51 Sowohl die Bestattung der Gefallenen als auch die Verteilung der Beute stehen in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem eigentlichen Kampfgeschehen. Mehrere Generationen später (um 450) wiederum wurde die von Phidias geschaffene Bronzestatue der Athena Promachos im Eingangsbereich der Akropolis geweiht. Laut Pausanias soll diese ebenfalls mit Geldern aus der Beute von Marathon geschaffen worden sein.52 Dieser Zusammenhang ist aber aufgrund des großen zeitlichen Abstandes unwahrscheinlich und die Erklärung des Demosthenes, dass die Statue mithilfe der Tribute des attischen Seebundes finanziert wurde, dürfte der Wahrheit näher kommen.53 Es handelt sich bei diesem Monument also bestenfalls um eine spätere Vereinnahmung der Marathon-Erinnerung, mit der die Athener ihren Anspruch auf die Vorherrschaft im ägäischen Raum untermauern wollten. Derartige nachträgliche Denkmalstiftungen, welche bereits eine Aktualisierung der Ereignisse mit den

50 Die grundsätzlich problematischen Kategorien „privat“ und „staatlich“ werden in der folgenden Arbeit ausschließlich im Bezug auf die Initiative bzw. Finanzierung der Kriegsdenkmäler genutzt. Private Stiftungen gehen demnach auf die Initiative einer Einzelperson zurück, wohingegen staat liche Stiftungen aufgrund eines kollektiven Beschlusses durch öffentliche Mittel realisiert werden. 51 Zum Grab: Paus. 1, 32, 3; SEG 56, 430. Zu den Waffenweihungen: IG I3 517; NIvOl 144. 52 Paus. 1, 28, 2: χωρὶς δὲ ἤ ὅσα ϰατέλεξα δύο μὲν ᾿Αϑηναίοις εἰσὶ δεϰάται πολεμήσασιν, ἄγαλμα ᾿Αϑηνᾶς χαλϰοῦν ἀπὸ Μήδων τῶν ἐς Μαραϑῶνα ἀποβάντων τέχνη Φειδίου. 53 Demosth. or. 19, 272: παρὰ τὴν χαλϰῆν τὴν μεγάλην ᾿Αϑηνᾶν ἐκ δεξιᾶς ἔστηκεν, ἥν ἀριστεῖον ἡ πόλις τοῦ πρὸς τοὺς βαρβάρους πολέμου, δόντων τῶν ῾Ελλήνων τὰ χρήματα ταῦτα, ἀνέϑηϰεν.

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cadres sociaux der nachfolgenden Generationen abbilden, sollen in der vorliegenden Arbeit unberücksichtigt bleiben. Den chronologischen Rahmen für die Gruppe der zu untersuchenden Monumente bildet die archaisch-klassische Epoche, d.h. die Zeit zwischen der Großen Griechischen Kolonisation (um 750) und der Schlacht von Chaironeia (338). In diese Epochen fallen sowohl die Ausbildung der griechischen Polisgemeinschaften als auch deren erste Blüte im klassischen Zeitalter. Mit der Niederlage der Griechen bei Chaironeia endete allerdings die außenpolitische Unabhängigkeit der Stadtstaaten, deren politisches Selbstverständnis in den folgenden Epochen nicht mehr nur von den eigenen historischen Leistungen, sondern auch maßgeblich vom Verhältnis zu den herrschenden Machthabern (hellenistische Könige, römische Kaiser) bestimmt wurde. Militärische Erfolge wurden in diesen Jahrhunderten ebenso wie die Kriegsbeute und -erinnerung von Monarchen vereinnahmt und in den Dienst der Repräsentation ihrer militärischen Tugenden gestellt. Nicht zuletzt wurden die griechischen Städten spätestens mit der pax romana auch der regelmäßig wiederkehrenden Anlässe zur Errichtung von Kriegsdenkmälern beraubt. Für den oben genannten Zeitraum von ca. 400 Jahren sollen Erinnerungsstiftungen auf dem Gebiet des griechischen Mutterlandes im Zentrum der Untersuchung stehen. Die weitestgehende Beschränkung auf die geographischen Landschaften in Mittelgriechenland (Attika, Megaris, Boiotien, Euböa, Phokis) und auf der Peloponnes (Argolis, Lakonien, Messenien, Elis, Achaia, Arkadien) ist von den zur Verfügung stehenden Quellen vorgegeben. Eine systematische Erforschung der ebenso interessanten Erinnerungskultur der kleinasiatischen und inselgriechischen Poleis ist aufgrund fehlender literarischer Überlieferungen auch weiterhin kaum möglich.

Fragestellung und Aufbau Um sich der Frage anzunähern, welche Funktion Kriegsdenkmäler in den Kommunikationsräumen eines archaischen Stadtstaates bzw. in der klassischen Poliswelt hatten, sollen die einzelnen Komemmorationsformen zunächst beschrieben und interpretiert werden. Ausgangspunkt der Überlegungen ist jeweils eine möglichst genaue Rekonstruktion der materiellen Beschaffenheit der Denkmäler aus den zur Verfügung stehenden literarischen, epigraphischen und archäologischen Quellen. Erste Rückschlüsse auf das Kommunikationsangebot der Denkmäler können dabei aus Reflektionen über ihren Aufstellungsort (Einbindung in natürliche und architektonische Landschaften) sowie über ihre zeitliche Einordnung gezogen werden. Im Anschluss an die Rekonstruktion der Denkmäler soll dann untersucht werden, welche Kriegsereignisse kommemoriert werden und in welche Erinnerungsfiguren das Vergangenheitswissen eingebunden ist. Von Bedeutung sind dabei nicht nur die verbalen Kommunikationsangebote, sondern auch die ikonographischen und

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historischen Traditionslinien, welche bei der Gestaltung der Denkmäler aufgegriffen wurden. Mit diesen Überlegungen sollen regionale Besonderheiten ebenso wie Prozesse der formalen Imitation bzw. Abgrenzung herausgearbeitet werden. Eng damit verbunden ist die Frage danach, wer die Stiftungs- und Gestaltungshoheit über die Monumente ausübte und wer der Adressat (die Erinnerungsgemeinschaft) ihrer Identifikationsangebote war. Welche soziopolitische Gruppe wird bei der Kommemoration produziert bzw. reproduziert? Aus welchen zeitgenössischen Bedürfnissen heraus und mit welcher Intention wurden die jeweiligen Erinnerungen gestiftet? Schließlich bleibt zu untersuchen, wie die Kriegsdenkmäler die in ihnen ausgelagerten Erinnerungen konstituieren und reproduzieren konnten. In welche Formen der Interaktion und Zirkulation (Feste, Rituale, institutionalisierte Begehungen usw.) waren die einzelnen Monumente eingebunden und welche Rolle kam ihnen in den offiziellen Geschichtsbildern, Argumentationen und Außendarstellungen der archaischen und klassischen Stadtstaaten zu? Nicht aus dem Blick gelassen werden darf dabei eine andere Grundvoraussetzung des Erinnerns – das Vergessen. Wie alle Medien des Gedächtnisses sind antike Denkmäler offen für Prozesse der Manipulation und Aktualisierung, des Verdrängens und Vernichtens. Hinweise auf das Vergessen von Kriegsereignissen in klassischer Zeit sollen deshalb ebenso aufgespürt werden, wie die Medien der Erinnerung. Diese Analyse der einzelnen Denkmäler soll in diachroner Betrachtung erfolgen, um Wechselwirkungen mit anderen historischen Prozessen innerhalb der Epochen der Archaik und der Klassik ausmachen zu können. Welche Auswirkungen politische, gesellschaftliche und militärische Entwicklungen auf die Kriegserinnerung hatten und inwiefern diese wiederum historische Prozesse beeinflusste, soll im Verlauf der Arbeit geklärt werden. Abschließend wird dann die Frage zu beantworten sein, ob und inwiefern man von einer einheitlichen Kultur der Kriegskommemoration im klassischen Griechenland sprechen kann. Von besonderem Interesse für die diachrone Untersuchung sind hier einerseits die Entwicklung der Polisstrukturen und andererseits außenpolitische Machtverhältnisse sowie militärische Konflikte in der Geschichte der griechischen Stadtstaaten. Innerhalb des chronologischen Aufbaus behandelt jedes Kapitel hauptsächlich eine Kategorie von Kriegsdenkmälern (Weihdenkmäler (Kap. 2.1), Fest- und Kultstiftungen (Kap. 3.1), Grabdenkmäler (Kap. 4.1)). In diesen Schwerpunkt-Kapiteln werden neben dem Quellen- und Forschungsstand jeweils grundsätzliche Probleme diskutiert – beispielsweise in welche politischen Entscheidungsprozesse und in welche kultischen Handlungen die Denkmalstiftungen jeweils eingebunden waren. Im Falle der Tropaia wurde auf ein solches Schwerpunkt-Kapitel verzichtet, da das spärliche Material aus archaisch-klassischer Zeit kaum Rückschlüsse zulässt, die über den vorhandenen Forschungsstand hinausgehen. Im ersten Kapitel stehen die Weihdenkmäler in Form von Beutewaffen und Monumenten als älteste Form der offiziellen Kriegserinnerung im Vordergrund. Zunächst soll diskutiert werden, inwiefern die archaischen Kriegsdenkmäler auf

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innergriechische bzw. orientalische Vorbilder in den bronzezeitlichen Kulturen des östlichen Mittelmeerraums zurückgehen. Im Zusammenhang mit den frühen Monumenten (7. Jh.-Anfang 5. Jh.) sollen dann mögliche Einflüsse der soziopolitischen Entwicklungsprozesse auf die Kriegskommemoration in archaischer Zeit untersucht werden. Auf dem Gebiet der Kriegsführung vollzieht sich in diesem Zeitraum der Übergang vom sogenannten aristokratischen Einzelkampf hin zum Einsatz der Hoplitenphalanx. Gleichzeitig führte das Bevölkerungswachstum im griechischen Mutterland zu Kolonisationsbewegungen und zur Ausbildung institutionalisierter Gemeinschaften mit urbanen Zentren. Den Übergang von der archaischen zur klassischen Epoche markieren die Schlachten der Perserkriege, welche nicht nur einen überraschenden Sieg der verbündeten Griechen, sondern auch eine Etablierung der neu ausgeprägten stadtstaatlichen Strukturen bedeuteten. Die jungen demokratischen Institutionen der führenden Polis Athen erfuhren dabei ebenso eine Bestätigung wie die in ganz Griechenland verbreitete Phalanx-Kampfweise. Gleichzeitig zwangen die Kämpfe mit den Heeren der persischen Großkönige die hellenischen Stadtstaaten zur einer Weiterentwicklung ihrer militärischen Strategie, insofern sie die gewohnten jahreszeitlichen und geographischen Begrenzungen innergriechischer Kriege weit überschritten. In dem entsprechenden Kapitel sollen anhand der Fest- und Kultstiftungen insbesondere die innenpolitischen Implikationen diskutiert werden, welche die Kriegsdenkmäler in der Zeit der Perserkriege und der Pentekontaetie (490–430) aufwiesen. Eine weitere Intensivierung erfuhr die griechische Kriegsführung beim Aufeinandertreffen der Hegemonialmächte Sparta und Athen mit den dazugehörigen Bündnissystemen im Peloponnesischen Krieg. Die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen zu Land und zur See führten die Poleis nicht nur an die Grenzen ihrer materiellen, sondern auch ihrer personellen Ressourcen. Die Verwendung von Söldnern und die Einbeziehung zusätzlicher sozialer Gruppen in die Kriegsführung resultierte im Falle der letzteren in deren gesellschaftlicher Aufwertung und politischer Miteinbeziehung. Auch nach der Wende zum 4. Jh. waren die zwischenstaatlichen Beziehungen vom Kampf um die Hegemonie in Griechenland geprägt. Mit der Polis Theben und den mittelgriechischen Staatenbünden bestimmten nun neue politische Akteure das Kriegsgeschehen in Griechenland. Im letzten Kapitel soll schwerpunktmäßig anhand der Grabdenkmäler diskutiert werden, welchen Beitrag die Monumente in dieser Zeit (430–338) zur Durchsetzung territorialer Ansprüche leisten konnten.

Quellengrundlage Unsere wichtigste Quelle für die Geschichte der klassischen Stadtstaaten ist die griechische Historiographie. Die Geschichtsschreiber überliefern allerdings verhältnismäßig wenige Informationen zu den Kriegsdenkmälern ihrer Zeit. Herodot behandelt zwar am Ende seiner Schlachtbeschreibungen den jeweiligen Umfang von

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Beute und die Zahl der Gefallenen sowie die Stiftung der dazugehörigen Denkmäler. Dem Gegenstand seiner Untersuchung entsprechend umfasst diese Dokumentation aber lediglich die Kommemoration der Perserkriegsschlachten sowie diejenige vereinzelter Konflikte im ausgehenden 6. Jh. Thukydides’ Erkenntnisinteresse richtet sich überwiegend auf den strategischen und ereignisgeschichtlichen Verlauf der Auseinandersetzungen im Rahmen des Peloponnesischen Kriegs. Neben seinem detaillierten Exkurs über den Patrios Nomos spielen die Kriegsdenkmäler in seinen Historien lediglich in der vielfachen Erwähnung von Tropaia, welche den formalen Abschluss einer Schlacht markierten, eine Rolle. Auf die methodisch wichtige Frage, inwiefern es sich bei diesen Erwähnungen um die Dokumentation historischer Ereignisse oder um einen literarischen Topos handelt, wird noch genauer einzugehen sein. Schließlich überliefert auch Xenophon, ebenso wie die attischen Dichter, Redner und Philosophen, nur zufällige Notizen zum Thema Kriegskommemoration. Von den nachklassischen Geschichtsschreibern bildet Diodor die wichtigste Quelle, da seine vielfältige Sammlung von historiographischem Material auch Informationen zu Denkmalstiftungen und lokalen Kulten in Griechenland enthält. Mithilfe von Parallelüberlieferungen und Analogieschlüssen lassen sich aus seinen Notizen mehrfach klassische Erinnerungsstiftungen rekonstruieren. Darüber hinaus enthalten seine ausführlichen Exkurse zur Lokalgeschichte Siziliens einzigartige Informationen über den politischen Prozess der Denkmalstiftung, die sich teilweise auch auf die Stadtstaaten des Mutterlandes übertragen lassen. Schließlich findet auch das Werk des kaiserzeitlichen Gelehrten Plutarch Verwendung, dessen Auseinandersetzung mit dem attischen Festkalender in den Moralia eine unverzichtbare Quelle für die jährlichen Gedenktage zur Erinnerung an historische Schlachten ist. Während die bisher genannten Autoren die klassische Kriegskommemoration eher partiell und zufällig dokumentieren, verfügen wir mit den Reisebeschreibungen des kaiserzeitlichen Periegeten Pausanias über eine systematische Auseinandersetzung mit den Denkmälern aus vorrömischer Zeit. Der ursprünglich aus Kleinasien stammende Grieche bereiste in der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. das griechische Mutterland und hinterließ eine nach Landschaften gegliederte, literarisch überarbeitete Aufzeichnung dieser Reisen. Seine Berichte über die besuchten Orte enthalten jeweils einen Überblick über die Geschichte der Polis und ihre wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Unter den hier erwähnten Kulten und Monumenten finden sich etwa 450 Denkmäler, welche aufgrund der Angaben des Autors mit historischen Kriegsereignissen (aller Epochen) in Verbindung gebracht werden können. Pausanias, der für die folgende Untersuchung als Hauptquelle fungiert, liefert uns damit eine umfangreiche Dokumentation darüber, welche Kriegsereignisse in den Stadtstaaten kommemoriert wurden und in welcher Form dies geschah. Die Verwendung seiner Reiseberichte zur Erforschung der klassischen Kriegsdenkmäler wirft allerdings methodische Probleme auf. Zwischen seiner Beschäftigung mit den Denkmälern und deren Stiftung klafft eine zeitliche Distanz von 650 Jahren (ca. 500 v. Chr. - 150 n. Chr.). Die Erinnerungslandschaften seiner Zeit markieren den Abschlusspunkt zahlreicher Prozesse der

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Selektion, Rekonstruktion und Aktualisierung. Eine materielle und ideelle Übereinstimmung der klassischen Denkmäler mit den von Pausanias dokumentierten kann also keinesfalls vorausgesetzt werden. Die methodisch wichtige Frage nach der Persistenz der Kriegsdenkmäler des archaisch-klassischen Zeitalters – welche auch andere Quellenautoren wie Diodor und Plutarch betrifft – wird deshalb in einem Exkurs (Kap. 6) separat erörtert und am Beispiel des Pausanias systematisch untersucht. Im Laufe der Untersuchung wurden folgende zwei Probleme identifiziert: Wie zuverlässig sind die Beschreibungen des Pausanias (1) und wie alt sind die von ihm dokumentierten Denkmäler (2)? Im ersten Fall sind die Bedenken schon vor Jahren von der altertumswissenschaftlichen Forschung ausgeräumt worden.54 Pausanias berichtet sorgfältig und zuverlässig, was er bei seinen Reisen im griechischen Mutterland durch Autopsie in Erfahrung gebracht hat. Bei der Beschreibung von Denkmälern nimmt er in der Regel Bezug auf die darauf angebrachten Inschriften, die er ebenfalls mit größtmöglicher Präzision direkt oder indirekt zitiert. Fehler unterlaufen ihm überwiegend dort, wo er nicht aus eigener Anschauung schreibt, sondern auf literarische Vorlagen zurückgreift. Die Frage nach der Persistenz klassischer Kriegsdenkmäler durch die Antike hindurch hat sich als wesentlich komplexer und als von der Forschung bisher kaum bearbeitet herausgestellt. Ein Vergleich zwischen den Nennungen von Perserkriegsdenkmälern bei Herodot und Pausanias zeigt, dass am Überdauern der Denkmäler grundsätzlich nicht gezweifelt werden muss. Insbesondere Kultstiftungen und Weihdenkmäler, insofern sie nicht aus vergänglichen Materialien bestehen, weisen ein hohes Maß an Kontinuität auf. Ein wesentlich größeres Problem stellt die Authentizität der in römischer Zeit sichtbaren Denkmäler dar, wie eine Untersuchung der Perserkriegsdenkmäler bei Pausanias gezeigt hat. Nur etwa zwei Drittel der von ihm erwähnten Monumente wurden im direkten Zusammenhang mit den Kriegsereignissen am Beginn des 5. Jhs. gestiftet. Bei den übrigen Monumenten handelt es sich um invented traditions aus dem 5. und 4. Jh., die oft nur durch umfangreiche Einzelfalluntersuchungen und mit Hilfe anderer antiker Quellen identifiziert werden können. Der Anteil an nachträglich gestifteten Kriegsdenkmälern ist im Falle der Perserkriegserinnerung aber besonders hoch und für andere Kriegsereignisse nicht repräsentativ. Eine Einzelfalluntersuchung zu den Grabdenkmälern im athenischen Staatsfriedhof, dem sog. Demosion Sema, zeigt weiterhin, dass die klassischen Monumente nicht nur jahrhundertelang fortexistierten, sondern dass sie auch in ihrer materiellen Beschaffenheit nicht verändert wurden. Von diesen Ergebnissen ausgenommen werden müssen nur Kriegsdenkmäler, deren Aufstellungsorte vor dem Besuch des Pausanias durch Kriege oder Katastrophen (Brände, Erdbeben) zerstört wurden. Hier werden Monumente nicht nur materiell neu gestaltet, sondern im Falle einer Eroberung auch in ganz

54 Habicht 1985, S. 15; 40 63; Alcock 1996. Zur Rezeption historischer Inschriften durch Pausa nias: Whittaker 1991; Habicht 1984; Zizza 2006.

Quellengrundlage

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neue Erinnerungstraditionen eingebunden. Sowohl Pausanias als auch andere hellenistisch-römische Quellen haben hier keinen Aussagewert zur Untersuchung der archaisch-klassischen Denkmalstiftungen. Darüber hinaus kann aber festgehalten werden, dass Kriegsdenkmäler an Orten mit baulicher und politischer Kontinuität in aller Regel ein hohes Mass an materieller Persistenz aufweisen. Für die Erforschung der archaisch-klassischen Kriegsdenkmäler bieten die kaiserzeitlichen Reisebeschreibungen des Pausanias deshalb – mit der gebotenen Vorsicht – eine einzigartige, historische Quelle von unschätzbarem Wert. Nicht zuletzt aufgrund der disparaten literarischen Überlieferungslage kommt den materiellen Quellen bei der Rekonstruktion der klassischen Kriegsdenkmäler eine zentrale Rolle zu.55 Die wichtigsten archäologischen Fundplätze bilden die gut erforschten Heiligtümer in Delphi und Olympia, welche in der Antike von überegionaler, panhellenischer Bedeutung waren. Das Delphische Apollonheiligtum wird seit 1860 unter französischer Leitung ausgegraben. Entlang der Heiligen Straße stellten die griechischen Stadtstaaten Schatzhäuser und Statuenmonumente auf, bei denen es sich in vielen Fällen um Weihdenkmäler zur Kommemoration siegreicher Schlachten handelte. Von diesen Stiftungen können heute vor allen Dingen Fundamente und Statuenbasen archäologisch nachgewiesen werden. Sie erlauben einerseits Rückschlüsse auf den genauen Aufstellungsort und andererseits ermöglichen sie die materielle Rekonstruktion der Denkmäler. Eine vergleichbare Überlieferungssituation bietet das seit 1875 unter deutscher Leitung erforschte Zeusheiligtum in Olympia. Auch hier errichteten die Poleis diverse Schatzhäuser und Monumente, welche an beutereiche Siege erinnerten und welche durch archäologische Grabungen auf der Schatzhausterrasse und rund um den Haupttempel nachgewiesen werden konnten. Zusätzlich zu den architektonischen Hinterlassenschaften kamen in Olympia ebenso wie in zahlreichen anderen Heiligtümern Votivgaben zu Tage, unter denen insbesondere die geweihten Beutewaffen für die geplante Untersuchung relevant sind. Der konkrete historische Anlass einer Waffenweihung, und in der Regel auch einer Statuenweihung, lässt sich oft durch Inschriften bestimmen, welche den Namen des Stifters und das dazugehörige Kriegsereignis benennen. Darüber hinaus erlauben lediglich die detaillierten Reisebeschreibungen des Pausanias die Zuweisung einiger Kriegsdenkmäler in den panhellenischen Kultstätten. Ein dritter wichtiger Fundkomplex ist der Kerameikos am Südwesttor des antiken Athen, welcher seit 1913 durch das Deutsche Archäologische Institut erforscht wird. Nördlich des Grabungsgeländes, an der Akademiestraße, befand sich antiken Berichten zufolge das Demosion Sema, der athenische Staatsfriedhof, welcher den mit Abstand umfangreichsten Komplex klassischer Gefallenendenkmäler beherbergte. Aufgrund der modernen Überbauung konnte bisher keines der Grabmonumente in situ gefunden werden, ebenso muss die

55 Alcock 2002, S. 23 32 bietet grundlegende methodische Überlegungen zur Rekonstruktion kol lektiver Erinnerungen mithilfe von materiellen Zeugnissen.

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1 Einführung

genaue Lokalisierung des Friedhofs weiterhin offen bleiben. In der Umgebung des Geländes, insbesondere auf der antiken Agora, wurden aber zahlreiche Fragmente der zu den Denkmälern gehörenden Inschriftenstelen gefunden. Auch hier ermöglichen die epigraphischen Befunde eine Identifikation der Monumente sowie Aussagen über die Kommemorationspraxis und Erinnerungspolitik der Polis Athen. Den Urhebern antiker Anthologien verdanken wir außerdem die Erhaltung des Textes von mehreren Gefallenen- und Weihepigrammen, deren Inschriftenträger verloren gingen. Für die Rekonstruktion von Grabdenkmälern, Weihmonumenten, Schlachtfeldtropaia und Kultstiftungen sind Inschriftenfunde und Ergebnisse weiterer archäologischer Grabungen aus der gesamten griechischen Welt von Bedeutung, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann.

Forschungsstand Die Erforschung der klassischen Kriegsdenkmäler blickt auf mehrere Phasen des gesteigerten wissenschaftlichen Interesses zurück. Die Grundlage zur Beschäftigung mit dem Thema bilden die umfassenden Kompendien des amerikanischen Philologen Pritchett zur Kriegsführung im antiken Griechenland.56 Er konnte bei seiner Arbeit bereits auf einige Einzelstudien vom Beginn des 20. Jhs. zurückgreifen, die sich allerdings teilweise durch ein hohes Maß an Positivismus auszeichnen.57 Pritchett selbst betrachtet die Feste, Weihungen, Tropaia und Grabdenkmäler freilich in erster Linie als integrale Bestandteile der militärischen Praxis. Er würdigt an keiner Stelle die Bedeutung der Monumente für die Repräsentation und das Selbstbewusstsein der Stifter. Darüber hinaus entbehrt seine Beschäftigung mit dem Material historischer Deutungen und diachroner Perspektiven. Parallel zu den Studien Pritchetts entstanden mehrere verdienstvolle Monographien, welche der Aufarbeitung archäologischer Forschungsergebnisse gewidmet sind. Gauers vollständige Untersuchung der Beutedenkmäler aus den Perserkriegen ist weiterhin unverzichtbar.58 Darüber hinaus haben Jacoby, Clairmont und Stupperich mit ihren Arbeiten zum Demosion Sema in Athen eine wichtige Grundlage für die Beschäftigung mit den griechischen Kriegsgräbern geschaffen.59 Freilich sind ihre Studien weitestgehend auf die Praxis in Athen beschränkt und einige Inschriftenfunde aus den letzten Jahrzehnten erfordern die Neubewertung einzelner Forschungsprobleme.

56 Pritchett 1971 1991. Im Einzelnen: Pritchett 1971, S. 93 100 und Pritchett 1979, S. 240 295 zu den Beuteweihungen; Pritchett 1979, S. 157 209 zu den Kultstiftungen; Pritchett 1985, S. 125 153 zu den Grabdenkmälern; Pritchett 1974, S. 246 275 zu den Tropaia. 57 Woelcke 1911; Nilsson 1906 (im Folgenden 1995); Deubner 1932 (im Folgenden 1966). 58 Gauer 1968. Zum aktuellen Stand der archäologischen Forschung müssen freilich auch neuere Arbeiten hinzugezogen werden. 59 Jacoby 1944; Stupperich 1977; Clairmont 1983; vgl. Loraux 1981.

Forschungsstand

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Den entscheidenden Impuls erhielt die Erforschung der griechischen Kommemorialkultur in den 80/90er Jahren des 20. Jhs. durch die theoretischen Arbeiten zum kollektiven Gedächtnis antiker und moderner Gesellschaften.60 Den größten Einfluss auf die deutschsprachige Forschung hatten die Studien Assmanns, welche bereits vorgestellt wurden.61 An diese Erkenntnisse schließt eine ganze Reihe aktueller Forschungsarbeiten an, auf denen die vorliegende Arbeit aufbaut. Flaig hat gezeigt, dass die Deutungsmuster, in denen sich die kollektiven Erinnerungen der griechischen Stadtstaaten formierten, von dem mythogenen Selbstverständnis der jeweiligen Gemeinschaft bestimmt wurden. Durch eine Intensivierung der öffentlichen Kultpraxis in spätarchaischer Zeit sicherten die Poleis die Reproduktion des identitätsrelevanten Bestandes an Mythen, welcher in der Folgezeit auch den Rahmen für die Kommemoration historischer Ereignisse vorgab.62 Überhaupt war das im Kult reproduzierte Vergangenheitswissen auf dem Gebiet der öffentlichen Kommunikation im klassischen Griechenland wesentlich bedeutsamer als die historiographische Überlieferung.63 Eine Untersuchung der griechischen Kriegsdenkmäler wird zeigen können, wie die Integration von zeitgenössischen Erinnerungen in das mythogene Gedächtnis der jeweiligen Gruppe von Polisbürgern funktionierte. Die Pflege und Tradierung dieser mytho-historischen Überlieferungen wiederum waren für die griechischen Stadtstaaten von zentraler Bedeutung. In einer ethnischen Gemeinschaft, die sich nicht zuletzt durch die Ausübung der gleichen Religion definierte, war die kultisch beglaubigte Vergangenheit das wichtigste Argument innerhalb der staatlichen und zwischenstaatlichen Kommunikation. Die Polisgemeinschaften nutzten ihre Geschichte also bewusst, um sich selbst zu definieren und gegenüber anderen politischen Gruppen nach außen abzugrenzen.64 Darüber hinaus haben verschiedene Untersuchungen zu den Erinnerungsorten der antiken Griechen gezeigt, dass die entsprechenden Kommemorationsformen nicht nur mit dem Ziel initiiert und gepflegt wurden, eine Gemeinschaft zu konstituieren, sondern auch um deren aktuelle politische Ansprüche zu artikulieren.65 Insbesondere die Arbeiten zu den Gedenktagen der Griechen haben offengelegt, welche sozialen Mechanismen der kollektiven Erinnerung zugrunde liegen und dass die entsprechenden Feste in erster Linie dazu dienen, junge Männer mit den Werten und

60 Die einflussreichsten Arbeiten in diesem Zusammenhang sind sicher Nora 1997 und Assmann 2007, beide aufbauend auf den Überlegungen von Halbwachs 1966; 1967; 2008. 61 Assmann 2007; Assmann 1988. 62 Flaig 2005, S. 230 231. 63 Flaig 2005, S. 247. Vgl. Jung 2006, S. 391 392. Die Griechen selbst unterschieden natürlich nicht zwischen den Kategorien „mythisch“ und „historisch“. Die Differenzierung ist aber aus methodi schen Gründen im Rahmen dieser Arbeit notwendig. Als „historisch“ werden alle Ereignisse dies seits der zeitlichen Grenze dokumentarischer und historischer Überlieferung, d.h. ab dem 7. Jh., bezeichnet. 64 Gehrke 2001, S. 296 297; Kühr 2006. Zur zwischenstaatlichen Kommunikation auch Osmers 2013. 65 Stein Hölkeskamp/Hölkeskamp 2006; Jung 2006; Albertz 2006.

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1 Einführung

Idealen der jeweiligen Bürgergemeinschaft vertraut zu machen.66 In diese Richtung weisen auch die Forschungen von Rausch, der am Beispiel Athens erstmals Formen der kollektiven Kriegserinnerung als Indikatoren für gesellschaftspolitische Prozesse beschrieben hat. So konnte er zeigen, dass Kriegsdenkmäler in der Zeit von 506–490 aufgekommen sind und ein Ausdruck des demokratischen Selbstbewusstseins der Hoplitenbürger waren. Die öffentliche Kriegskommemoration offenbarte sich dabei als zentrale Form der politischen Repräsentation und als konstitutiver Bestandteil der kleisthenischen Gesellschaftsordnung.67 Besondere Erwähnung verdient auch die Einzelstudie von Jung, der anhand der Erinnerung an die Schlachten von Marathon und Plataiai exemplarisch gezeigt hat, wie die Kriegskommemoration in antiken Gesellschaften ins politische Tagesgeschehen eingebunden und regelmäßig aktualisiert wurde.68 Mithilfe einer breiteren Materialgrundlage soll untersucht werden, ob diese Zusammenhänge auch für bisher weniger stark beforschte Stadtstaaten postuliert werden können und in welcher Zeit diese Prozesse jeweils stattfinden. Hölscher wiederum hat sich dem Phänomen der Kriegskommemoration auf der Ebene der Visualisierung angenähert. Er verortet die Entstehung von „Staatsmonumenten“ mit einem dezidiert politischen Charakter im antiken Griechenland ebenfalls in der Zeit um 500.69 Der Archäologe hat gezeigt, dass sowohl das Phänomen Krieg selbst als auch dessen Wahrnehmung und künstlerische Repräsentationen kulturelle Konstrukte sind, die sich in den einzelnen antiken Gesellschaften stark voneinander unterschieden. Im archaisch-klassischen Griechenland ist hierfür die spezifische Kriegsführung in Form der Hoplitenschlacht ausschlaggebend. Dabei handelt es sich um militärische Auseinandersetzungen zwischen den Eliten einzelner Poleis mit einheitlichen kulturellen Normen und schnell wechselnden außenpolitischen Interessen. Aufgrund von stark begrenzten materiellen und personellen Ressourcen der einzelnen Akteure bestand dabei kein Bedürfnis nach einer Vernichtung der Gegner. Um die Verluste der beteiligten Stadtstaaten zu minimieren, war die Hoplitenschlacht in klassischer Zeit strengen Regeln unterworfen und wurde abgebrochen, sobald eine Phalanx die andere vertrieben und das Schlachtfeld unter seine Kontrolle gebracht hatte.70 Eine Liquidierung der feindlichen Truppen oder die vollständige Unterwerfung ihres Territoriums waren normalerweise kein Bestandteil zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen im klassischen Griechenland. Die vorliegende Arbeit baut auf der These auf, dass diese spezifische Art des Kriegführens auch in einer besonderen Kommemorations-Kultur resultierte. Der auf ein Minimum reduzierte Entscheidungskampf verlangt eine dauerhafte Dokumentation des Schlachtausgangs durch Denkmäler auf dem Schlachtfeld, in Heiligtümern

66 67 68 69 70

Beck 2009; Chaniotis 1991, S. 138 142. Rausch 1999. Jung 2006. Hölscher 2003, S. 15; Vgl. Hölscher 2006, S. 43 44. Hölscher 2003, S. 8 10. Zur Regulierung der Hoplitenschlacht auch Krentz 2002.

Forschungsstand

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und in Städten. Ein wichtiges Charakteristikum der Hellenen ist in diesem Zusammenhang sicher auch das Bedürfnis nach kompetitiver Überbietung – sowohl auf der Ebene des Individuums als auch mit Blick auf die Selbstdarstellung der staatlichen Gemeinschaft.71 Schließlich liegen mit den neuen Arbeiten von Baitinger und Rabe noch einmal detaillierte Studien zum aktuellen Stand der archäologischen Forschung in Bezug auf Waffenweihungen in griechischen Heiligtümern sowie Tropaia vor.72 Ähnliches leistet Ruggeri für die jüngsten epigraphischen Funde aus dem Demosion Sema in Athen.73 Weiterführende Hinweise zum Forschungsstand finden sich jeweils in den einführenden Bemerkungen der Schwerpunktkapitel. Mit der Frage, welches Bild die Poleis in archaisch-klassischer Zeit mit ihren Kriegsdenkmälern von sich und von ihrer Vergangenheit entwarfen, soll unmittelbar an diese Forschungen zum historischen Bewusstsein der Griechen angeknüpft werden. Das Phänomen der Kriegskommemoration im archaisch-klassischen Griechenland soll dafür diachron untersucht und dessen spezifische Besonderheiten mithilfe aktueller theoretischer Ansätze herausarbeitet werden. Anstelle der bisherigen nach Denkmäler-Kategorien getrennten Betrachtungen sollen nun erstmals alle Formen der Kommemoration übergreifend analysiert werden. Ein interdisziplinäres Vorgehen erlaubt es, neben den gut dokumentierten Prozessen in Athen auch andere politische Gemeinschaften wie Ethnien oder kleinere Poleis in den Blick zu nehmen. Bereits jetzt kann aufgrund des aktuellen Forschungsstandes die These vorausgeschickt werden, dass die Denkmälertraditionen der Griechen in archaischklassischer Zeit untrennbar mit dem Charakter und der Geschichte der bürgerschaftlich organisierten Polisgemeinschaften verbunden waren.

71 Assmann 2007, S. 61. 72 Baitinger 2011; Rabe 2008. 73 Ruggeri 2013.

2 Die Politisierung der Erinnerung Die Geschichte der griechischen Kriegsdenkmäler beginnt mit einzelnen Rüstungsteilen und Waffen, die im Kampf erbeutet und später in Heiligtümern niedergelegt wurden. Einmal durch rituelle Handlungen in den Besitz der Gottheit übereignet, galten die Beutestücke als sakral und wurden – zusammen mit den Erinnerungen an die entsprechende Schlacht – für die Nachwelt aufbewahrt. Ob man bei diesen gegenständlichen Weihungen bereits von Kriegsdenkmälern sprechen kann, ist fraglich. Aber die archaischen Waffenweihungen stehen am Beginn einer Tradition, die nicht nur die monumentalen Weihdenkmäler der Klassik hervorbringt, sondern gewissermaßen auch den Weg für andere Formen der Kriegskommemoration bereitet. Im Zentrum dieses Kapitels stehen die Kriegsmonumente in griechischen Heiligtümern und deren Verhältnis zu den Stadtstaaten in archaischer Zeit.

2.1 Die Weihung erbeuteter Waffen Die Sitte, in der Schlacht erbeutete Waffen in Heiligtümern zu deponieren, war in Griechenland eine weit verbreitete Tradition, die den antiken Autoren nicht erklärungsbedürftig und nur in besonderen Fällen nennenswert erschien. Von Interesse war etwa, dass noch in der Kaiserzeit im Athena Polias-Tempel auf der Athener Akropolis die Waffen der persischen Feldherrn Masistios und Mardonios bzw. im Zeustempel von Megara der Rammsporn eines persischen Schiffs ausgestellt waren.74 Aus dieser selektiven Dokumentationspraxis resultiert eine spezifische Quellensituation, bei der eine Vielzahl an materiellen Zeugnissen wenigen literarischen Quellen gegenübersteht. Sowohl Metallfunde als auch Weihinschriften auf steinernen Basen belegen lediglich den Endpunkt des Weihvorgangs, während uns die vorangegangenen Prozesse, Rituale und religiösen Vorstellungen weitestgehend verschlossen bleiben. Auch die inschriftlich erhaltenen Inventarlisten der Heiligtümer mit den darin angeführten Waffenweihungen können diesem Überlieferungsproblem nicht abhelfen.75 Holger Baitinger hat durch eine systematische Untersuchung der Waffenfunde aus griechischen Heiligtümern zumindest einige generelle Fragen klären und eine Grundlage für die Erforschung dieser frühen Form der Kriegskommemoration schaffen können.76

74 Paus. 1, 27, 1 und 1, 40, 5. 75 Erhalten sind Inventarlisten aus Lindos, Delos, Mykene und Athen (Parthenon und Erech theion): ILindos II, 2; zu Mykene SEG 11, 298; mit einer Auswahl der lindischen Inschriften Pritchett 1979, S. 264 269. Katalog der athenischen Belegstellen: Harris 1995, S. 82 87; 115 119; 206 208; vgl. Pritchett 1979, S. 243 245; 255 269. Zusammenfassend Gabaldon Martinez 2005, S. 92 93. 76 Baitinger 2011. Insbesondere zu Olympia als wichtigstem Fundplatz liegen weitere Einzelunter suchungen vor: Baitinger 1999; Baitinger 2001; Frielinghaus 2011; Koenigs Philipp 1980. https://doi.org/10.1515/9783110637113 002

2.1 Die Weihung erbeuteter Waffen

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2.1.1 Die Anfänge der Waffenweihungen Die Tradition der Waffenweihungen setzt im Gebiet des antiken Griechenlands nach bisherigem Kenntnisstand in der 2. Hälfte des 8. Jhs. ein.77 Unter den frühen Fundplätzen mit Weihungen vom ausgehenden 8. Jh. finden sich nicht nur die panhellenischen Heiligtümer Olympia und Delphi, sondern auch kleinere Kultstätten in Mittelgriechenland (Dodona, Eretria, Korinth, Kalapodi, Philia, Ano Mazaraki) sowie in der östlichen Ägäis (Chios, Lindos, Milet, Samos). Baitinger konstatiert deswegen, dass sich die Sitte der Waffenweihungen innerhalb eines kurzen Zeitraums in den griechischsprachigen Gebieten – mit Ausnahme von Unteritalien – etablierte, wobei es nicht möglich ist, einen konkreten Ausgangspunkt zu benennen. Gleiches gilt für die Art der gestifteten Gegenstände. Obwohl die Forschung für den an verschiedenen Orten gefundenen, griechischen Kegelhelm die Bedeutung eines „Leitfossils“ beansprucht, ist doch schon in den ersten Jahrzehnten ein großes Spektrum an Waffen (Helme, Lanzenspitzen, Schwerter, Schilde) nachweisbar, welches ebenfalls keine Rückschlüsse auf den Beginn der Praxis erlaubt.78 Der Vorgang der Weihung Nach dem raschen Einsetzen der Waffenweihungen in spätgeometrischer Zeit wurden in den darauffolgenden 300 Jahren (ca. 750–450) in Heiligtümern in Mittelgriechenland, auf der Peloponnes, auf den ägäischen Inseln, in Westkleinasien und in Unteritalien große Mengen an Bronze- und Eisenwaffen deponiert, welche bei Ausgrabungen zutage kamen. Die Annahme, dass es sich dabei jeweils um Beutestücke handelt, die dem Sieger in der Schlacht zufielen und die den Göttern aus Dankbarkeit für den errungenen Triumph dargebracht wurden, ist naheliegend. Klassische Quellen unterrichten uns, dass es etwa in Athen noch im 4. Jh. üblich war, der Stadtgöttin eine δεϰάτη (10 Prozent) der Kriegsbeute zu weihen.79 Sowohl bei der δεϰάτη als auch bei den in Weihinschriften häufig genannten ἀϰροϑίνια (die „Spitzen“ der Beutehaufen) handelt es sich um Spezialformen der ἀπαρχή, der Erstlingsgaben, die bspw. auch von Bauern und Handwerkern geopfert wurden. Der Vorgang des Weihens wird in den Quellen einheitlich mit dem Verb ἀνατιϑέναι bezeichnet.80 Da die Kriegsbeute sich bei einer Hoplitenschlacht in der Regel nur aus Gefangenen und Waffen bzw. Rüstungsstücken zusammensetzte, ist es nicht erklärungsbedürftig, dass man die Metallgegenstände nutzte,

77 Baitinger 2011, S. 123. Baitinger nennt noch zwei ältere Waffenfunde aus Milet und Philia, deren Datierung vor der Mitte des 8. Jhs. aber nicht gesichert ist. 78 Baitinger 2011, S. 123. Reste von Kegelhelmen wurden in den Heiligtümern von Kalapodi, Olympia und Korinth gefunden. Dazu: Frielingshaus 2011, S. 2 5; Pflug 1988, S. 11 22. 79 Demosth. or. 24, 120: οὐδ’ ὡς οὗτοι, ὑπὲρ ὧν εὕρηϰε τὸν νόμον, οὐ ϰαὶ ϰλέπται ϰαὶ ἱερόσυλοί εἰσιν, τὰ μὲν ἱερά, τὰς δεϰάτας τῆς θεοῦ ϰαὶ τὰς πεντηϰοστὰς τῶν ἄλλων ϑεῶν; vgl. Diod. 11, 25, 1. 80 Pritchett 1979, S. 240.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

um die Unterstützung der Götter zu vergelten.81 Dort, wo die betreffende Schlacht zur See stattgefunden hatte, wurden anstelle von individuellen Waffen die erbeuteten Schiffe (oder zumindest repräsentative Teile davon) gestiftet.82 Es handelt sich bei der Weihung also um eine Form des do ut des, d.h. eines ritualisierten Tauschvorgangs, wobei die Gegenleistung vom Empfänger (Kriegsglück) zum Zeitpunkt der Gabe bereits geleistet worden war. Diese Tausch-Vorstellung kommt z.B. in der Inschrift einer Kriegerstatuette aus Delphi zum Ausdruck. Die darauf angebrachte Inschrift verrät, dass ein gewisser Mantiklos die Bronzefigur dem Apollon weihte, in der Erwartung, dafür erfreuliche Zuwendungen als Gegenleistung (χαρίϝετταν ἀμοιβάν) zu erhalten.83 Nach dem Abschluss der rituellen Handlungen verblieben die Weihgaben im Heiligtum. Pausanias und andere antike Autoren berichten, dass in den Innenräumen der griechischen Tempel prominente Waffenweihungen, wie etwa der MardoniosDolch auf der Akropolis, ausgestellt waren.84 Auch einige literarisch überlieferte Epigramme von klassischen Waffen bezeugen explizit, dass die dazugehörigen Objekte nach der Weihung unter dem Dach eines Tempels Aufnahme fanden.85 Sie lagerten dort in denjenigen Räumen, welche für die Öffentlichkeit zugänglich waren und wurden auf diese Weise sichtbar gemacht. Alternativ konnten die Beutestücke an den Innen- und Außenwänden des Tempels bzw. anderer Gebäude auf dem Gelände des Heiligtums aufgehängt werden.86 Für diese Praxis sprechen auch die Befestigungsspuren (Nagellöcher), welche an Waffenfunden der Zeit vom späten 7. bis zum frühen

81 Zur Bedeutung der Waffen in der griechischen Gesellschaft: Jackson 1993, S. 229 232. 82 Die Aigineten etwa sollen laut Hdt. 8, 59, 3 nach einem Seesieg gegen Samos die figürlichen Bugverzierungen in Form von Ebern an den erbeuteten Schiffen abgebrochen und in das heimat liche Aphaia Heiligtum gestiftet haben. Ebenso hat Paus. 1, 40, 5 im Olympieion von Megara den bronzenen Sporn einer Triere gesehen, welche bei den Kämpfen um Salamis von den Athenern erbeutet worden war. 83 CEG I 326: Μάντιϰλός μ’ ἀνέϑεϰε ϝεϰαβόλοι ἀργυροτόξσοι τᾶς δ’ δεϰάτας· τὺ δέ, Φοῖβε, δίδοι χαρίϝετταν ἀμοιβ[άν]. Jeffery 1990, S. 90 91, Nr. 1 datiert die Inschrift auf 700 675. 84 Paus. 1, 27, 1; vgl. Dion Chrys. 2, 36. Mit Angabe des Aufbewahrungsortes sind an archaisch klassischen Weihungen weiterhin bezeugt: die Waffen des Alkaios im Athena Tempel von Sigeion (Hdt. 5, 95), die sog. heiligen Waffen im Apollontempel von Delphi (Hdt. 8, 37), sarmatische Panzer im Asklepios Tempel in Athen (Paus. 1, 21, 5), ein persischer Trierensporn im Zeustempel von Me gara (Paus. 1, 40, 5), diverse Waffenweihungen im Athena Tempel von Tegea (Paus. 8, 47, 2) und spartanische Schilde im thebanischen Demeter Tempel (Paus 9, 16, 5). Eine Zusammenfassung der archäologischen Zeugnisse zur Aufbewahrung von Waffen bietet: Baitinger 2011, S. 133 134. Zu bildlichen Darstellungen von Waffenweihungen in Tempeln Gabaldon Martinez 2005, S. 94 96. Nach 600 setzte sich parallel zur Deponierung in Tempeln auch die Aufbewahrung von Waffenwei hungen in Schatzhäusern durch. Dazu Kap. 2.2.1. 85 Anth. Gr. 6, 2: τόξα τάδε [. . .] νηῷ ᾿Αϑηναίης ϰεῖται ὑπωρόϕια. Vgl. Anth. Gr. 6, 132. 86 Besonders für Unteritalien, wo die Sitte der Waffenweihungen vergleichsweise spät aufkam, ist die Anbringung von Waffen an Tempeln belegt. Diod. 11, 25, 1 zur Aufhängung punischer Waffen an Tempeln in Syrakus und Himera. Athen. 11, 462 C beschreibt einen Schild auf dem Dach des Athenatempels von Syrakus als Landmarke. Alk. frg. 140 nennt Waffen an den Wänden einer gro ßen Halle, wohl in einem Heiligtum. Bei den goldenen Schilden am Gebälk des klassischen

2.1 Die Weihung erbeuteter Waffen

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5. Jh. nachweisbar sind.87 Neben den Gebäuden wurden innerhalb der Heiligtümer in klassischer Zeit auch freistehende Kriegsdenkmäler, wie der Pfeiler der Paionios-Nike, mit Beutewaffen behängt.88 Die Waffen waren in den letztgenannten Fällen für die Besucher des Heiligtums gut sichtbar und konnten bereits durch die Verbindung mit Bauten und Denkmälern in bestimmte Deutungszusammenhänge eingeordnet werden. Zur Präsentation der Beutestücke vor einem möglichst großen Publikum diente wohl auch deren Aufstellung auf den Wällen des Stadions von Olympia, wo sich jeweils zehntausende Besucher zu den panhellenischen Spielen einfanden.89 Über die Aufbewahrungsdauer der Waffenweihungen lassen sich keine einheitlichen Aussagen treffen. Einige Fundstücke wurden aufgrund von Umbauten im Heiligtum nachweislich bereits nach wenigen Jahrzehnten umgelagert, während andere Weihgegenstände aufgrund ihres hohen identitätsstiftenden Potentials mehr als 600 Jahre aufbewahrt wurden und kontinuierlich ausgestellt waren.90 Über die Frage, ob die Waffenweihungen mit Gebeten oder Gelübden in Zusammenhang stehen, die der Schlacht vorausgegangen sind (ex voto), kann angesichts der Quellenlage nur spekuliert werden.91 Die Tatsache, dass die fundreichsten Heiligtümer diejenigen mit bedeutenden Orakeln (Delphi, Abai, Olympia und Dodona) sind, könnte darauf hinweisen, dass die Kultinhaber bereits vor der Schlacht konsultiert wurden.92 Andererseits könnte das Präferieren dieser Heiligtümer auch damit begründet werden, dass es sich um überregional bedeutende Kultplätze handelt, die über eine größere Zahl an Kultteilnehmern verfügten und an denen die Kriegsbeute besonders wirkungsvoll ausgestellt werden konnte. So ließe sich auch erklären, dass Poseidon im panhellenischen Heiligtum am Isthmos von Korinth große Mengen an Waffenweihungen empfing, während der Fundbestand an lokalen Kultplätzen wie Kap Sounion „dürftig“

Apollontempels in Delphi (Paus. 10, 14, 9) dürfte es sich nicht um Beutewaffen, sondern um eigens angefertigte Weihgegenstände handeln. 87 Liste bei Kilian Dirlmeier 2002, S. 280 281, Liste 38 B; Frielinghaus 2011, S. 130 136. 88 Herrmann 1972, S. 243; 254. 89 Baitinger 2011, S. 129 130; Grabungsberichte: Kunze 1937, S. 11 12, Taf. 7, Abb. 2; S. 22; Kunze 1938, S. 10 11; Kunze 1956, S. 11. Zur Diskussion der Waffenmäler siehe Kap. 2.3.2. 90 Frielinghaus 2011, S. 170 184; Baitinger 2011, S. 132 135. Aulus Gellius berichtet von der Depo nierung alter Weihgaben in unterirdischen Schächten auf dem Gebiet Roms: Gell. 2, 10: Id [favisae] esse cellas quasdam et cisternas, quae in area sub terra essent, ubi reponi solerent signa vetera, quae ex eo templo collapsa essent, et alia quaedam religiosa e donis consecratis. Ähnlich verfuhr man offenbar auch mit den Votiven in Olympia. Dazu: Frielinghaus 2011, S. 137 156. 91 Hektor gelobt in der Ilias, die erbeuteten Waffen im Falle eines erfolgreichen Zweikampfes am Apollontempel von Troja aufzuhängen: Hom. Il. 7, 81 83. Dieses frühe Zeugnis lässt sich aber nicht ohne Weiteres auf die archaisch klassische Zeit übertragen. Im Rahmen der Phalanx Kampfweise müsste das Gelübde entweder kollektiv oder vertretungsweise durch den Feldherrn abgelegt worden sein. Beides ist zumindest für die Weihung von Beutewaffen nicht belegt. Zur These der Kollektiv Gelübde als Vorbereitung auf die Schlacht: Jackson 1993, S. 237 241. 92 Sinn 1991, S. 38 42 zu Olympia; Baitinger 2011, S. 158.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

blieb.93 Insgesamt ist das Bild der mit Waffenweihungen geehrten Gottheiten sehr disparat. Lokale Vorlieben, auch für weibliche Gottheiten, scheinen bei der Auswahl der Heiligtümer eine ebenso große Rolle gespielt zu haben, wie überregionale Üblichkeiten. Kilian-Dirlmeier schließt deshalb, „dass die Sitte der Waffenweihung ohne Bindung an bestimmte Kulte oder an einzelne Gottheiten [in griechischen Heiligtümern] allgemein üblich war.“94 Beim rituellen Akt der Weihung wird der Metallgegenstand in einen neuen funktionalen Zusammenhang überführt, was teilweise auch durch das Unbrauchbarmachen (Beschädigen, Verbiegen usw.) des Stücks unterstrichen wurde.95 Die Waffe dient nicht mehr dazu, Menschen zu schützen oder zu verletzen, sondern wird stattdessen im sakralen Kontext zu einem Symbol des militärischen Sieges. Auf diese Weise werden die Waffen mit kulturellem Sinn versehen und fungieren (zumindest für kurze Zeit) als Erinnerungsfiguren, die eine Verbindung zwischen dem historischen Ereignis und der Macht des helfenden Gottes schaffen. Darüber hinaus umfasst diese frühe Form der Beuteweihung keine erkennbaren Bestrebungen, die Erinnerung an die symbolisierte Schlacht dauerhaft zu bewahren oder mit der Identität einer Erinnerungsgemeinschaft zu verknüpfen. Nach dem Abschluss des Weih-Rituals können die stummen Metallgegenstände – selbst bei jahrhunderterlanger Aufbewahrung im Heiligtum – nicht mehr mit dem Betrachter kommunizieren und ihren symbolischen Gehalt vergegenwärtigen. Zur Tradierung der Erinnerung an eine spezifische Schlacht sind sie auf Vorwissen oder Erklärungen durch dritte Akteure angewiesen. In diesem Sinn haben die geweihten Waffen- und Rüstungsteile eher den Charakter von Reliquien und können nicht als Denkmäler bezeichnet werden. Mit dem rudimentären Charakter der Kriegserinnerung ist auch ein methodisches Problem verbunden: nicht jede in einem Heiligtum gefundene Waffe stammt aus der Beute einer spezifischen Schlacht. Wie Besitzer- und Weihinschriften seit spätarchaischer Zeit belegen, sind in dieser Gruppe des Fundmaterials auch Waffen, die der jeweilige Besitzer als Privatperson stiftete.96 Einige literarisch überlieferte Weihepigramme zeigen, dass der Anlass der Stiftungen in diesem Fall kein konkretes Kriegsereignis war, sondern das Außer-Gebrauch-Nehmen der betreffenden Waffen – sei es, weil der Besitzer nicht mehr kampffähig oder die Waffe

93 Baitinger 2011, S. 158. 94 Kilian Dirlmeier 1985, S. 241 242; vgl. Gabaldon Martinez 2005, S. 96. 95 Baitinger 2011, S. 142 144 weist den Beschädigungen an Waffenfunden verschiedene Ursachen (Gebrauchsspuren, Rituale, Lagerung und Entsorgung) zu und konstatiert lokale Unterschiede in nerhalb der griechischen Heiligtümer. Das Demolieren der Weihgegenstände war demnach zumin dest kein verbindlicher Bestandteil des Weihvorgangs. Vgl. Frielinghaus 2006; Frielinghaus 2011, S. 185 205 zu intentionalen Beschädigungen an den Weihwaffen in Olympia. 96 Baitinger 2011, S. 152 153 listet die entsprechenden Fundstücke. Inschriften: NIvOl 161 164. Zum Problem der Differenzierung auch Guzzo 2012, S. 52.

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nicht mehr brauchbar war.97 Ein dem frühklassischen Dichter Simonides zugeschriebenes Epigramm etwa gehört zu einer Lanze, deren Besitzer die Waffe Zeus weihte, nachdem sie wegen intensiver Benutzung in der Schlacht nicht mehr einsatzfähig war.98 Innerhalb des Fundmaterials zwischen privat geweihten Waffen und (staatlich) gestifteten Beuteanteilen zu unterscheiden, ist beim Fehlen von Weihinschriften praktisch unmöglich. Lediglich sogenannte „fremde Waffen“, die im Einzugsgebiet des Heiligtums nicht in Gebrauch waren, können mit einiger Sicherheit als Beuteweihungen identifiziert werden.99 So heben sich etwa die nach den Perserkriegen gestifteten, orientalischen Waffen deutlich aus dem Fundmaterial der griechischen Heiligtümer ab.100 Stammen die Metallwaffen jedoch aus der Beute lokaler, innergriechischer Auseinandersetzungen, ist eine Unterscheidung von privaten Einzelweihungen ohne schriftliche Überlieferungen ausgeschlossen. Als Anhaltspunkt für den Charakter der Weihung bleibt dann nur noch der göttliche Empfänger. Denn Baitinger konnte zeigen, dass Fundwaffen in kleinen Heiligtümern meist privater Natur sind, während in den panhellenischen Heiligtümern staatliche Beuteweihungen überwiegen.101

2.1.2 Der Ursprung der Tradition Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass in Griechenland im ausgehenden 8. Jh. mit der Weihung von Beutewaffen eine Vorform der Kriegskommemoration aufkommt, bei der die kurzlebige Erinnerung zunächst auf religiöse Aspekte – namentlich den Dank für die Unterstützung der jeweiligen Gottheit auf dem Schlachtfeld – beschränkt bleibt. Die Ursprünge dieser Tradition können aus der Analyse des Fundmaterials heraus nicht erklärt werden. Das abrupte Einsetzen der Praxis lässt sich weder lokal noch mit Blick auf eine bestimmte Waffengattung sicher fixieren. Woher also kam der Impuls zum Beginn der Beuteweihungen?

97 Die entsprechenden Epigramme aus der Anth. Gr. hat Baitinger 2011, S. 146, Fn. 1075 gesam melt. Daneben kommt schon bei den homerischen Helden mehrfach der Wunsch zum Ausdruck, dass die eigene Bewaffnung nach dem Tod einer bestimmten Gottheit übereignet wird: Hom. Il. 10, 460; 570. 98 Anth. Gr. 6, 52: Οὕτω τοι, μελία ταναά, ποτὶ ϰίονα μαϰρὸν ἧσο, Πανομϕαίῳ Ζηνὶ μένους’ ἱερά· ἤδη γὰρ χαλϰός τε γέρων αὐτά τε τέτρυσαι πυϰνὰ ϰραδαινομένα δαΐῳ ἐν πολέμῳ. 99 Zum Phänomen „fremder“ Weihungen in vorklassischer Zeit (nicht auf Waffen beschränkt): Kilian Dirlmeier 1985, bes. 243 244. 100 Kunze 1961; Baitinger 1999. 101 Baitinger 2011, S. 146 147; 154 155.

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Griechische Vorläufer? Folgt man den literarischen Quellen, so lässt sich von den Waffenweihungen in eisenzeitlichen Heiligtümern problemlos eine Kontinuität bis in die mykenischheroische Vorzeit rekonstruieren. Laut Pausanias etwa wurde im Heratempel von Argos der in Troja erbeutete Schild des Euphorbos, im olympischen SikyonierSchatzhaus das Schwert des Pelops und im Aphrodite-Tempel in Theben eine Holzstatue aus der Bugverzierung von Schiffen des Kadmos aufbewahrt.102 Auch andere griechische und lateinische Autoren dokumentieren die Ausstellung von Beutestücken mythischer Heroen – ein Phänomen, das keinesfalls auf das griechische Mutterland beschränkt blieb, sondern die gesamte antike Welt umfasste. Der römische Stadtgründer Aineias etwa soll seinen Schild laut Vergil in Samothrake gestiftet haben, im iberischen Odysseia wurden der Schild und Schiffteile des namengebenden Griechen gezeigt und Arrian weiß von den Resten eines Ankers der Argonauten in Kolchis zu berichten.103 Diese Liste der Waffen griechischer Vorväter in antiken Heiligtümern ließe sich beliebig verlängern. Der entsprechende Katalog der „military articles dedicated by heroes“ von Pritchett, der noch um einige Belege ergänzt werden kann, umfasst insgesamt 26 Stücke.104 Bei den vermeintlichen Stiftern der Waffen handelt es sich oft um den Gründer oder Patron der jeweiligen Polis, die somit durch die Ausstellung der Objekte kollektive Erinnerungen pflegte. Bereits Pfister hat erkannt, dass die heroischen Waffenweihungen deshalb als Reliquien angesprochen werden sollten.105 Es sind invented traditions, die zeitgleich mit dem Aufkommen mythisch-historischer Identitäten106 – also kaum vor dem 8. Jh. – in den griechischen Stadtstaaten geschaffen wurden. Dass es sich bei den betreffenden Gegenständen tatsächlich um bronzezeitliche Waffen, etwa aus mykenischen Gräbern handelte, ist nicht auszuschließen.107 Ihren Platz in den städtischen und panhellenischen Heiligtümern jedenfalls werden sie frühestens in archaischer Zeit gefunden haben. Die archäologische Forschung bestätigt die Annahme der invented traditions in mehrfacher Hinsicht. Einerseits wurden mykenische Waffen nur in wenigen Heiligtümern und in sehr vereinzelter Zahl gefunden. Mit Ausnahme eines Helmfragments handelt es sich bei den Funden ausschließlich um Angriffswaffen (Pfeil- und

102 Paus. 2, 17, 3; 6, 19, 6 und 9, 16, 3. 103 Verg. Aen. 3, 285 288; Strab. 3, 4, 3; Arr. per. p. E. 9, 2. 104 Pritchett 1979, S. 249 247; vgl. die Liste bei Pfister 1909, S. 331 334. In der Zusammenstellung von Pritchett fehlen insbesondere die epigraphischen Belege, die er im Text kurz anspricht. Drei weitere Beispiele nennt Baitinger 2011, S. 124 125. 105 Pfister 1909, S. 336 339 zieht auf der Grundlage von antiken Berichten über Kult und Wunder tätigkeiten, welche den heroischen Gegenständen zugeschrieben wurden, Parallelen zum christli chen Reliquienkult. 106 Flaig 2005, bes. S. 229 231. 107 Baitinger 2011, S. 125 schlägt daneben auch die Uminterpretation jüngerer Waffen oder Neuan fertigungen vor.

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Lanzenspitzen bzw. Schwertteile), die leicht auch als Streu- oder Grabfunde in das Gebiet des betreffenden Heiligtums gelangt sein könnten. Nur in einem Fall weisen die Konzentration der Waffen und deren Fundposition eindeutig auf eine kultisch motivierte Deponierung hin. In dem kleinen Heiligtum des Apollon Maleatas oberhalb des jüngeren Theaters von Epidauros kamen Teile von Schwertern, Votivschwertern, Dolchen und Lanzenspitzen in der Ascheschicht des spätbronzezeitlichen Brandopferaltars zutage, wo sie zusammen mit anderen Votiven geopfert worden waren.108 Neben den spärlichen Funden spricht gegen eine bis in die Bronzezeit zurückreichende Tradition schließlich auch die Tatsache, dass die Heiligtümer, in denen seit dem 8. Jh. Waffenweihungen praktiziert wurden, keine Kultkontinuität zurück ins mykenische Zeitalter aufweisen.109 Gerade auch bei den Heiligtümern mit frühem und sehr reichem Waffenvorkommen handelt es sich um Neugründungen der frühen Eisenzeit.110 Die archäologische Fundsituation lässt also darauf schließen, dass Waffen in der mykenischen Religion nur in Einzelfällen als Votivgaben genutzt wurden. Zum gleichen Schluss kommt auch Kilian-Dirlmeier, die die Funktion von Schwertern in der späten Bronzezeit eingehend untersucht hat. Demnach wurden die Handwaffen im mykenischen Raum neben ihrer militärischen Funktion nur als Repräsentationsmittel (in Gräbern und auf Darstellungen) sowie als Kultgerät zur Tötung von Opfertieren verwendet. Metallfunde, die auf eine kultische Deponierung der Schwerter schließen lassen, kamen außerhalb von Epidauros nur in kretischen Höhlen (Arkalochori, Psychro) zutage und müssen deshalb als eine spezifisch minoische Tradition verstanden werden.111 Beachtenswert ist weiterhin, dass auch die in Italien sowie nördlich der Alpen gut dokumentiere Tradition der bronzezeitlichen Flussdeponierungen in Griechenland ausblieb. Die Weihgaben wurden bei diesem Ritual nicht durch die Deponierung in Heiligtümern, sondern durch das Versenken in Flüssen und Quellen, wo sie nicht wieder geborgen werden konnten, sakralisiert. Da unter den Fundstücken auch hier häufig fremde Waffen vertreten sind, muss zumindest für einen Teil der Flussdeponierungen angenommen werden, dass es sich um Dankesopfer aus Kampfbeute handelt.112 Die oben aufgestellte These, dass die Hinweise auf mykenische Waffenweihungen in der antiken Literatur Innovationen der archaisch-klassischen Zeit widerspiegeln, deckt sich also mit den materiellen Zeugnissen. Bei den heroischen Waffen in eisenzeitlichen

108 Baitinger 2011, S. 125 führt mykenische Funde in Aigina, Amykles, Delos, Dodona, Epidauros, Kalapodi, Knidos, Ptoion, Kos und Olympia an. Zu den Funden in Epidauros: Lambrinoudakis 1981, S. 59 62, Abb. 13. 109 Snodgrass 2000, S. 275. 110 Baitinger 2011, S. 125. 111 Kilian Dirlmeier 1993, S. 130 151; bes. 148 151. 112 Naso 2012, S. 45 47. Zum Phänomen der Flussdeponierungen zusammenfassend: Torbrügge 1970. Zu Italien auch Cardarelli 2012. Zu Mitteleuropa Huth 2012.

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Heiligtümern Griechenlands handelt es sich zweifellos um Projektionen zeitgenössischer Weihpraktiken in die eigene Vergangenheit. Außergriechische Vorbilder? Es bleibt die Frage, ob die Tradition der griechischen Waffenweihungen aus anderen Kulturkreisen übernommen wurde. Baitinger hat bei der Analyse der frühen Waffenweihungen ein hohes Aufkommen an Objekten unter- und mittelitalischer Provenienz registriert. Die Interpretation dieser Fundgruppe ist aber außerordentlich schwierig. Kilian-Dirlmeier verweist etwa auf ein bronzenes Antennenschwert (Typ Rocco di Morro) aus Mittelitalien, welches im 8. Jh. im Heraion von Samos deponiert wurde. Eine Erklärung als Kriegsbeute westgriechischer Kolonisten ist zunächst naheliegend, greift aber zu kurz, da die Waffe im Kontext einer größeren Gruppe von Votiven italischer Provenienz steht, zu der etwa auch Fibeln und Schmuckstücke gehören. Man darf also mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass das Heiligtum auch von Personen italischer Herkunft frequentiert wurde, die hier private Weihungen tätigten.113 Andererseits ist die Annahme von der Nutzung griechischer Heiligtümer durch indigene Völkerschaften Mittelitaliens – zumal in der östlichen Ägäis – vor dem Hintergrund religiöser Vorstellungen kaum erklärbar. Hinzu kommt, dass Waffenweihungen in westgriechischen Heiligtümern erst ab dem 6. Jh. einsetzen und die Italiker selbst ihre Waffen nicht weihten, sondern den Toten mit ins Grab zu geben pflegten. Baitinger hält deshalb an der Verbindung von Waffenweihungen italischer Provenienz mit der griechischen Westkolonisation fest, schließt den italischen Raum aber gleichzeitig als Herkunft der Votivtradition aus.114 Weiter sind unter den frühen Waffenweihungen, zumindest in den überregional bedeutenden Heiligtümern (Delphi, Olympia, Kalapodi, Samos, Lindos), auch fremde Waffen aus Kreta, Zypern und dem Vorderen Orient zu finden.115 Anders als die Italiker verfügen die frühen Hochkulturen Mesopotamiens tatsächlich über eine längere Tradition von Waffenweihungen, deren Übernahme durch die Griechen im 8. Jh. – in einer Phase des verstärkten Einflusses orientalischer Kulturen – denkbar ist. Die ältesten Belege für diese Praxis stammen aus dem jungsteinzeitlichen Bergheiligtum auf dem Göbekli Tepe in Südostanatolien (10./9. Jt.). Hier kamen in der sogenannten Anlage A, einem am Südhang gelegenen Gebäude mit mehreren monolithischen Architekturelementen, aus Feuerstein gefertigte Pfeilspitzen zutage.116 Hält man an der Interpretation des Ausgräbers, dass es sich bei den kreisförmigen

113 114 115 116

Kilian Dirlmeier 1993, S. 161. Baitinger 2011, S. 124 126. Baitinger 2011, S. 124. Schmidt 2006, S. 125 127.

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Pfeileranlagen um die ältesten bekannten Kultbauten überhaupt handelt,117 fest, dann stünde das Aufkommen der Waffenweihungen in Mesopotamien möglicherweise in engem Zusammenhang mit den Anfängen der Religionsausübung in gemeinschaftlichen Kultzentren. Ab dem 4. Jt. treten metallische Votive hinzu, die in weiten Teilen des Vorderen Orients (Babylon, Ur, Assyrien, Urartu, Hethiterreich) in Tempeln deponiert wurden. Nach Ausweis der (seit der Mitte des 3. Jts.) auf den Waffen angebrachten Weihinschriften wurden auch in den orientalischen Hochkulturen eigene oder erbeutete Waffen aus Dank an die Götter gestiftet.118 Eines der wohl bekanntesten Beispiele ist das 1991 bei Straßenbauarbeiten auf dem Gelände der antiken Stadt Hattuscha gefundene Schwert aus der Zeit des Hethiterkönigs Tuthalija II.119 Die 79cm lange Klinge aus Bronze trägt eine akkadische Inschrift: Als Tuthalija, der Großkönig, das Land Assuwa zugrunde richtete, weihte er diese Schwerter dem Wettergott, seinem Herrn. (Übers. Unal 1991.)

Die im Text erwähnte Eroberung von Assuwa in Westkleinasien kann mithilfe der Annalen Tuthalijas auf die Zeit um 1420 datiert werden. Die implizierte Annahme, dass die geweihten Schwerter aus der Beute dieser Auseinandersetzung stammen, findet in der Form der Fundwaffe Bestätigung. Die Klinge ähnelt einer Gruppe bronzezeitlicher Schwerter (Aegean Type B), die im 16./15. Jh. in der Argolis produziert wurde und in Anatolien nicht verbreitet war.120 Ob es sich bei dem Weihgeschenk des Hethiterkönigs tatsächlich um ein mykenisches Produkt oder um die Imitation einer westkleinasiatischen Werkstatt handelt, ist in der Forschung umstritten.121 In beiden Fällen jedoch würde es sich am Fundort Hattuscha um eine fremde Waffe handeln, deren Erwerb sehr wahrscheinlich mit den militärischen Auseinandersetzungen gegen die Assuwa-Länder in Zusammenhang steht. Bemerkenswert ist, dass die formelhafte Weihinschrift auf dem hethitischen Schwert über drei Bestandteile verfügt, die in gleicher Weise nicht nur in anderen orientalischen Kulturen, sondern auch bei der Beschriftung griechischer Waffenweihungen verwendet wurden: der Name des Stifters in Subjekt-Funktion, die Bezeichnung des Feindes und der Name der empfangenden Gottheit.122 In den orientalischen Inschriften schließen sich an den Namen des Stifters, bei dem es sich fast immer um einen König oder Machthaber handelt, häufig noch Titulaturen

117 Schmidt 2009, S. 189 202. 118 Müller Karpe 2012, S. 23 26; Radner/Kroll 2006, S. 218 221; Braun Holziger 1991, S. 81 91. 119 Unal 1991. 120 Bisher ist nur ein weiteres Exemplar aus der Region von Izmir bekannt. Dazu: Cline 1996, S. 138. 121 Hansen 1994 plädiert für die Produktion im mykenischen Raum. Kritisch dazu Cline 1996, bes. S. 138 140. Er verortet die Beute Schwerter wohl zurecht bei einem Aufstand der Assuwa Städte gegen die Hethiterherrschaft um 1430. 122 Dazu Kap. 2.1.3.

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oder genealogische Angaben an.123 Sie bezeugen, dass der Herrscher beim Vorgang der Weihung in seiner offiziellen Funktion agierte und die im Heiligtum ausgestellten Waffen für seine dynastische Selbstdarstellung nutzte. Diesen Zusammenhang von Kriegskommemoration und monarchischer Herrschaftsrepräsentation lassen auch andere Denkmalsformen, wie die Beutelisten in ägyptischen und mesopotamischen Königsinschriften bzw. -reliefs, erkennen.124 Kriegsbeute stand in den orientalischen Monarchien grundsätzlich den Herrschern (und ihren Schutzgottheiten) zu, welche die Erinnerung an ihre militärischen Erfolge wirksam zur öffentlichen Selbstdarstellung und Herrschaftssicherung einsetzen konnten. Neben dem dreiteiligen Formular der Weihinschriften weisen die orientalischen Waffenweihungen auch in der Aufbewahrung und Anbringung der Votive enge Parallelen zur Praxis im eisenzeitlichen Griechenland auf. Ein Relief aus der Residenz des assyrischen Königs Sargon II. (721–705) in Dur Scharrukin (Horsabad, Irak) etwa zeigt die aus Schriftquellen bekannte Plünderung des Haldi-Tempels in Musasir.125 In der Frontalansicht des Gebäudes ist gut zu erkennen, dass an den Säulen und Außenwänden des Tempels Schilde aufgehängt waren, die mit konzentrischen Kreisen oder Löwenkopfprotomen dekoriert sind. Einige weitere Exemplare dieser Waffen tragen die plündernden Soldaten auf dem Dach des Tempels in den Händen. Dass die im Relief dargestellte Aufhängung von Waffen tatsächlich der Praxis in urartäischen Heiligtümern entspricht, bestätigt der archäologische Befund eines Tempels auf der Burg Ayanis (Van, Türkei) am Ufer des Van-Sees. Vor der Fassade des durch einen Brand zerstörten Gebäudes wurden die Reste herabgestürzter Schilde gefunden, darunter auch solche mit konzentrischen Kreisen und Löwenkopfprotomen.126 Ebenso wie später in Griechenland wurden hier also schon im 8. Jh. die Außenseiten der Tempel mit geweihten Waffen geschmückt. Diese engen Parallelen im Beschriften und Ausstellen geweihter Waffen machen eine Beeinflussung der griechischen Tradition durch Vorbilder aus dem Osten sehr wahrscheinlich.127 Diese Feststellung bedarf aber zweier Einschränkungen. Einerseits waren die Waffenweihungen in den orientalischen Kulturen, wie oben gezeigt wurde, eng mit der Selbstdarstellung der monarchischen Herrscher verbunden. Entsprechende Herrschaftsstrukturen fehlen im geometrischen Griechenland, wo Königtümer – wenn überhaupt – nur lokale Bedeutung erlangen konnten.128 Entsprechend sucht man im hellenischen Gebiet auch vergebens

123 Müller Karpe 2012, S. 23 24. 124 Renger 1999, Sp. 835. 125 Albenda 1986, S. 51, Pl. 133. 126 Derin/Cilingiroglu 2001, S. 161 163, Abb. 10 12; 19 23. 127 So auch Baitinger 2012, S. 30. 128 Osborne 2009, S. 55 65; Finley 1982, S. 95 97. Das Fehlen eines zentralen Königtums wurde unterdessen auch für das mykenische Zeitalter von Tassilo Schmitt überzeugend konstatiert: Schmitt 2009; zuletzt Schmitt 2017, S. 90 103.

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nach Repräsentationsformen wie den oben erwähnten Beutereliefs, welche auf die Integration und Legitimierung von Herrschaft über größere Territorialstaaten abzielten.129 Eine Übernahme der Waffenweihungen als Form monarchischer Selbstdarstellung ist vor diesem Hintergrund wenig plausibel. Wenn die griechische Tradition östlichen Vorbildern folgt, muss die Votivpraxis in andere funktionale Zusammenhänge übertragen worden sein. Darüber hinaus wird eine Übernahme der Weihsitte kaum auf direktem Weg passiert sein. Dafür spricht die Tatsache, dass Weihwaffen in den Heiligtümern der Gebiete, die schon in archaischer Zeit enge Kontakten zum Vorderen Orient unterhielten (Euboia, Westkleinasien), vergleichsweise spät und nur in geringen Mengen vorkommen. Die fundreichen Heiligtümer auf der Peloponnes und in Mittelgriechenland wiederum kommen mit ihren eingeschränkten Außenbeziehungen als Träger des kulturellen Transfers kaum in Frage.130 Auch zwischen den bronzezeitlichen Waffenweihungen in den orientalischen Kulturen und der Sitte in den eisenzeitlichen Heiligtümern Griechenlands lässt sich also keine lückenlose Kontinuität postulieren. Eine archaische Innovation? Die ausschlaggebenden Impulse für das Aufkommen der Waffenweihungen in Griechenland sucht Baitinger deshalb zu Recht in den zeitgenössischen Umbrüchen der griechischen Gesellschaft selbst. Gleichzeitig mit dem Aufkommen der Waffen in den hellenischen Heiligtümern endet die Sitte der Kriegergräber, d.h. die Praxis, männlichen Toten ihre Waffen mit ins Grab zu geben, in großen Teilen Griechenlands. Die Untersuchung der Grabausstattungen zeigt, dass die zuvor übliche Deponierung von Angriffswaffen (Schwert, Lanze, Dolch) im sepulkralen Bereich mit dem Beginn des archaischen Zeitalters, also um 700, in Süd- und Mittelgriechenland fast vollständig abbricht.131 Darüber hinaus kommt es zu gewichtigen Neuerungen in der Bewaffung griechischer Soldaten: nach einer Unterbrechung von mehreren hundert Jahren taucht nun in einem spätgeometrischen Kriegergrab bei Argos aus dem letzten Viertel des 8. Jhs. erstmals wieder eine metallene Panhoplie, bestehend aus Bronzepanzer und -helm, auf.132 Ebenso etablieren

129 Die Repräsentation der griechischen Lokalfürsten beschränkte sich offenbar weitestgehend auf den sepulkralen Bereich, insofern die archäologischen Befunde hier Schlüsse zulassen. Beispielhaft genannt sei das aufwendig ausgestattete Grab des sogenannten Fürsten von Lefkandi, dazu: Popham/Touloupa/Sackett 1982. Zur Interpretation vgl. Osborne 2009, S. 55 60. 130 Baitinger 2011, S. 127. 131 Zu den Ausstattungen geometrischer und protogeometrischer Gräber dieser Region: Bräuning 1995, S. 16 45. Laut Snodgrass 1984, S. 57 kamen in den Kriegergräbern auch Äxte vor. Zum Ab bruch der Sitte: Snodgrass 2000, S. 281; Gabaldon Martinez 2005, S. 145 146. Baitinger 2011, S. 128, Fn. 943 weist darauf hin, dass die Waffenbeigaben nach 700 nur noch in den nordgriechischen Re gionen (Epirus, Makedonien) vorkommen. 132 Courbin 1957, bes. S. 340 367 zu den Schutzwaffen.

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sich der Bogen, die Wurflanze und der große Rundschild im Verlauf des 8. Jhs. als feste Bestandteile der griechischen Bewaffnung.133 Diese, insbesondere in den archäologischen Zeugnissen gut fassbaren Veränderungen lassen sich auf das Aufkommen einer neuer Kampfweise in Mittelgriechenland zurückführen. Wurde das Kriegswesen in der Bronze- und frühen Eisenzeit noch stark von der Reiterei beherrscht, dominierten nun Hopliten, d.h. vollbewaffnete Fußsoldaten, die Schlachtfelder der archaischen Zeit. Waffen waren damit nicht mehr exklusive Statussymbole des Adels, sondern konnten auch von wohlhabenderen nichtadeligen Griechen genutzt werden. Die charakteristische Schutzrüstung der Infanteristen – bestehend aus Helm, Rundschild, Brustpanzer und Beinschienen – konnte am wirkungsvollsten in der dicht gereihten Phalanx eingesetzt werden, in der die nebeneinander stehenden Soldaten sich gegenseitig Schutz bieten konnten. Während die entsprechenden Defensivwaffen seit dem ausgehenden 8. Jh. archäologisch bezeugt sind, findet sich die erste bildliche Darstellung der taktischen Formation auf der sogenannten Chigi-Kanne, einer schwarz-figurig bemalten Olpe, die um 650/640 in Korinth hergestellt wurde.134 Der Erfolg dieser Kampfweise hing wesentlich vom Zusammenhalt der Schlachtreihe, d.h. von Aufopferungsbereitschaft und Solidarität der einzelnen Soldaten untereinander, ab.135 Der Phalanxtechnik wird daher eine starke integrative Wirkung innerhalb der Armee, die in der Regel den Polisverband repräsentierte, zugeschrieben.136 Das so entstandene Gemeinschaftsgefühl spiegelt sich laut Baitinger in dem Bedürfnis, im Krieg erbeutete Waffen zum Dank gemeinsam den Göttern zu stiften. Die im ausgehenden 8. Jh. einsetzenden Waffenweihungen in Griechenland sind demnach der Ausdruck eines neuen Verständnisses, nach dem Krieg nicht mehr Sache des Einzelnen, sondern der Gemeinschaft ist. Waffen dienten nun nicht mehr in privaten Kriegergräbern als Repräsentationsmittel, sondern wurden zum Ausweis einer kollektiven, militärischen Leistung als Beuteweihungen in Heiligtümern deponiert.137 Morgan sieht in dieser Entwicklung einen wichtigen Schritt zur Integration der Interessen führender Familien in die Aktivitäten der staatlich organisierten Gemeinschaft.138 Damit einher gehen grundlegende Veränderungen in der Kultpraxis

133 Snodgrass 1984, S. 54 65. 134 Zum Aufkommen der Hoplitenrüstung Snodgrass 1984, S. 70 112; Osborne 2009, S. 161 166; vgl. Snodgrass 1965. Zur Rolle Spartas Cartledge 1977; Cartledge 2001, S. 153 168. Zu den Bildern der Chigi Kanne zuletzt D’Acunto 2013. Vgl. Latacz 1977 und Bowden 1993 zur Darstellung der Pha lanx in der frühgriechischen Literatur. 135 Häufig zitiert werden Thuk. 5, 71, 1 und Xen. hell. 4, 2, 18 19, die beschreiben, wie die Schlachtreihe im Verlauf des Kampfes nach rechts driftet, weil die Hopliten ihren Schwertarm hin ter dem Schild des rechten Nachbarn zu schützen suchen. Zur Funktionsweise der Phalanx vgl. Hol laday 1982, S. 94 97. 136 Gehrke 1998, Sp. 714. 137 Baitinger 2011, S. 128 129. Kritisch dazu Frielinghaus 2011, S. 226 230. 138 Morgan 1990, S. 19; 217.

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der panhellenischen Heiligtümer, die sich in Olympia insbesondere in einer Intensivierung der Votivtätigkeiten und in der geographischen Ausweitung des Kreises der Kultteilnehmer im Verlauf des 8. Jhs. äußern.139 Bei der Praxis der Waffenweihungen handelt es sich also um eine griechische Innovation, deren Ursprung in den militärischen und sozialen Neuerungen des archaischen Zeitalters liegt. Das Aufkommen der Hoplitenphalanx förderte die Entstehung eines Gemeinschaftsgefühls und war der entscheidende Impuls für den Beginn der griechischen Votivsitte. Die Tatsache, dass bei der Weihung am häufigsten Defensiv-Waffen (Rundschilde und Helme, seltener Panzer und Beinschienen) verwendet wurden, zeigt den Stolz der Hopliten, welche die Erinnerung damit gegenüber anderen Kampfgruppen (Leichtbewaffnete, Reiter, Bogenschützen usw.) monopolisierten. Die äußere Form des Rituals der Waffendedikation wiederum (Beschriftung und Deponierung der Waffen) scheint auf Vorbilder im Vorderen Orient zurückzugehen und ist ein weiterer Beleg für den fruchtbaren Kulturtransfer zwischen den beiden Räumen in geometrischarchaischer Zeit.

2.1.3 Die Polis als Stifter der Waffenweihungen Das allmähliche Aufkommen der Hoplitenphalanx steht, wie bereits angedeutet, in einer engen wechselseitigen Beziehung zur Herausbildung stadtstaatlicher Strukturen und Identitäten. Einerseits wirkte der gemeinsame Kampf in der Schlachtreihe integrativ auf die Gruppe von Soldaten und andererseits leitete sich aus der gleichberechtigten Beteiligung breiterer Bevölkerungskreise am Kampf eine neues Selbstbewusstsein ab, das mittelfristig die Voraussetzungen zu deren politischer Teilhabe schuf.140 Darüber hinaus wurde die Organisation der zuvor losen Kampfverbände nun unter dem Dach der Polis (durch den vorherrschenden Adel) formalisiert und zentralisiert.141 Diese

139 Morgan 1990, S. 26 56; vgl. Ebd., S. 192: „The eighth century was thus a crucial phase in the transformation of Olympia from rural cult place, serving the petty chiefs of the western Pelopon nese, to inter state sanctuary under Elean control.“ Zu Delphi: Ebd., S. 106 186. Allgemein zu den kultischen Entwicklungen im 8. Jh. auch Osborne 2009, S. 82 98; 195. 140 Als Grundlage dieser These werden häufig die entsprechenden Aussagen bei Aristot. pol. 4, 1297b 16 24 angeführt: Καὶ ἡ πρώτη δὲ πολιτεία ἐν τοῖς ῞Ελλησιν ἐγένετο μετὰ τὰς βασιλείας ἐϰ τῶν πολεμούντων, ἡ μὲν ἐξ ἀρχῆς ἐϰ τῶν ἱππέων [. . .], αὐξανομένων δὲ τῶν πόλεων ϰαὶ τῶν ἐν τοῖς ὅπλοις ἰσχυσάντων μᾶλλον πλείους μετεῖχον τῆς πολιτείας. Dazu: Hall 2007, S. 155 161; Salmon 1977, S. 93 101; Welwei 1998, S. 72 76. Van Wees 2007, S. 292 298 argumentiert überzeugend, dass die Beteiligung am Krieg soziale Gruppen nicht per se politisierte, aber dass sie politisch aktiven Gruppen ein wichtiges Argument bzw. Druckmittel zur Verfügung stellte. Vgl. Van Wees 1995, S. 165 170. Ähnlich Donlan 1997, S. 44 47. Manville 1990, S. 85 88 sieht den entscheidenden Im puls zur Staatsbildung dagegen nicht in der Phalanx Kampfweise, sondern im Aufkommen der zwi schenstaatlichen Kriege überhaupt. 141 Van Wees 2007, S. 292.

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wechselseitigen Prozesse vollzogen sich natürlich regional unterschiedlich und über einen längeren Zeitraum von ca. 200 Jahren (8.-6. Jh.) hinweg.142 Die Waffenweihungen vermögen den Zusammenhang von Kriegsführung und Staatsbildung aber weiter zu stützen. Denn wenn die oben vorgeschlagene Interpretation der Votive als kollektive Handlung richtig ist, dann kommen als Stifter der Beuteweihungen nur die zunehmend auf Polisebene organisierten, militärischen Verbände in Frage. Die stadtstaatlichen Strukturen, deren Etablierung ebenfalls im 8. Jh. beginnt, bilden also einen möglichen historischen Rahmen für den Beginn der griechischen Waffenweihungen. Auch wenn die Anfänge der griechischen Kleinstaaten überwiegend im Dunkeln liegen, kann doch festgehalten werden, dass ökonomische Veränderungen und ein erhöhtes Bevölkerungswachstum im Ägäischen Raum des 8. Jhs. eine Reihe sozialer Veränderungen nach sich zogen. Das Entstehen neuer Siedlungskerne und die gemeinschaftlich organisierte Kolonisation erzwangen ein wachsendes Maß an gesellschaftlicher Interaktion, welches im Verlauf der archaischen Epoche wiederum in neuen Formen der Organisation, Institutionalisierung, gesetzlichen Regulierung und öffentlichen Repräsentation resultierte. Die komplexen Prozesse, welche von den lokalen Fürstentümern der sogenannten „Dark Ages“ über aristokratisch bzw. autokratisch regierte Gemeinwesen hin zu den egalitären Bürgergemeinschaften der klassischen Zeit führten, verliefen im Einzelnen sehr unterschiedlich und verschieden schnell. Sie können und müssen hier nicht detailliert nachgezeichnet werden.143 Jedenfalls führte die Ausbildung eines kollektiven Selbstbewusstseins in breiteren Bevölkerungsschichten zur Konstituierung von Polisgemeinschaften, die schnell in Konkurrenz zueinander traten und die charakteristische Zersplitterung der griechischen Staatenwelt herbeiführten. Inschriften auf Waffenweihungen Die These, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Aufkommen von Waffenweihungen und den Anfängen der Polisgesellschaft besteht, wird durch Weihinschriften gestützt, deren Anbringung auf den Beutestücken in der zweiten Hälfte des 6. Jhs. einsetzt. Die formelhaften Texte, welche direkt und gut sichtbar auf den Votivgegenständen angebracht wurden, nennen überwiegend Polisgemeinschaften, d.h. die Bewohner der Stadt im Nominativ Plural, als Stifter. Bei den beschrifteten Waffenweihungen in Olympia etwa steht den vereinzelten privaten Votiven (7) mehr als die sechsfache Anzahl an stadtstaatlichen Weihungen (46) gegenüber.144 Dieser Befund legt nahe, dass auch die früheren Waffendedikationen aus dem 8.-6.

142 Spahn 1977, bes. S. 78 79 stellt die Politisierung der Hoplitenschicht daher als mehrstufigen Prozess dar. 143 Vgl. Welwei 1998, S. 35 90; Raaflaub 1997, S. 53 57; Finley 1982, S. 101 119; Osborne 2009, S. 174 194. Zum 8. Jh. als Wendepunkt Morris 2013. Zum Entwicklungsstand der Gesellschaft in den Homerischen Epen Ulf 1990, bes. S. 85 173. 144 Katalog bei Baitinger 2001, S. 239 246, Anhang 1; vgl. NIvOl 120 160.

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Jh. überwiegend kollektive Beuteweihungen sind, wenngleich diese Annahme aufgrund fehlender Inschriften hypothetisch bleiben muss. Eines der ältesten Exemplare beschrifteter Votive dürfte ein korinthischer Helm sein, der im Flussbett des Kladeos bei Olympia zutage kam und am unteren linken Rand folgende Inschrift trägt: ᾿Ερχομένιοι ἀνέϑεια[ν τ]οῖ Δὶ τοῖ ᾿Ολυπίοι Ϙορονεία[ϑεν]. Die Orchomenier weihten (dies) dem olympischen Zeus aus (der Schlacht von) Koroneia.145 (NIvOl 121)

Der Kriegszug der mittelgriechischen Stadt Orchomenos in das südlicher gelegene Koroneia ist ansonsten unbekannt, kann aber aufgrund der boiotischen Inschrift ins dritte Viertel des 6. Jhs. datiert werden.146 Der kurze Text folgt bereits der bis in hellenistische Zeit hinein üblichen dreiteiligen Weiheformel, die auch von den orientalischen Waffenweihungen bekannt ist: der Name des Stifters, die empfangende Gottheit (bzw. ihr Heiligtum) und der Beuteanlass. Insbesondere beim letzten Element treten Variationen und Dopplungen auf. Eine klassische Waffenweihung der Sikyonier z.B. nennt als Anlass der Weihung sowohl den Ort der Schlacht als auch den besiegten Gegner. [τ]οὶ Σεϰυόνιοι ἀνέϑεν τοῖ Δὶ ἐξ ῾Αλιέον ᾿Αϑεναίον hελόντες. Die Sikyonier weihten (dies) dem Zeus aus ihrem Sieg über die Athener bei Halieis.147 (NIvOl 159)

Neben diesen drei Elementen enthalten die meisten Formeln Bezeichnungen des Stiftungsvorgangs (ἀνέϑειαν) und seltener des Beuteguts (λάφυρα, δεϰάτη, σϰῦλα, ἀϰροϑίνιον, hιαρόν ).148 Während sich, wie bei den beiden genannten Beispielen, meist nur ein bis maximal drei Votive der Beute aus ein- und derselben Schlacht zuordnen lassen, sticht ein anderer Komplex aus den Fundwaffen von Olympia heraus. Die Argiver weihten aus einer Schlacht gegen Korinth mindestens 15 Beutewaffen, darunter allein acht Schilde, die mit identischen Inschriften versehen sind.149 Die Waffen datieren in die Zeit 530–490 und waren nach der Dedikation wahrscheinlich auf dem südlichen Wall des archaischen Stadions ausgestellt, wo sie ergraben wurden. Die einzige historiographische Nachricht, die sich mit diesen

145 Vgl. SEG 17, 205; 11, 1208. 146 Jeffrey 1990, S. 93; S. 95, Nr. 11. Eine Verbindung zu der aus Thuk. 1, 113, 2 und 3, 62, 5 bekann ten Schlacht von Koroneia im Jahr 447 ist angesichts dieser Datierung unwahrscheinlich. 147 Vgl. SEG 31, 369; 42, 3831; 49, 473. Die Schlacht bei Halieis fand 458 unter Beteiligung der Ko rinther und Epidaurier statt: Thuk 1, 105, 1; Diod. 11, 78. 148 Zum Aufbau der Weihinschriften NIvOl, S. 164; Lazzarini 1976, S. 163 168. 149 NIvOl 131 142: Τἀργεῖοι ἀνέϑεν τοῖ Διϝὶ τõν Ϙορινθόθεν. (Nr. 131 ohne Prädikat). Baitinger 2001, S. 239 240, Anhang 1, Nr. 2a p mit Literaturangaben.

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Funden hypothetisch verbinden lässt, ist eine Notiz bei Pausanias, wonach die Argiver der Polis Megara am Ende des 6. Jhs. gegen die Korinther beistanden.150 Jackson hat dennoch versucht, die militärische Auseinandersetzung in größere Zusammenhänge einzuordnen. Er konnte anhand von stilistischen Unterschieden zeigen, dass mindestens acht Schreiber für die Markierung der Beutewaffen beschäftigt wurden und dass ihre Zahl daher ursprünglich wesentlich größer gewesen sein muss, als die erhaltenen Stücke erwarten lassen. Tatsächlich scheint die Schlacht zwischen den Argivern (zusammen mit Megara) und Korinthern die Machtverhältnisse auf der Peloponnes erheblich verschoben zu haben. Die Polis Argos, welche noch 547 von den Spartanern gedemütigt worden war und mehrere Hundert der besten Hopliten verloren hatte, konnte sich nun rehabilitieren und den wichtigsten Verbündeten der Spartaner in die Knie zwingen.151 Mit der Stiftung einer beachtlichen Zahl von Beutewaffen in Olympia dankten die Sieger Zeus für seine Gewogenheit und Unterstützung in der Schlacht. Doch das (massenhafte) Anbringen von Beuteinschriften offenbart noch eine andere Intention: man wollte die Dedikationen auch für die Zukunft eindeutig identifizierbar machen und damit einen anhaltenden Kristallationspunkt für die Erinnerung an den militärischen Sieg schaffen. Die Beschriftung der Beutewaffen macht also „aus dem anonymen Rüstungsstück ein historisches Dokument“152 oder – anders gesagt – aus der Schlachtfeld-Reliquie ein Kriegsdenkmal. Außerhalb von Olympia, wo beschriftete Beuteweihungen in bemerkenswerter Zahl vorkommen, sind derartige Funde nur sehr vereinzelt bekannt. In den städtischen Heiligtümern von Rhamnous und Athen konnten mit einiger Wahrscheinlichkeit Beutestücke aus der Eroberung von Lemnos nach 510 identifiziert werden und im lokalen Heiligtum von Korone kam eine gleichzeitige Waffendedikation der Messenier von einer Auseinandersetzung mit Athen zutage.153 Darüber hinaus datieren alle bisher bekannten Votive mit Beuteinschriften in klassisch-hellenistische Zeit und konzentrieren sich auf die Agora von Athen.154 Die asymmetrische Verteilung des Fundmaterials lässt – auch nach Berücksichtigung von Überlieferungs- und Fundzufall – einen eindeutigen Schluss zu: das Zeusheiligtum in Olympia war der Hauptausstellungsort für Beuteweihungen und damit das Zentrum der griechischen Kriegserinnerung in archaischer Zeit. Ein wichtiger Grund für die Monopolstellung

150 Paus. 6, 19, 13 14. 151 Jackson 2000, bes. S. 300 308. Zur Schlacht von 547 Hdt. 1, 82. Zu Jacksons Interpretation zu letzt kritisch: Robu 2014, S. 45 47. Er vermutet, dass sich die Notiz des Pausanias auf einen älteren Konflikt im 8. oder 7. Jh. bezieht. 152 Baitinger 2012, S. 29. 153 Rhamnous: IG I3 522bis: ῾Ραμνόσιοι οἵ ἐν Λέμνο[ι ἀ]νέ[ϑεσαν Νεμ]έσει. . . Athen: IG I3 518: [᾿Αϑε ναῖοι τ]õν ἐγ Λέ[μνο]. Vgl. IG I3 1466 (Parallelweihung in Olympia). Zur Eroberung von Lemnos Hdt. 6, 137 140. Korone: Jeffrey 1990, S. 203 204; 206, Nr. 3: Μεϑάν[αιοι] ἀνέϑε[ν ἀπ’] Αϑαναῖ[ον τὰς] λαίδο[ς]. 154 Dazu Kap. 3.2.2; Baitinger 2011, S. 15 16. Weiter bekannt ist ein korinthischer Helm in Mykene, den die Argiver 272 von Pyrrhos erbeutet haben: Daux 1966, S. 782, Abb. 12.

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des Heiligtums war sicherlich, dass Olympia ein bedeutendes Orakel beherbergte und dass den beiden ansässigen Sehergeschlechtern, den Iamiden und Klytiaden, eine herausragende Autorität in militärischen Angelegenheiten zukam.155 Nicht zufällig enthalten die Kriegsbeschreibungen in der griechischen Historiographie häufig Episoden, wonach elische Seher an den Feldzügen teilnahmen und die griechischen Heere mit Opfern, Orakeln und strategischen Ratschlägen unterstützen.156 Berühmt sind etwa der Seher Tellias, welcher den Phokern mit verschiedenen Kriegslisten zum Sieg über die Thessaler verhalf, und Megistias, der den Griechen an den Thermopylen ihren Tod prophezeite und dort ein eigenes Grabmal erhielt.157 Baitinger nimmt deshalb an, dass die Angehörigen der elischen Sehergeschlechter bei den Feldzügen auch Einfluss auf die Verteilung der Beute nehmen und so gewichtige Anteile für den olympischen Zeus sichern konnten.158 Doch bei der Wahl des Heiligtums von Olympia zur Deponierung der Beutewaffen kam sicher noch ein anderer Aspekt hinzu. Der wichtigste Grund, warum die Argiver ihre reiche Korintherbeute nicht in den städtischen Heiligtümern im eigenen Einflussgebiet, sondern in der Altis deponierten, ist, dass dort ein wesentlich größeres Publikum adressiert werden konnte.159 Beschränkte sich die Erinnerungsgemeinschaft in lokalen Tempeln auf die Bewohner der eigenen Stadt bzw. des Umlandes, konnte ein militärischer Sieg in Olympia vor großen Teilen der griechischsprachigen Welt inszeniert werden. Diese repräsentative Funktion der Beuteweihungen wird noch durch ihren Aufstellungsort innerhalb des Heiligtums unterstützt. Die Beutewaffen der griechischen Stadtstaaten zierten die Wälle des frühesten Stadions (560–500) in Olympia (Abb. 1) und spätestens seit dem Ende des 6. Jhs. wird der Brauch greifbar, Schildweihungen an den Giebeln von Schatzhäusern und Tempeln weithin sichtbar aufzuhängen.160 Die Beutewaffen als Zeugnisse militärischer Erfolge wurden also vor den Augen der griechischen Welt ausgestellt und waren ein Ausdruck der institutionalisierten zwischenstaatlichen Konkurrenz, welche ab dem frühen 6. Jh. auch in der Durchführung der panhellenischen Festveranstaltungen in Delphi, Olympia, am Isthmos und in Nemea zum Ausdruck kam.161 Vor diesem Hintergrund erstaunt es auch nicht, dass die meisten Beuteweihungen aus innergriechischen Konflikten stammen und nur selten von der Überwindung äußerer Gegner zeugen. Aus der Kommemoration eines 155 Sinn 1991, S. 38 45. 156 Dazu grundlegend Weniger 1915, S. 67 82; vgl. Pritchett 1979, S. 56 57. 157 Zu Tellias: Hdt. 8, 27 28; Paus. 10, 1, 8 11. Zu Megistias: Hdt. 7, 219, 1; 7, 228, 3 (Grabinschrift). 158 Baitinger 2011, S. 77 80. 159 Vgl. Jackson 1993, S. 244. 160 Baitinger 2011, S. 129; 165. Das früheste bekannte Beispiel ist eine beschriebene Schildweihung am Schatzhaus der Megarer in Olympia, das möglicherweise mit der Beute aus dem oben behandel ten Krieg gegen Korinth finanziert wurde. Dazu Paus. 6, 19, 13: ἀνάϰειται δὲ ϰαὶ ἀσπὶς ὑπὲρ τοῦ ἀετοῦ, τοὺς Μεγαρέας ἀπὸ Κορινϑίων ἀναϑεῖναι τὸν ϑησαυρὸν λέγουσα. 161 Morgan 1990, S. 205; 212 223; Osborne 2009, S. 231 232.

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Abb. 1: Auf den Wällen des Stadions in Olympia waren in archaischer Zeit Pfähle mit Beutewaffen aus den siegreichen Schlachten der Kultteilnehmer aufgestellt. Die Waffen wurden dem Göttervater Zeus zum Dank für seine Unterstützung auf dem Schlachtfeld geweiht. (Foto J. Schröder)

Sieges über andere Griechen ließ sich mindestens in archaischer Zeit offenbar ein hohes Maß an Prestige generieren, wobei die symbolische Bedeutung, welche den Beuteweihungen dabei zukam, kaum groß genug eingeschätzt werden kann. Eine Episode aus der Zeit des Peloponnesischen Krieges zeigt, welcher Stellenwert der Weihung von Kriegsbeute in der klassischen Kriegsführung zukam. Nachdem eine Schlacht zwischen Mantineiern und Tegeaten unentschieden geblieben war, weil beide Gegner die Phalanx des anderen durchbrochen hatten, versuchten beide Parteien, den Sieg für sich zu beanspruchen, indem sie Schlachtfeldtropaia errichteten und Beute nach Delphi sandten.162 Die Beuteweihungen in den griechischen Heiligtümern dienten also nicht nur dazu, Siege zu kommemorieren, sondern fungierten vielmehr auch als Verifikation derselben. Denn anders als bei den Vorgängen auf dem Schlachtfeld, denen in der Regel nur die Krieger selbst beiwohnten, konnten die Beutewaffen in Heiligtümern vor einem sehr viel breiteren Publikum inszeniert werden und so auch diejenigen Teile der Gesellschaft adressieren, die nicht

162 Thuk. 4, 134, 1. Zum Tropaion vgl. Kap. 3.3.2.

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am Kampf beteiligt waren. Waffenweihungen konstituierten also gewissermaßen eine frühe Form der Geschichtsdokumentation (auch) für ein ziviles Publikum. Die Dedikation von Beutewaffen in Olympia – insbesondere wenn sie so große Mengen umfasste wie die Weihung der Argiver – bot den jungen Stadtstaaten wiederum die Möglichkeit, nicht nur den militärischen Erfolg, sondern auch ihre wirtschaftliche Stärke vor den Augen der griechischen Welt zu inszenieren.163 Jackson gibt außerdem zu bedenken, dass den ausgestellten Beutewaffen eine zentrale Rolle bei der moralischen Vorbereitung der Hopliten auf die Schlacht zugekommen sein könnte. Beim Anblick der Dedikationen konnten die jungen Männer sich die Erfolge ihrer Vorfahren und das Beisein der Götter vergegenwärtigen, um so den Mut und die Disziplin für den bevorstehenden Kampf zu steigern.164 In diese Richtung weist auch eine Äußerung Plutarchs, aus der hervorgeht, dass der Anblick von Beutewaffen den Heranwachsenden als handlungsleitendes Exempel diente.165 Neben dem neuen kollektiven Bewusstsein innerhalb der sich in archaischer Zeit formierenden Polisverbände mag auch eine neue Sichtweise auf die Kriegsführung selbst zur Ausbildung dieser frühen Form der Kriegserinnerung beigetragen haben. Während der Demos zuvor nur in Hilfsfunktionen am von Adeligen dominierten Krieg beteiligt war, stellte nun ein größerer Teil dieser Gruppe den entscheidenden Faktor für den Erfolg militärischer Unternehmungen dar.166 Die Entscheidung über Krieg und Frieden wird daher immer weniger in einem kleinen Kreis getroffen worden sein können. Kriege konnten nicht mehr nur für die materiellen Vorteile Einzelner geführt werden, sondern mussten – zumindest im öffentlichen Diskurs – zunehmend die Erfüllung kollektiver Interessen (Freiheit, Ehre, Gerechtigkeit, Macht) berücksichtigen.167 Auch wenn die klassischen Autoren den wirtschaftlichen Aspekten der Kriegsführung weiterhin ebenso viel Gewicht beimessen wie der Gewinnung von Ruhm,168 so ist das (immaterielle) Streben der Polisverbände nach Profilierung innerhalb der griechischen Staatenwelt doch von zentraler Bedeutung. Einerseits ist die Überzeugung, für gemeinsame Interessen zu kämpfen, grundlegend für den moralischen Zusammenhalt des Milizheers und andererseits ist sie ausschlaggebend dafür, dass der Krieg aus Sicht der Gemeinschaft erinnerungswürdig wird. In dieser Hinsicht bestehen

163 Vgl. Snodgrass 1980, S. 130 131. 164 Jackson 1993, S. 232 243. 165 Plut. mor. 224 F: Πυϑομένου δέ τινος διὰ τί τὰ ἀπὸ τῶν πολεμίων ὅπλα τοῖς ϑεοῖς οὐϰ ἀνατιϑέα σιν, ἔφη ὅτι τὰ διὰ τὴν δειλίαν τῶν ϰεϰτημένων ϑηραϑέντα οὔτε τοὺς νέους ὁρᾶν ϰαλόν οὔτε τοῖς ϑεοῖς ἀνατιϑέναι. 166 Welwei 1998, S. 74. 167 Gabrielsen 2007, S. 250 251. 168 Thuk. 1, 76, 2: ὑπὸ τῶν μεγίστων νιϰηϑέντες, τιμῆς ϰαὶ δέους ϰαὶ ὠφελίας. Vgl. Pl. Prot. 354b; Xen. hell. 3, 5, 12; Demosth. or. 15, 17; Aristot. pol. 1266b, 38 39. Dazu Van Wees 2007, S. 288.

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bemerkenswerte Parallelen zwischen der frühen Polisgesellschaft und dem nation building im Europa des 19. Jhs.169 Die Entstehung bürgerlicher Gesellschaftsschichten ist in beiden Fällen eng mit dem Bedürfnis nach einer historisch begründbaren Gruppen-Identität und daher mit dem Aufkommen eines säkularen (in Griechenland möchte man vielleicht eher von nicht-mythischen sprechen) Geschichtsbewusstsein verbunden. Um sich der kollektiven Identität innerhalb des Stadtstaates zu versichern, beginnen die Polisgemeinschaften also spätestens ab der Mitte des 6. Jhs., sich ihre militärischen Leistungen zu vergegenwärtigen und diese in den Heiligtümern mithilfe von Denkmälern historisch zu dokumentieren. Die kriegerischen Erfolge der Gemeinschaft werden nun ein Teil des kulturellen Gedächtnisses, in dem die militärischen Ereignisse zu Erinnerungsfiguren abstrahiert werden. Die geweihten Waffen kommunizieren durch die darauf angebrachten Inschriften mit den Besuchern der Heiligtümer und verbürgen mit ihren materiellen Eigenschaften gleichzeitig die Historizität vergangener Schlachten (materielle Kohärenz). Die beschrifteten Dedikationen dienten in diesem Sinne als Träger politischer Botschaften und als Mittel zur Selbstdarstellung sozialer Gruppen. Die Erinnerung an militärische Erfolge wurde wirkungsvoll durch die jungen griechischen Stadtstaaten vereinnahmt und politisiert. Individuelle Kriegserinnerung Die Sitte, im Krieg erbeutete Waffen zu weihen, hat sich, wie bereits dargestellt, von Mittelgriechenland aus schnell und nachhaltig über die gesamte griechischsprachige Welt verbreitet. Unter den inschriftlich belegten Stiftern in Olympia etwa finden sich neben Stadtstaaten auf der Peloponnes, in Attika und in Boiotien insbesondere auch unteritalische Poleis. Die westgriechischen Städte bilden bei den erhaltenen Inschriften mit 20 Waffenteilen nach den Poleis auf der Peloponnes die größte Stiftergruppe.170 Die Bewohner der Koloniestadt Hippion weihten im letzten Viertel des 6. Jhs. gemeinsam mit ihren Verbündeten aus Medma und Lokroi erbeutete Schilde aus einer Schlacht gegen die benachbarte Polis Kroton.171 Die Kommemoration dieser inneritalischen Auseinandersetzung wird für das mutterländische Publikum kaum von Interesse gewesen sein, hatte aber dennoch eine wichtige Funktion. Die Herkunftsstädte der meisten westgriechischen Siedler befanden sich auf der Peloponnes, weshalb sie sich dem Heiligtum von Olympia, als religiösem

169 Siebeck 2010, S. 178; Hettling 2013, S. 11 18. 170 Katalog bei Baitinger 2001, S. 242 243, Anhang 1 D. Morgan 1990, S. 34 zeigt mithilfe von Im port Votiven, dass das Engagement der westgriechischen Siedler in Olympia bereits im 9./8. Jh. einsetzt. 171 NIvOl 125: Τοὶ Ϝειπονῖες ἀνέϑ[εϰαν] τõν Ϙροτονια[τᾶν] ϰαὶ Μαδμαῖοι ϰαὶ Λ[οϙροί].

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Zentrum dieser Region, heimatlich verbunden fühlten.172 Bezeichnenderweise weihten die ebenfalls im westlichen Mittelmeer gelegenen, aber von Ostgriechen gegründeten Städte Massalia und Lipari ihre Kriegsbeute nach Delphi.173 Die anhaltende Präsenz der Kolonisten in den mittelgriechischen Kultzentren – und zwar nicht nur durch Weihungen, sondern insbesondere auch durch die Teilnahme an den panhellenischen Agonen – ermöglichte den Siedlern, sich ihres Griechentums zu versichern und gleichzeitig die Emanzipation von der Mutterstadt durch das Zelebrieren des eigenen historischen Selbstbewusstseins vor einem griechischen Publikum zu demonstrieren.174 Die militärische Überwindung benachbarter Griechenstädte scheint bei der Identitätsbildung in den westlichen Poleis dabei ebenso zentral gewesen zu sein wie im griechischen Mutterland. Da sich in Unteritalien und Sizilien selbst kein überregionales Kultzentrum zu etablieren vermochte, nutzten die Westgriechen noch bis weit ans Ende des 5. Jhs. das Heiligtum von Olympia als zentralen Ort zur zwischenstaatlichen Kommunikation und Selbstdarstellung.175 Vor diesem Hintergrund ist auch die Weihung einer Polis namens Apollonia, bei der es sich um die korinthische Gründung im illyrischen Raum und damit um den nördlichsten Stifter innerhalb dieser Fundgruppe handeln muss, zu verstehen.176 Kleinasiatische Koloniestädte dagegen fehlen in den erhaltenen Weihinschriften gänzlich. Auch die archäologischen Funde in den Heiligtümern dieser Region selbst legen nahe, dass die Sitte der Waffenweihungen hier keine signifikante Bedeutung hatte. Die Menge der in Kleinasien dokumentieren Fundwaffen bleibt weit hinter dem Bestand mittel- und südgriechischer Kultplätze zurück und das Spektrum der Waffen weist einige Eigenarten auf, die im hellenischen Mutterland fehlen.177 In dem überregional bedeutenden Orakelheiligtum des Apollon in Didyma etwa kamen nur einige Pfeil- und Lanzenspitzen aus archaischer Zeit zutage.178 Man geht sicher nicht falsch in der Annahme, dass die zwischenstaatliche Politik der kleinasiatischen Städte unter lydischer bzw. persischer Herrschaft anderen Mechanismen folgte als zwischen den freien Städten im griechischen Mutterland.179

172 Philipp 1994, S. 88 89. 173 Paus. 10, 18, 7; 10, 16, 7 und möglicherweise dazugehörig FdD III 4, 184. 174 Vgl. Morgan 1990, S. 16 17. 175 Philipp 1994, S. 78 92; Giangiulio 1993. Zur Teilnahme der Westgriechen an den Olympischen Spielen: Hönle 1972, S. 67 119. 176 Auf dem chalkidischen Helm ist nur der Name der Stiftenden ᾿Απολλονιάται sicher zu lesen: NIvOl 155. Ebd. schließt Rausch aus, dass es sich dabei um den gleichnamigen Ort auf der Chalki dike handelt, da dieser keine nachweisbaren Verbindungen zu Olympia hatte, während die illyri sche Polis mit zwei weiteren Votiven vertreten ist: Paus. 5, 22, 2 3; NIvOl 34; Paus. 6, 14, 13. Zur Gründung Apollonias Hdt. 9, 92 95. 177 Baitinger 2011, S. 155 156. 178 Baintinger 2011, S. 33. 179 Zur Herrschaftsorganisation im Achämenidenreich: Briant 2002, S. 302 352; Frei/Koch 1996, S. 8 113; Marek 2010, S. 204 209. Die militärische Sicherung des Territoriums fiel in den

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Konflikte zwischen benachbarten Städten unterlagen der Regulierung durch die Satrapen bzw. den Großkönig und waren daher wenig geeignet, das Selbstbewusstsein der städtischen Gemeinschaften in panhellenischen Heiligtümern zu repräsentieren. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass sich bei den Griechen in Kleinasien (anders als in Unteritalien) eigene, überregionale Kultzentren ausbildeten, in denen die regionale Identität gepflegt wurde.180 Morgan konnte zeigen, dass die größtenteils von Tyrannen beherrschten Städte Ioniens ihre staatlichen Aktivitäten in den Heiligtümern auf die prestigeträchtige Stiftung monumentaler Tempelarchitektur konzentrierten, wie dies etwa auch von den Peisistratiden in Athen praktiziert wurde.181 Die Aufstellung von Kriegsdenkmälern im Rahmen der Konkurrenz städtischer Bürgerschaften entsprach daher nicht den politischen Bedürfnissen der östlichen Griechen. Die erbeuteten Waffen selbst wurden möglicherweise vom monarchischen Herrscher beansprucht und die Kriegserinnerung durch ihn monopolisiert. In dieser Weise können etwa die zahlreichen Beuteweihungen verstanden werden, die der lydische König Kroisos nach seiner Eroberung Ioniens in griechischen Heiligtümern deponierte.182 Von den Perserkönigen selbst ist überliefert, dass sie einen Teil der eroberten Ländereien und der Kriegsbeute innerhalb des Hofstaates und unter den Soldaten aufteilten. Einen Großteil der Einnahmen behielten die Könige aber ihrem Staatsschatz vor, weshalb Antigonos bei der Einnahme von Susa im Jahr 317 neben Kunst- und Wertgegenständen auch gehortete Kriegsbeute vorfand.183 Jedenfalls erklärt die These der Monopolisierung von Kriegseinnahmen hinreichend das vollständige Fehlen von Beutedenkmälern kleinasiatischer Städte in archaisch-klassischer Zeit. Bei den beschrifteten Waffenweihungen der archaischen Epoche ist weiter das Fehlen der Polis Sparta, des Hoplitenstaates schlechthin, erklärungsbedürftig – ein Problem, das bereits antike Autoren beschäftigte. In den Apophthegmata des Plutarch finden sich zwei Aussprüche spartanischer Könige, die vorgeben die Frage zu beantworten, warum die Bewohner des Kriegerstaates niemals die von Gegnern erbeuteten Waffen weihten. Sowohl Kleomenes, Sohn des Anaxandridas, als auch Leotychidas, Sohn des Ariston, sollen geantwortet haben, dass die Beute sich nicht für die Götter eigene, weil sie von Feiglingen (ἀπὸ δειλῶν) stamme.184 Diese beiden

Tätigkeitsbereich der Satrapen. Dazu Waters 2014, S. 102. Zu Satrapieneinteilung des Perserreichs vgl. Klinkott 2000; Koch 1993, S. 5 42. 180 Dazu Marek 2010, S. 166 169. 181 Morgan 1990, S. 227 228. 182 Hdt. 1, 92. Zu dem goldenen Votivschild in Delphi auch Paus. 10, 8, 7. 183 Zur Beuteaufteilung Briant 2002, S. 313. Vgl. Diod. 19, 48, 8: ἠϑροίσϑη δ’ αὐτῷ ϰαὶ ἄλλο πλῆϑος χρημάτων ἔϰ τε τῶν στεφάνων ϰαὶ τῶν ἄλλων δωρεῶν, ἔτι δὲ ἐϰ τῶν λαφύρων. 184 Plut. mor. 224 B: Πυνϑανομένου δὲ τινος αὐτοῦ διὰ τί Σπαρτιᾶται τοῖς ϑεοῖς οὐϰ ἀνατιϑέασι τὰ ἀπὸ τῶν πολεμίων σϰῦλα, ὅτι ἔφη ἀπὸ δειλῶν ἐστι. Plut. mor. 224 F: Πυϑομένου δέ τινος διὰ τί τὰ ἀπὸ τῶν πολεμίων ὅπλα τοῖς ϑεοῖς οὐϰ ἀνατιϑέασιν, ἔφη ὅτι τὰ διὰ τὴν δειλίαν τῶν ϰεϰτημένων ϑηραϑέντα οὔτε τοὺς νέους ὁρᾶν ϰαλόν οὔτε τοῖς ϑεοῖς ἀνατιϑέναι.

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Erklärungen werden aber hinfällig, angesichts eines dritten Ausspruchs, der dem Staatsgründer Lykurg zugeschrieben wird: Πυνϑανομένου δέ τινος, διὰ τί τοὺς τῶν πολεμίων νεϰροὺς ἀπηγόρευσε σϰυλεύειν, ὅπως ἔφη, μὴ ϰυπτάζοντες περὶ τὰ σϰῦλα τῆς μάχης ἀμελῶσιν, ἀλλὰ ϰαὶ τὴν πενίαν ἅμα τῇ τάξει διασῴζωσι. Als jemand fragte, warum er verboten hatte, die Toten der Feinde zu berauben, sagte er: damit sie nicht den Kampf vernachlässigen, während sie sich nach der Beute bücken, und auch damit sie ihre Armut und ihre Aufstellung beibehalten. (Plut. mor. 228F 229A; Eigene Übers.)

Auch der kaiserzeitliche Historiker Ailianos kennt ein solches spartanisches Verbot, die Leichen der gefallenen Gegner zu berauben.185 In diesem Fall hätte man die gegnerischen Waffen also nicht, wie oben behauptet, als für die Weihung unangemessen befunden, sondern zusammen mit der übrigen Beute auf dem Schlachtfeld belassen. Dieser Annahme widersprechen aber klassische Quellen, die berichten, dass spartanische Hopliten Beutewaffen einsammelten.186 Wesentlich gewichtiger als die gegensätzlichen Berichte in der Historiographie sind aber die Zeugnisse für spartanische Weihdenkmäler, deren Finanzierung ohne das Einsammeln und Veräußern der Kriegsbeute nicht denkbar ist. Genannt seien etwa eine bronzene Zeusstatue, die die Lakedaimonier noch vor den Perserkriegen mithilfe von Messenierbeute in Olympia stifteten, die Beteiligung an der Schlangensäule in Delphi, die aus Perserbeute errichtete Stoa Persike in Sparta selbst, der goldene Schild, den die Spartaner zusammen mit ihren Verbündeten nach der Schlacht von Tanagra in Olympia weihten, und die 38-teilige Statuengruppe des Feldherrn Lysandros für den Sieg bei Aigospotamoi.187 Darüber hinaus beteiligten sich die Spartaner in den Perserkriegen und im Peloponnesischen Krieg nachweislich an der Weihung erbeuteter Schiffe.188 Die Annahme der kaiserzeitlichen Autoren, dass den Spartanern das Einsammeln von Beute verboten war oder dass man Kriegsbeute von (feigen) Gegnern prinzipiell nicht für geeignet erachtete, in Heiligtümern gestiftet zu werden, ist also unhistorisch. Vor dem Hintergrund der archäologischen Befunde muss dagegen ernst genommen werden, dass die Spartaner Vorbehalte gegen das Weihen von gegnerischen Waffen hatten. Denn trotz des umfangreichen Fundmaterials gibt es bisher keine Bronze- oder Eisenwaffen, die sich auf kollektive Weihungen der Spartaner zurückführen lassen, und der oben erwähnte Goldschild dürfte eine eigens angefertigte Votivgabe gewesen sein. Das Fehlen spartanischer Waffenweihungen in 185 Ail. var. 6, 6: ὅτι οὐϰ ἐξῆν ἀνδρὶ Λάϰωνι οὐδὲ σϰυλεῦσαι τὸν πολέμιον. 186 Hdt. 1, 82, 5; Thuk. 5, 74, 2. Jackson 1993, S. 241 nimmt an, dass man das Verbot für die Ho pliten durch den Einsatz von Heloten umging, wie etwa bei Hdt. 9, 80. 187 Zur Zeusstatue: Paus. 5, 24, 3 wohl mit falscher Zuordnung; vgl. IG V,1 1562 und Jeffrey 1990, S. 196, Nr. 49. Zur Stoa Persike: Paus. 3, 11, 3; Vitr. 1, 1, 6. Zum Votivschild: Paus. 5, 10, 4. Zur Sta tuengruppe: Paus. 10, 9, 7 11; Plut. Lysandros 18, 1. 188 Hdt. 8, 121; Thuk. 2, 92, 5. Dazu: Pritchett 1979, S. 292 293.

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den griechischen Heiligtümern ist darüber hinaus wohl der historische Kern, um den die von Plutarch überlieferten Aussagen spartanischer Könige gedichtet wurden. Warum die Spartaner diese allgemeingültige Praxis der griechischen Poleis nicht mitgetragen haben, kann unterdessen nicht mehr mit Sicherheit geklärt werden. Denkbar wäre, dass man es tatsächlich, so wie Plutarch impliziert, aus ideellen Gründen ablehnte, die Waffen der Gegner im öffentlichen Raum auszustellen.189 Möglich wären aber auch praktische Motive, wie etwa das Bestreben, innere und äußere Feinde daran zu hindern, die geweihten Waffen in Kriegssituationen wiederzuverwenden. Derartige Umnutzungen von Tempelinventaren als Waffenarsenale sind in der griechischen Geschichte mehrfach belegt und hätten, etwa im Fall eines Aufstandes der sonst nur leichtbewaffneten Heloten, einen strategischen Vorteil für die Feinde der Lakedaimonier bedeutet.190 Noch eine weitere Beobachtung zu den inschriftlich erwähnten Stiftern von Waffenweihungen in Olympia ist von Interesse. Stadtstaaten, die in archaischer Zeit nachweislich von Tyrannen regiert wurden, haben erst nach deren Sturz begonnen, Beuteweihungen nach Olympia zu schicken. Angesichts der aufwendigen Weihgeschenke, welche in der griechischen Literatur unter den Namen von Angehörigen der Tyrannengeschlechter für die archaische Zeit überliefert sind, erstaunt diese Tatsache.191 Dass von den frühen metallenen und statuarischen Beuteweihungen in den griechischen Heiligtümern kein einziges Stück mit dem Namen eines Tyrannen verbunden ist, kann zunächst damit erklärt werden, dass sich die Selbstdarstellung dieser Herrschaftsform weniger auf militärische Leistungen und mehr auf andere Aspekte, wie die euergetische Tätigkeit in der eigenen Stadt oder in lokalen Heiligtümern, gründete.192 Der Quellenbefund legt aber noch einen anderen Hintergrund nahe. Die bereits erwähnte Argiverweihung datiert an das Ende des 6. Jhs. und damit mehrere Generationen nach dem Sturz des Adelsherren Pheidon.193 Ähnlich verhält es sich mit den ersten überlieferten Weihungen der Sikyonier in Olympia, die etwa 75 Jahre

189 Plut. mor. 224 F. 190 So Plut. Kimon 5, 2 3 (490 in Athen); Xen. hell. 5, 4, 8; Plut. Pelopidas 12, 1 (379 in Theben); Polyain. 3, 8 (266 in Argos); Polyb. 5, 8, 8 9 (218 in Thermos). Dazu: Baitinger 2011, S. 141 142. 191 Sammlung der Quellen bei De Libero 1996, S. 94 370. 192 Zur Bedeutung der Kultpflege und Wohltätigkeit für die Herrschaftssicherung der Tyrannis: Brandt 1998, S. 195 201; De Libero 1996, S. 408 409; Oliveira Gomes 2007, S. 63 68; 84 88; Sha piro 1989, S. 5 15; Stahl 1987, S. 233 255. 193 IvOl 250 251 und NIvOl 131 142. Die Datierung der Regierungszeit Pheidons ist stark umstrit ten. Die Quellen schwanken zwischen dem ausgehenden 9. und frühen 6. Jh. vgl. De Libero 1996, S. 208, Fn. 3. Gehrke 1990, S. 38 41 hat die Spätdatierung von Hdt. 6, 127, 3 jedoch mit guten Argu menten nach oben in die zweite Hälfte des 8. Jhs. datiert. Zur Herrschaft des Pheidon vgl. De Libero 1996, S. 207 217; Robu 2014, S. 46 47.

2.1 Die Weihung erbeuteter Waffen

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nach dem Sturz der Orthagoriden-Dynastie einsetzten.194 Am engsten ist der zeitliche Zusammenhang in Athen. Während von den Athenern aus dem 7. Jh. und der Zeit der Peisistratiden ebenfalls keine Beuteweihungen bekannt sind, weihte die Generation nach der Vertreibung der Tyrannen gleich zu zwei Anlässen beschriftete Beuteweihungen nach Olympia. Bei der ersten Dedikation handelt es sich um einen korinthischen Helm, dessen Inschrift an die Eroberung von Lemnos erinnert, und das zweite Votiv ist ein orientalischer Kegelhelm wohl aus der Perserbeute von Marathon.195 Insofern diese wenigen Fälle mehr als einen Überlieferungszufall widerspiegeln, muss daraus geschlossen werden, dass die Beuteweihungen ein Spezifikum von Polisgemeinschaften sind, in denen die bürgerliche Gesellschaftsschicht dominiert, wie es nach dem Sturz der Tyrannen in der Regel der Fall war. Die beschrifteten Waffenweihungen repräsentieren neben dem kollektiven Selbstbewusstsein der Polis also auch die egalitären Ideale der „Mittelschicht“, welche von den Hopliten getragen wurde. Dank der vergleichsweise späten Herrschaft des Hieron von Syrakus verfügen wir sogar über ein missing link zwischen der Kommemorationskultur von Tyrannis und Bürgergesellschaft. Hieron nutzte 474 die bereits im Auslaufen begriffene Praxis der beschrifteten Waffenweihungen, um seinen Seesieg über die Etrusker in Olympia zu kommemorieren und damit seine Vorherrschaft über Sizilien zu begründen. Die gleichlautende Inschrift auf den drei Helmen lautet: Hιάρον ὁ Δεινομένεος ϰαὶ τοὶ Συραϰόσιοι τοῖ Δὶ Τυραννõν ἀπὸ ϰύμας. Hieron, Sohn des Deinomenes, und die Syrakusier (weihten dies) dem Zeus (aus der Beute) (NIvOl 157.) von den Tyrrhenern bei Kyme.196

Unter den bisher bekannten Inschriften des Hieron ist dies der einzige Fall, in dem der Demos von Syrakus als Stifter mitgenannt wird197 – die Annahme, dass es sich dabei gewissermaßen um eine Vorgabe der Textgattung (Waffenweihungen aus Beute) handelt, ist also naheliegend.198 Es kann festgehalten werden, dass die

194 NIvOl 159 (458). Wohl etwas früher ist die fragmentarische Inschrift NIvOl 154, deren sikyonische Buchstabenformen um 475 datieren. Der letzte Orthagoride Aischines wurde nach FGrH 105, Frg. 1 und Plut. mor. 859c d um 550 gestürzt. Zur Orthagoriden Herrschaft: De Libero 1996, S. 180 205. 195 NIvOl 143 (Anfang 5. Jh.); NIvOl 144 (Anfang 5. Jh). Der letzte Peisistratide Hippias wurde 510 unter der Führung von Kleisthenes durch Alkmeoniden und Spartaner vertrieben. Vgl. Hdt. 5, 63 65. Zur Herrschaft der Peisistratiden: De Libero 1996, S. 44 134; Welwei 1992, S. 229 265; Stahl 1987, S. 56 255. 196 Vgl. IvOl 249; NIvOl 156. Zur Seeschlacht von Kyme: Diod. 11, 51. 197 Bekannt sind zwei Weihinschriften in Delphi auf Steinbasen für eine Statue (482) und einen Dreifuß (474/3). IGASMG 65: hιάρον [ὁ Δεινομένεος] ἀνέϑεϰε Συραϙόσιος. IGASMG 69, Z. 1: [hιάρον ὁ Δεινομέ]νεος ἀνέϑεϰε. 198 Rausch 1999, S. 126, Fn. 580 nennt in diesem Zusammenhang noch eine Weihung von Miltia des dem Älteren, auf der laut Pausanias neben seinem Namen auch die Kollektivbezeichnung der

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archaischen Waffenweihungen im Namen der Poleis bereits eine spezifische Kommemorationsform der bürgerlichen Gesellschaftsschichten sind, die nur ausnahmsweise von Vertretern anderer Herrschaftsmodelle übernommen wird. Darüber hinaus zeigen die Weihinschriften, dass die Überwindung der Tyrannis – egal zu welchem Zeitpunkt – ein wichtiger Impuls für die Ausbildung des bürgerlichen Selbstbewusstseins in der jeweiligen Polisgemeinschaft war. Die Waffenweihungen dieser Hoplitengruppen repräsentieren daher nicht nur deren neu etablierte kollektive Identität, sondern auch den Versuch, diese durch die Kommemoration der ersten militärischen Erfolge weiter zu festigen. Auch die – an dieser Stelle kurz vorweggenommene – Tatsache, dass die Beuteweihungen im Namen von Polisgemeinschaften am Beginn der hellenistischen Epoche abrupt abreißen, bestätigt eindrucksvoll diesen Zusammenhang von Kriegserinnerung und Herrschaftsform. Schließlich soll noch darauf hingewiesen werden, dass nicht nur von den Waffenweihungen selbst, sondern auch von der Wahl des jeweiligen Heiligtums wichtige politische Implikationen ausgehen. Die mit Abstand meisten (beschrifteten und unbeschrifteten) Waffenweihungen gelangten, wie bereits diskutiert, ins Heiligtum von Olympia, welches als panhellenischer Versammlungsort und Sitz der in Kriegsangelegenheiten führenden Sehergeschlechter gewissermaßen eine Monopolstellung innehatte. In Einzelfällen haben wir aber auch Kenntnis von spätarchaischen Beuteweihungen in anderen Heiligtümern. Herodot informiert uns etwa, dass die Phoker nach ihrem Sieg über die benachbarten Thessaler erbeutete Schilde nach Delphi und Abai sandten: ὥστε τετραϰισχιλίων ϰρατῆσαι νεϰρῶν ϰαὶ ἀσπίδων Φωϰέας, τῶν τὰς μὲν ἡμισέας ἐς ῎Αβας ἀνέϑεσαν, τὰς δὲ ἐς Δελφούς· So erschlugen die Phoker 4000 Mann und erbeuteten ihre Schilde, deren eine Hälfte sie nach Abai, die andere nach Delphi weihten. (Hdt. 8, 27, 4; Übers. Feix 1963.)

Von den 4000 Beutestücken gingen also angeblich je 2000 ins Apollonheiligtum von Delphi und 2000 in das dem gleichen Gott gewidmete Heiligtum von Kalapodi nahe der antiken Stadt Abai. Die archäologischen Ausgrabungen haben gezeigt, dass beide Kultplätze – möglicherweise wegen der überregional bedeutsamen Orakel – in archaisch-klassischer Zeit große Menge an Waffenweihungen empfingen, die aber aufgrund fehlender Weihinschriften nicht näher identifiziert werden können.199 Aus den Beschreibungen der militärischen Auseinandersetzung am Beginn

Bewohner der Chersones angeben war. Paus. 6, 19, 6: ϰαί ἐπίγραμμα ἐπὶ τῷ ϰέρατὶ ἐστιν ἀρχαίοις ᾿Αττιϰοῖς γράμμασι, Ζηνί μ’ ἄγαλμ’ ἀνέϑηϰαν ᾿Ολυμπίῳ ἐϰ χερρονήσου τεῖχος ἑλόντες ᾿Αράτου· ἐπῆρχε δὲ Μιλτιάδης σφίν. 199 Delphi: Baitinger 2011, S. 20 22; 28 33. Kalapodi: Baitinger 2011, S. 48 56.

2.1 Die Weihung erbeuteter Waffen

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des 5. Jhs. geht hervor, dass der elische Seher Tellias auf Seiten der Phoker mehrfach mit strategischen Ratschlägen helfend ins Kampfgeschehen eingriff.200 Vor diesem Hintergrund erstaunt es zunächst, dass die Phoker keine Weihungen nach Olympia vornahmen. Die Tatsache, dass die Thessaler aber einige Jahre später nach der Fortsetzung des Krieges eben dies taten, impliziert, dass die militärischen Gegner sich bewusst an unterschiedlichen Kultplätzen engagierten.201 Mit dem Sieg der Phoker über die Thessaler war neben den Schildweihungen auch die Stiftung des Festes der Elaphebolia in Hyampolis und die angebliche Aufstellung mehrerer Statuendenkmäler in Delphi verbunden.202 Hier soll aber zunächst festgehalten werden, dass für die Ausstellung der Waffenweihungen ein überregionales und ein lokales Heiligtum im eigenen Territorium des Stammes der Phoker genutzt wurden. Ein vergleichbares Muster weisen die frühesten Beutevotive der Athener auf. Noch vor dem ersten Persereinfall hatten die Athener unter der Führung des jüngeren Miltiades im Jahr 498 die Insel Lemnos erobert, welche daraufhin durch attische Kleruchen neu besiedelt wurde und vorerst in den Besitz Athens überging.203 Den Sieg über die nordägäische Insel kommemorierte die attische Bürgerschaft erstmals mit Waffenweihungen in Form von Helmen, welche die gleichlautende Inschrift ᾿Αϑεναῖοι [τ]õν ἐγ Λέμν[o] tragen und in Olympia sowie auf der athenischen Akropolis gefunden wurden.204 Das Bedürfnis, die Eroberung der Insel Lemnos nicht nur vor einem gesamtgriechischen Publikum in Olympia, sondern auch im öffentlichen Raum der eigenen Polis zu kommemorieren, dürfte in der Motivation der militärischen Kampagne begründet liegen. Rausch konnte zeigen, dass neben der Sicherung des Seewegs zu den Schwarzmeer-Kolonien für die athenische Bürgerschaft insbesondere die Bedrohung durch die vertriebenen Peisistratiden für die Beteiligung an der Kampagne des Miltiades ausschlaggebend war. Die Herrschaft über Lemnos war für das kleisthenische Athen ein wichtiges Druckmittel gegen die Besitzungen der Tyrannenfamilie im kleinasiatischen Sigeion an der gegenüberliegenden Küste.205 Ähnliche Implikationen verbinden sich mit dem athenischen Sieg bei Marathon, wo gleichzeitig mit den Expansionsbestrebungen des Perserkönigs auch die geplante Rückführung des Hippias abgewendet wurde.206 Aus der Beute dieser Schlacht stammt ebenfalls eine Waffenweihung in Olympia,

200 Hdt. 8, 27 28; Paus. 10, 1, 3 11; Plut. mor. 244D E. 201 Paus. 5, 24, 1 2. 202 Während das bei Plut. mor. 244B E erwähnte Fest wahrscheinlich in archaischer Zeit gestiftet wurde, entstanden die Weihdenkmäler in Delphi nicht vor der Mitte des 5. Jhs. Dazu Kap. 2.2.2 (Sta tuendenkmäler) und 2.3.1 (Fest). 203 Hdt. 6, 137 140; Diod. 10, 19, 6. 204 IG I3 1466. Vgl. IG 13 518bis: Αϑεναῖοι τ]õν ἐγ Λέ[μνο. Zu demselben Anlass gehört möglicherweise auch eine Waffenweihung im Nemesis Heiligtum von Rhamnous: IG I3 522bis. Dazu Rausch 1999a, S. 13 16. 205 Rausch 1999a, S. 11. Hdt. 5, 94 zu den Peisistratiden in Sigeion. Vgl. Stahl 1987, S. 211 228. 206 Hdt. 6, 107 108; 121.

