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German Pages 222 Year 2012
Schriften zum Strafrecht Heft 235
Die organisationsbezogene Beteiligung im Strafrecht Das tatbestandsmäßige Verhalten der Organisationsdelikte und das Phänomen der Terrorismusfinanzierung
Von
Natalia Eroshkina
Duncker & Humblot · Berlin
NATALIA EROSHKINA
Die organisationsbezogene Beteiligung im Strafrecht
Schriften zum Strafrecht Heft 235
Die organisationsbezogene Beteiligung im Strafrecht Das tatbestandsmäßige Verhalten der Organisationsdelikte und das Phänomen der Terrorismusfinanzierung
Von
Natalia Eroshkina
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Diese Dissertation ist an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität in Freiburg entstanden. Prof. Dr. Roland Hefendehl hat die Arbeit begleitet und an seinem Lehrstuhl für sie beste Bedingungen geschaffen. In dem von Prof. Dr. René Bloy erstellten Zweitgutachten erfolgte eine für mich wichtige Stellungnahme. Das Promotionsvorhaben wurde durch ein Stipendium im Rahmen der Graduiertenförderung des Landes Baden-Württemberg unterstützt. Für diese wesentlichen Hilfen möchte ich sehr danken. Itzehoe, Juli 2012
Natalia Eroshkina
Inhaltsverzeichnis Einführung Vereinigungen aus strafrechtlicher Sicht
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A. Gruppendynamische Prozesse als Ausgangspunkt für eine organisationstypische Gefährlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Das Vereinigungsverbot als rechtlicher Rahmen des Organisationsstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafrechtliche Relevanz eines förmlichen Vereinigungsverbots . . . . . . . . . . II. Der strafrechtliche Eingriff in die individuelle Vereinigungsfreiheit . . . . . .
14 15 18
C. Organisationsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Merkmal der Organisationsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 19 21
Erstes Kapitel Partizipatorische Zurechnung
23
A. Partizipatorische Zurechnung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Strukturen der partizipatorischen Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Kollektiv als Zurechnungssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kollektives Verhalten als Zurechnungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der gemeinsame Rechtsgutsangriff der Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisationsdelikt als Kumulation von Rechtsgutsangriffen . . . . . . . . . 3. Die Organisationsbezogenheit innerhalb der partizipatorischen Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 27 29 29 30 31
Zweites Kapitel Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte A. Das Beteiligen als Mitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffsmerkmale der mitgliedschaftlichen Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafrechtliche Mitgliedschaftsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mitgliedschaftliche Beteiligung als Konvergenzdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitgliedschaft in einer strafrechtsrelevanten Organisation . . . . . . . . . . . . III. Notwendige Teilnahme und ihre Form bei den Organisationsdelikten . . . . . IV. Das rechtliche Verhältnis der Beteiligungsakte zueinander . . . . . . . . . . . . . .
34 36 36 37 38 41 44 48
8
Inhaltsverzeichnis
B. Die Beteiligung in führender Rolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Beteiligung als Rädelsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen der Rädelsführerstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rädelsführer als verbindende Rolle in der Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Der Organisator im allgemeinen Beteiligungssystem . . . . . . . . . II. Die Beteiligung als Hintermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beteiligung im Gründungsstadium als organisationsbezogenes Verhalten 2. Gründen als Beteiligung in führender Rolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51 52 52 58 61 65 68 68 68
C. Das Unterstützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Unterstützen innerhalb der Binnenstruktur der Organisationsrollen . . . 1. Entwicklung der Figur des Unterstützers aus dem Begriff der „Theilnahme an einer Verbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Fördern der Organisation durch Mitglied und Unterstützer . . . . . . . a) Das Merkmal der Wesentlichkeit der Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die mehraktige Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Sympathisantenphänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Organisation und Organisationsumwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Unterstützen als eine zur Täterschaft verselbstständigte Beihilfe . . . . . III. Das Unterstützen als organisationsbezogenes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterstützungstatbestände als Kennzeichen der Organisationsdelikte . . 2. Organisationsbezogenes Unterstützen und tatbezogene Beihilfe . . . . . . . a) Grenzen des rechtsgutsrelevanten Förderns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das mittelbar organisationsbezogene Fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Beihilfe zum Beteiligen an einer Organisation . . . . . . . . . . . . . . .
72 72 72 74 74 76 77 80 83 87 87 90 90 93 95
D. Das Werben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I. Das Werben für die Vereinigung um Mitglieder und Unterstützer . . . . . . . . 96 1. Werbe- und Anwerbetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Das Anwerbeelement und die Abgrenzung zur Anstiftung . . . . . . . . . . . . 99 3. Sympathie- und Propagandawerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Das Werben im Verhältnis zum Unterstützen und zur mitgliedschaftlichen Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 E. Sondersystem der organisationsbezogenen Beteiligung – Eine zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 F. Finanzierung als organisations- und tatbezogenes Verhalten . . . . . . . . . . . . . I. Das Einzeltäterparadigma des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzierung als tatbestandsmäßiges Verhalten gem. § 129a StGB . . . . . . . III. Das strafbare Sammeln von Vermögenswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Exkurs: Die Kontaktaufnahme gem. § 89b Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . .
106 107 110 111 112
Inhaltsverzeichnis
9
Drittes Kapitel Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
114
A. Bestandsaufnahme organisationsstrafrechtlicher Rechtsgutskonzepte . . . . . I. Zwei Entwicklungslinien der Organisationsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Beteiligung an Komplott und Bande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beteiligung an verbotenen Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Herausbildung von zwei parallelen Rechtsgutskonzepten . . . . . . . . . . . . . II. Polarisierung zwischen Vorbereitungstheorie und dem Schutz der öffentlichen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kritik an der öffentlichen Ordnung als strafrechtlichem Rechtsgut . . . . . . . IV. Bedeutungsspektrum des Öffentlichen im Kontext eines Schutzes der rechtlichen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Präventiver und repressiver Schutz der öffentlichen Ordnung . . . . . . . . . 2. Die Sicherheit im Staat und die Sicherheit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die öffentliche Ordnung als Teilbereich des Staatsschutzes . . . . . . . . . . . 4. Die öffentliche Ordnung im Sinne des Siebenten Abschnitts des StGB .
124 126 129 130 131
B. Staatsschutz durch § 129a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Indizien für eine Staatsschutzrichtung des § 129a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Merkmale des Staatsschutzes im Tatbestand des § 129a StGB . . . . . . . . . . . 1. Das Terroristische als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 129a Abs. 1 StGB: Einzelfalllösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 129a Abs. 2 StGB: die Bestimmungs- und Eignungsklauseln . . . . 2. Staatsschutzcharakter der Bestimmungs- und Eignungsklauseln . . . . . . . a) Die drei Elemente der Bestimmungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnis der Eignungsklausel zur Bestimmungsklausel . . . . . . c) Das Subjektive der Bestimmung und die objektive Eignung . . . . . . . d) Der Schutz ausländischer Staaten und internationaler Organisationen III. § 129a StGB als Staatsschutzdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 129a StGB innerhalb der Rechtsgüterstruktur der Staatsschutzdelikte 2. § 129a StGB und Hochverrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Systematisierung der Organisationsdelikte nach ihren Rechtsgütern . . . . . . I. Art. 9 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Grundlage eines Systems der Organisationsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auslandsbezug als Prüfstein der Anbindung des Organisationsstrafrechts an Art. 9 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungswidrige Vereinigung innerhalb der Organisationsdelikte . . . . . . 1. Überblick zur Stellung der Tatbestände innerhalb des StGB . . . . . . . . . . 2. Die strafbare Beteiligung an förmlich verbotenen Vereinigungen . . . . . . IV. Strafgesetzwidrige Vereinigung innerhalb der Organisationsdelikte . . . . . . .
152
114 114 115 117 120 121 123
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Inhaltsverzeichnis 1. § 129a StGB als Qualifikationstatbestand des § 129 StGB . . . . . . . . . . . . 158 2. Die bewaffnete Gruppe gem. § 127 StGB als strafgesetzwidrige Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Viertes Kapitel Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes durch Organisationsstrafrecht
164
A. Aufgaben eines legitimen Organisationsstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Rechtsgüterschutz durch Organisationsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. Die Rechtfertigung partizipatorischer Zurechnung insbesondere . . . . . . . . . 166 B. Das Organisationsdelikt als Gefährdungs- oder Vorfelddelikt . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgutsgefährdung und die Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung im Rahmen der Organisationsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorfeldschutz durch Organisationsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Legitimationsansätze für Organisationsdelikte der Staatsschutzebene . . . . . C. Das Organisationsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von der Organisationsgefährlichkeit zur organisationsbezogenen Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die organisationsbezogene Beteiligung als Rechtsgutsangriff . . . . . . . . . . . . 1. Strukturen kollektiven Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Verlust der Beherrschbarkeit bei kollektivem Handeln als Legitimationskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Deliktsstruktur der organisationsbezogenen Beteiligung . . . . . . . . . . 4. Die organisationsbezogene Beteiligung im Schema der herkömmlichen Deliktsstrukturen – Zugleich eine zusammenfassende Betrachtung . . . . III. Strafbarkeitslimitierende Faktoren bei Organisationsdelikten . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung des straffreien Internums und das Kriterium der Organisationsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der manifestierte Missbrauch der Vereinigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . a) Das Androhen von Straftaten und § 129a Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . b) Das Erfordernis einer aggressiv-kämpferischen Haltung . . . . . . . . . . c) Das Gerichtetsein auf die Begehung von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . d) Geheimbündelei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167 167 170 171 174 174 175 175 177 178 184 186 186 188 189 190 191 191
D. Terrorismusfinanzierung: Exemplifizierung eines umstrittenen Strafeinsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
Einführung
Vereinigungen aus strafrechtlicher Sicht A. Gruppendynamische Prozesse als Ausgangspunkt für eine organisationstypische Gefährlichkeit I. Die Strafbarkeit der Beteiligung an Vereinigungen findet in der Literatur häufig eine Begründung darin, dass die sich in einer Vereinigung entwickelnde Gruppendynamik eine Gefahrenquelle für die betroffenen Rechtsgüter darstellt1. Eine Entscheidung zu einem der Rechtsgutskonzepte für Organisationsdelikte verbindet sich damit allerdings noch nicht. Denn dem gruppendynamischen Ansatz wird nicht nur im Rahmen des vorverlagerten Schutzes von Rechtsgütern der Bezugstaten gefolgt, sondern auch vom Standpunkt eines Schutzes der öffentlichen Ordnung. So misst auch die Rechtsprechung einer kriminellen Vereinigung „kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit für wichtige Rechtsgüter der Gemeinschaft“ zu2. Das Aufgreifen gruppendynamischer Wirkungen durch das Strafrecht beruht auf einer doppelten Hypothese. Es geht zunächst um die Annahme, dass innerhalb von Gruppen gesetzmäßig ein Abbau von Hemmungsfaktoren stattfinde, der das Verantwortungsgefühl des Einzelnen beeinträchtige, und zu einer auf die Begehung von Straftaten hindrängenden Eigendynamik der Vereinigung führe. Die
1 Rudolphi, in: FS-Bruns, S. 315, 317; ders., JR 1979, 33, 35; ders., ZRP 1979, 214, 215 ff.; ders., NStZ 1982, 198, 199; ders., JR 1984, 32, 33; SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 3; Schild, GA 1982, 55, 79 f.; LK/Krauß, § 129 Rn. 4; MK/Miebach/Schäfer, § 129 Rn. 2; Fischer, § 129 Rn. 3; LPK/Kindhäuser, § 129 Rn. 1; von Heintschel-Heinegg, § 129 Rn. 1; SSW/Patzak, § 129 Rn. 6; Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 505 f.; Backes, StV 2008, 654, 655; Griesbaum, in: FS-Nehm, S. 125, 128; vgl. SSW/Lohse, § 129a Rn. 2; vgl. NK/Ostendorf, § 129 Rn. 5; vgl. Scheiff, Wann beginnt der Strafrechtsschutz gegen kriminelle Vereinigungen (§ 129 StGB)? S. 28 f.; vgl. Fürst, Grundlagen und Grenzen der §§ 129, 129a StGB, S. 71 ff. 2 BGHSt 54, 216, 229. Pointiert: „Strafgrund der §§ 129 ff. StGB ist die erhöhte kriminelle Intensität, die in der Gründung oder Fortführung einer festgefügten Organisation ihren Ausdruck findet, die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit für wichtige Rechtsgüter der Gemeinschaft mit sich bringt. Diese für größere Personenzusammenschlüsse typische Eigendynamik hat ihre spezifische Gefährlichkeit darin, dass sie geeignet ist, dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten zu erleichtern und bei ihm das Gefühl persönlicher Verantwortung zurückzudrängen“ (BGH Beschluss vom 14. April 2010 StB 5/10).
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Einführung
Gefährlichkeit potenziere sich zudem durch innere, auf die Begehung von Straftaten ausgerichtete Organisationsstrukturen.3 Im Einzelnen betrachtet soll sich die Gefährlichkeit einer Gruppe also bei individueller Perspektive in einem Gruppeneinfluss auf das Individuum äußern. Entsprechend ordnet Schumacher die gruppendynamischen Einflüsse in den Bereich der Schuldminderungs- bzw. Schuldausschließungsgründe ein4. Eine Anerkennung hat dieses Modell etwa in der Massentumultregelung des italienischen Strafgesetzbuches (Art. 62 Ziff. 3: „per suggestione di una folla in tumulto“) gefunden5. Die deutsche Rechtsprechung hat im Staschinski-Fall, um zwei vom Sicherheitsdienst der UdSSR befohlene Morde als Beihilfe zu qualifizieren, eine in die Beteiligungslehre transponierte Anwendung von § 21 StGB mit folgender Argumentation postuliert: Falls jemand staatliche Verbrechensbefehle missbillige, sie aber gleichwohl aus menschlicher Schwäche ausführe, weil er der Übermacht der Staatsautorität nicht gewachsen sei, bestehe kein hinreichender rechtlicher Grund, einen solchen Beteiligten ausnahmslos dem Taturheber, dem bedenkenlosen Überzeugungstäter und dem überzeugten, willigen Befehlsempfänger gleichzusetzen6. Auch bei der Aburteilung der Mauerschützen wurde strafmildernd berücksichtigt, dass ihr Verhalten der Befehlslage entspreche und in überdurchschnittlichem Maße von der herrschenden Ideologie und von der mit der Ausbildung verbundenen Indoktrination der organisierten Staatsmacht bestimmt worden sei7. Wechselt man von der Perspektive des einzelnen Beteiligten in die kollektive Dimension der Gruppe, rückt bei Organisationsdelikten aus der Sicht des gruppendynamischen Ansatzes der Aspekt der Gruppenleistung in den Vordergrund. Es geht hier nicht darum, ob man als Mitglied einer Vereinigung etwas tut, zu dem man sich alleine nie bereitgefunden hätte. Auch eine Betrachtung, zu welcher Leistung es gekommen wäre, wenn dieselben Mitglieder unabhängig voneinander gehandelt hätten, kann hier lediglich der Vergleichsmaßstab sein. Der gruppendynamische Ansatz hebt an dieser Stelle vielmehr hervor, dass die Gruppe Wirksamkeit entfaltet, indem die Einzelbeiträge optimal zusammengefügt werden, um so zu erreichen, dass die Gruppenleistung über die Summe der Beiträge einzelner Beteiligter hinausgeht.
3 Vgl. zu dem Ineinandergreifen dieser Argumente Rudolphi, in: FS-Bruns, 315, 317; s. auch Fn. 1. 4 Schumacher, NJW 1980, 1880, 1883 f., und zwar im Rahmen der Alternative einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung; vgl. auch Roxin, GA 1963, 193, 202. 5 Jäger, Makrokriminalität, S. 143; ders., Individuelle Zurechnung kollektiven Verhaltens, S. 16. 6 BGHSt 18, 87, 94 f. 7 BGHSt 39, 1, 35 f.
A. Gruppendynamische Prozesse
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II. Die individuellen und kollektiven Aspekte der Gruppendynamik setzen Tatsachenannahmen voraus, an die strafrechtlich angeknüpft wird. In der sozial- und organisationspsychologischen Forschung wird der Ansatz der Gruppendynamik als eine Analyse von Prozessen in einer Gruppe einschließlich ihrer Entstehungs-, Entwicklungs- und Strukturbedingungen verstanden8. Im Vordergrund stehen hier also die Gruppenprozesse, wobei mit dem Begriff der Dynamik lediglich eine Abgrenzung gegenüber einer statisch verstandenen Gruppenstruktur erfolgen soll9. Dass die Gruppe stets einen Leistungsvorteil gegenüber den Individuen hat, kann dagegen als relativiert gelten. Die tatsächliche Gruppenleistung erscheint vielmehr in Abhängigkeit verschiedener Faktoren entweder bedeutender oder geringer als die Summen der individuellen Leistungen. Diese Unsicherheit kommt exemplarisch in der Formel von Hackmann und Morris zum Ausdruck, die besagt, dass die Gruppenleistung stets sowohl durch mindernde als auch steigernde Effekte beeinflusst ist10. Damit ist die Frage, inwieweit die strafrechtliche Anschließung hier folgerichtig ist11, eingeleitet. Sie setzt sich darin fort, ob die strafrechtliche Sichtweise bei der Betrachtung der Gruppengefährlichkeit stehen bleiben kann. Denn die Stellung des einzelnen Beteiligten in der Organisation wird mit dem gruppendynamischen Ansatz im Strafrecht auf einen Effekt des Hemmungsabbaus beim Individuum reduziert. Demgegenüber lässt sich für Organisationsdelikte mit diesem Ansatz nicht abbilden, wie das Verhalten eines Mitglieds oder Unterstützers mit der organisationstypischen kollektiven Zielverfolgung verknüpft ist. III. Organisationsdelikte stehen für die Tendenz, die sich etwa auch in der Diskussion zur Strafbarkeit der organisierten Suizidbeihilfe zeigte12, nämlich ein Verhalten wegen seines Organisationsgrades zu kriminalisieren, das als Individualverhalten straffrei bleibt13. Dies fordert heraus, den strafrechtsrelevanten Zusammenhang zwischen der Organisation und dem Beteiligungsverhalten erkennbar zu machen, der es rechtfertigt, ein Verhalten in seinem organisatorischen Kontext zu bestrafen. Zugleich muss der verfassungsrechtliche Rahmen dieses
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Hillmann, Wörterbuch der Soziologie, Stichwort „Gruppendynamik“. von Rosenstiel, Grundlagen der Organisationspsychologie, S. 289. 10 Vgl. Schulz-Hardt/Brodbeck, in: Jonas/Stroebe/Hewstone, Sozialpsychologie, S. 443, 449 ff.; Brodbeck/Guillaume, in: Enzyklopädie der Psychologie D/III/1, S. 215, 241; vgl. Fischer/Wiswede, Grundlagen der Sozialpsychologie, S. 670. 11 Vgl. die Kritik zum gruppendynamischen Ansatz von Cancio Meliá, für den die besondere Gruppengefährlichkeit nicht die Existenz der Organisationsdelikte erklären kann, vielmehr solle an dieser Stelle ein Strafschärfungsgrund ausreichen (Cancio Meliá, in: FS-Jakobs, S. 27, 41). 12 Es ging dabei um einen Gesetzesentwurf, der das Betreiben eines Gewerbes zu kriminalisieren beabsichtigte, dessen Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet ist, anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung zu gewähren oder zu verschaffen (BR-Drs. 436/08; vgl. Schöch/Verrel, GA 2005, 553, 553 ff.). 13 Merten, in: HStR VII, § 165 Rn. 77. 9
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Einführung
Verhaltens, der durch die Grenzen der Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 2 GG vorgegeben ist, deutlicher akzentuiert werden.
B. Das Vereinigungsverbot als rechtlicher Rahmen des Organisationsstrafrechts Die Grenze, an der Personenvereinigungen rechtlichen Zugriffen unterliegen, bestimmt sich verfassungsrechtlich nach Art. 9 Abs. 2 GG14. Sie verläuft an der Stelle, an der die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richten. An dieser Schranke, die spezifisch auf den sozialen Tatbestand der Bildung und den Bestand von Vereinigungen gerichtet ist15, sind die Tatbestände des Organisationsstrafrechts zu messen. Denn diese wenden sich entsprechend direkt gegen das Gründen und das Fortbestehen der Vereinigung, indem sie jede Förderung der Vereinigung kriminalisieren16. 14
Einen Sonderfall bilden die Organisationsdelikte des § 84 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 StGB, welche die Beteiligung an verbotenen Parteien gesondert kriminalisieren und damit der verfassungsrechtlichen Stellung dieser Vereinigungen insofern Rechnung tragen, als Art. 21 Abs. 2 GG eine vorrangige Spezialregelung für das Parteiverbot normiert (m.w. N. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der BRD, § 107, S. 1363). Im Übrigen korrespondieren aber nicht nur die tatbestandsmäßigen Handlungen des § 84 Abs. 1, 2 StGB mit denen des § 85 Abs. 1, 2 StGB (s. S. 35) bzw. entspricht nicht nur das Zuwiderhandeln gem. § 84 Abs. 3 Satz 1 StGB dem Begriff bei § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG (s. dazu Fn. 105), sondern es steht auch das im Rahmen des Art. 21 Abs. 2 GG zentrale Rechtsgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in einem engen Zusammenhang mit dem in Art. 9 Abs. 2 GG genannten Rechtsgut der verfassungsmäßigen Ordnung (s. unten S. 149). Für die Behandlung von Ersatzorganisationen von verbotenen Parteien ist entscheidend, ob sie bereits vor dem Verbot der ursprünglichen Partei bestanden oder in einem Bundes- oder Landtag vertreten sind. Sind diese Voraussetzungen gegeben, muss durch das BVerfG gem. § 33 Abs. 2 ParteiG festgestellt werden, dass es sich um eine Ersatzorganisation handelt. Auf andere Ersatzorganisationen (Parteien oder Vereine) ist dagegen gem. § 33 Abs. 3 ParteiG das Verfahren nach § 8 Abs. 2 VereinsG entsprechend anzuwenden, sodass es den zuständigen Verwaltungsbehörden (§ 3 Abs. 2 VereinsG) obliegt zu entscheiden, ob eine vom Parteiverbot erfasste Ersatzorganisation vorliegt; hieraus erklären sich die strafrechtlichen Sondertatbestände des § 85 Abs. 1 Nr. 1 StGB und des § 20 Abs. 1 Nr. 2 VereinsG. Zu der sich damit verbindenden verfassungsrechtlichen Problematik s. Fn. 692. 15 Zwar wird eine Vereinigung über den Eingriff durch ein Verbot und verbotsgleiche Maßnahmen hinaus auch gegen weitergehende Beeinträchtigungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 1 GG geschützt. Jedoch sind diesem Schutz auch in dem von Art. 9 Abs. 2 GG nicht erfassten Bereich Grenzen gesetzt. Denn was als Individualverhalten grundrechtlich nicht erlaubt ist oder in Übereinstimmung mit den grundrechtlichen Eingriffsvorbehalten einfachrechtlich verboten ist, ist als kollektive Zweckverfolgung nicht von Art. 9 Abs. 1 GG geschützt. Das Grundrecht gewährt keine Privilegierung gegenüber Individualverhalten; vgl. dazu BVerfGE 30, 227, 243; von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 4; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 Rn. 39. 16 LK11 /von Bubnoff, § 129 Rn. 1. Es geht nicht um ein Individualverhalten (vgl. Fn. 15), sondern um ein auf die Organisation bezogenes Verhalten bzw. die Förderung
B. Vereinigungsverbot als rechtlicher Rahmen des Organisationsstrafrechts
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I. Strafrechtliche Relevanz eines förmlichen Vereinigungsverbots Das Überschreiten der Grenze des Art. 9 Abs. 2 GG rechtfertigt ein Vereinigungsverbot. Die strafrechtlichen Tatbestände des § 85 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB und des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 VereinsG knüpfen dabei an ein förmliches Vereinsverbot17 an. Demgegenüber ist für die kriminellen und terroristischen Vereinigungen der §§ 129, 129a StGB dies tatbestandlich nicht vorausgesetzt. Damit verbindet sich die Aufgabe, das Verhältnis zwischen förmlichem Vereinigungsverbot und Vereinigungsfreiheit aus der strafrechtlichen Perspektive zu beschreiben; dafür ergeben sich zwei Sichtweisen. 1. Zum einen kann man bei dem materiellen Grund eines förmlichen Vereinigungsverbots ansetzen. Das BVerwG begründet dessen Funktion damit, dass es im Einzelfall der Konkretisierung des in Art. 9 Abs. 2 GG enthaltenen Verbots durch die hierfür zuständige Stelle bedürfe18. Jedoch ließe sich fragen, ob diese Zwischenschaltung einer Verbotsverfügung in jedem Fall erforderlich ist. Hinter einer Differenzierung könnte man unterschiedliche Vereinigungsbegriffe derart vermuten, dass zwischen im Recht beständigen Vereinigungen, für die der Verlust ihrer rechtlichen Anerkennung durch das Verbot manifestiert wird, und von vornherein nicht rechtsbeständigen kriminellen und terroristischen Vereinigungen unterschieden wird. Für diese Sichtweise spricht der Vereinigungsbegriff des § 2 Abs. 1 VereinsG, nach dem sich der Anwendungsbereich des Vereinsgesetzes auf Personenzusammenschlüsse „ohne Rücksicht auf die Rechtsform“ beschränkt. Mit dieser Begriffsbestimmung wird nicht auf eine Rechtsform verzichtet, sondern lediglich eine bestimmte Rechtsform der Vereinigung für beliebig erklärt19. Erfasst seien ihres Bestandes. Vgl. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der BRD, § 107, S. 1348 f.: Es könne bei Organisationsdelikten „das pönalisierte Verhalten als solches individuell gar nicht verwirklicht werden“. Kemper will dagegen eine Kollision der §§ 129, 129a StGB mit Art. 9 GG von vornherein ausschließen. Es stelle eine Privilegierung gegenüber dem Schutz der lediglich der allgemeinen Handlungsfreiheit unterstellten Individualverhalten dar, „wollte man die Vorbereitung oder Begehung von Straftaten im Rahmen vereinsmäßiger Organisation erlauben“ (von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 48). Indessen kommt bei den §§ 129, 129a StGB eine Begehung von Straftaten nicht in den Blick und es geht auch nicht um deren vereinsmäßige Vorbereitung, sondern um die Förderung einer Vereinigung, die auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist. Ob das bloße Gerichtetsein auf Straftaten als Individualverhalten strafbewehrt werden könnte, ist eine andere Frage. 17 Vgl. die entsprechenden Vorschriften der §§ 3, 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 VereinsG; der Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG knüpft an die Betätigungsverbote gem. §§ 14 Abs. 3 Satz 1, 18 Satz 2 VereinsG an. 18 Bereits BVerwGE 4, 188, 189 vor Erlass des Vereinsgesetzes von 1964; ferner BVerwGE 47, 330, 351; BVerwGE 55, 175, 177 f.; von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 70. 19 Vgl. MK/Heinrich, § 20 VereinsG Rn. 9 f.; Erbs/Kohlhaas/Wache, V52 § 2 Rn. 2 ff.; Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, § 2 Rn. 1 ff.
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hier Vereinigungen, deren Zustandekommen auf einem konstitutiven Akt beruht, mit dem unter den Mitgliedern ein „rechtliches Band“ geschaffen wird20. Auch in der Rechtspraxis richten sich förmliche Vereinsverbote in der Regel gegen in bestimmter Rechtsform existente Vereinigungen21. Greift man das Beispiel der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) heraus, zeigt sich, dass – neben den 1993 gegenüber der PKK und ihrer Teilorganisation „Nationale Befreiungsfront Kurdistan“ (ERNK) ergangenen Betätigungsverboten22 – innerhalb ihrer Struktur aus Teil- und Nebenorganisationen in Deutschland die Berxwedan-Verlag GmbH23 und eine Vielzahl rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger Arbeiter- und Kulturvereine verboten wurden24. Betrachtet man dagegen die kriminelle Vereinigung PKK, stellt sich die Frage, ob hierbei an dieselben Vereinigungen angeknüpft wird, die Gegenstand der verwaltungsrechtlichen Verbotsverfügung sind. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang von einer kriminellen Vereinigung „innerhalb“ der Struktur der PKK die Rede. Entsprechendes gilt, sofern innerhalb ihrer Struktur bis August 1996 in Deutschland auch eine terroristische Vereinigung bestand, die sich aus den Europa-, Regions- und Gebietsverantwortlichen und aus den leitenden Kadern der Unterorganisationen zusammensetzte.25 Bei dieser Sichtweise zeichnet sich eine Trennung von rechtsförmigen Vereinigungen, an die das Vereinsgesetz und damit § 85 StGB, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG anknüpfen, und informellen Zusammenschlüssen, die Gegenstand der §§ 129, 129a StGB sind, ab. Die Schutzfunktion der Förmlichkeit kann dabei strafrechtlich darin gesehen werden, dass eine Warnung26 für die Beteiligten vermittelt werden soll, die Vereinigung habe die Grenzen ihrer rechtlich erlaubten Existenz überschritten. Das förmliche Verbot würde gegenüber den §§ 85 Abs. 1 20 M. w. N. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, § 2 Rn. 7; Erbs/Kohlhaas/Wache, V52 § 2 Rn. 4. 21 Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass eine Vereinigung sowohl Gegenstand einer Verbotsverfügung als auch Gegenstand der Tatbestände der §§ 129, 129a StGB sein kann. Ein Beispiel hierfür bildet die „Kameradschaft Sturm 34“, die nicht nur als kriminelle Vereinigung behandelt wurde, sondern zugleich förmlich vom sächsischen Staatsminister des Inneren am 26. April 2007 verboten worden ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und ihre Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe (vgl. BGHSt 54, 216). 22 Das Zuwiderhandeln gegen das auf die §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 i.V. m. §§ 3 und 18 Satz 2 VereinsG gestützte Betätigungsverbot der PKK/ERNK ist über § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG strafbewehrt. 23 Vgl. dazu BVerwG, NVwZ 1998, 174. 24 Zur Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Inneren vom 22. November 1993 vgl. Bundesanzeiger 1993, S. 10313 f. 25 Zur kriminellen und terroristischen Vereinigung PKK s. BGH, NJW 2005, 80, 80 f.; LK/Krauß, § 129 Rn. 91. 26 Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 314; Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte und Grundgesetz, S. 166.
B. Vereinigungsverbot als rechtlicher Rahmen des Organisationsstrafrechts
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Nr. 2, Abs. 2 StGB, 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 VereinsG im Verhältnis einer vorgeschalteten Maßnahme stehen27, die die notwendige Orientierung für das Unrechtsbewusstsein der Beteiligten vermittelt. Eine derartige Warnung erscheint demgegenüber dann entbehrlich, wenn Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung auf das Begehen von Straftaten gerichtet sind. Diese Lösung hätte allerdings zur Voraussetzung, dass Art. 9 Abs. 2 GG partiell – im Bereich der §§ 129, 129a StGB – unmittelbare Wirkung zukommt28. Der Wortlaut dieser Vorschrift („sind verboten“) legt zwar nahe, dass eine Vereinigung, die die dort normierten Grenzen überschreitet, ipso iure verboten ist29. Insofern wären Vereinsverbote des Vereinsgesetzes für den Verlust der Vereinigungsfreiheit nicht konstitutiv30. Überwiegend wird jedoch vertreten31, Art. 9 Abs. 2 GG bezeichne lediglich die Gründe einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung für den Grundrechtseingriff. 2. Geht man von der Ansicht aus, die dem Art. 9 Abs. 2 GG lediglich die Funktion zumisst, einen Auftrag zum Erlass grundrechtsbeschränkender Vorschriften zu statuieren32, ergibt sich aus strafrechtlicher Sicht eine andere Stellung des förmlichen Vereinigungsverbots: Als verwaltungsrechtliche Maßnahmen stünden die Vorschriften des Vereinsgesetzes neben der einfachgesetzlichen Ausprägung der Grundrechtsschranke des Art. 9 Abs. 2 GG in Strafrechtsnormen33. Ihr Nebeneinander entspreche dem Verhältnis von gefahrenabwehrendem Eingriff und repressivem Unterbinden der organisationsbezogenen Beteiligung. Nur bei § 85 StGB, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG besteht eine Verknüpfung, die sich daraus erklärt, dass an dieser Stelle, wo es einerseits um einen Bereich politischer Betätigung geht, andererseits zugleich rechtsförmige Vereinigungen betroffen
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BT-Drs. 4/2145, S. 5 f. Vgl. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der BRD, § 107, S. 1342 ff., 1345 f. Vgl. auch Merten, in: HStR VII, § 165 Rn. 77, der davon spricht, dass Art. 9 Abs. 2 GG „strafgesetzwidrige Vereinigungen als solche“ betrifft, während er im Übrigen die Schranke als Verbotsauftrag an den Gesetzgeber einschätzt (Merten, in: HStR VII, § 165 Rn. 76 ff.). Vgl. ferner BVerfGE 80, 244, 252 f., wonach die Straftatbestände des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 VereinsG, die die Strafbarkeit der Beteiligung an verbotenen Vereinigungen bereits bei lediglich sofort vollziehbaren Verbotsverfügungen einsetzen lassen, mit Art. 9 GG vereinbar sind, s. auch unten S. 157. 29 Merten, in: HStR VII, § 165 Rn. 75; zur Entwicklungsgeschichte vgl. AK/Ridder, Art. 9 Abs. 2 Rn. 13. 30 Zur Konstitutivwirkung der Verbotsverfügung s. von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 70. 31 M. w. N. von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 70; AK/Ridder, Art. 9 Abs. 2 Rn. 1 ff., 23 f.; zum Streit allgemein Planker, Das Vereinsverbot gem. Art. 9 Abs. 2 GG, §§ 3 ff. VereinsG, S. 108 f.; ders., NVwZ 1998, 113, 117. 32 Merten, in: HStR VII, § 165 Rn. 76; Sachs/Höfling, Art. 9 Rn. 38. 33 von Bubnoff sieht die Funktion des § 129 StGB darin, dem Art. 9 Abs. 2 GG „Geltung zu verschaffen“ (LK11 /von Bubnoff, § 129 Rn. 1). 28
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sein können, für die Beteiligten Klarheit über das Überschreiten der verfassungsrechtlichen Grenzen geschaffen werden muss. 3. Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden: Vor dem Hintergrund der Tatbestandsvoraussetzung eines förmlichen Verbotes bilden § 85 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 VereinsG einerseits und die Normen der §§ 129, 129a StGB andererseits zwei Ausschnitte der Organisationsdelikte. Es ist jedoch nicht das Kriterium der Förmlichkeit des Verbots, nach dem die materielle Differenzierung in der Beurteilung der Vereinigungen vorzunehmen ist, sondern entscheidend für die Tatbestände des Organisationsstrafrechts ist die Wertung des Art. 9 Abs. 2 GG, die eine Trennlinie zu den Vereinigungen zieht, die an der verfassungsrechtlich garantierten Vereinigungsfreiheit teilhaben. II. Der strafrechtliche Eingriff in die individuelle Vereinigungsfreiheit Vereinigungen, deren Zwecke und Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind gem. Art. 9 Abs. 2 GG verboten. An dieser Stelle, an der die Vereinigung aus der Rechtsordnung ausgeschlossen wird, verläuft zugleich die Grenze der Vereinigungsfreiheit des Einzelnen34. Erst ab hier kann das Strafrecht das Gründen und Beteiligen an einer Vereinigung thematisieren. Daraus, dass das Organisationsstrafrecht erst bei Überschreiten der Schranke des Art. 9 Abs. 2 GG eingreifen kann, folgt, dass die Vereinigung für die Zuordnung des rechtsgutsrelevanten Kollektivgeschehens eliminiert ist. Umgekehrt wird man dort, wo Vereinigungen rechtlich bestehen, auf allgemeine (nicht auf das Strafrecht beschränkte) Zurechnungsmechanismen zurückgreifen können, um die Verantwortung zwischen der Vereinigung als solcher und den für sie handelnden Personen zu verteilen; in diesen Kontext gehört die Diskussion über die Strafbarkeit der juristischen Personen35. Die Organisationen, die den Gegenstand der Organisationsdelikte bilden, sind dagegen faktisch assoziierte Personenmehrheiten36. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Merkmale, die für den Begriff der Vereinigung vorausgesetzt werden, mit den Begriffsmerkmalen der Mitgliedschaft übereinstimmen37. Die Vereinigung ist in rechtlicher Hinsicht 34 Dreier/Bauer, Art. 9 Rn. 54; von Münch/Kunig/Löwer, Art. 9 Rn. 51; Gastroph, Die politischen Vereinigungen, S. 139. 35 Zur Frage, inwieweit gegenüber terroristischen Vereinigungen mit dem Instrumentarium deutscher Haftungsnormen für Personenverbände (§§ 30, 130 OWiG) vorgegangen werden könnte, vgl. Weißer, ZStW 121 (2009), 131, 140 ff. 36 Lampe, ZStW 106 (1994), 683, 725; Weißer, ZStW 121 (2009), 131, 141 f. Vgl. ferner Cancio Meliá, der allerdings auch ein „Unrecht der Organisation“ kennt, das dem Mitglied zugerechnet werden soll (Cancio Meliá, in: FS-Jakobs, S. 27, 45 ff.). 37 Zum Begriff der Vereinigung s. m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 18; zum Begriff des an der Vereinigung als Mitglied Beteiligten s. m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 104.
C. Organisationsdelikte
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also nichts weiter als eine Kumulation von Mitgliedern, ungeachtet der gruppendynamischen Hypothese einer besonderen Eigendynamik von Organisationen. Entsprechend sind die strafrechtlichen Tatbestände der Organisationsdelikte als Beteiligung an einer Vereinigung in unterschiedlichen Rollen konstruiert.
C. Organisationsdelikte I. Das Merkmal der Organisationsbezogenheit Die Annäherung an die Organisationsdelikte der folgenden Untersuchung lässt sich dahin fortsetzen, dass bei diesen die Vereinigung tatbestandlicher Bezugspunkt des Verhaltens ist38: Man gründet eine Organisation, beteiligt sich an ihr mitgliedschaftlich, unterstützt sie oder wirbt für sie. Diese Organisationsbezogenheit hat hier die Funktion, die sonst geforderte Tatbezogenheit – nach der das Verhalten nur als Straftat relevant ist, die bei der Mittäterschaft eine gemeinschaftliche Straftat ist, oder nach der die Teilnahme auf eine Haupttat bezogen sein muss und die Verbrechensverabredung auf ein bestimmtes Verbrechen – zu ersetzen. Wie diese Straftatbezogenheit das Grundprinzip des formalen Verhältnisses zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen Teil des StGB bildet, stellt die Organisationsbezogenheit einen Zusammenhang zwischen dem Beteiligungsverhalten und der Organisation im Besonderen Teil her39. Diesem Zusammenhang nachzugehen, wird wesentliche Aufgabe sein. 1. Der Diskurs über die Figur der Tatherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate, die die Organisationsstrukturen in das allgemeine Beteiligungssystem zu integrieren versucht, zeigt, dass sich zwischen Organisations- und Tatbezogenheit ein Spannungsverhältnis ergeben kann. Roxin will den bei den leitenden Stellen eines Apparates bestehenden Verlust an Tatnähe durch das bei ihnen anfallende Maß an organisatorischer Herrschaft kompensieren40, wenn die Verwirklichung des vom Hintermann in Gang gesetzten Unternehmens unabhängig von der Person des Ausführenden ist41: „Wir haben hier gegenüber der durch die persönliche Ausführung begründeten [. . .] ,Handlungsherrschaft‘ eine höherstufige Form mittelbarer Täterschaft vor uns, deren rechtliche Begründung sich aus dem 38 Vgl. auch Morozinis, Dogmatik der Organisationsdelikte, S. 537, der die §§ 129, 129a StGB deswegen aus dem Gegenstand seiner Untersuchung ausgrenzt, weil es dort um die „Organisation per se“, d. h. um die Existenz eines sozialen Systems und die Stellung des Beteiligten darin, gehe. 39 Im Gegensatz dazu heben Schroeder und Cancio Meliá die Entferntheit von einem konkreten Erfolg hervor und nehmen dies zum Anlass, die Beteiligung an einer Vereinigung im Allgemeinen Teil zu verorten (Schroeder, Die Straftaten gegen das Strafrecht, S. 20 f.; Cancio Meliá, in: FS-Jakobs, S. 27, 33; ders., in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 47, 54). 40 Roxin, GA 1963, 193, 202. 41 Roxin, GA 1963, 193, 205.
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[. . .] Funktionsmechanismus organisierter Machtapparate zwangsläufig ergibt“ 42. Manfred Heinrich wendet dagegen ein, die typischen Fälle der Organisationsherrschaft seien „gerade dadurch gekennzeichnet, daß der Täter sein Ziel ohne weiteres zu erreichen vermag, auch ohne auf das konkrete Tatgeschehen irgendeinen über die bloße Anordnung der Tat hinausgehenden – direkten oder indirekten – Einfluß auszuüben, auch ohne in irgendeiner Weise tatsächlich lenkend tätig zu werden, auch ohne also Herrschaft über die Tat auszuüben“ 43. Heinrichs Kritik, die sich in erster Linie gegen das Tatherrschaftskriterium richtet44, besteht insbesondere darin, dass mit Organisationsherrschaft lediglich eine Herrschaft über die Organisation charakterisiert sei, statt eine Herrschaft über die Tat (Tatherrschaft) zu beschreiben45. Während Roxin also von vornherein die Organisationsherrschaft als Form der Tatherrschaft begreift, zeigt der Einwand von Heinrich, dass zwischen ihnen eine spezifische Differenz liegen kann; worin Heinrich diese sieht, zeigt sich, wenn er im Anschluss an Rotsch argumentiert, der Mangel an Organisationsbezogenheit läge in der Ausrichtung auf die „Begehung einer solchen Tat“ statt auf die „Begehung gerade dieser Tat“ 46. Auch Rotschs Kritik an der Figur der Organisationsherrschaft beruht darauf, dass mit ihrer dogmatischen Begründung, dem Hintermann stehe zur Tatbegehung ein Apparat zur Verfügung, seine Herrschaft aus ihrer Tatbezogenheit gelöst werde. Um diesem Verlust an Tatbezogenheit entgegenzutreten, versucht Rotsch (mag dadurch auch die Figur in ihrer praktischen Anwendbarkeit eingeschränkt werden), die Organisationsherrschaft auf eine Herrschaft bei und nicht vor der Tatausführung zurückzuführen, indem er das Fungibilitätskriterium verschärft: „Täter hinter dem Täter im Rahmen organisatorischer Machtapparate kann nur sein, wer im Zeitpunkt der Tatbegehung den Tatmittler auswechseln kann“ 47. 2. Das vorstehend beschriebene Spannungsverhältnis zwischen Tat- und Organisationsbezogenheit besteht in der relativen Entfernung bzw. der mangelnden Tatnähe desjenigen, der sich zur Begehung seiner Tat einer Organisationsstruktur bedient. 42
Roxin, GA 1963, 193, 203. M. Heinrich, Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft, S. 31. 44 M. Heinrich, Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft, S. 33 ff. 45 M. Heinrich, Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft, S. 31. 46 M. Heinrich, Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft, S. 32. Gleichwohl bleibt die Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft kraft Ausnutzung organisatorischer Machtapparate auch bei M. Heinrich erhalten, indem er es mit seinem Kriterium der „Entscheidungsübernahme kraft Ausnutzung organisationstypischer Tatgeneigtheit“ unternimmt, sie neu zu begründen (M. Heinrich, Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft, S. 273 ff., 279). 47 Rotsch, ZStW 112 (2000), 518, 528 ff. Über die Fungibilität hinaus seien auch Kriterien der Organisationsherrschaft wie Hierarchie und die Rechtsgelöstheit des Systems notwendige Merkmale des organisierten Machtapparates, dessen sich der Hintermann bedient und auf dessen Präsenz im Rahmen der konkreten Tat verzichtet wird (Rotsch, ZStW 112 (2000), 518, 532). 43
C. Organisationsdelikte
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Demgegenüber geht es bei der eingangs bestimmten Organisationsbezogenheit nicht mehr um einen durch die Organisation vermittelten Tatbezug. Die Ausrichtung der Zwecke und Tätigkeiten der Organisation auf die Straftaten bildet hier vielmehr lediglich einen objektiven Bestandteil der Umstände, unter denen eine Organisation strafrechtlich relevant wird. Sofern Bezugstaten in Tatbeständen der Organisationsdelikte erscheinen, haben sie dort die Funktion, die Vereinigungen zu umgrenzen; die Katalogtaten des § 129a Abs. 1, 2 StGB dienen somit der Konkretisierung des Begriffs der terroristischen Vereinigung48. Demgemäß ist weder eine Realisierung einer organisationstypischen Gefährlichkeit in konkreten Taten noch eine Planung oder Vorbereitung von konkreten Bezugstaten gefordert49; d. h., Modalitäten ihrer Begehung brauchen nicht in dem im Allgemeinen Teil bestimmten Maß im Verhalten des Täters antizipiert sein. Das mit der Organisation verbundene rechtsgutsrelevante Kollektivgeschehen bildet nur noch das Umfeld, in dem das auf die Organisation bezogene Verhalten aus seiner Neutralität herausgehoben wird. Umgekehrt folgt aus dem formalen Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen Teil, dass es eines selbstständigen Straftatbestandes bedarf, um organisationsbezogenes (nicht mehr tatbezogenes) Verhalten – das Beteiligen an einer Vereinigung in einer bestimmten Beteiligungsrolle – strafrechtlich zu erfassen. 3. Im Unterschied zu Tatbeständen, bei denen der Täter nicht im Kontext einer Organisation handelt, erweist sich die Bedeutung des Merkmals der Organisationsbezogenheit darin, dass mit ihm ein Deutungsschema vorhanden ist, um einen Angriff auf das Rechtsgut auszuzeichnen. Durch den objektiven Bezug auf eine strafrechtsrelevante Organisation ist das Verhalten des Beteiligten vor dem Hintergrund der Zweckrichtung der Organisation begreifbar. Dies wird bei Verhaltensweisen wie Finanzierungshandlungen, die isoliert betrachtet neutral erscheinen, besonders anschaulich; auf dieses Beispiel wird im jeweiligen Zusammenhang zurückzugreifen sein. II. Begriffsbestimmung Zu Roxins These, dass die Maßstäbe der Einzeltat und die auf Einzeltaten zugeschnittenen Rechtsfiguren der Beteiligung einem Kollektivgeschehen nicht gerecht werden50, lassen sich bestimmte Straftatbestände als Ausnahmen beschreiben51. Man kann sie auf verschiedene Weise Organisationsdelikte nennen. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen Organisationsdelikte in dem Sinne, dass hier eine organisationsbezogene Beteiligung strafbewehrt ist. Eine 48
Dazu weiterführend S. 135 ff. M. w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 74. 50 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 243. 51 Roxin selbst weist auf die Beteiligung an Vereinigungen der §§ 128, 129, 129a a. F. StGB hin (Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 243, Fn. 4). 49
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andere Problematik betreffen solche Organisationsdelikte, bei denen Schünemann ein „Ensemble betrieblicher Abläufe“ beobachtet, sie dem Einzelaktdelikt gegenübergestellt und als eine tatbestandlich vertypte „Täterschaft unmittelbar aus der Herrschaft über die Organisation“ eingeordnet hat52. Schünemanns Überlegung hat Morozinis zu einer „Dogmatik der Organisationsdelikte“ fortentwickelt53. Bei Tatbeständen dieser Gruppe, die Handlungskomplexe wie das Betreiben von Anlagen, das Ausführen, Handeltreiben und Veranstalten als tatbestandsmäßige Verhaltensweisen erfassen sollen54, steht die Ausübung organisatorischer Leitungs- und Entscheidungsmacht55, mithin ein in bestimmter Hinsicht strafbares „Organisieren“, im Mittelpunkt. Dieses Organisationsdelikt wird gegenüber einem weiteren Begriff der Organisationsdelikte abgegrenzt, mit dem die aus einer Organisation heraus begangenen Delikte abgebildet werden sollen56. Tatbestände, die das Beteiligen an einer Organisation erfassen, und das tatbestandliche Organisieren von betrieblichen Abläufen treffen schließlich in einem weiteren, konkurrenzrechtlichen Begriff des Organisationsdelikts57 wieder zusammen. Vergleichbar einem Dauerdelikt bündelt die Rechtsprechung an dieser Stelle mehrere Einzelakte zu einer einheitlichen Handlung i. S. d. § 52 StGB58. Das Organisationsdelikt in diesem konkurrenzrechtlichen Sinne weist aber zugleich über das tatbestandlich erfasste Kollektivgeschehen hinaus. Mit ihm werden auch Einzelaktdelikte, etwa die in einem organisatorischen Zusammenhang stehenden Betrugshandlungen, verklammert59.
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LK/Schünemann, § 14 Rn. 30, Vor § 25 Rn. 16, § 25 Rn. 187. Morozinis, Dogmatik der Organisationsdelikte, S. 536 ff. 54 LK/Schünemann, § 14 Rn. 30; im Einzelnen Morozinis, Dogmatik der Organisationsdelikte, S. 544 ff. 55 LK/Schünemann, § 14 Rn. 30; Morozinis, Dogmatik der Organisationsdelikte, S. 540, 574, 589 f. Morozinis will auf die Organisationsdelikte, die Gegenstand seiner Untersuchung sind, das Kriterium der „Betriebsherrschaft“ anwenden (Morozinis, Dogmatik der Organisationsdelikte, S. 604). 56 Morozinis, Dogmatik der Organisationsdelikte, S. 25. 57 Vgl. Cording, Der Strafklageverbrauch bei Dauer- und Organisationsdelikten, S. 131 ff., 152 ff., 207. 58 Vgl. S. 48 ff.; andererseits zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG BGHSt 48, 331, 341 ff. 59 BGHSt 48, 331, 343; BGHSt 49, 177, 184. Infolge der Aufgabe der konkurrenzrechtlichen Figur der fortgesetzten Handlung behelfe sich die Rechtsprechung „damit, dass sie [. . .] Tatbeiträge eines Mittäters, mittelbaren Täters oder Gehilfen zum Aufbau, zur Aufrechterhaltung und zum Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs unter Heranziehung des Zweifelssatzes rechtlich weitgehend zu einem – uneigentlichen – Organisationsdelikt zusammenfasst, durch welches mehrere Einzelhandlungen oder mehrere natürliche Handlungseinheiten rechtlich verbunden und hiermit die aus der Unternehmensstruktur heraus begangenen Straftaten in der Person dieser Tatbeteiligten zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengeführt werden“ (BGHSt 49, 177, 184). 53
Erstes Kapitel
Partizipatorische Zurechnung Im Rahmen der Organisationsdelikte wird individuelle Verantwortung für kollektives Verhalten begründet. Im gruppendynamischen Ansatz verbindet man mit dieser Formel den bereits oben dargestellten Bewertungszwiespalt, dass „ausgerechnet die gemeinschaftliche Tatbegehung, die Massen- und Gruppenverbrechen wegen ihrer sozialen Auswirkungen besonders schwerwiegend erscheinen lässt, zu Zweifeln an der Verantwortlichkeit des einzelnen Täters Anlaß gibt“ 60. Lässt man die hiermit aufgeworfenen Legitimationsfragen, ob und wie eine individuelle Verantwortung für kollektives Verhalten zu rechtfertigen wäre, zunächst außer Acht und betrachtet dagegen die individuelle Verantwortung für kollektives Verhalten lediglich als eine spezifische Zurechnungsstruktur (partizipatorische Zurechnung), gelangt man von hieraus zu den grundlegenden Strukturen der Organisationsdelikte auf der Tatbestandsebene. Diese werden im Anschluss in den einzelnen Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte zu spezifizieren sein. Hiermit ist eine Vorbedingung geschaffen, um in einem weiteren Schritt dann die Organisationsdelikte auch von der Position des legitimen Rechtsgüterschutzes zu hinterfragen. Unter partizipatorischer Zurechnung wird im Folgenden also eine Form individueller Verantwortung für kollektives Verhalten verstanden.
A. Partizipatorische Zurechnung im Schrifttum I. Bereits in der Mittäterschaft kann mehr als eine Addition von Einzelhandelnden gesehen werden61; für Lampe ist sie „ein funktional organisiertes Un60 Jäger, Individuelle Zurechnung kollektiven Verhaltens, S. 7. Die Formel „individuelle Zurechnung kollektiven Verhaltens“ geht auf Jäger zurück, der sich in seiner gleichnamigen Studie zur strafrechtlich-kriminologischen Bedeutung der Gruppendynamik mit der Problematik beschäftigt, dass der Einzelne etwas tut, was den Erwartungen und Normen der Gruppe, der er angehört, entspricht. Vgl. dazu auch oben S. 12 f. 61 Vgl. auch Joerdens Fassung der Mittäterschaft, der der Gedanke zugrunde liegt, dass in bestimmten Fällen zwei oder mehr Personen als ein und dieselbe Person angesehen werden können, so als wären sie eine Kollektivperson (Joerden, Strukturen des strafrechtlichen Verantwortlichkeitsbegriffs, S. 78 ff.). Weiter will Joerden die Verantwortlichkeit jedes einzelnen Mitglieds dieses Kollektivs bestimmen und hält dafür nicht den Anteil jedes Mitglieds für maßgeblich, sondern jedes Mitglied sei qua Mitgliedschaft voll für das zur Verantwortung zu ziehen, was dem Kollektiv als Ganzem anzulasten sei; insofern gilt nach Joerden die Kollektivperson als eine Fiktion. Vgl. auch die
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1. Kap.: Partizipatorische Zurechnung
rechtssystem“ 62. In Lampes Konzept des Systemunrechts und der Unrechtssysteme verbindet die Mittäterschaft mit den weiteren, von ihm erörterten Beispielen der kriminellen Vereinigung, eines kriminell anfälligen Wirtschaftsunternehmens und schließlich des staatlichen Gebildes63 folgendes Phänomen: „Steht das gesamte Tatgeschehen in einem einzigen Systemzusammenhang, dann verschlingen sich Ursachen und Verantwortung zu einem ,Netz‘. Und das soziale Gewicht des einzelnen Tatbeitrags sowie der daraus folgenden individuellen Verantwortung kann dann nur noch im Zusammenhang des ,Netzes‘ bestimmt werden, das die Tatbeteiligten verknüpft“ 64. Für die Verantwortung des Mittäters habe dies die Konsequenz, das jeder „Mittäter außer dem eigenen Verhalten und dem seiner Mittäter auch die besondere Gefährlichkeit der gemeinschaftlichen Tatbegehung zu verantworten“ hat65. II. Man kann den Begriff „partizipatorisch“ in einem weiten Sinn verwenden. Mit „model of participation“ lässt sich im englischen Strafrecht ein Teilnahmemodell in Abgrenzung zum Einheitstätermodell („model of indvidual agency“) bezeichnen66. Das Wort „partizipieren“ bedeutet: beteiligen, teilnehmen, mitwirken oder dabei sein67. Für partizipatorisch hält Jung entsprechend zunächst das allgemeine Konzept der Mittäterschaft68, während die Besonderheit der „partizipatorisch angelegten Tatbestände“ schon darin liege, dass sie durch die Mitwirkung mehrerer konstruiert sind und ihre Rechtfertigung in der gesteigerten Gefährlichkeit finden, die von organisiertem Zusammenwirken ausgeht69. „imaginäre Gesamtperson“ im Fall der Mittäterschaft, von der M. Heinrich ausgeht (M. Heinrich, Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft, S. 287 ff.). 62 Lampe, ZStW 106 (1994), 683, 690. 63 Lampe, ZStW 106 (1994), 683, 687. 64 Lampe, ZStW 106 (1994), 683, 686 f. 65 M.w. N. Lampe, ZStW 119 (2007), 471, 499. Insoweit bleibt die Tendenz, die Gefährlichkeit der Beteiligung mehrerer zu verallgemeinern, auch in seinem Aufsatz „Tätersysteme: Spuren und Strukturen“ fortbestehen; Lampe dort weiter: „Einige Normen des Strafgesetzbuchs bringen das durch einen erhöhten Strafrahmen zum Ausdruck, so etwa § 224 für die gemeinschaftliche Körperverletzung sowie die Normen für die bandenmäßige Begehung: In § 224 ist es die besondere Gefährlichkeit eines von mehreren verübten Angriffs, welche die Strafschärfung begründet, bei den Bandendelikten ist es die besondere Gefährlichkeit sowohl der Täterverbindung als auch der konkreten Tat. Doch auch ohne gesetzliche Anordnung müssen die Mittäter die besondere Gefährlichkeit ihrer Verbindung verantworten, sofern die Arbeitsteilung die Erfolgschancen ihres kriminellen Tuns erhöht und das Machtgefühl der Teilnehmer eine Verlockung beispielsweise zu Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen begründet hat“ (Lampe, ZStW 119 (2007), 471, 499 f.). 66 Gardner, in: Eser/Huber/Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 227, 227. 67 Vgl. Duden: Synonymwörterbuch, Stichwort „partizipieren“. 68 Jung, in: Eser/Huber/Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 175, 184. 69 Jung, in: Eser/Huber/Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 175, 184 f.
