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German Pages 159 [188] Year 1949
Die Photographie in der Kriminalistik Eine
Einführung
in die photographischen Arbeitsmethoden der naturwissenschaftlichen Kriminaluntersuchung
Von
Dr. jur. Dr.-Ing. Heinrich Tetzner Rechtsanwalt am Landgericht Traunstein
19 4 9
W A L T E R
DE
G R U Y T E R
& CO. •
B E R L I N
Copyright 1949 by Walter de Gruyter & Co., Berlin
Archiv-Nr.
24g 94S
D r u c k : Dr. F. P. Datterer & Cie., Freising
Vorwort. Das wichtigste Teilgebiet des Zweiges der angewandten Physik, für dessen Abtrennung als selbständiges Arbeitsgebiet ich im folgenden eintrete und für den ich in Analogie zu den allgemein gebrauchten Ausdrücken „Gerichtliche Medizin" und „Gerichtliche Chemie" die Bezeichnung „ G e r i c h t l i c h e P h y s i k " (1) vorschlage, ist die K r i m i n a l p h o t o g r a p h i e . Schon seit langem ist die wissenschaftliche Photographie als „objektives" Ausdrucks- und Forschungsmittel für die Kriminaltechnik unentbehrlich. Eine vertiefte Kenntnis dessen, was die modernen photographischen Verfahren forensisch leisten können und wo ihrer Anwendung Grenzen gesteckt sind, ist daher für jeden, der mit der Aufklärung strafbarer Handlungen zu tun hat, unentbehrlich. Schon der reifere Student sollte sich im Rahmen der allgemein geforderten kriminologischen Ausbildung, deren Hauptthema ja die Behandlung der naturwissenschaftlichen Kriminaluntersuchung sein muß, einen Überblick über diese Fragen erarbeiten. Wer die kriminalistische Alltagspraxis kennt, weiß, daß auch heute noch die Heranziehung photographischer Untersuchungsverfahren nicht selten aus Unkenntnis versäumt wird (Walcher, Gerichtlich-medizinische und kriminalistische Blutuntersuchung, Berlin 1939, Seite 2). Im deutschen Schrifttum fehlt eine das Gebiet systematisch behandelnde neuere Darstellung. Ich habe daher versucht, unter Hervorhebung des Grundsätzlichen und unter Betonung der naturwissenschaftlichen Zusammenhänge die zahlreichen photographischen Arbeitsmethoden der modernen naturwissenschaftlichen Kriminaluntersuchung mit gelegentlichem Hinweis auch auf Probleme, die nicht eigentlich der Kriminaltechnik angehören, aber für diese im Einzelfall einmal wichtig sein können, zu beschreiben. Dabei habe ich bewußt die p h y s i k a l i s c h e n Gesichtspunkte, die mir als Physiker am geläufigsten sind, in den Vordergrund gestellt. Meine eigenen Forschungen sind bei Darstellung und Kritik der einzelnen Arbeitsverfahren mit verwertet. Sie werden dem Sachkundigen auch ohne besondere Herausstellung kenntlich sein. Das Buch wendet sich zunächst an den Fachmann, es bringt deshalb überall ausführliche Literaturangaben auch des ausländischen Schrifttums. Ich möchte aber weiter mit meiner Arbeit einen nützlichen Beitrag zur Heranbildung des kriminaltechnisch interessierten deutschen Naturwissenschaftlernachwuchses leisten, dem das Buch eine gedrängte, wissenschaftlich zuverlässige Einführung in die Arbeitsverfahren und Probleme des bereits sehr in die Breite gegangenen Gesamtgebietes der Kriminalphotographie geben soll. Daher war ich bemüht, möglichst oft die besonderen Fragestellungen und Lösungswege der Kriminalphotographie in den Zusammenhang der allgemeinen naturwissenschaftlichen Arbeitsmethoden einzugliedern und, entsprechend der (1) oder (entsprechend den Wortbildungen Kriminalbiologie, Kriminalpsychologie usw.) „ K r i m i n a l p h y s i k " .
III
historischen Entwicklung, aus ihnen heraus abzuleiten. Der mit der Materie befaßte Nichtfachmann soll in dem Buche eine verständliche und anschauliche Darstellung des Stoffes finden. Dem Juristen will das Buch insbesondere den Weg zum Sachverständigen aufzeigen. Darüber hinaus soll es dazu anregen, die e i n f a c h e n Verfahren noch mehr in die tägliche Praxis einzuführen, wobei allerdings nachdrücklich vor unkritischer Verwendung von Lichtbildern, die oft „lügen", und vor dilettantischer Anwendung von Verfahren, die nur der Fachmann beherrscht, gewarnt werden muß. Seelig hat das in der von ihm bearbeiteten Neuauflage des Großschen „Handbuchs für Untersuchungsrichter" eindringlich betont. Ganz allgemein muß sich eben bei der Zusammenarbeit von Juristen und Naturwissenschaftlern zwar jeder auf das Gebiet des anderen begeben, auf dem fremden Gebiet aber bescheiden sein (Exner, Kriminalbiologie in ihren Grundzügen, Hamburg 1939, Vorwort). Die ausführlichere Behandlung der Stereophotographie und der photogrammetrischen Verfahren rechtfertigt sich durch die auffallend geringe Verwendung dieser so wichtigen Hilfsmittel in der deutschen Kriminalpraxis, die sich bei Festlegung des Tatortbefundes noch vielfach mit Ausmessung durch das Meßband (oder gar mit Schrittmaß!) und primitiver, skizzenhafter Zeichnung begnügt. Das ist um so unverständlicher, weil die Einführung moderner s t e r e o p h o t o g r a m m e t r i s c h e r V e r f a h r e n zur Aufnahme insbesondere von Verkehrsunfällen auch für den Z i v i l p r o z e ß sehr wertvoll wäre. Denn meist läuft ja neben dem Strafverfahren ein Schadenersatzprozeß, bei dem oft große Beträge auf dem Spiele stehen: es ist also da die selbständige Klärung des regelmäßig verwickelten Sachverhaltes erneut nötig. Die objektive und stets wiederholbare Rekonstruktionsmöglichkeit an Hand stereophotogrammetrischer Tatbestandsaufnahmen wird deshalb nicht nur das Strafverfahren erheblich ökonomischer gestalten und die Zahl falscher richterlicher Entscheidungen vermindern, sondern auch Zivilprozesse oft vereinfachen oder eine außergerichtliche Einigung über den Schadenersatzanspruch fördern. — Den Firmen Jenaer Glaswerk Schott & Gen., Ernst Leitz, Wetzlar, ,,Lifa" Lichtfilterfabrik in Augsburg, Heinrich Wild, Heerbrugg (Schweiz), Zeiss-Aerotopograph G. m. b. H. und Carl Zeiss, Jena danke ich für ihr Interesse an meiner Arbeit und für die Zurverfügungstellung wertvollen Abbildungsmaterials auch an dieser Stelle verbindlich. Mein besonderer Dank gebührt auch dem Verlage, der das Erscheinen des Buches trotz aller Schwierigkeiten dieser Notzeit ermöglicht hat. Fehling (Chiemgau), am 22. September 1948. Heinrich Tetzner.
IV
Inhaltsübersicht. Einleitung Kriminalphotographie als Teilgebiet der „Gerichtlichen Physik" —. Wichtigste deutsche Literatur —; Beweiswert von Lichtbildern — Photographie des Sichtbaren und, von steigender Bedeutung, des Unsichtbaren — Photographie als Spurensicherungsmittel und als Spurensuchmittel — Benutzung der unterschiedlichen Eigenschaften von lichtempfindlicher Schicht und Augennetzhaut durch die wissenschaftliche Photographie. Einteilung der kriminalistischen Anwendungen der Photographie im Anschluß daran — Bildformat •— Rechtsfragen.