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welche die Inschrift Διὶ Ἀθεναῖοι Μέδον λαβόντες trägt und wahrscheinlich auch eine Entsprechung auf der Athener Akropolis hatte.207 Baitinger ist es in beiden Fällen gelungen, den Beuteweihungen weitere (unbeschriftete) Waffenfunde zuzuweisen, die auf größere Votive hindeuten.208 Sowohl nach dem Sieg auf Lemnos als auch nach Marathon konnten die Athener also nicht nur ihres militärischen Erfolges, sondern auch der Überwindung innerer Feinde gedenken. Mit den Dankesweihungen adressierte man deshalb erstmals nicht nur den Olympischen Zeus, sondern auch die wichtigste Gottheit in der eigenen Stadt. Sowohl bei der rituellen Dedikation als auch bei der späteren Betrachtung der beschrifteten Waffen wurde die kollektive Identität des jungen Bürgerverbandes gefördert und die Überwindung der Tyrannis bestätigt. In diesen Zusammenhang gehört auch das athenische Siegesdenkmal für die Überwindung der Boioter und Chalkidier von 506, die zuvor an der Seite des Spartanerkönigs Kleomenes I. versucht hatten, Kleisthenes zu stürzen und Isagoras als Tyrann einzusetzen.209 Bei diesem Monument stand die Selbstbestätigung des kleisthenischen Bürgerverbandes offenbar so sehr im Vordergrund, dass man auf Weihungen in panhellenischen Heiligtümern verzichtete und stattdessen mit den Beuteeinnahmen das erste statuarische Kriegsdenkmal auf der Akropolis stiftete. Die spartanischen Sympathien für die Tyrannis in Athen sind unterdessen möglicherweise der Grund dafür, dass man nach den Siegen in Lemnos und Marathon nicht das (ansonsten von Athen bevorzugte) Apollonheiligtum in Delphi, sondern das olympische Zeusheiligtum auf der Peloponnes beschenkte.210 Hier konnte man mit der Kommemoration der entsprechenden Erfolge nicht nur die Überwindung der Peisistratiden zelebrieren, sondern auch Sparta und seine Verbündeten gegenüber weiteren Interventionen in Attika demotivieren. Die politischen Aushandlungsprozesse an der Wende vom 6. zum 5. Jh. bilden also den historischen Rahmen, in dem die durch Inschriften zu Kriegsdenkmälern transformierten Beuteweihungen nicht mehr nur für die äußere Selbstdarstellung der griechischen Stadtstaaten, sondern auch für die Selbstvergewisserung nach innen dienstbar gemacht werden. Hatte die Kommemoration militärischer Erfolge zuvor den Zweck, sich in den panhellenischen Heiligtümern vor den Augen der griechischen Staatenwelt zu etablieren, ging es nun auch darum, sich symbolisch gegenüber innenpolitischen Feinden abzugrenzen, um so die eigene Herrschaft zu festigen. Die beschrifteten Beuteweihungen dienten nun dazu, die politischen Ansprüche der Hoplitenschicht nach innen und außen zu repräsentieren. Wie wichtig die Wahl des Heiligtums dabei war, zeigt ein Bündnisvertrag der kretischen Städte Knossos und Tylissos aus der Mitte des 5. Jhs. Um späteren Konflikten um die

207 IG I3 1467/NIvOl 144; vgl. IG I3 517: Ἀθεναῖοι Μέδ]ον λαβόντες. 208 Baitinger 1999, passim; S. 137 139 zu Athen. 209 Hdt. 5, 70 74. Zum Denkmal: Hdt. 5, 77; IG I3 501. Siehe auch Kap. 2.2.2. 210 Hdt. 5, 90 91 belegt einen Versuch der Spartaner, Hippias wieder in Athen an die Herrschaft zu bringen.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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Verteilung der Beuteweihungen vorzubeugen, legten die Vertragspartner schon vorab fest, dass die Einnahmen im Falle einer gemeinsamen Kampagne zur Hälfte nach Delphi und zur Hälfte in ein lokales Aresheiligtum in Knossos gestiftet werden sollten.211 Auch vor diesem Hintergrund zeigt sich in der Durchführung – bzw. der Nicht-Durchführung – von Waffenweihungen durch die archaischen Stadtstaaten besonders deutlich, wie eng der Zusammenhang zwischen den individuell verfassten Polisstrukturen und ihrer Kriegserinnerung schon in dieser frühen Phase war.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die politischen Implikationen der Kriegserinnerung in spätarchaischer Zeit wesentlich an Bedeutung und Komplexität zunehmen. Die Ausstellung von formelhaft beschrifteten Beutewaffen reichte kaum noch aus, um den vielfältigen, repräsentativen Bedürfnissen der aufstrebenden Polisgemeinschaften gerecht zu werden. Entsprechend suchte man nach neuen Wegen, um die Dankbarkeit gegenüber den Göttern und den Stolz auf die eigenen militärischen Leistungen in den Heiligtümern zum Ausdruck zu bringen: um 600 begannen die Stadtstaaten mit dem Bau von Schatzhäusern und etwa 100 Jahre später mit der Aufstellung der ersten Statuendenkmäler. Voraussetzung für diese neuen Formen der Beuteweihungen war der staatlich organisierte Verkauf der Kriegsbeute.

Der Verkauf der Beute Schlachten zwischen griechischen Hoplitenheeren endeten in aller Regel mit der Flucht eines Gegners. Indem die unterlegene Partei anschließend darum bat, ihre Kriegstoten bergen zu können, gab sie ihren Anspruch auf die Kontrolle des Schlachtfeldes auf und bestätigte damit auf symbolische Weise die eigene Niederlage.212 Dem Sieger wiederum stand nun die auf dem Schlachtfeld befindliche Beute zu, die – zumindest in klassischer Zeit – direkt in staatlichen Besitz überging.213 Die befehlshabenden Offiziere hatten daher die Aufgabe, das Einsammeln und Bewachen der Beute zu organisieren, um die private Inbesitznahme von beweglichem Gut so weit wie möglich zu unterbinden. Als das athenische Heer nach der Schlacht von

211 IC I 8, 4 B, Z. 9 11: τõν δὲ φαλύρον τὰ μὲν ϰαλλιστεῖα Πυϑõδε ἀπ[ά]γεν ϰοινᾶι ἀμφοτέρονς, τὰ δ’ ἄλλα τõι ῎Α[ρει Κνοσ]οῖ ἀντιϑέμεν ϰοινᾶι ἀμφοτέρονς. 212 Plut. Nikias 6, 5: ϰαίτοι ϰατὰ νόμον τινὰ ϰαὶ συνήϑειαν ἐδόϰουν οἱ νεϰρῶν ὑποσπόνδων λαβόν τες ἀναίρεσιν ἀπολέγεσϑαι τὴν νίϰην, ϰαὶ τρόπαιον ἱστάναι τοὺς τούτου τυχόντας οὐϰ ἔνϑεσμον ἦν· νιϰᾶν γὰρ τοὺς ϰρατοῦντας, μὴ ϰρατεῖν δὲ τοὺς αἰτοῦντας, ὡς λαβεῖν μὴ δυναμένους. Vgl. Xen. hell. 7, 5, 26 27. 213 Vgl. Gauer 1968, S. 35.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

Marathon in die Stadt zurückeilen musste, ließ man etwa eigens den Strategen Aristeides und das Hoplitenaufgebot seiner Phyle Antiochis zurück, um die Beute und die Gefangenen zu bewachen.214 Nach der Schlacht von Plataiai oblag das Einsammeln der Beute dem spartanischen Heerführer Pausanias, der hierfür die anwesenden Heloten einsetzte: Παυσανίης δὲ ϰήρυγμα ποιησάμενος μηδένα ἅπτεσϑαι τῆς ληίης, συγϰομίζειν ἐϰέλευε τοὺς εἵλωτας τὰ χρήματα. οἱ δὲ ἀνὰ τὸ στρατόπεδον σϰιδνάμενοι εὕρισϰον σϰηνὰς ϰατε σϰευασμένας χρυσῷ ϰαὶ ἀργύρῳ, ϰλίνας τε ἐπιχρύσους ϰαὶ ἐπαργύρους, ϰρητῆράς τε χρυσέους ϰαὶ φιάλας τε ϰαὶ ἄλλα ἐϰπώματα· σάϰϰους τε ἐπ’ ἁμαξέων εὕρισϰον, ἐν τοῖσι λέβητες ἐφαίνοντο ἐνεόντες χρύσεοί τε ϰαὶ ἀργύρεοι· ἀπό τε τῶν ϰειμένων νεϰρῶν ἐσϰύ λευον ψέλιά τε ϰαὶ στρεπτοὺς ϰαὶ τοὺς ἀϰινάϰας, ἐόντας χρυσέους, ἐπεὶ ἐσϑῆτός γε ποιϰίλης λόγος ἐγίνετο οὐδὲ εἷς. ἐνϑαῦτα πολλὰ μὲν ϰλέπτοντες ἐπώλεον πρὸς τοὺς Αἰγι νήτας οἱ εἵλωτες, πολλὰ δὲ ϰαὶ ἀπεδείϰνυσαν, ὅσα αὐτῶν οὐϰ οἷά τε ἦν ϰρύψαι· ὥστε Αἰ γινήτῃσι οἱ μεγάλοι πλοῦτοι ἀρχὴν ἐνϑεῦτεν ἐγένοντο, οἳ τὸν χρυσὸν ἅτε ἐόντα χαλϰὸν δῆϑεν παρὰ τῶν εἱλωτέων ὠνέοντο. συμφορήσαντες δὲ τὰ χρήματα ϰαὶ δεϰάτην ἐξελόντες τῷ ἐν Δελφοῖσι ϑεῷ [. . .], ϰαὶ τῷ ἐν ᾿Ολυμπίῃ ϑεῷ ἐξελόντες [. . .], ϰαὶ τῷ ἐν ᾿Ισϑμῷ ϑεῷ [. . .], ταῦτα ἐξελόντες τὰ λοιπὰ διαιρέοντο ϰαὶ ἔλαβον ἕϰαστοι τῶν ἄξιοι ἦσαν, ϰαὶ τὰς παλ λαϰὰς τῶν Περσέων ϰαὶ τὸν χρυσὸν ϰαὶ τὸν ἄργυρον ϰαὶ ἄλλα χρήματά τε ϰαὶ ὑποζύγια. ὅσα μέν νυν ἐξαίρετα τοῖσι ἀριστεύσασι αὐτῶν ἐν Πλαταιῇσι ἐδόϑη, οὐ λέγεται πρὸς οὐδα μῶν, δοϰέω δ’ ἔγωγε ϰαὶ τούτοισι δοϑῆναι· Παυσανίῃ δὲ πάντα δέϰα ἐξαιρέϑη τε ϰαὶ ἐδόϑη, γυναῖϰες, ἵπποι, τάλαντα, ϰάμηλοι, ὥς δὲ αὕτως ϰαὶ τἆλλα χρήματα. Pausanias aber gab durch einen Herold den Befehl, keiner solle die Beute anrühren; und er befahl den Heloten alle Schätze auf einen Haufen zu legen. Die Heloten streiften durch das persische Lager und fanden Zelte, die mit Gold und Silber gewirkt waren, gold und silberver zierte Betten, goldene Becher und Schalen und andere Trinkgefäße. Sie fanden auf den Wagen auch Säcke, offenbar mit goldenen und silbernen Kesseln. Sie nahmen den Toten die Armbän der, Halsketten und Säbel ab, die aus Gold bestanden; buntfarbige Kleider fanden keinerlei Beachtung. Dabei brachten die Heloten vieles beiseite und verkauften es den Aigineten; was sich nicht verbergen ließ, lieferten sie in Menge ab. Daher stammt also der große Reichtum der Aigineten, die das Gold von den Heloten kauften, geradezu als wäre es Erz. Als die Schätze gesammelt waren, teilte man den Zehnten davon dem Gott in Delphi zu [. . .], auch für den Gott in Olympia nahmen sie den Zehnten [. . .], das gleiche tat man für den Gott auf dem Isthmos [. . .]. Nachdem sie dies entnommen hatten, teilten sie den Rest untereinander auf. Jeder er hielt, was er verdiente: Nebenfrauen der Perser, Gold, Silber und andere Wertsachen und Zug tiere. Was die, welche sich bei Plataiai besonders auszeichneten, noch dazu an Auserlesenem bekamen, konnte mir niemand sagen; ich glaube aber, dass auch sie etwas erhielten. Für Pau sanias aber wurde eigens von allem zehnfach ausgewählt: Frauen, Pferde, Talente, Kamele und auch die anderen Beutestücke. (Hdt. 9, 80 81; Übers. Feix 1963.)

Aus der Quelle wird zunächst deutlich, dass die Verwaltung der Beuteeinnahmen ein hohes Maß an gemeinschaftlicher Organisation und Institutionalisierung auf Polisebene erforderte. Damit die Verteilung der Beute innerhalb des Hellenenbundes

214 Plut. Aristeides 5, 5.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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funktionierte, musste die Autorität des Pausanias und der übrigen Heerführer von den Kontingenten der jeweiligen Stadtstaaten anerkannt werden. Für die Stifter von Weihungen aus veräußerter Beute kann also spätestens am Beginn des 6. Jhs. nicht nur ein fest institutionalisiertes Strategenamt, sondern auch ein stark ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl vorausgesetzt werden, das den bereitwilligen Verzicht auf private Kriegseinnahmen rechtfertigte. Tatsächlich dürfte auch den Polisverbänden insgesamt nur ein Bruchteil der Beute zugekommen sein. Nach der Vertreibung der Perser in Plataiai wurden zunächst 30% der eingesammelten Wertgegenstände für die Götter beiseite gelegt. Zwei korinthische Helme aus Olympia belegen dieses Vorgehen: sie wurden nach einer unbekannten Auseinandersetzung offenbar schon auf dem Schlachtfeld zum Zweck der Dedikation mit der Destinationsangabe ᾿Ολυνπίανδε (nach Olympia) versehen.215 Weiterhin war es üblich, den besten Kämpfern der Schlacht und den Feldherren gesonderte Anteile zu überlassen.216 Erst nach dem Abzug dieser drei Posten wurde die verbleibende Beute auf die übrigen Stadtstaaten verteilt, was in der Regel anteilig nach der Größe der Kontingente geschah.217 Schließlich zeigen die Ausführungen Herodots, dass sich im Tross des hellenischen Heeresaufgebots (aiginetische) Händler befanden, die vor Ort einen lokalen Markt konstituierten und wesentliche Teile der Beute aufkauften.218 Der Erlös von Verkäufen auf dem Schlachtfeld und in der Heimat verblieb ebenfalls in staatlichem Besitz und wurde in den Tempelschätzen thesauriert, in Form von Weihgeschenken an die Götter gestiftet oder zur Realisierung anderer öffentlicher Projekte genutzt. Plutarch berichtet etwa, dass die Einnahmen von der Beute aus der Schlacht am Eurymedon zum Bau der Südmauer auf der Akropolis eingesetzt wurden.219 Dass in der Schlacht ein königlicher Hofstaat mit wertvollen Gegenständen aus Gold und Silber erbeutet wurde, war natürlich nicht der Regelfall. Das Feldlager eines durchschnittlichen griechischen Heeresaufgebots stand dem oben beschriebenen, persischen (auch nach Abzug der herodoteischen Übertreibungen) nicht nur in der Größe, sondern auch in der Ausstattung weit nach. Dass zur Kommemoration der Persereinfälle Kriegsdenkmäler in exzeptioneller Quantität und Qualität aufgestellt wurden, ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass die Einnahmen aus diesen Kämpfen weit über das hinausgingen, was in einer innergriechischen 215 NIvOl 169; 169 A. Beide Helme datieren in die 2. Hälfte des 7. Jhs. Zur Inschrift: Rausch 1998, S. 126 128. 216 Vgl. Diod. 11, 25, 1. Pritchett 1991, S. 398 zu den Beuteanteilen der Feldherrn. Pritchett 1974, S. 276 290 zu den Aristeia Verleihungen. 217 So auch in einem kretischen Bündnisvertrag aus dem 2.Jh.: IC 3, 3, 4, Z. 53 58; Diod. 11, 33. Zur Verteilung von Beute: Pritchett 1991, S. 363 375. 218 In den Quellen als ἀγοραῖος ὄχλος bezeichnet. Dazu Pritchett 1991, S. 425 435; Sage 1996, S. 125. Spartanische Kampfverbände veräußerten ihre Beute vollständig auf dem Schlachtfeld, da der Verkauf in der Heimat nicht möglich war. Dazu Pritchett 1991, S. 404 416. 219 Plut. Kimon 13, 6.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

Hoplitenschlacht erbeutet werden konnte.220 In vielen Fällen wird sich die materielle Beute hier auf die vom Feind zurückgelassenen Waffen und Ausrüstungsgegenstände beschränkt haben. Außerhalb des Kriegerstaates Sparta mussten die Kämpfer ihre Ausrüstung selbst stellen und finanzieren, wobei in Athen als Minimum offenbar eine Ausrüstung im Wert von 30 Drachmen angesehen wurde.221 Eine vollständige Hoplitenrüstung dagegen kostete in Thasos im 4. Jh. 300 Drachmen, was Jackson mit dem Preis für einen ausgebildeten Sklaven vergleicht.222 Der naheliegende Gedanke, dass die Kosten durch den Einkauf und die Wiederverwendung erbeuteter Waffen reduziert werden konnten, muss aufgrund von fehlenden Quellen eine Hypothese bleiben. Die Weiternutzung von im Krieg gewonnener Ausrüstung ist allein für Schiffe im Athen des 4. Jhs. sicher belegt.223 Das wertvollste Beutegut in der zwischenstaatlichen Kriegsführung waren ohne Zweifel die Gefangenen. Gegner, die auf der Flucht lebend eingefangen wurden, konnten nach Abschluss der Kampfhandlungen als Staatssklaven genutzt,224 anderswohin in die Sklaverei verkauft oder gegen Lösegeld wieder freigelassen werden. Die Annexion des Territoriums einer unterlegenen Stadt und die dauerhafte Unterwerfung der Bevölkerung, wie sie etwa von Sparta in Messenien praktiziert wurde, war im archaisch-klassischen Griechenland ein Sonderfall und passte nicht zum üblichen Vorgehen in der stark regulierten Hoplitenschlacht.225 In innergriechischen Auseinandersetzungen scheint es vielmehr üblich gewesen zu sein, die Gefangenen gegen Lösegeld ziehen zu lassen. Bei den Peloponnesiern lag der normale Lösegeldpreis im 5. Jh. bei 200 Drachmen und Dionysios erlaubte den Einwohnern der besiegten Stadt Rhegion im 4. Jh. sich für 100 Drachmen (eine Silber-Mine) pro Kopf freizukaufen.226 Auch während des Peloponnesischen Krieges einigten sich Sparta und Athen auf einen Austausch von Gefangenen und den Verkauf der übriggebliebenen Männer für eine Mine pro Kopf.227 Die Versklavung von athenischen Teilnehmern der Sizilischen Expedition muss vor diesem Hintergrund als strategische Maßnahme betrachtet werden, deren Zweck es war, ein erneutes

220 Vgl. Deuchler 2015, S. 21 25; Pritchett 1991, S. 369 371; Gauer 1968, S. 27 36. 221 IG I2 1, Z. 8 10: τὰ δὲ [h]όπλα π[αρέχες]ϑα[ι αὐτὸς τ]ριά[ϰ]οντα δρ[αχμõν]. 222 SEG 57, 820, Z. 18 20; Jackson 1993, S. 229 mit Bezug auf Demosth. or. 27, 9. Vgl. die karikier ten Rüstungspreise in Aristoph. Pax 1210 1264. Zu Waffenpreisen auch Gröschel 1978, S. 33 38. 223 Pritchett 1979, S. 279 280. 224 Diod. 11, 25, 1 berichtet, dass die Stadt Akragas karthagische Kriegsgefangene nach der Schlacht von Himera einsetzte, um in den Steinbrüchen zu arbeiten bzw. um Tempel und Zisternen im Stadtgebiet zu bauen. 225 Van Wees 2007, S. 284 285. 226 Hdt. 6, 79, 1; Diod. 14, 111, 4. 227 Androtion FGrH 324, Frg. 44: τοῦτο γὰρ ᾿Aϑηναῖοι ϰαὶ Λαϰεδαιμόνιοι ἐν τῶι πρὸς ἀλλήλους συ νέϑεντο πολέμωι, τὸ μνᾶς λυτροῦσϑαι αἰχμαλώτους. μνημονεύει τῆς συνϑήϰης ταύτης Ἀνδροτίων· [. . .] ϰαὶ ἐπάγει· τῶν δὲ περιγενομένων ἀπέδοσαν μνᾶν ὑπὲρ ἑϰάστου λαβόντες.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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Einfallen der Athener in Syrakus zu verhindern.228 Mit dem Verkauf von Gefangenen hängt auch eine ungewöhnliche Form der Kriegserinnerung aus archaischer Zeit zusammen: Die Athener hängten nach ihrem Sieg über die Boioter (506) die Fesseln der 700 ausgelösten Kriegsgefangenen an der Temenosmauer des Alten Athenatempels auf, wo sie noch Herodot sehen konnte.229 Eine vergleichbare Weihung hatten einige Generationen früher bereits die Tegeaten nach einem Sieg über die Spartaner im Tempel der Athena Alea getätigt.230 Auf die Fessel-Dedikation in Athen nimmt wahrscheinlich auch das Epigramm auf der dazugehörigen Statuenweihung Bezug (δεσμῷ ἐν ἀχλυόεντι σιδηρέῳ), deren Finanzierung im Wesentlichen auf den Lösegeldgewinn zurückgehen dürfte.231 Auch aus diesen Überlegungen lassen sich freilich nur eingeschränkt Vorstellungen davon gewinnen, wie hoch die Einnahmen griechischer Staaten aus einzelnen Kriegsereignissen wirklich waren. Sowohl detaillierte Beschreibungen wie die des persischen Feldlagers durch Herodot als auch konkrete Zahlen wie die angeblich 4000 Schildweihungen der Phoker müssen vor dem Hintergrund erinnerungspolitischer Strategien und literarischer Topoisierungen kritisch gesehen werden. Und auch dort, wo Weihinschriften vorgeben, dass die entsprechenden Denkmäler aus der δεκάτη oder den ἀκροθίνια von Kriegseinnahmen finanziert wurden, ist Vorsicht geboten. Denn in vielen Fällen sind die Beuteweihungen aufwendiger und monumentaler als es die Angaben in den dazugehörigen Inschriften erwarten lassen. So soll etwa das delphische Schatzhaus der Knidier einschließlich einer Statuengruppe aus dem Zehnten einer einzelnen Schlacht gestiftet worden sein, welche die dorische Polis im 6. Jh. gegen einen unbekannten Gegner geschlagen hat.232 In Fällen wie diesen dürften die Stifter einen wesentlich größeren Anteil der Beuteeinnahmen und gelegentlich sogar zusätzliche Mittel aufgewendet haben. Mindestens im Fall der athenischen Marathonbeute können wir mit Sicherheit sagen, dass der Gewinn aus der Schlacht nicht für alle später damit verbundenen Stiftungen (Schatzhaus und Statuengruppe in Delphi, Goldene Votivschilde am Apollontempel, Statue der Athena Promachos und Eukleia-Tempel in Athen) ausreichend war.233 Die formelhaften Ausdrücke in den Weihinschriften sollten also nicht als konkrete Prozentangaben, sondern als symbolische Begriffe für den Anlass der Stiftung (Kriegsbeute) verstanden werden.

228 Thuk. 7, 85 87. Dazu: Sage 1996, S. 106. Zur Kriegsgefangenschaft allgemein: Pritchett 1991, S. 203 312. 229 Hdt. 5, 77, 3: τὰς δὲ πέδας αὐτῶν, ἐν τῇσι ἐδεδέατο, ἀνεϰρέμασαν ἐς τὴν ἀϰρόπολιν, αἵ περ ἔτι ϰαὶ ἐς ἐμὲ ἦσαν περιεοῦσαι, ϰρεμάμεναι ἐϰ τειχέων περιπεφλευσμένων πυρὶ ὑπὸ τοῦ Μήδου. 230 Hdt. 1, 66, 1 4; Paus. 8, 47, 2. 231 Hdt. 5, 77, 2 4; IG I 3 501, A.1, Z. 1. 232 FdD III 1, 289 (2); SEG 22, 457: Τὸν ϑησαυρὸν τόνδε ϰαὶ τἀγάλμα[τα ᾿Απόλλωνι] Πυϑίωι [ἀνέϑηϰε] δεϰάτ[αν ὁ δᾶμος ὁ Κνιδί]ων. Vgl. Jeffrey 1990, S. 351 352, Nr. 33. 233 Baitinger 2011, S. 138; Gauer 1968, S. 22 27.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

2.2.1 Der Bau von Schatzhäusern Die frühesten aus veräußerter Kriegsbeute errichteten Erinnerungsmonumente waren Schatzhäuser (ϑησαυροί, οἶϰοι), mit deren Bau die griechischen Stadtstaaten im ausgehenden 7. Jh. begannen. Das älteste Gebäude dieser Art überhaupt war das Schatzhaus der Korinther in Delphi, dessen Stiftung auf den Tyrannen Kypselos in der zweiten Hälfte des 7. Jhs. zurückgeht.234 Die Schutzbauten hatten in der Regel die Form eines kleinen Antentempels mit zwei Säulen an der Vorderseite. Während die Gebäude anfangs nur zum Schutz wertvoller Anatheme dienten, erreichte ihre Ausgestaltung in archaischer Zeit derart aufwendige Formen, dass die Schatzhäuser nun selbst als Weihgeschenke verstanden wurden.235 Finanziert wurden die Oikoi, soweit die Quellen hier verlässliche Rückschlüsse zulassen, nur in Einzelfällen aus dem Erlös von Kriegsbeute. Während von den 11 Schatzhäusern in Olympia nur eines mit einem militärischen Stiftungsanlass verbunden werden kann, lassen sich von den 28 Fundamenten in Delphi immerhin fünf Thesauroi auf Beuteeinnahmen zurückführen.236 Darüber hinaus fällt die Errichtung der sechs Bauten aus Kriegseinnahmen nur in drei Fällen in die eigentliche Blütezeit der Schatzhäuser, das 6. Jh. Die übrigen Monumente, gestiftet im ausgehenden 5. und frühen 4. Jh., weisen einen derart großen zeitlichen Abstand zu ihren Vorgängern auf, dass sie als architektonische Rückgriffe im Sinne von Archaismen verstanden werden müssen: Denkmal

Ort

Anlass



Knidier-Schatzhaus

Delphi

Kriegsbeute um 



Megarer-Schatzhaus

Olympia

Schlacht gegen Korinth (um )



Athener-Schatzhaus

Delphi

Ereignisse nach /

Schatzhäuser in archaischer Zeit Das älteste Schatzhaus in dieser Reihe ist das der Knidier (1), welches an zentraler Stelle im unteren Teil des Heiligtums, direkt an der Prozessionstraße gelegen, hypothetisch lokalisiert werden konnte.237 Obwohl Pausanias angibt, den Anlass der Erbauung nicht in Erfahrung gebracht haben zu können, lässt die fragmentarische Weihinschrift vom Architrav des Gebäudes τὸν ϑησαυρὸν τόνδε ϰαὶ τἀγάλμα[τα

234 Hdt. 1, 14, 2; Paus. 10, 13, 5. Dazu: Hering 2015, S. 96 99. 235 Höcker 2002, Sp. 433 434. 236 Schatzhäuser gab es auch in anderen griechischen Heiligtümern, u.a. in Athen, Delos und Samos. Die Überlieferungssituation lässt in diesen Fällen aber keine Rückschlüsse auf Stifter und Stiftungsanlässe zu, weshalb die entsprechenden Monumente hier nicht behandelt werden. Vgl. den vollständigen Katalog bei Hering 2015, S. 16 156. 237 Bommelaer/Laroche 1991, S. 141.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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᾿Απόλλωνι] Πυϑίωι [ἀνέϑηϰε] δεϰάτ[αν ὁ δᾶμος ὁ Κνιδί]ων doch einen Schluss zu.238 Auch wenn in der Inschrift keine konkreten Kriegsereignisse genannt werden, so lässt sich die Verwendung des Wortes δεϰάτη doch schwerlich anders erklären.239 Wir haben keinerlei Kenntnis über militärische Unternehmungen der Polis Knidos in archaischer Zeit, aber der entsprechende Sieg muss vor der Einnahme der Stadt durch die Perser (544) angesetzt werden. Die Datierung des Schatzhauses in der Mitte des 6. Jhs. passt auch zu den dorischen Buchstaben und dem Stil der erhaltenen Skulptur.240 Sicher zugeordnet werden können die Fragmente zweier ionischer Karyatiden, welche die beiden Säulen an der Vorderseite des Marmor-Gebäudes ersetzten, während Giebel und Fries des Gebäudes weder mit Skulptur noch mit Relief geschmückt waren.241 Aussagekräftiger ist das Bildprogramm am Schatzhaus der Megarer (2). Die Stiftung des Oikos aus Kriegsbeute ist hier durch Pausanias gesichert, der beschreibt, dass über dem Giebel ein Schild mit Weihinschrift hing. Demnach wurde das Gebäude von den Megarern aus der Beute von einem Krieg gegen die Korinther gestiftet.242 Der Perieget macht keine Angaben über das Material des Schildes, aber ein beschriebener Bronzeschild wäre nach 700 Jahren wohl kaum mehr lesbar gewesen. Vielleicht muss man annehmen, dass das Beutestück mit der entsprechenden Inschrift in Stein, Edelmetall oder Terrakotta umgesetzt und auf dem Dach als Giebel-Akroter befestigt wurde.243 Anhand der architektonischen Überreste konnte dem Schatzhaus ein Fundament am 11. Platz auf der Schatzhaus-Terrasse von Olympia zugewiesen werden. Der Oikos hatte die Form eines dorischen Tempels mit zwei Säulen zwischen den Anten. Im Giebelfeld befand sich die skulpturierte Darstellung einer Gigantomachie, von der einzelne Figuren erhalten sind und die

238 Paus. 10, 11, 5; FdD III 1, 289 (2); SEG 22, 457. Zur alternativen Rekonstruktion δεϰάτ[αν ἀπὸ τῶμ πολεμί]ων siehe Hering 2015, S. 87. 239 Der Begriff wird zweimal in einem anderen Zusammenhang verwendet. Paus. 10, 9, 3 4 berich tet, dass die Inselpolis Korkyra einen bronzenen Stier aus dem Zehntel des Gewinns von einem gro ßen Thunfisch Fang stiftete. Verschiedene Versionen der Weihinschrift FdD III 1, 2 auf der dazugehörigen Basis bestätigen das δεϰάτ[αν]; ἀπὸ ϑεράõν ϑύν[ν]õν. Dazu SEG 31, 546 556; Ha bicht 1985, S. 76 77. Weiter konnte die Insel Siphnos ihr Schatzhaus aus einem Zehntel der Einnah men des Goldbergbaus finanzieren: Hdt. 3, 57, 2: τὰ δὲ τῶν Σιφνίων πρήγματα ἤϰμαζε τοῦτον τὸν χρόνον, ϰαὶ νησιωτέων μάλιστα ἐπλούτεον, ἅτε ἐόντων αὐτοῖσι ἐν τῇ νήσῳ χρυσέων ϰαὶ ἀργυρέων μετάλλων, οὕτω ὥστε ἀπὸ τῆς δεϰάτης τῶν γινομένων αὐτόϑεν χρημάτων ϑησαυρὸς ἐν Δελφοῖσι ἀνάϰειται ὅμοια τοῖσι πλουσιωτάτοισι.; vgl. Paus. 10, 11, 2. Eine derartige Zehntel Stiftung aus wirt schaftlichen Einnahmen war aber nach Ausweis der literarischen Quellen in den Weihinschriften immer mit der Angabe eines konkreten Anlasses verbunden. 240 Jeffrey 1990, S. 351, Nr. 33; Bommelaer/Laroche 1991, S. 141 143, Nr. 209. 241 Bommelaer/Laroche 1991, S. 142; Maass 1993, S. 157, Abb. 70; Hering 2015, S. 86 89. 242 Paus. 6, 19, 13: ἀνάϰειται δὲ ϰαὶ ἀσπὶς ὑπὲρ τοῦ ἀετοῦ, τοὺς Μεγαρέας ἀπὸ Κορινϑίων ἀναϑε ῖναι τὸν ϑησαυρὸν λέγουσα. Gesamte Beschreibung: Paus. 6, 19, 12 14. 243 Vgl. Pritchett 1979, S. 279.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

auch Pausanias beschreibt.244 Der Kampf zwischen den olympischen Göttern (unter Beteiligung des Herakles) und den Urzeitwesen um die Weltherrschaft ist gewissermaßen die Gründungslegende vom göttlichen Vorsitz des Zeus und steht in engem Zusammenhang mit dem olympischen Kult. Die Ausgestaltung von Architektur und Giebelskulpturen datiert den Bau ins letzte Viertel des 6. Jhs.245 In der historiographischen Überlieferung passen zu diesem Datum wieder nur die Notizen des Pausanias über eine Schlacht im ausgehenden 6. Jh., bei der es den mit Argos verbündeten Megarern gelang, die Korinther zu überwältigen.246 Sollte diese Zuordnung richtig sein, dann sind in Olympia mit dem megarischen Schatzhaus und der „großen“ Beutewaffendedikation der Argiver τõν ϙορινϑόϑεν die Dankesweihungen beider siegreichen Parteien erhalten.247 Das bedeutet, dass beide Formen der Beuteweihung – unsublimiert und sublimiert – gleichzeitig zur Errichtung von Kriegsdenkmälern genutzt wurden. Während sowohl der Stifter als auch der Stiftungsanlass in beiden Fällen nur durch die angebrachte Inschrift ersichtlich wurden, war die Weihung der Polis Megara wesentlich monumentaler und versprach eine größere Ausstellungsdauer. Warum sich die eine Stadt für die „traditionelle“ Form der Dedikation entschied und die andere einen moderneren Weg beschritt, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit klären.248 Denkbar wäre etwa eine asymmetrische Beuteverteilung oder eine stärkere Präsenz der mit mehreren Kolonien nach Westen vernetzten Polis Megara im dorisch geprägten Heiligtum von Olympia. Folgt man der antiken Überlieferung, dann gehört in die Reihe der archaischen Oikoi aus Kriegsbeute auch das Athener-Schatzhaus in Delphi (3). Die Fundamente des (inzwischen wiedererrichteten) Gebäudes liegen kurz hinter der Biegung der Prozessionsstraße (Abb. 2). Der vergleichsweise große Oikos hatte die traditionelle Form eines dorischen Antentempels mit zwei Säulen, ragt aber unter den delphischen Schatzhäusern hervor, insofern der Bau vollständig aus parischem Marmor gefertigt war. Die erhaltenen Fragmente der Bauplastik zeigen außerdem, dass beide Giebelfelder und erstmals auch die Metopen mit figürlichen Szenen geschmückt waren.249 Laut Pausanias wurde es aus dem Erlös der Kriegsbeute von Marathon gestiftet, was eine entsprechende Weihinschrift an der Südseite des Unterbaus zu bestätigen scheint.250

244 Paus. 6, 19, 13: τοῦ ϑησαυροῦ δὲ ἐπείργασται τῷ ἀετῷ ὁ γιγάντων ϰαὶ ϑεῶν πόλεμος . Zu den Funden: Hering 2015, S. 141 144, Taf. 61 62; Mallwitz 1972, S. 174 176, Abb. 135 137; Vikatou 2006, S. 67, Abb. S. 70. 245 Hering 2015, S. 144; Mallwitz 1972, S. 176. 246 Paus. 6, 19, 13 14. Dazu: Jackson 2000, bes. S. 307 308; Robu 2014, S. 45 50. 247 Zur Argiver Weihung: NIvOl 131 142. Siehe Kap. 2.1.3. 248 Vgl. Baitinger 2011, S. 147. 249 Zum Befund: Bommelaer/Laroche 1991, S. 133 135, Nr. 223; Maass 1993, S. 168 175; Hering 2015, S. 73 83. 250 Paus. 10, 11, 5: Οἱ δὲ ϑησαυροὶ Θηβαίων ἀπὸ ἔργου τῶν ἐς πόλεμον, ϰαὶ ᾿Αϑηναίων ἐστὶν ὡσ αύτως· [. . .] ϰαὶ ᾿Αϑεναίοις ἀπὸ τῶν ἐς Μαραϑῶνα ἀποβάντων ὁμοῦ Δάτιδί εἰσιν οἱ ϑησαυροί. IG I3 1463 A: [᾿Α]ϑενα[ῖοι τõι ᾿Απόλλονι Πυϑί]οι ἀϰρ[οϑίνια τε͂ς Μαραϑõνι μάχες ἀνέϑεσαν] ἀ[πὸ Mέδον].

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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Abb. 2: Das Schatzhaus der Athener in Delphi wurde nicht zur Erinnerung an ein militärisches Ereignis errichtet, sondern manifestiert das neue Selbstverständnis der athenischen Bürgerschaft im Anschluss an die Kleisthenischen Reformen. An der zur Prozessionsstraße gewandten Längsseite des Bauwerks ist die Basis des Marathon-Anathems sichtbar, welche Pausanias fälschlicherweise mit dem Schatzhaus in Verbindung brachte. (Foto M. Seewer)

Archäologische Untersuchungen haben aber zweifelsfrei bewiesen, dass die Weihinschrift nicht zum Fundament des Schatzhauses gehört, sondern zu einer später angebauten Statuenbasis, und dass Pausanias deren Text zu Unrecht auf das dahinterliegende Gebäude bezogen hat.251 Dieser Fehler ist insbesondere deswegen naheliegend, weil sich die zur Basis gehörige Statuengruppe zur Zeit des Periegeten an einer

251 Zuerst Fittschen 2003, S. 12 14; vgl. Goette/Weber 2004, S. 93; Hering 2015, S. 83 84.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

prominenteren Stelle im Eingangsbereich des Heiligtums befand und der entsprechende Sockel am Oikos leer gewesen sein muss.252 Für eine Stiftung des Schatzhauses aus Kriegsbeute gibt es also keine (überzeugenden) schriftlichen Belege. Die zahlreichen Untersuchungen der Bauornamentik weisen in zwei verschiedene Richtungen: während ein Teil der Metopenreliefs, die Bemalung in Cella und Pronaos, die Antendekoration und die Verwendung von Schwalbenschwanzklammern für eine Errichtung zwischen 510 und 500 sprechen, datieren die Reste der Giebelskulpturen und die Bemalung des Türsturzes in die Zeit nach 490. Der Bau des Oikos wurde also nach Ausweis der archäologischen Zeugnisse um 510 begonnen sowie bis zum Metopenfries fertiggestellt und nach einer Unterbrechung (wohl aufgrund des ersten Persereinfalls) nach 490 fortgesetzt.253 Anlass für die Stiftung des Gebäudes dürften somit nicht militärische Ereignisse, sondern die Konsolidierung der neuen innenpolitischen Strukturen in Athen nach den Kleisthenischen Reformen gewesen sein. Die Einführung des neuen attischen Phylensystems war durch ein delphisches Orakel sanktioniert worden und hatte so die göttliche Legitimation von panhellenischer Autorität erhalten.254 Die These findet Bestätigung in den Metopenreliefs, welche neben dem häufig dargestellten Herakles-Zyklus erstmals auch die Taten des attischen Heros Theseus in der Bauplastik umsetzen. Die steigende Beliebtheit dieses Helden im ausgehenden 6. Jh. kann überzeugend mit der jungen attischen Demokratie und möglicherweise auch mit den Tyrannenmördern verbunden werden. Die Wahl der Theseus-Taten als Bildmotiv für das athenische Schatzhaus könnte vor diesem Hintergrund, ebenso wie die Stiftung des Gebäudes selbst, auf eine Initiative von Kleisthenes und den Alkmeoniden zurückzuführen sein.255 In dem delphischen Bau kommt also das neue Selbstbewusstsein der athenischen Bürgerschaft zum Ausdruck, deren Identifikationsfigur (Theseus) hier mit dem etablierten Stammesheros der dorischen Stadtstaaten (Herakles) konkurriert. Enge Bezüge zum Kultplatz, wie sie das Bildprogramm am MegarerSchatzhaus in Olympia aufweist, scheinen hier dagegen zu fehlen.256 Zur Bedeutung der Schatzhäuser Folgt man der oben ausgeführten Argumentation und spricht dem archaischen Athener-Schatzhaus eine Funktion als Kriegsdenkmal ab, dann verbleibt für die Untersuchung der Oikoi als Beuteweihungen freilich nur eine schmale Materialgrundlage. Auch die jüngeren Schatzhäuser aus dem 5. und 4. Jh., deren Errichtung

252 Paus. 10, 10, 1. 253 Zur Datierung: Hering 2015, S. 83 84; Bankel 1990, S. 410 412; Maass 1993, S. 174; Büsing 1994; Bommelaer/Laroche 1991, S. 135. Dagegen etwa Gauer 1968, S. 51 64. 254 Rausch 1999, S. 131. 255 Davie 1982, S. 26; vgl. Walker 1995, S. 50 54. 256 Die Annahme muss offen bleiben, insofern das Bildprogramm der Giebelfelder am Athener Schatzhaus nicht rekonstruiert werden kann. Dazu Hering 2015, S. 80 81; 83.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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aus Kriegsbeute gesichert ist, können diesem Problem wenig Abhilfe schaffen. Was die schlecht erhaltenen Zeugnisse dieser drei Schatzhäuser an Rückschlüssen erlauben, spricht für eine Fortsetzung der archaischen Bautraditionen.257 Sowohl der Thesauros von Syrakus als auch der Bau der Thebaner waren in der traditionellen (festlandsgriechischen) Form dorischer Antentempel, der erste auch sicher mit zwei vorgelagerten Säulen, gestaltet. Mindestens im Falle des thebanischen Schatzhauses waren die Metopen-Felder undekoriert und auch ansonsten haben sich keine Reste von figürlicher Verzierung erhalten.258 In dieser konservativen Gestaltung der Schatzhausweihungen zeigt sich bereits ein Charakteristikum klassischer Kriegsdenkmäler: mit Ausnahme der Schlachtfeldmonumente, die auch in sublimierter Form noch Darstellungen von Beutewaffen tragen, enthalten die Denkmäler nur selten direkte ikonographische Bezüge zu den militärischen Ereignissen, die sie kommemorieren. Stattdessen greift man bei der Gestaltung immer wieder auf ein einheitliches Formenspektrum zurück, das nur leicht variiert und kaum weiterentwickelt wird. Der kriegerische Anlass der Stiftungen war hier, ebenso wie bei vielen statuarischen Weihungen, nur aus den dazugehörigen Inschriften zu erschließen. Um zu verstehen, welche Bedeutung diesen uniformen Denkmälern bei der individuellen Kriegserinnerung im archaisch-klassischen Griechenland zukam, muss das Phänomen der Schatzhausbauten noch einmal in einem größeren Rahmen betrachtet werden. Der Bau von Schatzhäusern in den panhellenischen Heiligtümern ist, wie bereits angedeutet, eine zeitlich stark begrenzte Erscheinung, die im ausgehenden 7. Jh. beginnt, ihre Blütezeit im 6. Jh. hat und in der Mitte des 5. (Olympia) bzw. 4. Jhs. (Delphi) endgültig abbricht.259 Die Stifter der Thesauroi spiegeln dabei das Einzugsgebiet des jeweiligen Heiligtums wider: während in Olympia nur westgriechische und peloponnesische Stadtstaaten (bzw. deren Tochterstädte) vertreten sind, stammen die Schatzhausweihungen in Delphi von mittel- und ostgriechischen Poleis. Die Herkunft der Dedikanten spielt auch bei der Gestaltung der Schatzhäuser eine wesentliche Rolle. Im Zeusheiligtum dominieren die westgriechischen Bauten mit ihren aufwendigen Terrakottadächern, wohingegen im Apollonheiligtum reicher ionischer Bauschmuck und schlichte dorische Bauten nebeneinander auftraten. Dort wo Bauplastik verwendet wird, werden Szenen aus der Mythologie umgesetzt, die – wenn überhaupt – eher einen Bezug zum jeweiligen Kultplatz als zur Identität der Stifterpolis haben. Lokale Sagenstoffe und Mythen mit historischen Bezügen werden nur in Einzelfällen, wie am Athenerschatzhaus, durch Reliefs und Skulpturen dargestellt.260 Die Konzentration der Schatzhäuser in bestimmten Bereichen des Heiligtums ermöglichte den

257 Siehe Kap. 4.3.2. 258 Zur Rekonstruktion: Hering 2015, S. 68 69; 90. 259 Hering 2015, S. 157 158. 260 Hering 2015, S. 178 180. Zur Interpretation der mit Abstand am häufigsten verwendeten Hera kles Darstellungen vgl. Morgan 1990, S. 220 222.

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Kultteilnehmern direkte Vergleiche und bot ideale Möglichkeiten für die Positionierung in der Konkurrenz der Stadtstaaten untereinander.261 Neben den aufwendigen Formen der architektonischen Dekoration spielte im Wettbewerb der Stifterpoleis natürlich auch das Inventar der Schatzhäuser eine wichtige Rolle. Die bereits erwähnte Inschrift vom Schatzhaus der Knidier bestätigt die gleichzeitige Stiftung von θησαυρός und den darin aufgestellten ἀγάλματα.262 Darüber hinaus berichten uns Pausanias und andere antike Autoren von den nicht erhaltenen Schätzen im Inneren der Oikoi, welche die Stadtstaaten und ihre Angehörigen zu entsprechenden Anlässen kontinuierlich durch neue Anatheme ergänzten.263 Von den hier besprochenen Schatzhäusern enthielt etwa der Bau der Megarer eine aus Gold und Zedernholz gefertigte Statuengruppe mit dem Kampf des Herakles gegen Acheloos und der Thesauros von Akanthos eine Triere aus Gold und Elfenbein, welche Brasidas vom persischen Satrapen Kyros als Geschenk erhalten hatte.264 Die aufwendigen Schatzhausbauten dienten also einschließlich ihres Inventars zur Repräsentation der wirtschaftlichen, militärischen, politischen und kulturellen Potenz eines Stadtstaates und seiner Bürger. Entsprechend werden als Anlässe für den Bau der Schatzhäuser auch Ereignisse angegeben, mit denen ein hohes Maß an Prestige innerhalb der griechischen Staatenwelt verbunden war: Preise bei panhellenischen Agonen, wirtschaftliche Gewinne und militärische Erfolge.265 Unter den Weihungen mit kriegerischem Hintergrund fällt auch bei den Schatzhäusern auf, dass es sich ausschließlich um Beuteeinnahmen aus innergriechischen Auseinandersetzungen handelt. Die Megarer errichteten ihren Oikos nach der Überwindung des größeren Nachbarn Korinth, die Akanthier und die Syrakusaner nach ihrer Durchsetzung gegen Athen und die Polis Theben nach dem folgenreichen Sieg über das vorherrschende Sparta. Die Ereignisse, welche zur Stiftung eines Schatzhauses aus Kriegsbeute geführt haben, umfassten darüber hinaus immer die Überwindung einer früheren Hegemonialmacht, weshalb man ihnen möglicherweise eine besondere Bedeutung beimaß. Mindestens die drei letztgenannten Auseinandersetzungen hatten Folgen von panhellenischer Reichweite, die auch für die Zeitgenossen unmittelbar erkennbar gewesen sein müssen. Im Sinne der jeweiligen Neuordnung des hellenischen Machtgefüges kam den Beuteweihungen in Delphi und Olympia deshalb eine große symbolische Bedeutung zu. Der

261 Höcker 2002, Sp. 434; Maass 1993, S. 154. 262 FdD III 1, 289 (2); SEG 22, 457. 263 Xenophon an. 5, 3, 4 5 berichtet, wie er eine private Dedikation im Athener Schatzhaus weihte. Eine Zusammenstellung der Textstellen bietet Hering 2015, S. 192 193; 196 198. 264 Paus. 6, 19, 12; Plut. Lysandros 18, 1 2. 265 Die Schatzhäuser mit militärischem Stiftungsanlass wurden oben aufgelistet. Die Insel Siphnos stiftete laut Hdt. 3, 57, 2 und Paus. 10, 11, 2 ihr Schatzhaus aus den Einnahmen von Gold und Sil berbergbau, während der archaische Tyrann Myron von Sikyon den entsprechenden Bau anlässlich seines olympischen Sieges im Wagenrennen weihte. Vgl. Hering 2015, S. 189 190.

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postulierte Zusammenhang von Schatzhausweihungen und der Außendarstellung stadtstaatlicher Identitäten wird letztlich auch durch die Tatsache bestätigt, dass nach den Stiftungen der archaischen Tyrannen keine Thesauroi mehr aus privater Initiative oder mit Einzelpersonen als Stifter in panhellenischen Heiligtümern belegt sind.266 Schatzhausweihungen aus Kriegsbeute waren in diesem Sinn ein prestigeträchtiges Mittel zur Selbstdarstellung der griechischen Stadtstaaten im Rahmen der innergriechischen Konkurrenz. Wie eng der Zusammenhang von Polis-Identität und Schatzhausweihung war, zeigen auch die Forschungen von Morgan und Behrens-du Maire. Letzterer konnte anhand der Thesauroi von Metapont, Siphnos, Gela und Athen zeigen, dass ihre Errichtung mit wichtigen baulichen Maßnahmen im öffentlichen Raum der stiftenden Poleis selbst zusammenfällt. Während in Metapont und Siphnos gleichzeitig eine Neugestaltung der Agora realisiert wurde, kam es in Gela und möglicherweise auch in Athen zur Aufwertung der wichtigsten lokalen Kulte durch den Neubau von Tempeln. So gibt es enge architektonische Parallelen zwischen dem Athenerschatzhaus in Delphi und dem 480 zerstörten Vorparthenon auf der Akropolis. Behrens-du Maire folgert, wie bereits oben mit Blick auf den attischen Thesauros angenommen wurde, dass beide Projekte mit der Etablierung der kleisthenischen Verfassung in Verbindung stehen und das neue kollektive Bewusstsein der attischen Bürger repräsentierten. Eine entsprechende Aufwertung der bürgerlichen Identität kann demnach auch für die anderen Stifter-Poleis angenommen werden, deren Angehörige ihr politisches Gemeinschaftsgefühl durch die Neugestaltung des öffentlichen Raumes im eigenen Territorium und an den panhellenischen Kultplätzen zum Ausdruck brachten.267 Die stadtstaatlichen Strukturen der Poleis in Westgriechenland und im Gebiet des Isthmos von Korinth, welche die frühesten Schatzhäuser in Delphi und Olympia stifteten, waren demnach im 6. Jh. besonders weit entwickelt.268 Diese Folgerung bedarf natürlich einer Einschränkung, insofern diejenigen Thesauroi, welche auf Initiative von Tyrannen gestiftet wurden (Korinth, Sikyon), in erster Linie deren Herrschaftsanspruch repräsentieren und keine Rückschlüsse auf den Status der bürgerschaftlichen Identität in der jeweiligen Polis erlauben.269 Dennoch handelt es sich bei den betroffenen Stadtstaaten ausschließlich um kleine Poleis mit einem eindeutig definierten Territorium, in denen sowohl die Binnenintegration als auch die Festlegung der Grenzen in archaischer Zeit problemlos vonstatten ging. Laut Morgan ging die Konsolidierung der innenpolitischen Strukturen in diesen Poleis deshalb besonders schnell voran und äußerte sich in vergleichsweise frühen

266 267 268 269

Hering 2015, S. 182 185. Behrens du Maire 1993, bes. S. 78 81. Morgan 1990, S. 16. Zu den Schatzhäusern der Tyrannen vgl. Hering 2015, S. 182 183; 189.

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Aktivitäten auf den Gebieten der panhellenischen Heiligtümer.270 Der attische Staat mit seinem relativ großen und heterogenen Territorium begann sein Engagement mit dem Bau des Schatzhauses in Delphi etwa erst, nachdem mit den Kleisthenischen Reformen die Binnenintegration der ländlichen Gebiete erfolgreich vollzogen worden war. Neben dem Bau der Oikoi offenbart sich der Charakter der panhellenischen Heiligtümer als Ort der zwischenstaatlichen Kommunikation und Konkurrenz in archaischer Zeit natürlich auch durch den Bau der ersten monumentalen Steintempel.271 Die Schatzhausweihungen sind also – unabhängig von ihrem konkreten Stiftungsanlass und der Funktion als Kriegsdenkmal – als Indikatoren der sich konsolidierenden Polisgemeinschaften, des neuen kollektiven Selbstbewusstseins ihrer Bürger und der Ausbildung von zwischenstaatlichen Kommunikationsstrategien zu sehen. 2.2.2 Die ersten Statuendenkmäler In die Phase der Konsolidierung von Polisidentitäten fällt auch die Einführung einer weiteren Form des Kriegsdenkmals aus veräußerter Kriegsbeute: die Statuendenkmäler. Die Monumente bestanden in aller Regel aus einer steinernen Basis mit Weihinschrift und der aus Bronze gefertigten Statue bzw. Statuengruppe selbst. Inschriftenfunde belegen, dass es sowohl in den panhellenischen als auch in den lokalen Heiligtümern derartige Beuteweihungen ab dem ausgehenden 6. Jh. gegeben hat. Die konkreten Zahlenverhältnisse mögen hier aber durch unsere Überlieferungssituation verzerrt sein: anders als bei den unzähligen lokalen Kultplätzen verfügen wir in Delphi und Olympia nicht nur über umfangreiche archäologische Dokumentationen, sondern auch über die detaillierten Beschreibungen dieser beiden Heiligtümer und der darin aufgestellten Denkmäler durch Pausanias. Die folgenden Analysen einzelner Statuenmonumente können schon alleine deswegen nur exemplarischen Charakter haben und einige Grundlinien der DenkmälerTraditionen nachzeichnen. Die frühen statuarischen Weihungen Die Weihung von Statuendenkmälern aus Anlass militärischer Erfolge setzt am Ende des 6. Jhs. unvermittelt und etwa gleichzeitig in den Heiligtümern von Delphi und Olympia ein. Großplastische Kunstwerke waren – anders als Hoplitenwaffen und Schatzhäuser – zu Beginn ihrer Verwendung als Kriegsdenkmäler keine Innovationen mehr. Nach dem Zusammenbruch der bronzezeitlichen Hochkulturen war die Produktion von Bronze- und Steinplastik durch Vermittlung Kretas aus dem

270 Morgan 1990, S. 16 17. 271 Vgl. Morgan 1990, S. 223.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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Orient bereits im 8. Jh. wieder in Griechenland aufgekommen. Großplastische Kuroi und Koren waren, ebenso wie Götterdarstellungen, beim Beginn der statuarischen Beuteweihungen bereits seit mehreren Generationen in Gebrauch.272 Hatten die monumentalen Statuen aber zuvor in erster Linie dem Adel zur Repräsentation im kultischen und sepulkralen Bereich gedient, wurde diese Kunstgattung im ausgehenden 6. Jh. erstmals für die Selbstdarstellung der Bürgergemeinschaften vereinnahmt. Aufgrund der fehlenden (oder unzuverlässigen) historiographischen Überlieferung ist eine genaue Datierung der dazugehörigen Schlachten kaum möglich. Pausanias’ Angaben über die kommemorierten Ereignisse erlauben, ebenso wie die paläographischen Merkmale der dazugehörigen Inschriftenfunde, nur ungefähre Einordnungen. Die folgende Zusammenstellung enthält alle statuarischen Beuteweihungen in Delphi und Olympia, die sich (tendenziell) in die Zeit vor den Perserkriegen, d.h. ins ausgehende 6. bzw. beginnende 5. Jh., datieren lassen und auf dieser Grundlage noch den archaischen Denkmälern zugerechnet werden können. Denkmal

Ort

Anlass



Apollonstatue der Massalioten

Delphi

Karthagerbeute (. Jh.)



Statue der Byzantier

Olympia

Kriegsbeute (. Jh.)



Weihgeschenk der Mendaier

Olympia

Siptenierbeute (. Jh.)



Zeusstatue der Thessaler

Olympia

Phokerbeute? (. Jh.)



Zeusstatue der Lakedaimonier

Olympia

Messenierbeute? (. Jh.)



Statue der Gortyer (Arkadien)

Delphi

Kriegsbeute (. Jh.)



 Apollonstatuen der Liparaier

Delphi

Etruskerbeute (. Jh.)

Zu den ältesten statuarischen Beuteweihungen gehört sicher die Apollonstatue der westgriechischen Polis Massalia (1), die ihre Weihung mithilfe der ἀπαρχή einer erfolgreichen Seeschlacht gegen die Karthager tätigte.273 Auch Thukydides erwähnt diese Schlacht und bringt sie in zeitlichen Zusammenhang mit der Regierungszeit Kambyses’ II. (530–522) sowie des Tyrannen Polykrates auf Samos (540–522).274 Da bisher keine materiellen Überreste dieses Denkmals identifiziert werden konnten, müssen wir dieser problembehafteten Datierung folgen, welche in die zweite Hälfte des 6. Jhs. weist. Dem uniformen Stil dieser Zeit entsprechend muss es sich bei der Bronzestatue um ein unbekleidetes und kompaktes Standbild des Gottes gehandelt haben. Zumindest zu Pausanias’ Zeiten war das Monument an der südlichen Längsseite des Apollontempels aufgestellt und damit von den unteren Terrassen

272 Zur Geschichte der frühgriechischen Plastik vgl. Boardman 1991, S. 10 73. 273 Paus. 10, 18, 7: ὁ δὲ ᾿Απόλλων [. . .] Μασσαλιωτῶν ἐστιν ἀπὸ τῆς πρὸς Καρχηδονίους ἀπαρχὴ ναυμαχίας. Zur Gründung der Koloniestadt vgl. Paus. 10, 8, 6. 274 Thuk. 1, 13, 6; vgl. Schober 1931, Sp. 111, Nr. 186.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

des Heiligtums aus gut sichtbar. Die Tatsache, dass der Perieget den konkreten Anlass der Weihung und den dazugehörigen terminus technicus benennen kann, weist darauf hin, dass schon die frühesten statuarischen Weihungen über kurze Inschriften verfügten. Insofern seine Notizen repräsentativ sind, dürften die Texte dem Formular der Inschriften auf Waffenweihungen folgen und neben dem Stifter auch den Anlass der Schenkung (durch Nennung des Feindes oder des Schauplatzes) und gegebenenfalls den empfangenden Gott nennen. Diese Annahme wird durch einen Neufund in der Umgebung des Zeustempels von Olympia (2) bestätigt. 2003 wurde hier eine quaderförmige Statuenbasis aus Muschelkalk geborgen, in der noch die Standplatte mit Fragmenten der Füße einer antiken Bronzestatue befestigt war.275 Neben der Signatur des aiginetischen Künstlers trägt die Bronzeplatte eine archaische Weihinschrift Βυζάντιοί μ’ ἀνέϑεϰαν γ’ ἀϙροϑίνιον τᾶλαΐας.276 Die knappe Formel nennt die Bürger der kleinasiatischen Stadt Byzantion als Stifter und gibt eine nicht näher bestimmte Kriegsbeute als Anlass an.277 Das entsprechende historische Ereignis entzieht sich unserem Wissen, dürfte aber vor dem Skytenfeldzug des Dareios (513/12) und der damit einhergehenden Eroberung des Bosporus durch die Perser stattgefunden haben.278 Damit kennen wir auch für Olympia eine statuarische Weihung aus Kriegsbeute aus der zweiten Hälfte des 6. Jhs. Aufgrund der erhaltenen Füße lässt sich die Größe des Standbildes mit 2/3 Lebensgröße, also im Vergleich zu klassischen Weihestatuen noch relativ klein, veranschlagen. Bemerkenswert ist weiter, dass die Stifterinschrift nicht, wie später üblich, auf der Basis, sondern noch auf dem Weihgegenstand selbst angebracht war. Auch hierin mag sich die parallel laufende Praxis der beschrifteten Waffenweihungen widerspiegeln. Auf die dabei übliche Angabe der empfangenden Gottheit konnte bei der statuarischen Weihung dagegen verzichtet werden, weil die Identität des Adressaten, wie etwa beim Apollon der Massalioten, aus dem Bildnis selbst hervorging. Bei der Statue der Byzantier dürfte es sich also mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Darstellung des olympischen Zeus gehandelt haben. Sollte die Annahme der Ausgräber zutreffen, dass die Weihung im 5. Jh. dem Bau des Zeustempels weichen musste, dann hat auch sie sich zuvor an einer ausgesprochen prominenten Stelle im Heiligtum befunden.279 Dass die von Peloponnesiern gegründete Polis Byzantion das dorische Stammheiligtum in Olympia präferierte, während die von kleinasiatischen Phokaiern besiedelte Kolonie Massalia ihre Kriegsbeute

275 Vorbericht in Hermann 2013, S. 9; 38, Abb. 43. Die ausführliche Publikation steht momentan noch aus. 276 NIvOl 33A, Z. 2. Die zugehörige Signatur lautet: Πελανίδας ἐποίεσ’ Αἰγίναι. Zu den Inschriften vgl. Hallof u.a. 2012, S. 216 225, Abb. 1a 2b. 277 Aufgrund von Vergleichen ordnen die Herausgeber der Inschrift die Formulierung ἀϰροϑίνια τᾶς λαΐας eindeutig dem militärischen Bereich zu: Hallof u.a. 2012, S. 220 221. 278 Hallof u.a. 2012, S. 225. 279 Hallof u.a. 2012, S. 216.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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dem delphischen Apollon weihte, ist nicht weiter erklärungsbedürftig. Nach dem jetzigen Forschungsstand machten jedenfalls im 6. Jh. zuerst die Griechenstädte außerhalb des Mutterlandes von der neuen Möglichkeit Gebrauch, Kriegsbeute bildlich vor einem panhellenischen Publikum zu inszenieren. Die damit etablierten Erinnerungstraditionen setzten sich mit den Beuteweihungen am Beginn des 5. Jhs. fort und wurden nur geringfügig weiterentwickelt. Gestiftet wurden weiterhin ausschließlich Standbilder der panhellenischen Kultinhaber: die Thessaler (4) und Lakedaimonier (5) weihten, ebenso wie wahrscheinlich auch die Mendaier (3) eine Zeusstatue nach Olympia, während die Bewohner der Liparischen Inseln in Delphi 20 Apollonstatuen (7) aufstellen ließen.280 Gleichzeitig kristallisieren sich zwei verschiedene Strategien zur Differenzierung der eigenen Weihungen innerhalb dieser uniformen Gruppe von Denkmälern heraus. Die Spartaner etwa suchten sich von den übrigen Monumenten abzusetzen, indem sie eine außergewöhnlich hohe Statue (laut Pausanias 12 Ellen, d.h. über 5m) des Göttervaters anfertigen ließen.281 Und noch eine weitere Innovation tritt hinzu: die formelhaften Weihinschriften werden im 5. Jh. zunehmend in der elaborierteren Form eines kurzen Epigramms – in der Regel eines elegischen Distichons – wiedergegeben. Die tatsächlich im Text enthaltenen Informationen (Stifter, Name der Gottheit und ggf. Name des Gegners) bleiben dabei aber gewohnt knapp und formalisiert: Δέξο ἄναξ Κρονίδα Ζεῦ ᾿Ολύμπιε ϰαλὸν ἄγαλμα ἱλάῳ ϑυμῷ τοῖς Λαϰεδαιμονίοις. Nimm, Herr, Kronide, olympischer Zeus, dieses schöne Bild gnädigen Sinns von den Lakedaimoniern an. (Paus. 5, 24, 3; Übers. Meyer 1986.)

Der zu dieser Weihung gehörige Anlass lässt sich nicht mehr bestimmen. Pausanias’ Vermutung, das Denkmal beziehe sich auf die zweite Messenierrevolte (464–460), gründet sich auf Hören-Sagen.282 Die entsprechende Inschrift konnte auf einer zylindrischen Basis identifiziert werden, deren Gestaltung vielmehr für eine Datierung ins erste Jahrzehnt des 5. Jhs. spricht.283 Jeffery favorisiert daher eine weniger bekannte Auseinandersetzung mit den Messeniern, die nur bei Platon anklingt und möglicherweise die Ursache für die Verspätung der Spartaner bei Marathon war.284 Weiterhin ist die

280 Thessalerweihung: Paus. 5, 24, 1 2; Lakedaimonierweihung: Paus. 5, 24, 3; Liparaierweihung: Paus. 10, 16, 7; Mendaierweihung: Paus. 5, 27, 12. Der Perieget ist sich über die Identität der Figur im Unklaren. Er schließt jedoch aus, dass es sich um eine Siegerstatue handelt. Aller Wahrschein lichkeit nach war auch dieses Standbild eine Zeusstatue, die keine Sprunggewichte, sondern ar chaische Repräsentationen von Blitzbündeln in der Hand hielt. Vgl. etwa die Bronzestatuette des Blitze schleudernden Zeus in der Münchner Glyptothek Inv. 4339 (datiert 530/520). 281 Paus. 5, 24, 3. 282 Paus. 5, 24, 3: ἀνάϑημα δὲ λέγουσιν εἶναι Λαϰεδαιμονίων, ἡνίϰα ἀποστᾶσι Μεσσηνίοις δεύτερα τότε ἐς πόλεμον ϰατέστησαν. 283 IG V 1, 156; IvOl 252. Dazu Jeffery 1990, S. 196, Nr. 49. 284 Pl. leg. 692D und 698D E. Dazu: Jeffery 1949, S. 26 30.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

Weihung der Lakedaimonier eines der ältesten Beispiele für die im 5. Jh. beginnende Verwendung von Steininschriften für statuarische Beuteweihungen. Die ebenen Flächen der Statuenbasen trugen nicht nur den länger werdenden Texten Rechnung, sondern sorgten auch für eine bessere und längere Lesbarkeit der Weihinschriften. Das älteste erhaltene Beispiel dieser Art in Delphi ist die Kalksteinbasis einer kleinformatigen Statuenweihung der arkadischen Stadt Gortys (6) mit der kurzen Inschrift: Κ[ο]ρτύνιοι δεϰάταν πολεμίον.285 Was die Spartaner durch eine herausragende Höhe der Statue zu erreichen versuchten, erlangten die Bewohner der Liparischen Inseln vor der nordöstlichen Küste Siziliens durch eine überwältigende Quantität der Weihgeschenke.286 Laut Pausanias stifteten sie gleich 20 Apollon-Statuen für einen Seesieg über die Etrusker (7) nach Delphi.287 Die dazugehörige Geschichte über ein Orakel der Pythia ist von zweifelhafter Historizität und stammt wahrscheinlich aus dem Repertoire der FremdenführerGeschichten rund um das Heiligtum. Der außergewöhnliche Umfang des archaischen Denkmals wird aber durch archäologische Funde gestützt. Wahrscheinlich gehören zu diesem Weihmonument mehrere beschriftete Kalksteinplatten mit Statueneinlassungen, welche insgesamt eine Länge von 40m einnahmen und ursprünglich die polygonale Terrassenmauer unterhalb des Tempels bekrönten.288 Auch dieses Monument befand sich also an einer gut sichtbaren Stelle im Heiligtum und in direkter Nähe zum Apollontempel. Die Aufstellung einer ganzen Statuengruppe scheint, wie oben gezeigt, in archaischer Zeit singulär zu sein und innerhalb der Weihdenkmäler aus Kriegsbeute den Übergang ins klassische Zeitalter zu markieren. Überblickt man die Gruppe der ersten statuarischen Beuteweihungen in panhellenischen Heiligtümern, wird die Nähe zu den in den vorausgegangenen Jahrzehnten mit Waffen- und Schatzhausweihungen etablierten Kommemorationsformen deutlich. Als Stifter treten weiterhin ausschließlich Polisgemeinschaften auf, wobei die griechischen Koloniestädte außerhalb des Mutterlandes, ebenso wie im Fall der Schatzhäuser, zahlenmäßig überwiegen. Dass diese kleinen Stadtstaaten besonders früh zu einer bürgerlichen Identität finden und sich gewissermaßen als Vorreiter kollektiver Selbstdarstellung in den überregionalen Heiligtümern engagieren, hat verschiedene Gründe. Wie bereits festgestellt, ging die Binnenintegration in den fest umrissenen Grenzen des Territoriums einer Koloniestadt vergleichsweise 285 FdD III 4, 456 mit Abb. Pl. 20B. Zur Datierung Jeffery 1990, S. 215, Nr. 17. 286 Felten 1982, S. 81 möchte in den beiden Strategien Unterschiede in der Denkmälerpolitik der beiden panhellenischen Heiligtümer sehen. Meiner Meinung nach kann aber auch ein Überliefe rungszufall nicht ausgeschlossen werden. 287 Paus. 10, 16, 7. 288 Auf der fragmentarischen Inschrift FdD III 4, 184 ist leider nur das Wort ν]αυμαχί[ας sicher zu lesen. Die Zuordnung einzelner Steinbasen zu dem bei Pausanias erwähnten Denkmal ist deshalb weiterhin Gegenstand einer Forschungsdiskussion. Dazu Bommelaer/Laroche 1991, S. 152, Abb. 58; Maass 1993, S. 195, Fn. 41; Jeffery 1990, S. 350. Die Datierung des Denkmals schwankt entsprechend zwischen dem späten 6. und dem mittleren 5. Jh.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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schnell und die Etablierung innenpolitischer Strukturen entsprechend effizient vonstatten.289 Darüber hinaus war das Bedürfnis, sich als Griechen zu identifizieren und selbst darzustellen, in Gebieten mit verstärkten Kontakten zu anderen Kulturkreisen verständlicherweise höher als im griechischen Mutterland. Verstärkt wurde dieser Effekt noch bei militärischen Auseinandersetzungen gegen Nichtgriechen, wie sie etwa die Mendaier gegen die Thraker, die Massalioten gegen die Karthager oder die Liparaier gegen die Etrusker führten. Die dazugehörigen Siege konnten als Verdienst für das gesamte Griechentum in Anspruch genommen werden und wurden von den betreffenden Poleis entsprechend aufwendig kommemoriert. Darüber hinaus drängt sich der Eindruck auf, dass die kleineren Städte am Rand der griechischen Welt über ein größeres Innovationspotential verfügten, was Neuerungen in den Denkmälertraditionen betrifft, wohingegen sich die etablierten Poleis im Mutterland konservativer zeigten und länger an den alten Kommemorationsformen festhielten. Dass Sparta dabei eine Ausnahme bildete, ist leicht zu erklären. Da die Polis auf Waffenweihungen gänzlich verzichtete, muss die Möglichkeit statuarischer Beuteweihungen für die Lakedaimonier eine willkommene Neuerung gewesen sein. Was die ikonographische Gestaltung der Denkmäler betrifft, verhaften die Stifter ebenfalls weiter in archaischen Traditionen. Wie schon bei den Schatzhäusern wird ausschließlich der Kultinhaber selbst bildlich dargestellt, während ikonographische Hinweise auf das Kampfgeschehen oder den konkreten Anlass der Stiftung vollständig ausbleiben. Innerhalb der uniformen Reihen von Apollon- und ZeusStatuen versuchte man sich daher nach der Wende zum 5. Jh. durch Größe, Quantität und prominente Standorte abzusetzen. Die Einheitlichkeit der Weihdenkmäler in der Zeit vor den Perserkriegen ist letztlich auch das Argument für den Ausschluss mehrerer Phokeranatheme aus dieser Monumentengruppe. Die bereits erwähnte Schlacht zwischen Phokern und Thessalern soll laut Herodot einige Jahre vor den Perserkriegen stattgefunden haben. Die von Pausanias beschriebenen Statuengruppen weisen aber konkrete Bezüge zum Kriegsgeschehen auf und setzen einen Grad an Komplexität und Bewegung voraus, der für großplastische Werke der archaischen und frühklassischen Zeit undenkbar ist.290 Keines der drei Denkmäler lässt sich vor die Mitte des 5. Jhs. datieren, womit eine direkte Stiftung aus dem Erlös der Kriegsbeute in den Jahren nach der Schlacht ausgeschlossen werden kann.291 289 Morgan 1990, S. 16 17. Vgl. Kap. 2.2.1. 290 Zur Datierung: Hdt. 8, 27, 2: οὐ πολλοῖσι ἔτεσι πρότερον ταύτης τῆς βασιλέος στρατηλασίης. Die drei Denkmäler sind in der Reihenfolge der Nennung bei Pausanias: das erste Phokeranathem mit Statuen von Apollon, Athena und Artemis (Paus. 10, 13, 4), das zweite Phokeranathem mit Apollon, Tellias und Bildern der an der Schlacht beteiligten Feldherren und Heroen (Paus. 10, 13, 6 und 10, 1, 10) sowie das dritte Phokeranathem mit der Darstellung des Dreifußkampfes zwischen Herakles und Apollon (Paus. 10, 13, 7). 291 Die Datierung der Denkmäler wird in der Forschung sehr unterschiedlich behandelt. Das dritte Phokeranathem wird noch in einer anderen antiken Quelle erwähnt, nämlich in Hdt. 8, 27, 5. Die Darstellung des Dreifußkampfes in Delphi muss also, ebenso wie die Parallelweihung in Abai,

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2 Die Politisierung der Erinnerung

Eine wirkliche Neuerung in der Gestaltung der archaischen Weihdenkmäler stellen die beschrifteten Steinbasen dar, auf denen nicht mehr nur formelhafte Weihinschriften, sondern zunehmend auch kunstvolle Epigramme angebracht wurden. Noch eine Tatsache ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert. Bei den statuarischen Beuteweihungen aus Olympia weiß Pausanias jeweils nur vom Hören-Sagen oder aufgrund von Mutmaßungen den Anlass der Stiftung zu nennen (4 und 5). Angaben von Gegnern bzw. Schauplätzen, wie sie auf archaischen Waffenweihungen üblich waren, scheinen in den Statuen-Inschriften des 6. und 5. Jhs. zu fehlen. Der Text auf der neugefundenen Standplatte der Byzantier-Weihung (2) und das bei Pausanias zitierte Lakedaimonier-Epigramm (5) bestätigen diese Beobachtung. Dasselbe Phänomen hat Felten schon vor längerer Zeit an den klassischen Beuteweihungen in Olympia beobachtet und daraus überzeugend eine programmatische Politik des Heiligtums abgeleitet. Demnach mussten die weihenden Stadtstaaten zugunsten der „panhellenischen“ Idee auf militärische Bezüge in der ikonographischen Gestaltung ihrer Stiftungen verzichten, ebenso wie in den dazugehörigen Inschriften die Gegner nicht namentlich genannt werden durften.292 Die einzige Ausnahme von dieser Regel stellen Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Barbaren dar, was wiederum in der Weihung der griechischen Siedler von Mende für die Eroberung der thrakischen Stadt Sipte (3) Bestätigung findet. Die von Felten postulierte Programmatik des olympischen Heiligtums muss also auch für das archaische Zeitalter angenommen werden. Während die namentliche Nennung von unterlegenen Griechen auf Waffenweihungen noch bis weit ins 5. Jh. hinein geduldet wurde, unterband man die entsprechende Praxis bei statuarischen Beuteweihungen von Anfang an. Der Verstoß gegen den panhellenischen Gedanken wog in diesem Fall offenbar schwerer, da man den Statuen und Steininschriften eine größere Wirkungsmacht zusprach als einzelnen Weihgegenständen. Über die Hintergründe dieser Denkmälerpolitik kann leider nur spekuliert werden. Möglicherweise suchte die Polis Elis ihre um 570 mit spartanischer Hilfe zurückgewonnene Vormachtstellung über das Heiligtum durch weitestgehende Neutralität bei innergriechischen Auseinandersetzungen langfristig zu schützen. Dass die Verwaltung der Altis offenbar die Notwendigkeit zum Eingreifen sah, zeigt jedenfalls hinlänglich, dass nun die Epoche beginnt, in der die Kriegsdenkmäler der Stadtstaaten das Gesicht der panhellenischen Heiligtümer maßgeblich prägten. bereits im Verlauf des 5. Jhs. gestiftet worden sein. Den anderen beiden Denkmälern können In schriftenfragmente zugeordnet werden, deren Merkmale in die Mitte des 4. Jhs. weisen. Dazu Pom tow 1924, Sp. 1319 1322, Nr. 69; Sp. 1400 1402, Nr. 104. Das erste und zweite Phokeranathem sind also mit einiger Sicherheit Zeugnisse für die Erinnerungspolitik des phokischen Koinons in der Zeit des 3. Heiligen Krieges (356 346). So auch Morgan 2003, S. 133 134. Baitinger 2011, S. 25 hält dage gen ohne Angabe von Argumenten weiterhin an einer Frühdatierung (500 480) fest. Die vier Bild hauer, deren Künstlerinschriften Pausanias zitiert, sind ansonsten unbekannt (mit Ausnahme der nicht datierten Nennung eines Chion bei Vitr. 3,2) und geben ebenfalls keinen Aufschluss über die Aufstellungszeit der Denkmäler. 292 Felten 1982, S. 93 97.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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Die bisherigen Überlegungen zu statuarischen Weihungen in der vorklassischen Zeit haben sich weitestgehend auf die Kriegsdenkmäler in den panhellenischen Heiligtümern Delphi und Olympia beschränkt. Diese Monumentengruppe umfasst die mit Abstand größte Zahl der Kriegsweihungen – nicht nur in archaischer, sondern auch in klassischer Zeit. Während die Stiftung statuarischer Beuteweihungen in den lokalen Heiligtümern eine Ausnahme darstellte, war eben diese Praxis in Delphi und Olympia offenbar die Regel.293 Ein ähnliches Phänomen wurde bereits bei den Waffenweihungen beobachtet.294 Die jungen stadtstaatlichen Gemeinschaften konzentrierten ihre Kriegskommemoration in Form von staatlichen Beuteweihungen also auf externe Kultplätze. Betrachtet man das Phänomen Krieg als einen politischen Prozess, an dem Akteure aus verschiedenen Staaten mitwirken, so ist die Nutzung von zwischenstaatlichen Heiligtümern zur historischen Dokumentation zunächst eine logische Wahl. Sie bieten einen neutralen Raum, in dem die Kriegsereignisse sowohl vor den Siegern und Verlierern als auch vor unbeteiligten Dritten inszeniert und damit beglaubigt werden können. Analysiert man jedoch die Inschriften der Statuen- und Waffenweihungen, offenbaren sich Erinnerungsfiguren, deren Träger nur die Bewohner der jeweils siegreichen Polis selbst sein können. Nirgendwo ist in archaischer Zeit die Rede von einer Weihung der Griechen oder von Verdiensten für eine panhellenische Gemeinschaft – nicht einmal dort, wo es aufgrund der Überwindung nichtgriechischer Feinde (wie der Etrusker, Karthager oder Thraker) naheliegend wäre. Indem man die errungene Kriegsbeute in Delphi und Olympia zur Schau stellte und damit in Konkurrenz zu den militärischen Leistungen (und Denkmälern) der anderen Polisgemeinschaften trat, versicherte sich die Gruppe von Hoplitenbürgern ihrer eigenen Fähigkeit und Identität. Die Kriegsdenkmäler verstetigen somit die in der siegreichen Schlacht errungene Anerkennung vor einem größeren Publikum und für einen längeren Zeitraum. Diese Strategie der Identitätsstiftung weist erstaunliche Parallelen zu den Konkurrenzkämpfen der griechischen Aristokraten auf, welche im gleichen Rahmen ausgetragen und an den gleichen Orten inszeniert wurden. Mit der Aufstellung von Siegerstatuen in panhellenischen Heiligtümern identifizierte sich ein Sportler unzweifelhaft als Grieche und suchte sich gleichzeitig aufgrund seiner athletischen Leistungen, innerhalb dieser Gruppe als Bester abzugrenzen. An diese agonale Tradition knüpften die Hoplitengemeinschaften mit ihren archaischen Beutedenkmälern an. Das Selbstbewusstsein der jungen Stadtstaaten gründete sich in dieser Phase maßgeblich auf die gleichzeitige Integration und Abgrenzung innerhalb

293 Zu dieser Feststellung gelangte auch Baitinger 2011, S. 147: „Ab etwa 500 v. Chr. traten neben die Schatzhäuser auch einzelne Statuen oder Statuengruppen aus Kriegsbeute, vor allem in den panhellenischen Heiligtümern von Delphi und Olympia.“ Das Forschungsergebnis bleibt leider unkommentiert. 294 Vgl. Kap. 2.1.3.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

Griechenlands. Die archaischen Polisgemeinschaften rangen damit weniger um Legitimität im Inneren, sondern mehr um die Anerkennung Außenstehender. Erst am Übergang zur klassischen Zeit, als die Herrschaftsverhältnisse im Inneren der Poleis verstärkt zur Aushandlung kamen, trat das Bedürfnis, sich nach außen abzugrenzen und zu behaupten, zurück. Militärische Erfolge wurden nun erstmals (auch) genutzt, um die innere Einigkeit der stadtstaatlichen Gemeinschaften im Rahmen lokaler Kulte zu fördern. Statuarische Weihungen in lokalen Heiligtümern Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass sich in archaischer Zeit die einzige sicher belegte, statuarische Beuteweihung außerhalb der panhellenischen Bezirke in Athen befand, wo sich der gesellschaftliche Umbruch am Ende des 6. Jhs. besonders früh und besonders abrupt vollzogen hatte. Das Denkmal wurde mit den Einnahmen eines Kriegszugs gegen die Chalkidier und deren Verbündete, die Boioter, finanziert. Laut Herodot hatten sich die Bewohner des euböischen Hauptortes 508/7 mit dem Ziel, die demokratischen Bewegungen in Athen zu unterdrücken, an einer militärischen Initiative des Spartanerkönigs Kleomenes I. beteiligt.295 Diese richtete sich gegen die Vorlage des Kleisthenischen Reformwerkes und strebte möglicherweise eine Einsetzung des adeligen Isagoras als athenischen Tyrannen an. Nachdem das spartanische Vorhaben am Widerstand der athenischen Bürger gescheitert war, wurden die Reformen des Kleisthenes umgesetzt und ein Rachefeldzug gegen die Verbündeten des Kleomenes anberaumt.296 Die Eroberung von Chalkis brachte den Athenern nicht nur reiche Beute ein, sondern führte auch zur Einrichtung einer attischen Kleruchie auf dem Territorium der gegnerischen Stadt.297 Darüber hinaus erzielten die Athener offenbar beträchtliche Einnahmen mit dem Verkauf von 700 Gefangenen zum Preis von zwei Minen pro Kopf. Die Fesseln der Kriegsgefangenen wurden deshalb zur Erinnerung an die Ereignisse an der Temenosmauer des archaischen Athenatempels auf der Akropolis aufgehängt.298 Ein Zehntel der Beuteeinnahmen wurde außerdem genutzt, um ein monumentales Kriegsdenkmal in Form eines Bronze-Viergespanns zu errichten.299

295 Hdt. 5, 74, 1 2. 296 Zu den Ereignissen in Athen und ihrer Chronologie vgl. Welwei 1999, S. 9 10. 297 Hdt. 5, 77, 2. 298 Hdt. 5, 77, 3: χρόνῳ δὲ ἔλυσάν σφεας δίμνεως ἀποτιμησάμενοι. τὰς δὲ πέδας αὐτῶν, ἐν τῇσι ἐδεδέατο, ἀνεϰρέμασαν ἐς τὴν ἀϰρόπολιν, αἵ περ ἔτι ϰαὶ ἐς ἐμὲ ἦσαν περιεοῦσαι, ϰρεμάμεναι ἐϰ τειχέων περιπεφλευσμένων πυρὶ ὑπὸ τοῦ Μήδου, ἀντίον δὲ τοῦ μεγάρου τοῦ πρὸς ἑσπέρην τετρα μμένου. Zur Identifizierung der Ortsangabe bei Pausanias vgl. Scholl 2010, S. 259, Fn. 45. 299 Hdt. 5, 77, 4 geht davon aus, dass das Denkmal aus einem Zehntel der Lösegeld Einnahmen finanziert worden war. Dabei handelt es sich um eine freie Interpretation des eingeschriebenen Ver ses: [Δεσμõι ἐν ἀχνύεντι (?) σιδερέοι ἔσβεσαν hύβ]ριν : τõν hίππος δεϰάτ[εν Παλλάδι τάσδ’ ἔϑεσαν]

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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Sowohl Herodot als auch Pausanias sahen auf dem Burgberg nur noch die klassische Nachbildung des archaischen Denkmals, welches beim Persersturm zerstört worden sein muss.300 Vom ersten Monument ist aber noch ein Fragment der Inschriftenbasis erhalten, dessen Epigramm sich mithilfe der herodoteischen Abschrift vollständig rekonstruieren lässt: [Δεσμõι ἐν ἀχνύεντι (?) σιδερέοι ἔσβεσαν hύβ]ριν : παῖδε[ς ᾿Αϑεναίον ἔργμασιν ἐμ πολέμο] | [ἔϑνεα Βοιοτõν ϰαὶ Χαλϰιδέον δαμάσαντες] : τõν hίππος δ[εϰάτεν Παλλάδι τάσδ’ ἔϑεσαν]. Mit drückenden301 Fesseln aus Eisen erstickten die Hybris die Söhne der Athener durch ihre Taten im Kriege als sie die Völker der Boioter und Chalkidier bezwangen und als Zehnten von ihnen der Pallas dieses Pferdegespann weihten. (IG I3 501 A vgl. Hdt. 5, 77, 4; Übers. HGIÜ 24.)

Mithilfe der fragmentierten Kalkstein-Basis kann dem archaischen Denkmal auch der konkrete Standort auf der Akropolis zugeordnet werden. Rechts neben der Basis der Statue der Athena Promachos findet sich eine quadratische Felsbettung, die zu den rekonstruierbaren Massen der beschriebenen Basis passt. An dieser Stelle dürfte auch Pausanias das Monument gesehen haben, welches er mit der phideischen Statue in räumlichen Zusammenhang bringt.302 Die Basis hatte demnach eine Kantenlänge von drei Metern und lässt auf eine lebensgroße Abbildung schließen.303 Das alte Kriegsdenkmal offenbarte sich dem Besucher mit seiner beachtlichen Größe

(IG I3 501 B, Z. 2), der darüber hinaus in archaischer Zeit anders angeordnet war. Treffender ist wohl die Deutung von Paus. 1, 28, 2, nach der es sich bei der Statuenweihung um die Dekate aller Beuteeinnahmen handelt. 300 Hdt. 5, 77, 4 und Paus. 1, 28, 2. Die klassische Replik des Denkmals wird von vielen Forschern mit dem erneuten Sieg der Athener über die Boioter bei Oinophyta 457 in Verbindung gebracht. Vgl. Scholl 2010, S. 259; Meiggs/Lewis 1989, S. 29; Page 1981, S. 192; SEG 60, 107. Anlässlich der Aktualisierung des historischen Sieges wurde das Denkmal also erneuert nun mit einer Basis aus Marmor und leicht geändertem Epigramm. Der Halbvers mit der namentlichen Erwähnung der Be siegten wurde an den Anfang des Gedichtes gerückt, während der obsolete Bezug zu den archai schen Fesseln nach hinten gestellt wurde. Dazu SEG 32, 20. 301 An dieser Stelle variieren die Herodot Manuskripte zwischen ἀχλυόεντι, ἀχνυϑέντι und ἀχνυνθέντι. Keines der Wörter passt in den zur Verfügung stehenden Raum der in Stoichedon ver fassten, jüngeren Inschrift B. Dazu Meiggs/Lewis 1989, S. 28; Page 1981, S. 193. Zur Verwendung von ἀχλυόεντι vgl. SEG 40, 24. 302 Paus. 1, 28, 2. Diese Lokalisierung passt nicht zur Angabe des Herodot: τὸ δὲ ἀριστερῆς χειρὸς ἕστηϰε πρῶτα ἐσιόντι ἐς τὰ προπύλαια τὰ ἐν τῇ ἀϰροπόλι (5, 77, 4). Wahrscheinlich wurde das klas sische Denkmal mehrfach umgestellt, gelangte aber bis zum 2. Jh. n. Chr. wieder an seinen ursprün glichen Aufstellungsort zurück. Zur Forschungsdiskussion: Scholl 2010, S. 259 260; dagegen Rausch 1999, S. 122 123. 303 Scholl 2010, S. 260.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

also gleich nach dem Durchschreiten des archaischen Torbaus beim Betreten der Akropolis. Von Interesse ist außerdem, dass die Weihung vor der Temenosmauer des Alten Athenatempels stand, an der die Fesseln der kriegsgefangenen Boioter aufgehängt waren. Für den Betrachter des Denkmals bestand also ein optischer Zusammenhang zwischen der Statuenweihung und den dahinter inszenierten Fesseln, auf die auch am Beginn des Epigramms Bezug genommen wird. In dieses Ensemble mit einbezogen war aber auch der dahinter liegende Athenatempel, als wichtigster Kultort der Stadtgöttin in archaischer Zeit. Sowohl die Größe als auch der Aufstellungsort heben das Denkmal also deutlich von den anderen (privaten) Weihgeschenken dieser Zeit ab. Die Weihinschrift selbst enthält neben den üblichen Elementen (Stifter, Anlass und Gottheit) und dem Verweis auf die Kriegsgefangenen auch eine Sinnzuschreibung für das kriegerische Handeln. Mit dem Sieg über die Boioter und Chalkidier wurde ein Frevel bzw. eine hochmütige Tat ausgeglichen (ἔσβεσαν hύβ]ριν ).304 Auf welche Handlungen diese poetische Formulierung anspielt, wird vom Dichter nicht weiter ausgeführt. Denkbar wäre einerseits die kriegerische Verwüstung attischen Gebietes oder andererseits das Vergehen gegen die athenische Bürgerschaft durch die Unterstützung der autokratischen Bestrebungen des Isagoras. Auch die bildliche Gestaltung des Monuments ermöglicht in dieser Frage keine Entscheidung. Die Fragmente der Basis erlauben keine Rückschlüsse und aus den literarischen Quellen erfahren wir lediglich, dass es sich um einen gespannten Wagen (ἅρμα bzw. hίππος), genauer ein bronzenes Viergespann (τέϑριππον χάλϰεον), handelte.305 Die Frage, ob der Wagen von Personen – seien es Menschen oder Götter – begleitet wurde, konnte von der archäologischen Forschung bisher nicht befriedigend beantwortet werden. Während Stevens sich bei seiner Rekonstruktion noch am delphischen Wagenlenker orientierte, bevorzugt Scholl eine Variante mit einem gerüsteten Krieger auf dem Wagen als Anlehnung an die heroische Kampfweise bei Homer.306 Darüber hinaus erfreute sich seit der Mitte des 6. Jhs. das Motiv der göttlichen Wagenfahrt, mit der Athena den Heros Herakles in den Olymp einführte, zunehmender Beliebtheit in der athenischen Kunst.307 Sollte es sich bei dem Weihgeschenk von 506 tatsächlich um eine großplastische Umsetzung dieses Motivs handeln, dann lässt sich das konsequente Schweigen der antiken Autoren

304 Zur Bedeutung der „Hybris“ in der griechischen Kriegskommemoration vgl. Whitley 2011. 305 Paus. 1, 28, 2; Hdt. 5, 77, 4 (zwei Erwähnungen). 306 Stevens 1936, S. 506, Abb. 54; Scholl 2010, S. 260. 307 LIMC II/2, S. 257, Nr. 833c; II/1, S. 286. Brandt 1997 untersucht die Verbindung des Motivs mit der Peisistratos Phye Episode bei Hdt. 1, 60, 3 5 kritisch. Anstatt einer direkten propagandistischen Beeinflussung der Vasenproduktion durch die Peisistratiden, wie sie Boardman 1972 postuliert hat, spricht er von einer „anspielungsreichen Kultpolitik“ (S. 331) und einer allgemeinen Popularität des Bildmotivs. Zu den politischen Implikationen des Motivs auch Hering 2015, S. 185 187.

2.2 Weihdenkmäler aus veräußerter Kriegsbeute

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über den bzw. die Fahrer des Wagens aber kaum erklären. Wenn der Wagen mit einem Lenker ausgestattet war, muss es sich viel mehr um eine anonyme Person gehandelt haben, mit der sich der Betrachter selbst identifizieren konnte. Scholl schlussfolgert: „Die junge Demokratie adaptiert [. . .] sehr bewusst eine eindeutig aristokratische Bildchiffre, die des Kriegers oder Wagenlenkers auf der Quadriga, wie sie in den Siegesanathemen des Adels in den großen griechischen Heiligtümern in ähnlicher Form jedem zeitgenössischen Betrachter vor Augen standen.“308 Dass die statuarischen Beuteweihungen in ihren Grundzügen enge Parallelen zur agonistischen Plastik der archaischen Adelskultur aufweisen, wurde bereits festgestellt. Dennoch wäre ein solcher ikonographischer Bezug auf die aristokratische Lebenswelt innerhalb der Beuteweihungen hellenischer Polisverbände einzigartig. Vor diesem Hintergrund soll hier noch ein alternativer Interpretationsansatz vorgestellt werden, ohne dass eine endgültige Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Deutung möglich ist. Die Landschaft Boiotien war in der Antike allgemein für Pferdezucht bekannt und von Herodot erfahren wir, dass die Aristokraten bei den Chalkidiern „Rossezüchter“ (οἱ ἱπποβόται) genannt wurden.309 Dementsprechend hatte die Reiterei in beiden Regionen einen hohen politischen Stellenwert, der im griechischen Mutterland ohnegleichen war.310 Davon zeugt etwa auch, dass in der euböischen Stadt Eretria jährlich eine kultische Prozession unter Beteiligung von 60 Wagen und 600 Reitern durchgeführt wurde.311 Aristoteles stellt mit Bezug auf Chalkis und Eretria sogar explizit einen Zusammenhang zwischen deren oligarchisch verfassten Regierungen und dem Einsatz von Kavallerie im Krieg her.312 Vor diesem Hintergrund kommt dem Bild des Wagens eine weitere Bedeutungsebene zu. Er war in den Augen des antiken Betrachters ein Symbol für den überwundenen Feind – und zwar sowohl in ethnischer Hinsicht für die Boioter und Chalkidier als auch in politischer Hinsicht für deren oligarchische Bestrebungen. Als Vorbild für das Kriegsdenkmal diente möglicherweise ein erbeuteter Streitwagen. Für die plastische Darstellung von Beutestücken auf Kriegsweihungen finden sich in frühklassischer Zeit jedenfalls zahlreiche Parallelen.313

308 Scholl 2010, S. 261; vgl. auch Rausch 1999, S. 123 124. 309 Dikaiarchos, GGM 1, 13; Hdt. 5, 77, 2. 310 Zu Boiotien: Hdt. 9, 68 69; Diod. 12, 870, 1 2. Zu Euböa: Plut. Perikles 23, 2; Aristot. Ath. pol. 15, 2; Aristot. pol. 5, 6, 1306a, 35 36. 311 Strab. 10, 448. 312 Aristot. pol. 4, 3, 1289b, 36 40: διόπερ ἐπὶ τῶν ἀρχαίων χρόνων ὅσαις πόλεσιν ἐν τοῖς ἵπποις ἡ δύναμις ἦν, ὀλιγαρχίαι παρὰ τούτοις ἦσαν; ἐρχῶντο δὲ πρὸς τοὺς πολέμους ἵπποις πρὸς τοὺς ἀστυ γείτονας, οἷον ᾿Ερετριεῖς ϰαὶ Χαλϰιδεῖς ϰαὶ Μάγνητες οἱ ἐπὶ Μαιάνδρῳ ϰαὶ τῶν ἄλλων πολλοὶ περὶ τὴν ᾿Ασίαν. 313 Felten 1982, S. 92 nennt verschiedene Beispiele in Delphi. Bekannt ist etwa auch die bronzene Nachbildung vom Mast eines erbeuteten Schiffes, welche die Aigineten nach Salamis in Delphi stif teten: Hdt. 8, 122, 1. Wenn man den Wagen als Symbol für die boiotischen Feinde anerkennt, erklärt

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2 Die Politisierung der Erinnerung

Dass die Betrachter des Denkmals einen Zusammenhang zwischen dem militärischen Sieg und der politischen Verfasstheit Athens herstellen konnten, zeigen auch die Ausführungen Herodots. Direkt an seine Beschreibung des Denkmals schließt er unvermittelt einen Exkurs über die Auswirkungen des politischen Umsturzes am Ende des 6. Jhs. an: ᾿Αϑηναῖοι μέν νυν ηὔξηντο; δηλοῖ δὲ οὐ ϰατ’ ἕν μοῦνον ἀλλὰ πανταχῇ ἡ ἰσηγορίη ὡς ἐστὶ χρῆμα σπουδαῖον, εἰ ϰαὶ ᾿Αϑηναῖοι τυραννευόμενοι μὲν οὐδαμῶν τῶν σφέας περιοικεόντων ἦσαν τὰ πολέμια ἀμείνους, ἀπαλλαχϑέντες δὲ τυράννων μακρῷ πρῶτοι ἐγένοντο. Die Athener waren stark geworden. Das bürgerliche Recht des freien Wortes (Isegoria) für alle ist eben in jeder Hinsicht, wie es sich zeigt, etwas Wertvolles. Denn als die Athener von Tyran nen beherrscht wurden, waren sie keinem einzigen ihrer Nachbarn im Kriege überlegen; jetzt aber, wo sie frei von Tyrannen waren, standen sie weitaus an der Spitze. (Hdt. 5, 78; Übers. Feix 1963.)

Herodot verstand das Kriegsdenkmal also als Beleg für die Überlegenheit der demokratischen Verfasstheit Attikas. Die Athener haben sich in seiner Deutung 506 erfolgreich gegen die äußeren Feinde sowie deren antidemokratische Bestrebungen verteidigt und damit die Stärke der Bürgerschaft unter Beweis gestellt. In der kollektiven Erinnerung Athens war der Sieg über die Boioter und Chalkidier nicht nur eine Behauptung der Polis nach außen, sondern auch eine Selbstvergewisserung nach innen. Die Anhänger der demokratischen Verfassung Athens deuteten den Sieg also als Bestätigung und Legitimation der neuen politischen Ordnung sowie des Bürgerheeres.314 Auch die Tatsache, dass es sich um die früheste athenische Statuenweihung aus Beute überhaupt handelt und dass man zu ihren Gunsten auf eine Parallelweihung in Delphi verzichtete, ist in diesem Zusammenhang aussagekräftig. Das Denkmälerensemble und seine Deutungszusammenhänge wurden im Eingangsbereich der Akropolis im Rahmen des wichtigsten städtischen Kultes inszeniert und standen den Bürgern der Stadt somit omnipräsent vor Augen. Auch wenn wir die einzelnen Erinnerungsfiguren nur noch bruchstückhaft aus den spärlichen Zeugnissen rekonstruieren können,315 darf die politische Wirkung des Denkmals nicht unterschätzt werden.316

sich auch hinreichend, warum die Athener 50 Jahre später nach der Schlacht von Oinophyta das selbe Motiv wiederverwendeten. 314 So auch Rausch 1999, S. 125. 315 Denkbar wäre etwa, dass sich die demokratischen Implikationen für Herodot und andere Be trachter nicht aus dem Denkmal selbst, sondern aus mündlichen Überlieferungen oder der räumli chen Verbindung mit anderen (nicht erhaltenen) Monumenten ergaben. Thuk. 6, 55, 1 erwähnt eine Stele mit antipeisistratidischer Inschrift auf der Akropolis, die ebenfalls in der Gründungszeit der Demokratie errichtet worden sein muss. 316 Vgl. Scholl 2010, S. 26: „Das Beutevotiv auf der Akropolis ist demnach als Reflex des gestärkten Selbstbewusstseins der Athener in dieser Zeit der Konsolidierung nach dem Ende der Tyrannis zu verstehen.“

2.3 Der Beginn neuer Kommemorationsformen

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Das archaische Kriegsdenkmal auf der Akropolis verdeutlicht, wie eine griechische Polisgemeinschaft erstmals mit der überbrachten Tradition, Beutedenkmäler in panhellenischen Heiligtümern zu weihen, bricht, um den militärischen Erfolg für die innenpolitische Legitimierung und die Mobilisierung der Bürgerschaft nutzbar zu machen.317 Während sich die Weihungen der übrigen Griechen noch in den agonalen Repräsentationsformen der archaischen Aristokratie bewegen, kommen in der jungen attischen Demokratie bereits die bürgerschaftlichen Erinnerungsformen der klassischen Polisgesellschaften auf. Damit offenbart sich auch das große politische Potential, welches den klassischen Kriegsdenkmälern im Vergleich zu den archaischen Waffenweihungen innewohnt. Denkmäler aus veräußerter Kriegsbeute – seien es Schatzhäuser oder Statuen – waren dank der Herstellung aus Bronze und Stein wesentlich haltbarer als die schnell zerfallenden Waffenweihungen. Darüber hinaus waren sie monumentaler und entsprachen den zunehmenden Bedürfnissen nach individueller Ausgestaltung der Kriegserinnerung. Freiplastische Bildnisse und mehrzeilige Inschriften an den Basen boten den jungen Stadtstaaten – im Rahmen der vorgegebenen Gattungskonventionen – eine wirksame Möglichkeit zur Repräsentation ihrer militärischen Erfolge und ihrer gemeinschaftlichen Identitäten. Mit der steigenden Monumentalität folgen die Kriegsdenkmäler freilich einem größeren Trend, der in spätarchaischer Zeit auch andere Formen der staatlichen Weihungen umfasste.318 Damit haben sich im Verlauf der archaischen Epoche Denkmälertraditionen entwickelt, welche nicht nur in klassisch-hellenistische, sondern auch bis in die römische Kaiserzeit hinein nachwirkten.

2.3 Der Beginn neuer Kommemorationsformen Die Tatsache, dass die Weihdenkmäler in archaischer Zeit bereits eine bemerkenswerte Entwicklung beobachten lassen und zu einem festen Bestandteil der Außendarstellung griechischer Stadtstaaten werden, lässt die Frage nach anderen Formen der Kriegserinnerung in dieser Epoche aufkommen. Aufgrund des Fehlens zeitgenössischer literarischer Überlieferungen ist mit diesem Thema natürlich ein spezifisches Quellenproblem verbunden. Rituelle Formen der Kommemoration, wie Opfer und

317 Eine neugefundene Inschrift spricht dafür, dass es in spätarchaischer Zeit auch in Theben ein Denkmal für die Auseinandersetzung zwischen Athenern und Boiotiern gegeben hat. Das kleine Säulendenkmal ist mit der Monumentalität der athenischen Weihung aber schwerlich vergleichbar und der fragmentarische Erhaltungszustand des Epigramms erlaubt leider keine Rückschlüsse auf die thebanische Erinnerungspolitik. Für den Text der Inschrift siehe Aravantinos 2006, S. 372 373. Vgl. SEG 56, 521. 318 Morgen 2003, S. 123 notiert mit Blick auf Delphi: „Furthermore, comparison with sites like Olympia indicates that a move towards monumentality was a general sixth century phenomenon, and the state offerings at Delphi should also be seen within this broader context.“

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2 Die Politisierung der Erinnerung

Feste am Jahrestag einer Schlacht, hinterlassen im archäologischen Befund ebenso wenig lesbare Spuren wie nicht monumentalisierte Denkmäler aus vergänglichen Materialien. Die hier gezogenen Schlüsse über den Beginn von in klassischer Zeit gut belegten Kommemorationsformen verstehen sich also unter dem Vorbehalt, dass es frühere Vorgänger gegeben haben könnte, die sich der Erforschung gänzlich entziehen.

2.3.1 Die ersten Kultstiftungen aus kriegerischem Anlass Eng mit dem Dank an die Götter verbunden waren neben den Beuteweihungen auch archaische Kultstiftungen. So kennt die kaiserzeitliche Überlieferung griechischer Festkalender mehrere Feierlichkeiten, deren vermeintliche Stiftungsanlässe in die Zeit vor den Perserkriegen fallen. Doch während in klassischer Zeit „ganze Kulte und Heiligtümer, Tempel und Götterbilder ihre Existenz kriegerischen Ereignissen“ verdanken,319 haben die vorhergehenden Jahrhunderte lediglich einige religiöse Feste von lokaler Bedeutung hervorgebracht. Auch in Plutarchs Liste der wichtigsten Siegesfeste in Athen findet sich demnach keines mit Bezug auf ein Ereignis vor den Perserkriegen.320 An einer anderen Stelle, in seiner Solon-Biographie, gibt der Autor aber doch einen Hinweis auf ältere Erinnerungstraditionen in Athen. So berichtet Plutarch, dass auf Salamis regelmäßig eine Zeremonie durchgeführt wurde, welche an die Eroberung der Insel erinnerte und die entsprechenden Ereignisse szenisch nachstellte. Dabei wurde die heimliche Landung eines attischen Schiffs am Kap Skiradion inszeniert, mit dessen Hilfe die Athener ihre Gegner aus Megara überwältigt haben sollen. Am Ort des Kampfgeschehens befand sich noch in der Kaiserzeit ein Heiligtum des Heros Enyalios, dessen Kult aus Dank für den errungenen Sieg gestiftet wurde und der sicherlich in engem Zusammenhang mit der beschriebenen Erinnerungszeremonie gestanden hat.321 Die genauen historischen Hintergründe dieses Eroberungszuges sind allerdings nebulös. Plutarch führt mehrere konkurrierende Traditionen an, wonach entweder Peisistratos und Solon in Zusammenarbeit oder aber Solon allein die athenische Kampagne geleitet haben sollen. Auch in den

319 Baitinger 2011, S. 149. 320 Plut. mor. 349D 350A. Genannt werden hier die Jahrestage für die Siege bei Marathon, Naxos, Plataiai, Salamis, Mantineia und für die Rückkehr der Exilanten aus Phyle. 321 Plut. Solon 9, 4: ἔοιϰε δὲ τῷ λόγῳ τούτῳ ϰαὶ τὰ δρώμενα μαρτυρεῖν. ναῦς γάρ τις ᾿Αττιϰὴ προ σέπλει σιωπῇ τὸ πρῶτον, εἶτα ϰραυγῇ ϰαὶ ἀλαλαγμῷ προσφερομένων εἷς ἀνὴρ ἔνοπλος ἐξαλλόμε νος μετὰ βοῆς ἔϑει πρὸς ἄϰρον τὸ Σϰιράδιον ἐϰ γῆς προσφερομένοις. πλησίον δὲ τοῦ ᾿Ενυαλίου τὸ ἱερόν ἐστιν ἱδρυσαμένου Σόλωνος. ἐνίϰησε γὰρ τοὺς Μεγαρέας. Zum Fest vgl. Pritchett 1979, S. 207, Nr. 11; Deubner 1966, S. 218 219.

2.3 Der Beginn neuer Kommemorationsformen

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älteren Quellen herrscht über diesen Punkt keine Einigkeit.322 Möglicherweise spiegelt die zweite Variante eine Erinnerungsstiftung des attischen Demos aus der Zeit nach dem Sturz der Tyrannis wider. Eine militärische Initiative des Peisistratos ist jedenfalls wahrscheinlicher und datiert sowohl die endgültige Eroberung der Insel als auch die damit verbundene Einrichtung des Kultes ins 6. Jh.323 Für das hohe Alter der Enyalios-Verehrung auf Salamis spricht auch, dass der Heros hier als autonome Gottheit auftritt und nicht im Verbund mit dem Kriegsgott Ares, mit dem er später identifiziert wurde. Die Wahl dieser Gottheit begründet Gordon mit dem Bezug des Enyalios zum hoplitischen Nahkampf.324 Plutarchs Überlieferung weist also darauf hin, dass die Hopliten schon in Peisistratidischer Zeit die Erinnerung an kriegerische Ereignisse vereinnahmten und ein eigenes Identitätsbewusstsein pflegten. Immerhin treten sie im Zusammenhang mit der dritten Machtergreifung des Peisistratos in der Mitte des 6. Jhs. bereits als eigenständig handelnde, politische Einheit auf.325 Die Eroberung der der attischen Küste vorgelagerten Insel Salamis bewirkte – auch wenn die Initiative dazu von Adeligen wie Solon oder Peisistratos ausging – eine Schärfung des gemeinschaftlichen Bewusstseins der athenischen Hopliten, die sich hier erstmals außerhalb des eigenen Territoriums militärisch betätigten.326 Die im Zusammenhang mit den archaischen Waffenweihungen aufgestellte These, dass die Verwendung der Hoplitenphalanx den Ausgangspunkt für das Aufkommen von Kriegsdenkmälern bildete und die Entwicklung kollektiver Identitäten auf stadtstaatlicher Ebene förderte, findet also hierin Bestätigung. Entsprechend groß muss das Identifikationspotential des Enyalios-Kultes für den attischen Demos gewesen sein, der die Erinnerung an die Peisistratidische Eroberung von Salamis auch nach dem Sturz der Tyrannis noch Jahrhunderte lang pflegte. Ebenfalls durch die Erzählungen des Plutarch kennen wir ein Fest namens „Elaphebolia“, welches noch zu seiner Zeit in der mittelgriechischen Stadt Hyampolis zu Ehren der Göttin Artemis gefeiert wurde. Es erinnerte an den schon mehrfach erwähnten Sieg der Phoker über die Thessaler kurz vor den Perserkriegen und seine

322 Zur athenischen Eroberung von Salamis existieren nur zwei zeitgenössische Quellen: ein Solo nfragment (Gentili/Prato 1988, Frg. 2) und das athenische Dekret IG I2 1 (vgl. Meiggs/Lewis 1989, S. 25 27, Nr. 14) zur Kleruchie auf Salamis. Beide stammen aus dem 6. Jh. Angedeutet werden die Ereignisse auch bei Hdt. 1, 59, 4; Aristot. Ath. Pol. 14, 1; 17, 2; Plut. Solon 8 10 und Paus. 1, 40, 5. Außer Plutarch erwähnt keiner der genannten Autoren den hier untersuchten Enyalios Kult. 323 Zur Rekonstruktion der historischen Ereignisse vgl. Stahl 1987, S. 204 206. Zur Rolle des Pei sistratos De Libero 1996, S. 52 54. 324 Gordon 1997, Sp. 1053. 325 Hdt. 1, 62. 326 Stahl 1987, S. 206.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

Gründung datiert damit, zumindest vorgeblich, auch in archaische Zeit.327 Die entscheidende Schlacht nördlich von Hyampolis hat einen festen Platz in der griechischen Historiographie, da der bekannte elische Seher Tellias auf Seiten der Phoker beteiligt war und diesen mit einigen berühmten taktischen Manövern zum Sieg verhalf.328 So sollen die thessalischen Fußtruppen auf seinen Rat hin bei einem nächtlichen Überfall mit weiß getünchten Soldaten überwältigt worden sein, während die feindliche Reiterei mithilfe von im Boden vergrabenen Hydrien zu Fall gebracht wurde. Außerdem sollen die Phoker vor der Schlacht die Selbstopferung ihrer Frauen, Kinder und Schätze im Falle einer Niederlage beschlossen haben. Problematisch ist die Datierung der literarisch überlieferten Ereignisse. Schon Herodot weiß nur zu berichten, dass die Thessaler einige Jahre vor dem Einfall der Perser in Griechenland, also spätestens am Beginn des 5. Jhs., in die Phokis eindrangen und vernichtend geschlagen wurden.329 Alle übrigen antiken Autoren schließen sich, insofern sie überhaupt Zeitangaben machen, dieser vagen Datierung an. Die vorhandenen Zeugnisse erlauben es uns daher nicht, den Zeitpunkt der Schlacht bei Hyampolis näher einzugrenzen. Die historiographische Überlieferung kennt auch eine Reihe kommemorativer Maßnahmen, die mit der spätarchaischen Auseinandersetzung in Zusammenhang stehen. So haben die Phoker eine große Anzahl erbeuteter Schilde – angeblich je 2000 Stück – nach Delphi und Abai gestiftet.330 Zusätzlich gab es in Delphi drei Beutedenkmäler, die aber als nicht zeitgenössisch verworfen werden müssen.331 Bei dem Elaphobelia-Fest zur Erinnerung an die Schlacht spielte die Aponoia-Episode mit dem geplanten Selbstmord der phokischen Frauen eine zentrale Rolle. Plutarch betrachtet deshalb die dort durchgeführten Riten als Beglaubigung für die Historizität der überlieferten Ereignisse.332 Und auch wenn die Struktur der Erzählung bei

327 Plut. mor. 244D E: πραχϑέντων δὲ τούτων, συμβαλόντες οἱ Φωϰεῖς περὶ Κλεωνὰς τῆς ῾Υαμπό λιδος ἐνίϰησαν. τὸ μὲν οὖν ψήφισμα Φωϰέων ᾿Απόνοιαν οἱ ῞Ελληνες ὠνόμασαν· ἐορτὴν δ’ ἐϰ πασῶν μεγίστην τὰ ᾿Ελαφηβόλια μέχρι νῦν τῇ ᾿Αρτέμιδι τῆς νίϰης ἐϰείνης ἐν ῾Υαμπόλιδι τελοῦσιν. ; vgl. Po lyain. 8, 65. Zum Fest vgl. Pritchett 1979 S. 206, Nr. 8; Nilsson 1906, S. 221 225. 328 Den ausführlichsten Bericht liefert Paus. 10, 1, 3 10. Weitere Belege: Hdt. 8, 27 28 und davon abhängig Polyain. 6, 18; Plut. mor. 244B E. McInerney 1999, S. 177 hat die Chronologie des Krieges, so weit es geht, rekonstruiert. 329 Hdt. 8, 27, 2: οὐ πολλοῖσι ἔτεσι πρότερον ταύτης τῆς βασιλέος στρατηλασίης . Vgl. Paus. 10, 1, 3. 330 Hdt. 8, 27, 4. Siehe Kap. 2.1.3. 331 Paus. 10, 13, 4 7; Hdt. 8, 27, 5. Siehe Kapitel 2.2.2. 332 Plut. mor. 244B. Nilsson 1906, S. 223 224 rekonstruiert aus diesen Notizen ein Ritual, beim dem ein Scheiterhaufen errichtet und diverse Gegenstände (möglicherweise auch Menschen, Tiere oder Götterbilder) im Rahmen eines Opfers verbrannt wurden. So auch Graf 1985, S. 412. Die Annahme, dass die historischen Ereignisse rund um die Verzweiflungstat der Phoker in der einen oder anderen Form nachgestellt wurden, entspricht den typischen Inhalten von Gedenkfesten und ist sicher richtig. Vgl. Kap. 3.1.2. Überlegungen zu konkreten Ritualen wiederum sind reine Spekulation.

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Plutarch und Pausanias eindeutig für eine nachträgliche Etymologie spricht, erlaubt diese Beobachtung doch keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Alter des Festes.333 Während die spärlichen Schriftzeugnisse für das Fest der Elaphebolia sämtlich aus der frühen Kaiserzeit stammen, lässt sich der Kult der Artemis Elaphebolos auf einer Anhöhe außerhalb der antiken Stadt Hyampolis bis in geometrische Zeit zurückverfolgen.334 Für die Gründung des Festes kommt also grundsätzlich der große Zeitraum 9.-1. Jh. v. Chr. in Frage und chronologische Annäherungen können, wenn überhaupt, nur Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen. Einen Hinweis liefert die Tatsache, dass das Teilnehmerfeld der Elaphebolia in den Quellen einheitlich mit der Gruppe der Phoker (οἱ Φωκεῖς) bezeichnet wird und nirgendwo die beteiligten Stadtstaaten aufgezählt werden. Daraus lässt sich vorsichtig erschließen, dass die Riten bei dem Fest auf die Gemeinschaft und das Identitätsbewusstsein des phokischen Koinons abzielten. Der wahrscheinlichste Zeitraum für die Stiftung eines solchen Festes ist der Übergang von der archaischen zur klassischen Epoche, als die Phoker gerade ihre Eigenständigkeit erlangt hatten und die einzelnen Siedlungszentren in der Region noch wenig urbanisiert waren. Der Auseinandersetzung zwischen Thessalern und Phokern kommt in dieser Zeit eine politische Schlüsselfunktion zu, wie McInerney eindrucksvoll gezeigt hat. Während sich im Gebiet rund um den Parnassos bereits seit dem 8. Jh. in Ansätzen eine regionale Identität ausgebildet hatte, gab es zumindest in der Zeit des 1. Heiligen Krieges (600–590) noch keine überregionalen Strukturen, die eine politische Zusammenarbeit der stark verstreut lebenden phokischen Bewohner ermöglicht hätten. Erst die steigende Bedeutung des delphischen Kultplatzes und die Expansion der benachbarten Thessaler zwangen die Phoker zu einem politischen Zusammenschluss.335 Der entscheidende Impuls für die Ethnogenese des Stammesverbandes war die Entscheidung, sich gegen die thessalische Vorherrschaft aufzulehnen. Die erfolgreiche Überwindung der Fremdherrschaft durch die Schlacht bei Hyampolis am Ende des 6. Jhs. wurde auf diese Weise zur Legitimationsgrundlage der politischen Gemeinschaft.336 Das junge föderale Gebilde benötigte neben der mythologischen Begründung, welche der gemeinsame Stammesheros Phokos lieferte,337 ein religiöses Zentrum zur Reproduktion der kollektiven Identität. Das Artemis-Heiligtum in Hyampolis bot sich nicht nur wegen der Nähe zum historischen Schlachtfeld an, sondern 333 Plut. mor. 244B E; Paus. 10, 1, 6 7. Beide nutzen die Episode zur Erklärung der Redewendung Phokische Verzweiflung (Φωϰέων ἀπόνοια). 334 Zum Fest IG IX,1 90 (augusteische Ehreninschrift für einen Agonotheten der großen Elaphebo lia); Plut. mor. 244B E; Plut. symp. 4, 1, 1, 660D. Zum archäologischen Befund und der Geschichte des Heiligtums Felsch/Kienast 1980; Morgan 2003, S. 114 120. 335 McInerney 1999, S. 136 181. 336 McInerney 1999, S. 176 178; Morgan 2003, S. 26 27. Im Gegensatz dazu hat sich Franchi 2016 [nicht gesehen] offenbar jüngst gegen eine Gründung der Elaphebolia in archaischer Zeit ausgesprochen. 337 McInerney 1999, S. 136 147.

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auch, weil es im mittleren Kephisos-Tal eine zentrale geographische Position in der Vermittlung zwischen den höher gelegenen Parnassos-Regionen und den südlichen Städten an der Küste des Korinthischen Golfes einnahm. Mit der regelmäßigen Feier des militärischen Sieges versicherten sich die Phoker in der Abgrenzung gegenüber einem gemeinsamen Feind ihrer inneren Einheit. Die großen Elaphebolia wurden damit gewissermaßen zur „Nationalfeier“ der Phoker, bei der in regelmäßigen Abständen der Gründungsakt des Ethnos in Form des Sieges bei Hyampolis inszeniert und kommemoriert wurde.338 In diesem Zusammenhang wurde vermutet, dass die Rituale bei den Elaphebolia mit einer Initiation der jungen Krieger verbunden waren und dass auf diese Weise ein normatives Geschichtsbild vermittelt wurde.339 Auf der Grundlage dieser historischen Identität wurde das Koinon der Phoker in der Folgezeit weiter institutionalisiert: am Ende des 6. Jhs. erscheinen die ersten phokischen Münzen mit der Kennzeichnung ΦΟ oder ΦΟΚΙ, nahe der späteren Stadt Daulis entsteht das Phokikon als Versammlungsgebäude für die Mitglieder des Koinons und bei der Weihung der thessalischen Schilde nach der Schlacht dürfte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um die erste staatliche Weihung der Stammesgemeinschaft gehandelt haben.340 Wenn die Datierung der ersten Elaphebolia in archaische Zeit richtig ist, kommt man also nicht umhin festzustellen, dass der Kommemoration des Sieges bei Hyampolis eine katalytische Funktion im Prozess der Ethnogenese zukam. Diese These ist von besonderem Interesse, da sie einen Einblick in die frühen Kommemorationsformen von politischen Gemeinschaften außerhalb der typischen Polisstrukturen ermöglicht. Im Gegensatz zu anderen Staatsgebilden, wie etwa dem spätarchischen Attika, war die Region Phokis nicht oder wenig zentralisiert und lokale Identitäten waren noch in klassischer Zeit dominierend.341 Neben der Verehrung des gemeinsamen Stammesheros Phokos bot die Erinnerung an den gemeinsamen Sieg über die Thessaler wohl einen von wenigen Kristallisationspunkten für ein überregionales Selbstverständnis. Das Schaffen von Kriegsdenkmälern und die Kommemoration militärischer Erfolge mag vor diesem Hintergrund für die Integration ethnischer Gemeinschaften wie der Phoker von noch größerer Bedeutung gewesen sein als für das Selbstbewusstsein von zentralisierten Polisgesellschaften. Die Erinnerungsformen der verschiedenen politischen Akteure (Waffenweihungen in lokalen und panhellenischen Heiligtümern sowie Feste zur Inszenierung historischer Kriegsereignisse) weisen unterdessen keine

338 McInerney 1999, S. 177: „The victory celebrated here became the equivalent of a national celeb ration for the Phokians, with the Thessalians serving as the common object of hatred.“ Vgl. Morgan 2003, S.132 133. 339 Graf 1985, S. 416 417. Zur Rolle der Ephebie bei den klassischen Gedenkfesten auch Beck 2009. 340 McInerney 1999, S. 178 181; McInerney 1997; Morgan 2003, S. 133. 341 McInereny 1999, S. 134.

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sichtbaren Unterschiede auf und lassen schon in archaischer Zeit einen regelrechten „Denkmäler-Kanon“ innerhalb des griechischen Kulturraums erahnen. Neben den hier besprochenen Beispielen tauchen in der antiken Überlieferung weitere Kultstiftungen auf, die mit Kriegsereignissen im 6. Jh. in Zusammenhang stehen sollen. Die Quellengrundlage ist in diesen Fällen aber so gering, dass sich keine belastbaren Aussagen über die Authentizität der Nachrichten und das Alter der jeweiligen Kulte treffen lassen. So wurde etwa im römischen Tegea ein jährliches Fest für Zeus Klarios gefeiert, der hilfreich in einen Kampf zwischen den Bewohnern der Stadt und den Lakedaimoniern eingegriffen haben soll.342 Sollte diese Notiz einen wahren Kern haben, dann müssen die Ereignisse vor die Mitte des 6. Jhs. fallen, als Tegea sich unter dem Druck Spartas dem Peloponnesischen Bund anschließen musste. Weiter gab es in Tegea einen Kult für Hermes Promachos, der seine Schützlinge während einer Kampagne gegen die angreifenden Schiffe der Stadt Eretria verteidigt haben soll.343 Wenn diese sonst nicht belegten Kampfhandlungen historisch sind, müssen sie ebenfalls in die Zeit vor der athenischen Eroberung Euboias fallen. Sicher anachronistisch ist dagegen die Nachricht, dass die Polis Elis aus ihren Kriegseinnahmen von der Eroberung der Pisatis den olympischen Zeustempel und die dazugehörige Monumentalstatue des Phidias gestiftet haben soll.344 Der Zeitraum zwischen den fraglichen Kriegshandlungen in der ersten Hälfte des 6. Jhs. und dem Bau des Tempels in der Mitte des 5. Jhs. ist wesentlich zu groß, und die Kriegseinnahmen in der wenig urbanisierten Region dürften dafür in keiner Weise ausreichend gewesen sein.345 Für das argivische Fest der ῾Υβριστιϰά dagegen nimmt Chaniotis zurecht an, dass der archaische Brauch des Kleidertauschs zwischen Männern und Frauen erst nachträglich mit Kriegsereignissen aus dem späten 6. Jh. verbunden wurde.346 Unabhängig von der Historizität einzelner Nachrichten bleibt festzuhalten, dass die Verbindung von regionalen Kulten und militärischen Ereignissen ein gängiger Topos in der griechischen Religionsausübung war. Selbst dort, wo es sich offensichtlich um „invented traditions“ handelte, wurde die Tradierung der Kriegsereignisse durch die Kultteilnehmer sichergestellt und damit wirksame Erinnerungspolitik betrieben. Lokale Kultstiftungen aus Anlass militärischer Siege ermöglichten damit in archaischer Zeit eine neue Form der polisbezogenen Kriegserinnerung in einem innenpolitischen Rahmen. Anders als die Weihdenkmäler in panhellenischen Heiligtümern konnte man sich bei dieser Form der Kommemoration direkt an die Mitglieder der eigenen politischen Gemeinschaft wenden und den inneren Zusammenhalt der Gruppe stärken. Sowohl in den mittelgriechischen Polisgemeinschaften als auch im

342 343 344 345 346

Paus. 8, 53, 10. Paus. 9, 22, 2. Paus. 5, 10, 2. Vgl. Baitinger 2011, S. 149. Plut. mor. 245E. Dazu Chaniotis 1991, S. 131.

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Ethnos der Phoker hatte die Kriegserinnerung also integrative Funktionen und konnte den Prozess der Ethnogenese nachhaltig verstärken. Einzelheiten über den konkreten Inhalt und Ablauf der Feierlichkeiten bleiben aufgrund der schlechten Überlieferungslage freilich zunächst im Dunkeln. Um Aussagen über die Funktionsweise und Wirkung dieser Kommemorationsform zu treffen, können nur Parallelschlüsse anhand von besser belegten Beispielen aus klassischer Zeit herangezogen werden.347 Interessant ist aber schon hier die Beobachtung, dass die Kulte zur Erinnerung an Kriegsereignisse sowohl in Salamis als auch in Hyampolis in unmittelbarer Nähe zum Schlachtfeld angesiedelt waren. Der Grund dafür scheint zunächst einfach zu sein: im Falle eines Sieges wurde die Überlegenheit in der Schlacht einer anwesenden Gottheit in der direkten Umgebung zugeschrieben. Und mit der Stiftung eines Festes und seiner jährlichen Wiederholung konnte eine politische Gemeinschaft der betreffenden Gottheit dauerhaft ihre Dankbarkeit für die Unterstützung in der Schlacht zum Ausdruck bringen. Nicht unterschätzt werden sollte jedoch die beglaubigende Funktion, welche der historische Schauplatz für die Reproduktion der kollektiven Erinnerungen hatte. Bei dieser Form der Kriegskommemoration zeigt sich somit eindrucksvoll, wie Schlachtfelder im antiken Griechenland über Jahrhunderte hinweg als Kristallationspunkte für kulturelle Gedächtnisse fungierten.

2.3.2 Tropaia in vorklassischer Zeit? Ebenfalls auf dem Schlachtfeld errichtet wurden im klassischen Griechenland sogenannte τρόπαια (Tropaia) zur Erinnerung an militärische Siege. In der traditionellen Form handelte es sich dabei zunächst um Holzpfähle, an denen erbeutete Waffen in anthropomorpher Form angeordnet und aufgehängt wurden. Die einzige ausführliche Beschreibung eines solchen Monuments findet sich in römischer Zeit bei Vergil, aber bildliche Darstellungen auf Gefäßen und Steinreliefs belegen eine vergleichbare Praxis im klassischen Griechenland.348 Ingentem quercum decisis undique ramis constituit tumulo fulgentiaque induit arma Mezzenti ducis exuvias, tibi, magne, tropaeum, bellipotens: aptat rorantes sanguine cristas telaque trunca viri et bis sex thoraca petitum

347 Siehe Kap. 3.1.2. 348 Im 5. Jh. beschränken sich die bildlichen Darstellungen zunächst auf Athen und Attika; erst am Beginn des 4. Jhs. tauchen sie auch in anderen Teilen Griechenlands auf. Rabe 2008, S. 44 100, Nr. 1 40 hat die entsprechenden Zeugnisse gesammelt und ausgewertet. Sie bezeichnet diese ur sprüngliche Form des Tropaions als „ephemer“. Dazu: Rabe 2008, S. 3; zur Form der Siegesmale: S. 22 26. Einen Eindruck vom Aussehen der Tropaia vermittelt vielleicht auch die hölzerne Herme mit Rüstungsteilen in München. Dazu: Kaeser 1987, S. 233 234, Abb. 9 10; Rabe 2008, S. 35 37.

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perfossumque locis clipeumque ex aere sinistrae subligat atque ensem collo suspendit eburnum. Riesigen Eichenstamm mit allseits beschnittenen Zweigen stellte er [Aeneas] über den Hügel und hüllt ihn in funkelnde Waffen, Rüstung, entrissen dem [Etrusker ] Fürsten Mezzentius, dir als Trophäe grosser Kriegsgott, befestigt den blutbeträufelten Helmbusch. Dann die zerbrochenen Speere des Helden, den zwölfmal getroffenen und durchbohrten Panzer, er macht an der Linken den Erzschild fest und hängt um den Nacken das Schwert mit der Elfenbeinscheide. (Verg. Aen. 11, 5 11; Übers. Götte 1979.)

Das so konstituierte Waffenmal wurde an der Stelle aufgestellt, an der sich die unterlegende Hoplitenphalanx zur Flucht gewendet und damit den Ausgang der Schlacht entschieden hatte. Bereits in der Antike wurde die Bezeichnung „Tropaion“ deshalb auf das griechische Verb für „wenden“ (τρέπειν) zurückgeführt.349 Mit der Verwendung von erbeuteten Waffenteilen weist diese Tradition enge Parallelen zu den Waffenweihungen in griechischen Heiligtümern auf. Wie oben gezeigt, setzte diese Kommemorationsform spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. ein und stand in engem Zusammenhang mit der Ausbildung der Phalanxkampfweise.350 Um die Frage, ob das Aufkommen der Tropaia in den gleichen historischen Kontext eingeordnet werden kann, wird weiterhin eine rege Forschungsdiskussion geführt.351 Tatsächlich scheint der Einsatz von Waffenmälern auf dem Schlachtfeld eng mit der spezifischen Weise der Kriegsführung von archaischen Hoplitenheeren verbunden zu sein.352 Die Errichtung des Tropaions wäre demnach von Anfang an als formaler Abschluss der auch sonst stark regulierten Kampfhandlungen angesehen worden. Laut Sage diente das Siegesmal auch dazu, den Kontrahenten zu

349 Etym. m., s.v. Tropaion: εἴρηται δὲ ἀπὸ τοῦ τρέψαι ϰαὶ διῶξαι τοὺς πολεμίους τὰ ἱστάμεν σύμ βολα τῆς νίϰης. Vgl. Diod. 13, 51, 7. Weitere Belege bei Pritchett 1974, S. 253, Nr. A. Die Quellen sind alle spät, aber der Zusammenhang zwischen Tropaion und Wendepunkt wird auch schon bei Thuk. 2, 92, 5 mit τροπαῖον [. . .] τῆς τροπῆς hergestellt. Vgl. Thuk. 7, 54. Zum Begriff „Tropaion“ vgl. Woelcke 2011, S. 128 129. Zur Funktionsweise von Tropaia allgemein vgl. Kap. 3.3.2; Rabe 2008, S. 5 37. 350 Siehe Kap. 2.1.2. 351 Für das Aufkommen der Tropaia in archaischer Zeit: Pritchett 1974, S. 249; Hölscher 2006, S. 29. Gegen diese Frühdatierung: zuerst Woelcke 1911, S. 137; Lammert 1939, Sp. 664; Picard 1957, S. 22; Krentz 2002, S. 32; Rabe 2008, S. 12 18. Dazu neigt auch Sage 1996, S. 101. 352 Hölscher 2006, S. 29: „In a hoplite battle the main goal was to remain master of the battlefield. [. . .] Thus beginning in archaic times, at least in the sixth centrury B.C., a visible sign would be erected in order to demonstrate the victory’s mastery over the field of the encounter: the tropaion (trophy), enemy armor attached to a tree trunk forming a sort of monumental mannequin. Erecting a tropaion where the enemy had turned to flee was not merely a symbolic confirmation of the vic tor’s ‚real‘ success; it was the act of success itself.“ So auch Lammert 1939, Sp. 665 666. Dagegen: Rabe 2008, S. 15 18.

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vergegenwärtigen, dass die Vorherrschaft über das Schlachtfeld und nicht die vollständige Zerschlagung der gegnerischen Phalanx das Ziel der Auseinandersetzung war.353 Die Errichtung des Monuments verschaffte dem Sieger demnach Ruhm und sicherte gleichzeitig die Einhaltung der notwendigen Konventionen für die Kriegsführung mit Hoplitenheeren. Die Überlieferungssituation zur Frage nach der Verwendung von Tropaia in vorklassischer Zeit ist aber weniger eindeutig. Angesichts der Tatsache, dass sowohl der Begriff τρόπαιον als auch die ersten bildlichen Darstellungen nicht vor der Mitte des 5. Jhs. auftauchen,354 ist es sogar äußerst fragwürdig, ob Waffenmäler vorher überhaupt in Gebrauch waren. Das stärkste Argument für eine Datierung des Aufkommens der Tropaia in archaischer Zeit scheint ein Fundkomplex in Olympia zu sein. Auf der Kuppe des Südwalls vom archaischen Stadion (560–500) wurden bei der Ausgrabung eine Reihe von Pfostenlöchern beobachtet, die auf hölzerne Pfähle zurückzuführen sind. Die im Zusammenhang mit späteren Bauphasen verfüllten, runden Löcher sind nur ca. 60 cm tief, teilweise nahe beieinanderliegend und so unregelmäßig angeordnet, dass sie nicht für die Rekonstruktion einer architektonischen Struktur in Frage kommen. Die in großer Zahl in den umliegenden Verfüllungsschichten und aufgegebenen Brunnen gefundenen Waffenteile lassen kaum einen anderen Schluss zu, als dass die Holzpfähle im archaischen Stadion zur Ausstellung von geweihten Waffen genutzt wurden.355 Über das konkrete Aussehen der Waffenmäler lassen sich freilich aufgrund des Befundes keine Aussagen mehr treffen. Die Annahme, dass die ausgestellten Waffen in der gleichen Form angeordnet waren, wie bei den anthropomorphen Tropaia in klassischer Zeit ist nicht zu belegen. Einige Anhaltspunkte scheinen sogar eher dagegen zu sprechen. So lässt sich etwa aus den ungleichmäßigen Zahlenverhältnissen zwischen den verschiedenen Waffengattungen ableiten, dass (wenn überhaupt) nur die wenigsten davon in Gruppen von Panhoplien aufgestellt waren.356 Die an den Fundwaffen dokumentierten Befestigungsspuren bestätigen diese Beobachtung. Während nur etwa 15% der vollständig erhaltenen Helme nachweislich auf der Spitze eine Pfahls angebracht waren, ist die Anzahl der Waffenteile mit Befestigungslöchern in Olympia überhaupt sehr gering.357 Baitinger hat sogar vermutet, dass man die geweihten

353 Sage 1996, S. 100. 354 Siehe dazu Kap. 3.3.2. 355 Baitinger 2011, S. 129 130; Frielinghaus 2011, S. 162 163; Baitinger 2001, S. 81; Kunze 1937, S. 11 12, Taf. 7, Abb. 2; S. 22; Kunze 1938, S. 10 11; Kunze 1956, S. 11. 356 Baitinger 2011, S. 131; Rabe 2008, S. 26 32; Philipp 2004, S. 151. Der Einwand bleibt auch dann noch bestehen, wenn man in Betracht zieht, dass Defensivwaffen aus getriebenen Metallblech (Helme, Schilde, Panzer) anfälliger für Korrosion sind und sich daher schlechter erhalten als Angriffswaffen. 357 Frielinghaus 2011, S. 159 164. Sie schlussfolgert S. 161: „Der in ‚Tropaionform‛ ausgestellte An teil olympischer Waffen scheint daher tatsächlich eher gering gewesen zu sein.“

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Waffen mehr oder weniger regellos an den Holzpfählen anbrachte.358 Die im Stadion von Olympia dokumentierten Waffenmäler waren in ihrer Erscheinungsform also eher nicht mit den jüngeren Tropaia identisch. Gleiches gilt für schriftliche Zeugnisse, in denen der Umgang mit archaischen Beutewaffen beschrieben wird. So will Pritchett in einer Ilias-Episode den frühesten Beleg für die Aufstellung eines Tropaions sehen.359 In den betreffenden Versen wird beschrieben, wie Odysseus nach der Tötung des trojanischen Spähers Dolon dessen Waffen einsammelt, sie im Gebet der Göttin Athene präsentiert und dann für die Rückkehr am Wegesrand deponiert. Er legte die Beutestücke dafür auf einen blühenden Strauch und markierte die Stelle mit weiteren Zweigen, um sie später im Dunkeln besser wiederfinden zu können.360 Das beschriebene Vorgehen weißt weder in formaler noch in funktionaler Hinsicht Parallelen zu den späteren Schlachtfeldmonumenten auf. Denn das stark regulierte und öffentlich zelebrierte Aufstellen eines Tropaions nach der Schlacht passt in keiner Weise zu der heimlichen Ermordung eines aufgegriffenen Spähers, wie sie der homerische Dichter beschreibt. Anders verhält es sich bei Notizen in der klassischen bzw. hellenistisch-römischen Historiographie, welche über den Bau von Tropaia nach Schlachten in der entfernten Vorzeit berichten.361 So weiß Pausanias vom Hören-Sagen zu bezeugen, dass die Spartaner nach der Eroberung der benachbarten Siedlung Amyklai (wohl in der Mitte des 8. Jhs.) ein Tropaion errichteten.362 Hier wird eindeutig das „klassische“ Konzept eines Waffenmals als Symbol für den Sieg in der Hoplitenschlacht vorausgesetzt. Auf der anderen Seite lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der kaiserzeitliche Schriftsteller bzw. seine Gewährsmänner hier eine Kenntnis jüngerer Gebräuche in die Vergangenheit zurückprojizieren könnte.363 Jedenfalls ist er an keiner der Stellen, an denen er Tropaia zur Erinnerung an mythische oder frühgeschichtliche Schlachten erwähnt, in der Lage ein konkretes Denkmal aus eigener Anschauung zu beschreiben.364 Es dürfte sich um solche Stellen im Werk des Reiseschriftstellers handeln, an denen er literarische Traditionen bzw. mündliche Berichte referiert ohne die

358 Baitinger 1999, S. 125. 359 Pritchett 1974, S. 249. 360 Hom. Il. 10, 458 468. Die Deponierung der Waffen: ὥς ἄρ’ ἐφώνησεν, ϰαὶ ἀπὸ ἕϑεν ὑψόσ’ ἀεί ρας ϑῆϰεν ἀνὰ μυρίϰην· δέελον δ’ ἐπὶ σῆμά τ’ ἔθηϰε, συμμάρψας δόναϰας μυρίϰης τ’ ἐριϑηλέας ὄζους, μὴ λάϑοι αὖτις ἰόντε ϑοὴν διὰ νύϰτα μέλαιναν (465 468). In Hom. Il. 10, 570 571 wird noch einmal deutlich gemacht, dass die Waffen später der Athene geweiht werden sollen. 361 Pritchett 1974, S. 249 250. Außerdem Demosth. Erotikos 61, 49 mit einem Tropaion in soloni scher Zeit. 362 Paus. 3, 2, 6: δηλοῦσι δὲ ϰαὶ οἱ Δωριεῖς τρόπαιον ἐπὶ τοῖς ᾿Αμυϰλαιεῦσιν ἀναστήσαντες. Zur spartanischen Landnahme siehe Thommen 2003, S. 21 25. 363 Schol. Aeschyl. 7, 259 belegt, dass die Verwendung von Tropaia in mythischen Schlachten schon in der Antike als Anachronismus angesehen wurde. 364 Neben Paus. 3, 2, 6 auch 2, 21, 8; 3, 14, 7; 3, 10, 6. Dazu Woelcke 1911, S. 134 137; Rabe 2008, S. 12 13.