A. Partizipatorische Zurechnung im Schrifttum
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Ein differenzierteres Konzept dazu, wie das eigene Unrecht des Einzelnen durch eine Personengemeinschaft bestimmt sein kann, in dem auch der Begriff „partizipatorische Zurechnung“ eine Funktion bekommt, entwickelt Seelmann in seiner Arbeit über „Kollektive Verantwortung im Strafrecht“. Auch er bezieht sich zunächst auf die Mittäterschaft (insbesondere auf die sogenannte funktionale Herrschaft und die Problematik der Kollegialentscheidungen), darüber hinaus behandelt er die mittelbare Täterschaft (kraft organisatorischer Machtapparate) und die Nebentäterschaft (insbesondere bei nicht organisierten Personengruppen, sogenannten „random collections“, und im Rahmen von Kumulationsdelikten)70. Während hier der einzelne Beteiligte einen Beitrag zu leisten habe, der Teil eines „Gesamtkonzepts“ wird71, gingen die „Tatbestände der partizipatorischen Zurechnung“ bei der Zurechnung kollektiven Handelns zu Individuen umfassender vor72. Zu den Tatbeständen der partizipatorischen Zurechnung zählt Seelmann die Organisationsdelikte, bei denen „gar nicht mehr nötig [ist], dass jemand einen Teilaspekt einer Handlung selbst verwirklicht oder steuert, es reicht schon eine vollendete oder gar versuchte Anstiftung und Beihilfe zu einer Vorbereitungshandlung aus, wenn diese nur eine Vereinigung unterstützt, die sich zur Begehung von Straftaten zusammengeschlossen hat“ 73. Da Seelmanns Überlegungen im Kontext der Reform der strafrechtlichen Sanktionen und der Einführung eines Unternehmensstrafrechts in der Schweiz74 entstanden sind, begreift Seelmann die partizipatorische Zurechnung bei Organisationsdelikten, die auch bei ihm eine Form von individueller Verantwortung (für ein kollektives Verhalten) bezeichnet, schließlich als Gegensatz zu der kollektiven Zurechnung im Bereich der Unternehmensstrafbarkeit75. Meixner geht den logischen Strukturen der partizipatorischen Zurechnung aus philosophischer Sicht nach76. Seine Überlegungen haben als Grundformel der individuellen Zurechnung den Satz „y ist x zuzurechnen“ zum Ausgangspunkt77. Eine Gruppe wird von Meixner einbezogen, indem der Täter als Gruppenmitglied bestimmt wird. Diese Gruppe ist selbst wiederum keine (überindividuelle) Person und es kann ihr nicht zugerechnet werden78. Daraus ergeben sich zwei Alternativen: Es gibt entweder mindestens ein Gruppenmitglied (x), dem der Zurechnungsgegenstand (y) zuzurechnen ist, oder dies trifft für keines der Gruppenmitglieder zu. In der ersten Alternative bleibt es bei einer individuellen Zurechnung. 70 71 72 73 74 75 76 77 78
Seelmann, Kollektive Verantwortung im Strafrecht, S. 8 ff. Vgl. Seelmann, Kollektive Verantwortung im Strafrecht, S. 10. Seelmann, Kollektive Verantwortung im Strafrecht, S. 11. Seelmann, Kollektive Verantwortung im Strafrecht, S. 11. Vgl. Art. 100quater und Art. 100quinquies des schweizerischen StGB. Vgl. die Beispiele von Seelmann, Kollektive Verantwortung im Strafrecht, S. 13 ff. Meixner, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 2 (1994), S. 479, 492 f. Meixner, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 2 (1994), S. 479, 479. Meixner, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 2 (1994), S. 479, 492.
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1. Kap.: Partizipatorische Zurechnung
Dies demonstriert das von Meixner eingeführte Beispiel eines Erschießungskommandos, bei dem jeder Schütze gleichzeitig schießt und gleichzeitig ins Herz trifft, aber schon eine Kugel zum Tod genügt hätte79. Entscheidend ist, dass jedes Gruppenmitglied des Erschießungskommandos selbst für den Tod – in Meixners Terminologie – „belangvoll“ ist, d. h., dass ohne das Zutun jedes anderen Schützen das Tun jedes Schützen den Eintritt des Todes zur notwendigen Folge gehabt hätte80. Die zweite Alternative bedeutet, dass (y) jeder Person, die einer Gruppe angehört, die selbst „belangvoll“ für den Zurechnungsgegenstand (y) ist, zugerechnet werden kann und keiner dieser Personen individuell zuzurechnen ist. Diesen Zurechnungstypus nennt Meixner partizipatorische Zurechnung: y ist x partizipatorisch zuzurechnen d. h.: x ist eine Person und es gibt eine Gruppe u, der x angehört, u ist belangvoll für y und y ist keinem Mitglied von u individuell zuzurechnen81.
Die gruppenbezogene Zurechnung wäre – spiegelbildlich zum Fall des Erschießungskommandos – also dann eine partizipatorische, wenn das Gruppenverhalten keinem der Mitglieder einzeln zugerechnet werden kann. III. Zusammenfassend sind aus diesen wenigen Anknüpfungen zum Begriff der partizipatorischen Zurechnung im Schrifttum für die weiteren Fragestellungen folgende Punkte festzuhalten: Während auch allgemeine Beteiligungsformen scheinbar Strukturen partizipatorischer Zurechnung aufweisen, wie die Darstellungen bei Lampe und Jung belegen, begreift Seelmann die partizipatorische Zurechnung als eine besondere Form der individuellen Verantwortung für kollektives Verhalten bei Organisationsdelikten. Nach Meixners Begriffsbestimmung trifft die partizipatorische Zurechnung entsprechend auf die Fälle zu, in denen das kollektive Verhalten keinem der Gruppenmitglieder individuell zuzurechnen ist. Die vorzufindenden Ansätze verbindet zugleich der Versuch, mit der partizipatorischen Zurechnung das Spannungsverhältnis zwischen individuellen und kollektiven Zurechnungsformen zu überwinden.
B. Strukturen der partizipatorischen Zurechnung Partizipatorische Zurechnung als individuelle Verantwortung für ein kollektives Verhalten zerfällt in ein (individuelles) Zurechnungssubjekt und einen (kollektiven) Zurechnungsgegenstand. Im Rahmen einer Analyse dieser Elemente wird jedoch deren jeweils individuelle oder kollektive Seite hervorzuheben und miteinander zu kombinieren sein, um dabei die spezifische Struktur der partizi79 Vgl. zur Figur der additiven Mittäterschaft Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 56 ff.; m.w. N. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 229 f. 80 Meixner, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 2 (1994), S. 479, 491 ff. 81 Vgl. Meixner, in: Jahrbuch für Recht und Ethik 2 (1994), S. 479, 492 f.
B. Strukturen der partizipatorischen Zurechnung
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patorischen Zurechnung nachzuweisen und um aufzuzeigen, inwiefern die Organisationsdelikte dieser Struktur entsprechen und sich dadurch strukturell von anderen Formen der Beteiligung mehrerer abgrenzen. I. Das Kollektiv als Zurechnungssubjekt 1. Die partizipatorische Zurechnung ist als eine Form individueller Zurechnung zu begreifen, sofern man darunter die Zurechnung zu einem Individuum versteht. Entsprechend ordnet Seelmann die partizipatorische Zurechnung ein, weil er insbesondere intendiert, sie von kollektiver Zurechnung als einer Verantwortung von Kollektiven – im Fall der Unternehmens- und Staatsverantwortung – abzugrenzen82. Für eine solche kollektive Zurechnung findet man folgende Bausteine: Ein kollektiver Ansatz kann sich zum einen darauf stützen, dass einem Unternehmen eine Anlasstat zugerechnet wird, weil diese Straftat von Personen begangen wird, die organisatorisch in das Unternehmen eingebunden sind83; der Verband haftet also für das Verhalten von Individuen, die für ihn handeln. Zum anderen kann auf das sogenannte Organisationsversagen abgestellt werden84; hierdurch verleiht man einem Unternehmen die Fähigkeit, selbst strafrechtlich zu handeln. Ein solches Organisationsversagen bedeutet, dass die Organisation die Anlasstat begünstigte oder das Risiko der Anlasstat durch deliktsverhindernde organisatorische Vorsichtsmaßnahmen zu verringern hatte85: „Wird etwa in einem Hotel ein Gast durch das Reinigungspersonal bestohlen, ohne dass der konkrete Täter identifiziert werden kann, so haftet der Geschäftsführer nicht wegen Diebstahls infolge fahrlässiger Verletzung seiner Aufsichtspflichten, durchaus aber das Unternehmen, sofern es infolge Fahrlässigkeit im Übrigen (z. B. fehlende Dienstpläne) die Pflicht zu organisatorischer Transparenz verletzt hat“ 86. 2. Schaut man indes genauer hin, zeigt sich, dass diese Konstruktionen eigentlich auf dem Prinzip individueller Zurechnung fußen, was durch eine Erweiterung des Kreises der strafrechtlichen Zurechnungssubjekte ermöglicht wird: Es wird einem Unternehmen – und zwar als einem einheitlichen Strafrechtssubjekt – das Verhalten der Mitarbeiter zugerechnet oder es haftet für das eigene Verhalten. Das Kollektiv wird hier nicht als Kollektiv, sondern im Begriff der juristischen Person als eine überindividuelle Einheit erfasst. 82
Seelmann, Kollektive Verantwortung im Strafrecht, S. 13. Vgl. m.w. N. Heine, in: Niggli/Amstutz, Verantwortlichkeit im Unternehmen, S. 93, 102 ff. 84 Vgl. Heine, in: Niggli/Amstutz, Verantwortlichkeit im Unternehmen, S. 93, 104 ff. 85 Vgl. m.w. N. Heine, in: Niggli/Amstutz, Verantwortlichkeit im Unternehmen, S. 93, 104. 86 Heine, in: Niggli/Amstutz, Verantwortlichkeit im Unternehmen, S. 93, 116. 83
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1. Kap.: Partizipatorische Zurechnung
Die Selbstverständlichkeit, mit der im heutigen Rechtsdenken eine Personenmehrheit zu einer normativen Persönlichkeit wird, zu durchbrechen, ist nur noch bei rechtshistorischer Betrachtung möglich. Man müsste bis zu den Legisten zurückgehen, um die Auffassung zu finden, dass ein körperschaftliches Rechtssubjekt die Gesamtheit der Einzelnen im Sinne einer bloßen Zusammenfassung bezeichnet87; in strafrechtlichen Kategorien sollte nach legistischer Auffassung entsprechend erst der übereinstimmende Wille der Einzelnen strafrechtlich geahndet werden können88. Demgegenüber hatte sich aus der kanonistischen Kategorie der „universitas“ als einer vom Einzelnen unabhängigen Gesamtheit – beeinflusst durch den Begriff der Kirche als einer von der Gesamtheit der Gläubigen unabhängigen Institution89 – die Vorstellung entwickelt, eine Personenmehrheit könne als Person mit selbstständiger Rechtsexistenz bestehen90; in strafrechtlicher Hinsicht stand einer Sonderbestrafung des Einzelnen eine Bestrafung der universitas nicht entgegen: Beide waren selbstständige Strafrechtssubjekte91. Die Überlegenheit dieser Vorstellung, die in dem kanonistischen Denken ihren Ursprung hat, zeigt sich in dem in mehrfacher Hinsicht problematischen Versuch, eine Zurechnung zu einem Kollektiv zu begründen, etwa in den Bemühungen der Postglossatoren, eine Kollektivverantwortung – wie sie historisch bei der Bestrafung von Städten92 Bedeutung hatte – zu rechtfertigen93: Eine konsequente kollektive Verantwortung hätte bedeutet, alle Angehörigen einer Gruppe (die Bewohner einer Stadt) aufgrund eines der Gruppe zugeschriebenen Ereignisses (einem Friedensbruch oder mangelnder Bundestreue) haften zu lassen (also die Stadt bzw. die Häuser aller Bewohner niederzubrennen)94. Man beschränkte dieses Haftungsprinzip jedoch nicht nur auf bestimmte Arten von Verbrechen95, sondern man problematisierte – dem Gedanken der Kollektivverantwortung im Grunde widersprechend – eine Bestrafung von Unbeteiligten (etwa Kindern oder im Zeitpunkt 87 Dahm, Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, S. 151; Bohne, in: FSSauer, S. 128, 146 f. 88 Bohne, in: FS-Sauer, S. 128, 146. 89 M.w. N. Bohne, in: FS-Sauer, S. 128, 146; Dahm, Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, S. 152. 90 Bohne, in: FS-Sauer, S. 128, 146. 91 Dahm, Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, S. 152; Bohne, in: FSSauer, S. 128, 146. 92 Vgl. m.w. N. Walther, in: Mensching, Selbstbewußtsein und Person im Mittelalter, S. 195, 201; Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 1, S. 198 ff.; Makarewicz, Einführung in Philosophie des Strafrechts, S. 319 ff.; von Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, S. 103, Fn. 15; Dahm, Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, S. 164 f. 93 Walther, in: Mensching, Selbstbewußtsein und Person im Mittelalter, S. 195, 200 f. 94 M.w. N. Bohne, in: FS-Sauer, S. 128, 144, 150; Dahm, Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, S. 166. 95 Zum Meinungsstand s. Dahm, Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, S. 165 f.; Bohne, in: FS-Sauer, S. 128, 147 f.
B. Strukturen der partizipatorischen Zurechnung
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des haftungsauslösenden Ereignisses nicht in der Stadt anwesenden Bewohnern)96. Dem in der Frage nach dem individuellen Dafürkönnen des Bestraften gelegenen Anklingen eines modernen Schuldprinzips entsprach in der Wirklichkeit, dass häufig an die Stelle einer kollektiven Bestrafung der Einwohnerschaft insgesamt lediglich die symbolische Zerstörung von Befestigungswerken oder die Konfiskation städtischer Güter trat97. 3. Festzuhalten ist, dass die Zurechnung zu einem Kollektiv, d. h. zu einer Mehrzahl von Individuen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit, mit dem Schuldprinzip nicht zu vereinbaren ist. Strafe setzt die Zurechnung von Verantwortung aufgrund personell vorwerfbaren Verhaltens voraus, sodass die partizipatorische Zurechnung wie jede andere strafrechtliche Zurechnungsform zu einem individuellen Zurechnungssubjekt erfolgt. Der Frage, inwieweit die Zurechnung bei überindividuell konstruierten juristischen Personen denkbar ist, braucht im Zusammenhang dieser Arbeit nicht weiter nachgegangen zu werden; jedenfalls geht es auch dabei nicht mehr darum, eine Kollektivverantwortlichkeit zu begründen. II. Kollektives Verhalten als Zurechnungsgegenstand Nachdem das kollektive Moment im Bereich des Zurechnungssubjekts zurücktritt, weil sich auch im Begriff der kollektiven Zurechnung nur eine Zurechnung zu einem als Einheit konstruierten Subjekt verbirgt, bleibt auf der anderen Seite der Zurechnungsbeziehung der Zurechnungsgegenstand zu betrachten. Diese Betrachtung lenkt den Blick darauf, wie sich ein Rechtsgutsangriff vollzieht: durch individuelles oder kollektives Verhalten. Jedes Beteiligen mehrerer an einer gemeinsamen Straftat kann man als kollektives Verhalten darstellen; es kommt bei Organisationsdelikten aber hinzu, dass das kollektive Verhalten zu einem wesentlichen Element des Rechtsgutsangriffs wird. 1. Der gemeinsame Rechtsgutsangriff der Mittäterschaft Greift man zunächst das Beteiligen mehrerer i. S. d. Allgemeinen Teils auf, so zeigt sich, dass etwa die wechselseitige Zurechnung bei der Mittäterschaft bewirkt, dass die Beteiligten an einem gemeinschaftlichen arbeitsteiligen räuberischen Banküberfall nicht differenziert als Täter eines Diebstahls und als Täter einer Nötigung bestraft werden. Durch das arbeitsteilige Zusammenwirken erstreckt sich die funktionale Herrschaft über die Gesamttat zwingend auch auf die
96 Dahm, Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, S. 165; Bohne, in: FSSauer, S. 128, 149. 97 Bohne, in: FS-Sauer, S. 128, 156; Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 1, S. 198 ff.
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1. Kap.: Partizipatorische Zurechnung
Beiträge anderer. „Der Beteiligte kann allein nichts ausrichten; die Einschüchterung der Bankangestellten [. . .] führ[t] den Erfolg nicht herbei: Nur wenn der Komplice mitmacht, ,funktioniert‘ der Plan. Aber der andere ist allein ebenso hilflos; wenn die Bankangestellten nicht unschädlich gemacht werden, wird er festgenommen [. . .]. Sie können nur, indem sie gemeinsam handeln, ihren Plan verwirklichen [. . .]“.98 Wenn Roxin hier jedoch schreibt, der Beteiligte könne allein nichts ausrichten, ist dies auf die von ihm behandelte Einzelfallgestaltung bezogen. Die meisten Tatbestände des Besonderen Teils sind jedoch so konstruiert, dass unter anderen äußeren Umständen als denen einer mittäterschaftlichen Tatbegehung jeder der Täter denselben Tatbestand auch alleine verwirklichen kann. Von der Position des Rechtsgüterschutzes aus bedeutet diese Beteiligung mehrerer, dass das geschützte Rechtsgut bei dem gemeinsamen Angriff nicht anders beeinträchtigt wird als durch den Angriff eines Einzeltäters. 2. Organisationsdelikt als Kumulation von Rechtsgutsangriffen Organisationsdelikte setzen demgegenüber ein notwendiges Beteiligen mehrerer bereits im Begriff der Vereinigung voraus, die als Zusammenschluss von mehr als zwei Personen definiert ist. Von der Position des Rechtsgüterschutzes ausgehend bedeutet diese „notwendige Teilnahme“ 99, dass durch die Zusammenfassung von Beteiligungen mehrerer nicht nur das Verhalten tatbestandsmäßig wird, sondern auch das Rechtsgut erst tangiert ist. Der kollektiv angelegte Zurechnungsgegenstand der Organisationsdelikte eignet dabei folgende komplexe Struktur: Jeder Beteiligte an der Organisation unternimmt einerseits einen selbstständigen Rechtsgutsangriff, der im Beteiligen an einer Organisation bzw. im organisationsbezogenen Verhalten liegt. Da im Begriff der Organisation das Beteiligen anderer vorausgesetzt ist, gehören andererseits weitere, in einem Organisationsdelikt verbundene Rechtsgutsangriffe zum Zurechnungsgegenstand. Es liegt bei Organisationsdelikten somit eine notwendige Kumulation mehrerer objektiv aufeinander bezogener Rechtsgutsangriffe vor. Im Einzelnen: Dass es sich hier nicht um einen gemeinsamen Rechtsgutsangriff mehrerer, sondern um mehrere selbstständige Rechtsgutsangriffe handelt, lässt sich vor allem durch die Organisationsbezogenheit verdeutlichen. Denn die Organisations98
Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 278. Zur Entwicklungsgeschichte des Begriffs der notwendigen Teilnahme s. Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, S. 14 ff. Die Organisationsdelikte betreffen allerdings nur einen Teilbereich dieser heterogenen Tatbestandsgruppe, die durch eine „begriffliche (gesetzliche) Nothwendigkeit der Betheiligung mehrerer Individuen, nicht bloss eine factische, für den Verbrechensbegriff zufällige oder unwesentliche“ gekennzeichnet sein soll (Schütze, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 28). Vgl. unten S. 44 ff., 85. 99
B. Strukturen der partizipatorischen Zurechnung
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bezogenheit umschreibt allein einen Zusammenhang zwischen dem Beteiligungsverhalten und der Organisation: „wer sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt“ oder „wer eine Vereinigung unterstützt“. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass über den organisatorischen Kontext hinaus ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Beteiligten hergestellt wird bzw. dass die Beteiligung auf das Verhalten anderer Organisationsmitglieder bezogen ist. Es gehört somit die Beteiligung anderer lediglich als objektiver Bestandteil zu den Umständen, die die Organisation konstituieren. Der Zusammenhang zwischen mehreren einzelnen Beteiligten entsteht vielmehr dadurch, dass die tatbestandliche Schwelle der Rechtsgutsrelevanz bei Organisationsdelikten nur durch Kumulation mehrerer eigenständiger Rechtsgutsangriffe überschritten wird. Diese kollektive Struktur des Zurechnungsgegenstandes ist in das organisationsbezogene Beteiligen so einbezogen, dass jedes einzelne organisationsbezogene Beteiligungsverhalten das Verhalten anderer – in seinem Organisationsbezug – notwendig mit erfasst. Strukturell liegt die Besonderheit des Zurechnungsgegenstands der partizipatorischen Zurechnung also darin, dass demjenigen, der wegen seiner Beteiligung an einer Vereinigung im Rahmen eines Organisationsdeliktes für das kollektive Handeln einzustehen hat, auch selbstständige Rechtsgutsangriffe anderer zugerechnet werden. 3. Die Organisationsbezogenheit innerhalb der partizipatorischen Zurechnung Diese Analyse des Zurechnungsgegenstands lässt die Strukturen der Organisationsdelikte dahingehend bestimmen, dass durch die Organisationsbezogenheit ein Zusammenhang zwischen dem Beteiligen an einer Vereinigung als einem individuellen Verhalten und dem hinzukommenden Beteiligen anderer als einem kollektiven Verhalten hergestellt wird. Dass es sich hier um eine Besonderheit der partizipatorischen Zurechnung handelt, lässt sich schließlich auch in einem Vergleich zu anderen Zurechnungsformen zeigen. Die im Denken der Hegelianer wurzelnde Unterscheidung zwischen eigener oder fremder Tat hat in dem Fall der Beteiligung mehrerer die Zurechnung vor die Schwierigkeit gestellt, die (Gesamt-)Tat diesem Schema entsprechend als eigene oder fremde zuzuordnen; dies hat maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Zurechnungsstrukturen des Täter-Teilnehmer-Systems gehabt100. Sofern Organisationsdelikte auch durch das notwendige Beteiligen mehrerer gekennzeichnet sind, lässt sich daran entsprechend die Frage anknüpfen, wie der Zurechnungsgegenstand im Rahmen der partizipatorischen Zurechnung zugerechnet wird. Hierdurch wird sich zugleich der Unterschied zwischen den Zurechnungs-
100
Vgl. Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 78 ff.
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1. Kap.: Partizipatorische Zurechnung
strukturen des allgemeinen Beteiligungssystems und den Zurechnungsstrukturen der Organisationsdelikte verdeutlichen. Bei der Mittäterschaft wird durch wechselseitige Zurechnung101 eine gemeinschaftliche Tat auf jeden einzelnen Beteiligten übertragen. Die Gesamtleistung der beteiligten Mittäter wird dabei jedem als eigenes Unrecht zugerechnet. Exponiert heißt es bei Welzel: „Ein jeder ist [. . .] nicht bloß Täter eines Teiles“ 102. Dies kommt auch in § 25 Abs. 2 StGB zum Ausdruck: „Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft“. Eine solche Zurechnung ist jedoch nur dort statthaft, wo ein Rechtsgutsangriff durch mehrere verübt wird, wie in dem oben verwandten Beispiel eines gemeinschaftlichen Raubes. Nicht möglich ist sie dagegen dort, wo – wie im Fall der Organisationsdelikte gezeigt werden konnte – bereits jeder tatbestandsmäßige Rechtsgutsangriff notwendig weitere voraussetzt. Für keinen der an der Organisation Beteiligten ließe sich rechtfertigen, das kollektive Verhalten ihm allein zuzurechnen. Im Hinblick auf die Differenzierung zwischen der Zurechnung eigenen und fremden Unrechts ergibt sich aus diesem Argument, dass man keinem Beteiligten das rechtsgutsrelevante kollektive Geschehen so zurechnen könnte, dass er es als eigenes zu verantworten hätte. Dadurch rückt das Beteiligen an einer Organisation in die Nähe eines teilnahmeähnlichen Verhaltens103. Der Begriff des Teilnehmers hat zur Voraussetzung, dass das geschützte Rechtsgut tatbestandsmäßig nicht durch das Teilnehmerverhalten selbst angegriffen wird. Der Teilnehmer haftet akzessorisch für einen fremden Rechtsgutsangriff. In § 27 Abs. 1 StGB wird diese Abhängigkeit von einer fremden Tat folgendermaßen ausgedrückt: „Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat“. In der Struktur der Organisationsdelikte mangelt es jedoch an einem – mit dem Haupttäter vergleichbaren – Dritten, der einen von den Rechtsangriffen anderer vollständig unabhängigen Rechtsgutsangriff unternimmt. Das folgt zum einen aus dem bereits oben genannten Argument, dass sich die Kumulation mehrerer Rechtsgutsangriffe bei keinem an der Organisation Beteiligten verorten lässt. Zum anderen könnte man zwar sagen, das rechtsgutsrelevante Kollektivgeschehen werde in der Organisation selbst verkörpert, doch stellt diese kein rechtliches Zurechnungssubjekt dar104.
101
BGHSt 39, 236, 238; Küper, GA 1997, 301, 311 f. Welzel, ZStW 58 (1939), 491, 549. 103 Andererseits aber führt der Umstand, dass das Beteiligen anderer im Rahmen des organisationsbezogenen Verhaltens zu den objektiven Umständen des Rechtsgutsangriffs gehört, die Organisationsdelikte auf ein Einheitstäterprinzip zurück, vgl. Rotsch, „Einheitstäterschaft“ statt Tatherrschaft, S. 206, 222. 104 Teilnehmerartig erscheint die organisationsbezogene Beteiligung also dann, wenn man den sozialen Sinn des durch die Organisationsdelikte erfassten Geschehens so auf102
B. Strukturen der partizipatorischen Zurechnung
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Während das Beteiligungssystem des Allgemeinen Teils des StGB einen Mechanismus bildet, um dem Beteiligten Unrecht als eigenes oder fremdes zuzurechnen, lässt sich bei den Organisationsdelikten das kollektive Verhalten weder als eigenes noch als fremdes Unrecht zuordnen. Aus der kollektiven Struktur des Zurechnungsgegenstands folgt vielmehr, dass er als kollektives Unrecht zugerechnet wird.
fasst, dass die Organisation das kollektive Handeln verkörpert, d. h., dass sie zu einem Quasitäter überhöht wird.
Zweites Kapitel
Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte Die Organisationsdelikte haben nicht nur ein unspezifisches Beteiligen an einer Vereinigung zum Gegenstand, sondern weisen ein differenziertes System von Beteiligungsrollen auf. Damit unterteilt sich auch die partizipatorische Zurechnung in spezifische Zurechnungsformen, die in Abhängigkeit von der Ausgestaltung der Organisationsbezogenheit als Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Beteiligungsverhalten und der Organisation variieren. Typisch105 für Organisationsdelikte ist eine Untergliederung der Beteiligungsrollen in:
105 Während die Organisationsrollen der §§ 84, 85 und 129, 129a StGB Grundstrukturen der Beteiligungsverhalten vorzeichnen, finden sich vergleichbare Tatbestandsmerkmale auch bei anderen Delikten, die sich ebenfalls partiell als Organisationsdelikte begreifen lassen. Hierzu gehört vor allem das tatbestandsmäßige Verhalten des § 127 StGB, das sich in das Bilden, Befehligen, Anschließen und Versorgen mit Waffen oder Geld sowie das sonstige Unterstützen einer bewaffneten Gruppe auffächert und damit das typische Schema von Gründen, Beteiligen als Mitglied oder Rädelsführer und das Unterstützen in anderer Terminologie widerspiegelt; zur Kritik an diesen Tatbestandsmerkmalen s. Lenckner, in: GS-Keller, S. 151, 161 f. Ferner ist in dieser Reihe das Zuwiderhandeln gegen ein Betätigungsverbot gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG zu platzieren, das, ohne zwischen Beteiligungsrollen zu differenzieren, nach allgemeiner Auffassung ein solches Verhalten darstellt, das geeignet sei, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung zu erzielen (m.w. N. MK/Heinrich, § 20 VereinsG Rn. 81). Zu nennen wäre auch § 109f Abs. 1 Nr. 3 StGB, wo die Tatbestandsmerkmale des Anwerbens und Unterstützens erscheinen. Schließlich ist in § 89b StGB unter Strafe gestellt, Beziehungen zu einer staatsgefährdenden Vereinigung aufzunehmen oder zu unterhalten. Im letzteren Fall der Kontaktaufnahme wird allerdings an anderer Stelle die Organisationsbezogenheit des Verhaltens zu verneinen sein (s. dazu S. 112 f.). Die Frage nach der Organisationsbezogenheit der Beteiligung stellt sich darüber hinaus auch für Tatbestände des § 127 StGB, des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG und des § 109f Abs. 1 Nr. 3 StGB. Denn es wird zum einen die Erfassung einer spontan gebildeten bewaffneten Gruppe ohne jede Organisationsstruktur problematisiert (Lenckner, in: GS-Keller, S. 151, 156 ff.; s. dazu S. 161 ff.). Zum anderen wird § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG als ein Ungehorsamsdelikt von den Organisationsdelikten distanziert (MK/Heinrich, § 20 VereinsG Rn. 89), wenn auch der BGH mit dieser Klassifikation nur eine konkurrenzrechtliche Unterscheidung ausdrückt (BGHSt 43, 312, 314 ff.; s. dazu S. 77); dagegen kann auch das Zuwiderhandeln als ein organisationsbezogenes Verhalten begriffen werden, sofern die im Folgenden zu entwickelnden Kriterien hierfür im Einzelfall zutreffen (s. unten S. 80 ff.). Bei § 109f StGB ist es die Anknüpfung an das Betreiben eines sicherheitsgefährdenden Nachrichtendienstes, durch die man zu einer organisationsdeliktsnahen Auslegung verleitet sein kann (s. dazu unten S. 89).
2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
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– das Gründen (§§ 129 Abs. 1, 129a Abs. 1, 2 StGB), – das sich als Mitglied Beteiligen (§§ 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 129 Abs. 1, 129a Abs. 1, 2 StGB), – das Aufrechterhalten des organisatorischen Zusammenhalts durch einen Rädelsführer oder Hintermann (§§ 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 StGB) bzw. das Beteiligen als Rädelsführer oder Hintermann (§§ 129 Abs. 4, 129a Abs. 4 StGB), – das Unterstützen des organisatorischen Zusammenhalts (§§ 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 StGB) bzw. der Vereinigung (§§ 129 Abs. 1, 129a Abs. 5 Satz 1 StGB), – das Werben106 um Mitglieder oder Unterstützer (§§ 129 Abs. 1, 129a Abs. 5 Satz 2 StGB). Damit ist bei den Organisationsdelikten offenbar ein besonderes Beteiligungssystem geschaffen, das neben dem Beteiligungssystem des Allgemeinen Teils steht. Dieses Sondersystem mit eigenständiger Binnenstruktur der Beteiligung wird in den Mittelpunkt der folgenden Analyse zu stellen sein, um über die Umschreibung einzelner Beteiligungsrollen hinaus ihre Systematisierung zu versuchen. Den Relationen zu den vergleichbaren Beteiligungsformen des Allgemeinen Teils kommt dabei eine Hilfsfunktion zu. Die Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte werden in ein hierarchisches Schema eingepasst, in ein Innen- und Außenverhältnis gestellt und auch zeitlich nach der Genese der Organisation strukturiert. Solche Differenzierungen dürfen allerdings vor dem Hintergrund der partizipatorischen Zurechnung, die in dem vorstehend dargelegten Sinne individuelle Verantwortung für kollektives Verhalten bedeutet, nicht als streng polare verstanden werden, sondern können ineinander übergehen. Das Gründen kann sich mit der Zeit zum Beteiligen als Mitglied entwickeln. Das Werben, das erfolgreich ist, weil es zum Gewinn von Mitgliedern oder Unterstützern führt, wird zum Unterstützen. Das Beteiligen als Rädelsführer setzt die Mitgliedschaft des Täters in einer Vereinigung voraus. Die Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte sind also nicht als unüberwindbare Gegensätze konstruiert. Die Frage, die sich vor dem Hintergrund dieser vielfachen Untergliederung stellt, ist, wodurch die organisationsbezogenen Beteiligungsrollen als Sonderbeteiligungssystem zusammengehalten werden; d. h., wie sich dieses System einheitlich nach außen abgrenzt. Für Luhmann leisten diese Abgrenzung in seiner Arbeit „Organisation und Entscheidung“ die Entscheidungsprämissen von Organisationen. Organisationen, die er als autopoietische Systeme begreift, bestehen als Kommunikation von Entscheidungen107. Welche Entscheidungen als Ent106 Vgl. auch den Tatbestand des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen gem. § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB; dazu S. 101 f. 107 Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 39 ff., 63, 66 ff. Die Paradoxie des Entscheidens bzw. der Kommunikation von Entscheidungen und die Auflösung der Pa-
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
scheidungen des Systems zählen und welche nicht, lässt Luhmann die Organisationen durch die Festlegung von Entscheidungsprämissen bestimmen108. Es handelt sich bei Entscheidungsprämissen um solche Entscheidungen, die zukünftige weitere Entscheidungen beeinflussen, insofern sie Entscheidungsprogramme wie Zwecksetzungen vorgeben, Personalentscheidungen treffen oder Kommunikationswege festlegen109. Bei strafrechtlich relevanten Vereinigungen tritt als Entscheidungsprämisse insbesondere ihr Zweckprogramm (vgl. Art. 9 Abs. 2 GG) hervor. Dies ermöglicht solches Verhalten zur Organisation zu zählen, das sie durch ihre Zwecksetzung beeinflusst findet. Die Reichweite der Organisation bestimmt sich somit danach, inwieweit ihre Möglichkeit reicht, das Verhalten der an ihr Beteiligten zu determinieren. Die Fremddetermination bedeutet an dieser Stelle: Obwohl die Entscheidung über das Beteiligen an einer Vereinigung im strafrechtlichen Sinne autonom getroffen wird, findet sie in einer Organisationsrolle statt.
A. Das Beteiligen als Mitglied Das Beteiligen an einer Vereinigung als Mitglied bildet nicht nur eine fast bei allen Organisationsdelikten vorhandene Organisationsrolle, sondern gibt Anlass, bestimmten Fragen nachzugehen, die zwar erst im Zusammenhang mit dieser Rolle entstehen, jedoch auch die Grundstrukturen der Organisationsdelikte festlegen. Es wird im Folgenden der Begriff der Mitgliedschaft gegenüber der Beteiligung an einer konkreten Tat in einer allgemeinen Beteiligungsform abzugrenzen sein, um dabei die Organisationsdelikte von der Beteiligung nach allgemeinen Regeln zu unterscheiden. Während die Binnenstruktur der Organisationsdelikte, wie noch zu zeigen sein wird, ein Sondersystem der Beteiligung darstellt, wird die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen den einzelnen mitgliedschaftlich Beteiligten einerseits und andererseits zwischen mehreren Beteiligungsakten eines Mitglieds gestaltet, aus der Sicht der allgemeinen Beteiligungs- und Konkurrenzregeln zu beantworten sein. I. Begriffsmerkmale der mitgliedschaftlichen Beteiligung Im Rahmen der Beratungen des ersten Republikschutzgesetzes von 1922 wurde der Vorschlag gemacht, eine Vorschrift einzuführen, durch die die Strafbarkeit der Teilnahme an republikfeindlichen Vereinigungen auf solche Teilnehmer beschränkt werden sollte, die zur Zeit der Begehung einer Tat ihr angehörradoxien insbesondere in der Zeit, die im Zentrum von Luhmanns Theorie stehen, gewinnen für die Zwecke der vorliegenden Arbeit keine Bedeutung. 108 Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 238 f. 109 Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 222 ff., 225.
A. Das Beteiligen als Mitglied
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ten. Wenn Radbruch als Reichsjustizminister hiergegen die Befürchtung einwandte, dass nach der Phase gemeinsamer Vorbereitung alle Mitglieder schleunigst aus der Vereinigung austräten, sobald die geplante Mordtat unmittelbar bevorstehe110, scheint in dieser Argumentation die Vorstellung eines Mitgliedschaftsbegriffs zum Ausdruck zu kommen, der eine förmliche Zugehörigkeit bezeichnet. Bereits in der frühen Rechtsprechung des Reichsgerichts wurde demgegenüber die Mitgliedschaft bewusst in Abkehr von formellen Elementen definiert. Als Resultat der Diskussion über die Förmlichkeit des Mitgliedschaftsbegriffs ist daher die Definition des Reichsgerichts anzusehen, nach der ausreichend sei, dass die Mitglieder „während der Dauer ihrer Mitgliedschaft dem irgendwie zum Ausdrucke gebrachten Willen der Gesamtheit untergeordnet seien“ 111. Diese Begriffsbestimmung hat sich in der Folge durchgesetzt und bildet auch im heutigen Strafrecht den Begriff der Mitgliedschaft an einer Vereinigung ab. Es handelt sich dabei um folgende wesentliche Merkmale des Beteiligens an einer Vereinigung als Mitglied: die Eingliederung in Organisation, die Willensübereinstimmung mit der Vereinigung, eine auf Dauer ausgerichtete Teilnahme am Verbandsleben sowie eine aktive Förderhandlung von innen112. In diesen Merkmalen erschöpft sich die Umschreibung der Mitgliedschaft an einer Vereinigung. Mit ihnen wird zwar eine Grenzziehung gegenüber anderen Organisationsrollen versucht, jedoch lässt sich das entsprechende Abgrenzungspotenzial erst im Zusammenhang mit den einzelnen Rollen zeigen. Im Folgenden ist dagegen dem strafrechtlichen Mitgliedschaftsbegriff nachzugehen. Diese Betrachtung führt über die einzelnen Merkmale der mitgliedschaftlichen Beteiligung hinaus und ermöglicht, die Mitgliedschaft innerhalb der Strukturen der Organisationsdelikte einzuordnen. II. Strafrechtliche Mitgliedschaftsbegriffe Phänomenologisch betrachtet kann die Mitgliedschaft im Strafrecht in zweierlei Hinsicht relevant sein. Einerseits wird das Beteiligen als Mitglied an bestimmten Vereinigungen bestraft. Andererseits gehört zum Begriff der bandenmäßigen Begehung das Beteiligen an Straftaten als Mitglied einer Bande. Darin spiegelt sich zunächst die für die Organisationsdelikte typische Differenzierung hinsichtlich des Bezugspunktes; so ist das Beteiligen an einer Vereinigung als Mitglied organisationsbezogen, während die Mitgliedschaft in einer Bande erst tatbezogen, d. h. beim Begehen von Straftaten, strafrechtliche Bedeutung erlangt. Lediglich bei der Geldwäsche findet sich in § 261 Abs. 1 Nr. 5 StGB eine Konstella110 Beratung des Gesetzentwurfs zum Schutze der Republik R 101/32215, Reichstag, 22. Ausschuss, Protokoll der 54. Sitzung des Rechtsausschusses vom 7. Juli 1922 (unveröffentlicht, zit. nach Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 157). 111 RGSt 17, 193, 194. 112 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 104 ff.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
tion, die die Begehung von bestimmten Vortaten durch das Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung tatbezogen erfasst. 1. Mitgliedschaftliche Beteiligung als Konvergenzdelikt Im Folgenden wird jedoch zunächst die Grenze nicht zwischen der Beteiligung als Mitglied an einer Vereinigung und der Begehung einer Straftat als Mitglied einer Bande bzw. einer Vereinigung zu ziehen sein. Vielmehr wird der Begriff der Mitgliedschaft gegenüber der Beteiligung an einer konkreten Tat in einer bestimmten allgemeinen Beteiligungsform abzugrenzen sein. Denn die letztere Differenzierung weist auf eine Gemeinsamkeit der Organisationsdelikte und der Tatbestände mit dem Merkmal der bandenmäßigen Begehung hin, indem diese aufgrund ihres Mitgliedschaftsbegriffs als Sondersystem mit eigenständiger Binnenstruktur der Beteiligung (Konvergenzdelikte) erscheinen und dem allgemeinen Beteiligungssystem gem. §§ 25 ff. StGB gegenübergestellt sind113. a) Die Tatbestände mit dem Merkmal der bandenmäßigen Begehung werfen die Frage auf, ob eine bestimmte Beteiligungsform gefordert ist, damit das strafschärfende Merkmal der Bandenmitgliedschaft relevant wird. Das hängt damit zusammen, dass bei der bandenmäßigen Begehung zwei Elemente zusammentreffen: Erst das Begehen eines konkreten Bandendeliktes veranlasst, wie in Fällen der §§ 244a, 260a, 263 StGB usw., dass die Mitgliedschaft in einer Bande eine strafrechtliche Bedeutung bekommt. Über die Beteiligungsform, in der das konkrete Bandendelikt selbst begangen wird, ist tatbezogen nach den allgemeinen Regeln der Beteiligung zu entscheiden. Mit anderen Worten gehört das Beteiligen an einer konkreten Bandentat zu dem Beteiligungssystem des Allgemeinen Teils des StGB. Zum Begriff der bandenmäßigen Begehung gehört jedoch nicht lediglich die Begehung eines konkreten Bandendelikts, sondern auch – durch die Bandenmäßigkeit – ein Zusammenschluss mehrerer, der auf die fortgesetzte Begehung einer Mehrzahl von im Einzelnen noch ungewissen Taten gerichtet ist114. Hierin weist die bandenmäßige Begehung über das konkrete Bandendelikt hinaus und stuft die Bandenmitgliedschaft als eine Beteiligung an einem Zusammenschluss mehrerer ein. Es lässt sich also zwischen der Beteiligung an der konkreten Tat, die als Bandendelikt geahndet wird, und der Mitgliedschaft in der Bande unterscheiden. Im Hinblick auf die Ausgangsfrage, ob auch derjenige ein Mitglied der Bande sein könnte, der von vornherein und stets nur als Gehilfe mitwirken wollte, nimmt der BGH genau diese Differenzierung vor, indem er begrifflich zwischen der Mit113
Vgl. dazu Küper, GA 1997, 301. M.w. M. MK/Schmitz, § 244 Rn. 35 ff.; MK/Sander, § 250 Rn. 54; Dessecker, NStZ 2009, 184, 184 ff. 114
A. Das Beteiligen als Mitglied
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gliedschaft in der Bande einerseits und der bandenmäßigen Begehung des Bandendelikts andererseits trennt115. Die Mitgliedschaft bestimme sich hier allein nach der die Bande konstituierenden Vereinbarung, der Bandenabrede116. Den Beteiligungsvorschriften gem. §§ 25 ff. StGB sei dagegen kein Maßstab für die Mitgliedschaft zu entnehmen; die Mitgliedschaft in einer Bande sei keine intensivere Form der Mittäterschaft, sie sei vielmehr ein aliud im Verhältnis zu dieser117. b) Auch Küper legt seiner Analyse diese Unterscheidung zugrunde. Er bezeichnet diese zwei Komplexe der bandenmäßigen Begehung als konkret-konvergente Tatbegehung (konkrete Gefahr) und allgemeine (abstrakte, latente) Gefährlichkeit der Bandenverbindung118. Sein Ansatz beruht auf der Ansicht, dass bei Konvergenzdelikten, also Tatbeständen, bei denen auf Täterseite der tatbestandsmäßige Rechtsgutsangriff durch eine Personenmehrheit erfolgt, ein Sondersystem mit eigenständiger Binnenstruktur der Beteiligung entsteht119. Für die Auslegung der Konvergenzmerkmale, wie „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) oder „als Mitglied einer Bande, [. . .] unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“ (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB), seien die Begrifflichkeiten der §§ 25 ff. StGB nicht präjudiziell; entscheidend sei vielmehr, ob die Konvergenzgefährlichkeit, die den tatbestandsmäßigen Rechtsgutsangriff kennzeichnet, eine bestimmte Form der Mitwirkung erfordere120. Küper macht zugleich darauf aufmerksam, dass bei der bandenmäßigen Begehung die Ratio der Konvergenzgefährlichkeit uneindeutig sei. Diese könnte sich sowohl aus der Manifestation der Bandenabrede in der deliktischen Situation als auch aus der erhöhten Effizienz durch horizontal arbeitsteiliges Zusammenwirken am Tatort ergeben; im ersten Fall müsste für die Konvergenzgefährlichkeit jede Mitwirkung – Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe – ausreichen, im zweiten Fall lägen dagegen Einschränkungen nahe121. Wenn der BGH sich der Ansicht anschließt, dass als Mitglied einer Bande auch derjenige anzusehen sei, der nach der Bandenabrede nur die Gehilfentätigkeiten ausübt, so hängt dies also damit zusammen, dass er den Strafgrund der bandenmäßigen Begehung in einer erhöhten „abstrakten Gefährlichkeit“ sieht, die darin liege, dass die Bandenabrede als eine enge Bindung auf gewisse Dauer einen ständigen Anreiz zur Fortsetzung der kriminellen Tätigkeit schaffe122. 115
BGHSt 47, 214, 216. BGHSt 47, 214, 216. 117 BGHSt 47, 214, 218. 118 Küper, GA 1997, 301, 329; vgl. auch ders., Strafrecht Besonderer Teil: Definitionen mit Erläuterungen, Stichwort „bandenmäßige Begehung“. 119 Küper, GA 1997, 301, 309 f., 311 f. und 319. 120 Küper, GA 1997, 301, 310, 311 ff. 121 Küper, GA 1997, 301, 329 f. 122 BGHSt 47, 214, 216 f. 116
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
Wenn bei Konvergenzdelikten der Rechtsgutsangriff durch ein bestimmtes Beteiligen mehrerer geprägt ist, sodass die mitgliedschaftliche Beteiligung hier von der Position des geschützten Rechtsguts her zu begreifen ist, gilt dies sowohl für die bandenmäßige Begehung als auch für die Organisationsdelikte. Das Gemeinsame der Mitgliedschaften bei der bandenmäßigen Begehung und bei den Organisationsdelikten verdeutlicht sich, wenn man sie der Mitgliedschaft an einer Mittätergemeinschaft gegenüberstellt. Als Teil der allgemeinen Beteiligungsnormen sind durch letztere lediglich Verantwortungsbereiche festgelegt: c) Die Differenzierung zwischen der Beteiligung an einer konkreten Tat und der Mitgliedschaft an einem deliktischen Zusammenschluss mehrerer ließe sich hypothetisch auch für die Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB vornehmen. Die Mittäterschaft selbst bedeutet zwar eine der Beteiligungsformen an einer konkreten Tat und gehört somit zum allgemeinen Beteiligungssystem, sie beruht jedoch auf einem Zusammenschluss mehrerer, sodass der einzelne Mittäter auch an dem gemeinsamen Tatplan beteiligt ist. Insofern könnte man hier von einer Mitgliedschaft an einer Mittätergemeinschaft sprechen und diese strukturell mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer Bande vergleichen. Die Mitgliedschaft an der Mittätergemeinschaft entfaltet jedoch keine eigenständige Rechtsgutsrelevanz; d. h., von der Position des Rechtsguts aus gesehen ist mit dem mittäterschaftlichen Rechtsgutsangriff, wie bereits dargelegt, im Verhältnis zu dem des Einzeltäters keine andere Qualität verbunden123. Während bei der Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB die Mitgliedschaft an dem konstitutiven Zusammenschluss somit keine eigenständige Bedeutung hat, wird an die Beteiligung an dem Zusammenschluss mehrerer bei der Vorbereitung gem. § 30 Abs. 2 StGB wieder angeknüpft. Inwiefern hier das Beteiligen mehrerer Rechtsgutsrelevanz hat, hängt aber von der Frage ab, wie man die Vorschrift einordnet. Wird die Verabredung als eine strafwürdige Willensbildung der Beteiligten eingestuft, mit der eine Rechtsgutsgefährdung bereits im Vorfeld auf der Skala einer deliktischen Entwicklung erfasst wird124, ist auch hier mit der Beteiligung mehrerer nicht eine Modifikation des tatbestandlichen Rechtsgutsangriffs verbunden. Vielmehr erscheint in der Verabredung ein Gefahrenpotenzial vorzuliegen, das den vorverlagerten Einsatz des Strafrechts rechtfertigt. Nur wenn man diese Vorschrift in die Nähe eines eigenständigen Tatbestands rückt125, würde die Verbrechensverabredung gem. § 30 Abs. 2 StGB zu einem Konvergenzdelikt.
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Dazu oben S. 29 f. Vgl. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 28 Rn. 5, 43 ff. 125 Zur Einordnung der strafbaren Vorbereitung als ein selbstständiger Tatbestand s. im historischen Kontext LK/Schünemann, § 30 Rn. 1. 124
A. Das Beteiligen als Mitglied
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2. Mitgliedschaft in einer strafrechtsrelevanten Organisation Bis hierher konnte das organisationsbezogene Beteiligen in Übereinstimmung mit der Bandenmitgliedschaft als Sondersystem mit eigenständiger Binnenstruktur der Beteiligung dargestellt und gegenüber dem Beteiligungssystem des Allgemeinen Teils abgegrenzt werden. Eine weitere Perspektive eröffnet sich mit dem Wiederaufgreifen der Differenz von Tat- und Organisationsbezogenheit. Hierdurch kommt im Folgenden die Mitgliedschaft im Rahmen der Beteiligung an einer Organisation erneut in den Blick. a) Die Organisationsdelikte zeichnen sich dadurch aus, dass das rechtsgutsrelevante Zusammenwirken nicht – wie bei der bandenmäßigen Begehung – lediglich im Rahmen eines anderen Delikts eingegliedert ist. Hierzu kann an bisherige Ergebnisse angeknüpft werden: Bei Organisationsdelikten ist die mitgliedschaftliche Beteiligung von den Bezugstaten abgelöst und erschöpft sich in einem organisationsbezogenen Verhalten. Die Ausklammerung der Bezugstaten derart, dass sie lediglich ein Teil der objektiven Umstände der Organisation werden, unter denen das organisationsbezogene Verhalten konkretisiert ist, etwa indem sie in Form von Katalogtaten gem. § 129a Abs. 1, 2 StGB der Konkretisierung des Begriffs der terroristischen Vereinigung dienen, führt bei den Organisationsdelikten zur Aufhebung des formalen Verhältnisses zwischen dem Allgemeinen und Besonderen Teil. D. h., anders als etwa bei der Verbrechensverabredung gem. § 30 Abs. 2 StGB brauchen die Bezugstaten nicht als Bestandteil des Unrechtsverhaltens der Vorbereitungshandlung antizipiert sein.126 Wenn man die Organisationsdelikte der §§ 129, 129a StGB – zu Zwecken der Legitimation127 – als Vorbereitungshandlungen begreift, kehrt dagegen die Tatbezogenheit in sie teilweise zurück. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass Rudolphi zunächst vertrat, dass auch das mitgliedschaftliche Beteiligen an einer Vereinigung eine Mitwirkung an vereinigungsspezifischen Straftaten erfordert128. In späteren Auflagen des Systematischen Kommentars erfuhr die Vorbereitungstheorie in diesem Punkt allerdings wieder eine Einschränkung: „Das Gesetz verlangt seinem Wortlaut nach nur eine Beteiligung an einer Vereinigung, nicht auch solche an deren – nach der gesetzlichen Begriffsverwendung davon zu unterscheidenden – Straftaten“ 129. Interessant ist, dass man sich dem Vorbereitungscharakter von kriminellen Zusammenschlüssen, wie sie Rudolphi im Blick hatte, auch aus der entgegengesetz126
Vgl. oben S. 21. Dazu näher unten S. 170 f. 128 SK6 /Rudolphi, § 129 Rn. 16; im Anschluss an Rudolphi auch Lampe, ZStW 106 (1994), 683, 726. 129 SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 16b. 127
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
ten Richtung nähern kann. Es handelt sich dabei um eine Annäherung an die Organisationsdelikte von der bandenmäßigen Begehung her. Dabei wird die im Bestehen der Bande verortete Dauergefahr von der Ausführung eines Bandendelikts insofern verselbstständigt, als sie in einem systematischen Zusammenhang zum Tatbestand des § 129 StGB begriffen wird. Entgegen einem herkömmlichen Bandenbegriff, nach dem eine Bande eine enge Bindung bzw. eine auf gewisse Dauer angelegte Verbindung mehrerer Personen sei, ohne eine Organisationsstruktur aufzuweisen, argumentiert Schild, die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Bande sei im Vorbereitungsstadium zu den Bandendelikten nach § 129 StGB zu bestrafen130. Entsprechend sieht Altenhain in § 129 StGB, dem er eine Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes in das Vorbereitungsstadium zumisst, den Grundtatbestand der Bandendelikte, um einen Anknüpfungspunkt für die Gefahr künftiger Straftaten zu gewinnen131. b) Die polare Struktur des Bandendelikts, die sich aus kriminellem Zusammenschluss und Tatausführung zusammensetzt, spiegelt sich schließlich auch im Mitgliedschaftsbegriff selbst. Denn in Abhängigkeit davon, wie die Gefährlichkeit der bandenmäßigen Begehung begründet wird, lässt sich auch die Einordnung der Bandenmitgliedschaft als ein besonderes persönliches Merkmal i. S. v. § 28 Abs. 2 StGB beurteilen132. Wenn man die besondere Gefährlichkeit der bandenmäßigen Begehung – wie etwa Schild – darin sieht, dass sie mit der Beteiligung an der Bande über die konkrete Tatsituation hinaus reicht, liegt es nahe, die Mitgliedschaft zu einem besonderen persönlichen Merkmal zu erklären133. Wenn man dagegen eine erhöhte Gefährlichkeit der bandenmäßigen Begehung in der Situation des Bandendelikts hervorhebt, spricht dies dafür, die Bandenmitgliedschaft tatbezogen zu begreifen134. Diese Gefährdungsmomente kann man auch bei den Organisationsdelikten wiederfinden. Zwar steht hier die Beteiligung an der Organisation im Vordergrund. Jedoch legt die Vorbereitungstheorie, die mit Rudolphi die Gefährlichkeit der Beteiligung aus gruppendynamischen Prozessen ableitet, nahe, dass die Beteiligung an der Organisation eine tatbezogene, keine persönliche, Stellung kennzeichnet. Denn die Gefährlichkeit einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung ergibt sich hier vor allem daraus, dass „diese Vereinigungen in der Regel eine auf die Begehung der beabsichtigten Straftaten hindrängende Eigendynamik entfalten“ 135. 130 Schild, NStZ 1983, 69, 70. Vgl. auch ders., GA 1982, 55, 76 ff., wo Schild zunächst allerdings den Bandenwillen als Willen des Bandenmitglieds, zukünftige Straftaten zu begehen, zum Anknüpfungspunkt für einen Vergleich mit §§ 30 Abs. 2, 129 StGB macht. 131 Altenhain, ZStW 113 (2001), 112, 140 ff. 132 Zur Darstellung des Streits s. m.w. N. Toepel, ZStW 115 (2003), 60, 82 ff. 133 Schild, GA 1982, 55, 83; ebenso BGHSt 47, 214, 216 f.; zu w. N. s. Toepel, ZStW 115 (2003), 60, 83. 134 M.w. N. Sch/Sch/Eser/Bosch, § 244 Rn. 28.