I. Kapitel Anwendungen der Photographie in der Kriminalistik, bei denen das latente Bild durch s i c h t b a r e Strahlung hervorgerufen wird A. E i n b i l d p h o t o g r a p h i e 1. Anwendungen, bei denen nur die Fähigkeit der lichtempfindlichen Schicht, die Eindrücke „dokumentarisch festzuhalten", benutzt wird a) A IIgemeines Das Lichtbild als Mittel der Darstellung und als „Beweis zu ewigem Gedächtnis" — Vergleich der verbrecherischen Arbeitsmethode durch Lichtbilder — Haltbarkeit von Negativen und Kopien. b) Identifizierung von Personen (erkennungsdienstliche Personenaufnahmen) und Sachen. Tataufnahmen Geschichtliches zur „Verbrecherphotographie" — Bertillons Arbeiten — Kinematographischc Verfahren —- Versuche, auf Grund des Augenhintergrundes zu identifizieren; photographische Probleme dabei — Identifizierung von Sachen — Tataufnahmen. c) Photographie des Tatortes . . . Übersichtsaufnahmen; Aufdeckung von „Situationsfehlern" — Weitwinkelobjektive —• ,,Zeiss-T-Optik' — Panoramakammern — Vorsatzlinsen. d) Einbildphotogrammetrie Allgemeines — Grundlagen der Bildmessung — Heindls „Quadrat" — Bertillons und Eichbergs Vorschläge — Spezialkammern — Kritik und Verbreitung der Einbildphotogrammetrie in der Kriminalistik — Genauigkeit; Wichtigkeit der Schrumpfungsfreiheit des Materials. e) Spurenphotographie Notwendigkeit photographischer Spurensicherung — Werkzeug- und Schartenspuren —• Schußwaffenidentifizierung — Vergleichsmikroskop — Abdruckverfahren — Spuren in Höhlungen — Proportionale Vergrößerung von Spuren — Wert der „deskriptiven" Photographie für die Kriminalistik —• Photographie anderer Tatspuren, insbesondere Fingerabdruckphotographie — Spezialkammern — Photographie von glänzenden Gegenständen und von Spuren auf durchsichtiger Unterlage — Poroskopie — Lupenaufnahmen.
- f ) Vergleich von Formen durch das Lichtbild Deckung der Negative — Photomontage durch Übereinanderkopieren oder Aufkopieren eines Rasters — Vergrößerung und Verkleinerung. g) Lumineszenzphotographie
und Photographie
von
Chemielumineszenz
aa) Lumineszenzphotographie (Anregung der Leuchterscheinung tromagnetische Strahlung)
durch elek-
a) Allgemeines Grundsätzliches über Anregung von Lumineszenz — Wert der kriminalistischen Lumineszenzphotographie — Ausbleichung des Untersuchungsgegenstandes durch intensive UV-Bestrahlung. B) Technik der Photographie sichtbarer Lumineszenz Belichtungszeit, Aufnahmematerial — Optik, Filter und Lichtquellen (Temperaturstrahlung und Gasentladung) — Lumineszenzmikrophotographie. Y) Anwendungen Schwarz-Weiß-Photographie — Lumineszenzfarbphotographie. bb) Photographie
von
Chemielumineszenz
h) Vervielfältigung von Urkunden Kontaktphotographie (Durchleuchtungsverfahren und Reflektographie) — Luminographie — Optische Verfahren. i) Dokumentation
(Mikrate)
.
2. A n w e n d u n g e n , bei d e n e n die F ä h i g k e i t d e r l i c h t e m p f i n d l i c h e n S c h i c h t , geringe Helligkeitsunterschiede deutlich zu machen, benutzt wird . . Grundsätzliche photographische Möglichkeiten — Problem häufig bei der Urkundenuntersuchung — Wesentlichste deutsche Literatur über photographische Urkundenuntersuchung — Weber-Fechnersches Gesetz — Nachweis geringer Helligkeitskontraste durch lange Belichtung und durch Verzerrung der Helligkeitskontraste beim Arbeiten auf dem nichtlinearen Teile der Schwärzungskurve — Pringsheim-Gradenwitzsches Verfahren — Becquerel-Effekt — Bourinskys Additionsmethode — Diapositivmethode — Chemische Verstärkung — B e t r a c h t u n g des Negativs in der Aufsicht s t a t t in der Durchsicht •— Pigmentverfahren — Photographie bei streifender Beleuchtung — Kritzspuren u. dgl. — Isohelie. 3 . A n w e n d u n g e n , bei d e n e n d i e v o n der s p e k t r a l e n E m p f i n d l i c h k e i t unseres Auges abweichende Empfindlichkeitskurve lichtempfindlicher S c h i c h t e n i m s i c h t b a r e n S p e k t r a l b e r e i c h e u n d ihre F ä h i g k e i t , M i s c h farben in ihre Komponenten zu zerlegen, benutzt wird Grundsätzlicher Unterschied der Arbeitsverfahren zum Nachweis geringer Helligkeits- u n d F a r b k o n t r a s t e — Wirkung der Filterung — Größeres ,,Farbdifferenzierungsvermögen" lichtempfindlicher Schichten — Fähigkeit, Mischfarben in ihre Komponenten zu zerlegen — Aufbau von Augenn e t z h a u t und lichtempfindlicher Schicht, Young-Helmholtzsche „Grundempfindungstheorie" — Selektive Sensibilisierung — Filterphotographie — Künstliche Herbeiführung ,,partieller Farbenblindheit" des Aufnahmematerials — Optische Beseitigung der Grundfarbe — Anwendungsbeispiele — Monochromatische Lichtfilter im sichtbaren Spektralbereich, insbesondere Dispersionsfilter.
VI
B.
Doppelbildphotographie
1. Stereophotographie und Stereobetrachtung Grundsätzliches — Steigerung der Raumwirkung — Hervortreten von Einzelheiten durch Bildvertauschung und pseudoskopischen Effekt —Blinkverfahren —• Wichtigkeit der Stereophotographie für die Kriminalistik — Stereomikrophotographie — Nachweis der Höhenunterschiede sich kreuzender Schriftzüge durch Stereophotographie — Spezielle Betrachtungsverfahren und Projektion von Stereobildern.
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2. S t e r e o p h o t o g r a m m e t r i e Grundsätzliches — Verschiedene Rekonstruktionsmöglichkeiten — Graphische Rekonstruktion, rechnerische Rekonstruktion — Stereoskopische Ausmessung mit der „wandernden Marke" —- Stereokomparator — Moderne Zeichenmaschinen (Stereoautographen) — Kriminalistische Spezialgeräte für Nahphotogrammetrie (Zeiss-Aerotooograph und Wild) — Genauigkeit — Zeichenstereometer — Tatbestandsphotogrammetrie, insbesondere f ü r Verkehrsunfälle — Kritik und Verbreitung kriminalstereophotogrammetrischer Verfahren in Europa — Wirtschaftliche Fragen — Spezielle Anwendungsbeispiele (stereophotogrammetrische Untersuchung von Einschußkanälen, Munitionsspurenuntersuchung, Identifizierung von Gebeinen).