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betreffenden Orte selbst gesehen zu haben. Wie an anderer Stelle gezeigt, sind diese Passagen besonders anfällig für Irrtümer und Fehlzuschreibungen.365 Darüber hinaus wurde der Begriff Tropaion zu Pausanias’ Lebzeiten bereits universell für alle Arten von Siegesdenkmälern gebraucht und seine Aussagen über die Nutzung der Waffenmäler in der Archaik lassen schon deshalb keine gültigen Rückschlüsse auf die tatsächliche Entstehungszeit des Rituals zu.366 Sowohl die archäologischen als auch die literarischen Zeugnisse können also schwerlich als Belege für die Errichtung von Tropaia in archaischer Zeit herangezogen werden. Der Homerische Dichter beschreibt lediglich, wie Beutewaffen vorübergehend deponiert werden, um sie später in einem Heiligtum offiziell der Athene zu weihen. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass unsere Hauptquelle für die kriegerischen Auseinandersetzungen in archaischer und frühklassischer Zeit, Herodot, weder den Begriff „Tropaion“ verwendet, noch von dem entsprechenden Ritual im Anschluss an die Schlacht berichtet. Und auch der materielle Befund in Olympia zeigt bestenfalls nur, dass dort an prominenter Stelle Weihwaffen ausgestellt und – in welcher Form auch immer – auf Holzpfählen arrangiert wurden. Vor diesem Hintergrund gestaltet es sich schwierig, anzunehmen, dass Tropaia zunächst in archaischen Heiligtümern aufgestellt wurden und man die Sitte später auf Schlachtfelder transferierte. Dagegen spricht etwa auch, dass die Aufstellung von Waffenmälern im Stadion von Olympia einige Zeit vor dem Aufkommen der ersten Belege für Schlachtfeldtropaia abreißt. Die in Olympia dokumentierten Pfostenlöcher bleiben nämlich, ebenso wie die entsprechenden Befestigungsspuren an den Helmen, schon am Ende des 6. Jhs. aus.367 Auch wenn die Übergänge zwischen den (idealtypisch) unterschiedenen Kategorien „Tropaia“ und „Waffenweihungen“ in archaischer Zeit fließend zu sein scheinen, ist es also doch sinnvoll die beiden Denkmälergruppen aufgrund der zeitlichen Differenz und ihrer unterschiedlichen Aufstellungsorte (Schlachtfeld und Heiligtum) voneinander zu trennen. Denn während die früheste Verwendung von Beutewaffen zum Errichten von Schlachtfeldtropaia nicht vor die Mitte des 5. Jhs. datiert werden kann, reißt die Tradition der Waffenweihungen in Heiligtümern zu diesem Zeitpunkt bereits ab.368 Die zeitliche Nähe dieser beiden Entwicklungen wurde schon mehrfach festgestellt, allerdings bisher nicht befriedigend erklärt.369 Eben weil man die feindlichen

365 Siehe Kap. 6.1. 366 Plut. mor. 873D E etwa bezeichnet den Dreifuß des Hellenenbundes in Delphi als Tropaion. Auch bei Pausanias stehen einige „Tropaia“ in Heiligtümern unter dem Verdacht, klassische Weih denkmäler zu sein. Zum geänderten Sprachgebrauch in römischer Zeit auch Lammert 1939, Sp. 664; 669 671. 367 Frielinghaus 2011, S. 163 164. 368 Zum Abreißen der Waffenweihungen: Baitinger 2011, S. 164 167; Jackson 1993, S. 246 247; Rabe 2008, S. 32 34. 369 Frielinghaus 2011, S. 164; Baitinger 2011, S. 140; Rabe 2008, S. 32 34; Trundle 2013, S. 136 137.

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Waffen ab frühklassicher Zeit schnellstmöglich veräußerte, um damit sublimierte Beuteweihungen finanzieren zu können, ist es sinnvoll anzunehmen, dass die Hopliten einen symbolischen Teil der Beute – nämlich exakt die Panhoplie eines einzelnen Kriegers370 – noch auf dem Schlachtfeld weihten. Denn während die Übergabe von erbeuteten Waffen an ein Heiligtum (auch bei der vorherigen Anbringung von Inschriften) in kurzem zeitlichen Abstand zu den eigentlichen Kampfhandlungen erfolgen konnte, nahm die Anfertigung eines Bronze- oder Steindenkmals wesentlich mehr Zeit in Anspruch. Neben der künstlerischen Ausführung müssen in diesem Fall auch mehrere Wochen für den Entwurf und die politische Beschlussfassung über das Aussehen des Denkmals mit eingerechnet werden. Die an der Schlacht beteiligten Hopliten werden dadurch um ein gemeinschaftliches Ritual gebracht, welches ihnen helfen konnte, das im Kampf Erlebte zu verarbeiten und – durch die religiöse Sanktionierung – zu rechtfertigen. Mit der Aufstellung eines Tropaions konnte dieses Ritual an den Ort der Auseinandersetzung transferiert werden und dort seine gemeinschafts- und sinnstiftende Wirkung entfalten. Das Anbringen einer Panhoplie an einen Holzstamm erforderte keine Vorbereitungen und nur einen minimalen Teil der Beute, um den Göttern die Dankbarkeit für den errungenen Sieg zum Ausdruck zu bringen. Die Empfänger des Opfers waren nun freilich nicht mehr die Inhaber von panhellenischen und lokalen Kultstätten, sondern der universelle Kriegsgott Zeus Tropaios. Dass sich die ersten Belege dieser Epiklese ebenfalls erst um die Mitte des 5. Jhs. finden,371 kann als zusätzliches Argument gegen ein Aufkommen der Schlachtfeld-Tropaia in archaischer Zeit betrachtet werden. Auch wenn der hier geleistete Erklärungsversuch aufgrund der spärlichen Quellenlage eine These bleiben muss, plausibilisiert er doch überzeugend das zeitgleiche Abreißen von Waffenweihungen in Heiligtümern und das Aufkommen der ersten antiken Zeugnisse für die Errichtung von Tropaia auf dem Schlachtfeld.

2.3.3 Die Bestattung Kriegsgefallener in archaischer Zeit Die griechische Tradition, im Krieg gefallene Kombattanten auf Staatskosten in einem Gemeinschaftsgrab (πολυάνδριον) beizusetzen, ist viel beachtet, da es sich um ein in der Vormoderne völlig singuläres Phänomen handelt. Hettling hat gezeigt, dass das Einsetzen des politischen Totenkultes sich im europäisch-westlichen Kulturkreis um 1800 unter den besonderen Voraussetzungen der gleichzeitigen Ausbildung bürgerlich verfasster Nationalstaaten vollzog. Durch die personelle

370 Bei Diod. 13, 19, 3 klingt an, dass dafür nicht irgendeine Panhoplie, sondern diejenige des un terlegenen Feldherrn genutzt wurde. 371 Der früheste Beleg ist die Erwähnung Ζηνὶ τροπαίῳ in Soph. Ant. 143, welche um 440 datiert. In Inschriften erst ab dem 3. Jh.: IG IV 1295; SEG 35, 680. Vgl. die Stellenangaben bei Kruse 1939, Sp. 674.

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Einheit von Soldaten und Bürgern ist es diesen Gesellschaften möglich, den gewaltsamen Tod des Einzelnen mit dem Erhalt der politischen Ordnung zu begründen. Und indem die Bereitschaft von Individuen, für die politische Handlungsgemeinschaft zu sterben, sichtbar gemacht wird, kann das Gemeinwesen sich selbst legitimieren.372 Es liegt nahe anzunehmen, dass das Aufkommen von Praktiken zum kollektiven Gefallenengedenken im antiken Griechenland mit vergleichbaren nation-building-Prozessen in Zusammenhang steht. Die Überlieferungssituation lässt aber auch im Falle der Grabdenkmäler nur tendenzielle Schlüsse über den genauen Zeitpunkt des Aufkommens der Tradition zu. Nach Ausweis Herodots war es zur Zeit der Perserkriege in weiten Teilen Griechenlands üblich, die Toten nach Abschluss der Kampfhandlungen noch auf dem Schlachtfeld in nach Poliszugehörigkeit getrennten Gemeinschaftsgräbern beizusetzen. Auch wenn die konkrete Ausführung der Gräber von Stadt zu Stadt variieren konnte, verfuhren die griechischen Teilnehmer an der Schlacht von Plataiai doch in diesem Sinne einheitlich mit der Bestattung ihrer Kriegstoten. οἱ δὲ ῞Ελληνες ὡς ἐν Πλαταιῇσι τὴν ληίην διείλοντο, ἔϑαπτον τοὺς ἐωυτῶν χωρὶς ἕκαστοι. Λαϰεδαιμόνιοι μὲν τριξὰς ἐποιήσαντο θήκας. [. . .] οὗτοι μὲν οὕτω ἔϑαπτον, Τεγεῆται δὲ χωρὶς πάντας ἔθαψαν ἁλέας, ϰαὶ ᾿Αϑηναῖοι τοὺς ἑωυτῶν ὁμοῦ, ϰαὶ Μεγαρέες τε ϰαὶ Φλειάσιοι τοὺς ὑπὸ τῆς ἵππου διαφϑαρέντας. Auch die Hellenen begruben, nachdem sie die Beute geteilt hatten, die Gefallenen, jede Stadt die ihrigen. Die Lakedaimonier gruben drei Gräber [. . .]. Sie bestatteten also auf diese Weise. Dagegen begruben die Tegeaten ihre Toten in einem einzigen Grabe, auch die Athener die ihri gen gemeinsam, ebenso die Megarer und Phliasier ihre von der Reiterei erschlagenen Leute. (Hdt. 9, 85, 1 2; Übers. Horneffer 1971.)

Im Zusammenhang mit der Thermopylenschlacht berichtet Herodot außerdem, dass einige der Kriegsgräber mit beschriebenen Stelen versehen und damit für nachfolgende Generationen sichtbar markiert und monumentalisiert waren.373 Auf den Stelen eingeschrieben waren jeweils mehr oder weniger lange Epigramme, welche die Taten und Tugenden der Gruppe von Gefallenen lobten. Angaben über die Identität der Toten und die betreffende Schlacht sind in der Regel in den Gedichten enthalten, werden aber in der dichterischen Sprache zuweilen stark umschrieben und können nur unter Hinzuziehung anderer Quellen gedeutet werden. Über das Aussehen der Gräber schweigt Herodot weitestgehend. Nur einmal verwendet er anstelle des neutralen Begriffs τάϕος die spezifischere Bezeichnung χῶμα und zeigt damit an, dass es sich beim Denkmal der Polis Aigina um einen Grabhügel handelte.374 Ob sich aus dieser Stelle auf das Aussehen der übrigen Gräber schließen

372 Hettling 2013, S. 12 18. 373 Hdt. 7, 228. Die Stelen als Inschriftenträger werden nur einmal explizit benannt 7, 228, 4: ἐπι γράμμασι μέν νυν ϰαὶ στήλῃσι [. . .] ᾿Αμφιϰτύονές εἰσί σφεας οἱ ἐπιϰοσμήσαντες. 374 Hdt. 9, 85, 3.

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lässt, muss offen bleiben. Vereinzelte Spuren dieser kommemorativen Praktiken aus den Jahren nach 480/479 finden sich jedenfalls bereits in früharchaischer Zeit. Der homerische Dichter beschreibt im 7. Gesang der Ilias ausführlich, wie beide Seiten am Ende des ersten Schlachttages ihre Toten bergen und anschließend verbrennen. Am nächsten Tag trafen die Achaier wieder zusammen und bedeckten die Stelle ihres Totenfeuers mit einem einzigen Grabhügel (τύμβος).375 Auch sonst sind in den beiden homerischen Epen keine Bestrebungen erkennbar, die Überreste der Toten aufzubewahren und in die Heimat zurückzuführen.376 Die Gefallenen wurden also, wie in klassischer Zeit, auf dem Schlachtfeld beigesetzt und dort mit einem Monument geehrt. Die gängige Grabform scheint dabei ein aus Erde aufgeschütteter Grabhügel zu sein, der – zumindest in einigen Fällen – mit einer Stele bekrönt wurde.377 Wie Pritchett gezeigt hat, liegt diesen Versen die Auffassung zugrunde, dass ein Grabmonument den Ruhm der Verstorbenen über ihren Tod hinaus fortleben lässt.378 Über ein Totendenkmal auf dem Schlachtfeld zu verfügen, ist also eine besondere Ehre, mit der sich das Bestreben der Überlebenden verbindet, den Kriegstod auf Dauer zu kommemorieren und ihm damit einen Sinn zu geben. In diesem frühen Zeugnis werden bereits Ansätze für ein kollektives Gedächtnis erkennbar, welches die Erinnerung an den Kriegstod über die Dauer des familiären bzw. kommunikativen Gedächtnisses hinaus bewahren soll. Wenn es richtig ist, dass die Vorgänge in den Epen die realen Bestattungssitten zur Zeit des homerischen Dichters, also an der Wende vom 8. zum 7. Jh. widerspiegeln, dann wäre dies eine besonders frühe Form der kollektiven Kriegserinnerung. Die Identität der frühen Erinnerungsgemeinschaften bleibt aber verborgen, insofern bei Homer als Initiator der Denkmäler ausschließlich die fiktive Gemeinschaft der Griechen auftritt. In einer Zeit, in der nicht nur Städte, sondern auch Kleinkönige, Aristokraten und dörfliche Gemeinschaften Krieg führen, sind durchaus verschiedene Gruppen als Träger des Totengedenkens vorstellbar. Weiter muss berücksichtigt werden, dass Grabhügel zwar weithin sichtbar und monumental sind, dass ihre Bedeutung aber ohne die Hilfe erläuternder Inschriften unweigerlich mit dem Generationengedächtnis verloren geht. Bei den von Homer beschriebenen Gemeinschaftsgräbern handelt es sich um eine ähnlich rudimentäre Form der Kriegserinnerung wie die Sitte der Weihung von unbeschriebenen Beutewaffen, welche etwa zur gleichen Zeit einsetzt. Der Umgang mit den kriegerischen Ereignissen ist in beiden Fällen noch mehr vom Bedürfnis nach der Erfüllung religiös vorgegebener Pflichten (Dank an die Götter und Bestattung der Toten) und weniger vom Bestreben nach langfristiger historischer Dokumentation geprägt.

375 Hom. Il. 7, 417 436. 376 Pritchett 1985, S. 100 102. 377 Hom. Od. 12, 14: τύμβον χεύσαντες ϰαὶ ἐπὶ στήλην ἐρύσαντες. Vgl. Il. 7, 86; 11, 371; 6, 457; Od. 11, 75. 378 Pritchett 1985, S.102. So etwa Hom. Od. 4, 584: χεῦ’ ᾿Αγαμέμνονι τύμβον, ἵν’ ἄσβεστον ϰλέος εἴη.

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2 Die Politisierung der Erinnerung

Anders verhält es sich mit einigen Kriegsgräbern, welche Pausanias bei seinen Reisen im griechischen Mutterland gesehen hat und deren Errichtung er mit Ereignissen im 7. und 6. Jh. in Zusammenhang bringt. Das älteste dieser Denkmäler ist ein argivisches Grab bei Hysiai, wo 669/8 eine Schlacht zwischen Argos und Sparta stattgefunden haben soll.379 Pausanias ist in der Lage, die Gräber im Bezug auf Straßen, Ortschaften und Landmarken sehr genau zu lokalisieren, sodass an einer Autopsie nicht gezweifelt werden muss. Leider umfassen seine Notizen keine Informationen über das Aussehen der Denkmäler. Er bezeichnet die Monumente nur knapp als πολυάνδρια und in dem einen Fall, bei dem er eine detaillierte Beschreibung liefert, handelt es sich sicher nicht um einen Grabbau aus archaischer Zeit.380 Vielleicht lässt sich aus dem Schweigen des Periegeten ableiten, dass die übrigen Gräber eine schlichte Erscheinungsform hatten. So wissen wir auch nicht, ob er die Denkmäler anhand von zugehörigen Inschriften identifizierte oder ob ihm von Ortskundigen in mündlicher Form darüber berichtet wurde. Was sich mit Blick auf die Erinnerungstradition sagen lässt, ist, dass Pausanias die Toten in allen Fällen mit ihrer Poliszugehörigkeit bezeichnet. Mindestens in römischer Zeit und sicher auch in den vorausgehenden Jahrhunderten traten im Zusammenhang mit dem Totenkult also die Stadtstaaten als Erinnerungsgemeinschaften auf. Die materiellen Zeugnisse aus archaischer Zeit vermögen diesen Befund zu stützen. Während bei einem Massengrab in Akragas der kriegerische Hintergrund nur hypothetisch ist,381 verfügen wir mit einem Fundkomplex in der epirotischen Stadt Ambrakia über den seltenen Glücksfall eines inschriftlich gesicherten Kriegsgrabs. Bei einer Rettungsgrabung wurde hier 1986 ein monumentales Kenotaph auf dem Gelände der antiken Nekropole im Süden der Stadt gefunden. Das Denkmal befindet sich an einer Ausfallstraße in unmittelbarer Nähe zur Stadtmauer und dem dazugehörigen Tor. Der rechteckige Grabbezirk ist an der Front (Straßenseite) und an den Seiten Π-förmig mit einer Mauer aus hellen Kalksteinquadern eingefasst. Die

379 Paus. 2, 24, 7; außerdem in 8, 41, 1 ein Heroengrab auf der Agora von Phigalia für die bei der Wiedereinnahme der Stadt 659 gefallenen Oresthasier; in 2, 38, 5 6 zwei Gräber von Argivern und Lakedaimoniern für die Toten einer Schlacht bei Thyrea aus der Mitte des 6. Jhs. Vgl. die Liste my thischer und historischer Polyandria bei Clairmont 1983, S. 368 371. 380 In Paus. 2, 25, 7 ist die Rede von einem Gemeinschaftsgrab in Form eines Pyramidenbaus mit Schilden im Relief. Derartige Strukturen deuten auf ägyptische bzw. kleinasiatische Einflüsse und dürften in hellenistisch römischer Zeit entstanden sein. Anlass für den Bau des Grabmonuments ist die Erinnerung an eine Schlacht zwischen den mythischen Argiverkönigen Proitos und Akrisios. 381 Griffo 1946, S. 91 Nr. 722 berichtet von der Erforschung eines Massengrabes mit griechischer Keramik vom Ende des 7. Jhs. In einer Grube lagen ungeordnet mehrere Dutzend Skelette, wobei das Geschlecht der Toten nicht bestimmt wurde. Das Grab befindet sich auf dem Gelände der späte ren Nekropole südlich der Stadt. Der Ausgräber vermutet, dass es vor der Gründung der Stadt (582) an dieser Stelle zu Auseinandersetzungen zwischen griechischen Kolonisten und der indigenen Be völkerung kam. Vgl. Pritchett 1985, S. 126.

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monumentale Fassade (12,40m lang und 2,50m hoch) ist an allen Seiten mit konvex gewölbten Quadern gerahmt und wird von einer weiteren Lage Steinblöcken mit einer dreizeiligen Inschrift (0,32m hoch; 0,06m Buchstabenhöhe) bekrönt.382 Die erhaltenen Verse des Epigramms, welches ursprünglich fünf elegische Disticha umfasste, lauten: ῎Ανδρας [τ]ούσδ’ [ἐ]σλοὺς ὀλοφύρομαι hοῖσι Πυραιβõν: παῖδες ἐμετίσαντ’ ἀλϰινόεντα φόνον : ἀνγε[λί]αν μετιόντας ἀπ’ εὐρυχόροι[ο ϙορίνϑου] [. . .2 Verse. . .] πατρίδ’ ἀν’ ἱμερτὰν πένϑος ἔϑαλλε τότε : Τόδε δ’ ἀπ’ ᾿Ανπραϰίας· Ναυσίστρατον, αὐτὰ παϑόντε Καλλίταν τ’ ᾿Αΐδα δõμα μέλαν ϰατέχει: Καὶ μὰν ᾿Αραϑϑίονα ϰαὶ Εὔξενον ἴστε, πολῖται : hος μετὰ το͂νδ’ ἀνδρõν Κὰρ ἔϰιχεν ϑανάτου. Ich beweine diese edlen Männer, denen der Pyraiboi Kinder einen schändlichen Tod auferlegten, während sie eine Gesandtschaft vom weiträumigen Korinth begleiteten [. . .] in der lieblichen Heimat dann die Trauer wuchs. Und hier zwei aus Ambrakia: Nausistratos, der das gleiche Schicksal hinnahm und Kallitas, den das dunkle Haus des Hades gefangen hält. Und ihr wisst auch, Mitbürger, wie Araththios und Euxenos gemeinsam mit diesen Männern dem Dämon des Todes gegenüber traten. (SEG 41, 540; Eigene Übers.)

Bei des Lesung und Interpretation des Textes bestehen weiter größere Unsicherheiten.383 So bleibt insbesondere die Identität der παῖδες Πυραιβõν rätselhaft. Bousquet vermutet, dass es sich bei dieser feindlichen Gruppe um die Mitglieder eines bei Homer erwähnten Clans handelt, welcher im Umland von Dodona beheimatet war.384 Die Pyraiboi wären demnach von Thessalien Richtung Süden vorgedrungen, um das Gebiet der Polis Ambrakia zu plündern.385 Ob man bei den kommemorierten Ereignissen wirklich von einem „Krieg“ im Sinne eines zwischenstaatlichen Konflikts sprechen kann, muss offen bleiben. Randone hat zuletzt dafür plädiert, dass es sich eher um einen räuberischen Überfall durch umherziehende Nomaden als um eine größere Auseinandersetzung gehandelt hat.386

382 Andreou 1986, S. 425 427, Taf. 97, Abb. a, b. Eine detaillierte Publikation des Befundes steht noch aus. 383 Die Erstausgabe des Textes Andreou 1986, S. 425 438 wurde in der Zwischenzeit von Mat thaiou 1990; Bousquet 1992, S. 596 605; Cassio 1994; D’Alessio 1995 und Tentori Montalto 2017, S. 85 90 berichtigt und ergänzt. Der hier wiedergegebene Text orientiert sich an den Lesungen von Randone 2013. 384 Hom. Il. 2, 748 755. 385 Bousquet 1992, S. 601. 386 Randone 2013, S. 37 41.

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Was sich dagegen mit Sicherheit erschließen lässt ist, dass die Polis Ambrakia im Kampf getötete Mitbürger ehrt, von denen im erhaltenen Teil des Gedichts vier (Nausistratos, Kallitas, Araththios und Euxenos) namentlich genannt werden. Nach Auskunft des Epigramms starben die Ambrakioten, während sie eine Gesandtschaft der Mutterstadt Korinth eskortierten. Die Inschrift ist in korinthischem Alphabet verfasst und kann mithilfe von wenigen Vergleichstexten in die Mitte des 6. Jhs. datiert werden.387 Damit handelt es sich bei dem Grabepigramm um die früheste bekannte Nennung des Stadtnamens Ambrakia. Und auch sonst spricht die Ausführung des Kenotaphs dafür, dass man den Toten eine hohe Bedeutung zumaß. Das Epigramm ist vergleichsweise lang und die Buchstaben der monumentalen Inschrift sind mit größter Sorgfalt und Regelmäßigkeit gearbeitet.388 Mit der Lage in unmittelbarer Nähe zum Stadttor hatte das Polyandrion eine der prominentesten Positionen innerhalb der Nekropole. Darüber hinaus handelt es handelt es sich um den mit Abstand größten und am aufwendigsten gestalteten Grabbezirk, der bisher im Stadtgebiet von Ambrakia gefunden wurde.389 Schließlich besitzt die Inschrift die symbolisch wichtige Länge von 100 Fuß (ἑϰατόμπηδον).390 Nicht übersehen werden darf auch der Aufwand, ein Epigramm zu dichten, in dem die individuellen Namen der Toten berücksichtigt werden. Hierfür gibt es selbst in den demokratisch verfassten Stadtstaaten der klassischen Epoche keine Parallelen. Die Nennung der einzelnen Namen ohne Patronyme ist für das Selbstverständnis der Polis Ambrakia in der Mitte des 6. Jhs. deshalb fast noch aussagekräftiger als die Eigenbezeichnung als πολῖται. Die Bürgerschaft tritt in dem Epigramm als eine politische Handlungseinheit auf, welche nicht nur die Deutung des gewaltsamen Todes für sich vereinnahmt, sondern auch die Namen einzelner Gefallener in gleichberechtigter Weise als denkmalfähig erachtet. Nachdem die Stadt in der Mitte des 7. Jhs. von Korinth aus durch die Kypseliden gegründet worden war,391 verfügte sie also schon früh über ein selbstständiges Gemeinwesen mit einer vereinten Bürgerschaft. Der Status als Kolonie mag diesen Prozess, ebenso wie eine integrative Politik der korinthischen Tyrannen, befördert haben. Das, was die gefallenen Ambrakioten im 6. Jh. prominent macht, ist die Tatsache, dass sie im Dienst der „lieblichen Heimat“ (πατρίς ἱμερτά) starben, welche sich selbst als vereinigte Bürgerschaft

387 Die Inschrift ist stoichedon und boustrophedon verfasst. Die Datierung von Andreou 1986, S. 444 445 auf die Zeit um 600 wird inzwischen als zu früh angesehen. Bousquet 1992, S. 597 599 und D’Alessio 1995, S. 22 sprechen sich mit guten Argumenten für eine Datierung in der Mitte des 6. Jhs. aus. Zum Vergleich herangezogen werden insbesondere das Grabepigramm des Arniadas (CEG 145) und das Menekratos Monument (CEG 143), beide aus Korkyra und um 600. Vgl. Tentori Mon talto 2017, S. 86 90. Randone 2013, S. 44 49 vermutet aufgrund paläographischer Unterschiede, dass es sich bei dem letzten Distichon um eine spätere Ergänzung handelt. 388 Bousquet 1992, S. 597. 389 Zu den Nekropolen Ambrakias in archaischer und klassischer Zeit vgl. Angeli 2013. 390 Bousquet 1992, S. 604. 391 Zur Koloniegründung De Libero 1996, S. 153 154.

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präsentiert. Die Gemeinschaft übernimmt die Kommemoration der Gefallenen, um sich mit einem monumentalen Denkmal vor den Toren der Stadt selbst zu inszenieren und um sich des Zusammenhalts innerhalb der Gruppe zu versichern. Anhand des Polyandrions von Ambrakia kann also in eindrücklicher Weise gezeigt werden, dass frühe Formen der Kriegserinnerung von einem etablierten bürgerschaftlichen Selbstverständnis innerhalb der politischen Handlungsgemeinschaft bedingt wurden. Denselben Zusammenhang ließen bereits die mit Polis-Inschriften versehenen Waffenweihungen erkennen, welche ungefähr zu gleichen Zeit in der zweiten Hälfte des 6. Jhs. einsetzen. Neben dem Polyandrion in Ambrakia ist zumindest ein weiteres Inschriftendenkmal für Kriegsgefallene bei der sizilischen Stadt Selinous belegt. Das literarisch überlieferte Distichon berichtet, dass die Toten gegen eine Tyrannis kämpften (σβεννύντας τυραννίδα) und vor den Toren der Stadt Selinus fielen.392 Das Epigramm wird übereinstimmend ins ausgehende 6. bzw. beginnende 5. Jh. datiert, wobei die kryptischen Hinweise auf die historischen Ereignisse entsprechend schwer zu deuten sind. Als Bezugspunkt in der Historiographie dient eine Episode bei Herodot, nach der die Spartaner in der 2. Hälfte des 6. Jhs. unter Dorieus einen Kolonisationszug nach Sizilien unternommen haben sollen. Das Expeditionsheer erlitt eine Niederlage und der überlebende Euryleon gründete mithilfe der Selinousier die Stadt Minoa. Außerdem half er den Bewohnern der Stadt Selinus, ihren Tyrannen Peithagoras zu stürzen, und schwang sich selbst zum Alleinherrscher auf, um kurz darauf dasselbe Schicksal zu erleiden.393 Es ist naheliegend anzunehmen, dass in dem Polyandrion die toten Selinusier lagen, welche im Kampf gegen Peithagoras und/oder Euryleon gefallen waren.394 Es konnte bereits in anderen Zusammenhängen beobachtet werden, dass die Überwindung von Tyrannen den Zusammenhalt und das kollektive Selbstbewusstsein einer Bürgerschaft stärken konnte und dass dieses Identitätsgefühl in Kriegsdenkmälern zum Ausdruck gebracht wurde. Da Plutarch das Epigramm mit einer Sizilienreise des Spartaner-Königs Areus (309–265) in Verbindung bringt, zieht Pritchett allerdings auch in Betracht, dass das Grabdenkmal an die vor Selinus gefallenen Spartaner erinnern sollte.395 Die Tatsache, dass das Monument in der Kaiserzeit weiterhin gepflegt wurde, mag eher dafür sprechen, dass sich die anwesenden Selinusier mit der Erinnerung identifizierten, aber eine endgültige Entscheidung kann aufgrund der dünnen Überlieferung nicht getroffen werden. Festhalten lässt sich nur, dass die Kriegstoten hier ebenso wie in Ambrakia (wo es sich ja um ein städtisches Kenotaph handelte) am Ort der Schlacht beigesetzt wurden.

392 Plut. mor. 217 218; Plut. Lykurgos 20, 5: Σβεννύντας ποτὲ τούσδε τυραννίδα χάλϰεος ῎Αρες | εἷλε· Σελινοῦντος δ’ ἀμφὶ πύλας ἔϑανον; GV 23. 393 Hdt. 5, 46, 1 2. 394 So Clairmont 1983, S. 222. 395 Pritchett 1985, S. 161 163.

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In dieser Hinsicht bildet auch die Polis Athen, deren reiche Zeugnisse für die Gefallenenkommemoration am Übergang vom 6. zum 5. Jh. einsetzen, keine Ausnahme. So berichtet Herodot, dass der athenische Feldherr Tellos im Kampf gegen die Nachbarstadt Eleusis fiel und an Ort und Stelle auf Staatskosten (δημοσίῃ) beigesetzt wurde.396 Der Historiograph bettet die Tellos-Episode in eine Erzählung über den Lyderkönig Kroisos ein, womit die beschriebenen Ereignisse am ehesten ins 6. Jh. datieren dürften. Pritchett vermutet zurecht, dass – wenn auf eine Rückführung des gefallenen Vorkämpfers verzichtet wurde – man auch die übrigen Kriegstoten in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Schlachtfeld beigesetzt haben wird.397 Die Tatsache, dass Tellos für seine Heimatstadt Athen im Krieg gefallen ist, nachdem er seine Söhne und Enkelsöhne heranwachsen sehen hat, macht ihn in der Kroisos-Episode zum glücklichsten Mann der Welt.398 Das öffentliche Begräbnis war die dauerhafte Dokumentation dieses idealen, verdienstvollen Todes und in diesem Sinne (wie schon bei den homerischen Helden) erstrebenswert. Die Gemeinschaft übernahm die Aufgabe, den Ruhm und die Verdienste des Gefallenen zu kommemorieren, um seinem frühen Tod so nachträglich einen Sinn zu geben. Das schwache Zeugnis Herodots findet möglicherweise in einem Grabepigramm Bestätigung, welches literarisch überliefert ist und dem frühklassischen Dichter Simonides zugeschrieben wird: Δίρφυος ἐδμήϑημεν ὑπὸ πτυχί· σῆμα δ’ ἐφ’ ἡμῖν ἐγγύϑεν Εὐρίπου δημοσίαι ϰέχυται. Wir starben in den Tälern des Dirphys; aber am Euripos wurde uns auf Staatskosten das Grabmal aufgeschüttet. (Anth. Gr. 16, 26; Eigene Übers.)

Der im Gedicht genannte Berg Dirphys und der Euripos-Kanal sind die geographischen Charakteristika der Insel Euboia und ihrer Hauptstadt Chalkis. Auch wenn die Identität der Toten im Epigramm nicht benannt wird, könnte es sich also um die gefallenen Athener handeln, welche hier 506 einen wichtigen Sieg über die Boioter und Chalkidier errungen hatten.399 Die Stadt Athen kommemorierte diesen Sieg auch, wie bereits betrachtet, mit den Fesseln der Kriegsgefangenen und einer monumentalen Beuteweihung auf der Akropolis.400 Der Gedanke, dass man zusätzlich dazu die Kriegstoten auf dem Schlachtfeld aus öffentlichen Mitteln mit einem Grabhügel und einer Inschrift mit Epigramm ehrte, ist naheliegend. Page u.a. haben

396 Hdt. 1, 30, 5: ἀπέϑανε ϰάλλιστα, ϰαί μιν ᾿Αϑηναῖοι δημοσίῃ τε ἔϑαψαν αὐτοῦ τῇ περ ἔπεσε ϰαὶ ἐτίμησαν μεγάλως. 397 Pritchett 1985, S. 161. 398 Hdt. 1, 30. 399 Hdt. 5, 77, 1. 400 Siehe Kap. 2.2.2.

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zurecht darauf hingewiesen, dass es sich bei den Gefallenen durchaus auch um die getöteten Euböer handeln könnte.401 Rausch hält jedoch aufgrund der engen Parallelen zu athenischen Praktiken an der Identifizierung als athenisches Grabdenkmal fest.402 Bemerkenswert ist in jedem Fall die explizite Angabe der öffentlichen Finanzierung, welche in jüngeren Grabgedichten ausbleibt. Offenbar wurde dieselbe mit Blick auf Kriegsgräber im ausgehenden 6. Jh., anders als in der klassischen Epoche, noch nicht als Selbstverständlichkeit angesehen. Wenn die Identifikation der beiden archaischen Kriegsgräber als athenische Staatsdenkmäler zutreffend ist, dann fallen die ersten Zeugnisse für kollektive Bestattungen Athens zeitlich mit den ersten Waffen- und Statuenweihungen (nach der Eroberung von Lemnos und dem Sieg über Euboia) zusammen.403 In allen drei Formen der Kriegserinnerung kommt das neue Kollektivbewusstsein der athenischen Bürgersoldaten zum Ausdruck. Die gemeinsam errungenen Siege wurden mit Weihungen im Namen der ᾿Αϑεναῖοι und Denkmälern für die gefallenen Kombattanten kommemoriert. Die Polis Athen adaptiert damit im Moment des politischen Umbruchs mehrere Traditionen, welche in anderen Teilen Griechenlands schon länger in Gebrauch waren, um Identifikationsangebote für die heterogene Schicht der Hoplitenbürger zu schaffen. Stupperich hat schon vor längerer Zeit nachgewiesen, dass der Beginn der kollektiven Bestattung von Kriegsgefallenen in Athen mit der Beschränkung des privaten Grabluxus – d.h. dem Verbot von Grabhügeln, Stelen und Grabepigrammen – einherging.404 Damit wurden ehemalige Repräsentationsformen der aristokratischen Oberschicht ab dem ausgehenden 6. Jh. durch die Polis vereinnahmt – von einer gänzlichen Monopolisierung möchte man angesichts der unsicheren Quellenlage im Zusammenhang mit der archaischen Gesetzgebung zum Grabluxus nicht sprechen.405 Die monumentalen Gräber waren nun jedenfalls nicht mehr nur Angehörigen der Aristokratie vorbehalten, sondern auch Männern, die im Dienst der Bürgerschaft gestorben waren. Rausch hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass familiäre Formen des Totengedenkens zugunsten der gemeinschaftlichen Bestattung zurückgedrängt wurden. Damit wurde der Inszenierung des Kollektivs der Vorrang gegenüber den sozialen und familiären Bindungen des Individuums gegeben.406 Die Einbindung des einzeln Bürgers in die Kriegskommemoration der Polisgemeinschaft war also weitestgehend verpflichtend und alternativlos. Auf diese Weise setzt mit der Realisierung der Kleisthenischen Reformen in Athen

401 Page 1981, S. 189 191. Zur älteren Forschungsdiskussion vgl. auch Pritchett 1985, S. 164 165. 402 Rausch 1999, S. 226 227. 403 Siehe Kap. 2.1.3 und 2.2.2. 404 Stupperich 1977, bes. S. 219 221. 405 Das sogenannte „post aliquanto Gesetz“ aus der Zeit um 500 ist lediglich bei Cic. leg. 2, 64 66 belegt. Zur athenischen Gesetzgebung betreffend die Beschränkung des Grabluxus vgl. Engels 1998, S. 77 154. 406 Rausch 1999, S. 229.

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unvermittelt eine Demokratisierung des Totengedenkens ein, wenn auch zunächst nur auf den Schlachtfeldern außerhalb der eigenen Polis. Die spätere athenische Tradition (πατρίος νόμος), die Asche der Kriegstoten nach Hause zu überführen und vor den Augen der Polisgemeinschaft im Demosion Sema beizusetzen, reicht also nicht bis in archaische Zeit zurück. Das früheste überlieferte Gefallenengrab im Staatsfriedhof am Kerameikos ehrte die Gefallenen der Seeschlacht gegen Aigina, welche im Frühjahr 488 stattfand.407 Schließlich wurden auch die athenischen Gefallenen der Perserkriegsschlachten in Marathon und Plataiai beigesetzt.408 Auf die Einrichtung des Demosion Sema und die dazugehörige Forschungsdiskussion wird an anderer Stelle einzugehen sein.409 Hier bleibt vorerst festzuhalten, dass alle Zeugnisse dafür sprechen, dass auch die Polis Athen ihre Toten in archaischer Zeit auf dem Schlachtfeld beizusetzen pflegte. Mit dem athenischen Grabdenkmal in Marathon lässt sich seit einigen Jahren eine Inschrift verbinden, die neben dem in vorklassischer Zeit häufig gebrauchten Epigramm auch eine Namensliste enthält.410 Als älteste athenische Gefallenenliste wurde bis dahin eine Inschrift aus Hephaistia auf Lemnos angesprochen.411 Das Kalksteinfragment trägt auf der Vorderseite die Reste von mindestens 5 Personennamen und dazwischen die Bezeichnung der Phyle Hippothontis (hιπποϑοντίς). In die Stele eingeschrieben war also eine Reihe von Individuen, die nach der Zugehörigkeit zu ihren Kleisthenischen Phylen (κατὰ ϕυλάς) geordnet waren. Mit diesem Schema gleicht die Inschrift aus Lemnos dem Denkmal in Marathon und den meisten anderen athenischen Gefallenenlisten in klassischer Zeit. Als Anlass für die Errichtung des Grabdenkmals wurde häufig die Eroberung der Insel unter Miltiades im ersten Jahrzehnt des 5. Jhs. angesehen, von der Herodot ausführlich berichtet.412 Neue Untersuchungen datieren die Liste aus Lemnos aber eher in Kimonische Zeit und damit deutlich später.413 Auch im Vergleich – beide Inschriften stammen aus einer athenischen Werkstatt – scheint die Liste aus Marathon mit ihren archaischen Buchstabenformen und dem „experimentellen“ Stoichedon-Schema eher älter zu sein.414 Sowohl mit der Beisetzung der

407 Paus. 1, 29, 7: ϰαὶ ᾿Αϑηναίων δ’ ἔστι τάφος, οἵ πρὶν ἤ στρατεῦσαι τὸν Μῆδον ἐπολέμησαν πρὸς Αἰγινήτας. Zu den Ereignissen Hdt. 6, 49, 87 93; 5, 89. Zur Datierung der Schlacht vgl. Welwei 1999, S. 41; Figueira 1988. 408 Marathon: Thuk. 2, 34, 5; Paus. 1, 29, 4; 1, 32, 3. Plataiai: Hdt. 9, 85, 2. Für die beiden See schlachten bei Kap Artemision und Salamis sind keine Informationen zum Verbleib der atheni schen Toten überliefert. 409 Siehe Kap. 3.3.1. 410 SEG 56, 430. 411 IG I3 1477; vgl. IG XII Suppl. 337; heute verloren. 412 Hdt. 6, 137 140. So Clairmont 1983, S. 89 90; Jeffery 1990, S. 299 300, Nr. 59; Pritchett 1985, S. 165; Rausch 1999, S. 225. 413 Gastaldi 2010, S. 140 142. Vgl. auch Marchiandi 2008, S. 16, welche die Inschrift „in die ersten Jahrzehnte des 5. Jhs.“ datiert. 414 Zur Werkstatt der lemnischen Inschrift: Jeffery 1990, S. 299 300.

2.3 Der Beginn neuer Kommemorationsformen

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Kriegsgefallenen im Demosion Sema als auch mit der Ehrung der Toten durch Namenslisten wurde in Athen also, nach aktuellem Forschungsstand, nicht vor der Zeit der Perserkriege begonnen. Soweit es die schwierige Überlieferungssituation erkennen lässt, gibt es spätestens seit der ersten Hälfte des 7. Jhs. Hinweise darauf, dass Kriegstote gemeinschaftlich bestattet und durch Grabdenkmäler dauerhaft kommemoriert wurden. Die Beisetzung erfolgte im gesamten griechischen Kulturraum einheitlich auf dem Schlachtfeld, wobei die am weitesten verbreiteten Grabformen aufgeschüttete Tumuli oder Gruben waren, die man mit einer steinernen Inschriftenstele markierte. Die Grabsteine trugen ein Epigramm, in dem die Toten (mehr oder weniger eindeutig) identifiziert und geehrt wurden. Als Stifter des Denkmals trat in allen Fällen die Bürgergemeinschaft des jeweiligen Stadtstaates auf. Das Kenotaph von Ambrakia aus der Mitte des 6. Jhs. ragt aus diesem Befund deutlich heraus. Es ist das früheste Beispiel für die Errichtung eines Grabdenkmals in der Heimat und gleichzeitig besonders aufwendig gestaltet (ummauerter Grabbezirk, zehnzeiliges Epigramm, hekatompedon, namentliche Nennung der Toten). Mit der Bezeichnung der Erinnerungsgemeinschaft als πολῖται und der Nennung einzelner Toter führt die am Grabdenkmal angebrachte Inschrift besonders eindrücklich den Zusammenhang von Gefallenenehrung und der Etablierung eines bürgerlichen Selbstbewusstseins vor Augen. Die Tradition, Gefallene mit Denkmälern zu ehren, entwickelte sich also – ebenso wie andere Formen der Kriegskommemoration – in wechselseitiger Beziehung mit der Ausbildung stadtstaatlicher Identitäten.

3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft Mit der Abwehr persischer Invasionsheere am Anfang des 5. Jhs. beginnt das Zeitalter der Klassik. Die existentielle Bedrohung der Stadtstaaten Mittelgriechenlands, der übermächtige Gegner und die nie dagewesenen Mengen an Beute änderten nachhaltig die griechische Wahrnehmung des Phänomens Krieg. Die dazugehörigen Schlachten blieben dank aufwendiger Kriegsdenkmäler jahrhundertelang im Gedächtnis der Poleis. Feste waren – wie schon in archaischer Zeit – besonders geeignet, um auch heterogene Bevölkerungsgruppen zusammenzubringen und das identitätsstiftende Vergangenheitswissen weiter zu vermitteln. Während unmittelbar nach der siegreichen Schlacht nur ein einmaliges Dankopfer an die beteiligten Gottheiten geleistet wurde, hatten die Feierlichkeiten zur Erinnerung an militärische Erfolge einen festen Platz im Kalender der jeweiligen Polis (bzw. des Ethnos) und wurden jedes Jahr aufs Neue begangen. Die historischen und soziologischen Forschungen der letzten Jahrzehnte haben sich vermehrt mit dem Phänomen „Fest“ auseinandergesetzt und es als die zentrale Gelegenheit identifiziert, bei der die Gemeinschaft der griechischen Polis zusammenkam und sich ihres kollektiven Selbstverständnisses vergewisserte.415 Im Zentrum dieses Kapitels stehen daher die Feste als institutionalisierte Form der Kriegserinnerung und ihre Rolle bei der Etablierung bürgerlicher Identitäten.

3.1 Kultstiftungen aus Dankbarkeit für militärische Siege Festveranstaltungen (ἑορταί), die regelmäßig wiederholt und von den Teilnehmern immer wieder miterlebt werden konnten, waren in den Augen der antiken Autoren kaum der Dokumentation würdig. Aus den vereinzelten Bemerkungen in der klassischen Historiographie lassen sich daher selten mehr als die bloße Existenz und der Anlass einer Feier ableiten. Detailliertere Ausführungen finden sich lediglich in den moralischen Schriften Plutarchs, welche allerdings die Zustände im 1. Jh. n. Chr. dokumentieren. Auch epigraphische Zeugnisse, welche Auskunft über die Administration der Feste geben (Opferkalender, Stiftungsurkunden), stammen überwiegend aus hellenistisch-römischer Zeit. Die geringe Zahl klassischer Inschriften führt

415 Burkert 1985, S. 246 268 schreibt der kollektiven Durchführung von Ritualen eine integrative und normierende Wirkung für soziale Gruppen zu. Assmann 1991, S. 13 beschreibt das Fest als „ur sprünglichste“ Form des kollektiven Gedächtnisses. Denn dort wo schriftliche Speichermedien feh len oder eine untergeordnete Rolle spielen, wie im antiken Griechenland, sind die Gesellschaften auf das Fest als Mittel zur Vergegenwärtigung der Vergangenheit angewiesen. Chaniotis 1991, S. 140 hat schließlich betont, dass die griechischen Gedenkfeste auf die Befriedigung des emotiona len Bedürfnisses eines Individuums nach Zugehörigkeit und Identität abzielen. Zur älteren Festfor schung vgl. Beck/Wiemer 2009, S. 18 22. https://doi.org/10.1515/9783110637113 003

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schließlich auch dazu, dass die materiellen Hinterlassenschaften von Kulten und Festen kaum zu identifizieren sind. Eine Untersuchung der entsprechenden Kommemorationsformen im griechischen Mutterland ist daher nicht möglich ohne die Hinzunahme von Quellen aus anderen Epochen und Regionen. Die darauf aufbauenden Forschungsarbeiten analysieren den Gegenstand daher als Phänomen der gesamten griechischen Antike.416 Grundlegend auf diesem Gebiet ist Chaniotis' Aufsatz „Die Gedenktage der Griechen“, der den Gegenstand erstmals definiert und kategorisiert hat.417 Seine Auseinandersetzung mit den Gedenkfesten hat ergeben, dass die meisten von ihnen einen „aggressiven Charakter“ hatten, d.h. Auseinandersetzungen mit inneren oder äußeren Feinden kommemorierten.418 Bemerkenswert ist auch, dass sich das Spektrum von Festen zur Erinnerung an historische Ereignisse in klassischer Zeit auf die Kommemoration von Kriegen (ὑπόμνημα τῆς μάχης) und Unabhängigkeitstagen (ὑπόμνημα τῆς τοῦ δήμου ἐλευϑερίας) beschränkte. Schließlich konnte Chaniotis zeigen, wie wichtig die entsprechenden Feste für die Ausbildung eines kollektiven Selbstverständnisses innerhalb der antiken Stadtstaaten waren.419 Assmanns These, dass „Feste und Riten [. . .] im Regelmaß ihrer Wiederkehr für die Vermittlung und Weitergabe des identitätssichernden Wissens und damit für die Reproduktion der kulturellen Identität“ sorgen, kann also auch für die griechische Poliskultur Geltung beanspruchen.420 Beck hat zuletzt dargelegt, dass der Gruppe der Epheben bei den klassischen Gedenkfesten eine zentrale Rolle zukommt. Die Anlässe wurden genutzt, um den zukünftigen Bürgern die historische Erinnerung als handlungsleitendes Ideal vor Augen zu führen. Die Festveranstaltungen hatten daher auch den Charakter einer gesellschaftlichen Initiation, insofern sie den Jungmännern die Wertvorstellungen und Erwartungen der Bürgerschaft vermittelten.421

416 Eine wertvolle Sammlung der relevanten Belege bietet der Abschnitt „War Festivals and the Calendar“ in Pritchett 1979, S. 154 229. Ergänzend dazu können die älteren Kompendien zur grie chischen Festkultur herangezogen werden: Deubner 1932 (im Folgenden 1966); Nilsson 1906 (im Folgenden 1995). 417 Chaniotis 1991, S. 123 124: „Eigentlich war jedes Fest der Griechen ein historischer Gedenktag, dem eine Aitiologie zugrunde lag [. . .]. Mein Kriterium für die Definition der historischen Gedenk tage ist die Historizität des Ereignisses, dessen gedacht wurde, obwohl ich mir bewusst bin, dass dieses Kriterium den Auffassungen der Griechen von Geschichte [. . .] kaum entspricht. [. . .] So ent steht eine [. . .] Gruppe von Festen, die nämlich dem Andenken an Ereignisse und Persönlichkeiten gewidmet waren, die diesseits der zeitlichen Grenze der dokumentarischen und literarischen Über lieferung und ihrer Rückerinnerung fallen, also in die Zeit nach etwa dem 7. Jh.“ 418 Chaniotis 1991, bes. S. 124 127. 419 Chaniotis 1991, bes. S. 138 140. 420 Assmann 2007, S. 57. 421 Beck 2009.

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3.1.1 Überlegungen zum Stiftungsvorgang Der regelmäßigen Durchführung eines Festes geht ein komplexer Stiftungsvorgang voraus, der bereits die wichtigsten Eckpunkte der Erinnerungstradition definiert. Wann und wo wird das Fest begangen? Welche Götter werden geehrt bzw. in welchen Kult wird das Fest integriert? Wie ist der Ablauf des Festes? Wer organisiert und finanziert die Veranstaltung? Dabei muss unterschieden werden zwischen der Integration des historischen Gedenkens in einen bestehenden Kult (Stiftung eines Festes) und der Einrichtung eines ganz neuen Kultes (Kultstiftung) anlässlich eines historischen Ereignisses. Das Fest zu einem bestimmten Termin versteht sich dabei also als Bestandteil eines kontinuierlich praktizierten Kultes zu Ehren einer Gottheit bzw. eines Heros. Während der übergeordnete Kult in der einen oder anderen Form lokal und architektonisch fixiert ist (Tempel, Altar, Naturschrein usw.), konstituiert sich das Fest aufgrund der zeitlichen Fixierung im Kalender der Erinnerungsgemeinschaft. Bei der Stiftung des Festes wird also nicht nur entschieden, welche Ereignisse von der Gemeinschaft als kommemorationswürdig erachtet werden, sondern auch, in welchen Deutungszusammenhängen sie aufgrund ihrer terminlichen und religiösen Einbindung gesehen werden sollen. So begingen die Bewohner der boiotischen Kleinstadt Plataiai ihr Fest zum Gedenken an die gleichnamige Perserkriegsschlacht nicht etwa am Jahrestag des Ereignisses (4. Boedromion), sondern im Zusammenhang mit einem allgemeinen Totenfest (16. Maimakterion).422 Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass die Begehung und Pflege der Kriegsgräber, aus der die Polis in klassischer Zeit ihr Recht auf Autonomie ableitete, im Zentrum des Festes standen.423 Der Vorgang der Stiftung und die damit verbundenen Aushandlungsprozesse sind deshalb von großem Interesse für die Frage, welchen Sinn die Zeitgenossen ihren militärischen Erfolgen zuschrieben. Unsere Kenntnisse über die antiken Feste beruhen jedoch – egal ob sie auf literarischen oder epigraphischen Schriftquellen basieren – auf der punktuellen Dokumentation einzelner Durchführungen. In aller Regel war der Autor der Quelle beim Fest anwesend und berichtet aus eigener Anschauung oder aber nach dem Hören-Sagen über die Vorgänge zu seiner Lebenszeit. Informationen über die Prozesse im Zusammenhang mit der Stiftung des Festes bzw. Kultes und deren Aktualisierungen in der diachronen Perspektive sind entsprechend spärlich. Die Rolle der Bürgerschaft Einen knappen Einblick in den Vorgang der Einführung eines Gedenktages bietet Plutarch in seiner Biographie des athenischen Feldherrn Nikias. Er berichtet – möglicherweise auf der Grundlage eines Berichtes des Zeitzeugen Philistion von

422 Chaniotis 1991, S. 136. 423 Zur Vergangenheitspolitik der Polis Plataiai vgl. Jung 2006, S. 259 265.

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Lokroi424 – von den Ereignissen in Syrakus nach der erfolgreichen Abwehr der Sizilischen Expedition Athens am Ende des Peloponnesischen Kriegs (413).425 ᾿Εϰϰλησίας δὲ πανδήμου Συραϰουσίων ϰαὶ τῶν συμμάχων γενομένης, Εὐρυϰλῆς ὁ δημαγωγὸς ἔγραψε, πρῶτον μὲν τὴν ἡμέραν ἐν ᾗ τὸν Νιϰίαν ἔλαβον ἱερὰν ἔχειν, ϑύοντας ϰαὶ σχολάζοντας ἔργων, ᾿Ασιναρίαν τὴν ἑορτὴν ἀπὸ τοῦ ποταμοῦ ϰαλοῦντας. ἡμέρα δ’ ἦν τετρὰς φϑίνοντος τοῦ Καρνείου μηνός [. . .] ἐϰείνους δὲ ἀποϰτεῖναι. In der allgemeinen Versammlung der Syrakusier und der Bundesgenossen, die nun gehalten wurde, stellte der Volksführer Eurykles den Antrag, erstens den Tag, an welchem man Nikias gefangen genommen hatte, unter Opfern und bei allgemeiner Arbeitsruhe als Festtag zu bege hen und das Fest nach dem Fluss Asinaria zu benennen; es war der viertletzte Tag des dritten Drittels des Monats Karneios [. . .] Dies alles nahmen die Syrakusier an. (Plut. Nikias 28, 1 2; Übers. nach Ziegler/Wuhrmann 2010.)

Nach der historiographischen Überlieferung kam das Fest der Syrakusaner also aufgrund eines Beschlusses der Volksversammlung zustande. Der Redner Eurykles (bzw. Diokles)426 legte zur Abstimmung einen Antrag vor, welcher das Datum, den Namen und den grundsätzlichen Ablauf des Gedenktages festlegte. Da dieselbe Vorlage laut Plutarch auch Vorschläge zum Umgang mit den athenischen Gefangenen umfasste, können wir davon ausgehen, dass die beschriebene Volksversammlung nicht lange nach dem Ende der Kampfhandlungen stattfand. In dieser frühen Phase der Gedächtnisbildung scheint die Deutung der Ereignisse jedenfalls noch recht rudimentär zu sein. Als Kristallisationspunkte der historischen Erinnerung werden der Jahrestag der Schlacht und der Schauplatz in Form des Flusses Asinaros definiert. Aufgrund der Namensgebung ließe sich spekulieren, dass das Fest außerhalb von Syrakus (der Asinaros ist etwa 25km entfernt) stattgefunden hat und dass die Opferhandlungen im Rahmen von ruralen Kulten in der Umgebung des Schlachtfeldes realisiert wurden. Da weitere Zeugnisse über die Asinaria fehlen, lassen sich aber über die Ausgestaltung des Festes und die dabei transportierten Deutungsmuster keine Aussagen mehr treffen. Jedenfalls tritt mit dem Beschluss der Ekklesia die Bürgergemeinschaft von Syrakus als Stifter und Träger der Kriegskommemoration auf. Plutarchs Aussage stimmt darin mit anderen Zeugnissen überein. Alle bekannten Gedenkfeste wurden von Polisgemeinschaften (oder Ethnien) organisiert und man geht sicher nicht falsch in der Annahme, dass dies auch anderswo aufgrund von öffentlichen Beschlüssen – sei es in der Volksversammlung oder in anderen entscheidungstragenden Gremien – geschah. Das wiederum bedeutet, dass sowohl Inhalt als auch Form der Erinnerungsstiftung innerhalb der Polisgemeinschaft grundsätzlich konsens- und mehrheitsfähig gewesen sein müssen. Ein Gedenktag

424 Pritchett 1979, S. 171. 425 Zu den Ereignissen: Thuk. 7, 84 85; Plut. Nikias 27; Diod. 13, 19. 426 Alternative Tradition bei Diod. 13, 19, 4.

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konnte nur dann institutionalisiert werden, wenn die Mehrheit der Bürgerschaft von seinem Sinn und von seinem Wert für die Gemeinschaft überzeugt war. Die Rolle des Feldherrn Darüber hinaus fällt in den antiken Nachrichten über die Stiftung von Gedenkfesten häufig die prominente Rolle der befehlshabenden Feldherrn auf. So weiß ein Scholiast der Ritter des Aristophanes über ein dort erwähntes Opfer an Artemis Agrotera darzulegen: Καλλίμαχος ὁ πολέμαρχος λέγεται εὔξασϑαι τῇ ᾿Αρτεμίδι τοσαύτας βοῦς ϑῦσαι, ὅσους ἂν φονεύσῃ βαρβάρους ἐν Μαραϑῶνι. ἐπειδὴ δὲ πολλοὶ ἐφονεύϑησαν, μὴ δυνάμενος τοσαύτας βοῦς ϑῦσαι, ἔϑυσε χιμαίρας. Kallimachos, der Polemarch, soll gelobt haben, der Artemis [Agrotera] soviele Rinder zu op fern, wie er bei Marathon Barbaren töten würde. Weil aber viele getötet wurden,427 und er nicht ausreichend Rinder opfern konnte, opferte er stattdessen Ziegen. (Schol. Aristoph. Equ. 660a II; Eigene Übers.)

Auf der Grundlage dieses Opfers an Artemis, von dem auch Xenophon berichtet,428 begingen die Athener ein jährliches Fest am 6. Boedromion, um an den Sieg bei Marathon zu erinnern. Dem Wortlaut des klassischen Historikers ἔδοξεν [οἱ ᾿Αϑηναῖοι] αὐτοῖς ϰατ’ ἐνιαυτὸν πενταϰοσίας ϑύειν folgend, dürfte auch diesem Gedenkfest ein Beschluss der athenischen Volksversammlung zugrunde liegen. Der dazugehörige Schwur und das erste Opfer im Anschluss an die gewonnene Schlacht waren aber untrennbar mit dem Namen des Polemarchen verbunden. Den Grund dafür vermag die Betrachtung einer anderen, hochklassischen Feststiftung zu erhellen, zu deren Anfängen mehrere Überlieferungen existieren. Der athenisch-persische Sieg in der Seeschlacht von Knidos im Sommer 394, welcher die spartanische Seeherrschaft beendete und eine erneute Vormachtstellung Athens begründete, ist in der Überlieferung untrennbar mit dem Namen des Strategen Konon verbunden.429 Athenaios bemerkt:

427 Zur Zeit Herodots (6, 117, 1) wurden die Verluste der Perser bereits mit 6400 Gefallenen bezif fert. Diese Zahl scheint übertrieben, wurde aber in nachherodoteischer Zeit von der athenischen Überlieferung noch weiter überhöht. Dazu Jung 2006, S. 129 131. 428 Xen. an. 3, 2, 12: ϰαὶ εὐξάμενοι τῇ ᾿Αρτέμιδι ὁπόσους [ἄν] ϰαταϰάνοιεν τῶν πολεμίων τοσαύτας χιμαίρας ϰαταϑύσειν τῇ ϑεῷ, ἐπεὶ οὐϰ εἶχον ἱϰανὰς εὑρεῖν, ἔδοξεν αὐτοῖς ϰατ’ ἐνιαυτὸν πενταϰοσίας ϑύειν, ϰαὶ ἔτι ϰαὶ νῦν ἀποϑύουσιν. Die Überlieferung variiert, insofern der Göttin bei Xenophon nicht Rinder, sondern Ziegen versprochen werden. Jung 2006, S. 54, Fn. 104 hält diese Version für plausibler. Außerdem findet sich die Geschichte bei Ail. var. 2, 25, der wohl einer späteren Über lieferung folgend das ursprüngliche Opfer Miltiades zuschreibt. 429 Xen. Hell. 4, 3, 11 12; Diod. 14, 83, 4 7.

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Κόνων δὲ τῇ περὶ Κνίδον ναυμαχίᾳ νιϰήσας Λαϰεδαιμονίους ϰαὶ τειχίσας τὸν Πειραιᾶ ἑϰατόμ βην τῷ ὄντι ϑύσας ϰαὶ οὐ ψευδωνύμως πάντας ᾿Αϑηναίους εἱστίασεν. Auch Konon, der in der Seeschlacht bei Knidos die Spartaner besiegt und die Mauern um den Peiraieus wiederhergestellt hatte, opferte wahrhaftig eine Hekatombe (und nicht nur dem Namen nach) und bewirtete alle Athener. (Athen. 1, 3d; Übers. Friedrich 1998.)

Der Hinweis des Poikilographen kann kaum anders verstanden werden, als dass Konon anlässlich des athenischen Sieges bei Knidos ein aufwendiges Festmahl mit einer Hekatombe, d.h. mindestens 100 Rindern, für die gesamte attische Bürgerschaft stiftete. Auch in anderen Quellen gibt es Hinweise auf öffentliche Siegesfeiern (ἐπινίϰια), welche nach einer gewonnenen Schlacht veranstaltet wurden.430 Begleitet wurde das große Festmahl dabei mit Wettbewerben, Lobgesängen und anderen Formen der Unterhaltung sowie mit aufwendigen Dankopfern und Gebeten an die involvierten Gottheiten.431 Zumindest im Falle Konons scheint der Feldherr persönlich für die Organisation und Finanzierung des Festmahls sowie für die Bereitstellung der Opfergaben verantwortlich gewesen sein. Möglicherweise fielen diese Aufgaben, ebenso wie das Sammeln und Verkaufen der Beute,432 in den allgemeinen Zuständigkeitsbereich der Befehlshaber. Die Annahme, dass sie mithilfe der Beuteeinnahmen auch das Festmahl ausrichteten, liegt nahe. Der spartanische Feldherr Brasidas etwa schrieb seine erfolgreiche Einnahme einer der chalkidischen Küste vorgelagerten Festung am Kap Lekythos (424/3) dem Eingreifen der Göttin Athena zu. Um seinen Dank zu bezeugen, stiftete er nicht nur Geld für den Tempelschatz, sondern ließ die gesamte Landzuge, auf der sich bereits der Tempel der Göttin befand, einschließlich Festungsanlagen räumen und fügte das Land ihrem heiligen Bezirk hinzu.433 So wie auch in diesem Fall, richteten sich die bei den Epinikia dargebrachten Opfer immer an die in der Umgebung des Schlachtfeldes ansässigen Gottheiten. Möglicherweise war es, wie im Fall des Opfers an Artemis Agrotera in Agrai,434 üblich, dass der Kommandant in Vertretung seines Hoplitenaufgebots vor der Schlacht ein nahe gelegenes Heiligtum aufsuchte und mit einem Gelöbnis göttlichen Beistand erbat.435 Auf diese Weise konnte sich das Heer nicht nur die lokalen

430 Pritchett 1979, S. 186 189, Nr. 1 5 in klassischer Zeit. 431 Pritchett 1979, S. 187, Nr. 1; 4; 5. Außerdem bietet Demosth. or. 19, 128 eine anschauliche Be schreibung eines Epinikia Festes. 432 Vgl. Kap. 2.2. 433 Thuk. 4, 116, 1 2. 434 Xen. an. 3, 2, 12; Schol. Aristoph. Equ. 660a II; Ail. var. 2, 25. 435 Pritchett 1979, S. 232 234; S. 237 238 hat die verstreuten Hinweise auf öffentliche Schlacht Gel öbnisse in klassischer Zeit zusammengestellt. Bemerkenswert ist etwa auch der Eid des Hellenen bundes an den delphischen Apollon in Hdt. 7, 132, 2. Besser unterrichtet sind wir über die diversen Opferhandlungen und mantischen Praktiken, welche üblicherweise der Schlacht vorausgingen. Dazu: Jameson 1993; Parker 2000. Die Opfer markierten insbesondere den Beginn und den Ab schluss der Kampfhandlungen, um unangekündigte und nicht endende Kriege zu vermeiden.

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Gottheiten (und die dazugehörige Priesterschaft) gewogen machen, sondern gleichzeitig auch religiöse Sanktionierung für das militärische Vorhaben einholen. Während die Anwendung von ex-voto-Praktiken bei der Stiftung von Weihdenkmälern hypothetisch bleiben musste, scheinen ebensolche also bei der Einrichtung von Gedenktagen eine zentrale Rolle gespielt zu haben. Und tatsächlich sind die Epinikia-Opfer bzw. Feste in allen überlieferten Fällen an Gottheiten gerichtet, deren Kultstätte sich in der Nähe des Schlachtfeldes befand oder die in der betreffenden Region besonders prominent waren. Während Brasidas die am Kap Lekythos ansässige Göttin Athena ehrte, feierten die Einwohner von Syrakus ihren Sieg über die Athener 413 mit einem Fest für Herakles, weil die militärischen Ereignisse mit dessen städtischem Feiertag zusammenfielen.436 Der Adressat des Epinikia-Festes, welches Konon nach der Seeschlacht bei Knidos für die Athener stiftete, müsste also folgerichtig die knidische Aphrodite gewesen sein. Aphrodite war seit archaischer Zeit die Hauptgottheit der Bewohner der karischen Halbinsel und ihr Antlitz diente in der Münzprägung der kleinasiatischen Polis als Wappen.437 Die These, dass Konon vor der Schlacht den Beistand der knidischen Göttin einholte, findet darin Bestätigung, dass er ihr zu Ehren später eigens ein Heiligtum im Peiraieus errichten ließ: πρὸς δὲ τῇ ϑαλάσσῃ Κόνων ᾠϰοδόμησεν ᾿Αφροδίτης ἱερόν, τριήρεις Λαϰεδαιμονίων ϰατεργα σάμενος περὶ Κνίδον τὴν ἐν τῇ Καριϰῇ χερρονήσω. Κνίδιοι γὰρ τιμῶσιν ᾿Αφροδίτην μάλιστα, ϰαί σφισιν ἔστιν ἱερὰ τῆς ϑεοῦ. Am Meer [im Peiraieus] baute Konon ein Heiligtum der Aphrodite, als er Trieren der Lakedai monier bei Knidos auf der karischen Halbinsel vernichtet hatte. Denn die Knidier verehren die Aphrodite am meisten, und sie haben Heiligtümer der Göttin.(Paus. 1, 1, 3; Übers. Meyer 1986.)

Das von Pausanias beschriebene Aphrodite-Heiligtum befand sich nach Aussage anderer literarischer Quellen innerhalb des Peiraieus am Rande des großen Westhafens (Kantharos), konnte bisher aber nicht archäologisch identifiziert werden.438 Die Initiative zum Bau des Tempels schreibt der Perieget Konon selbst zu. Aber während es in hellenistisch-römischer Zeit geläufig war, dass Einzelpersonen öffentliche Gebäude und Kulte stifteten, blieb diese Praxis im klassischen Athen wohl die Ausnahme. Ein bekanntes Beispiel ist die Errichtung eines Tempels der

Burkert 1985, S. 267 bemerkt: „Indeed war may almost appear like one great sacrificial action.“ Zur Rolle der Götter in der griechischen Kriegsführung allgemein Burkert 1986. 436 Thuk. 4, 116, 2; 7, 73, 2. 437 Das Heiligtum der Knidischen Aphrodite erlangte in der Antike auch Bekanntheit wegen der Kultstatue des Praxiteles (Plin. nat. 36, 20 21). Die Münzen der Stadt Knidos zeigen seit dem 6. Jh. im Avers jeweils eine Löwenprotome und im Revers den Kopf der Göttin. Dazu Cahn 1970, bes. S. 196 197. 438 Kallistratos FGrH 370, Frg. 1. Zur Topographie des Peiraieus vgl. Goette/Hammerstaedt 2012, S. 261, Abb. 51.

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ephesischen Artemis in Skillous, welche Xenophon mit seinem privaten Anteil der Beuteeinnahmen aus Kleinasien finanzierte.439 Die entsprechende Stiftung fand aber nicht im öffentlichen Raum der Polis Athen statt und Xenophon selbst betont, dass er für das private Bauprojekt eigens Land erwerben musste.440 Ob die Athener ihrem Feldherrn Konon für eine entsprechende Initiative ebenfalls Land zur Verfügung gestellt hätten, ist zumindest fragwürdig. Personenbezogene Ehrungen wurden ihm jedenfalls nur außerhalb des griechischen Mutterlands zuteil.441 Wahrscheinlicher ist es, dass auch dieser Form der Kriegserinnerung ein Beschluss der Volksversammlung (möglicherweise auf Vorlage des Konon) vorausging und dass das Heiligtum im Auftrag der athenischen Bürgerschaft gebaut wurde. Für die Übernahme des einmaligen Dankopfers in den Festkalender der Polis und die damit einhergehende Verstetigung des Gedenkens bedurfte es wohl eines Beschlusses der Volksversammlung, wie ihn Plutarch für die Asinaria auf Syrakus überliefert.442 Auf diese Weise wurde sowohl die regelmäßige Wiederholung der Kulthandlungen als auch die Weitergabe der historischen Erinnerungen sicher gestellt. Die Bürger der Polis konnten damit selbst steuern, welche historischen Ereignisse Eingang in den kultischen Kanon und damit in das kollektive Gedächtnis der Gruppe fanden. Wie lange die entsprechenden Feste gepflegt wurden, hängt natürlich davon ob, inwiefern die Kommemoration noch den politischen Bedürfnissen der Bürgergemeinschaft entsprach und wie offen die Erinnerungsfiguren gegenüber tagespolitischen Aktualisierungen waren. Man geht sicher nicht falsch in der Annahme, dass das ein oder andere Gedenkfest in der Folgezeit schnell an Bedeutung verlor und durch die Einführung neuer Kulte wieder aus dem Festkalender der Polis verdrängt wurde. Andere Anlässe dagegen, wie etwa die Feiern zur Erinnerung an die Perserkriegsschlachten, wurden noch Jahrhunderte später begangen. Über die im Rahmen des Aphrodite-Kultes im Peiraieus transportierten Erinnerungsfiguren lassen sich nur noch rudimentäre Aussagen treffen. Aus dem Standort des Tempels lässt sich erschließen, dass der Schlachterfolg vordergründig als maritime Unternehmung kommemoriert wurde. Dieser Deutungsebene kam beim Wiedererstarken der athenischen Seeherrschaft möglicherweise eine zentrale Rolle zu. Der Bezug zur karischen Aphrodite – die ja gewissermaßen an der Schlacht beteiligt war – diente wiederum zur Beglaubigung der historischen Ereignisse. In diesem Zusammenhang erhielt die Göttin auch den Beinamen Euploia, unter dem sie sowohl

439 Xen. An. 5, 3, 7 13; Paus. 5, 6, 5; Diog. Laert. 2, 52. 440 Xen. An. 5, 3, 7. 441 Als Dank für seine militärischen Verdienste im Zusammenhang mit der Befreiung Kleinasiens von der spartanischen Herrschaft ließ die Polis Erythrai ihm eine Bronzestatue errichten und ver lieh ihm das Bürgerrecht der Stadt: IEry 6. Ein vergleichbare Ehrung empfing Konon auch in der karischen Polis Kaunos: IKaunos 81. 442 Plut. Nikias 28, 1 2.

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in Athen als auch in Knidos verehrt wure.443 In welcher Form das Vergangenheitswissen und die Erinnerungsfiguren im Peiraieus übermittelt wurden, ist nicht überliefert. Plutarch deutet in seiner Auflistung der attischen Feste an, dass auch der Sieg Konons von der Polis mit einem Fest gefeiert wurde.444 Aufgrund von Parallelen zu anderen Gedenkfeiern lässt sich annehmen, dass die Bürgerschaft an einem bestimmten Tag im Festkalender eine Prozession zum Aphrodite-Heiligtum im Peiraieus veranstaltete und dass dort Opferhandlungen und Inszenierungen der historischen Ereignisse stattfanden. Aus der verstreuten Überlieferung lassen sich also folgende Schritte rekonstruieren, die im Zusammenhang mit der Stiftung des Gedenkens für die Seeschlacht bei Knidos standen. Vor dem Aufeinandertreffen der feindlichen Flotten im Sommer 394 suchte Konon das lokale Heiligtum der knidischen Aphrodite auf, um deren Beistand in der bevorstehenden Schlacht zu erbitten. Damit verbunden war möglicherweise ein Eid, in dem er die Stiftung der Hekatombe oder die Einrichtung der neuen Kultstätte in seiner Heimat gelobte. Nach dem Ende der Schlacht und der Rückkehr nach Peiraieus organisierte er ein Festmahl für die athenische Bürgerschaft, welches wohl als Epinikia-Feier gedeutet werden kann. Anschließend übernahm die Polisgemeinschaft den Aphroditekult, einerseits um der Göttin für das Glück in der Schlacht zu danken und andererseits, um die Erinnerung an das Ereignis zu sichern. Die Einrichtung eines jährlichen Gedenktages und wahrscheinlich auch der Bau des Heiligtums im Peiraieus wurden von der Volksversammlung beschlossen und im öffentlichen Auftrag ausgeführt. Ob Konon auch dabei – sei es als Initiator, Redeführer oder Euerget – noch eine zentrale Rolle spielte, lässt sich nicht mehr eruieren. Zumindest in der literarischen Überlieferung blieben beide Formen der Kriegskommemoration (das jährliche Gedenkfest und der Kult) trotz der kollektiven Vereinnahmung weiterhin mit seinem Namen verbunden. Es bleibt also festzuhalten, dass religiöse Handlungen und Interaktionen (Gebet, Gelöbnis, Opfer, Orakel), welche der Feldherr im Vorfeld der Schlacht und in Vertretung der Hoplitengemeinschaft leistete, als Kern von späteren Gedenkfesten fungieren konnten. Durch die Perpetuierung, d.h. in der Regel jährliche Wiederholung, des daraus resultierenden Dankopfers schuf der Demos ein Denkmal, an dem sich die kollektive Erinnerung in der Folgezeit kristallisieren konnte. Fest- und Kultstiftungen Bei der Betrachtung von Kultstiftungen in archaischer Zeit wurde im vorhergehenden Kapitel deutlich, dass dem Schlachtfeld als Originalschauplatz bei der Beglaubigung

443 Cahn 1970, S. 196 197. Auf den Münzen der Stadt Knidos erscheint das Bild der Göttin ab 394/3 deshalb mit einem Schiffsbug als Beizeichen. 444 Plut. mor. 349D E: τειχίζει δὲ τὴν πόλιν ἡ Κόνωνος [νίϰη] [. . .] ταῦϑ’ ἡ πόλις ἑορτάζει ϰαὶ ὑπὲρ τούτων ϑύει τοῖς ϑεοῖς.

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und Weitergabe von kollektiven Erinnerungen eine zentrale Bedeutung zukam. Sowohl das Fest für den Heros Enyalios auf Salamis als auch die phokischen Elaphebolia zu Ehren der Artemis wurden am Ort der Schlacht gefeiert. In beiden Fällen waren die Kultstätten und ihre Inhaber bereits vor den militärischen Ereignissen etabliert, wenn auch nur auf lokaler Ebene. Im Zusammenhang mit der Kommemoration des Kriegsereignisses erfuhren die Kulte eine erhebliche Aufwertung, indem sie um ein Gedenkfest von überregionaler Bedeutung erweitert wurden. Für den Termin des Festes wurden entweder der Jahrestag der Ereignisse oder das Datum einer bestehenden Feier gewählt, welche zeitlich oder inhaltlich mit dem historischen Gedenken assoziiert wurde.445 Die betreffenden Heiligtümer haben in mehrfacher Hinsicht von der Einbindung in die Kriegskommemoration profitiert: eine Erweiterung der Kultgemeinschaft, hohes Prestige und eine Steigerung der wirtschaftlichen Einnahmen gingen nicht selten auch mit einer baulichen Aufwertung des Heiligtums einher. Da der Höhepunkt des Gedenkfestes jeweils ein öffentliches Dankopfer an die helfende Gottheit war, diente deren Kultstätte als Veranstaltungsort. Insofern sich das betreffende Heiligtum außerhalb des städtischen Raumes befand, wurde mit dem Opfer eine Prozession verbunden, welche die Bewohner der Polis zur Kultstätte führte. Da die meisten innergriechischen Hoplitenschlachten in Grenzgebieten stattfanden, konnte die Gemeinschaft sich bei dieser Gelegenheit auch ihre Landgewinne und ihre territorialen Ansprüche vergegenwärtigen. Beck bezeichnet diesen Aspekt der Gedenkfeste daher zurecht als „Landbegehungszeremonie“.446 Während die am Festtag durchgeführten Rituale die Weitergabe des identitätsrelevanten Vergangenheitswissens und der damit verbundenen Wertvorstellungen sicherstellten, dienten die architektonischen Strukturen des Heiligtums als materieller Rahmen der Erinnerung. Die Kultstätte selbst bürgte durch ihren topographischen Zusammenhang mit dem Schlachtfeld für die Historizität der kollektiven Erinnerungen, die sich um das Heiligtum herum kristallisierten. Neben der rituellen Kohärenz spielt also auch bei dieser Form der Kriegserinnerung die Materialität als sichtbare Beglaubigung der Vergangenheit eine zentrale Rolle. Gedenkfeste und die dazugehörigen Kulte sind somit Sonderformen des Kriegsdenkmals, deren Botschaften weniger durch Inschriften und eher durch die rituelle Interaktion an den Betrachter kommuniziert werden. Im Falle des Aphrodite-Kultes im Peiraieus müssen andere Erinnerungsstrategien zur Anwendung gekommen sein. Da sowohl das Schlachtfeld als auch das Heiligtum der an der Schlacht beteiligten Gottheit außerhalb des Gebietes der Polis lagen bzw. für die Bürgerschaft nicht fußläufig erreichbar waren, schieden sie als Orte der regelmäßigen Kommemoration aus. Die Stiftung eines neuen Kultes im

445 Zur Wahl der Termine: Chaniotis 1991, S. 136 137. 446 Beck 2009, S. 58.

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Territorium der eigenen Stadt diente letztlich zur Beseitigung eben dieses Mangels und zur Konstituierung eines alternativen Bezugspunktes für die historischen Erinnerungen. Indem man eine neue Kultstätte (Heiligtum, Tempel, Altar, Schrein) errichtete, erhielt das kollektive Gedächtnis den notwendigen materiellen Rahmen. Ebenso wie am Schauplatz der Schlacht diente die Kultstätte natürlich auch hier als Beglaubigung der historischen Erinnerungen und als Veranstaltungsort des Gedenkfestes. Sakrale Legitimation konnte dem Transfer des Kultes, wenn nötig, (nachträglich) durch ein Orakel, eine Epiphanie-Geschichte oder ein Gelöbnis des Feldherrn verliehen werden. Wohl bekannt ist etwa der athenische Pankult, der auf eine Erscheinung des Hirtengottes vor dem attischen Herold Pheidippides im Vorfeld der Schlacht von Marathon zurückgeführt wurde.447 Auch im Falle der Neustiftung eines Kultes wurde freilich ein einzelner Termin im Festkalender der Polis ausgewählt, an dem die betreffende Gottheit durch feierliche Opfer geehrt wurde. So dankten die Athener dem Pan für seine Unterstützung bei Marathon etwa mit einem jährlichen Fackellauf und Opfern.448 Allerdings eröffnete die Kommemoration eines militärischen Siegs mit einem eigens initiierten Kult in zweifacher Hinsicht neue Deutungsmöglichkeiten. Einerseits wurde mit der Einrichtung einer Kultstätte ein Monument im öffentlichen Raum der Polis geschaffen, welches schon aufgrund seines Standortes und der Interaktion mit den umliegenden Bauten eine politische Botschaft vermittelte. Insbesondere mit dem Bildprogramm im Inneren eines neugebauten Tempels konnten dann weitere erinnerungspolitische Akzente gesetzt werden.449 Andererseits war die Verehrung in Form von Gedenkfesten in diesem Fall nicht mehr auf Gottheiten mit bereits bestehenden Kulten beschränkt. Insbesondere die im Zusammenhang mit dem Schlachtgedenken häufig auftretenden Eleutherios- (Beiname „Befreier“) und Soter/Soteira- (Beiname „Retter“/„Retterin“) Kulte zeugen von der Möglichkeit, die Interpretation der historischen Vergangenheit durch die Verehrung einer spezifischen Gottheit vorwegzunehmen. Aus der Tatsache, dass man den gesteigerten Aufwand zur Schaffung von architektonischen und administrativen Strukturen für Kultneustiftungen häufig in Kauf nahm, wird deutlich, dass die griechischen Städte die damit einhergehende Deutungsoffenheit zu schätzen wussten. Beginnend mit der Kommemoration der Perserkriegsschlachten floriert diese Form der Kriegserinnerung im klassisch-hellenistischen Zeitalter. Die Differenzierung des kultischen Gedenkens in die beiden Kategorien Festund Kultstiftungen ist natürlich idealtypisch und entspricht nicht immer den komplexen religiösen Vorstellungen und politischen Prozessen. So gab es etwa zahlreiche Zwischen- und Übergangsformen, die entstanden, wenn eine Schlacht innerhalb der Polis oder innerhalb eines Heiligtums stattfand, bzw. wenn andere

447 Hdt. 6, 105. 448 Hdt. 6, 105, 3; vgl. Kap. 3.1.3. 449 Als Beispiel genannt sei das hervorragend untersuchte Bildprogramm im plataiischen Tempel der Athena Areia: Yates 2013.

3.1 Kultstiftungen aus Dankbarkeit für militärische Siege

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gesellschaftliche Gruppen als Stifter auftraten. In Delphi etwa war die Verehrung der Heroen Phylakos und Autonoos mit dem Dank für ihre Rettung des Heiligtums während der Invasion des Xerxes verbunden.450 Man kann spekulieren, dass die delphische Priesterschaft hier als Erinnerungsstifter auftrat, um die Kultstätte damit vor dem Vorwurf der Perserfreundlichkeit zu schützen. Außerdem lässt sich an diesem Beispiel das Problem illustrieren, dass viele Kulte in den Quellen nur im Zusammenhang mit dem Gedenken auftreten, welches sie repräsentierten. Im Falle der delphischen Heroen lässt sich deshalb weder das Alter der Kulte bestimmen noch die Frage nach Kult- oder Feststiftung sicher beantworten. Darüber hinaus war auch das individuelle Vorgehen der Feldherren, welches für die Erinnerungsstiftung von zentraler Bedeutung war, bei der Bekundung des Dankes an die helfenden Gottheiten sehr unterschiedlich. An dieser Stelle sei nochmals an Brasidas erinnert, der für den lokalen Athena-Kult in Lekythos mitten im Peloponnesischen Krieg eine gesamte Landzunge räumen und zu Tempelland erklären ließ.451 Mit dieser Stiftung ging allerdings – soweit wir wissen – keine Fest- oder Kultstiftung einher. Schließlich konnten neben Heiligtümern auch die Gräber von Heroen oder von (heroisierten) Kriegsgefallenen als Ort der kultischen Verehrung und als Kristallationspunkt der historischen Erinnerung dienen. Bei dieser Form der Kommemoration überschneiden sich nicht nur sakrale und sepulkrale Kriegsdenkmäler, sondern auch Fest- und Kultstiftungen.

3.1.2 Gedenkfeste im Rahmen bestehender Kulte Aus den bisherigen Überlegungen heraus wird deutlich, dass eine griechische Polis in klassischer Zeit über eine Vielzahl von Gedenktagen verfügen konnte. Entsprechend den Bedürfnissen der Tagespolitik und dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe konnten immer wieder neue Feste hinzugefügt und alte aufgegeben bzw. aktualisiert werden. Wie viele religiöse Festanlässe tatsächlich mit historischem Gedenken verbunden waren, lässt sich aus den Quellen ebenso wenig ermessen wie die durchschnittliche Dauer der Fortsetzung einer solchen Veranstaltung. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gedenkfest in der schriftlichen Überlieferung Niederschlag gefunden hat, ist natürlich größer, je wichtiger die Feier war und je länger der Zeitraum ist, in dem sie durchgeführt wurde. Aufgrund dieser Überlegung lassen sich tendenziell zwei Schwerpunkte identifizieren: Gedenkfeste und das mit ihnen transportierte Vergangenheitswissen blieben lange identitätsrelevant, wenn das kommemorierte Ereignis ein Gründungsakt war, d.h. eine Änderung der politischen Verfassung herbeigeführt hatte, oder wenn sich aus der Erinnerung an das militärische Ereignis dauerhafte, außenpolitische Ansprüche ableiten ließen. In

450 Hdt. 8, 38 39; Paus. 10, 8, 7. 451 Siehe oben; Thuk. 4, 116, 1 2.

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dem bei Plutarch überlieferten Kanon der attischen Gedenkfeste finden sich daher neben Perserkriegsschlachten (zur Begründung des Anspruchs auf die Vorherrschaft in Griechenland), zentrale siegreiche Seeschlachten wie diejenige bei Naxos (zur Begründung der attischen Thalassokratie) und das Jubiläum der Rückkehr der Exilanten aus Phyle (als Neugründung der attischen Demokratie).452 Untersuchungen zu den Festen anderer Stadtstaaten bestätigen diese Überlegungen zur Selektion der Kriegserinnerung.453 Da die Entscheidung über die Einführung eines neuen Gedenktages in der Regel direkt nach dem Ende des Kriegszuges getroffen wurde, spiegelt die Auswahl der kommemorierten Siege wider, welche Bedeutung den Ereignissen von den Zeitgenossen selbst beigemessen wurde. Ablauf der Feste Nach der siegreichen Seeschlacht bei Salamis lässt Herodot den Helden Themistokles seine griechischen Landsleute daran erinnern, dass man den Sieg ausschließlich einer Gunst des Schicksals (εὕρημα) sowie den Göttern und Heroen verdanke.454 Entsprechend dieser charakteristischen Vorstellung, dass ein Sieg in der Schlacht nicht ohne die Hilfe oder zumindest die Gewogenheit der Götter errungen werden konnte, stand das Dankopfer im Mittelpunkt eines jeden griechischen Gedenkfestes. Das Opferritual (ϑυσία, ϑυείν) wird von den antiken Autoren gelegentlich auch als Synonym für die Durchführung des gesamten Festes verwendet.455 Burkert sieht die Dankesopfer als eine „kontrollierte Wiederholung“ des Tötens in der Schlacht an, von der eine „entlastende“ Wirkung für die Teilnehmenden ausging.456 Tatsächlich konstituierte sich die Festgemeinde in der Regel aus dem waffenfähigen Teil der Bevölkerung (und ggf. den Angehörigen), der im Rahmen des Opferrituals eigene Erfahrungen kompensieren oder vorbereiten konnte. Dort, wo es nachvollziehbar ist, war der Teilnehmerkreis von Gedenktagen auf die freien Bewohner der jeweiligen Polis bzw. die Bürger beschränkt.457 In einem hellenistischen Dekret aus Antiocheia am Pyramos wurde sogar eine Hierarchisierung der Festgemeinde innerhalb der Bürger festgelegt: der höchste städtische Beamte, die Ratsmitglieder, die Priester, die übrigen Magistrate und die Sieger der Kranzagone führten eine festliche

452 Plut. mor. 349D 350A. 453 Chaniotis 1991, S. 138 142. 454 Hdt. 8, 109, 2 3: εὕρημα γὰρ εὑγήϰαμεν ἡμέας τε αὐτοὺς ϰαὶ τὴν ῾Ελλάδα [. . .] τάδε γὰρ οὐϰ ἡμεῖς ϰατεργασάμεϑα, ἀλλὰ ϑεοί τε ϰαὶ ἥρωες. 455 Bspw. Hdt. 6, 105, 3; Plut. Nikias 28, 1. 456 Burkert 1986, S. 79. 457 IG XII 9, 192, Z. 7: ᾿Ερετριεῖς πάντας ϰαὶ τοὺς ἐνοιϰοῦντας; I. Priene 6, Z. 21 22: τοὺς π[ολίτας τοὺς ἐνδημοῦντας] τούς τε ἐλευϑέρους πάντας; LSAM 81, Z. 15: τοὺς δὲ πολίτας ϰατὰ φυλάς (alle hellenistisch). Vgl. Diod. 11, 72, 2. Zum Teilnehmerkreis auch Beck 2009, S. 58.

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Prozession aus Epheben und Jungen (ἐφήβοι ϰαὶ παίδοι) an.458 Auch in anderen Quellen hören wir, dass die Gruppe der jungen Männer den Kern der Festgesandtschaft bildete.459 Zumindest im hellenistischen Kleinasien umfasste diese Gruppe häufig nicht nur die Epheben, sondern auch jüngere Kinder.460 Andere Personen wiederum, insbesondere Sklaven, wurden explizit von der Teilnahme an den Dankopfern ausgeschlossen.461 Auch Frauen werden nirgendwo als aktive Teilnehmer der Feste erwähnt, konnten aber (insbesondere bei Prozessionen) möglicherweise als Zuschauer partizipieren. Die Mitglieder der Festgemeinde wiederum wiesen sich durch das Tragen von Kränzen aus.462 So bekränzten sich die Bewohner der Polis Eretria im 4. Jh. mit Efeu, um Dionysos für seine Unterstützung bei der Befreiung der Stadt (308/7) zu danken.463 Nach der Versammlung der Teilnehmer begann der Gedenktag offiziell mit einer Prozession, welche die Festgemeinde zum Heiligtum der betreffenden Gottheit bzw. zu den Gräbern der Kriegsteilnehmer führte. Die ausführlichste Darstellung eines solchen Festzuges bietet Plutarch, der wohl aufgrund einer Autopsie den Ablauf eines Gedenktages beschreibt, den die Polis Plataiai bis in die Kaiserzeit hinein für die Gefallenen der gleichnamigen Perserkriegsschlacht beging: τοῦ Μαιμαϰτηριῶνος μηνός [. . .] τῇ ἕϰτῃ ἐπὶ δέϰα πέμπουσι πομπήν, ἥς προηγεῖται μὲν ἅμ’ ἡμέρᾳ σαλπιγϰτὴς ἐγϰελευόμενος τὸ πολεμιϰόν, ἕπονται δ’ ἅμαξαι μυρρίνης μεσταὶ ϰαὶ στεφανωμάτων ϰαὶ μέλας ταῦρος ϰαὶ χοὰς οἴνου ϰαὶ γάλαϰτος ἐν ἀμφορεῦσιν ἐλαίου τε ϰαὶ μύρου ϰρωσσοὺς νεανίσϰοι ϰομίζοντες ἐλεύϑεροι. Im Monat Maimakterion [. . .] am 16. veranstalten sie eine Prozession, die früh morgens ein Trompeter mit kriegerischen Signalen eröffnet. Es folgen Wagen voll von Myrtenzweigen und Kränzen, ein schwarzer Stier und freie Jünglinge, die Opfergaben an Milch und Wein in Krügen und Gefäße mit Öl und Salben tragen. (Plut. Aristeides 21, 2 3; Übers. Ziegler/Wuhrmann 1994.)

Plutarchs Ausführungen vermitteln zwar einen guten Eindruck von den antiken Festprozessionen, sind aber aus verschiedenen Gründen nicht repräsentativ für die

458 LSAM 81, Z. 7 13: πεμφϑῆναι πομπὴν [. . .] διὰ τοῦ δημιουργοῦ ϰαὶ τῶν πρυτάνεων [. . .] συμ πομπεῦσαι δε τούς τε ἱερεῖς ϰαὶ τὴν συναρχίαν ϰαὶ τοὺς νενιϰηϰότα τοὺς στεφανίτας ἀγῶνας ϰαὶ τὸν γυμνασίαρχον μετὰ τῶν ἐφήβων τῶν νέων ϰαὶ τὸν παιδονόμον μετὰ τῶν παίδων. Vgl. Plut. Ara tos 53, 5; IMagn. 98. 459 Plut. Aristeides 21, 2: νεανίσϰοι ἐλεύϑεροι. Im hellenistischen Athen wurden die Gedenktage generell von den Jungmännern begangen, wie die entsprechenden Einträge in den Ephebenin schriften zeigen. Genannt seien: IG II2 1006; 1008; 2086; 2113; 2130. Zur Rolle der Epheben bei den Gedenktagen auch Beck 2009, bes. S. 76 78. 460 IMagn. 98, Z. 38 39: ϰαὶ τοὺς ἐφήβους ϰαὶ τοὺς νέους ϰαὶ τοὺς παῖδας. 461 Plut. Aristeides 21, 2. 462 Chaniotis 1991, S. 128. 463 IG XII, 9, 192, Z. 6 8: στεφανηφορεῖν ᾿Ερετριεῖς πάντας ϰαὶ τοὺς ἐνοιϰοῦντας ϰιττοῦ στέφανον τῆι πομπῆι τοῦ Διονύσου.

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Rekonstruktion klassischer Gedenktage. Einerseits unterlag die historische Erinnerung in Plataiai zu seiner Zeit bereits mehreren Jahrhunderten von Aktualisierungsprozessen.464 Andererseits konzentrierte sich das Gedenken hier auf die Gefallenen und der Feiertag war eng mit einem allgemeinen Totenfest assoziiert.465 Nach Ausweis der klassischen Quellen wurden die Feste aber in den meisten Fällen einem bestehenden Götter- bzw. Heroenkult angegliedert. So kommemorierten die Athener die Marathonschlacht im Rahmen der lokalen Kulte für Pan, Artemis Agrotera, Herakles und Echetlaios, während man für den Seesieg bei Salamis regelmäßig dem Heros der Insel, Aias, opferte. Da sich die dazugehörigen Kultorte außerhalb Athens befanden, muss es auch bei diesen Gedenktagen Prozessionen gegeben haben, bei denen Opfertiere und Wagen mit weiteren Gaben mitgeführt wurden. Genauere Aussagen sind freilich aufgrund des Fehlens detaillierter zeitgenössischer Zeugnisse nicht möglich. Am Kultort angekommen, fanden die eigentlichen Opferhandlungen statt. Von dem erwähnten Gedenkfest in Plataiai erfahren wir, dass den Toten in klassischer Zeit Gewänder und Naturalien in Form von Erstlingsopfern dargebracht wurden.466 Den Seesieg des athenischen Nauarchen Chabrias wiederum beging man mit einer jährlichen Wein-Libation.467 Ansonsten wurde die Dankbarkeit gegenüber Göttern und Heroen natürlich mit dem rituellen Schlachten von Opfertieren bekundet, wie es auch bei religiösen Festen mit anderen Anlässen üblich war. Die Wahl des entsprechenden Tieres hing vom Empfänger ab, wie Chaniotis aufgezeigt hat. Während man dem Göttervater Zeus Eleutherios in Syrakus 450 Stiere opferte, erhielt die bukolische Göttin Artemis Agrotera in Marathon jährlich fünfhundert Ziegen.468 Für die Ehrung historischer Persönlichkeiten, d.h. den Personenkult, schlachtete man Schafe, wohingegen die Toten und die mit ihnen assoziierten chthonischen Gottheiten schwarze Opfertiere erhielten.469 Begleitet wurden die Opferhandlungen von Gebeten (εὐχαί) und Festliedern (ὕμνοι, παιᾶνες), in denen sowohl auf die Kultinhaber als auch auf die historischen Ereignisse Bezug genommen wurde.470 Aus klassischer Zeit ist ein Paian überliefert, der dem spartanischen Flottenkommandanten Lysandros gewidmet war, welcher von den Griechen als erster Mensch gottgleiche Ehren (Altäre, Opfer und Festlieder) empfangen haben soll:

464 Von den Totenopfern der Plataier an die gefallenen Griechen spricht schon Thuk. 3, 58, 3 4. Die Gräber werden auch bei Hdt. 9, 85 erwähnt. Zur Persistenz der Kriegsdenkmäler Plataiais vgl. Kap. 6.4. 465 Chaniotis 1991, S. 132 133; 136. 466 Thuk. 3, 58, 4: ἐτιμῶμεν ϰατὰ ἔτος ἕϰαστον δημοσίᾳ ἐσϑήμασί τε ϰαὶ τοῖς ἄλλοις νομίμοις, ὅσα τε ἡ γῆ ἡμῶν ἀνεδίδου ὡραῖα, πάντων ἀπαρχὰς ἐπιφέροντες. 467 Plut. mor. 349F. 468 Diod. 11, 72, 2; Xen. an 3, 2, 12. 469 Chaniotis 1991, S. 133 134. 470 Chaniotis 1991, S. 129 130.

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Τὸν ῾Ελλάδος ἀγαϑέας στραταγὸν ἀπ’ εὐρυχόρου Σπάρτας ὑμνήσομεν, ὦ, ἰὴ Παιάν. Den Kommandanten des hochheiligen Hellas, aus dem weiträumigen Sparta, wollen wir besin (Duris, FGrH 76, Frg. 71; Eigene Übers.) gen, O, ie Paian.471

Nach der Opfergabe an die Götter ging die Kultgemeinschaft zum Festmahl (εὐωχία) über, wo neben dem Fleisch der Opfertiere insbesondere auch Wein konsumiert wurde.472 Das gemeinsame Speisen und die dabei stattfindenden Gespräche wirkten gruppenbildend und waren für die Konstituierung eines Gemeinschaftsgefühls von zentraler Bedeutung.473 Vor dem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass, laut Diodor, ausschließlich die Bürger der Polis an diesem Teil des Festes partizipierten.474 Die Tatsache, dass in hellenistisch-römischer Zeit häufig Regulationen für die Bereitstellung der Opfertiere dokumentiert wurden, zeigt außerdem, wie groß der finanzielle Aufwand für die Ausrichtung dieser Festmähler war.475 Gleichzeitig darf nicht unterschätzt werden, dass der soziale Zusammenhalt an den Gedenktagen nicht nur in ideologischer Hinsicht, sondern auch auf ganz praktische Weise gefördert wurde. Öffentliche Feste – unabhängig von ihrem Anlass und ihrer konkreten Ausgestaltung – trugen dazu bei, die Zufriedenheit der Teilnehmenden mit der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung zu fördern. Die großen Gelage, welche die Opferhandlungen begleiteten, verhalfen auch den Ärmeren zu Fleischgenuss und leisteten einen Beitrag zur Überwindung sozialer Ungleichheiten.476 Das Fest der Artemis Agrotera etwa, an dem zum Dank für den Sieg bei Marathon jährlich 500 Ziegen geopfert wurden, erfreute sich in Athen offenbar gerade deshalb großer Beliebtheit.477 Unterhaltung und Ausgelassenheit konnten zudem als Ventil für soziale Spannungen und Ungerechtigkeiten dienen. Schließlich konnte das Fest individuelle Anstrengungen und Opfer vergelten, die der Bürgerschaft insbesondere in Zeiten der Kriegsführung in hohem Maße abverlangt wurden.478 Ein weiterer zentraler Bestandteil der Feste waren Wettkämpfe verschiedener Art. Im Gedenken an Timoleon und seine Befreiung der Polis Syrakus von der Tyrannis (343/2) wurden auf Sizilien gymnische Spiele, Pferderennen und musische

471 Vgl. Duris, FGrH 76, Frg. 26; Plut. Lysandros 18, 3. 472 Plut. Aristeides 21, 5; Diod. 11, 72, 2; Syll.3 624, Z. 37. 473 Schmitt Pantel 1997, bes. S. 418 420. 474 Diod. 11, 72, 2: ϑύειν δ’ ἐν τοῖς ἀγῶσι τοῖς ϑεοῖς ταύρους τετραϰοσίους ϰαὶ πεντήϰοντα, ϰαὶ τούτους δαπανᾶν εἰς τὴν τῶν πολιτῶν εὐωχίαν. 475 Chaniotis 1991, S. 130. 476 Meier 1989, S. 574 575. 477 Nur so kann der Hinweis bei Aristoph. equ. 660 verstanden werden. Vgl. Parke 1987, S. 79: „[. . .] der Tag muss gleichbedeutend mit einem Ziegenfleischfestessen für einige Tausend gewesen sein.“ 478 Meier 1989, S. 577 578; vgl. Aristot. pol. 1321a.

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Wettkämpfe abgehalten.479 Im marathonischen Heraklesheiligtum fand in klassischer Zeit ein penteterischer Agon zur Erinnerung an die Perserkriegsschlacht statt, der über die Grenzen Attikas hinaus Bekanntheit erlangte und Teilnehmer anzog.480 Die Art des sportlichen Wettkampfes wird in den Quellen nicht näher benannt, aber die Teilnahme war offenbar auf junge Männer im Ephebenalter beschränkt.481 Die Sieger des Agons wurden mit einer silbernen Schale ausgezeichnet.482 Daneben gab es auch einen Agon zu Ehren der Marathongefallenen, von dem Inschriften auf den Preisgefäßen aus Bronze zeugen.483 Der große athenische Seesieg in den Perserkriegen dagegen wurde, mindestens ab hellenistischer Zeit, am Originalschauplatz mit einer Regatta (ἅμιλλα πλοίων) der Epheben kommemoriert.484 Weiter hören wir von dichterischen Wettstreiten, in denen die Künstler um die beste Würdigung einer historischen Persönlichkeit konkurrierten.485 Schließlich gab es in der antiken Welt noch weitere, nicht näher beschriebene Agone, die mit klassischen Kriegsereignissen in Zusammenhang standen.486 Jung sieht in diesen Wettkämpfen vorrangig eine Gelegenheit für den Nachwuchs des Hoplitenheeres, sich körperlich zu betätigen und sich mit Blick auf militärische Tugenden an Gleichaltrigen zu messen.487 Sowohl bei den sportlichen als auch bei den musischen Agonen wurden die historischen Ereignisse vergegenwärtigt und für die Festgemeinde erlebbar gemacht. Dem gleichen Zweck dienten die Bestandteile des kulturellen Rahmenprogramms, welches letztlich der charakteristische Teil der Gedenktage war. Während sich der übrige Ablauf der Veranstaltung (Prozession, Opfer und Festmahl, Gesang und Tanz, Agone) nicht von demjenigen anderer religiöser Feste unterschied,488 wurden hier spezifische Kommunikationsformen aus dem politisch-öffentlichen Alltag der Polis entlehnt. So gibt es verschiedene Hinweise darauf, dass an den Gedenkfesten von Vertretern der Polis Reden gehalten wurden. Während die historische Erinnerung bei sportlichen Agonen auf die Leistungen der Kombattanten fokussiert war, boten rhetorische Beiträge die Möglichkeit, die kommemorierten Ereignisse in das gesamte Geschichtsbild der Polis und damit in größere Deutungszusammenhänge

479 Plut. Timoleon 39, 5. Vgl. die Agone für Philopoimen im hellenistischen Megalopolis: Syll.3 624, Z. 33 34 und bei den attischen Soteria: Syll.3 402, Z. 9 10. 480 In den Oden Pindars werden Teilnehmer aus Korinth, Opus und Aigina gepriesen: Pind. Ol. 8, 78 80; 9, 88 90; 13, 110. 481 Jung 2006, S. 33. 482 Pind. Ol. 9, 90; Schol. Pind. Ol. 134 142. 483 SEG 28, 26 Nr. 1 3 (5. Jh.): ᾿Αϑεναῖοι· ἆϑλα ἐπὶ τοῖς ἐν τõι πολέμοι. Vgl. Diod. 11, 33, 3. 484 IG II2 1006, Z. 29; Z. 71 72; 1008, Z. 18. 485 Plut. Lysandros 18, 4. 486 Diod. 11, 72, 2 (Syrakus für 463); Diod. 15, 53, 4 (Leuktra für 371); Paus. 3, 14, 1 (Sparta für 480). 487 Jung 2006, S. 37. 488 Chaniotis 1991, S. 128; 131. Zum grundsätzlichen Ablauf griechischer Feste vgl. Burkert 1985, S. 99 107.

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einzuordnen. Bedeutend war etwa der sogenannte Dialog (διάλογος), ein Redewettbewerb, mit dem die Epheben aus den Städten Athen und Sparta um das Anführen des Festzuges bei den Eleutherien in Plataiai konkurrierten.489 Zumindest in hellenistisch-römischer Zeit bot sich den beiden Polisgemeinschaften hier die Möglichkeit, die eigenen Leistungen in den Perserkriegen zu vergegenwärtigen und sich auf Grundlage gemeinsamer Werte einer hellenischen Identität zu versichern. So betonten die Athener in einer fragmentarisch erhaltenen Rede dieser Art – gemäß ihrer eigenen Geschichtsauffassung – insbesondere die Bedeutung der Marathonschlacht und der Weiterführung der Perserkriege nach 479 für die griechische Staatengemeinschaft.490 Einen Eindruck davon, wie die historische Vergangenheit im Rahmen solcher rhetorischer Beiträge aktualisiert wurde, können sicherlich auch die Epitaphien-Reden geben, welche im klassischen Athen jährlich zu Ehren der Kriegsgefallenen gehalten wurden.491 Im Zentrum der Logoi steht jeweils das Lob der Bürgerschaft, wobei aus den Errungenschaften der Vorfahren Normen und handlungsleitende Grundsätze für die Anwesenden abgleitet werden. Es sind die einzigen überlieferten Reden aus archaisch-klassischer Zeit, welche explizit dem historischen Gedenken gewidmet sind.492 Neben den Reden wurde das relevante Vergangenheitswissen an den Gedenktagen insbesondere auch durch dramatische Inszenierungen vermittelt. Wie bereits gezeigt, wurde im Rahmen eines Festes für den salaminischen Heros Enyalios regelmäßig die Landung der attischen Eroberer am Kap Skiradion nachgestellt.493 Und auch bei den phokischen Elaphebolia fanden Rituale statt, welche zur Beglaubigung der historischen Ereignisse dienten.494 Schließlich sind vielleicht auch die Schiffswettkämpfe der attischen Epheben zur Erinnerung an die Seeschlacht von Salamis in dieser Weise zu deuten.495 Durch die Nachstellung der historischen Ereignisse, zumal am Originalschauplatz, wurde die Erinnerung nachhaltig bekräftigt. Die zugrundeliegende Annahme, dass die dramatischen Schilderungen aufgrund einer Tradition seit der Gründung des Festes auf immer gleiche Weise inszeniert wurden, verleiht ihnen Glaubwürdigkeit und Autorität. Die transportierten Erinnerungsfiguren erhalten dadurch normativen Charakter und entziehen sich jeder

489 Das Ereignis wird u.a. in vier attischen Ephebeninschriften erwähnt: IG II2 2086, Z. 33 34; IG II2 2089, Z. 16 17; IG II2 2113, Z. 143 144; IG II2 2130, Z. 39. Robertson 1986 hat die antike Überliefe rung zu diesem Thema gesammelt und ausgewertet. Dazu zuletzt Jung 2006, S. 351 360. 490 IG II2 2788, Z. 10 20. Dazu Jung 2006, S. 354 359. 491 Dazu Prinz 1997. Am bekanntesten ist die Rede des Perikles aus dem ersten Jahr des Peloponnesi schen Kriegs: Thuk. 2, 35 46. Außerdem Plat. Mx. 236b; Gorg. 82 B 6 DK; Hyp. Epitaph. Möglicherweise liegt mit der Plataiai Elegie des Simonides (IEG Simonides Frg. 10 18) aus der Zeit 479 477 ebenfalls eine Grabrede, in diesem Fall für die Gefallenen der Polis Sparta, vor. Dazu Aloni 2001, S. 95 102. 492 Chaniotis 1991, S. 130 131 nennt weitere Beispiele aus nachklassischer Zeit. 493 Plut. Solon 9, 4. Vgl. Kap. 2.3.1. 494 Plut. mor. 244B. Vgl. Kap. 2.3.1. 495 IG II2 1006, Z. 29; Z. 71 72; 1008, Z. 18.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

Form der rationalen Kritik. Gleichzeitig werden die Ereignisse für die Teilnehmer, d.h. in aller Regel für die Epheben, nicht mehr nur kognitiv, sondern auch emotional erfahrbar. In der Vergegenwärtigung von gemeinsamen Ursprüngen und Erfolgen in der Vergangenheit konnte der Einzelne sein Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit und Identität befriedigen.496 Und, indem man Kontinuitätslinien zwischen den Leistungen der Vorfahren und den Bedürfnissen der aktuellen Gemeinschaft konstruierte, konnten die Erwartungen und Wertvorstellungen artikuliert werden, welche die Gemeinschaft an ihre Mitglieder richtete. Dabei wurde natürlich nicht nur vermittelt, welche Werte die Polisgemeinschaft zusammenhielten, sondern auch, wie man sich nach außen abgrenzte.497 Ebenso wie die Tragödie spielten daher auch die Feste eine aktive Rolle bei der Vermittlung und Weiterentwicklung des nomologischen Wissens in einer Zeit der politischen Transformation.498 Möglicherweise dienten auch weitere Elemente des Festablaufs dazu, die Vergangenheit wiederzuerwecken und für die Teilnehmer erlebbar zu machen. Plutarch berichtet etwa, dass die Prozession zum Totenfest in Plataiai mit einem kriegerischen Trompetensignal eröffnet wurde. Vielleicht wollte man damit den Auszug der Krieger am Beginn des 5. Jhs. imitieren. Chaniotis hat gezeigt, dass auch andere Details der Opferzeremonien, wie die Bekleidung und Bewaffnung der Beamten, einen militärischen Hintergrund hatten.499 Auch sie trugen wohl dazu bei, die Atmosphäre einer historischen Schlacht zu kreieren. Ihren Abschluss nahmen die Gedenkfeste in der Regel noch am gleichen Tag. Nur in einzelnen Fällen hören wir von zwei- oder mehrtätigen Veranstaltungen.500 Bezeichnenderweise handelt es sich bei diesen nachklassischen Festen jeweils um überregionale Anlässe, denen neben der Identitätsstiftung für die Kultgemeinde sicherlich auch eine große wirtschaftliche Bedeutung zukam. Gedenkfeste in frühklassischer Zeit Über die grundlegenden Aussagen zum Ablauf der Gedenkfeste hinaus, ist es leider kaum möglich diese Form der Kriegskommemoration näher zu analysieren. Wie bereits deutlich geworden ist, gibt es nur wenige zeitgenössische Quellen und auch jüngere Zeugnisse verraten kaum mehr als die bloße Existenz und den Namen des Festes. Vor diesem Hintergrund sind in der folgenden Tabelle die Eckpunkte der klassischen Gedenktage zusammengestellt, von denen wir annehmen können, dass sie in zeitlicher Nähe zum Abschluss der Kampfhandlungen gestiftet wurden. Die spartanischen Leonideia müssen davon ausgeschlossen werden, da das Fest sicher erst begangen

496 Chaniotis 1991, S. 140. 497 Vgl. Chaniotis 1991, S. 138 141. 498 Meier 1989, S. 583; Zur politischen Funktion der Tragödie: Meier 1983. 499 Chaniotis 1991, S. 132. 500 I. Priene 6, Z. 30; Diod. 15, 53, 4 (jeweils 2 Tage); IG V 1, 18B, Z. 7 8 (20 Tage). Die letzte In schrift bezieht sich auf die kaiserzeitlichen Leonideia in Sparta. Dazu auch Chaniotis 1991, S. 131.

3.1 Kultstiftungen aus Dankbarkeit für militärische Siege

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wurde, nachdem Pausanias rehabilitiert und Leonidas' Gebeine nach Sparta überführt worden waren.501 Vergleichbare Einwände gibt es auch gegen eine Frühdatierung des Festes für Zeus Eleutherios in Plataiai.502 Die hier aufgeführten Feste beziehen sich auf Ereignisse in der Zeit der Perserkriege und der Pentekontaetie. Gottheit/Heros

Ort (Festgemeinde)

Anlass



Artemis Agrotera

Marathon (Athen)

Marathonschlacht 



Herakles Marathonos

Marathon (Athen)

Marathonschlacht 



Aias

Salamis (Athen)

Seeschlacht bei Salamis 



Artemis Mounichia

Salamis (Athen)

Seeschlacht bei Salamis 

Die Zusammenstellung offenbart weitere Probleme im Zusammenhang mit der Überlieferungssituation. Einerseits wurden alle bekannten Gedenktage von der Polis Athen ausgerichtet, was sicherlich kein repräsentatives Bild von der Verbreitung dieser Kommemorationsform in der ersten Hälfte des 5. Jhs. zeichnet.503 Anderseits beziehen sich alle Feste auf Schlachten im Rahmen der Perserkriege. Die konkrete Auswahl (Marathon und Salamis) spiegelt dabei die Schwerpunkte der athenischen Vergangenheitspolitik wider. Die Perserkriegsschlachten waren, wie schon mehrfach betont wurde, sowohl für die Zeitgenossen als auch für die Griechen der darauffolgenden Jahrhunderte Ereignisse von herausragender Bedeutung. Die Erinnerung an die damit verbundenen Siege war besonders wirkungsmächtig und fand daher überproportional häufig Niederschlag in den antiken Quellen. Aber auch wenn die Schlachten von Marathon, Salamis und Plataiai das historische Gedenken der klassischen Poleis dominierten, gedachte man sicher noch anderer Ereignisse. So deutet Plutarch an, dass auch Kimons Sieg am Eurymedon (465) in Athen mit Kulthandlungen kommemoriert wurde, ohne dass man diese Erinnerung einer bestimmten Gottheit oder einem Festtag zuweisen könnte.504 Ebenso muss man sich fragen, ob nicht auch der athenische Sieg bei Oinoe (um 460), dem man

501 Paus. 3, 14, 1. Jung 2011, S. 97 102 hat sich überzeugend dafür ausgesprochen, dass Pausanias' Datierung des Heroenkults in die 440er Jahre historisch ist. Zu den kaiserzeitlichen Leonideia: IG V 1, 18B; 660. 502 Plut. Aristeides 21, 1. Jung 2011, S. 331 334 spricht sich dafür aus, dass die Eleutherien eine Innovation aus der Zeit des Peloponnesischen Kriegs sind und auf eine spartanische Initiative zurückgehen. 503 Möglicherweise wurden nach militärischen Erfolgen nicht immer neue Feste gegründet, son dern das historische Gedenken in bestehende Anlässe integriert. Beck 2009, S. 69 74 hat etwa ge zeigt, wie die Erinnerung an die Schlacht von Koroneia (447) im thebanischen Fest der Daphnephorien aufging. Derartige Kommemorationsformen mögen weit verbreitet gewesen sein, haben aber praktisch keine Spuren in der Überlieferung hinterlassen. 504 Plut. mor. 349D.

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in der Stoa Poikile eigenes ein Schlachtgemälde widmete, mit einem Fest kommemoriert wurde.505 Die vorhandenen Zeugnisse für die athenischen Gedenkfeste der Perserkriegsschlachten lassen immerhin einen wichtigen Schluss zu. In allen Fällen wurden die Erinnerungsfeiern im Rahmen von Kulten abgehalten, die in der Umgebung des jeweiligen Schlachtfeldes bereits vorher existierten, allerdings bis zum Beginn des 5. Jhs. nur von lokaler Bedeutung waren. So konnte Jung zeigen, dass die HeraklesVerehrung (2) bereits vor 490 ein wichtiger Identitätsfaktor und der bedeutendste Kult innerhalb der marathonischen Tetrapolis war.506 Noch in der Zeit des Peloponnesischen Krieges nutzte die ansässige Landbevölkerung die Verehrung des Herakles als Argument für eine militärische Schonung durch die in Attika einfallenden Spartaner.507 Darüber hinaus rühmte man sich in Marathon auch, den ältesten Herakles-Kult überhaupt zu pflegen.508 Eine Inschrift aus den Jahren unmittelbar nach der Schlacht von Marathon zeigt nun, dass die Ausrichtung des HerakleiaFestes zu diesem Zeitpunkt von der marathonischen Tetrapolis auf die Polis Athen überging. So wurden für den dazugehörigen Wettkampf der Epheben 30 Athlotheten bestellt, deren Sitze gleichmäßig aufgrund der Zugehörigkeit zu den zehn attischen Phylen vergeben wurden.509 Ebenso waren – mindestens im 4. Jh. – die städtischen Hieropoioi für die Festorganisation und die Opfer an den Herakleia zuständig.510 Der attische Demos übernahm also kurz nach der Schlacht von Marathon die Ausrichtung der Spiele, welche nun nach Phylen organisiert wurden und dadurch die Identifikation des Einzelnen mit der neuen kleisthenischen Staatsordnung förderten. Das Fest der Herakleia in Marathon diente also zur Selbstvergewisserung der attischen Bürgerschaft sowohl in Bezug auf ihre militärischen Leistungen als auch in Bezug auf ihre innere Verfassung. Die Polis Athen sicherte sich mit der Organisation der wichtigsten Veranstaltung im Rahmen des marathonischen Herakleskultes gleichzeitig die Deutungshoheit über die Kommemoration der Perserkriegsschlacht.511 Damit erweiterte sich die Kultgemeinde (und Erinnerungsgemeinschaft) von den Bewohnern der Tetrapolis auf die gesamte attische Bevölkerung. Jung schreibt dem Herakleia-Agon daher wichtige politische Implikationen zu. So konnte bei den Dankopfern die Vorstellung vermittelt

505 Paus. 1, 15, 1. 506 Jung 2006, S. 34 36. 507 Diod. 12, 45, 1. Die Spartaner verzichteten auf die Plünderung der Tetrapolis mit der Begrün dung, dass Herakles bei seiner Flucht vor Eurystheus hier Aufnahme gefunden hatte. Zum Mythos: Paus. 1, 32, 6. 508 Paus. 1, 15, 3. Das Heiligtum ist bisher nicht sicher lokalisierbar, aber einige Hinweise deuten auf die Umgebung von Valaria im südöstlichen Teil der Ebene. Dazu: Bouraselis 2010, S. 30. 509 IG I3 3; SEG 34, 1. Die Inschrift wird einstimmig in die Zeit 490 480 datiert. Zur Reform auch Rausch 1999, S. 184 185. 510 Aristot. Ath. pol. 54, 7. 511 Zum Fest des Herakles Marathonos auch Deubner 1966, S. 227.

3.1 Kultstiftungen aus Dankbarkeit für militärische Siege

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werden, dass Herakles das Bürgerheer bei Marathon gegen die Rückkehr der Tyrannen unterstützt hatte. Damit wurde nicht nur der einzelne Feldzug, sondern auch die dahinterstehende, kleisthenische Ordnung nachträglich sanktioniert. Die Erinnerungsfigur war umso wichtiger, als die Tetrapolis traditionell der alten Tyrannis anhing und den politischen Reformen kritisch gegenüber stand.512 Mit der Kommemoration der Marathonschlacht im Rahmen des Herakles-Festes suchte man also die Akzeptanz für die neue politische Verfassung zu fördern. Die religiöse Identität der kleineren politischen Gruppe wurde gewissermaßen vereinnahmt und im Sinne der Polis transformiert. Auch das ist eine Form der staatlichen Monopolisierung von Erinnerungen, wie sie bereits im Zusammenhang mit Weihdenkmälern und Totengedenken konstatiert wurde. Im Falle Athens konnte Burkert auch andere Hinweise darauf finden, dass die Polisgemeinschaft nach einer Einschränkung der privaten Kultausübung und nach der alleinigen Deutungshoheit über das religiöse Leben strebte.513 Gedenkfeste trugen also nicht nur zur Konstituierung eines kollektiven Selbstbewusstseins innerhalb der Polisgemeinschaft, sondern auch zur Realisierung konkreter politischer Interessen und Ansprüche bei. Gleichzeitig beinhaltete die Einbeziehung lokaler Feste in den Kultkalender der Polis sicherlich auch ein Integrationsangebot an die rurale Bevölkerung und förderte deren Integration innerhalb der politischen Gemeinschaft.514 Vor einem ähnlichen Hintergrund müssen auch das jährliche Opferfest für Artemis Agrotera (1) und die Verehrung der Heroen Echetlaios und Marathonos im Zusammenhang mit der Erinnerung an die Marathonschlacht gesehen werden.515 Von dem Fest für Artemis erfahren wir in hellenistischen Inschriften, dass die Epheben Athens am dazugehörigen Feiertag eine bewaffnete Prozession zu ihrem Heiligtum in Agrai unternahmen.516 Es kann also auch für dieses Fest angenommen werden, dass (zumindest in nachklassischer Zeit) die Jungmannschaften innerhalb der Festgemeinde eine zentrale Rolle hatten und dass im Rahmen der Veranstaltung militärische Tugenden und Ideale vermittelt wurden.

512 Zum Einfluss der Peisistratiden in der Tetrapolis vgl. Lewis 1963, S. 23 25; 30 36. 513 Burkert 1985, S. 256. 514 Jung 2006, S. 36 38. 515 Zu Artemis: Xen. anab. 3, 2, 12; Schol. Aristoph. equ. 660; Ail. var. 2, 25; Plut. mor. 862A C; Aristot. Ath. pol. 58, 1. Die Prozession und das Fest fanden jährlich am 6. Boedromion statt. Zum Termin: Plut. mor 349E. Vgl. Pritchett 1979, S. 173 174 und Deubner 1966, S. 209. Zu Echetlaios und Marathonos: Paus. 1, 15, 3. Jung 2006, S. 50 59 hat das Material ausgewertet und alle drei Gotthei ten als Identifikationsfiguren der ländlichen Bevölkerung gedeutet. Rausch 1999, S. 109 111 be trachtet insbesondere die Verehrung des Echetlaios als eine antipeisistratidische Maßnahme des attischen Demos. 516 IG II2 1028, Z. 8: ἐπόμπευσάν τε τῆι ᾿Αρτέμιδι τῆι ᾿Αγροτέρᾳ ἐν ὅπλοις. Vgl. IG II2 1030, Z. 5 6. Zur Lage des Tempels: Paus. 1, 19, 6. Zum Fest: Simon 1983, S. 82 83; Rausch 1999, S. 114 115; 186 187.

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Ähnliche Tendenzen zeigen sich bei den attischen Gedenkfesten zur Erinnerung an die Seeschlacht von Salamis. Mindestens seit dem Hellenismus suchten die Epheben regelmäßig den Schauplatz der Schlacht – d.h. die Insel Salamis – auf, um dort im Rahmen des Festes der Aianteia (3) an Opfer, Prozession und Wettkampf teilzunehmen und um einen Fackellauf zu veranstalten. Bei dieser Gelegenheit fanden auch Schiffswettkämpfe statt (ἅμιλλα πλοίων), die sicherlich nicht nur der sportlichen Betätigung, sondern auch der Nachstellung historischer Ereignisse dienten.517 Darüber hinaus bezeugen die Inschriften, dass die jungen Männer auf Salamis das Tropaion der Schlacht aufsuchten und dort Zeus Tropaios opferten.518 Dass dieser Teil des historischen Gedenkens bereits kurz nach der Schlacht eingeführt wurde, ist aber zweifelhaft. Ein steinernes Siegesmal, welches bis in hellenistisch-römische Zeit Bestand hatte, wurde wohl kaum direkt im Anschluss an die Kampfhandlungen aufgestellt. Und auch Kulte für Zeus Tropaios sind nirgendwo vor der Mitte des 5. Jhs. belegt.519 Es muss deshalb angenommen werden, dass es sich sowohl bei dem Denkmal auf der Halbinsel Kynosoura als auch bei dem dazugehörigen Kult um die Innovationen einer jüngeren Generation handelte. Anders verhält es sich mit dem Gedenkfest der Aianteia. Der trojanische Held Aias war bereits vor den Perserkriegen der wichtigste Kultinhaber der Insel und eng mit der Identität ihrer Bewohner verbunden. Bereits Homer bezeichnet Salamis als die Heimat des Heroen, über die zuvor sein Vater Telamon aufgrund einer Heirat mit der salaminischen Königstochter Glauke die Herrschaft übernommen hatte.520 Von Herodot erfahren wir, dass Vater und Sohn von den Athenern zur Hilfe herbeigerufen wurden, als die Seeschlacht unmittelbar bevorstand.521 Vor diesem Hintergrund ist es nur logisch, dass man die salaminischen Schutzpatrone für den Sieg mit verantwortlich machte und zum Dank ein Gedenkfest in ihren bestehenden Kult integrierte.522

517 IG II2 1011, Z. 53 55: ἐπειδὴ οἱ ἔφηβοι οἱ ἐπὶ ᾿Αριστά[ρχου ἄρ]χοντος παραγενόμενοι ἐπὶ τὴν ϑυσίαν ϰαὶ τὸν ἀγῶνα τῶν Αἰαντείων τήν τε πομπὴν συνέπ[εμ]ψαν τῷ Αἴαντι, ἔδραμον δὲ ϰαὶ τὴν λαμπάδα, ἐποιήσατο δὲ ϰαὶ ἅμιλλ[αν τ]οῖς πλοίοις, [. . .] ἔϑυσαν δὲ ϰαὶ τῷ Αἴαντι. Vgl. IG II2 , 1006, Z. 30 32; 1008 Z. 75 77. Zum Fest der Aianteia auch Deubner 1966, S. 228. 518 IG II2 1028, Z. 24 28: ἔπλευσαν δὲ ϰαὶ εἰς Σαλαμῖνα [. . .] προαναπλεύσαντες δὲ ϰαὶ ἐπὶ τρόπαιον δυσὶ πλοίοις ἔϑυσαν τῶι Διὶ τῶι Τροπαίωι. Vgl. IG II2 1006, Z.28 29; 1008, Z. 17 18. 519 Dazu Kap. 2.3.2. und 3.3.2. 520 Hom. Il. 2, 557; Diod. 4, 72. 521 Hdt. 8, 64, 2: εὐξάμενοι γὰρ πᾶσι τοῖσι ϑεοῖσι αὐτόϑεν μὲν ἐϰ Σαλαμῖνος Αἴαντά τε ϰαὶ Τελα μῶνα ἐπεϰαλέοντο. 522 Laut Paus. 1, 36, 1 war auch die Verehrung des salaminischen Heroen Kychreus mit der Erinne rung an die Seeschlacht verbunden. Er soll den Athenern während der Schlacht in Form einer Schlange erschienen und später durch ein delphisches Orakel identifiziert worden sein. Wann und in welcher Form sein Kult mit dem historischen Gedenken verknüpft wurde, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

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Und noch ein weiterer Kult war mit der Erinnerung an die Seeschlacht von Salamis verbunden. Die attischen Epheben brachten auch der Artemis Mounichia (4) Opfer dar und veranstalteten ihr zu Ehren einen Schiffswettkampf.523 Das Heiligtum der Göttin lag auf einem Hügel im Peiraieus und überblickte den Hafen. Der attische Monat Mounichia verdankte seinen Namen ihrem Fest.524 Die Tatsache, dass ihr Kult mit der Erinnerung an Salamis verbunden war, begründet Plutarch damit, dass die Göttin während der Schlacht in Form des vollen Mondes erschienen war.525 Gegen diese Begründung gibt es moderne Einwände, die aber an der grundsätzlichen Annahme, dass man den Sieg in der Schlacht auf die Hilfe der Göttin am athenischen Flottenstützpunkt Peiraieus zurückführte, nichts ändern.526 Noch in der Kaiserzeit hielt man das Fest der Mounichia mit den Dankopfern daher für den Jahrestag der Schlacht.527 Hypothetisch lassen sich also folgende Vorgänge rekonstruieren: Die Kommandanten der athenischen Flotte baten vor der Ausfahrt im Peiraieus und vor der Schlacht auf Salamis um die Unterstützung der wichtigsten lokalen Gottheiten. Nach dem Ende der Perserkriege dankte man Aias und Artemis mit den entsprechenden Dankopfern und übernahm im Namen der Polisgemeinschaft die Organisation und Finanzierung zweier Gedenkfeste an den beiden Kultorten. Das Engagement der Polis Athen bei diesen Feiern lässt sich – wenn auch nur im Nachklang528 – noch in den Ephebeninschriften aus hellenistischer Zeit fassen.

3.1.3 Neue Kulte zum historischen Gedenken Im Zusammenhang mit der Schilderung der Ereignisse im Vorfeld der MarathonSchlacht berichtet Herodot die Geschichte des athenischen Läufers Pheidippides. Der Herold war von den Strategen seiner Heimatstadt nach Sparta geschickt worden, um dort militärische Hilfe gegen die einfallenden Perser zu erbitten. Auf halber Strecke erschien ihm in der Umgebung von Tegea der Hirtengott Pan. Er beauftragte Pheidippides damit, die Athener zu fragen, warum sie ihn nicht ehrten, obwohl er

523 IG II2 1028, Z. 20 21: ἐποιήσαντο δὲ ϰαὶ τῆι πομπῆι ἅμιλλαν ἐν τῶι λιμένι, περιέπλευσαν δὲ ϰαὶ εἰς Μουνιχίαν ϰαὶ ἔϑυσαν τῆι ϑε[ῶι]. Vgl. IG II2 1006, Z. 29 30. In IG II2 1029, Z. 13 wird die Göttin mit τῆι ᾿Αρτέμιδι ἐν Μουνιχίαι benannt. Aus IG II2 1011, Z. 16 erfahren wir weiter, dass der Schiffs wettkampf vor Salamis stattgefunden hat und dass die Schiffe als heilig (ἐν ταῖς ἱεραῖς ναυσίν) galten. 524 Zu Mythos und Kult: Simon 1983, S. 81 82; 86; Parke 1987, S. 210 215; Deubner 1966, S. 204 207. Zur Lage des Heiligtums: Paus. 1, 1, 4; Pritchett 1979, S. 176. 525 Plut. mor. 349F. 526 Pritchett 1979, S. 176 178. 527 Plut. Lysandros 15, 1. Das Fest wurde am 16. Mounichion gefeiert, wohingegen die Schlacht sieben Monate früher im Monat Boedromion stattgefunden hatte. Dazu Deubner 1966, S. 204. 528 Zum Quellenwert der hellenistischen Inschriften vgl. Beck 2009, S. 56 57.

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ihnen oft geholfen habe und dies auch in Zukunft tun wolle.529 Aufgrund dieser Nachricht, welche durch den unerwarteten Sieg bei Marathon bestätigt wurde, richteten die Athener ihm zum Dank ein Heiligtum im Zentrum der Stadt ein und ehrten ihn mit einem jährlichen Opferfest. Es wird deutlich, dass die Erinnerungsstiftung hier anderen Mechanismen folgt als bei der Einrichtung von Gedenkfesten unter Einbeziehung bestehender Kulte. Bei dieser Form der Kommemoration wurden losgelöst vom Ort der Schlacht innerhalb des städtischen Zentrums der jeweiligen Polisgemeinschaft neue Kultplätze geschaffen – sei es, weil das Heiligtum der in der Schlacht involvierten Gottheit außerhalb des eigenen Territoriums lag oder weil die (vermeintlich) involvierte Gottheit zum Zeitpunkt der Schlacht noch keine Verehrung genoss. Da der Kult sein Dasein in beiden Fällen überhaupt erst dem militärischen Ereignis verdankte, bildete die historische Erinnerung gleichzeitig dessen Aitiologie. Darüber hinaus wurden als Rahmen des Kultes neue architektonische Strukturen geschaffen, sodass der Kultort nun nicht mehr nur im übertragenen, sondern auch im materiellen Sinne die Qualität eines Kriegsdenkmals aufwies. Kulte zum historischen Gedenken in frühklassischer Zeit Auch eine Rekonstruktion der frühklassischen Kultstiftungen zum historischen Gedenken kann nicht auf hellenistisch-römische Quellen verzichten. Da nur sehr vereinzelt Notizen in der klassischen Historiographie vorliegen, muss die Einrichtung der Kulte in zeitlicher Nähe zum Abschluss der Kampfhandlungen in mehreren Fällen hypothetisch bleiben. So hat Jung etwa plausibel gemacht, dass der angeblich aus Marathonbeute gestiftete Eukleia-Kult in Athen vielmehr erst im 4. Jh. mit der Erinnerung an die historische Schlacht in Verbindung gebracht wurde.530 In der folgenden Tabelle sind diejenigen Kulte zusammengestellt, welche zur Kommemoration von Schlachten in der Zeit der Perserkriege und der Pentekontaetie eingerichtet wurden. Gottheit/Heros

Ort

Anlass



Pan

Athen

Marathonschlacht 



Artemis Soteira

Megara

Perserkriege 



Helios Eleutherios

Troizen

Perserkriege 



Demeter und Kore

Syrakus (?)

Schlacht bei Himera 



Athena Areia

Plataiai

Schlacht bei Plataiai 



Zeus Eleutherios

Syrakus

Tyrannensturz 

529 Hdt. 6, 105, 1 3. 530 Paus. 1, 14, 5. Dazu Jung 2006, S. 59 61; ebenfalls kritisch Gauer 1968, S. 26; 70.

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Die Entscheidung der Athener, aus Dankbarkeit für den Sieg bei Marathon einen Kult für Pan (1) einzurichten, mag ebenfalls auf einen Eid vor der Schlacht zurückgehen.531 So wissen wir aus einem literarisch überlieferten Gedicht, dass Miltiades nach der Schlacht eine private Dankesweihung in Form einer Pan-Statue vornahm.532 Das entsprechende Monument fand, ebenso wie die offizielle Weihung für Kallimachos, möglicherweise auf der Akropolis Aufstellung.533 Für die Etablierung der Pan-Verehrung fand sich mit den Felsgrotten am Nordhang der Akropolis ein geeigneter Platz zur Kultausübung (Abb. 3).534 In unmittelbarer Nähe zum religiösen Zentrum der Stadt und von der Agora aus gut sichtbar erhielt das neue Naturheiligtum also einen prominenten Platz innerhalb des städtischen Raumes. Das wichtigste Ereignis im Rahmen des athenischen Pan-Kultes war ein jährliches Opferfest, bei dem die Bürgerschaft einen Fackellauf veranstaltete.535 Dabei handelte es sich um einen sportlichen Wettkampf in Form eines Staffellaufes, dessen Ziel es war, das Heiligtum des Pan als Erster mit einer brennenden Fackel zu erreichen.536 Aus einer jüngeren Quelle erfahren wir außerdem, dass der Wettlauf als Phylenagon organisiert war und von den Epheben ausgetragen wurde.537 Die Schlacht von Marathon wurde hier also als ein Sieg der kleisthenischen Staats- und Militärordnung kommemoriert, der den künftigen Generationen von Bürgern als Vorbild und Handlungsanleitung dienen sollte. Die Einführung des Fackellaufs als Element des jährlichen Gedenkfestes am Beginn des 5. Jhs. ist durch die entsprechende Darstellung auf einer attischen Schale aus der Zeit um 475 gesichert.538

531 Rausch 1999, S. 111 112 geht davon aus, dass Militiades die Hilfe des Hirtengottes in dem Mo ment erbat, als das Ausbleiben der spartanischen Unterstützung bekannt wurde (vgl. Paus. 1, 28, 4). Der aus Sparta zurückgekehrte Bote konnte die Geschichte von der Epiphanie im arkadischen Bergland stützen und der Stratege aktivierte die Hilfe des Hirtengottes, indem er öffentlich die Ein richtung eines Kultes versprach. Militiades konnte so nicht nur den Mut der Truppen gegenüber dem überlegenden persischen Heer steigern, sondern gleichzeitig auch Druck auf die zögernden Feldherrn ausüben. Vgl. Jung 2006, S. 43 45. Zur Auseinandersetzung der Feldherrn Hdt. 6, 109 111. 532 Anth. Gr. 16, 132: Τὸν τραγόπουν ἐμὲ Πᾶνα τὸν ᾿Αρϰάδα, τὸν ϰατὰ Μήδων, τὸν μετ’ ᾿Αϑηναίων στήσατο Μιλτιάδης. Wie bei zahlreichen anderen Perserkriegsepigrammen auch, wird die Autoren schaft des Gedichts in der Anthologia Simonides zugeschrieben. 533 Zur Kallimachosweihung: IG I3 784. Dazu Jung 2006, S. 72 84; siehe Kap. 3.2.2. 534 Paus. 1, 28, 4. Dazu Garland 1992, S. 59, Abb. 8; Taf. 11. Die Einrichtung des Kultes am Beginn des 5. Jhs. konnte archäologisch bestätigt werden. Dazu Jung 2006, S. 40, Fn. 52; Garland 1992, S. 60 61. 535 Hdt. 6, 105, 3: ϰαὶ ταῦτα μὲν ᾿Αϑηναῖοι [. . .] ἱδρύσαντο ὑπὸ τῇ ἀϰροπόλι Πανὸς ἱρόν, ϰαὶ αὐτὸν ἀπὸ ταύτης τῆς ἀγγελίης ϑυσίῃσι ἐπετείοισι ϰαὶ λαμπάδι ἱλάσϰονται . 536 Staffellauf laut Hdt. 8, 98, 2. Rausch 1999, S. 179 180 geht davon aus, dass die Fackelläufe für Pan ebenso organisiert waren wie diejenigen an den Panathenäen. Die Laufstrecke führte demnach von der Akademie zum Dipylontor, die Panathenäische Straße entlang und auf die Akropolis. 537 Schol. Demosth. or. 57, 43. Dazu Rausch 1999, S. 183 184; Jung 2006, S. 45 46. 538 Simon 1976, S. 19 23.