A. Das Beteiligen als Mitglied
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Vor dem Hintergrund der Organisationsbezogenheit der Beteiligung erweist sich die Einordnung der Mitgliedschaft in einer Vereinigung als besonderes persönliches Merkmal gem. § 28 Abs. 1 StGB differenzierter: Zunächst ist zu erkennen, dass die Mitgliedschaft in einer Bande allein die Zugehörigkeit zu ihr bezeichnet, nicht jedoch eine bestimmte Stellung innerhalb der Bande; d. h., es ist mit dem Merkmal der Bandenmitgliedschaft lediglich die Außengrenze des Zusammenschlusses beschrieben. Auch bei den Organisationsdelikten bestimmt sich die organisationsbezogene Beteiligung nach dem Prinzip von Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit136. Sie weisen jedoch die Besonderheit auf, die Beteiligung in ein differenziertes System von Beteiligungsrollen zu untergliedern, sodass die mitgliedschaftliche Beteiligung innerhalb dieser Binnenstruktur nur eine der Organisationsrollen darstellt. Unter den Organisationsrollen ist die Mitgliedschaft durch zwei Momente hervorgehoben; und zwar einerseits dadurch, dass sie für das Bestehen einer Organisation, die das Beteiligen von mindestens drei Mitgliedern begrifflich voraussetzt, notwendig ist und nicht fakultativ bestehen kann, wie die Rolle des Rädelsführers oder Unterstützers. Andererseits entfaltet das Beteiligen als Mitglied seine soziale Relevanz darin, dass das Verhalten der Mitglieder auch als Verhalten der Organisation erscheint. Wenn bei der bandenmäßigen Begehung umstritten ist, ob die Mitgliedschaft als ein besonderes persönliches Merkmal i. S. v. § 28 Abs. 2 StGB einzuordnen ist, führt diese Problematik angesichts der Struktur der Organisationsdelikte zu einer doppelten Fragestellung. Erstens ist zu fragen, ob die Zugehörigkeit zur Organisation eine Eigenschaft, ein Verhältnis oder ein Umstand i. S. d. §§ 14 Abs. 1, 28 Abs. 1 StGB ist. Zweitens stellt sich dieselbe Frage hinsichtlich jeder Organisationsrolle für sich genommen. Die auf diese Fragen gebrachte Differenzierung bedürfte zu ihrer vollen Entfaltung einer weiteren Konkretisierung des Begriffs des besonderen persönlichen Merkmals gem. § 28 StGB137. Dennoch lassen sich an dieser Stelle wenigstens einige Aspekte nennen, die Aufmerksamkeit vor allem vor dem Hintergrund einer expliziten Anwendung auf Organisationsdelikte verdienen. Gedanklicher Ausgangspunkt muss sein, dass alle zu der Organisation gehörigen Rollen eine bestimmte Stellung innerhalb des Verbandes bezeichnen. Insofern sind sie nicht als höchstpersönliche Merkmale unmittelbar mit der Person des Täters verbun-
135 Rudolphi, in: FS-Bruns, S. 315, 317. Gleichwohl wird versucht, die sich in der Vereinigung entwickelnden gruppendynamischen Prozesse dadurch zu personalisieren, dass bei den Beteiligten individuelle Hemmungsfaktoren abgebaut und zusätzliche Motive zur Begehung von Straftaten gesetzt werden (Rudolphi, in: FS-Bruns, S. 315, 317). 136 Dazu näher unten S. 80 ff. 137 Zum Meinungsstand vgl. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 27 Rn. 23 ff.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
den.138 Dies allein stände allerdings der Annahme eines besonderen persönlichen Merkmals nicht entgegen. Vielmehr weisen gerade solche Merkmale, die überwiegend der Regelung des § 28 StGB unterstellt werden, den Charakter auf, bestimmte Kompetenzen in einem rechtlich-sozialen Verhältnis zu bezeichnen; etwa die Amtsträgereigenschaft oder die Stellung des Täters bei der Untreue139. Andererseits unterscheidet sich die Organisationsrolle von solchen qualifizierten Pflichtenstellungen. Kindhäuser weist darauf hin, dass mit diesen Rollen einer rechtswidrigen Organisation kein personales Unrecht, sondern lediglich ein besonders gefährliches Verhalten gekennzeichnet ist140. III. Notwendige Teilnahme und ihre Form bei den Organisationsdelikten Im Gegensatz zur Abgrenzung der Beteiligung als Mitglied von anderen Organisationsrollen, die die Binnenstruktur der organisationsbezogenen Beteiligung betrifft, wird im Folgenden zu zeigen sein, dass die Frage, wie sich bei den Organisationsdelikten das Verhältnis zwischen den einzelnen gleichgeordneten Beteiligten gestaltet, aus der Sicht der allgemeinen Beteiligungsregeln zu beantworten ist. Handelt es sich dabei um ein Verhältnis von Tätern, so ist noch offen, ob dieses rechtlich als Mittäterschaft oder Nebentäterschaft zu erfassen wäre. 1. Schütze bezeichnete in seiner Arbeit über „Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen“ die Beteiligung an einer Vereinigung als ein Mehrheitsvergehen, d. h. als ein Delikt, das begrifflich notwendig mehrere Beteiligte voraussetzt141. Freudenthal unterschied innerhalb der notwendigen Teilnahme Begegnungsdelikte von Konvergenzdelikten142. Als Konvergenzdelikte fasste er die Gruppe von 138 Dieses Merkmal der Mitgliedschaft innerhalb von Verbänden spiegelt sich in dem Streit um die Einordnung der Mitgliedschaft als subjektives Recht wieder (vgl. dazu Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 52 ff.). Nach Habersack weist die Mitgliedschaft eine Doppelnatur als Stellung und als Bündel von Rechten der Person auf, weil sie nicht nur subjektives Recht sei, sondern zuvörderst die Stellung als Partei des mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnisses bezeichne (Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 98). 139 Sch/Sch/Heine, § 28 Rn. 13; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 27 Rn. 55 ff. Demgegenüber ist die Einordnung persönlicher Pflichten als Merkmale i. S. v. § 28 StGB gerade umstritten und wird überwiegend, etwa bei §§ 142, 288 StGB, abgelehnt (Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 27 Rn. 59 f.; m.w. N. Lackner/Kühl, § 142 Rn. 39 bzw. § 288 Rn. 7). 140 LPK/Kindhäuser, § 129a Rn. 13. 141 Schütze, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 316 ff., 381 f. 142 Freudenthal, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 1, 122 ff.; vgl. allerdings bereits Schütze, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 218 ff. Zur Abgrenzung von Konvergenz- und Begehungsdelikten m.w. N. Sowada, Die „notwendige Teilnahme“ als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht, S. 15 ff. Sowada selbst ordnet dem notwendigen Teilnehmer bei Begegnungsdelikten, auf die sich seine Arbeit konzentriert, eine „funktionale Doppelrolle“ zu bzw. begreift ihn als „personales Tatobjekt“, während es bei Konvergenzdelikten um eine Mehrheit von auf Täterseite
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Straftaten, bei denen bereits der Tatbestand auf ein konvergierendes Handeln mehrerer zugeschnitten ist143, und stellte ebenfalls die Frage, ob das tatbestandsmäßige Verhalten der Konvergenzdelikte eine bestimmte Beteiligungsform erfordere144; mithin also dieselbe Frage, die bei der bandenmäßigen Begehung auch heute noch gestellt wird145. Der Gedankengang bei Freudenthal war ganz durch die tatbestandliche Formulierung „Theilnahme an einer Verbindung“ der §§ 128146, 129147 RStGB geprägt148. Da entsprechend der Terminologie des RStGB damit sowohl Mittäterschaft als auch Anstiftung und Beihilfe bezeichnet sein konnte, verneinte er die Notwendigkeit einer mittäterschaftlichen Beteiligung an der Verbindung149. Allerdings musste dann auch derjenige, der an der Verbindung gehilfen- oder anstifterartig „teilnimmt“, notwendig als Täter bestraft werden. Der vermeintliche Widerspruch löst sich allerdings im Hinblick auf die vorstehende Darstellung auf, denn die allgemeine Beteiligungsform ist von der Frage nach der Konvergenzbeteiligung zu unterscheiden. Allerdings ist dort, wo das Konvergenzmerkmal strafbegründend ist, mit der Bejahung der Konvergenzbeteiligung immer zugleich formell Täterschaft begründet150. 2. Demgemäß gestaltet sich das Verhältnis zwischen den an einer Organisation mitgliedschaftlich Beteiligten als eines von Tätern. Die Frage ist jedoch, in welchem Verhältnis diese Täterschaften zueinander stehen. Das ist die zweite Problematik, die sich bei Tatbeständen stellt, bei denen mehrere konvergent zusammenwirken müssen; sie ist von der vorstehend von Freudenthal aufgeworfenen zu trennen. Die Diskussion bewegte sich anfänglich im Spannungsverhältnis folgender Alternativen: Bereits Schütze hatte den Teilnehmern an verbotenen Vereinotwendig Beteiligten geht (Sowada, Die „notwendige Teilnahme“ als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht, S. 21 ff.). 143 Freudenthal, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 122 ff. 144 M.w. N. Freudenthal, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 125 ff. 145 Vgl. zur Verschiebung der Problematik bei der notwendigen Teilnahme S. 85. 146 § 128 Abs. 1 RStGB lautete: „Die Theilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll, oder in welcher gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, ist an den Mitgliedern mit Gefängniß bis zu sechs Monaten, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängniß von einem Monat bis zu einem Jahre zu bestrafen“. 147 § 129 Abs. 1 RStGB lautete: „Die Theilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften, ist an den Mitgliedern mit Gefängniß bis zu einem Jahre, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu bestrafen“. 148 Freudenthal, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 125 f. 149 Freudenthal, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 134. 150 Küper, GA 1997, 301, 331. Bei den Qualifikationen der §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB gewinnt dagegen die Frage nach der Beteiligung am konkreten Bandendelikt nach allgemeinen Regeln neben der Frage der Konvergenzgefährlichkeit selbstständige Bedeutung, vgl. oben S. 38 f.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
nigungen die Beteiligungsform der Mittäterschaft zugeordnet151. Binding entgegnete dieser Auffassung: „Mir scheint eine Summe von Einzeltäterschaften vorzuliegen“ 152. Beling bemühte sich demgegenüber, Einzeltäterschaft (Alleintäterschaft) und Mittäterschaft bei Konvergenzdelikten danach zu unterscheiden, ob für die Beteiligten die Konvergenzhandlungen einem gemeinsamen „besonderen formal ausgeprägten Typus“ entsprachen. Danach sei der Typus der Abtreibung begangen von der Schwangeren nicht mit dem Typus der Abtreibung durch einen Dritten nach Einwilligung der Schwangeren identisch; jede Tat sei hier eine alleintäterschaftliche. Anders sei die Lage bei einheitlichem Delikttypus, z. B. beim Ehebruch oder Aufruhr; hier wollte Beling die Beteiligung in Form der Mittäterschaft annehmen153. Während Beling nach der formalen Unterschiedlichkeit der tatbestandlichen Handlung entschied, differenzierte Katzenstein zwischen kumulierenden Einzeltäterschaften und Mittäterschaft danach, ob mehrere selbstständige oder ein gemeinsamer Rechtsgutsangriff gegeben waren154. Zugleich begann sich der Begriff der Nebentäterschaft als Alternative zur Mittäterschaft bei der Bezeichnung der mehrfachen Täterschaft bei fehlendem wechselseitigem Einverständnis durchzusetzen155, wenn auch die Begrifflichkeiten zu Anfang des 20. Jh. noch unklar waren und hier teilweise von einer „scheinbaren Mittäterschaft“ gesprochen wurde156. So heißt es auch bei Katzenstein: „Die scheinbare Mitthäterschaft ist also in Wirklichkeit nur eine Summe von Einzelthäterschaften“ 157. Murmann hat für das moderne Strafrecht die Nebentäterschaft dahin zusammengefasst, dass „zwei oder mehr Personen, ohne einander im Verhältnis der Mittäterschaft verbunden zu sein, je den Tatbestand eines Erfolgsdelikts täterschaftlich und vollendet verwirklichen, aber nur eine Rechtsgutsobjektsverletzung aufgrund des Zusammenwirkens der Beteiligten eingetreten ist“ 158. Mit anderen Worten liegt eine Nebentäterschaft nach Murmann dann vor, wenn das Beteiligen mehrerer lediglich durch den einheitlichen äußeren Erfolg verbunden ist, zu dem jeder unabhängig von dem Anderen eine Ursache gesetzt hat159. Auch 151
Schütze, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 324 f., 382. Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts Besonderer Teil 2/2, S. 909. 153 Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 396. 154 Katzenstein, ZStW 23 (1903), 163, 189. 155 Zur Entwicklung des Begriffs der Nebentäterschaft s. Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, S. 130 ff. 156 Vgl. Katzenstein, ZStW 23 (1903), 163, 198; Harburger auf der Landesversammlung der Landesgruppe Deutsches Reich, Dresden, 4. bis 7. Juni 1903, Mitteilungen der IKV, 11. Bd., S. 515. 157 Katzenstein, ZStW 23 (1903), 163, 198. 158 Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, S. 139. 159 Als Hauptproblem erweist sich in den diskutierten Fällen die – nach allgemeinen Regeln zu beantwortende – Frage, inwieweit Kausalität und (normative) Zurechnung 152
A. Das Beteiligen als Mitglied
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bei anderen Autoren konzentriert sich die Nebentäterschaft auf das Herbeiführen eines und desselben Erfolges einerseits und auf die fehlende Mittäterschaft, weil die Täter unabhängig voneinander bzw. nicht gemeinschaftlich handeln, andererseits160. Wendet man diesen (modernen) Begriff der Nebentäterschaft auf die Organisationsdelikte an, scheinen die an der Organisation als Mitglieder Beteiligten im Verhältnis der Mittäterschaft zueinander zu stehen. Denn ihre Handlungen sind nicht durch die äußere Zufälligkeit eines gemeinsamen Erfolges, sondern durch den Begriff der Vereinigung verbunden. Dieser Begriff von Nebentäterschaft, der negativ durch die fehlende Gemeinschaftlichkeit bestimmt ist, würde bei Delikten, die tatbestandlich durch das Zusammenwirken mehrerer definiert sind, allgemein keine Anwendung finden können; als Alternative käme regelmäßig nur eine Mittäterschaft in Betracht161. Eine Abgrenzung zwischen den Mit- und Nebentäterschaften könnte jedoch auch von der Struktur des Rechtsgutsangriffs her vorgenommen werden. Bereits an anderer Stelle konnte hierzu gezeigt werden, dass von der Position des Rechtsguts aus gesehen sich bei der Mittäterschaft mehrere an einem Rechtsgutsangriff beteiligen, während bei den Organisationsdelikten mehrere selbstständige Rechtsgutsangriffe kumulieren. Damit ließe sich an Katzenstein anknüpfen, der entsprechend nach der Anzahl der selbstständigen Rechtsgutsangriffe differenzierte162. Allerdings kann der Begriff der Nebentäterschaft nicht ganz auf ein verbindendes Element verzichten: „Das Vorliegen der Voraussetzungen der Täterschaft allein würde [. . .] sämtliche Täter zu Nebentätern machen“ 163. Entsprechend werden einzelne Täter nach Murmann und anderen Autoren zur Nebentäterschaft durch einen gemeinsamen äußeren Erfolg verbunden164. Dieses Kriterium ist allerdings vom Begriff der Erfolgsdelikte her gedacht165. Entscheidend ist aber, dass die geforderte Verbindung der Täterschaften nicht durch eine Verhaltens-
durch das parallele Wirken des anderen Nebentäters beeinflusst werden (s. etwa MK/ Joecks, § 25 Rn. 247; LK/Schünemann, § 25 Rn. 222, die insofern Kritik an der Bedeutung dieses Begriffes üben). 160 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 265; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 21. Abschn. Rn. 109. 161 So aber von Igel, Die Nebentäterschaft, S. 18 f.: „Es ist zu bemerken, daß in den Fällen, wo das Gesetz in einzelnen Tatbeständen an die gemeinschaftliche Begehung eine schwerere Strafe knüpft, bei Nebentäterschaft eine gemeinschaftliche Begehung im Sinne des Gesetzes nicht zu vertreten ist. [. . .] Auch hier zeigt sich die Relevanz der Mittäterschaft“. 162 Katzenstein, ZStW 23 (1903), 163, 189. 163 Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, S. 136. 164 Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, S. 137, 139; m.w. N. LK/Schünemann, § 25 Rn. 221; MK/Joecks, § 25 Rn. 246. 165 Murmann will die Nebentäterschaft bewusst auf Erfolgsdelikte beschränken (Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, S. 137).
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
komponente der Nebentäter, sondern durch einen verhaltensunabhängigen objektiven Umstand in einem Sachverhalt gegeben ist. Das trifft nicht nur auf den Erfolg bzw. eine Rechtsgutsobjektverletzung zu, sondern auch auf den Umstand, dass bei einem Konvergenzdelikt der Rechtsgutsangriff nur bei gleichgerichteten Handlungen anderer vorliegt. Entsprechend bildet die Vereinigung bei Organisationsdelikten einen solchen objektiven Umstand; zwei mitgliedschaftliche Beteiligungen sind hierdurch zu Nebentäterschaft verbunden, wenn sie sich auf dieselbe Organisation beziehen. 3. Abschließend ist auf Folgendes hinzuweisen: Alle Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte sind – ungeachtet ihrer Binnenstruktur – formell als Täterschaften konstruiert. Für ihr Verhältnis untereinander ergibt sich beteiligungssystematisch nach allgemeinen Regeln, dass sie Nebentäterschaften sind. Die Übertragung auf alle Beteiligungsrollen bei den Organisationsdelikten nutzt Rotsch, der die einzelnen Rollen – gemäß der Formulierung von § 129 Abs. 1 StGB – untereinander gleichstellt, um so sein einheitstäterschaftliches Modell zu entwickeln166. IV. Das rechtliche Verhältnis der Beteiligungsakte zueinander Wenn es schließlich darum geht, das Verhältnis mehrerer Beteiligungsakte ein und desselben Mitglieds rechtlich zu erfassen, geht es um ein nach allgemeinen Grundsätzen gestaltetes Konkurrenzverhältnis. Es wird im Folgenden sowohl auf die Verklammerung einzelner im Rahmen der Organisation begangener Straftaten durch die Mitgliedschaft als auch auf den Zusammenhang zwischen solchen Straftaten und der mitgliedschaftlichen Beteiligung selbst einzugehen sein. Durch dieses Konkurrenzverhältnis ist die Verselbstständigung der Organisationsdelikte gegenüber den Bezugstaten wieder aufgriffen. 1. Das Beteiligen an einer Vereinigung als Mitglied weist auf eine spezielle Struktur der Organisationsdelikte hin, sofern in der Rechtsprechung durch die Mitgliedschaft ganz verschiedenartige Verhaltensweisen gesetzlich zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasst werden167. Die Verhaltensweisen unterscheiden sich dabei nicht nur von einem Mitglied zu dem anderen, sondern dasselbe Mitglied kann sich hier, im Unterschied zu anderen Dauerstraftaten oder fortgesetzten Handlungen, in mehreren Einzelakten auf völlig unterschiedliche Art und Weise beteiligen. Zahlreiche Beispiele solcher Beteiligungshandlungen findet man im Motassadeq-Fall168. Stellen derartige mitgliedschaftliche Beteili166
Rotsch, „Einheitstäterschaft“ statt Tatherrschaft, S. 206, 222. Vgl. BGHSt 29, 288, 291; m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 189. 168 BGHSt 51, 144; OLG Hamburg 2 BJs 85/01-5 vom 5. Februar 2004 „Motassadeq-Fall“: Motassadeq hatte zuerst daran mitgewirkt, die Abwesenheit anderer Mitglieder der terroristischen Vereinigung Al Qaida während ihres Aufenthalts in Lagern der 167
A. Das Beteiligen als Mitglied
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gungsakte selbstständige Straftaten dar, die im Rahmen der Organisation begangen werden, lassen sich diese nach den hierzu entwickelten Regeln ggf. zu einer materiellrechtlichen Tat gem. § 52 StGB verklammern. 2. Diese besondere Struktur der Organisationsdelikte rechtfertigt für den BGH zugleich, eine materiellrechtliche Tateinheit zwischen dem mitgliedschaftlichen Beteiligen und einer realisierten Bezugstat nicht auf der Ebene der prozessualen Tateinheit fortwirken zu lassen. Der Leitentscheidung 169 in dieser Frage, die den Anschlag der RAF auf das US-Hauptquartier in Heidelberg betraf, lag folgender Sachverhalt zugrunde. Der von 1971 bis zur Festnahme im Juni 1972 der kriminellen Vereinigung RAF angehörende Angeklagte war bereits rechtskräftig wegen Beteiligung als Mitglied an der kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB verurteilt worden, als bekannt wurde, dass er auch an dem Anschlag auf das USHauptquartier in Heidelberg am 24. Mai 1972 mitgewirkt hatte, indem er in eines der Tatfahrzeuge die Sprengsätze einbaute. Bezüglich dieses Anschlags wurde er 1979 vom LG Heidelberg wegen Beihilfe zum Mord, zum versuchten Mord und zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion schuldig gesprochen. Das LG Heidelberg würdigte dabei die Straftat der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und die Straftaten, die vom Mitglied der Vereinigung in Verfolgung ihrer Ziele begangen worden waren, als zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehend170. Auch vom OLG Karlsruhe wurde eine Tateinheit für diesen Fall ausdrücklich verneint: „Begeht ein Mitglied der Vereinigung solche Straftaten, überschneidet sich der Ausführungspunkt in der Regel auch nicht teilweise mit dem
Al Qaida sowie Ziel und Zweck ihrer Reisen nach außen zu verschleiern. Er verschaffte sich etwa unter Vorlage einer Generalvollmacht eine spezielle Vollmacht für ein Girokonto und wickelte nach der Abreise eines Mitgliedes für diesen fällige Zahlungen für Monatsmiete und Verbrauchskosten über dieses Konto ab. Vor der Abreise in die USA waren Mitglieder der Vereinigung darauf bedacht, möglichst wenige Außenkontakte zu haben, um nichts über ihr Vorhaben nach außen dringen zu lassen und dieses dadurch nicht zu gefährden. Aus diesem Grund wurden einige ihrer Angelegenheiten weiterhin von den übrigen Mitgliedern der Vereinigung erledigt. Motassadeq kümmerte sich hier nach Absprache mit einem weiteren Mitglied darum, dessen gekündigten Mietvertrag abzuwickeln; insbesondere räumte er seine Wohnung. Außerdem wirkte Motassadeq an der Bereitstellung von Geldmitteln mit, die zur Deckung der Kosten des Aufenthalts und der Pilotenausbildung der Vereinigungsmitglieder in den USA dienen sollten. Die Vorbereitung der Anschläge vom 11. September 2001 wurde zwar ganz überwiegend mit Geldern finanziert, die von der Al Qaida oder deren Unterstützern in arabischen Ländern stammten. Jedoch war Ende August 2000 der Saldo auf dem gemeinschaftlichen Konto auf unter 2000 $ gesunken. Daher wurde Motassadeq gebeten, an sie 5000 DM weiterzuleiten. Dem kam er nach. Darüber hinaus verschleierte er den tatsächlichen Aufenthaltsort eines Mitglieds nach seiner Abreise in die USA. Auf die Frage nach dem Verbleib gab er an, dass er es in Afghanistan oder Tschetschenien vermute; hierdurch wollte er eine Gefährdung der von der Vereinigung verfolgten Ziele verhindern. 169 OLG Karlsruhe, JR 1978, 34; BGHSt 29, 288; BVerfGE 56, 22. 170 Vgl. BGHSt 29, 288, 289.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
Straftatbestand der Mitgliedschaft.“ 171 In seiner Revisionsentscheidung schloss sich der BGH dagegen der h. M. an, diese Taten ständen konkurrenzrechtlich zueinander im Verhältnis der Tateinheit gem. § 52 StGB172. Gleichwohl ergab sich für den BGH durch eine zweite Verurteilung kein Verstoß gegen den prozessualen Verfassungsgrundsatz des Art. 103 Abs. 3 GG173. Diese Auffassung wurde vom BVerfG bestätigt174. Damit ist eine Ausnahme von der Regel etabliert, dass eine Handlungseinheit i. S. v. § 52 StGB eine Tatidentität i. S. v. Art. 103 Abs. 3 GG impliziere175. Das BVerfG begründete diese Ausnahme damit, dass einzelnen Tätigkeitsakten ein Gewicht zuwachsen könne, welches sie als verselbstständigte Ereignisse i. S. d. Art. 103 Abs. 3 GG erscheinen ließe176. Man könnte allerdings den materiellrechtlichen Ausgangspunkt, der zu einer Aufspaltung von materieller und prozessualer Tat führt, hinterfragen. Für die Annahme einer Tatmehrheit zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung und einer Bezugstat wird vorgetragen, dass das Beteiligen an einer Vereinigung als Mitglied ein „reines“ Organisationsdelikt darstellt, das tatbestandlich die Begehung von Bezugstaten nicht umfasst177. Lenckner will nur, sofern der Vorsatz des Täters schon bei Beginn der Mitgliedschaft auf die Beteiligung an bestimmten Taten gerichtet war, eine Ausnahme von der grundsätzlich anzunehmenden Tatmehrheit machen178. Zu einer materiellen Tatmehrheit gelangt auch Meyer, die er damit begründet, die Mitgliedschaft in der Vereinigung sei zu schwach, um die begangenen Taten als einen einzigen untrennbaren Lebensvorgang erfassen zu können179. Auch vom Standpunkt der vorliegenden Arbeit könnten das Kriterium der Organisationsbezogenheit des Beteiligungsverhaltens und die damit verbundene Verselbstständigung gegenüber der Begehung von konkreten Taten zu ei171 OLG Karlsruhe, JR 1978, 34, 34. Das OLG Karlsruhe führt weiter aus: „Anders wäre es nur, wenn die Straftat gerade einen Beitrag zur organisatorischen Arbeit der Vereinigung leisten soll [. . .]. Die dem Angeklagten vorgeworfene Beihilfe an dem Sprengstoffanschlag in Heidelberg diente zwar den Zielen der Vereinigung; sie war aber für die Organisation ohne Bedeutung, sie war nicht organisationsbezogen [. . .]“ (OLG Karlsruhe, JR 1978, 34, 34). 172 BGHSt 29, 288, 291 f. 173 BGHSt 29, 288, 292 ff. 174 BVerfGE 56, 22, 27 ff. 175 BVerfGE 56, 22, 32 f. 176 BVerfGE 56, 22, 33 f. Das BVerfG stellte im gesamten Verfahren darauf ab, dass man nicht darauf vertrauen kann, wegen der Verbrechen, die im vorliegenden Strafverfahren zu einer Verurteilung geführt haben, unbehelligt zu bleiben, nur weil es zunächst noch gelungen war, sich der Verfolgung zu entziehen (BVerfGE 56, 22, 37). 177 Zu dieser Argumentation vgl. jeweils m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 195; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 33 Rn. 100. 178 Sch/Sch26 /Lenckner, § 129 Rn. 27; anders nunmehr allerdings Sch/Sch/Lenckner/ Sternberg-Lieben, § 129 Rn. 27. 179 Meyer, JR 1978, 35, 36; ähnlich Cording, Der Strafklageverbrauch bei Dauer- und Organisationsdelikten, S. 152 ff.; für den Fall der bandenmäßigen Begehung s. Fleischer, NJW 1976, 878, 879.
B. Die Beteiligung in führender Rolle
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nem vergleichbaren Ergebnis führen. Das der Arbeit zugrunde gelegte Ersetzen der Tatbezogenheit durch die Organisationsbezogenheit meint jedoch nicht, dass eine begangene Bezugstat nicht zugleich ein organisationsbezogenes Verhalten sein kann. Vielmehr können sich Tat- und Organisationsbezogenheit im Grenzfall überschneiden180, indem das Begehen einer Bezugstat ein die Vereinigungsziele förderndes Verhalten darstellt. Organisationsdelikt und Bezugsdelikt können somit in Idealkonkurrenz stehen, weil ihre Ausführungshandlungen hier ganz oder teilweise identisch sind181. 3. Diese konkurrenzrechtliche Betrachtung offenbart schließlich die Problematik der Interpretation des Organisationsdelikts als eine dem § 30 Abs. 2 StGB ähnliche Vorbereitungshandlung, wie es dem von Rudolphi begründeten Legitimationsansatz zu § 129 StGB entspricht. Denn mit diesem Ansatz käme man zu dem – allerdings von Vertreten dieser Vorbereitungstheorie nicht geteilten – Ergebnis, dass die organisationsbezogene Beteiligung bei jeder Begehung einer konkreten Bezugstat in ein Verwirklichungsstadium überginge. Das Vorbereitungsverhalten müsste, soweit eine vorbereitete Bezugstat realisiert wurde, im Wege der Gesetzeskonkurrenz als subsidiär hinter dieser zurücktreten182.
B. Die Beteiligung in führender Rolle Dem Aufbau der tatbestandlichen Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte liegt das Prinzip einer hierarchischen Gliederung zugrunde. Die führende Stellung nehmen dabei der Rädelsführer, der Hintermann und derjenige ein, der die Vereinigung gründet. Strafrechtlich ist damit jeweils eine besondere Strafbarkeit verbunden. So werden regelmäßig Rädelsführer von den sonst gleichgestellten Mitgliedern und Hintermänner von den extranen Beteiligten im Strafrahmen hervorgehoben. Bei den Gründern besteht die Besonderheit darin, dass vertreten wird, die Strafbarkeit betreffe nur denjenigen, der beim Gründen eine führende 180 Zu der entgegengesetzten Konstellation des Auseinanderfallens von der Beteiligung als Mitglied und der Begehung von Bezugstaten vgl. LK/Krauß, § 129 Rn. 108 f. 181 Zum Merkmal der Teilidentität bei Dauerdelikten vgl. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 33 Rn. 93 ff. 182 Eine solche Konkurrenzenlösung wurde bereits im Hinblick auf den § 49b StGB vertreten, der in der Fassung von 1943 lautete: „Wer an einer Verbindung teilnimmt, die Verbrechen wider das Leben bezweckt oder als Mittel für andere Zwecke in Aussicht nimmt, oder wer eine solche Verbindung unterstützt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft“. Damit stellte der § 49b StGB Vorbereitungshandlungen unter Strafe, wobei angenommen wurde, dass die Vorschrift einen selbstständigen Tatbestand enthalte (m.w. N. Schönke1, § 49b Anm. I), der im Verhältnis zur begangenen Tat subsidiär sei: „Ist der Komplottant Täter oder Teilnehmer der Haupttat, so scheidet § 49b aus“ (LK8 /Mezger, § 49b Anm. 1). Die Subsidiarität wurde damit begründet, dass der Zweck der besonderen Strafandrohung des § 49b StGB wegfalle, wenn die Verbrechen wider das Leben begangen oder strafbar versucht wurden und die Vereinigung keine weiteren Taten mehr bezweckte (m.w. N. Schönke1, § 49b Anm. VIII).
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
Stellung innehabe, während die in untergeordneter Rolle an der Gründung Beteiligten straffrei bleiben sollen. Auf rollenspezifische Merkmale des Rädelsführers, des Hintermannes oder des Gründers wird im Folgenden einzeln einzugehen sein, um vor dem Hintergrund der Strafbarkeitsvoraussetzungen hinterfragen zu können, inwiefern sich diese Beteiligungsverhalten jeweils als selbstständige Organisationsrollen erweisen. I. Die Beteiligung als Rädelsführer 1. Grundlagen der Rädelsführerstrafbarkeit a) Gegenstand des Strafrechts ist stets183 eine Täterrolle gewesen, die unter mehreren Beteiligten eine führende Stellung einnimmt und unter ihnen deswegen hervorgehoben wird. So kennen beispielsweise im langobardischen Recht der Edictus Rothari (643) und die Leges Liutprandi (entstanden zwischen 715 und 735) einen prior bzw. Obmann184 und einen capite bzw. caput, d. h. jemanden, der an der Spitze steht oder ein Hauptmann, das Haupt der Bande bzw. Haupttäter ist185. Seit dem 16. Jh. wird dafür die Bezeichnung „Rädlein(s)führer“/„Rädelsführer“ verwendet, die historisch für den Anführer zunächst einer Abteilung von Landsknechten, später einer herrenlosen Schar und schließlich einer Verschwörung stand. Das Bestimmungswort „Rädlein“ (vom mittelhochdeutschen „redelı¯n“ – Rädchen) sollte dabei die im Ring stehenden Landsknechte bzw. die 183 Neben den Beispielen aus dem germanischen Recht, die der Text nennt, wird im Hinblick auf das römische Recht vertreten, dass bei den Mehrheitsdelikten gegen die Majestät ausschließlich die Anführer (auctores) bestraft wurden, obwohl zur Tatbestandsverwirklichung mehrere notwendig waren (Roth, Kollektive Gewalt und Strafrecht, S. 30 f.). Einen Grund dafür sieht Roth in der Ausgestaltung der römischen Gesellschaft, die durch die persönliche Verantwortlichkeit einzelner über die Gruppe (Familie oder Beschäftigten) geprägt gewesen sei (Roth, Kollektive Gewalt und Strafrecht, S. 34 ff.). 184 Edictus Rothari Kap. 19 bzw. 249. Kap. 19 des Edictus Rothari lautete: „Wenn jemand, um Unrecht zu rächen, einen mit bewaffneter Hand überfällt oder mit Heer[gefolge] bis zu vier Leuten in die Ortschaft eindringt, da soll der Obmann wegen unerlaubter Eigenmacht den Tod erleiden oder doch 900 Schillinge erlegen, halb an den König, halb an den, dem er die Schmach antat“ (deutsche Übersetzung: Beyerle, Die Gesetze der Langobarden, S. 13). Vgl. dazu auch Brunner/von Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 745. 185 Leges Liutprandi Kap. 35 bzw. 94. Kap. 35 der Leges Liutprandi lautete: „Wer ohne des Königs Willen in irgendeiner Stadt gegen seinen Richter einen Aufruhr anzettelt oder [ihm] sonst ein Unrecht antut oder ihn ohne Geheiß des Königs [daraus] zu vertreiben sucht; ferner wo Leute einer andern Stadt gegen die fremde Stadt oder den fremden Richter – wie hievor – ohne Geheiß des Königs einen Aufruhr stiftet oder ihn ohne des Königs Willen zu vertreiben suchen: da geht es dem Haupt [der Bande] an das Leben, und all sein Gut fällt an den Staat“ (deutsche Übersetzung: Beyerle, Die Gesetze der Langobarden, S. 209). Vgl. dazu auch Brunner/von Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 745.
B. Die Beteiligung in führender Rolle
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kreisförmige Formation einer Schar aufzeigen.186 In strafrechtlichen Normen findet sich die Bezeichnung „Rädelsführer“ z. B. im § 5 über landsfriedbrüchige Tathandlungen187 des Achten Kapitels des Codex Juris Bavarici Criminalis (1751). Nach § 28 des Ersten Kapitels dieses Codex sollte ferner bei „zu grosser Menge der Delinquenten, welche sich gemeiniglich in Verbrechen gantzer Communitäten ereignet,“ die Strafe so weit gemildert werden, „daß selbe nicht an allen Theilhabern, sondern nur an denen Rädelsführern“ vollzogen wird. Im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (1794) erfolgte in § 68 II 20188 darüber hinaus eine Verallgemeinerung unter der Überschrift „Theilnehmung an den Verbrechen Anderer“, die im modernen Sinne eine allgemeine Beteiligungsform darstellen könnte: Wer „gegen den Thäter im Verhältnisse eines Vorgesetzten oder einer Respectsperson [steht]: so wird er als der Rädelsführer des veranstalteten Verbrechens angesehen“. Zugleich ist im ALR die Figur eines Rädelsführers auch bei einzelnen Delikten, wie Hochverrat (§ 94 II 20 ALR), Aufruhr (§§ 169 ff. II 20 ALR), Steuerunterschlagung (§ 247 II 20 ALR), Diebstahl (§ 1209 II 20 ALR), Raub (§ 1213 II 20 ALR) sowie verabredetem (§§ 839 f. II 20 ALR) und befohlenem (§ 849 II 20 ALR) Mord zu finden. Eine historische gesetzliche Definition des Begriffs „Rädelsführer“ kann dem Art. 51 des bayerischen StGB von 1813189 entnommen werden: Häupter des Komplotts sind „diejenigen, welche den Plan zur Ausführung des Verbrechens entworfen, oder das Unternehmen zur Zeit der Vollbringung desselben geleitet haben (Rädelsführer)“. 186 Peperkorn, ZfdPh 60 (1935), 207, 207 ff.; Brunner/von Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 745, Fn. 36. Daneben findet man auch die Vermutung, der Begriff „Rädelsführer“ gehe auf „Rat“ zurück und bezeichne so einen „Planleger“ (Meyers Konversations-Lexikon, Stichwort „Rädelsführer“; Schwenck, Wörterbuch der deutschen Sprache in Beziehung auf Abstammung und Begriffsbildung, Stichwort „Rädelsführer“). 187 § 5 des Achten Kapitels des Codex Juris Bavarici Criminalis (1751) lautete: „Landfriedbrüchige Thathandlungen, welche mit geflissener Zusammenrottirung und bewaffneter Hand, in gefährlicher Absicht unternommen werden, seynd, so viel die Rädelsführer belanget, mit dem Schwerdt, bey denen übrigen Mithelffern aber nach Gestalt des erfolgten Schadens, willkührlich zu bestraffen“. 188 § 68 II 20 ALR lautete: „Steht er gegen den Thäter im Verhältnisse eines Vorgesetzten, oder einer Respectsperson: so wird er als der Rädelsführer des veranstalteten Verbrechens angesehen. (§. 65.)“. S. zu § 65 II 20 ALR Fn. 231. 189 Art. 51 des bayerischen StGB von 1813 lautete: „Den gemeinen Theilnehmern eines Complotts soll die gesetzliche Strafe des begangenen Verbrechens zuerkannt; jedoch, wenn diese Strafe blos nach ihrer höchsten und geringsten Dauer bestimmt ist, den verschiedenen Theilnehmern nach Besonderheit der Größe ihrer thätigen Mitwirkung innerhalb dieser gesetzlichen Grenzen in verschiedenen Graden zugemessen werden. Dagegen sollen die Häupter des Complotts und zwar 1) diejenigen, welche zuerst die verbrecherische Vereinigung veranlaßt und zu Stande gebracht haben (Anstifter), nicht weniger 2) diejenigen, welche den Plan zur Ausführung des Verbrechens ertworfen, oder das Unternehmen zur Zeit der Vollbringung desselben geleitet haben (Rädelsführer), stets mit geschärfter Strafe belegt werden.“
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
b) In den späteren Tatbeständen des Organisationsstrafrechts findet sich zur Kennzeichnung einer führenden Rolle statt des Begriffs des Rädelsführers eine differenziertere Gliederung. Das preußische Vereinsgesetz von 1850 kennt in § 16190 die Strafbarkeit der „Vorsteher, Ordner und Leiter“ eines politischen Vereines. Der § 17 Abs. 2 des Gesetzes gegen die gemeinschaftlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie von 1878191 ordnet neben der Strafbarkeit der mitgliedschaftlichen Beteiligung und des Tätigwerdens im Interesse des Vereins eine Strafschärfung für „Vorsteher, Leiter, Ordner, Agenten, Redner und Kassirer“ an. Auch in den Tatbeständen der §§ 128, 129 RStGB192 (bei § 128 bis zu seiner Aufhebung 1968, bei § 129 bis zur Neufassung 1951) wurde die „Theilnahme an einer Verbindung“ nicht nur für die „Stifter“, sondern auch für die „Vorsteher“ strafschärfend behandelt193. Inwiefern sich der Vorsteher vom Rädelsführer unterscheidet, ist kaum überliefert. Fraglich scheint, ob mit dem Begriff des Vorstehers der Vorstand der Vereinigung bezeichnet ist, sodass an einen förmlichen Mitgliedschaftsbegriff angeknüpft wird. Indessen entsprach es der Rechtsprechung des RG und der Auffassung in der Literatur, dass der Vorsteher nicht notwendig Mitglied der Vereinigung zu sein brauchte, solange er nur an der Leitung der Verbindung in irgendeiner Weise beteiligt war194. In der Rechtsprechung des BGH wurde der Unterschied zwischen dem Vorsteher und dem Rädelsführer darin gesehen, dass der Rädelsführer nicht nur nach seinen (formellen) Befugnissen innerhalb der Vereinigung – wie der Vorsteher – bestimmt wurde, sondern danach, welchen tatsächlichen Einfluss er auf die Vereinigung besitzt; der Begriff des Rädelsführers sollte dabei weiter sein als der des Vorstehers195. Während bis 1968 der Vorsteher und der Rädelsführer nebeneinander im StGB zu finden waren, blieb nach der Aufhebung des § 128 StGB durch das 8. StÄG zur
190 § 16 des preußischen Vereinsgesetzes von 1850 lautete: „Wenn ein politischer Verein die in § 8 zu a und b gezogenen Beschränkungen überschreitet, so haben Vorsteher, Ordner und Leiter, die diesen Bestimmungen entgegen gehandelt haben, eine Geldbuße von fünf bis fünfzig Talern oder Gefängnis von acht Tagen bis zu drei Monaten verwirkt. [. . .]“. 191 § 17 Abs. 2 des Gesetzes gegen die gemeinschaftlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie von 1878 lautete: „Gegen diejenigen, welche sich an dem Vereine oder an der Versammlung als Vorsteher, Leiter, Ordner, Agenten, Redner oder Kassirer betheiligen, oder welche zu der Versammlung auffordern, ist auf Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre zu erkennen“. 192 Vgl. Fn. 146, 147. 193 § 127 a. F. StGB hob bis zum 6. StrRG von 1998 das Bilden und Befehligen eines „bewaffneten Haufens“ gegenüber dem Sichanschließen im Strafrahmen hervor. 194 RG, DJ 1934, 129, 130; Schönke1, § 128 Anm. IV. In dieser Argumentation spielte eine Rolle, dass § 128 RStGB unter den Teilnehmern neben dem Stifter auch den Vorsteher im Strafrahmen dem einfachen Mitglied gegenüberstellte. Für die erstgenannten Beteiligungsrollen hatte das Reichsgericht bereits früh eine Entformalisierung vertreten und an einen weiten Teilnahmebegriff angeknüpft (s. unten S. 73). 195 BGHSt 20, 121, 123.
B. Die Beteiligung in führender Rolle
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Reform des Staatsschutzstrafrechts lediglich die Figur des Rädelsführers bestehen. c) Im geltenden Strafrecht ist es die Figur des Rädelsführers, mit der innerhalb der Organisation eine führende Stellung gekennzeichnet wird. Dies wird im Wortlaut der Tatbestände des § 84 Abs. 1 und des § 85 Abs. 1 StGB dadurch zum Ausdruck gebracht, dass dort das tatbestandsmäßige Verhalten des Rädelsführers als ein Aufrechterhalten des organisatorischen Zusammenhanges bestimmt ist, während ein Mitglied sich in einer verfassungswidrigen Partei bzw. verbotenen Vereinigung gem. §§ 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 StGB lediglich „betätigt“; die Strafrahmen der Tatbestände weisen eine entsprechende Abstufung vom Rädelsführer zum einfachen Mitglied auf. Darüber hinaus findet man diesen Gedanken der Rollenhervorhebung auch in § 127 StGB, der in seinem Wortlaut zwar nicht die Rädelsführerschaft, aber das Befehligen einer bewaffneten Gruppe unter Strafe stellt. Gesetzgebungstechnisch erfolgt diese Hervorhebung der Rädelsführerschaft nicht nur durch selbstständige Tatbestände mit erhöhtem Unrecht, sondern auch auf der Ebene der Strafzumessung als besonders schwerer Fall. Einen besonders schweren Fall stellt die Rädelsführerschaft im Rahmen der §§ 129, 129a StGB dar, wobei die §§ 129 Abs. 4, 129a Abs. 4 StGB für den Rädelsführer zwingend die Annahme eines besonders schweren Falles anordnen196. Aus der unterschiedlichen gesetzestechnischen Ausgestaltung folgen aber keine inhaltlichen Differenzen197. 196 Eisele, Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht, S. 19; m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 172. Dagegen handelt es sich in § 27 Abs. 3 Satz 2 WStG um einen als Regelbeispiel konstruierten besonders schweren Fall der Beteiligung als Rädelsführer, sodass die indizielle Wirkung des Regelbeispiels innerhalb der Gesamtwürdigung noch zurücktreten kann. 197 Zwar klingt in BGHSt 20, 74, 76 bzw. BGHSt 20, 121, 123 an, dass dort, wo der Rädelsführer als besonders schwerer Fall erfasst wird, besonders strenge Anforderungen an das Vorliegen des Strafschärfungsgrundes zu stellen seien, jedoch stehen diese Aussagen im Gesamtzusammenhang der Umgestaltung der Vorschrift des § 90a StGB von 1964 (vgl. Fn. 207). Immerhin wurde in den 1960er Jahren diskutiert, inwiefern zwischen Qualifikationstatbeständen und unbenannten bzw. mit Regelbeispielen ausgestalteten besonders schweren Fällen ein Wesensunterschied bestehe, der es nicht gestatte, diese Techniken beliebig auszutauschen (Beratungen des Sonderausschusses „Strafrecht“ des Deutschen Bundestages, 4. Wahlperiode, 27. Sitzung vom 22. Oktober 1964, S. 507, 508 ff., 513 f., 517). Mit Maiwald ist die Diskussion der adäquaten Gesetzgebungstechnik jedoch vor dem Hintergrund der jeweils herrschenden Rechtstheorie zu begreifen. Man verband mit der Technik der Qualifikation eine kasuistische Gestaltung des Tatbestandes, die als positivistische Subsumtion erfolgte. Mit der Technik der besonders schweren Fälle sollte Einzelfallgerechtigkeit gewährleistet werden, indem dem Richter überlassen wurde, über die Strafschärfung im konkreten Fall zu entscheiden. Der daraus resultierenden Problematik des Bestimmtheitsgrundsatzes wurde mit der Regelbeispieltechnik entgegengetreten (Maiwald, NStZ 1984, 433, 433 f.; vgl. ausführlich zu den dogmatischen Konsequenzen der unterschiedlichen Regelungstechniken Maiwald, NStZ 1984, 433, 434 ff.). In diesem Wandel der Gesetzestechniken bestätigt sich letztlich ihre Austauschbarkeit. Auch der BGH sieht „keinen tiefgreifenden Wesensunterschied“ mehr zwischen besonders schweren Fällen und Qualifikationstatbeständen
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
d) Bei diesen Vorschriften konzentriert sich die Problematik auf die Kriterien, mit denen die Stellung des Rädelsführers konkretisiert wird. Versucht man aus der Rechtsprechung zum Umfang des Rädelsführerbegriffs das Wesentliche zu bezeichnen, besteht die strafbare Rädelsführerschaft aus der Beteiligung als Mitglied und der Ergänzung „von innen“ 198 um ein gewisses Mehr, das den Rädelsführer von anderen Mitgliedern abhebt. Zu diesen Kriterien im Einzelnen: Zunächst erschien vor allem der Einfluss des Täters auf die Vereinigung maßgeblich zu sein. Rädelsführer war danach, wer „eine führende Rolle spielt“, indem er „auf eine nicht ganz unwesentliche Anzahl von Angehörigen oder Freunden der Vereinigung einen bestimmenden Einfluß ausübt“ 199. Auf diese Weise sollten „Drahtzieher“ erfasst sein200 und zugleich ein Fördern, dem nur untergeordnete Bedeutung zukommt, ausgeschlossen201 werden. Daneben wurde der Rädelsführer im Verhältnis zu anderen Mitgliedern durch das Gewicht seines Beitrages hervorhoben. Insofern gehörten zum Begriff des Rädelsführers nicht notwendig die eigentlichen Führungsaufgaben, sondern vor allem „sich sonst in besonders maßgebender Weise“ für die Vereinigung zu betätigen202. „Besonders maßgebend“ sei eine Tätigkeit auch dann, wenn „der Täter, falls er nicht schon selbst zu den Führungskräften gehört, doch durch sein Tun gleichsam an der Führung mitwirkt“ 203. Dementsprechend konnte sowohl ein Kurier204 Rädelsführer sein als auch derjenige, der „wichtige Aufgaben mehr wirtschaftlicher oder technischer Art (Drucker, Materialbeschaffer usw.) ausübt oder der Vereinigung bedeutende Geldbeträge zur Verfügung stellt“ 205. Als drittes Kriterium gewinnt der Entscheidungsspielraum des Täters Bedeutung, sodass „weniger wichtige Tätig(BGHSt 26, 167, 173; BGH, NStZ 1984, 262, 263). Eisele misst darüber hinaus besonders schweren Fällen mit Regelbeispielen eine Tendenz zur Tatbestandsqualität zu. Dafür differenziert er bei diesen besonders schweren Fällen zwischen der Generalklausel und den Merkmalen, die eine Generalklausel beispielhaft erläutern. Im Hinblick auf die zwingenden Beispiele des § 129 Abs. 4 StGB handele es sich insofern einerseits um die Rädelsführer benennenden Umstände als Tatbestandsmerkmale, die Generalklausel selbst sei hingegen als Strafzumessungsregel aufzufassen (Eisele, Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht, S. 164). Gleichwohl sei bei der Generalklausel nicht eine Strafzumessung i. S. v. § 46 StGB gemeint, sondern es handele sich – nicht anders als bei Qualifikationstatbeständen – um einen neuen Strafrahmen mit eigener Schwereskala (Eisele, Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht, S. 187 f.). 198 Vgl. BGHSt 18, 296, 299 ff. (hinsichtlich der §§ 90a a. F., 128 a. F. StGB); nunmehr BGH, StV 2012, 342, 344. 199 BGHSt 6, 129, 130; BGHSt 19, 109, 110. 200 BGHSt 6, 129, 130. 201 Zur Straflosigkeit der Beihilfe bei § 90a a. F. StGB s. BGHSt 6, 159, 160; BGHSt 18, 296, 299 und unten S. 85. 202 BGHSt 6, 129, 130. Zur Rechtsprechungsübersicht zwischen 1953 bis 1959 s. W. Wagner, GA 1960, 193, 199 ff. 203 BGHSt 19, 109, 110. 204 W. Wagner, GA 1960, 193, 199. 205 BGHSt 19, 109, 110; vgl. auch W. Wagner, GA 1960, 193, 200.
B. Die Beteiligung in führender Rolle
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keiten, bei denen kein Spielraum für eigenverantwortliche Entscheidungen gelassen ist“, nicht ausreichten206. Vielmehr müsse der Einfluss des Täters „beträchtlich“ sein, sowohl hinsichtlich der Größe der von ihm geführten Gruppe als auch der Sache nach. Ein Einsatz auf „den unteren Ebenen der Organisation“ mache ihn noch nicht zum Rädelsführer.207 Diese Kriterien sind zwar ausschließlich anhand des § 90a StGB in den Fassungen von 1951 und 1964 entwickelt worden, werden jedoch zur Auslegung aller Tatbestände bzw. Strafschärfungsvorschriften, in denen das Merkmal des Rädelsführers erfasst ist, herangezogen208. Zugleich werden diese Kriterien offenbar weder so verstanden, dass sie sich gegenseitig ausschließen, noch als notwendige Voraussetzungen der Rädelsführerschaft aufgefasst. Ambivalenzen zeigen sich ferner darin, welche Bedeutung der BGH Über- und Unterordnungsverhältnissen für die Beurteilung der Rädelsführerschaft beimisst. Als Rädelsführer könnte zum einen derjenige bestraft werden, der selbst einem weiteren Anführer untergeordnet ist, wenn man anhand einer hierarchischen Kettenführung argumentiert209. Dies soll aber nicht auf den Beteiligten übertragbar sein, der als Gebiets206 BGHSt 20, 121, 124; nach diesem Maßstab hat jedoch das OLG Celle OJs 5/53 (zit. nach W. Wagner, GA 1960, 193, 201) eine technische Tätigkeit als Rädelsführerschaft eingeordnet, sofern ein Spielraum für eigene Entscheidungen bestünde. 207 BGHSt 20, 121, 124. Teilweise wird angenommen, dass diese Entscheidung insofern eine Zäsur in der Rechtsprechung bilde, als auf die Begriffsbestimmung von BGHSt 19, 109 bzw. BGHSt 6, 129 nicht mehr zurückgegriffen werden dürfe (vgl. NK/ Paeffgen, § 84 Rn. 6; LK/Laufhütte/Kuschel, § 84 Rn. 14), obgleich der BGH an diesen Rechtssätzen ausdrücklich festhalten möchte. Die Einschränkung des BGH in BGHSt 20, 121 bezieht sich jedoch darauf, dass die bis 1961 geltende Fassung des § 90a a. F. StGB (die Vorschrift war in diesem Jahr für verfassungswidrig erklärt worden, vgl. BVerfGE 12, 296, 304) lediglich Rädelsführer und Hintermänner erfasste. Die Neufassung der Vorschrift von 1964 kriminalisierte im Grundtatbestand dagegen das Aufrechterhalten des organisatorischen Zusammenhalts, während die Rädelsführerschaft nur als besonders schwerer Fall Bedeutung hatte. Im Hinblick auf die Umgestaltung urteilte der BGH, dass ein Aufrechterhalten des organisatorischen Zusammenhalts auf einer unteren Organisationsebene für eine strafbare Rädelsführerschaft nicht mehr ausreiche (BGHSt 20, 121, 124; BGHSt 20, 74, 76). 208 Ausdrücklich BGH, StV 2012, 342, 343. 209 Ein Fall der Kettenführung findet sich im folgenden Beschluss des BGH (BGH, NStZ 2002, 607, 607 f.): Der Angeklagte gehörte zum Funktionärskörper der PKK, zuerst als Leiter der PKK-Region Mitte, dann zusätzlich auch als Leiter eines Sektors von fünf PKK-Regionen und später nur noch als der den Regionen übergeordnete Sektorleiter. Er übermittelte in den genannten Funktionen die Anweisungen der jeweils übergeordneten Parteiorgane den untergeordneten Parteigliederungen und überwachte deren Umsetzung. Außerdem gab er gegenüber der Führung der Partei Berichte über Parteiaktivitäten ab. In der Organisationsforschung wird die Kettenführung überwiegend auf die dualistische Relation „Geführter – Führer“ reduziert, denn auch eine größere Zahl von Führungsmitgliedern untereinander lässt sich in dieses Schema hierarchisch einordnen und man geht zum komplexeren Schema „Geführter – Führer – nächsthöherer Vorgesetzter“ lediglich über, um die Besonderheiten im Führungsstil des nächsthöheren Vorgesetzten und die Reichweite der Entscheidungen über mehrere hierarchischen Ebenen hervorzu-
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
verantwortlicher sämtliche Angelegenheiten organisatorischer, personeller, finanzieller oder sonstiger Art zu verantworten hatte, sofern darin lediglich eine Umsetzung der verbindlichen Anweisungen liege210. Zum anderen soll für die Rädelsführerschaft eines Mitglieds in nicht hierarchischen Strukturen, wie im Fall der rechtsradikalen Musikgruppe „Landser“ 211, schließlich ausreichen, die Vereinigung nach außen zu repräsentieren, während innerhalb der Gruppe Entscheidungen gemeinsam gefällt wurden: „Denn die Existenz eines Rädelsführers schließt nicht aus, daß dieser die Verbandstätigkeit zwar maßgeblich beeinflußt, sich aber ebenfalls beispielsweise der Entscheidung der Mehrheit unterwirft, die aufgrund entsprechender Vereinbarung der Gruppenmitglieder von allen als maßgeblich akzeptiert wird“ 212. 2. Rädelsführer als verbindende Rolle in der Vereinigung a) Die Stellung, die den Rädelsführer gegenüber dem Mitglied hervorhebt, ließe sich zwar mit den Kriterien eines bestimmten Einflusses oder Entscheidungsspielraums umschreiben. Dass die dargestellten Kriterien nur im Hintergrund der Problematik der Organisationsdelikte stehen, lässt vermuten, dass es insbesondere für den herrschenden Ansatz der gruppendynamischen Prozesse keiner führenden Person bedarf, sofern die Organisation sich selbst organisieren kann213. Aus der Sicht der organisationsbezogenen Beteiligung muss jedoch viel-
heben (Weibler, in: von Rosenstiel/Regnet/Domsch, Führung von Mitarbeitern, S. 315, 316 ff.). 210 BGH, StV 2012, 342, 344. Sofern in dieser Entscheidung des BGH die Geldbeschaffung zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes als wichtigste Aufgabe einer Deutschlandsverantwortlichen der DHKP erscheint, sei darin in der streng hierarchisch und zentralistisch aufgebauten Organisation doch nur die Umsetzung der Vorgaben des übergeordneten Europaverantwortlichen zu sehen (BGH, StV 2012, 342, 343 ff.). 211 BGH Beschluss StB 3/03 vom 22. April 2003; KG Berlin Urteil 3 StE 2/02 vom 22. Dezember 2003; BGH, NJW 2005, 1668 „Landser-Fall“: Der Angeklagte war Sänger, Gitarrist, Texter und Bandleader der Musikgruppe „Landser“ aus der rechtsradikalen Szene. Seine Stellung in der Band wurde als eine von den anderen anerkannte Führungsfigur dargestellt, und zwar aufgrund seines geschichtlichen Wissens und seines sprachlichen wie musikalischen Talents. Seine intellektuelle Autorität wurde in der Band auch durch seine zahlreichen Auslandsbeziehungen gestützt. Wegen seiner sprachlichen Gewandtheit und seines Ideenreichtums war der Angeklagte auch der alleinige Texter der Lieder. Jedoch hat er die Gruppe nicht autoritär geführt, zudem bestand innerhalb der Band keine hierarchische Struktur und die musikalische Ausgestaltung, die Reihenfolge der Titel einer CD, Zeitpunkt, Ort und Gestaltung der Proben, Vergabe der Aufträge an Dritte, etwaige Reisen und sonstiges Organisatorische wurden gemeinsam besprochen und entschieden. 212 BGH Beschluss StB 3/03 vom 22. April 2003. 213 Auf die Problematik der Erfassung von stark hierarchischen strukturierten Organisationen im Rahmen eines am gruppendynamischen Ansatz orientierten Vereinigungsbegriffs weist LK/Krauß, § 129 Rn. 33 hin.