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II. Kapitel A n w e n d u n g e n der Photographie in der Kriminalistik, bei denen d a s latente Bild durch u n s i c h t b a r e Strahlung hervorgerufen w i r d A. Allgemeines Lichtempfindliche Schicht und Netzhaut (photochemische Vorgänge) — Allgemeines über Sensibilisierung — Aufnahmematerial für Infrarot und Ultraviolett — Bleichung durch Ultraviolettbestrahlung — Kontraststeigerung bei der Röntgenphotographie.
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B . Kriminalistische A n w e n d u n g e n der Röntgenphotographie Anwendungsbeispiele —• Photographie des Leuchtschirmbildes.
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C. Kriminalistische
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Anwendungen
der Ultraviolettphotographie . . .
1. Allgemeines Scharfeinstellung des (unsichtbaren) Bildes —• Aufnahmematerial — Optik (Quarzanastigmate und UV-Mikrotar von Zeiss). 2. Photographie mit durchfallendem Ultraviolett Anwendungen — Mikrophotographie mit durchfallendem Ultraviolett. 3. Photographie mit reflektiertem Ultraviolett . . Verschiedene Reflexion bzw. Absorption im Ultraviolett trotz „Gleichfarbigkeit" im sichtbaren Gebiete — Optik und Filter —• Kögels „spektrostatisches Verfahren" — Anwendungsbeispiele — Photographie im Dunkeln — Ultraviolettreflexmikrophotographie — Arbeiten mit Monochromatsystemen und mit dem Zeiss'schen UV-Mikrotar. 4. Photographie unsichtbarer Lumineszenz 5. Spektrographie im Ultraviolett D. Kriminalistische
Anwendungen
der Infrarotphotographie
1. Allgemeines Verschiedenes Durchdrmgungsvermögen und verschiedene Reflexion infraroter Strahlen im Vergleich mit sichtbarer Strahlung — Grundsätzliches zur Aufnahmetechnik —• Infrarotaufnahmematerial — Infrarotlichtquellen — Filter —• Korrektion der Objektive im Ultrarot —• Ultrarotmikrophotographie — Enger Spektralbereich der Infrarotphotographie.
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VII
2.
Infrarotdurchleuchtungsphotographie Anwendungsbeispiele.
3.
Infrarotreflexphotographie Anwendungsbeispiele.
Schluß Geheime Nachrichtenübermittlung durch photographische Kopierverfahren — Beweiswert der Photographie •—• „Durchschnittsphotographie" nach Galton; P h o t o m o n t a g e — Farbphotographie — Bedeutung der modernen naturwissenschaftlichen Kriminaluntersuchung.
Literaturverzeichnis Sachregister
VIII
Einleitung. Die kriminalistischen Anwendungen der Naturwissenschaften haben lange Zeit ein Asyl gefunden bei der zunächst weitaus wichtigsten Gerichtlichen Medizin. Die Entwicklung hat dann dahin geführt, daß sich als Sondergebiet insbesondere die Gerichtliche Chemie abspaltete. Zur Herausbildung einer systematisch zusammengefaßten und durch eigene Lehrstühle vertretenen G e r i c h t l i c h e n P h y s i k ist es dagegen in Europa noch nicht gekommen, obwohl die Anwendung physikalischer Methoden in der Kriminalistik längst sehr ausgedehnt ist (1). Gegenüber chemischen Methoden haben sie regelmäßig den Vorzug, daß sie den untersuchten Gegenstand nicht angreifen und verändern. Zum Arbeitsgebiete dieser Gerichtlichen Physik gehört, trotz der ständigen Berührung mit den chemischen und photochemischen Grundlagen, auch die K r i m i n a l p h o t o g r a p h i e . Ihre Verfahren sind überwiegend p h y s i k a l i s c h e r Natur. Die Kriminalphotographie bildet daher heute das wichtigste und verzweigteste Gebiet der „Gerichtlichen Physik", die, wenngleich derzeit in Deutschland systematisch noch unbekannt und unvertreten, wohl bald wegen der Eigenart ihrer Fragestellungen und wegen der Besonderheit ihrer immer mehr sich verfeinernden Arbeitsmethoden eigene Geltung verlangen wird. Die Selbstzerfleischung, die die modernen Naturwissenschaften, leider sehr zum Nachteil der universitas literarum, überall gebieterisch fordern, läßt eben auch hier ein neues „Spezialgebiet" entstehen, das allerdings nur derjenige wird beherrschen und befruchten können, der sich den Überblick über das Ganze der Physik und Chemie vorher ehrlich erarbeitet hat. Wenn damit systematisch die Einreihung der Kriminalphotographie in das große Gebiet der a n g e w a n d t e n P h y s i k klargestellt ist, so muß bei der Abgrenzung des zum Thema „Kriminalphotographie" gehörenden Stoffes festgehalten werden, daß dazu auch solche Verfahren gehören, welche die eigentliche photographische Aufnahme v o r b e r e i t e n oder zur Auswertung des f e r t i g e n Lichtbildes dienen. Andernfalls entfiele z. B. die Streifung mikroskopischer Grundlagen, die „vor" der mikrophotographischen Aufnahme stehen, die Besprechung der praktischen Probleme der Filtertechnik und der Lumineszenzerregung oder die Behandlung der Grundlagen der „Ausmessung" von Lichtbildern. Was übrig bliebe, wäre nur ein dürftiger, völlig des Zusammenhanges entbehrender Rest „eigentlicher" Photographie, der keinerlei eigene Arbeitsmethoden aufwiese und dessen gesonderte Behandlung daher reizlos und ohne sachliche Rechtfertigung wäre. Anderseits würde es aber durchaus den Rahmen sprengen, wenn hier eine auch nur einigermaßen erschöpfende Darstellung dieser so komplizierten, selbständigen Wissensgebiete versucht würde. Es kann sich vielmehr nur darum handeln, jeweils auf das hinzuweisen, was zum vertieften Verständnis der k r i m i n a l p h o t o g r a p h i s c h e n Anwendungen nötig ist. (1) Groß bemerkt schon in der 5. Aufl. seines „Handbuchs für Untersuchungsrichter" (1, 255): „Die Zahl der Fälle, in denen sich der Untersuchungsrichter an den P h y s i k e r zu wenden hat, ist Legion. Niemand kann die Fälle erschöpfend aufzählen. Jeder Tag bringt neue Möglichkeiten". T e t z n e r , Kriminalistik i
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Die Anwendungsmöglichkeiten der wissenschaftlichen Photographie in der Kriminalistik sind heute außerordentlich zahlreich und wichtig. Neben den dem Sachverständigen vorbehaltenen Spezialverfahren gibt es viele einfachere, für die tägliche Praxis wertvolle Anwendungen. Die Photographie ist unser universellstes, regelmäßig relativ einfach zu handhabendes Mittel zur raschen und Sicheren F i x i e r u n g v e r ä n d e r l i c h e r S i t u a t i o n e n und Spuren. Die Arbeitsmethoden der wissenschaftlichen Photographie sind aber weiter ein auch für die Kriminalistik immer w i c h t i g e r werdendes Hilfsmittel zur Exploration feiner Strukturunterschiede am Gegenstande des Verbrechens oder an den vom Täter benutzten Werkzeugen und den von ihm hinterlassenen Spuren. Schon zeitig ist die Wichtigkeit der Photographie für die Aufklärung strafbarer Handlungen erkannt woiden. In Deutschland hat wohl als erster Odebrecht im Jahre 1864 eindringlicher darauf hingewiesen (1). Seither sind viele Veröffentlichungen gefolgt. Die ersten grundlegenden Werke erschienen um die Jahrhundertwende. 1890 veröffentlichte A. B e r t i l l o n sein berühmt gewordenes Buch „ L a photographie judiciaire". 