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Abb. 3: In den Grotten am Nordhang der Akropolis wurde der Halbgott Pan zusammen mit den Nymphen verehrt. Die Athener dankten ihm mit einem jährlichen Fest für seine Unterstützung in der Schlacht bei Marathon (490). (Foto J. Schröder)

Darüber hinaus können wir davon ausgehen, dass der Ablauf der Feier ähnlich gestaltet war wie bei den Gedenkfesten im Rahmen älterer Kulte.539 Noch ein weiterer Punkt ist für das Verständnis der Kriegserinnerung in Form des Pankultes entscheidend. Gleichzeitig mit der Einrichtung des Höhlenheiligtums an der Akropolis entstanden vergleichbare Kultplätze in den ländlichen Regionen Attikas, namentlich in Marathon, Eleusis, Phyle, Vari, Peiraieus, im Pentelikon-Gebirge und anderenorts. Die meisten dieser Kulthöhlen waren bereits vor der Schlacht als Heiligtum der Nymphen in Benutzung, aber die Zeugnisse für die Verehrung des Pan setzen überall unvermittelt in der ersten Hälfte des 5. Jhs. ein.540 Dieser Befund lässt sich nicht anders erklären, als damit, dass zeitgleich mit der Einrichtung des Heiligtums an der Akropolis ein ganzes Netzwerk von Kultstätten geschaffen wurde, die ebenfalls dem Hirtengott und seinem Beistand in der Schlacht gewidmet waren. Der rurale Charakter des Gottes und seiner Kultplätze entsprach dem Selbstbewusstsein der ländlichen Bevölkerung und bildete in diesem Sinne ein Integrationsangebot für

539 Siehe Kap. 3.1.2. 540 Garland 1992, S. 60 61; Zum Befund der Höhle in Oinoe in der marathonischen Tetrapolis: Goette/Weber 2004, S. 23 24. Bemerkenswert ist, dass zu einem unbekannten Zeitpunkt auch in der Umgebung Tegeas ein Pan Heiligtum gegründet wurde, welches den Ort der Epiphanie im Jahr 490 markierte: Paus. 8, 54, 6.

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die extraurbanen Regionen Attikas.541 Der Dank an Pan und die damit verbundene Erinnerung an die Marathonschlacht vermochten also – ebenso wie das Fest der Herakleia – einen Beitrag zur Binnenintegration Attikas und zur Akzeptanz der kleisthenischen Staatsordnung gerade auch in den Grenzregionen des Territoriums zu leisten. Die politischen Implikationen des Pan-Kultes ähneln damit denen der marathonischen Herakleia und anderer Feststiftungen. Während man die ländlichen Regionen dort durch das Abhalten von Prozessionen und Opferfesten erreichte, wurden im Falle der Pan-Verehrung neue, religiöse Identifikationsangebote geschaffen. Die Attraktivität dieser Kultinnovationen wiederum lag in ihrem halboffiziellen Charakter. Weihungen aus dem 5. Jh. zeigen, dass dem Hirtengott in großer Menge private Angelegenheiten angetragen wurden, und zwar insbesondere auch von Angehörigen der unteren sozialen Schichten.542 Die Bewohner Attikas konnten sich sowohl auf dem Land als auch in der Stadt für ihre persönlichen Angelegenheiten Hilfe von demjenigen Gott erbitten, der bei Marathon die Rettung der eigenen Heimat ermöglicht hatte. Wie vielfältig die Deutungsmöglichkeiten waren, welche die historische Erinnerung in Form von neugegründeten Kulten bot, zeigt auch das Beispiel eines anderen Denkmals aus der Zeit der Perserkriege. In der boiotischen Kleinstadt Plataiai kommemorierte man die Ereignisse am Beginn des 5. Jhs. im Rahmen des Kultes der Athena Areia (5). Ob die (dem Namen nach mit Ares verbundene) Kriegsgöttin dort bereits früher geehrt wurde und ob die Plataier sich aufgrund einer Epiphanie oder eines Eides zur Kultstiftung verpflichtet hatten, lässt sich nicht mehr eruieren.543 Aus jüngeren Quellen erfahren wir aber, dass für den Bau und die Ausstattung des Tempels Gelder verwendet wurden, die aus der Beute der Perserkriegsschlachten stammten.544 Da die Stadt 480 durch die Truppen des Xerxes zerstört worden war, kann der Bau des Tempels erst danach und mit großer Wahrscheinlichkeit unter Verwendung der Beuteeinnahmen von 479 realisiert worden sein.545 Pausanias' Beschreibung zeigt, welche zentrale Rolle der Kriegserinnerung bei Ausgestaltung der Kultstätte zukam: Πλαταιεῦσι δὲ ᾿Αϑηνᾶς ἐπίϰλησιν ᾿Αρείας ἐστὶν ἱερόν· [. . .] τὸ μὲν δὴ ἄγαλμα ξόανόν ἐστιν ἐπίχρυσον, πρόσωπον δέ οἱ ϰαὶ χεῖρες ἄϰραι ϰαὶ πόδες λίϑου τοῦ Πεντελησίου εἰσί· μέγεϑος μὲν οὐ πολὺ δή τι ἀποδεῖ τῆς ἐν ἀϰροπόλει χαλϰῆς, [. . .] Φειδίας δὲ ϰαὶ Πλαταιεῦσιν ἦν ὁ τῆς

541 Jung 2006, S. 46. 542 Jung 2006, S. 47 48; Rausch 1999, S. 112 113. 543 In den Manuskripten mit der relevanten Plutarchstelle (Aristieides 20, 3) ist sowohl die Wen dung ἀνῳϰοδόμησαν ἱερὸν (sie bauten den Tempel wieder auf) als auch ᾠϰοδόμησαν ἱερὸν (sie bauten den Tempel) belegt. Gauer 1968, S. 98 99 hat sich mit plausiblen Argumenten für eine Neu gründung des Kultes im Jahr 479 ausgesprochen. Vgl. Castriota 1992, S. 64. Weitere Positionen bei Jung 2006, S. 257, Fn. 109. In der Schlachtbeschreibung bei Hdt. 9, 61, 3 wird nicht Athena Areia, sondern Hera als lokale Gottheit um Hilfe gebeten. 544 Laut Paus. 9, 4, 1 wurde zum Bau des Tempels der plataiische Anteil der Marathonbeute ver wendet. Plut. Aristeides 20, 3 hingegen spricht von der Beute aus der Schlacht von Plataiai. 545 Yates 2013, S. 372. Zur Zerstörung Plataiais Hdt. 8, 50, 2.

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᾿Αϑηνᾶς τὸ ἄγαλμα ποιήσας. γραφαὶ δὲ εἰσιν ἐν τῷ ναῷ Πολυγνώτου μὲν ᾿Οδυσσεὺς τοὺς μνησ τῆρας ἤδη ϰατειργασμένος, ᾿Ονασία δὲ ᾿Αδράστου ϰαὶ ᾿Αργείων ἐπὶ Θήβας ἡ προτέρα στρατεία. αὗται μὲν δή εἰσιν ἐπὶ τοῦ προνάου τῶν τοίχων αἱ γραφαί, ϰεῖται δὲ τοῦ ἀγάλματος πρὸς τοῖς ποσὶν εἰϰὼν ᾿Αριμνήστου· ὁ δὲ ᾿Αρίμνηστος ἔν τε τῇ πρὸς Μαρδόνιον μάχῃ ϰαὶ ἔτι πρότερον ἐς Μαραϑῶνα Πλαταιεῦσιν ἡγήσατο. Die Plataier haben ein Heiligtum der Athena mit Beinamen Areia; [. . .] Die Kultstatue ist ein vergoldetes Holzbild, und Gesicht und Hände und Füße sind aus pentelischem Marmor. An Größe ist es nicht viel kleiner als das Bronzebild auf der Akropolis, [. . .] Auch für Plataiai hat Pheidias die Statue der Athena geschaffen. Im Tempel befinden sich Gemälde, und zwar von Polygnotos ein Odysseus nach dem Freiermord, von Onasias der erste Zug des Adrastos und der Argiver gegen Theben. Diese Gemälde finden sich an den Wänden des Pronaos, zu Füßen des Kultbildes aber steht ein Bild des Arimnestos; Arimnestos führte in der Schlacht gegen Mardonios und schon früher bei Marathon die Plataier. (Paus. 9, 4, 1 2; Übers. Meyer 1986.)

Innerhalb dieser Beschreibung des Tempelinneren ist zunächst das Bildnis des Feldherrn Arimnestos am Fuße der monumentalen Kultstatue bemerkenswert.546 Aus der Beschreibung des Pausanias lässt sich nicht erschließen, ob es sich bei dieser Darstellung (εἰϰὼν) um eine Statue oder um eine andere Form des Porträts handelte. Sie muss dem Besucher des Tempels aber bei der Interaktion mit der Götterstatue direkt vor Augen gestanden haben und verwies unvermissverständlich auf den historischen Anlass, aufgrund dessen die Kultstätte errichtet worden war. Darüber hinaus versuchte Yates zu zeigen, dass auch die Bilder an den Wänden des Vorraums auf die Perserkriege Bezug nahmen und konkrete politische Botschaften enthielten. So beinhalteten beide Gemälde mythologische Stoffe, welche militärische Auseinandersetzungen zwischen Griechen thematisieren. Im Bild des Polygnotos kämpfte Odysseus gegen andere griechische Aristokraten und das Gemälde des Onasias umfasste eine Darstellung des Kampfes zwischen Thebanern und Argivern sowie zwischen den thebanischen Brüdern Eteokles und Polyneikes.547 Yates vertritt daher die These, dass die Perserkriege von der Bürgerschaft Plataiais nicht als ethnischer Kampf zwischen Griechen und Barbaren, sondern in erster Linie als tragischer Bürgerkrieg unter Griechen wahrgenommen und kommemoriert wurden.548 Die Antagonisten in dieser Auseinandersetzung waren natürlich die benachbarten Griechenstädte, welche sich beim Einfall des Xerxes in Mittelgriechenland auf die Seite der Perser schlugen und deshalb später mit dem Vorwurf des Medismos verurteilt wurden. In dieser Deutungsweise der historischen Vergangenheit spiegeln sich die Erfahrungen und existenziellen Ängste, welche mit der anhaltenden Bedrohung

546 Zu Arimnestos in der Schlacht bei Plataiai vgl. Hdt, 9, 72, 2; Plut. Aristeides 11. 547 Dass der Zweikampf der Brüder dargestellt war, wird aus Paus. 9, 5, 11 ersichtlich: ϰαὶ ᾿Ονασίας Πλαταιᾶσιν ἔγραψε ϰατηφῆ τὴν Εὐρυγάνειαν ἐπὶ τῇ μάχῃ τῶν παίδων. Zum Bildprogramm: Gauer 1968, S. 99 100; Castriota 1992, S. 65 76. 548 Yates 2013, S. 374 375.

3.1 Kultstiftungen aus Dankbarkeit für militärische Siege

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durch den boiotischen Hegemon Theben verbunden waren.549 So sollen die Thebaner laut Herodot selbst die Zerstörung der griechenfreundlichen Städte Thespiai und Plataiai durch ein persisches Heer initiiert haben.550 Die Gemälde stammen denn auch aus den 460er Jahren – einer Zeit, als die traditionellen Allianzen der Perserkriegszeit zerfielen und die Sicherheit Plataiais erneut in Frage gestellt wurde.551 Sie zeigen deutlich, wie sich die Bürgerschaft nach außen gegen die übermächtige Nachbarstadt Theben und die übrigen Perserfreunde abgrenzte. Aus diesem Standpunkt wiederum leitete sich der Anspruch auf Autonomie ab, der für die Polis in der Zeit der Pentekontaetie von existentieller Bedeutung war. Auch wenn die Gemälde nicht aus der Zeit unmittelbar nach dem Abschluss der Kampfhandlungen stammen, wird doch deutlich, dass die Polis Plataiai sich mit dem monumentalen Tempel im öffentlichen Raum ein bedeutendes Kriegsdenkmal schuf. Der Kult der Athena Areia war untrennbar mit der Erinnerung an die Schlacht vor den eigenen Toren verbunden und wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten zur Artikulation des kollektiven Selbstbewusstseins sowie konkreter politischer Ansprüche genutzt. Für die Bürger, welche ihre zerstörte Stadt wieder aufbauen mussten, enthielt der Kult im Kern aber zunächst ein sinnstiftendes Angebot, mit dem sich die Gemeinschaft ihrer Sieghaftigkeit und moralischen Überlegenheit versichern konnte. Die Kultepiklesen Soter und Eleutherios Ein weit verbreitetes Phänomen im klassischen Griechenland ist die Kriegskommemoration durch Kulte für Gottheiten mit den Beinamen Eleutherios/Eleutheria (Befreier/Befreierin) und Soter/Soteira (Retter/Retterin). Während die umfassendere Epiklese „Soter“ bereits in archaischer Zeit in Gebrauch war, kam der Beiname „Eleutherios“ erst im Zusammenhang mit den Ereignissen der Perserkriegsschlachten auf.552 So erfahren wir, dass der spartanische Feldherr Pausanias nach der siegreichen Schlacht bei Plataiai dem Zeus Eleutherios ein Dankopfer darbrachte und gleichzeitig den Bürgern der boiotischen Stadt Freiheit und Unabhängigkeit garantierte.553 Obwohl der plataiische Kult des Zeus Eleutherios und die dazugehörigen

549 Yates 2013, S. 380 384; Kühr 2006, S. 296. Vgl. Thuk. 2, 5 6. 550 Hdt. 8, 50, 2: ἐνέπρησε δὲ Θέσπειάν τε ϰαὶ Πλάταιαν πυϑόμενος Θηβαίων ὅτι οὐϰ ἐμήδιζον. 551 Die Gemälde werden zusammen mit der Kultstatue des Pheidias einer späten Ausbauphase kurz vor der Mitte des 5. Jhs. zugeordnet. Dazu: Castriota 1992, S. 64. Zur politischen Situation: Yates 2013, S. 381 382; Jung 2006, S. 258. 552 Jung 2006, S. 267 269; vgl. Raaflaub 1985, S. 134 139; 143. Der jüngere Beiname Eleutherios wurde teilweise auch synonym mit dem älteren Soter verwendet. Dazu: Ebd., S. 135 136. Zum Bei namen Soter/Soteira vgl. Dornseiff 1927, Sp. 1211 1213. 553 Thuk. 2, 71, 2: ϑύσας ἐν τῇ Πλαταιῶν ἀγορᾷ ἱερὰ Διὶ ἐλευφερίῳ ϰαὶ ξυγϰαλέσας πάντας τοὺς ξυμμάχους ἀπεδίδου Πλαταιεῦσι γῆν ϰαὶ πόλιν τὴν σφετέραν ἔχοντας αὐτονόμους οἰϰεῖν, στρατεῦ σαί τε μηδένα ποτὲ ἀδίϰως ἐπ’ αὐτοὺς μηδ’ ἐπὶ δουλείᾳ.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

panhellenischen Agone eine spätere Innovation des 4. Jhs. sind, wird der bei Thukydides überlieferte Eid unter dem Namen des Gottes der Freiheit als historisch angesehen.554 Ebenfalls während des Kriegszugs des Xerxes soll ein persisches Heer in die Megaris eingefallen sein. Da die Göttin Artemis den Hopliten aus Megara durch eine Epiphanie zum Sieg verhalf, wurden die Perserkriege in dieser Polis im Rahmen des Kultes für Artemis Soteira (2) kommemoriert.555 Von Pausanias erfahren wir, dass sich das Heiligtum im Inneren der Stadt befand und eine bronzene Kultstatue enthielt.556 Die argolische Polis Troizen wiederum führte die Tatsache, dass eine Unterwerfung durch Xerxes erfolgreich abgewehrt werden konnte, auf die Hilfe des Gottes Helios Eleutherios (3) zurück und errichtete ihm zum Dank einen Altar im Umfeld der Agora.557 Die Hoplitenheere der genannten Stadtstaaten befanden sich in dem Moment, in dem sie göttliche Hilfe ersuchten, alle in einer Situation der unmitttelbaren Bedrohung und Gefahr. Der positive Ausgang der militärischen Ereignisse wurde deshalb auf die Unterstützung von rettenden Gottheiten mit den Beinamen Soter und Eleutherios zurückgeführt. Der Unterschied zwischen diesen beiden Konzepten wird von der Art der Bedrohung vorgegeben. Während man Kriege noch in spätarchaischer Zeit in erster Linie als Gefahr für das Leben des Einzelnen und seines materiellen Besitzes wahrnahm, änderte sich diese Sichtweise mit der Erfahrung der Perserkriege. In der Auseinandersetzung mit dem monarchisch verfassten Territorialreich der Perser wurden sich die griechischen Stadtstaaten ihrer politischen Selbstständigkeit bewusst. Der drohende politische Freiheitsverlust führte zur einer Weiterentwicklung der religiösen Vorstellung, welche mit den älteren Soter-Kulten assoziiert wurde. Die Bedrohung bezog sich in den Kriegsjahren 480/479 nicht mehr nur auf einzelne Hopliten, sondern auf die Polisgemeinschaft als Ganzes. Und in den dazugehörigen Schlachten standen nicht nur Landgewinne, sondern insbesondere auch die innere und äußere Freiheit der beteiligten Stadtstaaten Griechenlands auf dem Spiel.558 Diese veränderte Wahrnehmung des Krieges spiegelte sich in der Verehrung von Gottheiten mit der neuen Epiklese Eleutherios wieder, die sich nach 479 in der griechischsprachigen Welt verbreitete.559 Die Verwendung des

554 Raaflaub 1985, S. 126; vgl. Jung 2006, S. 267. Zur Ausgestaltung des Kultes im 4. Jh.: Ebd., S. 311 329. 555 Paus. 1, 40, 2 3. Auskunft über die Perserkriegskommemoration in Megara gibt auch die in der späten Kaiserzeit erneuerte Grabinschrift für die Gefallenen: IG VII 53. Sie belegt einen Totenkult mit Stieropfer für die gefallenen Hopliten. 556 Paus. 1, 40, 1 2. Außerdem gab es einen Filialkult im nahe gelegenen Pagai: Paus. 1, 44, 4. 557 Paus. 2, 31, 5. Daneben kommemorierte man in Troizen auch die Rolle der Polis bei der Evaku ierung Athens: Paus. 2, 31, 7. Dazu auch Kap. 3.2.2. 558 Raaflaub 1985, S. 136 138. 559 Eine Liste der antiken Eleutherios Kulte bietet Jessen 1905, Sp. 2348 1351. Raaflaub 1985, S. 126 133 hat die Belege für das 5. Jh. im Einzelnen untersucht und ihre Stiftung mehrheitlich auf Impulse zurückgeführt, die mit den Perserkriegen unmittelbar oder mittelbar in Verbindung

3.1 Kultstiftungen aus Dankbarkeit für militärische Siege

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Beinamens wiederum ist natürlich untrennbar mit dem gleichzeitigen Aufkommen des griechischen Freiheitsbegriffs im politischen Diskurs verbunden.560 Wenn die Kleinstadt Troizen den Xerxeszug im Rahmen eines Kultes für Helios Eleutherios (3) kommemorierte, dann deutete sie den Sieg also primär als Bewahrung der politischen Gemeinschaft vor der Unterwerfung durch einen äußeren Gegner. Die Bürger der Stadt waren sich ihrer freien, politischen Handlungsfähigkeit bewusst und inszenierten dieses Ideal im Rahmen des neuen Helios-Kultes. Wir können davon ausgehen, dass es auch hier ein jährliches Fest gab, beim dem die Bürgerschaft – und insbesondere auch die Epheben – sich dieser Errungenschaft versicherten und aus den Ereignissen von 480/479 ihre Erwartungen für die Zukunft der Polisgemeinschaft ableiteten. Ausserdem befand sich der Altar des Helios Eleutherios im Umfeld der Agora an einer exponierten Position. Er korrespondierte räumlich mit anderen Tempeln und Monumenten, welche die religiöse und historische Identität der Polisgemeinschaft verkörperten.561 Darüber hinaus stand der mit einer Inschrift versehene Altar den Politen bei ihren alltäglichen Geschäften auf der Agora vor Augen und ermöglichte auch außerhalb von Feiertagen die Durchführung ritueller Handlungen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Aitiologie des Kultes mit den kommemorierten Ereignissen eng zusammen hing und dass der Beiname der Gottheit deren Deutung vorwegnahm. Eine Interaktion mit der Gottheit bedeutet daher zwingend auch eine Auseinandersetzung mit der historischen Erinnerung und mit den politischen Implikationen des Kultes. Die Kultstiftungen zur Erinnerung an die Perserkriegsschlachten richteten sich also in erster Linie an die städtische Bevölkerung und dienten der Selbstvergewisserung der Bürgerschaft mit Blick auf das selbstständige politische Handeln. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Polis Megara nicht von der neuen Epiklese Gebrauch machte, sondern die Perserkriegserinnerung mit dem Kult der Artemis Soteira (2) verband. Darüber, ob diese Entscheidung eine bloße lokale Vorliebe war, oder ob sie die Bedürfnisse oligarchischer Herrschaftsstrukturen widerspiegelt, lässt sich aufgrund der schlechten Überlieferungssituation nur spekulieren.562 Einen speziellen Fall, der hier aufgrund der thematischen Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands nur kurz behandelt werden kann, bildet die Kriegserinnerung im Rahmen der Verehrung des Zeus Eleutherios in Syrakus (6). Der Kult wurde

standen. Vgl. Jung 2006, S. 267 268. Die Einrichtung in der ersten Hälfte des 5. Jhs. ist bei den Fäl len Athen, Plataiai und Himera umstritten, weshalb die entsprechenden Kulte hier nicht näher be handelt werden. Auch der Zeus Eleutherios Kult in Sparta, wo der Gott als Beschützer der Freigelassenen verehrt wurde, ist ein Sonderfall. Dazu Raaflaub 1985, S. 130. 560 Dazu Raaflaub 1985, S. 71 107. 561 Der topographische Bezug zu anderen Bauten auf der Agora geht aus Paus. 2, 31 hervor. 562 Zur Diskussion über die Verfassung Megaras in frühklassischer Zeit: Welwei 1998, S. 255 256. Aus der Tatsache, dass sich 424 ein demokratischer Umsturz vollzog, wird gelegentlich geschlos sen, dass vorher eine Oligarchie herrschte.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

laut Diodor zur Erinnerung an den Sturz des Tyrannen Thrasybulos im Jahr 466/5 eingerichtet. So soll die Volksversammlung von Syrakus gleichzeitig mit den Beratungen über die Ausgestaltung der neuen Demokratie beschlossen haben, dem Zeus Eleutherios eine monumentale Kultstatue (ϰολοττιαῖος ἀνδριάς) zu weihen und ein jährliches Fest zu stiften. Die Gedenkfeier sollte jeweils am Jahrestag des Tyrannensturzes stattfinden und mit Agonen, sowie einem großen Opferfest zur Verköstigung der gesamten Bürgerschaft begangen werden.563 Die bei Diodor genannte Zahl von 450 Opferstieren zeigt, dass der Demos dabei enorme Aufwendungen in Kauf nahm und dem zukünftigen Gedenken an dieses Ereignis einen hohen Stellenwert beimaß. Im Rahmen der Zeus-Verehrung wurde der Verfassungswechsel geradezu zum Gründungsakt und das jährliche Opferfest zur Gründungsfeier der Polis stilisiert. Auch hier empfand man die Situation, in der Zeus als Helfer auftrat, also weniger als Bedrohung für den Einzelnen als vielmehr für die gesamte politische Gemeinschaft. In dieser Deutung des Tyrannensturzes kommt das ausgeprägte Selbstbewusstsein der Hoplitenbürger zum Ausdruck. Anders als bei den mutterländischen Eleutherios-Kulten zur Erinnerung an die Perserkriege bedeutet das Konzept der Freiheit hier allerdings nicht die Bewahrung der politischen Unabhängigkeit gegenüber äußeren, sondern gegenüber inneren Feinden. Raaflaub konnte zeigen, dass die Verwendung des Eleutheria-Begriffs in Bürgerkriegssituationen bereits eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Konzeptes ist und deshalb als sekundärer Aspekt bezeichnet werden muss.564 Mit Blick auf die Kultinnovation darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die übrigen städtischen Kulte zuvor von den Tyrannen administriert und sicher auch politisch instrumentalisiert worden waren. So hatte Gelon nur eine Generation früher einen Tempel für Demeter und Kore (4), die Hauptgottheiten der Insel Sizilien, errichten lassen, um seinen Sieg über die Karthager in der Schlacht von Himera (480) zu kommemorieren.565 Vor diesem Hintergrund wird das Bedürfnis nach der Stiftung eines neuen Kultes ebenfalls verständlich. Die Verehrung des Zeus Eleutherios beinhaltete ein religiöses Identifikationsangebot, welches vollständig frei war von autokratischen Assoziationen. Am Beispiel der Eleutherien in Syrakus zeigt sich also besonders deutlich, dass diese Form der Kriegskommemoration ein demokratisches Selbstverständnis innerhalb der Kultgemeinde voraussetzt, insofern die dazugehörigen

563 Diod. 11, 72, 2: ϰαταλύσαντες τὴν Θρασυβούλου τυραννίδα συνήγαγον ἐϰϰλησίαν, ϰαὶ περὶ τῆς ἰδίας δημοϰρατίας βουλευσάμενοι πάντες ὁμογνωμόνως ἐψηφίσαντο Διὸς μὲν ἐλευϑερίου ϰολο τιαῖον ἀνδριάντα ϰατασϰευάσαι, ϰατ’ ἐνιαυτὸν δὲ ϑύειν ἐλευϑέρια ϰαὶ ἀγῶνας ἐπιφανεῖς ποιεῖν ϰατὰ τὴν αὐτὴν ἡμέραν, ἐν ᾗ τὸν τύραννον ϰαταλύσαντες ἠλευϑέρωσαν τὴν πατρίδα; ϑύειν δ’ ἐν τοῖς ἀγῶσι τοῖς ϑεοῖς ταύρους τετραϰοσίους ϰαὶ πεντήϰοντα, ϰαὶ τούτους δαπανᾶν εἰς τὴν τῶν πο λιτῶν εὐωχίαν. 564 Raaflaub 1985, S. 138 139. Später richtete z.B. auch die Polis Priene im 3. Jh. im Zusammen hang mit einem Tyrannensturz ein Fest für Zeus Soter und Athena Nike ein: I. Priene 6. 565 Diod. 11, 26, 7.

3.1 Kultstiftungen aus Dankbarkeit für militärische Siege

135

Erinnerungsfiguren den Anspruch auf die selbstständige Herrschaft der Bürgerschaft artikulierten. Die Bedeutung der Kulte Die Einrichtung neuer Kulte im Umfeld militärischer Ereignisse begegnet uns in der antiken Literatur zunächst als ein Mittel der Krisenbewältigung. Neue Götter wurden in Situationen angerufen, in denen vom Hoplitenheer Hilfeleistungen oder Identifikationsangebote benötigt wurden, welche das traditionelle Pantheon am Ort der Schlacht nicht (mehr) bereitstellen konnte. Die Athener wandten sich an den arkadischen Gott Pan, als die spartanische Unterstützung bei Marathon ausblieb und man einem überlegenen Perserheer gegenüberstand. Die Plataier baten die Kriegsgöttin Athena Areia um Hilfe, als ihre Stadt bereits in Trümmern lag und die Tempel ihrer traditionellen Schutzpatrone zerstört waren. Artemis Soteira und Helios Eleutherios leisteten angesichts der einfallenden Perserscharen Beistand und Zeus Eleutherios half den Bürgern der Stadt Syrakus im Kampf gegen die Tyrannis. So vielfältig wie die militärischen Situationen, in denen die Gottheiten eingriffen, waren auch die Deutungsmuster der erinnerten Vergangenheit und die Wirkungsmechanismen der religiösen Strukturen. In Attika etwa, wo die Binnenintegration innerhalb des heterogenen Polisterritoriums ein zentrales Anliegen war, ergänzte man den neugeschaffen städtischen Kult des Pan um zusätzliche Filialen in den extraurbanen Räumen. In Plataiai dagegen, wo die Erinnerung an die Perserkriege das zentrale Argument für die Autonomie der Polis innerhalb Boiotiens war, baute man einen monumentalen Tempel und engagierte für seine Ausgestaltung die berühmtesten Künstler der Zeit, um den eigenen politischen Standpunkt zu artikulieren. An den Tyrannensturz in Syrakus erinnerte man sich schließlich mit einem jährlichen Opferfest für Zeus Eleutherios, für das eigens 450 Stiere aufgewandt wurden, um die gesamte Bürgerschaft an dem Anlass teilhaben zu lassen. Die konkrete Ausgestaltung der neu eingeführten Kulte – und zwar sowohl in topographischer, als auch in architektonischer und ritueller Hinsicht – richtete sich also nach der individuellen Bedürfnissen der jeweiligen Polisgemeinschaft. Anders als bei der Kommemoration im Rahmen bestehender Kulte sind die Deutungs- und Gestaltungsspielräume bei dieser Form der Kriegskommemoration natürlich erheblich größer. Davon zeugen insbesondere die Kulte für Gottheiten mit Soter- und Eleutherios-Epiklesen. Hier war die politische Deutung der Vergangenheit bereits in der Bezeichnung des Kultinhabers enthalten und mit der religiösen Vorstellung untrennbar verbunden. Dies gilt für die übrigen Fälle nur insofern, als die Aitiologie des Kultes mit der historischen Erinnerung identisch war. Die Interaktion mit der entsprechenden Gottheit zwang den Kultteilnehmer also immer auch zur Auseinandersetzung mit der kommemorierten Vergangenheit. Der Tempel bzw. Altar des Opferempfängers war gleichzeitig auch ein Kriegsdenkmal für den

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

militärischen Erfolg der Polis. Insofern zielte auch diese Form der Kriegserinnerung im Wesentlichen auf die Selbstvergewisserung und Identitätsbildung innerhalb der Bürgerschaft ab. Sowohl am Aufkommen der Eleutherios-Kulte nach den Perserkriegen als auch an der spezifischen Vergangenheitsdeutung in Plataiai zeigt sich, dass das Bewusstsein und der Anspruch auf die innere und äußere Selbstständigkeit der Polis dabei eine zentrale Rolle spielten. Im Zusammenhang mit dem Tyrannensturz in Syrakus schließlich wird die Kriegserinnerung gänzlich zur Legitimation der inneren Verfassung eines Stadtstaates vereinnahmt. Die Bürgerschaft stilisierte das militärische Ereignis zum Gründungsakt und verschaffte der neuen demokratischen Ordnung durch den Kult für Zeus Eleutherios religiöse Sanktionierung. Allen Kultstiftungen zum historischen Gedenken ist gemeinsam, dass die entsprechenden Kultplätze im urbanen Zentrum der jeweiligen Polis, meist an der Agora, eingerichtet wurden. Hierin besteht ein entscheidender struktureller Unterschied zu den Gedenkfesten im Rahmen bestehender Kulte. Für diese in der Regel eintägigen Veranstaltungen wurden ausschließlich extraurbane Heiligtümer genutzt, welche die Möglichkeit boten, ländliche und liminale Räume in das historische Gedenken mit einzubeziehen. Diese Form der Kommemoration war deshalb ein Spezifikum von staatlichen Gebilden mit einem großen, heterogenen Territorium (Attika, Phokis) und mangelnder Binnenintegration. Das Kriegsgedenken in Form von Kultstiftungen hingegen wurde auch in mittleren und kleineren Stadtstaaten praktiziert (Plataiai, Megara, Troizen). Dabei stand weniger die Überwindung räumlicher Unterschiede als vielmehr die vertikale bzw. politische Integration innerhalb der Gesellschaft im Vordergrund. Die Pankulte in ganz Attika leisteten einen Beitrag zur Einbeziehung der mittleren und unteren Gesellschaftsschichten und im Rahmen des großen Opferfestes für Zeus Eleutherios auf Sizilien suchte man sicher auch ehemalige Anhänger der Tyrannen in die neue demokratische Ordnung zu integrieren. Die neuen Kulte zielten also neben der Identitätsbildung insbesondere auf die Einheit und den Zusammenhalt innerhalb der Polisgemeinschaft ab. In diesem Zusammenhang appellierten die Gemälde im Pronaos des plataiischen Tempels der Athena Areia möglicherweise auch auf emotionaler Ebene an die gegenseitige Solidarität der Bürger. Beide Darstellungen enthalten mit den ermordeten Freiern und dem toten Geschwisterpaar unübersehbar tragische Momente. Die Wirksamkeit dieser innenpolitischen Implikationen wurde schließlich aufgrund der prominenten Standorte der Kultstätten im öffentlichen Zentrum der Stadtstaaten gewährleistet. An der Agora waren die Tempel und Altäre für die Kultteilnehmer nicht nur am dazugehörigen Festtag, sondern auch den Rest des Jahres sichtbar und zugänglich. Sie korrespondierten an dieser Stelle mit anderen Monumenten, die für die religiöse und historische Identität der Bürgerschaft von Bedeutung waren, und konnten in die alltägliche Nutzung des öffentlichen Raumes miteinbezogen werden. Die Kriegserinnerung in den griechischen Stadtstaaten wird damit in der ersten Hälfte des 5. Jhs. weiter politisiert. Während sich die

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler

137

Kriegsdenkmäler in archaischer Zeit noch in panhellenischen Heiligtümern und auf Schlachtfeldern konzentrierten, verlagerte sich das historische Gedenken nun in die öffentlichen Räume (Akropolis, Agora) der Poleis selbst. Diese Veränderung ist ein unmissverständlicher Indikator für das steigende Selbstbewusstsein der Hoplitenbürger, denen in den Perserkriegen nicht nur ihre militärische Potenz, sondern auch ihre politische Selbstständigkeit nachhaltig vergegenwärtigt wurde.

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler Die griechische Sitte, die Kriegsbeute aus Dankbarkeit für das Glück auf dem Schlachtfeld mit den Göttern zu teilen, setzte spätestens in der zweiten Hälfte des 8. Jhs. ein. Während man in den Heiligtümern zunächst vom Feind erbeutete Waffen darbrachte, begann man im Verlauf der archaischen Epoche auch mit der Weihung von Denkmälern aus sublimierter Beute. Schatzhäuser und Statuenweihungen waren langlebiger als Waffen und trugen dem steigenden Repräsentationsbedürfnis der jungen Polisgemeinschaften besser Rechnung. Die panhellenischen Kultplätze wurden zu Orten der kompetitiven Überbietung und die Kriegsdenkmäler zu Mitteln, sich innerhalb der griechischen Staatenwelt zu etablieren und zu positionieren. Diese Entwicklungslinien setzten sich in klassischer Zeit fort, wobei größere Gestaltungsspielräume und neue Aufstellungsorte die Möglichkeiten zur politischen Selbstdarstellung weiter steigerten. Eine Schlüsselrolle dürfte auch hier den Schlachten der Perserkriege zugekommen sein. Einerseits, weil die unerwarteten Siege das Selbstbewusstsein der freien Städte erheblich aufwerteten, und andererseits, weil erstmals Weihungen getätigt wurden, die den Anspruch hatten, ganz Hellas zu repräsentieren. Den Stiftungen in panhellenischen Heiligtümern kam dabei eine andere politische Funktion zu als denjenigen in lokalen Schreinen bzw. im öffentlichen Raum der Stadtstaaten.

3.2.1 Weihungen in panhellenischen Heiligtümern In der antiken Überlieferung zu den frühklassischen Weihmonumenten in panhellenischen Heiligtümern nehmen natürlich die Perserkriege abermals eine zentrale Rolle ein. Aufgrund der außergewöhnlich hohen Anzahl an Teilnehmern und dem Zerfallen der Kriege in mehrere Entscheidungsschlachten ragen die Weihungen zu diesem Anlass nicht nur nach Qualität, sondern auch nach Quantität stark hervor. Darüber hinaus haben unsere beiden wichtigsten Gewährsmänner, Herodot und Pausanias, diesen Ereignissen und den dazugehörigen Denkmälern besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Schließlich sind aus der Zeit der Pentekontaetie eine ganze Reihe von Monumenten durch Inschriftenfunde aus Delphi und Olympia belegt. Die dazugehörigen Stiftungsanlässe können aber nur schwer eingeordnet

138

3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

werden, insofern sie keinen Eingang in die zeitgenössische Historiographie gefunden haben. Die folgende Zusammenstellung dient dabei lediglich als Überblick für den Zeitraum 490–431 und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Insbesondere auf Denkmäler mit unsicheren Zuschreibungen oder nicht näher datierbaren Stiftungsanlässen wurde hier zugunsten der Übersichtlichkeit verzichtet. Um vollständige Auflistungen haben sich darüber hinaus bereits andere Forscher verdient gemacht.566 Denkmal

Ort

Anlass



Waffenweihungen der Athener

Olympia/Athen

Marathon 



Phylenheroendenkmal der Athener

Delphi

Marathon 



Schiffsweihungen des Hellenenbundes

Isthm./Soun./Salam.

Salamis 



Apollonstatue des Hellenenbundes

Delphi

Salamis 



Bronzemast der Aigineten

Delphi

Salamis 



Dreifüße der Deinomeniden

Delphi

Himera 



Waffenweihungen des Gelon

Olympia

Himera 



Schlangensäule des Hellenenbundes

Delphi

Plataiai 



Zeus-Statue des Hellenenbundes

Olympia

Plataiai 



Poseidonstatue des Hellenenbundes

Isthmos

Plataiai 



Bronzestier der Plataier

Delphi

Plataiai 



Halle der Athener mit Schiffstauen

Delphi

Kardia 



Tarentinerweihungen

Delphi

Tarent um 



Palmenbaum-Denkmal der Athener

Delphi

Eurymedon 



Thebanische Gruppe der Argiver

Delphi/Argos

Oinoe um 



Trojanische Gruppe der Apolloniaten

Olympia

Thronion um 



Goldener Schild der Spartaner

Olympia

Tanagra 



Apollon der Megarer

Delphi

Nisaia 

Die Weihungen des Hellenenbundes nach den Perserkriegen Der Hellenenbund war formal gesehen eine Symmachie aus 31 griechischen Städten unter der Führung Spartas. Die Teilnehmer traten 481 erstmals im IsthmosHeiligtum zusammen, um über ein gemeinsames militärisches Vorgehen angesichts

566 Zu den Perserkriegsdenkmälern: Gauer 1968. Zu den Weihungen in Delphi: Baitinger 2011, S. 22 27 und Olympia: Baitinger 2001, S. 239 248.

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler

139

der drohenden Invasion des Xerxes zu beraten. Aus antiken Zeugnissen geht hervor, dass das Bündnis im offiziellen Sprachgebrauch ϰοινὸν συνέδριον τῶν ῞Ελλήνων hieß.567 Der dazugehörige Eid regelte neben der Aufnahme des Krieges gegen die Perser auch, dass abfallende Griechen eine Strafzahlung an den delphischen Apollon entrichten sollten.568 Derartige Regelungen über den Ort der Weihung von Kriegseinnahmen (Strafzahlungen, Beute-Erlöse) finden sich auch in anderen griechischen Symmachie-Verträgen und zeigen, dass man dieser Entscheidung große Bedeutung und einen hohen symbolischen Wert beimaß.569 Außerdem ließ sich auf diese Weise wohl auch ein gewisser Optimismus im Hinblick auf den Ausgang des Krieges an die Teilnehmer kommunizieren. Die Wahl Apollons als Empfänger der Einnahmen lag sicher in der „nationalen“ Bedeutung begründet, die er im archaischen Griechenland als zuständige Instanz für Sühnemaßnahmen, Kulteinsetzungen, Legislationen und Kolonisationsvorhaben erlangt hatte.570 Mit dem Bezug auf seinen Kult wies sich der Hellenenbund als gesamtgriechische Institution aus und konnte der Symmachie so zusätzliche Autorität und Sanktionierung verschaffen. Darüber hinaus mag hinter dem Versprechen auch der Versuch gestanden haben, die delphische Priesterschaft für das militärische Unternehmen zu gewinnen.571 Weiter entschieden sich die Mitglieder des Bündnisses im Sinne ihres Eides, ihren Pflichtanteil an der Beute zusammen in Delphi darzubringen und Weihgeschenke im Namen aller beteiligten Polisgemeinschaften zu leisten. Dieses Vorgehen ist bemerkenswert, insofern gemeinsame Denkmälerstiftungen von Symmachoi in archaisch-klassischer Zeit die Ausnahme sind. Üblicherweise kommemorierte jede Polis den eigenen Beitrag zur Überwindung des Gegners, ohne dabei Bezug auf die Leistungen und Denkmäler der Bündner zu nehmen. Erinnert sei hier etwa an den Sieg der Megarer und Argiver über die Korinther im ausgehenden 6. Jh.572 Während die Bewohner der Polis Argos in Olympia ein umfangreiches Anathem aus Beutewaffen darbrachten, stiftete die Bürgergemeinschaft von Megara mit ihren Kriegseinnahmen im gleichen Heiligtum ein Schatzhaus. In den dazugehörigen Weihinschriften wird kein Bezug auf die Unterstützung des jeweils anderen Hoplitenkontingents genommen.573 Auch was die Bestattung der Gefallenen nach den Siegen des Hellenenbundes betrifft, entschied man sich für nach Stadtstaaten

567 Kienast 2003, S. 45 50. Die Bezeichnung findet sich etwa bei Diod. 11, 3, 4. 568 Hdt. 7, 132, 2: τὸ δὲ ὅρϰιον ὧδε εἶχε, ὅσοι τῷ Πέρσῃ ἔδοσαν σφέας αὐτοὺς ῞Ελληνες ἐόντες, μή ἀναγϰασϑέντες, ϰαταστάντων σφι εὖ τῶν πρηγμάτων, τούτους δεϰατεῦσαι τῷ ἐν Δελφοῖσι ϑεῷ. Vgl. Diod. 11, 3, 3. 569 Etwa IC I 8, 4B, Z. 9 11 aus der Mitte des 5. Jhs. 570 Kienast 1995, S. 123 124. 571 Kienast 1995, S. 124; 133. 572 Paus. 6, 19, 13 14. 573 NIvOl 131 142; Paus. 6, 19, 12 14.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

getrennte Grabdenkmäler.574 Und auch die Tatsache, dass alle Bündner ihre Toten gemeinsam auf dem Schlachtfeld beisetzten, kann lediglich im Falle Athens als ein Entgegenkommen an die übrigen Kriegsteilnehmer ausgelegt werden. Außerhalb Attikas, wo in der Folge der Marathonschlacht mit der Rückführung der Kriegstoten begonnen wurde, war die Beisetzung am Ort der Schlacht auch am Beginn des 5. Jhs. noch allgemein üblich.575 Die gemeinsame Weihung von Beutedenkmälern muss also auch von Zeitgenossen als exzeptionell wahrgenommen worden sein und es ist schlüssig anzunehmen, dass die Initiatoren sich von den Monumenten eine gemeinschaftsstiftende Wirkung über die zurückliegenden Kampfhandlungen hinaus erhofften. Neben den zuvor gelobten Schenkungen an den delphischen Apollon, weihte man denn auch weitere Denkmäler in andere Heiligtümer von überregionaler Bedeutung. Nach der Seeschlacht bei Salamis wurden laut Herodot zunächst drei phönikische Trieren (3) aus der Beute ausgesondert und in die Poseidon-Heiligtümer am Isthmos und am Kap Sounion sowie in das lokale Aias-Heiligtum auf der Insel Salamis selbst gebracht.576 Alle drei Tempel lagen an der Nordküste des Saronischen Golfes und waren mit den erbeuteten Schiffen gut zu erreichen. Während dem Heiligtum am Isthmos als Versammlungsort des Hellenenbundes eine symbolische Bedeutung zukam, hatte man den lokalen Heros Aias im Vorfeld der Schlacht um Unterstützung angebetet, was natürlich ebenfalls verdankt werden musste.577 Die Gründe für die Wahl des Poseidon am Kap Sounion (Abb. 4) als Empfänger der dritten Schiffsweihung sind weniger ersichtlich, zumal dieses Heiligtum sonst in der Kriegskommemoration keine Rolle spielt. Möglicherweise wurden hier spezifische Interessen der Athener berücksichtigt, die ja mit 180 Schiffen das größte Kontingent in der Seeschlacht gestellt hatten.578 Neben den Schiffsweihungen, welche noch in der Tradition archaischer Waffenweihungen standen, machten die Mitglieder des Hellenenbundes auch von der jüngeren Sitte der Statuendenkmäler Gebrauch. Zum Dank für den Sieg bei Salamis stifteten die Teilnehmer eine zwölf Ellen hohe, d.h. weit überlebensgroße, Statue nach Delphi (4).579 Den spätarchaischen Bildtraditionen entsprechend handelte es sich dabei um ein Standbild des Kultinhabers Apollon, dem aber ein

574 Hdt. 9, 85 berichtet von der Bestattung der χωρὶς ἕϰαστοι in der Ebene von Plataiai. Auf ein zelne Stadtstaaten bezogene Grabdenkmäler implizieren das gleiche Vorgehen in Salamis: Plut. mor. 870E (Grab der Korinther); IG I2 1035, Z. 33 34 (Grab der Athener). 575 Dazu siehe Kap. 3.3.1. 576 Hdt. 8, 121, 1: πρῶτα μέν νυν τοῖσι ϑεοῖσι ἐξεῖλον ἀϰροϑίνια ἄλλα τε ϰαὶ τριήρεας τρεῖς Φοινίσσας, τὴν μὲν ἐς ᾿Ισϑμὸν ἀναϑεῖναι, ἥ περ ἔτι ϰαὶ ἐς ἐμὲ ἦν, τὴν δὲ ἐπὶ Σούνιον, τὴν δὲ τῷ Αἴαντι αὐτοῦ ἐς Σαλαμῖνα. 577 Hdt. 8, 64, 2. 578 Zu den Kontingenten: Hdt. 8, 43 48; 82. 579 Hdt. 8, 121, 2: τὰ ἀϰροϑίνια ἀπέπεμψαν ἐς Δελφοὺς, ἐϰ τῶν ἐγένετο ἀνδριὰς ἔχων ἐν τῇ χειρὶ ἀϰρωτήριον νεός, ἐὼν μέγαϑος δυώδεϰα πήχεων.

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler

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Abb. 4: Das Apollonheiligtum am Kap Sounion wurde nach der Seeschlacht von Salamis (480) mit einer phönikischen Triere beschenkt, welche die Griechen im Kampf gegen die Perser erbeutet hatten. (Foto J. Schröder)

Schiffsschnabel als Attribut beigegeben wurde.580 Damit wurde bei der Gestaltung des Denkmals erstmals ein ikonographischer Bezug zum Kampfgeschehen hergestellt. Dem Betrachter war es damit möglich, das Denkmal auch ohne vorherige Lektüre der angebrachten Inschrift mit spezifischen historischen Ereignissen in Verbindung zu bringen. Der Schiffsschnabel ist ein klarer Hinweis auf eine Seeschlacht, die angesichts der Monumentalität des Denkmals von den Zeitgenossen sicher zweifelsfrei mit dem Sieg des Hellenenbundes in Zusammenhang gebracht werden konnte. Darüber hinaus befand sich die Statue gegenüber des Tempeleingangs an einer äußerst prominenten Position. Bommelaer schreibt dem Monument eine Basis mit Einlassungen für eine Bronze-Statue zu, an der noch die Reste einer knappen Weihinschrift zu lesen sind.581 Sollte diese Zuordnung richtig sein, dann kann Pausanias freilich nur vom Hören-Sagen wissen, dass das Denkmal nicht nur die Seeschlacht von Salamis, sondern auch die Auseinandersetzung am

580 Hdt. 8, 121, 2; Paus. 10, 14, 5. 581 Zur Basis vgl. Bommelaer/Laroche 1991, S. 169 170, Nr. 410b. Zur Lokalisierung und Rezeption der Statue auch Gauer 1968, S. 71 72. Inschrift: FdD III 1, 2; SEG 38, 417: [hέλλανες] τὠπόλλωνι ἀνέϑε[ν]. [Θ]εόπροπος ἐποίε Αἰγινάτας.

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Kap Artemision kommemorieren sollte.582 Mit der monumentalen Bronzestatue hob sich die Weihung in Delphi deutlich von den Schiffsweihungen in den lokalen Heiligtümern rund um den Saronischen Golf ab. Sie entsprach der zuvor im Eid gelobten δεϰὰτε und unterstrich mit der Stifterbezeichnung ῞Ελληνες den Anspruch, 480 für ganz Griechenland gekämpft zu haben. Nach der Schlacht von Plataiai knüpfte der Hellenenbund an diese panhellenische Kommemorationsstrategie an und stiftete je ein statuarisches Anathem nach Delphi, Olympia und an den Isthmos.583 In den letztgenannten Heiligtümern entschied man sich für traditionelle Bildwerke, d.h. ein Standbild des Zeus auf der Peloponnes (9) und eines des Poseidon am Isthmus (10). Aufgrund der Größenangaben bei Herodot lässt sich eine gewisse Priorisierung der Weihungen feststellen.584 Während die Statue des Zeus zehn Ellen (ca. 4,40m) hoch war, bemisst er diejenige des Poseidon auf sieben Ellen. Beide Anatheme waren aber weit überlebensgroß und dürften die übrigen Weihgeschenke in den heiligen Bezirken merkbar überragt haben. Das Denkmal in Olympia hat auch Pausanias gesehen und nahe der Ostfront des Zeustempels lokalisiert, wo die dazugehörigen Fundamente identifiziert werden konnten.585 Weiter berichtet der Perieget, dass an der rechten Seite der Basis eine Liste mit den Städten eingeschrieben war, die am Kampf teilgenommen hatten. Der Katalog wird von den Lakedaimoniern, Athenern und Korinthern angeführt und stimmt weitestgehend mit demjenigen auf der delphischen Schlangensäule überein.586 Schließlich schreibt Pausanias das Denkmal – wohl aufgrund einer weiteren Inschrift – dem wenig bekannten Bildhauer Anaxagoras aus Aigina zu.587 Von dem Weihdenkmal in Korinth dagegen haben wir keine weiteren Zeugnisse.588

582 Paus. 10, 14, 5: ἀνέϑεσαν δὲ ϰαὶ ἐς Δελφοὺς ᾿Απόλλωνα ἀπὸ ἔργων τῶν ἐν ταῖς ναυσὶν ἐπί τε᾿ Αρτεμισίῳ ϰαὶ ἐν Σαλαμῖνι. 583 Hdt. 9, 81, 1: συμφορήσαντες δὲ τὰ χρήματα ϰαὶ δεϰάτην ἐξελόντες τῷ ἐν Δελφοῖσι ϑεῷ, ἀπ’ ἧς ὁ τρίπους ὁ χρύσεος ἀνετέϑη ὁ ἐπὶ τοῦ τριϰαρήνου ὄφιος τοῦ χαλϰέου ἐπεστεὼς ἄγχιστα τοῦ βωμοῦ, ϰαὶ τῷ ἐν Ολυμπίῃ ϑεῷ ἐξελόντες, ἀπ’ ἧς δεϰάπηχυν χάλϰεον Δία ἀνέϑηϰαν, ϰαὶ τῷ ἐν ᾿Ισϑμῷ ϑεῷ, ἀπ’ ἧς ἑπτάπηχυς χάλϰεος Ποσειδέων ἐξεγένετο. 584 Jung 2006, S. 243, Fn. 62 zum Verzicht auf eine Weihung in Nemea. 585 Paus. 5, 23, 1: ϰαὶ αὖϑις ὡς πρὸς ἄρϰτον ἐπιστρέψαντι ἄγαλμα ἐστι Διός· τοῦτο τέτραπται ϰὲν πρὸς ἀνίσχοντα ἥλιον, ἀνέϑεσαν δὲ ῾Ελλήνων ὅσοι Πλαταιᾶσιν ἐμαχέσαντο ἐναντία Μαρδονίου τε ϰαὶ Μήδων. Vgl. Paus. 6, 10, 6; 10, 14, 5. Zur Basis: Gauer 1968, S. 96; Mallwitz 1972, S. 34. Das Denkmal befand sich am Weg vom Bouleuterion zum Tempel und zwar unmittelbar hinter dem Ein gang in der Altismauer. Gauer 1968, S. 97 nimmt an, dass es sich um einen blitzeschleudernden Zeus handelte. 586 Zu den Differenzen innerhalb der Städtelisten vgl. Gauer 1968, S. 97; Meiggs/Lewis 1989, S. 59; Jung 2006, S. 256. 587 Paus. 5, 23, 1 3. Zu Anaxagoras vgl. DNO Nr. 526 527. Aufgrund von Anth. Gr. 6, 139 kann ihm ein weiteres Statuenanathem zugeschrieben werden. 588 Es ist aber gut möglich, dass das Denkmal sich noch in römischer Zeit unter den zahlreichen Poseidonstatuen befand, die Pausanias bei seinem kurzen Rundgang durchs Heiligtum gesehen hat: Paus. 2, 1, 7; 2, 2, 1.

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Das bedeutendste Denkmal wurde auch diesmal in Delphi zum Dank an Apollon errichtet. Nach der Beschreibung Herodots handelte es sich bei dem Anathem um einen golden Dreifuß, welcher auf einer ehernen Schlangensäule (8) ruhte (Abb. 5).589 Die goldenen Teile des Monuments wurden laut Pausanias bereits während des 3. Heiligen Krieges von den Phokern eingeschmolzen, während der bronzene Mittelteil im 4. Jh. n. Chr. durch Kaiser Konstantin in das Hippodrom von Konstantinopel verbracht wurde, wo er noch heute steht.590 Die schlanke Säule wird aus den miteinander verschlungenen Körpern dreier Schlangen gebildet, auf deren Köpfen ursprünglich der goldene Dreifuß ruhte.591 Eine alternative Rekonstruktion, wonach die Füße des Kessels ebenfalls auf der Basis standen und die Säule lediglich das Becken stützte, konnte inzwischen verworfen werden.592 Die Form des Denkmals greift die monumentalen Dreifußweihungen auf, welche sich in Delphi schon in archaischer Zeit hoher Beliebtheit erfreuten und in großer Zahl belegt sind.593 Die Schlangen wiederum sind wohl am ehesten auf die Pythonschlange als Attribut des Kultinhabers bzw. auf seine Epiklese „Pythios“ zu beziehen.594 Auf eine erneute Darstellung des Apollon selbst hat man 478/7 möglicherweise aus Rücksicht auf die Beuteweihung von Salamis verzichtet, die in unmittelbarer Nähe des Dreifußes stand und deren Ausführung vielleicht ebenfalls erst nach 479 realisiert wurde.595 Die ikonographische Gestaltung des Dreifußdenkmals ist jedenfalls eng mit den Traditionen des Kultplatzes verbunden und erlaubt keine Rückschlüsse auf die historischen Ereignisse. Aus dem Bildprogramm und der Verwendung des phokischen Alphabets für die Inschrift spricht vielleicht auch das Bestreben, keinen der beteiligten Stadtstaaten zu bevorzugen.596

589 Hdt. 9, 81, 1; vgl. Paus. 10, 13, 9; 5, 23, 1. 590 Paus. 10, 13, 9; Schol. Thuk, 1, 132. Die Verlegung des Monuments wird auch in der spätantiken Kirchengeschichte mehrfach thematisiert. Zu den Stellen vgl. IGA 70; Jung 2006, S. 378 381. Zusätz lich zur Säule befindet sich im Archäologischen Museum von Istanbul auch das Fragment eines da zugehörigen Schlangenkopfes. Dazu: Bommelaer/Laroche 1991, S. 165; Gauer 1968, S. 77 80. 591 Zur Rekonstruktion: Bommelaer/Laroche 1991, S. 165 167, Abb. 69. 592 Laroche konnte der Basis einen versprengten Block mit glockenförmigem Aufsatz zuordnen, an dessen Oberseite lediglich die Standspur der zentralen Säule nachweisbar ist. Dazu: Laroche 1989, S. 190 198. So auch Maass 1993, S. 190. Zur älteren Diskussion: Gauer 1968, S. 80 90. 593 Zu den Dreifußweihungen in Delphi: Jacquemin 1999, S. 175 178; Maass 1993, S. 128; Amandry 1987, S. 79 126. 594 Gauer 1968, S. 91 92; mit Vergleichen auch Ebd., S. 84. Vgl. Jung 2006, S. 245. Dagegen möchte Steinhart 1997, S. 47 51 darin den Hinweis auf die Epiphanie von Heroen in der Schlacht sehen. 595 Die Schlangensäule stand ebenfalls auf der Terrasse gegenüber des Tempeleingangs und zwar unmittelbar südlich der Apollonstatue zur Erinnerung an die Seeschlacht bei Salamis. Dazu: Bom melaer/Laroche 1991, S. 165. Zur Datierung der Schlangensäule haben sich als communis opinio die Jahre 478/7 etabliert. Dazu: Gauer 1968, S. 93; Meister 1971, S. 21; Jung 2006, S. 247. Dagegen nur Fornara 1967, S. 291 294, der das Monument auf 468, d.h. auf die zweite Rückkehr des Pausanias nach Sparta, datiert. 596 Zur Schrift: Jeffery 1990, S. 102, Nr. 15.

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Abb. 5: Die berühmte Schlangensäule in Delphi wurde vom Hellenenbund zur Erinnerung an die griechischen Siege während des zweiten Persereinfalls (480/79) geweiht. Im Heiligtum des Apollon befindet sich heute eine Rekonstruktion des Unterteils, welcher sich seit der Spätantike in Istanbul befindet. (Foto J. Schröder)

Auf den Windungen der drei Schlangen sind noch heute die Namen der Mitglieder des Hellenenbundes lesbar, welche unter der Überschrift το[ίδε τὸν] πόλεμον [ἐ] πολ[έ]μεον in Dreiergruppen aufgelistet sind.597 Die Reihenfolge, in der die Poleis aufgezählt wurden, hat zu einer umfangreichen Forschungsdiskussion geführt,

597 Syll.3 31. Vgl. Meiggs/Lewis 1989, S. 57 60, Nr. 27. Dagegen rekonstruiert Hansen 1991, S. 84 85 τόνδε. Dort, wo vier Poleis auf einer Windung erscheinen, handelt es sich nachweislich um spätere Ergänzungen. Namentlich betrifft dies die Kontingente der Siphnier und Tenier. Dazu: Meiggs/Lewis 1989, S. 60.

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insofern man dahinter die Repräsentation gewisser Statusfragen vermuten darf.598 Am Beginn des Katalogs stehen Sparta, Athen und Korinth, welche ohne Zweifel eine Vorrangstellung innerhalb des militärischen Bündnisses einnahmen.599 Die übrigen Kriegsteilnehmer sind locker in die Gruppen peloponnesischer, athenischer und korinthischer Bündner gegliedert, wobei die Zuteilung keineswegs konsequent ist.600 Man geht jedoch sicher nicht fehl in der Annahme, dass die Reihenfolge der Auflistung in der ein oder anderen Weise die Struktur des Hellenenbundes repräsentiert. Bemerkenswert ist außerdem, dass das Monument als Weihung für den gesamten Zweiten Perserkrieg betrachtet wurde, insofern der Katalog auch Inselstaaten umfasste, die ausschließlich an den Seeschlachten im Jahr 480 beteiligt waren.601 Entscheidend ist, dass die einzelnen Poleis abgesehen von der Reihenfolge ihrer Nennung nicht weiter charakterisiert oder hierarchisiert werden. Die Namen der Bürgergemeinschaften erhalten unabhängig von den Verdiensten oder der Größe ihrer Kontingente alle einen gleichberechtigten Platz auf dem Beutedenkmal. Der inschriftliche Katalog der Kriegsteilnehmer betont in dieser Hinsicht in erster Linie die Einheit des Hellenenbundes und die Gleichbehandlung seiner Mitglieder.602 Allerdings verraten uns die antiken Zeugnisse, dass das Monument ursprünglich noch eine zweite Inschrift umfasste, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf der steinernen Basis angebracht war.603 Das Distichon schreibt die Weihung dem spartanischen Feldherrn Pausanias in seiner Funktion als ἀρχηγός des Hellenenbundes zu und feiert seinen Sieg über das medische Heer.604 Die Spartaner haben das Epigramm, möglicherweise aufgrund einer Beschwerde der Symmachoi beim Rat

598 Jung 2006, S. 251 253 mit einer Zusammenfassung des Forschungsstandes. Neben der hier ver tretenen These wurde insbesondere noch die Anordnung nach delphischen Theodorokenbezirken in Betracht gezogen. Dazu: Steinhart 1997, S. 66 68. 599 Jung 2006, S. 250 251; Steinhart 1997, S. 63. 600 Meiggs/Lewis 1989, S. 59; Meritt u.a. 1950, S. 96 100. Gauer 1968, S. 95 96 hat davon abgera ten in der Reihenfolge eine Systematik zu suchen und sich für eine lockere Gruppierung nach geo graphischen Regionen ausgesprochen. 601 Dazu: Gauer 1968, S. 94; Jung 2006, S. 251; 254. Der Katalog kann mit den Listen bei Herodot verglichen werden: Hdt. 8, 43 48 (Salamis) und 9, 28 (Plataiai). Bei Plataiai nicht mitgekämpft haben Keos, Melos, Tenos, Naxos, Kythnos, Siphnos und Elis. Letztere Polis wurde wohl aufgrund der Vorherrschaft über das olympische Heiligtum angeführt. 602 Vgl. Kienast 1995, S. 133. 603 Thuk. 1, 132, 2; Demosth. or. 59, 97; Plut. mor. 873C; Anth. Gr. 6, 197. Weitere Quellen bei Meis ter 1971, S. 20. Petrovic 2007, S. 270 272 hält die bei Paus. 3, 8, 2 erfolgte Zuschreibung des Epi gramms an Simonides tendenziell für authentisch. Zur Anbringung: Meiggs/Lewis 1989, S. 60. Auf der bronzenen Säule finden sich keine Spuren einer erradierten Inschrift. 604 Thuk. 1, 132, 2: ῾Ελλήνων ἀρχηγὸς ἐπεὶ στρατὸν ὤλεσε Μηδων Παυσανίας Φοίβῳ μνῆμ’ ἀνέϑηϰε τόδε.

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der Ampikthyonen, umgehend tilgen lassen.605 Laut Thukydides wurde die Liste mit den Namen der Bündner als Ersatz angebracht, was aber aufgrund des fehlenden Charakters einer Weihinschrift zweifelhaft ist. Man sollte vielmehr auch in Betracht ziehen, dass die Initiatoren das Denkmal anfangs mit zwei sich ergänzenden Inschriften konzipiert hatten. Eindeutig ist hingegen die Haltung der beteiligten Stadtstaaten bei der Gestaltung des Monuments. Weihinschriften, welche siegreiche Schlachten als persönliche Verdienste eines Feldherrn repräsentierten, waren in Sparta noch bis weit ins 5. Jh. hinein üblich, wurden aber von den übrigen Bündnern abgelehnt.606 Das Selbstbewusstsein der Hopliten ließ an den Denkmälern der griechischen Stadtstaaten nur noch Kollektiv-Bezeichnungen zu, welche den militärischen Verdienst als gemeinschaftlichen Erfolg der Bürger würdigten. Ob sich der Widerstand gegen das Pausanias-Epigramm darüber hinaus auch gegen die Führungsrolle Spartas richtete, ist zumindest fraglich.607 Es bleibt festzuhalten, dass der Hellenenbund mit seinen Beuteweihungen nach Salamis und Plataiai eng an die Denkmälertraditionen der archaischen Zeit anknüpft. Die ikonographische Gestaltung der Anatheme ist eng mit der Person des Kultinhabers verbunden, auch wenn bereits erste Innovationen, wie das Schiffsteil als Verweis auf die Seeschlacht, hinzutreten. Die Denkmälerstrategie lässt außerdem das Bestreben nach panhellenischer Reichweite und die Betonung der Einheit innerhalb der Symmachie erkennen. Die Monumente in Delphi, Olympia und am Isthmos sollten den Teilnehmern der penteterischen Agone die historischen Ereignisse als gemeinschaftliche Siege der freien griechischen Bürger vor Augen führen. Die Weihungen einzelner Polisgemeinschaften Nachdem die griechischen Bündner 479 die Beuteanteile zur Errichtung der Weihgeschenke in den panhellenischen Heiligtümern beiseite gelegt hatten, teilten sie das Verbliebene untereinander auf.608 Einzelne Stadtstaaten haben diese Zuteilung zum Anlass genommen, um in Delphi und Olympia weitere Anatheme zu stiften. Mit diesen Polisweihungen ließen sich die eigene Beteiligung und die spezifischen Verdienste in den Perserkriegsschlachten wirkungsvoll dokumentieren. So stifteten die Athener zur Erinnerung an ihren Sieg in Marathon ein zehnteiliges Statuenanathem mit dem

605 Thuk. 1, 132, 3. Die Verhandlung im Ampikthyonenrat erwähnt Demosth. or. 59, 98. Diod. 11, 33, 2 kennt außerdem eine modifizierte Version des Epigramms, dessen Historizität allerdings abzu lehnen ist. Dazu zusammenfassend Meister 1971, S. 23 26. 606 Zu Sparta: Gauer 1968, S. 93; vgl. Jung 2006, S. 248, Fn. 76. Bekannte Beispiele im 5. Jh. sind etwa das Schatzhaus des Brasidas in Delphi (Plut. Lysandros 1, 1) und die Statuengruppe des Ly sandros nach der Schlacht von Aigospotamoi (Paus. 10, 9, 7). Zu den Monumenten vgl. Kap. 4.3.2. Zur Ehrung gefallener Könige und Feldherrn in Sparta vgl. auch Kap. 4.1.1. 607 So argumentiert bei Jung 2006, S. 255. Kienast 2003, S. 52 68 hat gezeigt, dass der Hellenen bund noch bis zum Ausbruch des Peloponnesischen Krieges unter der Hegemonie Spartas weiter bestand. 608 Hdt. 9, 81, 1.

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Bildern der attischen Phylenheroen nach Delphi (2).609 Die Beschreibung des Pausanias ist schwer nachzuvollziehen, weil er mehrere Monumente einschließlich ihrer nachträglichen Erweiterungen als zusammengehörig auffasst. Jung gelang es aber, zu zeigen, dass ein Denkmal mit den zehn eponymen Heroen den ursprünglichen Kern bildete, und dass dieses Monument kurz nach 490 mit den Beuteeinnahmen errichtet wurde.610 Dafür spricht auch die fragmentarisch erhaltene Inschrift an der mehr als zehn Meter breiten Basis des Anathems.611 Die Statuengruppe befand sich ursprünglich unterhalb der dem Prozessionsweg zugewandten Seite des Athener-Schatzhauses, sodass ein optischer Bezug zwischen den beiden Monumenten hergestellt wurde.612 Das Schatzhaus, dessen Bau in den Zeitraum 510–490 datiert werden kann, repräsentierte bereits die innen- und außenpolitischen Erfolge der demokratischen Gesellschaftsordnung Athens, und mit der Beuteweihung von Marathon wurde dieses Deutungsangebot noch erweitert und verstärkt.613 Die Überwindung der Perser im Jahr 490 war nach Aussage des Monuments in erster Linie ein Erfolg des nach kleisthenischen Phylen gegliederten Demos. Das delphische Orakel hatte 508 die Namen der eponymen Heroen vorgegeben und mit ihren Statuen gelang es den Athenern auf kluge Weise, die eigene Polisgemeinschaft zu repräsentieren ohne dabei auf den obligatorischen Bezug zum Kultinhaber zu verzichten.614 Darüber hinaus sollte nicht übersehen werden, dass dies die erste statuarische Weihung Athens außerhalb des eigenen Territoriums darstellte. Auch wenn das Denkmal den Sieg bei Marathon allein für die athenische Bürgerschaft beanspruchte, wandte man sich mit dieser Aussage doch an ein panhellenisches Publikum. Der attische Demos strebte nach der Anerkennung seiner militärischen Leistung als Verdienst für die griechische Staatenwelt.

609 Paus. 10, 10, 1 2: τῷ βάϑρώ δὲ τῷ ὑπὸ τὸν ἵππον τὸν δούρειον ἐπίγραμμα μέν ἐστιν ἀπὸ δεϰά της τοῦ Μαραϑωνίου ἔργου τεϑήναι τὰς εἰϰόνας· εἰσὶ δὲ ᾿Αϑηνᾶ τε ϰαὶ ᾿Απόλλων ϰαὶ ἀνὴρ τῶν στρα τηγησάντων Μιλτιάδης· ἐϰ δὲ τῶν ἡρώων ϰαλουμένων ᾿Ερεχϑεύς τε ϰαὶ Κέϰροψ ϰαὶ Πανδίων, ϰαὶ Λεώς τε ϰαὶ ᾿Αντίοχος ὁ ἐϰ Μήδας ῾Ηραϰλεῖ γενόμενος τῆς Φύλαντος, ἔτι δὲ Αἰγεύς τε ϰαὶ παίδων τῶν Θησέως ᾿Αϰάμας· οὗτοι μὲν ϰαὶ φυλαῖς ᾿Αϑήνῃσιν ὀνόματα ϰατὰ μάντευμα ἔδοσαν τὸ ἐϰ Δελφῶν· ὁ δὲ Μελάνϑου Κόδρος ϰαὶ Θησεὺς ϰαὶ Νηλεύς, οὗτοι δὲ οὐϰέτι τῶν ἐπωνύμων εἰσί. τοὺς μὲν δὴ ϰατειλεγμένους Φειδίας ἐποίησε ϰαὶ ἀληϑεῖ λόγῳ δεϰάτη ϰαὶ οὗτοι τῆς μάχης εἰσίν. 610 Jung 2006, S. 98 105. In der Beschreibung des Pausanias sind demnach das Denkmal mit den Phylenheroen (490), das pheideische Monument mit Athena, Apollon und Miltiades (460er) und die hellenistische Ergänzung der Phylenheroen um die eponymen Könige Antigonos, Demetrios und Ptolemaios voneinander zu trennen. Mit älteren Forschungsmeinungen: Gauer 1968, S. 65 70. 611 IG I3 1463; Syll.3 23A B: [᾿Α]ϑενα[ῖοι ᾿Απόλλονι Πυϑί]οι ἀϰρ[οϑίνια τῆς Μαραϑῶνι μάχης ἀνέϑε σαν] ἀπὸ Μέδον. Die Inschrift wurde in hellenistischer Zeit erneuert, datiert aber in der ursprüngli chen Fassung auf die Zeit um 490. Dazu: Rausch 1999, S. 134. Zur Basis: Bommelaer/Laroche 1991, S. 136 138, Nr. 225. 612 Paus. 10, 11, 5. Dazu: Bommelaer/Laroche 1991, S. 110 111; 136 138. 613 Zum Schatzhaus vgl. Kap. 2.2.1. Rausch 1999, S. 134 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass oberhalb der Statuengruppe die Metopen mit den Taten des Theseus, der Identifikationsfi gur des attischen Demos, zu sehen waren. 614 Zur Legitimation der Phylen durch das Orakel: Paus. 10, 10, 1; Rausch 1999, S. 131.

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Diese Deutung trifft auch auf andere Anatheme zu, die einzelne Poleisgemeinschaften mithilfe ihres Beuteanteils aus den Perserkriegen stifteten. So weihten die Aigineten nach der Seeschlacht bei Salamis, in der sie für ihre militärischen Leistungen von den Bündnern mit der Aristeia-Verleihung ausgezeichnet worden waren, einen bronzenen Mast mit drei goldenen Sternen (5).615 Während der Schiffsmast einen klaren Bezug auf die militärischen Ereignisse darstellt, möchten manche Forscher in den Sternen Symbole der Dioskuren und des aiginetischen Patrons Apollon Delphinios erkennen.616 Die Plataier wiederum stifteten nach 479 einen bronzenen Stier (11), hinter dem man sicherlich ein Opfertier vermuten darf.617 Wahrscheinlich im selben Jahr stifteten die Deinomeniden in Delphi goldene Dreifüße (6) aus der Karthagerbeute von der Schlacht bei Himera.618 Eine der Monumentenbasen in der nordöstlichen Ecke der Tempelterrasse trägt noch die Reste einer Weihinschrift des Hieron, in der neben dem Dreifuß auch eine zum Monument gehörende Nike erwähnt ist.619 Da die Vertreter der westgriechischen Kolonien sich sonst traditionell in Olympia als Stifter engagierten, kann auch diese Weihung – zumal in der Umgebung der Anatheme des Hellenenbundes – nur als Beanspruchung einer panhellenische Bedeutung für den Sieg auf Sizilien gedeutet werden.620 Nachdem sich die Stadtstaaten in spätarchaischer Zeit auf die Stiftung von Apollon- bzw. Zeusstatuen beschränkt hatten, erstaunt dieses breite Spektrum an monumentalen Weihgaben.621 Über die Gründe für diesen Wandel kann natürlich nur spekuliert werden. Möglicherweise führte die hohe Anzahl an Perserkriegsweihungen

615 Hdt. 8, 122: πέμψαντες δὲ ἀϰροϑίνια οἱ ῞Ελληνες ἐς Δελφοὺς ἐπειρώτων τὸν ϑεὸν ϰοινῇ εἰ λελά βηϰε πλήρεα ϰαὶ ἀρεστὰ τὰ ἀϰροϑίνια. ὁ δὲ παρ’ ῾Ελλήνων μὲν τῶν ἄλλων ἔφησε ἔχειν, παρὰ Αἰγινη τέων δὲ οὔ, ἀλλὰ ἀπαίτεε αὐτοὺς τὰ ἀριστήια τῆς ἐν Σαλαμῖνι ναυμαχίης. Αἰγινῆται δὲ πυϑόμενοι ἀνέϑεσαν ἀστέρας χρυσέους, οἵ ἐπὶ ἱστοῦ χαλϰέου ἑστᾶσι τρεῖς ἐπὶ τῆς γωνίης, ἀγχοτάτω τοῦ Κροί σου ϰρητῆρος. Zur Praxis der Aristeia Verleihung: Pritchett 1974, S. 276 290. 616 Gauer 1968, S. 73 74. 617 Paus. 10, 15, 1: Πλαταιέων δὲ βοῦς ἐστιν, ἡνίϰα ἐν τῇ σφετέρᾳ ϰαὶ οὗτοι Μαρδόνιον τὸν Γω βρύου μετὰ ῾Ελλήνων ἠμύναντο ἄλλων. Dazu: Gauer 1968, S. 100. Pausanias selbst (10, 16, 6) deutet den Stier als Symbol für agrarischen Wohlstand infolge der abgewendeten Knechtschaft. 618 Diod. 11, 26, 7: ἀπὸ δὲ τούτων γενόμενος ὁ Γέλων ἐϰ μὲν τῶν λαφύρων [. . .], χρυσοῦν δὲ τρί ποδα ποιήσας ἀπὸ ταλάντων ταλάντων ἑϰϰαίδεϰα ἀνέϑηϰεν εἰς τὸ τέμενος τὸ ἐν Δελφοῖς ᾿Απόλλωνι χαριστήριον. 619 Syll.3 34: Γέλον ὁ Δεινομέν[εος] ἀνέϑεϰε τὀπόλλονι Συραϙόσιος. τὸν τρίποδα ϰαὶ τὲν Νίϰεν ἐρ γάσατο Βίον Διοδόρο υἱὸς Μιλέσιος. Vgl. Theopompos FGrH 115, Frg. 193. Zur Inschrift: Jeffery 1990, S. 266, Nr. 6. Zum archäologischen Befund: Bommelaer/Laroche 1991, S. 188 189; Gauer 1968, S. 89; Amandry 1987, S. 81 92; Krumeich 1991, S. 37 62. 620 Zum Verhältnis der Westgriechen zu Olympia vgl. Philipp 1994; Kap. 2.1.3. 621 Natürlich sind noch weitere Perserkriegsweihungen einzelner Städte bezeugt, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann: der Apollon der Epidaurier (Paus. 10, 15, 1), der Apollon der Peparethier (FdD III 4, 179) und eine vergoldete Statue des Makedonenkönig Alexander I. (Hdt. 8, 121; Demosth. or. 12, 21). Weitere Denkmäler lassen sich nur hypothetisch den Perserkriegen zuwei sen. Dazu: Gauer 1968, S. 107 110.

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler

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bei den Stiftern zu einem stärkeren Bedürfnis nach ikonographischer Differenzierung. Andererseits lockerten vielleicht auch die Autoritäten der panhellenischen Kultplätze ihre Vorgaben, um eine direkte Konkurrenz zu den Standbildern aus der Beute des Hellenenbundes zu verhindern. Die Monumente verkörpern nun in der Regel Opfergaben (Dreifüße, Stiere, Schiffsteile), die aber bereits erste dezente Hinweise auf die religiöse Identität der Stifter bzw. auf die historischen Ereignisse selbst enthalten. Eine Sonderrolle nimmt das Marathon-Anathem der Athener ein, welches mit den Bildern der heimatlichen Phylenheroen nur noch einen schwachen Bezug zum Kult des Apollon Pythios aufweist. In dieselbe Richtung weist auch die Stoa (12), welche die Athener nach 478 an zentraler Stelle im delphischen Heiligtum errichten ließen (Abb. 6). Die über 30m lange ionische Säulenhalle am Prozessionsweg unterhalb der Tempelterrasse war bereits das dritte Bauvorhaben, welches die Athener nach der Unterstützung des Tempelneubaus und der Errichtung des Schatzhauses innerhalb kürzester Zeit in Delphi realisierten.622

Abb. 6: Entlang der Stützmauer für die delphische Tempelterrasse errichteten die Athener 478 eine ionische Säulenhalle, um ihren Beitrag bei der Abwehr des zweiten Persereinfalls (480/79) zu kommemorieren. Der Bau beherbergte in der Antike u.a. die Taue der persischen Schiffsbrücken am Hellespont. (Foto J. Schröder)

622 Maass 1993, S. 176. Zum archäologischen Befund: Bommelaer/Laroche 1991, S. 147 150, Nr. 313; Maass 1993, S. 175 178; Gauer 1968, S. 101.

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Die monumentale Inschrift auf der obersten Stufe des Unterbaus lautet: ᾿Αϑεναῖοι ἀνέϑεσαν τὲν στοὰν ϰαὶ τὰ hόπλ[α ϰ]αὶ τἀϰροτέρια hελόντες τõν πολε[μίο]ν.623 Bei den darin erwähnten Geräten und Schiffsteilen handelte es sich um die Reste persischer Schiffe sowie die Taue der Schiffsbrücken des Xerxes am Hellespont, welche die Athener 478 von ihrer Expedition mitbrachten.624 Da die Brücken den Persern zuvor den Übergang nach Griechenland ermöglicht hatten, waren sie von großem symbolischen Wert. Sie vermochten im Sinne der Stifter zu bezeugen, dass der Weg nach Hellas für östliche Invasoren dauerhaft abgeschnitten war und dass die Athener weitere Einfälle verhinderten. Zusammen mit dem ersten Hallenbau in Delphi bildeten sie ein einzigartiges Kriegsdenkmal, mit dem die Athener ihren spezifischen Beitrag zum zweiten Perserkrieg und dessen Weiterführung herausstellten. Auch später wurde die Stoa von den Stiftern genutzt, um mithilfe von Beutestücken aktuelle militärische Erfolge zu repräsentieren.625 Pausanias hat dort noch beschriebene Schilde aus der Zeit des Peloponnesischen Kriegs gesehen und fälschlicherweise auch die Errichtung des Gebäudes damit in Zusammenhang gebracht.626 Festzuhalten bleiben die Prominenz und das Innovationspotential, welche von den athenischen Perserkriegsweihungen ausgingen. Der Wandel in der Gestaltung der Weihdenkmäler, welcher von der Darstellung des Kultinhabers bzw. des Kultortes hin zur Repräsentation der mytho-historischen Identität der Stiftergruppen führte, beschleunigte sich in der Zeit der Pentekontaetie. Aus der Zeit um 470 stammen zwei delphische Weihgeschenke (13), mit denen die unteritalische Stadt Tarent ihre Siege über die indigenen Völker der Messapier und Peuketier kommemorierte.627 Das ältere der beiden Anatheme, die sogenannte „untere“ Weihung, zeigte auf einer zwölf Meter langen Basis Bronzepferde und gefangene Frauen aus der Kriegsbeute.628 Derart realistische Umsetzungen des Kriegsgeschehens waren in der Zeit der Perserkriege noch undenkbar gewesen und müssen laut Maass als Vorläufer der Gefangenendarstellungen auf römischen

623 IG I3 1464; Syll.3 29. Dazu: Meiggs/Lewis 1989, S. 53 54. 624 Hdt. 9, 121: ταῦτα δὲ ποιήσαντες ἀπέπλεον ἐς τήν ῾Ελλάδα, τά τε ἄλλα χρήματα ἄγοντες ϰαὶ δή ϰαὶ τὰ ὅπλα τῶν γεφυρέων ὡς ἀναϑήσοντες ἐς τὰ ἱρά. Dazu: Gauer 1968, S. 101; Maass 1993, S. 177; Baitinger 2011, S. 24. 625 Zur Aufstellung der Beutewaffen: Jacquemin/Laroche 2014, S. 740 742. Neben der musealen Funktion diente die Stoa wohl als Sitzanlage für die Zuschauer der Kulthandlungen auf der Tenne. Dazu: Maass 1993, S. 178. 626 Paus. 10, 11, 6. 627 Zu den Ereignissen gibt es nur vage Berichte: Hdt 7, 179; Diod. 11, 52. 628 Paus. 10, 10, 6: Ταραντίνων δὲ οἱ ἵπποι οἱ χαλϰοῖ ϰαὶ αἰχμάλωτοι γυναῖϰες ἀπὸ Μεσσαπίων εἰσίν, ὁμόρων τῇ Ταραντίνων βαρβάρων, ῾Αγελάδα δὲ ἔργα τοῦ ᾿Αργείου. Vgl. Plut. mor. 397E. Die stark fragmentierte Inschrift kann nur hypothetisch rekonstruiert werden. FdD III 1, 130: [Ταραντῖ νοι ᾿Απόλλωνι ἀπὸ Μεσσαπ]ίων [ἑλόντε]ς δεϰάταν. Die Weihinschrift und der Bildhauer können in die erste Hälfte des 5. Jhs. datiert werden. Dazu: Jeffery 1990, S. 281 282. Zur Basis: Bommelaer/ Laroche 1991, S. 117 188, Nr. 114. Das Monument befand sich am unteren Teil des Prozessionswegs.

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler

151

Siegesmonumenten betrachtet werden.629 Auch die „obere“ Tarentinerweihung aus der Beute der Peuketier, welche unmittelbar neben den Weihgeschenken des Hellenenbundes stand, verfügte über ein elaboriertes Bildprogramm:630 Ταραντῖνοι δὲ ϰαὶ ἄλλην δεϰάτην ἐς Δελφοὺς ἀπὸ βαρβάρων Πευϰετίων ἀπέστειλαν· τέχνη μὲν τὰ ἀναϑήματα ᾿Ονάτα τοῦ Αἰγινήτου ϰαὶ Καλύνϑου . . . εἰϰόνες δὲ ϰαὶ πεζῶν ϰαὶ ἱππέων, βασι λεὺς ᾿Ιαπύγων ῏Ωπις ἥϰων τοῖς Πευϰετίοις σύμμαχος. οὗτος μὲν δὴ εἴϰασται τεϑνεῶτι ἐν τῇ μάχῃ, οἱ δὲ αὐτῷ ϰειμένῳ ἐφεστηϰότες ὁ ἥρως Τάρας ἐστὶ ϰαὶ Φάλανϑος ὁ ἐϰ Λαϰεδαίμονος, ϰαὶ οὐ πόρρω τοῦ Φαλάνϑου δελφίς. Die Tarentiner schickten noch einen weiteren Zehnten nach Delphi von einem Sieg über die barbarischen Peuketier. Die Weihgeschenke sind ein Werk des Onatas aus Aigina und des Kalynthos . . . es sind Statuen von Fußkämpfern und Reitern und vom Iapygenkönig Opis, den Peuketiern zu Hilfe kommend. Dieser ist als in der Schlacht gefallen dargestellt, und die bei dem Gefallenen Stehenden sind der Heros Taras und Phalanthos aus Lakedaimon und nicht weit von Phalanthos ein Delphin. (Paus. 10, 13, 10; Übers. nach Meyer 1986.)

In dieser Darstellung gehen die historischen Kriegsereignisse mit dem Kampf gegen die Verbündeten Peuketier und Iapygen fließend in die tarentinische Gründungssage über. Teilnehmer am Schlachtgeschehen sind der eponyme Heros Taras und der spartanische Gründervater Phalanthos, der vor dem Kolonisationsunternehmen in Unteritalien von einem Delphin aus dem Meer gerettet worden war.631 Mit dem Monument konstruierten die Stifter eine Kontinuität, welche von den aktuellen Auseinandersetzungen mit den indigenen Nachbarvölkern in die Zeit der mythischen Stadtgründung zurückreichte. Der militärische Erfolg wird ikonographisch nicht mehr mit dem delphischen Apollonkult, sondern ausschließlich mit der mythogenen Identität der Polisgemeinschaft in Verbindung gebracht. Diese Entwicklung lässt sich auch an zwei anderen Kriegsdenkmälern aus der Zeit der Pentekontaetie ablesen. So stifteten die Athener für ihren Doppelsieg am Eurymedon 465 in Delphi einen bronzenen Palmbaum (14) mit einem darauf stehenden goldenen Palladion, d.h. mit der trojanischen Kultstatue der Athena.632 Während die Nachbildung der Palme eine Anspielung auf die orientalischen Gegner ist, schafft das Palladion eine Kontinuitätlinie zu den Trojanischen Kriegen, als deren Fortsetzung die Athener

629 Maass 1993, S. 196. 630 Das Denkmal stand auf der Stützmauer unmittelbar gegenüber des Tempeleingangs. Zur Basis: Bommelaer/Laroche 1991, S. 163 164, Nr. 409; Syll.3 40a: [Ταραντῖνοι ἀνέϑεν δεϰάταν ἑλõν τες ἀπὸ] Πευϰε[τίων]. Zur Datierung: Jeffery 1990, S. 281 282; Maass 1993, S. 196. 631 Vgl. Paus. 10, 10, 6 8 und 10, 13, 10 mit den Gründungsmythen. 632 Paus. 10, 15, 4 5: τὸν δὲ φοίνιϰα ἀνέϑεσαν ᾿Αϑηναῖοι τὸν χαλϰοῦν, ϰαὶ αὐτὸν ϰαὶ ᾿Αϑηνᾶς ἄγαλμα ἐπίχρυσον ἐπὶ τῷ φοίνιϰι, ἀπὸ ἔργων ὧν ἐπ’ Εὐρυμέδοντι ἐν ἡμέρᾳ τῇ αὐτῇ τὸ μὲν πεζῃ, τὸ δὲ ναυσίν ἐν τῷ ποταμῷ ϰατώρϑωσαν. Vgl. Plut. Nikias 13, 3. Zur Basis gegenüber der Nordost Ecke des Tempels: Bommelaer/Lorche 1991, S. 186, Nr. 420; Maass 1993, S. 191.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

ihren Erfolg verstanden wissen wollten.633 Mehrere antike Quellen berichten, dass das Denkmal als Symbol der athenischen Hegemonie gedeutet wurde, insofern es beim Beginn der Sizilischen Expedition durch ein Wunderzeichen zerstört wurde.634 Schließlich setzten auch die Argiver ihren Sieg in der zeitgenössischen Schlacht bei Oinoe um 460 mit einem mythischen Feldzug gleich. Aus der Beute des Sieges gegen die Spartaner und Thebaner weihten sie ein 14-köpfiges Anathem (15) mit den Bildern der Sieben gegen Theben sowie der Epigonen.635 In der Gegenüberstellung mit den genannten Statuengruppen muss der Apollon, den die Megarer 446 für ihren Sieg über die Athener bei Nisaia (18) weihten, geradezu archaisch und konservativ gewirkt haben.636 Neben dem Apollonheiligtum in Delphi, welches durch die großen Weihgeschenke des Hellenenbundes als Ort der Kriegskommemoration zusätzlich an Attraktivität gewonnen hatte, war natürlich auch das olympische Zeusheiligtum weiterhin Empfänger solcher Stiftungen. Die illyrische Griechenstadt Apollonia stiftete um 460 aus der Kriegsbeute gegen die lokrische Stadt Thronion eine Statuengruppe (16) nach Olympia, welche eine Szene aus dem trojanischen Sagenkreis thematisierte. An den Enden der halbrunden Basis standen sich Achilleus und Memnon zum Zweikampf gegenüber und waren jeweils begleitet von anderen homerischen Helden sowie ihren Müttern Thetis und Hemera, die im Zentrum des Anathems Zeus um Gnade anflehten.637 Die dazugehörige Inschrift mit dem Weihepigramm kann mithilfe der Abschrift des Pausanias rekonstruiert werden.638 Die Inschrift nimmt nicht auf die trojanische Szene, sondern auf die Gründung der Stifterpolis durch den eponymen Gott Apollon Bezug. Möglicherweise wählten die Bürger Apollonias das homerische Thema zur Kommemoration ihres Sieges, um

633 Für die Deutung der Palme wurden in der Forschung auch andere Ansätze diskutiert. Gauer 1968, S. 106 und Trampedach 2011, S. 35 sehen darin ein apollonisches Symbol, weil Apollon und Artemis auf Delos unter einem Palmenbaum zur Welt kamen. Stähler 1992, S. 23 24 dagegen deutet die Pflanze als Symbol für den unterworfenen Perserkönig. 634 Paus. 10, 15, 5; Plut. mor. 397F; Plut. Nikias 13, 5 6. Trampedach 2011, S. 33 41 hat das Wun derzeichen umfassend analysiert. 635 Paus. 10, 10, 3 4: ϰαὶ ἄλλα ἀναϑήματά ἐστιν ᾿Αργείων, οἱ ἡγεμόνες τῶν ἐς Θήβας ὁμοῦ Πολυ νείϰει στρατευσάντων [. . .]. οὗτοι μὲν δὴ ῾Υπατοδώρου ϰαὶ ᾿Αριστογείτονος εἰσιν ἔργα, ϰαὶ ἐποίησαν σφᾶς, ὡς αὐτοὶ ᾿Αργεῖοι λέγουσιν, ἀπὸ τῆς νίϰης ἥντινα ἐν Οἰνόῃ τῇ ᾿Αργείᾳ αὐτοί τε ϰαὶ ᾿Αϑηναίων ἐπίϰουροι Λαϰεδαιμονίους ἐνίϰησαν. ἀπὸ δὲ τοῦ αὐτοῦ ἐμοὶ δοϰεῖν ἔργου ϰαὶ τοὺς ᾿Επιγόνους ὑπὸ ῾Ελλήνων ϰαλουμένους ἀνέϑεσαν οἱ ᾿Αργεῖοι. Das halbrunde Monument stand am unteren Teil des Prozessionswegs. Dazu: Bommelaer/Laroche 1991, S. 113 114, Nr. 112, Abb. 38. 636 Paus. 10, 15, 1: τὰ μὲν ἀγάλματα τοῦ ᾿Απόλλωνος [. . .], τὸ δὲ αὐτῶν Μεγαρεῖς ἀνέϑεσαν ᾿Αϑηναίους μάχῃ πρὸς Νισαίᾳ ϰρατήσαντες. Vgl. Plut. mor. 402A. 637 Paus. 5, 22, 2 3. 638 SEG 15, 251: μνάματ’ ᾿Απολλονίας ἀ[ναϰείμεϑα, τὰν ἐνὶ πόντοι ᾿Ι]ονίοι Φοῖβος ϝοίϰι[σ’ ἀϰερσεϰό μας, οἵ γ]ᾶ[ς τέ]ρμαϑ’ [ἐλόντες ᾿Αβαντίδος ἐνϑάδε ταῦτα ἔστασαν σύν ϑεοῖς ἐϰ Θρονίου δεϰάταν.] Vgl. Paus. 5, 22, 3. Zur Basis: Mallwitz 1972, S. 37. Das Denkmal befand sich außerhalb der Altis nahe des Bouleuterions.

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler

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damit ihre Zugehörigkeit zur griechischen Staatenwelt zu unterstreichen. Das Monument weist jedenfalls eine starke Verbindung zum olympischen Kult auf, insofern Zeus selbst im Zentrum der Statuengruppe positioniert war, wo er als Initiator des Trojanischen Kriegs fungierte. Hierin zeigt sich eindrücklich der von Felten postulierte Unterschied zwischen den panhellenischen Schreinen. Während in Delphi die Identität der Weihenden in den Vordergrund gestellt wurde, legte man in Olympia aufgrund einer panhellenischen Programmatik auch im 5. Jh. noch Wert auf Verbindungen zur lokalen Kulttradition.639 Erwähnt sei außerdem der goldene Schild am Giebel des olympischen Zeustempels (17), mit dem die Spartaner an ihren Sieg bei Tanagra 457 erinnerten.640 Die darauf angebrachte Inschrift identifiziert das Anathem als δεϰάτε aus der Beute des Sieges über Argiver, Athener und Ionier. Die Spartaner schufen damit innerhalb des dorischen Kultzentrums ein weithin sichtbares Kriegsdenkmal, welches ihren Erfolg gegen die einflussreichen innergriechischen Gegner symbolisierte. Als Weihende werden neben den Lakedaimoniern auch die peloponnesischen Symmachoi genannt, auf die das Denkmal sicherlich eine gemeinschaftsstiftende Wirkung haben sollte. Neben den statuarischen Anathemen wurde in Olympia die Sitte der Waffenweihungen in der ersten Hälfte des 5. Jhs. weiter praktiziert, wenn auch nicht mehr mit der gleichen Intensität wie in archaischer Zeit.641 Die meisten griechischen Stadtstaaten errichteten zusätzlich oder ausschließlich Monumente aus sublimierter Kriegsbeute. Einer der bekanntesten Waffenfunde aus frühklassischer Zeit ist der persische Helm mit der Inschrift Διί ᾿Αϑεναῖοι Μέδον λαβόντες, welchen die Athener zur Erinnerung an ihren Sieg in Marathon (1) weihten.642 Baitinger hat gezeigt, dass dieses Stück keineswegs isoliert dargebracht wurde, sondern vielmehr im Zusammenhang mit weiteren orientalischen Waffen- und Rüstungsteilen stand, die auf eine umfangreiche Waffenweihung durch die Athener schließen lassen.643 Hypothetisch kann außerdem eine Parallelweihung auf der Athener Akropolis rekonstruiert werden, wo das Fragment eines beschriebenen Helms und eine vorderorientalische Pferdetrense zu Tage

639 Felten 1982, bes. S. 87 91 zu den Gruppenanathemen. 640 Paus. 5, 10, 4: ἀσπὶς ἀνάϰειται χρυσῆ, Μέδουσαν τὴν Γοργόνα ἔχουσα ἐπειργασμένην. τὸ ἐπί γραμμα δὲ τὸ ἐπὶ τῇ ἀσπίδι τούς τε ἀναϑέντας δηλοῖ ϰαὶ ϰαϑ’ ἥντινα αἰτίαν ἀνέϑεσαν· λέγει γὰρ δὴ οὕτω· ναὸς μὲν φιάλαν χρυσέαν ἔχει, ἐϰ δὲ Τανάγρας τοὶ Λαϰεδαιμόνιοι συμμαχία τ’ ἀνέϑεν δῶρον ἀπ’᾿Αργείων ϰαὶ ᾿Αϑαναίων ϰαὶ ᾿Ιώνων, τὰν δεϰάταν νίϰας εἵνεϰα τῶ πολέμω. Bei dem Schild dürfte es sich nicht um einen vergoldeten Beuteschild, sondern um ein eigens angefertigtes Votiv han deln. Dazu Kap. 2.1.3. 641 NIvOl 147 160; 188 190. Die Lanzenspitzen der Tarentiner aus der Zeit um 440 (IvOl 254 256) sind die jüngsten nachweisbaren Waffenweihungen in Olympia. Mit vereinzelten Ausnahmen wie einigen unbeschrifteten Dedikationen in Kalapodi endete die Sitte in der Mitte des 5. Jhs. auch in den anderen griechischen Heiligtümern. Dazu: Baitinger 2011, S. 164 165. 642 NIvOl 144; IG I3 1467. 643 Baitinger 1999, S. 125 136.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

kamen.644 Die Athener inszenierten den entsprechenden Sieg also gleichzeitig auf der heimatlichen Akropolis, mit dem Phylenheroenmonument in Delphi, und mit einer großen Waffenweihung auf dem Wall des Stadions von Olympia. Baitinger vermutet, dass hinter dem Anathem im dorischen Kultzentrum nicht nur der Wunsch nach panhellenischer Sichtbarkeit, sondern möglicherweise auch eine Invektive gegen die Spartaner steckte, welche das Schlachtfeld erst nach Abschluss der Kampfhandlungen erreichten.645 Bemerkenswert ist, dass sich auch die Deinomeniden, welche für ihren Sieg in Himera goldene Dreifüße nach Delphi gesandt hatten, aus dem gleichen Anlass für Waffenweihungen in Olympia (7) entschieden. Pausanias berichtet, dass Gelon und die Syrakusaner drei Linnenpanzer aus der Karthagerbeute in ihrem Schatzhaus ausstellten.646 Die Formulierung des Periegeten, welche neben Gelon auch die Kollektivbezeichnung der Polisgemeinschaft umfasst, dürfte auf den Text der Weihinschrift (en) zurückzuführen sein. Das gleiche Formular wählte wenig später auch Hieron nach seinem Sieg über die Etrusker.647 Hierin zeigt sich einmal mehr, was auch durch die Inschriften an der delphischen Schlangensäule evident wurde. Militärische Erfolge wurden als Verdienst der Gemeinschaften von Polisbürgern betrachtet und konnten nur in deren Namen kommemoriert werden. Die Kriegsdenkmäler in Delphi und Olympia dienten zur äußeren Repräsentation und Selbstvergewisserung der Politen vor dem Hintergrund ihrer mythologischen Herkunft und ihrer militärischen Erfolge. Als mythogen Bezüge dienen in der Regel panhellenische Stoffe wie der trojanische Krieg oder der thebanische Sagenkreis, welche für die Stadtstaaten eine gemeinsame kulturelle Basis bereitstellten und eine stark integrative Wirkung hatten. Diesen Mythen kommt in der zwischenstaatlichen Repräsentation und Kommunikation mit Kriegsdenkmälern eine Schlüsselrolle zu.

3.2.2 Weihungen im öffentlichen Raum der Polis Im Gegensatz dazu waren mit Weihdenkmälern im öffentlichen Raum der Poleis – sei es in Heiligtümern oder an den Agorai – andere Intentionen verbunden. Hier richteten sich die Botschaften der Monumente an einen kleineren und homogeneren Adressatenkreis als an den panhellenischen Kultplätzen. Das integrative Potential der Vergangenheitsbilder zielte überwiegend auf die Polisgemeinschaft selbst ab.

644 Baitinger 1999, S. 137 139, Abb. 17 18. IG I3 517: ]ον λαβόντες. 645 Baitinger 1999, S. 136; vgl. Hdt. 6, 106; 120. 646 Paus. 6, 19, 7: ἀναϑήματα δὲ ἐν αὐτῷ Ζεὺς μεγέϑει μέγας ϰαὶ ϑώραϰες λινοῖ τρεῖς ἀριϑμόν, Γέ λωνος δὲ ἀνάϑημα ϰαὶ Συραϰοσίων Φοίνιϰας ἤτοι τριήρεσιν ἤ ϰαὶ πεζῇ μάχῃ ϰρατησάντων. 647 NIvOl 157: Ηιάρον ὁ Δεινομένεος ϰαὶ τοὶ Συραϰόσιοι τοῖ Δὶ Τυραννõν ἀπὸ Κύμας. Dazu auch Kap. 2.1.3.

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler

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Weihungen in lokalen Heiligtümern Die Vielzahl an Weihgeschenken in Delphi und Olympia in der ersten Hälfte des 5. Jhs. lässt die vereinzelten Zeugnisse entsprechender Kriegsdenkmäler in den Heiligtümern mit regionaler Bedeutung sehr gering erscheinen. Tatsächlich können aber kaum belastbare Aussagen zur Quantität der zweiten Gruppe getroffen werden, da sowohl die antike Dokumentation als auch der moderne Forschungsstand weit hinter dem der panhellenischen Kultplätze zurückbleiben. Insbesondere das Fehlen von Inschriften auf Waffen- und Statuenweihungen mag vielerorts zu dieser Überlieferungsarmut beigetragen haben. Darüber hinaus muss in Rechnung gestellt werden, dass einige kleinere Poleis ihre Siege in der Heimat offenbar stärker durch die Stiftung neuer Kulte und weniger mithilfe von Weihungen in bestehenden Heiligtümern kommemorierten – wie dies etwa 479 in Plataiai, Troizen und Megara der Fall war. Schließlich existieren mehrere Nachrichten über die Weihung von persischen Waffen und Wertgegenständen in lokalen Tempeln, deren Authentizität schon in der Antike angezweifelt wurde.648 Denkmal

Ort

Anlass



Waffenweihungen der Athener

Athen/Olympia

Marathon 



Nike des Kallimachos

Athen, Akropolis

Marathon 



Waffenweihung der Messenier

Korone/Olympia

Sieg um 



Thebanische Gruppe der Argiver

Argos/Delphi

Oinoe um 

Dort, wo wir über epigraphische Zeugnisse verfügen, sind Beuteweihungen in lokalen Heiligtümern – allen voran in Athen – ab spätarchaischer Zeit fassbar. Es wurde bereits postuliert, dass diese Anatheme in der Regel von Parallelweihungen an panhellenischen Kultplätzen begleitet wurden und mit innenpolitischen Implikationen in Verbindung standen. Die Denkmäler dienten in erster Linie dazu, die Überwindung innerer Feinde, namentlich der Peisistratiden, zu manifestieren und aufgrund dieser Abgrenzung ein neues Identifikationsangebot zu schaffen.649 Vor diesem Hintergrund erstaunt es kaum, dass die Athener auch ihren Sieg bei Marathon mit Waffenweihungen auf der Akropolis und in Olympia (1) kommemorierten.650 Die Beutestücke vermochten nicht nur die Sieghaftigkeit der Hopliten zu dokumentieren, sondern erinnerten gleichzeitig auch an die erfolgreiche Abwehr des Versuchs einer Restauration der Peisistratiden.651 Die Marathonschlacht war für die Bürger

648 Gauer 1968, S. 43 nennt die Krippe des Mardonios in Tegea (Hdt. 9, 70, 3), das Schwert des Mardonios (Paus. 1, 27, 1), den Panzer des Masistios (Hdt. 9, 22; Paus. 1, 27, 1) und einen Stuhl des Xerxes (Demosth. or. 24, 129). 649 Siehe Kap. 2.1.3. 650 Baitinger 1999, bes. S. 137 139; IG I3 517. 651 Hdt. 6, 107 108; 121.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

Athens nicht nur ein außenpolitischer Erfolg, sondern auch eine Bestätigung der neuen kleisthenischen Gesellschaftsordnung, die man im kultischen Zentrum zu Ehren der Stadtgöttin Athena inszenierte. In den gleichen historischen Zusammenhang gehört auch die Statuenweihung in Form einer Nike (2), welche nach 490 im Namen des Feldherrn Kallimachos auf der Akropolis getätigt wurde. Fragmente des Denkmals kamen im Perserschutt von 480 zutage und lassen sich als eine ionische Monumental-Säule mit Statuenbekrönung rekonstruieren.652 Bei dem Bildwerk handelte es sich um eine weibliche Gewandträgerin im Knielaufschema, die in der Forschung entweder als Nike oder als Götterbotin Iris angesprochen wird.653 Auf dem teilweise kannelierten Schaft der Säule war von oben nach unten verlaufend eine zweizeilige Weihinschrift bestehend aus fünf Hexametern angebracht, welche eine hypothetische Zuweisung des Denkmals an Kallimachos ermöglicht.654 [Καλ(λ)ίμαχος μ’ ἀν]έϑεϰεν ᾿Αφιδναῖο[ς] τἀϑεναιαι ἄν[γελον ἀϑ]ανάτον hοὶ ᾿Ο[λύμπια δόματα] ἔχουσιν. [ πολέ]μαρχος ᾿Αϑεναίον τὸν ἀγõνα τὸν Μα[ραϑον ]ελενονο[ ] παισὶν ᾿Αϑεναίον μν[εμ ]. Kallimachos aus Aphidna hat mich, die Botin der Unsterblichen, welche die Häuser des Olymp bewohnen, errichtet und geweiht. Der Polemarchos der Athener . . . den Agon . . . Marathon . . . den Kriegern der Athener zur Erinnerung . . . (IG I3 784; Übers. Jung 2006.)

Die Verbindung der Weihung mit der Perserkriegsschlacht im Jahr 490 ergibt sich lediglich auch der Wendung παίδες ᾿Αϑεναίων, die wir bereits von der Beuteweihung des Sieges über die Boioter und Chalkidier im Jahr 507 kennen, und die sich unzweifelhaft auf das athenische Bürgerheer bezieht.655 Von der Interpretation des Weihdenkmals mit einem agonalen Hintergrund muss deshalb abgesehen werden.656 Die Rekonstruktion des Schlachtortes Marathon in der zweiten Hälfte der Inschrift ist da-

652 Goette/Weber 2004, S. 91 92. Die Datierung erfolgt insbesondere aufgrund der Inschrift. Die Buch stabenformen weisen an den Beginn des 5. Jhs. Dazu Jung 2011, S. 73. Vgl. Meiggs/Lewis 1989, S. 33. 653 Zur Statue: Goulaki 1981, S. 18 27; Thöne 1999, S. 18 19; Gauer 1968, S. 115 116. Der Vorschlag von Hampe 1939, S. 170 174, der Göttin einen Heroldsstab (Kerykeion) als Attribut beizugeben, wurde häufig aufgegriffen. Ein entsprechendes Fundstück von der Akropolis (Athen NM Inv. 7146) verfügt au ßerdem über Panköpfe, die sicherlich mit der Kulteinführung nach 490 in Zusammenhang stehen. 654 Erkennt man die Rekonstruktion des Amtstitels „Polemarchos“ im dritten Hexameter an, dann kommt als solcher nur Kallimachos in Frage. Er war in der Zeit 500 480 der einzige aus dem Demos Aphidna stammende Inhaber des Amtes. Dazu: Jung 2011, S. 74 75. 655 Zum Denkmal von 507: IG I3 501; Hdt. 5, 77; Paus. 1, 28, 2. Zur Wendung auch: Jung 2011, S. 78, Fn. 24; Rausch 1999, S. 140. 656 Die Interpretation als Dankesweihung nach einem Wettkampf, namentlich den Panathenäen, haben Shefton 1950, S. 148 149 und zuletzt Thöne 1999, S. 20 vertreten.

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler

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gegen keineswegs alternativlos.657 Da der Polemarch Kallimachos nach den Angaben Herodots in der Schlacht bei Marathon fiel, kann das Monument nicht, wie durch den Wortlaut der Inschrift suggeriert wird, vom ihm selbst gestiftet worden sein.658 Für dieses Problem wurde bis heute keine befriedigende Lösung gefunden und über die konkreten Umstände der Weihung herrscht weiter Unsicherheit.659 Vor diesem Hintergrund kann eine Interpretation des Denkmals nur hypothetisch und punktuell erfolgen. Von zentralem Interesse ist, dass Kallimachos hier mit seiner öffentlichen Funktion als Polemarchos der Athener angesprochen wird. Private Weihungen von Feldherrn, wie etwa die Helmdedikation des Militiades in Olympia, verzichten ansonsten auf die Nennung von Ämtern.660 Das Denkmal hatte also in einer nicht näher bestimmbaren Weise einen offiziellen Charakter. Dafür spricht auch der Wortlaut des letzten Hexameters, welcher auf die Erinnerungsstiftung zu Gunsten des athenischen Hoplitenheeres abzielt. Der regelrechte Zwang, militärische Erfolge mit der Kollektivbezeichnung der Bürgerschaft zu kommemorieren, erstreckte sich also auch auf das Denkmal des Kallimachos. Darüber hinaus richtete sich das agonale Ideal der Aristokraten nach den kleisthenischen Reformen auf die Ausübung offizieller Ämter. Das Selbstbewusstsein von Angehörigen der Elite wurde in der isonomen Gesellschaftsordnung nicht mehr aufgrund der adeligen Abkunft, sondern durch politische Verdienste zugunsten des Demos generiert.661 Die namentliche Ehrung des Kallimachos resultierte daher wohl am ehesten aus den politischen und militärischen Anstrengungen, mit denen er zum Erfolg und zur Etablierung der demokratischen Gesellschaftsordnung beigetragen hatte. Seine persönliche Sieghaftigkeit, wie sie in der Nike bildlich dargestellt wurde, galt dem Kollektiv der athenischen Bürger.

657 Jung 2011, S. 78. 658 Hdt. 6, 109; 114. Meiggs/Lewis 1989, S. 33 34 führt treffend aus, dass ἀνέϑηϰε von lebenden Stiftern genutzt wurde. Daneben kommt es vor, dass Personen zuvor gelobte Weihungen im Namen von Verstorbenen vornehmen, wie es auch hier vorgeschlagen wurde. In diesem Fällen werden aber beide Personen genannt, und zwar der Lebende mit ἀνέϑηϰε und der Verstorbene unter Ver wendung der Verbform εὔξατο. 659 Die These von Shefton 1950, S. 143 144, dass die Weihung von Verwandten des Kallimachos in seinem Namen gestiftet wurde, muss aufgrund des Wortlautes der Inschrift verworfen werden. Dazu Meiggs/Lewis 1989, S. 34; siehe oben. Hansen 1988, S. 482 483 schlug vor, dass das Denkmal von einem Mitglied des Demos Aphidna gestiftet wurde. Aber auch dann blieben die genannten Einwände bestehen. Daneben wurden im Anschluss an Hiller 1919, S.214 215 verschiedene Zeit punkte der Anbringung für die beiden Zeilen diskutiert. Aber weder die paläographischen Merk male noch der Aufbau des Monuments erlauben diese Rekonstruktion. Dazu: Peek 1954, S. 381; Meiggs/Lewis 1989, S. 34; Shefton 1950, S. 143 144. 660 IG I3 1472; NIvOl 162: Μιλτιάδες ἀνέ[ϑ]εϰεν [τ]õι Δί. In dieser Weise ist vielleicht auch die Wei hung des Miltiades an Pan zu verstehen: Anth. Gr. 6, 232. 661 Czech Schneider 1994, S. 19.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

Vielleicht wurde die Ambivalenz des Denkmals in den darauffolgenden Jahren evident und man sah nach 479 bewusst von einer Erneuerung des Monuments ab.662 Jedenfalls wurden Beuteweihungen von Feldherren in der Folgezeit offenbar unterbunden, insofern aus dem Athen des 5. Jhs. keine weiteren Denkmäler dieser Art bezeugt sind.663 Aus dem Heiligtum des Apollon Korythos nahe der messenischen Stadt Korone stammt eine weitere Dedikation aus der kleinen Gruppe der beschrifteten Waffenweihungen außerhalb Olympias. Ein vierkantiger Bronzesauroter (3) aus der ersten Hälfte des 5. Jhs. trägt die Inschrift Μεϑάν[ιοι] ἀνέϑε[ν] ᾿Αϑανᾶι [ἐϰ] λαΐδο[ς].664 Nach paläographischen Kriterien zu urteilen stammt aus dem gleichen Zusammenhang eine Waffenweihung in Olympia mit der Aufschrift Μεϑάνιοι ἀπὸ Λαϰεδαιμονίον.665 Bauslaugh hat klargestellt, dass es sich bei der Gruppe der Dedikanten um die Bewohner der Landschaft Messenien handelt und nicht, wie zuvor angenommen, um die argolische Polis Methana oder die messenische Stadt Methone.666 In der Annahme, dass der Lanzenschuh in Korone aus der Beute ἀπ’] ᾿Αϑανί[ον geweiht wurde, hat er beide Stücke in die ersten Jahre der Messenischen Revolte und der Belagerung des Berges Ithome durch die Spartaner und Athener datiert.667 Inzwischen wird aber die Lesung ᾿Αϑανᾶι, also eine Weihung an Athena, mit guten Argumenten favorisiert.668 Da nun nur noch die Spartaner als Gegner übrig bleiben, könnten die beiden Waffendedikationen theoretisch auch aus der Zeit nach 450 stammen, als sich die Messenier mit Athen verbündeten. Den Ort der Weihung konnte Alcock als überregionales Kultzentrum identifizieren, welches als Versammlungsort dem sozialen Austausch der Heloten diente.669 Die Waffenweihung zeigt, dass die Messenier die Kriegserinnerung – ähnlich wie die Athener am Beginn des 5. Jhs. – nutzten, um durch die Abgrenzung gegen die vormaligen Machthaber eine neue kollektive Identität zu schaffen. Ein einzelner Sieg über die Spartaner wurde durch die Weihung in dem überregionalen Heiligtum des Apollon Korythos sowie in Olympia bekannt gemacht und zu einem politischen Befreiungsakt der Bewohner Messeniens stilisiert.

662 Jung 2011, S. 82 83. 663 Vgl. Gauer 1968, S. 117. 664 SEG 40, 362. Zu den sonstigen Waffenweihungen in Korone: Baitinger 2011, S. 60. 665 IvO 247. Zur Datierung der Weihinschrift vgl. Jeffery 1990, S. 177; Bauslaugh 1990, S. 666. 666 Bauslaugh 1990, S. 663 666. Mit der älteren Forschungsmeinung: Jeffery 1990, S. 177. Die üb rigen olympischen Waffenweihungen der Messenier NIvOl 148 151 tragen die (ältere) Namensform Μεσσένιοι. 667 Bauslaugh 1990, S. 666 668. Zu den Ereignissen: Thuk. 1, 101, 2 103, 3; Diod. 11, 63, 1 64, 4; 84, 8; Plut. Kimon 16, 4 17, 2. 668 SEG 55, 501. 669 Alcock 2002, S. 143 145.

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler

159

Das bereits erwähnte Weihdenkmal der Argiver in Delphi verfügte möglicherweise über eine Parallelweihung in Argos (4) selbst. Pausanias berichtet bei seinem Rundgang durch die Stadt, dass er dort im Umfeld des Heiligtums der Horen ebenfalls Statuen der Sieben gegen Theben sowie der Epigonen stehen sah.670 Leider gibt er keine weiteren Informationen zur Statuengruppe, aus denen sich Rückschlüsse über ihre Entstehungszeit und ihren Aufstellungskontext ergeben. Maass hält es aber aufgrund von Vergleichen, und weil das anti-thebanische Thema gut in die argivische Außenpolitik des 5. Jhs. passt, für wahrscheinlich, dass auch dieses Monument die Schlacht von Oinoe in der Zeit um 460 kommemorieren sollte.671 Der mythische Feldzug unter Beteiligung des argivischen Königs Adrastos war auch sonst im öffentlichen Raum der Polis präsent. Auf dem Gelände der antiken Agora wurde die Begrenzung eines Heroons für die bei Theben gefallenen Krieger dokumentiert.672 Ein dazugehöriger Grenzstein aus der Mitte des 6. Jhs. trägt die Inschrift ἑρόον ϙ τõν ἐν Θέβαις.673 Im Zentrum der Stadt fand sich also neben der von Pausanias dokumentierten Statuengruppe auch ein Kenotaph für die Heroen des mythischen Feldzugs gegen Theben. Welche politischen Implikationen im 5. Jh. mit diesen Denkmälern verbunden waren und in welcher Form die thebanischen Sagen aktualisiert wurden, ist freilich unbekannt. Es wird aber deutlich, dass auch die Argiver ihre militärischen Erfolge durch das Konstruieren von Kontinuitäten in die mythische Vorzeit der Polisgemeinschaft hinein kommemorierten. Auf diese Weise wurde für die Bürger der Stadt ein Identifikationsangebot geschaffen, welches die aktuellen militärischen Ereignisse mit dem mythogenen Selbstverständnis der Gemeinschaft verband. Beutedenkmäler im Umfeld der Agora Neben den bisher behandelten Weihungen in lokalen Heiligtümern sind in der antiken Literatur mehrere Hallenbauten überliefert, die ebenfalls aus der Beute siegreicher Schlachten gestiftet worden sein sollen. Ob es sich dabei, ähnlich wie im Falle der Athenischen Halle in Delphi, auch um Anatheme handelte oder ob die Gebäude einen eher „profanen“ Charakter hatten, lässt sich angesichts der schwachen Quellenlage nicht mehr klären. Und auch der enge zeitliche Bezug zu den militärischen Ereignissen selbst muss in manchen Fällen fraglich bleiben.

670 Paus. 2, 20, 5: ἀπωτέρω δὲ ὀλίγον ῾Ωρῶν ἱερόν ἐστιν. ἐπανιόντι δὲ ἐϰεῖϑεν ἀνδριάντες ἑστήϰασι Πολυνείϰους τοῦ Οἰδίποδος ϰαὶ ὅσοι σύν ἐϰείνῳ τῶν ἐν τέλει πρὸς τὸ τεῖχος μαχόμενοι τὸ Θηβαίων ἐτελεύτησαν. [. . .] τούτων δὲ τῶν ἑπτὰ [. . .] πλησίον ϰεῖνται ϰαὶ οἱ τὰς Θήβας ἑλόντες. Zur Weihung in Delphi: Paus. 10, 10, 3 4. 671 Maass 1993, S. 198. Diese Datierung vertritt auch Boehringer 2001, S. 144. 672 Pariente 1992, S. 195 225; Boehringer 2001, S. 142 143. Das Ensemble wurde im 4. Jh. n. Chr. sekundär an diese Stelle transferiert. Die Verfüllung des Temenos stammt entsprechend auch aus dieser Zeit. 673 SEG 52, 312. Zur Datierung Pariente 1992, S. 197 200.

160

3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

Denkmal

Ort

Anlass



Frauen- und Kinderstatuen

Troizen, Agora

Salamis 



Persische Halle

Sparta, Agora

Plataiai 



Stoa Poikile

Athen, Agora

Oinoe um 

Die Spartaner errichteten zur Erinnerung an die erfolgreiche Abwehr der XerxesInvasion die sogenannte Persische Halle (2), die Pausanias noch in römischer Zeit als ἐπιφανέστατον, d.h. als das auffälligste Bauwerk im Bereich der Agora bezeichnete.674 Nach seinen Angaben wurde die Halle ursprünglich aus den Beuteeinnahmen des Krieges finanziert, aber im Anschluss noch mehrfach umgebaut. Der Perieget legt sein Augenmerk ebenso wie der kaiserzeitliche Architekt Vitruv auf die figürlichen Säulen, welche prominente Personen aus der persischen Heerführung bzw. Gefangene darstellten und das Dach der Stoa trugen.675 Gauer nimmt an, dass die Karyatiden bzw. Atlanten zu den jüngeren Ergänzungen des Baus gehörten und das Gebälk eines zweiten, aufgesetzten Geschosses trugen. Bei dem ursprünglichen Bau nach 479 handelte es sich demnach eher um eine „schlichte, eingeschossige Stoa“.676 Thommen sieht in dem Großbau eine der spartanischen Gemeinschaftsideologie entsprechende Manifestation bürgerlicher Werte.677 Der Bau führte demnach den Besuchern der Agora in monumentaler Form den größten militärischen Erfolg der spartanischen Politen vor Augen. Auch die Bürger der Polis Troizen schufen im öffentlichen Zentrum ihrer Stadt ein Denkmal zur Erinnerung an die Perserkriege. Kommemoriert wurde hier aber weniger der militärische Erfolg, sondern vielmehr der spezifische Beitrag der Troizener an der Evakuierung Athens im Vorfeld der Seeschlacht von Salamis. Laut Pausanias standen in einer Halle an der Agora mehrere Marmorstatuen (1), bei denen es sich um Porträts von Frauen und Kindern handelte, welche die Athener der argolischen Polis zur Rettung übergeben hatten.678 Ob die Stoa zusammen mit den Statuen errichtet wurde, lässt sich freilich nicht mehr klären. Und auch über den Zeitpunkt der Erinnerungsstiftung lassen sich keine Aussagen treffen. Die These, 674 Paus. 3, 11, 3: ἐπιφανέστατον δὲ τῆς ἀγορᾶς ἐστιν ἥν στοὰν Περσιϰὴν ὀνομάζουσιν ἀπὸ λαφύ ρων ποιηϑεῖσαν τῶν Μηδιϰῶν· ἀνὰ χρόνον δὲ αὐτὴν ἐς μέγεϑος τὸ νῦν ϰαὶ ἐς ϰόσμον τὸν παρόντα μεταβεβλήϰασιν. εἰσὶ δὲ ἐπὶ τῶν ϰιόνων Πέρσαι λίϑου λευϰοῦ ϰαὶ ἄλλοι ϰαὶ Μαρδόνιος ὁ Γωβρύου. πεποίηται δὲ ϰαὶ ᾿Αρτεμισία, ϑυγάτηρ μὲν Λυγδάμιδος, ἐβασίλευσε δὲ ῾Αλιϰαρνασσοῦ. 675 Vitr. 1, 6. 676 Gauer 1968, S. 102 103; Zitat S. 103, Fn. 466. 677 Thommen 2003, S. 123. 678 Paus. 2, 31, 7: ϰεῖνται δὲ ἐν στοᾷ τῆς ἀγορᾶς γυναῖϰες λίϑου ϰαὶ αὐταὶ ϰαὶ οἱ παῖδες. εἰσὶ δὲ ἅς ᾿Αϑηναῖοι Τροιζηνίοις γυναῖϰας ϰαὶ τέϰνα ἔδωϰαν σώζειν, ἑϰλιπεῖν σφισιν ἀρέσαν τὴν πόλιν μηδὲ στρατῷ πεζῷ τὸν Μῆδον ἐπιόντα ὑπομεῖναι.

3.2 Die frühklassischen Weihdenkmäler

161

dass die Bildnisse bald nach 480 geschaffen wurden, ist ebenso schlüssig wie die Annahme, dass sie – wie auch das in Troizen gefundene „Themistokles-Dekret“ – Teil einer späteren Aktualisierung der lokalen Perserkriegserinnerung darstellten.679 Beide Denkmäler zeigen lediglich, dass die spezifische Rolle der Troizener während der Kriegsereignisse rund um die Seeschlacht von Salamis einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis der Bewohner und im urbanen Zentrum der Polis hatte. Auch die athenische Agora wies ein Kriegsdenkmal in Form eines Hallenbaus auf. Die sogenannte Stoa Poikile (3) wurde aufgrund der privaten Initiative eines Peisianax um 460 im öffentlichen Auftrag errichtet.680 Sie konnte bisher nicht sicher lokalisiert werden, aber einige sekundär wiederverwendete Bauteile verraten uns, dass es sich um einen Bau dorischer Ordnung mit ionischen Stützsäulen im Inneren handelte.681 Ihren klingenden Namen erhielt die Halle spätestens im 4. Jh. aufgrund der darin angebrachten Wandgemälde.682 Die zentralen Bildwerke lassen sich aufgrund der detaillierten Beschreibung des Pausanias sicher benennen: eine Darstellung der historischen Schlacht bei Oinoe, eine Amazonomachie des Mikon, die Einnahme Trojas von Polygnot und ein Gemälde mit der Schlacht von Marathon, welches wohl auf Panaios zurückgeht.683 Jung hat gezeigt, dass die Kunstwerke, welche von den bedeutendsten Malern ihrer Zeit geschaffen wurden, zusammen ein politisches Bildprogramm konstituieren. Die zeitgenössischen Schlachten von Oinoe und Marathon wurden mit mythischen Kämpfen der Athener in Zusammenhang gebracht, bei denen jeweils die Verteidigung Attikas gegen auswärtige Invasoren und der Anspruch auf politische Selbstbestimmung im Mittelpunkt standen.684 Die Besucher der Stoa konnten bei der Betrachtung der Bilder also nicht nur historische Erinnerungen, sondern auch die Ideale und Erwartungen ableiten, welche der Demos an seine Mitglieder richtete. Das jüngste dargestellte Ereignis, die Schlacht im argivischen Oinoe, kann beim Bau der Halle nicht weit zurückgelegen haben. Die Auseinandersetzung zwischen Spartanern

679 SEG 22, 274. Die Inschrift datiert in der vorliegenden Form ins 3. Jh., dürfte aber im Kern auf ein älteres Dekret zurückgehen. Dazu: Meiggs/Lewis 1989, S. 48 52. Zuletzt wieder kritisch: Johans son 2001. Während der Erstbearbeiter der Stele (Jameson 1960, S. 199; 206) noch von einer Frühda tierung der Statuengruppe ausging, neigt Gauer 1968, S. 121, Fn. 571 zu einer Datierung beider Denkmäler ins 3. Jh. Seine Begründung, dass die Statuen nicht der Finanzierung aus Beutegeldern zugeschrieben werden, ist freilich nur ein argumentum e silentio. 680 Laut Schol. Demosth. or. 20, 112 hieß die Stoa zuerst „Peisianakteios“ nach ihrem Stifter. Vgl. Diog. Laert. 7, 5. Peisianax gehörte durch Heiratsverbindungen zur Familie Kimons. Dazu: Thomp son/Wycherly 1972, S. 90. Zur kimonischen Selbstdarstellung in der Stoa Poikile vgl. Jung 2006, S. 109 122. 681 Thompson/Wycherly 1972, S. 90 91. 682 Die ältesten Zeugnisse für den Namen „Poikile“ sind Demosth. or. 45, 17 und IG II2 1641 (Mitte 4. Jh.). 683 Paus. 1, 15, 1 3. Zu den Zuschreibungen der Künstler vgl. Thompson/Wycherly 1972, S. 92. 684 Jung 2006, S. 113 114.

162

3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

und den mit Argos verbündeten Athenern ist neben der Notiz bei Pausanias nirgendwo erwähnt und wird als eher unbedeutendes Ereignis eingestuft.685 Immerhin errichteten die Argiver aber aus der Beute der Schlacht die schon erwähnten Statuengruppen in Delphi und in Argos selbst.686 Möglicherweise steht also auch der Bau der Stoa Poikile in Athen in Zusammenhang mit dem Sieg bei Oinoe. Pausanias berichtet weiter, dass in der Säulenhalle erbeutete Bronzeschilde aus der Zeit des Peloponnesischen Kriegs ausgestellt waren.687 Darunter fanden sich auch Zeugen des symbolträchtigen Sieges bei Sphakteria (425), wo es den Athenern erstmals gelang, spartanische Hopliten gefangen zu nehmen. Einer dieser Schilde kam in einem Brunnen auf dem Gelände der Agora zum Vorschein und trägt in großen eingepunzten Lettern die Inschrift: ᾿Αϑηναῖοι ἀπὸ Λαϰεδαιμ[ον]ίων ἐϰ [Πύ]λο.688 Besonders auffällig ist, das der Text im Gegensatz zu älteren Waffenweihungen in Heiligtümern keinen göttlichen Adressaten nennt und nicht mehr primär einen sakralen Charakter hatte.689 Die Stoa mit ihren Historiengemälden und den hier aufbewahrten Beutewaffen hatte vielmehr eine museale Funktion.690 Sie repräsentierte die größten militärischen Erfolge der Athener in der Vergangenheit und bezeugte gleichzeitig mit aktuellen Beutestücken, dass die Sieghaftigkeit des attischen Demos ungebrochen anhielt. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Stoa Poikile befand sich außerdem die sogenannte Hermen-Stoa, in der eine Vielzahl der anthropoiden Stelen als private und öffentliche Weihungen aufgestellt waren.691 Drei dieser Hermen trugen Epigramme und erinnerten im Namen des attischen Demos an den Sieg über die Perser bei Eion im Jahr 475.692 Die athenische Kriegserinnerung erhielt damit in der Mitte des 5. Jhs. mehrere politisch aufgeladene Denkmäler mitten im öffentlichen Zentrum der Stadt. Wir dürfen davon ausgehen, dass

685 Paus. 1, 15, 1: αὕτη δὲ ἡ στοὰ πρῶτα μὲν ᾿Αϑηναίους ἔχει τεταγμένους ἐν Οἰνόῃ τῆς ᾿Αργείας ἐναντία Λαϰεδαιμονίων. Dazu Welwei 1999, S. 99. Jung 2006, S. 115, Fn. 166 hat den Forschungs stand zur historischen Einordnung der Schlacht zusammengefasst. 686 Paus. 2, 20, 5; 10, 10, 3 4. 687 Paus. 1, 15, 4: ἐνταῦϑα ἀσπίδες ϰεῖνται χαλϰαῖ, ϰαὶ ταῖς μέν ἐστιν ἐπίγραμμα ἀπὸ Σϰιωναίων ϰαὶ τῶν ἐπιϰούρων εἶναι, τὰς δὲ ἐπαληλιμμένας πίσσῃ, μὴ σφᾶς ὅ τε χρόνος λυμήνηται ϰαὶ ὁ ἰός, Λαϰεδαιμονίων εἶναι λέγεται τῶν ἁλόντων ἐν τῇ Σφαϰτηρίᾳ νήσῳ. 688 IG I3 522. Zu den ausgestellten Schilden: Thompson/Wycherly 1972, S. 92; Camp 2009, S. 35; Baitinger 2011, S. 15 16. 689 Vgl. Whitley 2011, S. 167. 690 So auch Camp 2009, S. 35. 691 Thompson/Wycherly 1972, S. 94 96; Goette/Hammerstaedt 2012, S. 130. 692 Aischin. Ctes. 183: ῏Ησάν τινες, ὦ ἄνδρες ᾿Αϑηναῖοι, ϰατὰ τοὺς τότε ϰαιρούς, οἵ πολὺν πόνον ὑπομείναντες ϰαὶ μεγάλους ϰινδύνους ἐπὶ τῷ Στρυμόνι ποταμῷ ἐνίϰων μαχόμενοι Μήδους· οὗτοι δεῦρο ἀμφιϰόμενοι τὸν δῆμον ἤτησαν δωρεὰν ϰαὶ ἔδωϰεν αὐτοῖς ὁ δῆμος τιμὰς μεγάλας, ὡς τότ’ ἐδόϰει, τρεῖς λιϑίνους ῾Ερμᾶς στῆσαι ἐν τῇ στοᾷ τῇ τῶν ῾Ερμῶν, ἐϕ’ ᾧτε μὴ ἐπιγράϕειν τὸ ὄνομα τὸ ἑαυτῶν, ἵνα μὴ τῶν στρατηγῶν, ἀλλα τοῦ δήμου δοϰῇ εἶναι τὸ ἐπίγραμμα. Vgl. Demosth. or. 20, 112. Der Text der Epigramme ist bei Aischin. Ctes. 184 185 und Plut. Kimon 7, 3 5 überliefert. Auch hier wurden mythogene Bezüge zum Trojanischen Krieg hergestellt.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

163

die Stoa Poikile an dieser prominenten Stelle regelmäßig frequentiert wurde, und die antiken Quellen bestätigen diese Annahme. Der Philosoph Zenon von Kition hielt hier seine Lehrveranstaltungen, weshalb die von ihm begründete Schule später den Namen „Stoa“ trug.693 Weiter ist die Ansprache eines Hierophanten des eleusinischen Mysterienkultes an dieser Stelle belegt und laut Demosthenes fanden in der Halle von Zeit zu Zeit auch Gerichtsverhandlungen statt.694 Bei all diesen Veranstaltungen waren die zur Ausstattung gehörigen Kriegsdenkmäler omnipräsent und müssen das bürgerliche Selbstbewusstsein der anwesenden Athener entsprechend geprägt haben. Nirgendwo sonst war die Kommemoration vergangener Siege so eng in das alltägliche Leben der Politen eingebunden wie an den Agorai der griechischen Städte. Auch dies muss als Indikator dafür gewertet werden, dass die Bedeutung von Kriegserinnerungen für die kollektiven Identitäten der Polisgemeinschaften in der Zeit der Pentekontaetie stark zunahm. Die angeführten Beispiele zeigen trotz aller Datierungsprobleme das sukzessive Vordringen der Denkmäler ins öffentliche Bewusstsein, sei es durch Weihungen in den lokalen Heiligtümern oder durch Bauten bzw. Monumente im öffentlichen Zentrum der Poleis. Im Umfeld der bedeutendsten Kulte, der Ehrungen für die Stadtgründer sowie der wichtigsten administrativen Gebäude und politischen Versammlungsorte erhielten die Kriegsdenkmäler prominente Aufstellungsorte. Sie waren gut sichtbar und müssen einen festen Platz im öffentlichen Leben der Polis gehabt haben. Durch die Konstruktion von Kontinuitätslinien zwischen der heroischen Vorzeit und den aktuellen Ereignissen wurden Identifikationsangebote geschaffen, welche sich mühelos in das mythogene Geschichtsbewusstsein der Polisgemeinschaft integrieren ließen. Gleichzeitig wurden durch gezielte Vergangenheitsbezüge die normativen Werte vermittelt, über welche die Bürgerschaft sich definierte und konstituierte.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass sich das Kriegsgedenken in der ersten Hälfte des 5. Jhs. zunehmend in den öffentlichen Raum der urbanen Stadtzentren verlagerte. So manifestierten sich historische Erinnerungen in Form von Kriegsdenkmälern an den griechischen Agorai neben anderen Bauten und Monumenten, welche die religiöse und politische Identität der Bürger definierten. Daneben spielte auch das Schlachtfeld als Ort der Erinnerung weiterhin eine wichtige Rolle. Die archaische Tradition, die Kriegstoten am Ort der Auseinandersetzung

693 Diog. Laert. 7, 5. 694 Schol. Aristoph. batr. 369; Demosth. or. 45, 17. Weitere Quellen bei Thompson/Wycherly 1972, S. 93 94; Goette/Hammerstaedt 2012, S. 131 132.

164

3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

beizusetzen, wurde von den meisten Stadtstaaten fortgeführt. In der literarischen und epigraphischen Überlieferung finden sich zerstreute Notizen und Epigramme, welche von den dazugehörigen Grabdenkmälern zeugen. Im Anschluss an die Perserkriege begann nach Ausweis der antiken Quellen schließlich auch die Tradition, Tropaia auf dem Schlachtfeld zu errichten. Sie dienten ebenso wie Grabdenkmäler und Gedenkfeste am Ort der Auseinandersetzung zur Dokumentation und Kommemoration der Ereignisse. Anders als die Kriegsdenkmäler im urbanen Zentrum der Stadtstaaten waren diese Monumente häufig nicht nur für die eigenen Bürger, sondern für ein größeres griechisches Publikum sichtbar. Die eingangs erwähnte Grabanlage auf dem Schlachtfeld von Plataiai etwa diente zumindest insofern als panhellenische Erinnerungslandschaft, als die Aigineten glaubten, mit einer nachträglichen Denkmalstiftung ihre aktive Teilnahme an den Perserkriegen belegen zu können.695

3.3.1 Die frühklassischen Grabdenkmäler Die Tradition, Kriegstote öffentlich beizusetzen und mit monumentalen Grabdenkmälern zu ehren, kam in der griechischen Staatenwelt spätestens ab dem 7. Jh. auf. Die archaischen Monumente weisen teilweise starke demokratische Implikationen auf und sind eng mit der Etablierung bürgerlicher Identitäten in den betreffenden Stadtstaaten verbunden.696 Dass sich Belege für diese Form der Kriegskommemoration mit dem Übergang ins klassische Zeitalter sprungartig mehren, kann daher kaum noch verwundern. Die Monumente der Perserkriegsschlachten ragen dabei in der ersten Hälfte des 5. Jhs. abermals zahlenmäßig hervor. Dieser Befund ist allerdings nicht nur der großen Bedeutsamkeit und Wirkungsmacht dieser Ereignisse geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass eine Vielzahl griechischer Poleis beteiligt war und es eine entsprechend hohe Zahl an Grabdenkmälern gegeben hat. Denn während sich die Mitglieder des Hellenenbundes nach der erfolgreichen Abwehr der Perser in Plataiai für gemeinsame Beuteweihungen entschieden, nahmen sie die Bestattung ihrer Toten – der griechischen Tradition entsprechend – getrennt voneinander vor. Ein weiterer begünstigender Faktor war die Prominenz des Dichters Simonides und die große Bewunderung für seine Grabepigramme die gesamte Antike hindurch. Dank seines Namens hat die eine oder andere Grabinschrift aus der Zeit der Perserkriege Eingang in die literarische Überlieferung gefunden, obwohl die Autoren selbst kein genuines Interesse an den Kriegsdenkmälern hatten.697

695 Hdt. 9, 85, 1 3; siehe Kap. 1. 696 Siehe Kap. 2.3.3. 697 Die Frage nach der Authentizität der simonideischen Autorenschaft ist in diesem Zusammen hang nicht relevant. Das Problem wurde jüngst umfassend behandelt von Petrovic 2007, S. 25 51.

165

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

Die Grabdenkmäler für die Gefallenen der Perserkriege In der folgenden Tabelle sind zunächst die antik bezeugten Denkmäler für die Perserkriegsgefallenen auf den Schlachtfeldern aufgeführt. Daneben haben einzelne Stadtstaaten für ihre Toten auch Inschriftenmonumente in der Heimat errichtet, auf die später noch einzugehen sein wird. Da die Quellen einstimmig überliefern, dass die Gefallenen von Marathon, Thermopylai, Salamis und Plataiai in Polisgräbern am Ort der Auseinandersetzung beigesetzt wurden, können wir dies mit Sicherheit auch dort postulieren, wo antike Zeugnisse fehlen, namentlich für die Seeschlacht am Kap Artemision.698 Über das Aussehen der Grabdenkmäler sind aufgrund der Überlieferungssituation erneut nur eingeschränkte Aussagen möglich. Die Monumente sind überwiegend inschriftlich oder literarisch bezeugt und nur im Falle des athenischen Grabes in Marathon verfügen wir über einen archäologischen Befund. Grabdenkmal

Ort

Datierung



Grab der Athener

Marathon





Grab der Plataier

Marathon





Grab der Griechen

Thermopylen





Grab des Leonidas

Thermopylen

nach 



Grab der Korinther

Salamis





Gräber der Griechen

Plataiai



Der heute noch über neun Meter hohe Tumulus (1) im Zentrum der Ebene wurde bereits zu Beginn des 19. Jhs. identifiziert und in den Jahren 1890–91 durch den griechischen Archäologen Stais ergraben (Abb. 7).699 Er fand auf der Sohle des Hügels eine Brandschicht bestehend aus Asche, Holzkohle und den kremierten Resten menschlicher Knochen sowie zwei Rinnen aus ungebrannten Ziegelplinthen, welche die Reste von Totenmahl und Totenopfern enthielten.700 Dazu kommen die Fragmente mehrerer Keramikgefäße, die ausgesprochen heterogen sind und in die

698 Hdt. 8, 18 berichtet immerhin, dass die Griechen nach der Schlacht in der Lage waren, ihre Toten zu bergen. Außerdem verfügen wir durch Plut. Themistokles 8, 3 über einen wagen Bericht darüber, dass die Toten an der benachbarten Küste kremiert wurden: δείϰνυται δὲ τῆς ἀϰτῆς τόπος ἐν πολλῇ τῇ πέριξ ϑινὶ ϰόνιν τεφρώδη ϰαὶ μέλαιναν ἐϰ βάϑους ἀναδιδούς, ὥσπερ πυρίϰαυστον, ἐν ᾧ τὰ ναυάγια ϰαὶ νεϰροὺς ϰαῦσαι δοϰοῦσι. Dazu: Pritchett 1985, S. 168. 699 Der englische Topograph Leake identifizierte den Grabhügel zunächst nur aufgrund einiger Pfeilspitzen aus Metall und Feuerstein, die er für persische Waffen hielt: Leake 1840, S. 84. Die erste dokumentierte Grabung unter Schliemann erbrachte lediglich einige Keramikfragmente und weitere Waffenteile, die der deutsche Entdecker in prähistorische Zeit datierte: Schliemann 1884. Auf dieser Grundlage lehnte er die Identifizierung des Tumulus als Perserkriegsmonument ab. 700 Stais 1893, S. 49 50; 55.