B. Die Beteiligung in führender Rolle
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mehr zur Aufgabe werden, seine spezifische Funktion in der Organisation zu erfassen. Jeder der an einer Vereinigung Beteiligten ist Täter und mehrere Beteiligte stehen untereinander, wie bereits gezeigt werden konnte, im Verhältnis der Nebentäterschaft214. Die einzelnen Nebentäterschaften sind nicht durch ein Verhältnis gegenseitiger Herrschaft215, sondern lediglich objektiv durch den Organisationsrahmen miteinander rechtlich verbunden216. Die Frage ist jedoch, wie die einzelnen Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht zusammengehalten werden. Diese Frage geht dahin, ob nicht eine tatsächlich verbindende Kraft vorhanden sein muss, mit der die einzelnen Beteiligten organisatorisch zusammengefasst werden. In diesem Kontext steht die verbindende Rolle des Rädelsführers. b) Mit dem Rädelsführer als eine verbindende Rolle ist somit ein über den objektiven Zusammenhang (Organisationsbezogenheit) hinaus das soziale Verhältnis unter den Beteiligten angesprochen; darin ist der Rädelsführer gewissermaßen als Zentralgestalt herausgehoben. Die Rädelsführerrolle ist zwar nicht aus dem allgemeinen Beteiligungssystem abzuleiten217, jedoch bietet sich eine vergleichende Betrachtung deswegen an, weil das allgemeine Beteiligungssystem aus der Sicht der Tatherrschaftslehre den Täter als eine – durch ein Herrschaftsverhältnis – tatsächlich herausgehobene Stellung beschreibt: Zum einen wird der Täter selbst durch seine Herrschaft über das Geschehen bestimmt; so definiert Roxin den Täter als eine Zentralgestalt: „Zentralgestalt des Deliktsvorganges ist, wer das zur Deliktsverwirklichung führende Geschehen beherrscht“ 218. Zum anderen wird mit diesem Kriterium eine Person in führender Stellung innerhalb organisatorischer Zusammenhänge als Täter zu bestimmen versucht. Einen derartigen organisatorischen Bezug bekommt das Herrschaftskriterium als Organisationsherrschaft, die als Fallgruppe der mittelbaren Täterschaft gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB eingestuft wird. Diese Konstellation der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft ist – wie sie von Roxin entwickelt wurde – dadurch gekennzeichnet, dass auch derjenige als Täter behandelt wird, der einen organisatorischen Machtapparat zur Verfügung hat und zur Durchführung von Verbrechen missbraucht, ohne ihre Realisierung einer selbstständigen Entscheidung der Ausführenden überlassen zu müssen219. In der Rechtsprechung des BGH wird darüber hinaus als mittelbarer Täter auch derjenige behandelt, der 214
Dazu oben S. 45 ff. Dazu bei der Mittäterschaft s. Bloy, GA 1996, 424, 436. 216 Dazu oben S. 31, 48. 217 Vgl. oben S. 38 ff. 218 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 13; vgl. ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 336, 527 ff. 219 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 105 ff.; ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 242 ff. 215
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
bestimmte Rahmenbedingungen durch Organisationsstrukturen schafft, die regelhafte Abläufe auslösen, wenn er diese Bedingungen ausnutzt, um die erstrebte Tatbestandsverwirklichung herbeizuführen220; es kommt hier nicht mehr entscheidend auf die Fungibilität des Ausführenden, sondern auf die Rollenverteilung innerhalb einer Organisation an. Aber auch bei der Mittäterschaft ist das Merkmal der führenden Stellung insofern betroffen, dass das Gestalten einer Tat durch einen Bandenchef im Vorbereitungsstadium eine (Mit-)Täterschaft begründen soll; hier sei derjenige Mittäter, welcher ohne Anwesenheit bei der Tatausführung im Vorbereitungsstadium die Tat insgesamt wesentlich mitgestaltet hat221: „freilich nicht darum, weil er [der Anführer] ebenso ,strafwürdig‘ ist wie der eigenhändige Täter [. . .], sondern deshalb, weil das ganze Unternehmen in Verwirrung geraten und scheitern würde, wenn die ,Befehlszentrale‘ plötzlich ausfiele“ 222. Die Herrschaft dient in den vorstehenden Konstellationen dazu, denjenigen, der innerhalb eines organisatorischen Zusammenhangs eine führende Stellung einnimmt, als Täter einer konkreten Straftat zu beschreiben. Die führende Stellung des Rädelsführers ist demgegenüber keine entsprechende Tatherrschaft, denn der Rädelsführer ist selbst als Mitglied an einer Organisation beteiligt und in diesem organisationsbezogenen Verhalten Täter des Organisationsdelikts. Ein Herrschaftsverhältnis innerhalb einer Organisation hätte eine andere Funktion und würde zu einem selbstständigen Unrechtselement. c) Tatsächlich nimmt das Konzept der Herrschaft eine zentrale Stellung in den Organisationstheorien ein, denn die eigene Beteiligungsentscheidung der Mitglieder allein gewährleistet noch nicht, dass die Beteiligten bereit sind, bestimmte Beiträge zu erbringen223. Das Beteiligen mehrerer muss vielmehr organisiert und zu diesem Zweck beeinflusst werden. Jedoch stellt die Herrschaft, die das Handeln anderer bestimmt, nur eines der möglichen Instrumente zur Erreichung der Organisationsziele dar224. Die Herrschaft ist lediglich ein Spezialfall der Führung, bei dem – nach Max Weber – „ein bekundeter Wille (,Befehl‘) des oder der ,Herrschenden‘ das Handeln anderer (des oder der ,Beherrschten‘) beeinflussen will und tatsächlich in der Art beeinflusst, dass dieses Handeln [. . .] so abläuft, als ob die Beherrschten den Inhalt des Befehls, um seiner selbst willen, zur Maxime ihres Handelns gemacht hätten (,Gehorsam‘)“ 225. Im Gegensatz zum Herrschaftsmechanismus schreiben z. B. nichtdirektive Einflussmechanismen den Be-
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BGH, NStZ 2004, 457 „Tierarztpraxis-Fall“. BGHSt 33, 50, 53 „Bandenchef-Fall“. 222 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 280. 223 Berger/Bernhard-Mehlich, in: Kieser/Ebers, Organisationstheorien, S. 169, 174. 224 Vgl. Berger/Bernhard-Mehlich, in: Kieser/Ebers, Organisationstheorien, S. 169, 174 ff. 225 M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 544. 221
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teiligten ihr Verhalten nicht vor, sondern versuchen, sie zu selbstständigem Handeln im Organisationsinteresse zu bewegen226. So kann die führende Stellung innerhalb einer Organisation differenzierter sein als ein Herrschaftsverhältnis. Die führende Stellung eines Rädelsführers kann daher nicht notwendig als ein Beherrschen der Vereinigung verstanden werden. Vielmehr kann der Rädelsführer funktional als eine verbindende Rolle beschrieben werden, die sich begrifflich auch als ein Aufrechterhalten des organisatorischen Zusammenhalts fassen lässt227. Organisationstheoretisch ist damit die Kohäsionsfunktion (oder Gruppenerhaltungsfunktion) bezeichnet, der die Aufgabe zukommt, die Mitglieder an die Organisation oder an ihre Ziele zu binden228. In strafrechtsdogmatischer Hinsicht kann demnach das rädelsführerspezifische Unrecht durch das tatsächliche Verbinden der einzelnen Beteiligten – der einzelnen Nebentäterschaften – zu einer Vereinigung beschrieben werden. Die Rolle des Rädelsführers, wie sie vorstehend in ihrer verbindenden Funktion beschrieben wurde, lässt sich somit nicht lediglich als eine bloße Steigerung der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer Vereinigung – in Gestalt eines besonders schweren Falls oder einer Qualifikation – verstehen. Die herausgehobene Stellung des Rädelsführers ist vielmehr rechtsgutsbezogen zu begreifen und begründet eine funktional eigenständige Organisationsrolle. 3. Exkurs: Der Organisator im allgemeinen Beteiligungssystem a) Eine führende Stellung innerhalb von Organisationsstrukturen als Herrschaftsverhältnis zu beschreiben, folgt aus dem Bestreben (der Tatherrschaftslehre), diese im allgemeinen Beteiligungssystem mit dem Täterschaftsbegriff zu erfassen. Allerdings zeigt sich nicht zuletzt anhand der Figur des Rädelsführers bei Organisationsdelikten, dass die Führung innerhalb organisatorischer Zusammenhänge differenzierter als die Ausübung von Herrschaft sein kann. Es kann aber für das allgemeine Beteiligungssystem die Frage aufgeworfen werden, ob eine dem Rädelsführer vergleichbare Beteiligungsrolle als spezifische Teilnahmeform gestaltet werden kann. 226
Berger/Bernhard-Mehlich, in: Kieser/Ebers, Organisationstheorien, S. 169, 176. Das „Aufrechterhalten des organisatorischen Zusammenhalts“, wie es in §§ 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 StGB bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 VereinsG als Tatbestandsmerkmal erscheint, bezeichnet dagegen nur im engeren Sinne das Fortbestehen oder Erneuern der Organisation nach dem Verbot (M.w. N. NK/Paeffgen, § 84 Rn. 12). Ein solches Aufrechterhalten des organisatorischen Zusammenhalts setzt für sich alleine keine führende Tätigkeit voraus (BT-Drs. 5/2860, S. 6), sodass es vor dem Hintergrund des Schemas vom Mitglied und Nichtmitglied bzw. Innen und Außen bei §§ 84 Abs. 1, 85 Abs. 2 StGB nicht nur auf den Rädelsführer einer verbotenen Partei bzw. Vereinigung, sondern auch auf den Hintermann bezogen wird. Vgl. zu Letzterem unten S. 65 ff. 228 Reichwald/Bastian, Führung von Mitarbeitern in verteilten Organisationen, S. 7. 227
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
Im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten war, wie bereits berichtet, der Rädelsführer als Beteiligungsform in § 68 II 20229 allgemein geregelt. Anders als derjenige, der gem. § 67 II 20 ALR230 sich eines Andern zur Ausführung eines Verbrechens bedient, und als derjenige, der gem. § 65 II 20 ALR231 sich als Haupturheber auszeichnet, und die Übrigen zum Verbrechen verleitet, stand der Rädelsführer zum einfachen Täter im Verhältnis eines Vorgesetzten oder einer Respektsperson. Neben internationalen Rechtsakten232 finden sich in ausländischen Strafrechtsordnungen bis heute Beispiele dafür, eine Führungsrolle als allgemeine Beteiligungsform zu erfassen. b) Gem. Art. 33 Abs. 3 des geltenden russischen StGB von 1996 gehört zur Systematik der Beteiligungsrollen – neben einem Täter (ggf. Mittäter), Anstifter und Gehilfen – auch der Organisator als eine selbstständige Teilnahmeform, die sich historisch betrachtet aus Einzeltatbeständen entwickelt hat233. Als Organisator gilt nach dieser Vorschrift „eine Person, die die Begehung einer Straftat organisiert oder ihre Ausführung geleitet hat, sowie eine Person, die eine organisierte Gruppe oder eine kriminelle Vereinigung (kriminelle Organisation) gegründet oder sie geleitet hat“ 234. Als Organisieren wird das Auswählen von den Beteilig229
Fn. 188. § 67 II 20 ALR lautete: „Wer sich eines Andern zu Ausführung eines Verbrechens bedient, wird eben so bestraft, wie derjenige, welcher ein solches Verbrechen selbst und unmittelbar begangen hat“. 231 § 65 II 20 ALR lautete: „Hat Einer sich als Haupturheber ausgezeichnet, und die Uebrigen zum Verbrechen verleitet: so wird die ordentliche Strafe gegen ihn geschärft“. 232 Das strafbare Organisieren von Straftaten erscheint sowohl in Art. 6 des Londoner Statuts für den Internationalen Militärgerichtshof (Nürnberger Charta) vom 8. August 1945 als auch in Art. 2 Abs. 5 Buchstabe b des Internationalen Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II, S. 1923). 233 Die Figur eines Organisators war bereits im Allgemeinen Teil des russischen Strafgesetzbuches von 1960 enthalten, dessen Art. 17 bestimmte: „Als Organisator gilt derjenige, der die Verwirklichung einer Straftat organisiert oder geleitet hat“; gleich lautete auch der Art. 17 StGB der Grundlagen für die Strafgesetzgebung UdSSR und der Unionsrepubliken von 1958. Der historische Hintergrund der Strafbarkeit des Organisators wird in der Figur des Verschwörers gesehen, die sowohl im Hinblick auf einen bestimmten Tatbestand (etwa die Verschwörung zu einer unredlichen Versammlung gem. Art. 133 des Militärstatuts von 1716) als auch als eine allgemeine Beteiligungsform aufgefasst wurde. Auf das Letztere deutet hin, dass im strafrechtlichen Teil der Gesetzessammlung von 1832 unter zahlreichen weiteren allgemeinen Beteiligungsformen ein Verschwörer (dort Buch 15 Art. 12) genannt und gesetzlich als derjenige definiert wurde, der zuerst den Vorsatz fasste und andere zu einer Tat bestimmte oder die strafbaren Handlungen anderer geleitet hat oder der mit der Ausführung der Tat begonnen hat und so selbst als Vorbild diente (vgl. Taganzev, Strafrecht Russlands Allgemeiner Teil 1, § 179; vgl. Koslov, Beteiligung, S. 112 f.). 234 Schroeder, Strafgesetzbuch der Russischen Föderation, S. 61. Ähnlich verbindet man im tschechischen Strafrecht mit dem Organisator die Funktionen des Anzettelns und Leitens. § 10 Abs. 1 Buchstabe a des tschechischen StGB lautet: „Beteiligter an einer vollendeten oder versuchten Straftat ist, wer vorsätzlich eine Straftat angezettelt 230
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ten, das Vereinigen der schon bestehenden kriminellen Gruppierungen sowie das Bestimmen der (verbrecherischen) Zwecke oder die Entwickelung von Strategien zur (verbrecherischen) Tätigkeit genannt. Die leitende Tätigkeit erfasst demgegenüber etwa das Gestalten des Tatplans, das Verteilen der Rollen für die Tatbegehung, das Schaffen der Bedingungen für die Tatbegehung und der Beseitigung von Spuren. Gleichwohl wird auf eine Vermischung dieser beiden Funktionen hingewiesen235. Dogmatisch ist der Organisator eine Teilnahmeform, wenn auch die Figur des Organisators gegenüber Anstiftung und Beihilfe hervorgehoben ist236. Der Unterschied wird vor allem im objektiven Beitrag des Organisators gesehen237. Gleichwohl tritt die Rolle eines Organisators gegenüber der Täterqualität zurück; der Organisator, der den Tatbestand selbst erfüllt, wird als Täter bestraft. Hinsichtlich der Strafandrohung gilt für den Organisator der allgemeine Grundsatz des Art. 34 Abs. 1 des russischen StGB: „Die Verantwortung des Beteiligten an einer Straftat bestimmt sich nach dem Charakter und Schwere des faktisch geleisteten Beitrages“. In der Strafrechtslehre wird im Hinblick hierauf vorgeschlagen, den Organisator aufgrund der Gefährlichkeit seines Beitrages schwerer als die sonstigen Beteiligten zu bestrafen238. c) Im deutschen Schrifttum wird eine vergleichbare allgemeine Figur der Beteiligung mit führender Stellung lediglich rechtsvergleichend behandelt: Zum einen berichtet Dannert239 über den Art. 112 des italienischen StGB (1930)240, oder diese geleitet hat (Organisator)“ (deutsche Übersetzung von Císarˇová, in: Eser/Huber/Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 61, 68). Demgegenüber ist die Bezeichnung des Organisators gem. Art. 27 Abs. 3 des ukrainischen StGB von 2005 nicht auf denjenigen beschränkt, der eine Straftat organisiert oder eine organisierte Gruppe oder verbrecherische Organisation gründet oder leitet, sondern erfasst bemerkenswerterweise auch denjenigen, der die Finanzierung der verbrecherischen Tätigkeit einer organisierten Gruppe oder verbrecherischen Organisation gewährleistet. 235 Um eine Vermischung dieser beiden Funktionen zu vermeiden, wird versucht, die Rolle des Organisators anders zu umschreiben. So reduzierte zum einen der Theoretische Entwurf eines StGB die Rolle eines Organisators auf das Leiten bei der Vorbereitung und bei der Verwirklichung einer Straftat (Kelina/Kudrjavzev, Strafgesetz: Versuch einer theoretischen Modellierung, S. 101). Zum anderen wurde auch vertreten, Organisator sei nicht nur derjenige, der eine Straftat organisiert, sondern auch derjenige, der diese Straftat unmittelbar und neben den in die Straftatbegehung von ihm Einbezogenen ausführt sowie derjenige, welcher die Tatausführung leitet, und zwar unabhängig davon, ob er sich an der physischen Verwirklichung des Tatbestandes beteiligt oder lediglich zum Erfolg der verbrecherischen Tätigkeit beiträgt (Kovalev, Beteiligung an der Straftat, 2. Teil, S. 125). Eine solche extensive (rollenüberschneidende) Funktion des Organisators konnte sich allerdings nicht durchsetzen. Ferner zu anderen Begriffen des Organisators Koslov, Beteiligung, S. 114 ff. 236 Kudrjavzev/Luneev/Naumov, Strafrecht Russlands Allgemeiner Teil, S. 260. 237 Kudrjavzev/Luneev/Naumov, Strafrecht Russlands Allgemeiner Teil, S. 256. 238 Vgl. Kudrjavzev/Luneev/Naumov, Strafrecht Russlands Allgemeiner Teil, S. 277. 239 Dannert, Die finale Handlungslehre Welzels im Spiegel der italienischen Strafrechtsdogmatik, S. 63.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
zum anderen stellen gleich mehrere Autoren241 die leitende Täterschaft i. S. d. Art. 16 des polnischen StGB (i. d. F. von 1969)242 und Art. 18 § 1 des geltenden polnischen StGB (1997)243 dar. Beide Figuren weichen von dem im russischen StGB als Beteiligungsform konstruierten Organisator ab. Denn sowohl im Kontext des Einheitstätersystems des italienischen Strafrechts als auch im polnischen StGB ist mit der leitenden Funktion eine Täterschaft verbunden. Insbesondere die rechtsvergleichend angelegte Abhandlung von Wolf und Zboralska zeigt, dass die leitende Täterschaft des polnischen Strafrechts in einigen Fällen zwar mit der deutschen mittelbaren Täterschaft zusammenfällt244, jedoch auch Fälle der Anstiftung und Beihilfe darstellen kann245. Obwohl die Rechtsfigur gerade aus der Ablehnung der mittelbaren Täterschaft entstanden ist246, wird sie heute durchaus in Anlehnung an die Tatherrschaftslehre begründet247. Dies stößt aber dort auf Kritik, wo es um Konstellationen geht, in denen der leitende Täter die Tätigkeiten anderer Personen organisiert und plant, aber selbst an diesen verbrecherischen Tätigkeiten nicht teilnimmt248.
240 Art. 112 Nr. 2 des italienischen StGB lautet: „Die für die strafbare Handlung zu verhängende Strafe wird erhöht: 2. für denjenigen, der [. . .] die Mitwirkung an der strafbaren Handlung veranlasst oder organisiert oder die Tätigkeit der Teilnehmer an derselben strafbaren Handlung geleitet hat“ (deutsche Übersetzung in: Riz, Das italienische Strafgesetzbuch, S. 89 ff.). 241 Wolf/Zboralska, in: Wolf, Kriminalität im Grenzgebiet, Bd. 5/6, S. 121; Wa˛sek, in: FS-Roxin, S. 1457; ders., ZStW 90 (1978), 530; Spotowski, Erscheinungsformen der Straftat im deutschen und polnischen Recht. 242 Art. 16 des polnischen StGB (1969) lautete: „Wegen Täterschaft ist nicht nur verantwortlich, wer eine Straftat allein oder gemeinsam mit einer anderen Person begeht, sondern auch, wer die Ausführung der verbotenen Tat durch eine andere Person leitet“ (deutsche Übersetzung in: Wolf/Zboralska, in: Wolf, Kriminalität im Grenzgebiet, Bd. 5/6, S. 121, 122). 243 Art. 18 § 1 des geltenden polnischen StGB (1997) lautet: „Wegen Täterschaft ist nicht nur strafbar, wer die verbotene Tat allein oder gemeinsam mit einer anderen Person begeht, sondern auch, wer die Ausführung der Tat durch eine andere Person leitet“ (deutsche Übersetzung in: Weigend, Das polnische Strafgesetzbuch, S. 43; Wolf/Zboralska, in: Wolf, Kriminalität im Grenzgebiet, Bd. 5/6, S. 121, 121). 244 Wolf/Zboralska, in: Wolf, Kriminalität im Grenzgebiet, Bd. 5/6, S. 121, 144; Wa˛sek, in: FS-Roxin, S. 1457, 1460 f.; ders., ZStW 90 (1978), 530, 547 f.; Spotowski, Erscheinungsformen der Straftat im deutschen und polnischen Recht, S. 144. 245 Wolf/Zboralska, in: Wolf, Kriminalität im Grenzgebiet, Bd. 5/6, S. 121, 145. Täterschaft erscheint insbesondere dann fraglich, wenn es bei der „leitenden Täterschaft“ um Situationen geht, in denen der leitende Täter die Tätigkeiten anderer Personen organisiert und plant, aber selbst an diesen verbrecherischen Tätigkeiten nicht teilnimmt (vgl. m.w. N. Wolf/Zboralska, in: Wolf, Kriminalität im Grenzgebiet, Bd. 5/6, S. 121, 141). 246 Wolf/Zboralska, in: Wolf, Kriminalität im Grenzgebiet, Bd. 5/6, S. 121, 137. 247 Wa˛sek, in: FS-Roxin, S. 1457, 1461: „In der herrschenden Lehre und in der Rechtsprechung wird für die leitende Täterschaft zur Voraussetzung gemacht, dass der mittelbare Täter über den Verlauf, die Entwicklung und Richtung der Ausführung der verbotenen Tat jeweils Kontrolle behält“.
B. Die Beteiligung in führender Rolle
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d) Die rechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten zur Erfassung von Führungsrollen innerhalb organisatorischer Zusammenschlüsse hängen von Rechtssystem und Dogmatik ab; maßgeblich ist, wie man die Beteiligungen, die außerhalb des tatbestandlichen Handlungsgeschehens stattfindenden, in ihrer Bedeutung jedoch über Anstiftung und Beihilfe hinausreichen, in das Schema von Täterschaft und Teilnahme einordnet. Der Vorteil, die führende Stellung als eine Teilnahmeform zu sehen, besteht dabei darin, sie zwischen dem Anregen eines freien Tatentschlusses und der Herrschaft über die Tatausführung abgestuft zu erfassen. Auf diese Weise lassen sich komplexere Beziehungen von Unter- und Überordnung, wie sie gerade in Organisations- und Gruppenstrukturen auftreten, abbilden. II. Die Beteiligung als Hintermann 1. Tatbestandlich werden die Organisationsrollen des Rädelsführers und des Hintermanns stets – vgl. §§ 84 Abs. 1, 85 Abs. 1, 129 Abs. 4 und 129a Abs. 4 StGB – nebeneinandergestellt. Gleichwohl ist die Figur des Hintermanns im Vergleich zu anderen Beteiligungsrollen bei Organisationsdelikten relativ neu249; sie erscheint zuerst in § 129 StGB i. d. F. von 1951. Mit ihrer Einführung war beabsichtigt, wie die Beratungen zum Entwurf des 1. StrÄG offenlegen, denjenigen zu erfassen, der nicht Mitglied der Verbindung ist und darauf bedacht ist, nach außen nicht in Erscheinung zu treten. So in einer Distanz zu der Verbindung stehend sollte der Hintermann aus dem Hintergrund heraus eine maßgebende Rolle spielen, indem er geistig oder wirtschaftlich Wesentliches für die Zwecke und Tätigkeiten der Verbindung beiträgt. Als Beispiele für solche Beiträge werden die Erteilung von Weisungen und die Sicherung des Fortbestehens der Verbindung durch erhebliche finanzielle oder technische Unterstützung genannt; mit kleineren Geldzuwendungen erfülle man dagegen lediglich den Tatbestand des Unterstützens. Mit anderen Worten: Als Hintermann wird derjenige begriffen, auf den, wenn er Mitglied der Verbindung wäre, die Bezeichnung „Rädelsführer“ zuträfe; insofern erscheint die Gleichstellung mit jenem wiederum gerechtfertigt.250 248 Vgl. m.w. N. Wolf/Zboralska, in: Wolf, Kriminalität im Grenzgebiet, Bd. 5/6, S. 121, 141. Diese „extensive Auffassung“ der leitenden Täterschaft schreibt Wa˛sek der m. M. zu (Wa˛sek, in: FS-Roxin, S. 1457. 1461 f.), während er in einem früheren Aufsatz mit dem Titel „Strafbare Mitwirkung im polnischen Recht“ (Wa˛sek, ZStW 90 (1978), 530) die Meinung „zweier Hauptvertreter unserer Doktrin“ teilte, nach der die leitende Täterschaft dann vorläge, wenn die Tat „von einer Person, welche an der unmittelbaren Realisierung der verbotenen Tat nicht teilnimmt, geleitet“ wird (m.w. N. Wa˛sek, ZStW 90 (1978), 530, 548 f.). Vielmehr wäre (so Wa˛sek, ZStW 90 (1978), 530, 549) die Leitung der Ausführung einer Straftat im Stadium ihres Versuchs oder ihrer Vollendung bereits nach allgemeinen Grundsätzen als Mittäterschaft erfasst. 249 von Weber, MDR 1951, 517, 521; Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 281 f. 250 BT-Drs. 1/1307, S. 43. Anders – jedoch durch die neuere Rechtsprechung überholt – OLG Neustadt OJs 1/53: Unter den Worten Rädelsführer und Hintermann könne
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
2. Wenn der Gesetzgeber intendierte, mit dem Hintermann eine Figur im Hintergrund der Vereinigung, die nicht nach außen tritt, zu beschreiben, ist dieses Abgrenzungskriterium im Sinne einer Tarnung der Tätigkeit nicht weiterverfolgt worden251. Dagegen wird der Hintermann nach allgemeiner Ansicht insofern als ein Außenstehender begriffen, als mit ihm eine organisationsbezogene Rolle eines Nichtmitglieds beschrieben ist. In den Mittelpunkt der Abgrenzung wird jedoch das Kriterium eines wesentlichen Beitrages gestellt. Dem entsprechen einerseits die Umschreibungen der Rolle in der Literatur, der Hintermann sei, wer sich als Außenstehender in maßgebender Weise für die Vereinigung betätigt252; die Vorschrift sei insoweit auf die Erfassung von Personen angelegt, die ausschlaggebenden Hilfen finanzieller oder sonstiger Art leisten253. Andererseits entspricht dies auch der einschlägigen Rechtsprechung. Der BGH schloss beispielsweise aus der technischen Leitung von Druckarbeiten bzw. dem zeitlichen und mengenmäßigen Umfang dieser Arbeiten darauf, dass der Täter eine verbotene Parteiorganisation der KPD maßgeblich gefördert und zu ihrer Fortführung beigetragen hat; dies führte zu einer Verurteilung als Hintermann nach § 90a a. F. StGB254. Die Einstufung von Druckarbeiten (für die KPD255) als Tätigkeit eines Hintermanns zeigt im Vergleich zu den bereits im Rahmen der Rädelsführerschaft herangezogenen Beispielen, bei denen die Leistung von Druckarbeiten (für die FDJ256) eine Strafbarkeit als Rädelsführer begründen sollte, wiederum die Nähe dieser Organisationsrollen. 3. Eine Grenzziehung zwischen dem Hintermann und dem Rädelsführer soll also wesentlich anhand des Verhältnisses von Außen- und Innenstehendem erfolgen257: Der Hintermann wird hinsichtlich der Wesentlichkeit des Beitrages zwar einem Rädelsführer gleichgestellt, der Unterschied dieser Beteiligungsrollen liege jedoch darin, dass dem Hintermann als Nichtmitglied eine dem Unterstützer vergleichbare organisationsbezogene Rolle zugewiesen ist258. Aufgrund des-
nur ein Stufenverhältnis der Beteiligung verstanden werden, wobei Rädelsführer den Hauptakteur bezeichnet, während als Hintermann derjenige anzusehen sei, der als untergeordnetes Organ laufend diene oder durch einen einmaligen erheblicheren Beitrag die Ziele mehr fördere, als es das einfache Mitglied tut (zit. nach W. Wagner, GA 1960, 193, 201). 251 Vgl. BGH 3 StR 21/57 vom 26. Juni 1957; LK/Krauß, § 129 Rn. 174. 252 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 174. 253 M.w. N. MK/Miebach/Schäfer, § 129 Rn. 121; LK/Krauß, § 129 Rn. 174. 254 BGH 3 StR 24/60 vom 25. Juli 1960 „Druckarbeiten für KPD“: Der Angeklagte nahm die Stellung eines technischen Leiters der Druckerei ein, in der die Druckarbeiten für die verbotene KPD erledigt wurden. Ihm oblagen die technische Beratung und die Überwachung der gesamten Arbeitsvorgänge; er leitete neben dem Inhaber der Druckerei die übrigen Beteiligten bei ihrer Tätigkeit an der Druckarbeit. 255 BGH 3 StR 24/60 vom 25. Juli 1960. 256 BGH 6 StR 92/55 (überliefert von W. Wagner, GA 1960, 193, 200); vgl. S. 56. 257 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 174.
B. Die Beteiligung in führender Rolle
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sen ist die Figur des Hintermanns der Schwierigkeit ausgesetzt, sowohl vom Rädelsführer als auch vom Unterstützer abgegrenzt zu werden. Die Beteiligungsrolle des Rädelsführers ließ sich im Vorstehenden dadurch kennzeichnen, dass der organisatorische Zusammenhalt der Vereinigung durch den Rädelsführer aufrechterhalten wird. Durch ihn werden die einzelnen Beteiligten organisatorisch tatsächlich zusammengefasst. Auf diese Weise konnte der Rädelsführer als eine Organisationsrolle bezeichnet werden, die qualitativ über die Mitgliedsrolle hinausgeht. Obwohl im Tatbestand der §§ 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 StGB nicht nur vom Rädelsführer, sondern auch vom Hintermann gefordert ist, den organisatorischen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten, kann der Hintermann eine derart verbindende Funktion nicht einnehmen. Zwar erscheint es möglich, dass die Organisation in ihrem Bestand von einer Unterstützungsleistung wesentlich abhängt259, jedoch bleibt dieser Beitrag funktional eine Unterstützung. Die funktionale Differenz zwischen mitgliedschaftlicher Beteiligung und Führungsrolle (Rädelsführer) lässt sich auf das Verhältnis von Unterstützer und Hintermann nicht übertragen. Damit kann der Hintermann nicht als eine von dem Unterstützer qualitativ abgrenzbare Beteiligungsrolle beschrieben werden; d. h., für den Hintermann lässt sich im Verhältnis zum Unterstützer kein Merkmal angeben, das eine eigenständige Rolle des Hintermanns begründet, ohne die Rolle des Unterstützers – lediglich als einen besonders schweren Fall – zu intensivieren. 4. Während in § 129 Abs. 4 StGB die Strafschärfung für den Hintermann pauschal auf alle Beteiligungsrollen des Abs. 1 Bezug nimmt, wenn auch begrifflich sich auf die Beteiligung der Nichtmitglieder beschränkt, zeigt sich bei § 129a StGB ein Widerspruch bereits im systematischen Aufbau260. Denn wenn der Hintermann einen Außenstehenden bezeichnet, der nicht als Mitglied wie ein Rädelsführer, sondern wie ein Unterstützer von außen fördert, fehlt es für die Strafzumessungsregel des § 129a Abs. 4 StGB an einer tatbestandlichen Grundlage. Das folgt daraus, dass der Wortlaut des § 129a Abs. 4 StGB ausdrücklich auf den Fall verweist, dass der Täter „in den Fällen des Absatzes 1 und 2“ bzw. „den Fällen des Absatzes 3“ zu den Rädelsführern oder Hintermännern gehört. Damit wäre lediglich derjenige Hintermann erfasst, der eine Vereinigung gründet oder 258 C ˇ opic´, Grundgesetz und politisches Strafrecht neuer Art, S. 156 f.; zur Übersicht der Rechtsprechung s. W. Wagner, GA 1960, 193, 201 f. 259 Vgl. bei §§ 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 das „Aufrechterhalten“ im Unterschied zu §§ 84 Abs. 2, 85 Abs. 2: „organisatorischen Zusammenhalt unterstützt“. 260 Helm, StV 2006, 719, 723; LPK/Kindhäuser, § 129a Rn. 13; Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 540. Helm schlägt dabei vor, dieses Ergebnis dadurch zu korrigieren, den Wortlaut des § 129a Abs. 4 StGB so zu interpretieren, dass mit „den Fällen der Absätze 1 und 2“ bzw. „den Fällen des Absatzes 3“ die dort bezeichneten Vereinigungen, nicht aber die die genannten Tathandlungen gemeint seien (Helm, StV 2006, 719, 723). Zum Vorschlag einer neu strukturierten gesetzlichen Fassung zur Beteiligung als Rädelsführer und Hintermann im Rahmen des § 129a StGB s. Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 558, 560.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
sich als Mitglied an ihr beteiligt. Denn in § 129a StGB ist – anders als in § 129 StGB – die Beteiligung vom Unterstützer und Werbenden an einer Vereinigung systematisch erst in Abs. 5 erfasst. Ohne Bezugnahme auf § 129a Abs. 5 StGB lässt sich aber die Rolle des Hintermanns i. S. v. § 129a Abs. 4 StGB von einem Rädelsführer nicht mehr unterscheiden, sodass kein relevanter Anwendungsbereich261 verbleibt. III. Das Gründen 1. Beteiligung im Gründungsstadium als organisationsbezogenes Verhalten Das in den Tatbeständen der §§ 129 Abs. 1, 129a Abs. 1, 2 StGB erfasste Gründen einer Vereinigung ist auf eine künftige Organisation bezogen. Ein derart umschriebener Organisationsbezug im Gründungsstadium impliziert, dass sich das Gründen einerseits von den Organisationsrollen einer bestehenden Vereinigung unterscheidet. Zwar ließe sich schon damit das Gründen als eine eigenständige Rolle rechtfertigen. Jedoch wird andererseits das Gründen erst dadurch zu einer Organisationsrolle, dass die Existenz einer funktionsfähigen organisatorischen Struktur, mithin das Bestehen einer Vereinigung, als Erfolgsmoment des tatbestandsmäßigen Gründens gefordert ist262. Bereits im Gründungsstadium stellt somit das organisationsbezogene Verhalten ein Beteiligen mehrerer im Sinne der partizipatorischen Zurechnung dar263. 2. Gründen als Beteiligung in führender Rolle Im Mittelpunkt der Beteiligung im Gründungsstadium steht die Frage, ob jeder, der an der Gründung mitwirkt, diesen Tatbestand erfüllt oder lediglich derjenige, der dabei eine richtungsweisende oder führende Rolle264 einnimmt bzw. einen entsprechenden Beitrag265 leistet.
261
Vgl. zu einer Strafschärfung für den Gründer gem. § 129a Abs. 4 StGB s. S. 71. LK/Krauß, § 129 Rn. 101. 263 Dass die Organisationsbezogenheit teilweise subjektiv verlaufen kann, folgt lediglich aus der Struktur des Gründens als Erfolgsdelikt bei gleichzeitiger Versuchsstrafbarkeit. Der strafbare Versuch beschränkt sich bei kriminellen Vereinigungen explizit auf die Tatbestandsalternative des Gründens (§ 129 Abs. 3 StGB), während bei terroristischen Vereinigungen gem. § 129a Abs. 1, 2 StGB der Versuch nach allgemeinen Regeln der §§ 12 Abs. 1, 23 Abs. 1 StGB strafbar ist. 264 BGH, NJW 1954, 1254, 1254. 265 Dazu, dass nicht die Person des am Gründungsvorgang Beteiligten, sondern ein Beitrag für das Zustandekommen der Vereinigung weiterführend und richtungsweisend sein soll, s. Schäfer/Feilcke, NStZ-RR 2008, 297, 299. Daraus folge, dass „so verstanden ein Tatbeitrag durchaus eine weiterführende Wirkung für die Gründung entfalten 262
B. Die Beteiligung in führender Rolle
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a) Diese Problematik folgt daraus, dass das Tatbestandsmerkmal des Gründens die Beteiligung im Gründungsstadium zu einer Beteiligungsrolle vereinheitlicht, anstatt sie – entsprechend den Organisationsrollen einer existenten Vereinigung – weiter zu untergliedern. Ein in tatsächlicher Hinsicht differenziertes Beteiligen mehrerer im Gründungsstadium trifft folglich auf das tatbestandlich unspezifische Gründen. Dass im Gründungsstadium in tatsächlicher Hinsicht verschiedenartige Beiträge erbracht werden können, zeigen bereits die wenigen Beispiele aus der Rechtsprechung des BGH zum Tatbestand des Gründens; hier können neben Personen, die eine Gründungsversammlung zusammenrufen und leiten, andere auftreten, die sich zum Begehen von Bezugstaten bereit erklären oder sonstige Leistungen versprechen, und außerdem können Dritte bei der Gründungsversammlung schlicht anwesend sein266. b) Auf eine Einschränkung des Beteiligtenkreises im Gründungsstadium deuten zunächst historische Anknüpfungspunkte hin, sofern frühe Organisationstatbestände „(An-)Stifter“ und „Vorsteher“ als Organisationsrollen mit erhöhter Strafwürdigkeit gleichstellten; so etwa wenn Art. 149 des württembergischen StGB von 1839 vorsah, den Stifter wie einen Vorsteher schärfer als „übrige Genossen“ zu bestrafen. Entsprechend bestimmte § 631e StGB für das Großherzogtum Baden von 1868: „Gegen die Anstifter und Vorsteher [. . .] kann die Strafe bis zum Doppelten erhöht werden“. Eine derartige Einstufung des Gründers (Stifters) neben dem Vorsteher setzte sich über die §§ 98, 99 des preußischen StGB von 1851 bis hin zu den Vorschriften der §§ 128, 129 RStGB fort. Die heutigen §§ 129 Abs. 1, 129a Abs. 1, 2 StGB weisen jedoch eine andersartige Struktur auf267, insofern dass diese Tatbestände nicht nur im Wortlaut („wer eine Vereinigung gründet“) keine führende Rolle voraussetzen, sondern das Gründen vielmehr auf eine Ebene mit dem mitgliedschaftlichen Beteiligen stellen. Gleichwohl wird auch hier überwiegend die Beteiligung im Gründungsstadium weiter eingeschränkt: Vereinzelt ist zwar vertreten worden, dass jeder am Gründungsvorgang Mitwirkende wegen Gründens uneingeschränkt strafbar sei268. Auch Rudolphi und Stein halten ein führendes Mitwirken für nicht erforderlich, lassen allerdings den blo[kann], auch wenn er im Verhältnis zu den Beiträgen anderer Gründer von lediglich untergeordneter Bedeutung ist“ (Schäfer/Feilcke, NStZ-RR 2008, 297, 299). 266 BGH, NJW 2006, 1603, 1603 „Freikorps-Fall“. Aus dem Sachverhalt wird hier ersichtlich, dass von einem der Angeklagten die Versammlung zusammengerufen wurde, auf der nach seinen Vorschlägen die Vereinigung „Freikorps“ gegründet wurde. Dabei erklärten sich einige an der Gründungsversammlung Beteiligte zur Teilnahme an Anschlägen bereit und wirkten in der Folgezeit auch an verschiedenen Taten mit. Andere stimmten den Plänen zwar grundsätzlich zu, wollten jedoch selbst lediglich Fahrerdienste leisten. 267 Vgl. ferner § 127 StGB, der das „Bilden“ einer bewaffneten Gruppe unter Strafe stellt. 268 Dreher37, § 129 Rn. 4; aufgegeben in Tröndle/Fischer51, § 129 Rn. 23.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
ßen Beitritt als Gründungsmitglied nicht genügen269. Durch die Rechtsprechung des BGH270 und seitens der h. M. im Schrifttum271 wurde jedoch das Gründen auf eine führende und richtungweisende Mitwirkung beschränkt. Der BGH hat hinsichtlich dieser Anforderung klarzustellen versucht, dass damit nicht ausschließlich Gründungsaktivitäten führender Personen erfasst werden sollten; vielmehr sei nur „eine wesentliche Förderung der Gründung verlangt, also ein für das Zustandekommen der Vereinigung weiterführender und richtungsweisender Beitrag“ 272. c) Jeder dieser Ansichten liegt eine bestimmte Abgrenzung gegenüber anderen Organisationsrollen zugrunde. Diese bestimmt sich in erster Linie hierarchisch in Relation zum Rädelsführer sowie horizontal gegenüber der mitgliedschaftlichen Beteiligung. Aus der Sicht des BGH unterscheidet sich das Gründen sowohl vom Beteiligen als Mitglied als auch von der Rädelsführerschaft. Hierfür hat der BGH hinsichtlich des horizontalen Verhältnisses seine frühere Auffassung aufgegeben, die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Vereinigung umfasse auch die Beteiligung des Mitglieds an der Gründung der Vereinigung273. Das Gründen einer Vereinigung weise vielmehr einen im Verhältnis zur Beteiligung als Mitglied selbstständigen Unrechtsgehalt auf274. Während aber im horizontalen Verhältnis die Beteiligung als Mitglied und das Gründen der Vereinigung nebeneinanderstehen, wenn die Beteiligung als Mitglied an das Gründen unmittelbar anschließt, sollen Gründen und Rädelsführerschaft gleichzeitig vorliegen können. Denn im hierarchischen Verhältnis sei es möglich, unter den im Gründungsstadium Beteiligten denjenigen als Rädelsführer zu erfassen, der beispielsweise eine Versammlung zum Zweck des Gründens der Vereinigung zusammengerufen hat275. Folglich nimmt der BGH die Einordnung des Gründens im horizontalen und hierarchischen Verhältnis in einer Weise unterschiedlich vor, mit der sich die Gefahr verbindet, die charakteristischen Merkmale der betroffenen Organisationsrollen zu unterlaufen. Denn einerseits bestimmt sich das Verhältnis zwischen der Beteiligung als Mitglied und als Rädelsführer danach, dass die Mitgliedschaft in einer Vereinigung
269
SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 14. BGH, NJW 1954, 1254, 1254; klarstellend BGH, NJW 2006, 1603, 1604. 271 M.w. N. Scheiff, Wann beginnt der Strafrechtsschutz gegen kriminelle Vereinigungen (§ 129 StGB)? S. 90, Fn. 442. 272 M.w. N. BGH, NJW 2006, 1603, 1604; der BGH weiter: „So verstanden kann ein Tatbeitrag durchaus eine weiterführende Wirkung für die Gründung entfalten, auch wenn er im Verhältnis zu den Beiträgen anderer Gründer von lediglich untergeordneter Bedeutung ist“. 273 BGH, NStZ 2004, 385, 385. 274 BGHSt 54, 216, 235. 275 BGH, NJW 2006, 1603, 1603, 1604. 270
B. Die Beteiligung in führender Rolle
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notwendig zur Struktur der Rädelsführerrolle gehört276. Andererseits ist das Gründen selbst der Existenz der Organisation vorgelagert und findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem nicht nur die Beteiligung als Mitglied, sondern (damit zugleich) auch die als Rädelsführer (noch) nicht vorliegen kann. Somit grenzt sich die Figur des Gründers gegenüber anderen Organisationsrollen durch ihre zeitliche Inkongruenz ab. Als Rolle des Gründungsstadiums ist der Gründer nicht in das hierarchische Schema von Rädelsführer und Mitglied als Rollen einer bestehenden Organisation einzupassen. Vielmehr besteht die Möglichkeit, zur Abbildung von Unter- und Überordnungsverhältnissen im Gründungsstadium – in Anlehnung an Dreher277 – auf die Strafmilderungs- und Strafschärfungsvorschriften zurückzugreifen. Zum einen erfasst § 129 Abs. 4 StGB auch unbenannte besonders schwere Fälle, die sich auch auf das Gründen einer Vereinigung beziehen lassen; problematisch erweist sich hier allerdings, dass § 129a Abs. 4 StGB die besonders schweren Fälle auf Rädelsführer und Hintermann beschränkt. Zum anderen zeigen die Vorschriften der §§ 129 Abs. 5 bzw. 129a Abs. 6 StGB, die für den Fall geringer Schuld eine fakultative Strafmilderung gestatten, dass es auch untergeordnete Beiträge im Rahmen der Gründung geben kann. Im Rahmen der Strafmilderungs- und Strafschärfungsvorschriften lassen sich somit zwar unterschiedliche Verhaltensweisen im Gründungsstadium abstufen. Gleichwohl schließt dies nicht die weitere Frage aus, die vor allem im Zusammenhang mit der Ansicht entsteht, dass unter den im Gründungsstadium Beteiligten lediglich diejenigen strafwürdig seien, die führend und richtungsweisend mitwirken. Es geht bei dieser Frage darum, eine Untergrenze des strafbaren Gründens anzugeben. Diese Funktion kommt offenbar auch den Einschränkungen zu, die der BGH beim Gründen vornimmt, nämlich eine Förderung für das Zustandekommen der Vereinigung zu verlangen278, wenn er auch zugleich an der Wesentlichkeit einer solchen Förderung noch festhält. Denn geht man von einem als Förderung beschriebenen Gründen aus, ist damit sichergestellt, dass die Strafbarkeitsschwelle im Gründungsstadium nicht hinter das Charakteristikum der Organisationsdelikte, zu dem eine Förderung als Mindestbedingung der tatbestandsmäßigen Beteiligung gehört, zurückfällt. Entsprechend kann insbesondere für den in der Literatur angeführten bloßen Beitritt als Gründungsmitglied279 nichts anderes gelten, als beim grundsätzlich nicht strafbaren Eintritt in eine bestehende Vereinigung280. Für das tatbestandsmäßige Gründen ist somit entscheidend, dass 276 Dem entspricht, dass das Verhältnis von Rädelsführer und Hintermann sich nach dem Schema von Mitglied und Nichtmitglied bzw. Innen und Außen richtet, vgl. S. 80 ff. 277 Vgl. Dreher37, § 129 Rn. 4; differenzierter Fischer, § 129 Rn. 23. 278 M.w. N. BGH, NJW 2006, 1603, 1604. 279 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 101. 280 LK/Krauß, § 129 Rn. 107.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
die Beiträge im Gründungsstadium notwendige – organisatorische, voluntative, zeitliche und personelle – Merkmale des Vereinigungsbegriffs281 ausfüllen und so zum Erfolg des Gründungsstadiums in Gestalt einer existierenden Vereinigung führen.
C. Das Unterstützen Innerhalb der Binnenstruktur der organisationsbezogenen Beteiligungsrollen wird das Unterstützen als eine Förderung durch ein Nichtmitglied bzw. einen Außenstehenden dargestellt. Dieser Begriff legt nahe, den Unterstützer als NichtMitglied von den einzelnen Merkmalen der mitgliedschaftlichen Beteiligung her negativ zu begreifen. Zieht man für diese Abgrenzung das herkömmliche Schema von Innen und Außen heran, birgt dies die Gefahr, den Unterstützer als einen Außenstehenden zu einer Nicht-Organisationsrolle zu machen. Um das Unterstützen als eine organisationsbezogene Beteiligung einzuordnen, werden im Folgenden dagegen über die Innenstruktur der Organisation hinaus auch ihre Außengrenzen zu zeigen sein. Diese Vorgehensweise muss schließlich dazu führen, den Kreis der Organisationsrollen zu beschränken und gegenüber organisationsexterner Förderung, insbesondere der Beihilfe zum Beteiligen an einer Organisation, abzugrenzen. I. Das Unterstützen innerhalb der Binnenstruktur der Organisationsrollen 1. Entwicklung der Figur des Unterstützers aus dem Begriff der „Theilnahme an einer Verbindung“ Die Tatbestände der §§ 128, 129 RStGB282, die die Teilnahme an geheimen und staatsgefährdenden Verbindungen kriminalisierten, differenzierten auf der Rechtsfolgenseite hinsichtlich der Straferwartung zwischen Mitgliedern einerseits und Stiftern bzw. Vorstehern andererseits. Angesichts dieser Strafnormen stellt sich retrospektiv die Frage, ob eine Beteiligung an einer Verbindung, die einem Unterstützen im heutigen Sinne entspricht, miterfasst war. Die Fassung der Tatbestände führte in der Rechtsprechung des Reichsgerichts dazu, die Strafbarkeit von Außenstehenden vor dem Hintergrund des Mitgliedschaftsbegriffs zu problematisieren; es ging also wesentlich um die Reichweite dieses Begriffs. Im Mittelpunkt stand zunächst die Frage, ob auch Stifter und Vorsteher zu den Mitgliedern gehören müssen; d. h., ob „zur Theilnahme an einer Verbindung nothwendig die Eigenschaft als Mitglied gehöre und die Stifter und Vorsteher nur als mit erhöhter Strafe bedrohte Mitglieder den einfachen Mitgliedern gegen281 282
Zum Vereinigungsbegriff vgl. Fn. 820. Fn. 146, 147.
C. Das Unterstützen
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übergestellt seien“ 283. Das RG ging in diesem Zusammenhang bereits 1882 von einem extensiven Teilnahmebegriff aus: „Allein es ist nicht richtig, daß man nur von Mitgliedern einer Verbindung sagen könne, daß sie sich an derselben betheiligen: eine Betheiligung kann auch in anderer Weise, denn nur als actives Mitglied stattfinden, durch Förderung ihrer Zwecke, Thätigkeit für die Ausdehnung u. s. f. und verlangt mehr nicht als die durch Entfaltung irgend welcher Thätigkeit für die Entstehung, Ausbreitung, Entwicklung, Beschäftigung einer Verbindung geübte Mitwirkung“ 284. Damit erfolgte in einem ersten Schritt also – für die Strafbarkeit von Stiftern und Vorstehern – eine Ablösung des Begriffs der Teilnahme von dem der Mitgliedschaft. Im nächsten Schritt wurde der Kreis der strafbaren Teilnehmer durch einen nichtförmlichen Mitgliedschaftsbegriff erweitert. Dabei ging es noch nicht darum, die Strafbarkeit von Außenstehenden zu begründen, sondern die Mitgliedschaft materiell zu fassen. Dementsprechend wendet sich 1887 das RG einerseits dagegen, die Strafbarkeit auf eine statutenmäßige Aufnahme als Mitglied zu stützen285. Andererseits wird die Tatsache, dass „die einzelnen während der Dauer ihrer Mitgliedschaft dem irgendwie zum Ausdrucke gebrachten Willen der Gesamtheit untergeordnet seien“, als wesentliches Kriterium der Mitgliedschaft genannt286. Die Materialisierung des Mitgliedschaftsbegriffs führte allerdings zu der verwirrenden Terminologie, neben förmlichen Mitgliedern auch die bloße „Theilnahme an einer Verbindung ohne Mitgliedschaft“ zu bestrafen287. Erst 1893 stellt das RG klärend fest, dass die §§ 128, 129 RStGB nur für Mitglieder, Stifter und Vorsteher Strafen festsetzten und sie damit alle Arten der Teilnahme an einer Verbindung für erschöpfend regelten288. Die Frage nach dem Umfang der strafbaren „Theilnahme an einer Verbindung“ blieb auch in der Literatur umstritten; hier wurde, wie bereits gezeigt werden konnte289, insbesondere das Verhältnis zu allgemeinen Beteiligungsformen diskutiert290. Mit dem Ziel, eine vollständige gesetzliche Erfassung der organisationsbezogenen Verhalten zu gewährleisten291, wurde dagegen mit dem § 7 Nr. 4 des Gesetzes zum Schutze der Republik von 1922292 ein an die §§ 128, 129 RStGB an283
RGRspr 4, 422, 424. RGRspr 4, 422, 424. 285 RGRspr 9, 464, 465; RGSt 17, 193, 195. 286 RGSt 17, 193, 194. 287 Vgl. insbesondere RGRspr 9, 464, 466. 288 RGSt 24, 328, 331. 289 Dazu oben S. 44 ff. 290 M.w. N. auch Carstens, Unerlaubte Verbindungen im deutschen Strafrechte des 19. Jh., S. 87 f. 291 Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 152. 292 § 7 Nr. 4 des Gesetzes zum Schutze der Republik von 1922 lautete: „Mit Gefängnis von 3 Monaten bis zu 5 Jahren wird, soweit nicht andere Vorschriften eine schwe284
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
knüpfender Qualifikationstatbestand geschaffen, der neben der Teilnahme an einer Verbindung auch das Unterstützen kriminalisierte: zu bestrafen war derjenige, der die Verbindung oder im Dienste ihrer Bestrebungen ein Mitglied mit Rat oder Tat, insbesondere durch Geld, unterstützt. Die Teilnahme im Sinne dieser Vorschrift wurde als eine Mitgliedschaft gedeutet, für die es erforderlich sei, dass sich der Beteiligte dem Gesamtwillen der Verbindung unterordnet und dass seine Wirksamkeit für die Verbindung auf eine gewisse Dauer angelegt ist293. Das Unterstützen, worunter eine Tätigkeit verstanden wurde, die geeignet ist, die Zwecke der Verbindung zu fördern294, sollte noch keine „Theilnahme“ an der Verbindung darstellen, die damals alleine für die Beteiligung als Mitglied stand295. In derselben Weise ist in den heutigen Tatbeständen der §§ 84, 85, 109f, 127 und 129 StGB – mit Ausnahme des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB – das Unterstützen auf eine Ebene mit der Beteiligung an einer Vereinigung als Mitglied gestellt, ohne dass sich in den Strafrahmen ein unterschiedliches Gewicht der Beteiligungsverhalten widerspiegelt. Die historisch belegte strafbarkeitseinschränkende Funktion der Mitgliedschaft ist somit aufgegeben. Damit stellt sich die Frage, welche Funktion der heutige Begriff der Mitgliedschaft neben dem Unterstützen hat. Es muss also im Folgenden zunächst darum gehen, die Kriterien, mit denen der Begriff der Mitgliedschaft bestimmt wird, in ihrem Abgrenzungspotenzial gegenüber der Rolle des Unterstützers zu untersuchen. 2. Das Fördern der Organisation durch Mitglied und Unterstützer a) Das Merkmal der Wesentlichkeit der Förderung Das Beteiligen als Mitglied und das Unterstützen werden gleichermaßen als ein Fördern der Organisation definiert. Während die Förderung durch einen Unterstützer so bestimmt wird, dass sie „irgendwie“ vorteilhaft ist, ohne dass daraus ein messbarer Nutzen entstehen müsse,296 wird die Förderung, die das Mitglied der Vereinigung dieser zukommen lässt, als eine aktive Förderungshandlung297, rere Strafe androhen, bestraft, wer an einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbindung (§§ 128, 129 StGB), die die Bestrebung verfolgt, die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes zu untergraben, teilnimmt, oder sie oder im Dienste ihrer Bestrebungen ein Mitglied mit Rat oder Tat, insbesondere durch Geld, unterstützt“. 293 Kiesow/Zweigert, Gesetz zum Schutze der Republik, S. 102. 294 Kiesow/Zweigert, Gesetz zum Schutze der Republik, S. 102. 295 Kiesow/Zweigert, Gesetz zum Schutze der Republik, S. 103. 296 BGHSt 51, 345, 349; m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 133. 297 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 107; LK/Laufhütte/Kuschel, § 84 Rn. 18.