1900 erschien B o u r i n s k y s „Gerichtliche Photographie" (französisch) und 1903 ein Werk von R e i s s (Lausanne), „ L a photographie judiciaire". Aus der d e u t s c h s p r a c h i g e n Literatur ist an erster Stelle Hans G r o ß (2) zu nennen. Sein „Handbuch für Untersuchungsrichter als System der Kriminalistik" erschien in erster Auflage 1893. Es wird jetzt in neuer Bearbeitung von E. Seelig unter dem Titel „Handbuch der Kriminalistik" in 8. Auflage herausgegeben und unterrichtet in g r o ß e n Z ü g e n auch über die Anwendungsmöglichkeiten der Photographie in der Kriminalistik. Erwähnt sei von älteren, heute natürlich großenteils überholten Werken etwa noch Pauls „Handbuch der kriminalistischen Photographie" (1900) und Urbans „Kompendium der gerichtlichen Photographie" (1910). Mit Ausnahme des Buches von Groß, das ständig neu aufgelegt worden ist, unser Spezialgebiet aber nur kurz und entsprechend seiner Zielsetzung ohne tieferes Eindringen in die n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Fragen bespr cht, liegt eine das gesamte Gebiet der Kriminalphotographie im Querschnitt behandelnde n e u e r e Monographie, die insbesondere auf die naturwissenschaftlichen Grundlagen näher eingeht, nicht vor. Dagegen sind Abhandlungen über Einzelfragen bereits fast unübersehbar, es muß dieserhalb auf das L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s a m S c h l ü s s e d e s B u c h e s verwiesen werden. Von F a c h z e i t s c h r i f t e n ist das 1899 von Groß begründete „Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik" zu nennen, cjas seit 1916 unter dem Titel „ A r c h i v f ü r K r i m i n o l o g i e " von R . Heindl herausgegeben wurde. Man findet darin laufend viele wichtige Beiträge. Auch die „Kriminalistischen Monatshefte" (später fortgesetzt unter dem Titel „Kriminalistik") behandeln die Kriminalphotographie in zahlreichen Aufsätzen. Sehr wertvolle Originalarbeiten über unser Gebiet findet man in der bekannten „ D e u t s c h e n Z e i t s c h r i f t f ü r d i e g e s a m t e g e r i c h t l i c h e M e d i z i n " und in den photogräphischen Fachzeitschriften, von denen hier nur die „Photographische Korrespondenz" und die „Zeitschrift für angewandte Photographie in Wissenschaft und Technik" genannt seien. Über die wohl ständig an Bedeutung gewinnende k r i m i n a l i s t i s c h e P h o t o g r a m m e t r i e berichtet das „ I n t e r n a t i o n a l e A r c h i v f ü r P h o t o g r a m m e t r i e " und die Zeitschrift „Bildmessung und Luftbildwesen". Von der im ersten Aufbau befindlichen Nachkriegszeitschriftenliteratur sei erwähnt die „Kriminalistische Rundschau" und die „Polizei-Praxis", die beide seit 1947 erscheinen. (1) Goltdammers Archiv für Preußisches Strafrecht, 12. Band (1864), Seite 660. Abgedruckt auch in der Phot. Korr. 2, 57. Damals herrschte das „nasse Kollodiumverfahren", das seit 1850 die „Daguerrekopien" verdrängt hatte. Etwa um 1875 wurde dann die Bromsilbergelatine-Trockenplatte eingeführt. (2) Gestorben 1915. Nekrolog auf Groß im Arch. f. Krim. 65, vorgeheftet. Vgl. auch das Vorwort von Seelig in der 8. Auflage des Großschen Handbuchs für Untersuchungsrichter und zuletzt (anläßlich des 100. Geburtstages von Groß) Kriminalistische Rundschau, 1. Jahrg. (1947) Heft 8 und Finkein der,,Polizei-Praxis, 1. Jahrg. (1947) Heft 6.
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Die dem Lichtbild oft nachgerühmte „ o b j e k t i v e , d o k u m e n t a r i s c h e T r e u e " hat zur Verwendung der Photographie in der Kriminalistik schon frühzeitig Anlaß gegeben. Tatsächlich bilden geeignet konstruierte photographische Objektive sehr annähernd Punkte in Punkte, Gerade in Gerade und Ebenen in Ebenen ab, für sie sind daher die Gaußschen Abbildungsformeln mindestens als gute Näherungsformeln brauchbar, die Linsenfehler sind gering. T r o t z d e m muß b e t o n t w e r d e n , daß L i c h t b i l d e r o f t a n d e r s aussehen als die , . W i r k l i c h k e i t " (1). Vielfach ist das darauf zurückzuführen, daß Unser Auge nicht, wie das leblose photographische Objektiv und die lichtempfindliche Schicht, das von seinem optischen System projizierte Bild der Außenwelt untätig hinnimmt, sondern in rascher, unbewußter Angleichung den Raum durchmustert und sich dabei adaptierend auch den verschiedenen Umfeldleuchtdichten angleicht •— die Lichtempfindlichkeit unseres Auges ist je nach den Verhältnissen sehr verschieden und ändert sich um das lOmillionenfache (2)! Während das Lichtbild durch physikalische Gesetze in seinem Zustandekommen beherrscht wird, spielen eben ganz allgemein bei den uns vom Auge vermittelten Eindrücken der Außenwelt sehr maßgebend p h y s i o l o g i s c h e und p s y c h o logische G e s e t z m ä ß i g k e i t e n hinein: gerade in der „Objektivität" der Photographie liegt deshalb die Ursache vieler Unterschiede zwischen dem Lichtbild und der durch unser Auge unmittelbar vermittelten subjektiven Wahrnehmung. So empfinden wir, um nur ein elementares, alltägliches Beispiel anzuführen, infolge von Irridationseffekten die helle Mondsichel größer als den gleichzeitig gesehenen dunkeln Teil der Mondoberfläche, während das Lichtbild beide gleich groß wiedergibt. Das Bild der Sonne erscheint uns viel größer als dem wahren Sehwinkel entspricht; Maler stellen das Sonnenbild daher „viel zu groß" dar. Dagegen erscheinen uns Lichtbilder, auf denen die Sonne abgebildet ist, „unnatürlich",weil dort das Sonnenbild unter seinem wahren Sehwinkel wiedergegeben wird. Der ganz a l l g e m e i n e Grundsatz, daß der Sachverständige nach Möglichkeit das O r i g i n a l untersuchen soll, gilt natürlich auch für Photographien. Gegen ihn wird besonders bei g r a p h o l o g i s c h e n G u t a c h t e n immer wieder verstoßen. Schon vor 50 Jahren wurde anläßlich des Dreyfuß-Prozesses davor gewarnt, nach Photogrammen (ohne das Original) zu urteilen. Langenbruch (1) Dazu Schneickert, „ I s t das Lichtbild ein sicheres objektives Beweismittel" in der Zeitschr. f. gerichtl. Schriftuntersuchung Nr. 22 vom August 1930 und S. Türkei, Phot. Korr. 6 3 , 199. Über optische Täuschungen beim B e t r a c h t e n von Photographien berichtet A. Bessemanns im Arch. f. Krim. 114, 124. Wie vorsichtig man beim „Beweis durch Photographien" auch aus ganz anderen Gründen sein muß, h a t Groß im Arch. f. K r i m . 8, 110 unter Hinweis auf die „Photographien mit aufgesetzten K ö p f e n " anschaulich geschildert. Nach einer Notiz von Schneikkert (Arch. f. Krim. 3 2 , 148) soll eine derartige Bildfälschung durch sog. „ P h o t o m o n t a g e " in einem Ehescheidungsprozeß in Glasgow vorgekommen sein. Über die Probleme und Möglichkeiten, die beim „ P h o t o eines P h o t o s " auftauchen, vgl. U. Graf, Zeitschr. f. angew. Mathematik u. Mechanik, B a n d 21 (1941), Seite 183. (2) Dazu neuerlich etwa E . Heinsius im „Deutschen Militärarzt", 1943, H e f t 8. Die Angaben schwanken erheblich; teilweise wird der Leuchtdichtebereich, den unser Auge verarbeiten kann, um mehrere Zehnerpotenzen höher — nämlich von 1 0 — 9 Stilb bis zu einigen Stilb — angegeben.