166

3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

Abb. 7: Der Grabhügel für die in der Schlacht von Marathon (490) gefallenen Athener erhebt sich noch heute gut sichtbar in der Ebene. Er ist Teil eines modernen Denkmäler-Ensembles zur Erinnerung an die antike Schlacht und an den Marathonlauf. (Foto J. Schröder)

Zeit um 570–490 datieren, sowie 30 einheitliche, schwarzfigurige Lekythen.701 An der Gleichsetzung dieses Befundes mit dem Grab der bei Marathon gefallenen Athener wurden in der Forschung mehrfach Zweifel laut.702 Eine Gemeinschaftsbestattung in Form einer durchgehenden Ascheschicht ist aber ansonsten nur für Kriegsgräber belegt und auch die große Menge an einheitlichen Lekythen als Grabbeigaben spricht für die gleichzeitige Beisetzung einer größeren Anzahl von

701 Stais 1893, S. 53 63. Die Keramik ist bis heute nicht ausreichend publiziert. Einzelne Stücke fin den sich in CVA GR 7; Steinhauer 2009, S. 124 139. Es handelt sich um: eine attisch korinthische Am phora des Malers Sophilos (570 560), eine attisch korinthische Schale (540), eine schwarzfigurige Dreifußpyxis, sowie eine Schale und eine Hydra des gleichen Stils (Ende 6. Jh.), eine Kalpis mit Lei chenbrand und Fragmente eines attisch rotfigurigen Tellers des Malers Onesimos (500 490) und an dere Gefäße. Zu den Lekythen: Stais 1893, S. 50 51. Sie werden aufgrund ihrer einheitlichen Gestaltung sämtlich dem nach ihnen benannten Marathon Maler zugeschrieben. Zur Datierung der Keramik auch Goette/Weber 2004, S. 80 81. 702 Insbesondere Mersch 1995, S. 58 59 interpretiert den Tumulus stattdessen als aristokratisches Familiengrab aus dem 6. Jh. Als Argumente führt sie neben der Form des Grabes das Vorhanden sein einer Einzelbestattung und die Verwendung einer von ihr der weiblichen Sphäre zugeordneten Pyxis an. Beide Argumente konnten aber von Valavanis 2010, S. 79 80 widerlegt werden. Eine Frühdatierung des Hügelgrabes hat darüber hinaus auch Hsu 2008 vertreten.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

167

Toten.703 Die jüngsten Forschungen halten daher weiterhin an der Identifizierung mit dem in der antiken Literatur mehrmals erwähnten Perserkriegsmonument fest.704 Weiter erfahren wir aus einer kurzen Beschreibung des Pausanias, dass das marathonische Grab zu seiner Zeit mit Stelen geschmückt war, auf denen nach Phylen getrennte Listen mit den Namen der Toten standen.705 Eine dieser Inschriften kam 1999 bei Ausgrabungen in der Kynouria zutage.706 Die kompakte Stele aus pentelischem Marmor trägt im erhaltenen Zustand noch die Überschrift mit dem Namen der Phyle Erechtheis, ein vierzeiliges Epigramm und die Namen von 22 Gefallenen. Der Text der beiden elegischen Distichen lautet:707 φεμίσαι, ὡς ϰίε γ’ αἰεὶ ὑπὲρ φάος ἔσχατα γαίη[ς, τωνδ’ ἀνδρῶν ἀρετὴν· πεύσεται, ὡς ἔϑανον· μ]αρνάμενοι Μήδοισι, ϰαὶ ἐστεφάνοσαν ᾿Αϑήνα[ς, παυρότεροι πολλῶν δεξάμενοι πόλεμον. Berichte vom Mut dieser Männer, die für immer an den Grenzen der Erde, hinter der Eos sind. Man wird fragen, wie sie starben: gegen die Meder kämpfend und sie bekränzten Athen, indem sie in der geringeren Zahl die Schlacht gegen viele auf sich nahmen. (SEG 56, 430; Eigene Übers.)

Die Inschrift überträgt dem Wortlaut nach dem Leser die Aufgabe, die Erinnerung an die Gefallenen bzw. an ihre militärischen Leistungen zu bewahren und weiter zu tradieren. Die Toten werden dabei insbesondere aufgrund ihrer tugendhaften Leistung (ἀρετή) und ihrem Verdienst um die Polisgemeinschaft Athen geehrt. Ein besonderer

703 Valavanis 2010, S. 79 80. Stais hat den Tumulus nur angeschnitten, sodass weiterhin keine Aussagen über die Gesamtanzahl an Bestattungen und Beigaben möglich sind. Ob die Menge der Bestattungen zu der bei Hdt. 6, 117, 1 genannten Zahl von 192 Toten passt, muss deshalb offen bleiben. 704 Thuk. 2, 34, 5: τιϑέασιν οὖν ἐς τὸ δημόσιον σῆμα, [. . .] ϰαὶ αἰεὶ ἐν αὐτῷ ϑάπτουσι τοὺς ἐϰ τῶν πολέμων, πλήν γε τοὺς ἐν Μαραϑῶνι· ἐϰείνων δὲ διαπρεπῆ τὴν ἀρετὴν ϰρίναντες αὐτοῦ ϰαὶ τὸν τάφον ἐποίησαν. Ebenso Paus. 1, 29, 4: ἔστι δὲ ϰαὶ πᾶσι μνῆμα ᾿Αϑηναίοις ὁπόσοις ἀποϑανεῖν συνέ πεσεν ἔν τε ναυμαχίαις ϰαὶ ἐν μάχαις πεζαῖς πλὴν ὅσοι Μαραϑῶνι αὐτῶν ἠγωνίσαντο; τούτοις γὰρ ϰατὰ χώραν εἰσὶν οἱ τάφοι δι’ ἀνδραγαϑίαν. Vgl. Paus. 1, 32, 3. Zum archäologischen Befund zuletzt: Valavanis 2010, S. 77 78; Dionysopoulos 2012, S. 186 188. 705 Paus. 1, 32, 2: τάφος δὲ ἐν τῷ πεδίῳ ᾿Αϑηναίων ἐστίν, ἐπὶ δὲ αὐτῷ στῆλαι τὰ ὀνόματα τῶν ἀποϑανόντων ϰατὰ φυλὰς ἑϰάστων ἔχουσαι. 706 Die Stele wurde, zusammen mit den Fragmenten zweier dazugehöriger Inschriften, in der Villa des kaiserzeitlichen Magnaten Herodes Atticus auf der Peloponnes gefunden: Steinhauer 2004, S. 679; SEG 56, 430. Die Fragen im Zusammenhang mit der Geschichte der Stele selbst, insbeson dere ob es sich um die Originalinschrift aus der Ebene von Marathon oder um eine Kopie handelt, sind weiter ungeklärt. Dazu Ameling 2011, S. 20 23. 707 Die maßgebliche Ausgabe des Textes bietet Steinhauer 2004. Tentori Montalto 2014, S. 37 und Janko 2014, S. 11 12 verdanken wir darüber hinaus die vollständige Lesung der ersten Zeile.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

Ausweis ihres Mutes ist die Tatsache, dass sie sich dem Gegner trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit in der Schlacht entgegenstellten.708 Der militärische Erfolg wird vom Dichter mithilfe des Bekränzungsmotivs aus der Epinikien-Literatur mit einem Sieg im agonalen Bereich gleichgesetzt. Auch dies ist eine Hervorhebung der Tugend (ἀρετή), die sich in archaischer Zeit als Ideal der aristokratischen Gesellschaftsschichten herausgebildet hatte und an der Wende zum 5. Jh. in den Bereich der Staatsbegräbnisse übernommen wurde.709 Den gleichen Prozess belegt auch die Form des Grabes selbst. Als Tumulus mit Brandbestattung und Opferrinnen ist das Monument unter den attischen Grabfunden des 5. Jhs. einzigartig und findet seine Parallelen eher in den aristokratischen Bestattungskontexten des 7. und 6. Jhs.710 So waren die Opferrinnen eine aus Vorderasien entlehnte Repräsentationsform adeliger Führungsschichten, welche dieses Ritual zur effektvollen Inszenierung der Totenverbrennung einsetzten. Dafür wurden in unmittelbarer Nähe zum Leichnam über einer Ziegelrinne Holzgestelle mit orientalisierenden Gefäßen aufgebaut und zusammen mit dem Toten verbrannt.711 Die in Marathon nachgewiesene Tumulusgrabform mit Opferrinnen ist also ebenso wie die Versinschrift mit dem darin proklamierten Arete-Ideal ein Rückgriff auf aristokratische Repräsentationsformen – dies umso mehr als der Hügel mit einem (heutigen) Durchmesser von 50 Metern die älteren Gräber der Adelsfamilien in seinen Ausmaßen weit übertraf.712 Das Kriegsgrab trat aber keineswegs in Konkurrenz zu gleichzeitigen privaten Denkmälern, da die Polis Athen die Exklusivität von monumentalen Formen der Totenehrung bereits in spätarchaischer Zeit durch Grabluxusgesetze sichergestellt hatte.713 Monumentale Aufbauten, Grabskulpturen, Stelen und Epigramme waren damit ab der Wende zum 5. Jh. denjenigen Athenern vorbehalten, welche zum Dank für ihre Verdienste um die Bürgerschaft mit einer öffentlichen Bestattung auf Staatskosten ausgezeichnet wurden. Nachdem die Polis Athen ihre Kriegstoten bereits 506 in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt und mit einem elegischen

708 Das Motiv ὀλίγοι πρὸς πολλούς hatte in der Folgezeit einen festen Platz in der athenischen Ma rathonerinnerung und ist auch in anderen Quellen belegt. Dazu: Ameling 2011, S. 16; Jung 2006, S. 129 131. 709 Stupperich 1977, S. 67. 710 Kistler 1998, S. 31 50. 711 Kistler 1998, S. 45 48; S. 219, Abb. 8. Vgl. die älteren Forschungen zu Opferrinnen im Keramei kos Friedhof: Kübler 1964, S. 171. 712 Die größten im Kerameikos ergrabenen Privatbestattungen in Form von Hügelgräbern aus ar chaischer Zeit weisen lediglich einen Durchmesser von 12 36 Metern auf. Dazu: Rausch 1999, S. 193 194; 203. 713 Cic. leg. 2, 64 65; Stupperich 1977, S. 71 86. Die Änderung der Bestattungspraxis ab etwa 500 wird durch archäologische Befunde in ganz Attika bestätigt. Sie zeichnen sich insbesondere durch einen Rückgang der Monumentalität von Grabbauten und durch das Abreißen der Verwendung von Grabskulpturen und stelen aus. Dazu: Rausch 1999, S. 201 203; 206 208.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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Distichon geehrt hatte,714 kamen in Marathon dafür erstmals auch Gefallenenlisten zum Einsatz. Die Fragmente zweier weiterer Inschriften und die Spuren der Verklammerung belegen, dass es ursprünglich zehn Stelen gegeben haben muss, welche jeweils die Namen der Gefallenen einer kleisthenischen Phyle trugen.715 Die Marmor-Stelen dürften nebeneinander und auf einer gemeinsamen Basis angeordnet gewesen sein, wie wir es auch vom Aufbau jüngerer Grabdenkmäler im Demosion Sema kennen.716 Das Inschriften-Denkmal allein muss damit eine Gesamtbreite von mindestens sechs Metern gehabt haben. In Kombination mit dem monumentalen Tumulus lässt sich ein Grabdenkmal rekonstruieren, das zu seiner Zeit ohnegleichen war. Die Botschaft, welche das Monument an den Betrachter vermittelte, war in erster Linie der Stolz der Polis Athen und der Erfolg ihrer neuen Staatsform. Die Stelenwand repräsentierte die Unterteilung des Heeres und der Bürgerschaft nach ihren Phylen (und zwar in der offiziellen Reihenfolge) und die gleichberechtigte Nennung aller Namen entspricht dem demokratischen Prinzip der Isonomia. Bei der Konzeption des Denkmals brachte man den militärischen Erfolg also bewusst mit der Staatsform in Verbindung, damit die Betrachter sich gleichsam mit der Erinnerung an die Toten und mit der neuen kleisthenischen Ordnung identifizieren konnten. Ob es auch in anderen Stadtstaaten zu einer Übernahme von aristokratischen Repräsentationsformen in die öffentliche Gefallenenehrung kam, ist freilich kaum zu beurteilen. Zwar lässt sich im gesamten griechischen Mutterland ab der Zeit um 500 eine Abwendung von monumentalen Grabformen im privaten Bereich postulieren, aber dabei scheint es sich eher um einen generellen Trend als um eine Folge gesetzlicher Regulierungen gehandelt zu haben.717 Immerhin haben wohl auch andere Poleis die archaische Form des Tumulusgrabes für die Bestattung ihrer Perserkriegsgefallenen genutzt. Herodot berichtet, wie eingangs erwähnt, dass die Aigineten auf dem Schlachtfeld von Plataiai nachträglich einen Grabhügel aufschütten ließen (χῶμα χῶσαι).718 Man geht sicher nicht falsch in der Annahme, dass die Bewohner der Insel im Saronischen Golf sich dabei an den „echten“ Denkmälern der übrigen Bündner orientierten. Auch das Grab des plataiischen Kontingents bei Marathon (2), welches Pausanias erwähnt, wird mit einem Tumulus in Verbindung gebracht.719 Abgesehen von den Zweifeln an der 714 Anth. Gr. 16, 26. Vgl. Kap. 2.3.3. 715 SEG 56, 431; 432. Zum Gesamt Monument: Steinhauer 2010, S. 104 105; Ameling 2011, S. 18. 716 IG I3 1144; 1147. Eine gute Vorstellung vermittelt die Rekonstruktionszeichnung bei Bradeen 1964, S. 26, Abb. 1. 717 Morris 1992, S. 145 149. Zu Grabluxusgesetzen in anderen archaischen Poleis vgl. Toher 1991, bes. S. 174 175. 718 Hdt. 9, 85, 3: τῶν δὲ ἄλλων ὅσοισι ϰαὶ φαίνονται ἐν Πλαταιῇσι ἐόντες τάφοι, τούτους δέ, ὡς ἐγὼ πυνϑάνομαι, ἐπαισχυνομένους τῇ ἀπεστοῖ τῆς μάχης ἑϰάστους χώματα χῶσαι ϰεινὰ τῶν ἐπιγι νομένων εἵνεϰεν ἀνϑρώπων, ἐπεὶ ϰαὶ Αἰγινητέων ἐστὶ αὐτόϑι ϰαλεόμενος τάφος. 719 Paus. 1, 32, 2: ϰαὶ [τάφος] ἕτερος [ἐστίν] Πλαταιεῦσι Βοιωτῶν.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

Identifizierung des Monuments hat die archäologische Forschung gezeigt, dass die Bestattung zunächst in Form von einzelnen Erdgräbern mit Markierungen vorgenommen worden war, welche erst zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Hügel überdeckt wurden.720 Die übrigen Perserkriegsdenkmäler werden von den antiken Autoren mit den neutralen Begriffen Grab (τάφος) und Gemeinschaftsgrab (πολυανδρίον) bezeichnet, welche keine Rückschlüsse auf die konkrete Form der Monumente erlauben.721 Einen Sonderfall bildet das Löwendenkmal für den gefallenen Spartanerkönig Leonidas (4) an den Thermopylen.722 Der tatsächliche Verbleib der Gebeine des Königs ist unbekannt. Einerseits berichtet Herodot, dass der Leichnam in die Hände des Xerxes gelangte und geschändet wurde, und andererseits sollen die sterblichen Überreste des Leonidas eine Generation nach den Perserkriegen in ein Heroon nach Sparta überführt worden sein.723 Auch die Beschreibung des Denkmals bei Herodot erlaubt durchaus die Interpretation, dass es sich lediglich um ein Ehren- und nicht um ein tatsächliches Grabdenkmal bzw. um ein Kenotaph handelt.724 Der Befund ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig. Im Vergleich zu den Gemeinschaftsgräbern zur Ehrung der Gefallenen im übrigen Griechenland fällt zunächst die Heraushebung einer einzelnen Person auf. Diese Praxis findet Parallelen in den allgemeinen Bestattungsriten der spartanischen Gesellschaft. So genossen laut Xenophon alle verstorbenen Könige in Sparta heroische Ehren.725 Herodot beschreibt die aufwendigen Rituale und Feierlichkeiten, welche beim Tod eines spartanischen Königs begangen wurden. Bemerkenswert ist, dass die Teilnahme an der Bestattungszeremonie verpflichtend war, und zwar nicht nur für Spartiaten, sondern auch für Heloten und Perioiken. Wenn ein König im Krieg fiel, wurde er mit den übrigen Hopliten auf dem Schlachtfeld beigesetzt und in Sparta stattdessen ein Abbild (εἴδωλον) seiner Person zu Grabe getragen.726 Diese klare Hierarchisierung von Kriegstoten wurde auch auf die übrigen Mitglieder der spartanischen Gesellschaft übertragen. Während alle anderen Stadtstaaten in der Ebene von Plataiai ein einziges Grabmonument hatten, errichteten die Spartaner drei

720 Zu den Funden: Marinatos 1970, S. 21 25; IG I3 1362. Zur Interpretation: Welwei 1979; Mersch 1995, S. 59 61; Goette/Weber 2004, S. 83 84. 721 Paus. 1, 32, 2; Strab. 9, 4, 2. 722 Hdt. 7, 225, 2: ὁ δὲ ϰολωνός ἐστι ἐν τῇ ἐσόδῳ, ὅϰου νῦν ὁ λίϑινος λέων ἕστηϰε ἐπὶ Λεωνίδῃ. 723 Hdt. 9, 78, 2; vgl. 7, 238, 2; Paus. 3, 14, 1. 724 Zur Bedeutung der Wendung ἐπὶ Λεωνίδῃ vgl. Pritchett 1985, S. 171. 725 Xen. Lak. pol. 15, 9: Αἵ δὲ τελευτήσαντι τιμαὶ βασιλεῖ δέδονται τῇδε βούλονται δηλοῦν οἱ Λυϰούργου νόμοι ὅτι οὐχ ὡς ἀνϑρώπους ἀλλ’ ὡς ἥρωας τοὺς Λαϰεδαιμονίων βασιλεῖς προτετιμήϰασι. 726 Hdt. 6, 58, 1 3. Zum Kriegstod des Königs bei 6, 58, 3: ὅς δ’ ἄν ἐν πολέμῳ τῶν βασιλέων ἀποϑάνῃ, τούτῳ δὲ εἴδωλον σϰευάσαντες ἐν ϰλίνῃ εὖ ἐστρωμένῃ ἐϰφέρουσι. Dazu: Cartledge 1988; Schaefer 1957, S. 223 233. Dagegen berichten einige Quellen auch davon, dass die Leichen der spar tanischen Könige mit einfachen Mitteln mumifiziert und nach Hause überführt wurden. Dazu: Prit chett 1985, S. 241 242.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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Denkmäler, mit denen die Irenen, Spartiaten und Heloten getrennt voneinander geehrt wurden.727 Dort, wo das athenische Denkmal in Marathon die politische Gleichheit der Toten betonte, wurden also hier die sozialen Unterschiede zwischen Spartiaten, unverheirateten Männern (ἰρένες) und unfreien Heloten herausgestellt. Die spartanischen Formen der Kriegskommemoration auf dem Schlachtfeld spiegeln also auch die Prinzipien der staatlichen Ordnung in der Heimat wider. Die Differenzierung der Toten in Plataiai führte den Anwesenden die vertikale Hierarchie der eigenen Polisgemeinschaft vor Augen und verstärkte sie damit. Der gefallene König erhielt ein eigenes Denkmal, welches seine führende Stellung innerhalb des spartanischen Kosmos repräsentierte. Toher hat deutlich gemacht, dass die aufwendige Form der öffentlichen Beisetzung des toten Königs in Sparta konkrete soziale und politische Funktionen hatte. Durch die verpflichtende Teilnahme aller Bewohner an den Bestattungsfeierlichkeiten konnten die Eurypontiden und Agiaden vor ganz Lakedaimon ihren Führungsanspruch proklamieren und ihre Stellung über den Tod des aktuellen Königs hinaus sichern. Außerdem bot die Bestattungszeremonie eine Gelegenheit, um die Einheit der Bewohner zu beschwören und die Zufriedenheit mit der bestehenden Ordnung zu fördern.728 Damit trugen die Feierlichkeiten zu Ehren der gefallenen Könige in Sparta, ähnlich wie etwa die Gedenkfeste in Attika, letztlich zur Integration und Selbstvergewisserung der lakedaimonischen Polisgemeinschaft bei. Ähnliche Implikationen mögen auch mit dem Löwendenkmal an den Thermopylen verbunden gewesen sein. Da die Bestattung der Kriegstoten dort nicht von den griechischen Stadtstaaten selbst, sondern von der pyläisch-delphischen Amphiktyonie verantwortet wurde, ist es unwahrscheinlich, dass das Monument für Leonidas Teil des ursprünglichen Denkmälerensembles von 480/79 war.729 Möglicherweise ließen die Mitglieder des Hauses der Agiaden die Statue nachträglich errichten, um die Erinnerung an die Thermopylenschlacht auf den Vertreter ihres Geschlechtes zu lenken und damit die eigene Stellung in Sparta zu festigen.730 Schließlich ist auch die Form des Denkmals bemerkenswert: Während Löwenskulpturen häufig in privaten Bestattungskontexten des 5. und 4. Jhs. belegt sind, tritt das Symbol hier erstmals im Zusammenhang mit der öffentlichen Kommemoration auf.731 Der Grund für die Wahl dieser ungewöhnlichen Denkmalsform mag die Anlehnung an den Namen des toten Königs gewesen sein. Jedenfalls scheint das Monument zur Erinnerung an 727 Hdt. 9, 85, 1 2: Λαϰεδαιμόνιοι μὲν τριξάς ἐποιήσαντο ϑήϰας· [. . .] ἐν μὲν δὴ ἑνὶ τῶν τάφων ἦσαν οἱ ἰρένες, ἐν δὲ τῷ ἑτέρῳ οἱ ἄλλοι Σπαρτιῆται, ἐν δὲ τῷ τρίτῳ οἱ εἵλωτες. Zur Diskussion der Stelle vgl. Hodkinson 2000, S. 258. 728 Toher 1991, S. 171 174. 729 Hdt. 7, 228, 4 berichtet dass die pyläisch delphische Amphiktyonie die Grabinschriften gestiftet hat. Dazu siehe unten. 730 Da Leonidas' Sohn Pleistarchos zum Zeitpunkt der Niederlage an den Thermopylen noch ein Kind war, mussten zunächst sein Onkel Kleombrotos und später Pausanias als Vormünder das Kö nigsamt übernehmen. Dazu: Hdt. 9, 10, 1 2. 731 Clairmont 1983, S. 233.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

Leonidas noch in klassischer Zeit als Vorbild für andere Gefallenengräber gedient zu haben.732 Neben dem Ehrendenkmal für Leonidas existierten an den Thermopylen weitere Inschriftendenkmäler für die gefallenen Griechen (3). Bemerkenswert ist, dass offenbar alle fünf in der antiken Literatur überlieferten Epigramme zwar auf getrennten Stelen, aber an einem einzigen Polyandrion standen.733 Die Toten wurden hier also nicht, wie sonst üblich, nach Stadtstaaten separiert, sondern gemeinsam beigesetzt. Der Grund dafür dürfte im Ausgang der Schlacht liegen. Nachdem die griechischen Kontingente vernichtend geschlagen worden waren, verfügten die Perser nicht nur über den Thermopylenpass, sondern auch über die Leichen der gefallenen Gegner.734 Die Initiative zur Bestattung und Ehrung der Griechen ging daher nicht von Vertretern der Stadtstaaten selbst, sondern von den Mitgliedern der pyläisch-delphischen Amphiktyonie aus, deren Bundesheiligtum der anthelischen Demeter sich unweit des Schlachtfeldes befand. Der entsprechende Hinweis bei Herodot kann nur so verstanden werden, dass die Amphiktyonen einen Teil der Grabinschriften nach dem Abzug des persischen Heeres in Auftrag gaben und finanzierten.735 Eine gewisse Sonderstellung nimmt die Grabinschrift zu Ehren des Sehers Megistias ein, die der Dichter Simonides von Keos aufgrund einer freundschaftlichen Verbindung selbst gestiftet haben soll.736 Das Inschriften-Ensemble umfasste außerdem ein Distichon für die peloponnesischen Bündner, sowie das berühmte Epigramm für die 300 gefallenen Spartiaten.737 ὦ ξεῖν’, ἀγγέλλειν Λαϰεδαιμονίοις ὅτι τῇδε ϰείμεϑα τοῖς ϰείνων ῥήμασι πειϑόμενοι.

732 So in Theben (424) und später bei Chaironeia (338): Clairmont 1983, S. 232, Nr. 48c; S. 240, Nr. 77d. 733 Strab. 9, 4, 2: τὸ ἐπίγραμμα [. . .] ἐπὶ τῇ πρώτῃ τῶν πέντε στηλῶν τῶν περὶ Θερμοπύλας ἐπιγε γραμμένον πρὸς τῷ πολυανδρίῳ. Auch in klassischer Zeit erwähnt Hdt. 7, 228 nur getrennte In schriftenmonumente. Die fünf überlieferten Epigramme ehren die Peloponnesier, die Spartiaten, den Seher Megistias (alle bei Hdt. 7, 228), die Thespier (Steph. Byz. s. v. Thespeia) und die Lokrer (Strab. 9, 4, 2). Über die Frage, ob es weitere Denkmäler für die Kontingente der Phoker und der Thebaner gegeben hat, kann nur spekuliert werden. Dazu zuletzt: Erbse 1998, S. 218 219. Einen Überblick über alle Grabdenkmäler an den Thermopylen bietet Pritchett 1985, S. 168 173. 734 Laut Hdt. 8, 24 25 ließ Xerxes die Leichen zur Motivation seiner Truppen ausstellen. Über ihren weiteren Verbleib ist darüber hinaus nichts bekannt. Zu den Ereignissen während der Schlacht: Hdt. 7, 210 225; 233. 735 Hdt. 7, 228, 4: ἐπιγράμμασι μέν νυν ϰαὶ στήλῃσι [. . .] ᾿Αμφιϰτύονές εἰσί σφεας οἱ ἐπιϰοσμήσαν τες. Zur Rolle der Amphiktyonie: Petrovic 2007, S. 68 72. 736 Hdt. 7, 228, 4. Dazu: Erbse 1998, S. 215. 737 Hdt. 7, 228, 1 3. Vgl. Diod. 11, 33, 2; Lykurg. Leokr. 109; Anth. Gr. 7, 248 249. Alle drei Gedichte werden der Autorenschaft des Simonides zugeschrieben, auch wenn Herodot dies nicht explizit er wähnt. Dazu: Petrovic 2007, S. 63 79; Erbse 1998, S. 213 215; Page 1981, S. 231 232.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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Fremder, melde den Lakedaimoniern, dass wir hier liegen ihren Befehlen gehorchend. (Hdt. 7, 228, 2; Eigene Übers.)

Das Gedicht bildet eine frühe Phase der Kriegserinnerung ab, insofern die Amphiktyonen der Thermopylenschlacht noch keinen politischen Sinn zuschreiben, wie dies später insbesondere in Sparta üblich war.738 Stattdessen loben die Verse die kämpferische Tugend der Toten aufgrund ihres Gehorsams gegenüber den Erwartungen der Polis und versuchen den Betrachter der Stele zur Verbreitung der Erinnerung anzuhalten. Einen ähnlichen Grundton tragen auch die anderen beiden Gedichte, welche die Tapferkeit der Gefallenen angesichts der zahlenmäßigen Unterlegenheit und der Todesgewissheit herausstellen.739 Auf eine Adaption der Argumente aus der Legitimationsstrategie des Hellenenbundes (Rettung von Hellas, Erhaltung der Freiheit) wurde von Seiten der Amphiktyonen verzichtet.740 Am Inschriftendenkmal der opuntischen Lokrer hingegen, welches erst einige Zeit nach der Schlacht durch die Polisgemeinschaft selbst errichtet worden sein muss, kommt eben diese Erinnerungsstrategie prominent zum Tragen. τούσδε ποθεῖ φϑιμένους ὑπὲρ ῾Ελλάδος ἀντία Μήδων, μητρόπολις Λοϰρῶν εὐϑυνόμων ᾿Οπόεις. Diese Männer hier, die einst für Hellas gegen die Meder starben, (ehrt) die Mutterstadt der gerechten Lokrer Opus. (Strab. 9, 4, 2; Eigene Übers.)

Die Lokrer hatten das Schlachtfeld nach Bekanntwerden des Verrats durch Ephialtes verlassen und schlossen sich den Persern an, nachdem diese Mittelgriechenland erobert hatten.741 Aufgrund dieser Vorgänge ist es unwahrscheinlich, dass den Opuntiern durch die Amphiktyonen im direkten Anschluss an die Kriegsereignisse die Aufstellung

738 Laut Albertz kommemorierten die Spartaner die Thermopylenschlacht später als Vorausset zung für den Sieg des Hellenenbundes bei Plataiai und damit als Teil des Sieges gegen die Perser. Zur Interpretation des Epigramms: Albertz 2006, S. 50 66; Thommen 2003, S. 3 7; Clarke 2002, S. 68 77; Erbse 1998, S. 215 217; Nickel 1995. Zu den Übersetzungen des Epigramms ist weiterhin lesenswert: Oppermann 1953. 739 Hdt. 7, 228, 1 3: μυριάσιν ποτὲ τῇδε τριηϰοσίαις ἐμάχοντο ἐϰ Πελοποννάσου χιλιάδες τέτορες. [. . .] μνῆμα τόδε ϰλεινοῖο Μεγιστία, ὅν ποτε Μῆδοι Σπερχειὸν ποταμὸν ϰτεῖναν ἀμειψάμενοι, μάν τιος, ὅς τότε Κῆρας ἐπερχομένας σάφα εἰδὼς οὐϰ ἔτλη Σπάρτης ἡγεμόνας προλιπεῖν. 740 Jung 2006, bes. S. 92 93 verdeutlicht, dass eben diese Argumente vom Hellenenbund ange sichts des zweiten Perserkriegszuges verwendet wurden. Ebenso Kienast 2003, S. 48 49. 741 Zum Kontingent: Hdt. 7, 203. Zum Abzug: Hdt. 7, 219 222. Zum Übertritt: Hdt. 8, 66; vgl. 7, 132, 1.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

eines Grabdenkmals gewährt wurde.742 Im Epigramm wurde der aus der Kommemoration anderer Schlachten des zweiten Perserkriegszuges wohl bekannte Anspruch, für ganz Hellas (ὑπὲρ ῾Ελλάδος) gekämpft zu haben, ausformuliert. In dieser Sinnzuschreibung lässt sich das Bestreben erkennen, die Polis Opus von den Medismos-Vorwürfen zu rehabilitieren und einen Platz in der panhellenischen Erinnerung zu beanspruchen – ähnlich wie dies etwa auch die Aigineten mit ihrem Grabhügel in Plataiai intendierten. Daneben zielte die Grabinschrift natürlich auch auf die Selbstdarstellung der opuntischen Hoplitenbürger ab. Die Stifter waren nicht nur stolz auf die Qualität der eigenen Gesetzgebung (εὐϑυνόμοι), sondern formulierten im Epigramm mit der Eigenbezeichnung als Metropolis auch ihren Anspruch auf die Vorherrschaft innerhalb des Stammes der Lokrer. Ähnlich wie auf dem Schlachtfeld von Plataiai (6) wurden schließlich auch die Toten aus der Seeschlacht bei Salamis auf der Insel in nach Poleis getrennten Gräbern beigesetzt und geehrt.743 Eines der dazugehörigen Inschriftendenkmäler (5) kam 1895 als Spolie verbaut in der salaminischen Stadt Ambelakia zutage. Es handelt sich um das Fragment einer langrechteckigen Stele aus Marmor, welches im oberen Drittel die Reste einer zweizeiligen Inschrift trägt und ansonsten unverziert ist.744 Gerade im Vergleich zu den athenischen Gefallenendenkmälern fällt die Tatsache auf, dass der Stein parallel zur Längsseite beschrieben wurde. Aufgrund der geringen Tiefe von sechs Zentimetern kann die Platte in dieser Form kaum aufrecht gestanden haben. Clairmont vermutet deshalb, dass die Stele horizontal auf das Grab gelegt oder zumindest dagegen gelehnt wurde.745 Das eingeschriebene Distichon kann mithilfe einer Abschrift bei Plutarch ergänzt werden und lautet: [ὦ ξεῖν’, εὔυδρ]όν ποϰ’ ἐναίομες ἄστυ Ϙορίνϑου· [νῦν δ’ ἅμ Αἴα]ντος [νᾶσος ἔχει Σαλαμίς·] [ἐνϑάδε Φοινίσσας νᾶας ϰαὶ Πέρσας ἑλόντες] [ϰαὶ Μήδους, ἱαρὰν ῾Ελλάδα ῥυσάμεϑα.] Wanderer, einst bewohnten wir die wasserreiche Stadt des Korinthos, jetzt birgt uns die Insel des Aias, Salamis. Hier überwältigten wir phönizische Schiffe und Perser, und Meder und retteten die heilige Hellas. (IG I3 1143; Übers. Petrovic 2007.)

742 Plut. Themistokles 20, 3 4 berichtet sogar von dem Versuch, die griechischen Städte, welche sich nicht am Kampf gegen die Perser beteiligt hatten, aus der delphischen Amphiktyonie auszu schließen. Zur Aufstellung der Inschrift: Page 1981, S. 235; vgl. Petrovic 2007, S. 72 73. 743 Zu Plataiai: Hdt. 9, 85, 1 3. Zu Salamis: Plut. mor. 870E (Grab der Korinther); IG II2 1035, Z. 33 34 (Grab der Athener). Die Versuche, die Polyandria auf Salamis durch archäologische For schungen zu lokalisieren, blieben bislang erfolglos. Dazu: Pritchett 1985, S. 129 131. 744 IG I2 927; IG I3 1143; Plut. mor. 870E. Mit einer Abbildung: Clairmont 1983, Pl. 14. 745 Clairmont 1983, S. 227. Vgl. Boegehold 1965, S. 184. Die Stele weist keinerlei Spuren einer An bringung (Dübel oder Klammerlöcher) auf.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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Nachdem das zweite Distichon zunächst für eine literarische Erweiterung der ursprünglichen Versinschrift gehalten wurde, hat sich zuerst Boegehold für seine Authentizität ausgesprochen, worin ihm viele Forscher gefolgt sind.746 Die Ehrung der Gefallenen wird in diesem kurz nach 480 verfassten Gedicht in den konkreten historischen Zusammenhang der Seeschlacht eingeordnet. Außerdem wird die Entfernung zwischen der Heimat der Toten und dem Standort ihres Grabdenkmals durch eine antithetische Gegenüberstellung der Orte Korinth-Salamis hervorgehoben.747 Auffällig ist auch die Identifizierung der beiden Lokalitäten mithilfe ihrer Schutzherrn Korinthos und Aias, wodurch die Kombattanten in die Nähe der mythischen Heroen gerückt werden. Der Stifter des Denkmals ist die Polisgemeinschaft, welche sich stolz mit dem epischen Epitheton (εὔυδρος) schmückt und im Namen ihrer Toten die Rettung ganz Griechenlands in Anspruch nimmt. Die Grabdenkmäler auf den Schlachtfeldern der Perserkriege wurden also von den griechischen Bündnern genutzt, um vor einem gesamtgriechischen Publikum die eigenen Leistungen zu dokumentieren und mithilfe der Dichtkunst hervorzuheben. Als Ausweis besonderer Verdienste wurden dabei der Kampf gegen einen überlegenen Gegner und das militärische Engagement jenseits der Grenzen des eigenen Territoriums angeführt. Die Monumentalität der erhaltenen Grab- und Inschriftendenkmäler zeigt außerdem, dass die Zeitgenossen sich der großen Bedeutung der Schlachten durchaus bewusst waren. Schließlich ist bemerkenswert, dass die Gestaltung der Erinnerungsmale keineswegs einheitlich war und die Interessen der jeweiligen Stifterpolis widerspiegelte. Die Athener betonten die Gleichheit der Bürger durch die Ehrung der Kombattanten mit Gefallenenlisten, während die Spartaner der hierarchischen Gliederung ihrer Gesellschaft mit getrennten Bestattungen und einem separaten Denkmal für den toten König entsprachen. An den genannten Beispielen wird noch einmal deutlich, wie eng das Selbstverständnis der jeweiligen Stadtstaaten mit ihren inneren Verfassungen verbunden war. Der Stolz über das eigene Staatswesen reichte über das Territorium der jeweiligen Polis hinaus und wurde mithilfe der Kriegsdenkmäler auch auf dem Schlachtfeld artikuliert. Perserkriegs-Kenotaphe in der Heimat Neben der Ehrung der Gefallenen auf dem Schlachtfeld scheint es auch ein steigendes Bedürfnis nach der Schaffung von Kriegserinnerungen in der Heimat gegeben zu haben, wie dies bereits im Zusammenhang mit anderen Kommemorationsformen postuliert wurde. Mithilfe des archaischen Kenotaphs der Stadt Ambrakia konnte gezeigt werden, dass die Praxis, im urbanen Raum der Polis leere Grabmonumente zur Ehrung von Kriegsgefallenen zu errichten, mindestens bis ins 6. Jh. zurückreicht. Ebenso

746 Boegehold 1965, S. 184 186; Page 1981, S. 202 204. Zuletzt: Petrovic 2007, S. 145 147. 747 Ein vergleichbares Motiv weist das Epigramm für die Thermopylenkämpfer aus Thespiai auf: Steph. Byz. s. v. Thespeia.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

wie die neugestifteten Kulte zur Erinnerung an historische Schlachten schufen diese Denkmäler – als Alternative zu ihren Pendants auf entfernten Schlachtfeldern – einen materiellen Rahmen für die Speicherung und Vergegenwärtigung kollektiver Erinnerungen innerhalb des eigenen Einflussbereichs. Literarische und epigraphische Quellen bezeugen, dass mehrere Mitglieder des Hellenenbundes von dieser Form der Kommemoration Gebrauch machten. Grabdenkmal

Ort

Datierung



Gefallenenliste für Thermoplyen-Kämpfer

Sparta

 (?)



Kenotaph für Perserkriegsgefallene

Korinth





Kenotaph für Salamis-Gefallene

Athen





Kenotaph für Perserkriegsgefallene

Megara



Im kaiserzeitlichen Sparta gab es eine Gefallenenliste (1) mit den Namen der 300 Spartiaten, die an den Thermopylen gestorben waren.748 Die Bemerkung Herodots, dass er in der Lage war, die Namen aller Kämpfer in Erfahrung zu bringen, spricht dafür, dass dieses Denkmal bereits in klassischer Zeit existierte, auch wenn sich darüber keine endgültige Sicherheit mehr gewinnen lässt.749 Laut der Beschreibung des Pausanias befand sich die Stele in der Nähe der Agora und des Theaters an einer zentralen Stelle innerhalb der antiken Stadt.750 Die mit der Inschrift räumlich korrespondierenden Ehrendenkmäler bzw. Heroa für die Feldherren Leonidas, Pausanias und Brasidas sind aber sämtlich jünger.751 Daher muss auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass die Gefallenenliste ebenfalls erst aus der Mitte des 5. Jhs. stammt oder zu diesem Zeitpunkt in das Denkmälerensemble integriert wurde. Die Tendenz, mehrerer Perserkriegsschlachten zusammen zu gedenken lässt sich auch an anderen Kenotaphen ablesen. Während man bei den Grabdenkmälern auf dem Schlachtfeld jeweils nur die Toten einer spezifischen Schlacht ehren konnte, ließen sich die Erinnerungen in der Heimat problemlos kombinieren und in größere Kommemorationsstrategien einordnen. Durch die Verbindung mit dem Gedenken an Pausanias und die Schlacht bei Plataiai etwa, ließ sich die Niederlage an den Thermopylen zum Bestandteil einer Erfolgsgeschichte und damit letztlich auch zu einem Sieg stilisieren.752 Besonders evident ist dieses Vorgehen bei der Gefallenenehrung in Megara. Von Pausanias erfahren wir, dass es im Inneren der Stadt

748 Paus. 3, 14, 1: ϰεῖται δὲ ϰαὶ στήλη πατρόϑεν τὰ ὀνόματα ἔχουσα οἳ πρὸς Μήδους τὸν ἐν Θερμοπύλαις ἀγῶνα ὑπέμειναν. 749 Hdt. 7, 224, 1. 750 Paus. 3, 14, 1 2. 751 Zur Datierung der Heroengräber für Leonidas und Pausanias vgl. Jung 2011. Zur Gruppe der Denkmäler: Thommen 2003, S. 123 124. 752 Albertz 2006, S. 88 mit Bezug auf Diod. 11, 11, 5.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

177

neben anderen Gräbern ein Heroon für die Kombattanten der Perserkriegsschlachten (4) gegeben hat.753 Diese Angabe wird durch eine Inschrift bestätigt, welche aus dem 4./5. Jh. n. Chr. stammt und der Erneuerung eines älteren Denkmals diente.754 Das wiederaufgezeichnete Epigramm lässt sich in die Zeit unmittelbar nach dem Abschluss der Perserkriege datieren und ehrt die Gefallenen aller vier Schlachten, an denen Kontingente aus Megara beteiligt waren:755 ῾Ελλάδι ϰαὶ Μεγαρεῦσιν ἐλεύϑερον ἆμαρ ἀέξειν ἱέμενοι ϑανάτου μοῖραν ἐδεξάμεϑα. τοὶ μὲν ὑπ’ Εὐβοίᾳ ϰαὶ Παλίῳ, ἔνϑα ϰαλεῖται ἁγνᾶς ᾿Αρτέμιδος τοξοφόρου τέμενος, τοὶ δ’ ἐν ὄρει Μυϰάλας, τοὶ δ’ ἔμπροσϑεν Σαλαμῖνος [. . . 1 Vers . . .] τοὶ δὲ ϰαὶ ἐν πεδίῳ Βοιωτίῳ, οἵτινες ἔτλαν χεῖρας ἐπ’ ἀνϑρώπους ἱππομάχους ἱέναι. ἀστοὶ δ’ ἄμμι τόδε [ξυνὸν] γέρας ὀμφαλῶι ἀμφίς Νισαίων ἔπορον λαοδόϰων ἀγοραῶν. Für Hellas und Megarer den Tag der Freiheit zu fördern bestrebt, erlitten wir das Todeslos. Die einen auf Euböa und bei Palion, wo der Bezirk der heiligen bogenbewehrten Artemis genannt wird, die anderen im Gebirge von Mykale, wieder andere vor Salamis, [. . .] andere auch im boiotischen Land, die es wagten, ihre Hände gegen die Reiter zu erheben Bürger haben uns diese [gemeinsame] Ehrengabe um den Omphalos der Megarer auf der viele Menschen fassenden Agora geschenkt. (IG VII 53, Z. 4 13; Übers. Petrovic 2007.)

Gleich zu Beginn wird der Sinn genannt, welchen das Denkmal dem Tod der Hopliten zuordnet: die Erhaltung der Freiheit von Megara und von ganz Hellas. Hierin kam das in den Perserkriegen gewonnene Bewusstsein der freien politischen Handlungsfähigkeit zum Ausdruck, welche man mit den Siegen über Xerxes gewahrt hatte. Dieselbe Erinnerungsfigur kam auch im Kult der Artemis Soteira zum Tragen, welchen die

753 Paus. 1, 43, 3: εἰσὶ δὲ τάφοι Μεγαρεῦσιν ἐν τῇ πόλει· ϰαὶ τὸν μὲν τοῖς ἀποϑανοῦσιν ἐποίησαν ϰατὰ τὴν ἐπιστρατείαν τοῦ Μήδου, τὸ δὲ Αἰσύμνιον ϰαλούμενον μνῆμα ἦν ϰαὶ τοῦτο ἡρώων. 754 IG VII 53. Die Präambel der Inschrift gibt darüber Auskunft, dass ein Priester namens Helladios die Wiederaufzeichnung der Inschrift initiierte: τὸ ἐπίγραμμα τῶν ἐν τῷ Περσιϰῷ πολέμῷ ἀποϑα νόντων ϰὲ ϰειμένω[ν] ἐνταῦϑα ἡρώων, ἀπολόμεν δὲ τῷ χρόνῳ ῾Ελλάδιος ὁ ἀρχιερεὺς ἐπιγρ[α]φῆναι ἐποίησαν εἰς τειμὴν τῶν ϰειμένων ϰαὶ τῆς πόλεως. Σιμωνίδης ἐποίει. Zur Autorenschaft: Petrovic 2007, S. 206 208. 755 Page 1981, S. 214 spricht sich für eine Datierung des Epigramms (Z. 4 13) an den Beginn des 5. Jhs., also kurz nach dem Abschluss der Perserkriege aus. Chaniotis 1988, S. 255 256 gibt aber zu bedenken, dass die Verse 12 13 ein jüngerer Zusatz sein könnten.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

Megarer ebenfalls zur Kommemoration der Perserkriegsschlachten einrichteten.756 In den innerstädtischen Kriegsdenkmälern kam also in erster Linie das Selbstbewusstsein der Bürgerschaft als eigenständige politische Handlungsgemeinschaft zum Ausdruck. Im Anschluss an das erste Distichon erfolgte eine Einordnung des historischen Geschehens durch die Nennung der Schlachtorte Kap Artemision, Mykale, Salamis und Plataiai.757 Die vergleichsweise ausführliche Darstellung hob die Beteiligung und Bedeutung, welche den megarischen Hopliten in den Perserkriegen zukam, heraus. Mit den letzten Versen bezeichnete der Dichter den Aufstellungsort des Denkmals. Demnach war die ursprüngliche Inschrift rund um einen Omphalos – einen monolithischen, mit der kultischen Verehrung des Apollon verbunden Stein – angebracht, der sich auf der Agora befand. Petrovic konnte belegen, dass diese wörtliche Interpretation der Verse richtig ist und dass es am genannten Standort einen Kult des pythischen Apollon gegeben hat, in den die Ehrung der Gefallenen eingebunden wurde.758 Das Gedenken an die Kriegstoten wurde an dieser prominenten Stelle nicht nur mit dem göttlichen Schutzherrn der Stadt, sondern auch mit den benachbarten Gräbern der Gründer (ϰτίσται) in Verbindung gebracht.759 Durch die Anbringung der epideiktischen Grabinschrift auf dem Kultstein wurde dieser also zum Kriegsdenkmal umfunktioniert und die Kombattanten zu Gründergestalten der Polisgemeinschaft stilisiert. Sie genossen als solche auch selbst kultische Verehrung, wie die abschließende Bemerkung des Helladios belegt. Demnach brachte man den Gefallenen noch im 4./5. Jh. n. Chr. (jährlich) einen Stier als Opfer dar.760 Wir dürfen annehmen, dass der Kultstein in klassischer Zeit dabei als Altar diente und dass die Hopliten hier einen ähnlichen Totenkult genossen wie in Plataiai.761 Neben dem Heroon in Megara und einem nur in literarischer Form überlieferten Epigramm von einem Kenotaph in Korinth (2),762 verfügen wir über die Reste eines

756 Paus. 1, 40, 2 3. Dazu Kap. 3.1.3. 757 Zur Beteiligung der Megarer: Hdt. 8, 1 (Artemision); 8, 145 (Salamis); 9, 69 (Plataiai). Thuk. 1, 94, 1 und Diod. 11, 44, 2 berichten, dass bei Mykale 25 Schiffe aus der Peloponnes mitkämpften. Diese dürften auch die Kontingente der Polis Megara einschließen. 758 Petrovic 2007, S. 199 200. Zum Kult: Paus. 1, 43, 8; Strab. 9, 394; Hanell 1934, S. 84 91. Darü ber hinaus wurde der Omphalos im 2./3. Jh. n. Chr. auch auf provinzialrömischen Münzen der Stadt Megara dargestellt: BMC Gr, Corinth, S. 124; 541; Taf. 22, 7 und BCD Peloponnesos Nr. 51.5. Da der Kultstein im 3. Jh. n. Chr. offensichtlich noch existierte, könnte man darüber spekulieren, ob die Neuaufzeichnung der Inschrift nicht überhaupt erst notwendig wurde, weil Helladios das pagane Symbol entfernen ließ. 759 Paus. 1, 43, 3 8. 760 IG VII 58, Z. 14: μέχρις ἐφ’ ἡμῶν δὲ ἡ πόλις ταῦρον ἐνάγιζεν. 761 Petrovic 2007, S. 200. Zu Plataiai: Plut. Aristeides 21, 2 5. 762 Plut. mor. 870E F: ἀϰμᾶς ἑσταϰυῖαν ἐπὶ ξυροῦ ῾Ελλάδα πᾶσαν ταῖς αὐτῶν ψυχαῖς ϰείμεϑα ῥυσά μενοι. Das Epigramm wurde durch einen späteren Zusatz, der bei Aristeid. or. 49, 66 überliefert ist, auf die Gefallenen der Seeschlacht von Salamis bezogen. Ursprünglich mögen aber auch mit die sem Denkmal die Gefallenen aller Schlachten im Rahmen des zweiten Perserkriegzuges geehrt wor den sein. Dazu: Clairmont 1983, S. 227 228; Page 1981, S. 204 206; Pritchett 1985, S. 174. Im

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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weiteren Gefallenendenkmals in Athen (3). Es handelt sich um Fragmente von drei langrechteckigen Marmorblöcken (A-C), die zwischen 1855 und 1973 auf der Athener Agora bzw. in deren Umgebung zum Vorschein kamen.763 Die Blöcke trugen mindestens vier Epigramme mit je zwei elegischen Distichen, welche in parallel übereinanderliegenden Schriftfeldern angebracht waren, und fügten sich zu einer einzelnen Monumentbasis zusammen. Der fragmentarische Zustand der Versinschrift macht es außerordentlich schwierig, das Denkmal aus der Zeit um 480–470 zu interpretieren und einem bestimmten Ereignis zuzuordnen.764 Immerhin wurde früh erkannt, dass die verwendeten Demonstrativpronomina τῶνδε und τοῖσδε auf die Ehrung von Kriegsgefallenen hinweisen und dass es sich um ein Grabdenkmal handeln muss.765 Die verschiedenen Deutungsansätze haben eine umfassende Forschungsdiskussion hervorgebracht, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.766 Nachdem das Monument häufiger mit der Schlacht bei Marathon bzw. mit den Perserkriegen insgesamt in Verbindung gebracht wurde, konnte Jung zeigen, dass sich alle vier Epigramme auf ein einzelnes Ereignis beziehen und dass dieses aufgrund spezifischer topographischer Begriffe nur die Seeschlacht bei Salamis sein kann.767 Ein weiteres gewichtiges Argument für diese Zuordnung ist die Verwendung von Motiven aus der Legitimationsstrategie des Hellenenbundes von 481, namentlich der Rettung von Hellas und der Bewahrung der Freiheit (῾Ελλά[δα μ]ὴ πᾶσαν δούλιο[ν ἧμαρ ἰδεῖν) im ersten Epigramm.768 Die Athener vertraten also, ebenso wie die Bürger der meisten anderen Poleis, den Anspruch, sich in den Perserkriegen über die Grenzen der eigenen Stadt hinaus verdient gemacht zu haben. Die Wendung „der Tag der Knechtschaft“ (δούλιον ἧμαρ) ist dabei eine Anlehnung an Formulierungen in den Homerischen Epen, wo der Heros Hektor die Unterwerfung seiner Heimatstadt Troja verhinderte.769 Dieser Bezug auf den Trojafeldzug der Griechen stellt ebenfalls einen panhellenischen Anknüpfungspunkt

Gegensatz zur Ausführlichkeit der Versinschrift in Megara liegt die Ästhetik dieses Denkmals in der Kürze der Inschrift. Die Korinther beanspruchen dabei ebenfalls explizit die Rettung ganz Griechen lands für ihre Toten. 763 IG I3 503/504; SEG 40, 28 (Block C). Daneben existiert mit Ag I 4256 eine jüngere Kopie des Blocks A. Dazu: Meritt 1956. Letztere Inschrift wurde jüngst in hellenistische Zeit datiert. Dazu: Tracy 2000, S. 141 142; Matthaiou 2000, S. 145 147; 151. 764 Zur Datierung: Oliver 1933, S. 486; Peek 1960, S. 498; zuletzt Petrovic 2007, S. 164. 765 Rausch 1999, S. 235 mit Bezug auf Page 1981, S. 222. 766 Die wichtigsten Beiträge sind: Oliver 1933; Jacoby 1945, S. 161 179; Meritt 1956; Welwei 1970; Pritchett 1985, S. 167 (für Marathon); Amandry 1960; Hammond 1968; Page 1981, S. 219 225; Clair mont 1983, S. 106 111; Proietti 2011 (für Salamis und Marathon); Stupperich 1977, S. 209 212 (für Kampagnen im Jahr 480); Barron 1990; Jung 2006, S. 84 96 (für Salamis); Hiller 1934; Peek 1960; Matthaiou 2003; Petrovic 2007, S. 158 177 (für Perserkriege insgesamt). 767 Jung 2006, S. 89 96. Diese Interpretation hatte bereits Barron 1990, S. 137 139 mit ähnlichen Argumenten vertreten. 768 Jung 2006, S. 92 94. Zitat: IG I3 503/504 A.I, Z. 2. 769 Rausch 1999, S. 236 mit Bezug auf Hom. Il. 6, 463; vgl. Od. 14, 340; 17, 323.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

dar, insofern die Mitglieder des Hellenenbundes auf das Ereignis ein gemeinsames Geschichts- und Wertebewusstsein gründeten.770 In den beiden mittleren Epigrammen werden die historischen Geschehnisse näher beschrieben, wobei die zur Verteidigung der Stadt Athen zurückgebliebenen Kämpfer offenbar ebenso geehrt werden wie die Hopliten, welche bei Salamis zu Land und zu Schiff kämpften.771 Im letzten Epigramm wird mit epischen Formeln auf die Halbinsel Kynosoura, den Bestattungsort der Toten, verwiesen und der Dichter verheißt ihnen blühendes Glück, wie es auch sonst in der griechischen Sepulkraldichtung üblich ist.772 Auch auf dem athenischen Denkmal wird also die Distanz zum Bestattungsort und damit letztlich die Abwesenheit der Toten von der Heimat beklagt. Die Blöcke mit den fragmentarischen Versinschriften fügen sich zu einer Basis zusammen, die mindestens fünf Meter breit gewesen sein muss und zur Einlassung von drei oder mehr Stelen diente.773 Das Gesamtmonument muss außerdem auf einem Postament gestanden haben, um die Lesbarkeit der Inschriften auf der Basis zu gewährleisten. Die an der Oberseite eingelassenen Stelen sind nicht erhalten, aber der Vergleich mit anderen athenischen Grabdenkmälern dieser Zeit, insbesondere auch mit dem Monument in Marathon, legt nahe, dass es sich bei den Einlassungen um Gefallenenlisten mit den Namen der Toten von Salamis handelte.774 Das Kenotaph stand dem Grabdenkmal von 490 dabei in seiner Monumentalität nicht nach, insofern die Stelen hier wesentlich breiter waren und durch den Unterbau aus Basis und Postament stark erhöht wurden. Auf eine optische Wiedergabe des kleisthenischen Phylensystems, wie in Marathon, wurde hier wohl nicht zuletzt deshalb verzichtet, weil die Phylenordnung beim Einsatz der Flotte keinerlei taktische Bedeutung hatte. Aber auch die panhellenischen Bezüge in den Epigrammen zeigen, dass die Zeitgenossen die Seeschlacht von Salamis anders werteten. Im Zentrum der Erinnerung stand nicht mehr die Überwindung der Peisistratiden und die Bestätigung der neuen Staatsordnung, sondern die Tatsache, dass man einen entscheidenden Beitrag zum griechischen Freiheitskampf geleistet hatte. Dass man die Seeschlacht im eigenen Territorium dabei höher gewichtete als den endgültigen Abwehrerfolg bei Plataiai, führt uns eindrücklich die unmittelbaren Selektionsmechanismen des kollektiven Gedächtnisses der Athener vor Augen. Der klassische Aufstellungsort des Grabdenkmals konnte mithilfe des Fundortes von Block C an der Straße zwischen Akademie und Dipylontor identifiziert werden. Während die kleineren Fragmente später als Baumaterial auf die Agora

770 Kienast 2003, S. 48 49. 771 IG I3 503/504, A.II B/C.II. Zur Interpretation: Barron 1990, S. 140. Zu den Kämpfen in Athen: Hdt. 8, 52. 772 IG I3 503/504, C.II: οὖϑαρ δ’ ἀπείρου πορτιτρόφου ἄϰρον ἔχοντες τοῖσιν πανϑαλὴς ὄλβος ἐπιστρέ[φεται]. 773 Matthaiou 2003, S. 195 196. 774 Matthaiou 1988, S. 120 122.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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verbracht wurden, ist dieser mit Abstand größte und schwerste Stein unweit des ursprünglichen Standortes im Gebiet des antiken Kerameikos verblieben.775 Damit gilt es als gesichert, dass das Denkmal für die athenischen Gefallenen bei Salamis im Demosion Sema aufgestellt war, d.h. im attischen Staatsfriedhof zur Ehrung von Kriegsgefallenen und weiteren verdienten Bürgern. Nachdem im vorhergehenden Kapitel postuliert wurde, dass diese Einrichtung in archaischer Zeit noch nicht existierte, stellt sich hier erneut die Frage nach dem Zeitpunkt des Beginns der Gefallenenehrung in Athen.776 Die Einrichtung des Demosion Sema in Athen Die Tatsache, dass die Athener ihre Gefallenen in archaischer Zeit ebenso wie die übrigen griechischen Poleis auf dem Schlachtfeld beisetzten, wurde u.a. aus der Grabinschrift für die 506 beim Sieg über die Boioter und Chalkidier getöteten Hopliten deutlich.777 Auch die attischen Kombattanten aus den Perserkriegen fanden ihre letzte Ruhestätte ohne Zweifel auf den Schlachtfeldern von Marathon, Salamis und Plataiai.778 Dagegen ist für die Zeit der Pentekontaetie der Brauch (πάτριος νόμος) belegt, die Asche der gefallenen Athener zu überführen und gemeinschaftlich in ihrer Heimatstadt beizusetzen.779 Den ausführlichsten Bericht dieses Vorgangs bietet Thukydides, der die entsprechende Zeremonie am Beginn des Peloponnesischen Kriegs detailliert beschreibt.780 Die Asche der Gefallenen wurde demnach ausnahmslos vom Heer nach Athen gebracht, um sie dort zusammen mit den Überresten der Toten desselben Kriegsjahres an einem festgelegten Termin im Winter feierlich zu bestatten.781 Als Ort der Beisetzung diente jeweils der sogenannte Staatsfriedhof (δημόσιον σῆμα), den wir aufgrund der Beschreibung des Pausanias im nordwestlichen Teil der Stadt lokalisieren können. Die Gräber derjenigen Athener, die sich in klassischer und hellenistischer Zeit in Krieg, Politik oder Kultur um die Bürgerschaft verdient gemacht hatten, befanden sich dort entlang

775 Matthaiou 2003, S. 198 200. Vgl. Rausch 1999, S. 234. Damit muss die ältere Deutung als „War Memorial“ auf der Agora bzw. auf der Akropolis, wie sie Jacoby 1945, S. 167 168; 176 vorgetragen hat, verworfen werden. 776 Siehe Kap. 2.3.3. 777 Anth. Gr. 16, 26. 778 Zu den entsprechenden Denkmälern siehe oben. Die wichtigsten Belege sind: Thuk. 2, 34, 5; Paus. 1, 29, 4; 1, 32, 3; SEG 56, 430 (Marathon); IG I3 503/504, C.II, Z. 1 (Salamis); Hdt. 9, 85, 1 2 (Plataiai). 779 Als ältester Beleg wird in der älteren Forschung die Gefallenenliste für das Jahr 464 (IG I3 1144) zur Erinnerung an die Schlacht von Drabeskos angesehen. Das entsprechende Denkmal erwähnt Paus. 1, 29, 4. Dazu: IAgora 17, 1 und mit einem unsicheren archäologischen Befund Clairmont 1981, S. 133 134. 780 Thuk. 2, 34. Dazu: Kap. 4.1.2. 781 Zur Frage des Termins vgl. Pritchett 1998, S. 29 38.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

der Ausfallstraßen vom Bereich des Dipylon-Tors hin zur Akademie.782 Da sich die Staatsgräber außerhalb des vom DAI ergrabenen Teils des Kerameikos-Friedhofs befinden, sind sie archäologisch bisher nur sehr vereinzelt und punktuell fassbar.783 Was an Überresten bisher in situ bzw. nahe des ursprünglichen Aufstellungsortes gefunden wurde, weist darauf hin, dass die Gräber der Kriegsgefallenen sich nahe der Stadtmauer entlang der Straßen befanden, welche zu den nordwestlichen Toren (Heiliges Tor, Dipylon-Tor, Erianisches Tor) führten.784 Am besten erhalten ist das monumentale Grabgebäude, welches die athenischen Demokraten 403 für die beim Sturz der Dreißig Tyrannen gefallenen Spartaner errichtet haben.785 Besser als über die eigentlichen Grabmonumente sind wir über die Inschriften unterrichtet. Zu den Staatsgräbern gehörige Marmorstelen mit Epigrammen, Gefallenenlisten und in seltenen Fällen auch Reliefdarstellungen fanden sich wiederverwendet an verschiedenen Orten des antiken Stadtgebietes.786 Die Frage, wann und warum die Athener aufhörten, ihre Toten noch auf dem Schlachtfeld beizusetzen, hat eine umfangreiche Forschungsdiskussion ausgelöst. Aufgrund einer wörtlichen Lesung der Pausanias-Stelle datierte man die Einrichtung des Demosion Sema in der älteren Forschung zunächst in die Zeit der Pentekontaetie und verband sie namentlich mit Kimon.787 Jüngere Untersuchungen haben das Quellenmaterial aber neu bewertet und zu einer Heraufdatierung an den Übergang von der archaischen zur klassischen Epoche geführt. Stupperich, und im Anschluss daran Rausch, haben gezeigt, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Beschränkung des aristokratischen Gräberluxus um 500 und dem Beginn der staatlichen GefallenenKommemoration besteht. So regelte das bei Cicero überlieferte post aliquando-Gesetz wohl ab kleisthenischer Zeit das Verbot von Grabbauten, -stelen und -reliefs im

782 Paus. 1, 29, 2 16. Vgl. Thuk. 2, 34, 5; Aristoph. Av. 395; Xen. hell. 2, 4, 33; Harpokration FGrH 370, Frg. 4b. Zu den literarischen Testimonien ausführlich Pritchett 1998, S. 11 25. Zu Pausanias' Beschreibung des Demosion Sema siehe auch Kap. 6.3. 783 Knigge 1988, S. 12. 784 Low 2012, S. 28 31, Abb. 2.7; Pritchett 1998, S. 2 11. Zur Lokalisierung auch Arrington 2015, S. 58 66; 82 88. 785 Goette/Hamerstaedt 2004, S. 237 238. Zu den Grabungsergebnissen: Willemsen 1977, S. 117 157; Knigge 1988, S. 160 161. Dazu: Kap. 4.1.2. Vgl. den jüngeren Befund, der sich möglicherweise mit dem Grabdenkmal von 465 in Verbindung bringen lässt: Clairmont 1981. 786 Low 2012, S. 15. 787 Paus. 1, 29, 4 beginnt die Aufzählung der Einzeldenkmäler im Demosion Sema mit: πρῶτοι δὲ ἐτάφησαν οὕς ἐν Θρᾴϰῃ ποτὲ ἐπιϰρατοῦντας μέχρι Δραβησϰοῦ τῆς χώρας ᾿Ηδωνοὶ φονεύσιν ἀνέλ πιστοι ἐπιϑέμενοι. Wenn man πρῶτοι als zeitliche Bestimmung auslegt, dann wären die Toten von Drabeskos im Jahr 465/4 die ersten Gefallenen gewesen, welche im Demosion Sema beigesetzt wur den. So u.a. Curtius 1891, S. 119 120; Jacoby 1944, S. 41. Wilamowitz 1893, Bd. 2, S. 292 hat die Ein richtung des Demosion Sema mit der Rückführung der Gebeine des Theseus durch Kimon in der Zeit um 475 in Verbindung gebracht. So auch Clairmont 1983, S. 12 14 und Pritchett 1985, S. 123 124. Clairmont hat aber eingeräumt, dass die Notiz πρῶτοι δὲ ἐτάφησαν bei Pausanias topo graphisch gemeint sein muss.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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privaten Bereich, um die Exklusivität dieser Repräsentationsformen für die kollektive Totenehrung der Polis zu sichern.788 Die Arete der Kriegsgefallenen und ihr Ruhm wurden nun nicht mehr von aristokratischen Familienverbänden herausgestellt, sondern vom Demos für dessen Selbstdarstellung und politische Legitimation vereinnahmt. Sichtbarer Ausdruck dieses neuen gesellschaftlichen Bewusstseins war die Verwendung von Gefallenenlisten, in denen die Abstammung der Einzelnen zugunsten der Zugehörigkeit zu den kleisthenischen Phylen vollständig zurückgestellt wurde. Um die politische Gleichheit (ἰσονομία) der Kombattanten zu betonen, wurde daher schon in der frühesten Liste für die Gefallenen von Marathon auf die sonst übliche Angabe der Patronymika verzichtet.789 Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen gab es in der Zwischenzeit einige Neufunde bzw. Neudatierungen, die darauf hinweisen, dass die ersten Gefallenendenkmäler im Demosion Sema bereits in der Zeit der Perserkriege errichtet wurden. Im entsprechenden Gebiet im äußeren Kerameikos existierte bereits in vorklassischer Zeit eine Nekropole, in der u.a. die wichtigsten Exponenten der neuen demokratischen Ordnung – die Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton sowie der Reformator Kleisthenes – in staatlich finanzierten Ehrengräbern beigesetzt worden waren.790 Das älteste Grabdenkmal für Kriegsgefallene an dieser Stelle dürfte das von Pausanias erwähnte Monument für die militärische Auseinandersetzung mit der benachbarten Insel Aigina sein.791 Dieses Ereignis wird in der althistorischen Forschung überwiegend auf das Jahr 488/7 datiert, wobei Czech-Schneider sich zuletzt für eine noch größere zeitliche Nähe zur Schlacht von Marathon ausgesprochen hat.792 Daneben errichteten die Athener bald nach 479 das oben besprochene Kenotaph zur Erinnerung an die Gefallenen der Seeschlacht von Salamis, welche aus athenischer Sicht das Schlüsselereignis während des Xerxes-Feldzuges war. Auf eine Rückführung der sterblichen Überreste wurde im Falle der Perserkriegsschlachten von 480/479 verzichtet, um die athenische Teilnahme im Rahmen der panhellenischen Erinnerungslandschaften auf den Schlachtfeldern zu dokumentieren.793 Erklärungsbedürftig erschien den antiken Autoren lediglich das Fehlen eines Denkmals für die Gefallenen von Marathon. So schreiben Thukydides und Pausanias, dass alle Kriegstoten im Demosion Sema beigesetzt wurden, außer

788 Cic. leg. 2, 64 65. Dazu: Stupperich 1977, bes. S. 219 221; Rausch 1999, S. 213 218. 789 Vgl. Stupperich 1977, S. 217 218. 790 Knigge 1988, S. 14 34 bietet einen Überblick zur Geschichte der vorklassischen Nekropole. Zu den Ehrengräbern: Paus. 1, 29, 6; 15. Dazu: Supperich 1977, S. 23 26. Rausch 1999, S. 209 211 spricht sich dafür aus, das die Ehrengräber für Einzelpersonen erst in der Zeit nach 490 angelegt wurden. 791 Paus. 1, 29, 7: ϰαὶ ᾿Αϑηναίων δ’ ἔστι τάφος, οἵ πρὶν ἢ στρατεῦσαι τὸν Μῆδον ἐπολέμησαν πρὸς Αἰγινήτας. 792 Zur Datierung auf 488/7 zuletzt ausführlich Figueira 1988; vgl. Welwei 1999, S. 41. Für ein früh eres Datum: Czech Schneider 1994, S. 27 31. 793 So auch Rausch 1999, S. 247 248.

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denjenigen von Marathon. Diese habe man zur Anerkennung ihrer besonderen Tugend (ἀρετή) direkt am Schlachtort begraben.794 Die Begründung dieser Ausnahme war nach Ansicht Czech-Schneiders deshalb notwendig, weil die Schlacht von 490 selbst der ausschlaggebende Impuls für die Einrichtung des Demosion Sema in Athen gewesen sei. Demnach führte das gemeinsame Siegeserlebnis zu einer grundlegenden Änderung des kollektiven Bewusstseins, das sich nun endgültig auf die bürgerliche Identität im Sinne der kleisthenischen Verfassungsordnung ausrichtete. Außerdem führte die Bedrohung durch einen nichtgriechischen Gegner den Athenern den Wert der eigenen Freiheit und die Vorteile der Gefallenenehrung auf heimischem Boden vor Augen.795 Wenn die Schlacht bei Marathon also tatsächlich den Anlass für die Einrichtung des Demosion Sema bildete, dann erklärt sich hinreichend, warum dieses Ereignis in den Epitaphien-Reden traditionell eine zentrale Rolle spielte und warum die Bestattung der Gefallenen von 490 auf dem Schlachtfeld einer spezifischen Begründung bedurfte.796 In der Rückführung der Gefallenen nach Athen und in ihrer öffentlichen Beisetzung kommt also das neue demokratische Bewusstsein der Politen zum Ausdruck, welches durch den Sieg bei Marathon noch gefördert wurde.797 Einen gehobenen sozialen Status gewannen die Bürger nun nicht mehr durch ihre aristokratische Abstammung, sondern ausschließlich durch politische oder militärische Verdienste zum Wohle des Demos. Die räumliche Assoziation mit den Ehrengräbern der Tyrannenmörder und des Kleisthenes vermochte diese Sinnzuschreibung noch zu verstärken. Dem engen Zusammenhang von bürgerlicher Identität und der Ehrung kriegstoter Mitbürger wurden die Grabdenkmäler auf extraurbanen Schlachtfeldern offenbar nicht mehr gerecht, weshalb man nach 490 begann, die dazugehörigen Monumente im städtischen Zentrum der staatlichen Gemeinschaft zu errichten. Gleichzeitig begann man damit, die Namen der einzelnen Hopliten in Form von Gefallenenlisten zu dokumentieren und zu kommemorieren.798 Die mit den Denkmälern zum Ausdruck gebrachte Vorstellung, dass jede einzelne, im Krieg gefallene Person erinnerungswürdig sei, ist zutiefst demokratisch und – zumindest in dieser fest institutionalisierten Form – ein Spezifikum der Polis Athen. Über die Gebräuche außerhalb Attikas lassen sich für die Zeit der Pentekontaetie kaum belastbare Aussagen treffen. In der literarischen Überlieferung begegnet 794 Thuk. 2, 34, 5: τιϑέασιν οὖν ἐς τὸ δημόσιον σῆμα, [. . .] ϰαὶ αἰεὶ ἐν αὐτῷ ϑάπτουσι τοὺς ἐϰ τῶν πολέμων, πλήν γε τοὺς ἐν Μαραϑῶνι· ἐϰείνων δὲ διαπρεπῆ τὴν ἀρετὴν ϰρίναντες αὐτοῦ ϰαὶ τὸν τάφον ἐποίησαν. Dasselbe Motiv findet sich bei Paus. 1, 29, 4. 795 Czech Schneider 1994, S. 22 27. Auch Rausch 1999, S. 230 242 und Low 2012, S. 28 datieren die Einrichtung des Demosion Sema in die Zeit nach 490. Etwas vorsichtiger (500 480) ist Arring ton 2015, S. 39 49. 796 Czech Schneider 1994, S. 26; 33 35. 797 Vgl. Arrington 2015, S. 49 54. 798 Die Gefallenenliste aus Marathon ist nach derzeitigem Kenntnisstand das älteste Denkmal die ser Art. Vgl. dazu Arrington 2011, S. 185; Kap. 2.3.3.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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uns je ein Epigramm für gefallene Thessaler, für tegeatische Freiheitskämpfer und zur Erinnerung an Hopliten, die bei Byzantion ums Leben kamen.799 In allen drei Fällen werden die Gedichte in die Jahrzehnte nach den Perserkriegen datiert, wobei sich über die konkreten historischen Ereignisse nur spekulieren lässt. Keines der Zeugnisse erlaubt außerdem Rückschlüsse darauf, wie die Gefallenen bestattet wurden und ob dies noch auf dem Schlachtfeld oder in der Heimat geschah. Aussagekräftig in diesem Zusammenhang ist aber ein Zeugnis aus Athen. Laut Pausanias befanden sich im Demosion Sema Grabdenkmäler für Gefallene aus Kleonai und Argos, welche die Athener 458/7 in der Schlacht von Tanagra als Bundesgenossen gegen die Lakedaimonier unterstützt hatten.800 Vom argivischen Monument haben sich mehrere Fragmente erhalten, mit deren Hilfe sich eine große Inschriftenstele mit Giebelbekrönung rekonstruieren lässt. Unter dem als Überschrift fungierenden Distichon ᾿Αργείον τοίδ’ ἔϑανον Τανάγραι Λαϰεδαιμονίον hυπὸ χερσί, πένϑος δ’ ἔτλασαν γᾶς περὶ μαρνάμενοι befanden sich vier Kolumnen mit ursprünglich über 400 nach Phylen getrennten Namen von gefallenen Argivern.801 Bemerkenswert ist, dass die Inschrift in frühen argivischen Buchstabenformen abgefasst ist und sich auf einen außerattischen Steinmetz zurückführen lässt.802 Die Verbündeten der Athener waren also maßgeblich an der Gestaltung des Grabdenkmals beteiligt, welches ansonsten vollständig den attischen Bestattungssitten dieser Zeit (Gemeinschaftsgrab im Demosion Sema, Inschriftenstele, nach Phylen getrennte Gefallenenliste) entspricht. Neben dem argivischen Monument verfügen wir möglicherweise auch über weitere Fragmente von Gefallenenlisten der beteiligten Kleonaier und Ionier.803 Aus der Tatsache, dass die athenischen Bündner sich zur Beisetzung der Asche ihrer Gefallenen in Athen bereit erklärten, lässt sich vorsichtig ableiten, dass sie selbst keine Rückführungen praktizierten und nur aufgrund der Niederlage auf eine Bestattung auf dem Schlachtfeld, welches nun in Feindeshand war, verzichteten. Auch sonst lassen sich die Translation von Gebeinen und die Verwendung von Gefallenenlisten außerhalb Attikas erst während des Peloponnesischen Krieges sicher nachweisen.804 Warum die Athener sich unterdessen für die Kommemoration der Gefallenen anderer Poleis engagierten, lässt sich nicht eindeutig beantworten.805 Einerseits kamen in dieser symbolischen Geste sicher Wertschätzung und Dank gegenüber den Verbündeten

799 Anth. Gr. 7, 255; 512; Aristeid. or. 28, 63. Dazu: Pritchett 1985, S. 176 177, Nr. 19 20; Clairmont 1983, S. 229 230. 800 Paus. 1, 29, 7 8: ἐνταῦϑα ϰαὶ Κλεωναῖοι ϰεῖνται, μετὰ ᾿Αργείων ἐς τὴν ᾿Αττιϰὴν ἐλϑόντες· [. . .] ϰαὶ οἱ συμμαχήσαντές ποτε ᾿Αργείων. Zu den Ereignissen: Thuk. 1, 107 108. 801 IAgora 17, 4; IG I3 1149. 802 Jeffery 1990, S. 164, Nr. 30. 803 IAgora 17, 8 9. Dazu: Pritchett 1985, S. 182; Clairmont 1983, S. 136 139. 804 Die frühesten Beispiele sind, soweit bekannt, die Grabdenkmäler mit Gefallenenlisten für die toten Thebaner und Thespier aus der Schlacht von Delion im Jahr 424/3: IG VII 585; 1888. 805 Es sind weitere Fälle belegt, in denen ξένοι im Demosion Sema mit Grabdenkmälern geehrt wurden. Dabei kann zwischen Nennungen mit ethnischen Angaben innerhalb athenischer

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

zum Ausdruck. Das Denkmal hätte demnach eine integrative Funktion, welche den Zusammenhalt der beiden Poleis über den Abschluss der Kampfhandlungen hinaus verstärkte. Wie am Totenkult der Polis Plataiai für die griechischen Gefallenen deutlich wurde, ließen sich aus einem solchen Engagement aber anderseits auch außenpolitische Ansprüche und Verpflichtungen ableiten.806 Schließlich wurde zu Recht festgestellt, dass die Vereinnahmung der Kriegserinnerung anderer Stadtstaaten hegemoniale Züge trägt.807 Die Gräber der Verbündeten im Kerameikos symbolisieren in diesem Zusammenhang, dass andere Griechen mit und insbesondere auch für Athen kämpften. In der Übernahme des Gefallenengedenkens anderer Polisgemeinschaften in das eigene Territorium kommt unverkennbar auch der Anspruch auf die Vormachtstellung unter den militärischen Bündnispartnern zum Ausdruck.

3.3.2 Tropaia auf dem Schlachtfeld Der Eindruck, dass die Schlachtfelder in der ersten Hälfte des 5. Jhs. als Orte der Kommemoration an Popularität verloren, verdichtet sich. In ebendieser Zeit kommen die ersten Belege für die Errichtung von Tropaia auf – Erinnerungsmale aus in anthropomorpher Form arrangierten Beutewaffen, welche die Stelle markierten, an der die Hoplitenschlacht durch die Flucht eines Gegners entschieden worden war.808 Es wurde bereits postuliert, dass die Weihung einer Panhoplie auf dem Schlachtfeld möglicherweise das entsprechende Ritual in einem Heiligtum ersetzen sollte. Denn die Gleichzeitigkeit vom Abreißen der Waffenweihungen in den meisten griechischen Kultstätten und dem Beginn der Kommemoration durch Tropaia lässt sich kaum anders erklären. Der Verkauf der Beutewaffen zugunsten von monumentalen Weihungen aus Bronze und Stein, wie er bereits in archaischer Zeit einsetzte, hinterließ demnach bei den Hopliten das Bedürfnis nach einem neuen gemeinschafts- und sinnstiftenden Ritual im Anschluss an die Schlacht. Wie Rabe gezeigt hat, wurde das Errichten von Tropaia zu einem panhellenischen Brauch, der im 5. und 4. Jh. in ganz Griechenland sowie in Makedonien praktiziert wurde.809

Gefallenenlisten und separaten Denkmälern, wie etwa dem schon erwähnten Grabbau für die Lake daimonier, unterschieden werden. Dazu: Low 2012, S. 16 17; Arrington 2015, S. 74 75. 806 Thuk. 3, 58, 3 4. Dazu: Jung 2006, S. 259 265. 807 Low 2012, S. 18. 808 Zur Definition siehe Kap. 2.3.2. 809 Rabe 2008, S. 10 11.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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Die ersten Zeugnisse Die Autoren der archaischen Zeit, namentlich Homer und Hesiod, kennen, wie bereits festgestellt, weder das Konzept noch den Begriff des Tropaions. Das Gleiche gilt für den Vater der Geschichtsschreibung, Herodot. Obwohl der Historiker die Schlachten in den Perserkriegen einschließlich der dazugehörigen Denkmälerstiftungen ausführlich beschreibt, erwähnt er nirgendwo die Errichtung eines Siegeszeichens oder benutzt das griechische Wort τρόπαιον. Die Lektüre Herodots vermittelt vielmehr den Eindruck, dass dieses Element der griechischen Kriegsführung zur Zeit der Perserkriege nicht in Gebrauch war. Stattdessen beschreibt er, wie der Spartaner Othryades nach einer unentschiedenen Schlacht die Waffen der gegnerischen Toten an sich nahm, um damit den Sieg für seine Polis zu proklamieren.810 Dieses Vorgehen kann lediglich als Voraussetzung für die spätere Praxis, Tropaia zu errichten, angesehen werden, insofern auch hier erbeutete Waffen genutzt wurden, um auf symbolische Weise über das Schlachtfeld zu verfügen und den Sieg zu beanspruchen. Ein ganz anderes Bild zeigt das Geschichtswerk des Thukydides. Pritchett konnte 58 Stellen ausfindig machen, an denen der Historiker über die Errichtung von Siegesmalen berichtet. Die Erwähnungen beziehen sich auf kleinere Scharmützel ebenso wie auf große Schlachten im zeitlichen Umfeld des Peloponnesischen Krieges.811 Das früheste genannte Tropaion steht dabei im Zusammenhang mit der Seeschlacht bei Leukimme im Jahr 434.812 Exemplarisch herausgegriffen werden soll hier die Errichtung des Siegesmals für die Schlacht von Tanagra 426: ϰαὶ τῇ ὑστεραίᾳ μάχῃ ϰρατήσαντες τοὺς ἐπεξελϑόντας τῶν Ταναγραίων ϰαὶ Θηβαίων τινὰς προσβεβοηϑηϰότας ϰαὶ ὅπλα λαβόντες ϰαὶ τροπαῖον στήσαντες ἀνεχώρησαν, οἱ μὲν ἐς τὴν πόλιν, οἱ δὲ ἐπὶ τὰς ναῦς. Am folgenden Tag schlugen sie (die Athener) in einer Schlacht die Tanagraier, die gegen sie ausrückten, und einige Thebaner, die zu Hilfe gekommen waren. Nachdem sie die Waffen er beutet und ein Siegeszeichen aufgestellt hatten, zogen sie wieder ab, die einen in die Stadt zurück, die anderen auf die Schiffe. (Thuk. 3, 91, 5; Übers. Vretska/Rinner 2004.)

An der zitieren Textstelle werden mehrere Probleme deutlich. Einerseits wird der Prozess der Errichtung des Denkmals nicht näher ausgeführt. Hier und auch an allen anderen 57 Stellen lässt Thukydides keine Rückschlüsse über das Aussehen des Tropaions und die mit seinem Bau verbundenen Handlungen und Rituale zu. Darüber hinaus ist es mehr als ungewiss, ob der Historiker wirklich über die Errichtung der einzelnen Waffenmale informiert war. Das Aufstellen eines Tropaions gehört für ihn ebenso zum üblichen Ablauf einer Hoplitenschlacht wie das Einsammeln der erbeuteten Waffen und die Herausgabe der Toten. Die einzelnen Handlungen werden von ihm

810 Hdt. 1, 82, 5 6. 811 Pritchett 1974, S. 264 266, Tab. 9. 812 Thuk. 1, 30, 1.

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angeführt, um seine ereignisgeschichtliche Darstellung zu gliedern, ohne dass dabei auf spezifische historische Ereignisse Bezug genommen wird. Folgerichtig musste Pritchett bei seiner Analyse der Textstellen postulieren, dass die Nennung der Tropaia unsystematisch ist und dass im Geschichtswerk Siegesmäler für bedeutende Schlachten ausgelassen werden.813 Eine ähnliche Verwendung des Wortes kann auch in den Werken Xenophons festgestellt werden, in denen immerhin 31 Tropaia benannt sind.814 Keine anderen antiken Autoren berichten so häufig von der Errichtung von Waffenmälern wie Thukydides und Xenophon, was natürlich auf den spezifischen Gegenstand ihrer Werke zurückzuführen ist.815 Aus den Erwähnungen von Tropaia in der klassischen Historiographie kann also, mit wenigen Ausnahmen,816 nicht auf die spezifische Verwendung einzelner Denkmäler geschlossen werden. Es bleibt lediglich festzuhalten, dass die Praxis, im Anschluss an die Hoplitenschlacht Siegesmale zu errichten, zur Zeit der Abfassung des thukydideischen Geschichtswerkes, d.h. in der zweiten Hälfte des 5. Jh., bereits verbreitet und allgemein bekannt war. Die früheste Verwendung des Wortes τρόπαιον reicht aber noch weiter zurück und entstammt der Tragödie „Sieben gegen Theben“ des Aischylos, die im Jahr 467 uraufgeführt wurde.817 λέγω, εὖ ξυντυχόντων ϰαὶ πόλεως σεσωμένης μήλοισιν αἱμάσσοντας ἑστίας ϑεῶν ταυροϰτο νοῦντας ϑεοῖσιν ὧδ’ ἐπεύχομαι ϑήσειν τροπαῖα. Ich verspreche, im Fall des Sieges und der Errettung der Stadt, mit Schafblut die Altäre zu be netzen und Stiere ihnen, dem Gelöbnis treu, zu schlachten und Siegeszeichen zu errichten. (Aischyl. Sept. 273 277; Übers. Ebener 1987.)

813 Pritchett 1974, S. 270 271. 814 Pritchett 1974, S. 267 268, Tab. 10; S. 271. Ebd., S. 271 272 auch zur Verwendung des Begriffs bei den römischen Autoren. 815 Pritchett 1974, S. 272: „The great general interest felt in the subject during the late fifth and early fourth centuries is manifested by the number of references to the erection of trophies follow ing military engagements in the two works preserved to us which are concerned with warfare bet ween Greek citystates.“ 816 Wenn die Historiker von Tropaia berichten, die nicht entsprechend der üblichen Konventionen errichtet wurden, ist dahinter die Kenntnis historischer Vorgänge zu vermuten. So etwa bei Thuk. 8, 42, 5 (Tropaion außerhalb des Schlachtfeldes); 4, 134, 1 und 1, 105, 6 (Tropaion von beiden Par teien errichtet). Dasselbe gilt in den Fällen, in denen die Historiker konkrete Kenntnisse über das Aussehen oder den Standort der Waffenmäler haben. Xen. hell. 4, 4, 8 berichtet von einem Tro paion am Tor der langen Mauer zwischen Korinth und Lechaion. 817 Vgl. Aischyl. Sept. 954. Mit diesen Belegen auch Krentz 2002, S. 32; Rabe 2008, S. 14. Woelcke 1911, S. 131; Trundle 2013, S. 127 u.a. führten dagegen noch Batr. 159 als frühesten Beleg an. Die Parodie wird aber von jüngeren Bearbeitern einvernehmlich in hellenistische Zeit datiert. Dazu: Rabe 2008, S. 13, Fn. 58.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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Auch hier hat der Autor natürlich kein konkretes Denkmal vor Augen – einmal davon abgesehen, dass die Handlung der Tragödie in der mythischen Vorzeit Thebens angesiedelt ist. Das Tropaion wird zusammen mit den Dankopfern als Metapher für den erhofften Sieg gebraucht. Rabe konnte zeigen, dass dieser metaphorische bzw. metonymische Sinn des Wortes sich hinter der Mehrzahl der literarischen Zeugnisse verbirgt, in denen Siegesmale erwähnt werden.818 Platon etwa lobt die vorbildhafte Tugend der Perserkriegsgefallenen, indem er sie als πρῶτοι στήσαντες τρόπαια τῶν βαρβάρων charakterisiert.819 Damit ist nicht gemeint, dass die betreffenden Hopliten tatsächlich an der Aufstellung von Tropaia beteiligt waren, sondern dass es ihnen als Erste gelang, die Perser militärisch zu überwinden. Der übertragene Gebrauch des Wortes findet sich außerdem auch in Inschriften. Eine athenische Grabstele aus der zweiten Hälfte des 4. Jh. etwa ehrt einen Toten mit folgenden Worten: Νιϰόβουλος Μυννίχο Εἰτεαῖος. σῆς ἀρετῆς ἕστηϰεν ἐν ῾Ελλάδι πλεῖστα τρόπαια ἔν τε ἀνδρῶν ψυχαῖς. Nikoboulos, Sohn des Mynnichos aus Eitea. Als Zeichen deiner Tugend sind viele Tropaia in Hellas und in den Herzen der Männer errichtet worden. (IG II2 6004, Z. 1 5; Übers. Rabe 2008.)

Der Tote war demnach zu Lebzeiten nicht nur an militärischen Erfolgen beteiligt, sondern es war ihm darüber hinaus auch gelungen, die Herzen vieler Mitmenschen zu „erobern“. Schließlich wurde das Wort τρόπαιον bei den griechischen Autoren auch als Symbol für Siege in agonalen Kontexten gebraucht.820 Von der Benutzung des Begriffs τρόπαιον im wörtlichen Sinne, d.h. mit Bezug auf ein konkretes Denkmal, kann also nur in wenigen Fällen ausgegangen werden – namentlich dort, wo die Umstände der Errichtung oder die physischen Eigenschaften des Waffenmals näher beschrieben werden.821 Aus der häufigen Verwendung des Wortes im übertragenen Sinn lässt sich aber immerhin erschließen, dass Tropaia und ihre Bedeutung im militärischen Kontext allgemein bekannt waren – und zwar spätestens seit den 460er Jahren. Diese zeitliche Einordnung wird auch von den bildlichen Darstellungen ephemerer Waffenmäler gestützt. Als früheste Abbildung gilt die rotfigurige Bemalung einer attischen Pelike (heute in Boston) aus der Mitte des 5. Jhs.822 Rabe führt darüber hinaus drei weitere attische Gefäße mit Tropaion-Darstellungen an, die noch ins 5. Jh.

818 Rabe 2008, S. 38 43. Zur metaphorischen Verwendung bei den attischen Rednern auch West 1969, S. 13. 819 Plat. Mx. 240D. 820 Aristoph. Equ. 521; CEG 795. Dazu: Rabe 2008, S. 43. 821 Zu den historischen Bezügen bei den Geschichtsschreibern siehe oben. Daneben auch der Son derfall Paus. 4, 32, 5 6, auf den unten noch genauer eingegangen wird. Rabe 2008, S. 43 verweist außerdem auf ein Familienmonument in Delphi, auf dem die Errichtung hölzerner Tropaia unter Alexander dem Großen erwähnt wird. CEG 877: πολλὰ δὲ δίωι [σύμ ποτε] ᾿Αλεξάνδρωι στᾶσε τρό παια δορός. 822 Boardman 1991a, Abb. 54; Rabe 2008, S. 169, Nr. 3; Baitinger 2011, S. 130 131.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

datieren.823 Als früheste plastische Darstellungen dürfen wohl die Reliefs der Balustraden des athenischen Nike-Tempels aus der Zeit 420–410 angesprochen werden.824 Es ist auffällig, dass sich die Zeugnisse für die Verwendung von Tropaia im 5. Jh. weitestgehend auf die attische Kunst und Literatur beschränken. Obwohl wir die Kenntnis der Praxis in ganz Griechenland voraussetzen dürfen, erfreute sich das Motiv in Athen doch einer herausragenden Beliebtheit. Den Grund dafür offenbaren möglicherweise die frühen Vasendarstellungen. Neben dem eigentlichen Waffenmal und der Siegesgöttin Nike sind in mehreren Fällen auch Männer in ziviler Kleidung dargestellt, die durch Himation und Stock als Bürger charakterisiert werden. In diesem Idealbild wird der Hoplitenbürger also nicht als Teilnehmer des Kriegs, sondern primär als dessen politischer Träger dargestellt, insofern die Entscheidung über Krieg und Frieden in der athenischen Volksversammlung gefasst wurde.825 Die attischen Vasenbilder mit Tropaion verkörpern daher nicht nur ein demokratisches Ideal, sondern deuten die Schlacht auch als eine gemeinschaftliche Unternehmung und den Sieg als kollektive Errungenschaft. Anders als die Figur der Nike, welche seit spätarchaischer Zeit den Erfolg einzelner Personen symbolisierte, diente das Tropaion als Zeichen der gemeinschaftlichen Sieghaftigkeit.826 Seine Verbreitung stand in engem Zusammenhang mit dem demokratischen Bewusstsein der attischen Hoplitenbürger und nahm deshalb im Athen des 5. Jhs. seinen Ausgang. Die Wahrnehmung militärischer Erfolge als konstitutiver Bestandteil der bürgerlichen Identität kommt dabei nicht nur in der künstlerischen Wiedergabe von Siegeszeichen, sondern auch in der Einrichtung des Demosion Sema zum Ausdruck. Nach Marathon und Salamis erfuhr das Selbstbewusstsein der athenischen Bürgerschaft in der Mitte des 5. Jhs. weitere Steigerungen durch den Sieg über die Perser am Eurymedon (466/5) und mehrere innergriechische Erfolge im Rahmen des ersten Peloponnesischen Kriegs.827 Insofern sich von der Verwendung des Tropaion-Motivs in Kunst und Literatur überhaupt auf die tatsächliche Praxis schließen lässt, muss diese etwa im gleichen Zeitraum aufgekommen sein. Die Errichtung der ersten Siegesmäler mit konkreten Ereignissen in Zusammenhang bringen zu wollen, ist angesichts der schwierigen Quellenlage jedenfalls zwecklos. Trundles Versuch, das Aufkommen der Praxis in Griechenland auf die Anwesenheit der Perser zurückzuführen, ist schon allein deswegen hinfällig.828 Daneben gibt es verschiedene Ansätze, welche die Entstehung

823 Rabe 2008, S. 169 170, Nr. 1; 4 5. 824 Rabe 2008, S. 172 174, Nr. 15 mit ausführlicher Bibliographie. Zur Interpretation der Reliefs: Hölscher 1997. 825 Rabe 2008, S. 51 52. 826 Rabe 2008, S. 73 76. 827 Welwei 1999, S. 83 89; 96 101. 828 Trundle 2013, bes. S. 128 131. Neben der Quellenlage spricht gegen diesen Kulturtransfer ins besondere die Tatsache, dass die Verwendung von Tropaia im Achaimenidenreich nicht belegt ist. Diese Feststellung hatte bereits Woelcke 1911, S. 144 getroffen.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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der Tradition mit Änderungen in der Kriegsführung in Zusammenhang bringen. Aber während Krentz und Van Wees damit argumentieren, dass die Hoplitenschlacht in der Zeit nach den Perserkriegen stärker reguliert worden sei, geht Trundle davon aus, dass gerade eine Aufweichung der Konventionen zur Notwendigkeit der symbolischen Dokumentation des Sieges führte.829 Auch in dieser Frage lässt sich letztlich aufgrund der dünnen Quellenbasis keine Gewissheit erlangen. Es bleibt jedoch die Feststellung, dass Tropaia eine enge Verwandtschaft zu den archaischen Waffenweihungen aufweisen, insofern die erbeuteten Waffen in beiden Fällen die Überwindung des Gegners und den militärischen Sieg manifestieren. Als Beleg für diesen Zusammenhang mag die oben besprochene Stelle bei Herodot herangezogen werden.830 Die vorausgegangene Annahme, dass das Errichten von Siegesmalen eine Folge des sukzessiven Übergangs zu sublimierten Beuteweihungen ist, wird damit weiter gestützt. Tropaia sind also ebenfalls eine genuin griechische Kommemorationsform, welche aus dem Selbstbewusstsein der Hopliten als Polisbürger resultierte. Das Ritual Die zahlreichen Bild- und Schriftquellen, die in der Mitte des 5. Jhs. einsetzten, verraten wenig über die Bedeutung, welche die Griechen dem Waffenmal zuschrieben, und über die Rituale, die mit dessen Aufstellung verbunden waren. Es sind lediglich einige grundsätzliche Annahmen zu gewinnen. So stand die Errichtung des Tropaions in engem Zusammenhang mit der Plünderung der gegnerischen Toten durch die Sieger im Anschluss an die Schlacht.831 Als Ort der Aufstellung wurde nach Ausweis der literarischen Quellen entweder die Stelle gewählt, an der der Kampf begann, oder diejenige, an der die unterlegene Phalanx in die Flucht geschlagen wurde.832 Beide Orte bezeichnen den Sieg, insofern die gegnerische Phalanx wahlweise zurückgedrängt oder in die Flucht geschlagen wurde. Wenn der Ausgang der Schlacht unentschieden blieb, herrschte offenbar auch Unklarheit darüber, welcher Partei die Errichtung des Tropaions zustand. Eine Auseinandersetzung zwischen Tegeaten und Mantineiern in der Zeit des Peloponnesischen Krieges endete deshalb damit, dass beide Parteien ein Waffenmal bauten und weitere Beutestücke in Delphi weihten.833 Das Tropaion diente also nicht nur als Symbol des Sieges, sondern gleichzeitig auch als dessen Dokumentation. Dementsprechend konnten die Korinther 458 ihre Niederlage gegen die Athener in Frage stellen,

829 Krentz 2002, S. 34 35; Van Wees 2004, S. 134 138; Trundle 2013, S. 131 133. 830 Hdt. 1, 82, 5 6. 831 Thuk. 3, 112, 8; 4, 44, 3. 832 Rabe 2008, S. 8 9. 833 Thuk. 4, 134, 1: Μαντινῆς δὲ ϰαὶ Τεγεᾶται ϰαὶ οἱ ξύμμαχοι ἑϰατέρων ξυνέβαλον ἐν Λαοδοϰείῳ τῆς ᾿Ορϑσϑίδος, ϰαὶ νίϰη ἀμφιδήριτος ἐγένετο· ϰέρας γὰρ ἑϰάτεροι τρέψαντες τὸ ϰαϑ’ αὑτοὺς τρο παῖα τε ἀμφότεροι ἔστησαν ϰαὶ σϰῦλα ἐς Δελφοὺς ἐπέπεμψαν.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

indem sie nachträglich aufs Schlachtfeld zurückkehrten und ein eigenes Waffenmal aufstellten.834 Die enge Verbindung zwischen Sieg und Tropaion kommt auch darin zum Ausdruck, dass die antiken Zeitgenossen die Errichtung des Waffenmals mehrfach mit dem ἐπινίϰια-Opfer und den dazugehörigen Festen in Verbindung bringen. So finden sich unter den Tropaia-bauenden Siegesgöttinnen an den Reliefs der Balustrade des Niketempels auf der Akropolis auch solche, die mit dem Heranführen und Schlachten von Stieren beschäftigt sind. Hölscher hat diese Darstellungen überzeugend als Opfer im Rahmen einer Siegesfeier gedeutet.835 Ebenso berichtet Xenophon, dass der Spartaner-König Agesilaos bei Koroneia zusammen mit den Feierlichkeiten zum Dank an die Götter ein Tropaion errichten ließ.836 Πρῴ δὲ Γῦλιν τὸν πολέμαρχον παρατάξαι τε ἐϰέλευε τὸ στράτευμα ϰαὶ τρόπαιον ἵστασϑαι, ϰαὶ στεφανοῦσϑαι πάντας τῷ ϑεῷ ϰαὶ τοὺς αὐλητὰς πάντας αὐλεῖν. Am frühen Morgen des folgenden Tages erteilte Agesilaos dem Polemarchos Gylis den Befehl, er solle das Heer in Schlachtordnung aufstellen, das Siegeszeichen errichten, alle zu Ehren des Gottes sich bekränzen und sämtliche Flötenspieler blasen lassen. (Xen. hell. 4, 3, 21; Übers. Strasburger 1988.)

An anderen Stellen wiederum suggerieren die antiken Autoren durch Formulierungen wie τιϑέναι bzw. ἀνατιϑέναι τρόπαιον und ἀναϰεῖσϑαι τρόπαιον, dass die Tropaia selbst eine Weihgabe an göttliche Adressaten darstellten.837 Als Empfänger dieser Votive wird am häufigsten Zeus genannt.838 Er wurde dabei in seiner Funktion als Kriegsgott angerufen, die auch in der Verehrung mit dem Epitheton tropaios zum Ausdruck kam. Die beiden Phänomene – Siegesmäler für Zeus und Kulte des Zeus Tropaios – treten aber durchaus unabhängig voneinander auf.839 Manche Griechen sahen darüber hinaus in dem anthropomorphen Denkmal ein Bild des Gottes Zeus selbst.840 Die religiöse

834 Thuk. 1, 105, 3 106, 2. 835 Hölscher 1997, S. 152; Rabe 2008, S. 59 60 mit entsprechenden Darstellungen auf Vasenbildern. 836 Vgl. Xen. hell. 7, 2, 15; Xen. an. 4, 6, 26 27; Diod. 16, 86, 6; Aischyl. Sept. 271 278. 837 Rabe 2008, S. 20 mit Verweis auf: Aischyl. Sept. 277; Aristoph. Lys. 318; Eur. Hel. 1380; Athen. 8, 351e f; Plut. mor. 401A. 838 Gorg. Epit. Frg. 6, 4: μαρτύρια δὲ τούτων τρόπαια ἐστήσαντο τῶν πολεμίων, Διὸς μὲν ἀγάλ ματα. Vgl. Eur. Phoen. 572; 1250; 1472; Eur. Suppl. 647; Eur. Heracl. 937; Aischyl. Sept. 277; IG VII 2462; CEG 488. 839 Rabe 2008, S. 20 21 nennt Belege für Kulte des Zeus Tropaios in Sparta, Attika und Pergamon (hellenistisch). Eine Verbindung mit Siegesdenkmälern wird aber nur durch die attischen Ephebe ninschriften hergestellt, in denen es heißt, dass die jungen Männer zum Tropaion auf Salamis fuh ren und dem Zeus Tropaios opferten. IG II2 1028, Z. 27 28: προαναπλεύσαντες δὲ ϰαὶ ἐπὶ τρόπαιον δύσι πλοίοις ἔϑυσαν τῷ Δίι τῷ Τροπαιῷ. Vgl. IG II2 1006, Z. 28; 71; 1008, Z. 17. 840 Eur. Phoen. 1250 1251: Πολύνειϰες, ἐν σοὶ Ζννὸς ὀρϑῶσαι βρέτας τροπαῖον ῎Αργει τ’ εὐϰλεᾶ δοῦναι λόγον. Vgl. Z. 1473 1475. Dazu: Burkert 1985, S. 267. Ältere Forschungsmeinungen dagegen, wonach das Tropaion dem Baumkult entstammte und zur Aufnahme magischer Kräfte diente, er halten heute keine Zustimmung mehr. So Picard 1957, S. 248; Cook 1904.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

193

Funktion der Waffenmale scheint letztlich derjenigen von anderen Beuteweihungen nicht allzu unähnlich gewesen sein. Die siegreichen Hopliten dankten Zeus mit Anrufungen und Gebeten für das Glück in der Schlacht und gegebenenfalls für die göttliche Unterstützung. Als Gegengabe weihten sie ihm einen Teil der Beute, der daraufhin als heilig galt und der profanen Welt entzogen wurde. Damit ist auch hinreichend erklärt, warum die Zerstörung eines Tropaions allgemein als Frevel galt.841 Das Waffenmal war ein Symbol des Sieges, welches dem Zeus geweiht und damit unter seinen Schutz gestellt wurde. Einen Ausnahmefall im Umgang mit Tropaia bildet die von Pausanias überlieferte Episode zur Schlacht von Leuktra. Die Thebaner sollen dort im Heiligtum des Trophonios in Lebadeia ein Orakel empfangen haben, welches ihnen zum Sieg verhalf. Sie wurden beauftragt, vor der Schlacht ein Siegesdenkmal aufzustellen und daran den Schild des messenischen Nationalhelden Aristomenes, welcher im Tempel des Trophonios aufbewahrt wurde, anzubringen. Epameinondas befolgte die Wahrsagung, ließ das schildgeschmückte Tropaion an einer für die Spartaner sichtbaren Stelle aufrichten und trug mit der Hilfe des lokalen Gottes den Sieg davon.842 Die grundlegenden Zweifel an der Historizität dieser Geschichte wurden durch den Fund einer Inschrift in Theben ausgeräumt, welche drei Hopliten mit einem Epigramm für das Tragen eines Tropaions in der Schlacht von Leuktra ehrte.843 Beister hat die Grundzüge des Geschehens überzeugend rekonstruiert. Demnach haben die Thebaner sich aus Gründen der psychologischen Kriegsführung entschieden, ein Siegeszeichen in die Schlacht zu tragen, um den Gegner damit zu verwirren und die eigenen Truppen moralisch zu stärken.844 Dieses unorthodoxe Vorgehen wurde durch die Priester des nahegelegenen Trophonios-Heiligtums mithilfe eines entsprechenden Orakel-Spruchs sanktioniert. Xenokrates und seine beiden Helfer trugen das Tropaion dann auf dem Schlachtfeld vor der eigenen Phalanx her, wofür sie später in Theben inschriftlich geehrt wurden.845 Die Unterstützung des Heiligtums von Lebedeia wurde durch die Stiftung des Gedenkfestes der Basileia zur Erinnerung an die Schlacht verdankt, wie wir von Diodor erfahren.846 Lediglich das Element des Aristomenes-Schildes ist eine Konstruktion der messenischen Geschichtsschreibung, die

841 Xen. hell. 4, 5, 10; Cass. Dio. 42, 48, 2. Dazu: Pritchett 1974, S. 258 259. Zum Votiv Charakter vgl. Pritchett 1974, S. 272 273; Sage 1996, S. 101. 842 Paus. 4, 32, 5 6. Vgl. Diod. 15, 53, 4. 843 IG VII 2462: Ξενοϰράτης, Θεόπομπος, Μνασίλαος. ἁνίϰα τὸ Σπάρτας ἐϰράτει δόρυ, τηνάϰις εἷλεν Ξεινοϰράτης ϰλάρωι Ζηνὶ τροπαῖα φέρειν οὐ τὸν ἀπ’ Εὐρώτα δείσας στόλον οὐδὲ Λάϰαιναν ἀσπίδα. „Θηβαῖοι ϰρείσσονες ἐν πολέμωι“ ϰαρύσσει Λεύϰτροις νιϰαφόρα δουρὶ τροπαῖα, οὐδ’ ᾿Επα μεινώνδα δεύτεροι ἐδράμομεν. 844 Den gleichen Zweck hatten sicher auch die von Diod. 15, 53, 4 beschriebenen Erzählungen über Wunderzeichen im Vorfeld der Schlacht. 845 Beister 1973, bes. S. 71 77. Gegen diese Deutung: Rabe 2008, S. 132. 846 Diod. 15, 53, 4.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

keinen historischen Kern aufweist.847 Die Verwendung eines Siegeszeichens vor und während der Schlacht ist unterdessen in keiner anderen Quelle belegt. Vielmehr ist es gerade diese Einmaligkeit, die Pausanias dazu bewogen hat, die Erzählung aufzugreifen und für seine Leser wiederzugeben. Für die generelle Verwendung von Tropaia im klassischen Griechenland ist die Episode jedenfalls nicht repräsentativ. Im Normalfall wurden die Waffenmäler also im direkten Anschluss an die Kampfhandlungen und in Verbindung mit kultischen Aktivitäten zu Ehren des Zeus errichtet. Im Gegensatz zu den übrigen Kriegsdenkmälern aus Stein und Bronze bestanden die Tropaia in dieser Form aus vergleichsweise vergänglichen Materialien und zerfielen innerhalb der nächsten Jahrzehnte.848 Sie waren daher schwerlich dafür geeignet, historische Erinnerungen über längere Zeit hinweg zu bewahren. Ohne zusätzliche Inschriften bzw. mündliche Erklärungen konnten Tropaia von nachfolgenden Generationen auch keiner spezifischen Schlacht zugeordnet werden, insofern nicht der Schlachtort selbst oder das Aussehen der Waffen gewisse Hinweise gaben. Schließlich war ihre Form im Gegensatz zu anderen Denkmälern sehr einheitlich und ließ, soweit wir wissen, keine Rückschlüsse auf die kulturelle, religiöse oder politische Identität der Erinnernungsgemeinschaft zu. Tropaia vermochten das Bedürfnis nach langfristiger Dokumentation und Identitätsstiftung also nicht zu befriedigen. Ihre primäre Funktion war die kurzfristige Dokumentation des Sieges, welche durch kultische Handlungen beglaubigt wurde. Nach Abschluss des Dankopfers und nach Abzug des Heeres verloren sie dagegen an Bedeutung. Die drapierten Waffen vermochten weder die historischen Eckdaten noch deren Deutung zu repräsentieren und waren als Speicher der kollektiven Erinnerungen deshalb per se ungeeignet. Auf den extraurbanen bzw. noch weiter entfernten Schlachtfeldern standen die Male der Hoplitengemeinschaft außerdem nicht für Begehungen und rituelle Handlungen zur Verfügung, was die Voraussetzung für das Abrufen der mit den Denkmälern verknüpften Erinnerungen ist. Schließlich hatten sie im Gegenteil zu den Weihdenkmälern in Heiligtümern auch kein regelmäßiges Publikum, sodass ihr allmählicher Verfall von den Stiftern wissentlich in Kauf genommen wurde. Die Aufstellung eines ephemeren Tropaions entsprach deshalb weniger der Errichtung eines Kriegsdenkmals, als vielmehr dem formalen Abschluss der eigentlichen Kampfhandlungen.

847 Beister 1973, S. 78 81 hat gezeigt, dass man mit diesem Motiv einen messenischen Beitrag zur großen spartanischen Niederlage bei Leuktra konstruieren wollte. Weder die Ehreninschrift noch andere literarische Quellen bezeugen den Einsatz des Schildes. 848 Rabe 2008, S. 3 beziffert die durchschnittliche Lebensdauer eines solchen Denkmals unter guten Bedingungen mit „kaum mehr als einige Jahrzehnte“. Laut Plut. Agesilaos 19, 2 konnten die Spartaner bei Koroneia 394 noch das boiotische Tropaion von 447 sehen. Es hätte demnach mehr als 50 Jahren Bestand gehabt. An der Historizität dieser Episode darf aber gezweifelt werden.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

195

Monumentale Tropaia Eine ganz andere Funktion müssen die sogenannten „monumentalen“ Siegesmale gehabt haben, welche ebenfalls am Ort der Schlacht aufgestellt wurden, aber aus weniger vergänglichen Materialien wie Gussbronze oder Stein bestanden. Im Gegensatz zu den ephemeren Tropaia waren sie auch wesentlich größer und weniger einheitlich gestaltet. Eben diese Varianten machen es schwierig, innerhalb der verstreuten Zeugnisse eine feste Gruppe von Denkmälern zu konstituieren. Das Problem resultiert außerdem aus der Tatsache, dass die römischen Autoren den Begriff τρόπαιον freier gebrauchen und damit durchaus auch andere Formen von Kriegsdenkmälern, insbesondere Weihmonumente, bezeichnen.849 Die bekanntesten und in der Forschung am intensivsten besprochenen Denkmäler dieser Art sind diejenigen, welche zur Erinnerung an die Schlachten der Perserkriege errichtet wurden. Auf die dazugehörigen Monumente wird in der griechischen Literatur häufig Bezug genommen, allerdings geschieht dies, wie oben gezeigt, meist nur im übertragenen Sinn.850 Die übrigen Quellen haben so genaue Kenntnisse über das Aussehen bzw. den Standort der Denkmäler, dass wir ihre Aussagen als historisch bewerten können. Da es sich um kaiserzeitliche Zeugnisse handelt, dürfen wir außerdem mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass die Autoren keine ephemeren, sondern monumentale Tropaia vor Augen hatten. Tatsächlich charakterisiert Pausanias das Siegesmal in Marathon als τρόπαιον λίϑου λευϰοῦ.851 Das von ihm beschriebene Denkmal bestand also aus Marmor. Weiter sah der Perieget auf seinen Reisen je ein Tropaion in der Ebene von Plataiai und eines auf der Insel Salamis.852 Von einem Tropaion für die Seeschlacht berichtet auch Plutarch, der das Denkmal aber nicht auf der Hauptinsel, sondern auf dem benachbarten Eiland

849 Pritchett 1974, S. 271: „Plutarch [. . .] uses the word frequently, but in a wide range of mea nings. In chapter 873 [. . .] Plutarch several times uses the word tropaion for monuments which were not so termed by Herodotus. For example, the golden tripod at Delphi (Herdodotus 9.81.1) is for Plutarch (Mor. 873D and E) a tropaion.“ Dasselbe gilt für Pausanias, der ebenfalls mehrfach Vo tive als Tropaia bezeichnet. So etwa die auf einem Waffenhaufen sitzende Personifikation der Aito lia, welche wir neben Paus. 10, 18, 7 auch aus Fragmenten und Münzdarstellungen kennen. Dazu: Rabe 2008, S. 119 121, Nr. 34; 124. Die Statue wurde als Weihdenkmal aus der Beute des Sieges über die Gallier 279 durch den Aitolischen Bund gestiftet. Rabe 2008, S. 117 nennt weitere Beispiele für den Sprachgebrauch bei Pausanias. 850 Eine metonymische Bedeutung kann postuliert werden für: Plat. Mx. 240D; Aristoph. Equ. 1334; Vesp. 711; Lys. 285; Kritias, Diels/Kranz Frg. B2; Lys. Epit. 25; Plut. Themistokles 3, 4. 851 Paus. 1, 32, 5. 852 Paus. 9, 2, 6: τρόπαιον δὲ, ὅ τῆς μάχης τῆς Πλαταιᾶσιν ἀνέϑεσαν οἱ ῞Ελληνες, πεντεϰαίδεϰα σταδίοις μάλιστα ἕστηϰεν ἀπωτέρω τῆς πόλεως. Paus. 1, 36, 1: ᾿Εν Σαλαμῖνι δὲ [. . .] ἐστιν ἱερόν, τοῦτο δὲ τρόπαιον ἕστηϰεν ἀπὸ τῆς νίϰης ἥν Θεμιστοϰλῆς ὁ Νεοϰλέους αἴτιος ἐγένετο γενέσϑαι τοῖς ῞Ελλησι. Laut Diod. 11, 14, 1 befand sich ein weiteres Tropaion in Delphi. Auch dabei dürfte es sich eher um ein Votiv mit kriegerischem Anlass handeln. Im dazugehörigen Epigramm IG VII 94 95 ist das Denkmal nur als µνᾶµα bezeichnet.

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

Psyttaleia verortet.853 Die Monumente in Plataiai und Salamis sind darüber hinaus ab hellenistischer Zeit auch epigraphisch belegt.854 Belastbare archäologische Zeugnisse dieser haltbaren Denkmäler liegen uns, wenn überhaupt, nur aus der Ebene von Marathon vor.855 Dem britischen Archäologen Vanderpool gelang es, dort 1965 einzelne Bauteile eines klassischen Marmordenkmals aus den Ruinen eines mittelalterlichen Wehrturms zu bergen (Abb. 8). Es handelt sich um ein ionisches Kapitell und mehrere Trommeln, die sich zu einem zehn Meter hohen, freistehenden Säulenmonument rekonstruieren lassen. Darüber hinaus kamen auch Fragmente einer Gewandstatue zu Tage, welche als Nike identifiziert wurde und ursprünglich das Säulendenkmal bekrönte.856 Aufgrund der stilistischen Merkmale des Kapitells haben sowohl der Ausgräber als auch spätere Bearbeiter das Denkmal in die Zeit um 460 datiert.857 Ob es sich bei dem Monument um das marmorne Tropaion handelt, welches Pausanias im 2. Jh. n. Chr. sah, muss offen bleiben, insofern er dessen Form nicht näher charakterisiert.858 Jedenfalls wurde das Denkmal erst eine Generation nach der Schlacht bei Marathon errichtet und steht in keiner Verbindung zu den eigentlichen Kampfhandlungen. Aufgrund der Vergangenheitspolitik des Kimon wurde die erste Perserkriegsschlacht in dieser Zeit intensiv mit neuen Bauten und Denkmälern kommemoriert.859 Säulenförmige Monumente sind durch Reiseberichte aus dem 18. und 19. Jh. auch auf Salamis belegt. Stuart und Revett dokumentierten an der Küste der Insel die Reste einer weißen Marmorsäule, die so monumental war, dass man sie sogar von Athen aus sehen konnte.860 Das Denkmal wird auch in anderen Reisenotizen erwähnt, aus denen sich erschließen lässt, dass es sich um eine dorische Säule handelte.861

853 Plut. Aristeides 9, 2: ὁ γὰρ πλεῖστος ὠϑισμὸς τῶν νεῶν ϰαὶ τῆς μάχης τὸ ϰαρτερώτατον ἔοιϰε περὶ τὸν τόπον ἐϰεῖνον γενέσϑαι· διὸ ϰαὶ τρόπαιον ἕστηϰεν ἐν τῇ Ψυτταλείᾳ. 854 Zu Plataiai: SEG 11, 338, Z. 6. Zu Salamis: IG II2 1006, Z. 28; 71; 1008, Z. 17; 1028, Z. 27; SEG 15, 104, Z. 22. 855 Mit dem Monument in Salamis werden gelegentlich eine Felsabarbeitung und ein einzelner Kalksteinblock als potentielles Fundament in Verbindung gebracht. Zu den Befunden: Wallace 1969, S. 301. 856 Vanderpool 1966, S. 96 101. Zur Statue: Ebd., S. 106; Goulaki 1981, S. 135. Rabe 2008, S. 103 104 hat überzeugend eine schreitende Nike ohne Tropaion rekonstruiert. 857 Vanderpool 1966, S. 100; West 1969, S. 8 9; 18 19; Dionysopoulos 2012, S. 196. Vgl. Welwei 1970, S. 303 304. Dagegen bezeichnet Goette/Weber 2004, S. 88 das Denkmal aufgrund der unkan nelierten Säulentrommlen als unfertig und nimmt dessen Aufstellung kurz nach der Schlacht an. 858 Paus. 1, 32, 5. 859 Die Rede ist von der Stoa Poikile auf der Athener Agora mit einem Gemälde der Marathon Schlacht (Paus. 1, 15, 1 3), einem Grabdenkmal für Miltiades in Marathon (Paus. 1, 32, 4) und einer Weihung mit Miltiades Statue in Delphi (Paus. 10, 10, 1 2). Zu diesen Aktualisierungen der Mara thonerinnerung vgl. Jung 2006, S. 105 122. 860 Stuart/Revett 1762, S. IX. 861 Alle Belege bei Rabe 2008, S.105, Fn. 50. Darüber hinaus hat West 1969, S. 15 16 die wichtigs ten Texte abgedruckt.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

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Abb. 8: In der Ebene von Marathon befindet sich heute eine Rekonstruktion des antiken Säulenmonuments, welches Pausanias als „Tropaion“ zur Erinnerung an die Perserkriegsschlacht (490) bezeichnet. Diese Identifikation ist aber aus verschiedenen Gründen fragwürdig. (Foto J. Schröder)

Eine Gleichsetzung dieser Marmormonumente mit Tropaia ist zunächst alles andere als naheliegend. Wie bereits gesehen, hat es nach Ausweis antiker Zeugnisse in der Zeit der Perserkriege noch keine Siegesmale gegeben – weder in vergänglicher noch in monumentaler Form. Außerdem ist die Bezeichnung der Denkmäler als τρόπαια in den römischen Quellen keineswegs eindeutig. Darüber hinaus entsprechen

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3 Die Selbstvergewisserung der Bürgerschaft

die monumentalen Säulen mit Statuenbekrönung der Form nach eindeutig Weihdenkmälern. Der Ausgräber Vanderpool hat als engste Parallelen die bekannte Naxier-Sphinx in Delphi (um 560) und ähnliche Weihgeschenke auf der Akropolis aus der Zeit vor den Perserkriegen angeführt.862 Einen guten Vergleich bietet sicher auch die Weihung des Kallimachos, welche ebenfalls aus einer monumentalen ionischen Säule mit schreitender Nike bestand und in die Jahre nach der Marathonschlacht datiert.863 Manche Forscher haben dieses Auseinanderklaffen von Befund und Interpretation mit einer zusätzlichen Kategorie von Kriegsdenkmälern gelöst. So postulierte West kurz nach der Publikation des Funds in Marathon: „Actually this monument is not at all a tropaion in the usual sense of the term. It is simply a victory monument.“864 Derartige Deutungen laufen aber Gefahr, römische Formen der Kriegskommemoration ins klassische Griechenland zu projizieren. Selbst beim Gedenken an die Perserkriegsschlachten knüpften die hellenischen Stadtstaaten in allen anderen Punkten an überkommene Traditionen an, welche nur in Qualität und Quantität wesentlich intensiviert wurden. Es ist schwer zu glauben, dass die Säulenmonumente auf den Perserkriegsschlachtfeldern eine umfassende Innovation darstellten, die darüber hinaus in den darauffolgenden Jahrhunderten in keiner Weise rezipiert wurde. Denn nirgendwo sonst findet sich in der antiken Überlieferung ein Hinweis auf ein säulenförmiges Tropaion. Vielmehr wird die Genese der griechischen Siegesmale überhaupt erst verständlich, wenn man die Marmordenkmäler aus der Zeit der Perserkriege ausklammert. So kamen in der Mitte des 5. Jhs. ephemere Tropaia in Gebrauch, weil die Weihung der Beutewaffen in Heiligtümern zunehmend ausblieb. Sowohl die Literatur als auch die Kunst nahmen im 5. Jh. ausschließlich auf die Form des vergänglichen Siegesmals Bezug.865 In der Zeit des Peloponnesischen Krieges kam es dann zu einer ikonographischen Annäherung von Weihmonumenten und Tropaia, insofern Weihungen nun erstmals Reliefs mit Abbildungen von Beutewaffen trugen, wie etwa der dreiseitige Schildpfeiler, welcher als Basis der Paionios-Nike in Olympia (um 425) diente.866 Schließlich wurde am Übergang zum 4. Jh. erstmals das bronzene Abbild eines ephemeren Tropaions als Weihmonument gestiftet. So berichtet Pausanias bei seinem Rundgang in Olympia von einem bronzenen Tropaion mit Inschrift, welches er später dem Bildhauer Daidalos zuschreibt und damit eindeutig als geweihtes Kunstwerk identifiziert.867 Der dazugehörige Krieg zwischen Eleern und Spartanern

862 Vanderpool 1966, S. 100. Zur Sphinx: Bommelaer/Laroche 1991, S. 144 146; Maass 1993, S. 158. Zu Aussehen und Funktion von Säulenmonumenten auch Rabe 2008, S. 108 mit Bibliographie. 863 Goette/Weber 2004, S. 91 92, Abb. 113 und die dazugehörige Inschrift: IG I3 784. 864 West 1969, S. 11. 865 Vgl. Rabe 2008, S. 107; West 1969, S. 9 10 weist außerdem explizit darauf hin, dass Thukydi des und Xenophon keine monumentalen Tropaia kennen. 866 Mallwitz 1972, S. 37 39, Abb. 36; Thöne 1999, S. 117 119; Rabe 2008, S. 117 118. 867 Paus. 5, 27, 11; 6, 2, 8.

3.3 Die Denkmäler auf dem Schlachtfeld

199

hatte sich in den Jahren 401–399 zugetragen.868 Das Spektrum der Weihgeschenke in Form von Tropaia bzw. Beutewaffen erweiterte sich in den darauffolgenden Jahrhunderten wesentlich. Erwähnt sei hier die auf einem Waffenhaufen thronende Personifikation der Aitolia aus dem Jahr 279.869 Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum die Autoren der römischen Kaiserzeit nicht mehr veranlasst waren, zwischen Tropaia (auf Schlachtfeldern) und Weihmonumenten (in Heiligtümern) zu differenzieren. Das erste sicher bezeugte Tropaion aus unvergänglichen Materialien wäre demnach das Monument zur Erinnerung an die Schlacht von Leuktra.870 Dies ist eine Annahme, die dadurch bestärkt wird, dass der Bau dieses steinernen Denkmals in der Antike stark umstritten war und in einem Gerichtsverfahren vor dem Rat der Amphiktyonen diskutiert wurde.871 Derartige Reaktionen sind nur im Falle einer Innovation zu erwarten, die möglicherweise nicht nur darin bestand, dass erstmals ein steinernes Tropaion für einen innergriechischen Sieg errichtet wurde, sondern vielmehr darin, dass es sich um das erste steinerne Tropaion überhaupt handelte. Erkennt man die Interpretation der Säulenmonumente als Weihdenkmäler an, werden natürlich weitere Fragen aufgeworfen, denen an anderer Stelle nachgegangen werden muss. Wo und von wem wurden die Monumente geweiht? Standen sie in Heiligtümern, deren Kulte auch sonst mit der Kommemoration der Schlachten in Verbindung standen (Herakles in Marathon, Aias auf Salamis) oder wurden sie direkt auf dem Schlachtfeld an Zeus geweiht? Wurden sie im Namen der Polis oder (wie auch andere Denkmäler in dieser Zeit) zur Erinnerung an die Feldherrn geweiht? Wann und in welchem politischen Kontext wurden sie initiiert? Warum wurden sie erst mehrere Jahrzehnte nach dem Abschluss der Kampfhandlungen aufgestellt?

868 Paus. 3, 8, 3 4; Xen. hell. 3, 2, 25. 869 Paus. 10, 18, 7. Zu den bildlichen Zeugnissen: Rabe 2008, S. 119 121, Nr. 34; 124. 870 Cic. inv. 2, 23 und möglicherweise auch IG VII 2462, Z. 8. Damit in Verbindung gebracht wird ein Rundbau mit Waffenfries bei Leuktra: Rabe 2008, S. 183, Nr. 48. Dazu siehe Kap. 4.3.1. 871 Cic. inv. 2, 23. Vielleicht ist auch Plut. mor. 273D eine Anspielung auf diese Ereignisse.

4 Die Monumentalisierung des Sieges Der sich im Verlauf des 5. Jhs. zuspitzende Konflikt zwischen Sparta, Athen und den jeweiligen Bundesgenossen mündete 431 im Peloponnesischen Krieg und leitete die Überwindung der traditionellen Hoplitenschlacht ein. Kriege wurden fortan über Jahre hinweg, an mehreren Schauplätzen gleichzeitig und zunehmend auch unter Einsatz von professionalisierten Spezialtruppen und Söldnern geführt. Die steigende Komplexität der militärischen Auseinandersetzungen resultierte außerdem in einer gestärkten Rolle der Feldherrn innerhalb der Poliskontingente. Die zwischenstaatliche Politik war geprägt vom Kampf um die Hegemonie in Griechenland, wobei nach dem Machtverlust Athens insbesondere die Stadtstaaten Sparta und Theben in der ersten Hälfte des 4. Jhs. die Vorherrschaft inne hatten. Die Erinnerung an siegreiche Schlachten diente nun nicht mehr nur dem Prestige der jeweiligen Hoplitengemeinschaft, sondern auch der Dokumentation von territorialen Gewinnen und aktuellen Machtverhältnissen. Dieser Bedeutungswandel führte in mancher Hinsicht zu einer weiteren Monumentalisierung der Kriegskommemoration. Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen dabei die Grabdenkmäler der Gefallenen und die Frage, welche Auswirkungen die geänderten militärischen und politischen Rahmenbedingungen auf die Ehrung der Toten hatten.

4.1 Die Ehrung der Kriegsgefallenen Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass die archaische Tradition, die Kriegstoten am Ort der Auseinandersetzung beizusetzen, von den meisten Stadtstaaten in klassischer Zeit fortgeführt wurde.872 In der literarischen und epigraphischen Überlieferung finden sich zerstreute Notizen und Epigramme, welche von den entsprechenden Grabdenkmälern zeugen. Pritchett hat das dazugehörige Quellenmaterial 1985 erstmals gesammelt und ausgewertet.873 Insbesondere konnte er zeigen, dass das konkrete Vorgehen bei der Bestattung der Kriegstoten von Polis zu Polis variieren konnte.874 Tatsächlich bildeten sich im Laufe des 5. Jhs. lokale Sonderformen der Gefallenenehrung aus, von denen diejenigen in Athen und Sparta am besten dokumentiert sind. Die attische Tradition, die Asche der toten Kombattanten zurückzuführen und vor den Toren Athens beizusetzen, hat Jacoby bereits 1944 umfassend in einem Aufsatz untersucht.875 Auf diesen Ergebnissen baut die monographische Arbeit Clairmonts auf, die nicht nur eine detaillierte Analyse des athenischen Patrios Nomos, sondern auch einen Katalog der antiken Zeugnisse für klassische Kriegsgräber im

872 873 874 875

Siehe Kap. 3.3.1. Pritchett 1985, S. 94 260. Pritchett 1985, bes. S. 249 251. Jacoby 1944.

https://doi.org/10.1515/9783110637113 004

4.1 Die Ehrung der Kriegsgefallenen

201

übrigen Griechenland beinhaltet.876 Von Bedeutung ist auch die etwa zeitgleich erschienene Studie Stupperichs, welche überzeugend die spätarchaischen Grabluxusverbote Athens mit dem Aufkommen der staatlichen Bestattungen in Verbindung bringt.877 Daneben beschäftigen sich mehrere Studien mit dem politischen Charakter der athenischen Gefallenenlisten bzw. der Grabreden.878 Schließlich haben auch die spartanischen Sitten, die Gebeine gefallener Könige in die Heimat zu überführen und den Gebrauch von Grabinschriften auf kriegstote Spartiaten zu beschränken, in Einzeluntersuchungen Beachtung gefunden.879

4.1.1 Die Bestattung Kriegsgefallener in Griechenland Das Gedenken an verstorbene Mitmenschen ist ein menschliches Grundbedürfnis, welches normalerweise vorwiegend im privaten Bereich gepflegt wird. Im Rahmen des kommunikativen Gedächtnisses erinnern sich Individuen an verstorbene Personen, mit denen sie vormals durch verwandtschaftliche oder andere soziale Beziehungen verbunden waren. Die Übernahme dieser Erinnerungen in das kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft ist ein Sonderfall, für den sich Einzelne durch herausragende Leistungen zugunsten der Gemeinschaft und den damit einhergehenden Erwerb von gesellschaftlicher Anerkennung qualifizieren. Assmann hat deutlich gemacht, dass diese Form des Ruhms in vormodernen Kulturen ein Privileg von Herrschern war, welches im klassischen Griechenland demokratisiert wurde. Indem die Polis Möglichkeiten zum sportlichen und künstlerischen Wettbewerb schuf, ermöglichte sie es insbesondere den Angehörigen der Aristokratie, Auszeichnungen und Anerkennung von der Gemeinschaft zu erlangen.880 Damit einher ging selbstverständlich auch die Ehrung des Einzelnen und die Pflege seines Andenkens mithilfe von Denkmälern, Schriften und Ritualen über den Tod hinaus. Oder anders formuliert: „Das Versprechen von Ruhm bedeutet, den kleinen, zeitlich begrenzten Erinnerungsraum der Familie gegen den großen, der Intention nach zeitlich unbegrenzten Erinnerungsraum eines Kollektivs einzutauschen.“881 Neben besonderen Verdiensten im kulturellen, politischen und sportlichen Bereich, qualifizierten in Griechenland gerade auch militärische Leistungen und der Tod des Einzelnen in der Schlacht zum Erwerb öffentlichen Ruhms.

876 Clairmont 1983. 877 Stupperich 1977, bes. S. 219 221. 878 Zu den Gefallenlisten: Bradeen 1964; Low 2012; Arrington 2011; Arrington 2015. Zu Gefallenlis ten außerhalb Athens: Low 2003. Zu den Grabreden: Loraux 1981; Prinz 1997. 879 Missoni 1986; Toher 1991; Low 2006. Zum spartanischen Ideal des Kriegstodes auch Loraux 1977. 880 Assmann 2006, S. 39. 881 Assmann 2006, S. 43.

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4 Die Monumentalisierung des Sieges

Wie Koselleck gezeigt hat, sind Kriegsgefallene insbesondere aufgrund ihres frühen und gewaltsamen Todes erinnerungswürdig. Ihr plötzliches und unnatürliches Ableben erscheint erklärungsbedürftig und wird legitimiert, indem die Überlebenden dem Sterben einen höheren Sinn zuschreiben.882 Dieser Sinn wird in aller Regel aus dem Nutzen für die soziopolitischen Gruppe bzw. für deren Fortbestand abgeleitet. Die kollektive Kriegserinnerung konstruiert also einen Prozess des do ut des, bei dem der individuelle Kriegstod mit der Sicherung von Ruhm und Andenken durch die Gemeinschaft aufgewogen wird. Das Ableben in der Schlacht wird somit zum Opfertod für das Kollektiv und zu einem handlungsleitenden Ideal stilisiert.883 Ihrer selbst auferlegten Verpflichtung, den Ruhm der Toten weiter zu tradieren, kamen die griechischen Stadtstaaten in erster Linie mit dem Bau und der kultischen Pflege von Grabdenkmälern nach. In der konkreten Gestaltung der Monumente wurden Botschaften manifestiert, welche dem Tod der Gefallenen einen Sinn zuschrieben und den Betrachter dazu aufforderten, sich mit diesem Sinn zu identifizieren.884 Die Anerkennung des Opfers der geehrten Personen evozierte dabei natürlich immer auch die eigene Bereitschaft, den Kriegstod für die Gemeinschaft als soziale Norm zu akzeptieren. Grabdenkmäler auf dem Schlachtfeld und in der Heimat Die griechischen Traditionen sahen zur Ehrung der Kriegsgefallenen und zur Tradierung ihres Ruhmes primär die gemeinschaftliche Bestattung der Toten auf dem Schlachtfeld in nach Poleis getrennten Gräbern (ϰατὰ πόλιν) vor.885 Die dabei am häufigsten verwendeten Denkmalformen waren einfache Erd- bzw. Hügelgräber, die bei Bedarf mit Grabstatuen- oder Inschriften markiert wurden. Die entsprechenden Bestattungen werden von den griechischen Autoren in der Regel als πολυανδρεῖα bezeichnet. Einen Einblick in den Prozess der Grablegung bietet etwa ein Fundkomplex in Olynth. Hier wurden die Körper der insgesamt 44 Toten zusammen mit Waffenteilen und anderen Beigaben unverbrannt in drei Gruppen beigesetzt. Da die jüngsten Objekte in die Zeit um 430 datieren, hat der Ausgräber Robinson die Toten als Gefallene aus den regionalen Kämpfen am Beginn des Peloponnesischen Krieges identifiziert.886 Den lokalen Gebräuchen entsprechend verzichtete man allerdings auf eine Markierung durch einen Grabstein und das Polyandrion wurde innerhalb weniger Jahrzehnte von anderen Bestattungen überlagert.887 Gelegentlich sah man auch vom

882 Koselleck 1996, S. 256 257. 883 Vgl. Assmann 2006, S. 43. 884 Koselleck 1996, S. 256 257. 885 Wortlaut u.a. bei Plut. mor. 193B. Siehe dazu Kap. 2.3.3 und 3.3.1. 886 Robinson 1942, S. 70 77; zur Identifizierung S. 163 164. Zu den historischen Ereignissen: Thuk. 1, 62 63; 2, 79. 887 Pritchett 1985, S. 132.