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eine für maßgeblich erklärte Förderung oder beachtliche Stärkung der Organisation298 bzw. eine Aktivität mit entsprechendem Gewicht299 gekennzeichnet. Sollte mit diesen Umschreibungen darauf abgestellt sein, dass die mitgliedschaftliche Beteiligung eine wesentliche Förderung darstellt, so scheint dabei, an das Verhältnis von Mittätern und Gehilfen gedacht zu sein. Ein Wesentlichkeitskriterium spielte insbesondere für den von Dahm und Schmidt entwickelten Vorläufer der Tatherrschaftslehre300 eine Rolle, bei dem auf Über-, Gleich- oder Unterordnungsverhältnisse abgestellt wurde. Hierbei wurde die Mittäterschaft als Entschlussbildung und Tatausführung definiert, wobei die Tatanteile einander gleichwertig sind und gegenüber der Beihilfe als übergeordnet erscheinen301. Auch innerhalb der Tatherrschaftslehre ist die Wesentlichkeit bzw. die Erheblichkeit des Beitrages integriert, wo es um den Grenzbereich zwischen der Mittäterschaft und der Beihilfe geht302. Gegen einen Wesentlichkeitsmaßstab werden allerdings auch innerhalb dieser Lehre Bedenken vorgetragen, eine gleichmäßige Verteilung der Tatherrschaft bliebe der Idealfall; wirklichkeitsnah ist das Gewicht eines Beitrages von äußeren Faktoren abhängig303. Darüber hinaus lässt sich mit dem Begriff der Wesentlichkeit nur eine Intensivierung der Förderung beschreiben, es ist jedoch nicht möglich, eine eigene Qualität des mitgliedschaftlichen Beitrags zu erfassen. Entsprechend wird vorgeschlagen, die Grenzziehung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe an dem Akzessorietätsprinzip auszurichten, indem bei der Mittäterschaft das täterschaftliche Verhalten – auch hinsichtlich eines Teilakts – das Rechtsgut direkt angreift, statt durch andere Beteiligte vermittelt zu sein304. Nicht durch ein graduelles Verhältnis des Rechtsgutsangriffs, sondern durch seine besondere Struktur werden hier die Beteiligungsformen abgegrenzt. Allerdings lässt sich eine derartige qualitative Abgrenzung insofern auf das Verhältnis der organisationsbezogenen Förderungen von Mitglied und Unterstützer nicht übertragen, dass sie sich strukturell als jeweils selbstständige (nichtakzessorische) Rechtsgutsangriffe nicht unterscheiden. Gleichzeitig kann das Gewicht der Förderungsleistung sie nicht gegeneinander qualitativ abgrenzen: Eine 298
BGH, NJW 1980, 462, 464. MK/Miebach/Schäfer, § 129 Rn. 59; LK/Krauß, § 129 Rn. 106. 300 Vgl. Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 50. 301 Dahm, Täterschaft und Teilnahme, S. 42 f.; Schmidt, Grundriss des deutschen Strafrechts, S. 161. 302 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 211 ff.; vgl. ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S. 50 f. 303 Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 375 zu dem der Diskussion der additiven Mittäterschaft entstammenden Beispiel des Erschießungskommandos: „Dadurch kommt zwar ein Ungleichgewicht in die Verteilung der Herrschaftsverhältnisse hinein, aber dieses kann niemals dahin führen, daß ein besonders schlechter Schütze zum Gehilfen des besseren wird“. 304 Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 375. 299
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wesentliche Unterstützung ist tatbestandlich, wie gezeigt, als besonders schwerer Fall mit der Figur des Hintermanns beschrieben; sie macht den Unterstützer nicht zum Mitglied. b) Die mehraktige Förderung Die organisationsbezogene Förderung kann in nur einem Fall oder für einen Zeitraum stattfinden. Gehört zur Beteiligung als Mitglied ein Dauerelement, könnte darin ein Merkmal liegen, durch welches sich die mitgliedschaftliche Beteiligung von der Unterstützung, die ein einzelnes Ereignis bleiben kann, abhebt. Das Element der Dauerhaftigkeit als Kriterium der mitgliedschaftlichen Beteiligung wirft die Frage auf, ob auch eine lediglich einmalige fördernde Tätigkeit kriminalisiert ist. Nach einem vereinzelt gebliebenen Urteil sollte schon ein einmaliger Beitrag genügen, ohne dass der Wille zur fortdauernden Tätigkeit für die verbotene Partei festgestellt gewesen wäre305. Durchgesetzt hat sich dagegen die Ansicht, die mitgliedschaftliche Beteiligung setze eine auf Dauer gerichtete, wenn auch vorerst einmalige Teilnahme am Verbandsleben306 einerseits und keine fortwährende Betätigung307 andererseits voraus. Obwohl die Dauerhaftigkeit so zu den notwendigen Merkmalen der Mitgliedschaft gezählt wird, ist damit lediglich die Intention der Beteiligung bezeichnet. Umgekehrt stellt sich die Frage, wie das mehrmalige Unterstützen zu bewerten ist. Als Beispiel kann etwa der Fall dienen, dass in unregelmäßigen Zeitabständen für eine Vereinigung Spenden abgegeben wurden, und zwar jeweils dann, wenn Gelder angefordert wurden und der Unterstützer über genügend Geld verfügte308. Das Verhältnis mehrerer Unterstützungsakte untereinander wird überwiegend in Abgrenzung zum Beteiligen als Mitglied beurteilt: Wie bereits an anderer Stelle gezeigt, wird auch das Beteiligen als Mitglied in der Rechtsprechung nicht als ein Dauerdelikt aufgefasst, weil die Mitgliedschaftsbeiträge in ganz ungleichartigen Verhaltensweisen bestehen können309. Gleichwohl werden sie durch die Mitgliedschaft zu einer rechtlichen Einheit als ein Organisationsdelikt verbunden. Wenn demgegenüber beim mehraktigen Unterstützen eine konkurrenzrechtliche Verklammerung nur nach allgemeinen Regeln für möglich gehalten wird310, be305
BGH 3 StR 15/60 vom 13. Mai 1960 (zit. nach BGH, NJW 1980, 462, 463). Bereits RGSt 17, 193, 194; m.w. N. BGH, NJW 1980, 462, 464; LK/Krauß, § 129 Rn. 106; LK/Laufhütte/Kuschel, § 84 Rn. 17. 307 Zum Fortbestehen der Mitgliedschaft in der Zeit, in der keine aktive Tätigkeit entfaltet wird, s. m.w. N. MK/Miebach/Schäfer, § 129 Rn. 61. 308 Zum Sachverhalt vgl. BGHSt 43, 312, 312. 309 Vgl. oben S. 48. 310 Es wird bei mehrfachem Unterstützen grundsätzlich Tatmehrheit angenommen, wenn sich nicht nach allgemeinen Regeln Tateinheit als eine tatbestandliche oder natürliche Handlungseinheit ergibt (zum Meinungsstand s. SSW/Patzak, § 129 Rn. 34). 306
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ruht die unterschiedliche Behandlung der organisationsbezogenen Verhaltensformen darauf, dass die mitgliedschaftliche Beteiligung auf Dauer angelegt sein muss, während eine einmalige Unterstützung ohne diese Intention möglich ist. Der BGH differenziert dagegen nicht zwischen mitgliedschaftlicher Beteiligung und Unterstützen, sondern allein danach, ob die Förderung strukturell ein Organisationsdelikt darstellt311. Entsprechend werden die Tatbestände der §§ 84, 85 StGB und des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VereinsG konkurrenzrechtlich einheitlich behandelt, weil sie sich als Organisationsdelikte auf einen organisatorischen Erfolg beziehen312 und ganze Handlungskomplexe umfassen313. Dieser organisationsbezogenen Förderung wird das Zuwiderhandeln gegen ein Betätigungsverbot gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG entgegengestellt, das der BGH als ein Ungehorsamstatbestand begreift314. Ungeachtet der Frage, ob die konkurrenzrechtliche Lösung des mehraktigen Unterstützens parallel oder im Unterschied zur mitgliedschaftlichen Beteiligung erfolgt, ermöglicht keine Position in dieser Frage darauf zu schließen, dass eine organisationsbezogene, auf Dauer gerichtete Förderung notwendig zu einer mitgliedschaftlichen Beteiligung werden muss. D. h., dass einerseits ein auf Dauer gerichtetes Unterstützen von vornherein nicht ausgeschlossen ist und dass andererseits es nicht die Intention, dauerhaft zu fördern, allein ist, die den Außenstehenden zu einem Mitglied macht. c) Das Sympathisantenphänomen Zu den wesentlichen Merkmalen, die zur Bestimmung des Mitgliedschaftsbegriffs herangezogen werden, gehört, dass sich der als Mitglied Beteiligte dem Gesamtwillen der Vereinigung unterordnet315. Hiermit können allerdings zwei verschiedene Aspekte bezeichnet werden. Erstens kann das Merkmal einer Unterordnung im Sinne einer Eingliederung in die Organisationsstruktur und der Teilnahme am Verbandsleben verstanden werden; damit sind die hierarchischen Organisationsstrukturen und die Positionierung der Beteiligten im Schema von Innen oder Außen angesprochen. Während auf die Stellung des Unterstützers im 311
BGHSt 43, 312, 314 f. BGHSt 43, 312, 314 f. 313 BGHSt 43, 312, 314. 314 BGHSt 43, 312, 314 ff. Der BGH geht davon aus, dass jede dem Betätigungsverbot widersprechende Tätigkeit tatbestandlich selbstständig erfasst ist, sodass eine Verknüpfung nur nach den Grundsätzen der natürlichen Handlungseinheit möglich sei. In dem der Entscheidung BGHSt 43, 312 zugrunde liegenden Fall habe aber zwischen diesen einzelnen Spendenleistungen kein derart enger Zusammenhang bestanden, dass sie konkurrenzrechtlich als ein einheitliches zusammengehörendes Tun erscheinen; auch verfahrensrechtliche Tatidentität, die weiter reichen kann als die materiellrechtliche Tateinheit, sei hier nicht gegeben (BGHSt 43, 312, 314 ff.). 315 Bereits RGSt 17, 193, 194; m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 20, 27, 104. 312
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Verhältnis zur Organisation gesondert einzugehen sein wird, impliziert die Unterordnung in ihrer zweiten Bedeutung, dass sich der als Mitglied Beteiligte zugleich den Zwecken und Tätigkeiten des Verbandes unterordnet. Vor dem Hintergrund dieser Differenz ließe sich eine Abgrenzung zwischen einem sich unterordnenden Mitglied und einem Sympathisanten, als welchen man den Unterstützer kennzeichnet, hinterfragen. Diese Abgrenzung beruht auf der Vorstellung, es handele sich bei Unterstützern um einen Kreis von Personen, die zwar mit den terroristischen Vereinigungen sympathisieren, die aber nicht bereit sind, für deren Zielsetzung erhebliche oder bleibende Nachteile in Kauf zu nehmen316. Ein Beispiel für ein solches Verhalten lieferte eine Kampagne der PKK, bei der sich ihre Anhänger an Behörden wenden und sich als Sympathisanten der PKK bekennen sollten. Die Teilnehmer der Kampagne unterschrieben Selbstbezichtigungsschreiben, welche deutschen Volksvertretungen, Behörden und Gerichten in großer Zahl übergeben wurden. Die Erklärungen enthielten unter anderem den Passus „Auch ich bin PKK’ler“.317 Der BGH beurteilte dieses Verhalten als Zuwiderhandlung gegen ein Betätigungsverbot gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 i.V. m. § 18 Satz 2 VereinsG für strafbar. Diesen Normen handele auch ein nichtmitgliedschaftlich und sonst nicht organisatorisch eingebundener Dritter zuwider, wenn sein Verhalten auf die verbotene Vereinstätigkeit bezogen und dieser förderlich sei318. Die vorteilhafte Wirkung der Selbstbezichtigungen liege einerseits in der persönlichen Festlegung jedes Unterzeichners, das Verbot nicht zu beachten und sich von Zuwiderhandlungen selbst durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen künftig nicht abhalten zu lassen, andererseits darin, dass eine so vermittelte Stärkung der Solidarität mit anderen potenziellen Sympathisanten für die PKK förderlich ist319. Der Sympathiebegriff, der hier angesprochen ist, meint im Allgemeinen Gemeinsamkeit, Verbundenheit, das Teilhaben an einer Beschaffenheit oder einen Zustand der Übereinstimmung320 – jeweils aufgrund gleicher Zielsetzung321. 316
BT-Drs. 7/4004, S. 6. BGH, NJW 2003, 2621; BVerfG, NJOZ 2007, 2939. 318 Im Fall der Verbreitung von Presseerzeugnissen reicht es nicht aus, wenn lediglich ohne Bezug auf die Vereinigung inhaltlich die gleichen Ziele wie von dieser vertreten werden (vgl. BGHSt 43, 41, 44 f.). Der Einzelne ist daher nicht betroffen, soweit er sich selbst für bestimmte politische Ziele einsetzt. Anderes soll aber gelten, „wenn sich für einen unbefangenen Betrachter der Eindruck ergibt, es handele sich um eine Aktion unmittelbar zu Gunsten der Vereinigung selbst. Ermächtigungen zur Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten knüpfen nicht an die Gesinnung, sondern an Bedrohungen für Rechtsgüter an, die aus konkretem Verhalten folgen“ (BVerfG, NJOZ 2007, 2939, 2943). 319 BGH, NJW 2003, 2621, 2622. 320 Deutsches Wörterbuch von J. Grimm und W. Grimm, Stichwort „Sympathie“. 321 Bei der Sympathie geht es laut Grimm’schem Wörterbuch um ein „gern Haben infolge der Verbundenheit“ und das „zielend angeschlossene Sein“ (vgl. Deutsches Wörterbuch von J. Grimm und W. Grimm, 10. Bd., Stichwort „Sympathie“). Dadurch 317
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Sein Bedeutungsgehalt liegt überwiegend322 im außerrechtlichen Bereich, etwa im Rahmen Schopenhauers Zuspitzung der Sympathie als Identität des Willens323 oder in Schelers Sympathielehre, in der Sympathie etwa in Form des Nachfühlens oder Mitfühlens als ein emotionales Verhalten begriffen wird324. Im Gegensatz zur Sympathie hat die Verbundenheit im Begriff der Solidarität eine juristische Bedeutung; sie bezeichnete ursprünglich – als ein ausschließlich juristischer Begriff325 – ein Haftungsprinzip des römischen Rechts, nach dem jeder zur Gemeinschaft Gehörige in solidum (für das Ganze) haftet326. Die Solidarität ist dementsprechend eine Figur der Schuld und der Verpflichtung, die in der Erfahrung wurzelt, „daß einer für den Anderen einstehen muß, weil alle als Genossen an der Integrität ihres gemeinsamen Lebenszusammenhangs in derselben Weise interessiert sein müssen“ 327. Sofern Sympathie und Solidarität sich als Bezeichnungen der Verbundenheit treffen, liegt zwischen diesen Begriffen auch eine erhebliche Differenz; denn für den Begriff der Solidarität werden Merkmale der Gegenseitigkeit und rechtlichen Erzwingbarkeit328 zumindest für möglich genähert man sich dem Begriff des „Sympathisanten“ an als jemandem, „der mit einer (extremen) politischen oder gesellschaftlichen Gruppe (seltener einer Einzelperson), Anschauung sympathisiert“ (Duden: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort „Sympathisant“). Musolff hat in seinem Aufsatz „Anmerkungen zur Geschichte des Ausdrucks ,Sympathisant‘ im Kontext der Terrorismus-Diskussion“ (Musolff, SuL, 1989 (64), 95, 95 ff.) die Entwicklung des Sympathisantenbegriffs und seine Mehrdeutigkeit im Sprachgebrauch gezeigt. Dabei reicht die Bedeutung von einem „Noch-nicht-Voll-Mitglied“ (d. h. einer Person, die den Terror billigt und von der zu erwarten ist, dass sie zur Unterstützung bereit ist) über den „geistigen Wegbereiter“ (als politischen, ideologischen Anhänger) bis zur Helfer-Perspektive (Unterstützer). 322 Im strafrechtlichen Kontext erscheint der Begriff der Sympathie beispielsweise beim entschuldigenden Notstand zur Beschreibung der nahestehenden Person als einer „Sympathieperson“ (Bernsmann, „Entschuldigung“ durch Notstand, S. 81 ff.; Momsen, Die Zumutbarkeit als Begrenzung strafrechtlicher Pflichten, S. 368 ff.), darüber hinaus bei der strafbaren Zustimmung zu einer Straftat (vgl. insbesondere § 140 Nr. 2 StGB), wo mit dem Begriff „Sympathisant“ eine Täterrolle bezeichnet ist, und schließlich beim Phänomen der sogenannten Gaffer-Sympathisanten, die Scheffler von den Schaulustigen am Unfall- oder Tatort dadurch unterscheidet, dass sie sich mit den Akteuren des Ereignisses identifizieren (Scheffler, NJW 1995, 232, 232). 323 Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 2, S. 599: „Demnach ist Sympathie zu definieren: das empirische Hervortreten der metaphysischen Identität des Willens, durch die physische Vielheit seiner Erscheinungen hindurch, wodurch sich ein Zusammenhang kund gibt, der gänzlich verschieden ist von dem durch die Formen der Erscheinung vermittelten, den wir unter dem Satze vom Grunde begreifen“. 324 Scheler, Wesen und Formen der Sympathie, S. 1 ff., 105 ff. 325 HWPh, Stichwort „Solidarität“. 326 HWPh, Stichwort „Solidarität“; Schmieder, Duo rei, S. 22. 327 Habermas, in: Edelstein/Nunner-Winkler, Zur Bestimmung der Moral, S. 291, 311. 328 Zur Solidarität als Rechtspflicht s. m.w. N. Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, S. 57 ff. und Kühnbach, Solidaritätspflichten Unbeteiligter, S. 52 ff.; für das Strafrecht findet der entscheidende Streit im Bereich der Notrechte statt. Zum Merkmal der Gegenseitigkeit s. m.w. N. Kühnbach, Solidaritätspflichten Unbeteiligter, S. 232.
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halten, während sie bezogen auf die subjektiv angelegte Sympathie nicht in Betracht kommen. Das Unterordnen des Beteiligten gegenüber den Zwecken und Tätigkeiten der Vereinigung kann zwar phänomenologisch Formen von Sympathie oder Solidarität annehmen. Jedoch wird von keinem Organisationsdelikt ein Merkmal subjektiver Sympathie und Solidarität im Rahmen der organisationsbezogenen Förderung gefordert. Vielmehr genügt, dass sich der Beteiligte den Zwecken und Tätigkeiten der Organisation insoweit unterordnet, als dass er sie vorsätzlich fördert. Das gilt gleichermaßen für alle organisationsbezogenen Rollen. Damit können sich das Beteiligen als Mitglied und das Unterstützen untereinander im Moment der Zweckverfolgung – als Unterordnung, Sympathie bzw. Solidarität oder als bloße Billigung im Rahmen des bedingten Vorsatzes – nicht unterscheiden; sie gleichen sich hierin als organisationsbezogene Rollen an. 3. Organisation und Organisationsumwelt a) Die bisher erörterten Abgrenzungskriterien betreffen das organisationsbezogene Fördern. Es hat sich dabei gezeigt, dass das Beteiligen als Mitglied und das Unterstützen jeweils ein förderndes Verhalten beschreiben und sich auch hinsichtlich des Gewichts, der Dauer und der Zweckverfolgung der Förderung voneinander nicht unterscheiden. Es bleibt, wie vorstehend bereits angedeutet, lediglich die Position, von der aus die Förderung erfolgt, als Abgrenzungsmerkmal zurück: Die mitgliedschaftliche Beteiligung entspräche einer Förderung „von innen“, das Unterstützen wäre als eine Förderung „von außen her“ 329 bzw. durch „außenstehende Dritte“ 330 zu verstehen. Der Grund, das Schema von Innen und Außen auf das Verhältnis von Mitglied und Unterstützer zu übertragen, liegt vermutlich in der Herkunft der Organisationsdelikte in Straftatbeständen des Vereinsrechts. Man muss in diesem Kontext davon ausgehen, dass an ein formales Kriterium, d. h. einen formalen Begriff der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, angeknüpft wurde. Zugleich hat bereits die einleitende Darstellung gezeigt, dass der Mitgliedschaftsbegriff zunehmend materialisiert wurde, wobei man sich insbesondere an dem Tatbestandsmerkmal der Teilnahme bzw. Beteiligung an der Vereinigung orientiert hat. Als Teilnahme wurde dabei jedes organisationsbezogene Fördern verstanden. Jedoch dürfte es gleichzeitig dieses Merkmal gewesen sein, das ein neues nicht förmliches Schema von Innen und Außen an das Verhältnis von Mitglied und Unterstützer herantrug. Denn die organisationsbezogenen Beteiligungsrollen wurden von den allgemeinen Beteiligungsformen mit ihrer polaren Struktur von intranem und extranem her verstanden. Vor diesem Hintergrund ist auch die häufig anzutreffende 329 330
Vgl. BGHSt 18, 296, 30; m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 110. BGHSt 43, 41, 42; LPK/Kindhäuser, § 84 Rn. 3.
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Formulierung, das Unterstützen sei eine zur Täterschaft verselbstständigte Beihilfe, zu begreifen. Die vorstehende Positionierung der Rollen innerhalb und außerhalb der Vereinigung führt zu der Schwierigkeit, die Position des Unterstützers zu erfassen. Denn im Schrifttum wird der Unterstützer strikt aus der Vereinigung herausgehalten, indem er als Nichtmitglied bezeichnet ist331. Gleichwohl kann die Unterstützung eine organisationsbezogene Förderung sein, die in Gewicht, Dauer und Zweckrichtung einer mitgliedschaftlichen Beteiligung gleichstehen kann. Die Frage ist also, wie die Stellung des Unterstützers im Verhältnis zur Vereinigung nicht nur negativ als ein Nichtmitglied, sondern positiv beschrieben werden kann. b) Der systemtheoretische Ansatz von Luhmann, mit dem sich bereits oben die organisationsbezogenen Beteiligungsrollen als Sonderbeteiligungssystem zusammenhalten ließen, hilft an dieser Stelle, die Grenze der Organisation gegenüber ihrer Umwelt erkennbar zu machen. Die Reichweite der Organisation, d. h., in welchem Umfang Entscheidungen von Personen zur Organisation gehören, bestimmt Luhmann nach Entscheidungsprämissen der Organisation. Im strafrechtlichen Kontext der Organisationsdelikte bedeutet dies, dass die Außengrenze der Organisationen soweit reicht, wie Entscheidungen durch die Zwecksetzung der Organisation als maßgebende Entscheidungsprämisse determiniert sind. Die zur Organisation gehörenden Entscheidungen werden somit in einer organisationsbezogenen Rolle getroffen.332 Man kann hier, wie Luhmann, den Begriff der Mitgliedschaftsrolle333 in einem soziologischen Sinne verwenden, der jedoch nicht mit dem tatbestandlichen Beteiligen als Mitglied gleichzusetzen ist. Vielmehr ist dadurch zunächst lediglich die Unterscheidung von Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit zur Organisation bezeichnet334, mit der sich die Organisation von ihrer Umwelt, d. h. nichtbeteiligten Dritten, abgrenzt. Jenseits dieser Grenze nach außen hin bildet die Organisation durch weitere Unterscheidungen interne Strukturen aus, sodass die der Organisation Zugehörigen mit Kompetenzen ausgestattet auftreten können335. Bei Organisationsdelikten entspricht dies der Binnenstruktur der Beteiligungsrollen. Das herkömmliche Schema vom Mitglied und Unterstützer bzw. von Innen und Außen bezieht sich somit nur auf diese Innenseite der Organisation.
331 BGHSt 32, 243, 244; LK/Krauß, § 129 Rn. 132; m.w. N. MK/Miebach/Schäfer, § 129 Rn. 81; LK/Laufhütte/Kuschel, § 84 Rn. 20. 332 Vgl. oben S. 35 f. 333 Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 81 ff., insbesondere 84 und 112 f. 334 Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 112 f., 228 f., 390 ff. 335 Dies erfolgt über die Entscheidungsprämissen der Organisation, s. Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 222 ff.; vgl. dazu oben S. 34 ff.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
Entsprechend bezeichnet die Rolle des als Mitglied Beteiligten eine solche interne Kompetenz, nämlich nach außen für die Organisation zu handeln. D. h., die soziale Relevanz des Beteiligens als Mitglied besteht darin, dass das Verhalten der Mitglieder als Verhalten der Organisation selbst erscheint. Zugleich wird dadurch erkennbar, dass die Rolle des Mitglieds für das Bestehen der Organisation notwendig ist.336 Das Unterstützen erfolgt in einer fakultativen Organisationsrolle und nicht von der die Organisation umgebenen Umwelt aus. Es muss aber, wenn es eine organisationsbezogene Beteiligungsrolle ausfüllt, von der Zwecksetzung der Organisation objektiv als determiniert erscheinen; das kann so geschehen, dass der Unterstützer durch sein Verhalten ausdrückt, dass er sich aus Sympathie oder Solidarität mit den Zwecken der Organisation identifiziert, es kann aber auch so geschehen, dass die Organisation ihre Zwecke aufdrängt, indem sie mit Druck ein Unterstützen bewirkt337. Nur wenn sich der Unterstützer als Organisationsrolle erweist, ist es formal gerechtfertigt, die Verantwortung des Unterstützers nach dem Prinzip der partizipatorischen Zurechnung zu begründen, d. h., ihn für kollektives Verhalten haften zu lassen. c) Diese Überlegungen lassen sich zusammenfassend durch zwei Abgrenzungsfragen verdeutlichen. Die erste betrifft das Binnenverhältnis zwischen der Beteiligung als Mitglied und dem Unterstützen. Auf Rudolphi geht die Auffassung zurück, Aktivitäten eines Vereinigungsmitglieds, die keine mitgliedschaftliche Beteiligung sind, als Unterstützen zu erfassen; und zwar dann, wenn die Aktivität eines Mitgliedes nicht von der Vereinigungsabrede gedeckt ist338. Diese Ansicht wird verständlich, wenn das – auf das Verhältnis von Mitglied und Unterstützer angewandte – Schema von Innen und Außen keine unüberwindbaren Gegensätze beschreibt, sondern nur verschiedene Kompetenzen innerhalb der Organisation, deren Grenzen fließend sein können339. Die zweite Frage betrifft die Abgrenzung der Unterstützerrolle von der Organisationsumwelt. Ein organisationsbezogenes Unterstützen liegt dann nicht mehr vor, wenn das Verhalten nicht mehr organisationsdeterminiert begriffen werden kann. Dabei geht es etwa um Fälle, in denen ein Geschäft mit der Organisation getätigt wird, beispielsweise Wohnraum vermietet oder Waffen verkauft werden. Hier kann es so sein, dass das Handeln nicht als ein durch die rechtswidrige Ziel336
Vgl. oben S. 43. Es kann sich nicht um einen Zwang handeln, der strafrechtlich Unrecht oder Schuld beeinflusst, insbesondere wenn der ausgeübte Druck den Grad erpresserischen Handelns erreicht (vgl. BGHSt 43, 312, 313). 338 SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 17. 339 Denn wenn ein Mitglied seine Kompetenzen überschreitet und dadurch gleichwohl der Organisation ein Vorteil entsteht, kann darin – etwa in einer über die mitgliedschaftliche Abrede hinausgehenden Geldzuwendung (SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 17) – ein Unterstützen liegen. 337
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setzung der Organisation determiniertes Verhalten aufgefasst werden kann340. Wer dabei im Kontakt zu der Organisation dem objektiven Bedeutungsgehalt nach nur nach eigenen Zielen handelt, gehört zur Organisationsumwelt341. Diese organisationsexterne Förderung ist eine Leistung aus der Umwelt342. d) Mit der positiven Beschreibung der Rolle, in der das organisationsbezogene Unterstützen erfolgt, wird man im Folgenden beobachten können, wie sich das Unterstützen von der nicht organisationsbezogenen allgemeinen Beihilfe unterscheidet. II. Das Unterstützen als eine zur Täterschaft verselbstständigte Beihilfe Die Betrachtung des Unterstützens beherrscht weitgehend die These, es handele sich dabei um „eine zur Täterschaft verselbstständigte Beihilfe“. Diesem Interpretationsansatz der Tatbestandsalternative des Unterstützens wird im Folgenden nachzugehen sein. 1. Betrachtet man die im Allgemeinen Teil in § 27 Abs. 1 StGB geregelte Beihilfe, zeigt sich, dass diese selbst historisch auf eine Verselbstständigung gegenüber täterschaftlicher Begehung zurückgeht: Diese Entwicklung lässt sich als eine Isolierung der typischen Hilfeleistung im Rahmen bestimmter Delikte zunächst zu selbstständigen Tatbeständen343 beschreiben, die dann zu einer allge340 Bereits Hepp äußerte in seiner Kommentierung zu Art. 149 Abs. 3 des Entwurfs des württembergischen StGB von 1835 die Ansicht, dass eine Bestrafung desjenigen „sehr hart“ sei, der als Nichtmitglied wissentlich einem Verein nur ein Gelass für seine Zusammenkünfte einräumt, weil man aus dem Wissen um den Zweck nicht darauf schließen könne, dass in der Absicht, den Zweck zu befördern, gehandelt wird (Hepp, Commentar über das neue württembergische StGB, II. Bd., S. 297). 341 Vgl. einerseits die Problematik der neutralen Beihilfe (zum Meinungsstand s. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 26 Rn. 218), wobei es im Text, anders als bei dieser Problematik, nicht darum geht, ob der Rahmen einer allgemeinen gesellschaftsadäquaten Rolle überschritten ist, sondern darum, ob eine besondere Rolle innerhalb der Organisation eingenommen wird. Vgl. andererseits die Möglichkeit eines intentionalen Rechtsgutsbezugs beim Tatbestandsmerkmal „sich einsetzen für“ (m.w. N. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 349). 342 Für Luhmann handelt es sich bei solchen organisationsexternen Förderungen um Beziehungen zu Kunden, Lieferanten oder um Korruption (s. Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 239, 250, 295). Auch autopoietische Systeme können nach Luhmann mit ihrer Umwelt vernetzt sein (vgl. Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 70 ff.). 343 Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 50 ff. Bloy nennt hier als anschauliches Beispiel die Verselbständigung der Strafbarkeit wegen des Verleihens von Waffen, mit denen dann ein Mensch getötet oder verletzt wurde (m.w. N. Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 52). Erklärt wird dieses Phänomen einerseits damit, dass man die Bedeutung der Mitwirkung an einem Gesamtgeschehen nicht aus dem Auge verlieren wollte, andererseits habe die starke Täterzentriertheit des deutschen Rechts zu einer Vervielfachung der Einzeltatbestände und
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
meinen Beihilferegelung generalisiert werden. Anschaulich wird dies anhand der Constitutio Criminalis Bambergensis (1507), die die Beihilfe einerseits zum ersten Mal allgemein344 und andererseits, wenigstens in Bezug auf die Falschmünzerei345, weiterhin speziell regelte. Eine dieser Entwicklung entgegengesetzte Tendenz, dass die allgemeine Beihilferegelung zum Entstehen von eigenständigen Teilnahmetatbeständen beigetragen haben könnte, lässt sich dagegen historisch kaum nachweisen346. Es wird vielmehr die Hypothese aufgestellt, dass mit einer Beihilfevorschrift selbstständige Tatbestände, die das deliktische Zusammenwirken mehrerer kriminalisieren, sogar zurückgingen347. Obwohl die Begriffsbildung der Beteiligung im allgemeinen Teil zunehmend schärfere Konturen gewann, sind solche Tatbestände nie gänzlich verschwunden348. zu einer retardierenden Tendenz bei der Entwicklung von Teilnahmeregelungen geführt (m.w. N. Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 52 f.). Zur Entwicklung der Beihilfe aus den Bandenverbrechen s. Brunner/von Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 745 ff. Bei His findet man weitere Beispiele für die Erfassung von Beihilfehandlungen in selbstständigen Tatbeständen (His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1. Teil, S. 118 ff.). 344 Art. 203 CCB „Von straff der furderung/trostung/hilff/vrsachen/vnd furschieben der mißtetter“ lautete: „Jtem So yemant einem mißtetter zu vbung einer mißtat wissenlicher vnd geuerdlicher weyß eincherley hilff vnd beystandt thut vrsach/tröstung/oder furderung/darzu gibt/wie das alles namen haben mage/ist peynlich zu straffen [. . .]“. 345 Art. 136 CCB „Straff der Muntzfelscher“ lautete: „[. . .] Die jre hewser darzu wissentlich leyhen/dieselben hewsere söllen sie damit verwürckt haben [. . .]“. Diese spezielle Beihilfevorschrift wies eine Überschneidung zur allgemeinen Norm des Art. 203 CCB auf (Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 60). Heimberger nennt die Beihilfe zur Münzfälschung allerdings als einzige Stelle innerhalb der CCB, an der abgesehen von der allgemeinen Regel des Art. 203 CCB an Beihilfe gedacht wäre (Heimberger, Die Teilnahme am Verbrechen, S. 46). Den von Art. 174 CCB („Von den jhenen/So einander in morden oder schlachtungen fursetzlich oder vnfursetzlich beystand thun“) genannten Fall, dass „etlich personen mit furgesetztem vund vereynigten willen vud mut yemant böslich zuermörden/einander hilff oder beystandt thun“, ordnet Heimberger dagegen der durch mehrere verübten Tötung zu (Heimberger, Die Teilnahme am Verbrechen, S. 48). Auch der Tatbestand des Art. 48 CCB mit der Überschrift „Von gnugsam verdacht der Jhenen So Raubern oder Dyben helffen“ ist nur als Anzeigepflicht ausgestaltet. Unbeachtet lässt er allerdings die Gefangenenbefreiung gem. Art. 205 CCB, wonach der Gefängniswächter, der „einem gefangen auß hilfft“, die Strafe dieses Gefangenen verbüßen sollte. Die der Bambergensis und Carolina nachfolgende Gesetzgebung fällt bis zur Naturrechtslehre überwiegend hinter den Stand der dort entwickelten allgemeinen Regeln der Beihilfe zurück und behandelt die Teilnahme bei einzelnen Delikten (Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 60). 346 Fincke vertritt in seiner Arbeit über das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil, dass der Gesetzgeber dann dazu überging, einzelne Teilnahmeakte darstellende Handlungen in selbstständigen Tatbeständen zu erfassen und so zu formalen Haupttaten zu machen, wenn die für die Haupttat angedrohte Strafe einer bestimmten Beteiligungsart unangemessen erschien (mit dem Verweis auf das französische Recht Fincke, Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts, S. 61 und Fn. 246). 347 Zum Rückgang der Bandendelikte vgl. Roth, Kollektive Gewalt und Strafrecht, S. 61 f.
C. Das Unterstützen
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2. Mit der Verselbstständigung der Beihilfe zur Täterschaft ist somit nicht eine historische Entwicklung gekennzeichnet. Jedoch kann mit dem Begriff „der zur Täterschaft verselbstständigten Beihilfe“ versucht sein, eine inhaltliche Übereinstimmung gegenüber der allgemeinen Beihilfe zu beschreiben. Dies impliziert wiederum ein bestimmtes Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen Teilen des StGB349. a) Die Frage nach dem Verhältnis der allgemeinen Beteiligungsregeln und Tatbestände, die eine Beteiligung mehrerer begrifflich voraussetzen, gehört zwar auch in die Diskussion zur sogenannten notwendigen Teilnahme. Ursprünglich betraf diese Problematik jedoch lediglich die Frage, ob man für die Tatbestände mit notwendiger Beteiligung auf die allgemeinen Beteiligungsregeln zurückgreifen kann, um zwischen Beteiligungsverhalten zu differenzieren350. Im heutigen Sinne geht es bei diesem Fragenkreis dagegen um eine Begründung der Straffreiheit des notwendig Beteiligten351. Nur am Rande berührt dieses Problem auch Tatbestände, in denen die Beteiligung selbstständig täterschaftlich vertypt ist; und zwar dann, wenn eine Privilegierung, die sich mit einer solchen Vertypung verbindet, durch die allgemeine Teilnahme umgangen zu werden droht352. Bei Organisationsdelikten findet sich zu dieser Problematik ein Beispiel in Gestalt des § 90a a. F. StGB. Nach dieser Vorschrift konnten sich – vor der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Organisation353 – lediglich Rädelsführer und Hintermänner wegen einer Beteiligung strafbar machen. Aus dem Umstand, dass hierdurch untergeordnete Beiträge ausgeschlossen waren, folgerte der BGH, dass eine Beihilfestrafbarkeit gleichfalls ausgeschlossen sein müsse354. 348 Es lässt sich weiterhin vermuten, dass mit zunehmender Systematisierung des Allgemeinen Teils die Tendenz in den Vordergrund rückt, die Überschneidungen (vgl. Art. 203 und 136 CCB) der allgemeinen und der speziellen Beihilfe zu vermeiden, indem im Besonderen Teil vor allem diejenigen Fälle erfasst bleiben sollten, die – wie das Beispiel der Beihilfe zum Selbstmord zeigt – nach allgemeinen Regeln straflos blieben. 349 Auch Tiedemann argumentiert aus dem Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und Besonderen Teil heraus, um seinerseits die Behandlung bestimmter Tatbestände als Fälle einer verselbstständigten Teilnahme generell für „unstatthaft“ zu erklären (Tiedemann, in: FS-Baumann, S. 7, 17). Tiedemann geht normentheoretisch davon aus, dass die Normen des Allgemeinen Teils Geltungs-, Anwendungs-, Zurechnungs- und Vorrangregeln seien, während die Normen des Besonderen Teils Verhaltensnormen darstellten (Tiedemann, in: FS-Baumann, S. 7, 10 f.). 350 Vgl. insbesondere Schütze, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 30 ff. 351 Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, S. 13; Sowada, Die „notwendige Teilnahme“ als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht, S. 18 ff. 352 Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, S. 136, 290, 294 ff. 353 Nach der Entscheidung des BVerfG griffen die §§ 47, 42 BVerfGG. 354 BGHSt 6, 159, 160; vgl. BGHSt 19, 109, 110 f.: „Dabei muß immer der Grundgedanke des § 90a StGB im Auge behalten werden: Es sollen nur die ,Drahtzieher‘, nicht aber die ,bloßen Mitläufer‘ erfasst und unter Strafe gestellt werden [. . .]. Deshalb ist auch Beihilfe zur Rädelsführerschaft nicht strafbar“.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
b) Im Mittelpunkt der These von der zur Täterschaft verselbstständigten Teilnahme steht dagegen die Frage, ob eine Teilnahme i. S. d. §§ 26, 27 StGB mit dem Argument auszuschließen ist, dass dort „wo der Gesetzgeber eine typische Beihilfehandlung zum eigenen Tatbestand erhoben hat, [. . .] § 27 StGB nicht mehr anwendbar sein“ 355 kann. Übertragen auf das Unterstützen ließe sich daraus ableiten, dass eine über die im Unterstützen tatbestandlich verselbstständigte Beihilfe hinausgehende Teilnahme ausgeschlossen ist356. Gleichwohl wird dieses Argument weniger gegen eine Anwendung des § 27 StGB auf das Gründen, das Beteiligen als Mitglied oder Rädelsführer vorgebracht357, und zwar insofern als das Unterstützen als eine universale Beihilfe zu diesen primären organisationsbezogenen Verhalten aufzufassen sei358. Die Verselbstständigungsthese beschränkt sich vielmehr in erster Linie darauf, die Möglichkeit einer Beihilfe zu einer zur Täterschaft verselbstständigten Beihilfe (also auf die Beihilfe am Unterstützen selbst) infrage zu stellen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich also, dass es hier um zwei unterschiedliche Fragenkreise geht. Der erste betrifft den Umfang der Beihilfestrafbarkeit neben dem Unterstützen einer Vereinigung. Nur mit dem zweiten verbindet sich ein Streit über die Strafbarkeitsgrenzen des Unterstützens selbst; dessen Grundlinien lassen sich folgendermaßen skizzieren: Grundsätzlich ließe sich jede Beihilfe zum Unterstützen wiederum als tatbestandsmäßiges Unterstützen (Kettenunterstützen) darstellen359. Nur bei Anwendung der Beihilferegelung käme dem Täter jedoch die obligatorische Strafmilderung nach § 27 Abs. 2 StGB zugute. Zu diesem Zweck müsste man die mittelbare Förderung der Organisation aus dem Unterstützen ausschließen und darin eine Beihilfe zum Beteiligen an der Organisation sehen; das Unterstützen wäre dann nur die unmittelbare organisationsbezogene Förderung.360 Ulrich Sommer erscheint dagegen sowohl die Kettenunterstützung als auch die mittelbare Förderung als eine „extreme Vorverlagerung“ und schließt sie nicht nur aus dem Unterstützen, sondern auch von der Anwendung des § 27 StGB aus361. c) Es finden sich aber in der neueren Rechtsprechung des BGH auch Ansätze, den Fragenkreis, inwieweit eine Teilnahme i. S. d. §§ 26, 27 StGB an Organisationsdelikten möglich ist, zu erweitern. Der BGH geht dabei von der Möglichkeit aus, im Hinblick auf Hilfeleistungen zur mitgliedschaftlichen Beteiligung zwischen allgemeiner Beihilfe und Unterstützen zu differenzieren. Danach sondere 355 Schmitt, NJW 1977, 1981, 1981. Schmitt betrachtete hierbei das Verhältnis zwischen dem Überlassen eines Ausweispapiers einerseits und der Beihilfe zum Gebrauchen eines Ausweispapiers andererseits. 356 Vgl. SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 27. 357 Zu diesen Konstellationen s. LK/Krauß, § 129 Rn. 162 ff. 358 Hierzu SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 26. 359 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 164. 360 Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129 Rn. 24. 361 U. Sommer, JR 1981, 490, 494.
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sich das Unterstützen als Organisationsdelikt von der Beihilfe dadurch ab, dass „sich ein Hilfeleisten im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB stets auf die vorsätzliche rechtswidrige Tat eines Haupttäters [bezieht], während sich das Unterstützen gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB auf die Vereinigung als solche richtet“ 362. An die Auffassung des BGH knüpft Bader an und kommt zu dem Ergebnis, eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Betätigung sei dann möglich363, wenn der Gehilfe die wesentlichen Merkmale bzw. die konkrete Gestaltung der Haupttat erfasst habe364. Diese Entwicklung gibt Anlass, über den Anwendungsbereich der §§ 26, 27 StGB bezüglich aller Organisationsdelikte einheitlich zu entscheiden. Ausgangspunkt stellt das Verhältnis vom Allgemeinen Teil des StGB zum Besonderen dar: Es muss hierfür auf das Kriterium der Organisationsbezogenheit, wie es oben entwickelt wurde, zurückgegangen werden und dieses von der Tatbezogenheit der Teilnahme weiter abgegrenzt werden. III. Das Unterstützen als organisationsbezogenes Verhalten Die allgemeine Beteiligung und die als Organisationsdelikt ausgestaltete Sonderbeteiligung lassen sich voneinander als tatbezogenes und organisationsbezogenes Verhalten unterscheiden. Die sich daraus ergebenden Differenzen formeller und materieller Art werden im Folgenden darzustellen sein. Zugleich muss der Fall des Zusammentreffens dieser unterschiedlich strukturierten Verhaltensweisen betrachtet werden. 1. Unterstützungstatbestände als Kennzeichen der Organisationsdelikte a) Es lässt sich anhand einer Reihe von Tatbeständen die Regelmäßigkeit erkennen, dass es dort, wo das Unterstützen explizit kriminalisiert ist, um die Be362 BGHSt 51, 345, 351. Während in dieser Entscheidung die im Text zitierte Überlegung nur einen Argumentationstopos bei der Erläuterung des Verhältnisses von Unterstützen und Werben bildete, ist sie in BGHSt 43, 41 unmittelbar entscheidungserheblich gewesen. Es ging in dieser Entscheidung um die Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG wegen der Verbreitung fremder Texte durch Presseerzeugnisse. Sofern der BGH als Täter der Verbreitung fremder Texte nur denjenigen ansieht, der den strafbaren Inhalt als eigene Meinungsäußerung mitträgt, erscheint ihm „der Kreis der zur Täterschaft erhobenen Beihilfehandlungen [. . .] so eng gezogen, daß in diesem Bereich von einer weitgehenden Gleichsetzung materieller Beihilfe in Gestalt fördernden Dritthandelns mit der Täterschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG nicht die Rede sein kann“ (BGHSt 43, 41, 52). Im Sinne der Entscheidung BGHSt 51, 345 entspricht der Unterschied zwischen der Tat- und Organisationsbezogenheit hier der Unterscheidung der Frage, ob „eine Unterstützung, die für die verbotene Vereinstätigkeit selbst erbracht wird, als eigenständige Beihilfe gewertet werden darf“, von der Frage, ob die Hilfeleistung zu einem organisationsbezogenen Handeln eines Dritten (einem Täter nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG) als Beihilfe erfasst werden kann (BGHSt 43, 41, 52). 363 Bader, NStZ 2007, 618, 624. 364 Bader, NStZ 2007, 618, 620 f.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
teiligung an rechtswidrigen Organisationen geht. Insofern kann ein Unterstützungstatbestand als Kennzeichen dazu dienen, Organisationsdelikte zu identifizieren. Dies verdeutlicht ein Vergleich der Tatbestände, die eine Unterstützerstrafbarkeit aufweisen (§§ 84, 85, 127, 129, 129a StGB), mit Tatbeständen, die zwar Personenmehrheiten, nicht dagegen ihr Unterstützen erfassen. Dies sind die §§ 87, 100 StGB („Regierungen, Vereinigungen oder Einrichtungen“), § 88 StGB („Sabotagegruppen“), § 99 StGB („Geheimdienste“), die §§ 121, 124, 125 StGB (Handeln „mit vereinten Kräften“, „Zusammenrottungen“ bzw. „Menschenmengen“) und die §§ 97a, 98, 100a und 109h StGB („fremde oder ausländische Mächte“). b) Diese Tatbestände lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: Die erste Gruppe bilden die Tatbestände der §§ 121, 124, 125 StGB, die eine Mehrheit von Personen betreffen, deren Zusammenschluss jedoch keine Organisationsstruktur erreicht365. Es handelt sich hier vor allem um eine räumlich vereinigte Personenmehrheit, bei der der Eindruck eines verbundenen Ganzen entsteht366. Die bloße Teilnahme an einer solchen Personenmehrheit genügt jedoch für die Strafbarkeit nicht367. Es werden vielmehr konkrete Tätigkeiten wie das Eindringen (§ 124 StGB) oder das Beteiligen an Gewalttätigkeiten (§§ 121, 125 StGB) vorausgesetzt. Es ist dabei auch nicht umstritten, dass z. B. eine Beihilfe zu einer Tat gem. § 124 StGB durch Mitwirken an der Vorbereitung geleistet werden kann und sich als Anstifter strafbar macht, wer z. B. eine noch unentschlossene Menge auf ein konkretes Angriffsobjekt hinlenkt368. In diese Reihe von Tatbeständen gehört auch § 88 StGB, der Sabotagegruppen369 erfasst. Die Norm ist im Gegensatz zu § 127 StGB, der die Beteiligung an bewaffneten Gruppen zum Gegenstand hat, so formuliert, dass ein tatbestandlich definierter Sabotageakt ausgeführt werden muss370; auch hier wird eine Teilnahme nach §§ 26, 27 StGB für möglich gehalten. Die zweite Gruppe besteht aus Tatbeständen, die zwar eine Organisation371 voraussetzen, beispielsweise in Form einer fremden Macht oder eines Geheimdienstes einer fremden Macht, jedoch erst in einem konkreten Handeln zu ihren Gunsten eine Beeinträchtigung der BRD372 sehen. So liegt beispielsweise das strafrechtliche Unrecht der geheimdienstlichen Agententätigkeit gem. § 99 StGB 365
Vgl. m.w. N. MK/Miebach/Schäfer, § 124 Rn. 11. M.w. N. MK/Miebach/Schäfer, § 124 Rn. 11 bzw. MK/Schäfer, § 125 Rn. 10. 367 MK/Schäfer, § 125 Rn. 9. 368 M.w. N. MK/Schäfer, § 124 Rn. 27. 369 Auch eine Gruppe i. S. v. § 88 Abs. 1 StGB ist durch „ein Weniger an innerer Verbundenheit“ gekennzeichnet (MK/Steinmetz, § 88 Rn. 4). 370 Sch/Sch/Sternberg-Lieben, § 88 Rn. 1; Lenckner, in: GS-Keller, S. 151, 156 f. 371 Sch/Sch/Sternberg-Lieben, § 99 Rn. 5. 372 Vgl. m.w. N. Sch/Sch/Sternberg-Lieben, § 99 Rn. 16. 366
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nicht bereits im Bestehen des Geheimdienstes selbst, sondern in einer bestimmten Tätigkeit für diesen. An dieser konkreten rechtswidrigen Handlung lässt sich wiederum eine Teilnahme nach den Regeln des Allgemeinen Teils konstruieren. Entsprechendes gilt auch für die §§ 87 und 100 StGB. Im Grenzbereich dieser Gruppe von Tatbeständen liegt allerdings § 109f StGB: Der Tatbestand des § 109f StGB hat sicherheitsgefährdende militärische Nachrichtendienste zum Gegenstand, die nicht in geheimdienstlicher Weise erfolgen373. Zum einen geht es darum, dass Nachrichten über die Angelegenheiten der Landesverteidigung für eine Dienststelle, eine Partei oder eine andere Vereinigung außerhalb der BRD, eine verbotene Vereinigung oder für Mittelsmänner solcher Vereinigung gesammelt werden (§ 109f Abs. 1 Nr. 1 StGB). Zum anderen wird bestraft, wer einen militärischen Nachrichtendienst betreibt (§ 109f Abs. 1 Nr. 2 StGB). Wie bei § 99 StGB erscheint eine Teilnahme an diesen Verhaltensweisen nach allgemeinen Regeln möglich. Allerdings erfasst der Tatbestand darüber hinaus in § 109f Abs. 1 Nr. 3 StGB denjenigen, der „für eine dieser Tätigkeiten anwirbt oder sie unterstützt“; auch hier wird das Unterstützen als eine zur Täterschaft verselbstständigte Beihilfe verstanden374. Begreift man Unterstützungstatbestände allgemein als Organisationsdelikte, ergibt sich dagegen für § 109f StGB die Besonderheit, dass sich das Unterstützen auf die Nachrichtendiensttätigkeit bezieht, nicht aber auf die dahinter stehende Organisation375. Anscheinend tritt das Unterstützen gem. § 109f Abs. 1 Nr. 3 StGB an die Stelle der allgemeinen Beihilfe. Geht man von einer organisationsdeliktsnahen Auslegung aus, zeigt sich jedoch Folgendes: Es ist nicht nur wie im Rahmen des § 99 StGB eine konkrete Tätigkeit für einen Geheimdienst, sondern das Betreiben eines militärischen Nachrichtendienstes als solches strafbar (§ 109f Abs. 1 Nr. 2 StGB). Die Strafbarkeit des Unterstützens deutet somit daraufhin, dass die Einrichtung des Nachrichtendienstes selbst als eine tatbestandliche Gefahrenquelle zu sehen ist376. In diesem Punkt nähert sich der Tatbestand des § 109f StGB einem Organisationsdelikt an.