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hat im „Zentralblatt für Graphologie" (1) über einen ähnlichen Fall berichtet. Oft wird allerdings die Vorlage des Originals an den Sachverständigen aus den verschiedensten Gründen nicht möglich sein; es müssen dann die nachstehend angedeuteten Grenzen der p h o t o g r a p h i s c h e n Treue besonders sorgfältig beachtet werden. Neuerdings hat Brüning (2) interessante Beispiele dafür zusammengestellt, daß die Photographie oftmals „lügt". Mit geeignet sensibilisiertem Aufnahmematerial kann man heutzutage leicht einen Neger „weiß" aufnehmen und umgekehrt, kann also „aus Schwarz Weiß machen" (3). Lehrreich ist auch ein von Tanzmann gebrachter Fall: Auf einer Baustelle war ein Unfall durch Herabstürzen eines schweren Maschinenteils geschehen. Zufällig war kurz vorher eine photographische Aufnahme gemacht worden, auf der die bald nachher herabgestürzte Maschine an den Seilen hochgewunden erkennbar war. Die Aufnahme zeigte, daß die Halteseile stark schadhaft waren, sie wiesen verdünnte Stellen auf. Zufolge dieser Photographie wurde zunächst die Schuldfrage bejaht und angenommen, daß mangelhafte Seile benutzt worden seien. Die Nachprüfung der noch vorhandenen Seile ergab jedoch, daß diese durchaus in Ordnung waren; die auf der Photographie erscheinenden Verdünnungen des Seiles beruhten auf Überstrahlungen (4).
D e r B e w e i s w e r t auch k o r r e k t a n g e f e r t i g t e r L i c h t b i l d e r darf daher nie unbesehen hingenommen werden und es sollen einige Gesichtspunkte für die kritische Beurteilung besprochen werden. Z u n ä c h s t t r i t t das bei der P h o t o g r a p h i e so wichtige P r o blem der T i e f e n s c h ä r f e bei den durch unser Auge v e r m i t t e l t e n E i n d r ü c k e n der Außenwelt in den H i n t e r g r u n d . Ein ideales photographisches Objektiv (5) kann streng genommen stets höchstens eine b e s t i m m t e Ebene, die sog. „Einstellebene", punktscharf abbilden. Punkte, die außerhalb dieser Ebene liegen, werden nicht als Punkte, sondern als kleine Z e r s t r e u u n g s k r e i s e abgebildet, deren Durchmesser umso größer ist, je größer die Brennweite (6) und die Blendenöffnung des Objektivs und je weiter die Entfernung des abgebildeten Punktee von der Einstellebene ist. Nun empfindet aber unser Auge, weil seine lichtempfindlichen Organe nicht punktförmig sind, sondern eine, wenngleich sehr kleine, endliche Größe haben, ein Bild auch bei Abweichung von der punktscharfen Abbildung in gewissen Grenzen noch als „scharf": ein Zerstreuungskreis erscheint uns erfahrungsgemäß noch als punktförmig, wenn er unter einem Sehwinkel von höchstens 2 Bogenminuten gesehen wird, oder, anders ausgedrückt, wenn die Abbildung auf der Netzhaut keinen größeren Durchmesser als etwa 0,0005 cm hat. Innerhalb des so definierten „Tiefenschärfebereiches" ist also die Tiefenschärfe keineswegs überall völlig gleichmäßig, sie nimmt vielmehr, von der (1) Zentralblatt für Graphologie, 2. Jahrg. (1932), Seite 123. (2) Arch. f. Krim. 110, 63. (3) Stenger, Die Photographie in Kultur und Technik, Seite 51. (4) Tanzmann, Dtsche Zeitschr. f. d. ges. gerichtl. Medizin, Band 15, Seite 387. Über Aufnahmefehler infolge Überstrahlungen vgl. auch Schneickert, Kriminaltaktik, 5. Aufl., Seite 275. (5) Selbstverständlich realisieren unsere abbildenden Systeme die kollineare Abbildung physikalisch nur a n n ä h e r n d . Es tritt auch stets der Einfluß Fraunhoferscher Beugungserscheinungen an den Begrenzungen der Linsen hinzu, wodurch „Punkte" als Scheibchen abgebildet werden. Außerdem ist das Auflösungsvermögen lichtempfindlicher Schichten begrenzt. (6) Mit wachsender Brennweite des Objektivs nimmt also der Bereich des Objektraumes, dessen Abbildung unser Auge als „scharf" empfindet, ab: ein großer Vorteil der kurzbrenn weitigen Kleinbildkammern, mit denen man auch Gegenstände großer Tiefenausdehnung scharf abbilden kann, ohne allzusehr abblenden zu müssen.