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Bau aufwendiger Monumente ab, weil bei der Beisetzung gefallener Kombattanten in anhaltenden Kriegssituationen Eile geboten war.888 Größere Sorgfalt und Planung bezeugen zwei Grabdenkmäler, welche die Thebaner im 4. Jh. für ihre Kriegstoten auf den Schlachtfeldern von Mantineia und Chaironeia errichteten. So beschreibt Pausanias bei seinem Rundgang durch Arkadien, dass die Stelle, an der der 362 gefallene Feldherr Epameinondas begraben war, mit einem regelrechten Denkmälerensemble ausgewiesen wurde. Die Boioter selbst hatten in Mantineia neben einer Stele mit Grabepigramm auch eine Säule errichtet und einen Schild mit Schlangendarstellung auf dem Grab drapiert.889 Der Text des Gedichtes ist nicht überliefert, aber die Schlange muss, wie auch der Perieget erkannt hat, als Symbol für die mythischen Krieger – die sogenannten Sparten – verstanden werden, welche Kadmos bei der Gründung Thebens mithilfe von ausgesäten Drachenzähnen aus dem Boden erwachsen ließ.890 In dem Mythos kommt insbesondere das Selbstbewusstsein der thebanischen Bürger zum Ausdruck, die sich aufgrund ihrer Abstammung von den Sparten als autochthone Krieger verstanden.891 Das Grabdenkmal versuchte also eine Kontinuität zwischen den aktuellen innergriechischen Auseinandersetzungen und den mythischen Kämpfen der Gründerväter herzustellen. Die militärischen Leistungen des Epameinondas wurden insbesondere mit Blick auf ihre Bedeutung für die thebanische Polisgemeinschaft und ihre soziale Ordnung gewürdigt. Weiter berichtet Pausanias, dass vor den Toren der Stadt Chaironeia ein Grabdenkmal für die im Jahr 338 gegen Philipp II. gefallenen Thebaner stand, welches mit einer Löwenstatue bekrönt war (Abb. 9).892 Diese Nachricht bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf den am Ende des 19. Jhs. freigelegten Grabbezirk nahe der antiken Polis.893 Das ca. 22m × 13m große Areal war mit einer Mauer aus Steinquadern

888 Thuk. 3, 109, 3: ϰαὶ οἱ μὲν τούς τε νεϰροὺς ἀνείλοντο καὶ διὰ τάχους ἔϑαπτον, ὥσπερ ὑπῆρχε, καὶ τὴν ἀποχώρησιν ϰρύφα οἷς ἐδέδοτο ἐπεβούλευον. 889 Paus. 8, 11, 8: τῷ τάφῳ δὲ κίων τε ἐφέστηκε καὶ ἀσπὶς ἐπ’ αὐτῷ δράκοντα ἔχουσα ἐπειργασμέ νον· ὁ μὲν δὴ δράκων ἐϑέλει σημαίνειν γένους τῶν Σπαρτῶν καλουμένων εἶναι τὸν ᾿Επαμινώνδαν, στῆλαι δέ εἰσιν ἐπὶ τῷ μνήματι, ἡ μὲν ἀρχαία καὶ ἐπίγραμμα ἔχουσα Βοιώτιον, τὴν δὲ αὐτήν τε ἀνέϑηκεν ᾿Αδριανὸς βασιλεὺς καὶ ἐποίησε τὸ ἐπίγραμμα τὸ ἐπ’ αὐτῇ. 890 Aischyl. Sept. 412; Eur. Phoen. 638 644; 657 675; Pind. I. 7, 10; 13; Paus. 9, 5, 3. Weitere Be legstellen bei Kühr 2006, S. 109. 891 Zur politischen Funktion des Mythos: Kühr 2006, S. 109 112. 892 Paus. 9, 40, 10: προσιόντων δὲ τῇ πόλει πολυάνδριον Θηβαίων ἐστὶν ἐν τῷ πρὸς Φίλιππον ἀγῶνι ἀποϑανόντων. ἐπιγέγραπται μὲν δὴ ἐπίγραμμα οὐδέν, ἐπίϑημα δ’ ἔπεστιν αὐτῷ λέων· φέροι δ’ ἄν ἐς τῶν ἀνδρῶν μάλιστα τὸν ϑυμόν· ἐπίγραμμα δὲ ἄπεστιν ἐμοὶ δοϰεῖν ὅτι οὐδε ἐοιϰότα τῇ τόλμῃ σφίσι τὰ ἐϰ τοῦ δαίμονος ἠϰολούϑησε. 893 Die Mehrheit der Forscher stimmt der Gleichsetzung mit dem bei Pausanias beschriebenen Theba nergrab zu, so: Frazer 1913, S. 210; Clairmont 1983, S. 241; Pritchett 1985, S. 136 137; Ma 2008, S. 81 83. Vermeule 1972, S. 55 hat dagegen vorgeschlagen, dass es sich um die Gefallenen aller beteiligten Kon tingente handelt. Dagegen sprechen aber die Nachrichten der antiken Autoren, dass allein die Athener mehr als 1000 Tote zu verzeichnen hatten: Diod. 16, 85; Paus. 7, 10, 5. Hammond 1938, S. 216 218 hin gegen plädierte für das Grab der gefallenen Makedonier. Dazu neigt auch Kurtz/Boardman 1985,

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Abb. 9: Das Löwendenkmal, welches das Grab der in der Schlacht von Chaironeia (338) gefallenen Thebaner markierte, wurde rekonstruiert. Um das Monument herum sind die Ausmaße des antiken Grabbezirks angedeutet. (Foto M. Seewer)

eingefasst. Im westlichen Teil der Anlage kamen die Skelette von 254 Toten zu Tage, welche sorgfältig in mehreren Schichten übereinander aufgereiht lagen. Die Knochen ließen bei ihrer Auffindung noch Spuren der Kampfverletzungen erkennen und die Bestattung enthielt neben anderen Beigaben insbesondere auch Waffen (Dolche,

S. 306. Das makedonische Grab ist aber mit großer Sicherheit mit dem am Ufer des Kephisos freigeleg ten Tumulus zu identifizieren. Dort kamen neben makedonischen Münzen auch die typischen Sarissa Spitzen zutage. Dazu: Pritchett 1985, S. 138; Ma 2008, S. 74 75; 77 78.

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Schwerter, Lanzenspitzen), welche die Identifikation als Kriegsgrab bestätigen.894 Innerhalb der gemauerten Einfassung befand sich außerdem eine steinerne Plattform, welches als Fundament für die monumentale Löwenstatue diente. Das Tier aus grauem Marmor saß erhöht auf einer mehrstufigen quadratischen Basis. Die Statue wurde mithilfe der antiken Bruchstücke restauriert und zeigt einen mild lächelnden Löwen, dessen Stärke und Tugend mehr im kraftstrotzenden Körperbau als im mimischen Ausdruck zur Geltung kommt.895 Die Thebaner kommemorierten also auch die Niederlage der griechischen Stadtstaaten bei Chaironeia mit einem aufwendigen Monument, welches insbesondere die militärischen Tugenden der gefallenen Mitglieder der Heiligen Schar betonte.896 Auch wenn für die Gestaltung des Grabbezirkes sicherlich das thespische Grab der Delion-Gefallenen als direktes Vorbild diente, ist der sitzende Löwe vielleicht auch eine Reminiszenz an das entsprechende Thermopylen-Denkmal.897 Damit beanspruchten die Thebaner, für die Freiheit Griechenlands gekämpft und verloren zu haben – ebenso wie einst Leonidas und seine Elitetruppe gegen die einfallenden Perser. Ebenfalls aus dem 4. Jh. stammt ein Grabdenkmal für gefallene Krieger aus der arkadischen Kleinstadt Thelphousa. Erhalten ist die rechteckige Basis eines Monuments, auf der ein sechszeiliges Epigramm angebracht ist: ἄξια σοῦ, Θέλφουσα, ϰαὶ ῾Ελλάδος ἄνυσαν ἔργα μαρνάμενοι πάτρας οἵδε περὶ σφετέρας· ἦ γὰρ ἔσω νυϰτὸς πυμάτας ὑπὲρ ἕρϰεα πύργων βάντα ϰατ’ ἀϰροτάτων ἤλασαν ἐϰτὸς ἄρη δυσμενέων, πολλοὺς δὲ δι’ αἵματος ἐϰτανύσαντες ϰάτϑανον, εὐνομίαν ῥυσάμενοι πατέρων. Taten, deiner und Griechenlands würdig, verrichteten im Kampfe für ihr Vaterland diese Männer hier, Thelphousa. Denn wahrlich sie jagten die feindliche Schar, die in tiefer Nacht über die Zinnen der Mauer gestiegen war, hoch über die Wehren davon. Zu Haufen streckten sie die Angreifer nieder in blutigem Kampf und fielen dann selbst, aber gerettet hatten sie die rechtliche Ordnung der Väter. (IG V 2, 412; Übers. Peek 1960a, Nr. 14.)

894 Zu den Ergebnissen der Grabungen von 1879: Stamatakis 1880, S. 22 26. Für weitere Berichte vgl. die ausführliche Bibliographie bei Clairmont 1983, S. 240. Pritchett 1985, S. 136 138 hat die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst. Zu den Kampfspuren an den Skeletten: Ma 2008, S. 75 76. 895 Die Statue wurde bereits 1818 von einer Gruppe englischer Reisender entdeckt. Zur Forschungsge schichte vgl. Frazer 1913, Bd. 5, S. 209 210; Pritchett 1985, S. 136, Fn. 133; Ma 2008, S. 79 81. 896 Ma 2008, S. 84 diskutiert die Möglichkeit, dass Peribolosmauer und Löwenstatue spätere Er gänzungen aus der Zeit nach 316 sein könnten. 897 Vgl. Ma 2008, S. 85 86. Zum Delion Grabmal: Clairmont 1983, S. 232 234, Nr. 48c. Vgl. Kap. 4.1.3. Zum Thermopylen Denkmal: Hdt. 7, 225. Vgl. Kap. 3.3.1.

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Das Gedicht berichtet von einem Überfall auf die Stadt, in dessen Verlauf die Feinde vertrieben wurden, während sie versuchten, bei Nacht die Befestigung Thelphousas zu erstürmen. Obwohl die Polis selbst Verluste zu beklagen hatte, gelang es ihr, die Eroberung und eine damit einhergehende Änderung der staatlichen Ordnung abzuwenden. Mit der erfolgreichen Verteidigung der Stadt und ihrer Verfassung rechtfertigten die Überlebenden also den Tod der gefallenen Männer. Das Monument würdigte die militärischen Leistungen der Kämpfer, deren Opfertod für die Gemeinschaft gleichzeitig die Autorität der bestehenden Staatsordnung erhöhte. Da die Feinde im Gedicht nicht genannt werden, können die historischen Ereignisse, die zu dem nächtlichen Überfall führten, nicht mehr bestimmt werden. Peek brachte das Monument hypothetisch mit der Nachricht Diodors über eine Schlacht zwischen Lakedaimoniern und Thebanern in Zusammenhang, die 352 bei Thelphousa stattfand.898 Auch über die Rekonstruktion des Grabdenkmals kann nur spekuliert werden. Die Basis verfügt über eine längliche Einlassung für eine Stele, welche wohl entweder die Namen der Gefallenen oder eine Reliefdarstellung trug. Da die Kampfhandlungen im Umfeld der antiken Stadt stattgefunden haben, können wir davon ausgehen, dass die Toten auch hier begraben wurden und dass es sich beim dem steinernen Denkmal nicht um ein Kenotaph handelte. Viele mittelgriechische Stadtstaaten pflegten außerdem die Sitte, in der Heimat Kenotaphe zu errichten, um jene Gefallenen zu ehren, welche anderswo auf dem Schlachtfeld bestattet waren oder deren Leichen unauffindbar blieben.899 Diese Praxis erfuhr nach den Perserkriegen eine gewisse Intensivierung, insofern mehrere beteiligte Griechenstädte das Bedürfnis hatten, die Leistungen der Kriegstoten von 480/ 479 auch innerhalb ihres eigenen Territoriums zu würdigen.900 Die entsprechenden Denkmäler erhielten, wie etwa die Inschrift am Baitylos der Megarer bezeugt, prominente Aufstellungsorte und waren monumental gestaltet. Erinnert sei hier auch an den steinernen Grabbezirk der Ambrakioten mit dem umfangreichen Epigramm aus dem 6. Jh. und an das athenische Stelen-Denkmal im Kerameikos zur Erinnerung an die Gefallenen von Salamis.901 Insofern man die Überlieferungssituation als repräsentativ betrachten kann, scheint die Praxis der Errichtung von Kenotaphen im Verlauf des 5. Jhs. aus der Mode gekommen zu sein. Mehrere Stadtstaaten gingen stattdessen zur athenischen Tradition, die Überreste der Kriegstoten nach Hause zu überführen und erst dort zu bestatten, über.902 Der Bau von Grabdenkmälern im öffentlichen

898 Diod. 16, 39, 6. Dazu: Peek 1960a, S. 50. Ebenso Clairmont 1983, S. 239 240. Pritchett 1985, S. 222 gibt zu bedenken, dass Thelphousa auch in anderen Kriegen involviert war. Eine endgültige Entscheidung ist aufgrund der schlechten Überlieferungslage nicht möglich. Die Buchstabenformen datieren das Monument lediglich ins 4. Jh. 899 Die Unauffindbarkeit der Leichen ist bei Xen. an. 6, 4, 9 explizit als Motivation zur Errichtung eines Kenotaphs benannt. Diesen Aspekt betont auch Page 1981, S. 220. 900 Siehe Kap. 3.3.1. Zu den Kenotaphen der Perserkriegszeit auch Pritchett 1985, S. 258. 901 SEG 41, 540; IG I3 503/04. 902 Siehe Kap. 4.1.3.

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Raum der Polis lässt zweifellos auf eine steigende Bedeutung der Gefallenenehrung für die kollektive Identität der jeweiligen Gemeinschaft schließen. Im Umfeld der Agorai bzw. vor den Mauern der Stadt standen die Monumente für feierliche Begehungen und rituelle Handlungen zur Verfügung. In der antiken Literatur ist mehrfach die Rede davon, dass an den Grabdenkmälern Opferhandlungen zu Ehren der Toten vollzogen wurden. So opferten die Bewohner der Polis Megara ihren Perserkriegsgefallenen an dem als Grabaltar dienenden Kultstein jährlich einen Stier und die Plataier ehrten die Kriegstoten aller griechischen Städte in klassischer Zeit mit Gewändern und Erstlingsgaben.903 Am besten belegt sind die entsprechenden Feierlichkeiten und Rituale natürlich in Athen. Nach der Beschreibung des Thukydides wurden bei der mehrtägigen Bestattungszeremonie insbesondere auch Reden gehalten, in denen führende Politiker die Leistungen aller Gefallenen würdigten und die anwesenden Politen ihres bürgerschaftlichen Selbstbewusstseins versicherten.904 Die Pflege von Grabdenkmälern in der Heimat ermöglichte es den Polisgemeinschaften, das eigene Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, indem man sich die Opferbereitschaft der Toten regelmäßig vor Augen führte. Die Gefallenen hatten im Interesse der Gemeinschaft ihr Leben gelassen, wofür man ihnen Ruhm und öffentliche Ehrungen zusprach. Gleichzeitig wurden die Toten zu handlungsleitenden Vorbildern stilisiert, an denen sich zukünftige Generationen von Hoplitenbürgern orientieren sollten. Schließlich sanktionierte ihre vermeintliche Bereitschaft, für das Kollektiv zu sterben, dessen staatliche Ordnung und trug somit auf ideeller Ebene zu dessen Akzeptanz und Kontinuität bei. Sonderformen der Gefallenenehrung Neben diesen allgemein griechischen Praktiken zur Gefallenenkommemoration bildeten sich im 5. Jh. auch polisspezifische Formen der Denkmäler- und Erinnerungskultur heraus. Die bekannteste dieser Sonderformen ist der athenische Patrios Nomos, der eng mit dem demokratischen Selbstverständnis der Bürger dieser Polis zusammenhing. Daneben erfahren wir aus der antiken Literatur, dass es auch in Sparta besondere Begräbnisritten für Kriegstote gegeben hat. So begannen die Lakedaimonier spätestens in der Zeit der Perserkriege damit, in der Heimat feierliche Bestattungszeremonien zu Ehren der im Krieg gefallenen Könige auszurichten.905 Die Leichen der gefallenen Könige wurden, wenn möglich, vom Schlachtfeld geborgen und nach Hause überführt. Als Agesipolis I. 380 bei der Belagerung von Torone auf der Chalkidike starb, wurde sein Körper deshalb eigens mit Honig mumifiziert und nach Sparta transportiert.906 Weiter ist mehrfach belegt, dass das lakedaimonische Heer große personelle und

903 IG VII 58, Z. 14 (Megara); Thuk. 3, 58, 4 (Plataiai). Vgl. Plut. Aristeides 21, 2 5 zu den Toten opfern in römischer Zeit. 904 Thuk. 2, 34, 2 7. Zum Charakter der Grabreden vgl. Loraux 1981, S. 267 346; Prinz 1977, S. 217 222. 905 Siehe Kap. 3.3.1. 906 Xen. hell. 5, 3, 19. Zur Mumifizierung auch: Diod. 15, 93; Plut. Agesiloas 40, 3.

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finanzielle Aufwendungen in Kauf nahm, um den Leichnam eines Königs zurückzuerobern bzw. auszulösen.907 Plutarch betrachtet es deshalb als allgemeine Regel, dass die toten Könige in die Heimat überführt wurden, während die übrigen Hopliten ihre letzte Ruhestätte auf dem Schlachtfeld fanden.908 Den Leichnam eines Königs in die Hände der Feinde fallen zu lassen, galt folgerichtig als moralischer Frevel.909 Herodot gibt außerdem einen knappen Bericht über den Ablauf der Bestattungszeremonien in Sparta.910 Im Vorfeld der Feierlichkeiten verkündeten Reiter in ganz Lakonien den Tod des Königs. Mindestens zwei freie Personen aus jedem Haushalt wurden dann unter der Androhung von Strafen zur Teilnahme an der Trauerfeier verpflichtet. In der Stadt versammelten sich deshalb tausende Spartiaten, Heloten und Perioiken zur kollektiven Totenklage. Der Leichnam des Königs bzw. sein Abbild wurde auf einer reich geschmückten Trage zu Grabe getragen und anschließend eine zehntägige Staatstrauer ausgerufen, während der keine öffentlichen Geschäfte und Wahlen stattfinden durften. Die verstorbenen Könige wurden dann als Heroen weiter verehrt.911 Die aufwendige Inszenierung der Bestattung diente den Agiaden und Eurypontiden in erster Linie zur Repräsentation ihres Führungsanspruchs und zur Legitimierung der monarchischen Staatsordnung.912 Die Hierarchisierung innerhalb der spartanischen Polisgemeinschaft fand auch bei der Beisetzung der übrigen Hopliten Berücksichtigung. Wie bereits angesprochen, begruben die Spartaner ihre Toten bei Plataiai getrennt nach Irenen, Spartiaten und Heloten.913 Die Grabdenkmäler bildeten also die soziale Struktur der Gesellschaft ab und leisteten dadurch einen Beitrag zur Akzeptanz und Stabilität der bestehenden Staatsordnung. Die Tatsache, dass die Teilnahme an den Trauerfeierlichkeiten zur Ehren der Könige auch für Heloten und Perioiken verpflichtend war, zeigt weiter, dass die Kommemoration zusätzlich auf die Binnenintegration der ruralen Bevölkerung in den spartanischen Staat abzielte. Durch Plutarch erfahren wir von einer Reihe gesetzlicher Regelungen zur Einschränkung des „Gräberluxus“ in Sparta, die auf den archaischen Gesetzgeber Lykurg zurückgehen sollen. Demnach war die Trauerzeit allgemein auf elf Tage beschränkt und die Benutzung von Grabbeigaben untersagt.914 Grabinschriften wurden darüber hinaus ausschließlich Männern vorbehalten, die im Krieg gefallen

907 So kämpfen die Spartaner bei Leuktra verbissen um den Leichnam des Kleombrotos: Xen. hell. 6, 4, 13; Diod. 15, 56, 1. Im Jahr 338 boten die Tarentiner laut Theopompos FGrH 115, Frg. 232 eine größere Summe Lösegeld für den Leichnam des Archidamos III. Dazu: Pritchett 1985, S. 241. 908 Plut. Agesilaos 40, 3: ἔϑνους δὲ ὄντος Λαϰωνιϰοῦ τῶν μὲν ἄλλων ἐπὶ ξένης ἀποϑανόντων αὐτοῦ τὰ σώματα ϰηδεύειν ϰαὶ ἀπολείπειν, τὰ δε τῶν βασιλέων οἴϰαδε ϰομίζειν. 909 Paus. 9, 13, 10. 910 Hdt. 6, 58. 911 Xen. Lak. pol. 15, 9. 912 Toher 1991, S. 171 174. 913 Hdt. 9, 85, 1 2. Siehe Kap. 3.3.1. 914 Plut. Lykurgos 27, 1 2; Plut. mor. 238D. Toher 1991, S. 170 bringt die Regulierungen aufgrund der Zuschreibung zu Lykurg mit den gesellschaftlichen Umwälzungen im 6. Jh. in Zusammenhang.

4.1 Die Ehrung der Kriegsgefallenen

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waren, oder Frauen, die im Wochenbett starben.915 Tatsächlich enthalten einige der ältesten Grabinschriften aus Sparta neben dem Namen des Toten noch den Zusatz ἐν πολέμῳ.916 Die kleinen Stelen (0.13–0.90m Höhe), welche nicht oder nur mit einfachen Giebeln verziert waren, stammen aus der Zeit zwischen dem 5. und ausgehenden 3. Jh.917 Genauer einordnen lässt sich lediglich die Grabinschrift Εὐάλϰες ἐν πολέμοι ἐν Μαντινέαι, welche den Ort der Schlacht gegen Athener und Argiver im Jahr 418 mit angibt.918 In den übrigen Fällen erlauben die Inschriften keine konkreten Rückschlüsse auf die historischen Ereignisse oder die geehrte Person.919 Diese Grabdenkmäler für im Krieg gefallene Hopliten scheinen nicht auf staatliche, sondern auf private Initiative zurückzugehen. Dafür spricht neben der fehlenden Monumentalität insbesondere auch die Tatsache, dass die Inschriften nicht an einem Ort, sondern über ganz Lakonien verteilt gefunden wurden. Weniger als die Hälfte der Stelen stammt aus dem direkten Umfeld Spartas, die übrigen aus Pellana, Kefala, Sellasia, Geraki, Thamaki, Mari und Alea bei Tegea.920 Es handelt sich dabei wohl um private Grabdenkmäler, mit denen lakonische Familien ihre im Krieg gefallenen Angehörigen kommemorierten. Die Frage, warum die betreffenden Personen in der Heimat geehrt wurden, muss offen bleiben. Dass die Stelen Kenotaphe markiert haben, ist ebenso denkbar wie die These, dass die betreffenden Kämpfer verwundet waren und erst in der Heimat ihren Verletzungen erlagen.921 Mindestens im Fall des bei Mantineia gefallenen Eualkes, ist es tatsächlich fragwürdig, warum er nicht zusammen mit den übrigen Spartanern bei Tegea beigesetzt wurde.922 Die Gestaltung der einfachen Denkmäler entsprach dem gesellschaftlichen Ideal der Zurückhaltung und Selbstdisziplinierung, wurde aber offensichtlich nicht – wie in Athen – staatlich initiiert. Eine Übernahme des Gefallenengedenkens durch die Polisgemeinschaft geschah im klassischen Sparta also nicht en masse, sondern nur in Einzelfällen. Neben den kultischen Ehrungen für die toten Könige wurden offenbar auch einzelne Kämpfer heroisiert, die sich in

915 Plut. Lykurgos 27, 2: ἐπιγράψαι δὲ τοὔνομα ϑάψαντας οὐϰ ἐξῆν τοῦ νεϰροῦ, πλὴν ἀνδρὸς ἐν πολέμῳ ϰαὶ γυναιϰὸς τῶν ἱερῶν ἀποϑανόντων. 916 IG V 1, 701 710; 918; 921; 1124; 1125; 1320; 1591; V 2, 251 und die jüngeren Funde: SEG 32, 397; 47, 368. 917 Vgl. Pritchett 1985, S. 245. Daneben befindet sich im Archäologischen Museum Sparta ein un publiziertes Exemplar aus dem 1. Jh. (SEG 42, 330). Es trägt die Reliefdarstellung eines Hopliten und ist sicher ein archaisierender Bezug auf die ältere Grabsitte. Zum Aussehen der Denkmäler vgl. Low 2006, S. 87. 918 IG V 1, 1124. Zur Schlacht: Thuk. 5, 64 74. 919 Low 2006, S. 86 schreibt treffend: „these monuments might seem to occupy the minimalist end of the commemorative spectrum.“ 920 Low 2006, S. 88. 921 Low 2006, S. 90 (Kenotaphe); Pritchett 1985, S. 245 (Verwundete). 922 Thuk. 5, 74, 2 berichtet, dass die Spartaner ihre Toten aus der Schlacht nach Tegea brachten und dort beisetzten. Low 2006, S. 96 98 hat überzeugend argumentiert, dass das Polyandrion in Tegea eine diplomatische Funktion innerhalb der Symmachie mit Sparta gehabt haben könnte.

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4 Die Monumentalisierung des Sieges

besonderer Weise militärisch verdient gemacht hatten. So existierte im kaiserzeitlichen Sparta eine Kultstätte (ἱερόν) für die Thermopylenkämpfer Maron und Alpheios sowie ein Erinnerungsmal (μνῆμα) für den Perserkriegskommandanten Eurybiades.923 Möglicherweise handelte es sich dabei um Heroengräber aus dem 5. Jh., die bis in römische Zeit weiter gepflegt wurden. Mindestens bei dem Denkmälerensemble aus der Zeit des Peloponnesischen Krieges, welches neben den Heroa des Leonidas und des Pausanias auch eine Gefallenenliste der 300 und das Kenotaph des zeitgenössischen Feldherrn Brasidas umfasste, ist eine wichtige Rolle im öffentlich Leben der Polis unbestreitbar (Abb. 10).924 Ob die vom Periegeten Pausanias beschriebenen Leonideia mit Reden und Wettkämpfen unter den Spartiaten bereits in klassischer Zeit stattfanden, ist fraglich.925 Zweifellos wurden die Denkmäler im Umfeld der Agora aber bereits im 5. und 4. Jh. in öffentliche Zeremonien und kultische Handlungen eingebunden. Thommen sieht in den Monumenten „die Idealisierung des heldenhaften Einsatzes für die Polis“ manifestiert.926 Die spartanische Bürgergemeinschaft konnte sich hier ihrer wichtigsten militärischen Leistungen vergewissern, während die führenden Figuren historischer Schlachten gleichzeitig als handlungsleitende Vorbilder dienten. Die „einfachen“ Hopliten hingegen wurden bereits auf dem Schlachtfeld beigesetzt und erhielten in Sparta selbst keine weiteren öffentlichen Ehrungen.927 Nirgendwo in der Überlieferung hören wir von Festen, Kulthandlungen oder Wettkämpfen zur öffentlichen Würdigung der Kriegstoten.928 Ihre Aufopferung für die Gemeinschaft wurde vielmehr dadurch idealisiert, dass man individuelle Grabdenkmäler im privaten Rahmen ausschließlich Kriegstoten vorbehielt. Aufwendige Formen der Grabrepräsentation, wie sie in archaischer Zeit anderenorts von Aristokraten gepflegt und am Beginn des klassischen Zeitalters durch viele Stadtstaaten monopolisiert wurden, kamen in Sparta nicht zur öffentlichen Ehrung der Gefallenen zum Einsatz. Sie waren den Königen und einzelnen herausragenden Kämpfern vorbehalten.929 Damit trugen auch die Kommemorationsformen

923 Paus. 3, 12, 9; vgl. Hdt 7, 227 zur Rolle des Brüderpaars in der Schlacht; Paus. 3, 16, 6. 924 Paus. 3, 14, 1: ἐϰ δὲ τῆς ἀγορᾶς πρὸς ἥλιον ἰόντι δυόμενον τάφος ϰενὸς Βρασίδᾳ τῷ Τέλλιδος πεποίηται. [. . .] τοῦ ϑεάτρου δὲ ἀπαντιϰρὺ Παυσανίου τοῦ Πλαταιᾶσιν ἡγησαμένου μνῆμά ἐστι, τὸ δὲ ἕτερον Λεωνίδου. [. . .] τὰ ὀστᾶ τοῦ Λεωνίδου τεσσαράϰοντα ἔτεσιν ὕστερον ἀνελομένου ἐϰ Θερ μοπυλῶν τοῦ Παυσανιου. ϰεῖται δὲ ϰαὶ στήλη πατρόϑεν τὰ ὀνόματα ἔχουσα οἳ πρὸς Μήδους τὸν ἐν Θερμοπύλαις ἀγῶνα ὑπέμειναν. 925 Paus. 3, 14, 1. Auch die epigraphischen Zeugnisse belegen das Fest erst in der Kaiserzeit: IG V 1, 18B; 660. 926 Thommen 2003, S. 124 125. 927 Plut. Agesilaos 40, 3 betrachtet die Beisetzung der Hopliten auf dem Schlachtfeld als Regelfall. Pritchett 1985, S. 243 244 nennt zahlreiche Einzelbelege aus der Zeit 6. 3. Jh. Zur Bedeutung der spartanischen Polyandria außerhalb Lakoniens auch: Missoni 1986, S. 61 68; Low 2006, S. 96 101. 928 Vgl. Thommen 2003, S. 124; Sage 1996, S. 100. 929 Toher 1991, S. 171 173.

4.1 Die Ehrung der Kriegsgefallenen

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Abb. 10: Das von Pausanias beschriebene Denkmäler-Ensemble in Sparta mit einer Gefallenenliste der 300 und den Heroa der Feldherren Leonidas, Pausanias und Brasidas konnte bisher nicht lokalisiert werden. Die Reste eines fälschlicherweise als „Grab des Leonidas“ bezeichneten Baus stammen aus dem 3. Jh. (Foto J. Schröder)

der Lakedaimonier zur Ausbildung des kollektiven Bewusstseins innerhalb der Bürgerschaft und zur Legitimierung spezifischer Elemente der inneren Staatsordnung bei.

4.1.2 Der athenische Patrios Nomos Die wesentliche Besonderheit der attischen Gefallenenehrung bestand in der Rückführung der sterblichen Überreste und der institutionalisierten Bestattung in der Heimat. Der Beginn dieser Tradition dürfte, wie oben diskutiert, in die Jahre nach der Schlacht bei Marathon fallen.930 An einem nicht mehr genau bestimmbaren Termin im Winter fand in Athen jährlich eine mehrtägige Trauerfeier statt, deren Höhepunkt die kollektive Beisetzung aller Kriegstoten der zurückliegenden Feldzugsaison bildete.931 Die in der Antike als πάτριος νόμος bezeichnete Tradition resultierte in einer Gruppe von

930 Siehe Kap. 3.3.1. 931 Zur Frage nach dem Termin ausführlich: Pritchett 1998, S. 29 37; Jacoby 1944, S. 59 65. Vgl. Stupperich 1977, S. 32; 56.

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monumentalen Grabdenkmälern, die innerhalb der klassischen Staatenwelt sowohl an Qualität als auch an Quantität unübertroffen blieben. Die jährliche Bestattungszeremonie Die praktische Voraussetzung für die Rückführung der Gefallenen und für das zeitliche Aufschieben der Bestattungsriten bis zum Termin der jährlichen Zeremonie war die Kremierung der Toten am Ort der Schlacht.932 Diese erforderte die Beschaffung großer Mengen Brennholz und brachte daher einen bedeutenden zeitlichen und auch wirtschaftlichen Aufwand mit sich.933 Da beim Leichenzug in Athen nach Phylen getrennte Urnen mitgeführt wurden, muss man wohl davon ausgehen, dass auch die Totenverbrennung getrennt in den zehn Untereinheiten realisiert wurde.934 Die öffentliche Bestattungszeremonie in Athen beschreibt Thukydides exemplarisch für den Winter 431/30: τὰ μὲν ὀστᾶ προτίϑενται τῶν ἀπογενομένων πρότριτα σϰηνὴν ποιήσαντες, ϰαὶ ἐπιφέρει τῷ αὑτοῦ ἕϰαστος ἤν τι βούληται· ἐπειδὰν δὲ ἡ ἐϰφορὰ ᾖ, λάρναϰας ϰυπαρισσίνας ἄγουσιν ἅμαξαι, φυλῆς ἑϰάστης μίαν· ἔνεστι δὲ τὰ ὀστᾶ ἧς ἕϰαστος ἦν φυλῆς. μία δὲ ϰλίνη ϰενὴ φέρεται ἐστ ρωμένη τῶν ἀφανῶν, οἳ ἂν μὴ εὐρεϑῶσιν ἐς ἀναίρεσιν. ξυνεϰφέρει δὲ ὁ βουλόμενος ϰαὶ ἀστῶν ϰαὶ ξένων, ϰαὶ γυναῖϰες πάρεισιν αἱ προσήϰουσαι ἐπὶ τὸν τάφον ὀλοφυρόμεναι. τιϑέασιν οὖν ἐς τὸ δημόσιον σῆμα, ὅ ἐστιν ἐπὶ τοῦ ϰαλλίστου προαστείου τῆς πόλεως [. . .]. ἐπειδὰν δὲ ϰρύψωσι γῇ, ἀνὴρ ᾑρημένος ὑπὸ τῆς πόλεως, ὅς ἄν γνώμῃ τε δοϰῇ μὴ ἀξύνετος εἶναι ϰαὶ ἀξιώσει προήϰη, λέγει ἐπ’ αὐτοῖς ἔπαινον τὸν πρέποντα· μετὰ δὲ τοῦτο ἀπέρχονται. Die Gebeine der Verstorbenen stellen sie drei Tage vorher in einem Holzbau aus, und jeder bringt seinem Angehörigen Ehrengaben nach eigenem Ermessen. Dann beim Leichenbegräb nis führen sie auf Wagen Zypressenholzsärge hinaus, für jede Phyle einen; darin liegen die Ge beine der einzelnen Phylenangehörigen. Eine Bahre wird leer mitgetragen, ausgestattet für die Vermissten, die man bei der Bergung der Toten nicht gefunden hatte. Am Zug nimmt jeder, der will, teil, Bürger und Fremde, auch die angehörigen Frauen sind am Grabe anwesend und wehklagen. Dann setzen sie die Toten im öffentlichen Grabmal bei, das in der schönsten Vor stadt liegt [. . .]. Wenn sie [das Grab] mit Erde bedeckt haben, hält ein von der Stadt gewählter, als klug bekannter und hoch angesehener Mann die ihnen gebührende Lobrede. Dann gehen sie weg. (Thuk. 2, 34, 2 6; Übers. nach Vretska/Rinner 2004.)

Bemerkenswert ist die prominente Rolle, welche den angehörigen Privatpersonen bei dieser staatlich organisierten Veranstaltung eingeräumt wurde. Die Gebeine der Kriegstoten waren drei Tage lang aufgebahrt, damit die Hinterbliebenen Abschied

932 In den griechischen Stadtstaaten wurden sowohl die Körperbestattung als auch die Einäsche rung der Kriegstoten nebeneinander praktiziert. Der Ort der Bestattung war dabei nicht ausschlag gebend. Regionale Gewohnheiten scheinen ebenso eine Rolle gespielt zu haben wie individuelle Präferenzen und praktische Notwendigkeiten. Dazu: Pritchett 1985, S. 249 257; Clairmont 1983, S. 16. 933 Kurtz/Boardman 1971, S. 304. 934 Valavanis 2010, S. 89. Zum Leichenzug in Athen: Thuk. 2, 34, 3.

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nehmen und Grabbeigaben deponieren konnten.935 Auch die Teilnahme am Trauerzug wurde nicht limitiert, sodass insbesondere angehörige Frauen ihre Klage bei der eigentlichen Bestattung fortsetzen konnten. Nachdem die Polis Athen zumindest in der Zeit 490–430 erfolgreich private Initiativen zur Beisetzung Kriegsgefallener unterbunden hatte, räumte sie den betroffenen Familien hier ausreichend Raum zur Trauer um ihre Toten ein.936 Der Grabredner wiederum wurde von der Bürgergemeinschaft gewählt und der Inhalt der Epitaphien-Reden war stark normiert. Von den jährlich gehaltenen Logoi sind uns wenige vollständig oder fragmentarisch erhalten, wobei sich die ältesten Zeugnisse auf die Rede des Perikles im Jahr 440/39 beziehen.937 Die Reden wandten sich nach einer kurzen Hinführung dem Lob der Polis Athen (ἔπαινος) zu, deren Freiheit und Fortbestand die Kriegstoten durch ihren Einsatz garantiert hatten. Im Zentrum der Ausführungen standen dabei nicht die aktuellen militärischen Auseinandersetzungen, sondern die Errungenschaften des Demos in mytho-historischer Vorzeit.938 Die Perserkriege und insbesondere die Schlacht von Marathon waren ferner feste Topoi, mit denen der Erfolg und die Überlegenheit der eigenen Polis gegenüber anderen Stadtstaaten vorgeführt wurden.939 Die Arete der Toten wurde nicht aus einzelnen Taten in aktuellen Kriegen abgeleitet, sondern aus ihrem Beitrag zur politischen, militärischen und kulturellen Größe Athens. Die Redner manifestierten als Eckpunkte des kollektiven Selbstbewusstseins neben der Autochtonie und der Solidarität gegenüber anderen Stadtstaaten insbesondere auch die innere Staatsordnung Athens. Die Polis wurde in den Grabreden als idealer Staat dargestellt, der sich durch eine

935 Stupperich 1977, S. 32 denkt bei den Grabbeigaben in erster Linien an Lekythen und Loutrophoren. 936 Ab der Zeit des Peloponnesischen Kriegs sind wieder einzelne private Grabdenkmäler für Kriegstote fassbar. Am bekanntesten sind das Grabmal für die Reiter Melanopos und Makartatos bei Paus. 1, 29, 6 (457) und das Dexileos Monument IG II2 6217 (394/3) im Kerameikos. Dazu: Clairmont 1983, S. 19. Arrington 2011, 204 206 hat überzeugend dargelegt, dass es sich dabei um Denkmäler von Angehörigen der Elite handelt, die mit Genehmigung des Demos errichtet wurden, um beson dere Verdienste um die attische Bürgerschaft auszuzeichnen. Morris 1992, S. 143 144; 153 155 argu mentiert in diesem Zusammenhang mit einer Lockerung der staatlichen Beschränkungen für private Begräbnisse. Zu privaten Formen der Gefallenenehrung vgl. Arrington 2015, S. 177 238; Low 2012, S. 34 35. 937 Robbins 1997, Sp. 1174 fasst den aktuellen Forschungsstand zusammen. Er hält Plat. Mx. 236b; Gorg. 82 B 6 DK und Hyp. Epitaph. für authentisch. Zur Frage der Echtheit einzelner Reden bzw. Redenfragmente vgl. auch Stupperich 1977, S. 33 39; Prinz 1997, S. 89 94. Zur Perikles Rede von 440/39: Plut. Perikles 8, 6; 28, 3 4; Aristot. rhet. 1365a; 1411a. Prinz 1997, bes. S. 289 303 hat die diachrone Entwicklung der Reden im 5. und 4. Jh. herausgearbeitet. 938 Die mythische Vergangenheit Athens wird in kanonischer Form immer mit denselben vier My then behandelt: die Abwehr der Amazonen aus Attika, die Abwehr der Thraker unter König Eumol pos, die Bestattung der Gefallenen des Zuges gegen Theben und die Aufnahme der Herakliden. Dazu: Stupperich 1977, S. 45 50. 939 Loraux 1981, S. 157 164; Stupperich 1977, S. 50 52.

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demokratische Verfassung, die Gleichheit aller Bürger und die persönliche Freiheit des Einzelnen auszeichnete.940 Die Ausführungen zielten unübersehbar auf die Förderung des bürgerlichen Selbstbewusstseins und der Bereitschaft, die Gefallenen in zukünftigen Kriegen als handlungsleitende Vorbilder anzuerkennen, ab. Mithilfe der Grabreden im Rahmen der jährlichen Bestattungszeremonie wurden so die kollektive Identität und das nomologische Wissen der Politen regelmäßig erneuert. Die Zuhörer sollten Trost im Fortbestand der gemeinsamen Sache finden, für die die Hopliten gestorben waren, und darin, dass den Toten dafür ewiger Ruhm zuteil wurde. Am Ende des Logos entließ der Redner die Angehörigen der Toten, um zu klagen und im familiären Rahmen das übliche Totenmahl abzuhalten.941 Die Autoren des 4. Jhs. bezeugen außerdem einen Grabagon (ἀγών ἐπιτάφιος), der ebenfalls im Rahmen der Bestattungszeremonie stattfand. Die Ausrichtung der Spiele, welche sowohl gymnische als auch hippische und musische Wettkämpfe umfassten, lag in der Verantwortung des Polemarchen.942 Durchgeführt wurden die Spiele außerhalb der Stadtmauern an der Straße zwischen Akademie und Dipylontor, d.h. in unmittelbarer Nähe zu den Staatsgräbern.943 Diodor berichtet zudem, dass die Epitaphien-Agone erstmals nach der Schlacht bei Plataiai stattfanden. Bronzene Preisgefäße mit Siegerinschriften scheinen die Existenz der Wettkämpfe im 5. Jh. zu bestätigen.944 Es handelt sich um drei Hydrien bzw. Lebetes, welche aus der Zeit 470–440 stammen und mit geringfügigen Variationen am Mündungsrand die Aufschrift ᾿Αϑηναίοι ἄϑλα ἐπὶ τοῖς ἐν τῷ πολέμῳ tragen.945 Die Gefäße stammen aus Marathon sowie den makedonischen Orten Ampelokipi und Karabounaki. Vanderpool deutet die abgelegenen Fundorte als Hinweis darauf, dass an den Epitaphien-Agonen

940 Vgl. Loraux 1981, S. 175 224; 268 292; Stupperich 1977, S. 43 45; Arrington 2011, S. 204. 941 Stupperich 1977, S. 33 mit Verweis auf Demosth. or. 18, 288. 942 Plat. Mx. 249B: αὐτοὺς δὲ τοὺς τελευτήσαντες τιμῶσα οὐδέποτε ἐϰλείπει, ϰαϑ’ ἕϰαστον ἐνιαυ τὸν αὐτὴ τὰ νομιζόμενα ποιοῦσα ϰοινῇ πᾶσιν ἅπερ ἰδίᾳ ἑϰαστῳ ἴδια γίγνεται, πρὸς δὲ τούτοις ἀγῶ νας γυμνιϰοὺς ϰαὶ ἱππιϰοὺς τιϑεῖσα ϰαὶ μουσιϰῆς πάσης. Vgl. Lys. 2, 80. Zum Polemarchen: Aristot. Ath. pol. 58; Poll. 8, 91. Allgemein zu den Epitaphien Agonen: Stupperich 1977, S. 54 56; Rausch 1999, S. 243 245. Zum Epitaphia Fest in hellenistischer Zeit: Pritchett 1985, S. 108 111; Clairmont 1983, S. 22 24. 943 Clairmont 1983, S. 22; Stupperich 1977, S. 55. 944 Diod. 11, 33, 3: ὁμοίως δὲ ϰαὶ ὁ τῶν ᾿Αϑηναίων δῆμος ἐϰόσμησε τοὺς τάφους τῶν ἐν τῷ Περ σιϰῷ πολέμῳ τελευτησάντων, ϰαὶ τὸν ἀγῶνα τὸν ἐπιτάφιον τότε πρῶτον ἐποίησε, ϰαὶ νόμον ἔϑηϰε λέγειν ἐγϰώμια τοῖς δημοσίᾳ ϑαπτομένοις τοὺς προαιρεϑέντας τῶν ῥητόρων. Rausch 1999, S. 243 244 hat dafür plädiert, dass die Agone bereits nach 490 eingeführt wurden. Die übrige For schung hält ein Datum nach 479 für wahrscheinlicher. Dazu: Jung 2006, S. 64, Fn. 149. Bemerkens wert ist, dass um 500 die Belege für private Leichenspiele abreißen. Dazu: Rausch 1999, S. 244. Offenbar wurde auch dieser Aspekt der Totenrepräsentation von der Bürgerschaft für die staatli chen Begräbnisse beansprucht. 945 IG I3 523 525. Dazu: Vanderpool 1969, S. 1 5; vgl. SEG 28, 26; Amandry 1971, S. 602 609; Clair mont 1983, S. 24 25.

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Vertreter der makedonischen Oberschicht teilnahmen.946 Diese These passt zu der Angabe des Thukydides, dass an der Bestattungszeremonie in Athen nicht nur Bürger, sondern auch Fremde partizipieren konnten.947 Die Stifterbezeichnung ᾿Αϑηναίοι zeigt, dass die Ausrichtung der Wettkämpfe und die Vergabe der Preise im Namen des attischen Demos geschahen. Anders als bei den Gedenkfesten für die Bürgerschaft schuf die Polis ihren Mitgliedern hier also die Möglichkeit, sich auf zwischenstaatlicher Ebene in verschiedenen Disziplinen zu messen. Kämpferische Tugenden, künstlerische Ideale und die athenische Sieghaftigkeit wurden dabei nicht nur innerhalb der Bürgerschaft vermittelt, sondern auch nach außen repräsentiert. Die Grabdenkmäler im Demosion Sema Der athenische Demos ließ bereits im Vorfeld der jährlichen Bestattungszeremonie jeweils eine steinerne Gefallenenliste anfertigen, welche die Namen aller in der zurückliegenden Feldzugsaison getöteten Kombattanten umfasste und später als Grabdenkmal diente. Häufige Ergänzungen, gedrängte Schreibweisen und das Nebeneinander verschiedener Steinmetze bezeugen, dass die Listen mit einiger Eile angefertigt wurden.948 Die entsprechenden Zugeständnisse an die ästhetische Gestaltung der Denkmäler sind nicht anders erklärbar, als dass ihre Anfertigung innerhalb kürzester Zeit erfolgten musste. Die konkrete Form der Listen variierte, aber es lassen sich einige charakteristische Merkmale ausmachen, welche den meisten Denkmälern gemein waren. Der Inhalt des jeweiligen Katalogs wurde durch eine Überschrift verdeutlicht. Die Formel ᾿Αϑεναίον hοίδε ἀπέϑανον leitete in der Regel eine kurze Beschreibung der Kriegsereignisse durch die Angabe von Schlachtorten, Kampagnen oder die Nennung der verantwortlichen Feldherrn ein.949 Geographische Schlagwörter dienten gelegentlich auch als untergeordnete Kategorien, mit denen die eigentliche Namenliste weiter differenziert wurde.950 Neben der Kopfzeile und der Namensliste umfassten die meisten Inschriftendenkmäler auch ein Epigramm, welches wahlweise am Kopf bzw. am Fuß der Stele oder auf deren Basis angebracht wurde.951 Der Katalog mit den Namen der Toten war nach kleisthenischen Phylen geordnet und enthielt prinzipiell nur die Vornamen. Auf die Angabe von Patronymika, Demotika oder Ehrentiteln, wie sie später in anderen Poleis

946 Vanderpool 1969, S. 3. So auch Rausch 1971, S. 243 244. 947 Thuk. 2, 34, 4. Von nichtattischen Teilnehmern spricht auch Isokr. or. 8, 87. 948 Arrington 2011, S. 202; Clairmont 1983, S. 20. Als Grundlage für die Gefallenenlisten dienten wohl die Kataloge mit den Namen der wehrfähigen Hopliten, welche die Demarchen den Strategen zur Verfügung stellten. Dazu: Arrington 2011, S. 186. 949 Low 2012, S. 15; Arrington 2011, S. 183 mit Stellenangaben. 950 IG I3 1144; 1162; 1180; 1184; IG II2 5222. IG I3 1162 enthält neben konkreten Ortsangaben auch die summarische Formel hοίδε ἐν τοῖς ἄλλοις πολέμοις ἀπέϑανον (Z. 41 42). Zu den geographischen Kategorien: Pritchett 1998, S. 26 29. Zur Gliederung der Namenslisten: Low 2012, S. 19 23. 951 Arrington 2011, S. 183 mit Stellenangaben.

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üblich war, wurde in Athen verzichtet.952 Genauer identifiziert wurden die gefallenen Personen nur, insofern es sich um militärische Amtsträger (Strategen, Phylarchen, Trierarchen, Toxarchen usw.), um Nicht-Athener oder um Unfreie handelte.953 Die Marmorstelen mit den Gefallenenlisten umfassten bis zum ausgehenden 5. Jh. keinerlei figürliche Dekorationen und waren höchstens mit einfachen Zierleisten am oberen Abschluss geschmückt. Die Steinplatten wurden auf steinernen Basen befestigt bzw. eingelassen und wurden dadurch zusätzlich erhöht. Auch die Stelen selbst waren mit Höhen von 1.50–2.10m von beachtlicher Größe. Arrington hat berechnet, dass die durchschnittliche Gefallenenliste mit einer mehrstufigen Basis ein mehr als zwei Meter hohes, d.h. überlebensgroßes, Monument konstituierte. Hinzu kommt, dass die Namen der Toten häufig auf mehrere, nebeneinander angeordnete Stelen verteilt waren. Die Denkmäler-Ensembles erreichten damit, wie etwa das Kenotaph für die Gefallenen von Salamis bezeugt, Gesamtlängen von fünf bis zehn Metern.954 Gelegentlich wurde die Trennung nach Phylen auch auf Stelen übertragen, sodass ein einzelnes Denkmal der kleisthenischen Ordnung entsprechend zehn separate Namenslisten umfasste.955 Die Grabdenkmäler repräsentierten mit der Phyleneinteilung und der egalitären Behandlung aller Toten also weiterhin zentrale Prinzipien der demokratischen Staatsordnung. Die Gefallenen wurden in erster Linie als Hoplitenbürger identifiziert und kommemoriert. Bei den dazugehörigen Bestattungen dürfte es sich überwiegend um Peribolos-Gräber, d.h. Grabanlagen mit einfacher Mauer-Umfriedung gehandelt haben.956 Während zur Kommemoration der Gefallenen also weiterhin zentrale Elemente der aristokratischen Totenrepräsentation (Grabspiele und -Reden, Grabinschriften, Epigramme unter Hervorhebung des Arete-Ideals, monumentale Grabanlagen) genutzt wurden, handelt es sich bei den Gefallenenlisten um eine spezifische Innovation der attischen Demokratie. Auf den ersten Blick zeigt diese Art der Bestattung das unbedingte Bedürfnis, jeden individuellen Kämpfer angemessen zu berücksichtigen. Das symbolische Bestatten einer elften Urne für diejenigen Kombattanten, deren sterbliche Überreste nicht geborgen werden konnten, weist ebenso in diese Richtung wie die mehrfache Nennung von identischen Namen in den Gefallenenlisten. Dem Betrachter des Denkmals war es aufgrund der fehlenden Patronymika nicht möglich, zwischen homonymen Phylenangehörigen zu unterscheiden – aber auch hier hatte die

952 Arrington 2011, S. 187. Siehe Kap. 4.1.3. 953 Arrington 2011, S. 184 mit Stellenangaben. Zur äußeren Charakterisierung der Denkmäler auch Bradeen 1969, S. 145 159. 954 Arrington 2011, S. 184 185; 194 195; Arrington 2015, S. 95 96. Das Salamis Kenotaph: IG I3 503/4; siehe dazu Kap. 3.3.1. 955 SEG 56, 430 432; IG I3 1144; 1147; 1147bis. 956 Knigge 1988, S. 38; Arrington 2015, S. 78 82. Tumulus Gräber wie in der Zeit der Perserkriege scheinen im 5. Jh. außer Gebrauch gekommen zu sein.

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getrennte Auflistung einen symbolischen Wert.957 Jede Person, die ihr Leben für die Gemeinschaft gegeben hatte, sollte dafür namentlich gewürdigt und kommemoriert werden. Auf der anderen Seite bewahrten die Listen eine auffällige Anonymität, insofern keiner der Toten durch die Nennung seiner Herkunft oder seiner Leistungen näher charakterisiert wurde. Die Stelen betonten nicht einzelne Namen, sondern deren Gesamtheit. Unter der Überschrift ᾿Αϑεναίοι wurden bezeichnenderweise nicht nur Bürger, sondern auch Fremde und Unfreie subsumiert. Die attischen Gefallenenlisten generierten ein Kollektiv von Toten, deren Gemeinsamkeit die Tatsache war, dass sie für Athen gekämpft hatten und dass sie für Athen gefallen waren.958 Verstärkt wurde dieser Effekt durch die Nachbarschaft zu weiteren Staatsgräbern für Soldaten und verdiente Personen des öffentlichen Lebens der Stadt. Der Ruhm der kriegstoten Kombattanten wurde in den monumentalen Grabdenkmälern ebenso wie in den staatlich organisierten Epitaphien-Reden für das Lob und die Selbstdarstellung der Polis Athen vereinnahmt. Der Vergleich der GefallenenKataloge mit staatlichen Inventar- oder Tributlisten ist daher nicht unzutreffend.959 So wie Letztere die Macht der attischen Bürgerschaft anhand ihrer wirtschaftlichen Ressourcen demonstrierten, wurde im Demosion Sema das scheinbar unerschöpfliche menschliche Kapital der Stadt zur Schau gestellt. Weiter zeugten die geographischen Angaben auf den Grabdenkmälern von weit entfernten Schlachtfeldern und von der Reichweite der athenischen ἀρχή.960 Arrington hat in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam gemacht, dass der Tod und die Niederlagen, welche die Gefallenenlisten symbolisierten, im harten Gegensatz zu dem glorreichen und sieghaften Selbstbild standen, welches die Polisgemeinschaft von sich zeichnete. Die Epigramme auf den Monumenten loben die Tugend (ἀρετή) der Kämpfer unabhängig vom Ausgang der Schlacht. Die Toten werden dafür gewürdigt, dass sie im Angesicht großer Gefahren und häufig auch feindlicher Überlegenheit mutig gekämpft haben.961 Und auch die Reliefdarstellungen, welche die Gefallenenlisten ab der Zeit des Peloponnesischen Kriegs gelegentlich ergänzten, zeigen keine glorifizierten Sieger. Als Beispiel sei hier das Fragment des Grabdenkmals aus dem Jahr 394/3 genannt: Dieses Monument wurde von einem Relief mit Reiterkampfszene bekrönt, dessen unterer Abschluss mit [᾿Αϑηναίων οἵδε ἀπέϑα]νον ἐν Κορίνϑωι ϰαὶ ἐμ Βοιωτοῖ[ς] beschriftet ist. Darunter standen nebeneinander angeordnet die Bezeichnungen der zehn Phylen im Genitiv und in dazugehörigen Spalten die Namen der Gefallenen, von denen lediglich Reste der obersten Zeile erhalten sind.962 Das Denkmal wird auch von Pausanias erwähnt und die Verbindung

957 Arrington 2011, S. 189 190; Stupperich 1977, S. 32. 958 Vgl. Toher 1991, S. 171; Arrington 2015, S. 89; 96. 959 Arrington 2015, S. 113; Arrington 2011, S. 196. 960 Arrington 2011, S. 196. 961 Arrington 2011, S. 187 189. 962 IG II2 5221. Clairmont 1983, S. 209 212; Ruggeri 2013, S. 175.

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mit den Schlachten bei Korinth und Koroneia gilt als sicher.963 In beiden Schlachten unterlagen die Athener ihren Gegnern und mussten hohe Verluste einstecken. Im Relief dargestellt sind zwei athenische Kämpfer, die sich zu Pferd bzw. zu Fuß einem gestürzten Feind annähern. Sie sind in der Szene überlegen, aber die Auseinandersetzung ist noch nicht entschieden, insofern der Gegner sich kraftvoll aufbäumt und mit seinem Schild zur Abwehr ansetzt. Arrington hat gezeigt, dass auch die anderen beiden erhaltenen Reliefs, welche zu athenischen Staatsgräbern gehören, anhaltende Kämpfe und unentschiedene Schlachten abbilden.964 Die Stelen auf den Gräbern der Kriegsgefallenen stellen also sowohl in Wort als auch im Bild die Schlachten einzelner Jahre als nicht abgeschlossene Kämpfe mit offenem Ausgang dar. Mithilfe der Epitaphienreden wurden die zeitgenössischen Ereignisse und das Schicksal der Toten vielmehr in ein größeres Narrativ eingeordnet, nämlich dem kollektiven Ringen um die Autonomie Athens und die Erhaltung der demokratischen Ordnung. Die Kriegsdenkmäler im Demosion Sema legitimierten den Kriegstod mit dem Streben der Bürgerschaft nach wirtschaftlicher, politischer und kultureller Stärke. Die Gesamtheit der Gräber zeugte von dem Mut, der Opferbereitschaft und der Widerstandsfähigkeit athenischer Hopliten.965 Die Betrachter der Denkmäler für die Kriegsgefallenen bzw. für die führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wurden angehalten, sich mit den Werten der attischen Demokratie zu identifizieren und nach dem Vorbild der Gefallenen dafür zu kämpfen.966 Die Staatsbegräbnisse der Polis Athen waren daher von zentraler Bedeutung für die Konstituierung und Persistenz des demokratischen Selbstbewusstseins ihrer Bürger.967 Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund einmal mehr, dass im Demosion Sema nicht nur kriegsgefallene Athener, sondern auch andere politische Gruppen geehrt wurden. Einerseits finden sich in attischen Gefallenenlisten gelegentlich Namen, die durch Herkunftsangaben oder durch Kategorien wie χσένοι bzw. τοχσόται βάρβαροι

963 Paus. 1, 29, 11. Zur Schlacht bei Korinth: Xen. hell. 4, 2, 9 23; Diod. 14, 83, 2. Zur Schlacht bei Koroneia: Xen. hell. 4, 3, 16 21; Diod. 14, 84, 1 2. An die gleichen Schlachten erinnert auch das Denkmal IG II2 5222 für die Angehörigen der athenischen Kavallerie. Dazu: Ruggeri 2013, S. 176; Clairmont 1983, S. 212 214; Pritchett 1985, S. 212 214. 964 Arrington 2011, S. 198 199; Arrington 2015, S. 104 108. 965 Arrington 2011, S. 203: „Monument next to monument, grave by grave, the distinctions bet ween success and loss blurred; the landscape testified to long term, ongoing sacrifice, courage and collective survival.“ 966 Der Anspruch darauf, dass der Leser der Inschrift den Taten der Geehrten nacheifern soll, fin det sich etwa auch in den Hortativ Formeln hellenistischer Ehrendekrete. Errington 2005, S. 19 20 hat gezeigt, dass ein funktionales Verhältnis zwischen der Dokumentation der historischen Ereig nisse (Taten) und deren inschriftlicher Veröffentlichung besteht. 967 Arrington 2010 hat gezeigt, dass der Standort des Demosion Sema gezielt ausgewählt wurde, weil die Region starke bürgerliche und religiöse Konnotationen aufwies und frei von aristokrati schen Assoziationen war.

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als Nicht-Athener gekennzeichnet wurden.968 Andererseits existierten auch einzelne Grabmonumente, welche gänzlich der Kommemoration nicht-athenischer Kontingente gewidmet waren. Bereits erwähnt wurde das große Inschriftenmomument mit den Namen von über 400 argivischen Kombattanten, die bei Tanagra 458/7 als Bundesgenossen der Athener gegen die Lakedaimonier mitgekämpft hatten.969 Die Verwendung der polisspezifischen Phylennamen und die lokalen Buchstabenformen zeigen, dass die Gestaltung des Monuments in wesentlichen Punkten der Polisgemeinschaft von Argos oblag. Die Athener wiederum werden auch in ihrer Funktion als Verbündete in der Inschrift nirgendwo erwähnt. Eine ähnliche Tendenz zeigt das Grabdenkmal zur Erinnerung an die 403 im athenischen Bürgerkrieg gefallenen Lakedaimonier. Es handelt sich um einen rechteckigen Bau aus Porosquadern am Rand der antiken Akademie-Straße, in dessen Inneren die Skelette von 13 Gefallenen zutage kamen.970 Der Bau wurde von einer schmalen Marmorplatte mit Inschrift bekrönt, deren rechte Ecke fragmentarisch erhalten ist. Zwischen den ersten Buchstaben der linksläufigen Kollektivbezeichnung Λα[ϰεδαιμόνοι] stehen die Namen und Amtstitel der beiden Polemarchen Tibrakos und Chairon, von deren Tod auch Xenophon berichtet.971 Nach Ansicht Willemsens wurde der ebenfalls dort genannte Olympionike Lakrates in dem benachbarten Grabbau mit einer monumental ausgeführten panathenäischen Preisamphore beigesetzt.972 Die Inschrift am Grabdenkmal der Lakedaimonier wurde nicht von attischen Steinmetzen, sondern unter der Verwendung lakonischer Buchstabenformen gefertigt.973 Darüber hinaus entspricht es den spartanischen Gebräuchen, dass die Toten nicht kremiert und nach ihrem sozialen Rang separiert beigesetzt wurden. Die Kammer im Inneren des Quaderbaus war dreigeteilt, wobei die drei Individuen in der Mittelkammer aufwendiger und in größerem Abstand zueinander gebettet wurden.974 Schließlich konnte auch die beigegebene Keramik als lakonische Produktion identifiziert werden.975

968 Low 2012, S. 16 17 mit Bezug auf: IG I3 1144; 1150; 1172; 1180; 1184; 1190; 1192. Bradeen 1969, S. 149 150 hat festgestellt, dass auch die Namen mit dem Zusatz βάρβαρος griechisch sind. Die Be zeichnung hat in diesem Zusammenhang also keine ethnische Bedeutung, sondern bezieht sich le diglich auf die Zugehörigkeit zum attischen Heeresverband. 969 Paus. 1, 29, 7 8; IAgora 17, 4; IG I3 1149. Siehe dazu Kap. 3.3.1. 970 Brueckner 1930. S. 90 92; Knigge 1988, S. 160 161, Abb. 156 158; Willemsen 1977, S. 130; Clairmont 1983, S. 203 204. 971 IG II2 11678; SEG 33, 210. Xen. hell. 2, 4, 33: ἐνταῦϑα ϰαὶ ἀποϑνῄσϰει Χαίρων τε ϰαὶ Θίβραχος, ἄμφω πολεμάρχω, ϰαὶ Λαϰράτης ὁ ὀλυμπιονίϰης ϰαὶ ἄλλοι οἱ τεϑαμμένοι Λαϰεδαιμονίων πρὸ τῶν πυλῶν ἐν Κεραμειϰῷ. Vgl. Lys. 2, 63. 972 Willemsen 1977, bes. S. 136 139; Knigge 1988, S. 162 164. Die Frage, ob Lakrates Lakedaimo nier oder Athener war, lässt sich beim aktuellen Stand der Forschung nicht sicher beantworten. 973 Jeffery 1990, S. 198, Nr. 61. 974 Hodkinson 2000, S. 257 259. 975 Stroszeck 2006, S. 104 116.

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Was die athenischen Demokraten dazu bewog, den ehemals feindlichen Lakedaimoniern die Ausstattung eines Grabdenkmals an dieser prominenten Stelle zu gewähren, wissen wir nicht. Möglicherweise begann der Bau bereits unter dem Einfluss der noch einige Monate herrschenden Oligarchen oder er trägt bereits den Geist der großen Amnestie im Spätsommer 403.976 In der Erinnerungslandschaft des Demosion Sema wurden letztlich auch die mit „fremden“ Grabdenkmälern geehrten Toten in das imaginierte Kollektiv der athenischen Gefallenen integriert. Bereits kurz nach den Ereignissen von 404/3 vertrat Lysias eine Lesart der Vergangenheit, nach der das Grabdenkmal der Lakedaimonier zum Symbol des tugendhaften Kampfes der athenischen Demokraten wurde.977 Die Gruppe von Kriegsdenkmälern vor den Toren der Stadt konstituierte also ein kollektives Gedächtnis, in dem individuelle Leistungen ebenso wie spezifische Kriegsereignisse in hohem Masse abstrahiert wurden. Die Tradition, kriegsgefallene Athener im Demosion Sema beizusetzen, wurde das gesamte klassische Zeitalter hindurch und weit darüber hinaus fortgesetzt. Insbesondere in der Zeit des Peloponnesischen Krieges zeichnen sich jedoch Änderungen in der Gestaltung der Grabdenkmäler ab. Die schmucklosen Stelen wurden nun hin und wieder durch Reliefdarstellungen ergänzt.978 Die Übernahme dieses aristokratischen Repräsentationselements auf die Gefallenenlisten des demokratischen Bürgerheers scheint bis dahin undenkbar gewesen zu sein. Im Laufe des Peloponnesischen Krieges jedoch schwand das Integrationspotential der kleisthenischen Staatsordnung bis hin zum oligarchischen Umsturz. Auch das Prinzip der Isonomie wurde in dieser Zeit nach Ausweis der Namenslisten aufgeweicht. So kommen nach 431 wieder vereinzelt private Bestattungen für Kriegstote bzw. öffentliche Bestattungen für die Kavallerie auf.979 Low hat außerdem darauf hingewiesen, dass ein Katalog mit auffällig vielen differenzierenden Namenszusätzen aus den Jahren nach dem oligarchischen Umsturz von 411 stammt.980 Die Liste der Phyle Pandionis verwendet für eine Gruppe von Gefallenen die ansonsten untypische Kategorie ὁπλῖται, wohl um die Toten von anderen Kampfverbänden, namentlich den Ruderern, abzugrenzen.981 Das Denkmal reflektiert also die sozialen Brüche, welche der Bürgerkrieg innerhalb der athenischen Gesellschaft

976 Zum Einfluss der Oligarchen: Pritchett 1985, S. 134; Clairmont 1983, S. 204. Die positivere Deu tung im Sinne einer zwischenstaatlichen Verständigung hat Low 2006, S. 99 vorgeschlagen. Zu den Ereignissen 404/03 vgl. Welwei 1999, S. 251 253. 977 Lys. 2, 63: ἀλλ’ ὅμως οὐ τὸ πλῆϑος τῶν πλῆϑος τῶν ἐναντίων φοβηϑέντες, ἀλλ’ ἐν τοῖς σώμασι τοῖς ἑαυτῶν ϰινδυνεύσαντες, τρόπαιον μὲν τῶν πολεμίων ἔστησαν, μάρτυρας δὲ τῆς αὑτῶν ἀρετῆς ἐγγὺς ὄντας τοῦδε τοῦ μνήματος τοὺς Λαϰεδαιμονίων τάφους παρέχονται. 978 SEG 48, 83 (425 400); SEG 33, 44 (425 400); IG II2 5221 (394/3). Dazu: Arrington 2011, S. 195 199. 979 Morris 1992, S. 128 155; Arrington 2011, S. 195; 199 202; 204 206. 980 Low 2012, S. 21. 981 IG I3 1191, Z. 60.

4.1 Die Ehrung der Kriegsgefallenen

221

verursacht hatte.982 Schließlich wurde die Ausführung der Gefallenenlisten nach der Eroberung Mittelgriechenlands durch Philipp II. eingestellt. Das jüngste bisher bekannte Fragment stammt aus der 2. Hälfte des 4. Jhs. und wird mit der Kommemoration der Schlacht von Chaironeia assoziiert.983 Die Gefallenenlisten sind also ein wertvoller Indikator für das kollektive Bewusstsein der Hoplitenbürger und für die Integrationsleistung der unabhängigen demokratischen Staatsordnung Athens.

4.1.3 Die Ausbreitung der attischen Traditionen Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen der Verwendung von Gefallenenlisten und der demokratischen Identität der Athener ist die Verwendung dieser Kommemorationsform in anderen Stadtstaaten von besonderem Interesse. In der literarischen Überlieferung finden sich bereits für die Zeit der Perserkriege Hinweise auf Kenotaphe mit inschriftlichen Namenskatalogen außerhalb Athens. So berichtet Herodot, dass auf der Agora von Samos eine Stele stand, in welche die Namen von elf Trierarchen eingemeißelt waren, die in der Seeschlacht von Lade 494 entgegen der Befehle ihrer Strategen die Schlachtlinie gehalten hatten.984 Die Samier verfügten demnach in ihrem städtischen Zentrum über ein Denkmal, welches ihre Beteiligung am Ionischen Aufstand kommemorierte. Da die Auflehnung der ionischen Poleis scheiterte und die Insel bis 478 im achaimenidischen Machtbereich verblieb, ist es kaum anzunehmen, dass die Namen der Trierarchen im direkten Anschluss an die Ereignisse aufgezeichnet wurden. Plausibler erscheint vielmehr eine Aktualisierung der Erinnerung in dem Moment, als die Ionier sich von den Persern lossagten und dem Attischen Seebund beitraten. Unabhängig vom Entstehungszeitpunkt des Monuments ist jedoch bemerkenswert, dass Herodot explizit auf die Verwendung der Patronymika hinweist. Die samische Stele beschränkte die Erinnerung also nicht nur auf die Kommandanten der Flotte, sondern betonte darüber hinaus auch deren Abstammung. Sie diente somit weniger der Selbstdarstellung der gesamten Polisgemeinschaft als vielmehr ihrer gesellschaftlichen Eliten. Eine Beeinflussung mit der athenischen Tradition, die erstmals für das Grabdenkmal in Marathon sicher belegt ist, scheint also in beide Richtungen ausgeschlossen. Ähnliche Tendenzen zeigt die Liste mit den Namen der 300 an den Thermopylen gefallenen Spartiaten, die Pausanias im Umfeld der spartanischen Agora gesehen

982 Low 2012, S. 21 22. Vgl. Arrington 2015, S. 103 104. 983 IAgora 25. Möglicherweise gehört das Epigramm IG II2 5226 zum gleichen Monument. Vgl. Clairmont 1983, S. 218 219. 984 Hdt. 6, 14, 3: τούτων δὲ οἱ τριήραρχοι παρέμενον ϰαὶ ἐναυμάχεον ἀνηϰουστήσαντες τοῖσι στρατηγοῖσι· ϰαί σφι τὸ ϰοινὸν τὸ Σαμίων ἔδωϰε διὰ τοῦτο τὸ πρῆγμα ἐν στήλῃ ἀναγραφῆναι πατ ρόϑεν ὡς ἀνδράσι ἀγαϑοῖσι γενομένοισι, ϰαὶ ἔστι αὕτη ἡ στήλη ἐν τῇ ἀγορῇ. Dazu: Pritchett 1985, S. 165. Zu den Ereignissen: Hdt. 6, 7 16.

222

4 Die Monumentalisierung des Sieges

hat.985 Auch hier waren die Namen der Toten – entgegen des zeitgenössischen Homonoioi-Ideals – mit Patronymika aufgeführt, und auch hier muss eine nachträgliche Stiftung in der Zeit des Peloponnesischen Kriegs in Betracht gezogen werden.986 In beiden Fällen standen die Denkmäler außerdem nicht mit Bestattungen in Verbindung, sondern hatten den Charakter von Kenotaphen bzw. Heroa. Im Gegensatz dazu gibt es ab dem ausgehenden 5. Jh. epigraphische Belege für Gefallenenlisten, welche sich eng an die athenische Tradition anlehnten. Naturgemäß ließe sich die folgende Tabelle um zahlreiche weitere Namenslisten erweitern, die hypothetisch als Polyandria angesprochen werden.987

Denkmal

Aufstellungsort

Anlass



Gefallenenliste der Megarer

Megara, Agora

–



Gefallenenliste der Thespier

Thespiai, Nekropole

Delion 



Gefallenenliste der Tanagraier

Tanagra, wohl Nekropole

Delion 



Gefallenenliste der Mantineier

Mantineia, Nekropole





Gefallenenliste der Argiver

Argos, Agora





Gefallenenliste der Thespier

Thespiai

–



Gefallenenliste der Tegeaten

Tegea, Nekropole





Gefallenenliste der Tegeaten

Tegea, Nekropole

–



Gefallenenliste der Mantineier

Mantineia, Nekropole

–



Gefallenenliste der Thebaner

Theben, Nekropole

–

Die Landschaften, in denen die Verwendung von Gefallenenlisten in klassischer Zeit sicher nachgewiesen ist, befinden sich sämtlich in Mittelgriechenland (Boiotien,

985 Paus. 3, 14, 1: ϰεῖται δὲ ϰαὶ στήλη πατρόϑεν τὰ ὀνόματα ἔχουσα οἳ πρὸς Μήδους τὸν ἐν Θερμοπύλαις ἀγῶνα ὑπέμειναν. Möglicherweise bezieht sich auch Hdt. 7, 224, 1 auf dieses Monument. 986 Dazu Kap. 3.3.1. 987 Genannt seien hier nur die häufiger diskutierten Monumente SEG 56, 563 (Alope, 500 475) und SEG 11, 60 (Korinth, 350 300). Zu letzterem vgl. auch Clairmont 1983, S. 242 243; Pritchett 1985, S. 145. In beiden Fällen bestehen weiterhin Zweifel an der Identifikation als Gefallenenlisten, nicht zuletzt deshalb, weil diese in Alope und Korinth sonst nicht belegt sind. Außen vorgelassen wurde auch die neu publizierte Gefallenenliste mit den Namen der Toten ἐν ᾿Ολύνϑωι aus Plataiai. Das Dokument erinnerte nach Kalliontzis an die Schlacht vor der Zerstörung Olynths im Jahr 348. Die Inschrift datiert aber wesentlich später (wohl 1. Jh.) und fällt deshalb aus dem chronologischen Rahmen der Arbeit. Dazu: Kalliontzis 2014, bes. S. 332 342 und die älteren Überlegungen von Prit chett 1985, S. 216. Vgl. SEG 35, 410bis.

4.1 Die Ehrung der Kriegsgefallenen

223

Megaris) bzw. auf der Peloponnes (Argolis, Arkadien). Andere Regionen, insbesondere Westgriechenland und Kleinasien, partizipierten einmal mehr nicht an den Kommemorationsformen des hellenischen Mutterlands. Darüber hinaus lässt sich keines der sicher identifizierbaren Denkmäler in die Zeit vor dem Peloponnesischen Krieg datieren. Die Monumente selbst sind zudem in keiner Weise einheitlich gestaltet und unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von den athenischen Grabstelen. Die Verwendung von Gefallenenlisten Der Kommemoration der Schlacht von Delion lassen sich mit einiger Zuversicht zwei boiotische Denkmäler zuordnen, welche die Gefallenen der Poleis Thespiai und Tanagra ehrten. In der Nekropole vor den Toren Thespiais wurde ein monumentaler Grabbezirk (2) freigelegt, der aus einem eingefriedeten Tumulus mit Löwenstatue und Gefallenenlisten bestand. Die Konzeption des Ensembles findet deutliche Parallelen im thebanischen Grab bei Chaironeia, dem es wohl als Vorbild diente.988 Die PeribolosMauer wurde von den Ausgräbern auf einer Länge von 32 Metern freigelegt und hatte eine Höhe von etwa einem Meter. Sie begrenzte den Grabhügel, welcher die Reste eines riesigen Totenfeuers sowie sieben Körperbestattungen bedeckte. Die mächtige Ascheschicht enthielt die Überbleibsel des Totenmahls sowie verschiedene Beigaben, namentlich Keramik, Figurinen, Strigiles, Tierknochen und Eierschalen.989 Auf der antiken Straße, welche von der Front des Grabmonuments begrenzt wurde, lagen die Fragmente von neun Gefallenenlisten, die ursprünglich an der Peribolosmauer angebracht waren. Darauf erhalten sind die Namen von 101 Gefallenen, wobei ursprünglich nicht nur neun, sondern bis zu 25 Inschriften auf die Länge der Mauer verteilt gewesen sein könnten.990 Der Ausgräber Keramopoullos geht daher davon aus, dass das Grabdenkmal etwa 300 Tote ehrte.991 Diese Zahl passt zu den Angaben des Thukydides, wonach die Thespier in der Schlacht von 424 starke Verluste hinnehmen mussten.992 Die Namen der Toten sind den lokalen Traditionen entsprechend ohne Patronyme angegeben und nicht nach Phylen gegliedert.993 In den erhaltenen Katalogen sind lediglich zwei Namen durch die Zusätze πυϑιονίϰα bzw. ὀλυμπιονίϰα hervorgehoben.994 Der Verweis auf die Siege in penteterischen Agonen betont nicht nur den aristokratischen Hintergrund der Toten, sondern auch deren Verdienste im Namen

988 Clairmont 1983, S. 242. Siehe dazu Kap. 4.1.1. 989 Stamatakis 1883, S. 67 74; Keramopoullos 1911, S. 153 163. Vgl. Pritchett 1985, S. 132 133. 990 IG VII 1888; IThespiai 485. 991 Keramopoullos 1911, S. 154 155; Pritchett 1985, S. 133. 992 Thuk. 4, 96, 3; 133, 1. 993 Die Frage, ob es in den boiotischen Städten überhaupt Phylen oder Phratrien gegeben hat, ist nicht abschließend geklärt. Buck 1979, S. 90 neigt zu der Annahme, dass es sieben Phylen gab, die jedoch schon früh an Bedeutung verloren und die keinen Niederschlag im epigraphic habit der Poleis fanden. 994 IG VII 1888b, Z. 9 10.

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4 Die Monumentalisierung des Sieges

der Polisgemeinschaft.995 Die erhalten Stelen stammen sämtlich von einem Schreiber, der sich boiotischer Buchstabenformen bediente.996 Die Namenskataloge sind jedoch stoichedon verfasst, was in Thespiai sonst unüblich war und den Einfluss athenischer Traditionen bezeugt. In diese Richtung weist auch die Tatsache, dass die Thespier ihre Toten am Ort der Bestattung verbrannten und ihre Leichen folglich zuvor nach Hause überführt hatten.997 Dem Transport über eine Strecke von 50 Kilometern muss eine bewusste Entscheidung für die Bestattung der Toten in heimatlicher Erde und gegen die allgemeine griechische Praxis der Bestattung auf dem Schlachtfeld vorausgegangen sein. Die Bürger der Polis Thespiai kommemorierten den boiotischen Sieg bei Delion also unter Rückgriff auf die Traditionen des gegnerischen Athen mit einem riesigen Denkmälerensemble vor den Toren ihrer Stadt. Zwei weitere Inschriftenfunde, insbesondere eine Gefallenenliste aus der Zeit des Korinthischen Kriegs (6), bezeugen die Fortführung dieser Bestattungstradition durch die Thespier bis ins 4. Jh.998 Zum gleichen Anlass errichteten auch die Bewohner der benachbarten Polis Tanagra ein Grabmonument (3) für ihre Gefallenen. Das Denkmal besteht aus einem unscheinbaren, quaderförmigen Block (weniger als ein Meter Kantenlänge) aus lokalem schwarzen Stein. An der Vorderseite sind ohne eine erklärende Überschrift 63 Namen in vier Spalten eingeschrieben.999 Die Gruppe von Gefallenen wird nicht weiter gegliedert und abgesehen von zwei nachträglich ergänzten Namen mit dem Zusatz ᾿Ερετριεύς werden die Toten auch nicht differenziert. Mindestens der Verzicht auf die Angabe von Patronymika in Grabinschriften entspricht dabei den lokalen Üblichkeiten der Polis Tanagra.1000 Das quaderförmige Monument weist im Zentrum der geglätteten Oberseite eine unregelmäßige Vertiefung auf. Die von Low vertretene These, dass das Loch zur Aufnahme von Libationen im Rahmen von Totenopfern diente, ist wenig überzeugend.1001 Vielmehr dürfte es sich um die Einlassung für eine Statue handeln, welcher der flache Block mit Inschrift als Basis diente. Nur bei dieser Rekonstruktion ist die ungewöhnlich flache Form des Schriftträgers stimmig. Die Polis Tanagra ging in der Gestaltung der Grabdenkmäler also völlig andere Wege als Athen und Thespiai. Die oligarchisch verfasste Stadt

995 Low 2003, S. 108. 996 Jeffery 1990, S. 93 94, Nr. 19a. 997 Low 2003, S. 107 108. 998 Die Liste SEG 19, 351; IThespiai 486 trägt die Reste von 15 Namen unter der minimalistischen Überschrift [ἐν τõι] πολέμοι ἀ[πέϑανον]. Mit IG VII 1889; IThespiai 484 verfügen wir über eine wei tere thespische Gefallenenliste aus dem frühen 4. Jh. 999 IG VII 585. Von der frühen Bearbeitern wurde ein Zusammenhang mit dem athenischen Über fall auf Tanagra 426 (Thuk. 3, 91, 5) in Betracht gezogen. Die relativ hohe Anzahl an Toten spricht aber für eine größere Aktion, weshalb heute der Zusammenhang mit Delion favorisiert wird. Dazu: Pritchett 1985, S. 192 194; Clairmont 1983, S. 231; Low 2003, S. 103 104. Dialekt und Buchstaben formen sind boiotisch. Dazu: Jeffery 1990, S. 94, Nr. 19b. 1000 Low 2003, S. 103. 1001 Low 2003, S. 104.

4.1 Die Ehrung der Kriegsgefallenen

225

gestattete ihren Angehörigen etwa auch die Errichtung privater Sepulkralmonumente für Kriegsgefallene. Eine monumentale Reliefstele mit Kriegerdarstellung ehrte einen Σαυγένες, der möglicherweise mit einem homonymen Kämpfer in der Gefallenenliste identisch ist.1002 Der ausschreitende Saugenes ist auf dem Grabstein bekränzt und mit Schwert und Schild bewaffnet dargestellt. Die Instrumentalisierung des Kriegstodes zur Repräsentation aristokratischer Eliten war in Tanagra also trotz der gleichzeitigen Verwendung von Gefallenenlisten gesellschaftlich anerkannt. Weiter zeigt die Ehrung der eretrischen Kämpfer in der Gefallenenliste für Delion, dass auch in der boiotischen Stadt das Kriterium für die „Erinnerungswürdigkeit“ einzelner Personen nicht das Bürgerrecht, sondern das militärische Engagement für die Polis war. In dem Grabdenkmal manifestierte sich das Gemeinschaftsgefühl der Kombattanten in der Erinnerung an das kollektive Erlebnis auf dem Schlachtfeld. Dieser Aspekt kommt auch bei der Gefallenenehrung in Megara zum Tragen. Auf der weißen Marmorstele aus der Zeit des Peloponnesischen Kriegs (1) sind die Namen der Toten nach Phylen und ἔποιϰοι gegliedert.1003 Der Begriff dürfte auf ortsansässige Bewohner ohne Bürgerrecht hinweisen, die im Heer der Polis mitkämpften.1004 Ihre Namen wurden gleichberechtigt neben denen der Politen kommemoriert, ebenso wie sie auf dem Schlachtfeld gleichberechtigt nebeneinander gekämpft hatten. Das Selbstverständnis der Hoplitenbürger scheint die Hervorhebung einzelner Personen ebenso zu unterbinden wie die Differenzierung nach sozialem Status. Auch die Tatsache, dass die Namen der Gefallenen in Megara mit Patronymen aufgeführt sind, lässt sich schwerlich als Rückgriff auf die oligarchische Gesellschaftsordnung interpretieren. Für die Wahl der Namensformen war, wie oben bereits gezeigt, der lokale epigraphic habit ausschlaggebend. Darüber hinaus finden wir in Poleis mit starkem aristokratischem Einfluss Gefallenenlisten ohne Patronyme und umgekehrt.1005 Die arkadische Stadt Mantineia erlebte in den 420er Jahren unter Nikodoros und nochmals 371 nach der Schlacht von Leuktra jeweils eine demokratische Verfassungsreform.1006 Aus der Folgezeit dieser Ereignisse stammen eine Gefallenenliste zur Erinnerung an die Schlacht bei Mantineia im Jahr 418 (4) und an ein nicht näher bestimmbares Kriegsereignis vor der Mitte des 4. Jhs (9).1007 Beide Listen tragen keine Überschrift und gliedern die Namenskataloge nach Phylen. Doch während die Mantineier beim älteren Denkmal auf die Angabe von Patronymika verzichteten, änderte sich die Praxis offensichtlich innerhalb der folgenden Generationen. Die Ausführung

1002 SEG 2, 189; Archäologisches Museum Theben Inv. 56. Dazu: Clairmont 1983, S. 231. In der Ge fallenenliste IG VII 585, Sp. 4, Z. 4. 1003 SEG 39, 411, Z. 22 (ἔποιϰοι). Dazu: Low 2003, S. 101 103. 1004 SEG 58, 426. 1005 Vgl. Low 2003, S. 102; 108 109. 1006 Zu den 420ern: Ail. var. 2, 23; Thuk. 5, 29, 1. Zu 371: Xen. hell. 6, 3 5; Paus. 8, 8, 10. 1007 Die Liste von 418: SEG 31, 348. Dazu: Clairmont 1983, S. 234 235; Pritchett 1985, S. 143 144. Die Liste aus dem 4. Jh.: IG V 2, 271. Dazu: Clairmont 1983, S. 239; Pritchett 1985, S. 144.

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4 Die Monumentalisierung des Sieges

der Gefallenenlisten erlaubt also in der Regel nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die innere Staatsordnung der jeweiligen Polis. Die Gefallenenliste aus Argos (5) aus der Zeit des Peloponnesischen Kriegs weist mit Blick auf den Aufbau des Katalogs einige spezifische Besonderheiten auf.1008 Die Namen der Toten sind nicht nur nach Phylen, sondern darüber hinaus auch nach Phratrien gegliedert. Unter der teilweise verlorenen Überschrift ]οι ἀπέ [ϑ]ανον τοίδ[ε], welche die Gruppe der Gefallenen identifizierte, waren außerdem zuerst mehrere militärische und religiöse Führungspersonen mit Namen und Amtstitel angeführt: προβασιλεύς, μάντις, στραταγός, ἰαρεύς.1009 Auch in der demokratischen Polis Argos repräsentierte die Gefallenenliste also eher die Struktur der Heeres als die soziale Ordnung der Gesellschaft. Die Kalkstein-Stele wurde sekundär verbaut in der Nachbarschaft der antiken Agora gefunden. Clairmont hat deshalb die attraktive These geäußert, dass die Inschrift zu dem Kenotaph für die gefallenen Teilnehmer der Sizilienexpedition gehörte, den Pausanias erwähnt.1010 Die Agora konnte auch in Sparta und Megara als Standort von Gefallenenlisten identifiziert werden. Da die Bestattung der Toten innerhalb der Stadtmauern unüblich war, muss es sich bei den entsprechenden Monumenten um Kenotaphe gehandelt haben. Die Kriegstoten wurden dabei im Zentrum des öffentlichen Lebens geehrt und in die Nähe der mythischen Stadtgründer bzw. Götter gerückt, deren Kultstätten sich ebenfalls in diesem Raum befanden. Die Bestattung der Kriegstoten in der Heimat Im Gegensatz zu den Monumenten auf den Agorai stammen die meisten der erhaltenen Gefallenenlisten aus dem Umfeld antiker Friedhöfe, wie etwa auch die schlichte Namensliste aus Theben von der Mitte des 4. Jhs. (10).1011 Bei ungeklärten Fundumständen oder sekundär verbauten Inschriften lässt sich nicht entscheiden, ob es sich um Bestattungen oder Kenotaphe handelte. Neben dem großen Tumulus bei Thespiai zur Erinnerung an die Toten von Delion ist aber auch in Tegea die Beisetzung von Kriegstoten archäologisch dokumentiert. Rhomaios notiert knapp, dass er 1907 in der Umgebung der antiken Stadt ein Massengrab fand, in dem die Skelette von zehn oder mehr Toten aneinander gereiht lagen.1012 An der gleichen Stelle kamen seinen

1008 SEG 29, 361. Dazu: Clairmont 1983, S. 236. 1009 SEG 29, 361, Z. 1 5. Die Namen der Führungspersonen sind nicht erhalten. 1010 Paus. 2, 22, 9: πεποίηται δὲ οὐ πόρρω τοῦ γυμνασίου πολυάνδριον τοῖς μετὰ ᾿Αϑηναίων πλεύ σασιν ᾿Αργείοις ἐπὶ ϰαταδουλώσει Συραϰουσῶν τε ϰαὶ Σιϰελίας. 1011 Die Gefallenenliste IG VII 2427 enhält 28 Namen mit Patronymika. Sie wurde auf dem antiken Friedhof südlich der antiken Stadt entdeckt. Dazu: Pritchett 1985, S. 144 145. Seit kurzen ist die Inschrift eines weiteren thebanischen Polyandrions mit zwei Versionen einer vierzeiligen Versin schrift aus dem 5. und beginnenden 4. Jh. bekannt: SEG 59, 502. 1012 Rhomaios 1912, S. 369 370.

4.1 Die Ehrung der Kriegsgefallenen

227

Angaben nach die Fragmente von zwei Gefallenenlisten aus dem 4. Jh. zu Tage. Eine der beiden Inschriften ist nahezu vollständig erhalten. Es handelt sich um eine rechteckige Stele (8), welche mit einem mehrstufigen Kymation bekrönt ist und die Namen von acht Gefallenen aus zwei Phylen trägt.1013 Pritchett hat als mögliche Anlässe die Schlachten bei Kromnos 365 oder Mantineia im Jahr 362 vorgeschlagen.1014 Das zweite Grabdenkmal (7) war wesentlich elaborierter, ist aber stark fragmentiert und nur teilweise rekonstruierbar. Auf einem Block mit Zierleisten an der Ober- und Unterseite waren zwei Epigramme bestehend aus je zwei Disticha nebeneinander angebracht.1015 Im ersten Gedicht werden die Toten für ihre militärischen Taten zugunsten der Tegeaten und Arkader ehrt und dem Ruhm der Vorväter für würdig befunden. Im zweiten, schlechter erhaltenen Epigramm schreibt der Dichter, dass die Kämpfer für ein befreundetes Land ihr Leben ließen, als sie gegen die Spartaner zogen. Darunter und daneben waren die Namen der Toten sortiert nach Phylen aufgelistet. Pritchett hat gute Argumente dafür vorgebracht, dieses Grabdenkmal mit den Ereignissen des Jahres 369 in Verbindung zu bringen.1016 Das neugebildete Koinon der Arkader hatte Epameinondas gegen Sparta zur Hilfe gerufen und war mit den Thebanern mehrfach in Lakonien eingefallen.1017 Mit der reichen Beute dieses Kriegszugs hatten die Arkader in Delphi ein neunfiguriges Statuenanathem mit den mythischen Gründungsgestalten ihres Bundes geweiht, welches ihre neugewonnene politische Selbstständigkeit inszenierte.1018 Das Grabdenkmal in Tegea ehrt ebenfalls ausdrücklich Tegeaten und Arkader. Darüber hinaus ist es die älteste bisher bekannte Gefallenenliste mit Epigramm außerhalb Athens. Die Annahme, dass das aufwendige Gefallenenmonument ebenso den siegreichen Feldzug nach Lakonien kommemorierte, ist deshalb naheliegend.1019 Bei beiden Gefallenenlisten lässt sich die Anzahl der namentlich genannten Toten nicht mit dem Befund der Grabungen von Rhomaios in Verbindung bringen. Dennoch ist unbestreitbar, dass an der Fundstelle mehrere Grabdenkmäler zur Ehrung von Kriegsgefallenen existierten und dass mindestens ein Teil der Toten auch an diesem Ort bestattet worden war. Bereits Rhomaios hat deshalb vermutet, dass die Tegeaten im 4. Jh. über einen öffentlichen Friedhof verfügten, in dem regelmäßig gefallene Kombattanten beigesetzt wurden.1020 Damit verbunden ist die Frage, ob die Tegeaten bzw. die Arkader zur Ehrung ihrer Kriegstoten mehr als nur die

1013 IG V 2, 174a. Dazu: Rhomaios 1912, S. 367 368; Clairmont 1983, S. 238 239. 1014 Pritchett 1985, S. 135 136. 1015 IG V 2, 173. Vgl. GV 24. Dazu: Clairmont 1983, S. 237 238. 1016 Pritchett 1985, S. 135. 1017 Xen. hell. 6, 5, 23 32; Plut. Agesilaos 30 32. 1018 Paus. 10, 9, 5 6. Auch die Inschriften sind größtenteils erhalten: FdD III 1, 3 11. Zur arkadi schen Frühgeschichte und zur Interpretation den Monuments: Zingg 2016, bes. S. 150 155. Das Denkmal befand sich auf der linken Seite fast unmittelbar nach dem Eingang ins Heiligtum. Zur Basis vgl. Bommelaer/Laroche 1991, S. 104 106, Nr. 105; Maass 1993, S. 201. 1019 Vgl. Pritchett 1985, S. 135. 1020 Rhomaios 1912, S. 369.

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4 Die Monumentalisierung des Sieges

Denkmalform der Gefallenenliste von den athenischen Bestattungsritualen übernommen haben. Einen öffentlichen Friedhof gab es nach Aussage des sogenannten Agathoi-Dekrets im 4. Jh. sicher auch in Thasos. Die Inschrift aus dem Zeitraum 360–350 informiert insbesondere über die staatliche Versorgung der Waisen, deren Väter im Krieg gefallen waren.1021 Im ersten Abschnitt des erhaltenen Textes werden die ἐϰφορά, d.h. die Grabprozession bei der Bestattung der Toten, und die Dauer der Trauerzeit geregelt. Außerdem sollen die Namen der sogenannten ᾿Αγαϑοί zusammen mit ihren Patronymen aufgezeichnet und die Hinterbliebenen zu einem öffentlichen Opfer zu Ehren der Toten eingeladen werden.1022 Pouilloux hat die Frage aufgeworfen, ob bei dieser Gelegenheit möglicherweise auch eine Grabrede gehalten wurde.1023 Darüber hinaus erhielten die Väter und Söhne der Gefallenen Ehrenplätze bei den Epitaphien-Agonen. Wenn ein verwaister Sohn das Mannesalter erreichte, sollte ihm der Polemarch außerdem am Fest der Herakleia auf Staatskosten eine Panhoplie aushändigen.1024 Vergleichbare Reglemente über die Unterstützung von Kriegswaisen kennen wir nicht nur aus dem klassischen Athen,1025 sondern auch aus dem frühhellenistischen Rhodos. Dort erhielten die Waisen ebenfalls per Dekret finanzielle bzw. materielle Zuwendungen und die Kriegstoten wurden auf staatliche Kosten (δημοσίᾳ) beigesetzt.1026 Die thasischen Regelungen zur öffentlichen Beisetzung der Gefallenen lehnen sich sehr eng an die Traditionen in Athen an. Die Tatsache, dass eine ἐϰφορά praktiziert wurde, kann nur bedeuten, dass die sterblichen Überreste der Toten hier, wie auch im belagerten Rhodos, im Gebiet der Polis beigesetzt wurden. Darüber hinaus entsprechen die einzelnen Rituale (Aufzeichnung der Namen, öffentliche Bestattung, Epitaphien-Agone) exakt dem Ablauf der jährlichen Bestattungszeremonie im Demosion Sema. Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung des Dekrets war Thasos Mitglied im Zweiten Attischen Seebund und unterhielt eine demokratische Verfassung. Letzteres traf auch auf Rhodos am Ende des 4. Jhs. zu. Diese Bedingungen mögen den Transfer der Kommemorationspraktiken gefördert haben.1027 Die Regelung, dass die Namen

1021 Die maßgeblichen Editionen der beiden Hauptfragmente sind: Pouilloux 1954, S. 371 379, Nr. 141; Fournier/Hamon 2007. Vgl. SEG 57, 820. Daneben ein neues, kleineres Fragment SEG 60, 944. 1022 SEG 57, 820, Z. 1 11, bes. Z. 7 11: ἀναγράφειν δὲ αὐτῶν τὰ ὀνόματα πατρόϑεν εἰς τοὺς ᾿Αγαϑοὺς τοὺς πολεμάρχους ϰαὶ τὸν γραμματέα τῆς βουλῆς ϰαὶ ϰαλεῖσϑαι αὐτῶν τοὺς πατέρας ϰαὶ τοὺς παῖδας ὅταν ἡ πόλις ἐντέμνηι τοῖς ᾿Αγαϑοῖς. 1023 Pouilloux 1954, S. 378. 1024 SEG 57, 820, Z. 13 20. 1025 Plat. Mx. 249a b; Aristot. Ath. pol. 58, 1; Thuk. 2, 46, 1. Vgl. das fragmentarische Dekret SEG 28, 46 aus dem Jahr 403/2. 1026 Diod. 20, 84, 3: ἔγραψαν δὲ ϰαὶ τῶν τελευτησάντων ἐν τῷ πολέμῳ τὰ μὲν σώματα δημοσίᾳ ϑάπτεσϑαι, τοὺς δὲ γονεῖς ϰαὶ παῖδας τρέφεσϑαι λαμβάνοντας τὴν χορηγίαν ἀπὸ τοῦ ϰοινοῦ τα μιείου, ϰαὶ τὰς μὲν παρϑένους δημοσίᾳ προιϰίζεσϑαι, τοὺς δ’ υἱοὺς ἐν ἡλιϰίᾳ γενομένους ἐν τῷ ϑεάτρῳ στεφανῶσαι τοῖς Διονυσίοις πανοπλίᾳ. 1027 Fournier/Hamon 2007, S. 380. Vgl. Pritchett 1985, S. 105 106.

4.1 Die Ehrung der Kriegsgefallenen

229

der gefallenen Thasier mit Patronymen aufgezeichnet werden sollten, zeigt aber auch, dass Unterschiede durchaus existierten und dass die einzelnen Stadtstaaten die Sepulkral-Praktiken ihren Bedürfnissen entsprechend modifizierten. Schließlich gibt es auch aus anderen Regionen Hinweise auf eine Übernahme der athenischen Bestattungssitten. Wenn man die Existenz mehrerer Gefallenenlisten in der Nekropole einer Polis als Evidenz für eine regelmäßige Durchführung öffentlicher Beisetzungen anerkennt, könnten auch Mantineia und Thespiai über spezifische Lokalitäten für die Beisetzung von Kombattanten verfügt haben.1028 Ein weiteres Zeugnis für die Bestattung Kriegsgefallener in der Heimat stammt aus der pontischen Stadt Herakleia. Der Lokalhistoriker Memnon beschreibt explizit, dass die Gefallenen einer hellenistischen Schlacht gegen den bithynischen Dynasten Zipoites auf dem Schlachtfeld kremiert und ihre Asche anschließend nach Hause überführt wurde. Die Beisetzung erfolgte dann in Herakleia im sogenannten μνήμα τῶν ἀριστῶν.1029 Aus den Bezeichnungen ἀγαϑοί und ἀριστοί lässt sich ablesen, das die Toten mit Blick auf ihre militärischen Tugenden eine gewisse Vorbildfunktion für die politische Gemeinschaft hatten. Die Bezeichnung des Friedhofs mit dem Singular μνήμα entspricht der Formulierung, die Pausanias später auch für das Demosion Sema in Athen verwendete.1030 Bei den Zeugnissen aus Herakleia und Rhodos handelt es sich außerdem um die frühesten Belege für die öffentliche Ehrung von Kriegstoten außerhalb des griechischen Mutterlandes. Es bleibt festzuhalten, dass sowohl die öffentliche Beisetzung von Kriegstoten im Umfeld der Heimatstadt als auch die Verwendung von Gefallenenlisten keineswegs exklusiv athenische Kommemorationsformen waren. Die besprochenen Beispiele machen deutlich, wie groß die Rolle des Überlieferungszufalls bei dieser Thematik ist und wie wenig wir über die kollektiven Gedächtnisse kleinerer Poleis sagen können. Die verfügbaren Quellen zeigen aber auf, dass mindestens einzelne Aspekte des Patrios Nomos in andere Stadtstaaten übernommen und dort regelmäßig gepflegt wurden. Spezifische Details wie die Regelungen zur Versorgung der Waisen oder die Verwendung der stoichedon-Schreibweise für Gefallenenlisten lassen kaum einen Zweifel daran, dass Athen den übrigen Griechen hier tatsächlich als Vorbild diente. Eine Adaption der Praktiken war aber keineswegs auf die Verbündeten Attikas oder auf Städte mit demokratischen Staatsordnungen beschränkt. Was in den Gefallenenlisten zum Ausdruck kam, war nicht zwingend das demokratische Selbstverständnis gleichberechtigter Politen, sondern die kollektive Identität

1028 Pritchett 1985, S. 144 nimmt an, dass es in Mantineia einen „public military cemetery“ gege ben hat, nennt aber keine Argumente. 1029 Memnon FGrH 434, Frg. 9, 5: οἱ δὲ ἡττημένοι τοὺς σφετέρους νεϰροὺς ἀδεῶς ἀναλαβόντες ϰαὶ ϰαύσαντες, εἶταϰαὶ πάντων ϰύριοι περὶ ὧν ἦν ὁ πόλεμος ϰαταστάντες, ϰαὶ τὰ ὁστᾶ τῶν ἀνηιρη μένων ἀναϰομίσαντες εἰς τὴν πόλιν, ἐπιφανῶς ἐν τῶι τῶν ἀριστέων ἔϑαψαν μνήματι. Dazu: Prit chett 1985, S. 231. 1030 Paus. 1, 29, 4.

230

4 Die Monumentalisierung des Sieges

eines Bürgerheers, in dem Angehörige verschiedener sozialer Gruppen gleichberechtigt nebeneinander kämpften. Die Gefallenenlisten waren außerdem immer nur ein Teil des Grabmonuments, welcher sich flexibel in die Denkmäler- und Bestattungstraditionen der jeweiligen Polis einpassen ließ. Eine wichtige Rolle bei der Pflege der kollektiven Erinnerungen spielte mit Sicherheit auch die rituelle Einbindung der Denkmäler, über die wir außerhalb Athens kaum informiert sind. Bei den Opfern und Agonen, die mindestens in Thasos abgehalten wurden, müssen die verantwortlichen Polemarchen ein Deutungsangebot gemacht haben, um den Tod der Mitbürger gegenüber den trauernden Angehörigen zu rechtfertigen. Auch sonst ist es kaum vorstellbar, dass die Toten in Thespiai, Mantineia usw. ohne irgendeine Form der öffentlichen Bekundung vor den Toren der Stadt beigesetzt wurden. Bei Reden und Opferhandlungen bot sich den offiziellen Vertretern der Polisgemeinschaft die Möglichkeit, die aktuellen Kriegsereignisse in größere Deutungszusammenhänge einzuordnen und das Opfer der Kriegstoten zugunsten der jeweiligen Verfassungsordnung politisch nutzbar zu machen. Was den Patrios Nomos in Athen auch im 4. Jh. von den Praktiken in vielen anderen Städten unterschied, war neben der starken Institutionalisierung jedoch sicher die jährliche Wiederholung.1031 Bemerkenswerterweise konnte bisher keine griechische Gefallenenliste identifiziert werden, die nach dem ausgehenden 4. Jh. aufgezeichnet wurde.1032 Unabhängig von der Verfassung der einzelnen Staaten scheint diese Form der Kriegskommemoration an das Bewusstsein der außenpolitischen Selbstständigkeit gebunden zu sein. Nur wenn das Opfer der Gefallenen nicht für einen monarchischen Herrscher, sondern für die Gemeinschaft der Hoplitenbürger vereinnahmt werden konnte, waren die Namen der Individuen denkmalfähig.

4.2 Die Kriegserinnerung im Raum der Polis In der Zeit nach den Perserkriegen hatte sich die Kommemoration zeitgenössischer Kriege zunehmend von Schlachtfeldern und panhellenischen Heiligtümern in den öffentlichen Raum der Polis verschoben. Weihungen an lokalen Kultplätzen, Kenotaphe bzw. Staatsbegräbnisse, Kultstiftungen, Ehrendenkmäler und Hallenbauten aus Beuteeinnahmen prägten das Bild der urbanen Zentren. Das Spektrum der Erinnerungsformen wurde immer breiter und die Aussagen der Monumente zunehmend politischer. Mithilfe von Kriegsdenkmälern in der eigenen Polis versicherte sich die Bürgerschaft ihrer historischen Leistungen und ihrer normativen Werte. In der Zeit

1031 Vgl. Low 2003, S. 109. 1032 Die Ausnahme, die die Regel bestätigt, ist gewissermaßen IG IV2 1, 28. Die Gefallenenliste aus Epidauros kommemoriert die griechischen Toten in der Schlacht am Isthmus von Korinth im Jahr 148. Die Inschrift greift unübersehbar ältere Traditionen auf, reicht aber nicht aus, um eine Konti nuität der Praxis bis in späthellenistische Zeit zu postulieren.

4.2 Die Kriegserinnerung im Raum der Polis

231

des Peloponnesischen Kriegs haben sich diese Denkmälertraditionen entsprechend den zeitgenössischen Bedürfnissen weiterentwickelt. Da die Überlieferungsdichte aber weit hinter den gut dokumentierten Perserkriegsmonumenten zurückbleibt, sind hier nur punktuelle Beobachtungen möglich.

Die Kommemoration durch Kulte und Feste Ein Blick in die Überlieferung zu den Gedenkfesten der Athener zeigt, dass die Kommemoration militärischer Siege mithilfe von jährlich wiederholten Kulthandlungen vielfältige Formen annahm. So scheinen die Veranstaltungen zur Erinnerung an die innergriechischen Konflikte im ausgehenden 5. und beginnenden 4. Jh. nicht den Umfang und die Prominenz jener Feste erreicht zu haben, welche an die Perserabwehr erinnerten. Plutarch erwähnt in seiner Aufzählung der athenischen Gedenktage etwa ein Trankopfer zur Erinnerung an Chabrias’ Sieg vor Naxos im Jahr 376.1033 Wir erfahren nicht, wo und für wen das Opfer vollzogen wurde, geschweige denn, wie groß die dazugehörige Festgemeinde war. Plutarch berichtet weiter, dass wenige Tage vorher jedes Jahr ein Dankopfer für die Befreiung Athens vollzogen wurde, weil dies der Jahrestag der Rückkehr von Exilierten aus Phyle 403 war.1034 Schließlich machten die Athener den zwölften Tag des Monats Skirophorion noch heiliger (ἱερωτέραν), nachdem es ihnen gelungen war, bei Mantineia 362 als einziges der verbündeten Kontingente die gegnerische Phalanx zu durchbrechen.1035 An diesem Datum fand bereits seit archaischer Zeit ein Fest zu Ehren der Athena Skiras und der Demeter statt, das nach der Schlacht um einen Aspekt des historischen Gedenkens bzw. um weitere Rituale erweitert wurde.1036 Derartige Formen des Erinnerns hinterlassen jedoch in aller Regel keine Spuren in der Überlieferung. Hinzu kommt, dass innergriechische Schlachten tendenziell weniger nachwirkten und in den darauffolgenden Jahrhunderten kaum rezipiert wurden. Die spärliche Überlieferung zu den Fest- und Kultstiftungen in der Zeit des Peloponnesischen Kriegs und im 4. Jh. ist daher nicht repräsentativ für die tatsächliche Verbreitung der entsprechenden Phänomene in der griechischen Staatenwelt. In der folgenden Tabelle sind die wenigen Fest- und Kultstiftungen zusammengestellt, welche sich aus den antiken Quellen rekonstruieren lassen.

1033 Plut. mor. 349F: ἕϰτῃ δ’ ἐπὶ δέϰα τοῦ μηνὸς οἰνοχοεῖται τῆς Χαβροίου περὶ Νάξον ἐπινίϰια ναυμαχίας. Vgl. Plut. Phokion 6. Dazu: Pritchett 1979, S. 171. 1034 Plut. mor. 349F: τῇ δὲ δωδεϰάτῃ χαριστήρια ἔϑυον ἐλευϑερίας· ἐν ἐϰείνῃ γὰρ οἱ ἀπὸ Φυλῆς ϰατῆλϑον. 1035 Plut. mor. 350A: τὴν δὲ δωδεϰάτην τοῦ Σϰιρροφοριῶνος ἱερωτέραν ἐποίησεν ὁ Μαντινειαϰὸς ἀγών, ἐν ᾧ τῶν ἄλλων συμμάχων ἐϰβιασϑέντων ϰαὶ τραπέντων, μόνοι τὸ ϰαϑ’ ἑαυτοὺς νιϰήσαντες ἔστησαν τρόπαιον ἀπὸ τῶν νιϰώντων πολεμίων. 1036 Pritchett 1979, S. 169 170. Zum Skira Fest vgl. Parke 1987, S. 238 247.

232

4 Die Monumentalisierung des Sieges

Kultempfänger

Ort

Anlass



Fest Delia für Apollon

Delion

Delion 



Fest Lysandreia für Hera

Samos

Aigospotamoi 



Fest Basileia für Zeus

Lebadeia

Leuktra 



Aphroditekult

Athen, Piräus

Knidos 

Aus Diodors Beschreibung des Peloponnesischen Kriegs erfahren wir, dass die Thebaner mit den Einnahmen aus dem boiotischen Sieg über die Athener bei Delion unter anderem ein Fest (1) names Delia (Δηλίων πανήγυριν) stifteten.1037 Der Austragungsort des Festes war sicher das delische Apollonheiligtum, in dem sich die athenischen Truppen während der Schlacht verschanzt hatten.1038 Aufgrund des Fehlens weiterer Quellen lassen sich keine Aussagen über den Ablauf des Festes und die dabei inszenierten Erinnerungsfiguren treffen. Aus der Tatsache, dass die Thebaner ihre Beuteeinnahmen nutzten, um ein Fest außerhalb des Territoriums ihrer Polis zu finanzieren, lässt sich aber die Annahme ableiten, dass sie mit der Kommemoration ein größeres Publikum zu erreichen suchten. Das Apollonheiligtum in Delion war ein Kultplatz mit regionaler Bedeutung innerhalb Boiotiens. Die Thebaner mögen die Erinnerung an den Sieg unter ihrer Führung an dieser Stelle genutzt haben, um ihre Vorrangstellung innerhalb des Boiotischen Bundesstaates zu legitimieren und zu festigen. Der Ort der Schlacht und die Autorität des anwesenden Gottes konnten die entsprechenden Vergangenheitsdeutungen verifizieren und sanktionieren. Auch nach dem wohl größten Sieg Thebens, in der Schlacht von Leuktra 371, begründeten die Boioter ein neues Fest. Laut Diodor soll Epameinondas seine Truppen vor Beginn der Kampfhandlungen mit dem Bericht über ein Orakel ermutigt haben, wonach ihnen der chthonische Gott Trophonios seine Unterstützung zugesagt haben soll. Im Gegenzug wurden die Boioter angewiesen, im Falle eines Sieges einen Agon zu Ehren des Zeus Basileus zu stiften, der zusammen mit Trophonios in Lebadeia verehrt wurde.1039 Die Geschichte von der Einrichtung des Wettkampfes weist enge Parallelen zur Einführung des athenischen Pankultes durch Miltiades im Zusammenhang mit der Schlacht bei Marathon auf. Die Strategien zur Erinnerungsstiftung waren offenbar innerhalb der griechischen Welt übertragbar und bewährten sich. Diodor lässt erkennen, dass das entsprechende Fest der Basileia (3) noch zu seiner Zeit durchgeführt wurde.1040 Der Kranzagon zu Ehren des Zeus ist auch durch die hellenistischen

1037 Diod. 12, 70, 5: τήν τε τῶν Δηλίων πανήγυριν ἀπὸ τούτων τῶν χρημάτων ἐνεστήσαντο ποιεῖν. Vgl. Schol. Pind. Ol. 7, 154. 1038 Zu den Ereignissen: Thuk. 4, 89 101; Diod. 12, 69 70. 1039 Diod. 15, 53, 4. Zum Orakel vgl. Paus. 4, 31, 4 6. Dazu auch Kap. 3.3.2. 1040 Diod. 15, 53, 4: ἄλλον δὲ ϰατέστησεν ὡς ἀπὸ Τροφωνίου προσφάτως ἀναβεβηϰότα ϰαὶ λέ γοντα, διότι προστέταχεν ὁ ϑεὸς αὐτοῖς, ὄταν ἐν Λεύϰτροις νιϰήσωσιν, ἀγῶνα τιϑέναι Διὶ βασιλεῖ

4.2 Die Kriegserinnerung im Raum der Polis

233

Inschriften der Teilnehmer aus verschiedenen Städten Boiotiens belegt.1041 Das Heiligtum im Umfeld der Polis Lebadeia war in der gesamten antiken Welt als Orakelstätte bekannt und wurde wohl aufgrund dieser Bedeutung von Epameinondas ausgewählt. Auch hier wurde die Kultgemeinde von den Mitgliedsstädten des Boiotischen Bundes konstituiert, auf deren Zusammenhalt die Kommemoration sicher abzielte. Eine andere Form des historischen Gedenkens wurde am Ende des Peloponnesischen Krieges auf Samos eingeführt. Plutarch zitiert den samischen Lokalhistoriker Duris mit der Aussage, dass der spartanische Nauarch Lysandros der erste Mensch war, dem die griechischen Städte Altäre errichteten und göttergleiche Ehrungen zuteil werden ließen. Die Samier beschlossen in diesem Zusammenhang das jährliche Fest für ihre Hauptgottheit Hera zu Ehren des Feldherrn in „Lysandreia“ (2) umzubenennen.1042 Anlässlich dieses Festes wurden in der Folgezeit offenbar Dichterwettstreite abgehalten, in denen die Poeten mit Lobliedern über die Taten des Lysandros konkurrierten.1043 Außerdem errichteten die Bewohner der Insel dem Nauarchen in Olympia eine Ehrenstatue mit zwei Inschriften.1044 Pausanias stellt klar, dass die Ehrungen ionischer Städte für athenische und spartanische Feldherren mit den schnell wechselnden Parteinahmen in Verbindung standen.1045 Das Fest wurde also offenbar nach der Befreiung Ioniens von der Herrschaft des Attischen Seebundes durch Lysandros im Anschluss an die Seeschlacht bei Aigospotamoi (405/4) neu ausgerichtet. Die lokalen Aristokraten dankten dem Feldherrn damit für ihre Rückführung und die Wiederherstellung ihrer oligarchischen Herrschaft.1046 Die Befreiung von der athenischen Vorherrschaft wurde auf diese Weise zum politischen Gründungsakt und Lysandros zum ϰτίστης der Gemeinschaft stilisiert. Die Ehrungen für seine Person gingen aber insbesondere mit der Übertragung des Götterfestes und dem Singen von Paianen weit über zeitgenössische Heroenkulte hinaus.1047 Derartige Formen des Personenkultes waren in den stärker bürgerschaftlich geprägten Polisgemeinschaften des griechischen Festlandes in klassischer Zeit

στεφανίτην· ἀφ’ οὗ δὴ Βοιωτοὶ ταύτην ποιοῦσι τὴν πανήγυριν ἐν Λεβαδείᾳ. Schol. Pind. Ol. 7, 154 nennt das Fest dagegen Τροφώνεια ἐν Λεβαδείᾳ. 1041 IG VII 1711, 2487, 2532, 3091, 4247. 1042 Plut. Lysandros 8, 3 4; Duris FGrH 76, Frg. 71: πρώτῳ μὲν γάρ, ὡς ἱστορεῖ Δοῦρις, ῾Ελλήνων ἐϰείνῳ βωμοὺς αἱ πόλεις ἀνέστησαν ὡς ϑεῷ ϰαὶ ϑυσίας ἔϑυσαν, εἰς πρῶτον δὲ παιᾶνες ᾔσϑησαν [. . .] Σάμιοι δὲ τὰ παρ’ αὐτοῖς ῾Ηραῖα Λυσάνδρεια ϰαλεῖν ἐψηφίσαντο. 1043 Plut. Lysandros 8, 4 5; Duris FGrH 76, Frg. 26. 1044 Paus. 6, 3, 14. 1045 Paus. 6, 3, 15 16. So hatten die Samier zuvor offenbar Alkibiades geehrt, dessen Bronzestatue noch in der Kaiserzeit im samischen Heraion stand. Nach der Seeschlacht bei Knidos wiederum er hielten auch Konon und Timotheus an dieser Stelle Ehrenstatuen. Pausanias berichtet außerdem von vergleichbaren Praktiken in Ephesos. In diesen Kontext gehören wohl die bereits erwähnten Ehrenstatuen für Konon in Erythrai und Kaunos: IEry 6; IKaunos 81. Vgl. Kap. 3.1.1. 1046 Habicht 1956, S. 3 4. Zum Umsturz in Samos: Xen. hell. 2, 3, 6 7. 1047 Habicht 1956, S. 5.

234

4 Die Monumentalisierung des Sieges

undenkbar. Aber auch hier drangen erfolgreiche Feldherren langsam in den Bereich der städtischen Repräsentation vor. Demosthenes berichtet, dass Konon der Erste gewesen sei, der nach den Tyrannenmördern Harmodios und Aristogeiton eine Ehrenstatue in Athen erhielt. Als Anlass für diese Würdigung gilt der Sieg der athenisch-persischen Flotte bei Knidos über die Spartaner im Jahr 394.1048 Bei seinem Rundgang durch Athen erwähnt Pausanias außerdem Statuen des Timotheos und Leosthenes, denen man in der Folgezeit offenbar ähnliche Ehrungen hatte zuteil werden lassen.1049 Aufgrund der komplexer werdenden Kriegsführung seit der Zeit des Peloponnesischen Krieges kam es zu einer zunehmenden Professionalisierung der griechischen Feldherrenämter. Die Strategen und Nauarchen gewannen an militärischer Bedeutung und mussten dennoch weiterhin mit ihrem persönlichen Besitz und mit ihrem Leben für die erfolgreiche Amtsführung bürgen.1050 Diese Umstände führten offenbar dazu, dass die Bürgerschaften ihren Kommandanten ab der Wende zum 4. Jh. personenbezogene Formen der Kriegskommemoration nicht mehr vollständig verwehren konnten bzw. wollten. Das samische Fest der Lysandreia mag unterdessen eine spezifisch kleinasiatische Kommemorationsform sein, in der sich die mutterländische Tradition der Gedenkfeste schon in klassischer Zeit mit Repräsentationsformen aus den orientalischen Monarchien verband. Mit dem Namen des Konon ist schließlich auch die schon erwähnte Einrichtung eines Kultes der Aphrodite Euploia (4) im Piräus zur Erinnerung an die Seeschlacht bei Knidos verbunden.1051 Durch den Bau eines Tempels dankte der Demos der knidischen Gottheit für ihre Unterstützung in Schlacht. Möglicherweise wurde auch das bei Plutarch erwähnte Fest zur Erinnerung an Konons Sieg an diesem Ort gefeiert.1052 Vermutlich versicherten sich die Athener durch die Kommemoration der Seeschlacht bei Knidos insbesondere ihrer wiedererstarkenden Vorherrschaft in der Ägäis. Die Fest- und Kultstiftungen zum historischen Gedenken bewegen sich an der Wende vom 5. zum 4. Jh. der Form nach durchaus in konventionellen Bahnen. Als Ansatzpunkt für die Kriegserinnerung dienen vermeintliche Hilfeleistungen von lokalen bzw. regionalen Gottheiten, die im Falle eines Sieges durch regelmäßige Rituale, Agone oder die Einrichtung neuer Heiligtümer kommemoriert wurden. Die Adressaten 1048 Demosth. or. 20, 70: διόπερ οὐ μόνον αὐτῷ τὴν ἀτέλειαν ἔδωϰαν οἱ τότε, ἀλλὰ ϰαὶ χαλϰῆν εἰϰόνα, ὥσπερ ῾Αρμοδίου ϰαὶ ᾿Αριστογείτονος, ἔστησαν πρώτου. Dazu: Habicht 1956, S. 8. 1049 Paus. 1, 1, 3 (Statue des Leosthenes im Piräus); 1, 3, 1 (Statue des Timotheos an der Agora). Das erste Fest zu Ehren eines athenischen Feldherrn in Athen selbst sind wohl die Diogeneia in hellenistischer Zeit. Dazu: Pritchett 1979, S. 203. 1050 Mann 2013, S. 16. Zu Athen: Bleicken 1995, S. 144 145; 289 290. 1051 Paus. 1, 1, 3: πρὸς δὲ τῇ ϑαλάσσῃ Κόνων ᾠϰοδόμησεν ᾿Αφροδίτης ἱερόν, τριήρεις Λαϰεδαιμο νίων ϰατεργασάμενος περὶ Κνίδον τὴν ἐν τῇ Καριϰῇ χερρονήσω. Κνίδιοι γὰρ τιμῶσιν ᾿Αφροδίτην μά λιστα, ϰαί σφισιν ἔστιν ἱερὰ τῆς ϑεοῦ. Dazu ausführlich Kap. 3.1.1. 1052 Plut. mor. 349D E: τειχίζει δὲ τὴν πόλιν ἡ Κόνωνος [νίϰη] [. . .] ταῦϑ’ ἡ πόλις ἑορτάζει ϰαὶ ὑπὲρ τούτων ϑύει τοῖς ϑεοῖς.

4.2 Die Kriegserinnerung im Raum der Polis

235

dieser Erinnerungsformen waren aber nicht mehr nur die Bürger der jeweiligen Polis. Die gemeinschaftsbildende Wirkung der Kulthandlungen richtete sich vielmehr an die Mitglieder zwischenstaatlicher Allianzen wie den Bundesstaat der Boioter oder den Attischen Seebund. Durch die Kommemoration vergangener Siege sollte die Fortführung der Symmachien sichergestellt und die Vorrangstellung bestimmter Stadtstaaten begründet werden. Darüber hinaus führte das intensive militärische Engagement der Athener und Spartaner im ägäischen Raum zu einer Ausbreitung der mutterländischen Erinnerungspraktiken. Als Beleg dafür mögen neben den Feldherrn-Ehrungen der ionischen Städte auch die Stadtbegräbnisse in Thasos und Rhodos ab dem 4. Jh. dienen. Die Kommemoration durch Weihungen in lokalen Heiligtümern Auch zu den Waffen- und Statuenweihungen in lokalen Heiligtümern sind für das knappe Jahrhundert zwischen 431 und 338 nur exemplarische Beobachtungen möglich. Die Kenntnis der jeweiligen Dedikation beruht nahezu ausschließlich auf den Notizen des Pausanias, die kaum mehr als eine Benennung der Denkmäler ermöglichen. Das Fehlen archäologischer und epigraphischer Zeugnisse beschränkt auch Aussagen über die in den Denkmälern transportierten Vergangenheitsbilder. In der folgenden Tabelle sind die schriftlich bezeugten Weihungen in lokalen Heiligtümern zusammengestellt.

Denkmal

Ort

Anlass



Nike der Athener

Athen, Akropolis

Sphakteria 



Schildweihungen der Thebaner

Theben, Agora

Delion 



Weihungen des Lysandros

Sparta/Amyklai

Aigospotamoi 



Weihungen der Athener

Theben, Herakleion

Bürgerkrieg 



Bronzetropaion der Eleer

Olympia

Sieg um 



Schildweihungen der Thebaner

Theben, Demetertempel

Leuktra 



Waffen aus Karthagerbeute

Syrakus/Isthmos

Krimisos 

Nach Aussage des Perigeten weihten die Athener 425 für ihren Sieg bei Sphakteria eine bronzene Nikestatue (1) auf der Akropolis.1053 Die Schlacht am Beginn des

1053 Paus. 4, 36, 6: ᾿Αϑεναῖοι δὲ ϰαὶ Νίϰης ἀνέϑηϰαν ἄγαλμα ἐν ἀϰρπόλει χαλϰοῦν ἐς μνήμην τῶν ἐν τῇ Σφαϰτηρίᾳ. Der Standort der Nike kann nicht näher identifiziert werden, da Pausanias die Statue nicht bei seiner Beschreibung Athens, sondern nur im Messenienbuch erwähnt. Zur Nike: Thöne 1999, S. 117 119.

236

4 Die Monumentalisierung des Sieges

Peloponnesischen Kriegs, in der erstmals Spartiaten zur Kapitulation gezwungen worden waren, war von großer symbolische Bedeutung und wurde etwa auch durch die Ausstellung von Beuteschilden in der Stoa Poikile kommemoriert.1054 Mit den Denkmälern auf der Akropolis und der Agora wurde dieser militärische Erfolg an den prominentesten Orten der Stadt gewürdigt. Anders als im Demosion Sema außerhalb der Stadtmauern, wo die einzelnen Kriegsereignisse – einschließlich Niederlagen – in das Narrativ eines fortwährenden Kampfes eingebunden wurden, hatte die Erinnerung hier einen offensiveren Charakter.1055 Sowohl die Personifikation des Sieges als auch der Besitz der gegnerischen Schilde zeigen unzweifelhaft an, dass die Schlacht mit positivem Ausgang entschieden worden war. Auch die Thebaner schmückten ihre Stadt nach den Siegen bei Delion (2) und Leuktra (6) mit erbeuteten Bronzeschilden.1056 Laut Diodor wurden sowohl die Tempel als auch die Säulenhallen rund um die Agora im Jahr 424 geradezu mit Beutewaffen verkleidet. Dazu passen die Berichte, dass politische Gefangene beim Sturz der prospartanischen Partei 379 befreit und mit den Beutestücken neu bewaffnet werden konnten.1057 Die Praxis der Waffenweihungen war in dieser Zeit bereits im Auslaufen begriffen. Die jüngsten beschrifteten Waffenweihungen stammen aus den Jahren vor Beginn des Peloponnesischen Kriegs, weshalb Pausanias zur Identifikation der Leuktra-Schilde im thebanischen Demetertempel wohl auf orale Traditionen zurückgreifen musste.1058 Möglicherweise hatten die Beutestücke hier, ebenso wie im öffentlichen Raum Athens, inzwischen eher dekorative und museale Funktionen. Besonders viel Prestige ging offenbar von den Rüstungsstücken barbarischer Gegner aus.1059 Timoleon ließ daher die Beute von angeblich 1000 Panzern und 10.000 Schilden (7) vom Sieg über die Karthager am Krimisos 340 auf die Heiligtümer in Syrakus und das isthmische Poseidonheiligtum in seiner Heimatstadt verteilen.1060 Laut Plutarch war mit den Weihungen in Korinth der Wunsch verbunden,

1054 Paus. 1, 15, 4; IG I3 522. Siehe dazu Kap. 3.2.2. 1055 Vgl. Arrington 2011, S. 193. 1056 Diod. 12, 70, 5: ὅμως δὲ τοσοῦτο πλῆϑος τῶν ἀναιρεϑέντων ἦν, ὥστε τοὺς Θηβαίους ἐϰ τῆς τῶν λαφύρων τιμῆς τήν τε στοὰν τὴν μεγάλην ἐν ἀγορᾷ ϰατασϰευάσαι ϰαὶ χαλϰοῖς ἀνδριᾶσι ϰοσμῆ σαι, τοὺς δὲ ναοὺς ϰαὶ τὰς ϰατὰ τὴν ἀγορὰν στοὰς τοῖς ὅπλοις τοῖς ἐϰ τῶν σϰύλων προσηλωφεῖσι ϰαταχαλϰῶσαι. Paus. 9, 16, 5: ϰαὶ ἀσπίδες ἐνταῦϑα ἀνάϰεινται χαλϰαῖ· Λαϰεδαιμονίων δέ, ὁπόσοι τῶν ἐν τέλει περὶ Λεῦϰτρα ἐτελεύτησαν, φασὶν εἶναι. 1057 Xen. hell. 5, 4, 8; Plut. mor. 598D; Plut. Pelopidas 12, 1. 1058 Paus. 9, 16, 5. Zum Auslaufen der Waffenweihungen: Baitinger 2011, S. 164 167. 1059 Baitinger 2011, S. 165. 1060 Diod. 16, 80, 6: τῶν δ’ ὅπλων τὰ πολλὰ μὲν ὑπὸ τοῦ ποταμοῦ διεφϑάρη, ἐπὶ δὲ τὴν τοῦ Τιμο λέοντος σϰηνὴν χίλιοι μὲν ϑώραϰες, ἀσπίδες δὲ πλείους τῶν μυρίων ἀπηνέχϑησαν. τούτων δ’ ὕστε ρον τὰ μὲν ἐν τοῖς ἐν Συραϰούσσαις ναοῖς ἀνετέϑη, τὰ δὲ τοῖς συμμάχοις διεμερίσϑη, τινὰ δ’ εἰς Κόρινϑον Τιμολέων ἀπέστειλε, προστάξας εἰς τὸ τοῦ Ποσειδῶνος ἱερὸν ἀναϑεῖναι.

4.2 Die Kriegserinnerung im Raum der Polis

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die Stadt und ihre Tempel unter den übrigen hellenischen Poleis, welche nur Beutestücke aus innergriechischen Kämpfen vorweisen konnten, hervorzuheben.1061 Bei seinem Rundgang durch Theben sah Pausanias neben den Beuteschilden auch je eine Kolossalstatue der Athena und des Herakles (4), welche Thrasyboulos und seine Anhänger nach dem Sturz der Dreißig 403 geweiht hatten. Zur Ausführung der Bildwerke wurde mit Alkamenes einer der bedeutendsten Bildhauer seiner Zeit engagiert.1062 Die athenischen Demokraten brachten mit dieser Dedikation ihre Dankbarkeit dafür zum Ausdruck, dass sie während des Bürgerkriegs in Theben Aufnahme gefunden hatten und vor der Einnahme Phyles von dort aus operieren konnten.1063 Die Marmorstatuen im Heiligtum der verbündeten Stadt ehrten gleichsam den Kultinhaber Herakles wie auch die Stadtgöttin Athena. Mit diesem ungewöhnlichen Anathem wurde die Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte beider Städte manifestiert, die bereits eine Generation später erneuert wurde. Diesmal fand eine Gruppe vertriebener Thebaner in Athen Zuflucht und Pelopidas ermunterte sie unter Verweis auf die vorbildhafte Leistung Athens 403 zur Intervention in Boiotien.1064 Hier hatte die Kriegserinnerung also im Gegensatz zu den meisten anderen Weihungen in lokalen Heiligtümern auch auf zwischenstaatlicher Ebene eine gemeinschaftsstiftende Funktion. Der spartanische Feldherr Lysandros weihte nach seinem schon mehrfach erwähnten Sieg über die athenische Flotte bei Aigospotamoi nicht nur ein mehrfiguriges Anathem in Delphi, sondern stattete auch die lakonischen Heiligtümer in seiner Heimat mit Beuteweihungen (3) aus.1065 Eine Halle im Heiligtum der Athena Ergane auf der Akropolis enthielt laut Pausanias zwei Adlerstatuen mit darauf stehenden Niken, welche die Seesiege von 407 und 405 kommemorierten.1066 Im Amyklaion wiederum sah er eine Gruppe von Bronzedreifüßen, deren zwei größte ebenfalls aus der Beute von Aigospotamoi stammten. Laut seiner Beschreibung wurde einer der Tripoden von einer Personifikation Spartas und der zweite von einer Aphrodite gestützt.1067 Mit den

1061 Plut. Timoleon 29, 2 3. 1062 Paus. 9, 11, 6: Θρασύβουλος δὲ ὁ Λύϰου ϰαὶ ᾿Αϑηναίων οἱ σὺν αὐτῷ τυραννίδα τὴν τῶν τριάϰοντα ϰαταλύσαντες ὁρμηϑεῖσι γάρ σφισιν ἐϰ Θηβῶν ἐγένετο ἡ ϰάϑοδος ᾿Αϑηνᾶν ϰαὶ ῾Ηραϰ λέα ϰολοσσοὺς ἐπὶ λίϑου τύπου τοῦ Πεντελῆσιν, ἔργα δὲ ᾿Αλϰαμένους, ἀνέϑηϰαν ἐς τὸ ῾Ηραϰλεῖον. Zu Alkamenes vgl. DNO Nr. 1106 1136. 1063 Xen. hell. 2, 4, 2; Diod. 14, 32, 1. 1064 Plut. Pelopidas 6 7. 1065 Zu Delphi: Paus. 10, 9, 7 11; Plut. Lysandros 18, 1. 1066 Paus. 3, 17, 4: ἡ δὲ πρὸς δυσμὰς ἔχει τῶν στοῶν ἀετούς τε δύο τοὺς ὄρνιϑας ϰαὶ ἴσας ἐπ’ αὐ τοῖς Νίϰας, Λυσάνδρου μὲν ἀνάϑημα, τῶν δὲ ἔργων ὑπόμνημα ἀμφοτέτων, τοῦ τε περὶ ῎Εφεσον, ὅτε ᾿Αντίοχον τὸν ᾿Αλϰιβιάδου ϰυβερνήτην ϰαὶ ᾿Αϑηναίων τριήρεις ἐνίϰησε, ϰαὶ ὕστερον ἐν Αἰγος ποτα μοῖς ϰαϑεῖλεν ᾿Αϑηναίων τὸ ναυτιϰόν. 1067 Paus. 3, 18, 8: ᾿Αρίστανδρος δὲ Πάριος ϰαὶ Πολύϰλειτος ᾿Αργεῖος ὁ μὲν γυναῖϰα ἐποίησεν ἔχουσαν λύραν, Σπάρτην δῆϑεν, Πολύϰλειτος δὲ ᾿Αφροδίτην παρὰ ᾿Αμυϰλαίῳ ϰαλουμένην. οὗτοι δὲ οἱ τρίποδες μεγέϑει τε ὑπὲρ τοὺς ἄλλους εἰσὶ ϰαὶ ἀπὸ τῆς νίϰης τῆς ἐν Αἰγὸς ποταμοῖς ἀνετέϑησαν.

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4 Die Monumentalisierung des Sieges

Weihmonumenten in Amyklai knüpften die Spartaner an bereits vorhandene Bildtraditionen aus der Zeit der Messenischen Kriege an.1068 Ansonsten lassen sich über die mit den Monumenten verbundenen Vergangenheitsbilder kaum Aussagen treffen. Fest steht, dass den Zeitgenossen die Bedeutung der Seeschlacht, welche letztlich den Ausgang des Peloponnesischen Kriegs entschied, durchaus bewusst war. Die Spartaner kommemorierten den Sieg von 405 mit monumentalen Weihungen an mehreren lakonischen Kultplätzen sowie in Delphi. In den gleichen Zusammenhang gehört sicher auch die Ehrenstatue des Sehers Agias, der Lysandros den Ausgang der Seeschlacht vorhergesagt haben soll.1069 Die Gemeinschaft der Spartiaten versicherte sich auf diese Weise ihres militärischen Erfolgs und ihres Anspruchs auf die Vorherrschaft in Lakonien sowie über ganz Griechenland. Schließlich berichtet Pausanias von einem Anathem der Eleer (5), das einen Sieg über die Lakedaimonier kommemorierte.1070 Es handelt sich insofern um eine Sonderform des Weihdenkmals, als das es im panhellenischen Heiligtum von Olympia aufgestellt wurde, wegen der engen Beziehung der Stifter zur Kultstätte jedoch eher lokalen Charakter hatte. Die betreffende Auseinandersetzung zwischen Elis und Sparta fand in den Jahren 402–400 statt und endete damit, dass das Territorium der Eleer geplündert und diese zur Herausgabe aller Perioiken-Gebiete gezwungen wurden. Lediglich die Leitung des Heiligtums beließen die Sieger in den Händen der unterlegenen Polis.1071 Angesichts dieser historiographisch überlieferten Ereignisse kann das von Pausanias beschriebene Weihdenkmal nur aus der Beute einer kleineren Auseinandersetzung im Verlauf des Krieges oder, was wahrscheinlicher ist, aus anderen Quellen finanziert worden sein. Das Monument hatte die Form eines bronzenen Tropaions mit einem beschriebenen Schild. Aus der Tatsache, dass Pausanias das Anathem einem Bildhauer zuschreibt, können wir erschließen, dass es sich um eine statuarische Umsetzung und nicht etwa um ein tatsächliches ephemeres Tropaion aus Bronzewaffen handelte.1072 Mit dem Kunstwerk in Form eines Siegesmals beanspruchten die Eleer unzweifelhaft den Erfolg in der Schlacht und die Vorherrschaft über das Heiligtum für sich. Ob diese Deutung der Vergangenheit direkt nach Abschluss der Kampfhandlungen aufgrund der leitenden Stellung der Eleer akzeptiert wurde oder ob das Denkmal erst einige Zeit später aufgestellt werden konnte, lässt sich nicht mehr klären. Eine vergleichbare

1068 Paus. 3, 18, 7 8; 4, 14, 2. 1069 Paus. 3, 11, 5. 1070 Paus. 5, 27, 11: ἔστι δὲ ὑπὸ ταῖς ἐν τῇ ῎Αλτει πλατάνοις ϰατὰ μέσον μάλιστά που τὸν περίβολον τρόπαιον χαλϰοῦν ϰαὶ ἐπίγραμμα ἐπὶ τοῦ τροπαίου τῇ ἀσπίδι, ᾿Ηλείους ἀπὸ Λαϰεδαιμονίων ἀναστῆσαι. 1071 Thuk. 5, 49 50; Xen. hell. 3, 2, 21 31; Diod. 14, 17, 4 12; 34, 1; Paus. 3, 8, 3 5. 1072 Paus. 6, 28, 8. Dazu: Rabe 2008, S. 136 137.

4.2 Die Kriegserinnerung im Raum der Polis

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Erinnerungsstrategie kam aber nochmals in der Mitte des 4. Jhs. zur Anwendung: Hier stifteten die Eleer eine monumentale Zeusstatue, die mit einer Größe von 27 Fuß (ca. 8,10m) alle anderen Anatheme in der Altis überragte. Sie stammte laut Pausanias aus der Beute des Krieges zwischen Eleern und Arkardern in den Jahren 365–364.1073 Da die Arkader die entscheidende Schlacht auf der Altis für sich entschieden hatten, ist auch hier eine tatsächliche Finanzierung aus Kriegsbeute auszuschließen.1074 Die Zeusstatue kann vielmehr erst nach 362 aufgestellt worden sein, als die Arkader wieder aus Olympia abzogen waren und Elis erneut die Leitung über Heiligtum und Spiele übertragen bekam.1075 Die dazugehörige Weihinschrift bezieht sich daher nicht auf einen Krieg, sondern auf die Versöhnung: Ϝαλείων περὶ ὀμονοίαρ.1076 Die Autorität der Eleer gestattete es offenbar auch in diesem Fall, die üblichen Denkmälertraditionen zu umgehen und mithilfe einer vermeintlichen Beuteweihung den Sieg symbolisch für sich zu beanspruchen. Bei den Weihdenkmälern in lokalen Heiligtümern dominierten ab der Zeit des Peloponnesischen Krieges militärische Siege die Bildsprache. Niken, Tropaia und Beutewaffen nehmen nicht mehr in erster Linie auf die Identität der Stiftergruppe, sondern auf den erfolgreichen Ausgang der Schlacht Bezug. Hierin offenbaren sich die geänderten politischen Verhältnisse innerhalb des griechischen Mutterlands. Zielte die Kommemoration des gemeinsamen außenpolitischen Erfolgs am Beginn des 5. Jhs. noch auf die Akzeptanz neuer bürgerschaftlich geprägter Staatsordnungen ab, stand nun die Behauptung gegenüber anderen Städten und ihren Verfassungen im Vordergrund. Durch die Erinnerung an wichtige Siege über andere Hellenen versicherten sich die Polisgemeinschaften ihrer eigenen Stärke und ihrer Stellung innerhalb der griechischen Staatenwelt. Die Kommemoration durch Bauten und Denkmäler Neben Weihungen und Kulthandlungen kommemorierten die griechischen Städte ihre militärischen Erfolge weiterhin auch mit Bauten und Denkmälern, wobei die zeitliche Nähe zwischen dem Abschluss der Kampfhandlungen und der Errichtung der Monumente nicht immer sicher postuliert werden kann. Die Thebaner errichteten aus der Beute der Schlacht von Delion einen großen Hallenbau an der Agora,

1073 Paus. 5, 24, 4: ὅ δὲ ἐν τῇ ῎Αλτει μέγιστον τῶν χαλϰῶν ἐστὶν ἀγαλμάτων τοῦ Διός, ἀνετέϑη μὲν ὑπὸ αὐτῶν ᾿Ηλείων ἀπὸ τοῦ πρὸς ᾿Αρϰάδας πολέμου, πολέμου, μέγεϑος δὲ ἑπτὰ ϰαὶ εἴϰοσι ποδῶν ἐστί. 1074 Xen. hell. 7, 4, 28 32; Diod. 15, 78, 2 3. 1075 Mallwitz 1972, S. 96. 1076 IvO 260. Zum Denkmal: Kyrieleis 2011, S. 102 103.