373 LK/Schroeder, § 109f Rn. 1. Der Tatbestand ist gesetzlich subsidiär, sodass gegenüber § 99 StGB nur ein schmaler Anwendungsbereich verbleibt. 374 BGHSt 23, 308, 310; LK/Schroeder, § 109f Rn. 7. 375 LK/Schroeder, § 109f Rn. 8. 376 Obwohl auch im Tatbestand des § 109f StGB die Beeinträchtigung der Sicherheit der BRD oder die Schlagkraft der Truppe erst in einem konkreten Handeln zu Gunsten der in § 109f StGB aufgeführten Stellen liegt und diese Stellen selbst keine Bestrebungen gegen die Sicherheit der BRD zu verfolgen brauchen, lässt sich mit Schroeder eine Organisationsgefahr wie folgt konstruieren: Zum einen kann aus dem Erfordernis des „Dienens“ darauf geschlossen werden, dass, da der Täter den Bestrebungen gegen die Sicherheit der BRD dienen muss, diese bereits unabhängig von dem Täter existent sein müssen (LK/Schroeder, § 109f Rn. 10, 13). Zum anderen sind in einer Reihe mit den sonstigen Stellen i. S. d. § 109f StGB auch verbotene Vereinigungen genannt, d. h. Vereinigungen, die nach Art. 9 Abs. 2 GG verboten sind, sowie deren Ersatzorganisationen
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
c) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Verbindende der vorstehend dargestellten Tatbestandsgruppen darin liegt, dass die jeweiligen Straftaten, obwohl sie im Zusammenhang mit einer Personenmehrheit begangen werden, im Mittelpunkt ein bestimmtes rechtswidriges Verhalten haben, das singulär jedem Täter zuzurechnen ist. Ein solches Verhalten kann als konkrete Bezugstat auch die Haupttat einer Beihilfe sein. Die Tatbestände, in deren Rahmen das Unterstützen kriminalisiert ist, kennzeichnet dagegen grundsätzlich, dass das tatbestandsmäßige Verhalten organisationsbezogen ist; d. h., dass dieses sich weder auf die der Ausrichtung der Organisation entsprechenden Straftaten noch auf das Verhalten anderer an der Organisation Beteiligter bezieht. Den Bezugspunkt beim Unterstützen bildet vielmehr eine Vereinigung selbst377. 2. Organisationsbezogenes Unterstützen und tatbezogene Beihilfe a) Grenzen des rechtsgutsrelevanten Förderns Die Organisationsbezogenheit bezeichnet nicht nur formal die Ausrichtung des Verhaltens auf eine Organisation, sondern relativiert die Grenzen der strafbaren Beteiligung: Während die tatbezogene Beihilfe im Unrecht der Haupttat einen Maßstab hat, an dem die strafbare Hilfeleistung von der redundanten Beteiligung unterschieden werden kann, verschiebt sich bei Organisationsdelikten die Grenze, an der ein förderndes Unterstützen für die Vereinigung überflüssig werden könnte. Dieser Zusammenhang soll im Folgenden vor dem Hintergrund der zu einem abstrakten Gefährdungsdelikt geleisteten Beihilfe verdeutlicht werden. Inwiefern die Beihilfe sich in der fremden Haupttat niederschlagen muss, ist bekanntermaßen umstritten. So wird man das Hilfeleisten als eine kausale Bedingung für den Haupttaterfolg, als eine Förderung der Haupttat, die nicht notwendige Bedingung ihres Erfolges sein muss, oder als Erhöhung des Risikos der Haupttat begreifen können378. Unabhängig davon, wie man den Bezug zur Haupttat gestaltet, verbindet sich mit jedem dieser Kriterien eine Strafbarkeitsgrenze zwischen der förderlichen und der überflüssigen Hilfeleistung. Bei Verletzungsdelikten geht es in diesem Kontext um die Fälle, in denen der Täter die Leiter zum Tatort auch selbst hätte tragen können oder jemand bei ungestörter Tat Schmiere steht379. Die Besonderheit der abstrakten Gefährdungsdelikte, bei denen die Problematik nicht als eine Kausalitätsfrage begriffen werden kann,
und Parteien, die nach Art. 21 Abs. 2 GG für verfassungswidrig erklärt sind, sowie deren Ersatzorganisationen (LK/Schroeder, § 109f Rn. 11). 377 Vgl. BGHSt 51, 345, 351. 378 Zum Streitstand s. etwa Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 26 Rn. 184 ff. 379 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 26 Rn. 213 f.; Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 274 f., 281 f.
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liegt darin, dass die Grenze der Beihilfe bereits dann erreicht ist, wenn die tatbestandsspezifische Gefahr vollständig vorliegt: Man findet häufig den allgemeinen Hinweis, dass auch für die zur Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) geleistete Beihilfe die allgemeinen Regeln gelten380. Um die Grenze der strafbaren Beihilfe hier zu bestimmen, müssen zunächst die Faktoren benannt werden, die in ihrem Zusammenkommen die tatbestandsspezifische Gefahr bilden. Wenn sie darin besteht, dass jemand ein Fahrzeug im Straßenverkehr führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, konstituiert sich die Gefahr also aus einer Verkehrs- und eine Fahrtüchtigkeitskomponente. Als strafwürdige Beihilfe käme dann etwa einerseits das Verleihen eines Kraftfahrzeuges an einen Betrunkenen, andererseits die Abgabe von alkoholischen Getränken an einen bisher nüchternen Fahrer in Betracht. Soweit aber die beiden Gefahrkomponenten gegeben sind, liegt die tatbestandliche Gefahr in Beziehung auf die geschützten Rechtsgüter bereits vor bzw. muss jede weitere Hilfeleistung strafrechtlich als irrelevant beurteilt werden. Für die Anwendung der Beihilfevorschrift auf § 316 StGB bedeutet dies, dass, wenn der betrunkene Fahrer sich im Moment des Losfahrens strafbar macht, ein weiterer Beitrag zur Trunkenheit im Verkehr die Situation für das Rechtsgut des § 316 nicht mehr ändern kann381. Dagegen will Osnabrügge in seiner Arbeit über die „Beihilfe und ihren Erfolg“ zeigen, dass die Intensivierung der Gefahr als Erfolg des abstrakten Gefährdungstatbestandes – wie bei der Rechtsgutsverletzung – tatbestandlich relevant sein kann382. Im Bereich dieser Gefährdungsdelikte komme somit die kausale Beihilfe immer dann in Betracht, wenn der Gehilfe „die tatbestandliche Beurteilung in rechtsgutserheblicher, namentlich intensivierender Weise“ 383 verändert. Dabei konzentriert sich Osnabrügge insbesondere auf die Verursachung von Veränderungen der Gefahrintensität und sieht eine solche auch im folgenden Beispiel gegeben: A rät dem betrunkenen B, welcher in seinem Auto sitzt und mitteilt, nun über die zu dieser Zeit wenig befahrene Autobahn nach Hause fahren zu wollen, einen Weg über die Dörfer, den B dann auch wählt384. In diesem Fall 380
Sch/Sch/Sternberg-Lieben/Hecker, § 316 Rn. 27 bzw. § 315c Rn. 42. Über die Teilnahme wäre nur dann anders zu urteilen, wenn es im Rahmen der Trunkenheitsfahrt zu einer konkreten Gefährdung oder Verletzungen kommt (vgl. § 315c StGB). In diesem Fall kann die Steigerung der Fahrunfähigkeit oder das ZurVerfügung-Stellen eines leistungsstärkeren Fahrzeuges das Risiko einer konkreten Gefährdung oder Verletzung gesteigert haben. 382 Osnabrügge, Die Beihilfe und ihr Erfolg, S. 152 ff. 383 Osnabrügge, Die Beihilfe und ihr Erfolg, S. 159. 384 Osnabrügge, Die Beihilfe und ihr Erfolg, S. 156. Osnabrügge: „Der Weg über Dörfer ist [. . .] rechtsgutsintensiver, denn dort ist die Möglichkeit naheliegender, den Straßenverkehr oder konkret Menschen zu gefährden“ (Osnabrügge, Die Beihilfe und ihr Erfolg, S. 156). 381
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
aber beeinflusst die Modalität des Fahrwegs nicht mehr die vorliegenden Gefahrkomponenten. Denn der materielle Unwert des § 316 StGB besteht im Schaffen einer generellen Gefahr, ohne dass es auf den Grad ihrer Wahrscheinlichkeit ankommt. Die Entwicklung bzw. Erhöhung der Gefahr aus den gefahrgeneigten Bedingungen (Gefahrkomponenten) stabilisiert sich in einem Zustand gegenüber dem geschützten Rechtsgut. Inwieweit die Verletzung aber möglich ist, soll außer Betracht bleiben; denn selbst der größeren oder geringeren Wahrscheinlichkeit eines schädlichen Erfolges kann die Eigenschaft als abstrakte Gefahr nicht abgesprochen werden385. Mit der akzessorisch angelegten Tatbezogenheit der Beihilfe verbindet sich also, dass man bei der Haupttat bestimmte Faktoren angeben kann, bei deren Vorliegen ein Rechtsgutsangriff nicht mehr von Hilfeleistung abhängig ist. Erst mit der Ablösung der Beihilfe vom Unrecht der Haupttat lässt sich die Tatbezogenheit aufheben, so wie es Herzberg nur im Rahmen der Lehre vom Teilnehmerdelikt gelingen kann, die Beihilfe zu einem abstrakten Gefährdungsdelikt zu machen386. Bei Organisationsdelikten führt die Organisationsbezogenheit dazu, dass es für die Förderung hier keinen anderen Maßstab der Überflüssigkeit gibt als die Organisation selbst; solange diese besteht, hat das Unterstützen mithin keine Grenze387. Dies entspricht insofern der herrschenden Meinung zum Umfang des tatbestandsmäßigen Unterstützens, dass zwar eine erfolglose Tätigkeit abzulehnen sei, es jedoch bereits genüge, dass die Förderung wirksam und für die Organisation irgendwie vorteilhaft ist388. Demgemäß wird das Unterstützen als jede Tätigkeit definiert, die die Realisierung der von der Organisation geplanten Straftaten erleichtert oder die Zwecksetzung der Vereinigung fördert389; bzw. bedeutet das Unterstützen, wenn man dem gruppendynamischen Ansatz folgt, die Aufrechterhaltung oder Erhöhung des spezifischen Gefährdungspotenzials der Vereinigung auf grundsätzlich beliebigem Wege390. Der Begriff des Unterstützens gem. den §§ 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 StGB ist restriktiver, sofern sich das Unterstützen dort auf den organisatorischen Zusammenhalt statt auf eine Organisation bezieht391. Allerdings ergänzt der § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB diese Unter385
Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 157. Herzberg, GA 1971, 1, 6 f. 387 Vgl. BGHSt 51, 345, 351. Auch der BGH sieht hier eine Differenz zwischen Unterstützen und Beihilfe: Die Strafbarkeit nach § 27 Abs. 1 StGB setze voraus, dass die Haupttat in ihrer konkreten Ausgestaltung durch die Hilfeleistung gefördert oder erleichtert wird, während ein entsprechender Effekt der Unterstützungshandlung für die Vereinigung gerade nicht notwendig sei. 388 M.w. N. MK/Miebach/Schäfer, § 129 Rn. 82. 389 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 132 f.; Fürst, Grundlagen und Grenzen der §§ 129, 129a StGB, S. 111. 390 M.w. N. SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 17. 391 Eine restriktive Tendenz in der Auslegung der Unterstützung gem. §§ 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 StGB wird insofern vertreten, als nur solche Tätigkeiten strafbares Unterstüt386
C. Das Unterstützen
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stützungstatbestände um den Spezialfall des Verbreitens von Propagandamitteln. Insgesamt ergibt sich aber auch bei den §§ 84 ff. StGB keine andere Grenze: Das Unterstützen des organisatorischen Zusammenhalts und das Verbreiten von Propagandamitteln einer verbotenen Partei oder Vereinigung bleiben möglich, solange diese Zusammenschlüsse bestehen. b) Das mittelbar organisationsbezogene Fördern Zwischen tatbezogener Beihilfe und organisationsbezogenem Unterstützen besteht ein Wesensunterschied: Die tatbezogene Beihilfe weist gegenüber dem organisationsbezogenen Unterstützen nicht nur formal einen anderen Bezugspunkt auf, sondern auch materiell ist der Umfang der kriminalisierten Verhaltensweisen verschieden. Die so ausgewiesene Trennung der unterschiedlich strukturierten Verhaltensweisen muss hier jedoch zu der Frage führen, ob eine Förderung in tatsächlicher Hinsicht sowohl tat- als auch organisationsbezogen erfolgen könnte. Konkret ist zu fragen, ob die Beihilfe zum Beteiligen an einer Organisation wiederum selbst zu einem organisationsbezogenen Verhalten – zu einem Unterstützen – wird. Man wird hierfür das Argument anführen können, das Beteiligen an einer Organisation impliziere als Haupttat, dass das Hilfeleisten zum Beteiligen an einer Organisation irgendwie – hier: mittelbar – für die Organisation förderlich ist. Es ist daher erforderlich, das Verhältnis zwischen der Tat- und Organisationsbezogenheit aufzuklären. Die Problematik ähnelt auf den ersten Blick der Frage, inwieweit mittelbare Förderungshandlungen im Rahmen des § 257 StGB als Beihilfe oder täterschaftliche Begünstigung zu qualifizieren sind392. Allerdings setzt hier der Streit um die Einordnung der mittelbaren Förderung gerade voraus, dass die allgemeine Beihilfe zum Begünstigen und die mittelbare Begünstigung als auf die Begünstigung eines anderen bezogene Hilfeleistungen deckungsgleich sind393. Auch bei Delikten, die als verselbstständigte Beihilfetatbestände charakterisiert werden, besteht eine entsprechende Übereinstimmung zwischen tatbestandsmäßigem Verhalten und der Gehilfenhandlung; etwa zwischen dem Überlassen von Ausweispapieren (§ 281 Abs. 1 Alt. 2 StGB) und dem Hilfeleisten zum Gebrauch von Ausweispapieren (§§ 281 Abs. 1 Alt. 1, 27 StGB)394. Diese Tatbestände gehen in zen seien, die entweder unmittelbar oder in erheblichem Umfang die Organisation gefördert haben, nicht dagegen etwa das Zur-Verfügung-Stellen einer Schreibmaschine, auf der Rundschreiben einer Partei geschrieben werden sollen (m.w. N. Sch/Sch/Sternberg-Lieben, § 84 Rn. 16). Der Gesetzgeber hat sich zwar gegen eine Einschränkung des tatbetandsmäßigen Unterstützens durch das Merkmal „erheblich“ entschieden, immerhin jedoch „einen wirklichen organisatorischen Effekt“ gefordert (BT-Drs. 5/2860, S. 6). 392 Sch/Sch/Stree/Hecker, § 257 Rn. 14. 393 Sch/Sch/Stree/Hecker, § 257 Rn. 19 i.V. m. Rn. 23. 394 Schmitt, NJW 1977, 1811, 1811; ferner U. Sommer, JR 1981, 490, 493.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
den Grenzen ihres Anwendungsbereichs der Beihilfe grundsätzlich vor, d. h., die zur Täterschaft verselbstständigte Beihilfe verdrängt hier die allgemeine Beihilfe395. Übertragen auf die mittelbare Förderung bei Organisationsdelikten müsste dies bedeuteten: Die Tatbezogenheit der Beihilfe wäre durch die Organisationsbezogenheit ihrer Haupttat unterlaufen, sodass jede Beihilfe dann zugleich ein Unterstützen wäre396. Demgegenüber muss sich im Fall der mittelbaren Förderung bei Organisationsdelikten bei genauerer Betrachtung ergeben, dass Täter- und Teilnehmerverhalten sich zunächst nicht ausschließen. Denn das täterschaftliche Unterstützen verdrängt hier nicht das Teilnehmerverhalten, weil das tatbezogene und das organisationsbezogene Verhalten nicht kongruent sind. Das Verhältnis zwischen tatund organisationsbezogenem Verhalten ist vielmehr folgendermaßen zu bestimmen: Die Überschneidung im Fall mittelbarer organisationsbezogener Förderung führt im Ergebnis dazu, dass, neben der Beihilfe zum organisationsbezogenen Beteiligen eines anderen einerseits, zugleich andererseits die täterschaftliche Begehung des organisationsbezogenen Unterstützens in Betracht kommt. Sie berühren sich nicht in rechtlicher Hinsicht. Tatsächlich aber müsste sich für einen mittelbar Fördernden nach allgemeinen Prinzipien ergeben, dass er durch seine Stellung als Gehilfe am organisationsbezogenen Verhalten eines anderen regelmäßig von einer Täterschaft über die eigene Unterstützungshandlung ausgeschlossen sein wird397. Dem Argument, jede mittelbar organisationsbezogene Förderung sei von vornherein wiederum ein tatbestandsmäßiges Unterstützen, ist somit entgegenzuhalten, dass es zur impliziten Voraussetzung hat, dass die mittelbare Förderung konkret als Täterverhalten eingestuft werden kann.
395 Schmitt, NJW 1977, 1811, 1811; Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, S. 292, 302, 315. 396 Von dieser Überlegung ausgehend kommt Lenckner zu dem Ergebnis, dass der Beihilfe ein Freiraum dadurch zu schaffen sei, dass ein täterschaftliches Unterstützen nur vorliege, „wenn der zur Förderung der Vereinigung geeignete Beitrag dieser selbst oder über ein Mitglied unmittelbar – d. h. also nicht nur mittelbar über ihrerseits als Täter anzusehende außenstehende Dritte – geleistet wird und der Betreffende dabei über das Ob und Wie entscheidet“ (Sch/Sch26 /Lenckner, § 129 Rn. 24; Sch/Sch/Lencker/ Sternberg-Lieben, § 129 Rn. 24). Allerdings setzt Lenckners Annahme einer Kollision von Beihilfe und Täterschaft voraus, dass das Unterstützen eine zur Täterschaft verselbstständigte Beihilfe sei. 397 Vgl. zur Abgrenzung der täterschaftlichen und teilnahmeartigen Beträge im Rahmen organisationsbezogenen Verhaltens BGHSt 43, 41, 49 ff., wo es um die Beschränkung des Täterkreises der Zuwiderhandlung gegen ein Betätigungsverbot gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG insofern ging, als der Täter des Verbreitens fremder Texte durch Presseerzeugnisse den jeweiligen strafbaren Inhalt der Meinungsäußerung als eigene Meinungsäußerung bewusst mitgetragen haben muss.
C. Das Unterstützen
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c) Die Beihilfe zum Beteiligen an einer Organisation Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Beihilfe zur organisationsbezogenen Beteiligung konstruktiv möglich ist. Es lässt sich somit mit der herrschenden Meinung auch eine Beihilfe zum Gründen einer Vereinigung konstruieren. Man argumentiert an dieser Stelle vor allem damit, dass eine Organisation im Gründungsstadium noch nicht besteht. Infolgedessen könne hier das organisationsbezogene Unterstützen und Werben nicht in Konkurrenz zur Beihilfe treten398. Man kann dieser Ansicht aber entgegensetzen, dass auch das Gründen ein organisationsbezogenes Verhalten darstellt. Es wird im Gründungsstadium lediglich auf eine Differenzierung zwischen einzelnen Beteiligungsrollen verzichtet, sodass das Unterstützen zwar nicht explizit kriminalisiert ist, jedoch auch im Gründungsstadium ein Spektrum unterschiedlicher Beteiligungsrollen denkbar bleibt. Es ergibt sich für die Beihilfe am Gründen somit keine Besonderheit gegenüber anderen organisationsbezogenen Verhalten. Es bleibt im Folgenden ein abschließendes Beispiel zu bilden, um die Beihilfe am Organisationsdelikt gegenüber dem organisationsbezogenen Unterstützen abzugrenzen. Hierfür kann von dem Fall ausgegangen werden, dass jemand sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung beteiligt, indem er für die terroristische Vereinigung Geld von einem Konto auf ein anderes überweist399. Diese Überweisung wird durch einen Bankangestellten vollzogen, der sich über die Mitgliedschaft des Kunden in der terroristischen Vereinigung klar ist400. Damit sich der Vollzug der Transaktion durch den Bankangestellten als Beihilfe erweisen kann, müsste sich dieses Verhalten auf den Rechtsgutsangriff, den das Mitglied verübt, förderlich auswirken. Es ist nach der Grenze zu fragen, an der der Angriff auf das in § 129a StGB geschützte Rechtsgut gänzlich vorliegt. Die als Vollziehen der Transaktion durch einen Bankangestellten gebildete Beihilfe erscheint dabei bereits nach der Veranlassung der Überweisung überflüssig, weil hierdurch der Rechtsgutsangriff – die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied gem. § 129a StGB – bereits vollständig gegeben ist. Denn das Kreditinstitut ist zur Ausführung der Überweisungen im Rahmen des § 675f BGB verpflichtet. Allerdings ist an dieser Stelle die Vorschrift des § 11 GwG von Bedeutung. Danach ist bei Feststellung von Tatsachen, die darauf schließen lassen, dass eine Terrorismusfinanzierung (i. S. v. § 1 Abs. 2 GwG) vorliegt, das Kreditinstitut verpflichtet, die Transaktion zu unterbrechen und die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu verständigen. Insofern verschiebt sich der Punkt, an dem der Angriff auf das in § 129a StGB geschützte Rechtsgut gänzlich 398
M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 162; Bader, NStZ 2007, 618, 621. Vgl. „Motassadeq-Fall“ (Fn. 168). 400 Zu Maßstäben der „neutralen Beihilfe“ bei Bankangestellten vgl. m.w. N. BGHSt 46, 107, 109 ff. 399
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
vorliegt. Hilft der Bankangestellte die Hindernisse des GwG zu umgehen, wirkt sich dies im Rechtsgutsangriff des Haupttäters aus. Der Vollzug der Überweisung durch den Bankangestellten stellt aber auch eine mittelbare Förderung der Organisation dar. Über die Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung hinaus ließe sich das Verhalten des Bankangestellten als tatbestandsmäßiges Unterstützen der terroristischen Vereinigung begreifen; denn dafür genügt, dass die Förderung, sofern sie bei objektiver Betrachtung als durch die Zwecksetzung der Organisation determiniert erscheint401, wirksam und für die Organisation irgendwie vorteilhaft ist. Allerdings setzt dies voraus, dass die Unterstützungshandlung täterschaftlicher Begehungsweise entspricht. D. h., es müsste der in der Förderung gelegene Rechtsgutsangriff dem Bankangestellten als eigenes Verhalten zugerechnet werden. Die mittelbare organisationsbezogene Förderung durch Bankangestellte ist dagegen nach allgemeinen Prinzipien als Beitrag zu einer fremden Förderungsleistung, mithin als Beihilfe zum mitgliedschaftlichen Beteiligen an einer Organisation, einzuschätzen.
D. Das Werben Eine besondere organisationsbezogene Förderung stellt das Werben für eine kriminelle bzw. terroristische Vereinigung um Mitglieder und Unterstützer gem. den §§ 129 Abs. 1 Alt. 3 und 129a Abs. 5 Satz 2 StGB dar. Die Reichweite dieser Tatbestände hängt insbesondere mit der Frage zusammen, ob das tatbestandsmäßige Werben einen Erfolg fordert. Die Erfolgsproblematik berührt die Ausgestaltung des Werbetatbestandes in mehrfacher Hinsicht. I. Das Werben für die Vereinigung um Mitglieder und Unterstützer Mit der Einführung des Tatbestandsmerkmals des Werbens bei den Organisationsdelikten der §§ 90a und b sowie 129 StGB im Jahr 1964 war intendiert, im Fall der Werbung für eine der tatbestandsmäßigen Vereinigungen von dem Nachweis einer wirksamen und vorteilhaften Förderung zu befreien402. Allerdings war damit zugleich auch eine Ausdehnung der Strafbarkeit insofern beabsichtigt, als man erwartete, dass der Weg zu einer engeren Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Unterstützens vorgezeichnet sei. Denn mit Einführung des Werbens sei gegenüber dem Unterstützen klargestellt, dass ein erfolgloses Fördern mit Ausnahme des Werbens für die Vereinigung nicht strafbewehrt sei403. 401
Vgl. oben S. 36, 81 f. Vgl. Beratungen des Sonderausschusses „Strafrecht“ des Deutschen Bundestages, 4. Wahlperiode, 11. Sitzung vom 16. Januar 1964, S. 203, 207 ff.; Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 331. 403 Dazu Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 332. 402
D. Das Werben
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Durch die Umgestaltung des Tatbestandsmerkmals von einem Werben für die Vereinigung hin zu einem Werben (für die Vereinigung) mit dem Ziel, Mitglieder und Unterstützer zu gewinnen, sind die §§ 129 Abs. 1 Alt. 3 und 129a Abs. 5 Satz 2 StGB im Jahr 2002 strukturell den Anwerbetatbeständen angenähert worden, die typischerweise als Erfolgsdelikte ausgestaltet sind. Die Frage, der im Folgenden nachzugehen sein wird, ist jedoch, wie weit diese Annäherung reicht. 1. Werbe- und Anwerbetatbestände a) Die Tatbestandsmerkmale des Werbens einerseits und des Anwerbens andererseits lassen sich differenzierten Regelungsbereichen zuordnen; man könnte also Werbe- von Anwerbetatbeständen unterscheiden. Das Merkmal des Werbens erscheint über die Tatbestände der §§ 129, 129a StGB hinaus als Werben für den Abbruch der Schwangerschaft gem. § 219a Abs. 1 StGB, als Werben für ein öffentliches Glücksspiel gem. § 284 Abs. 4 StGB bzw. für öffentliche Lotterien oder Ausspielungen gem. § 287 Abs. 2 StGB, als Werben für Betäubungsmittel gem. § 29 Abs. 1 Nr. 8 BtMG und als irreführende und progressive Werbung gem. § 16 UWG. Das Merkmal des Anwerbens findet sich in den Tatbeständen des Betreibens eines Nachrichtendienstes gem. § 109f StGB und des Menschenhandels gem. § 233a StGB sowie beim Anwerben für einen fremden Wehrdienst nach § 109h StGB. Alle diese Vorschriften – Werbe- wie Anwerbetatbestände – haben gemeinsam, dass darum geworben wird, andere (die Werbeadressaten) für etwas (den Werbegegenstand) zu gewinnen; das ist das Endziel der Werbung. Bei Werbetatbeständen wird, ohne den Werbeadressaten direkt zu benennen, der Werbegegenstand in den Mittelpunkt gestellt: Schwangerschaftsabbrüche, öffentliches Glückspiel, Lotterie oder Betäubungsmittel. Im Gegenteil dazu übernehmen Anwerbetatbestände das Endziel in die Tatbestandsformulierung, indem sie neben dem Werbegegenstand den Werbeadressaten hervorheben. Im Wortlaut dieser Tatbestände heißt es: Zu bestrafen sei, wer einen Deutschen zum Wehrdienst zugunsten einer ausländischen Macht bzw. eine Person zur Förderung des Menschenhandelns anwirbt. Die unterschiedliche Ausrichtung der Tatbestände entscheidet darüber, ob es sich um Erfolgsdelikte handelt: Mit dem Tatbestandsmerkmal des Anwerbens verbindet sich das Eintreten eines Erfolges. In Bezug auf den § 109f StGB, der das Anwerben für eine Tätigkeit eines sicherheitsgefährdenden Nachrichtendienstes betrifft, wird von der h. M. vorausgesetzt, andere zur Mitwirkung erfolgreich zu rekrutieren404; anderenfalls käme nur ein Versuch in Betracht405. Auch bei § 109h StGB, der das Anwerben eines Deutschen zum militärischen Wehrdienst zugunsten einer ausländischen 404 405
Sch/Sch/Eser, § 109f Rn. 2; m.w. N. LK/Schroeder, § 109f Rn. 6. Sch/Sch/Eser, § 109f Rn. 2; m.w. N. LK/Schroeder, § 109f Rn. 6.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
Macht unter Strafe stellt, hält man es für den Erfolg des Anwerbens für notwendig, dass es zu einer Verpflichtung des Angeworbenen zum fremden Wehrdienst kommen muss406. Ebenfalls wird für die Förderung des Menschenhandelns gem. § 233a StGB vertreten, ein Anwerben sei ein nicht nur finaler Begriff, sondern verlange, dass der Angeworbene sich zum Zweck der Ausbeutung i. S. d. §§ 232, 233 StGB als gebunden betrachtet407. Bei Werbetatbeständen ist der Werbeerfolg, andere zu einem Verhalten zu verleiten, nur implizit als Intention des Werbens enthalten. Ähnlich wie bei der Wirtschaftswerbung erschöpft sich das Werben hier in dem Werbeeffekt, eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen. Für das Werben für Glückspiele und Lotterien gem. den §§ 284, 287 StGB sowie für Betäubungsmittel gem. § 29 BtMG reicht deswegen eine Ankündigung aus, ohne zugleich den Abschluss eines Spiel- oder Abnahmevertrages anzubieten408. Das Werben muss lediglich geeignet sein, einem deliktischen Anschlussverhalten eine Basis zu bieten409. Ebenfalls in diese Kategorie des Werbens fällt das irreführende Werben gem. § 16 Abs. 1 UWG, denn die Angaben des Täters müssen lediglich eine Eignung zur Irreführung aufweisen410; ob dagegen der mögliche Adressat der Werbebotschaft wirklich irregeführt worden ist, ist nicht tatbestandsrelevant411. b) In dieses Schema der Werbe- oder Anwerbetatbestände lässt sich das organisationsbezogene Werben gem. den §§ 129 Abs. 1 Alt. 3 und 129a Abs. 5 Satz 2 StGB nicht eindeutig einordnen. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, durch welches sie 2002 reformiert wurden, war auch vorgeschlagen worden, das Werben durch ein Anwerben zu ersetzen412. In dieser Fassung wäre die Tatbestandsformulierung etwa mit § 287 Buchstabe b des österreichischen Strafgesetzes über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen von 1852413 vergleichbar, der als Teilnahme an einer geheimen Gesellschaft denjenigen erfasste, der „Mitglieder zu einer inländischen oder auswärtigen geheimen Gesellschaft anwirbt“. Als Anwerbetatbestände hätten die 406
M.w. N. LK/Schroeder, § 109h Rn. 5. M.w. N. Sch/Sch/Eisele, § 233a Rn. 4. 408 Vgl. m.w. N. NK/Wohlers, § 287 Rn. 12; MK/Kotz, § 29 BtMG Rn. 1139. 409 Vgl. Sch/Sch/Heine, § 284 Rn. 25a. 410 MK/Janssen/Maluga, § 16 UWG Rn. 34 f. 411 MK/Janssen/Maluga, § 16 UWG Rn. 18. 412 BR-Drs. 725/2/01, S. 1 f. 413 § 287 des österreichischen Strafgesetzes über Verbrechen, Vergehen und Uebertretungenvon 1852 „Wer sich der Theilnahme an einer geheimen Gesellschaft schuldig mache“ lautete: „Der Theilnahme an einer geheimen Gesellschaft macht sich schuldig, jeder Inländer: a) der eine solche Gesellschaft zu stiften versucht, oder wirklich stiftet; b) Mitglieder zu einer inländischen oder auswärtigen geheimen Gesellschaft anwirbt; c) . . .“. 407
D. Das Werben
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§§ 129, 129a StGB vorausgesetzt, dass sich der Angeworbene mindestens bereit erklärt, Mitglied oder Unterstützer der Vereinigung zu werden. Dagegen wurde die Strafbarkeit auf ein Werben um Mitglieder und Unterstützer beschränkt, mit der Folge, dass die Notwendigkeit eines solchen Werbeerfolges ganz überwiegend weiterhin abgelehnt wird: Die Reform der §§ 129, 129a StGB hin zu einem Werben um Mitglieder und Unterstützer solle ihren Charakter als Werbetatbestände nicht berühren414. Insbesondere auf den Wortlaut gestützt wird argumentiert, dass das erfolglose Bemühen, andere zu gewinnen, vollendetes Werben sei415. Hiervon geht auch der BGH aus, der als Werben um Mitglieder und Unterstützer eine Äußerung versteht, die – zumindest der Gesamtumstände nach – darauf gerichtet ist die Adressaten als Mitglieder oder Unterstützer einer konkreten Organisation zu gewinnen, auch sofern ein solcher Erfolg ausbleibt416. Gleichwohl hat das Werben gem. den §§ 129 Abs. 1 Alt. 3 und 129a Abs. 5 Satz 2 StGB nicht die typische Struktur eines Werbetatbestandes, bei dem ein Werbegegenstand, ein Produkt (wie Betäubungsmittel) oder eine Dienstleistung (wie Glückspiele oder Schwangerschaftsabbrüche), im Mittelpunkt steht. Eindeutig in diesem Sinne einzuordnen wären die Vorschriften der §§ 129, 129a StGB nur, wenn auch eine Werbung für die Vereinigung erfasst wäre, d. h. eine Sympathiewerbung. Ist dagegen das Werben bei den §§ 129, 129a StGB auf die Rekrutierung von potenziellen Beteiligten gerichtet, liegt darin eine Annäherung an Anwerbetatbestände; von diesen unterscheidet es sich allein dadurch, dass ein Anwerbeerfolg nicht eintreten muss. 2. Das Anwerbeelement und die Abgrenzung zur Anstiftung Unter dem Gesichtspunkt der Einbeziehung potenzieller Täter erscheinen die Werbetatbestände der §§ 129, 129 StGB eine strukturelle Ähnlichkeit zur Anstiftung gem. § 26 StGB aufzuweisen. Das Verhältnis von Anstiftung und Werben wird jedoch unterschiedlich gesehen. Bei der Erörterung der Anwendbarkeit der Teilnahmevorschriften auf Organisationsdelikte findet man auch417 das Argument, dass die Anstiftung zur mitgliedschaftlichen Beteiligung von der Tatbestandshandlung des Werbens bei den §§ 129, 129a StGB abschließend erfasst sei, d. h. eine weitere Anstiftung ausgeschlossen sei418. Es handele sich dabei um eine zur Täterschaft verselbstständigte Anstiftung. Aus dieser Eigenschaft des Werbetatbestandes leitet wiederum Osten414
MK/Miebach/Schäfer, § 129 Rn. 75. M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 131. 416 BGHSt 51, 345, 353. 417 Zur parallelen Problematik des Verhältnisses von Beihilfe und Unterstützen vgl. oben S. 83 ff. 418 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 163. 415
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
dorf ab, dass – parallel zur Anstiftung – nur die erfolgreiche Gewinnung von Mitgliedern und Unterstützern tatbestandsmäßig sei419. Dagegen folgert LangerStein aus der entsprechenden Überlegung die Streichung der Werbetatbestände bei den §§ 129, 129a StGB, weil entsprechende Verhaltensweisen als Anstiftung zum Beteiligen an der Organisation erfasst seien420. Da nur das erfolgreiche Anwerben eines Mitglieds oder Unterstützers mit der Anstiftung gleichgestellt werden könne, wird auch vertreten, dass ausschließlich das erfolglose Werben für tatbestandsmäßig zu halten sei421. Anstiftung und Werben unterscheiden sich jedoch als tat- und organisationsbezogenes Verhalten. Das Werben um Mitglieder und Unterstützer setzt als Werbeerfolg nur eine Bereitschaft des Adressaten, Mitglied oder Unterstützer zu werden, oder seine entsprechende Einbindung voraus; damit ist noch kein tatbestandsmäßiges Beteiligen als Mitglied bzw. Unterstützen gegeben, das jeweils eine Förderungsaktivität voraussetzt. Der Erfolg des Werbens in dem Sinne, dass andere für etwas gewonnen werden, ist somit auf der Seite des Adressaten dem straffreien Bereich zuzuordnen. Ein mitgliedschaftliches Beteiligen oder ein Unterstützen muss mit dem Werben dagegen nicht intendiert sein. D. h., auch das Werben hat eine organisationsbezogene Förderung im Blick und ist nicht auf eine konkrete Straftat gerichtet422. Das gilt auch, sofern das Werben bei § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB mit einer versuchten Anstiftung gem. § 30 Abs. 1 i.V. m. § 129a Abs. 1, 2 StGB konkurriert; denn auch die versuchte Anstiftung muss auf die Verwirklichung eines konkreten Verbrechenstatbestandes gerichtet sein. 3. Sympathie- und Propagandawerbung Die Gestalt der §§ 129, 129a StGB als organisationsbezogene Anwerbetatbestände, die allerdings auf den Eintritt eines Werbeerfolges verzichten, erklärt sich historisch vor dem Hintergrund der Erstreckung der Normen auf reine Sympa419
AK/Ostendorf, § 129 Rn. 19; vgl. auch ders., JA 1980, 499, 502. Langer-Stein, Legitimation und Interpretation der strafrechtlichen Verbote krimineller und terroristischer Vereinigungen, S. 230. 421 Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129 Rn. 14: „Da das erfolgreiche Anwerben eines Mitglieds oder Unterstützers jedenfalls i. d. R. zugleich eine Anstiftung zur Beteiligung als Mitglied bzw. zum Unterstützen ist [. . .], hat die Tatbestandsalternative des Werbens praktische, d. h. die Strafbarkeit eigenständig überhaupt erst begründende Bedeutung i. d. R. nur, wenn das Werben erfolglos geblieben ist“. 422 Werben und Anstiftung können auch in tatsächlicher Hinsicht zusammenstehen. Das sich im Verhältnis von Beihilfe, Unterstützen und Beteiligung als Mitglied ergebende Problem (s. S. 94) tritt an dieser Stelle nicht auf. Das Werben ist bereits vor der Haupttat der Anstiftung vollendet, sodass die Teilnehmerrolle nicht mit der organisationsbezogenen Täterrolle in Ansehung des Werbetatbestandes kollidiert. Dasselbe gilt auch beim Zusammentreffen von Werben § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB und versuchter Anstiftung gem. § 30 Abs. 1 StGB. 420
D. Das Werben
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thiewerbung. Denn solange das Werben gem. den §§ 129, 129a a. F. StGB als Werben für eine Vereinigung gefasst war, verband sich damit die Frage, ob über ein auf Gewinnung von Mitgliedern und Unterstützer gerichtetes Werben hinaus auch eine „andersartige Stärkung“ 423 erfasst wurde. Diese betraf beispielsweise das Anbringen der Parolen „RAF“, „Es lebe die RAF“ und „RAF wir werden siegen“ 424. Trotz Restriktionsversuchen in der Rechtsprechung425 blieb die Strafbarkeit dieser sogenannten Sympathiewerbung umstritten. Rudolphi kritisierte die außerordentlich weite Auslegung des Merkmals Werben vom Standpunkt seiner Vorverlagerungstheorie aus, nach der die §§ 129, 129a StGB individuellen Rechtsgüterschutz bezwecken426. Die Sympathiewerbung stehe hier in keiner Beziehung zu den von der Organisation beabsichtigten Straftaten427; sie sei allenfalls im Rahmen des Schutzes der öffentlichen Ordnung haltbar428. Daneben wird auch die Legitimität der Sympathiewerbung im Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit problematisiert. So tangiere das Sympathiewerben den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG und seine Kriminalisierung könne eine kritische Berichterstattung hindern429. Auch bei den Organisationsdelikten der §§ 84, 85 StGB ist die Strafbarkeit der Sympathiewerbung bzw. ihre Erfassung im Tatbestand des Unterstützens umstritten430. Der Schwerpunkt des strafbaren Werbeverhaltens liegt dort jedoch im Verbreiten von Propagandamitteln gem. § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB431. Dem Wortlaut 423
BGHSt 28, 26, 28. BGHSt 28, 26, 26. 425 BGHSt 33, 16, 18 ff. Das restriktivere Verständnis, zu dem der BGH sich in der Folge bekannte, setzte für das strafbare Werben voraus, dass der Text – im Rahmen einer Gesamtwürdigung – objektiv geeignet ist, als Werbung für die Vereinigung aufgefasst zu werden, bzw. seine Zielsetzung als Unterstützung unter Bezug auf eine bestimmte Organisation eindeutig erkennen lässt (BGHSt 33, 16, 18). Wieweit diese Einschränkung tatsächlich reichte, blieb streitig (kritisch Sch/Sch26 /Lenckner, § 129 Rn. 14b). 426 Rudolphi, ZRP 1979, 214, 218 f.; ders., JR 1979, 33, 35 f. 427 Vielmehr müsse sich auch das Werben auf das konkrete Gefährdungspotenzial der Vereinigung beziehen (Rudolphi, ZRP 1979, 214, 218 f.; ders., JR 1979, 33, 35). 428 Rudolphi, ZRP 1979, 214, 218: Es „wäre in der Tat noch möglich, auch eine reine Sympathiewerbung [. . .] als eine Störung der öffentlichen Ordnung zu deuten“. Vgl. auch ders., JR 1979, 33, 36. 429 Bader, NStZ 2007, 618, 623. 430 Zum Meinungsstand vgl. NK/Paeffgen, § 84 Rn. 17. 431 Zur Entwicklung des § 86 StGB s. Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte und Grundgesetz, S. 196 ff.; NK/Paeffgen, § 86 Rn. 1. Während dort die Parallelen überwiegend zur nicht organisationsbezogenen Propaganda gem. § 93 a. F. StGB gezogen werden, besteht ein weiterer Zusammenhang mit Organisationsdelikten: Die §§ 90a, 90b a. F. StGB, die Vorläufertatbestände der §§ 84, 85 StGB waren, enthielten in §§ 90a Abs. 2 und 90b Abs. 2 a. F. StGB parallel zu § 129 a. F. StGB einen Tatbestand der Werbung für die Organisation. Mit der Änderung der Struktur der Organisationsdelikte des Staatsschutzstrafrechts 1968 wiesen die neuen §§ 84, 85 StGB keine Werbetatbestände mehr auf (vgl. Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte und Grundgesetz, S. 193); viel424
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
des § 86 Abs. 2 StGB nach sind diese Tatbestände auf die Verbreitung von solchen Propagandamitteln beschränkt, deren Inhalt sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Gleichwohl ist gem. § 86 StGB nicht das Verbreiten von bereits an sich verfassungsgefährdenden Propagandamitteln strafbar. Vielmehr werden sowohl aus dem historischen Vergleich mit § 93 StGB i. d. F. von 1951 und 1953 als auch teleologisch Argumente dafür gewonnen, § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB strukturell als Organisationsdelikt einzuordnen432. Diese Organisationsbezogenheit ergibt sich daraus, dass die Propagandamittel im Zusammenhang mit der Organisation entstehen oder verbreitet werden müssen. Zwar ist nicht erforderlich, dass der organisationsbezogene Effekt aus dem Inhalt folgt, jedoch muss der Zusammenhang in einem personalen Bezug bestehen433. Nicht ausreichend ist somit, dass jemand ohne Kontakt zur Organisation für diese propagandistisch auftritt434. Auf eine strukturelle Parallele zwischen dem Werben gem. den §§ 129, 129a a. F. StGB und dem Verbreiten von Propagandamitteln hat bereits Giehring hingewiesen, um zu einem einschränkenden Verständnis des Werbens für eine Vereinigung hinsichtlich der Problematik der Sympathiewerbung zu gelangen. Die von ihm dabei vorgeschlagene Auslegung in Anlehnung an § 86 StGB hätte zu verschiedenen Einschränkungen geführt. Es wäre damit ein engerer Organisationsbezug insofern hergestellt, dass die Werbung von der Organisation selbst getragen oder zumindest mit ihrem Einverständnis erfolgte; außerdem hätte sie mittels Schriften i. S. v. § 11 Abs. 3 StGB an einen unbestimmten Kreis von Adressaten gerichtet sein müssen.435 Statt das Werben in diesem Sinne als ein Äußerungsdelikt einzuschränken, wurde das Problem der Sympathiewerbung dagegen positivrechtlich durch die Änderung des Wortlauts der §§ 129, 129a StGB dahin gelöst, dass sich das Werben für die Vereinigung auf ein Werben um Mitglieder und Unterstützer beschränkt436. mehr war lediglich in § 86 StGB nur noch das Verbreiten von Propagandamitteln geregelt. 432 Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte und Grundgesetz, S. 196 ff. Vgl. auch BGHSt 23, 64, 70. 433 M.w. N. NK/Paeffgen, § 86 Rn. 19 f. 434 M.w. N. NK/Paeffgen, § 86 Rn. 19 f. 435 Giehring, StV 1983, 296, 306 ff. Zu verfassungsrechtlichen Schranken vgl. auch Rebmann, NStZ 1989, 97, 101 f. Zur Verfassungsmäßigkeit des § 86 StGB als einer legitimen Schranke der Meinungsfreiheit s. BGHSt 23, 64, 70. 436 Schon bei den Beratungen zur Einführung des § 129a StGB in seiner Fassung von 1976 wurde von Laufhütte darauf hingewiesen, dass die Tathandlung des Werbens als eine auf die Gewinnung von Anhängern gerichtete Tätigkeit verstanden werden müsse (Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 77. Sitzung vom 28. Januar 1976, S. 2441, 2442; Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 373; Giehring, StV 1983, 290, 301).
D. Das Werben
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II. Das Werben im Verhältnis zum Unterstützen und zur mitgliedschaftlichen Beteiligung In dem durch den Gesetzestext bestimmten Rahmen ist das Werben gem. den §§ 129 Abs. 1 Alt. 3 und 129a Abs. 5 Satz 2 StGB als eine organisationsbezogene Förderung zu begreifen; ihre Struktur ist im Verhältnis zu anderen Formen der organisationsbezogenen Beteiligung im Folgenden abschließend zu klären. 1. Der BGH geht in seiner Rechtsprechung437 davon aus, dass das Werben um Mitglieder und Unterstützer grundsätzlich keine Unterstützung der Vereinigung sei. Dabei wird mit der bereits oben dargestellten Änderung des Wortlauts hin zu einem Werben um Mitglieder und Unterstützer argumentiert, also mit der Entkriminalisierung bloßer Sympathiewerbung. Außerdem werden die systematischen Besonderheiten des Werbetatbestandes im Verhältnis zum Unterstützen – wie sie sich wenigstens bei § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB zeigen – herangezogen. Dies betrifft sowohl einen restriktiveren Strafrahmen als auch die Beschränkung auf die Vereinigungen i. S. v. § 129a Abs. 1, 2 StGB. Aus diesen Umständen zieht der BGH den Schluss, dass diese Grenzen des strafbaren Werbens nicht durch das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens unterlaufen werden dürfen. Denn er hält es für möglich, sowohl das Werben um Mitglieder und Unterstützer als auch die Sympathiewerbung unter dem Begriff des Unterstützens zu subsumieren438. Allerdings soll nach Ansicht des BGH nicht ausgeschlossen sein, solche Fälle dem Unterstützen zuzuordnen, in denen „festgestellt werden könnte, dass das Werben der Organisation tatsächlich einen messbaren Vorteil gebracht hat, etwa nachweislich zum Beitritt eines neuen Mitglieds geführt hat“ 439. Vor dem Hintergrund dieser Ergänzung wird jedoch die strikte Trennung von Werben und Unterstützen relativiert. Denn es kann nicht gemeint sein, dass jedes Unterstützen, das durch Werben geschieht, abschließend im Tatbestandsmerkmal des Werbens geregelt ist; so als ständen sie im Verhältnis einer Privilegierung. Vielmehr ist die Abgrenzung, die der BGH vornimmt, differenzierter: Es ist davon auszugehen, dass der BGH das Werben um Mitglieder und Unterstützer als ein Verhalten ansieht, das – anders als das Unterstützen – nicht zu einem effektiven Vorteil für die Vereinigung führen muss. So wäre nämlich erklärbar, dass eine Bestrafung wegen des Unterstützens umgekehrt dann nicht ausgeschlossen ist, wenn das Werben erfolgreich war440, etwa in dem vom BGH angesprochenen Fall, in dem infolge der Werbung Mitglieder und Unterstützer nachweislich in die Vereinigung eingebunden werden und dadurch eine Förderung der Vereinigung eintritt. Das so umschriebene Verhältnis zwischen erfolg437 438 439 440
BGHSt 51, 345, 346 ff. BGHSt 51, 345, 351. BGHSt 51, 345, 351. Altvater, NStZ 2003, 179, 179.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
losem Werben und erfolgreichem Unterstützen entspricht dem von Versuch und Vollendung. Entsprechend ist das Werben gem. den §§ 129, 129a StGB schließlich in das herkömmliche Schema der Werbe- und Anwerbetatbestände als ein strafbares versuchtes Anwerben einzuordnen. Gleichwohl sieht der BGH in den Anforderungen an den Erfolg des Unterstützens, der überwiegend als eine nicht notwendig messbare, irgendwie geartete Förderung definiert wird, eine Schwierigkeit für diese Grenzziehung. Alleine durch diesen Begriff lasse sich das Werben, insbesondere auch die Sympathiewerbung, nicht aus dem Unterstützen ausgrenzen. Im Hinblick auf die gesetzgeberische Entscheidung, die Sympathiewerbung straffrei zu stellen, müsse diese daher aus dem Begriff des Unterstützens ausgeschlossen werden. Das übrige Werben Außenstehender verteilt sich zwischen dem Unterstützens- und Werbetatbestand danach, ob es zu einer wirksamen Förderung führt. 2. Die Schwierigkeit einer Grenzziehung zwischen der erfolglosen und erfolgreichen Förderung zeigt nicht nur das Verhältnis des Werbens zum Unterstützen, sondern auch zum Beteiligen an einer Organisation als Mitglied. Zwar soll die Strafbarkeit wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung das Werben als eine der vielfältigen Verhaltensweisen des Mitglieds miterfassen, während die eigenständigen Werbetatbestände nur das Verhalten Außenstehender erfassten441. Jedoch setzt auch die mitgliedschaftliche Beteiligung voraus, dass die aktive Förderungshandlung sich in einer gesteigerten Verbandsförderung aktualisiert442. D. h., das Werben als mitgliedschaftliche Beteiligung erforderte nach dieser Auffassung – anders als die Werbung Außenstehender – eine effektive Förderung. Diese Schwierigkeit entsteht nur dann nicht, wenn man das Werben nicht als eine eigenständige Organisationsrolle eines Außenstehenden443 auffasst, sondern als eine Vorstufe der erfolgreichen Förderung. Dann steht das Werben gem. den §§ 129 Abs. 1 Alt. 3 und 129a Abs. 5 Satz 2 StGB auch zum mitgliedschaftlichen Beteiligen im Verhältnis von Versuch und Vollendung444. Die Strafbarkeit des Werbens gem. § 129 Abs. 1 Alt. 3 StGB als ein Versuch der organisationsbezogenen Beteiligung stellt also neben dem strafbaren Versuch der Gründung445 eine Ausnahme für den Fall der Werbung um Mitglieder und Unterstützer dar. Das Werben um Mitglieder und Unterstützer bekommt dagegen in § 129a StGB 441
M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 106, 120. M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 107. 443 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 120. 444 Zur Frage der Sympathiewerbung im Rahmen der Beteiligung als Mitglied hat sich der BGH (vgl. BGHSt 51, 345) nicht ausdrücklich geäußert. Das Argument des BGH, die Sympathiewerbung sei im Hinblick auf die gesetzgeberische Entscheidung für straffrei zu stellen, sodass sie weder als Werben, noch als Unterstützen strafbar sei, müsste entsprechend für die Beteiligung als Mitglied gelten. 445 Da sich das Werben gem. § 129 Abs. 1 Alt. 3 StGB auf eine bestehende Vereinigung bezieht (m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 130), tritt es nicht in Konkurrenz mit dem Versuch des Gründens gem. § 129 Abs. 3 StGB. 442
E. Sondersystem der organisationsbezogenen Beteiligung
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eine Asymmetrie, denn es trifft hier mit der nach allgemeinen Regeln konstruierbaren Strafbarkeit des Versuchs zusammen446.
E. Sondersystem der organisationsbezogenen Beteiligung – Eine zusammenfassende Betrachtung Im Vorstehenden wurde das für Organisationsdelikte typische System einer differenzierten Binnenstruktur der Beteiligung dargestellt. Die partizipatorische Zurechnung nahm dabei bestimmte Formen ein, die nach der Ausgestaltung der Organisationsbezogenheit variieren und zu Beteiligungsrollen zusammengefasst sind. Die Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte können dabei nach den Voraussetzungen der Strafbarkeit in ein hierarchisches Schema eingepasst, in ein Innen- und Außenverhältnis gestellt und auch zeitlich nach der Genese der Organisation strukturiert werden. Über diese Ausgestaltung der Organisationsbezogenheit im Einzelnen hinaus wird im Folgenden abschließend lediglich auf die wesentlichen Voraussetzungen eingegangen, die sowohl die vorstehenden Analysen zusammenfassen als auch eine Grundstruktur der organisationsbezogenen Beteiligung verdeutlichen sollen. Der Einstieg in das differenzierte System der Beteiligungsrollen war die Beteiligung an einer Vereinigung als Mitglied. Diese war zugleich der Anlass, für die im Tatbestand erfasste formelle Täterschaft eine passende strafrechtsdogmatische Zurechnungsform zu finden. Aus dem Begriff der Organisation folgte zunächst eine notwendige Beteiligung mehrerer. Diese Beteiligung von mindestens drei Mitgliedern wurde anschließend unter dem Aspekt einer Nebentäterschaft betrachtet. Für die formelle Täterschaft an einem Organisationsdelikt bedeutet dies, dass bei jeweiliger Beteiligung ein selbstständiger und nicht ein gemeinsamer Rechtsgutsangriff vorliegt. Die Vereinigung bildet dabei einen objektiven Umstand, durch den mehrere Beteiligungen zu Nebentäterschaften verbunden werden können. Den Aspekt der Nebentäterschaft bei der Mitgliedschaft hervorzuheben, kann zugleich die Funktion übernehmen, das strafrechtliche Verhältnis aller Beteiligungsrollen untereinander offenzulegen. 446 Sofern das Werben um Mitglieder und Unterstützer gem. § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB mit der nach allgemeinen Regeln (§§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB) konstruierten Strafbarkeit der versuchten Beteiligung an der Organisation konkurriert, könnte dieses Verhältnis so aufgelöst werden, dass § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB als lex specialis für den Fall der versuchten Förderung angesehen wird. Demgegenüber dürfte es vorzuziehen sein, den § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB als Sonderregelung eines erfolglosen Unterstützens gem. § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB anzusehen, die den Anwendungsbereich der bei § 129a Abs. 1, 2 StGB möglichen Versuchsstrafbarkeit nicht berührt. Allerdings müsste dann die Entkriminalisierung der Sympathiewerbung auch für den nach allgemeinen Regeln bei der terroristischen Vereinigung konstruierbaren Versuch der Beteiligung als Mitglied gem. § 129a Abs. 1 bzw. 2 StGB i.V. m. §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB durchgreifen.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
Das Binnenverhältnis der Beteiligungen ist daran orientiert, dass Organisationsdelikte eine nicht streng polare Binnenstruktur der Beteiligung aufweisen. Man konnte vielmehr beobachten, dass das Gründen sich mit der Zeit zum Beteiligen als Mitglied entwickeln kann oder wie das Werben, das erfolgreich ist, weil es zum Gewinn von Mitgliedern oder Unterstützern führt, zum Unterstützen wird. Entsprechend setzt die Beteiligung als Rädelsführer eine Mitgliedschaft voraus. Damit verbindet sich jedoch vor allem die Frage, ob sich die tatbestandlich verankerten Beteiligungsverhalten als selbstständige Organisationsrollen erweisen, ohne eine andere Beteiligungsrolle lediglich zu intensivieren. Insbesondere bei einem Hintermann zeigte sich, dass eine Hervorhebung im Strafrahmen hier lediglich auf dem besonders schweren Fall des Unterstützens oder Werbens beruht. Daneben verhält sich das Werben zum Unterstützen wie eine versuchte Förderung. Aber auch das Gründen fasst mehrere Beteiligungsverhalten in einer bestimmten Phase der Organisation zusammen, statt eine Rollendifferenzierung vorzunehmen. Dass das Unterstützen überwiegend als eine Förderung durch ein Nichtmitglied bzw. Außenstehenden dargestellt wird, machte das Vorliegen einer Organisationsrolle auch an dieser Stelle fraglich. Die Problematik, die beim Unterstützen hier im Mittelpunkt steht, geht jedoch über die Innenstruktur der Organisation hinaus und betrifft die Abgrenzung des Sondersystems der organisationsbezogenen Beteiligung nach außen. Den Kreis der Organisationsrollen zu bestimmen, bedeutet dabei, sie von der organisationsexternen Förderung, insbesondere der allgemeinen Beteiligung, zu distanzieren. An die Stelle des herkömmlichen Schemas von Innen und Außen muss also die Grenze der Organisation gegenüber ihrer Umwelt treten. Diese Außengrenze der Organisationen reicht soweit, wie Entscheidungen durch die Zwecksetzung der Organisation als maßgebende Entscheidungsprämisse determiniert sind. Die zur Organisation gehörenden Entscheidungen werden somit in einer organisationsbezogenen Rolle getroffen.