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„Einstellebene" aus gesehen, nach beiden Seiten allmählich ab und erreicht an den Grenzen des Tiefenschärfebereiches dann jene von unserem Auge als „Unscharfe" empfundene Größe des Zerstreuungskreises. Auch außerhalb dieser Grenzen nimmt natürlich die Größe des Zerstreuungskreises immer mehr zu. Durch die Korrektion des photographischen Objektives kann man die Funktion, nach der die Unschärfe verläuft, weitgehend beeinflussen: während bei „scharfzeichnenden" Objektiven die Bildschärfe unmittelbar neben der Einstellebene sehr rasch abnimmt, ergeben sog. „Weichzeichner" im allgemeinen auch in der Einstellebene erst bei relativ starker Abbiendung „gestochene Schärfe". Dasselbe gilt nun zwar ebenso für unser Auge, das also unter gleichen Bedingungen, d. h. bei gleicher Öffnung und Brennweite auf eine bestimmte Entfernung eingestellt, dieselbe Tiefenschärfe wie ein Objektiv mit gleichen optischen Daten besitzt. Die „Raumauffassung" von photographischem Objektiv und Auge unterscheidet sich aber grundsätzlich dadurch, daß u n s e r Auge b e s t ä n d i g den R a u m „ a b t a s t e t " und sich dabei sehr r a s c h und a u t o m a t i s c h auf die verschiedenen Entfernungen einstellt. Diese rasch hintereinander auf die Netzhaut projizierten Mosaikbildchen des Raumes werden zu einem G e s a m t e i n d r u c k verschmolzen und als „gleichzeitiges" Bild des Raumes wahrgenommen, so daß also die wohldefinierte Tiefenschärfe des einzelnen, momentanen Eindruckes für unsere Raumwahrnehmung zurücktritt und wir infolge einer Art „Integration" über die Vielzahl der Bildchen zum Gesamteindruck die Empfindung von „Tiefenunschärfen" überhaupt nicht haben. W i c h t i g ist f e r n e r bei der B e u r t e i l u n g von L i c h t b i l d e r n , d a ß die s u b j e k t i v e H e l l i g k e i t des A u f n a h m e g e g e n s t a n d e s m e i s t n i c h t der p h o t o g r a p h i s c h e n B i l d s c h w ä r z u n g e n t s p r i c h t . Hier spielen mehrere Grundprobleme herein, die kurz angedeutet werden sollen. Die Schwarz-Weiß-Photographie kann ja nur deshalb zur Darstellung der farbigen Erscheinungswelt dienen, weil unser Auge den einzelnen Spektralfarben bestimmte „subjektive Helligkeitswei te" zuordnet: bei photometrischer Vergleichung verschiedener Farben miteinander gewinnt man unabhängig vom Beobachter etwa gleiche Einstellungen des .Photometers (1). Auf dieser Tatsache baut die heterochrorne Photometrie auf. Dabei ist wesentlich, daß die subjektive Helligkeit keineswegs übereinstimmt mit dem Energiewert der Strahlung: zwei e n e r g e t i s c h (mit dem Bolometer, der Thermosäule, der Photozelle usw. gemessen) g l e i c h e S p e k t r a l f a r b e n k ö n n e n in unserem Auge ganz v e r s c h i e d e n e H e l l i g k e i t s e i n d r ü c k e h e r v o r r u f e n . Um zur Definition der „spektralen Empfindlichkeitskurve" des Auges zu gelangen, muß man aber noch beachten, daß der subjektive Helligkeitswert einer Spektralfarbe auch von ihrer „Intensität" abhängt: man muß also bei Aufstellung der Empfindlichkeitskurve ein Spektrum benutzen, dessen homogene Strahlungen gleiche Energiewerte haben. Eine Anordnung zur Er(1) Die spektrale Hellempf indlichkeit — auch des farbtüchtigsten — Beobachters unterliegt allerdings gewissen zeitlichen und methodisch bedingten S c h w a n k u n g e n , die zu ganz bestimmten Bedingungen führen, unter denen man messen muß, wenn Präzisionsmessungen an farbigen Lichtern möglich sein sollen. Dazu vgl. H. Buckley, P h o t o m e t r y ; Rep. on Progr. in Phys. 8 (1941), 318ff.
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zeugung eines derartigen, im sichtbaren Gebiete nahezu energiegleichen Spektrums hat z. B. M. v. Ardenne (1) beschrieben. Die so festgelegte Empfindlichkeitskurve unseres Auges (2) veranschaulicht Abb. 1. Gelbes Licht von der Wellenlänge um 5500 A herum ruft danach in unserem Auge den größten Helligkeitseindruck hervor, was übrigens der Energieverteilung des Sonnenlichtes entspricht. Die H e r s t e l l u n g „ t o n w e r t r i c h t i g e n " A u f n a h m e m a t e r i a l s läuft somit darauf hinaus, lichtempfindliche Schichten herzustellen, bei denen die den einzelnen Farben zugeordnete photographische Bildschwärzung in Übereinstimmung mit unserem subjektiven Helligkeitseindruck steht: die Form der „spektralen Empfindlichkeitskurve" tonwertrichtigen Aufnahmematerials muß also der in Abb. 1 abgebildeten Empfindlichkeitskurve unseres Auges entsprechen.
A b b . 1.
Spektrale Heilempfindlichkeitskurve des menschlichen
Auges.
Die s p e k t r a l e E m p f i n d l i c h k e i t der S i l b e r s a l z e ist nun d u r c h a u s v e r s c h i e d e n von d e r j e n i g e n u n s e r e s Auges (vgl. S. 108). Die kurzwelligen Strahlen des Spektrums (blau bis ultraviolett) wirken am stärksten, die langwelligen Strahlen (rot bis infrarot) am schwächsten auf das Halogensilber der photographischen Emulsionsschicht. Man kann diese spektrale Empfindlichkeit jedoch weitgehend beeinflussen; im orthochromatischen und insbesondere im panchromatischen Aufnahmematerial wird durch Zusatz von Sensibilisierungsfarbstoffen die Gelb- und Rotempfindlichkeit gesteigert, während man durch Filterfarbstoffe notfalls die Blauempfindlichkeit dämpfen kann. Man kann dadurch im Einzelfall die spektrale Empfindlichkeit des Aufnahmematerials derjenigen unseres Auges weitgehend annähern, wobei a b e r m e h r oder w e n i g e r g r o ß e A b w e i c h u n g e n u n v e r m e i d (1) M. v. Ardenne, Zeitschr. f. P h y s i k 107 (1937), Heft 5, 6 ; Zeitschr. f. techn. P h y s i k 19 (1938), 41. E r benutzt als Lichtquelle einen Leuchtschirm, der mit einer Quecksilberschwarzglaslampe angeregt wird und aus einer Mischung zahlreicher Lumineszenzstoffe besteht, die so abgestimmt ist, daß sich eine gleichbleibende Strahlungsintensität im B e reiche der Wellenlängen von 4 6 0 0 bis 6 6 0 0 Ä ergibt bei einer Genauigkeit von ± 1 2 % . (2) genauer: unseres „ h e l l a d a p t i e r t e n " Auges. B e i geringen Leuchtdichten verschiebt sich die spektrale Empfindlichkeit nach kürzeren Wellenlängen ( P u r k i n j e - E f f e k t ! ) .