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wie dies bereits andere Stadtstaaten nach den Perserkriegen getan hatten.1077 Laut Diodor waren neben der Halle selbst auch die darin aufgestellten Statuen auf diese Weise finanziert worden. An diesem Standort wurden die Kriegsdenkmäler sowohl den Bürgern der Polis als auch den Mitgliedern der boiotischen Bundesversammlung vor Augen geführt, in der Theben seine Vormachtstellung zu festigen suchte. Ebenfalls an der Agora stand eine Ehrenstatue des Epameinondas, die möglicherweise zusammen mit den erwähnten Schildweihungen im Demeterheiligtum an den Sieg bei Leuktra erinnerte.1078 Da Theben in der Zwischenzeit durch Alexander den Großen vollständig zerstört worden war, ist es aber unwahrscheinlich, das Pausanias eine klassische Statue vor sich hatte. Die von dem thebanischen Feldherrn befreiten Messenier errichteten Epameinondas gleich zwei Statuen. Der Perieget sah eine davon im Hierothesion und eine zweite, ergänzt durch eine Personifikation der Stadt Theben, im Heiligtum des Asklepios.1079 Zu einem dieser Monumente gehörte möglicherweise schon in klassischer Zeit ein Epigramm, dass sowohl Pausanias als auch Aristeides zitieren: ἡμετέραις βουλαῖς Σπάρτη μὲν ἐϰείρατο δόξαν, Μεσσήνη δ’ ἱερὴ τέϰνα χρόνῳ δέχεται· Θήβης δ’ ὅπλοισιν Μεγάλη πόλις ἐστεφάνωται, αὐτόνομος δ’ ῾Ελλὰς πᾶς’ ἐν ἐλευϑερίῃ. Durch unseren Ratschluss ging Sparta seines Ruhms verlustig, das heilige Messene erhielt nach langem seine Söhne zurück. Mit Thebens Hilfe ummauerte sich Megalopolis, ganz Griechenland wurde selbstständig in Freiheit.1080 (Paus. 9, 15, 6; Übers. Meyer 1986.)

Das Gedicht schreibt dem thebanischen Demos eine Reihe von Taten mit panhellenischer Tragweite zu: die Überwindung Spartas, die Befreiung Messeniens, die Gründung von Megalopolis und die Wiederherstellung der αὐτονομία und ἐλευϑερία in den griechischen Städten. Die letzten beiden Argumente sind sicherlich aus der Legitimationsstrategie des Feldzugs entlehnt. Der militärische Erfolg Thebens bei Leuktra 371 wurde also sowohl in Boiotien als auch von anderen Städten auf der Peloponnes als Befreiungsakt von der spartanischen Vorherrschaft kommemoriert. Auch das Bauprogramm der Athener Agora wurde in der Zeit des Peloponnesischen Kriegs und im 4. Jh. um einige Aspekte des Kriegsgedenkens erweitert. In den

1077 Diod. 12, 70, 5: ὅμως δὲ τοσοῦτο πλῆϑος τῶν ἀναιρεϑέντων ἦν, ὥστε τοὺς Θηβαίους ἐϰ τῆς τῶν λαφύρων τιμῆς τήν τε στοὰν τὴν μεγάλην ἐν ἀγορᾷ ϰατασϰευάσαι ϰαὶ χαλϰοῖς ἀνδριᾶσι ϰοσμῆ σαι, τοὺς δὲ ναοὺς ϰαὶ τὰς ϰατὰ τὴν ἀγορὰν στοὰς τοῖς ὅπλοις τοῖς ἐϰ τῶν σϰύλων προσηλωϑεῖσι ϰαταχαλϰῶσαι. 1078 Paus. 9, 12, 6: ἐνταῦτα οἱ Θηβαῖοι ϰαὶ ᾿Επαμινώνδαν τὸν Πολύμνιδος ἀνέϑεσαν. 1079 Paus. 4, 31, 10 11; 4, 32, 1. 1080 Vgl. Aristeid. or. 49, 400 mit dem ersten Distichon.

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie

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Jahren 430–420 wurde an der Westseite der Agora die Stoa des Zeus Eleutherios errichtet.1081 An der gleichen Stelle hatten sich bereits seit archaischer Zeit ein Altar sowie später eine Statue des Zeus Eleutherios befunden. Letztere erinnerte nach Aussagen der kaiserzeitlichen Quellen an die Bewahrung der Stadt vor der persischen Eroberung – ein Aspekt den auch andere Städte nach 479 mit Fest- und Kultstiftungen kommemorierten.1082 Die markante Stoa mit den vorspringenden Seitenflügeln wurde in der Mitte des 4. Jhs. mit Gemälden des Euphranor geschmückt, welche eine Darstellung der Zwölf Götter, des Theseus und der Demokratia sowie der Schlacht bei Mantineia umfassten.1083 Ebenso wie in der ein Jahrhundert früher errichteten Stoa Poikile wurden also auch hier die zeitgenössischen Kriegsereignisse in größere Kontinuitätslinien eingeordnet. Die zentralen Motive in der Halle des Zeus scheinen die Begründung und der Erhalt der αὐτονομία des athenischen Volkes zu sein. Unmittelbar vor der Stoa standen die bereits erwähnten Ehrenstatuen des Konon und seines Sohnes Timotheos, die beide wichtige Seesiege im Kampf gegen die Vorherrschaft der Spartaner errungen hatten.1084 Die Kriegserinnerung durch personenbezogene Monumente ab dem 4. Jh. war dabei, wie oben gezeigt, kein rein athenisches Phänomen, sondern trat auch in anderen Stadtstaaten inner- und außerhalb des griechischen Mutterlands auf.1085 Die steigende Bedeutung der Feldherren und ihre prominenter werdende Rolle in der Repräsentation der Polisgemeinschaften leiten bereits zu den Kommemorationsformen des hellenistischen Zeitalters über.

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie Die Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft über die griechische Welt und die Kommemoration der kriegsentscheidenden Ereignisse prägten im ausgehenden 5. und beginnenden 4. Jh. nicht nur das Bild der einzelnen Stadtstaaten, sondern insbesondere auch die Schlachtfelder sowie die panhellenischen Kultplätze. Während man mit den Weihungen, Kulten, Gräbern und Bauten in der Heimat in erster Linie die eigene Bürgerschaft und gegebenenfalls die Bündnispartner ansprechen konnte, bot sich außerhalb des eigenen Territoriums die Möglichkeit, bedeutende Siege vor einem panhellenischen Publikum zu inszenieren. 1081 Zur Datierung des Baus: Thompson/Wycherley 1972, S. 100. 1082 Thompson/Wycherley 1972, S. 96 97; Goette/Hammerstaedt 2012, S. 125. Zur Statue: Paus. 1, 3, 2. Zu den Soter/Eleutherios Kulten siehe Kap. 3.1.3. 1083 Paus. 1, 3, 3 4: στοὰ δὲ ὄπισϑεν ᾠϰοδόμηται γραφὰς ἔχουσα ϑεοὺς τοὺς δώδεϰα ϰαλουμέ νους· ἐπὶ δὲ τῷ τοίχῳ τῷ πέραν Θησεύς ἐστι γεγραμμένος ϰαὶ Δημοϰρατία τε ϰαὶ Δῆμος. [. . .] ἐντ αῦτά ἐστι γεγραμμένον ϰαὶ τὸ περὶ Μαντίνειαν ᾿Αϑηναίων ἔργον, οἵ βοηϑήσοντες Λαϰεδαιμονίοις ἐπέμφϑησαν. 1084 Paus. 1, 3, 1. Dazu: Baitinger 2011, S. 16. Die gleiche Statuengruppe befand sich auch auf der Akropolis: Paus. 1, 24, 3. 1085 Vgl. Camp 2009, S. 36.

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4.3.1 Die Kriegskommemoration auf dem Schlachtfeld Das Schlachtfeld als Ort der Kommemoration verlor im Verlauf der klassischen Epoche merkbar an Bedeutung. Das steigende Selbstbewusstsein der griechischen Politen führte ab dem 5. Jh. zu einer Verlagerung der Kriegsdenkmäler in den öffentlichen Raum der Polis. Insbesondere die Bestattung der Kriegsgefallenen erfolgte ab 490 in Athen und in Anlehnung daran ab der Zeit des Peloponnesischen Kriegs auch in anderen Stadtstaaten nicht mehr auf dem Schlachtfeld, sondern im Umfeld der Heimatstadt. Aufwendige Grabdenkmäler am Ort des Kampfgeschehens, wie dasjenige der Thebaner bei Chaironeia, blieben im 4. Jh. die Ausnahme.1086 Die eingeschränkte Attraktivität der Errichtung solcher Monumente hing wohl insbesondere mit der Distanz zwischen Polis und Schlachtfeld zusammen. Grabdenkmäler, die zu weit entfernt waren, um sie durch kollektive Begehungen und rituelle Handlungen in das kultische Leben der Bürgerschaft einzubinden, waren für die Pflege gemeinschaftlicher Erinnerungen nicht geeignet. Was auf dem Schlachtfeld verblieb, war unterdessen ein einfaches Tropaion, welches die siegreiche Partei mithilfe der vom Gegner erbeuteten Waffen nach Abschluss der Kampfhandlungen errichtete. Das Aufstellen der ephemeren Siegesmale verursachte praktisch keinen materiellen Aufwand und ihr Verfall nach dem Abzug der Hoplitenkontingente wurde willentlich in Kauf genommen. Die Verbreitung ephemerer Tropaia Eine eingehende Untersuchung des Quellenmaterials hat gezeigt, dass Tropaia in der griechischen Staatenwelt kurz vor der Mitte des 5. Jhs. in Gebrauch genommen wurden und dass ihr Aufkommen möglicherweise mit dem gleichzeitigen Rückgang der Waffenweihungen in Zusammenhang steht.1087 Die Mehrheit der frühen Zeugnisse stammt aus der Kunst und Literatur Athens, wo sich das Motiv besonderer Beliebtheit erfreute. Mit dem Bild des Tropaions wurden insbesondere der gemeinschaftliche Aspekt der Kriegsführung und die entscheidungstragende Rolle der Hoplitenbürger betont. Die Aussagekraft der literarischen Quellen ist unterdessen auch für die nachfolgenden Generationen eingeschränkt. Sowohl die historiographischen als auch die übrigen Schriftquellen verwendeten das Wort τρόπαιον in der Regel im übertragenen Sinn und ohne auf ein konkretes Denkmal Bezug zu nehmen. Weder die literarischen noch die epigraphischen Quellen erlauben eine Aussage über die Annahme hinaus, dass die Leser im klassischen Griechenland die Praxis der Errichtung von ephemeren Tropaia kannten und verstanden. Auch die archäologischen Zeugnisse erlauben nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die zeitliche und geographische Verbreitung des Phänomens.

1086 Zum Grab bei Chaironeia siehe Kap. 4.1.1. 1087 Siehe Kap. 3.3.2.

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie

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In Rabes Katalog der griechischen Darstellungen antiker Tropaia dominieren auch in der zweiten Hälfte des klassischen Zeitalters Keramikgefäße aus attischen Produktionen.1088 Daneben stehen zwei unteritalische Gefäße, welche die Verbreitung des Bildmotivs nach Westen in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. belegen. Genannt sei hier die rotfigurige Lekythos aus Kampanien, welche einen geflügelten Eros mit Kranz und Lorbeerzweig sitzend vor einem Siegesmal zeigt. Das Tropaion besteht aus einem einfachen Holzpfahl, an dem ein Pilos-Helm, ein Rundschild sowie ein Panzer mit darüber liegendem Chiton angebracht sind.1089 Rabe hat außerdem gezeigt, dass das Motiv des Waffenmals an der Wende vom 5. zum 4. Jh. von Angehörigen der lykischen Oberschicht aus der attischen Kunst entlehnt wurde. Sowohl am Heroon von Trysa als auch auf einem Sarkophag aus Milyas waren Tropaia als Zeichen des bevorstehenden Sieges in Reliefs mit Schlachtszenen eingebunden.1090 Darüber hinaus beinhaltet die griechische Inschrift am Pfeilermonument in Xanthos die Formulierung Ζηνὶ δὲ πλεῖστα τρόπαια βροτῶν ἔστησεν ἁπάντων.1091 In allen drei Fällen wurden die Siegesmäler im übertragenen Sinn als Symbole für die militärischen Tugenden und die Sieghaftigkeit der Grabinhaber genutzt.1092 Aber eine tatsächliche Verwendung von Tropaia auf lykischen Schlachtfeldern lässt sich daraus nicht zwingend ableiten. Das gleiche gilt für weitere Bilddarstellungen in der griechischen Welt. So setzten die lokalen Tyrannen der pontischen Stadt Herakleia in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. erstmals Tropaia auf Münzen. Das Kriegsdenkmal wurde dabei jeweils bildlich mit dem eponymen Heros der Stadt selbst oder mit seinem Attribut, der Keule, verbunden.1093 Weiter findet sich das Motiv im 4. Jh. in der Kleinkunst, wobei Funde von der Halbinsel Krim und aus Tarent auch hier für eine großräumige Verbreitung in der antiken Welt sprechen.1094 In allen genannten Fällen wurde die Darstellung des Tropaions als Symbol für den militärischen Erfolg einzelner Personen

1088 Rabe 2008, S. 170 171, Nr. 6 10; 13. Bei letzterem handelt es sich um das schwarzfigurige Fragment eines Kreisels aus dem Kabiren Heiligtum in Theben. Es zeigt die obere Hälfte eines Tro paions und den Ansatz einer Nike. Frühere Forschungsarbeiten haben darin einen der ältesten Be lege für Tropaia aus der Mitte des 5. Jhs. gesehen: Braun/Haevernick 1981, S. 5 7; Krentz 2002, S. 32. Rabe 2008, S. 84 hat das Stück dagegen als Spätwerk des Mystenmalers identifiziert und neu ins erste Viertel des 4. Jhs. datiert. Das Fragment wurde in Theben gefunden, stammt aber auch aus einer attischen Produktion. 1089 Heute: Bibliotheque Nationale Paris Inv. 1040. Dazu: Rabe 2008, S. 171, Nr. 12, Taf. 6, 3. Das zweite Stück: Ebd., Nr. 11 stammt aus Etrurien. 1090 Rabe 2008, S. 77 80. 1091 TAM I 44, Z. 30. 1092 Rabe 2008, S. 81. 1093 BMC Gr, Pontos 141, Nr. 21 27; Taf. 30, 3 5. Dazu: Stancomb 2000, S. 263 268; Rabe 2008, S. 86. Die frühesten Münzen sind außerdem durch die Beischrift ΗΡΑΚ als städtische Prägungen ausgewiesen. 1094 Rabe 2008, S. 190 191, Nr. 78 79; 81 82.

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oder politischer Gemeinschaften verwendet. Besonders bemerkenswert ist dabei die Übertragbarkeit des im demokratischen Athen entstandenen Konzepts auf autokratisch regierte Stadtstaaten. Das hohe Abstraktionspotential dieser rudimentären Form der Kriegskommemoration ließ sie innerhalb kürzester Zeit im gesamten griechischsprachigen Kulturraum zu einem Symbol für militärische Sieghaftigkeit werden. Ob Tropaia außerhalb des griechischen Mutterlandes über die motivische Verwendung hinaus auch auf dem Schlachtfeld zum Einsatz kamen, ist aber zumindest fragwürdig. Soweit es sich im Rahmen dieser Arbeit analysieren ließ, weisen in diese Richtung lediglich zwei klassische Nachrichten aus der Zeit des Peloponnesischen Kriegs. Thukydides berichtet von insgesamt neun Tropaia, welche die Syrakusaner im Verlauf der Kämpfe des Jahres 414 gegen die Athener auf Sizilien aufstellten.1095 Außerdem notiert Xenophon, dass die Ephesier im Jahr 409 zwei Siegesmäler nach einer Schlacht gegen die Athener am Berg Koressos errichteten.1096 In beiden Fällen stellen die Historiker konkrete Bezüge zwischen der Topographie des Schlachtfeldes bzw. dem Ablauf der Kampfhandlungen und den Aufstellungsorten der Tropaia her. Es ist also wahrscheinlich, dass die Nachrichten aus einer Kenntnis der historischen Vorgänge resultieren und nicht im übertragenen Sinne zu verstehen sind. Dies würde bedeuten, dass Waffenmäler zumindest punktuell auch in Griechenstädten außerhalb des Mutterlandes in Gebrauch waren. Die Kriegskommemoration durch monumentale Tropaia Während die Ausführungen der klassischen Historiker implizieren, dass die Errichtung von ephemeren Tropaia nach Abschluss der Kampfhandlungen zu ihrer Lebenszeit ein integraler Bestandteil der Hoplitenschlacht war, sind monumentale Tropaia aus Stein oder Bronze erst im 4. Jh. sicher nachweisbar. Wie bereits gezeigt, muss die Identifikation der Säulenmonumente auf den Perserkriegsschlachtfeldern als Siegesmale fraglich bleiben.1097 Gleiches gilt für weitere Monumente, deren Benennung nur durch römische Autoren überliefert ist. Zum Problem der unspezifischen Verwendung des Wortes τρόπαιον kommt hier noch hinzu, dass Plutarch und Pausanias nicht zwischen Waffenmälern und Beuteweihungen differenzieren.1098 So soll nach der Beschreibung des Periegeten im Gymnasion von Olympia ein Tropaion aus dem schon erwähnten Krieg zwischen Eleern und Arkadern in den Jahren 365–364 gestanden haben, von dem er nur noch den steinernen Unterbau sehen konnte.1099 Auch dabei könnte es

1095 Thuk. 7, 24, 1 3; 41, 4; 45, 1 2; 54, 1; 72, 1. 1096 Xen. hell. 1, 2, 10. 1097 Siehe Kap. 3.3.2. 1098 Pritchett 1974, S. 271. 1099 Paus. 6, 21, 2: ἐν τῷ γυμνασίῳ τῷ ἐν ᾿Ολυμπίᾳ πεντάϑλοις μὲν ϰαϑεστήϰασιν ἐν αὐτῷ ϰαὶ δρο μεῦσιν αἱ μελέται, ϰρηπὶς δὲ ἐν τῷ ὑπαίϑρῳ λίϑου πεποίηται· τὸ δὲ ἐξ ἀρχῆς ϰαὶ τρόπαιον ϰατὰ ᾿Αρϰάδων ἐπὶ τῇ ϰρηπῖδι εἱστήϰει.

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie

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sich also um ein Weihgeschenk gehandelt haben, welches möglicherweise dem bronzenen Bildwerk ähnelte, welches die Eleer an der Wende zum 4. Jh. für einen vermeintlichen Sieg über die Spartaner in Altis aufgestellt hatten. Die entsprechende Bronzestatue hatte die Form eines Tropaions, bestand aber nicht aus Beutewaffen.1100 Gegen die Identifikation als monumentales Tropaion spricht auch der Aufstellungsort des Monuments. In der ausführlichen Beschreibung der Kampfhandlungen bei Xenophon spielt der nordwestliche Teil des Heiligtums mit dem Gymnasion keine Rolle.1101 Daneben berichtet Plutarch, dass die Ephesier im Peloponnesischen Krieg ein bronzenes Tropaion für einen Sieg über die Athener aufstellten.1102 Picard hält dies für den ältesten Beleg eines monumentalen Tropaions.1103 Aber auch hier sind Zweifel angebracht. Der kaiserzeitliche Autor nimmt nur im übertragenen Sinn auf das Denkmal Bezug, um die militärischen Rückschläge der Truppen des Thrasyllos herauszustellen. Darüber hinaus erlaubt der Wortlaut Plutarchs durchaus die Interpretation, dass es sich nicht um ein bronzenes Tropaion, sondern um ein Siegesmal aus Bronzewaffen handelte. Auch Xenophon erwähnt im Zusammenhang mit der betreffenden Schlacht zwei ephemere Tropaia, und zwar unter konkreter Bezugnahme auf die Topographie des Schlachtfeldes.1104 Als früheste sichere Belege für die Kriegskommemoration durch ein monumentales Schlachtfelddenkmal müssen also die antiken Nachrichten über das thebanische Tropaion bei Leuktra gelten – wie es von der altertumswissenschaftlichen Forschung bereits vor der Entdeckung des marathonischen Säulenmonuments postuliert wurde.1105 Schon erwähnt wurde die bei Pausanias beschriebene Episode, wonach Epameinondas aufgrund eines Orakelspruchs des Trophonios ein Waffenmal in die Schlacht tragen ließ.1106 Die Historizität dieser Episode wurde durch den Fund einer Ehreninschrift bestätigt, welche die drei Träger namentlich würdigt.1107 Neben der erstmaligen Verwendung der schiefen Schlachtordnung war auch dies ein innovatives Manöver des Epameinondas, welches den Thebanern zum Sieg über die zahlenmäßig überlegenen Spartaner verhalf.1108 Neben dem Inschriftendenkmal kommemorierte die boiotische Polis dieses Ereignis auch mit der Stiftung des Festes der Basileia in Lebadeia, mit Schildweihungen im städtischen Demeterheiligtum,

1100 Paus. 5, 27, 11 bezeichnet dieses Weihdenkmal ebenfalls als τρόπαιον, nennt aber später sei nen Bildhauer (6, 28, 8). Dazu: Rabe 2008, S. 136 137. Siehe Kap. 4.2.2. 1101 Xen. hell. 7, 4, 30 31. Dazu: Rabe 2008, S. 115 116. 1102 Plut. Alkibiades 29, 1: ϰαὶ γὰρ οὐ πολλῷ πρότερον συνεβεβήϰει πταίσαντος περὶ ῎Εφεσον τοῦ Θρασύλλου τὸ χαλϰοῦν ἀνεστάναι τρόπαιον ὑπὸ τῶν Εφεσίων ἐπ’ αἰσχύνῃ τῶν ᾿Αϑεναίων. 1103 Picard 1957, S. 43 44. 1104 Xen. hell. 1, 2, 9 10. 1105 Woelcke 1911, S. 143; Lammert 1939, Sp. 669. Dagegen mit Bezug auf die Säulenmonumente auf den Perserkriegsschlachtfeldern: Rabe 2008, S. 101; Pritchett 1974, S. 257; Trundle 2013, S. 125. 1106 Paus. 4, 32, 5 6. Vgl. das Orakel und die Wunderzeichen bei Diod. 15, 53, 4. 1107 IG VII 2462. Dazu: Beister 1973, S. 71 77; siehe Kap. 3.3.2. 1108 Zu den Ereignissen: Xen. hell. 6, 4, 3 5; Diod. 15, 53, 3 56, 4.

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mit dem Bau eines Schatzhauses in Delphi und möglicherweise mit der Errichtung einer Ehrenstatue für Epameinondas an der Agora.1109 Darüber hinaus unterrichtet uns Cicero über eine weitere Erinnerungsstiftung nach 371: Cum Thebani Lacedaemonios bello superavissent et fere mos esset Graiis, cum inter se bellum gessissent, ut ei, qui vicissent, tropaeum aliquod in finibus statuerent victoriae modo in praesen tiam declarandae causa, non ut in perpetuum belli memoria maneret, aeneum statuerunt tro paeum. Accusantur apud Amphictyonas, id est apud commune Graeciae consilium. [. . .] Iudicatio est: Cum summae virtutis concelebrandae causa Graii de Graiis aeternum inimicitiarum monumentum statuerunt, rectene an contra fecerint? Als die Thebaner die Lakedaimonier im Krieg überwunden hatten und obwohl es bei den Grie chen Sitte war, wenn die gegeneinander Krieg geführt hatten, dass diejenigen, die gesiegt hat ten, irgendein Siegeszeichen in dem Gebiet aufstellten, um nur für den Augenblick ihren Sieg zu verkünden, und nicht damit auf ewig die Erinnerung an den Sieg bleibe, stellten sie ein Siegeszeichen aus Erz auf. Sie wurden bei den Amphiktyonen, d.h. vor dem gemeinsamen Ge richtshof Griechenlands, angeklagt. [. . .] Der strittige Punkt ist: Indem Griechen ein Monument der Feindschaft gegenüber Griechen errichtet haben, um ihre so große Tapferkeit zu verherrli chen, ob sie damit richtig gehandelt haben oder nicht? (Cic. inv. 2, 23, 69 70; Übers. Nüsslein 1998.)

Die Thebaner errichteten demnach entgegen der allgemeinen griechischen Tradition kein vergängliches Tropaion, sondern ein beständiges Siegeszeichen aus Erz. Die Rechtmäßigkeit dieser Erinnerungsstiftung wurde vor dem Amphiktyonenrat debattiert, wobei uns Cicero über den Ausgang des Verfahrens im Dunkeln lässt. Auf die gleichen Ereignisse spielen auch Plutarch und Diodor an, wenn sie die moralische Überlegenheit der Griechen loben, welche Tropaia aus Holz anstelle von Stein und Bronze errichteten.1110 Im Kern der römischen Argumentation steht die Überlegung, dass ephemere Tropaia zusammen mit der Erinnerung an den Krieg vergehen. Sie garantieren also das Vergessen einer vergangenen Feindschaft und ermöglichen so nicht nur eine Rehabilitierung der Unterlegenen, sondern auch eine erneute Annäherung der Feinde in der Zukunft. Ein vergleichbarer Gedanke liegt der schon erwähnten Denkmälerpolitik des olympischen Heiligtums zugrunde, wonach innergriechische Gegner in den Inschriften der Kriegsdenkmäler nicht namentlich benannt werden durften.1111 Das Nicht-Erinnern von historischen Ereignissen (oder Namen) sollte als Grundlage für soziale Interaktion und politischer Verständigung zwischen Griechen dienen. Doch während das Zeusheiligtum für seine Akzeptanz als panhellenischer Kultplatz tatsächlich auf eine gewisse Neutralität angewiesen war, mag dieses Konzept des Vergessens nicht so recht zur Erinnerungspolitik der griechischen Stadtstaaten passen,

1109 Diod. 15, 53, 4 (Fest); Paus. 9, 16, 5 (Schildweihungen); 10, 11, 5 (Schatzhaus); 9, 12, 6 (Statue). Bei der Ehrenstatue handelte es sich wohl um eine römische Kopie. 1110 Plut. mor. 273D: οὐδε γὰρ παρ’ ῞Ελλησιν οἱ πρῶτοι λίϑινον ϰαὶ χαλϰοῦν στήσαντες τρόπαιον εὐδοϰιμοῦσιν. Vgl. Diod. 13, 24, 5 6. 1111 Felten 1982, S. 93 97. Dazu Kap. 2.2.2.

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie

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deren Selbstverständnis und Selbstdarstellung u.a. auf die Abgrenzung gegenüber militärischen Feinden ausgerichtet war. Das historische Vergessen bzw. die Amnestie, wie sie den athenischen Oligarchen im Jahr 403 zuteil wurde,1112 scheint in der klassischen Staatenwelt lediglich als Mittel zur Überwindung von Bürgerkriegen begriffen worden zu sein.1113 Die Annahme, dass die stark moralisch gefärbte Argumentation der römischen Autoren anachronistisch ist, liegt deshalb nahe.1114 Die Historizität der Auseinandersetzung vor dem Rat der delphischen Amphiktyonie muss jedoch nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden.1115 Ein derartiger Streit über die Legitimität des Kriegsdenkmals ist aber nur nachvollziehbar, wenn das monumentale Tropaion bei Leuktra tatsächlich das erste seine Art war und wenn es keine anderen Präzedenzfälle gab. Auch vor diesem Hintergrund müssen die oben besprochenen Zeugnisse für bronzene Tropaia zur Erinnerung an innergriechische Auseinandersetzungen vor 371 kritisch gesehen werden. In der Umgebung der antiken Stadt Leuktra wurden die Reste eines antiken Monuments gefunden, welche die Angaben der römischen Autoren zu bestätigen scheinen und mit großer Wahrscheinlichkeit von dem umstrittenen Denkmal der Thebaner stammen. Reisende hatten bereits im 19. Jh. die versprengten Bauteile eines steinernen Rundbaus mit dem bei Cicero erwähnten Tropaion in Verbindung gebracht.1116 Orlandos konnte bei seinen Grabungskampagnen in den Jahren 1922 und 1958 weitere Blöcke des Denkmals bergen.1117 Eine Lokalisierung des Fundaments ist bis heute nicht gelungen, aber aufgrund der hohen Fundkonzentration zusammengehöriger Architekturteile muss das antike Denkmal in der unmittelbaren Umgebung der Grabungsstelle gestanden haben.1118 Orlandos ließ nach Abschluss der Grabungen und unter Verwendung der antiken Bauteile eine Rekonstruktion des Monuments anfertigen, die bis heute aus der boiotischen Ebene hervorragt (Abb. 11). Es handelte sich um einen Rundbau mit gestufter Basis und dorischem Fries, welcher durch einen umlaufenden Reliefkranz mit acht Rundschilden bekrönt wurde. Den oberen Abschluss des Denkmals bildet ein kreisförmiger Standring mit einer zentralen Vertiefung zur Einlassung einer Säule.1119 Wenn die gängige Annahme stimmt, wonach hier der Pfahl eines bronzenen Tropaions eingelassen war, dann ist Plutarchs Beschreibung des Monuments

1112 Plut. mor. 814b; Aristot. Ath. pol. 39, 6; Cass. Dio 44, 26, 3. Zu den Ereignissen von 403: Flaig 1991; Welwei 1999, S. 247 257. 1113 Vgl. Flaig 2004, S. 102 104 1114 So auch: Trundle 2013, S. 138; Sage 1996, S. 102. 1115 Pritchett 1974, S. 254. 1116 Ulrichs 1863, S. 104 111; Lolling 1876, S. 567 569. Dagegen hat die Interpretation von Woelcke 1911, S. 222, Fn. 60a als Heroengrabmal keine Zustimmung gefunden. 1117 Orlandos 1922, S. 38 40; Orlandos 1958, S. 48 52. 1118 Rabe 2008, S. 130 131. 1119 Orlandos 1960, S. 222 224. Vgl. zu den älteren Rekonstruktionsvorschlägen: Orlandos 1922, S. 39; Orlandos 1958, S. 52, Abb. 54.

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als λίϑινον ϰαὶ χαλϰοῦν τρόπαιον bemerkenswert zutreffend.1120 Rabe konnte den Bau darüber hinaus aufgrund der verwendeten Klammerformen vor die Mitte des 4. Jhs. datieren.1121 Das bronzene Tropaion mit steinernem Unterbau wurde also in der Folgezeit der Schlacht errichtet.

Abb. 11: Der steinerne Unterbau des Tropaions von Leuktra wurde auf dem antiken Schlachtfeld rekonstruiert. Das Denkmal wurde von den Thebanern zur Erinnerung an ihren Sieg über die Spartaner (371) errichtet. (Foto J. Schröder)

Der umlaufende Waffenfries ist dabei ein Rückgriff auf ältere Darstellungen, bei denen sich ein ephemeres Tropaion aus einem Haufen mit Beutewaffen erhebt.1122 Auf diese Weise wurde der Zusammenhang von erbeuteten Waffen und siegreichem Ausgang der Schlacht versinnbildlicht. Ihren Stolz über die lakedaimonischen Beutestücke brachten die Thebaner eben auch durch die

1120 Plut. mor. 273D. 1121 Rabe 2008, S. 131. Orlandos selbst hatte noch eine Datierung in Augusteische Zeit vertreten: Orlandos 1922, S. 40. 1122 Rabe 2008, S. 131 verweist auf das Relief einer athenischen Basis aus der 1. Hälfte des 4. Jhs.: Athen, AM Inv. 4071.

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie

249

Weihung der Schilde spartanischer Offiziere im heimatlichen Demeterheiligtum zum Ausdruck.1123 Sowohl die gehäuften Beutewaffen als auch das ephemere Tropaion selbst verwiesen auf das Versagen des Feindes und auf die Überlegenheit des Siegers.1124 Durch die Ausführung des Siegesmals in Bronze und Stein waren die Beutestücke aber nicht mehr nur Reliquien, die den Göttern in einem einmaligen Akt zum Dank übereignet wurden, sondern ein Denkmal, welches die Erinnerung an die Schlacht potentiell für die Ewigkeit bewahren konnte. Auch wenn die aktuelle Höhe des rekonstruierten Baus hypothetisch ist, war das Monument mit dem ehernen Aufsatz in jedem Fall überlebensgroß. Es konstituierte eine rundansichtige Landmarke, welche in der flachen Ebene weithin sichtbar war.1125 Sie markierte die Stelle, an der die Thebaner durch ihren Mut die Vorherrschaft der Spartaner beendet und die Grundlage für eine Neuordnung des griechischen Machtgefüges geschaffen hatten. Der Sieg bei Leuktra verlieh der Polis Theben nie dagewesene Autorität innerhalb der griechischen Staatenwelt und war damit die politische Legitimation für das kommende militärische Engagement des Epameinondas außerhalb des traditionellen Einflussgebietes in Boiotien. Diese zwischenstaatliche Bedeutung war der Grund, warum man die Schlacht über die traditionellen Formen hinaus kommemorieren wollte. Die Aussage des Denkmals selbst war jedoch auf die militärische Überlegenheit und den Sieg beschränkt. Das Tropaion als Symbol der siegreichen Hoplitenschlacht wurde hier erstmals monumentalisiert. In den statuarischen Ausführungen von Siegessymbolen – seien es Tropaia oder Niken – kommt eine neue Wahrnehmung der Hoplitenschlacht ab der Zeit des Peloponnesischen Krieges zum Ausdruck. Innergriechische Auseindersetzungen wurden nicht mehr nur zur Austragung von Grenzstreitigkeiten, sondern um größere Gebietsfragen und um die Vorherrschaft in der hellenischen Staatenwelt geführt. Der Sieg in der Schlacht wurde zu einem symbolischen Kapital, aus dem die überlegene Polisgemeinschaft langfristig politische und territoriale Ansprüche ableiten konnte. Allegorische Monumente auf den Schlachtfeldern dienten ebenso wie Weihdenkmäler in panhellenischen Heiligtümern dazu, dieses Kapital mithilfe einer langfristige Dokumentation zu perpetuieren. Durch die Kumulation politischer und militärischer Macht in der Person des Epameinondas einerseits und durch die beginnende Herausbildung territorialer Staatengebilde andererseits kündigt sich in dieser bemerkenswerten Entwicklung bereits der Übergang ins hellenistische Zeitalter an.

1123 Paus. 9, 16, 5: ϰαὶ ἀσπίδες ἐνταῦϑα ἀνάϰεινται χαλϰαῖ· Λαϰεδαιμονίων δὲ, ὁπόσοι τῶν ἐν τέλει περὶ Λεῦϰτρα ἐτελεύτησαν, φασὶν εἶναι. Whitley 2011, S. 167 spekuliert darüber, dass von Sparta nern erbeutete Schilde in der griechischen Welt als besonders prestigeträchtig galten. Offenbar hat ten die Lakedaimonier den Ruf, auch im Falle eine Niederlage oder Flucht niemals ihre Schilde aufzugeben: Plut. mor. 241F; Thuk. 4, 36 8, 40. 1124 Rabe 2008, S. 119. 1125 Vgl. Lolling 1876, S. 568.

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4 Die Monumentalisierung des Sieges

4.3.2 Die Denkmäler in den panhellenischen Heiligtümern Auch in Zeiten innergriechischer Auseinandersetzungen waren die panhellenischen Heiligtümer in Delphi und Olympia wichtige Anlaufpunkte für die zwischenstaatliche Kommunikation und Kommemoration. Die Polisgemeinschaften nutzten die seit archaischer Zeit etablierten Formen der monumentalen Weihdenkmäler, um ihre aktuellen militärischen Erfolge vor einem gesamtgriechischen Publikum zu inszenieren und um damit Prestige zu generieren. Die in der Zeit der Pentekontaetie entwickelten Gestaltungsspielräume, welche es den Stadtstaaten erlaubten, in den Heiligtümern ihre eigenen mytho-historischen Identitäten zu manifestieren, wurden nun weiter ausgebaut. Den komplexen außenpolitischen Konstellationen der Zeit entsprechend traten im 4. Jh. neben einzelnen Poleis erstmals auch politische und religiöse Staatenbünde als Stifter von Kriegsdenkmälern in Delphi und Olympia auf. Schatzhausweihungen in klassischer Zeit Der Bau von Schatzhäusern in panhellenischen Heiligtümern ist zunächst ein genuin archaisches Phänomen, welches im 7. Jh. einsetzte und im 6. Jh. seine Blütezeit erreichte. Die Weihung der Oikoi war ein Ausdruck des sich konsolidierenden Selbstbewusstseins der Polisgemeinschaften und diente nur in Einzelfällen auch der Kriegskommemoration. Die Aufstellung der folgenden Gebäude in der zweiten Hälfte des 5. und am Beginn des 4. Jhs. muss deshalb als archaisierender Rückgriff auf ältere Repräsentationsformen verstanden werden. Denkmal

Ort

Anlass



Akanthier-Schatzhaus

Delphi

Schlacht gegen Athen (–)



Syrakusaner-Schatzhaus

Delphi

Sizilienexpedition ()



Thebaner-Schatzhaus

Delphi

Schlacht von Leuktra ()

Der Thesauros der nordgriechischen Polis Akanthos (1), von dessen Existenz nur Plutarch berichtet, konnte in Delphi bisher nicht lokalisiert werden.1126 Der kaiserzeitliche Biograph überliefert jedoch die dazugehörige Weihinschrift, welche wohl am Architrav des Gebäudes eingemeißelt war: ῾Ο ᾿Αϰανϑίων ϑησαυρὸς ἐν Δελφοῖς ἐπιγραφὴν ἔχει τοιαύτην· Βρασίδας ϰαὶ ᾿Αϰάνϑιοι ἀπ’ ᾿Αϑηναίων·

1126 Plut. Lysandros 1, 1. Zu den Lokalisierungsversuchen vgl. Maass 1993, S. 180.

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie

251

Das Schatzhaus der Akanthier in Delphi trägt folgende Inschrift: „Brasidas und die Akanthier (Plut. Lysandros 1, 1; Übers. Ziegler/Wuhrmann 2010.) von der athenischen Beute.“1127

Das Gebäude muss aus den Einnahmen der Auseinandersetzungen finanziert worden sein, welche die Akanthier unter der Führung des spartanischen Feldherrn Brasidas nach ihrem Abfall vom Attischen Seebund erfolgreich gegen Athen führten (424–422). Im Zuge dieser Unternehmungen während des Peloponnesischen Krieges war es den Verbündeten u.a. gelungen, den wichtigsten athenischen Stützpunkt auf der Chalkidike, Amphipolis, zur Kapitulation zu zwingen.1128 Ebenfalls mit Athenerbeute finanziert wurde das Schatzhaus der Polis Syrakus (2) nach ihrer erfolgreichen Defensive gegen die Sizilienexpedition Athens am Ende des Peloponnesischen Kriegs.1129 Dieser Oikos war in der traditionellen Form dorischer Antentempel mit zwei vorgelagerten Säulen gestaltet. Der nicht mehr sichtbare Bau vom Ende des 5. Jhs. befand sich ebenfalls direkt an der Prozessionsstraße und – wahrscheinlich nicht zufällig – gegenüber dem spätarchaischen Thesauros der Athener.1130 Durch den topographischen Bezug auf das ältere Monument der Gegner wurde die symbolische Aussage des Baus weiter gesteigert. Eines der jüngsten Schatzhäuser überhaupt ist das der Thebaner (3), zu dessen Stiftungsanlass es verschiedene Überlieferungen gibt. Während es von Diodor mit dem Dritten Heiligen Krieg im Jahr 346 in Verbindung gebracht wird, berichtet Pausanias, dass der Bau mithilfe von Kriegsbeute aus der Schlacht von Leuktra finanziert wurde.1131 Der Fassade des Gebäudes konnten aber einige Blöcke mit Inschriften (die Polis Theben betreffend) zugeordnet werden, welche für eine Datierung in die 1. Hälfte des 4. Jhs. und damit für einen Zusammenhang mit der Schlacht von Leuktra sprechen.1132 Darüber hinaus ist es angesichts des umfangreichen Denkmäler-Programms, welches die Thebaner nach 371 in Boiotien umsetzten, nur folgerichtig anzunehmen, dass diese Erinnerungsstiftungen auch eine Weihung in Delphi umfassten. Das Fundament des Gebäudes und vereinzelte Teile des Oberbaus wurden in der Südwestecke des Heiligtums an einer wenig prominenten Stelle identifiziert. Der einfache Rechteckbau aus blaugrauem Kalkstein führte die Traditionen der dorischen Schatzhausarchitektur mit umlaufendem

1127 Vgl. Plut. mor. 401D. 1128 Zu den Ereignissen: Thuk. 4, 84 88; 102 104. 1129 Paus. 10, 11, 5: ϰαὶ Συρϰουσίων, τῶν μέν ἐστιν ὁ ϑησαυρὸς ἀπὸ τοῦ ᾿αττιϰοῦ τοῦ μεγάλου πταίσματος. 1130 Zum Befund: Bommelaer/Laroche 1991, S. 143 144, Nr. 209; Hering 2015, S. 89 91. 1131 Diod. 17, 10, 5: ἕτεροι δὲ ἧϰον ἐϰ Δελφῶν μηνύοντες ὅτι ὁ ἀπὸ Φωϰέων ναός, ὅν ἱδρύσαντο Θηβαῖοι, ᾑματωμένην ἔχων τὴν ὀροφὴν ὁρᾶται. Paus. 10, 11, 5: Οἱ δὲ ϑησαυροὶ Θηβαίων ἀπὸ ἔργου τῶν ἐς πόλεμον [. . .] ἐπεὶ Θηβαίοις γε ἀπὸ ἔργου τοῦ ἐν Λεύϰτροις. 1132 Hering 2015, S. 69.

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4 Die Monumentalisierung des Sieges

Metopen-Triglyphen-Fries und dem vollständigen Verzicht auf figürliche Dekorationen fort.1133 Soweit es sich mithilfe der spärlichen Überreste beurteilen lässt, knüpfen die späten Schatzhausweihungen in Delphi also formal eng an ihre archaischen Vorgänger an.1134 In allen drei Fällen bildete den Anlass der Stiftung ein Sieg über die aktuelle griechische Vormacht. Die Akanthier und Syrakusaner hatten sich erfolgreich über die Vorherrschaft des Attischen Seebunds hinweggesetzt und den Thebanern unter Epameinondas war es gelungen, die seit dem Ende des Peloponnesischen Kriegs andauernde Hegemonie der Spartaner zu beenden. Derartige Siege brachten den Erinnerungsstiftern offenbar ein besonders hohes Mass an Prestige ein. Einerseits zeugte die Überwindung der „großen“ Stadtstaaten Athen und Sparta von einer herausragenden militärischen Leistungsfähigkeit der entsprechenden Heeresverbände. Andererseits ließ sich die vermeintliche Wiederherstellung der αὐτονομία und ἐλευϑερία in den abhängigen Gebieten als gesamtgriechisches Verdienst vereinnahmen. Vor diesem Hintergrund ist die Stiftung der Beute in überregionalen Heiligtümern ebenso leicht zu erklären, wie die Tatsache, dass man auch im 4. Jh. noch auf die überkommene Dedikationsform des Thesauros zurückgriff. Die Stifter der Bauten wollten monumentale Kriegsdenkmäler schaffen, welche unmissverständlich mit dem Namen der eigenen Polis verbunden waren. Schatzhäuser zeugten weiterhin vom wirtschaftlichen und militärischen Erfolg ihrer Bauherrn und der Wunsch, sich nachträglich in diese Reihe der Erfolgsgeschichten zu integrieren, ist nachvollziehbar. Mit dem Bau der klassischen Thesauroi in Delphi positionierten sich die Polisgemeinschaften in der zwischenstaatlichen Konkurrenz, und zwar mit einer Form des Denkmals, welche den vielfigurigen Statuenanathemen aus der Zeit der Pentekontaetie in Sachen Monumentalität nicht nachstand. Statuenweihungen Daneben wurden natürlich auch die militärischen Erfolge in der Zeit des Peloponnesischen Kriegs und im 4. Jh. mit statuarischen Weihgeschenken kommemoriert. In der folgenden Übersicht ist eine Auswahl der überlieferten Anatheme aus Delphi und Olympia zusammengestellt. Eines der bekanntesten antiken Weihdenkmäler überhaupt ist die Nikestatue des Künstlers Paionios (1), welche die Messenier und Naupaktier während des Peloponnesischen Kriegs in Olympia weihten.1135 Von dem entsprechenden Monument

1133 Zum Befund: Bommelaer/Laroche 1991, S. 129 131, Nr. 124; Hering 2015, S. 67 69; Maass 1993, S. 182 183. 1134 Maass 1993, S. 182 bezeichnet den thebanischen Oikos deshalb als „Nachspiel der dorischen Schatzhausarchitektur.“ 1135 Paus. 5, 26, 1: Μεσσηνίων δὲ τῶν Δωριέων οἱ Ναύπαϰτόν ποτε παρὰ ᾿Αϑηναίων λαβόντες ἄγαλμα ἐν ᾿Ολυμπίᾳ Νίϰης ἐπὶ τῷ ϰίονι ἀνέϑεσαν· τοῦτό ἐστιν ἔργον μὲν Μενδαίου Παιωνίου, πε ποίηται δὲ ἀπὸ ἀνδρῶν πολεμίων, ὅτε ᾿Αϰαρνᾶσι ϰαὶ Οἰνιάδαις ἐμοὶ δοϰεῖν ἐπολέμησαν. Μεσσήνιοι

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie

253

Denkmal

Ort

Anlass



Paionios-Nike der Messenier

Olympia

Sphakteria 



Trojanisches Pferd der Argiver

Delphi

Feldzug  (?)



Nauarchen der Spartaner

Delphi

Aigospotamoi 



Koloss der Knidier

Delphi

Sieg ca. –



Statuengruppe der Argiver

Delphi

Feldzug 



Statuengruppe der Arkader

Delphi

Feldzug 



Apollon der Amphiktyonen

Delphi

. Heiliger Krieg 



Weihung der Boioter

Delphi

. Heiliger Krieg 



Heraklesstatue der Thebaner

Delphi

. Heiliger Krieg 

sind neben der Basis auch große Teile der Marmorstatue selbst erhalten, was in der Gruppe der klassische Beuteweihungen einen einmaligen Glücksfall darstellt. Die mit einem leichten Chiton bekleidete Göttin scheint vor den Augen des Betrachters mit weit ausgebreiteten Flügeln und wallendem Gewand vom Himmel herab zu schweben.1136 Dieser dramatische Effekt wurde noch dadurch gesteigert, dass der Nike die Schwingen eines fliegenden Adlers als Standfläche dienten. Der Vogel des Göttervaters charakterisiert den allegorisch dargestellten Sieg als von Zeus kommend.1137 Schließlich wurde das Statuenensemble von einem knapp neun Meter hohen, dreiseitigen Pfeiler getragen, der sich nach oben hin verjüngte und ebenfalls zur „Leichtigkeit“ des Monuments beitrug (Abb. 12).1138 Aus der Beschreibung des Pausanias geht hervor, dass er nicht in der Lage war, den Anlass zur Aufstellung des Anathems sicher in Erfahrung zu bringen. Der Grund dafür dürfte in der unspezifischen Weihinschrift zu suchen sein: Μεσσάνιοι ϰαὶ Ναυπάϰτιοι ἀνέϑεν Διὶ ᾿Ολυμπίωι δεϰάταν ἀπὸ τῶμ πολεμίων.1139 Hölscher hat klargestellt, dass sich die von Pausanias favorisierte Auseinandersetzung gegen

δὲ αὐτοὶ λέγουσι τὸ ἀνάϑημά σφισιν ἀπὸ τοῦ ἔργου τοῦ ἐν τῇ Σφαϰτηρίᾳ νήσῳ μετὰ ᾿Αϑηναίων πραχϑέντος εἶναι, ϰαὶ οὐϰ ἐπιγράψαι τὸ ὄνομα τῶν πολεμίων σφᾶς τῷ ἀπὸ Λαϰεδαιμονίων δείματι, ἐπεὶ Οἰνιαδῶν γε ϰαὶ ᾿Αϰαρνάνων οὐδένα ἔχειν φόβον. 1136 Zur Statue: Boardman 1993, S. 230, Abb. 139; Hölscher 1974, bes. S. 70 74; Mallwitz 1972, S. 37 39; Kyrieleis 2011, S. 94 96; Goulaki 1981, S. 41 49; Thöne 1999, S. 117. 1137 Kyrieleis 2011, S. 96. 1138 Zur Rekonstruktion des Pfeilers: Herrmann 1972. 1139 IvO 259; IG V 1, 1568, Z. 1 2. Darunter steht noch in kleineren Buchstaben die Signatur des stolzen Künstlers: Παιώνιος ἐποίησε Μενδαῖος ϰαὶ τἀϰρωτήρια ποιῶν ἐπὶ τὸν ναὸν ἐνίϰα. Der Hinweis spielt auf die vergoldeten Niken und Dreifüße an, welche laut Paus. 5, 10, 4 am Zeustempels als Akrotere dienten. Durch den Erfolg im Künstlerwettbewerb konnte sich Paionios in gewisser Weise unter den olympischen Siegern einreihen: Kyrieleis 2011, S. 96. Zu den Akroteren: Goulaki 1981, S. 43 44.

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4 Die Monumentalisierung des Sieges

Abb. 12: Der dreieckige Pfeiler der Paionios-Nike wurde teilweise rekonstruiert und markiert den antiken Standort des Monuments gegenüber dem Eingang des klassischen Zeus-Tempels. (Foto J. Schröder)

Akarnanien und Oiniadai in den 450er Jahren nicht mit dem Stil der erhaltenen Statue verbinden lässt. Er hält stattdessen am Zusammenhang mit der Schlacht bei Sphakteria fest, gibt aber zu bedenken, dass das Denkmal möglicherweise nicht nur eine, sondern mehrere Auseinandersetzungen in der Zeit des Archidamischen Kriegs kommemorierte.1140 Über die Gründe für die fehlende Benennung der Feinde in der Inschrift wurde viel spekuliert.1141 Die schlüssigste Erklärung lieferte Felten, indem sie aufzeigte, dass die Verwalter des olympischen Heiligtums ab dem 5. Jh. eine bereits erwähnte

1140 Hölscher 1974, S. 74. Mit der zweiten Variante wäre der Einwand entkräftet, dass laut Thuk. 4, 32 nur Messenier und keine Naupaktier als Verbündete der Athener bei Sphakteria mitkämpften. Dazu: Frazer 1913, Bd. 3, S. 645. 1141 Paus. 5, 26, 1 selbst nimmt an, dass die Stifter sich vor den Lakedaimoniern fürchteten, was zurecht verworfen wurde. Mallwitz 1972, S. 37 schlug vor, dass das Denkmal keine konkrete Schlacht kommemorierte und dass deshalb auch keine konkreten Feinde genannt werden. Whitley 2011, S. 178 ging am weitesten, indem er argumentierte, die Griechen hätten aus moralischen Grün den generell eine Diffamierung der Gegner vermieden. Zahlreiche andere Denkmäler in Delphi und Olympia sprechen eindeutig gegen diese These.

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie

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Programmatik der Neutralität verfolgten, die es nicht erlaubte, die Namen der Gegner auf Beuteweihungen aus innergriechischen Auseinandersetzungen zu benennen.1142 Eben dieses Phänomen konstatierte auch Pausanias, als er über eine etwa zeitgleiche Nikestatue in Olympia berichtete, dass die Mantineer sie weihten, ohne den dazugehörigen Krieg in der Inschrift zu nennen.1143 Eine mögliche Parallelweihung zur Paionios-Nike in Delphi wiederum lässt trotz des fragmentarischen Zustands der Inschrift erkennen, dass die Gegner hier genannt waren.1144 Anstelle der namentlichen Bezeichnung der überwundenen Spartaner stellte das Monument in Olympia topographische Beziehungen her. Um die machtpolitischen Dimensionen der Weihung sichtbar zu machen, wurde die Statue gegenüber dem Tempeleingang aufgestellt, wo sie auf den goldenen Schild am Giebel Bezug nahm, welchen die Spartaner 457 nach der Schlacht bei Tanagra geweiht hatten.1145 Lysandros wiederum griff das Bildthema des messenischen Monuments erneut auf, als er 405 zwei auf Adlern stehende Niken auf der Akropolis von Sparta ausstellen ließ.1146 Aus der Beute des Sieges bei Sphakteria weihten die mit den Messeniern verbündeten Athener auch die schon erwähnte Nikestatue auf der Akropolis.1147 Offenbar entsprach die Kommemoration von Kriegsereignissen durch die allegorische Darstellung des Sieges einem größeren Trend. Thöne hat gezeigt, dass die Weihungen aus der Zeit des Archidamischen Kriegs die ersten Beispiele für die Verwendung der Nike im Zusammenhang mit staatlichen Beuteweihungen waren. Hatte die Siegesgöttin in spätarchaischer und frühklassischer Zeit noch den allgemeinen Erfolg einzelner Personen – zu denken wäre hier etwa an die Kallimachos-Nike – zum Ausdruck gebracht, wurde sie ab der zweiten Hälfte des 5. Jhs. auf einmalige, historisch fixierbare Ereignisse bezogen.1148 Ähnlich wie das Tropaion wurde also auch das Bild der Göttin zu einem politischen Symbol für den Sieg in der Hoplitenschlacht. Diese Deutungsebene wurde beim Denkmal des Paionios auch durch die Anbringung erbeuteter Schilde im oberen Teil des Pfeilers hervorgehoben.1149 Thöne hat diesen Bedeutungswandel insbesondere durch Innovationen im religiösen Bereich begründet. Die Bedürfnisse der zeitgenössischen Griechen führten demnach zu einer sukzessiven Abwendung von den alten, anthropomorph gedachten Gottheiten und hin zur

1142 Felten 1982, bes. S. 93; 96 97. 1143 Paus. 5, 26, 4. Die Statue der Nike Apteros wird nur hier erwähnt und dem Künstler Kalamis zugeschrieben. Seine Schaffenszeit fällt in die Mitte des 5. Jhs. Dazu: DNO Nr. 578 610; Thöne 1999, S. 73 76. 1144 SEG 32, 550: [Μ]εσσάνιο[ι ϰαὶ Ναυπάϰτιοι] ἀνέϑ[εσαν ἀ]πὸ Καλ[υδωνὶων δεϰάταν τ]ῶι ᾿Απ [όλωνι]. Vgl. die älteren Rekonstruktionsversuche FdD III 4, 1 (1 4). Dazu: Felten 1982, S. 93. Zum delphischen Monument: Bommelaer/Laroche 1991, S. 233 234, Nr. 348; Goulaki 1981, S. 44 46. 1145 Paus. 5, 10, 4. Dazu: Hölscher 1974, S. 82 83. 1146 Paus. 3, 17, 4. Dazu: Hölscher 1974, S. 77; Thöne 1999, S. 118. 1147 Paus. 4, 36, 6. Siehe Kap. 4.2. 1148 Thöne 1999, S. 118. 1149 Herrmann 1972, S. 243; 254; Baitinger 2011, S. 135; Rabe 2008, S. 117 118.

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Etablierung von Kulten für abstrakte Personifikationen. In der Folge der Verwendung von Nikedarstellungen auf Weihmonumenten war die Göttin ab der Mitte des 4. Jhs. dann auch Gegenstand kultischer Verehrung.1150 Darüber hinaus sollten aber auch die politischen und militärischen Vorgänge dieser Zeit als Faktoren des Phänomens berücksichtigt werden. Wie bereits betont, änderte sich im Verlauf des 5. Jhs. die Bedeutung kriegerischer Auseinandersetzungen. Einzelne Schlachten dienten nicht mehr der schnellen Lösung lokaler Konflikte, sondern waren nur mehr Bruchteile von über Jahre andauernden Kriegen, die an mehreren Fronten gleichzeitig geführt wurden. Entscheidende Siege, bei denen es gelang den aktuellen Hegemon oder den Kern eines Bündnissystems zu überwinden, hatten weitreichende politische Folgen für große Teile der griechischen Staatenwelt. Und die Kommemoration dieser Ereignisse zielte nicht mehr nur auf das Selbstbewusstsein der eigenen Polisgemeinschaft, sondern auf die Artikulation außenpolitischer Ansprüche ab. So würdigte das Denkmal der Messenier in Olympia nicht nur die erfolgreiche Verteidigung von Pylos und Sphakteria, sondern auch die Bewahrung der Unabhängigkeit von der vormaligen spartanischen Herrschaft.1151 Der enge Zusammenhang politischer und religiöser Faktoren zeigt sich auch an der sinkenden Bedeutung des Zeusheiligtums in der zweiten Hälfte des klassischen Zeitalters. Mit Ausnahme der kolossalen Zeusstatue, welche die Eleer 362 nach der Wiedererlangung ihrer Funktion als Verwalter des Kultplatzes selbst aufstellten, war die Nike der Messenier für mehrere Jahrhunderte die letzte Beuteweihung einer staatlichen Gemeinschaft in Olympia.1152 Auch für diesen Wandel in der griechischen Kommemorationskultur lassen sich vor allen Dingen politische Gründe ins Feld führen. Einerseits scheint sich die anhaltende Feindschaft zwischen Spartanern und Eleern negativ auf die Anziehungkraft des Heiligtums ausgewirkt zu haben.1153 Nachdem die Spartaner und ihre Verbündeten das „dorische Stammesheiligtum“ bis zum Beginn des Peloponnesischen Kriegs immer präferiert hatten, ging der olympische Zeus 405 nach dem entscheidenden lakedaimonischen Sieg bei Aigospotamoi leer aus.1154 In Delphi wiederum stiftete Lysandros aus der Beute dieser Seeschlacht das figurenreichste Statuenanathem überhaupt.1155 Schließlich entsprach die schon mehrfach erwähnte Programmatik der Verwaltung des Heiligtums von Olympia nicht den

1150 Thöne 1999, S. 118 119. 1151 Vgl. Alcock 2002, S. 160. 1152 Zur Zeusstatue der Eleer: Paus. 5, 24, 4; IvO 260. Das nächste Anathem aus Kriegsbeute sind wohl erst die römischen Weihungen des Mummius im Jahr 146: Paus. 5, 24, 4; 8. 1153 Mallwitz 1972, S. 96. 1154 Auch die Ehrenstatue des Lysandros, welche Paus. 6, 3, 14 erwähnt, war eine Dedikation der Samier und nicht der Spartaner. 1155 Paus. 10, 9, 7 11; Plut. Lysandros 18, 1; siehe unten.

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie

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zeitgenössischen Bedürfnissen. Feltens Analyse der klassischen Anatheme hat gezeigt, dass hier sowohl die Nennung innergriechischer Gegner als auch die individuelle Selbstdarstellung der griechischen Stadtstaaten zugunsten einer panhellenischen Idee weitestgehend unterbunden wurden.1156 Eine Präferenz des delphischen Kultplatzes zur gemeinschaftlichen Kommemoration von Siegen im Kampf um die griechische Vorherrschaft ist daher nur allzu nachvollziehbar. Dem Fernbleiben der Beuteweihungen in Olympia steht folglich eine größere Gruppe von Anathemen im Apollonheiligtum von Delphi gegenüber. Die Argiver weihten anlässlich eines Sieges über die Lakedaimonier bei Thyrea eine bronzene Pferdestatue (2), die Pausanias als Nachbildung des hölzernen Pferdes (δούρειος ἵππος) im Trojanischen Krieg identifizierte.1157 Das Thyreatis genannte Gebiet an der Grenze zwischen Lakonien und der Argolis war seit archaischer Zeit von den beiden dorischen Städten umkämpft. Die Schaffenszeit des in der Periegese überlieferten Künstlers Antiphanes aus Argos fällt ans Ende des 5. und in die ersten Jahrzehnte des 4. Jhs.1158 Das Anathem bezieht sich daher möglicherweise auf einen beutereichen Feldzug im Jahr 414, den Thukydides kurz beschreibt.1159 Der Aufstellungsort in Delphi ist durch die Reste der Basis gesichert, die sich im Eingangbereich des Heiligtums und in der Nachbarschaft der anderen großen argivischen Beuteweihungen befand.1160 Nachdem die Polisgemeinschaft ihren Sieg bei Oinoe mit den Statuen der Sieben gegen Theben kommemoriert hatte, wollte man nun offenbar auch noch die Teilnahme der eigenen Vorväter am griechischen Feldzug gegen Troja manifestieren. Die Spartaner wiederum widmeten ihrem schon mehrfach erwähnten Sieg über die athenische Flotte bei Aigospotamoi 405 mit der Nauarchengruppe (3) das umfangreichste Weihdenkmal in Delphi überhaupt. Pausanias’ Beschreibung des 38-köpfigen Ensembles wird durch die teilweise erhaltenen Künstlerinschriften an der mehr als 15m langen Basis bestätigt und ergänzt.1161 Dargestellt waren neben

1156 Felten 1982, S. 88 97. 1157 Paus. 10, 9, 12: τὸν δὲ ὑπὲρ τῆς ϰαλουμένης Θυρέας Λαϰεδαιμονίων ἀγῶνα ϰαὶ ᾿Αργείων, Σί βυλλα μὲν ϰαὶ τοῦτον προεϑέσπισεν ὡς συμβήσοιτο ἐξ ἴσου ταῖς πόλεσιν, ᾿Αργεῖοι δὲ ἀξιοῦντες ἐσχηϰέναι πλέον ἐν τῷ ἔργῳ χαλϰοῦν ἵππον τὸν δούρειον δῆϑεν ἀπέστειλαν ἐς Δελφούς· τὸ δὲ ἔργον ᾿Αντιφάνους ἐστὶν ᾿Αργείου. Die Angabe bei Maass 1993, S. 197, wonach das Pferd nach einem mythischen Erbauer namens Douris benannt sein soll, ist offensichtlich eine Erfindung. 1158 DNO Nr. 1360 1369; vgl. Maass 1993, S. 197. 1159 Thuk. 6, 95, 1. Dazu: Bommelaer/Laroche 1991, S. 111. DNO Nr. 1361 neigt zu den Ereignissen des Jahres 370/69. Diesem Anlass kann aber bereits die Weihung mit den Königen der Argiver (Paus. 10, 10, 5) zugeordnet werden. 1160 Bommelaer/Laroche 1991, S. 111 113, Nr. 111; Maass 1993, S. 197. 1161 Paus. 10, 9, 7 10: Λαϰεδαιμονίων δὲ ἀπαντιϰρὺ τούτων ἀναϑήματά ἐστιν ἀπ’ ᾿Αϑηναίων Διό σϰουροι ϰαὶ Ζεὺς ϰαὶ ᾿Απόλλων τε ϰαὶ ῎Αρτεμις, ἐπὶ δὲ αὐτοῖς Ποσειδῶν τε ϰαὶ Λύσανδρος ὁ ᾿Αρισ τοϰρίτου στεφανούμενος ὑπὸ τοῦ Ποσειδῶνος, ᾿Αγίας τε ὅς τῷ Λυσάνδρῳ τότε ἐμαντεύετο ϰαὶ ῞Ερμων ὁ τὴν ναῦν τοῦ Λυσάνδρου τὴν στρατηγίδα ϰυβερνῶν. [. . .] ἀνάϰεινται δὲ ϰαὶ ὄπισϑεν τῶν ϰατειλεγμένων ὅσοι συγϰατειργάσαντο τῷ Λυσάνδρῳ τὰ ἐν Αἰγὸς ποταμοῖς ἢ αὐτῶν Σπαρτιατῶν ἢ ἀπὸ τῶν συμμαχησάντων. Zum Befund: Bommelaer/Laroche 1991, S. 108 110, Nr. 109. Zu den

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den Dioskuren und den Göttern Zeus, Apollon und Artemis insbesondere alle 28 an der Seeschlacht beteiligten Nauarchen aus Griechenland und Kleinasien. Die Bronzestatuen waren auf zwei hintereinanderliegende Reihen verteilt. Das Bildnis des Lysandros selbst befand sich in der vorderen Reihe und wurde durch den Meeresgott Poseidon bekränzt. Der Heerführer wird durch die Interaktion mit Poseidon als Herrscher der Meere inszeniert und in die göttliche Sphäre gerückt.1162 Eine derartige Erhöhung einzelner Kämpfer war in der klassischen Welt beispiellos und ist neben der steigenden Bedeutung der Feldherrn in dieser Zeit sicher auch durch polispezifische Traditionen begründet. So war die Weihung von Beute im Namen des Heerführers, welche Pausanias 479 im Zusammenhang mit der Schlangensäule von den übrigen Hellenen verwehrt worden war, in Sparta durchaus die Regel.1163 In einer anderen Hinsicht ist das Denkmal seiner Zeit jedoch weit voraus. Während es bisher üblich war, die Kriegsereignisse, welche die Beuteweihungen kommemorierten, unter Verwendung mythologischer Bezüge „verschlüsselt“ darzustellen, werden hier erstmals lebende Personen monumentalisiert. Diese Darstellungsweise entfernte sich sowohl von der traditionellen Vorstellung des gottgegebenen Sieges als auch vom kollektiven Selbstbewusstsein der gleichberechtigten Hoplitenbürger. Was durch die ungeheure Menge an Nauarchenbildnissen zum Ausdruck gebracht wurde, war vielmehr die vermeintlich breite Zustimmung der Griechen zum militärischen Vorgehen der Lakedaimonier und die gleichzeitige Anerkennung der spartanischen Vormachtstellung.1164 Dieser Anspruch wurde noch durch den prominenten Standort des Denkmals unmittelbar hinter dem Eingang zum Temenos hervorgehoben. Die Nauarchengruppe war in den darauf folgenden Jahrhunderten das erste Monument, welches die Besucher des Heiligtums zur politischen Kommunikation einlud. Bereits im 4. Jh. aus Kriegsbeute geweiht wurde eine Kolossalstatue der Knidier (4), die wir nur aufgrund der erhaltenen Inschrift auf einer großflächigen Steinbasis kennen: Κνίδιοι τῷ ᾿Απόλλωνι ἀπὸ τῶμ πολεμίων δεϰάταν.1165 Aufgrund

Inschriften: Syll.3 115; FdD III 1, 50 68. Laut Meiggs/Lewis 1989, S. 290 sind u.a. die drei fragmenta risch erhaltenen Epigramme deutlich jünger und Zusätze aus dem 4. Jh. Laut Plut. Lysandros 18, 1 und anderen Autoren kündete ein Wunderzeichen an dem Weihdenkmal die spartanische Nieder lage bei Leuktra an. Dazu ausführlich Trampedach 2011, S. 30 33. 1162 Vgl. Bommelaer/Laroche 1991, S. 109; Maass 1993, S. 200. 1163 Gauer 1968, S. 93; Jung 2006, S. 248. Siehe Kap. 3.2.1. Thommen 2003, S. 161 162 schreibt Ly sandros darüber hinaus auch einen Zuwachs an persönlicher Macht und Probleme bei der Reinteg ration in die spartanische Gesellschaft zu. 1164 Der „panhellenische“ Eindruck wurde auch durch die Signaturen der Künstler aus allen Tei len Griechenlands unterstützt. Paus. 10, 9, 7 10 zählt sie auf. Das Monument war laut Maass 1993, S. 200 eine Zurschaustellung der Bildhauergeneration nach Polyklet. 1165 FdD III 1, 137; Syll.3 140.

4.3 Siegesdenkmäler im Kampf um die griechische Hegemonie

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der Einlassungspuren konnte das dazugehörige Standbild als Apollon Pythoktonos identifiziert werden.1166 Über die Hintergründe dieser Dedikation lassen sich keine Aussagen mehr treffen. Besser unterrichtet sind wir über die beiden Weihungen, welche mit dem Feldzug des Epameinondas auf der Peloponnes in Zusammenhang stehen. Das neugegründete Koinon der Arkader hatte die Thebaner gegen die Lakedaimonier zur Hilfe gerufen und war mit ihnen 370/69 erfolgreich nach Lakonien eingefallen. Infolge dieser Kampagne fielen die messenischen Heloten von Sparta ab und gründeten einen eigenen Staat.1167 Die Arkader weihten mit der Beute dieser Unternehmung ein neunfiguriges Statuenanathem (6) in Delphi.1168 Im Mittelpunkt des Bildprogramms stand nicht die Überwindung der Spartaner, welche nur durch eine Nike angedeutet wurde, sondern die Genealogie der arkadischen Gründerväter. Die Bildwerke umfassten zunächst die Stammmutter Kallisto, eine Geliebte des Zeus, und den gemeinsamen Sohn Arkas, den eponymen Heros des Bundes. Seine Söhne Apheidas (Tegea), Elatos (Elateia), Azan (Azania), Tripylos (Tripylien) und Erasos wiederum standen stellvertretend für die einzelnen Landschaften Arkadiens. Im dazugehörigen Epigramm wurde darüber hinaus noch der Aspekt der Autochtonie hervorgehoben.1169 Das Kriegsdenkmal zelebrierte also die Struktur des neugegründeten Bundesstaates und deutete die Abwehr der spartanischen Intervention als Bewahrung des rechtmäßigen Landbesitzes. Passenderweise erhielt die Dedikation gegenüber der Nauarchengruppe – dem Symbol der spartanischen Hegemonie – im Eingangsbereich des Heiligtums Aufstellung.1170 Die Statuengruppe des arkadischen Koinons war die erste panhellenische Weihung dieser Art und wirkte vorbildhaft für die Repräsentation anderer Staatenbünde in hellenistischer Zeit. Nutznießer des thebanischen Engagements auf der Peloponnes waren darüber hinaus auch die Argiver, die sich dem Unternehmen beim Eintreffen des Epameinondas freiwillig angeschlossen und auf den Einfall in Lakonien gedrängt

1166 Schober 1931, Sp. 138 139. Die Statue mit einer geschätzten Höhe von sieben Metern befand sich ursprünglich in der Nähe der Knidier Lesche, wurde aber spätestens im 1. Jh. zum Theater verbracht. 1167 Xen. hell. 6, 5, 23 32; Paus. 9, 14, 4 5; Diod. 15, 66 67. Vgl. Hornblower 2002, S. 248 249; Thommen 2003, S. 173. 1168 Paus. 10, 9, 5 6: ἐφεξῆς δὲ Τεγεατῶν ἀναϑήματα ἀπὸ Λαϰεδαιμονίων ᾿Απόλλων ἐστὶ ϰαὶ Νίϰη ϰαὶ οἱ ἐπιχώριοι τῶν ἡρώων Καλλιστώ τε ἡ Λυϰάονος ϰαὶ ᾿Αρϰὰς ὁ ἐπώνυμος τῆς γῆς ϰαὶ οἱ τοῦ ᾿Αρϰάδος παῖδες ῎Ελατος ϰαὶ ᾿Αφείδας ϰαὶ ᾿Αζάν, ἐπὶ δὲ αὐτοῖς Τρίφυλος· [. . .] ἀνάϰειται δὲ ϰαὶ ῎Ερα σος Τριφύλου παῖς. [. . .] ταῦτα μὲν δὴ οἱ Τεγεᾶται ἔπεμψαν ἐς Δελφούς, Λαϰεδαιμονίους ὅτε ἐπὶ σφᾶς ἐστρατεύσαντο αἰχμαλώτους ἑλόντες. Die Namen der Heroen (und Künstler) waren den beige fügten Inschriften zu entnehmen, die teilweise erhalten sind: FdD III 1, 3 11. 1169 FdD III 1, 3, Z. 1 2: Πύϑι’ ῎Απολλον [ἄ]ναξ, τάδ’ [ἀγάλματ’ ἔ]δ[ωϰεν ἀπαρχὰς] αὐτόχϑων ἱερᾶς λαὸς [ἀπ’ ᾿Αρϰαδί]ας. Der verbleibende Teil des Gedichtes (Z. 3 10) erläutert die Genealogie der dar gestellten Heroen. 1170 Zur Basis: Bommelaer/Laroche 1991, S. 104 106, Nr. 105; vgl. Maass 1993, S. 201.

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4 Die Monumentalisierung des Sieges

hatten.1171 Sie weihten mit ihrem Anteil der Beute eine weitere Statuengruppe (5) innerhalb des argivischen Denkmälerensembles im unteren Abschnitt der Prozessionsstraße.1172 Dargestellt waren die Angehörigen der mythischen Dynastie argivischer Könige von den Danaiden, über Perseus hin zu Herakles. Die Bezeichnungen der einzelnen zehn Statuen sind noch auf den Resten der großen halbrunden Basis erhalten.1173 Durch die Manifestation der argivischen Abkunft des in Theben geborenen Herakles wird nicht nur die Symmachie der beiden Poleis legitimiert, sondern auch der militärische Erfolg des Epameinondas für die Bürgerschaft von Argos vereinnahmt.1174 Weihungen am Übergang zum Hellenismus Der thebanische Heerführer Epameinondas selbst fiel nur wenige Jahre später in der Schlacht bei Mantineia 362, womit die Hegemonie der boiotischen Polis ihre personelle Grundlage verlor. Der daraufhin beschlossene allgemeine Frieden (ϰοινὴ εἰρήνη) wurde unter anderem durch den sogenannten Dritten Heiligen Krieg um die Vorherrschaft innerhalb der delphischen Amphiktyonie unterbrochen. Die Phoker unterlagen in der Auseinandersetzung mit Boiotern und Thessalern, nachdem letztere Philipp II. zu Hilfe gerufen hatten. Aufgrund seines militärischen Erfolgs in der Auseinandersetzung konnte der makedonische König sich 346 eine Machtbasis in Mittelgriechenland schaffen, mit deren Hilfe ihm wenige Jahre später die Eroberung der hellenischen Staatenwelt gelang.1175 Die Anatheme, welche die Sieger von 346 aus der Beute der Phoker errichteten, markieren gewissermaßen das Ende der Weihdenkmäler klassischer Polisgemeinschaften. Die Gruppe der Amphiktyonen, der nun auch Philipp II. angehörte, ließ zur Erinnerung an den Konflikt eine kolossale Apollonstatue (7) auf dem Vorplatz des Tempels errichten.1176 Die Boioter wiederum weihten ein zusätzliches

1171 Xen. hell. 6, 5, 23; Paus. 9, 14, 4. 1172 Paus. 10, 10, 5: ἀπαντιϰρὺ δὲ αὐτῶν ἀνδριάντες εἰσὶν ἄλλοι· τούτους δὲ ἀνέϑεσαν οἱ ᾿Αργεῖοι τοῦ οἰϰισμοῦ τοῦ Μεσσηνίων Θηβαίοις ϰαι ᾿Επαμινώνδᾳ μετασχόντες. ἡρώων δὲ εἰσιν αἱ εἰϰόνες, Δαναὸς μὲν βασιλέων ἰσχύσας τῶν ἐν ῎Αργει μέγιστον, ῾Υπερμήστρα δὲ ἅτε ϰαϑαρὰ χεῖρας μόνη τῶν ἀδελφῶν· παρὰ δὲ αὐτὴν ϰαὶ ὁ Λυγϰεὺς ϰαὶ ἅπαν τὸ ἐφεξῆς αὐτῶν γένος τὸ ἐς ῾Ηραϰλέα τε ϰαὶ ἔτι πρότερον ϰαϑῆϰον ἐς Περσέα. 1173 FdD III 1, 69 78. Die in genealogischer Reihenfolge dargestellten Heroen sind: Danaos, Hyper mnestra, Lynkeus, Abas, Akrisios, Danae, Perseus, Elektryon, Alkmene und Herakles. Zur Basis: Bommelaer/Laroche 1991, S. 114 115, Nr. 113. 1174 Vgl. Maass 1993, S. 198. 1175 Hornblower 2002, S. 267 279. 1176 Paus. 10, 15, 1 2: ϰαὶ αὖϑις δύο ᾿Απόλλωνος, [. . .] τὸ δὲ ᾿Αμφιϰτυόνων ἐστίν, ὅτε Φωϰεῦσιν ἐπεργαζομένοις τοῦ ϑεοῦ τὴν χώραν ἐπέβαλον χρημάτων ζημίαν· ὁ δε ᾿Απόλλων οὗτος ϰαλεῖται μὲν ὑπὸ Δελφῶν Σιτάλϰας, μέγεϑος δὲ πέντε πηχῶν ϰαὶ τριάϰοντά ἐστι. Die bei 10, 15, 7 beiläufig ge nannte Apollonstatue der Amphikytonen ist wohl mit dieser identisch. Dazu gehört die

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Anathem (8) am oberen Abschnitt der Prozessionsstraße unterhalb der Tempelterrasse, von dem nur noch die L-förmige Basis erhalten ist.1177 Da weder Pausanias noch Plutarch das Denkmal erwähnen, müssen wir wohl davon ausgehen, dass es in der Kaiserzeit bereits abgeräumt war.1178 Schließlich nennt der Perieget eine Statue des Herakles (9), welche die Thebaner ebenfalls aus Anlass des Dritten Heiligen Krieges gestiftet haben sollen.1179 Der Standort dieses Denkmals konnte bisher nicht sicher lokalisiert werden.1180 Was die spärlichen Überreste dieser Gruppe von Weihmonumenten erkennen lassen, ist, dass die phokischen Handlungen im Rahmen der Auseinandersetzung explizit als religiöse Vergehen (ἐπεργασία und ἀσέβεια) verurteilt wurden. Mit dieser Abgrenzung wollte man offenbar die neue Zusammensetzung des Amphiktyonenrates unter Ausschluss der Phoker legitimieren. Ansonsten versuchten die Boioter, und insbesondere die Thebaner, den Sieg mit separaten Weihungen für sich zu beanspruchen. Die Wahl des Herakles als Bildthema dürfte erneut auf seinen Geburtsort zurückzuführen zu sein. Durch die Assoziation mit dem panhellenischen Wirkungsbereich des Helden versuchte die Polis Theben noch einmal eine hervorragende Stellung in Griechenland zu beanspruchen. Nach seinem Sieg bei Chaironeia griff auch Philipp II. die traditionellen Formen der zwischenstaatlichen Kommunikation griechischer Stadtstaaten auf und weihte ein neues Monument in Olympia. Der schon in der Antike „Philippeion“ genannte Bau im westlichen Abschnitt der Altis hatte die Form eines Rundtempels (Abb. 13).1181 Er war mit einer Ringhalle aus 18 ionischen Säulen umgeben und im Inneren befanden sich auf einer abgerundeten Basis fünf Ehrenstatuen des Künstlers Leochares aus Gold und Elfenbein.1182 Im Zentrum der Gruppe stand das Bildnis Alexanders des Großen, der den Bau nach der Ermordung seines Vaters vollendete. Flankiert wurde er von den Statuen

großflächige Steinbasis neben den Dreifüßen der Deinomeniden: Bommelaer/Laroche 1991, S. 187, Nr. 521, Abb. 78; Maass 1993, S. 201 202. 1177 FdD III 3, 77: [Βοιωτοὶ ἀνέϑιαν μετὰ τὸν πόλεμον ὅν ἐπο]λέμεισαν [πὸτ τὼς τὸ ἱαρὸν τῶ ᾿Απόλ λωνος τῶ Πουϑίω ἀς]εβείσαντας. Die Basis wurde später zur Anbringung anderer boiotischer In schrift genutzt und konnte deshalb identifiziert werden. Dazu: Bommelaer/Laroche 1991, S. 144, Nr. 211. 1178 Maass 1993, S. 201. 1179 Paus. 10, 13, 6: τὸ δὲ ἄγαλμα τοῦ ῾Ηραϰλέους ἀνάϑημά ἐστι Θηβαίων, ὅτε Φωϰεῦσιν ἐπολέμη σαν τὸν ἱερὸν καλούμενον πόλεμον. 1180 Pomtow 1924, Sp. 1398 1399, Nr. 102. 1181 Paus. 5, 20, 9 10: ἔστι δε ἐντὸς τῆς ῎Αλτεως [. . .] καὶ οἴκημα περιφερὲς ὀνομαζόμενον Φιλιππεῖον· [. . .] τοῦτο τὸ οἴκημά ἐστι μὲν κατὰ τὴν ἔξοδον τὴν κατὰ τὸ πρυτανεῖον ἐν ἀριστερᾷ, πεποίηται δὲ ὀπτῆς πλίνϑου, κίονες δὲ περὶ αὐτὸ ἑστήκασι· Φιλίππῳ δὲ ἐποιήϑη μετὰ τὸ ἐν Χαιρωνείᾳ τὴν ῾Ελλάδα ὀλισϑεῖν. κεῖνται δὲ αὐτόϑι Φίλιππός τε καὶ ᾿Αλέξανδρος, σύν δὲ αὐτοῖς ᾿Αμύντας ὁ Φιλίππου πατήρ· ἔργα δέ ἐστι καὶ ταῦτα Λεωχάρους ἐλέφαντος καὶ χρυσοῦ, καϑὰ και τῆς ᾿Ολυμπιάδος καὶ Εὐρυδίκης εἰσὶν αἱ εἰκόνες. Die beiden dazugehörigen Frauenstatuen befanden sich zur Zeit des Periegeten im Heraion: Paus. 5, 17, 4. 1182 Zum archäologischen Befund: Mallwitz 1972, S. 128 133; Kyrieleis 2011, S. 28 29.

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Abb. 13: Das Philippeion in Olympia wurde von Philipp II. zur Erinnerung an seinen Sieg in der Schlacht von Chaironeia (338) errichtet. (Foto J. Schröder)

seiner Eltern Philipp und Olympias, sowie seiner Großeltern Amyntas und Eurydike. Bei dem monumentalen Ensemble handelte sich also keineswegs nur um ein weiteres Schatzhaus. Die Materialien Gold und Elfenbein waren bis dahin Kultstatuen vorbehalten geblieben und Ringhallen fanden in klassischer Zeit ausschließlich in der Tempelarchitektur Verwendung. Die dynastischen Porträtstatuen im Inneren des Baus erhielten damit einen sakralen Charakter.1183 Die makedonischen Könige knüpften also an frühere Denkmälertraditionen an, setzen sich dabei aber unübersehbar über die in den klassischen Beuteweihungen zum Ausdruck gebrachte Konkurrenz zwischen den griechischen Stadtstaaten hinweg. Weihmonumente in klassischen Heiligtümern dienten nun nicht mehr der Repräsentation von Bürgergemeinschaften, sondern der Selbstdarstellung monarchischer Herrscher.

1183 Mallwitz 1972, S. 128.

5 Zusammenfassung Die Stadtstaaten im archaischen und klassischen Griechenland brachten eine relativ homogene Gruppe von Denkmälern und Ritualen hervor, die der Kriegskommemoration diente und in den übrigen vormodernen Kulturen ohne Parallelen war. Mithilfe der in der Schlacht errungenen Beute wurden Dankesweihungen an die Götter getätigt, neue Formen der kultischen Verehrung etabliert und Waffenmäler errichtet. Zur Ehrung der im Kampf gefallenen Kombattanten wiederum schuf man monumentale Grabdenkmäler und institutionalisierte Opferrituale. Nirgendwo sonst wurden militärische Ereignisse vor der Gründung der modernen Nationalstaaten auf so vielfältige Weise und unter Beteiligung derart breiter Bevölkerungsschichten inszeniert. Sowohl die Entstehung als auch die Weiterentwicklung dieser Praktiken der politischen Kommunikation waren untrennbar mit der Geschichte der griechischen Polisgesellschaft verbunden. Im Rückgriff auf die am Beginn der Studie aufgeworfenen Fragen soll noch einmal resümiert werden, welche Abhängigkeiten in archaisch-klassischer Zeit zwischen der Geschichte der Poleis und ihren Kriegsdenkmälern bestanden.

Eine Geschichte der Kriegsdenkmäler in archaisch-klassischer Zeit Die Geschichte der griechischen Kriegskommemoration begann in der zweiten Hälfte des 8. Jhs. mit erbeuteten Waffen- und Rüstungsteilen, die im Anschluss an die Kampfhandlungen zum Dank für den errungen Sieg den Göttern übereignet wurden. Die gegenständlichen Weihungen waren zunächst kaum mehr als Schlachtfeldreliquien, die jedoch zusammen mit den Erinnerungen an den Krieg für die Nachwelt aufbewahrt wurden. Sie waren materielle Zeugnisse der historischen Ereignisse sowie der Ausdruck eines neuen kollektiven Selbstbewusstseins, welches aus dem gemeinschaftlichen Kampf einer größeren Bevölkerungsgruppe in der Phalanx resultierte. Das militärische Engagement der Hopliten führte in einem längeren, wechselseitigen Prozess auch zur Politisierung dieser Gruppe und zur Herausbildung der archaischen Polisgemeinschaften. Entsprechend nennen die Inschriften, welche ab dem 6. Jh. auf den Waffenweihungen angebracht wurden, jeweils das Kollektiv der Hoplitenbürger als Stifter. Dabei offenbart sich die Ausformung eines historisch begründeten Identitätsbewusstseins und das Bedürfnis nach einer bleibenden Dokumentation militärischer Erfolge. Das Anbringen von formelhaften Weihinschriften auf den Beutewaffen markiert somit den Übergang von Reliquien zu Kriegsdenkmälern und den beginnenden Prozess der Politisierung kultischer Praktiken.

https://doi.org/10.1515/9783110637113 005

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5 Zusammenfassung

Das Aufkommen der ersten Formen von Kriegskommemoration ist somit ein genuin griechisches Phänomen, das sich im Umfeld der Etablierung von Polisgesellschaften herausbildete. Hierbei werden bereits regionale Unterschiede deutlich, insofern die Weihung erbeuteter Waffen ein Indikator für das Ausmaß der bürgerlichen Beteiligung und den Fortschritt der Ethnogenese innerhalb des jeweiligen Stadtstaats ist. Die mittelgroßen Poleis mit schnell fortschreitender Binnenintegration nahmen eine gewisse Vorreiterrolle ein und mehrere Städte begannen mit der Kommemoration nach der Vertreibung ihrer Tyrannen. In den kleinasiatischen Griechenstädten blieb diese Praxis dagegen aus, weil sowohl die Kriegsbeute als auch die historische Erinnerung von den lydischen bzw. persischen Machthabern monopolisiert wurde. Eine allmähliche Emanzipation der Hopliten ist auch im Zusammenhang mit der kollektiven Bestattung gefallener Kombattanten greifbar. Ihre Beisetzung erfolgte nach dem Abschluss der Kampfhandlungen noch auf dem Schlachtfeld selbst. Mit den ab dem 7. bzw. 6. Jh. nachweisbaren Grabstelen und -hügeln ging man jedoch weit über die praktischen Notwendigkeiten hinaus und schuf erstmals monumentale Formen der Kriegserinnerung. Bereits in diesem frühen Stadium der Denkmälertradition finden sich Ansätze, den Tod des Individuums auf dem Schlachtfeld als Opfer für die politische Gemeinschaft zu abstrahieren. Vor diesem Hintergrund war nicht nur die Gruppe der Gefallenen als Ganzes, sondern auch der Name jedes einzelnen Kämpfers denkmalfähig. Monumente zur Ehrung der toten Kombattanten erlaubten es den Bürgern, ihre politische Teilhabe zu legitimieren und ihre gemeinsame Identität zu inszenieren. Parallel dazu setzte in der Mitte des 7. Jhs. die Weihung der ersten Schatzhäuser ein und etwa ein Jahrhundert später etablierte sich die Dedikation von Statuendenkmälern als Form der Kriegskommemoration. Die staatlich organisierte Sammlung und Veräußerung der Beute sowie die Stiftung aufwendiger Monumente bezeugen eine hohes Maß an Institutionalisierung und politischem Konsens über die Sinnhaftigkeit dieser Praxis. Die Weihdenkmäler waren in archaischer Zeit noch engen formalen Konventionen unterworfen – so durften Statuen beispielsweise nur den Kultinhaber abbilden –, aber sie lassen dennoch das steigende Bedürfnis nach beständigen und monumentalen Formen der politischen Repräsentation erkennen. Aufgestellt wurden die Beuteweihungen größtenteils in den panhellenischen Heiligtümern von Delphi und Olympia. Neben der Autorität dieser Kultplätze in Fragen der Kriegsführung war auch ihre Rolle bei der Austragung der zwischenstaatlichen Konkurrenz von zentraler Bedeutung. Der Wettstreit der aristokratischen Eliten im agonalen Bereich wurde nun auf die militärische Betätigung der Hoplitenbürger übertragen. Denn neben dem Verdienst von Siegerstatuen versuchten die jungen Stadtstaaten nun auch, einander im Bau von Kriegsdenkmälern zu übertreffen. In der Konkurrenz um die prominentesten Bauplätze und um die aufwendigsten Schatzhäuser kommen neue zwischenstaatliche Kommunikationsstrategien zum Ausdruck.

Eine Geschichte der Kriegsdenkmäler in archaisch-klassischer Zeit

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Der Übergang zum klassischen Zeitalter ist gekennzeichnet von der beginnenden Übernahme der Kriegskommemoration in die öffentlichen und sakralen Räume der Poleis selbst. Athen nahm hier eine Vorreiterrolle ein. Die Erinnerung an den Sieg über die benachbarten Boioter und Chalkidier im Jahr 507/6 war in erster Linie für die Abgrenzung gegenüber den Peisistratiden und für die Bestätigung der kleisthenischen Gesellschaftsordnung von Bedeutung. Das entsprechende Weihmonument wurde folglich nicht in Delphi, sondern auf der Athener Akropolis geweiht. Auch die Kommemoration durch Gedenkfeste ab spätarchaischer Zeit zielte in erster Linie auf die Integration der Bürgerschaft einer Polis bzw. einer Stammesgemeinschaft ab. Militärische Siege, die im Umfeld einer Erneuerung der innenpolitischen Strukturen errungen wurden, waren dabei von besonderer Bedeutung, insofern sie die neue Ordnung legitimieren oder nachträglich bestätigen konnten. Durch den Bau von Denkmälern bzw. die Einrichtung von Gedenkfesten wurde die gemeinschaftsbildende Wirkung dieser militärischen Erfolge perpetuiert und politisch nutzbar gemacht. Die Perserkriege markieren einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte der griechischen Kriegsdenkmäler. Die Kommemoration der Schlachten von Marathon, Thermopylai, Salamis und Plataiai löste zwar keine Innovationen aus, führte aber in vielerlei Hinsicht zu einer Weiterentwicklung der vorhandenen Erinnerungspraktiken. Die an mehreren Orten belegten Kultstiftungen für Götter mit den Epiklesen „Eleutherios“ und „Soter“ zeigen, dass den griechischen Politen angesichts der Bedrohung durch die einfallenden Perser ihre Freiheit und ihre politische Selbstständigkeit vergegenwärtigt wurden. Die Ereignisse von 480/79 führten also zu einer merklichen Steigerung des bürgerlich-demokratischen Selbstbewusstseins in den Städten des griechischen Mutterlands. Die Polis Athen stiftete darüber hinaus eine ganze Reihe von Gedenkfesten, die auf die Binnenintegration von verschiedenen sozialen Gruppen innerhalb des heterogenen Territoriums der Stadt abzielten. Im Rahmen dieser jährlichen Veranstaltungen wurde das identitätsrelevante Vergangenheitswissen durch Prozessionen, Opferhandlungen, Wettkämpfe, Reden und dramatische Inszenierungen für die Festgemeinde erlebbar gemacht. Das breite Bedürfnis nach der Kommemoration der Perserkriegsschlachten resultierte außerdem in der mit Abstand höchsten Konjunktur griechischer Weihdenkmäler. Den Dank an die Götter entrichteten die Mitglieder des Hellenenbundes entsprechend ihrer Vereinbarungen gemeinsam. Die Schiffs- und Statuenweihungen in den panhellenischen Heiligtümern von Delphi, Olympia und am Isthmos umfassten einen inschriftlichen Katalog der Kriegsteilnehmer, in dem die erfolgreiche Verteidigung Griechenlands als Errungenschaft gleichberechtigter Gemeinschaften von Hoplitenbürgern gewürdigt wurde. Die Anlage von Kriegsdenkmälern, welche nicht nur der Intention nach, sondern auch der Konzeption entsprechend panhellenisch waren, blieb in der griechischen Antike ein einmaliger Versuch. Viele Stadtstaaten ergänzten die Weihgeschenke des Hellenenbundes durch polisspezifische Beuteanatheme. Die große Menge an gleichzeitigen Denkmälerstiftungen

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5 Zusammenfassung

führte zu einer Aufweichung der ikonographischen Beschränkungen des archaischen Zeitalters. Statuarische Dedikationen mussten zwar weiterhin einen erkennbaren Bezug zum Kultinhaber bzw. -ort aufweisen, umfassten aber mit Bildnissen von Opfergaben, Heroen und Beutestücken bereits ein relativ großes Spektrum. Der Trend hin zur individuellen Selbstdarstellung einzelner Polisgemeinschaften intensivierte sich in der Zeit der Pentekontaetie. Insbesondere in Delphi stellten die griechischen Städte ihre mythogene Identität mit immer größeren und komplexeren Statuengruppen zur Schau. Aktuelle militärische Erfolge wurden mit den mythischen Schlachten vor Troja und Theben in Verbindung gebracht und so für ein panhellenisches Publikum lesbar gemacht. Die Vielfalt und Monumentalität der Dedikationen ist ein Indikator für die fest etablierten Polisstrukturen und für das steigende Bewusstsein im Bezug auf die spezifischen Verdienste der eigenen Bürgerschaft. Vor diesem Hintergrund ist auch die im Verlauf des 5. Jhs. stark zunehmende Verlagerung von Kriegsdenkmälern in den öffentlichen Raum der Stadtstaaten zu sehen. Kriegstote wurden zwar weiterhin auf dem Schlachtfeld beigesetzt und an dieser Stelle mit Monumenten geehrt, aber parallel dazu errichteten mehrere Polisgemeinschaften auch Kenotaphe in der Heimat. Im Umfeld der Agorai wurden die Gefallenen so zusammen mit den wichtigsten Göttern und Gründungsheroen der Bürgerschaft verehrt. Sie waren an dieser prominenten Stelle Bestandteil des öffentlichen Lebens und standen den Politen omnipräsent als handlungsleitende Vorbilder vor Augen. Ähnliche Implikationen gingen von den Hallen- und Denkmälerbauten in urbanen Zentren aus, die zumindest teilweise aus Beuteeinnahmen finanziert waren und deren Errichtung ebenfalls nach den Perserkriegen einsetzte. Eine Untersuchung einzelner Grabdenkmäler zeigt außerdem, dass die konkreten Bestattungsformen spezifische Merkmale der innenpolitischen Ordnung ihrer Stifterpoleis aufgriffen und so zur Akzeptanz und Konsolidierung derselben beitrugen. Das demokratische Athen ging in dieser Hinsicht einen bemerkenswerten Sonderweg. Anstelle des Baus von Kenotaphen begannen die attischen Hopliten nach der Schlacht von Marathon mit der Rückführung der Asche ihrer Gefallenen und der kollektiven Beisetzung in der Vorstadt. Nach Phylen getrennte Listen mit den Namen der Kriegstoten und öffentliche Grabreden ordneten das Opfer der Kombattanten in politische Zusammenhänge und in größere Narrative der Vergangenheitsdeutung ein. Auch diese Formen des historischen Gedenkens intendierten also, eine integrative und bestätigende Wirkung auf die Gemeinschaften der Hoplitenbürger zu evozieren. Darüber hinaus wurden durch die Würdigung von gefallenen Kombattanten anderer Poleisgemeinschaften aber durchaus auch die imperialen und hegemonialen Ambitionen des Attischen Seebunds zum Ausdruck gebracht. Die Häufung von Grabdenkmälern zur Erinnerung an Auseinandersetzungen in allen Teilen der griechischsprachigen Welt kündete unübersehbar von der militärischen Stärke und Überlegenheit des athenischen Staats. Die Spartaner dagegen, deren Gefallenenehrung stark auf die Bestätigung der hierarchischen Strukturen innerhalb der Polisgesellschaft abzielte, erhoben ihre Feldherrn (Leonidas,

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Pausanias, Brasidas) zu Heroen. Sie dienten den übrigen Hopliten als Vorbilder und die Erinnerung an ihre Taten legitimierte spätestens ab der zweiten Hälfte des 5. Jhs. den Anspruch der Lakedaimonier auf die Vorherrschaft in Griechenland. In der Zeit der Pentekontaetie kam schließlich auch die Aufstellung von Tropaia als ritueller Abschluss der Kampfhandlungen in Gebrauch. Der Grund für diese vergleichsweise späte Innovation dürfte darin liegen, dass die Weihung erbeuteter Waffen abriss und eine alternative Form der kultischen Danksagung im unmittelbaren Anschluss an die Schlacht gesucht wurde. Auch bei den Siegesmalen handelte es sich um eine genuin griechische Form des Denkmals, die eng mit dem spezifischen Charakter der Hoplitenschlacht verbunden war. Die Holzpfähle mit daran befestigten Waffen waren aber zunächst nicht für die langfristige Dokumentation und Kommemoration historischer Ereignisse geeignet. Vielmehr entwickelte sich das Motiv des Tropaions in der Literatur und Kunst schnell zu einem aussagekräftigen Symbol für die Sieghaftigkeit und Tugend von Gruppen bzw. später auch von Individuen. Mit dem Beginn der großen innergriechischen Auseinandersetzungen und der intensivierten Kriegsführung in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. kam es nochmals zu einigen Änderungen in der Kommemorationskultur der Hellenen. Der Fokus der Erinnerungsstiftungen verschob sich ab der Zeit des Peloponnesischen Kriegs von der Bestätigung innerer Strukturen auf die Manifestation außenpolitischer Ansprüche. Der Grund dafür ist in erster Linie in der intensiven Kriegsführung und im aggressiven Charakter der zwischenstaatlichen Konkurrenz zu suchen. In Delphi fanden sich weiterhin Beuteanatheme, welche mit mehrfigurigen Statuengruppen die heroischen Vorfahren und mythogenen Verdienste der jeweiligen Polisgemeinschaft würdigten. Daneben traten aber auch Dedikationen, mit denen die Stifterpoleis aufgrund des errungenen Sieges eine hervorragende politische bzw. religiöse Stellung in Griechenland einzunehmen versuchten. Bemerkenswert ist, dass dabei auch archaisierende Denkmälerformen wie Schatzhäuser oder Einzelstandbilder des Kultinhabers zum Einsatz kamen. Von besonderem Interesse ist die Nike des Paionios, welche die Messenier zu Beginn des Peloponnesischen Kriegs nach Olympia weihten, um ihren Sieg über die Spartaner und die Befreiung aus der Helotie zu würdigen. In der monumentalen Darstellung der allegorischen Personifikation kommt die zeitgenössische Auffassung von militärischer Überlegenheit als langfristigem Machtfaktor zum Ausdruck. Schließlich erfolgte durch das militärische Engagement der Athener und Spartaner im Ägäischen Raum nun auch eine Ausbreitung der mutterländischen Kommemorationspraktiken nach Kleinasien. Die veränderte Wahrnehmung des Phänomens „Krieg“ führte auch zur erstmaligen Errichtung eines monumentalen Tropaions durch die Thebaner nach der Schlacht von Leuktra. Der steinerne Rundbau, der mit einem bronzenen Waffenmal bekrönt war, sollte die militärische Überlegenheit und den Sieg des Hoplitenheeres unter Epameinondas für die Ewigkeit dokumentieren. Der Sieg über den vormaligen Hegemon ließ sich als Verdienst um die Freiheit der Griechen inszenieren und

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verlieh den Überlegenen ein hohes Maß an Autorität und Prestige auf zwischenstaatlicher Ebene. Die Monumentalisierung von Siegessymbolen ist ein Versuch, diese Errungenschaften langfristig zu dokumentieren und zu perpetuieren. Darüber hinaus begann sich die athenischen Tradition der öffentlichen Gefallenenehrung ab dem ausgehenden 5. Jh. auch in anderen Teilen von Hellas zu verbreiten. Mehrere Stadtstaaten in Mittelgriechenland und auf der Peloponnes adaptierten das System der Namenslisten zur Würdigung ihrer Kriegstoten in der Heimat. Diese Form der Kriegserinnerung erwies sich dabei als anpassungsfähig und wurde gleichermaßen von Polisgemeinschaften mit demokratischen wie mit oligarchischen Staatsordnungen übernommen. Außerhalb Attikas gibt es spätestens ab der Zeit des 4. Jhs. auch Hinweise auf die Rückführung der Gebeine und die Beisetzung der Kriegstoten in der heimatlichen Erde. Die gefallenen Kombattanten wurden im öffentlichen Leben der Polis als handlungsleitende Vorbilder gewürdigt und dienten gleichzeitig der Bestätigung derjenigen Staatsordnung, für die sie gestorben waren. Schließlich nutzten die Bürgerschaften das historische Gedenken in Form von Fest- und Kultstiftungen bzw. Bauten und Denkmälern, um sich und ihre Verbündeten von der eigenen militärischen Leistungsfähigkeit und einer herausragenden Stellung innerhalb der Symmachie bzw. der griechischen Staatenwelt zu überzeugen. Die Kommemoration im Territorium der Stadtstaaten bewegte sich dabei formal in den etablierten Bahnen. Eine entscheidende Neuerung ist lediglich die Verwendung von Ehrenstatuen zur Würdigung einzelner Feldherrn. Insbesondere die Anforderungen der komplexer werdenden Kriegsführung trugen zur steigenden Bedeutung dieser Einzelpersonen in der stadtstaatlichen Repräsentation und Kommemoration bei. Das Nauarchenmonument der Spartaner in Delphi erwies sich dabei als richtungsweisend für den Übergang zum hellenistischen Zeitalter. Hier wurden erstmals lebende Personen abgebildet und die Tradition der „mythogenen Verschlüsselung“ zeitgenössischer Ereignisse offen durchbrochen. Der Heerführer Lysandros selbst wurde durch die bildhafte Interaktion mit den Göttern weiter erhöht. Auf diesen am Ende des 5. Jhs. erstmals belegten Formen des Personenkultes in der griechischen Welt, sollte später die Selbstdarstellung der hellenistischen Monarchen aufbauen, welche die politische Entscheidungsgewalt und das Amt des Feldherrn in einer Person vereinigten. Nach dem Sieg Philipps II. bei Chaironeia und der Integration Griechenlands in den makedonischen Machtbereich änderte sich nicht nur die politische Situation der griechischen Stadtstaaten, sondern auch ihre Praktiken der Kriegskommemoration. Weihdenkmäler im Namen einzelner Polisgemeinschaften blieben nach 338 weitestgehend aus. Die Gründe dafür waren einerseits, dass die hellenistischen Könige sowohl die Heeresführung als auch die Beute für sich beanspruchten, und andererseits, dass sich den Bürgerschaften nur noch wenige Gelegenheiten – wie etwa beim Einfall der Gallier 279 – zur eigenständigen Kriegsführung auf überregionaler

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Ebene boten.1184 Ebenso riss die Ehrung der Gefallenen durch Namenslisten ab, und auch die Zahl der übrigen Grabdenkmäler ging zurück, weil aus dem Kriegstod keine Verpflichtung und kein politisches Kapitel mehr für die Bürgerschaften abgeleitet werden konnte. Gedenkfeste dagegen wurden als Möglichkeit zur Inszenierung der stadtstaatlichen Identität oder der Nähe zum König weiter zelebriert. Überhaupt bewegte sich die Kriegskommemoration fortan in einem bemerkenswerten Spannungsfeld zwischen monarchischer Herrschaft und lokalen Interessen. Monumentale Tropaia wiederum erreichten erst in römischer Zeit ihre Blüte, als sie zur Artikulation von Territorial- und Herrschaftsansprüchen römischer Feldherrn und Kaiser genutzt werden konnten.

Die Polis als Sieger Die diachrone Betrachtung der Kommemorationspraktiken hat vielfach gezeigt, dass im antiken Griechenland ein enger Zusammenhang zwischen Kriegserinnerung und Ethnogenese bestand. Der vielleicht deutlichste Ausweis dieser Wechselbeziehung ist die Tatsache, dass in archaisch-klassischer Zeit nahezu ausschließlich Polisgemeinschaften – d.h. Gruppen von Bürgern, die sich selbst mit ihrer Kollektivbezeichnung (Athenaioi, Lakedaimonoi usw.) identifizierten – als Stifter von Kriegsdenkmälern auftraten. Monumente, welche aus einem privaten Engagement oder aus dem Zusammenschluss mehrerer Stadtstaaten resultierten, blieben (bemerkenswerte) Ausnahmen. Die Gestaltung der Denkmäler und Rituale ging in der Regel auf einen Beschluss der entscheidungstragenden Gremien, in den meisten Fällen wohl der Volksversammlung, zurück. Da die ganze Gemeinschaft am Gestaltungsprozess der Denkmäler beteiligt war, musste die Erinnerung konsensfähig sein und bot keinen Platz für individuelle Ansprüche auf militärische Leistungen. Die Gemeinschaft der Politen war wiederum auch der wichtigste Adressat der Erinnerungsstiftungen. Die meisten Monumente zielten auf die Selbstvergewisserung und Konsolidierung der entsprechen Bürgergemeinschaft und ihrer staatlichen Ordnung ab. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Kriegserinnerung im Dienste der Legitimierung und der Perpetuierung politischer Verfassungen stand. An verschiedenen Beispielen konnte gezeigt werden, dass diese Mechanismen nicht nur in Polisgemeinschaften, sondern auch in anderen ethnischen Gruppen und auf der Ebene bundesstaatlicher Vereinigungen zum Tragen kamen. Die Kriegskommemoration wirkte sich noch vor einem anderen Hintergrund stabilisierend auf die politischen Gemeinschaften aus. Die Erinnerung an siegreiche

1184 Auf lokaler Ebene wurden die zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen freilich ebenso fortgesetzt wie die archaisch klassische Tradition des griechischen Milizwesens. Vgl. dazu Ma 2000.

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Schlachten wurde – anders als in der Römischen Republik – in der Regel vom Demos monopolisiert und nur in Einzelfällen mit der Person des Feldherrn verbunden. Die weitestgehende Vereinnahmung der Kommemoration durch das Volk grenzte die Möglichkeiten zur individuellen Selbstdarstellung konkurrierender Aristokraten ein und zwang diese zur militärischen Betätigung im Sinne der Bürgerschaft. Die Angehörigen der gesellschaftlichen Eliten mussten im Rahmen institutionalisierter Ämter handeln und Kriege führen, die von der Hoplitenphalanx mitgetragen wurden, d.h. deren Durchführung in der Volksversammlung mehrheitsfähig war. Die Konkurrenzkämpfe der Aristokratie verlagerten sich daher in einem gewissen Maß von innenpolitischen Fehden auf die Betätigung in zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen, sei es in militärischer oder in agonaler Form. Die Anwendung der Phalanxkampfweise und die Kriegskommemoration im Namen der Hoplitengemeinschaft förderten so auf ganz praktische Weise die kooperativen Werte der Bürgerschaft gegenüber den kompetitiven Werten der Aristokratie. Auf der anderen Seite sollte man aber auch nicht außer Acht lassen, dass der integrierende Charakter der Erinnerungskultur eine abgrenzende Wirkung nach außen gehabt haben muss. Bei der Pflege ihres kollektiven Gedächtnisses grenzten sich die Hoplitenbürger nicht zuletzt auch gegenüber Mitmenschen innerhalb der eigenen politischen Gemeinschaft ab. Neben Frauen, Nichtbürgern und Unfreien blieben insbesondere auch spezialisierte Truppenteile und Söldner hinter dem erinnerungspolitischen Monopol der Hopliten zurück. Für die Initiatoren der Kriegserinnerung dürfte aber die Abgrenzung gegenüber anderen griechischen Stadtstaaten von größerem Interesse gewesen sein. Dieser Aspekt kam insbesondere bei Kriegsdenkmälern in den panhellenischen Heiligtümern und auf den extraurbanen Schlachtfeldern zum Tragen, wo die Politen ihre militärischen Erfolge nutzen, um sich innerhalb der zwischenstaatlichen Konkurrenz zu positionieren. Die Monumente waren somit in die kompetitiven Kommunikationsformen der archaischklassischen Staatenwelt eingepasst. Schlachtfelder, wie die Ebene von Marathon, und die Vorplätze der panhellenischen Tempel wurden durch die kontinuierliche Stiftung von Kriegsdenkmälern zu „Archiven“ bzw. „Museen“ der militärischen Erinnerungen. Die Kriegskommemoration hat also das materielle Erscheinungsbild der griechischen Welt maßgeblich mitgestaltet. Welche Ereignisse wurden kommemoriert? Prinzipiell war in den antiken Stadtstaaten jede Schlacht erinnerungswürdig und rudimentäre Formen der Erinnerungsstiftung, wie die Weihung einzelner Beutestücke oder die Beisetzung der Toten, wurden wohl nach allen (siegreichen) Kampfhandlungen vollzogen. Darüber hinaus lassen sich aber bestimmte historische Konstellationen identifizieren, bei denen für die Denkmalstiftung ein größerer Aufwand betrieben wurde. Dies sind erstens Siege im Umfeld innenpolitischer Neuordnungen, zweites prestigeträchtige Siege gegen nichtgriechische Feinde oder hellenische Vormächte und drittens erfolgreiche Verteidigungen gegen einfallende Gegner. Hierbei ist eine klare Präferenz für Defensivschlachten erkennbar. Gerade in diesen Fällen war die Kommemoration der Kriegsereignisse dazu

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prädestiniert, die Bürgerschaft gegen äußere Feinde abzugrenzen und auf diese Weise zur Stiftung eines gemeinsamen Identitätsbewusstseins beizutragen. Die Erinnerungsfiguren, in die das historische Wissen eingebunden wurde, waren in der Regel durch die religiöse Auffassung und das mythogene Geschichtsbewusstsein der griechischen Politen vorgegeben. Spätestens seit der Zeit der Pentekontaetie, als sich Mittel zur Darstellung komplexer Bildprogramme herausgebildet hatten, wurden mithilfe der Denkmäler Kontinuitäten zwischen zeitgenössischen Ereignissen und Kriegen in der mythischen Vergangenheit – auf polisübergreifender Ebene sind hier speziell die Feldzüge nach Theben und Troja zu nennen – konstruiert. Auf diese Weise wurden die Ereignisse in einer heroischen und für jeden antiken Betrachter verständlichen Art gedeutet. Wie funktionierte die Erinnerungsstiftung mithilfe von Kriegsdenkmälern? Die Monumente verbürgten die mit ihnen verknüpften Erinnerungen durch ihre Materialität, ihre Präsenz und häufig auch durch ihren Standort. Die Nähe zum Schlachtfeld bzw. zu Heroengräbern und Göttertempeln konnte der Vergangenheitsrekonstruktion zusätzliche Autorität und Sanktionierung verleihen. Ergänzend dazu schuf die Polis institutionalisierte Gelegenheiten zur kollektiven Begehung und rituellen Interaktion mit den Denkmälern bzw. Kultinhabern. Dabei wurde das historische Geschehen durch dramaturgische Inszenierungen und agonale Elemente (emotional) erlebbar gemacht. Durch die obligatorische Teilnahme aller Bürger, und insbesondere der Epheben, wurden bei diesen Veranstaltungen die Weitergabe des identitätsrelevanten Vergangenheitswissens und die Vermittlung normativer Werte an die nachfolgenden Generationen von Hoplitenbürgern sichergestellt. Das eingangs vorgestellte Konzept Assmanns vom kulturellen Gedächtnis muss vor diesem Hintergrund mit Blick auf das antike Griechenland in einigen Punkten modifiziert werden. Wie bereits ausgeführt, sollte den Kategorien der textuellen und rituellen Kohärenz eine weitere als „materiell“ bezeichnete hinzugefügt werden. Bei der Vergegenwärtigung historischer Erinnerungen durch Kriegsdenkmäler spielte die zeremonielle Einbindung der Monumente eine wichtige Rolle. Aber auch außerhalb der feierlichen Begehungen und rituellen Interaktionen konstituierten die Denkmäler ein Kommunikationsangebot. Sie waren im öffentlichen Raum uneingeschränkt verfügbar, omnipräsent und selbstredend. Jeder Betrachter, der mit den verwendeten Symbolsystemen des griechischsprachigen Kulturkreises vertraut war, konnte sich mit dem Deutungsangebot des vor ihm stehenden Monuments auch ohne die Hilfe weiterer Inszenierungen auseinandersetzen. Damit verbunden ist ein weiteres Spezifikum griechischer Kommemorationsformen. Die Medien der kollektiven Erinnerung wurden in den hellenischen Stadtstaaten nicht (nur) durch professionalisierte Spezialisten eingerichtet und gepflegt. Bei kultischen Ritualen wie Weihungen und Opfern trugen, ebenso wie im alten Ägypten, Priester die Verantwortung. Im klassischen Griechenland handelte es sich bei diesen Personen aber keineswegs um professionelles Kultpersonal, sondern in aller Regel um Laien. Entscheidend für den Charakter und die Wirkung der

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Kriegserinnerung war auch, dass deren Einrichtung und Pflege auf einen kollektiven Beschluss der Bürgerschaft zurückgeht und das bei jeder kultischen Handlung städtische Beamte anwesend waren oder sogar ihre Durchführung leiteten. Die Gestaltungshoheit und Aktualisierung der Denkmäler lag also weitestgehend in der Hand des Demos. Schließlich umfasste das kollektive Gedächtnis der Griechen aufgrund der Möglichkeiten schriftlicher Überlieferung – sei es in literarischer oder in epigraphischer Form – nicht nur die oral tradierten Gründungsmythen, sondern durchaus auch Erinnerungen an historische Ereignisse. Die Deutung der erlebten Vergangenheit mithilfe von Motiven aus der mythogenen Tradition, wie sie in den Bildprogrammen greifbar ist, führte zu einer einzigartigen Verschmelzung der beiden Sphären. Gab es eine einheitliche Kultur der Kriegskommemoration im antiken Griechenland? Angesichts der übereinstimmenden politischen Bedürfnisse, die an die Bewahrung des Wissens über militärische Konflikte geknüpft waren, sowie der vergleichbaren Gestaltungsmittel, mit denen sie inszeniert wurden, ist es angemessen, von einer einheitlichen Kultur der Kommemoration in archaisch-klassischer Zeit zu sprechen. Im Rahmen eines festen Denkmälerkanons nutzten die griechischen Poleis die ikonographischen und praktischen Gestaltungsmöglichkeiten, um das jeweilige Schlachtgedenken ihren aktuellen innen- und außenpolitischen Bedürfnissen anzupassen. Unter den vormodernen Kulturen konstituiert die griechische Staatenwelt mit ihren frühen Bürgergesellschaften daher eine Ausnahme, die eine Sonderform des kulturellen Gedächtnisses hervorgebracht hat. Die charakteristische Kriegserinnerung im archaisch-klassischen Griechenland ist ein Produkt der in der Vormoderne einzigartigen Konstellation, dass politische Handlungsträger, Staatsbürger und Soldaten ein- und derselben Personengruppe entstammten. Da sich der Anspruch auf politische Teilhabe in den Polisgesellschaften aus der militärischen Betätigung der Bürger ableitete, war die Kriegserinnerung bei der Etablierung kollektiver Identitäten von zentraler Bedeutung. Die Mitbürger in der Volksversammlung waren immer auch Kombattanten auf dem Schlachtfeld und die Entscheidung, Krieg zu führen, resultierte aus einem kollektiven Beschluss. Das Selbstverständnis der Gruppe von Hoplitenbürgern beruhte daher wesentlich auf den gemeinsamen militärischen Erfahrungen und Erfolgen. Welche Bedeutung hatten die Kriegsdenkmäler in der griechischen Gesellschaft? Der Militärhistoriker Hans Van Wees hat dazu einmal geschrieben: „For all the accounts and images of war in art and literature, for all the temples littered with dedications of booty and victory monuments, the impact of war on Greek society was rather limited.“1185 Die Aussage ist vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Arbeit nicht mehr haltbar. Schon der große künstlerische und materielle

1185 Van Wees 2007, S. 273.

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Aufwand, welcher zur Inszenierung von Kriegserinnerungen betrieben wurde und die prominenten Aufstellungsplätze der Denkmäler sprechen gegen diese Schlussfolgerung. Vergangene Kriege waren zumindest in Form von Erinnerungen im öffentlichen Leben der Poleis und in den Heiligtümern omnipräsent. Sie waren ein konstitutiver Bestandteil der bürgerlichen und stadtstaatlichen Identität jedes Griechen. Kriegsdenkmäler leisteten somit einen entscheidenden Beitrag zur Herausbildung, zur Legitimation und zum Fortbestand der Polisgemeinschaften. Man kann sogar noch weiter gehen. Die Tatsache, dass der kriegerischen Betätigung für die Ausbildung des politischen Selbstbewusstseins eine so zentrale Rolle zukam, hatte weitreichende Folgen. Wenn soziopolitische Gruppen sich neben der gemeinschaftlichen Kultausübung insbesondere durch gemeinsam errungene Erfolge auf dem Schlachtfeld definieren, ist das kollektive Bedürfnis nach militärischer Bestätigung eine logische Konsequenz. Vor diesem Hintergrund ist die häufig getroffene Feststellung, dass die hellenischen Kleinstaaten in klassischer Zeit praktisch dauerhaft miteinander im Krieg lagen, kaum noch erklärungsbedürftig. Das Zelebrieren und Austragen außenpolitischer Feindschaften bestätigte die politischen Gruppen nach innen und stärkte nachhaltig das Selbstbewusstsein der Politen. Die Geschichte der archaisch-klassischen Kriegsdenkmäler ist somit nicht nur aufs Engste mit der Entwicklung der hellenischen Stadtstaaten verknüpft, sondern die Monumente haben umgekehrt wohl auch den Lauf der griechischen Geschichte maßgeblich mit beeinflusst.

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias Unter den Quellen zur Erforschung der klassischen Kriegserinnerung nimmt Pausanias eine zentrale Rolle ein. Er überliefert uns die einzige systematische Zusammenstellung von Denkmälern im antiken Griechenland. Da er in vielen Fällen sowohl den Standort der Monumente als auch deren Aussehen und Stiftungsanlass – d.h. breitere Informationen als jede andere Quellengattung – überliefert, sind seine Angaben für die Identifikation und Rekonstruktion einzelner Kriegsdenkmäler von unschätzbarer Bedeutung. Freilich liegt zwischen der Stiftung der Denkmäler und Pausaniasʼ Beobachtungen eine zeitliche Differenz von bis zu 650 Jahren. Die Verwendung der kaiserzeitlichen Reisebeschreibungen als historische Quelle ist daher aus methodischer Sicht problematisch und muss hinterfragt werden.

6.1 Pausanias als Quelle Die griechischen Reisebeschreibungen des Pausanias sind unter den Hinterlassenschaften periegetischer Literatur aus der Antike bei weitem das umfangreichste Zeugnis. Sie dokumentieren detailliert die hellenischen Kulturlandschaften des 2. Jhs. n. Chr. aus eigener Anschauung. Von der historischen Person des Pausanias haben wir aber nur wenig Kenntnis.1186 Da die Reisebeschreibungen nach ihrer Aufzeichnung Jahrhunderte lang eines geeigneten Publikums entbehrten, wurden in Antike und Mittelalter – über den Namen des Autors hinaus – keine Informationen überliefert.1187 Einige Eckdaten seiner Biographie konnten aber aufgrund des intensivierten Forschungsinteresses seit der 2. Hälfte des 20. Jhs. zuverlässig rekonstruiert werden.

1186 Die These, dass der Perieget mit dem homonymen Pausanias von Damaskus (belegt in Kon stantinos Porphyrogennetos, De thematibus 1,2) identisch ist, konnte nachhaltig widerlegt werden. Dazu Diller 1955, S. 276 278. Zu beachten sind die Überlegungen von Frateantonio 2009, S. 157 160 zu den Syrien Referenzen in der Periegese. Da die Nennungen allerdings sehr vage (auf ganz Syria bezogen), immer nur im Rahmen einer Aufzählung und in Vergleichen nie als „erstrangig“ erschei nen, scheiden sie als vermeintlich patriotische Bezüge zur Heimat des Autors definitiv aus. 1187 Bis in die frühe Neuzeit hinein wurde Pausanias nur durch Stephanos von Byzanz (6. Jh. n. Chr.) nachweislich rezipiert, dem wir die Kenntnis des Autorennamen verdanken. Die byzantini schen Exzerpte (80 Stellen) befassen sich allerdings nicht mit der Person des Autors, sondern mit dem bei Pausanias überlieferten Namenmaterial griechischer Städte. Vgl. Habicht 1985, S. 13. Biller beck 2017, S. 157 postuliert, dass Steph. Byz. die Periegese direkt benutzte und als deren „Wieder entdecker“ in Konstantinopel gelten darf. Für die Diskussionen um eine mögliche Rezeption in der Antike werden vier Stellen herangezogen, von denen sich allerdings keine zweifelsfrei mit Pausa nias Text verbinden lässt: Ail. var. 12, 61; Philostr. Ap. 6, 10 11; Poll. 7, 37; Longus, Daphnis et Chloe 2, 25, 4 26, 1. Dazu zuletzt: Bowie 2001, S. 29 31. https://doi.org/10.1515/9783110637113 006

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6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Leben und Werk Pausanias‘ Herkunft lässt sich indirekt aus dem Text seiner Reisebeschreibungen erschließen. Seine häufigen Erwähnungen und detaillierten Kenntnisse des lydischen Sipylosgebirges, welches er auch einmal als „unsere Gegend“ (παρ’ ἡμῖν) bezeichnet, verraten dem aufmerksamen Leser seine Heimat.1188 Da Pausanias gute Schulen besucht haben muss, kann er seine Jugend nur im Hauptort der Region, in der Stadt Magnesia am Sipylos oder sogar in einem der größeren kaiserzeitlichen Bildungszentren (Smyrna, Ephesos, Pergamon, Athen) verbracht haben.1189 Auch für Aussagen über Pausanias` Lebenszeit finden sich ausreichend Hinweise in seinen Reisebeschreibungen. Er datiert die Niederschrift des Textes einmal auf 217 Jahre nach der Neugründung Korinths durch Iulius Caesar, d.h. auf 174 n. Chr.1190 Aufgrund weiterer datierbarer Hinweise in der Periegese nimmt Habicht an, dass die Abfassung der Reisebeschreibungen etwa in die 20 Jahre zwischen 155 und 175. n. Chr. fiel.1191 Die Geburt des Periegeten setzt er um das Jahr 115 herum an, da Pausanias bemerkt, dass er keine bewusste Erinnerung an Antinous, den 130 n. Chr. im Nil ertrunkenen Liebling Hadrians, hat.1192 Mit der geschlossenen Aufzeichnung seiner Berichte begann er also im erwachsenen Alter von 40 Jahren, als er – seinen Kenntnissen nach zu urteilen – bereits große Teile der bekannten Welt (das griechische Mutterland, Thessalien, die ägäischen Inseln, Westkleinasien, Zentralanatolien, Syrien und Palästina, Ägypten und darüber hinaus auch Mittel- und Unteritalien) selbst bereist hatte.1193 Diese ausgiebigen Unternehmungen sind ein Hinweis darauf, dass Pausanias einer finanzstarken Familie entstammte, welche der städtischen Elite in der Provinz Asia angehörte.1194 Diese Reisen waren auch die Grundlage seines literarischen Werkes, dessen in Testimonien überlieferter Titel περιήγησις ῾Ελλάδος lautet und vielleicht am ehesten mit „Führung durch Griechenland“ zu übersetzen ist.1195 Das Material ist geographisch geordnet und in zehn Bücher entsprechend der griechischen Landschaften

1188 Habicht 1985, S. 25 28 mit Verweis auf Paus. 5, 13, 7 (Zitat). Weitere Erwähnungen: 1, 20, 5; 1, 21, 3; 1, 24, 8; 2, 22, 3; 3, 22, 4; 6, 22, 1; 7, 24, 13; 7, 27, 12; 8, 2, 7; 8, 17, 3; 8, 38, 10; 10, 4, 6. 1189 Habicht 1985, S. 26 für Magnesia; Bowie 2001, S. 26 für eine größere Stadt. Vgl. Jones 2004, S. 15 21. 1190 Paus. 5, 1, 2: Κορίνϑιοι μὲν γὰρ οἱ νῦν νεώτατοι Πελοποννησίων εἰσί, καὶ σϕισιν, ἀϕ’ οὗ τὴν γῆν παρὰ βασιλέως ἔχουσιν, εἴκοσιν ἔτη καὶ διακόσια τριῶν δέοντα ἦν ἐς ἐμέ. 1191 Habicht 1985, S. 21 23. Zur gleichen Datierung gelangt Bowie 2001, S. 21 22 mit leicht variier enden Argumenten. 1192 Habicht 1985, S. 24 mit Bezug auf Paus. 8, 9, 7. Vgl. Ebd., S. 180 185. 1193 Eine Liste der Belegstellen findet sich bei Frazer 1913, S. XX XXII. 1194 Habicht 1985, S. 28 29. Er vermutet darüber hinaus auch, dass Pausanias das römische Bür gerrecht inne hatte. 1195 Zu den Stephanos Testimonien: Habicht 1985, S. 17, Fn. 28; Regenbogen 1856, Sp. 1010. Zum Titel und der antiken Verwendung des Begriffs περιήγησις Tzifopoulos 2013, S. 151 155.

6.1 Pausanias als Quelle

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aufgeteilt.1196 Die Aufzeichnungen folgen dabei einem gewissen Grundmuster: sternförmig ausgehend vom Hauptort der jeweiligen Region widmet sich der Text nacheinander der Beschreibung einzelner Poleis, die in der Regel aus drei Teilen besteht. Einführend erzählt er die Geschichte des jeweiligen Stadtstaates anhand der dort ansässigen Herrscherdynastien, beginnend meist mit den mythischen Gründern, sowie einem Abriss der wichtigsten Kriegstaten. Den Hauptteil bildet dann eine Darstellung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten – d.h. Monumente, Kulte, Bauten ebenso wie Naturdenkmäler – in dem Ort selbst sowie in dessen direkter Umgebung. Unterbrochen wird dieses Erzählmuster durch längere historiographische Partien, die sich ebenfalls auf einzelne Regionen beziehen, aber Ereignisse von überregionaler Bedeutung behandeln. Er selbst betrachtet sein Werk als eine Auswahl von λόγοι (Geschichten) und ϑεωρήματα (Sehenswürdigkeiten).1197 Die beiden Begriffe verraten die Ambivalenz des Werkes, welches einerseits als historische Monographie zu heterogen und andererseits als Reiseführer nicht prägnant genug ist.1198 Bei dem Gesamtwerk handelt es sich aber keineswegs um eine bloße topographisch geordnete und um historiographische Hintergrundinformationen erweiterte Wiedergabe von Reise-Erinnerungen. Sowohl die inhaltlichen Querverbindungen über Buchgrenzen hinweg, als auch die geschickte Platzierung der touristischen Zentren1199 und die ausgewogene Verteilung der narrativen Partien verraten, dass die „Beschreibung Griechenlands“ ein sorgfältig geplantes, literarisches Kunstwerk ist.1200 Die Tatsache, dass Pausanias seine Ausführungen auf Griechisch verfasste, belegt, dass er sich mit dem Werk an ein griechisch-sprachiges Publikum wandte, das jedoch nicht ausschließlich aus Griechen bestanden haben muss.1201 Seine (potentielle) Leserschaft waren griechisch-sprachige Menschen in der gesamten antiken Welt, welche die

1196 Die weitestgehende Beschränkung auf das griechische Festland und die Peloponnes unter Auslassung der griechischen Stadtstaaten auf den ägäischen Inseln, in Nordwestgriechenland, Kleinasien, Sizilien, dem Schwarzmeergebiet und der Kyrenaika entspricht der antiken Definition des Begriffs „Hellas“ und ist nicht weiter erklärungsbedürftig. Vgl. Habicht 1985, S. 16 19. Ebd. auch zu der (in der aktuellen Forschung verneinten) Frage nach weiteren, nicht erhaltenen Bü chern und der Vollständigkeit des überlieferten Textes. In jüngerer Zeit wurde lediglich das Fehlen einer Einleitung nochmals in Frage gestellt: Bowie 2001, 27 28. 1197 Paus. 1, 39, 3. Zu Inhalt und Methode der historiographischen Partien des Werkes: Habicht 1985, S. 93 126. 1198 In der Fülle an Informationen ist es selbst für den modernen Reisenden mit einer übersicht lich gestalteten Buchausgabe des Textes noch nahezu unmöglich, auf Anhieb die Beschreibung eines bestimmten antiken Monuments ausfindig zu machen. 1199 Pausanias beginnt mit Athen in Buch 1, beschreibt Olympia in den mittleren Büchern 5/6 und schließt sein Werk mit Delphi in Buch 10 ab. 1200 Elsner 2001, S. 5 8. Zu den Querverbindungen auch Habicht 1985, S. 103. Außerdem hat Whittaker 1991, S. 179 180 gezeigt, dass Pausanias einige von ihm kopierte Inschriften innerhalb des Gesamtwerkes strategisch positioniert, und zwar unabhängig von ihrem Standort. 1201 Während er bei 2, 15, 4 und 10, 17, 3 eindeutig an die Kenntnisse griechischer Mitbürger ap pelliert (ἴσασιν ῞Ελληνες ὅτι . . . ), liefert er an anderen Stellen Erklärungen über griechische

278

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Begeisterung des Autors für das kulturelle Erbe von Hellas teilen konnten. Seine Intention – soweit er sie erkennen lässt – bestand eben in der Behandlung alles Griechischen (πάντα τὰ ῾Ελληνιϰὰ), wobei er mehrfach betont, jeweils die denkwürdigsten Dinge (τὰ ἀξιολογώτατα) ausgewählt zu haben.1202 Die Selektion dessen, was Pausanias für besonders wertvoll erachtete, erfolgte dabei natürlich nicht unvoreingenommen und zufällig. Bei der Lektüre fallen zunächst die Beschreibungen von Merkwürdigkeiten – wie dem mumifizierten Hopliten im Dachstuhl des olympischen Heratempels – auf, welche an vielen Stellen die Faszination und Erzählfreude des Periegeten wecken.1203 Darüber hinaus lässt er sich bei der Auswahl seines Stoffes einerseits von einer persönlichen Vorliebe für sakrale Denkmäler und andererseits von einer tiefgehenden Bewunderung für „klassische“ Werke leiten.1204 Bezeichnenderweise umfassen seine Reisebeschreibungen daher kaum ein Gebäude, Denkmal oder Kunstwerk, welches nach dem 3. Jh. entstand. Die in den historiographischen Passagen beschriebenen Kriege bieten von dieser „Regel“ übrigens keine Ausnahme. Die wichtigsten, mehrfach behandelten Kriegsereignisse sind: der Trojanische Krieg, die Perserkriege, der Peloponnesische Krieg, die Schlacht von Chaironeia, der Lamische Krieg sowie die Abwehr der Kelteninvasion.1205 In der Auswahl und Bewertung seiner Untersuchungsgegenstände zeigt sich Pausanias' Sehnsucht nach der griechischen ἐλευϑερία (Freiheit), die in Geschichten und Denkmälern weiter fortzuleben scheint.1206 Der Autor entspricht damit dem intellektuellen Geschmack seiner Zeit, in der Rückbezüge auf die ferne Vergangenheit der hellenischen Stadtstaaten einen festen Platz in der Selbstdarstellung lokaler Eliten hatten. Die Auseinandersetzung mit der als klassisch verstandenen, griechischen Geschichte entsprach dem Bildungsideal der frühen und mittleren Kaiserzeit. Die bedeutendsten Vertreter dieser Denkrichtung gehörten der sogenannten Zweiten Sophistik an und taten sich insbesondere in der öffentlichen Deklamation hervor.1207 Viele dieser Redner gehörten

Eigenarten, die nur für Außenstehende von Interesse sein konnten. Dazu: Habicht 1985, S. 37 39 mit Bezug auf Paus. 5, 17, 6; 2, 16, 4; 9, 36, 7. Vgl. Heer 1979, S. 26 28. 1202 Paus. 1, 26, 4 und 8, 54, 7; vgl. 1, 39, 3; 3, 11, 1. 1203 Diese Geschichte erzählt Pausanias gleich zweimal kurz hintereinander: 5, 20, 4 und 5, 27, 11. 1204 Frazer 1913, S. XXXIII XXXV; Regenbogen 1956, Sp. 1090; Habicht 1985, S. 34 35; 133 136; Kreilinger 1997; Hutton 2005a. Zu den religiösen Implikationen der Reisetätigkeit Elsner 1992; Heer 1979, S. 127 314. Frateantonio 2009, bes. S. 52 133 hat gezeigt, dass der Auswahl sakraler Denkmä ler ein weiterer Selektionsmechanismus zugrunde liegt. Pausanias setzt die Beschreibungen religiö ser Denkmäler und Überlieferungen gezielt als Wertmaßstab für seine Beurteilung der griechischen Poleis bzw. der griechischsprachigen Ethnien ein. 1205 Zur Kriegsgeschichte bei Pausanias: Akujärvi 2005, S. 181 291. In der Tatsache, dass Pausa nias überwiegend Kriege gegen äußere Feinde thematisiert, sieht Alcock das Bestreben, eine genuin griechische Identität nach außen abzugrenzen: Alcock 1996, S. 257 260. 1206 Habicht 1985, S. 101 108. 1207 Der Begriff „Zweite Sophistik“ wurde bereits in der Antike von Philostratos geprägt (Philostr. soph. 1 pr. 481), ist aber weiterhin umstritten. Dazu: Brunt 1994. Zur Deklamation: Russell 1983, bes. S. 106 123.

6.1 Pausanias als Quelle

279

der Führungsschicht ihrer Provinz an und treten uns in der Überlieferung auch als Senatoren und Euergeten ihrer Städte entgegen.1208 Ob Pausanias neben seiner literarischen Arbeit selbst als Redner, Lehrer oder Politiker tätig war, entzieht sich unserer Kenntnis. Von den Einflüssen der Zweiten Sophistik war der Perieget aber keineswegs unberührt. Nicht nur thematisch, sondern auch stilistisch folgt er ihrem Ideal und bemüht sich um attisches Griechisch sowie um größtmögliche Variation.1209 Darüber hinaus drängte das Interesse an der griechischen Vergangenheit die Angehörigen der Oberschicht – nicht zuletzt auch nach dem Vorbild der römischen Kaiser – zu ausgedehnten Reisen an die historischen Orte und Heiligtümer im östlichen Mittelmeerraum.1210 Beständiger Frieden und wirtschaftliche Prosperität in den griechischsprachigen Provinzen schufen dafür optimale Voraussetzungen. Hier muss Pausanias sein potentielles Publikum gesehen haben: eine gebildete Oberschicht, die nicht nur auf Reisen, sondern auch beim intellektuellen Austausch in der Heimat (vielleicht auch für Deklamationen) Bedarf an den Erläuterungen des hellenischen Kulturgutes hatte. Die Forschung hat darüber hinaus gezeigt, dass der Perieget sich auf seinen Reisen selbst in den höheren Kreisen der Gesellschaft bewegte und dass dort sein soziales Umfeld zu suchen ist.1211 In seinem Werk zeichnet er also für seinesgleichen eine Erinnerungslandschaft1212 aus Monumenten und Geschichten, die das vergangene Hellas mit seinen legendären Olympiasiegern, unübertroffenen Künstlern und siegreichen Feldherrn für den Leser wieder auferstehen lässt und als Identifikationsangebot bereitstellt. Das Werk des Periegeten ist in mancher Hinsicht ein Produkt der Zweiten Sophistik und zugleich die Manifestation ihrer Weltanschauung – in deren Zentrum sich nicht das herrschende Rom, sondern die Stätten des griechischen Altertums befanden.1213

Methodische Überlegungen Von den 10 Büchern des Pausanias sind für die in dieser Arbeit zu beantworteten Fragen nicht so sehr die historiographischen Partien von Interesse, sondern seine

1208 Zur gesellschaftlichen Stellung der Sophisten: Bowersock 1969, bes. S. 17 58; Bowie 1982; An derson 1993, S. 13 46; Schmitz 1997. 1209 Zu Sprache und Stil: Habicht 1985, S. 138 139; Strid 1976; Hutton 2005, S. 181 240. Vgl. Rear don 1971, S. 221 224. Elsner 2001, S. 19 20 weißt darauf hin, dass Pausanias in seinem Vergangen heitsdiskurs auch auf rhetorische Techniken der Zweiten Sophistik zurückgreift. 1210 Zu Reisen und Pilgerreisen in Antoninischer Zeit: Rutherford 2001, S. 47 52; Galli 2005. 1211 Jones 2001, S. 33 39; Habicht 1985, S. 29 30. 1212 Alcock 1996, S. 249 nutzt den Begriff „landscape of memory“ und definiert: „It conveys the totalizing and constructed nature of Pausanias' narrated world, implying a geography conceived from the perspective of one individual observer.“ Vgl. Goldmann 1991. 1213 Zum Verhältnis von Zweiter Sophistik und römischer Herrschaft: Forte 1972; Habicht 1985, S. 119 126; Bowie 1996, S. 216 229; Arafat 1996; Swain 1996, S. 65 100.