F. Finanzierung als organisations- und tatbezogenes Verhalten Wenn im Folgenden die Terrorismusfinanzierung charakterisiert werden soll, so lassen sich hierfür unterschiedlich strukturierte Sachverhalte nennen. In erster Linie definieren § 1 Abs. 32 KWG, § 1 Abs. 2 GwG und § 80c Abs. 2 VAG die Terrorismusfinanzierung einerseits als Bereitstellung und Sammlung finanzieller Mittel in der Kenntnis, dass sie für eine Straftat (oder für die Anstiftung oder Beihilfe zu Taten) nach § 129a StGB oder i. S. d. Rahmenbeschlusses 2002/475/ JI verwendet werden sollen. Andererseits wird die Täterschaft oder Teilnahme an einer Tat gem. § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB als Terrorismusfinanzierung bestimmt. Der letztere Straftatbestand erfasst dabei denjenigen, der eine staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er für deren Begehung Vermögenswerte sammelt,
F. Finanzierung als organisations- und tatbezogenes Verhalten
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entgegennimmt oder zur Verfügung stellt. Wie die Gesetzesbegründung zu § 89a StGB belegt, bezweckt die Einführung dieser Vorschrift die Strafverfolgung von organisatorisch nicht gebundenen Tätern447. Vor dem Hintergrund der außerrechtlichen Definitionsnormen zeichnen sich damit drei strafrechtlich relevante Sachverhalte der Terrorismusfinanzierung ab: die Anstiftung oder Beihilfe zu terroristischen Straftaten, entweder zu dem Organisationsdelikt des § 129a StGB oder zu einem konkreten Terrorakt448, die Beteiligung an Taten i. S. d. § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB und das tatbestandsmäßige Verhalten nach § 129a StGB. Innerhalb dieses Feldes lassen sich die tatbezogen formulierte Beihilfe an terroristischen Straftaten449 und die Terrorismusfinanzierung gem. § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB der Finanzierung als organisationsbezogener Beteiligung gem. § 129a StGB gegenüberstellen. I. Das Einzeltäterparadigma des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB Die Auffächerung der Finanzierungshandlungen des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB in die Modalitäten des Sammelns, Entgegennehmens und Zurverfügungstellens von Vermögenswerten kann sich auf Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus berufen450. Anders als das Übereinkommen451 will es der deutsche Gesetzgeber jedoch in 447
BT-Drs. 16/12428, S. 2, 12. Vgl. etwa den „Motassadeq-Fall“ (Fn. 168). 449 Zu dieser Konstellation, der hier nicht weiter nachgegangen wird, vgl. S. 93 f. 450 Vgl. die Tatbestandsalternativen des Bereitstellens (to provide) und Sammelns (to collect) i. S. d. Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 19. Dezember 1999 (in Kraft getreten am 17. Juli 2004; in der BRD umgesetzt durch das Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 19. Dezember 2003, BGBl. 2003 II, S. 1923). Vgl. ferner etwa Art. 260quinquies Abs. 1 des schweizerischen StGB und § 278d Abs. 1 des österreichischen StGB, die infolge der Umsetzung des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus eingeführt wurden. 451 Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus fordert „intention“ und „knowledge“ hinsichtlich der Verwendung der Finanzierungsmittel, wobei Sieber darin dolus directus 1. Grades und 2. Grades identifiziert bzw. im Umkehrschluss dolus eventualis als ausgeschlossen ansieht (Sieber, NStZ 2009, 353, Fn. 71). Vgl. auch die amtliche deutsche Übersetzung in BGBl. 2003 II, S. 1923, die „Absicht“ oder „Kenntnis“ hinsichtlich der Verwendung der finanziellen Mittel fordert. Nach § 278d des österreichischen StGB genügt Vorsatz dahingehen, dass die Vermögenswerte zur Ausführung einer terroristischen Straftat verwendet werden; ausreichend soll hier auch bedingter Vorsatz sein, d. h., der Täter müsse die Verwendung der Mittel zur Ausführung einer der Katalogtaten zumindest für möglich halten und sich damit abfinden (Wegscheider, Strafrecht Besonderer Teil, § 278d). In Art. 260quinquies Abs. 1 des schweizerischen StGB wird dagegen die Absicht, ein Gewaltverbrechen zu finanzieren, verlangt, während Abs. 2 gleichzeitig den bedingten Vorsatz ausschließt; gleich448
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
subjektiver Hinsicht für die Strafbarkeit gem. § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB genügen lassen, dass der Täter es billigend in Kauf nimmt, dass seine finanzielle Unterstützung einen nicht unerheblichen Beitrag für eine staatsgefährdende Gewalttat darstellt452. Folgt man der gesetzgeberischen Begründung an dieser Stelle, lässt sich das Merkmal „für die Begehung“ nicht so verstehen, dass mit ihm ein subjektiver Bezug zu einer staatsgefährdenden Gewalttat hergestellt wird. Gleichwohl soll mit ihm nach der Vorstellung des Gesetzgebers sichergestellt sein, dass „allgemeine finanzielle Aktivitäten, die noch keinen konkreten Bezug zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufweisen, aus dem Tatbestand ausgeschlossen“ sind453. Es kann sich bei dem Tatbestandsmerkmal „für die Begehung“ also nur um ein objektives Tatbestandsmerkmal handeln, das auffordert, anhand des Umfelds, in dem die Finanzierungshandlung erfolgt, die Tatbezogenheit zu ermitteln. Anknüpfungspunkt kann hierzu der Umstand bilden, dass die tatbestandsmäßigen Handlungen einen Kontakt zu anderen Personen erfordern. Auf der anderen Seite stellt sich aber die Frage, inwieweit sich dies im Tatbestand des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB spiegelt. Für die Alternativen des Zurverfügungstellens und des Entgegennehmens lässt sich dieser notwendige Kontakt gemäß dem sozialen Tatbestand von Geben und Nehmen konturieren. Seinen vorrechtlichen Gehalt hat Mauss in seiner ethnologischen Arbeit über „Die Gabe“ geprägt, indem er aufzeigte, dass es sich um reziproke Verhalten handelt, die nicht getrennt voneinander analysiert, sondern in Zusammenhängen betrachtet werden müssen454. Dieser Wechselseitigkeit entspricht die Aufnahme der sich spiegelbildlich ergänzenden Tatbestände von Entgegennehmen und Zurverfügungstellen. Für den Tatbestand der Finanzierung durch Sammeln könnte es sich an dieser Stelle jedoch anders verhalten. Den Gehalt dieses Begriffes zu ermitteln, kann hier die Anknüpfung an den Begriff der Finanzierung leisten, mit dem vor allem betriebswirtschaftlich die Vorgänge der Mittelbeschaffung bezeichnet werden455. Dieser Begriff kann sowohl eigene Maßnahmen des Subjekts umfassen, das an den Mitteln Bedarf hat, als auch den Rückgriff auf Leistungen eines Dritten beschreiben; man kann hier von Eigen- und Fremdfinanzierung456 sprechen. In diewohl wird mit der Absicht an dieser Stelle nur ein sicheres Wissen davon verbunden, dass eine terroristische Gruppe Gewaltverbrechen plant oder ausführt (Forster, ZStR 2003, 423, 444; Weder, in: Donatsch, Schweizerisches StGB, Art. 260quinquies Rn. 9). 452 BT-Drs. 16/12428, S. 15. 453 BT-Drs. 16/12428, S. 15. 454 Mauss, Die Gabe, 1990; Adloff/Mau, in: Adloff/Mau, Vom Geben und Nehmen, S. 9, 13. 455 Vgl. Wöhe/Bilstein/Ernst/Häcker, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 14; Bieg/Kußmaul, Finanzierung, S. 11 ff. 456 Vgl. Wöhe/Bilstein/Ernst/Häcker, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 22 f.; Bieg/Kußmaul, Finanzierung, S. 31 ff.; Olfert/Reichel, Finanzierung, S. 32.
F. Finanzierung als organisations- und tatbezogenes Verhalten
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ses Spektrum der Finanzierungsbegriffe ordnet sich das strafrechtsrelevante Sammeln entsprechend differenziert ein: Die Beschaffung von Vermögenswerten für die Begehung einer eigenen staatsgefährdenden Gewalttat scheint als Sammeln gem. § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB strafbar zu sein. Sofern diese Beschaffung dadurch erfolgt, dass Vermögenswerte dem Täter durch Dritte zur Verfügung gestellt werden, fällt das Sammeln mit dem Entgegennehmen zusammen. Bei der Beschaffung von Vermögenswerten, die zur Begehung einer fremden staatsgefährdenden Gewalttat verwendet werden sollen, liegt das Sammeln im Vorfeld des Zurverfügungstellens. Daraus ergibt sich, dass das Tatbestandsmerkmal des Sammelns entgegen dem vom Gesetzgeber aufgestellten Einzeltäterparadigma457 nur im Fall der Selbstfinanzierung458 zutrifft, in dem der Täter die eigene Straftat ohne Beteiligung Dritter als Partner des Entgegennehmens oder des Zurverfügungstellens finanziert459. In allen anderen Fällen der Terrorismusfinanzierung des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB handelt es sich dagegen um Interaktionen, die im Ergebnis auf den hypothetischen Täter der schweren staatsgefährdenden Gewalttat gerichtet sind.
Daneben kann der Begriff der Finanzierung betriebswirtschaftlich auch in Innen- und Außenfinanzierung unterteilt werden, wobei nach der Vermögensmasse, aus der die Mittel stammen, differenziert wird (Wöhe/Bilstein/Ernst/Häcker, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 15 ff.; Bieg/Kußmaul, Finanzierung, S. 29 ff.; Olfert/Reichel, Finanzierung, S. 33). Erfolgt die Eigenfinanzierung von innen, kann man von Selbstfinanzierung sprechen, womit bezeichnet ist, dass die Mittel durch Zurückbehaltung von Gewinnen bereitgestellt werden (vgl. Wöhe/Bilstein/Ernst/Häcker, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 397; Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort „Selbstfinanzierung“). Die Konstellation einer Eigenfinanzierung von außen meint eine Finanzierung über Einlagen des Eigentümers des Unternehmens und unterscheidet sich von der Kreditfinanzierung, bei der es sich um eine Fremdfinanzierung von außen handelt (Wöhe/ Bilstein/Ernst/Häcker, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 15 ff.; Olfert/Reichel, Finanzierung, S. 31 f.). 457 Diese Tendenz wird in der Entwurfsbegründung deutlich, die insbesondere gegenüber den §§ 30, 129, 129a StGB hervorhebt, der § 89a StGB erfasse gerade auch die Vorbereitungshandlung eines Täters, „der eine allein von ihm zu begehende schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet“ (BT-Drs. 16/12428, S. 14). 458 Vgl. Fn. 456. 459 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass zum Vorbereitungstatbestand des § 86 RStGB vertreten wurde, dass die Vorbereitungshandlungen nur vom Täter selbst begangen werden können (vgl. m. w. N. Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 305). Einer solchen Einschränkung des § 89a Abs. 2 StGB auf den Täter einer staatsgefährdenden Gewalttat selbst steht freilich entgegen, dass die tatbestandliche Alternative des Zurverfügungstellens von Vermögenswerten einen Dritten als Täter voraussetzt. Entsprechend geht auch die Entwurfsbegründung zum § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB davon aus, dass der vorbereitende Täter selbst nicht täterschaftlich an der vorbereiteten Tat mitwirkt, sondern zu dieser durch das Sammeln von Vermögenswerten nur Hilfe leistet (BT-Drs. 16/12428, S. 15).
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
II. Finanzierung als tatbestandsmäßiges Verhalten gem. § 129a StGB Eine Finanzierung, die als Sammeln, Entgegennehmen und Zurverfügungstellen definiert wird, kann auch von den Tatbeständen der Organisationsdelikte erfasst sein460, sofern nur das entsprechende Verhalten unter die Merkmale der tatbestandsmäßigen Beteiligung an einer Vereinigung subsumierbar ist. Es kann insofern auf die vorstehende Analyse zurückgegriffen werden. Eine rollenspezifische Differenzierung ermöglichte dort, verschiedenen Aspekten der organisationsbezogenen Beteiligung nachzugehen und jeweils hervorzuheben. Es zeigte sich im Vorstehenden, dass jede organisationsbezogene Beteiligung als ein Förderungsverhalten begriffen werden kann. Die im Organisationsstrafrecht erfasste Finanzierung muss also weniger an einem bestimmten Finanzierungsbegriff ausgerichtet werden, vielmehr können alle Maßnahmen einbezogen werden, die eine Förderung der Organisation darstellen. Darunter kann einerseits die aus der Organisation heraus erfolgende Finanzierung terroristischer Taten gefasst werden, etwa in Form der finanziellen Absicherung der Familien von Selbstmordattentätern461. Andererseits ist die Finanzierung der Organisation strafbar. Als Ausformungen dieses Finanzierungsbegriffs lassen sich im Einzelfall beratende Leistungen zur Beschaffung von Vermögenswerten, die Ausführung umfangreicher Kuriertätigkeiten, das Anmieten oder Zurverfügungstellen von Räumen, Fahrzeugen oder eines Telefonanschlusses, die Lieferung von Waffen bzw. dienlichen Werkzeugen und Materialien oder die Übernahme von Beschaffungstaten anführen462. Im Mittelpunkt der organisationsbezogenen Finanzierung steht vielmehr, dass hier mit der Organisationsbezogenheit ein Merkmal hinzutritt, anhand dessen sich prüfen lässt, ob die Verhaltensweisen aus ihrer sozialen Indifferenz herausgehoben sind. Im Unterschied zum Finanzierungstatbestand des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB, der eine Interaktion zu einem anderen auch nicht völlig eliminieren lässt, erscheint die Finanzierung bei Organisationsdelikten in einem bestimmten Kontext. D. h., durch den Bezug auf strafrechtsrelevante Organisation ist die Finanzierung aus ihrer Neutralität herausgehoben. Dieser Zusammenhang soll im Folgenden anhand von Grenzfällen verdeutlicht werden. 460 Vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b des Europäischen Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung 2002/475/JI (ABl. EG 2002 Nr. L 164, S. 3), der die Vorgaben formuliert, die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung einschließlich „jeglicher Art der Finanzierung ihrer Tätigkeit“ zu kriminalisieren. Vgl. ferner Art. 2 Abs. 5 des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (BGBl. 2003 II, S. 1923), der die Beteiligung an einer Gruppe erfasst, deren Zwecke oder Tätigkeiten die Terrorismusfinanzierung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens einschließen. 461 Zur Relevanz solcher Fälle vgl. BVerwG, NVwZ 2005, 1435, 1435 ff. betreffend das Verbot des Al-AQSA e.V. 462 Vgl. m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 106 f., 142, 174.
F. Finanzierung als organisations- und tatbezogenes Verhalten
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III. Das strafbare Sammeln von Vermögenswerten Sammeln lässt sich zunächst als das Suchen und das Vereinigen des Gefundenen zu einer größeren Menge beschreiben, um es aufzuheben, zu verbrauchen oder zu verwerten; gleichfalls gehört zum Wortsinn Dritte aufzufordern, etwas zu geben oder zu spenden463. Entlang dieser Merkmale hat Manfred Sommer das Phänomen des Sammelns als einen Prozess des Zusammenkommens beschrieben, der entweder in einem Zusammenbleiben ende oder dessen ökonomischer Sinn ein förderliches Verschwinden erfülle464. Diese Eigenschaften des Sammelns werden in der strafrechtlichen Analyse zum Anlass genommen, die allmähliche Akkumulation geringer Beiträge zu erfassen, die erst zusammen einen nicht unerheblichen Vermögenswert i. S. d. § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB darstellen465. Im Mittelpunkt der Problematik des Sammelns scheint sich auf Tatbestandsebene dagegen eine Polarisierung von Ansammeln und Einsammeln zu entwickeln. Für diese Gegenüberstellung orientiert man sich an den Verhaltensweisen des Sparens und des Eintreibens von Spenden466. Bei genauerer Betrachtung dürfte damit jedoch versucht sein, solche Fälle auszuschließen, bei denen der Täter für sich alleine und ohne sozialen Kontakt agiert; sie sind bereits oben mit dem Begriff der Selbstfinanzierung bezeichnet worden. In diese Richtung argumentiert Paeffgen, wenn er für das Sammeln ein äußerlich durch die Beteiligung von mindestens zwei Personen in Erscheinung tretendes Verhalten fordert467. Die Schwierigkeit, die bei § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB darin liegt, im Tatbestand des Sammelns eine Anknüpfung für einen objektiven Bezug zu einer staatsgefährdenden Gewalttat aufzuweisen, ist im Rahmen der Organisationsdelikte vor dem Hintergrund der Organisationsbezogenheit zu sehen. Greift man auf dieses Kriterium zurück, verläuft die Grenze des strafbaren Sammelns entlang der organisationsdeterminierten Förderung. Wenn somit das Sammeln nicht im Zusammenhang mit der Organisation, etwa im Auftrag oder im Rahmen der Vereins463 Duden: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort „sammeln“; Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 574. Eine gewisse Parallele besteht zu Tatbestandsmerkmalen mancher anderer Vorbereitungsdelikte, wie dem Sich-Verschaffen und dem Verwahren (vgl. § 149 Abs. 1 StGB, § 275 Abs. 1 StGB); allerdings nur dann, wenn man diese Verhaltensweisen prozessartig verbindet und ein Merkmal der Akkumulation hinzudenkt. 464 Vgl. M. Sommer, Sammeln, S. 33 ff., 85 f., 235 f., 315 f. 465 NK/Paeffgen, § 89a Rn. 51. 466 Im Anschluss an Sieber, NStZ 2009, 353, 360 auch NK/Paeffgen, § 89a Rn. 51. Sieber tendiert dazu, ein Ansammeln im Sinne bloßen Sparens aus dem Tatbestand des § 89a StGB auszuschließen, insbesondere weil Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (BGBl. 2003 II, S. 1923) in der englischen Fassung auf eine Beschränkung des Wortsinns auf ein Einsammeln („to collect“) von Vermögenswerten hindeute. 467 NK/Paeffgen, § 89a Rn. 51.
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2. Kap.: Beteiligungsrollen der Organisationsdelikte
abrede, erfolgt, liegt es vor dem Zurverfügungstellen in einem straffreien Bereich. Denn die Organisationsbezogenheit bedeutet nicht ein innerlich auf die Organisation gerichtetes Verhalten, sondern dass darin auch die Unterordnung des Verhaltens unter die Zwecksetzung der Organisation objektiviert ist468. Ein Sammeln allein in der Absicht, Vermögenswerte der Organisation zur Verfügung zu stellen, erfüllt diese Voraussetzung nicht, gleich ob die Absicht geäußert wird; ebenso reicht ein bloßer Kontakt zur Vereinigung nicht aus. Vielmehr ist erforderlich, dass das strafbare Sammeln – vorausgesetzt, dass dadurch bereits eine tatbestandsmäßige Förderung erbracht wird – bei objektiver Betrachtung dem bestimmenden Einfluss der Organisation zugeordnet werden kann, sodass es aus einer Organisationsrolle heraus erfolgt. IV. Exkurs: Die Kontaktaufnahme gem. § 89b Abs. 1 StGB Abschließend lenkt die vorstehend erörterte Problematik den Blick auf den Tatbestand des § 89b Abs. 1 StGB. Als ein weiterer Grenzfall wirft diese Norm die Frage auf, ob bereits der Aufnahme und dem Unterhalten von Beziehungen zu einer terroristischen Vereinigung das Merkmal der Organisationsbezogenheit anhaftet. Sie stellt sich vor dem Hintergrund einer Gesetzesbegründung, die darauf verweist, der Tatbestand des § 89b Abs. 1 StGB erfasse solche „Verhaltensweisen mit Bezug zu einer terroristischen Vereinigung, die noch nicht als Unterstützung einer solchen eingestuft werden können“ 469. Als strafwürdig werden damit Fälle erachtet, in denen „der Täter eben nicht etwa den Bestand oder die Ziele einer bestimmten Vereinigung fördern will, sondern vielmehr die Vereinigung zur Förderung eigener Zwecke benutzt“ 470. Andererseits kann man sich dieser Problematik angesichts der Literaturauffassung nähern, die für den Tatbestand einen gegenseitigen Kontakt verlangt471; so gesehen wäre auch bei § 89b Abs. 1 StGB eine tatsächliche Verbindung zwischen Täter und Organisation472 gefordert. 468 Das Unterstützen muss sich bei objektiver Betrachtung organisationsbezogen begreifen lassen. Daran fehlt es bei Kontakten zur Organisation, bei denen die eigene Zwecksetzung des Handelnden im Vordergrund steht, etwa bei Geschäften mit der Organisation, vgl. oben S. 82 f. 469 BT-Drs. 16/12428, S. 17. 470 BT-Drs. 16/12428, S. 17; kritisch Fischer, § 89b Rn. 3, der an der Realität dieser Sichtweise zweifelt. 471 Fischer, § 89b Rn. 5; NK/Paeffgen, § 89b Rn. 5 f., 8, der darüber hinaus verlangt, dass der Beziehungspartner die Absicht des Täters gekannt hat. Der Meinungsstand ist hier durch andere Tatbestände geprägt, die das Aufnehmen oder Unterhalten von Beziehungen enthalten, insbesondere § 100 StGB; historisch lässt sich diese Tatbestandsvariante genauso wie die Frage der Ein- oder Mehrseitigkeit des Kontaktes weit zurückverfolgen (vgl. das Einlassen mit einer auswärtigen Regierung als Vorbereitungshandlung zum Hochverrat § 64 des preußischen StGB von 1851 und § 84 RStGB sowie Frank18, § 84 Anm. II).
F. Finanzierung als organisations- und tatbezogenes Verhalten
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Diese Fragestellung verdeutlicht, dass sich das Merkmal der Organisationsbezogenheit nicht in einem Kontakt mit der Organisation erschöpft. Vielmehr ist – wie gezeigt – erforderlich, dass das organisationsbezogene Verhalten objektiv als durch die Zwecksetzung der Organisation determiniertes Verhalten erscheinen muss. Die Grenze zum tatbestandsmäßigen Verhalten des § 89b Abs. 1 StGB wird dann folgendermaßen begreifbar: Obwohl Aufnahme und Unterhalten von Beziehungen eine Kommunikation zwischen dem Täter und der Organisation bedeuten kann, wandelt sich dabei die Eigeninitiative des Täters zu keinem Zeitpunkt in ein allein den Zwecken der Organisation unterstehendes Verhalten473. Kann man sich somit bei § 89b Abs. 1 StGB nicht auf ein organisationsbezogenes Verhalten berufen, so wird die Annahme bestätigt, dass der Tatbestand entscheidend durch einen subjektiven Bezug geprägt ist, also durch die Absicht, sich in der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Straftat gem. § 89a Abs. 1, 2 Nr. 1 StGB unterweisen zu lassen474.
472 Obwohl im Wortlaut des § 89b StGB von einer Beziehung zwischen dem Täter und einer terroristischen Vereinigung gesprochen wird, wird diese Beziehung im Schrifttum als eine zwischen dem Täter des § 89b StGB und dem Mitglied einer terroristischen Vereinigung (also dem Täter des § 129a StGB) verstanden (NK/Paeffgen, § 89b Rn. 8a), jedoch nur um eine Beziehung zum Unterstützer der terroristischen Vereinigung nicht ausreichen zu lassen (so jedoch BT-Drs. 16/12428, S. 17). Fischer differenziert bei einer Beziehung zu einem Unterstützer dagegen danach, ob dieser „für die Vereinigung auftreten“ könne (Fischer, § 89b Rn. 6). 473 Einen entsprechenden Grenzfall stellt auch das Erbieten, für die Vereinigung tätig werden zu wollen, dar; vgl. BGH StB 4 und 5/08 vom 15. Mai 2008, wo allerdings das Erbieten undifferenziert in einem Beziehungsgefüge mit Geldzahlungen, der Rekrutierung von Kämpfern und der Übergabe von Kampfmitteln behandelt wird. Von Krauß wird das Erbieten dem Unterstützen einer Vereinigung zugeordnet (LK/Krauß, § 129 Rn. 142). Unabhängig von der Frage, ob das Erbieten selbst eine Förderung der Organisation darstellt, kann es zu einer Basis dafür werden, das Verhalten des Täters als den Zwecken der Organisation unterstellt zu verstehen. 474 Zur vergleichbaren Legitimationsproblematik des § 100 StGB vgl. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 350 f.
Drittes Kapitel
Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts Es scheint historisch bedingt, Organisationsdelikte einerseits als Straftaten gegen die öffentliche Ordnung zu erfassen und andererseits ihnen die Struktur eines Vorbereitungsdelikts zuzumessen. Hierin ist zwar der Ausgangspunkt für das moderne Strafrecht bereits angelegt, jedoch hat die Problematik insofern an Komplexität gewonnen, als versucht wird, dem Schutz der öffentlichen Ordnung den Vorverlagerungsansatz entgegenzustellen: Infolge dieser Zuspitzung kann man es bei einem Schutz der öffentlichen Ordnung belassen oder man gelangt zu einem vorverlagerten Schutz der Rechtsgüter der Straftaten, auf deren Begehung die Zwecke oder Tätigkeiten der Vereinigung gerichtet sind. Das durch Organisationsdelikte strafrechtlich geschützte Rechtsgut zu benennen, bedeutet gleichwohl nicht nur, einen Standpunkt in dieser Diskussion einzunehmen. Vielmehr kann eine Einsicht in die tradierten Bedeutungen des Begriffs der öffentlichen Ordnung zeigen, dass es sich dabei weniger um ein einheitliches Rechtsgut des 7. Abschnitts des StGB handelt als um einen Topos, welcher im Bereich des Organisationsstrafrechts weiter auszufüllen ist. Insofern werden die durch die Beteiligung an bestimmten Vereinigungen tangierten Rechtsgüter vor dem Hintergrund des Art. 9 Abs. 2 GG zu bestimmen und in einem Zusammenhang zu sehen sein. Denn die Grenzen der Vereinigungsfreiheit, die dort verlaufen, wo die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung den Strafgesetzen zuwiderlaufen bzw. sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, wirken im Organisationsstrafrecht fort.
A. Bestandsaufnahme organisationsstrafrechtlicher Rechtsgutskonzepte I. Zwei Entwicklungslinien der Organisationsdelikte Der Rechtsgutsangriff, der sich bei der Beteiligung an einem Zusammenschluss mehrerer vollzieht, lässt sich unterschiedlich rekonstruieren. Er kann sich daraus ergeben, dass von dem Zusammenschluss selbst ein organisationsspezifischer Rechtsgutsangriff ausgeht. Konstruktiv handelt es sich um ein Organisationsdelikt mit eigenständigem Rechtsgut. Die betroffenen Rechtsgüter können dagegen auch denen entsprechen, die von den Straftaten geschützt sind, deren Begehung durch den Zusammenschluss droht. In konstruktiver Hinsicht geht es
A. Bestandsaufnahme organisationsstrafrechtlicher Rechtsgutskonzepte
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um ein Vorbereitungsdelikt mit vorverlagertem Rechtsgüterschutz; hier konkurriert zugleich die Möglichkeit, Vorbereitungshandlungen mittels Zurechnungsformen des allgemeinen Teils zu erfassen. Der folgende Rückblick auf diese Rechtsgutskonzepte lässt historisch zwei Entwicklungslinien sichtbar werden. Die eine betrifft die Beteiligung an Komplott und Bande, die andere geht auf das Einschreiten gegen politische Vereinigungen im 19. Jh. zurück. 1. Die Beteiligung an Komplott und Bande Eine Annäherung an den Begriff des Komplotts kann über Feuerbachs Komplottlehre erfolgen. Das Wesen des Komplotts lag danach darin, dass mehrere die Begehung eines Verbrechens gemeinsam beschließen475. Unter den Teilnehmern am Komplott sollten Anführer, Urheber und solche Beteiligte zu unterscheiden sein, die weder die Tat selbst vollbracht haben noch Rädelsführer und Urheber der Verschwörung waren476. Die Rechtsfolge, die an das Komplott anknüpfte, war, dass jeder am Komplott Beteiligte als intellektueller Urheber des vollendeten Verbrechens zu betrachten sei, unabhängig davon, ob er zu dessen Verwirklichung im Übrigen beigetragen hat. Es handelte sich um eine Beteiligungsform, gewissermaßen um eine wechselseitige Anstiftung, nach der jeder Komplottant für die ausgeführte Tat haften sollte477. Im Gegensatz zu dieser Zurechnungskonstruktion sollte in dem Fall, in dem das verabredete Delikt nicht umgesetzt wurde, die Vorbereitungshandlung im Rahmen des erfolglos gebliebenen Komplotts als ein Sonderverbrechen selbstständig bestraft werden478. Bereits im 19. Jh. wurde das Komplott jedoch als eigenständige Beteiligungsform zurückgedrängt479; lediglich im Rahmen besonderer Tatbestände sollte es dem Gesetzgeber möglich sein, Vorbereitungshandlungen als solche zu kriminalisieren480. 475 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts5, § 46b: „Wenn mehrere durch gegenseitiges Versprechen wechselseitiger Hülfe die Begehung eines Verbrechens gemeinschaftlich beschließen und sich zu gemeinschaftlicher Ausführung desselben verbinden, so ist ein Complott (societas delinquendi, conjuratio) vorhanden. Da hier der Entschluß jedes Einzelnen bestimmt wird durch die vertragsmäßig begründete Erwartung des Beystandes und der Mitwirkung aller übrigen; so ist jeder Mitverbündete, in Ansehung dessen die Erwartung der übrigen bis zu vollendeter That fortdauerte, als intellectueller Urheber des vollendeten Verbrechens zu betrachten, wiewohl er sonst zu dessen Ausführung keinen thätigen Antheil genommen hat.“ 476 Feuerbach, Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs zu einem peinlichen Gesetzbuche für die Chur-Pfalz-Bayrischen Staaten, Bd. 1, S. 138. Vgl. zum Wortlaut des Art. 51 des bayerischen StGB von 1813 Fn. 189. 477 M.w. N. dazu Schütze, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 205 ff. 478 M.w. N. Schütze, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 208. 479 M.w. N. Schütze, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 210 f.; Ullmann, Das Mordkomplott, S. 12 f. 480 Schütze, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 218, 233.
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
Weder das preußische StGB von 1851 noch das RStGB von 1871 enthielten in der Folge eine allgemeine Komplottregelung481. Der Gedanke des Komplotts gewann allerdings zu Beginn des 20. Jh. erneut an Bedeutung482. Eine positivrechtliche Norm kam indes erst durch das Gesetz zum Schutze der Republik von 1922 zu Stande. Nach dessen § 1483 wurde wegen eines sogenannten Mordkomplotts bestraft, wer an einer Vereinigung oder Verabredung, die auf die Tötung eines Regierungsmitglieds gerichtet war, teilnahm. Sofern es zur Ausführung der Tat kam, drohten – wie bei einem Mörder – Todesstrafe (vgl. § 211 RStGB) oder lebenslängliche Zuchthausstrafe alleine aufgrund der Beteiligung an dem Komplott. Parallel bestand seit 1922 mit § 49b eine Vorschrift im allgemeinen Teil des RStGB, die die bloße Vorbereitung eines Mordes in Form der Verabredung mit Strafe bewährte. Das zweite Gesetz zum Schutz der Republik 1930 erfasste 481 Dagegen fanden sich im Rahmen bestimmter Tatbestände Sonderregelungen, vgl. etwa zur Verabredung eines Hochverrats § 63 des preußischen StGB und § 83 RStGB. 482 Vgl. zunächst die Beratungen zu der sogenannten „Umsturzvorlage“ (auf der Grundlage des Entwurfs eines Gesetzes betreffend Änderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs, des Militärstrafgesetzbuchs und des Gesetzes über die Presse vom 5. Dezember 1894); dazu Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 87 ff. Der entsprechende Entwurf des § 129a RStGB lautete: „Haben Mehrere in der Absicht, auf den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staatsordnung hinzuwirken, die Ausführung eines Verbrechens verabredet oder sich zur fortgesetzten Begehung mehrerer, wenn auch im Einzelnen noch nicht bestimmter Verbrechen verbunden, so werden sie, auch ohne daß der Entschluß der Verübung des Verbrechens durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung enthalten, bethätigt worden ist, mit Zuchthaus bestraft“. In dem im Rahmen der Beratungen gefassten Beschluss, die Verbrechensverabredung aus dieser Vorschrift auszugliedern und in § 49b RStGB gesondert zu erfassen, sah man explizit eine Rückkehr zu der gemeinrechtlichen Komplottlehre (s. dazu bei Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 106). Wenn auch die „Umsturzvorlage“ nicht realisiert wurde, so wurde der Versuch, eine Komplottvorschrift einzuführen, erneut mit der Ausarbeitung des Kommissionsentwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1913 unternommen. von Hippel begründete die Strafbarkeit damit, dass die Polizei auch im Fall einer Anzeige des Komplotts bisher abzuwarten habe, bis die Verbrecher zu Versuchshandlungen schritten, die meist zur Vollendung führten (s. dazu bei Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 130). Geplant war ein Straftatbestand der „Friedensstörung“ im Besonderen Teil, wonach nicht die Vorbereitung von eigenen Straftaten oder die Teilnahme an fremden Delikten, sondern vielmehr nur bestimmte Formen der Verbrechensvorbereitung wegen ihrer besonderen Gefahr für die allgemeine Rechtssicherheit zu bestrafen waren (dazu Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 131 ff.). Eine Verabschiedung dieses Entwurfs bis zum Jahr 1917 wurde in Aussicht genommen, trat jedoch in der Folge in den politischen Hintergrund (Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 137). 483 § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutze der Republik von 1922 lautete: „Wer an einer Vereinigung oder Verabredung teilnimmt, zu deren Bestrebungen es gehört, Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes durch den Tod zu beseitigen, wird mit Zuchthaus nicht unter 5 Jahren oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft. Ist in Verfolgung dieser Bestrebungen eine Tötung begangen oder versucht worden, so wird jeder, der zur Zeit der Tat an der Vereinigung oder Verabredung beteiligt war und ihre Bestrebungen kannte, mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft.“
A. Bestandsaufnahme organisationsstrafrechtlicher Rechtsgutskonzepte
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entsprechend in § 1 Abs. 1 Verbindungen, die Verbrechen wider das Leben bezweckten; ohne jedoch eine Strafschärfung der Beteiligten für den Fall der Tatausführung vorzusehen. 1932 wurde diese Vorschrift mit dem § 49b RStGB zusammengeführt. Diese erst 1975 aufgehobene Vorschrift wurde dogmatisch so eingeordnet, dass sie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung diene und gleichzeitig Vorbereitungshandlungen erfasse484. Die Vorschrift des § 49b StGB bildet zusammen mit dem § 49a StGB (Duchesne-Paragraph) die Vorläufer des geltenden § 30 StGB485. Ein Spezialfall des Komplotts bildete für Feuerbach die Bande. Sie zeichnete sich lediglich dadurch aus, dass die Bandenabrede auf eine Mehrzahl noch unbestimmter bzw. lediglich gattungsmäßig bestimmter Taten gerichtet war.486 Jedoch gewann bereits im 19. Jh. die Auffassung an Gewicht, dass die Bande sich von der Einzelverabredung wesentlich unterscheide. Das Verhältnis zwischen Bande und Komplott wurde vielmehr so bestimmt, dass die Bande durch die Konkretisierung auf eine bestimmte Bandentat in ein Komplott übergehe; die Bande sei gewissermaßen Quelle einer Vielzahl von Komplotten und entsprechenden Einzelverbrechen.487 Es rückte somit die von einer verbrecherischen Verbindung ausgehende Gefahr gegenüber dem Vorbereitungscharakter in den Vordergrund. Entsprechend fand in das preußische StGB von 1851 keine allgemeine Bandenregelung mehr Eingang, sondern die bandenmäßige Begehung eines konkreten Delikts wurde im Rahmen des § 218 Nr. 8 (die Vorschrift entsprach der Regelung des späteren § 243 Nr. 6 RStGB) als strafschärfend behandelt488. 2. Die Beteiligung an verbotenen Vereinigungen Die zweite Entwicklungslinie, die hier nachzuverfolgen ist, stellt das Organisationsstrafrecht des 19. Jh. dar, das sich als Reaktion auf die Französische Revolution489 und revolutionäre Bestrebungen in Deutschland gegen unerlaubte oder geheime politische Verbindungen richtete. Es zeigt sich dabei, dass gerade solche Organisationsdelikte in den Kontext eines Schutzes der öffentlichen Ordnung gestellt wurden. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten enthält zwar im Abschnitt über „Verbrechen gegen die innere Ruhe und Sicherheit des Staats“ noch kein Organisationsdelikt, sieht jedoch dort als „Vorbeugungsmittel“ in § 185 II 20 M.w. N. LK9 /Busch, § 49b Rn. 3. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 28 Rn. 75. 486 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts5, § 46b. 487 Schütze, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, S. 239 ff. 488 Vgl. Altenhain, ZStW 113 (2001), 112, 116 f. 489 Vgl. auch zur Entstehung des Begriffs „Terrorismus“ in diesem historischen Kontext Duden: Das Herkunftswörterbuch, Stichwort „Terrorismus“. 484 485
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
eine Anzeigepflicht vor, wonach „heimliche Verbindungen mehrerer Mitbürger des Staats, wenn sie auf den Staat selbst, und dessen Sicherheit Einfluß haben könnten“, der Obrigkeit zur Prüfung und Genehmigung angezeigt werden müssen. Strafrechtlich wurde das Beteiligen an Verbindungen 1798 im preußischen Edikt wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen Sicherheit nachteilig werden können, erfasst490. Auf der Ebene des Deutschen Bundes folgte durch Art. 1, 2 des Bundesbeschlusses vom 20. September 1819 die Einrichtung einer Kommission, die der Untersuchung der „gegen die bestehende Verfassung und innere Ruhe sowohl des ganzen Bundes als einzelner Bundesstaaten gerichteten revolutionären Umtriebe und demagogischen Verbindungen“ dienen sollte. Durch den Bundesbeschluss über Maßregeln zur Aufrechthaltung der gesetzlichen Ruhe und Ordnung im Deutschen Bunde vom 5. Juli 1832 trat die Verpflichtung der Bundesstaaten, auch durch Verbote und Strafnormen tätig zu werden, hinzu: „Alle Vereine, welche politische Zwecke haben, oder unter anderm Namen zu politischen Zwecken benutzt werden, sind in sämmtlichen Bundesstaaten zu verbieten und ist gegen deren Urheber und die Theilnehmer an denselben mit angemessener Strafe vorzuschreiten“. In der Folgezeit sind entsprechende Tatbestände in der Gesetzgebung vieler Bundesstaaten nachweisbar491. Dieses Vorgehen konzentrierte sich hauptsächlich auf unerlaubte bzw. nicht genehmigte Verbindungen. In der bayerischen allerhöchsten Entschließung vom 1. März 1832, die sich allerdings auch gegen politische Vereine, deren Zweck „der Verfassung des Reiches oder der Souveränität des bayerischen Staates zuwiderläuft“ richtete, wird als Motiv der gesetzgeberischen Tätigkeit angegeben: „Wir [können] nicht gestatten, daß eine, nur den gesetzlichen Organen der Verwalteten in ihren gesetzlichen Schranken zukommende Befugnis von Dritten in Anspruch genommen oder daß wohl gar durch willkürliche, dem Gesetze fremde Verbindungen die Rechte gekränkt werden [. . .]. Die bayerische Verfassung räumt den Staatsbürgern nirgends das Recht ein, politische Assoziationen in willkürlicher Weise einzugehen, und neben den bestehenden Staatsbehörden, Kommunalbehörden und Repräsentativkörpern einen gegliederten Organismus für politische Zwecke [. . .] zu verbreiten.“ 492 Ganz in diesem Sinn wird von der Verordnung des Großherzogtums Baden vom 5. Juni 1832 für jeden Verein ohne Ausnahme eine Genehmigung seitens des „ältesten Vereins, nämlich des Staates“ verlangt.
490 Carstens, Unerlaubte Verbindungen im deutschen Strafrechte des 19. Jahrhunderts, S. 50 ff.; Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 11 ff. 491 Vgl. im Einzelnen Carstens’ Darstellung über „Unerlaubte Verbindungen im deutschen Strafrechte des 19. Jahrhunderts“ und bei von Kamptz/Weil, Zusammenstellung der Strafgesetze auswärtiger Staaten nach der Ordnung des revidirten Entwurfs des Strafgesetzbuchs für die Königlich-Preußischen Staaten, 2. Teil, S. 119 ff. 492 Königliche Allerhöchste Entschließung vom 1. März 1832 in: Regierungsblatt für das Königreich Bayern, 1832, Sp. 181, 183.
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Carstens erklärt dieses Phänomen mit dem damaligen Verständnis eines staatlichen Monopols der Einwirkung auf das politische Leben493, sodass der Staat eine Organisation neben sich nicht dulden konnte494. Abgesehen von dem Gesichtspunkt fehlender Genehmigung konnten Vereinigungen aus anderen Gründen, insbesondere ihrer Zweckrichtung, als gesetzwidrig betrachtet werden und die Beteiligung an ihnen pönalisiert sein. So wurden bereits im erwähnten Edikt wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen (1798) Gesellschaften und Verbindungen für unzulässig erklärt, deren Zweck, Haupt- oder Nebengeschäft darin besteht, Veränderungen in der Verfassung oder in der Verwaltung des Staates anzustellen (vgl. dort § 2 Nr. 1). Diesen Gedanken findet man vereinzelt auch später; so wurden im Entwurf eines Criminalgesetzbuches für das Königreich Sachsen von 1835 Vereinigungen erfasst, „welche bezwecken, die Vollstreckung der Staatsgesetze aufzuheben oder unwirksam zu machen oder den von der Staatsregierung ergriffenen Verwaltungsmaßregeln entgegenzuwirken“ (vgl. dort Art. 92). Für den an der Universität Tübingen tätigen Strafrechtslehrer Hepp war vom Standpunkte eines konstitutionellen Staats „zu denkwürdig“, dass der Entwurf des württembergischen StGB von 1835 die „Theilnehmer an einem von der Regierung nicht genehmigten Vereine, welcher politische Zwecke hat“, bestrafen will495. Hepp setzte sich vielmehr dafür ein, die Strafbarkeit vom Kriterium der Genehmigung unabhängig zu machen und nur die Beteiligung an solchen gesetzwidrigen Verbindungen zu erfassen, welche bezwecken, die Vollstreckung der Staatsgesetze aufzuheben oder unwirksam zu machen, oder die Ausübung der Verwaltungsbefugnisse der Regierung zu hemmen oder unwirksam zu machen, oder sonstige gesetzwidrige Zwecke verfolgen496. Diese Einschränkung enthielt dann auch der Art. 149 des württembergischen StGB in der 1839 in Kraft getretenen Fassung; dessen Abs. 1 stellte die Teilnahme an Vereinen für gesetzwidrige politische Zwecke und Abs. 2 die Teilnahme an den von der Staatsregierung wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung besonders verbotenen Verbindungen unter Strafe. Die im Vorstehenden dargestellte Differenzierung zwischen geheimen Vereinigungen einerseits und staatsfeindlichen Vereinigungen andererseits spiegelt sich auch in den Vorschriften der §§ 98 und 99 des preußischen StGB von 1851. Der Kernbereich dieser Regelungen ist als §§ 128 und 129 des Strafgesetzbuches für 493 Carstens, Unerlaubte Verbindungen im deutschen Strafrechte des 19. Jahrhunderts, S. 19 und 82. 494 Carstens, Unerlaubte Verbindungen im deutschen Strafrechte des 19. Jahrhunderts, S. 22; vgl. allerdings auch Cancio Meliá, in: FS-Jakobs, S. 27, 48 f.; ders., in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 47, 59 f. 495 Hepp, Die politischen und unpolitischen Staatsverbrechen und -vergehen, S. 49 f.; vgl. ders., Commentar über das neue württembergische StGB, II. Bd., S. 280 ff. 496 Hepp, Die politischen und unpolitischen Staatsverbrechen und -vergehen, S. 51 f.
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
den Norddeutschen Bund von 1870 bzw. des RStGB von 1871 übernommen worden; auch hier ist eine Einordnung der Vorschriften in den Abschnitt gegen die öffentliche Ordnung vorzufinden. 3. Herausbildung von zwei parallelen Rechtsgutskonzepten Die auf Komplott und Bande zurückgehende Entwicklung betraf eine Kriminalisierung von Vorbereitungshandlungen im Vorfeld einer anderen Rechtsgutsverletzung; entweder durch die Verabredung einer konkreten Straftat oder die Verbindung zu mehreren im Einzelnen noch unbestimmten Taten. Als Gegenstück richtete sich das Organisationsstrafrecht gegen einen eigenständigen Rechtsgutsangriff, der mit der Existenz der Organisation selbst verbunden wurde, wenn der jeweils als legitim angesehene Bereich des Assoziationsrechts überschritten wurde. In dieser strukturellen Unterschiedlichkeit von Vorbereitungsgedanken und Angriffsrichtung des Organisationsdelikts erscheinen sie als gegensätzliche Schutzkonzepte; historisch jedoch greifen sie ineinander. Das Beispiel der bereits oben erwähnten Gesetze zum Schutz der Republik von 1922 und 1930 zeigt zunächst, dass beide Gestaltungsmöglichkeiten systematisch nebeneinander treten können. Die Gesetze enthielten neben den dargestellten Komplottvorschriften (vgl. §§ 1 bis 4 des ersten und § 1 des zweiten Republikschutzgesetzes) jeweils eine Norm, die die Teilnahme an geheimen oder staatsfeindlichen Verbindungen gem. §§ 128, 129 RStGB kriminalisierte, sofern diese Verbindung Bestrebungen verfolgte, die republikanische Staatsform zu untergraben (vgl. § 7 Nr. 4 des ersten und § 4 Nr. 1 des zweiten Republikschutzgesetzes)497. Ein anderes Beispiel ergibt sich dann, wenn man die §§ 49a, 49b a. F. StGB einerseits und die §§ 128, 129 a. F. StGB andererseits im Zusammenhang betrachtet. Darüber hinaus können sich beide Entwicklungslinien in einer Normgestaltung überschneiden, bei der das Unrecht der Beteiligung in einer Vereinigung neben der politischen Zielrichtung der Vereinigung auch an der Ausrichtung auf die Begehung von Straftaten orientiert. Dies deutete sich etwa schon in Art. 149 Abs. 1 des württembergischen StGB von 1839 an, der zwar die Teilnahme an Vereinen für gesetzwidrige politische Zwecke erfasste, jedoch nur sofern sie nicht in ein schwereres Verbrechen überging498. Zu einer Überschneidung führt auch die tat497 Entsprechend differenzierte Luetgebrune zwischen mehreren Gruppen von Tatbeständen des Gesetzes zum Schutze der Republik von 1922 (Luetgebrune, JW 1924, 265, 265 ff.). 498 Vgl. auch die Regelung des § 147 des Entwurfs eines StGB für die Preußischen Staaten von 1830: „Ist der Zweck einer unerlaubten Gesellschaft oder Verbindung eine an sich als Verbrechen strafbare Handlung, so finden zugleich die besondern Strafen dieses Verbrechens, nach den Vorschriften §§. 97. u. f., Anwendung“ (in: Regge, Gesetzrevision (1825–1848), I. Abt., Bd. 2, S. 498).
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bestandliche Umschreibung der staatsfeindlichen Vereinigung als eine solche, die ihre Ziele mit ungesetzlichen Mitteln durchsetzt499. Diese Vorschriften ließen sich sowohl vor dem Hintergrund des Verbots von bestimmten Vereinigungen als auch mit dem Vorbereitungsgedanken erklären. Zu einem einheitlichen Ansatz bündeln sie sich schließlich dann, wenn eine Schranke der rechtlichen Zulässigkeit von Vereinigungen gerade in ihrer Zwecksetzung, Straftaten zu begehen, gesehen wird. In diesem Fall trifft nämlich der illegitime Charakter der Organisation mit dem Vorbereitungsgedanken inhaltlich zusammen. Hier ist an die strukturelle Eigenheit des § 129 StGB seit der Fassung von 1951 zu denken. Bei der Umgestaltung des § 129 StGB im Rahmen des 1. StrÄG ist an den Art. 9 GG angeknüpft worden. Dabei war entscheidend, dass der Gesetzgeber den ersten Verbotsgrund des Art. 9 Abs. 2 GG, dass die Vereinigungszwecke und -tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen, gegenüber den weiteren Verbotsgründen distanzierte und diesen explizit in § 129 StGB umsetzte. Denn dieses Verbot bedarf keiner vorhergehenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung500 und unterscheidet sich dadurch von einem Vereinsverbot, das aus den Gründen erfolgt, dass eine Vereinigung sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Für die letztgenannten Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG wurde demgegenüber die Norm des § 129a StGB i. F. v. 1951 geschaffen, die Vorläufer des geltenden § 85 StGB ist. II. Polarisierung zwischen Vorbereitungstheorie und dem Schutz der öffentlichen Ordnung Die vorstehende Betrachtung zeigt, dass sich zwar zwei unterscheidbare Rechtsgutsstrukturen der Organisationsdelikte nachzeichnen lassen. Zugleich jedoch stehen die Konzepte eines vorverlagerten Schutzes von Rechtsgütern der Bezugstaten einerseits und einer eigenen Schutzrichtung der Organisationsdelikte andererseits nicht in einem kontradiktorischen Verhältnis. Vor diesem Hintergrund erscheint die Polarisierung bei der Frage nach dem in den geltenden §§ 129, 129a StGB geschützten Rechtsgut zwischen dem Schutz der öffentlichen Ordnung und dem Schutz der Rechtsgüter der Bezugstaten in einem anderen Licht. Unter Berufung auf die Überschrift des 7. Abschnitts des StGB – „Straftaten gegen die öffentliche Sicherheit“ – wird vertreten, die §§ 129, 129a StGB wiesen 499 Vgl. § 99 des preußischen StGB von 1851 und § 129 RStGB, die im Tatbestand übereinstimmend lauteten: „Die Theilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehört, Ma[a]ßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften“, wird bestraft. 500 Materialien zum 1. StrÄG von 1951 (unveröffentlicht, zit. nach Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 293); s. auch S. 15 ff.
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ein eigenständiges Schutzgut auf, nämlich: die öffentliche Ordnung501. Der Vorbereitungsgedanke hat zwar auch hier Eingang ins Schrifttum gefunden, indem die Beteiligung an einer Vereinigung als Vorbereitungshandlung bezeichnet wird, jedoch wird es beim Schutz allein der öffentlichen Ordnung belassen502, ohne dieses Spannungsverhältnis weiter aufzulösen. Begreift man dagegen die §§ 129, 129a StGB als Vorbereitungsdelikte, so bedeutet dies, wenn man sie vor dem Hintergrund der Entwicklungslinien zur Strafbarkeit der Beteiligung an Zusammenschlüssen mehrerer betrachtet, sie an die Rechtsfiguren des Komplotts und der Bande anzulehnen. Auf Rudolphi geht die entsprechende These zurück, die Beteiligung an einer Vereinigung als Vorbereitungshandlung setze die Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes voraus503. Im Hinblick auf §§ 129, 129a StGB soll die Vorverlagerung in das Vorbereitungsstadium bedeuten, dass es sich dort vielmehr – ähnlich der Vorschrift des § 30 Abs. 2 StGB – um den Schutz der Rechtsgüter der Bezugstaten, die auch durch den Versuch und die Vollendung jener Straftaten beeinträchtigt würden, handelt504. An Rudolphis Darlegungen wird zugleich deutlich, dass es für die Vorbereitungstheorie konsequent erscheint, ein eigenes Rechtsgut zu negieren; im Rahmen der §§ 129, 129a StGB wäre dann die öffentliche Ordnung als ein eigenständiges Rechtsgut abzulehnen505. Ausnahmen macht Rudolphi allerdings für § 129a Abs. 2 und 3 StGB506. Denn in Abs. 2 käme zu der Gefährdung der Rechtsgüter der Katalogtaten die Gefährdung der Funktionsfähigkeit eines Staates oder einer internationalen Organisation kumulativ hinzu507. Bezüglich der Rechtsgutsgefährdung durch das in Abs. 3 umschriebene Verhalten könne die Androhung von Katalogtaten gar nicht das Potenzial der Gefährdung durch Begehen erreichen, vielmehr sei hier das Vertrauen der Bevölkerung auf das Ausbleiben der Katalogtaten gefährdet508. Die Auslegung eines Tatbestandes als Vorbereitungs- oder Organisationsdelikt zielt somit zwar darauf, das geschützte Rechtsgut zu umgrenzen bzw. ein anderes auszuschließen, reicht jedoch nicht darüber hinaus, in der Frage nach dem geschützten Rechtsgut einen Schwerpunkt zu setzen. Beide Schutzrichtungen in ei501 M.w. N. jeweils LK/Krauß, § 129 Rn. 1; MK/Miebach/Schäfer, § 129 Rn. 1; Sch/ Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129 Rn. 1. Der Streit um das Rechtsgut des § 129 StGB wird auch auf die Tatbestände des § 129a StGB übertragen. 502 LK/Krauß, § 129 Rn. 1; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129 Rn. 1; MK/ Miebach/Schäfer, § 129 Rn. 1; s. dazu auch NK/Ostendorf, § 129 Rn. 4. 503 Rudolphi, in: FS-Bruns, S. 315, 317; ders., ZRP 1979, 214, 215 ff.; ders., JZ 1979, 33, 35; ders., NStZ 1982, 198, 199; SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 3. 504 SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 3. 505 NK/Ostendorf, Vor § 123 ff. Rn. 1 ff.; ders., § 129 Rn. 4 f. 506 SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 4. 507 SK/Rudolphi/Stein, § 129a Rn. 6. 508 SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 4, § 129a Rn. 6, 13.