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l i e h s i n d b e i d e r K o m p l i z i e r t h e i t d e r Z u s a m m e n h ä n g e (1). E s kommt dazu, d a ß im Gegensatz zur E m p f i n d l i c h k e i t und Schwärzung lichtempfindlicher S c h i c h t e n die bei der h e t e r o c h r o m e n Photometrie gemessene subjektive Helligkeit n i c h t nur durch physikalische, sondern sehr m a ß g e b e n d durch psychologische u n d physiologische Gesetzmäßigkeiten b e s t i m m t wird. Überwiegen diese, so ergeben sich unvermeidlich U n stimmigkeiten in bezug auf die Helligkeit zwischen photographischer A u f n a h m e und E r i n n e r u n g s b i l d (2). E i n e Gegenüberstellung v o n s u b j e k t i v e m Helligkeitseindruck u n d Bildschwärzung ist ü b e r h a u p t n u r m i t V o r s i c h t m ö g l i c h : der s u b j e k t i v e H e l l i g k e i t s e i n d r u c k s t e l l t w e g e n seiner stark p s y c h o l o g i s c h e n B e d i n g t h e i t — z u m a l bei Erinnerungsbildern — e i n e g a n z a n d e r e K a t e g o r i e d a r . E s spielt ferner die G r a d a t i o n des für die Kopie v e r w e n d e t e n P a p i e r s , die E n t w i c k l u n g usw. sehr m a ß g e b e n d hinein. — Auf die allgemeinen Gesetze der optischen Abbildung durch Linsensysteme kann hier nicht eingegangen werden. Hervorgehoben sei nur, daß dabei die Abbildung k ö r p e r l i c h e r Gegenstände einer „eigentümlichen D i s p r o p o r t i o n a l i t ä t der V e r g r ö ß e r u n g unterworfen ist: die lineare Vergrößerung der Tiefendimension (parallel der Achse des optischen Systems) ist, wenn Objekt und Bild in demselben Medium auftreten, stets gleich dem Quadrat der linearen Vergrößerung der Dimensionen senkrecht zur Achse; und falls das Objekt in einem stärker brechenden Medium als Luft liegt, gleich diesem Quadrat dividiert durch den'Brechungsindex des betreffenden Mediums" (3). Auf d e r P h o t o g r a p h i e w e r d e n d a h e r die T i e f e n a b m e s s u n g e n r e g e l m ä ß i g a n d e r s v e r g r ö ß e r t o d e r v e r k l e i n e r t a l s die S e i t e n a b m e s s u n g e n und ein L i c h t b i l d v e r m i t t e l t d e s h a l b b e i B e t r a c h t u n g m i t dem u n b e w a f f n e t e n A u g e nur dann einen h i n s i c h t l i c h der g e o m e t r i s c h e n P e r s p e k t i v e r i c h t i g e n E i n d r u c k , w e n n es e i n ä u g i g a u s d e r E n t f e r n u n g d e r A u f n a h m e b i l d w e i t e bet r a c h t e t wird (4): n u r d a n n w e r d e n die n a t ü r l i c h e n S e h w i n k e l w i e d e r h e r g e s t e l l t . Ist also die Brennweite der Aufnahmekammer kürzer als 25 cm, so muß man die zur Vermeidung perspektivischer Fälschung nötige Betrachtung des Bildes in der kleineren, unterhalb der sog. „deutlichen Sehweite" des menschlichen Auges liegenden Entfernung durch Benutzung einer Linse ermöglichen, deren Brennweite gleich der Aufnahmebrennweite ist. D e r n a t u r g e t r e u e E i n d r u c k e i n e r P h o t o g r a p h i e wird s c h l i e ß l i c h b e e i n t r ä c h t i g t d u r c h die im V e r g l e i c h a u c h zu n o r m a l e n p h o t o g r a p h i s c h e n O b j e k t i v e n e n g e B e g r e n z u n g des G e s i c h t s f e l d e s d e s m e n s c h l i c h e n A u g e s : es wird vom Auge nur etwa ein Winkel von reichlich 5 Grad s c h a r f erfaßt. Diese Bell) Auf Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden. Das Problem, den funktionalen Zusammenhang zwischen eingestrahlter Energie und erzeugter Schwärzung allgemeingültig durch eine mathematische Beziehung auszudrücken, wird so weitgefaßt kaum zu lösen sein, weil die gesuchte Funktion ein Komplex sehr vieler Variabein (Empfindlichkeit, Korngröße, Wellenlänge, Schwarzschildeffekt, Entwicklungsart usw.) ist. Jedenfalls geht die Umsetzung der eingestrahlten Intensität in den verschiedenen Spektralbereichen nach verschiedenen Gesetzen vor sich und die sog. „Schwärzungskurve", die die Schwärzung in Abhängigkeit vom Logarithmus der eingestrahlten Lichtintensität darstellt, zeigt daher im allgemeinen einen s-förmigen Verlauf. Ihre Nichtlinearität ist für die wissenschaftliche Photographie vielfach wichtig; es wird dadurch z. B. die „Verzerrung" der Helligkeitswerte ermöglicht (s. u. Seite 74). (2) Beispiele dafür bringt Arens, Agfa-Veröffentlichungen, Band 5, Seite 85. Über die spektrale Empfindlichkeit von Agfa-Material vgl. K. Weichmann, Agfa-Veröffentlichungen, Band 4 Seite 83; Hörmann-Schopper, ebenda Band 6, Seite 108 und zuletzt Hörmann, Zeitschr. f. angew. Photographie, Band 3 (1941), Seite 75. (3) E. Abbe, Ges. Abhandlungen, Band 1, Seite 264 I I I . Letzteres spielt insbesondere bei der Mikrophotographie mit Immersionssystemen eine Rolle. (4) Vgl. dazu M. v. Rohr, Die binokularen Instrumente, Seite 1; Witasek, Psychologie der Raumwahrnehmung des Auges; G. v. Studnitz, Die Grundlagen des Sehvorganges im menschlichen Auge und die Photographie, Kinotechnik, 24. Jahrg. (1942), Seite 147. 7
schränkung wird nun durch die Drehbarkeit unseres Augapfels wieder ausgeglichen. Wir sehen bekanntlich „ s u k z e s s i v " , indem unser Auge scheinwerferartig einen größeren Bereich beständig „abtastet". Die Einzelbilder werden psychologisch zu einem Gesamteindruck verschmolzen und es kann so ein Bildwinkel von nahezu 150 Grad einheitlich erfaßt werden (1). Das physikalisch wirksame Projektionszentrum liegt bei diesem Vorgang aber nicht mehr in der Mitte der Eintrittspupille, sondern im Drehpunkt des Augapfels, etwa 13 mm hinter dem Hornhautscheitel. Man müßte also, um den Sehvorgang bei Betrachtung von Bildern möglichst der Wirklichkeit anzunähern, die Bilder durch ein Linsensystem betrachten, dessen Projektionszentrum so verlegt ist, daß es m i t dem Drehpunkte des Auges zusammenfällt. Das wird bei der „Verantlupe" der F i r m a C. Zeiss angestrebt. —
Die nächstliegende Verwendung der Photographie in der Kriminalistik ist darauf gerichtet, visuell e r k e n n b a r e Dinge, die für die Untersuchung von Wert sind oder werden können, bildlich f e s t z u h a l t e n : etwa den Zustand des Tatortes (der ja meist nicht unverändert bleibt) mit allen seinen oft verwirrenden Einzelheiten, von deren genauer Rekonstruktionsmöglichkeit aber der Ausgang der Untersuchung abhängen kann (2), lerner Fußspuren, Blutspritzer, Fingerabdrücke, Schartenspuren, Radspuren, Schleifspuren u. dgl. Die Photographie ist dabei als Hilfsmittel zur „ S p u r e n s i c h e r u n g " und „ S p u r e n k o n s e r v i e r u n g " unentbehrlich und oft entscheidend für die Beweisführung, weil Spuren aller Art meist schnell verwischt werden und verschwinden . Welche Folgen die Unterlassung der Photographie bei der Xatortuntersuchung haben kann, zeigt der Fall der Ermordung des Arbeiters Zeiler beim Lager Zaunerbrücke in den Berchtesgadener Alpen (3). Auch das Verfahren gegen den Dresdner Studenten Philipp Halsmann wegen Vatermordes ist in diesem Zusammenhang lehrreich. Hätte man da fachgemäße Lichtbilder der von mehreren Zeugen an der Mordstelle bemerkten Stiefelspuren — die von Bergschuhen mit ganz eigentümlich stehenden Nägeln hergerührt haben sollten — gehabt, so wäre, da die Bergstiefel des Halsmann jr., die ebenfalls landesunüblich benagelt waren, vorlagen, der Beweis, ob dieser der Mörder war, oder ob der Mord, während er für seinen verunglückten Vater Hilfe holte, von Unbekannten vollbracht worden war, durch Spurenidentifizierung wohl zu führen gewesen (4).