280

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Beschreibungen klassischer Monumente in griechischen Städten, Heiligtümern und auf Schlachtfeldern. Die entsprechenden Informationen sind natürlich unvollständig, insofern der Überlieferung mehrere Selektionsmechanismen zugrunde liegen. Einerseits hat Pausanias selbst in dem zur Verfügung stehenden Material nach verschiedenen Grundsätzen (persönliches Interesse, Zeitgeschmack, Autorenintention, praktische Gründe) eine Auswahl getroffen, wie die Überlegungen zum Werk gezeigt haben. Andererseits ist auch die Erhaltung der klassischen Denkmäler ein begrenzender Faktor für die Überlieferung. Wenn der Perieget sein Werk im 2. Jh. n. Chr. aufgezeichnet hat, dann liegt zwischen seinen Beobachtungen zu den klassischen Kriegsdenkmälern und deren Errichtung eine zeitliche Distanz von bis 650 Jahren. In diesen Zeitraum fallen große politische und soziale Veränderungen, die sich auch in den kollektiven Gedächtnissen der Bewohner Griechenlands niedergeschlagen haben müssen. Entsprechend könnten die Monumente seit hellenistisch-römischer Zeit zerstört, wiederaufgebaut, umgedeutet oder schlicht verfallen sein. Wie viele klassische Kriegsdenkmäler in diese „Überlieferungslücke“ fallen, ist trotz intensivierter archäologischer Erforschung unmöglich zu sagen. Außerdem wäre es denkbar, dass Pausanias' Darstellungen nicht aus erster Hand stammen, sondern auf eine längere – mehr oder weniger zuverlässige – Tradition zurückgehen. Bevor Pausanias' Werk also als Quelle zur Erforschung der klassischen Kriegsdenkmäler genutzt werden kann, müssen zwei methodische Probleme reflektiert werden: 1. Hat Pausanias die griechischen Erinnerungsorte wirklich selbst bereist, d.h. sind seine Beschreibungen authentisch? 2. Inwieweit sind die von ihm dokumentierten Monumente und Orte noch mit ihren klassischen Vorgängern identisch? Die erste Frage ist leicht zu beantworten. Bereits im ausgehenden 19. Jh. konnte durch Vergleiche der „Beschreibung Griechenlands“ mit Fragmenten der älteren periegetischen Literatur sowie mit den Ergebnissen archäologischer Forschungen an verschiedenen Stätten Griechenlands klar gemacht werden, „dass Pausanias, wie er behauptet, tatsächlich wiedergibt, was er selbst gesehen, nicht was er bei anderen gelesen hat.“1214 Habicht hat bei seiner Auseinandersetzung mit dem Werk einmal mehr gezeigt, dass der Perieget – dort wo wir es überprüfen können – die von ihm behandelten Orte selbst systematisch abgelaufen ist und Denkmal für Denkmal, Raum für Raum oder Gebäude für Gebäude nacheinander beschrieben hat. Das Aussehen, den konkreten Standort und die Benennung einzelner Denkmäler gibt er dabei mit größter Zuverlässigkeit wieder.1215 Von besonderem historischen Wert

1214 Habicht 1985, S. 15. Vgl. Gurlitt 1890, bes. S. 453 454; Frazer 1913, S. LXVI LXVII. Ausgang spunkt der Forschungsdiskussion war eine abfällige Bemerkung durch Wilamowitz, in der er Pausa nias jegliche Zuverlässigkeit abspricht und ihn bezichtigt, sein Werk aus der Periegese des Polemon kopiert zu haben: Wilamowitz 1877, bes. S. 346. Dazu ausführlich: Regenbogen 1956, Sp. 1093 1095; Habicht 1985, S. 169 180. 1215 Besonders anschaulich ist der Fall des Asklepieions von Messene: Habicht 1985, S. 51 53. Wei tere Beispiele ebd., S. 40 63.

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten

281

sind weiterhin seine Zuschreibungen von einzelnen Monumenten zu historischen Ereignissen, Personen, Künstlern o.ä., die jeweils auf die daran angebrachten Inschriften rekurieren.1216 Nach einer Untersuchung von Whittaker hat der Perieget insgesamt 39 Inschriften wörtlich zitiert und den Inhalt von weit über 200 paraphrasiert.1217 Dass er dabei in der Lage ist, das Layout, die Buchstabenformen und den Erhaltungszustand der Inschriften zu kommentieren, zeigt einmal mehr, dass Autopsie die Grundlage seiner Beschreibungen ist. Weiterhin setzt Pausanias die Lektüre der an den Monumenten angebrachten Inschriften bewusst ein, um widersprüchliche Überlieferungen und mündliche Erzählungen zu überprüfen. Vereinzelte Ausnahmen bilden lediglich Inschriften von Orten, bei denen nicht sicher ist, ob Pausanias sie selbst besucht hat.1218 Aber sowohl dort, wo er möglicherweise literarische Quellen konsultiert, als auch bei seinen eigenen Inschriftenkopien konnte ihm mithilfe einiger Fallstudien höchste Sorgfalt attestiert werden.1219 So erlauben etwa die Fragmente antiker Siegerlisten über die Olympischen Spiele und mehr noch die in großer Zahl gefundenen Ehreninschriften der dazugehörigen Statuen einen Vergleich mit den detaillierten Angaben bei Pausanias. Das Ergebnis ist, dass er Namen, Sportarten und Datierungen von über 200 antiken Olympiasiegern nahezu fehlerfrei aus den Inschriften ihrer Statuenbasen überliefert hat.1220 Nicht erwähnt werden können hier außerdem die unzähligen archäologischen Erfolgsgeschichten, bei denen die Entdeckung und Identifizierung antiker Denkmäler überhaupt erst durch Pausanias' genaue topographische Beschreibungen möglich waren, und die bereits im 19. Jh. – mit der Entdeckung der mykenischen Fürstengräber durch Heinrich Schliemann – begannen. An der Authentizität und Präzision seiner periegetischen Ausführungen muss also nicht grundsätzlich gezweifelt werden.

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten Zur Beantwortung der zweiten Frage, nach der antiken Persistenz der Denkmäler, liegen noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor, die über die Erforschung der

1216 Tzifopoulos 2013 verdeutlicht, wie Pausanias Weihinschriften an Standbildern als Ausgangs punkt für seine geschichtlichen Erläuterungen nutzt. Vgl. Zizza 2006, S. 399 436. 1217 Whittaker 1991, S. 171 172, bes. Tab. 1. Vgl. Zizza 2006, S. 13 Tab. 1 mit 205 Inschriftenbelegen. 1218 Whittaker 1991, S. 171 172;S. 176 177. Zu den Ausnahmen S. 180 183. Das betrifft insbesondere die jenigen Orte, welche Pausanias benennt ohne ihnen eine ausführliche Beschreibung zu widmen. 1219 Habicht 1984; Habicht 1985, S. 50; S. 64 92; S. 99: „Pausanias ist überall da verlässlich, wo er historische Fakten direkt von Denkmälern abliest, d. h. von Inschriften.“ Vgl. Frazer 1913, S. LXXV. Zizza hat zudem herausgearbeitet, dass Pausanias selbst Inschriften für vertrauenswürdiger erach tet, als andere Informationsquellen: Zizza 2006, S. 411 417. 1220 Habicht 1984, S. 52 53; S. 55; Habicht 1985, S. 151 153. Eine systematische Zusammenstellung des Quellenmaterials zu den von Pausanias erwähnten Siegerstatuen bietet Herrmann 1988, S. 151 183.

282

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Geschichte einzelner Monumente hinausgehen. Die Beschäftigung mit dem Problem der Erhaltung von Kriegsdenkmälern soll deshalb hier systematisch erfolgen. Um die Entwicklung der Monumente in nachklassischer Zeit rekonstruieren zu können, werden drei Monumentgruppen, die jeweils unterschiedliche Überlieferungssituationen widerspiegeln, exemplarisch untersucht.

Vergleich Herodot – Pausanias Zur Beantwortung der Frage, ob die kaiserzeitlichen Monumente wirklich schon in klassischer Zeit gestiftet wurden, ist es naheliegend, in der klassischen Parallelüberlieferung nach Spuren zu suchen. Unter den Autoren des 5. und 4. Jhs. erwähnt Thukydides in seiner Geschichte des Peloponnesischen Krieges zahlenmäßig die meisten Kriegsdenkmäler. Da es sich dabei aber durchgehend um Tropaia handelt, die aus vergänglichen Materialien errichtet wurden, sind diese Zeugnisse für die Frage nach der Peristenz der Denkmäler nicht repräsentativ. Besser geeignetes Untersuchungsmaterial bietet Herodot, dessen Darstellungen sich – seinem historiographischen Interesse entsprechend – auf die Monumente der Perserkriege konzentrieren. Er berichtet im Rahmen seiner detaillierten Schilderung der Kriegsereignisse rund um die Schlachten von Marathon, Thermopylai, Kap Artemision, Salamis und Plataiai über die Errichtung von Grab- und Weihdenkmälern sowie über die Stiftung von Kulten zur Erinnerung an die entsprechenden Ereignisse. Neben der vergleichsweise guten Dokumentation durch Herodot eigenen sich die Perserkriegsdenkmäler auch deshalb als exemplarischer Untersuchungsgegenstand, weil die für antike Verhältnisse „globale“ Auseinandersetzung zwischen griechischen Stadtstaaten und den Heeren der persischen Großkönige eine besonders große Zahl und Vielfalt an Monumenten hervorgebracht hat. Die Beschreibungen der entsprechenden Denkmäler bei Pausanias sollen also zunächst den klassischen Zeugnissen gegenübergestellt werden. Herodot erwähnt in seinem Geschichtswerk insgesamt 15 Perserkriegsdenkmäler an zehn verschiedenen Aufstellungsorten.1221 Vier der Denkmäler wiederum können im Vorhinein vom Vergleich mit der Liste der bei Pausanias erwähnten Monumente ausgeschlossen werden.1222 Die 11 verbleibenden herodoteischen Denkmäler sind:

1221 Einige der Erinnerungsstiftungen lassen sich in seinem Text nur indirekt erschließen, wie etwa eine Gefallenenliste der Thermopylenkämpfer, welcher der Historiker alle Namen der 300 Spartiaten entnommen hat. Auch sie werden, soweit möglich, in den Vergleich miteinbezogen. 1222 Das betrifft: Paus. 7, 225, 2; 7, 228, 2; 8, 121, 1. Der Standort der Denkmäler lag entweder außer halb des Untersuchungsgebietes des Pausanias (Thermopylen und Kap Sounion) oder wurde schon früher zerstört (Tegea).

283

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten

Denkmal

Beleg Hdt.

Beleg Paus.



Pankult in Athen

, , 

, , 



Spartanische Gefallenenliste

, , 

, , 



Heroenkulte in Delphi

, , 

, , 



Phönikische Triere am Isthmos

, , 

fehlt



Phönikische Triere auf Salamis

, , 

fehlt



Bronzestatue mit Schiffsschnabel in Delphi

, , 

, , 



Bronzemast mit goldenen Sternen in Delphi

, , 

fehlt



Schlangensäule in Delphi

, , 

, , 



Zeusstatue in Olympia

, , 

, , 



Poseidonstatue am Isthmos

, , 

fehlt



Grabdenkmälern bei Plataiai

, , 

, , 

Von den elf bei Herodot bezeugten Denkmälern sind immerhin sieben auch bei Pausanias erwähnt. Sowohl in klassischer als auch in römischer Zeit ragen die statuarischen Weihgeschenke darunter zahlenmäßig hervor. Innerhalb dieser Gruppe können die herodoteischen Angaben durch das spätere Zeugnis sogar noch konkretisiert werden. Von der Weihung des Hellenenbundes ins delphische Heiligtum im Anschluss an den Seesieg bei Salamis (10) berichtet der ältere Historiker nur, dass es sich um eine Statue mit Schiffsschnabel (ἀνδριὰς ἔχων ἐν τῇ χειρὶ ἀϰρωτήριον νεός) handelt. Wen die Statue verkörpert erfahren wir von Pausanias: ῞Ελληνες δὲ οἱ ἐναντία βασιλέως πολεμήσαντες [. . .] ἀνέϑεσαν δὲ ϰαὶ ἐς Δελϕοὺς ᾿Απόλλωνα ἀπὸ ἔργων τῶν ἐν ταῖς ναυσὶν ἐπί τε ᾿Αρτεμισίῳ ϰαὶ ἐν Σαλαμῖνι. Die Griechen, die gegen den Großkönig Krieg führten, weihten [. . .] auch nach Delphi einen Apollon von den Seeschlachten bei Artemision und Salamis. (Paus. 10, 14, 5; Übers. Meyer 1986.)

Neben der ikonographischen Information paraphrasiert der Perieget auch die auf der Basis angebrachte Inschrift, welche es ihm wohl überhaupt erst ermöglichte, die Weihung ihrem historischen Anlass zuzuordnen. Folgt man seiner Formulierung, so war in der Inschrift vermerkt, dass die Beute zur Finanzierung der Statue nicht nur aus Salamis, sondern auch aus der unentschiedenen Seeschlacht am Kap Artemision stammte. Dass Pausanias die Monumente in den panhellenischen Heiligtümern häufig durch die Autopsie der Inschriften erschloss, zeigt das Beispiel einer anderen Perserkriegsweihung: παρεξιόντι δὲ παρὰ τὴν ἐς τὸ βουλευτήριον ἔσοδον Ζεύς τε ἕστηϰεν ἐπίγραμμα ἔχων οὐδὲν ϰαὶ αὖϑις ὡς πρὸς ἄρϰτον ἐπιστρέψαντι ἄγαλμά ἐστι Διός· τοῦτο τέτραπται μὲν πρὸς ἀνίσχοντα

284

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

ἥλιον, ἀνέϑεσαν δὲ ῾Ελλήνων ὅσοι Πλαταιᾶσιν ἐμαχέσαντο ἐναντία Μαρδονίου τε ϰαὶ Μήδων. εἰσὶ δὲ ϰαὶ ἐγγεγραμμέναι ϰατὰ τοῦ βάϑρου τὰ δεξιὰ αἱ μετασχοῦσαι πόλεις τοῦ ἔργου, Λακεδαι μόνιοι μὲν πρῶτοι, μετὰ δὲ αὐτοὺς ᾿Αϑηναῖοι, τρίτοι δὲ γεγραμμένοι ϰαὶ τέταρτοι Κορίνϑιοί τε ϰαὶ Σιϰυώνιοι [. . .]. τὸ δὲ ἄγαλμα ἐν ᾿Ολυμπίᾳ τὸ ἀνατεθὲν ὑπό τῶν ῾Ελλήνων ἐποίησεν ᾿Αναξα γόρας Αἰγινήτης· Geht man an dem Eingang zum Bouleuterion [von Olympia] vorbei, steht da ein Zeus ohne Inschrift, und wenn man wieder in nördlicher Richtung zurückgekehrt ist, wieder eine Zeus statue. Diese wendet sich gegen Osten, und sie stellten jene Griechen auf, die bei Plataiai gegen Mardonios und die Meder kämpften. Rechts an der Basis sind auch die Städte verzeich net, die am Kampf teilnahmen, die Lakedaimonier zuerst, nach ihnen die Athener, als dritte und vierte sind die Korinther und Sikyonier verzeichnet [. . .] Die von den Griechen in Olympia geweihte Statue schuf der Aiginete Anaxagoras. (Paus. 5, 23, 1 3; Übers. Meyer 1986.)

Die erste Zeusstatue kann der Perieget nicht einordnen, weil sie keine Inschrift trägt, und folglich geht er ohne weitere Ausführungen zum nächsten Monument über. Bei der zweiten Statue handelt es sich zweifellos um die zehn Ellen hohe Zeustatue aus Beuteeinnahmen von Plataiai (13), deren Stiftung Herodot erwähnt.1223 Zusätzlich können wir erschließen, dass an der Basis des Denkmals drei Inschriften angebracht waren: die Hauptinschrift, welche den Anlass der Stiftung nannte, eine Künstlersignatur und auf der rechten Seite eine Liste der beteiligten Polis. Letztere befand sich auch auf der aus gleichem Anlass in Delphi gestifteten Schlangensäule (12), die Pausanias ebenfalls gesehen hat.1224 Der Perieget beklagt aber, dass zu seiner Zeit nur noch die bronzenen Teile des Denkmals vorhanden waren, während der goldene Dreifuß bereits im 4. Jh. von den Phokern zur Finanzierung des Dritten Heiligen Kriegs genutzt worden war. Seine übrigen Angaben zum Aussehen des Monuments werden von der Bronzesäule gestützt, die 200 Jahre nach ihm nach Konstantinopel gelangte und dort heute noch im antiken Hippodrom zu sehen ist. Der „Wiederverwertung“ goldener Statuenteile sind wohl auch die drei Sterne zum Opfer gefallen, welche die Aigineten nach Salamis in Delphi geweiht hatten (11). Der Perieget erwähnt jedenfalls weder das Denkmal selbst noch dessen Geschichte. Auch die beiden panhellenischen Schiffsweihungen am Isthmos und in Salamis (8 und 9) fehlen in seinen Beschreibungen der jeweiligen Heiligtümer. Die Auslassung dieser beiden – weitestgehend aus Holz bestehenden Denkmäler – ist mit großer Sicherheit darauf zurückzuführen, dass sie in römischer Zeit nicht mehr erhalten waren. Immerhin betrachtet es schon Herodot als Besonderheit, dass zu seiner Zeit

1223 Das Fundament und die Basis des Denkmals sind erhalten. Die Statue war an prominenter Stelle zwischen dem südlichem Altis Zugang und dem Zeustempel aufgestellt. Zum Befund: Gauer 1969, S. 96 97. 1224 Die Liste bei Pausanias stimmt aber weder mit derjenigen auf der Schlangensäule, noch mit der Teilnehmerliste bei Herodot überein. Vgl. Syll.3 31 und Hdt. 9, 28 30; Laut Demosth. or. 59, 97 war die Schlangensäule eine Weihung für die Schlachten von Plataiai und Salamis, was die Nen nung zusätzlicher Poleis erklärt. Dazu Jung 2006, S. 254, Fn. 95; S. 256, Fn. 101.

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten

285

noch eines der drei Schiffe sichtbar war.1225 Schwieriger ist es, zu erklären, warum Pausanias die dritte Statuenweihung für Plataiai nicht erwähnt. Nach Herodot wurde aus den Beuteeinnahmen auch eine sieben Ellen hohe Poseidonstatue am Isthmos (14) gestiftet. Bei seinem Rundgang durch das Isthmische Heiligtum erwähnt der Perieget, dass in der Vorhalle des Tempels u. a. zwei Poseidonstatuen aufgestellt sind, ohne näher darauf einzugehen.1226 Ob das gesuchte Perserkriegsdenkmal darunter war, lässt sich nicht mehr entscheiden. Immerhin ist es möglich, dass Pausanias die Statue des Hellenenbundes sah, aber nicht näher beachtete oder – aufgrund einer fehlenden bzw. unleserlichen Inschrift – nicht identifizieren konnte. Auch der Vergleich mit den von Herodot erwähnten Grabdenkmälern bringt kein eindeutiges Ergebnis. Eine Gefallenenliste mit den Namen der 300 Thermopylenkämpfer (6) hat der Perieget im kaiserzeitlichen Sparta gesehen: τοῦ ϑεάτρου δὲ ἀπαντιϰρὺ Παυσανίου τοῦ Πλαταιᾶσιν ἡγησαμένου μνῆμά ἐστι, τὸ δὲ ἕτερον Λεωνίδου [. . .], τὰ ὀστᾶ τοῦ Λεωνίδου τεσσαράϰᴏντα ἔτεσιν ὕστερον ἀνελομένου ἐϰ Θερμοπυλῶν τοῦ Παυσανίου. ϰɛῖται δὲ ϰαὶ στήλη πατρόϑεν τὰ ὀνόματα ἔχουσα οἵ πρὸς Μήδους τὸν ἐν Θερμοπύλαις ἀγῶνα ὑπέμειναν. Gegenüber dem Theater steht das Grabmal des Pausanias, des Führers bei Plataiai, und das andere des Leonidas [. . .] Die Gebeine des Leonidas (liegen hier), seit sie Pausanias vierzig Jahre nachher von den Thermopylen holte; es steht da auch eine Stele, die die Namen derer mit ihrem Vatersnamen enthält, die an den Thermopylen gegen die Perser kämpften. (Paus. 3, 14, 1; Übers. nach Meyer 1986.)

Wenn die Gefallenenliste also aus der Zeit der Perserkriege stammt, wurde die architektonische Anlage, in die das Denkmal eingebunden war, in der Zwischenzeit mindestens einmal umgebaut. Beide Feldherrn waren nämlich zunächst anderenorts beigesetzt und erhielten erst in der Mitte des 5. Jhs. Grabdenkmäler auf der Akropolis von Sparta.1227 Indem man die Heroa durch die Gefallenenliste ergänzte,

1225 Hdt. 8, 121, 1: πρῶτα μέν νυν τοῖσι ϑεοῖσι ἐξεῖλον ἀκροθίνια ἄλλα τε καὶ τριήρεας τρεῖς Φοινίσσας, τὴν μὲν ἐς ᾿Ισϑμὸν ἀναθεῖναι, ἥ περ ἔτι καὶ ἐς ἐμὲ ἦν. 1226 Paus. 2, 1, 7. 1227 Die klassischen Quellen verorten Leonidas' Beisetzung auf dem Schlachtfeld an den Thermo pylen (Hdt. 7, 225 und 7, 228, 1) und Pausanias' Grab an der Keadesspalte der spartanischen Ru hestätte für verurteilte Verbrecher (Thuk. 1, 134). Im zweiten Fall ist die Translation der Gebeine in klassischer Zeit durch Thuk. 1, 134, 4 belegt. Jung 2011 hat den Vorgang überzeugend mit dem Ver such einer religiösen Entsühnung, vielleicht motiviert durch die große Erdbebenkatastrophe im Jahr 461, verbunden. Die konkreten historischen Umstände zur Überführung der Gebeine des Leoni das sind weiterhin nicht geklärt. Die Bearbeiter der aus philologischer Sicht problematischen Stelle bei Pausanias sehen sich entweder zur Emendation der überlieferten Jahreszahl oder des Namens des Initiators gezwungen. Die überzeugendsten Erklärungen (wenn auch mit unterschiedlichen An sätzen) plädieren für eine Translation im Zusammenhang mit den Vergangenheitsdiskursen im Vor feld des Peloponnesischen Krieges (um 440): Connor 1979, S. 21 26; Jung 2011, S. 97 102 mit Angaben zur älteren Literatur.

286

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

wurde der Komplex zu einem Perserkriegs-Erinnerungsort für alle spartanischen Bürger. Vergleichbare Umdeutungen hat es auch an den Gräbern auf dem Schlachtfeld von Plataiai (15) gegeben. Während Herodot selbst noch mindestens acht verschiedene Gräber ausmachen konnte, waren es in der römischen Kaiserzeit nur noch drei – eines für die Spartaner, eines für die Athener und eines für alle übrigen Griechen. Dass die Grabanlage im Laufe der Antike neugestaltet wurde, darf aber angesichts der Tatsache, dass Plataiai im fraglichen Zeitraum zweimal vollständig zerstört wurde, nicht überraschen. Die Kriegsdenkmäler im Gebiet dieser Polis stellen aufgrund der fehlenden baulichen Kontinuität einen Sonderfall dar, der später noch einmal ausführlich diskutiert werden soll.1228 Die Gruppe der von Herodot erwähnten Kriegsdenkmäler umfasst schließlich noch zwei Kultstiftungen. Einerseits haben die Athener, nachdem Pan ihrem Boten Pheidippides auf dem Weg nach Sparta erschienen war und Unterstützung in der Schlacht bei Marathon verheissen hatte, am Nordhang der Akropolis ein Heiligtum eingerichtet (5). Eben diese Gründungsgeschichte beschreibt auch Pausanias bei seinem Besuch des betreffenden Höhlenheiligtums an der Athener Akropolis.1229 Anderseits wurde in Delphi auf der Terrasse des Athena-Pronoia-Tempels zwei Heroen namens Phylakos und Autonoos verehrt (7), die durch eine Epiphanie geholfen haben sollen, Delphi vor der Plünderung durch die Perser zu bewahren. Von Pausanias wissen wir, dass zumindest der Kult des Phylakos – in enger Verbindung mit der Perserkriegserinnerung – bis in die römische Kaiserzeit fortbestand. Der konkrete Ablauf und die rituelle Einbindung der beiden Kulte mag sich über die Jahrhunderte geändert haben, aber sie wurden weiterhin am gleichen Ort gepflegt und waren auch in der Kaiserzeit noch fest mit der Erinnerung an die jeweilige Perserkriegsschlacht verbunden. Diese Gruppe der Kriegsdenkmäler kann also als durch die Antike hindurch persistent gelten. Das gleiche Ergebnis kann für den Vergleich der Erwähnungen von Weihmonumenten konstatiert werden. Mit Ausnahme von Beuteweihungen aus vergänglichem Material und einigen kleinteiligen Weihungen aus Gold blieben alle statuarischen Monumente bis in die Kaiserzeit hinein erhalten. Ihre Inschriften ermöglichten es zudem den Betrachtern im 2. Jh. n. Chr., weiterhin den Anlass ihrer Weihung nachzuvollziehen. Ob die entsprechenden Statuen in kleineren Heiligtümern, wie am Isthmos, weniger lange gepflegt oder von Pausanias nur weniger beachtet wurden, muss offen bleiben. Die am stärksten von Veränderungen beeinflusste Gruppe der Kriegsdenkmäler in diesem Vergleich scheinen die Grabmonumente zu sein. Auch wenn Einzeldenkmäler, wie die Gefallenenliste in Sparta, überdauern, ändert sich doch ihre bauliche und politische Einbindung. Das Gedenken an die Gefallenen scheint – mehr als alle anderen Formen der Kriegserinnerung – offen für Umdeutungen und Aktualisierungen zu sein.

1228 Siehe Kapitel 6.4. 1229 Darauf Bezug nimmt auch Paus. 8, 54, 6.

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten

287

Weitere Perserkriegsdenkmäler bei Pausanias Vergleicht man die Zahl der bei Pausanias erwähnten Perserkriegsmonumente mit der Denkmälerliste aus Herodot, zeigt sich ein überraschendes Ergebnis. Während der Historiker nur 15 Monumente erwähnt, sind es im jüngeren Werk des Periegeten mehr als dreimal soviel, nämlich 47. Damit drängt sich einmal mehr dir Frage auf, wie viele der römerzeitlichen Denkmäler bereits im Umfeld der klassischen Kriegsereignisse aufgestellt und wie viele nachträglich gestiftet oder umgedeutet wurden. Aufgrund der Überlieferungssituation ist eine Antwort auf diese Frage natürlich nicht in jedem Fall möglich. So können bei etwa der Hälfte der Erwähnungen keine Aussagen über die Lebensdauer getroffen werden, weil Pausanias entweder unsere einzige Quelle für das Denkmal darstellt oder weil literarische (insbesondere Plutarch und Vitruv) und epigraphische Parallelüberlieferungen ebenfalls erst aus hellenistisch-römischer Zeit stammen. Denkmal

Paus.

Andere



Miltiades-Statue in Athen

, , 

fehlt



Themistokles-Statue in Athen

, , 

fehlt



Plataiisches Grabdenkmal in Marathon

, , 

Archäolog. Befund



Grabdenkmal für Miltiades in Marathon

, , 

fehlt



Kult für Marathonomachoi in Marathon

, , 

IG II2 1006 u.a.1231



Echetlaios-Kult in Marathon

, , 

fehlt



Tropaion auf Salamis

, , 

IG II2 1006 u.a.1232



Kychreus-Kult auf Salamis

, , 

Plut. Solon 



Artemis Soteira-Kult in Megara

, , 

Archäolog. Befund



Grabdenkmal für Gefallene in Megara

, , 

IG VII 



Helios Eleutherios-Kult in Troizen

, , 

fehlt



Halle mit Statuen in Troizen

, , 

fehlt

1230 Marinatos 1970, S. 21 25; Martinatos 1970a, S. 164 166. Die Zuweisung des archäologischen Befundes zum literarisch erwähnten Grabdenkmal ist nicht gesichert. 1231 Z. 26 27; 69 70. Vergleichbare Erwähnungen finden sich in einer zweiten, noch unpublizier ten Inschrift: Agora (Depot) Inv. 7529, Z. 15 17. Den entsprechenden Auszug aus dem Text bietet Rausch 1999, S. 244. 1232 Z. 28; 71. Das Tropaion wird hier und in weiteren hellenistischen Ephebeninschriften aus Athen als Ort der Kultausübung erwähnt: IG II2 1008, Z. 17; 1028, Z. 27 (alle Ende 2. Jh.). 1233 Zum Befund: Gauer 1968, S. 124 125.

288

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

(fortgesetzt ) Denkmal

Paus.

Andere



Persische Halle in Sparta

, , 

Vitr. , , 



Heroenkult in Sparta

, , 

fehlt



Grabdenkmal für Eurybiades in Sparta

, , 

fehlt



Grabdenkmal für Mardonios in Plataiai

, , 

fehlt



Griechische Grabdenkmäler in Plataiai

, , 

Hdt. , ,  u.a.



Zeus Eleutherios-Kult in Plataiai

, , 

Plut. mor. B



Tropaion in Plataiai

, , 

Plut. Aristeid. 



Athena-Areia-Kult in Plataiai

, , 

Plut. Aristeid. 



Arimnestos-Statue in Plataiai

, , 

fehlt



Apollonstatue der Epidaurier in Delphi

, , 

fehlt



Skyllis-Statue in Delphi

, , 

fehlt

Unter den hier aufgezählten Perserkriegsdenkmälern dominieren diejenigen aus Überlieferungsarmen Stadtstaaten, wie Megara, Troizen, Salamis und Sparta, sowie die Monumente in Plataiai, für die schon aufgrund der mehrfachen Zerstörung des Stadtgebietes keine Kontinuität angenommen werden kann. Bei den verbleibenden 24 Perserkriegsdenkmäler ist aber für gut die Hälfte (58,3%) aufgrund von Erwähnungen bei klassischen Autoren, durch zeitgleiche Inschriften oder durch archäologische Befunde eine Stiftung am Beginn des 5. Jhs. nachweisbar. In dieser Gruppe finden sich erwartungsgemäß vor allen Dingen haltbare Denkmäler, wie Grabmonumente und Statuenweihungen, die teilweise bereits im Zusammenhang mit den entsprechenden Herodotstellen besprochen wurden. Mit dem Phylenheroenmonument der Athener (33) und der Stier-Statue der Plataiaier (36) treten zwei weitere statuarische Weihdenkmäler hinzu, deren zeitnahe Stiftung aus

1234 Thuk. 3, 58, 3 4. 1235 Das angebliche Altarepigramm findet sich auch variiert in: Plut. Aristeides 19, 7; Anth. Gr. 6, 50. In den klassischen Quellen ist nur ein einmaliges Opfer durch den Feldherrn Pausanias belegt: Thuk. 2, 71, 2. Zur Datierung des Kultes: Jung 2006, S. 265 271. 1236 Vgl. Polyain. 8, 59.

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten

289

Denkmal

Paus.

Andere



Themistokles-Grab im Piräus

, , 

Archäolog. Befund



Eukleia-Kult in Athen

, , 

Aristot. Ath. Pol. , 



Persische Waffen in Athen

, , 

Demosth. or. , 



Pan-Kult in Athen

, , 

Hdt. , ,  u.a.



Athenisches Grabdenkmal in Marathon

, , 

Thuk. , ,  u.a.



Herakles-Kult in Marathon

, , 

IG I3 3 u.a.1240



Gefallenenliste für die  in Sparta

, , 

Hdt. , , 



Zeusstatue in Olympia

, , 

Hdt. , , 



Phylakos-Kult in Delphi

, , 

Hdt. , 



Phylenheroenstatuen in Delphi

, , 

IG I3 1463



Schlangensäule in Delphi

, , 

Hdt. , ,  u.a.



Apollonstatue in Delphi

, , 

Hdt. , , 



Platiische Stier-Statue in Delphi

, , 

FdD III ,  ()



Schildweihung in Delphi

, , 

Aischin. Ktes. 

Kriegsbeute jeweils durch die dazugehörigen Inschriften verbürgt ist.1244 Hinzu kommen zwei Weihungen aus Beutewaffen in Delphi und Athen (26 und 37), die schon bei klassischen Autoren bezeugt sind. Die nachweisbare Kontinuität der

1237 Vgl. Thuk. 1, 138; Plut. Themistokles 32, 4 6. Zum Befund: Goette/Hammerstaedt 2012, S. 264 265. 1238 Zum archäologischen Befund: Garland 1992, S. 59 61. 1239 Auch sind die von Paus. erwähnten Stelen bekannt: SEG 56, 430 432. Das literarisch bezeugte Grabmal wird traditionell mit dem Soros in der Marathon Ebene gleichgesetzt. Zum archäologi schen Befund: Stais 1890, S. 65 71; Stais 1893, S. 46 63. 1240 IG I3 , 1015bis; Harpokr. s.v. ῾Ηράκλεια. 1241 Zum Befund: Gauer 1968, S. 96 97. 1242 Vgl. Thuk. 1, 132; Diod. 9, 33, 2. Zum archäologischen Befund: Gauer 1968, S. 75 96. 1243 Vgl. SEG 31, 561. 1244 Das Phylenheroenmonument wurde mehrfach nachträglich um zusätzliche Statuen erweitert, wie schon Pausanias selbst erkannt hat. Darüber hinaus wurde es mindestens einmal innerhalb des delphischen Heiligtums versetzt. Jung ist es gelungen, das ursprüngliche Statuen Ensemble aus dem 5. Jh. und dessen einzelne Entwicklungsstufen zu rekonstruieren: Jung 2006, S. 98 108.

290

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Verehrung des Herakles Marathonos (29) belegt einmal mehr die Persistenz von kultischen Formen der Kommemoration, die auch in diesem Fall lokal fixiert und wahrscheinlich mit physischen Strukturen beglaubigt war. Im Falle des athenischen Eukleia-Kultes (25) stammt das früheste Zeugnis zwar erst aus dem 4. Jh., aber eine Kult-Kontinuität bis an den Beginn des 5. Jhs. wird von Jung als wahrscheinlich erachtet.1245 Übrig bleibt bei Pausanias eine Gruppe von 10 Denkmälern, deren Verbindung mit den Kriegsereignissen am Beginn des 5. Jhs. eine nachträgliche Rekonstruktion ist, wie entgegengesetzte antike Überlieferungen belegen. Denkmal

Paus.

Andere



Athena Promachos-Statue in Athen

, , 

Demosth. or. 19, 272 u.a.1246



Nachbau des Xerxes-Zeltes in Athen

, , 

Plut. Perikles , – u.a.



Sklaven-Grabdenkmal in Marathon

, , 

fehlt



Tropaion in Marathon

, , 

keine



Nemesis-Kult in Rhamnous

, , –

Zenob. ,  u.a.



Pausanias-Grabdenkmal in Sparta

, , 

Thuk. , , 



Leonidas-Grabdenkmal in Sparta

, , 

Hdt. , , 



Heroenkult in Sparta

, , 

IG V,   u.a.

1245 Jung 2006, S. 59 61. 1246 Vgl. Ov. Pont. 4, 1, 31 32; Aristeid. or 43, 28; Hier. in Zachariam 3, 12, 1 3; weitere in DNO Nr. 874 880. Neben den römischen Quellen bezieht sich eine inschriftlich erhaltene Abrechnung auf die Bronzestatue, deren Herstellung damit in die Jahre 460 450 datiert werden kann: IG I3 435. 1247 Vitr. 5, 9, 1. Dazu: Goette/Hammerstaedt 2012, S. 191. 1248 Bei dem von Vanderpool 1966 beschriebenen Säulenmonument handelt es sich um die Basis eines Weihdenkmals. Siehe dazu Kap. 3.3.2. In der attischen Komödie wird eine Tropaion in Mara thon als literarisches Symbol für den athenischen Sieg verwendet. Diese Stellen lassen aber keine Rückschlüsse auf ein reales Monument zu: Aristoph. Equ. 1333; Vesp. 711; Lys. 285. 1249 Die Geschichte vom Eingreifen der Göttin Nemesis in die Perserkriege wird in den meisten Quellen nicht erwähnt, scheint aber wohl bekannt zu sein, wie entsprechende Epigramme aus der Spätantike belegen: Anth. Gr. 16, 222; 16, 263; Auson. Epigramm 22. Ein Hinweis auf eine jüngere Datierung des Kultbildes ist aber der in anderen Quellen zugeordnete Bildhauer Agorakritos (Strab. 9, 1, 17 und Plin. nat. hist. 36, 17), dessen Künstlersignatur Zenobios zitiert. Weitere Testimonien in: DNO Nr. 1145 1147; 1152 1154. 1250 Das Fest der Leonideia wird in weiteren kaiserzeitlichen Inschriften aus Sparta erwähnt: IG V, 1 19; 20; 559; 560.

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten

291

(fortgesetzt ) Denkmal

Paus.

Andere



Athener-Schatzhaus in Delphi

, , 

Archäolog. Befund



Karystäische Rinder-Statue in Delphi

, , 

fehlt

Bei den zwei delphischen Denkmälern (46 und 47) handelt es sich bei der Gleichsetzung mit Perserkriegsmonumenten um nachvollziehbare Fehler: bereits in der römischen Kaiserzeit befand sich an der Längsseite des Athenerschatzhauses in Delphi eine leere Statuenbasis mit einer Weihinschrift, welche auf Marathonbeute Bezug nimmt und aufgrund ihrer Position den Eindruck entstehen lässt, zum Schatzhaus selbst zu gehören. Tatsächlich kann der Bau unterhalb der Tempelterrasse aber in archaische Zeit datiert werden, während das Marathondenkmal später angebaut wurde und die Basis bei dessen Relokalisierung innerhalb des Heiligtums zurückblieb.1252 Im zweiten Fall schließt Pausanias aus der Stierform des Weihdenkmals, dass es den gleichen Anlass haben muss wie die entsprechende Stiftung der Plataier. Da die Karystier in den fraglichen Auseinandersetzungen aber auf Seiten der Perser kämpften, muss diese Zuschreibung (ebenso wie die dazugehörige Erklärung des Denkmals) verworfen werden.1253 Bei den übrigen Denkmälern handelt es sich ausschließlich um invented traditions, bei denen die Erinnerung an die Perserkriege bereits genutzt wird, um die politischen Ansprüche jüngerer Traditionen zu beglaubigen. Anders als die für die Kriegstoten oder aus Beute gestifteten Denkmäler aus der Zeit unmittelbar nach der Schlacht, weisen diese Monumente keinen direkten Zusammenhang mehr mit den Kampfhandlungen auf. So können wir aus Parallelüberlieferungen schließen, dass zwei Monumente erst in der Zeit des Perikles errichtet wurden. Die Aufstellung der monumentalen Athena-Statue auf der Athener Akropolis (38) kann mithilfe der erhaltenen Abrechnungen auf den Zeitraum 460–450 v. Chr. datiert werden. Folgt man Demosthenes, so wurde die Statue außerdem von anderen Griechenstädten mitfinanziert und nicht, wie später behauptet, aus der athenischen Marathonbeute.1254 Der Rückbezug auf die

1251 Zum Befund: Bommelaer/Laroche 1991, S. 133 135; Maass 1993, S. 168 175. Anhand des Bau dekors wird die Errichtung des Schatzhauses heute überwiegend ins letzte Jahrzehnt des 6. Jhs. datiert. 1252 Zur Zeit des Pausanias befand sich das Weihdenkmal an prominenterer Stelle im Eingangsbe reich des Heiligtums (Paus. 10, 10, 1) wo es auch archäologisch nachgewiesen ist: Bommelaer/Laro che 1991, S. 110 111. Weihinschrift an der Basis: IG I3 1463. Vgl. Jung 2006, S. 99 102. 1253 Zum Plataier Stier: Paus. 10, 15, 1. Zu Karystos in den Perserkriegen: Hdt. 6, 99, 2; 8, 112. 1254 Demosth. or. 19, 272: παρὰ τὴν χαλκῆν τὴν μεγάλην ᾿Αϑηνᾶν [. . .], ἥν ἀριστεῖον ἡ πόλις τοῦ πρὸς τοὺς βαρβάρους πολέμου, δόντων τῶν ῾Ελλήνων τὰ χρήματα ταῦτα, ᾿ανέθηκεν.. Vgl. Palagia 2013.

292

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Schlacht von Marathon, die in der athenischen Wahrnehmung die erste Rettung Griechenlands vor den Persern darstellte, sollte den Anspruch Athens auf die Vorherrschaft in Griechenland in der Zeit der Pentekontaetie legitimieren.1255 Das Streben danach, die Überlegenheit der Polis Athen zu repräsentieren, spiegelt sich auch im Bau des Odeions (39) am Südosthang der Akropolis. Der Bau wurde von Perikles selbst initiiert und diente der Durchführung musischer Agone im Rahmen der Panathenäen. Sowohl der Vergleich des Gebäudes mit dem Zelt des Xerxes als auch die Behauptung, im ursprünglichen Bau seien Masten von erbeuteten Perserschiffen verbaut gewesen, sind nur in römischen Quellen belegt und scheinen das Ergebnis späterer Legendenbildung zu sein. Ähnlich verhält es sich mit der Geschichte, welche Pausanias über die Stiftung der Nemesis-Statue (42) im attischen Küstenort Rhamnous erzählt. Demnach haben die Perser aus Vermessenheit bei der Überfahrt nach Marathon einen Marmorblock zur Errichtung eines Siegesdenkmals mitgeführt, der den Zorn der Göttin heraufbeschwor und nach dem athenischen Sieg zur Herstellung ihres Kultbildes verwendet wurde. Diese Erzählung ist, wie Jung gezeigt hat, eine Konstruktion des 4. Jhs. und steht in engem Zusammenhang mit der zeitgleichen Aufwertung von Rhamnous zur attischen Grenzfestung.1256 Die spartanischen Kriegsdenkmäler für die beiden Feldherrn Leonidas und Pausanias (43, 44 und 45) wurden bereits im Zusammenhang mit der herodoteischen Überlieferung als invented traditions identifiziert. Da die klassischen Quellen bezeugen, dass beide Feldherrn zunächst anderswo begraben waren, muss angenommen werden, dass die entsprechenden Erinnerungstraditionen erst im Verlauf des 5. Jhs. geschaffen wurden, um Spartas zeitgenössischen Anspruch auf die hellenische Vorherrschaft zu stützen.1257 Schließlich lassen sich auch die beiden marathonischen Denkmäler (40 und 41) zeitlich nicht mit der Kommemoration der entsprechenden Schlacht am Beginn des 5. Jhs. verbinden. Pausaniasʼ ausführliche Beschreibung der Erinnerungslandschaft Marathon ist unterdessen eine detaillierte Betrachtung wert.

Die Kriegsdenkmäler in der Ebene von Marathon Was Pausanias im Rahmen seiner Kurzbeschreibung der ländlichen Demen Attikas über Marathon notiert ist keine Beschreibung des Ortes, sondern die Dokumentation einer Erinnerungslandschaft.

1255 Vgl. Gehrke 2001, S. 303. Das entsprechende Epitheton „Promachos“ ist aber erst ab dem 5. Jh. n. Chr. belegt. Vgl. IG II/III2 4225; 13284. 1256 Jung 2006, S. 191 202. 1257 Siehe dazu oben.

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten

293

δῆμός ἐστι Μαραϑὼν [. . .] ταύτῃ τῆς ᾿Αττιϰῆς ἔσχον οἱ βάρβαροι ϰαὶ μάχῃ τε ἐϰρατήϑησαν ϰαὶ τινας ὡς ἀνήγοντο ἀπώλεσαν τῶν νεῶν. τάϕος δὲ ἐν τῷ πεδίῳ ᾿Aϑηναίων ἐστίν, ἐπὶ δὲ αὐτῷ στῆλαι τὰ ὀνόματα τῶν ἀποϑανόντων ϰατὰ ϕυλὰς ἑϰἀστων ἔχουσαι, ϰαἰ ἕτερος Πλαταιεῦσι Βοιωτῶν ϰαὶ δούλοις· ἐμαχέσαντο γὰρ ϰαὶ δοῦλοι τότε πρῶτον. ϰαὶ ἀνδρός ἐστιν ἰδίᾳ μνῆμα Μιλτιάδου τοῦ Κἰμωνος [. . .] ἐνταῦϑα ἀνὰ πᾶσαν νύϰτα ϰαὶ ἵππων χρεμετιζόντων ϰαὶ ἀνδρῶν μαχομένων ἔστιν αἰσϑέσϑαι· ϰαταστῆναι δὲ ἐς ἐναργῆ ϑέαν ἐπίτηδες μὲν οὐϰ ἔστιν ὅτῳ συνή νεγϰɛν, ἀνηϰόῳ δὲ ὄντι ϰαὶ ἄλλως συμβὰν οὐϰ ἔστιν ἐϰ τῶν δαιμόνων ὀργή. σέβονται δὲ οἱ Μαραϑώνιοι τούτους τε οἳ παρὰ τὴν μάχην ἀπέϑανον ἥρωας ὀνομάζοντες ϰαὶ Μαραθῶνα ἀϕ’ οὗ τῷ δήμῳ τὸ ὄνομά ἐστι ϰαὶ ῾Ηραϰλέα, ϕάμενοι πρώτοις ῾Ελλήνων σϕίσιν ῾Ηραϰλέα ϑεὸν νο μισθῆναι. συνέβη δὲ ὡς λέγουσιν ἄνδρα ἐν τῇ μάχῃ παρεῖναι τὸ εἶδος ϰαὶ τὴν σϰευὴν ἄγροιϰον· οὗτος τῶν βαρβάρων πολλοὺς ϰαταϕονεύσας ἀρότρῳ μετὰ τὸ ἔργον ἦν ἀϕανής· ἐρομένοις δὲ ᾿Αϑηναίοις ἄλλο μὲν ὁ ϑεὸς ἐς αὐτὸν ἔχρησεν οὐδέν, τιμᾶν δὲ ᾿Εχετλαῖον ἐϰέλευσεν ἥρωα. πε ποίηται δὲ ϰαὶ τρόπαιον λίϑου λευϰοῦ. τοὺς δὲ Μήδους ᾿Αϑηναῖοι μὲν ϑάψαι λέγουσιν ὡς πάν τως ὅσιον ἀνϑρώπου νεϰρὸν γῇ ϰρύψαι, τάϕον δὲ οὐδένα εὑρεῖν ἐδυνάμην· οὔτε γὰρ χῶμα οὔτε ἄλλο σημεῖον ἦν ἰδεῖν, ἐς ὄρυγμα δὲ ϕέροντες σϕᾶς ὡς τύχοιεν ἐσέβαλον. ἔστι δὲ ἐν τῷ Μαραϑῶνι πηγὴ ϰαλουμένη Μαϰαρία [. . .] ἔστι δὲ ἐν τῷ Μαραϑῶνι λίμνη τὰ πολλὰ ἑλώδης· ἐς ταύτην ἀπειρίᾳ τῶν ὁδῶν ϕεύγοντες ἐσπίπτουσιν οἱ βάρβαροι, ϰαὶ σϕισι τὸν ϕόνον τὸν πολὺν ἐπὶ τούτῳ συμβῆναι λέγουσιν· ὑπὲρ δὲ τὴν λίμνην ϕάτναι εἰσὶ λίϑου τῶν ἵππων τῶν ᾿Αρταϕέρ νους ϰαὶ σημεῖα ἐν πέτραις σϰηνῆς. ῥεῖ δὲ ϰαὶ ποταμὸς ἐϰ τῆς λίμνης [. . .] ὀλίγον δὲ ἀπωτέρω τοῦ πεδίου Πανός ἐστιν ὄρος ϰαὶ σπήλαιον ϑέας ἄξιον· ἔσοδος μὲν ἐς αὐτὸ στενή, παρελϑοῦσι δέ εἰσιν οἶϰοι ϰαὶ λουτρὰ ϰαὶ ϰαλούμενον Πανὸς αἰπόλιον, πέτραι τὰ πολλὰ αἰξὶν εἰϰασμέναι. Es gibt einen Demos Marathon [. . .] Hier landeten die Barbaren, wurden in der Schlacht besiegt und verloren bei der Abfahrt einige Schiffe. In der Ebene befindet sich ein Grab der Athener und darauf stehen Stelen mit den Namen aller Gefallenen nach ihren Phylen, ferner ein ande res Grabmal der Plataier aus Boiotien und eines für die Sklaven; denn damals kämpften zuerst auch Sklaven mit. Und dann ist da das besondere Grabmal eines Mannes, des Militiades, des Sohnes des Kimon [. . .] Hier hört man jede Nacht Pferde wiehern und Männer kämpfen; das aber geradezu sehen zu wollen, ist für niemand günstig, dem das zugestoßen ist; wem es aber unbeabsichtigt und von selbst zustößt, der zieht sich den Zorn der Dämonen nicht zu. Die Ma rathonier verehren nun diese, die in der Schlacht fielen, die sie Heroen nennen, und Mara thon, nach dem der Demos heißt, und Herakles, wobei sie behaupten, sie seien die ersten Griechen, die Herakles als Gott anerkannt hätten. Es geschah aber auch, wie sie erzählen, dass ein Mann bei der Schlacht dabei war, nach Aussehen und Tracht wie ein Bauer; dieser tötete viele Barbaren mit dem Pflug und war nachher verschwunden. Und als die Athener anfragten, gab ihnen der Gott kein anderes Orakel darüber, sondern befahl ihnen nur, Echetlaios als Heros zu verehren. Auch ein Siegesmal aus Marmor ist dort errichtet. Die Athener behaupten, sie hätten auch die Perser begraben, da es in jedem Fall Pflicht sei, einen menschlichen Leich nam zu begraben, doch konnte ich kein Grab finden. Es war weder ein Grabhügel noch sonst ein Mal zu sehen, sondern sie trugen sie zu einer Vertiefung und warfen sie nur so hinein. In Marathon ist auch eine Quelle Makaria [. . .] Auch ein zur Hauptsache sumpfiger See ist in Ma rathon. In diesen gerieten die Barbaren auf ihrer Flucht aus Unkenntnis der Wege, und die Hauptverluste sollen sie hier gehabt haben. Über dem See sind steinerne Krippen für die Pferde des Artaphernes und Spuren des Zeltes auf den Felsen. Aus dem See fließt auch ein ein Fluss [. . .] Etwas oberhalb der Ebene ist der Berg des Pan mit einer sehenswerten Höhle. Der Eingang in sie ist eng, innen aber sind Räume und Bäder und die sogenannte Herde des Pan, Steine, die großenteils wie Ziegen aussehen. (Paus. 1, 32, 3 7; Übers. Meyer 1986.)

294

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Keines der von ihm genannten Denkmäler und keiner der erwähnten Kulte kann eine andere Geschichte erzählen als die der 650 Jahre zurückliegenden Perserkriegsschlacht. Sogar die landschaftlichen Merkmale der Ebene (Strand, Sumpf, Felsen und Höhle) fungieren als Erinnerungsorte für den Sieg der Athener. Die Erinnerung an die Marathonschlacht war – sicherlich nicht nur in der Wahrnehmung des Periegeten – in diesem Teil des kaiserzeitlichen Attikas exklusiv und allgegenwärtig. Bemerkenswert ist auch, dass sich bisher weder in der schriftlichen noch in der materiellen Überlieferung ein Denkmal im Demos Marathon fassen lässt, dass Pausanias nicht dokumentiert hat. Doch welche der von ihm aufgelisteten Monumente waren tatsächlich 650 Jahre alt und wurden im direkten Zusammenhang mit den Ereignissen der Marathonschlacht gestiftet? Pausanias beginnt seinen Rundgang mit dem Grab (τάϕος) für die 192 in der Schlacht gefallenen Athener.1258 Die Annahme, dass die Gefallenen auf dem Schlachtfeld beigesetzt wurden, bestätigt Thukydides, der darin eine besondere Auszeichnung für die Kombattanten sehen will.1259 Darüber hinaus meinen einige Wissenschaftler, das entsprechende Grabdenkmal mit dem sogenannten Soros, einem 9m hohen Tumulus im Zentrum der Ebene von Marathon, auch archäologisch fassen zu können. Nach den zunächst ergebnislosen Untersuchungen durch Heinrich Schliemann, gelang es dem griechischen Archäologen Valerios Stais in den 1980er Jahren die Reste menschlicher Brandbestattungen auf der Sohle des Grabhügels nachzuweisen.1260 Unter der Fundkeramik finden sich neben etlichen Stücken aus dem 6. Jh. auch etwa 30 attisch-schwarzfigurige Lekythen, die in ihrer Erscheinung sehr einheitlich sind und aufgrund ihrer Bemalung an den Beginn des 5. Jhs. datiert werden können.1261 Die komplexe Frage, ob es sich bei diesem Befund wirklich um das Gefallenengrab aus dem Jahr 490 handelt, soll an anderer Stelle diskutiert werden und ist im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend. Denn wir verfügen seit einigen Jahren über einen weiteren Fund, der beweist, dass Pausanias im 2. Jh. n. Chr. ein klassisches Kriegsdenkmal betrachtet hat. Bei Ausgrabungen in der Villa des Herodes Atticus kam 1999 in Loukous auf der Peloponnes eine Inschriftenstele zum Vorschein, die neben einem Epigramm für Perserkriegsgefallene (hος ἔϑανον [β]αρνάμενοι Μέδοισι) eine Liste mit 22 Namen von Angehörigen der Phyle Erechtheis trägt.1262 Obwohl die genaue 1258 Zur Zahl der Gefallenen: Hdt. 6, 117, 1. 1259 Thuk. 2, 34, 5: τιϑέασιν οὖν ἐς τὸ δημόσιον σῆμα, ὅ ἐστιν ἐπὶ τοῦ καλλίστου προαστείου τῆς πόλεως καὶ αἰεὶ ἐν αὐτῷ ϑάπτουσι τοὺς ἐκ τῶν πολέμων πλήν γε τοὺς ἐν Μαραϑῶνι· ἐκείνων δὲ δια πρεπῆ τὴν ἀρετὴν κρίναντες αὐτοῦ καὶ τὸν τάϕον ἐποίησα. 1260 Schliemann 1884, S. 86 88; Stais 1893, S. 46 63. Vgl. auch den Bericht zur ersten Kampagne Stais 1890, S. 65 71. 1261 Stais 1983, S. 53 63. Die Keramik ist bis heute nicht in angemessener Form publiziert. Gute Abbildungen bietet Steinhauer 2009, Abb. S. 124 139. 1262 SEG 56, 430; Steinhauer 2004, S. 679 692. Bei der gleichen Grabung kamen auch zwei In schriften Fragmente zum Vorschein, welche die gleichen Buchstabenformen tragen und zu den

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten

295

Geschichte der Stele (Verbleib beim zweiten Persereinfall, Abtransport nach Loukous) rätselhaft ist, kann sie aufgrund der Buchstabenformen eindeutig an den Beginn des 5. Jhs. datiert und aufgrund der entsprechenden Vergangenheitspolitik des Herodes Atticus, der Miltiades als seinen Vorfahren ansah, mit der Schlacht von Marathon verbunden werden.1263 Der Inschriftenfund belegt also, dass kurz nach dem Ende der Schlacht in Marathon nach Phylen geordnete Gefallenenlisten aufgestellt wurden, die noch zu Pausanias’ Zeit sichtbar waren und das Grabdenkmal der Gefallenen markierten. Darüber hinaus nennt der Perieget drei weitere Grabdenkmäler für die an der Schlacht beteiligten Plataier, die Sklaven und den Feldherrn Miltiades. Da alle drei Denkmäler in keiner anderen antiken Quelle sicher belegt sind, kann der Zeitpunkt ihrer Stiftung nur indirekt erschlossen werden.1264 Die Beteiligung von 1000 plataiischen Hopliten an der Marathonschlacht wurde in der athenischen Erinnerungstradition später systematisch negiert. Der erste Beleg dieses Erzählmotivs findet sich schon in der Athenerrede bei Herodot, weshalb Jung dessen Aufkommen in die zweite Hälfte des 5. Jhs. datiert.1265 Die Neustiftung eines plataiischen Grabdenkmals, welches dem offiziellen Geschichtsbild der Polis Athen widerspricht, ist deshalb nach der Mitte des 5. Jhs. kaum denkbar. Vor diesem Hintergrund kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass das Monument für die boiotischen Verbündeten im direkten Zusammenhang mit den Kriegsereignissen, spätestens aber nach dem 2. Persereinfall, errichtet wurde. In die erste Hälfte des 5. Jhs. dürfte darüber hinaus die Errichtung des Grabdenkmals für Miltiades fallen. Auch wenn das entsprechende Monument in den zeitnahen Quellen nicht fassbar ist, fügt es sich doch lückenlos in die Denkmälerpolitik des Kimon. Der Stratege versuchte u. a. mit einer Weihung in Delphi und dem Bau der Stoa Poikile in Athen, in den 460er Jahren die Erinnerung an die Marathonschlacht zu vereinnahmen und zu aktualisieren. Neben der politischen Rehabilitierung seines Vaters Miltiades stand

Stelen der übrigen neun Phylen gehört haben müssen. Dazu Ebd., S. 686 687. Zur Lesung der Erechtheis Stele: Ameling 2011, S. 10 23; Tentori Montalto 2014, S. 34 44. 1263 Sowohl das versetzte Stoichedon Schema, als auch die gemischten Buchstabenformen weisen aus, dass die Stele älter sein muss als die Inschriften aus dem historischen Umfeld des Zweiten Per sereinfalls. Dazu: Roberts 1996, S. 100 101 (Typ 6 9); Jeffery 1990, S. 66 67. Vgl. Ameling 2011, S. 13. Zur Rolle der Marathonschlacht in Herodes' Selbstdarstellung: Ameling 2013, S. 176 183; Jung 2006, S. 219 222. 1264 Im Falle des Plataier Grabes meint man einen weiteren Tumulus in der Marathon Ebene iden tifizieren zu können. Der fragliche Grabhügel liegt im Zugang des Vranatals (nordwestlich des Soros) und wurde 1969 durch den griechischen Archäologen Spyros Marinatos teilweise ergraben. Er fand in der südlichen Hälfte des Tumulus 11 Bestattungen, die anhand der beigegebenen Kera mik ebenfalls in die Zeit zwischen 500 490 v. Chr. datiert werden können. Vgl. Marinatos 1970, S. 21 25; für Abbildungen siehe Steinhauer 2009, S. 141 144. Da keine genauere Identifizierung der Toten möglich ist und Pausanias das kaiserzeitliche Denkmal nicht näher beschreibt, muss eine Gleichsetzung der beiden Gräber zumindest fraglich bleiben. 1265 Hdt. 9, 27, 5; Vgl. Thuk. 1, 73, 4. Außerdem findet sich die Formel in mehreren attischen Reden des 4. Jhs. Dazu: Jung 2006, S. 131 133, bes. Fn. 17.

296

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

dabei die Legitimation seiner eigenen militärischen Unternehmungen gegen das persische Großreich im Mittelpunkt.1266 Ein separates Grabdenkmal für einen der Feldherrn von Marathon, welches den Traditionen des demokratischen Athen zumindest teilweise widerspricht (weshalb das Kenotaph wohl auch nicht im Demosion Sema errichtet wurde), kann nur im Rahmen dieser gentilizischen Politik entstanden sein. In diesem Zusammenhang verortet Jung auch die Errichtung des marathonischen Säulendenkmals, welches Pausanias wohl fälschlicherweise als Tropaion interpretierte.1267 Beide Monumente repräsentieren also eine spätere Vereinnahmung der Vergangenheit und gehören nicht zur ursprünglichen Gruppe der Weih- und Grabdenkmäler. Schließlich kann auch das Motiv der Beteiligung von Sklaven an der Schlacht in konkrete erinnerungspolitische Zusammenhänge eingeordnet werden. Ein entsprechendes Vorgehen ist für die Zeit der Perserkriege nicht belegt und laut Jung eine invented tradition aus der 2. Hälfte des 4. Jhs. Demnach ließ der athenische Politiker Hypereides in den 330er Jahren Sklaven befreien und Verbannte nach Athen zurückrufen, um zusätzliche Kräfte für den von ihm angeführten Widerstand gegen die makedonische Herrschaft und den Lamischen Krieg zu mobilisieren.1268 Die Behauptung, dass schon vor Marathon eine Sklavenbefreiung stattgefunden hat, diente als Rechtfertigung für diese Maßnahmen und führte möglicherweise auch zur Errichtung des entsprechenden Kenotaphs auf dem Schlachtfeld von Marathon. Im zweiten Teil der Beschreibung des Demos Marathon nennt Pausanias die wichtigsten dort angesiedelten Kulte, von denen er immerhin zwei explizit mit der Erinnerung an die Marathonschlacht in Verbindung bringt. An erster Stelle steht für ihn die heroische Verehrung der Gefallenen. Die entsprechenden Kulthandlungen (Bekränzung des Grabmals, Totenopfer, Agone) lassen sich erst in hellenistischer Zeit durch Inschriften fassen und sind dort Bestandteil des Epheben-Curriculums.1269 Die Schlacht von 490 wird in einem der Texte als „Krieg für die Freiheit“ (πόλεμον ὑπὲρ τῆς ἐλευθερίας) bezeichnet und dadurch mit den zeitgenössischen Kämpfen Athens um die eigene Autonomie in Zusammenhang gebracht. Jung argumentiert, dass der Kult für die Gefallenen in dieser Form erst in der zweiten Häfte des 4. Jhs. im Rahmen der Lykurgischen Neuordnung der Ephebie eingeführt wurde.1270 Doch auch in der Literatur des 5. Jhs. lassen sich Hinweise auf eine Sonderstellung der Marathonomachoi finden. So spricht ihnen Herodot mit der Rettung bzw. Befreiung Athens nicht nur ein zentrales Verdienst für die Polisgemeinschaft zu, sondern rückt sie auch in

1266 Jung 2006, S. 105 122; Castriota 1992, S. 80 83. 1267 Jung 2006, S. 121 122. Dazu: Kap. 3.3.2. 1268 Jung 2006, S. 174 175, bes. Fn. 17. Dagegen hält Welwei 1974, S. 22 36 den Einsatz von Skla ven bei Marathon für historisch. 1269 Agora Inv. 7529, Z. 15 17 (datiert 176/5) ist weiterhin unpubliziert, den Text bietet Rausch 1999, S. 244. IG II2 1006, Z. 26 27; 69 70 (datiert 122/1). 1270 Jung 2006, S. 180.

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten

297

die Nähe der attischen Gründungsheroen Harmodios und Aristogeiton.1271 In der offiziellen Erinnerungstradition Athens bestand deren Verdienst in der Befreiung der Bürgerschaft von der Tyrannis und in der Gründung einer neuen Staatsordnung.1272 Auch die Rettung der neuen demokratischen Ordnung durch die Marathonkämpfer könnte als solch ein „Gründungsakt“ verstanden und durch heroische Ehren honoriert worden sein.1273 Und wenn die Befreiung Athens durch die Marathonschlacht zu Zeiten Herodots bereits eine anerkannte Erinnerungsfigur ist, könnte ein Heroenkult für die Gefallenen bald nach den Perserkriegen initiiert worden sein – zumal vergleichbares auch für die Kriegstoten bei Plataiai in der Mitte des 5. Jhs. belegt ist.1274 Die Antwort auf die Frage, ob der kaiserzeitliche Heroenkult in Marathon bis an den Beginn des 5. Jhs. zurückreicht, kann also nur hypothetisch mit ja beantwortet werden. Von Echetlaios, der dort ebenfalls als Heros verehrt wurde, weiß Pausanias zu berichten, dass er den Athenern in der Schlacht als Bauer erschien und die persischen Feinde mit einem Pflug niederstreckte. Die entsprechende Gestalt hat ansonsten keine Spuren in der antiken Überlieferung hinterlassen – mit Ausnahme einer anderen Pausanias-Stelle: in seiner Beschreibung der Stoa-Poikile erwähnt der Perieget, dass Echetlaios einschließlich Namensbeischrift im Gemälde der Marathonschlacht dargestellt war.1275 Der Vergleich mit ähnlichen Erzählmotiven über Epiphanien in der Schlacht hat gezeigt, dass es sich um einen lokalen Heros gehandelt haben muss, der vorher schon im Umfeld des Schlachtfeldes verehrt wurde.1276 Zum Dank für seine Hilfe im Kampf wurde die Verehrung im Festkalender der Polis manifestiert und der Kult erheblich aufgewertet. Jung spricht dieser kommemorativen Maßnahme eine integrative Funktion zur politischen Mobilisierung der attischen Landbevölkerung zu, die sich im Bild des Bauernheros wiederfinden konnte.1277 Ähnliche Implikationen waren auch mit der Verehrung des Pan verbunden, der vor der Marathonschlacht einem athenischen Boten auf dem Weg nach Sparta erschienen sein soll und dessen Kult in Zusammenhang mit der Erinnerung an die Marathonschlacht bald nach 490 erfolgreich in verschiedenen Orten Attikas

1271 Hdt. 6, 109, 3; 6 lässt Miltiades im Vorfeld der Schlacht sagen: ᾿Εν σοὶ νῦν, Καλλίμαχε, ἐστὶ ἤ καταδουλῶσαι ᾿Αϑήνας ἤ ἑλευϑέρας ποιήσαντα μνημόσυνον λιπέσϑαι ἐς τὸν ἅπαντα ἀνϑρώπων βίον οἷον οὐδὲ ῾Αρμόδιός τε καὶ ᾿Αριστογείτων [λείπουσι]. νῦν γὰρ δή, ἐξ οὗ ἐγένοντο ᾿Αϑηναῖοι, ἐς κίνδ υνον ἥκουσι μέγιστον, καὶ ῆ῎ν μέν γε ὑποκύψωσι τοῖσι Μήδοισι, δέδεκται τὰ πείσονται παραδεδομέ νοι ῾Ιππίῃ, ἤν δὲ περιγένηται αὕτη ἡ πόλις, ὅιη τὲ ἐστι πρώτη τῶν ῾Ελληνίδων πολίων γενέσθαι. [. . .] ἤν γὰρ σὺ γνώμῃ τῇ ἐμῇ προσϑῇ, ἔστι τοι πατρίς τε ἐλευϑέρη καὶ πόλις πρώτη τῶν ἐν τῇ ῾Ελλάδι. 1272 Die gegensätzlichen Darstellungen in der griechischen Historiographie spielten im öffentli chen Diskurs offenbar keine Rolle: Hdt. 5, 55; Thuk. 1, 20, 2; 6, 54 59. 1273 Boehringer 1996, S. 49 51. 1274 Thuk. 3, 58. 1275 Paus. 1, 15, 3. Die Schreibung des Namen variiert hier mit ᾿Εχετλος anstelle von ᾿Εχετλαῖος. 1276 Zu Epiphanien auf dem Schlachtfeld vgl. Pritchett 1979, S. 11 46. 1277 Jung 2006, S. 50 53.

298

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

etabliert wurde.1278 Die von Pausanias erwähnte Höhle wurde im Gebiet von Oinoe, nordwestlich der Marathon-Ebene entdeckt. Die archäologischen Untersuchungen haben gezeigt, dass die prähistorische Nutzung der Höhle in geometrischer Zeit abbricht und am Beginn des 5. Jhs. unvermittelt eine zweite Nutzungsphase einsetzt, die durch große Mengen attisch-rotfiguriger Keramik und Terrakotta-Darstellungen von Pan und den Nymphen im Fundspektrum fassbar wird.1279 In diesem Fall kann also postuliert werden, dass der von Pausanias erwähnte Pan-Kult, zeitgleich mit der Verehrung in Athen, im direkten Anschluss an die Marathonschlacht einsetzte. Weiter erwähnt der Perieget einen Kult für den eponymen Heros Marathonos, dessen Belege in der antiken Literatur selten sind.1280 Eine Verbindung des Kultes zur Marathonerinnerung lässt sich nur aus der Beschreibung des Schlachtgemäldes in der Stoa Poikile erschließen, wo der Heros ebenfalls in Bild und Beischrift vertreten war.1281 Seine Darstellung in der ersten Hälfte des 5. Jhs. und die enge Verbindung zum Ort der Schlacht legen nahe, dass auch Marathonos in die Reihe der Integrationsfiguren gehört, deren Verehrung gleich nach der Schlacht einsetze. Schließlich erwähnt Pausanias noch einen Kult für für Herakles, dessen marathonisches Heiligtum in der antiken Literatur auch als der Ort bekannt war, an dem sich die griechischen Heeresaufgebote vor der Schlacht sammelten.1282 Eine entsprechende Verehrung im 5. Jh. ist durch zwei Inschriftenfunde gesichert.1283 Besonders aufschlussreich ist hier ein Dekret über die Reorganisation der lokalen Herakleia, das im erhaltenen Teil die Bestellung von 30 nach Phylen getrennten Athlotheten verfügt.1284 Die Neuordnung des älteren, lokalen Kultes nach kleisthenischen Phylen erweitert den Teilnehmerkreis von der Marathonia auf die gesamte Polis Athen und stiftete eine Erinnerungstradition, in der der militärische Sieg – ähnlich wie bei den nach Phylen geordneten Gefallenenlisten – untrennbar mit der neuen politischen Ordnung verbunden wurde. Jung sieht in der Kommemoration durch regelmäßige Wettkämpfe den Versuch, ein sportliches Betätigungsfeld für die attischen Epheben zu schaffen und gleichzeitig die Akzeptanz der kleisthenischen Verfassung in der alten Tetrapolis zu fördern.1285 Die paläographischen Merkmale der Herakleia-Inschrift datieren diese in die Zeit vor

1278 Hdt. 6, 105 106. Zu den attischen Pan Kulten: Garland, 1991, S. 59 61; Edwards 1985, S. 19 27. Zum Pan Kult in Athen: Jung 2006, S. 38 49. 1279 Papadimitriou 1958. Vgl. Goette/Weber 2012, S. 24. 1280 Außer Pausanias erwähnen den Heros nur Philostr. Vit. 2, 7; Plut. Theseus 32, 5. Dazu Jung 2006, S. 53 54. 1281 Paus. 1, 15, 3. 1282 Hdt. 6, 108, 1. Entsprechend war auch Herakles im Marathongemälde der Stoa Poikile darge stellt: Paus. 1, 15, 3. Vgl. Liban. 5, 40. 1283 IG I3 3; IG I3 , 1015bis; vgl. Harpokr. s.v. ῾Ηράκλεια. 1284 IG I3 3, Z. 3 6. 1285 Jung 2006, S. 28 38. Ebd. auch weitere antike Quellen für die Herakleia Agone.

6.2 Die Kriegsdenkmäler der Perserkriegsschlachten

299

dem Xerxes-Zug und bestätigen damit auch hier eine Persistenz der Kriegserinnerung vom Schlachtgeschehen am Beginn des 5. Jhs. bis in die hohe Kaiserzeit.1286 Die genauere Untersuchung der zehn kaiserzeitlichen Kriegsdenkmäler in der Ebene von Marathon hat gezeigt, dass die Erinnerungslandschaft ein Konglomerat verschiedener Traditionen darstellte, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten etabliert wurden. Den Kern, an dem sich die jüngeren Kommemorationsformen kristallisierten, bildet eine Gruppe von Denkmälern, die im direkten Anschluss an die Schlacht gestiftet wurde. Hierzu gehören diejenigen Denkmäler, welche die Erinnerung an die Schlacht mit der neuen kleisthenischen Ordnung verbinden: das Grab der gefallenen Athener mit den dazugehörigen Gefallenenlisten und der reorganisierte Herakles-Kult. Sicher in die Zeit nach 490 datiert auch der Beginn der Pan-Verehrung, welche wohl einen Beitrag zur attischen Binnenintegration und damit ebenfalls zu Festigung der isonomen Verfassung leisten sollte. Im gleichen politischen Kontext konnten – zumindest hypothetisch – auch die übrigen Kulte für Echetlaios, Marathonos und die Gefallenen verortet werden. Das Grabdenkmal für die Plataier wurde vermutlich auch direkt nach der Schlacht, spätestens aber in der Mitte des 5. Jhs. errichtet. Aus der Gruppe von „ursprünglichen“ Kriegsdenkmälern wiederum mussten nur drei sicher ausgeschieden werden, bei denen es sich nachweislich um invented traditions aus dem 5. und 4. Jh. handelt. Während das Grabdenkmal für Miltiades sowie das sogenannte Tropaion die Erinnerungspolitik Kimons widerspiegeln, repräsentiert das Monument für die gefallenen Sklaven eine Aktualisierung der Marathonerinnerung aus der Zeit des Lamischen Krieges. Es bleibt einerseits festzuhalten, dass Pausanias von Marathon das Bild einer einheitlichen Erinnerungslandschaft zeichnet, welches nicht zwischen den Zeitstufen und politischen Nuancen einzelner Denkmäler unterscheidet. Andererseits hat sich auch hier der Großteil der Kriegsdenkmäler als für 650 Jahre beständig erwiesen.

Zur Repräsentativität der Perserkriegsdenkmäler Gegen die bisher erarbeiteten Ergebnisse kann der berechtigte Einwand vorgebracht werden, dass die Perserkriegsdenkmäler aufgrund ihrer panhellenischen Bedeutung ein besonders hohes Maß an Persistenz aufweisen, das für die klassischen Denkmalstiftungen sonst nicht repräsentativ ist. Diese These kann aber durch einen weiteren Vergleich zwischen Erwähnungen bei Herodot und bei Pausanias entkräftet werden. Neben den bereits behandelten Perserkriegsmonumenten erwähnt der klassische Historiker noch sechs weitere Kriegsdenkmäler. Auch hier bedarf der Vergleich einer vorausgehenden Einschränkung. Für die beiden archaischen Denkmäler im Apollonheiligtum von Abai (4 und 6) sind keine Aussagen über den Verbleib möglich, da der Tempel – wie Pausanias selbst berichtet –

1286 Jung 2006, S. 31, Fn. 16.

300

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Denkmal

Beleg Hdt.

Beleg Paus.



Fesseln von Kriegsgefangenen auf der Akropolis

, , 

fehlt



Bronzeviergespann auf der Akropolis

, , 

, , 



Phokische Schildweihungen in Delphi

, , 

fehlt



Phokische Schildweihungen in Abai

, , 

fehlt



Phokische Bronzestatuen in Delphi

, , 

, , 



Phokische Bronzestatuen in Abai

, , 

fehlt

erst von Persern (480) und im Rahmen des 3. Heiligen Krieges noch einmal von den Thebanern (347) gebrandschatzt wurde.1288 Die parallele Statuenweihung in Delphi (5) war indessen tatsächlich noch zu Pausanias' Zeit sichtbar. Aus seiner Beschreibung des Monuments erfahren wir den Namen des Bildhauers (wohl aus der Künstlersignatur) und dass die Statuengruppe Bilder des Apollon, des Sehers Tellias, der phokischen Feldherrn sowie einiger ihrer Lokalheroen umfasste. Ebenso überdauerte das von den Athenern auf der Akropolis gestiftete Bronzeviergespann für den Sieg über die Boioter und Chalkidier (2). Pausanias' kurze Notiz zu diesem Denkmal nimmt mehrfach wörtlichen Bezug auf das von Herodot überlieferte Epigramm an der Basis des Denkmals.1289 In der hohen Kaiserzeit war also nicht nur die Bronzestatue erhalten geblieben, sondern auch die dazugehörige Inschrift weiterhin problemlos lesbar. Anders verhält es sich mit den im gleichen Krieg gestifteten Fesseln auf der Akropolis und den phokischen Schildweihungen in Delphi (1 und 3). Beide Denkmäler werden bei Pausanias nicht erwähnt, was aber angesichts der Tatsache, dass sie beide aus vergleichsweise vergänglichen Materialien bestanden, kaum überrascht. Auch hier kann also festgehalten werden: an Orten mit baulicher Kontinuität überdauern die (aus beständigen Materialien geschaffenen) Kriegsdenkmäler nicht nur die Jahrhunderte hindurch, sondern sind für die kaiserzeitlichen Betrachter auch weiterhin problemlos zu identifizieren. Die hohe Beständigkeit der klassischen Kriegsdenkmäler beschränkt sich also keineswegs auf die Perserkriegsmonumente von panhellenischer Bedeutung. Man könnte im Gegenteil sogar schlussfolgern, dass das Bedürfnis nach Vereinnahmung der Erinnerung in Form von invented traditions bei anderen Kriegsereignissen (von lokaler Bedeutung) geringer war und dass die Ausführungen des Pausanias zu den entsprechenden Denkmälern als wesentlich zuverlässiger gelten können.

1287 Vgl. Paus. 10, 13, 6. 1288 Paus. 10, 35, 1 3; vgl. Diod. 16, 58, 3 6. 1289 Paus. 1, 28, 2: καὶ ἅρμα κεῖται χαλκοῦν ἀπὸ Βοιωτῶν δεκὰτη καὶ Χαλκιδέων τῶν ἐν Εὐβοίᾳ. Vgl. Hdt. 5, 77, 4: ἔϑνεα Βοιωτῶν καὶ Χαλκιδέων δαμάσαντες παῖδες ᾿Αϑηναίων [. . .]· τῶν ἵππους δεκάτην Παλλάδε τάσδ’ ἔθεσαν; IG I3 501.

6.3 Die Kriegsdenkmäler aus dem Demosion Sema

301

Die Perserkriegsdenkmäler bei Pausanias Für die Beantwortung der Frage nach der Persistenz klassischer Kriegsdenkmäler durch die Antike hindurch haben sich bei der Untersuchung der herodoteischen Erwähnungen von Perserkriegsdenkmälern Tendenzen abgezeichnet, die später bei der Auseinandersetzung mit Pausanias bestätigt wurden. Nachdem einige der zunächst wegen fehlender Parallelüberlieferungen von der Betrachtung ausgeschlossenen Monumente in Marathon hypothetisch der Gruppe von dauerhaften Denkmälern zugeordnet werden konnten, ergeben sich eindeutige Zahlenverhältnisse. Für mehr als 60% der von Pausanias erwähnten Perserkriegsdenkmäler lässt sich aufgrund des Vergleichs mit klassischem Quellenmaterial eine Stiftung im direkten Zusammenhang mit den Kriegsereignissen annehmen. Weihdenkmäler und Kulte bilden unter den die Antike hindurch überdauernden Kommemorationsformen bei weitem die größte Gruppe. Als Voraussetzungen für den Erhalt von Weihungen müssen nur beständige Materialien und die physische Kontinuität der Aufstellungsorte gegeben sein. Die hohe Beständigkeit von Kultstiftungen und Weihdenkmälern mag einerseits durch deren religiöse Sanktionierung und anderseits durch die lokale Fixierung begründet sein. Grabdenkmäler wiederum können durch die Verwendung von Kenotaphen in andere politische bzw. religiöse Kommunikationsräume transferiert werden. Darüber hinaus implizieren sie innerhalb der Erinnerungsgemeinschaft ein Verantwortungsgefühl, insofern dem gewaltsamen Tod ein nachhaltiger Sinn zugeschrieben werden muss. Damit werden die in Grabdenkmälern und Gefallenenkulten transportierten Erinnerungsfiguren besonders wirkmächtig. Zur Gruppe der Schlachtfelddenkmäler sind hier aufgrund der schwachen und mehrdeutigen Quellensituation keine Aussagen möglich. Das verbleibende Drittel der untersuchten Perserkriegsdenkmäler bilden nachträgliche Neustiftungen. Diese datieren – auch das hat sich in den hier untersuchten Fällen gezeigt – ebenfalls in die klassische Zeit (5./4. Jh.) und können nur durch Vergleiche mit anderen Quellen identifiziert werden.

6.3 Die Kriegsdenkmäler aus dem Demosion Sema Bei den bisherigen Untersuchungen stand die Frage im Vordergrund, ob die klassischen Kriegsdenkmäler bis in die römische Kaiserzeit hinein fortexsistierten. Auch wenn dies für eine Mehrheit der Denkmäler bejaht werden kann, sind damit noch keine Aussagen über den materiellen Fortbestand der Monumente möglich. Sowohl die Form der Kriegsdenkmäler selbst, als auch deren Zuschreibung durch die angebrachten Inschriften sowie ihre physische Umgebung können sich in den Jahrhunderten zwischen der Stiftung und ihrer Dokumentation durch Pausanias maßgeblich geändert haben. Literarische Quellen, die immer nur eine Momentaufnahme der Kriegserinnerung in ihrer Gegenwart geben – die Unmöglichkeit, die Geschichte einzelner Marathon-Denkmäler aus der vergleichsweise detaillierten Darstellung des

302

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Pausaninas heraus zu differenzieren, hat das eindrücklich gezeigt –, gelangen hier an die Grenze ihrer Aussagemöglichkeiten. Im folgenden Abschnitt soll deshalb eine Gruppe von Kriegsdenkmälern untersucht werden, von der uns, neben der periegetischen Überlieferung, physische Zeugnisse als Quellen zur Verfügung stehen. Archäologisch am besten erforscht sind sicher die klassischen Erinnerungslandschaften in den panhellenischen Heiligtümern von Delphi und Olympia, die aber ein methodisches Problem bergen. Bei der Identifizierung einzelner Denkmäler spielen die ausführlichen, topographischen Beschreibungen des Pausanias im Umfang von jeweilis einem ganzen Buch eine zentrale Rolle. Um Zirkelschlüsse zu verhindern, soll deshalb eine Gruppe von Monumenten betrachtet werden, in der einzelne Denkmäler aufgrund von Inschriften unabhängig identifiziert werden können. Eine große Zahl derartiger Zeugnisse ist im weiteren Umfeld der antiken Agora von Athen in Form von Grabinschriften für Kriegsgefallene zutage gekommen. Auch wenn bisher nur wenige Inschriften in situ gefunden wurden, können die Fragmente mit Sicherheit dem im äußeren Kerameikos gelegenen öffentlichen Friedhof zugeordnet werden, auf dem seit archaischer Zeit verdiente Bürger Athens auf Staatskosten beigesetzt wurden. Pausanias' Beschreibung dieser Erinnerungslandschaft kann aufgrund der Inschriftenfunde einem unabhängigen Vergleich unterzogen werden.

Pausanias' Beschreibung des Demosion Sema Was Pausanias über das δημόσιον σῆμα, den staatlichen Friedhof Athens, schreibt, wurde von Habicht als „eine der wenigen Partien des Werkes, in denen seine Gefühle in bewegender Weise zum Vorschein kommen“ charakterisiert.1290 Tatsächlich gibt er sich mitten in seiner Beschreibung der athenischen Vorstadt einer nach Länge und pathetischem Lob einzigartigen Auflistung von Grabdenkmälern hin, welche die Straßen von den Nordwest-Toren der Stadt hin zur Akademie säumten.1291 Die Gräber der Kriegsgefallenen nimmt er am Beginn der Ausführungen zunächst in ihrer Gesamtheit als ein einziges Monument war (ἔστι δὲ ϰαὶ πᾶσι μνῆμα ᾿Αθηναίοις ὁπόσοις ἀποθανεῖν συνέπεσεν ἔν τε ναυμαχίαις ϰαὶ ἐν μάχαις πεζαῖς) – ein Eindruck, den weder seine anschließenden Ausführungen noch die archäologische Untersuchung des Gebietes stützen.1292 Für Pausanias bildet das Friedhofsgelände einen musealen Raum der militärischen Leistungen Athens, dessen wichtigste „Stücke“ er – mit historiographischen Kommentaren unterfüttert – auflistet. Seine Beschreibung der Gräberstraße umfasst 43 Monumente, wobei 16 Grabdenkmäler auf Einzelpersonen entfallen, die nicht nur für

1290 Habicht 1985, S. 35. 1291 Paus. 1, 29, 3 16. Gerahmt wird der Exkurs von den Ausführungen zur Akademie. 1292 Zitat: Paus. 1, 29, 4. Neben den Gefallenengräbern befanden sich im äußeren Kerameikos auch staatlich finanzierte Ehrengräber für Einzelpersonen, einschließlich Gesandten, Künstlern und Proxenoi. Vgl. dazu Low 2012, S. 31 32, bes. Fn. 55; 35.

6.3 Die Kriegsdenkmäler aus dem Demosion Sema

303

militärische, sondern auch für politische, philosophische und künstlerische Leistungen geehrt wurden. Bei der Auswahl ließ sich der Perieget offenbar von seinen üblichen Selektionsmechanismen leiten. Während 37 der Denkmäler Ereignisse und Personen aus der Zeit des 5. und 4. Jhs. kommemorieren (zwei weitere entfallen auf Kleisthenes und die Tyrannenmörder im 6. Jh.), stammen die jüngsten Denkmäler vom Beginn des 3. Jhs.1293 Bei den erwähnten Denkmälern aus klassischer Zeit sind die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der attischen Demokratie (Kleisthenes und die Tyrannenmörder, Ephialtes, Perikles und die Wiederherstellung der Demokratie durch Thrasyboulos) ebenso vertreten wie die bekanntesten militärischen Unternehmungen Athens (der athenische Sieg beim zyprischen Salamis, die Doppelschlacht am Eurymedon, die Schlachten bei Tanagra und Mantineia, Konon und die athenischen Erfolge im Korinthischen Krieg, die Sizilien-Expedition und die Niederlage gegen Philipp II. bei Chaironeia). Das Fehlen anderer prominenter Denkmäler, wie etwa für die auf dem Schlachtfeld bestatteten Marathonkämpfer oder für den in Ungnade gefallenen Feldherrn Kimon, ist erklärbar. Pausanias nutzt die Kriegsdenkmäler also als Ansatzpunkte für einen Abriss der von ihm als klassisch verstandenen Geschichte Athens – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, wie er selbst zu erkennen gibt.1294 Seine Auswahl an Grabdenkmälern erlaubt daher keine direkten Rückschlüsse auf den Zustand des Demosion Sema im 2. Jh. n. Chr. und auf die Anzahl der bis dahin überdauerten Monumente. Von den 21 bei Pausanias erwähnten Kriegsgräbern aus klassischer Zeit lassen sich mindestens fünf, mit weniger Sicherheit sogar neun, durch korrespondierende Inschriftenfunde archäologisch nachweisen: Grabdenkmal für . . .

Pausanias

Inschrift



In Thrakien Gefallene

, , 

IG I3 1144 (?)



Bei Eleon und Tanagra gefallene Reiter

, , 

Ag. , 



In Attika gefallene Kleonaier

, , 

IG I3 1158 (?)



Bei Tanagra gefallene Argiver

, , 

IG I3 1149



In Korinth Gefallene

, , 

IG II2 52211295

1293 Paus. 1, 29, 10 erwähnt ein Denkmal für die Gegner des Lachares (290er) und 1, 29, 13 eines für die von Olympiodoros angeführte Vertreibung des Demetrios Poliorketes (280er). 1294 Paus. 1, 29, 7: ἔστι δὲ καὶ ἀνδρῶν μνήματα ἄλλων, διάϕορα δέ σϕισι τὰ χωρία τῶν ἀγώνων· Aus Thuk. 2, 34, 1 geht hervor, dass eine Beisetzung der Kriegsgefallenen jährlich stattfand. Dazu Pritchett 1998, S. 29 37. Allein aus klassischer Zeit müssen in der Liste bei Pausanias also weit über 100 Denkmäler fehlen. 1295 Den Gefallenen der Schlacht von Korinth im Jahr 394 v. Chr. können noch zwei weitere Grabdenk mäler aus dem äußeren Kerameikos zugeordnet werden: IG II2 5222 ist eine separate Gefallenenliste für die Angehörigen der Reiterei und IG III2 6217 ein privates Grabmal für den Reiter Dexileos.

304

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

(fortgesetzt ) Grabdenkmal für . . .

Pausanias

Inschrift



In Thrakien und Megara Gefallene

, , 

IG I 3 1162 (?)



In Chaironeia Gefallene

, , 

IG II/III2 5226



In Amphipolis Gefallene

, , 

IG I3 1185 (?)



Unter Tolmides Gefallene

, , 

IG I 3 1163

Der Vergleich von Inschriften und Periegese zeigt, wie Pausanias bei der Dokumentation der Denkmäler vorgegangen ist. Seine Beschreibung des Grabmonuments für die im Jahr 394 Gefallenen ϰεῖνται δὲ ϰαὶ οἱ περὶ Κόρινϑον πεσόντες ist eine Kurzfassung der Kopfzeile auf der dazugehörigen Inschrift (5): [᾿Αϑηναίων οἵδε ἀπέϑα]νον ἐν Κορίνθωι ϰαὶ ἐμ Βοιωτοῖ[ς]. Offensichtlich hat der Perieget die Ortsangabe „in Korinth“ relativiert, um in seiner Beschreibung den sperrigen Zusatz „und in Boiotien“ aussparen zu können. Oberhalb des zitierten Textes wird das Fragment der Inschriftenstele von einem figürlichen Relief mit Reiterkampfszene bekrönt, welches Pausanias übergeht. Auch bei den übrigen Denkmälern ignoriert er die architektonische Gestaltung der Stelen und umschreibt nur die kommemorierten Ereignisse durch knappe Informationen: die Identität der Gefallenen (falls es sich nicht um Athener handelt), die Örtlichkeiten der Schlacht bzw. die gegnerische Partei und in einigen Fällen den Namen des befehlshabenden Strategen. Nach Ausweis der erhaltenen Grabinschriften sind dies in der Regel die Angaben, welche die Überschriften bzw. Ordnungskriterien der Gefallenenlisten konstituieren. Auf der am besten erhaltenen Stele aus dem Demosion Sema, einer Inschrift für in Thrakien gefallene Athener (6), ist etwa eine Spalte mit den nach Phylen angeordneten Namen der Toten folgendermaßen überschrieben: ἐγ Χερρονέσοι ᾿Αθεναίον hοίδε ἀπέθανον· ᾿Επιτέλες στρατεγός. Pausanias hat die Inschriften also „angelesen“ und nur diejenigen Informationen übernommen, die notwendig waren, um das entsprechende Denkmal mit den anderweitig bekannten, historischen Ereignissen in Verbindung zu bringen. Insofern die Gleichsetzung der eben genannte Liste mit der entsprechenden Stelle bei Pausanias richtig ist, zeigt sie noch etwas anderes: der Perieget ergänzt die Informationen aus seiner Autopsie der Denkmäler mit Details aus anderen Quellen. Dass im Jahr 447 nicht nur der Thrakien-Feldzug des Perikles, sondern auch ein Aufstand in Megara stattgefunden hat, auf den die Inschrift höchstens mit ἐν τοῖς ἄλλοις πολέμοις anspielt, muss er einer anderen Darstellung (wahrscheinlich Thukydides) entnommen haben.1296 Die Verwendung zusätzlicher Quellen deutet sich auch an

1296 Thuk. 1, 114, 1. Eine sichere Datierung der Inschrift ist nicht möglich, weshalb natürlich auch andere Ereignisse, wie Perikles' Flottenoperation im Jahr 440/39, in Frage kommen. Dazu: Ruggeri 2013, Bd. 2, S. 159.

6.3 Die Kriegsdenkmäler aus dem Demosion Sema

305

anderen Stellen in der Beschreibung des Demosion Sema an. So nimmt Pausanias etwa namentlich Bezug auf das Geschichtswerk des Philistos, und seine Notiz, die Athener hätten auch Rom in verschiedenen Auseinandersetzungen unterstützt, geht dem Wortlaut nach (ϕασὶ δὲ ᾿Αϑεναῖοι) auf einen mündlichen Bericht zurück.1297 Aus den so zusammengestellten Informationen ergeben sich die Auflistungen des Periegeten: ἐτάϕησαν δὲ ϰαὶ οἱ περὶ τὸν ῾Ελλήσποντον ναυμαχήσαντες ϰαὶ ὅσοι Μαϰεδόνων ἐναντία ἠγωνί σαντο ἐν Χαιρωνείᾳ ϰαὶ οἱ μετὰ Κλέωνος ἐς ᾿Αμϕίπολιν στρατεύσαντες, οἵ τε ἐν Δηλίῳ τῷ Τα ναγραίων τελευτήσαντες ϰαὶ ὅσους ἐς Θεσσαλίαν Λεωσϑένης ἤγαγε ϰαὶ οἱ πλεύσαντες ἐς Κύπρον ὁμοῦ Κίμωνι, τῶν τε σὺν ᾿Ολυμπιοδώρῳ τὴν ϕρουρὰν ἐϰβαλόντων τριῶν ϰαὶ δέϰα ἄνδ ρες οὐ πλείους. Begraben wurden hier auch, die in den Seeschlachten am Hellespont kämpften und bei Chai roneia gegen die Makedonen, und die mit Kleon gegen Amphipolis zogen, die beim Delion von Tanagra fielen, die Leosthenes nach Thessalien führte, die mit Kimon gegen Kypros fuhren, und nicht mehr als dreizehn Mann von denen, die mit Olympiodoros die makedonische Besat zung vertrieben. (Paus. 1, 29, 13; Übers. Meyer 1986.)

Die Persistenz der Grabdenkmäler Die Grundlage der periegetischen Beschreibungen ist also auch im Falle des Demosion Sema eine Autopsie der zu den Denkmälern gehörenden Inschriften – wie sonst könnte Pausanias wissen, dass die hellenistische Gefallenenliste zur Vertreibung der Makedonen aus Athen nur 13 Namen umfasste? Bleibt die Frage, inwiefern die Inschriften des 2. Jhs. n. Chr. noch mit den Monumenten aus vorchristlicher Zeit identisch waren. Sowohl die stilistischen als auch die paläographischen und sprachlichen Merkmale der betreffenden Stelen stützen eine Datierung in die klassische Epoche. Dort, wo die Zuordnung zu konkreten historischen Ereignissen gesichert ist, wie etwa bei dem auch literarisch überlieferten Epigramm für die Gefallenen von Chaironeia (7), sprechen die Buchstabenformen für eine Herstellung der Inschriften in zeitlicher Nähe zu den entsprechenden Schlachten.1298 Nachoder Neubauten von Grabdenkmälern hat es also, mit Ausnahme eines Perserkriegsdenkmals, nicht gegeben. Damit wird die oben aufgestellte These, dass die Perserkriegskommemoration offener für spätere Vereinnahmungen ist als

1297 Paus. 1, 29, 12 und 14. Knoepfler 1996, S. 283 311 zeigt, dass der Bezug auf Philistos wohl zu einer Fehlinterpretation des Grabdenkmals von 424 geführt hat. 1298 Anth. Pal. 7, 242. Die Formen der Buchstaben, insbesondere die Tatsache, dass die kreisrunden Buchstaben die Höhe der Zeile noch ganz ausfüllen und dass die mittlere Haste beim Epsilon erst leicht verkürzt ist, sprechen dafür, dass die Inschrift noch in den letzten Jahrzehnten des 4. Jhs. angefertigt wurde. Auch bei den anderen Inschriftenfunden vom Demosion Sema wurden bisher keine zeitlichen Diskrepanzen zwischen den dokumentierten Ereignissen und dem Stil der Inschriften festgestellt.

306

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

die Erinnerung an andere Kriegsereignisse, noch einmal bestätigt.1299 Auch das Wieder- bzw. Neueinschreiben von Inschriften, wie wir es etwa von klassischen Denkmälern in Delphi kennen, wurde nach Ausweis der bisherigen Funde im Demosion Sema nicht praktiziert.1300 Der archäologische Befund spricht also dafür, dass die Grabdenkmäler im äußeren Kerameikos in der Antike nicht umgearbeitet wurden, sondern in ihrer materiellen Beschaffenheit persistent blieben. Darüber hinaus lässt sich mit Einschränkungen annehmen, dass die Grabdenkmäler die Antike hindurch ihren ursprünglichen Aufstellungsort behielten. Nahezu alle Fragmente von Grabinschriften des Demosion Sema stammen nicht aus baulichen Strukturen der Spätantike, sondern von Häusern im Gebiet der griechischen Agora, die nach dem Ende des griechischen Unabhängigkeitskriegs, d.h. in der Mitte des 19. Jhs., errichtet wurden. Die Tatsache, dass viele Fragmente nach ihrer Auffindung anpasst werden konnten, zeigt weiter dass die Stelen im Ganzen transferiert und erst auf der Agora zerbrochen wurden. Unter Einbeziehung zeitgenössischer Berichte aus dem 19. Jh. folgert Pritchett: „Certainly, one can make a case for the position that part of some Demosion Sema monuments which contained the lists of names was peserved until 1850; so Pausanias could have seen them.“1301 Über die Erkenntnis, dass der Fundkomplex des Demosion Sema bis ins 19. Jh. intakt war hinaus, sind aufgrund der Fundsituation natürlich keine Aussagen über antike Re-Lokalisierungen oder Umbauten einzelner Denkmäler innerhalb des Friedhofs möglich. Was wir aus anderen Quellen über die Geschichte des Demosion Sema erfahren, stützt diesen Befund. Zwar berichten mehrere Autoren, dass die Vorstadt beim Dipylon-Tor Schauplatz des Kampfes gegen Philipp V. sowie der Einnahme Athens durch Sulla war, aber die dabei angerichteten Schäden können nicht substantiell gewesen sein.1302 Neben Pausanias wanderte auch Cicero in nachsullanischer Zeit noch durch eine intakte Gräberstraße von der Akademie zum Dipylontor.1303 Weiter bezeugt Philostratos dass noch im 3.

1299 Bei einer Inschrift Ag I 4256 handelt es sich um eine jüngere Kopie des städtischen Salamis Kenotaphs von 479 (IG I3 503/504) aus dem 4. Jh.: SEG 16, 22. Ein anderes Beispiel dieser Art ist die Erneuerung einer Inschrift für Perserkriegsgefallene der Polis Megara durch einen christlichen Priester im 5. Jh. n. Chr.: IG VII 53; SEG 46, 517; Page 1981, S. 213 217. Zur Datierung vgl. Petrovic 2007, S. 195, Fn. 1. 1300 Die Weihinschrift an der Basis für die bereits erwähnte Stierweihung der Plataier aus dem Jahr 479 etwa „seem to point to an archaizing imitation of the 4th cent. B.C.“ (SEG 31, 561). Weiter wurde z.B. ein klassisches Dekret der Amphiktyonie nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 373 wiedereingeschrieben (SEG 44, 425). Zum Phänomen der Wiederveröffentlichung älterer Inschriften in der griechischen Welt: Chaniotis 1988, S. 234 277. 1301 Pritchett 1998, S. 9 10; 21 22; Zitat S. 10. 1302 Liv. 31, 24, 18; Diod. 28, 7; Plut. Sulla 14, 3. Außerdem soll Demosthenes Grabsteine aus dem Demosion Sema entwendet haben, um die Stadtmauer gegen Philipp II. rasch instand zu setzen (Ai schin. Ctes. 236; Lykurg. Leokr. 44). Bei dem Vorwurf scheint es sich aber um eine bloße politische Invektive seiner Gegner zu handeln, die auch in archäologischen Forschungen keine Bestätigung gefunden hat. Vgl. Pritchett 1998, S. 12; S. 23 25. 1303 Cic. fin. 5, 1 5; vgl. Cic. leg. 2, 26, 64.

6.4 Die Kriegsdenkmäler in der Polis Plataiai

307

Jh. n. Chr. Einzelpersonen in der Nachbarschaft der Kriegsgräber beigesetzt wurden und dass der Polemarch Athens dort regelmäßig Agone zu Ehren der Gefallenen veranstaltete.1304 Pausanias hat in der römischen Kaiserzeit also noch die Originalmonumente des 5. und 4. Jhs. gesehen und dem ursprünglichen Wortlaut der Inschriften nach beschrieben. Das bedeutet wiederum, dass die Polis Athen die gesamte Antike hindurch Maßnahmen zur Erhaltung und Reinigung der Kriegsdenkmäler getroffen haben muss, um die Lesbarkeit der Inschriften bis in römische Zeit zu gewährleisten. Diese Annahme passt zu der oft geäußerten Vorstellung, dass die Stadt selbst den Friedhof als „Denkmal ihrer Werte und Ideale [sowie als] Manifestation ihrer Geschichte betrachtete.“1305

6.4 Die Kriegsdenkmäler in der Polis Plataiai Bisher konzentrierten sich die Überlegungen zur Persistenz auf Kriegsdenkmäler, deren Aufstellungsorte die Antike hindurch eine weitestgehende bauliche Kontinuität aufwiesen und damit eine materielle Erhaltung der Original-Monumente gewährleisten konnten. Doch was passierte an den Orten, die noch in klassischhellenistischer Zeit kriegerischen Zerstörungen zum Opfer fielen und für deren dokumentierte Denkmäler eine antike Wiederherstellung angenommen werden muss? Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Polis Plataiai, die 427 am Beginn des Peloponnesischen Krieges durch ein Bündnis von Spartanern und Thebanern und im Jahr 373 erneut durch die Thebaner zerstört wurde. Erst nach der Schlacht von Chaironeia wurde die boiotische Polis durch Philipp II. wiederaufgebaut und neu besiedelt.1306 Von der Zerstörung verschont geblieben waren, nach Aussage des Pausanias, nur die Heiligtümer der Stadt.1307 Dennoch verfügte Plataiai in der Kaiserzeit über eine ganze Reihe von Kriegsdenkmälern, welche in ihrer Gesamtheit an die römische Erinnerungslandschaft von Marathon erinnern (Tabelle). Der Perieget nennt für keines der aufgezählten Denkmäler ein konkretes Stiftungsdatum, impliziert aber dass die Gräber, das Tropaion und die Kulte jeweils in direktem Anschluss an die Kriegsereignisse von 479 (1–4 und 6) bzw. 490 (5) gestiftet wurden. Vergleichbare Annahmen finden sich in Plutarchs Aristeides-Biographie, wo dem athenischen Feldherrn nicht nur die Stiftung des Eleutherios-Kultes (3), sondern auch die Einrichtung einer jährlichen Hellenenversammlung nach der Schlacht zugeschrieben

1304 Philostr. soph. 2, 22, 604; 2, 30, 623. 1305 Ruggeri 2013, S. 124 125. 1306 Paus. 9, 1, 4 8. Die Ereignisse während des Peloponnesischen Krieges skizziert Pausanias nur kurz, da er beim Leser die Kenntnis der entsprechenden Ausführungen in der klassischen His toriographie voraussetzt: Thuk. 2, 71 78; 3, 20 24; 3, 52 68. Zu den Ereignissen im Thebanischen Krieg: Diod. 15, 46, 4 6; Xen. hell. 6, 3, 1. 1307 Paus. 9, 1, 8.

308

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Kriegsdenkmal

Pausanias



Grabdenkmal des persischen Feldherrn Mardonios

, , 



Grabdenkmäler der Griechen mit Inschriften

, , 



Kult und penteterischer Agon für Zeus Eleutherios

, , –



Tropaion

, , 



Athena-Areia-Heiligtum aus Marathon-Beute

, , 



Statue des plataiischen Feldherrn Arimnestos

, , 

wird.1308 Sowohl von einer panhellenischen Versammlung als von dem penteterischen Agon finden sich aber in den Quellen des 5. Jhs. keine Spuren. Herodot berichtet lediglich von der Stiftung des üblichen Beutezehnts in den panhellenischen Heiligtümern und Thukydides erwähnt ein einmaliges Opfer des spartanischen Heerführers Pausanias an Zeus Eleutherios, das aber nicht zwingend in einen regelmäßigen Kult überführt worden sein muss.1309 Die fest institutionalisierte Verehrung des Gottes, einschließlich der Eleutherien-Agone, tritt uns (ebenso wie die panhellenische Versammlung) erst in Quellen des 3. Jhs. entgegen. Laut Jung handelt es sich daher bei Plutarchs Version der Kultgründung um eine athenische Konstruktion aus der Zeit des Lamischen Krieges, welche die panhellenische Erinnerung an die Schlacht von 479 für eine antimakedonische Politik nutzbar machen sollte.1310 Die Initiative zur Einführung des Kultes schreibt er den Spartanern zu, die damit 427 die Pflege der Kriegsgräber sicher stellen wollten, die bis dahin von den nun vertriebenen Bewohnern Plataiais getragen worden war. Durch die Verehrung des Zeus mit der Epiklese „Eleutherios“ konnten die Spartaner gleichzeitig eine Kontinuitätslinie vom panhellenischen Freiheitskampf gegen die Perser hin zur eigenen Befreiung Griechenlands von der athenischen Herrschaft konstruieren.1311 In den darauffolgenden Jahrhunderten verlor das Thema der griechischen Freiheit unter dem Eindruck makedonischer und römischer Eroberungen niemals an Aktualität, sodass die Tradition des penteterischen Agons und der Kult für Zeus Eleutherios noch zu Pausanias' Zeiten weiter gepflegt wurden. Hier überlagerten sich in der Kaiserzeit verschiedene Erinnerungstraditionen, die einerseits auf die Initiative der Spartaner nach der ersten Zerstörung Plataiais und andererseits auf athenische Vereinnahmungen nach dem zweiten Wiederaufbau der Stadt zurückgehen. Die Brüche in der Erinnerungstradition spiegeln sich auch in der Anlage der Grabdenkmäler für die griechischen Gefallenen von 479 (2). Laut Herodot hatten alle an der Schlacht beteiligten Poleis (namentlich Sparta, Athen, Tegea, Megara,

1308 Plut. Aristeides 21, 1. 1309 Hdt. 9, 81, 1; Thuk. 2, 71, 2. 1310 Jung 2006, S. 265 281; 337 340. 1311 Jung 2006, S. 331 334.

6.4 Die Kriegsdenkmäler in der Polis Plataiai

309

Phlious und Aigina) ihre Toten in separaten Gräber auf dem Schlachtfeld beigesetzt.1312 In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden die Ruhestätten von den Bewohnern der Polis Plataiai gepflegt und die Toten durch ein jährliches Opfer geehrt.1313 Nach der Vertreibung der Bevölkerung im Peloponnesischen Krieg muss die Kommemoration in dieser Form unterbrochen und unter externer Verantwortung (wohl im Rahmen des Eleutherios-Kultes) substituiert worden sein. Dafür spricht auch die Gestaltung der Grabanlage, die Pausanias in der Kaiserzeit dokumentiert: Κατὰ δὲ τὴν ἔσοδον μάλιστα τὴν ἐς Πλάταιαν τάϕοι τῶν πρὸς Μήδους μαχεσαμένων εἰσί. τοῖς μὲν οὖν λοιποῖς ἐστιν ῞Ελλησι μνῆμα ϰοινόν· Λαϰεδαιμονίων δὲ ϰαὶ ᾿Αϑηναίων τοῖς πεσοῦσιν ἰδίᾳ τέ εἰσιν οἱ τάϕοι ϰαὶ ἐλεγεῖά ἐστι Σιμωνίδου γεγραμμένα ἐπ’ αὐτοῖς. Gerade am Eingang nach Plataiai liegen die Gräber der Teilnehmer am Kampf gegen die Meder. Im allgemeinen haben die Griechen ein gemeinsames Grabmal; die gefallenen Lakedaimonier und Athener aber haben ihre besonderen Gräber, und darauf stehen Verse des Simonides. (Paus. 9, 2, 5; Übers. Meyer 1986.)

Diese Aussagen sind weder mit Herodots Beschreibung der klassischen Grabanlage noch mit dem in hellenistischer Zeit bei den Eleutherien propagandierten Ideal von der Einheit (ὁμονοία) der Hellenen vereinbar.1314 Diese Konstellation von Grabdenkmälern passt vielmehr zum Ritual des διάλογος, welches ebenfalls im Umfeld der Eleutherien stattfand und aus den kaiserzeitlichen Ephebeninschriften Attikas bekannt ist. In diesem rhetorischen Wettkampf konkurrierten Vertreter Athens und Spartas mit ihren historischen Leistungen für Griechenland um die Führung des großen Festzuges im Rahmen der penterischen Agone.1315 Die Inszenierung der klassischen Vergangenheit mit dem Dualismus der beiden Großmächte beinhaltete offenbar ein Identitätsangebot, das den Bedürfnissen der provinzialen Führungsschichten entsprach und sich zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt auch in der Gestaltung der Grabanlage vor den Toren Plataiais niederschlug. Der Kult für die Gefallenen selbst war, wie Plutarch aus eigener Anschauung berichten konnte, in der Kaiserzeit von den Eleutherien losgelöst und erneut auf die lokalen Traditionen der Polis Plataiai beschränkt.1316 Auch die Verehrung der Kriegsgefallenen verband also im 2. Jh. n. Chr. divergierende Vergangenheitsbilder, die keine Kontinuität zu den klassischen Denkmäler aus dem Umfeld der Schlacht aufwiesen. Vor diesem Hintergrund erscheint es außerdem zweifelhaft, dass das Grabdenkmal für Mardonios (an dessen Authentizität auch Pausanias nicht glaubt) oder das griechische Tropaion (1 und 4) auf Denkmalstiftungen des frühen 5. Jhs. zurückgehen. Aufgrund von fehlenden Parallelüberlieferungen sind hier aber keine begründeten Aussagen möglich.

1312 1313 1314 1315 1316

Hdt. 9, 85, 1 3. Thuk. 3, 58, 4. Zur Verehrung der Homonoia in Plataiai: Jung 2006, S. 321 329; Thériault 1996, S. 101 130. Zum Dialogos: Jung 2006, S. 351 360. Plut. Aristeides 21, 2 5. Dazu: Chaniotis 1991, bes. S. 131 133; Jung 2006, S. 262 265.

310

6 Exkurs: Klassische Kriegsdenkmäler bei Pausanias

Materielle Persistenz kann überhaupt nur für das von Pausanias erwähnten Heiligtum der Athena Areia und die darin ausgestellte Statue (5 und 6) angenommen werden. Den periegetischen Ausführungen nach befand sich im Tempel (neben den Gemälden klassischer Maler) noch zu seiner Zeit eine Kultstatue des athenischen Bildhauers Phidias, die er kurz beschreibt.1317 Die Information über den Bildhauer entnahm der Perieget wohl auch hier einer Künstlersignatur an der Basis des Statue, deren Existenz bestätigt, dass der Tempel noch in römischer Zeit über sein klassisches Inventar verfügte. Der im Anschluss an die Perserkriege gestiftete Kult für Athena Areia kann also als persistent gelten – was sich wiederum mit der Aussage deckt, dass die Heiligtümer der Polis Plataiai von den kriegsbedingten Zerstörungen verschont blieben. Diese Prämisse ist im Übrigen auf andere Stadtstaaten übertragbar. Neben Plataiai wurde auch die Nachbarstadt Theben im 4. Jh. vollständig zerstört. Alexander der Große vollzog ein exemplarisches Strafgericht an der kleinen Polis, nachdem die Einwohner sich gegen die makedonische Besatzung aufgelehnt hatten. Von der Zerstörung verschont blieben nur das Privathaus des Dichters Pindar und des Kynikers Krates sowie die Heiligtümer der Stadt.1318 Der Verzicht auf die Zerstörung sakraler Orte scheint in der Antike mit wenigen Ausnahmen üblich gewesen zu sein – dasselbe Vorgehen zeigt sich etwa in Korinth, wo sich noch heute die Ruinen des archaischen Apollontempels aus der nach der Zerstörung vollständig römisch überbauten Agora erheben. Insofern ist es nicht erklärungsbedürftig, dass Pausanias im 2. Jh. n. Chr. noch die in der Zeit des Peloponnesischen Krieges gestifteten Weihdenkmäler im Herakleion von Theben und die bei Leuktra erbeuteten Bronzeschilde im städtischen Heiligtum der Demeter Thesmophoros sehen konnte.1319 In der mehrfach zerstörten Polis Plataiai waren die antiken Kriegsdenkmäler – zumindest außerhalb der Heiligtümer – also in besonderem Masse offen für Neugestaltungen, und zwar sowohl in materieller als auch in ideeller Hinsicht. Obwohl sich die römischen Monumente auf klassische Vorläufer beziehen, kann lediglich unter topographischen Gesichtspunkten eine Kontinuität festgestellt werden. Und noch etwas hat die exemplarische Untersuchung gezeigt: dort, die kollektive Identität einer Gemeinschaft durch eine militärische Niederlage in Frage gestellt wurde, entzieht sich die Deutungshoheit über die historische Erinnerung den früheren Akteuren und geht stattdessen auf die Sieger über. Sowohl der Eleutherios-Kult als auch die Gefallenengräber im kaiserzeitlichen Plataiai spiegeln Erinnerungstraditionen, die stark von den politisch überlegenen Poleis Sparta und Athen beeinflusst sind. Die Reisebeschreibungen des Pausanias haben deshalb hier – mit Ausnahme von Weihungen in Heiligtümern – keine Gültigkeit für die Erforschung klassischer Denkmalstiftungen.

1317 Die Statue (diesmal finanziert aus Plataiai Beute) nennt auch Plut. Aristeides 20, 3. 1318 Arrian. anab. 1, 9, 9 10; Diod. 17, 14, 1 4; Iust. 11, 4, 7 8; Plut. Alexandros 11, 9 12. Zu Krates: Diog. Laert. 6, 88; 98. 1319 Paus. 9, 11, 6; 9, 16, 5.

Abkürzungsverzeichnis Die in der Arbeit verwendeten bibliographischen Abkürzungen sowie Abkürzungen antiker Autoren folgen dem „Erweiterten Abkürzungsverzeichnis“ in Hubert Cancik/Helmuth Schneider (Hrsg.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 1 (1996), S. 15–47.

Weitere verwendete Abkürzungen sind Analekta Annales HSS BCD Peloponnesos Ergon DNO

HGIÜ

IAgora IC IGASMG IKaunos IPriene IThespai MüJb NIvOl Praktika ZfE

᾿Αρχαιολογιϰὰ ἀνάλεϰτα ἐξ ᾿Αϑηνῶν, Athen Annales. Histoire, sciences sociales, Paris LHS Numismatics Auction 96. 8.-9. Mai 2006. Catalogue, Zürich Το έργον της εν Αϑήναις Αρχαιολογιϰής Εταιρείας, Athen Sascha Kansteiner/Klaus Hallof u.a. (Hrsg.): Der Neue Overbeck. Die antiken Schriftquellen zu den bildenden Künsten der Griechen, Berlin 2014 Kai Brodersen/Wolfgang Günther/Hatto H. Schmitt (Hrsg.): Historische griechische Inschriften in Übersetzung. Studienausgabe in einem Band, Darmstadt 2011 The Athenian Agora. Results of Excavations Conducted by the American School of Classical Studies at Athens. Inscriptions, Princeton Margherita Guarducci (Hrsg.): Inscriptiones Creticae, 4 Vols., Rom 1935–1950 Renato Arena (Hrsg.): Iscrizioni greche arcaiche di Sicilia e Magna Grecia, Pisa u.a. Christian Marek: Die Inschriften von Kaunos, München 2006 (Vestigia Bd. 55) Wolfgang Blümel u.a. (Hrsg.): Die Inschriften von Priene, Bonn 2014 (IK Bd. 69) Paul Roesch u.a. (Hrsg.): Les Inscriptions de Thespies, Lyon 2007–2009 Müchner Jahrbuch der Bildenen Kunst, München Peter Siewert/Hans Taeuber: Neue Inschriften von Olympia. Die ab 1896 veröffentlichten Texte, Wien 2013 Πραϰτιϰὰ τῆς ἐν Αθῆναις ᾿Αρχαιολογιϰῆς Εταιρείας, Athen Zeitschrift für Ethnologie, Berlin

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Sach-, Orts- und Personenregister Abai 27, 50, 82, 299 Adrastos 159 Agesilaos II. 192 Agesipolis I. 207 Agiaden 171, 208 Agias 238 Agon, siehe Wettkampf Agrai 106, 107, 123 Aias 124, 140, 175 Aigina 1–2, 55, 100, 148, 183 Aigospotamoi 233, 237–238, 256, 257 Aineias 30, 87 Aitolien 199 Akanthos 250–252 Akragas 94 Alexander III. 261 Alkamenes 237 Amazonen 161 Ambrakia 94–97, 101 Amnestie 220, 247 Ampelokipi 214 Amphiktyonie 146, 172, 173, 174, 246, 260 Amphipolis 251 Amyklai 89, 237 Amyntas III. 262 Anaxagoras 142 Ano Mazaraki 25 Antigonos II. 46 Antiocheia am Pyramos 114 Antiphanes 257 Apollonia (Illyricum) 45, 152 Argolis 223 Argonauten 30 Argos – Fest der Hybristika 85 – Heroon der Sieben gegen Theben 159 – Stadtstaat 35, 39, 48, 60, 94, 152, 185, 219, 226, 257, 259 – Statuenweihung im Tempel der Horen 159 – Tempel der Hera 30 Arimnestos 130 Aristeia-Ehrung 148 Aristeides 54 Aristokratie 36, 73, 79, 99, 157, 168, 216, 221, 225, 270 Aristomenes 193 Arkadien 205, 223, 227, 239, 259 https://doi.org/10.1515/9783110637113 009

Arkas 259 Asinaros 105 Athen – Agora 40 – Akropolis 24, 51, 52, 55, 74, 127, 155 – Alter Athenatempel 57, 74 – Demosion Sema 18–20, 100, 181–185, 190, 215–221, 301–307 – Ehrenstatue des Konon 234 – Fest der Aphrodite Euploia 107, 110 – Fest der Artemis Mounichia 125 – Hermenstoa 162 – Kriegsgrab der Argiver 185, 219 – Kriegsgrab der Kelonaier und Ionier 185 – Kriegsgrab der Lakedaimonier 219 – Kriegsgrab der Salamis-Gefallenen 179, 181, 216 – Kult der Aphrodite Euploia 111, 234 – Kult der Eukleia 126, 290 – Kult des Pan 112, 116, 126–129, 136, 232, 286, 298 – Odeion 292 – Peiraieus 107, 108, 110, 125, 128 – Stadtstaat 13, 49, 56, 60, 65, 74–78, 80–81, 98–101, 106, 121–129, 140, 145–147, 149–151, 153, 155–158, 161–163, 165–169, 184, 186, 190, 211–221, 230, 231, 237, 242 – Statue der Athena Promachos 13, 291 – Statuenweihung für den Sieg über die Boioter und Chalkidier 52, 74–78, 300 – Statuenweihung (Nike) des Kallimachos 156, 198 – Statuenweihung (Nike) für den Sieg bei Sphakteria 235, 255 – Stoa des Zeus Eleutherios 241 – Stoa Poikile 161–163, 236, 295 – Tempel der Athena Polias 24 – Tempel der Nike 190, 192 – Waffenweihung für den Sieg in Lemnos 40, 49, 51 – Waffenweihung für den Sieg in Marathon 52, 153, 155 Attika 122, 128, 136, 161 Attischer Seebund 185, 221, 228, 233, 235, 251, 252 Ayanis 34

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Sach-, Orts- und Personenregister

Barbaren (Nichtgriechen) 71–73, 218, 236, 270 Boiotien 74, 77, 222, 232, 233, 240, 260 Brasidas 64, 107, 108, 210, 251 Bürgerkrieg 130, 134, 219, 220, 237, 247 Byzantion 68, 185 Chabrias 116, 231 Chairon 219 Chaironeia – Kriegsgrab der Thebaner 203 – Schlacht 221, 261 Chalkis 74, 77, 98 Chios 25 Daulis 84 Deinomeniden 148, 154 Delion 223–225, 232, 236, 239 Delphi – Halle der Athener 149–150 – Heiligtum (allgemein) 19, 25, 27, 32, 45, 63, 139, 143, 153, 257 – Kult der Heroen Phylakos und Autonoos 113, 286 – Schatzhaus von Akanthos 64, 250 – Schatzhaus von Athen 60–62, 65, 147, 291 – Schatzhaus von Knidos 57, 58, 64 – Schatzhaus von Korinth 58, 65 – Schatzhaus von Siphnos 65 – Schatzhaus von Syrakus 251 – Schatzhaus von Theben 63, 64, 246, 251 – Statuenweihung der Boioter 261 – Statuenweihung (Apollon) der Amphiktyonen 260 – Statuenweihung (Apollon) der Gortyer 70 – Statuenweihung (Apollon) der Knidier 258 – Statuenweihung (Apollon) der Liparaier 69–71 – Statuenweihung (Apollon) der Massalioten 67, 71 – Statuenweihung (Apollon) der Megarer 152 – Statuenweihung (Apollon) des Hellenenbundes 140, 283 – Statuenweihung (Dreifüße) der Deinomeniden 148 – Statuenweihung (Gefangene) der Tarentier 150 – Statuenweihung (Herakles) der Thebaner 261

– Statuenweihung (Heroen) der Arkader 227, 259 – Statuenweihung (Heroen) der Tarentier 151 – Statuenweihung (Könige) der Argiver 260 – Statuenweihung (Nauarchen) des Lysandros 47, 257, 258 – Statuenweihung (Nike) der Messenier 255 – Statuenweihung (Palme) der Athener 151 – Statuenweihung (Pferd) der Argiver 257 – Statuenweihung (Phylenheroen) der Athener 147, 149, 288 – Statuenweihung (Schiffsmast) der Aigineten 148, 284 – Statuenweihung (Schlangensäule) des Hellenenbundes 47, 143, 284 – Statuenweihung (Stier) der Karystier 291 – Statuenweihung (Stier) der Plataier 148, 288 – Statuenweihung (Thebanische Gruppe) der Argiver 152, 159 – Waffenweihung der Phoker 50, 82, 300 Demokratie 78, 100, 183, 184, 216, 225, 226, 228, 229, 241 Denkmal (allgemein) 7–10 Dialogos (Redewettkampf) 119, 309 Didyma 45 Diodor 17 Diokles 105 Dioskuren 148 Dodona 25, 27, 95 Dorieus 97 Dreifuß 143, 148, 154, 237 Dur Scharrukin 34 Eion 162 Eleusis 98, 128 Eleutherios-Epiklese 112, 131, 135, 241, 308 Elis 41, 72, 85, 238, 239, 244, 256 Epameinondas 193, 203, 227, 232, 240, 245–249, 259, 260 Ephebe 103, 115, 118, 120, 123–125, 127, 133, 271, 296 Ephesos 244, 245 Ephialtes 173 Epidauros 31 Epinikia 107–110, 192 Epiphanie 112, 125, 127, 132 Epirus 94 Epitaphien-Rede 213, 218, 230

Sach-, Orts- und Personenregister

Eretria 25, 77, 115, 224, 225 Erinnerungsfigur 4, 10, 271 Erinnerungsgemeinschaft 5, 7 Erinnerungslandschaft 8, 183, 279, 292, 299 Erinnerungsort 4 Ethnogenese 37, 44, 84, 86, 92, 264, 269 Etrurien 49, 71, 154 Euboia 35, 77, 98 Euphorbos 30 Euphranor 241 Eurybiades 210 Eurykles 105 Euryleon 97 Eurymedon 55, 121, 151, 190 Eurypontiden 171, 208 Ex voto, siehe Gelübde Feldherr 54, 55, 106–110, 113, 146, 157, 215, 233–234, 241, 258 Fest 6, 12, 21, 81–85, 102–125, 136, 231–235 Festmahl 117 Flussdeponierung 31 Frau 115, 150, 160, 209, 213, 270 Fremde Waffen 29, 31–33 Gedenktage, siehe Fest Gefallenenliste 100, 167, 169, 176, 180, 182–185, 215–218, 220, 222–230 Gela 65 Gelon 134, 154 Gelübde 27, 108, 110, 112, 127, 132 Gemälde 130, 131, 161, 241 Göbekli Tepe 32 Gortys 70 Grabdenkmal 5, 10, 12, 20, 91–101, 164–186, 200–230, 286, 301 Grabhügel 92, 93, 165, 169 Grabluxusgesetz 99, 168, 182, 201, 208 Halieis 39 Hattuscha 33 Heilige Schar 205 Heiliger Krieg 143, 251, 260, 261 Hellenenbund 138–146, 164, 173, 179, 180 Hellespont 150 Helot 48, 54, 158, 170, 208, 259 Hephaistia 100 Herakleia Pontike 229, 243

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Herakles 60, 62, 76, 108, 122, 237, 243, 260, 261 Herodes Atticus 295 Herodot 16, 282, 299 Heroisierung 209, 222, 258 Herrschaft der Dreißig 114, 182, 219, 220, 231, 237, 247 Hethiter 33 Hieron 49, 148, 154 Himera 134, 148, 154 Hippion 44 Homer 89, 90, 93, 187 Hoplitenschlacht 22, 36, 37, 53, 56, 87, 191, 200, 270 Hyampolis – Fest der Elaphebolia 51, 81–85, 111 Hypereides 296 Hysiai 94 Invented Tradition 6, 18, 30, 85, 291, 299, 300 Ionien 46, 185, 221, 233 Ionischer Aufstand 221 Isagoras 52, 74, 76 Isthmos von Korinth – Heiligtum 27, 138, 236 – Schiffsweihung des Hellenenbundes 140, 284 – Statuenweihung (Poseidon) des Hellenenbundes 142, 285 Italien 31 Japyger 151 Kadmos 30, 203 Kalapodi 25, 32, 50 Kallimachos 106, 156, 157 Kalynthos 151 Kap Artemision 142, 165 Kap Lekythos 107, 108 Kap Sounion 27, 140 Karabounaki 214 Karthago 67, 71, 134, 148, 236 Karystos 291 Kenotaph 12, 94, 170, 175, 176, 178, 206, 209, 222, 226, 301 Kimon 121, 182, 196, 295 Kleinasien 25, 35, 45, 115, 223, 235, 243 Kleisthenes 52, 62, 183

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Sach-, Orts- und Personenregister

Kleisthenische Reformen 62, 65, 74, 78, 99, 123, 127, 147, 156, 157, 169, 184 Kleomenes I. 46, 52, 74 Kleonai 185 Knidos – Schlacht 106, 110, 234 – Stadtstaat 57, 58, 108, 258 Knossos 52 Koinon 83, 84, 227, 232, 235, 240, 259 Kolchis 30 Kollektives Gedächtnis 3–10, 21, 271 Kolonisation 32, 38, 44, 45, 70, 96, 97, 151 Konon 106–110, 234, 241 Konstantinopel 143 Koressos 244 Korinth 25, 36, 58, 96, 145, 174, 178, 191, 218, 224, 310 Korinthos 175 Korone 40, 158 Koroneia 39, 192, 218 Kreta 31, 32, 52, 66 Kriegergrab 32, 35, 36 Kriegsbeute 25, 39, 53–57 Kriegsdenkmal (allgemein) 10 Kriegsgefangener 56, 74, 105, 150 Kriegswaisen 228 Krimisos 236 Kroisos 46, 98 Kromnos 227 Kroton 44 Kultstiftung 12, 80–86, 102–113, 125–137, 231–235, 301 Kulturelles Gedächtnis, siehe Kollektives Gedächtnis Kyme 49 Kynouria 167 Kypseliden 58, 96 Kyros 64 Lade 221 Lamischer Krieg 296, 308 Lebadeia – Fest der Basileia 193, 232, 245 – Heiligtum des Trophonios 193, 232 Lefkandi 35 Lemnos 40, 51, 100 Leochares 261 Leonidas 121, 170, 176, 210 Leosthenes 234

Leotychidas 46 Leukimme 187 Leuktra – Schlacht 193, 232, 236, 240, 251 – Tropaion der Thebaner 199, 245–249 Lindos 25, 32 Liparische Inseln 45, 69, 70 Lokris 173 Lokroi 44 Lösegeld 56 Löwenstatue 170, 171, 203, 223 Lydien 45 Lykien 243 Lykurg 47, 208 Lysandros 116, 233, 237, 256, 258 Makedonien 214, 260, 261 Mantineia – Kriegsgrab des Epameinondas 203 – Schlacht 209, 227, 231, 260 – Stadtstaat 42, 191, 225, 229, 255 Marathon – Fest der Artemis Agrotera 106, 107, 116, 123 – Fest der Herakleia 116, 118, 122–123, 298 – Kriegsgrab der Athener 100, 165–169, 294 – Kriegsgrab der Plataier 169, 295 – Kriegsgrab der Sklaven 296 – Kriegsgrab des Miltiades 295 – Kult des Heros Echetlaios 116, 123, 297 – Kult des Heros Marathonos 123, 290, 298 – Kult des Pan 297 – Kult für die heroisierten Gefallenen 118, 296 – Säulenmonument 195, 196–199, 296 – Schlacht 51, 54, 57, 125, 146, 153, 155, 156, 161, 183, 294 – Tetrapolis 122, 128, 214 Mardonios 24, 26, 309 Masistios 24 Massalia 45, 67, 68 Medismos 2, 113, 130, 131, 174 Medma 44 Megalopolis 240 Megara – Kriegsgrab für die Perserkriegsgefallenen 177–178 – Kult der Artemis Soteira 132, 133, 177 – Stadtstaat 40, 59, 64, 92, 207, 225 – Tempel des Zeus 24 Megaris 223

Sach-, Orts- und Personenregister

Megistias 41, 172 Mende 69 Mesopotamien, siehe Vorderasien Messapier 150 Messenien 40, 56, 69, 158, 193, 240, 252, 259 Metapont 65 Mikon 161 Milet 25 Milizheer 43 Miltiades 51, 100, 127, 157, 232, 295 Milyas 243 Minoa 97 Minoische Kultur 31 Monarchie 34, 46, 208, 234, 244, 262 Münzbild 84, 108, 243 Musasir 34 Mykenische Kultur 30, 31, 33 Mythogenes Selbstverständnis 21, 30, 150, 154, 271, 272 Naupaktos 252 Naxos 114, 231 Nike 148, 156, 157, 190, 196, 235, 237, 239, 253, 259 Nikias 104 Nikodoros 225 Nisaia 152 Nymphen 128 Odysseia 30 Odysseus 30, 130 Oiniadai 254 Oinoe 152, 159, 161 Oligarchie 133, 220, 224, 225, 233 Olympia – Gymnasion 244 – Heiligtum (allgemein) 19, 25, 27, 32, 37, 39, 40, 41, 44, 50, 63, 72, 153, 246, 254, 256 – Philippeion 261 – Schatzhaus von Gela 65 – Schatzhaus von Megara 59, 64 – Schatzhaus von Metapont 65 – Schatzhaus von Sikyon 30, 65 – Schatzhaus von Syrakus 63, 64 – Stadion 27, 41, 88, 90, 154 – Statuenweihung (Nike) der Mantineer 255 – Statuenweihung (Nike) der Messenier 198, 252–256

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– Statuenweihung (Trojanische Gruppe) der Apolloniaten 152 – Statuenweihung (Tropaion) der Eleer 198, 238, 245 – Statuenweihung (Zeus) der Byzantier 68 – Statuenweihung (Zeus) der Eleer 239 – Statuenweihung (Zeus) der Mendaier 69, 71, 72 – Statuenweihung (Zeus) der Spartaner 47, 69 – Statuenweihung (Zeus) der Thessaler 69 – Statuenweihung (Zeus) des Hellenenbundes 142, 284 – Waffenweihung der Argiver 39, 48, 60 – Waffenweihung der Athener 49, 51, 153 – Waffenweihung der Orchomenier 39 – Waffenweihung der Sikyonier 39 – Waffenweihung des Gelon und der Syrakusier 154 – Waffenweihung des Hieron und der Syrakusier 49, 154 – Waffenweihung des Miltiades 157 – Waffenweihung (Goldener Schild) der Spartaner 47, 153 Olynthos 202 Onasias 130 Onatas 151 Opus 173 Orakel 27, 41, 50, 112, 193 Orchomenos 39 Orthagoriden 49 Othryades 187 Paian 116 Paionios 252 Panaios 161 Panhellenische Wettkämpfe 41, 45, 146, 223 Patrios Nomos 100, 181, 200, 211–215, 229, 230 Pausanias (Autor) 17–19, 275–310 Pausanias (Feldherr) 54, 55, 121, 131, 145, 176, 210 Peisianax 161 Peisistratiden 49, 51, 52, 80, 123, 155 Peithagoras 97 Pelopidas 237 Peloponnesischer Bund 85, 153, 172 Peloponnesischer Krieg 42, 210, 220, 226, 231–238, 240, 244, 251–256

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Sach-, Orts- und Personenregister

Pelops 30 Pentekontaetie 150–153, 158–159, 161–163, 184–191 Penteterische Agone, siehe Panhellenische Wettkämpfe Perioike 170, 208, 225, 270 Perserkriege 1, 20, 29, 55, 102, 119, 120–133, 137–150, 153–158, 161, 164–181, 195–199, 282–301 Perseus 260 Persien 45, 55 Personenkult 109, 116, 170, 233, 241, 262 Peuketien 150, 151 Phalanthos 151 Pheidippides 112, 125 Pheidon 48 Phidias 13, 85 Philia 25 Philipp II. 203, 221, 260–262 Phlious 92 Phokaia 68 Phokis 41, 50, 71, 81–85, 136, 143, 260, 300 Phokos 83, 84 Phyle (Ort) 114, 128, 231, 237 Phyle (Verwaltungseinheit) 54, 62, 122, 127, 147, 167, 169, 180, 183, 185, 212, 215, 225–227 Phylenheroen 147 Pisatis 85 Plataiai – Fest zu Ehren der Gefallenen 104, 116, 120 – Kriegsgrab der Aigineten 1–2, 169 – Kriegsgrab der Spartaner 171 – Kriegsgrab des Mardonios 309 – Kriegsgräber der Hellenen 92, 286, 308 – Kult der Athena Areia 129–131, 136, 310 – Kult des Zeus Eleutherios 119, 121, 131, 307 – Schlacht 1–2, 54, 142 – Stadtstaat 104, 131, 148, 207, 307–310 – Tropaion 195, 309 Plutarch 17 Polemarchos, siehe Feldherr Polygnotos 130, 161 Priester 108, 113, 114, 139, 271 Private Kommemoration 28, 38, 127, 157, 209, 212 Prozession 111, 115–116 Pyraiboi 95

Raum 7–10 Reliquie 30, 40 Rhamnous 40, 292 Rhegion 56 Rhodos 228 Salamis – Ambelakia 174 – Fest der Aianteia 116, 124 – Kriegsgrab der Korinther 174 – Kult des Heros Enyalios 80, 111, 119 – Kynosoura 124, 180 – Psyttaleia 196 – Schiffsweihung des Hellenenbundes 140, 284 – Schlacht 114, 125, 140, 148, 160, 179 – Tropaion 124, 195, 196 Samos – Fest der Lysandreia 233, 234 – Heiligtum der Hera 25, 32 – Stadtstaat 221 Samothrake 30 Sargon II. 34 Satrapie 46 Schatzhaus 58–66, 250–252 Schiffsbrücken 150 Schiffsweihung 140, 284 Seeschlacht 26, 109, 125, 141 Seher 41, 238 Selinous 97 Sigeion 51 Sikyon 30, 39, 48 Simonides 98, 164, 172 Siphnos 65 Sipte 72 Sizilien 45, 49, 97, 134, 244 Sizilische Expedition 56, 105, 152, 226, 251 Skillous 109 Sklave 56, 115, 270, 296 Söldner 270 Solon 80 Soter-Epiklese 112, 131, 133 Sparta – Fest der Leonideia 120, 210 – Heroon des Brasidas 176, 210 – Heroon des Leonidas 170, 176, 210, 285, 292 – Heroon des Pausanias 176, 210, 285, 292 – Heroon für Maron und Alpheios 210 – Kriegsgrab der 300 Spartiaten 176, 221, 285

Sach-, Orts- und Personenregister

– Stadtstaat 69, 145, 146, 153, 170–171, 207–210, 219, 257, 258 – Statuenweihungen (Adler) des Lysandros 237, 255 – Stoa Persike 47, 160 – Waffenweihungen (allgemein) 46–48, 71 Sparten 203 Spartiat 170, 172, 176, 208, 221 Sphakteria 162, 235, 254, 256 Statuenweihung 66–79, 137–159, 235–239, 252–261, 283 Stoa 149, 159–163, 239, 241 Stratege, siehe Feldherr Susa 46 Symmachie 138–139, 153, 235, 237, 260 Syrakus – Fest der Asinaria 105–106 – Fest der Herakleia 108 – Kult des Zeus Eleutherios 116, 133, 134, 136 – Stadtstaat 49, 57, 117, 154, 236, 244, 251, 252 – Tempel der Demeter und Kore 134 Tanagra 153, 185, 187, 219, 224 Taras 151 Tarent 150, 151, 243 Tegea – Fest für Zeus Klarios 85 – Kult des Hermes Promachos 85 – Stadtstaat 42, 92, 185, 191, 226, 227 – Tempel der Athena Alea 57 Tellias 41, 51, 82 Tellos 98 Thasos 56, 228, 230 Thebanischer Krieg 130, 152, 154, 271 Theben – Ehrenstatue des Epameinondas 240, 246 – Fest der Delia 232 – Stadtstaat 131, 193, 203–205, 226, 232, 245, 249, 251, 252, 261, 310 – Statuenweihung (Athena, Herakles) des Thrasyboulos 237 – Stoa für den Sieg bei Delion 239 – Tempel der Aphrodite 30 – Waffenweihungen im Demetertempel 236, 240, 245 Thelphousa 205 Themistokles 114 Themistokles-Dekret 161

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Thermopylen – Kriegsgrab der Hellenen 172 – Kriegsgrab des Leonidas 170–171 – Schlacht 176, 221 Theseus 62, 241 Thespiai 131, 175, 223, 224, 229 Thessalien 50, 69, 83, 95, 185, 260 Thrakien 71 Thrasyboulos 134, 237 Thrasyllos 245 Thronion 152 Thukydides 17, 187–188, 282 Thyrea 257 Tibraskos 219 Timoleon 117, 236 Timotheos 234, 241 Torone 207 Totengedenken, siehe Grabdenkmal Troizen – Halle mit Frauen- und Kinderstatuen 160 – Kult des Helios Eleutherios 132, 133 – Stadtstaat 161 Trojanischer Krieg 30, 151, 152, 154, 161, 179, 257, 271 Tropaion – Monument 12, 23, 195–199, 244–249 – Waffenmal 12, 23, 86–91, 186–194, 242–244 Trysa 243 Tuthalija II. 33 Tylissos 52 Tyrannenmörder 62, 183, 297 Tyrannis 46, 48, 49, 52, 65, 81, 96, 97, 117, 134, 243 Unentschiedene Schlacht 42, 191, 218 Unteritalien 25, 32, 44, 45, 65, 151, 223, 243 Vari 128 Vergessen 15, 246 Volksversammlung 105–106, 109, 110, 134, 190, 269 Vorderasien 32–34, 37, 67, 168 Waffenweihung 23–53, 90, 153, 155, 235–236 Wagen 76, 77, 116 Weihdenkmal 11, 37–79, 137–159, 235–239, 250–262, 301 Weihinschrift 33, 40, 68–70, 72

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Sach-, Orts- und Personenregister

Westgriechische Kolonien, siehe Unteritalien Wettkampf 117 Xanthos 243 Xenophon 17, 109, 188 Xerxes 150, 292

Zehntweihung 25, 57, 142 Zenon 163 Zeus Tropaios 91, 124, 192 Zipoites 229 Zivilperson 43, 115, 212 Zweite Sophistik 278 Zypern 32