Aber auch der S a c h v e r s t ä n d i g e sollte sich nie auf die subjektive Beobachtung allein verlassen, sondern sollte seine Untersuchungsergebnisse im L i c h t b i l d e festhalten. Er gewinnt dadurch die Möglichkeit einer guten Eigenkontrolle und nur so können insbesondere Dritte die Grundlagen seines Gutachtens einigermaßen nachprüfen. Die Fälle, in denen ein Sachverständiger einen Befund gesehen hat, dessen photographische Festhaltung ihm aber mißlungen ist, müssen immer zu starken Zweifeln in die Zuverlässigkeit des Gutachtens Anlaß geben. Zutreffend fordert daher Langenbruch (5): „ K e i n Beweis ohne P h o t o g r a m m ! " Weil stets die Gefahr besteht, daß bei genauerem Durchsuchen und Vermessen des Tatortes Spuren und sonstige Einzelheiten verwischt oder verändert werden, gilt der Grundsatz: „ Z u e r s t p h o t o g r a p h i e r e n " . In allen diesen Fällen sichert aber die Photographie nicht nur das Beweismittel, sondern ermöglicht durch Versendung von Kopien auch die schnelle und zuverlässige Unterrichtung anderer Fahndungsbehörden, was z. B. bei der (1) erwähnt. (2) (3) (4) (5)
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Daß unser Auge auch die T i e f e
des R a u m e s
abtastet, ist bereits oben
Beispiele für Brandstiftungen bringt Bischoff, Arch. f. Krim. 92, 16. Vgl. dazu H. Lutz im Arch. f. Krim. 114, 127. Vgl. dazuHeindl im Arch. f. Krim. 9 2 , 1 7 7 und H. Roth, Arch. f. Krim. 111, 137. Arch. f. Krim. 108, 105. Vgl. auch Seite 18, Anm. 1.
Photographie von Urkunden (1) oder bei steckbrieflicher Verfolgung oft wichtig ist. Ein anschauliches Beispiel f ü r den W e r t dieser F u n k t i o n e n der P h o t o g r a p h i e , u n t e r gleichzeitiger Fixierung veränderlicher Spuren durch Verbreitung genauer Abbildungen das Untersuchungsmaterial einem großen Personenkreise zur K e n n t n i s zu bringen und die Nachprüfung eines Sachverständigengutachtens d u r c h einen zweiten Sachverständigen zu ermöglichen, bringt W e r k g a r t n e r (2). W e r k g a r t n e r fiel b e i m S t u d i u m eines in der Fachliteratur veröffentlichten G u t a c h t e n s über eine tödliche Schädelschußverletzung a n der dort wiedergegebenen Originalaufnahme eine kleine, nach Ansicht des G u t a c h t e r s durch Pulververunreinigungen e n t s t a n d e n e zweite W u n d l ü c k e auf. E r k o n n t e a n H a n d dieser in der Fachzeitschrift wiedergegebenen A u f n a h m e nachweisen, d a ß diese W u n d lücke nicht durch Pulververunreinigungen e n t s t a n d e n war, sondern d u r c h den Abdruck des über die Mündungsebene der Pistole vorspringenden Vorholfederführungsstiftes. Diese Feststellung f ü h r t e aber zu einer grundlegend anderen Auffassung ü b e r die Schußentfernung: sie deutete im Gegensatz zu der veröffentlichten Ansicht des G u t a c h t e r s auf einen absoluten Nahschuß m i t aufgesetzter M ü n d u n g und in einer H a l t u n g , wie sie bei Selbsttötung meist der Fall ist.
Diese „Photographie des S i c h t b a r e n " war bis etwa zur Jahrhundertwende durchaus das Kernstück der Kriminalphotographie und überhaupt der wissenschaftlichen Photographie. Popp erklärte noch 1900, daß es sich bei der gerichtlichen Photographie in der Mehrzahl der Fälle nicht darum handle, etwas Unsichtbares sichtbar zu machen, sondern darum, Unterschiede oder Tatbestände, die dem Auge des Forschers nicht entgehen, dauernd festzuhalten (3). In den folgenden Jahren änderte sich das aber schnell. Man lernte im photographischen Bilde Dinge sichtbar zu machen, die das Auge n i c h t wahrnahm. Welchen hohen Stand die Photographie des U n s i c h t b a r e n bereits 1909 erreicht hatte, zeigt der Bericht über die kriminalistische Photographie auf der Internationalen Ausstellung in Dresden (4). Die Photographie dient also hier in erster Linie als „ S p u r e n s u c h m i t t e l " , zur Exploration feiner Strukturunterschiede am Gegenstande des Verbrechens oder an den vom Täter benutzten Werkzeugen und den von ihm hinterlassenen Spuren. Ihre gleichzeitige Funktion, die aufgedeckte Spur im Bilde f e s t z u h a l t e n , ist sekundär. Die entsprechenden Anwendungen der P h o t o g r a p h i e sind i m m e r wichtiger g e w o r d e n ; ein P a r a d e s t ü c k bilden die Methoden der kriminalistischen U r k u n d e n u n t e r suchung, bei denen der Vorteil der Photographie als eines r e i n p h y s i k a l i s c h e n U n t e r suchungsverfahrens, durch dessen A n w e n d u n g der U n t e r s u c h u n g s g e g e n s t a n d u n v e r ä n d e r t erhalten bleibt, eindringlich zutage t r i t t . Abgesehen davon, d a ß der U n t e r s u c h u n g s gegenstand, der j a o f t wertvoll ist (Gemälde, U r k u n d e n usw.), f ü r weitere U n t e r s u c h u n g e n erhalten bleibt, ist d a m i t auch die Möglichkeit g e h e i m e r U n t e r s u c h u n g gegeben: der E m p f ä n g e r eines Briefes e r k e n n t nicht, d a ß dieser im durchfallenden I n f r a r o t bereits gelesen worden ist! I n Ausnahmefällen k a n n allerdings auch hier eine V e r ä n d e r u n g des Objektes erfolgen, so z. B. bei längerer, intensiver U l t r a v i o l e t t b e s t r a h l u n g infolge „Ausbleichens" (5).
Vielfach unterscheiden sich nun diese zwei Anwendungsarten dadurch, daß die photographische Wirkung hervorgebracht wird entweder durch elektromagnetische Schwingungen, die das menschliche Auge als „ L i c h t " empfindet — also durch Schwingungen mit Wellenlängen zwischen etwa 3900 (1) (2) (3) (4) (5)
Vgl. dazu I A, l e , f. Dtsche Zeitschr. f. d. ges. gerichtl. Medizin, Band 11 (1928), Seite 1G5. P h o t . Korr. 38, 90. Arch. f. Krim. 56, 237. Darüber H. Langenbruch, Arch. f. Krim. 108, 105. Vgl. auch u n t e n Seite 54, 124.
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und 7800 A—, oderdurch u n s i c h t b a r e elektromagnetischeSchwingungen(l). Die Unterscheidung geht indessen keineswegs streng parallel mit den Anwendungen der Photographie als „Spurensicherungsmittel" und als ,,Spurensuchmittel": so wird z. B. in den wichtigen Fällen, in denen die Photographie geringe dem Auge unsichtbare Helligkeitsdifferenzen aufdeckt (Kapitell, Abschnitt 2), mit s i c h t b a r e m Licht gearbeitet, obwohl dabei die Photographie durchaus als Spurensuch mittel auftritt. Gleiches gilt bei vielen Anwendungen der sog. „Filterphotographie" (Kapitel I, Abschnitt 3). Hier sollen zum v e r t i e i t e r e n Verständnis des Folgenden einige t e r m i n o l o g i s c h e B e m e r k u n g e n eingefügt werden. Weil die Grenzen des sichtbaren Spektrums nur physiologisch bedingt sind und k e i n e p h y s i k a l i s c h e B e d e u t u n g haben, bezeichnet man in der wissenschaftlichen Photogra phie und in der Physik überhaupt — abweichend vom täglichen Sprachgebrauche — oft a u c h elektromagnetische Strahlung, die außerhalb des vom menschlichen Auge wahrgenommenen Spektralbereiches liegt, als „ L i c h t " , spricht also von „ultrarotem" und „ultraviolettem" Licht und sogar von „Röntgenlicht". Die Bezeichnungen „Ultraviolettphotographie" usw. sind ganz allgemein eingeführt (