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nem kontroversen Verhältnis zueinander zu sehen, ist von der Position der Vorbereitungstheorie vor allem als eine Kritik an dem Rechtsgut der öffentlichen Ordnung zu verstehen. In diesem Punkt hat die Vorbereitungstheorie Interesse erweckt und ist teilweise auf Zustimmung gestoßen. III. Kritik an der öffentlichen Ordnung als strafrechtlichem Rechtsgut Mit einer rechtsgutstheoretischen Begründung ist bereits die Rechtsgutseigenschaft der öffentlichen Sicherheit und Ordnung infrage zu stellen509: Mit Hefendehl handelt es sich gemäß den Anforderungen an das personal strukturierte Vertrauen eines überindividuellen Vertrauensgegenstandes510 dabei überhaupt nicht um ein strafrechtliches Rechtsgut, sondern lediglich um ein tatbestandslimitierendes Merkmal511. Es bedürfe nämlich eines positiven Nachweises tatsächlich bestehenden Vertrauens512, so wie es etwa hinsichtlich des Tauschmittels Geld im Wirtschaftsverkehr bestehe513. Tatsächlich sind die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Strafrecht mit dem Stichwort „Vertrauen“ verbunden, sodass sie als Vertrauen der Bevölkerung in den Staat, als Vertrauen, vor gewaltsamen Einwirkungen geschützt zu sein, oder als Sicherheitsgefühl definiert werden514. Hinter diesen Phänomenen steht für Hefendehl jedoch kein für den strafrechtlichen Rechtsgüterschutz hinreichend konkreter Vertrauensgegenstand, denn das Vertrauen in die Schutzwirkung der geltenden Rechtsordnung werde durch jede Tat stets gefährdet515. 509 M.w. N. Puschke, in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 9, 28. 510 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 127. 511 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 290. Bei den §§ 129, 129a StGB kommt für Hefendehl ein Friedensschutzaspekt nicht in Betracht, weil dies zur Voraussetzung habe, dass die Tathandlung in der Öffentlichkeit so kommuniziert wird, dass bei einer Vielzahl von Individuen Unsicherheit ausgelöst ist. Ein Tatbestand, dessen formalrechtliche Handlungsumschreibung einen Kontakt zur Öffentlichkeit nicht voraussetzt, wie dies bei den Tatbeständen der Bildung einer kriminellen und terroristischen Vereinigung der Fall sei (vgl. aber S. 183 ff.), könne nicht als Friedensschutzdelikt gelten (Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 287 ff.). 512 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 259. 513 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 239, 291. 514 Vgl. Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129 Rn. 1; vgl. auch zum Rechtsgut der §§ 125, 126 StGB SK/Rudolphi/Stein, § 125 Rn. 12, § 126 Rn. 2; Puschke, in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 9, 28. 515 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 35, 124 f., 291. Auch verfassungsrechtlich werden zwar (begründete und unbegründete) Befürchtungen der Bevölkerung thematisiert (vgl. BVerfGE 65, 1, 3 f. betreffend das Volkszählungsgesetz von 1983), jedoch scheint auch hier das Recht auf Freisein von Furcht nicht geeignet, die Eingriffe in die Rechtssphäre anderer zu begründen (Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 226 f.). Zur Einordnung des Sicherheitsgefühls im System der polizeirechtlich geschützten Rechtsgüter s. Schewe, Das Sicherheitsgefühl und die Polizei, S. 134 ff., der annimmt, dass es sich im Ergebnis zwar um einen Teilaspekt mehrerer Rechtsgüter han-
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Die Durchsetzung der in der objektiven Rechtsordnung begründeten Verhaltenspflichten bildet zugleich einen Gegenstand des Schutzes der öffentlichen Sicherheit im Sinne der polizeirechtlichen Generalklauseln. Dieser Begriff der öffentlichen Sicherheit, der sich umfassend auf individuelle und kollektive Ebenen erstreckt516, hat unbestritten eine weitere Bedeutung als die, die er im Strafrecht haben kann517. Gleichwohl ist dies Ausgangspunkt für eine andere kritische Ansicht, nach der ein strafrechtlicher Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die §§ 129, 129a StGB deswegen abzulehnen sei, weil die Vorschriften sonst eine rein polizeiliche Sicherheitsfunktion hätten518. Wenn die gesetzliche Überschrift des Siebenten Abschnitts des StGB einen strafrechtlichen Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung impliziert, ist dies nur begreifbar, wenn man die historische Dimension dieses Begriffs in Betrachtung einbezieht. Denn die öffentliche Sicherheit und Ordnung erscheinen vor allem deswegen als ein so umstrittenes Rechtsgut, weil sich hinter diesen Kategorien im modernen Strafrecht kein strukturiertes strafrechtadäquates Konzept mehr finden lässt. IV. Bedeutungsspektrum des Öffentlichen im Kontext eines Schutzes der rechtlichen Ordnung Der Befund, dass mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kein dem Strafrecht angemessenes Rechtsgutskonzept bezeichnet ist, weil dieser Begriff nur für Rechtsverletzung steht, wird im Folgenden als Resultat einer historischen Entwicklung dargestellt. Die Dekonstruktion des Begriffes ermöglicht seine Bedeutungsgehalte freizulegen, die wiederum zur Basis einer Neuinterpretation werden können. Ausgangspunkt kann hierbei sein, dass schon die Bezeichnung „öffentlich“ nicht ganz eindeutig ist. Etymologisch gesehen ist „öffentlich“ eine Bildung zu „offen“, dessen Ursprung weiter in „ob“, „über“ und „oben“ vermutet wird519.
dele, jedoch der Schutz des Sicherheitsgefühls als Grundlage auch für polizeiliche Maßnahmen nicht ausreiche. 516 Da die Dimension der grundrechtlichen Schutzpflicht allen Freiheitsrechten zukommen kann, werden auf diese Weise sämtliche auf den Einzelnen bezogenen Rechtsgüter erfasst (vgl. Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit, S. 128 f.). Aber auch die verfassungsmäßige Ordnung, der Bestand des Staates und das Funktionieren seiner Einrichtungen stellen Schutzgüter der polizeirechtlich verstandenen öffentlichen Sicherheit dar (Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit, S. 129). 517 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 289. 518 Schroeder, Die Straftaten gegen das Strafrecht, S. 28 f. 519 Duden: Das Herkunftswörterbuch, Stichwort „öffentlich“; m.w. N. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 24 f.
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Insofern meint das Öffentliche etwas über dem Einzelnen Stehendes. Daraus ergibt sich die Dichotomie, dass mit „öffentlich“ der Staat oder die Allgemeinheit bezeichnet sein kann: Nahe stehen sich und oft synonym verwendet werden das „Öffentliche“ und das „Gemeine“ 520, soweit sie gleichermaßen die Zugänglichkeit oder Wahrnehmbarkeit für eine Mehrheit unbestimmter Personen bezeichnen. Beide Begriffe werden auch zur Übersetzung des lateinischen „publicus“ verwendet, das selbst auf „populus“ zurückgeht. So wurde das lateinische „locus publicus“ zunächst als ein „gemein öffentlich Orth“ übersetzt521. Auch der moderne Begriff des „öffentlichen Ortes“ sowie die Begriffe des „Publikums“, der „Allgemeinheit“ und der „Öffentlichkeit“ sind durch diese Bedeutung geprägt.522 Durch die Verbindung über „publicus“ ergibt sich eine weitere Dimension des „Öffentlichen“. Mit dem Eingang dieses Begriffes in den germanisch-deutschen Rechtsraum, der sich nicht am lateinischen Bedeutungsgehalt orientierte, sondern dem lateinischen Ausdruck sachlichen Gehalt vermittelte, wird etwa der Terminus „res publica“ im Sinne von „kunigrîche“ verwendet und insofern in einen herrschaftlichen bzw. staatlichen Kontext gestellt523. Eine andere Zuordnung zum Staatlichen drückt etwa der Begriff des „öffentlichen Amtes“ oder des „öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses“ aus. Hier ist der Kontext der Staatlichkeit dadurch gekennzeichnet, dass der Staat als Hoheitsträger kraft seines Hoheitsrechts in diesem Verhältnis dem Einzelnen gegenüber übergeordnet ist. Das „Öffentliche“ hat also zwei Bedeutungsrichtungen und lässt sich lediglich vom „Privaten“ distanzieren. Um die Auslegung des „Öffentlichen“ als Rechtsbegriff vor dem Hintergrund seiner Doppeldeutigkeit524 zu ermöglichen, wird vorgeschlagen, die Bedeutung für jeden Tatbestand einzeln zu ermitteln und zu spezifizieren525.
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Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 25. Frischlin, Nomenclator Trilingvis Graeco-latino-germanicus, S. 491. 522 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 45 ff. 523 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 30. 524 Bei Martens findet man für den Fall der „öffentlichen Ordnung“ noch eine dritte Bedeutung, und zwar gehöre öffentliche Ordnung in eine übergreifende Kategorie der „öffentlichen Interessen“ und stelle daher eine spezifische Verknüpfung von staatlichen Maßnahmen im Interesse einer unbestimmten Vielheit an Personen dar (Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 171, 198 f.). Martens hält seinen Begriff auch dann für anwendbar, wenn die Allgemeinheit durch eine einzelne Person repräsentiert wird, sodass der Schutz des Einzelnen zugleich im Interesse aller läge (Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 190). Hierdurch entscheidet sich Martens bewusst für eine Eingrenzung des Begriffs der öffentlichen Ordnung auf den Bereich des Polizeirechts (Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 171, 198). 525 Vgl. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 196. 521
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1. Präventiver und repressiver Schutz der öffentlichen Ordnung Die Begriffe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erscheinen gerade mit Blick auf ihr polizeirechtliches Verständnis im Strafrecht einschränkungsbedürftig. Die Unterscheidung zwischen Strafrecht und Polizeiwesen muss dagegen ihren Ausdruck in unterschiedlich strukturierten Begriffen von öffentlicher Sicherheit und Ordnung gefunden haben. Bei rückblickender Betrachtung dieser Entwicklung wird man zugleich auf eine historische Verknüpfung dieser Regelungsbereiche stoßen können. Die Ansätze für die Trennung des Polizeiwesens vom Strafrecht liegen in der frühneuzeitlichen Gesetzgebung. Zwar verlief die Reform der Polizei und der Justiz in einem Beratungsprozess526, dieser führte jedoch zu einer parallelen Entstehung der Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577 einerseits und der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 andererseits. Ob dieses Nebeneinander als Ausdruck einer abgestimmten Aufteilung der Regelungsbereiche aufgefasst werden kann527, ist umstritten. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die Polizeinormen sich nicht nur hinsichtlich der Regelungsmaterie partiell mit Delikten der Carolina deckten, sondern in ihnen gleichermaßen Strafsanktionen vorgesehen sein konnten528. Härter geht davon aus, dass eine moderne Unterscheidung der Straftaten und vorbeugenden Maßnahmen nicht stattfand529. Er führt dies darauf zurück, dass eine Störung der guten Ordnung und eine Schädigung des gemeinen Nutzens als hinreichender Grund einer Strafsanktion erachtet worden seien, sodass jede Handlung, die als störend interpretiert werden konnte, als strafwürdig erschien530. Gleichwohl sahen die Polizeiordnungen nicht an jeder Stelle Zwang oder Strafe zur Durchsetzung ihrer Normen vor531. Eine Differenzierung erscheint Härter hier allenfalls zwischen peinlichen und nichtpeinlichen Strafen für statthaft532. 526 Segall, Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, S. 45, näher dort S. 60 ff., 85 ff. 527 So Mattes, Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, 1. Halbbd.: Geschichte und Rechtsvergleichung, S. 52. Bei der Gotteslästerung bestände der Unterschied darin, dass die Carolina in Art. 106 die Strafbarkeit nur im Grundsatz aussprach, wegen der Einzelheiten aber auf die Reichspolizeiordnung verwies (Mattes, Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, 1. Halbbd.: Geschichte und Rechtsvergleichung, S. 55). Goldschmidt begreift dagegen die Strafvorschriften der Reichspolizeiordnungen explizit als „Verwaltungsstrafrecht“ in dem Sinne, dass die Gotteslästerung sich in der Carolina gegen die „Gottheit“ richtete, während in den Reichspolizeiordnungen das Verwaltungsrechtsgut der Kontrollinteressen der Verwaltungsbehörde geschützt gewesen sei (Goldschmidt, Das Verwaltungsstrafrecht, S. 72 ff.). 528 Härter, Policey und Strafjustiz in Kurmainz, S. 174. 529 Härter, Policey und Strafjustiz in Kurmainz, S. 183. 530 Härter, Policey und Strafjustiz in Kurmainz, S. 178 f., 183. 531 Härter, Policey und Strafjustiz in Kurmainz, S. 184 f. 532 Härter, Policey und Strafjustiz in Kurmainz, S. 183.
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Greift man etwa die Maßnahmen gegen herrenlose Knechte oder desertierte Soldaten der Reichspolizeiordnungen von 1548 und 1577 heraus, handelte es sich hier nicht nur um vorbeugende Maßnahmen gegen bettelndes oder plünderndes Herumstreifen dieser Personen, vielmehr wurde als Angriff auf die öffentliche Ruhe und Ordnung etwa gem. Art. 7/3 der Reichspolizeiordnung von 1577 angesehen, wenn dabei „jemandt das seinig/wie gering es auch wäre/mit gewalt/ oder betrawen [Bedrohung] abgerungen/oder gestohlen/oder sonsten in andere wege mißhandelt hette“. Als Rechtsfolge auf dieses Verhalten ordnete die Vorschrift an „zu gebürlicher bestraffung begangener ubelthat/stracks verfahren“, damit – wodurch die Schutzrichtung hervortritt – „fried und ruh im heiligen Reich erhalten/und die underthanen deß uberlästigen gardens/und anderer betrangnussen [Leiden]/geubrigt seyn und bleiben mögen“. Zwar reichen die Interpretationsansätze für die polizeiliche Ordnung der Frühneuzeit von herrschaftlicher Sozialdisziplinierung bis hin zum Gemeinwohl533, sodass in der Polizeiforschung darauf hingewiesen wird, dass sich ein einheitliches Erklärungsmuster für alle Phänomene der „guten Policey“ nicht angeben lässt534. Gleichwohl lässt sich ein Anknüpfungspunkt für ein Begriffsverständnis im Überschneidungsbereich von Straf- und Polizeirecht insbesondere im Rahmen der Bekämpfung der unerlaubten Fehde finden. Hier erhält der Begriff der öffentlichen Ordnung eine konkretere Gestalt: In den Art. 128, 129 der Carolina wurden als Fehdedelikte das Austreten535, der Landzwang536 und die unerlaubte Befehdung erfasst, die ebenfalls – sofern man nur das tatbestandsmäßige Verhalten betrachtet – rechtswidrige Gewalt- und Bedrohungshandlungen darstellten. Als Fehdedelikte sind sie dem Bereich der nicht gestatteten Selbsthilfemaßnahmen zuzuordnen537. Der spezifische Unwert dieser Delikte besteht somit in der Tradition der Landfriedensbewegung in einem Friedensbruch, d. h., dass neben der Begehung oder Androhung von Gewalttaten zugleich in der Nichtanerkennung der Rechts- und Friedensordnung ein Angriff gegen die Obrigkeit liegt538. Mit Reinle 533
Vgl. dazu die Zusammenstellung bei Iseli, Gute Policey, S. 115 ff. Vgl. Iseli, Gute Policey, S. 131 ff. 535 Vgl. Fn. 538. 536 Zum Tatbestand des Landzwangs als Fehdedelikt s. Reinle, Bauernfehden, S. 113 ff. 537 Zum Begriff der Fehde s. Reinle, Bauernfehden, S. 44 ff. 538 Dieser Zusammenhang wird insbesondere beim Tatbestand des „Austretens“ deutlich, der im Rahmen der Fehdedelikte wortwörtlich als das Heraustreten aus einer Friedens- und Rechtsgemeinschaft – etwa durch das eigenmächtige und gewaltsame Durchsetzen von Rechtsansprüchen unter bewusster Umgehung des Rechtsweges, durch Boykott der zuständigen Instanz oder sogar durch gezielte Konfrontation gegen die Obrigkeit – zu verstehen war. Im Rahmen ihrer Quellenstudien zu spätmittelalterlichen Bauernfehden in bayrischen Herzogtümern zeigt Reinle, dass das Austreten dadurch rechtspraktisch wurde, dass jemand sich dem unmittelbaren Zugriff beispielsweise durch Entweichen in den Wald entzog (näher bei Reinle, Bauernfehden, S. 115, 249 ff.). Dadurch, dass sie das Heraustreten aus der Rechtsgemeinschaft mit einer tatsächlichen 534
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lässt sich ein Zusammenhang zwischen den vorstehend genannten Maßnahmen der Reichspolizeiordnungen und den Fehdedelikten darin sehen, dass die Fehdedelikte durch präventive Maßnahmen begleitet waren, die sich insbesondere gegen herrenlose Knechte und Söldner wandten539. Insofern kann vermutet werden, dass peinliche und präventive Vorschriften im Kontext der Bekämpfung der Fehde eine gemeinsame Schutzrichtung gehabt haben: die öffentliche Ordnung als eine herrschaftlich erlassene Rechts- und Friedensordnung. Man kann im Rechtsbruch, wie dies der Fall der Friedensbruch- und Fehdedelikte – die an sich die Verletzung eines Individuums durch eine Drohung oder Gewaltanwendung zum Gegenstand hatten – verdeutlicht, zugleich einen Angriff auf die öffentliche (Rechts- und Friedens-)Ordnung insgesamt sehen. Diese Sichtweise ergibt sich dann, wenn man die im Rechtsbruch liegende Nichtanerkennung der staatlichen Strukturen hervorhebt, die diese Ordnungen garantieren. Einem solchen Angriff auf die öffentliche Ordnung als herrschaftliche Ordnung wäre präventiv und repressiv zu begegnen gewesen. Erscheint die öffentliche Ordnung als Ganzes durch den Rechtsbruch dagegen nicht bedroht, weil sich die staatliche Ordnung weiter emanzipiert hat, tritt dieses Moment der Nichtanerkennung der Rechtsordnung als bloßer Reflex jeder Rechtsübertretung zurück. In diesem Sinne ist der Angriff auf die öffentliche Ordnung nur ein Sammelbegriff für Rechtsverletzungen. In den Vordergrund rücken vielmehr die individuellen und kollektiven Güter hinter den Rechtsnormen. Infolge dieser Entwicklung verliert die öffentliche Ordnung als strafrechtlicher Begriff ihre Anschlussfähigkeit, wie etwa die von Mittermaier bereits 1840 vorbildlich formulierte Kritik zum Entwurf eines Criminalgesetzbuchs für das Herzogtum Braunschweig zeigt: „Auch die systematische Aufstellung der öffentlichen Verbrechen dürfe kaum Billigung verdienen. Unter dem Gesichtspunkt der Verbrechen gegen die öffentliche Ruhe sind Aufruhr, Auflauf, öffentliche Gewalt, öffentliche Drohungen, Störung des Gottesdienstes gestellt; in dem Kapitel: Verbrechen wider die öffentliche Ordnung sind Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit, Befreiung eines Gefangenen, Anmaßung öffentlicher Dienste, Bestechung, Beleidigung der Landesregierung, Störung religöser Ordnung, Selbsthülfe, Zweikampf zusammenfallen. Wir fragen: was schon überhaupt durch diese unbestimmten willkürlich gefaßten Gesichtspunkte für öffentliche Ruhe und Ordnung gewonnen werden soll? Wegen die öffentliche Ordnung streiten alle oder doch die meisten Verbrechen“ 540. Stellung außerhalb der Gesellschaft verbindet, wendet sich Reinle auch gegen die Ansicht, es habe sich beim Austreten und Landzwang um Drohungsdelikte im Rahmen der allgemeinen Kriminalität gehandelt (Reinle, Bauernfehden, S. 115 f.). Diese Gegenansicht hebt in Anlehnung an Carpzov das Überlaufen zur landschädlichen Bevölkerung hervor und hat in der Strafrechtshistorischen Forschung Verbreitung gefunden (etwa bei Radbruch/Gwinner, Geschichte des Verbrechens, S. 97 f.; m.w. N. auch Fischer, Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 58 ff.). 539 Reinle, Bauernfehden, S. 91 f., 95 ff. 540 Mittermaier, ArchCrim 1840, 323, 336.
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2. Die Sicherheit im Staat und die Sicherheit des Staates541 Mit der Herausbildung der polizeilichen Aufgabe, die öffentliche Sicherheit im Staat herzustellen, ergibt sich umgekehrt eine Verselbstständigung des Schutzes des Staates, der die öffentliche Ordnung garantiert. Beim Kameralisten von Justi, der wesentlichen Anteil an der Emanzipation der Polizei zu einer eigenen Wissenschaft hatte542, zeichnen sich die Konturen einer solchen Distanzierung ab. In der Arbeit zur Polizeiwissenschaft von 1761 unterteilt von Justi dafür die „innerliche“ Sicherheit, die er als Übereinstimmung der Handlungen der Bürger mit den Gesetzen begreift543, bemerkenswerterweise in eine allgemeine und eine besondere Form: „Die allgemeine innerliche Sicherheit ist diejenige, welche den gesamten Staat betrifft, und sowohl die Wohlfahrt und Ruhe aller Bürger in ihrem Zusammenhange, als auch der obersten Gewalt in ihrem Verhältnis gegen die Staatsverfassung bewirket und darstellet; und diese ist es, welche insonderheit vor die Staatskunst gehöret. Die besondere innerliche Sicherheit ist diejenige, welche die Bürger, einzeln betrachtet, genießen müssen, und welche denen Bürgern in Ansehung ihres Lebens, ihrer Güther, und ihrer Ehre, Schutz und Ruhe verschaffet, und alle Beeinträchtigungen und Gewaltthätigkeiten von ihnen abwendet; und dieses zu bewirken, ist die Sache der Polizei“ 544. Die innerliche Sicherheit des Staates, die dem Bürger die Sicherheit seiner Güter garantiert und mit der Übertretung jeder dem Schutz dieser Güter dienenden Rechtsnorm verletzt ist, kann selbst zu einem Schutzgegenstand werden, wenn sich der Angriff gegen den Staat richtet. Diese Differenzierung zwischen der polizeilichen Aufgabe, die Sicherheit im Einzelnen herzustellen, und der Gewährleistung der innerlichen Sicherheit durch das Bestehen der staatlichen Ordnung verdeutlicht sich, wenn von Justi weiter davon ausgeht, dass es für „[d]ie allgemeine innerliche Sicherheit, welche ein Gegenstand der Staatskunst ist, vornämlich darauf an[kommt], daß die Regierungsform und die Grundverfassung des Staates aufrecht erhalten, und alle Verbindungen, Cabalen und Rottierungen, welche dieselben über den Haufen werfen können, verhütet werden“ 545.
541 Vgl. Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 392; s. auch unten S. 147 ff. 542 Iseli, Gute Policey, S. 29; Neue Deutsche Biographie, Bd. 10, Stichwort „Justi“. 543 „Die innerliche Sicherheit des Staats ist die Frucht von der Uebereinstimmung der Handlungen der Bürger mit denen Gesetzen“ (von Justi, Die Grundfeste zu der Macht und Glückseeligkeit der Staaten; oder ausführliche Vorstellung der gesamten Policey-Wissenschaft, Bd. 2, S. 263). 544 von Justi, Die Grundfeste zu der Macht und Glückseeligkeit der Staaten; oder ausführliche Vorstellung der gesamten Policey-Wissenschaft, Bd. 2, S. 264. 545 von Justi, Die Grundfeste zu der Macht und Glückseeligkeit der Staaten; oder ausführliche Vorstellung der gesamten Policey-Wissenschaft, Bd. 2, S. 265.
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3. Die öffentliche Ordnung als Teilbereich des Staatsschutzes Im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten erscheint der Schutz des Öffentlichen in einer entsprechenden Doppelbedeutung. Und zwar wurden dort die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits als Grundbegriffe des Polizei- und Ordnungsrechts verstanden. So heißt es in der Generalklausel des § 10 II 17 ALR: „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey“. Andererseits bildeten die öffentliche Sicherheit und Ordnung einen Schutzgegenstand im Rahmen der Delikte gegen den Staat. Mit dem Begriff der öffentlichen Ordnung ist hier aber nur ein Teilbereich innerhalb der Ebenen des Staatsschutzes bezeichnet. Der Staatsschutz des ALR umfasste neben dem Hochverrat Delikte gegen die äußere und innere Sicherheit, Verletzungen der Ehrfurcht gegen den Staat, Beleidigung der Religionsgesellschaften, Anmaßungen der Staatsrechte und Verbrechen der Diener des Staats als Staatsschutzdelikte. Folgt man Schroeder, hat dabei das ALR stufenweise zwischen dem Angriff auf die Verfassung und den Landesherrn im Fall des Hochverrats einerseits und den bloßen Gefährdungen des Staates andererseits unterschieden546. Diese Gruppe der Staatsschutzdelikte ist aber auch in Abgrenzung zu den ihnen gegenübergestellten sogenannten Privatverbrechen547 zu sehen. Die öffentliche Ordnung im Rahmen des Staatsschutzes des ALR ist zunächst durch § 149 II 20 ALR ausgewiesen, der als allgemeiner Grundsatz dem Vierten Abschnitt „Von Verbrechen gegen die innere Ruhe und Sicherheit des Staats“ vorangestellt ist und nach der für ALR typischen Gesetzgebungstechnik den allgemeinen Grundsatz die Einzelfälle ergänzen sollte548. Danach sollte die durch ein Verbrechen verwirkte Strafe geschärft werden, „wenn dasselbe unter Umständen, die an sich die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung stöhren, verübt worden“. Als einzelne Delikte wurden sodann in den nachfolgenden §§ 150 ff. II 20 ALR das Verhindern der Publikation von Gesetzen, die Erregung von Missvergnügen gegen die Regierung, die unerlaubte Selbsthilfe, die Erbrechung der Gefängnisse, der Widerstand gegen die Obrigkeit und der Aufruhr 546 Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 39 ff., 327; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 82 Rn. 4, 18. 547 Vgl. 9. Abschnitt 20 II ALR mit Überschrift „Von Privatverbrechen“; m.w. N. Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 41. 548 Vgl. z. B. Mertens, Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, S. 329. In dem revidierten Entwurf eines StGB für die Königlich Preußischen Staaten von 1833 wurde dieser Grundsatz als Regelung des Allgemeinen Teils erfasst, sodass sich die Strafbarkeit des Verbrechers gem. § 97 Nr. 8 erhöhte, wenn die Umstände, unter welchen ein Verbrechen des Besonderen Teils verübt wurde, an sich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit stören (in: Regge, Gesetzrevision (1825–1848), I. Abt., Bd. 3, S. 15 f., 148, 287).
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geregelt549. Versucht man den durch diese Tatbestände gekennzeichneten Bereich des Staatsschutzes zu charakterisieren, ließe sich an die Nichtanerkennung staatlicher Funktionen denken550. Es finden sich darunter dagegen – anders als etwa in früheren Strafgesetzen551 – weder Majestätsverbrechen noch gemeingefährliche Straftaten. Zugleich deutet sich bereits in diesem Abschnitt „Von Verbrechen gegen die innere Ruhe und Sicherheit des Staats“ des ALR an, dass der Aspekt, der die Angriffsrichtung auf dieser Staatsschutzebene ausmacht, zurücktreten kann. Denn in den Normen über die unerlaubte Selbsthilfe gem. §§ 157 ff. II 20 ALR finden sich zwar noch Spuren der Fehdedelikte, wenn dort tatbestandlich vorausgesetzt war, dass die Selbsthilfe unter „Vorbeygehung der Obrigkeit“ 552 erfolgt. Jedoch stellte der Aspekt der unerlaubten Selbsthilfe, sofern dabei eine andere Straftat begangen wurde, „wegen der hinzutretenden Beleidigung des Staates“ nur noch einen Strafschärfungsgrund neben der eigentlichen Rechtsgutsverletzung dar553. 4. Die öffentliche Ordnung im Sinne des Siebenten Abschnitts des StGB Teilweise lässt sich zwar ein Staatsschutzaspekt in der Gestalt der Nichtanerkennung staatlicher Funktionen auch in Normen des 7. Abschnitts des StGB auffinden, beispielsweise im Rahmen des Verstrickungs- und Siegelbruchs gem. §§ 133, 136 StGB554. Die überlieferte Angriffsrichtung gegen die öffentliche Ordnung als staatliche Ordnung erweist sich dagegen bei einer Reihe von Tatbeständen dieses Abschnitts nur noch bei historischer Betrachtung als tauglicher Oberbegriff, während bei moderner Sichtweise sich dieses Moment verflüchtigt. An diese Stelle kann ein individueller Rechtsgüterschutz in den Mittelpunkt rücken. Dafür lässt sich nicht nur der Landfriedensbruch gem. § 125 StGB anfüh549 Kritisch zur Erfassung dieser Tatbestände als Verbrechen gegen die innere Ruhe und Sicherheit des Staates s. Motive zu dem Entwurf eines StGB für die Preußischen Staaten von 1828 (in: Schubert/Regge, Gesetzrevision (1825–1848), I. Abt., Bd. 1, S. 439): „[D]a man wohl z. B. von der Selbsthülfe, der Befreiung eines Gefangenen, oder der Rückkehr eines Verwiesenen nicht füglich sagen kann, es werde die innere Ruhe und Sicherheit des Staats dadurch gefährdet“. 550 Zur Einordnung z. B. der Beteiligung an unerlaubten Verbindungen als eines „Verbrechens wider die obrigkeitliche Gewalt des Staats“ s. Motive zu dem Entwurf eines StGB für die Preußischen Staaten von 1828 (in: Schubert/Regge, Gesetzrevision (1825–1848), I. Abt., Bd. 1, S. 439). 551 Vgl. § 6 des 8. Kapitels von Codex Iuris Bavarici Criminalis von 1751. 552 Vgl. § 157 II 20 ALR sowie seine Kommentierung in: Gräff/Koch/Rönne/Simon/Wentzel, Ergänzungen und Erläuterungen der Preußischen Criminalordnung und des Criminalrechts, Bd. 5, S. 270 ff. 553 Vgl. § 159 II 20 ALR. 554 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 371.
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ren555, sondern dies gilt auch für den Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB556, bei dem Individualrechtsgüterschutz unbestritten ist557. Neben individuellen Rechtsgütern und staatlichen Bezügen im Kontext der Straftaten gegen die öffentliche Ordnung kann das „Öffentliche“ schließlich auch im Sinne einer Betroffenheit der Allgemeinheit gedeutet werden. Während bereits oben die Kritik an einem Rechtsgut des allgemeinen Vertrauens, vor gewaltsamen Einwirkungen in Staat geschützt zu sein, ausgewiesen worden ist, so kann doch in Teilbereichen ein ausreichend konkreter Vertrauensgegenstand vorhanden sein. Zu denken ist hier etwa an die Amtsanmaßung gem. § 132 StGB, als deren Schutzgut sich das Vertrauen der Staatsbürger in die Echtheit staatlicher Organe angeben lässt558.
B. Staatsschutz durch § 129a StGB Das Spektrum der Rechtsgüterschutzkonzepte der Organisationsdelikte bewegt sich in dem in der vorstehenden Betrachtung aufgezeigten Rahmen: Zum einen könnte man den Gedanken eines vorverlagerten Rechtsgüterschutzes generell in den Vordergrund stellen, sodass die Beteiligung an einer Vereinigung den Angriff auf die bei den Bezugstaten geschützten Rechtsgüter ausmacht, ohne ein 555
M.w. N. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 289. Historisch betrachtet lassen sich die zum Erscheinungsbild des Hausfriedensbruchs gehörenden Tatbestände als Friedensstörungsdelikte begreifen und damit als Maßnahmen zur Einschränkung der Fehde darstellen (Trabandt, Der kriminalrechtliche Schutz des Hausfriedens in seiner geschichtlichen Entwicklung, S. 108; von Rotteck/ Welcker/von Wächter, Das Staats-Lexikon, Stichwort „Faustrecht“; Terharn, Die Herforder Fehden im späten Mittelalter, S. 74 ff.); dabei ist die exakte Bestimmung der Schutzrichtung jedoch umstritten geblieben. Demgegenüber will Osenbrüggen in seiner 1857 erschienenen Arbeit über den Hausfriedensbruch aus der rechtshistorischen Sicht die Tendenz des 19. Jh. hervorheben, die den Begriff des Hausfriedensbruchs in das moderne Strafrecht wiedereinzuführen und mit neuen Bedeutungen zu besetzen versuchte (Osenbrüggen, Der Hausfrieden, S. 93 ff.). Erst damit habe sich eine Differenzierung zwischen Ansichten herausgebildet, den Hausfriedensbruch als Delikt gegen den Rechtsfrieden und die öffentliche Sicherheit im Staat, als eine mit dem Landfriedensbruch verknüpfte Gewalttätigkeit oder schließlich als eine Verletzung der persönlichen Freiheit zu sehen (Osenbrüggen, Der Hausfrieden, S. 94 f.). Gleichwohl wurde auch im 19. Jh. teilweise wiederum auf Fehdeelemente abgestellt, und zwar dann, wenn der Hausfriedensbruch als eine Friedensstörung typisiert wurde. So lautete einerseits Art. 422 des bayerischen StGB von 1813: „Diejenigen, welche, um Rache zu nehmen, um behauptete Rechte eigenmächtig durchzusetzen, um den ruhigen Besitz unbeweglicher Sachen oder die Ausübung eines Rechts zu stören oder zu entziehen, in fremde Häuser, Wohnungen und andere liegende Gründe, wiewohl unbewaffnet, gewaltthätig einfallen, oder sonst eigenmächtig eindringen“, werden bestraft. Andererseits wurde im Rahmen der §§ 193, 194 des württembergischen StGB von 1835 diskutiert, inwieweit der Hausfriedensbruch an die durch die Inschrift „Burgfrieden“ oder herrschaftliche Wappen befriedete Orte gebunden ist (s. dazu Hepp, Commentar über das neue württembergische StGB, II. Bd., S. 1021 ff., 1030 ff.). 557 M.w. N. Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123 Rn. 1; MK/Lilie, § 123 Rn. 1. 558 M.w. N. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 330. 556
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eigenständiges Rechtsgut – die öffentliche Ordnung – zu tangieren. Die vorstehende Grundlegung sowohl zur Entwicklungslinie der Organisationsdelikte, die auf die Bekämpfung politischer Verbindungen zurückführt, als auch zum Begriffsverständnis der öffentlichen Ordnung eröffnen zum anderen die Möglichkeit, Organisationsdelikte aus der Perspektive des Staatsschutzes zu betrachten, was der systematischen Stellung der Organisationsdelikte der §§ 84, 85 StGB entspricht. Diese letztere Staatsschutzrichtung wird aber auch wieder aufzugreifen sein, wenn es im Folgenden insbesondere um die Rechtsgutsproblematik des § 129a StGB in seiner Fassung von 2003 geht. I. Indizien für eine Staatsschutzrichtung des § 129a StGB Im Zusammenhang mit dem Straftatbestand des § 129a StGB finden sich einige Indizien, die Bezüge der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zum Staatsschutz aufzeigen: Beispielsweise wird in den Polizeilichen Kriminalstatistiken stets darauf verwiesen, dass die als Staatsschutzdelikte bezeichneten „Tatbestände gem. §§ 80– 83, 84–86a, 87–91, 94–100a, 102–104a, 105–108e, 109–109h, 129a–b, 234a oder 241a StGB“ in diesen Statistiken nicht erfasst sind559. Vielmehr werden die Daten zu § 129a StGB im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Staatsschutz560 (seit 2001 erweitert zum Kriminalpolizeilichen Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität561) veröffentlicht. Der kriminologischen Systematik der Kriminalitätsarten nach gehört Terrorismus in den Bereich der politisch motivierten Kriminalität562 und innerhalb dieses Bereichs zu den Staatsschutzdelikten563. Ähnlich wird Terrorismus auch im Periodischen Sicherheitsbericht als ein Kampfmittel gegen den Staat (oder eine Besatzungsmacht) umschrieben564. Im Strafprozess wird die Verbindung zwischen dem Beteiligen an einer terroristischen Vereinigung und den Staatsschutzdelikten über den § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG hergestellt, der die originäre Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in erster Instanz in Fällen des § 129a StGB regelt und i.V. m. § 142a Abs. 1 GVG die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts begründet565. Auch das Bundesverfas559 560 561
PKS 2009, S. 15. Laubenthal, MschrKrim 1989, 326, 329. Vgl. Kubink, MSchrKrim 2002, 325, 336; Hefendehl, in: FS-Schroeder, 453,
454 f. 562 M.w. N. H. J. Schneider, in: H. J. Schneider, Internationales Handbuch der Kriminologie, Bd. 1, S. 739, 741 ff. 563 M.w. N. H. J. Schneider, in: H. J. Schneider, Internationales Handbuch der Kriminologie, Bd. 1, S. 739, 743. 564 Zweiter Polizeilicher Sicherheitsbericht, S. 174, 181. 565 Griesbaum, in: FS-Nehm, S. 125, 129; Löwe/Rosenberg/Franke, § 120 GVG Rn. 3.
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
sungsschutzrecht knüpft mit der gesetzlichen Definition der Staatsschutzdelikte in § 20 Abs. 1 BVerfSchG an die Straftaten des § 120 GVG an. Innerhalb des StGB ist eine Verbindung des § 129a StGB zum Staatsschutz über die Delikte im Vorfeld der schweren staatsgefährdenden Gewalttat der §§ 89a, 89b und 91 StGB hergestellt. Sie ergibt sich insbesondere daraus, dass die in § 89b Abs. 1 StGB geregelte Aufnahme von Beziehungen zu einer Vereinigung i. S. v. § 129a StGB systematisch in den Abschnitt über die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates eingeordnet ist. Sollten demgegenüber etwa das Unterstützen einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a Abs. 5 StGB nicht den Staatsschutz betreffen, würde man die Kontaktaufnahme und das Unterstützen nicht nur nach dem Grad der Vorverlagerung566, sondern auch hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Rechtsgüter differenzieren müssen. Schließlich lässt sich der Hintergrund der Novellierung des § 129a StGB durch den Rahmenbeschluss der Europäischen Union zur Terrorismusbekämpfung 2002/475/JI anführen. Gestützt auf Art. 29, 31 Abs. 1 Buchstabe e EUV567 sollte hiermit eine Vereinheitlichung der strafrechtlichen Verfolgung terroristischer Gewaltakte innerhalb der Mitgliedstaaten hergestellt werden. Dabei ging man von dem Befund aus, dass sich die Rechtslage im europäischen Rechtsraum als uneinheitlich darstelle. Für eine Begriffsbestimmung der terroristischen Straftaten könne jedoch zugrunde gelegt werden, dass „gewöhnliche“ Straftaten durch eine bestimmte Zweckverfolgung zu „terroristischen“ Straftaten werden, nämlich die Intention, „die Grundprinzipien und tragenden Elemente des Staates wesentlich zu verändern bzw. zu zerstören oder die Bevölkerung einzuschüchtern“.568 Diese Einschätzung hat sich auch im Rahmenbeschluss 2002/475/JI niedergeschlagen, als dessen Umsetzung die Bestimmungs- und Eignungsklauseln durch § 129a Abs. 2 StGB resultieren. Ausgehend von den dargestellten Indizien wird im Folgenden der Versuch unternommen, das Rechtsgut des § 129a StGB i. d. F. von 2003 als eines Staatsschutzdelikts neu zu bestimmen. Es geht dabei nicht darum, die in der Literatur vorzufindenden Ansätze fortzuentwickeln. Dies ergibt sich daraus, dass der häufig angesprochene Schutz der staatlichen Ordnung569 und speziell der von Langer-Stein570 diskutierte Staatsschutz, eine Gefährdung der Staatsgewalt, wie sie 566
Radtke/Steinsiek, ZIS 2008, 383, 391. Die Vorschrift des Art. 31 Buchstabe e EUV sieht ausdrücklich schrittweise Maßnahmen zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des Terrorismus vor. 568 Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für einen Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union zur Terrorismusbekämpfung vom 19. September 2001 KOM(2001)521, S. 7. 569 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 1. 570 Langer-Stein, Legitimation und Interpretation der strafrechtlichen Verbote krimineller und terroristischer Vereinigungen, S. 89 ff., 95 ff. 567
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von Maurach571 angenommen wird, der Schutz der staatlichen Zwangsgewalt bei Otto572 oder die Organisationsanmaßung des staatlichen Gewaltmonopols von Cancio Meliá573 zugleich auch eine Erklärung für die kriminelle Vereinigung sein wollen. II. Merkmale des Staatsschutzes im Tatbestand des § 129a StGB 1. Das Terroristische als Tatbestandsmerkmal Vereinigungen i. S. d. § 129a Abs. 1, 2 und 3 StGB sind, soweit man der gesetzlichen Überschrift folgt, „terroristische“. Darüber hinaus ist in diesen Normen der Begriff der Vereinigung so spezifiziert, dass ihre Zwecke oder Tätigkeiten darauf gerichtet sind, bestimmte Straftaten (Katalogtaten) zu begehen oder anzudrohen. Das legt nahe, dass das spezifisch terroristische dieser Vereinigungen in diesem besonderen Tatbezug besteht; demgemäß wären die Katalogtaten des Abs. 1 und 2 als „terroristische“ Straftaten einzustufen. Hierin läge zugleich das Unterscheidungsmerkmal im Verhältnis zu anderen, insbesondere gegenüber kriminellen Vereinigungen. Dies entspricht der allgemeinen Tendenz, nicht den Terrorismus als solchen zu definieren, sondern spezifische Begehungsweisen terroristischer Aktivitäten zum Gegenstand von Vorschriften zu machen574. Diese Normgestaltung, durch die der § 129a StGB bereits seit seiner Einführung 1976 unter der Überschrift der Bildung einer terroristischen Vereinigung bestimmte Katalogtaten versammelt, hatte zunächst den Effekt, dass der § 129a StGB als eine Qualifikation zu § 129 StGB erschien575. Die Perspektive hat sich jedoch mit der Einführung von Bestimmungs- und Eignungsklauseln bei § 129a Abs. 2 StGB insofern verschoben, als deren Funktion gerade in der Kennzeichnung terroristischer Straftaten liegen könnte. Im Folgenden wird zu prüfen sein, inwiefern die Katalogtaten des geltenden § 129a Abs. 1, 2 StGB als terroristische Straftaten einzuschätzen sind. a) § 129a Abs. 1 StGB: Einzelfalllösung Die Tatbestände des Kataloges i. S. v. § 129a Abs. 1 betreffen Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 des VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des VStGB), Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des VStGB) und Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b StGB. Sie sind formalrechtlich anders als durch Art. 2 Maurach, Deutsches Strafrecht Besonderer Teil5, S. 670. Otto, Grundkurs Strafrecht. Die einzelnen Delikte, § 90 Rn. 4. 573 Cancio Meliá, in: FS-Jakobs, S. 27, 48 f.; ders., in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 47, 59 f. 574 Wandscher, Internationaler Terrorismus und Selbstverteidigungsrecht, S. 34 f. 575 Näher dazu unten S. 158 ff. 571 572
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
i.V. m. Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI576 vorgegeben und gegenüber der Ausgestaltung des § 129a Abs. 2 StGB weder an eine Bestimmungsnoch an eine Eignungsklausel gebunden. Da sie auch kein anderes terroristisches Element aufweisen müssen, unterscheiden sie sich im Grundsatz nicht von allgemeiner Kriminalität. Dies lässt fraglich erscheinen, ob Vereinigungen i. S. v. § 129a Abs. 1 StGB sich als terroristische Vereinigungen bestimmen lassen. Denn die Katalogtaten i. S. v. § 129a Abs. 1 können lediglich im Einzelfall als terroristische Straftaten aufgefasst werden577: Ein terroristisches Element könnte bei § 211 StGB im Rahmen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe abgebildet werden578. „Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte durch einen Sprengstoffanschlag tötet“, handelt nach Auffassung des BGH aus niedrigen Beweggründen579. Allerdings ist weder im Rahmen des Mordtatbestandes580 noch für § 129a StGB581 abschließend geklärt, in welchem Verhältnis politische und terroristische Motivationen zueinander stehen582. Jedoch dürfte eine gene576 Nach dem Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses (ABl. EG 2002 Nr. L 164, S. 3) können die Angriffe auf das Leben oder auf die körperliche Unversehrtheit einer Person sowie Entführungen oder Geiselnahmen – als Handlungen, „die durch die Art ihrer Begehung oder den jeweiligen Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können“ – erst dann als terroristische Straftaten eingestuft werden, „wenn sie mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation rechtswidrig zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören“. 577 Vgl. Backes, StV 2008, 654, 655: Es ergebe sich aus dem Kontext der Straftaten des § 129a Abs. 1 StGB, dass „durch eine Vielzahl voneinander unabhängiger Aktionen der Staat destabilisiert und die Bevölkerung eingeschüchtert werden soll, ohne daß der Gesetzestext ausdrücklich von terroristischen Zielen der kriminellen Vereinigung spricht“. 578 Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 460, 469 ff., 483 ff., 498; MK/Schneider, § 211 Rn. 83; LK11 /Jähnke, § 211 Rn. 27. Zu weiteren Mordmerkmalen der Heimtücke, Grausamkeit und gemeingefährlichen Tatmittel im terroristischen Kontext s. Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 460 ff. 579 BGH, NJW 2004, 3051, 3051 und 3054. 580 Vgl. insoweit Geilen, in: FS-Bockelmann, S. 613, 622 ff.; von Selle, NJW 2000, 992, 996; Schroeder, NStZ 2005, 153, 153 f. 581 Vgl. Weißer, JZ 2008, 388, 390; dies., ZStW 121 (2009), 131, 137 f. 582 Der Ausschluss politischer Motivation aus dem Begriff des Terrorismus hat wohl auch zum Hintergrund, keine Hindernisse im Auslieferungsverkehr entstehen zu lassen; vgl. Art. 1 des Übereinkommens des Europarates zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 1977 (BGBl. 1978 II, S. 321; w. N. zum Problem der Ausnahmeregelungen für politische Delikte im Kontext terroristischer Straftaten bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/2, § 101 Fn. 48) sowie die gesonderte Stellung politisch Verfolgter (auch der politischen Straftäter) nach deutschem Recht gem. § 3 Abs. 1, 2 DAG. Allerdings soll die Ratio einer solchen Sonderstellung der politisch Verfolgten nicht deren Schutz oder deren Privilegierung sein, sondern vielmehr der Zweck, im Fall der Auslieferung Neutralität gegenüber fremder Staatsverfassung zu gewährleisten und damit die
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relle Bewertung sowohl von politischen als auch terroristischen Motiven als niedrige Beweggründe kaum mit dem Charakter des Mordmerkmals zu vereinbaren sein; es wird vielmehr eine Prüfung im Einzelfall vorzunehmen sein583. Wäre dies anders584, so erschiene die Aufnahme des § 212 StGB in den Katalog der terroristischen Straftaten ungerechtfertigt. Umstritten ist ferner, ob die erfassten Bezugstaten des Völkerstrafgesetzbuchs sich als terroristische Akte begreifen lassen585. Zwar fallen auch innerstaatliche Zustände in den Schutzbereich des Völkerstrafrechts586, die Diskussion, inwieweit der Terrorismus ein Völkerrechtsverbrechen ist, hat jedoch noch keinen Abschluss gefunden. So ist einerseits vorgeschlagen worden, den Zuständigkeitskatalog des IStGH um terroristische Straftaten zu erweitern, durchgesetzt hat sich jedoch die Ansicht, dass der Terrorismus als solcher für ein Völkerrechtsverbrechen noch nicht hinreicht587. Vielmehr gehörten die terroristischen Straftaten erst unter den Umständen des Einzelfalls in diese Kategorie588. Art. 4 Buchstabe d des Statuts des Internationalen Gerichts für Ruanda zählt andererseits terroristische Handlungen ausdrücklich zu den Kriegsverbrechen589. Schließlich können die Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen der §§ 239a, b als „terroristische Erpressungen“ 590 gelten und im Internationalen Übereinkommen gegen Geiselnahme vom 17. Dezember 1979591 werden Geiselnahmen als Äußerungen des internationalen Terrorismus bezeichnet. Außenpolitik des um die Auslieferung ersuchten Staates zu entlasten (Geiger, in: FSSchlochauer, S. 79, 93). 583 Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 483, 498. 584 LK11 /Jähnke, § 211 Rn. 27. Vgl. die Erwägung von Zöller, in den Katalog der Mordmerkmale des § 211 Abs. 2 StGB eine Tötung „aus terroristischen Motiven“ oder „zur Verfolgung terroristischer Zwecke“ aufzunehmen (Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 496 f.); Kriterien einer terroristisch motivierten Tötung wären dabei den Bestimmungs- und Eignungsklauseln des § 129a Abs. 2 StGB zu entnehmen (Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 483, 497). 585 Zu einer vom Einzelfall abhängigen Einordnung des Terrorismus als Völkermord bzw. als Verbrechen gegen die Menschlichkeit s. Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 660 bzw. 676. Dagegen fehle es an einem Zusammenhang zwischen Erscheinungsformen des Terrorismus und Kriegsverbrechen gem. §§ 8 ff. VStGB (Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 686 ff.). 586 M.w. N. Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 87. 587 M.w. N. Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 83; Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 152 f. Zu den Vorschlägen über die Erweiterung des Zuständigkeitskataloges des IStGH um terroristische Straftaten vgl. m.w. N. Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 259. Ambos verweist zugleich auf das Problem, dass einer Kriminalisierung von „Terrorismus“ insbesondere das Fehlen einer übereinstimmenden Definition im Wege stand (m.w. N. Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 244). 588 M.w. N. Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 83. 589 Vgl. Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 153. 590 BVerfG, NJW 1977, 2255, 2255. 591 BGBl. 1980 II, S. 1361.
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
Die Bedeutung einer Einzelfallbetrachtung für die Bestimmung terroristischer Straftaten wird auch durch § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG verdeutlicht. Danach sind die Oberlandesgerichte unter anderem bei Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Geiselnahme (§ 239b StGB) für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug auch dann zuständig, wenn die Tat nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die äußere oder innere Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen, Verfassungsgrundsätze der BRD zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben sowie den Bestand oder die Sicherheit einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen. In dieser Gestalt geht die Vorschrift auf das Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus von 1986 zurück. Diese Gesetzgebungsinitiative zielte auf die Begehung terroristischer Straftaten durch Einzeltäter 592. Eine entsprechende Zielrichtung lag der Einführung der §§ 89a, b, 91 StGB zugrunde, die sowohl im Katalog der Straftaten als auch im Inhalt der Bestimmungs- und Eignungsklauseln des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB übereinstimmen593. Beide Bestimmungs- und Eignungsklauseln weisen auf Staatsschutzaspekte hin. Sachlich weitgehend übereinstimmend knüpft Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI das Vorliegen einer terroristischen Straftat einerseits daran, dass sie durch die Art ihrer Begehung oder den jeweiligen Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können; andererseits, dass sie mit dem Ziel begangen wird, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation rechtswidrig zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören. Diese Bestimmungs- und Eignungsklauseln beziehen sich unterschiedslos auf den gesamten Katalog an Straftaten, den Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI auflistet, und der zugleich die Bezugstaten der terroristischen Vereinigung i. S. d. Art. 2 des Rahmenbeschlusses bezeichnet. Das verstärkt den bereits oben gewonnenen Eindruck, dass auch die Katalogtaten des § 129a Abs. 1 StGB erst dann als terroristische Straftaten erscheinen, wenn sie an der besonderen Bestimmung und Eignung i. S. d. § 129a Abs. 2 StGB orientiert werden. Entsprechend bewertete die EU-Kommission § 129a StGB als nicht ausreichende Umsetzung des EU-Rechts594.
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M.w. N. Schroeder, JR 2001, 391, 392. BT-Drs. 16/12428, S. 19 f. 594 Berichte der Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf der Grundlage von Artikel 11 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung vom 8. Juni 2004 KOM(2004)409, S. 7 bzw. vom 6. November 2007 KOM(2007)681, S. 8. Zu Vorschlägen für eine Neuformulierung des § 129a Abs. 1 StGB vgl. Fröba, Die Reichweite des § 129a StGB bei der Bekämpfung des transnationalen islamistischen Terrorismus, S. 216 f. und Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 560 f. 593
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b) § 129a Abs. 2 StGB: die Bestimmungs- und Eignungsklauseln Die Straftatbestände, die der Katalog des § 129a Abs. 2 StGB auflistet, sind nicht an sich geeignet eine Vereinigung, deren Zwecke und Tätigkeiten auf sie gerichtet sind, zu einer terroristischen Vereinigung zu qualifizieren. Vielmehr muss im Einzelfall hinzukommen, dass sie – erstens – bestimmt sind, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und – zweitens – durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können. Insofern stellt sich die Vorschrift des § 129a Abs. 2 StGB als Umsetzung von Art. 2 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI dar. Die Bestimmungs- und Eignungsklauseln schaffen hier nicht nur eine Konkretisierung des terroristischen Moments der tatbestandsmäßigen Vereinigungen, sondern geben ihm gleichzeitig eine gegen den Staat gerichtete Tendenz. Dadurch rückt der Tatbestand des § 129a Abs. 2 StGB in den Blickwinkel des Staatsschutzes. 2. Staatsschutzcharakter der Bestimmungs- und Eignungsklauseln Mit den Bestimmungs- und Eignungsklauseln erscheint der Staatsschutz als Schutzrichtung des § 129a StGB indiziert595. Im Folgenden muss es darum gehen, dies im Hinblick auf einzelne Bestandteile dieser Formeln zu konkretisieren. Es wird zunächst die Bestimmungsklausel und im Anschluss die Eignungsklausel zu betrachten sein, wobei der BGH sie nicht beziehungslos oder alternativ nebeneinanderstehen sieht, sondern die Eignungsklausel durch die Bestimmungsklausel ausfüllt596. a) Die drei Elemente der Bestimmungsklausel Der erste Bezugspunkt der Bestimmungsklausel, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, lenkt den Blick auf die Schwierigkeit, Rechtsgutsrelevanz über ein allgemeines Vertrauen zu konstruieren, das darin bestehen könnte, vor Gewalt in einem Staat durch dessen Institutionen geschützt zu sein. Damit ist die Inakzeptanz eines Staates angesprochen, der die notwendige Sicherheit für die Entfaltung der individuellen Freiheiten seiner Bürger nicht zu gewährleisten vermag; ein Gedanke, der sich im Begriff eines „Grundrechts auf 595 Radtke/Steinsiek, ZIS 2008, 383, 385; SK/Rudolphi/Stein, § 129a Rn. 6; LK/ Krauß, § 129a Rn. 1; SSW/Lohse, § 129a Rn. 2. 596 BGHSt 52, 98, 103.
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
Sicherheit“ 597 oder einer staatlichen Garantie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung598 zuspitzt. In der Rechtsprechung des BVerfG werden die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung als Verfassungswerte eingeschätzt, die mit anderen im gleichen Rang stehen und unverzichtbar seien, „weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung herleitet“ 599. Gegen die strafrechtliche Rechtsgutsqualität eines solch allgemeinen Vertrauens ließe sich auf der Ebene des individuellen Rechtsgüterschutzes zunächst einwenden, ein fehlendes Vertrauen des Individuums in die Sicherheit seiner Rechtsgüter habe auf die Rechtsgüter als solches unmittelbar keinen Einfluss, wie etwa die relative Sicherheit des Lebens in einem Kriegszustand dem Leben nicht den Charakter eines Rechtsguts nimmt600. Der extensive Umfang des Handlungsobjekts „Bevölkerung“, der über den Begriff des Staatsvolks hinausgeht, schließt jedoch die Betroffenheit des Staates infolge eines allgemeinen Vertrauensverlusts noch nicht aus. Denn der Staat könnte durch die allgemeine Verunsicherung selbst die Basis seiner Rechtfertigung verlieren, sodass das Vertrauen in das Bestehen der geltenden Ordnung, von der die Bevölkerung profitiert, als Zwischenglied des Staatsschutzes ins Blickfeld kommt. Jedoch kann auch ein derartiges allgemeines Vertrauen in die Geltung der Rechtsordnung nicht zu einem strafrechtlichen Rechtsgut werden, ohne die Ebene des Normgeltungsschadens mit der Ebene des Rechtsgüterschutzes zu konfundieren601. Zugleich zeigen empirische Studien in den USA, dass Terroranschläge bei der Bevölkerung zwar Stresssymptome, d. h. in diesem Sinne einen individuellen Schaden erzeugen, demgegenüber jedoch keinen Verlust von Vertrauen in staatliche Institutionen nach sich ziehen602. Entsprechend dieser ersten Alternative der Bestimmungsklausel wäre auch hinsichtlich des Vertrauensverlustes durch die Erpressbarkeit des Staates zu argu597 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 121 ff. 598 Vgl. zur Existenz und Beschaffenheit einer solchen Garantie innerhalb des Grundgesetzes Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 37 ff. Zu der sich für den Autor daraus ergebenden Bedeutung des materiellen Strafrechts s. Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 147 ff., 156. 599 BVerfGE 49, 24, 57. 600 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 126. Fehlendes Vertrauen in die Sicherheit des Lebens führe nur dann zur Gefährdung des Lebens selbst, wenn deswegen Lebenserhaltungsmaßnahmen unterlassen werden oder die Abschreckung auf potentielle Täter abnimmt (Loos, in: FS-Welzel, S. 879, 890, auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 126). 601 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 35, 255 f., 336. 602 Im Überblick bei H. J. Schneider, in: H. J. Schneider, Internationales Handbuch der Kriminologie, Bd. 1, S. 793, 808 f.
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mentieren, der mit der Nötigung einer Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt als zweite Alternative dieser Klausel angesprochen sein könnte. Ein Bezugspunkt zum Staatsschutz ist an dieser Stelle jedoch zunächst über die §§ 105, 106 StGB herstellbar603, wenn öffentliche Stellen604 auf der Verfassungsebene erfasst wären. Das Rechtsgut der Sicherheit der geschützten Verfassungsorgane605 ist hier dann insofern betroffen, als mit der Fremdbestimmung ihrer Entschließungen über die Folgen für alle von diesen Entschließungen Betroffenen hinaus eine Gefahr der Beeinträchtigung der Freiheit von Institutionen und einzelnen Organen entsteht, deren Funktionsfähigkeit wiederum notwendige Bedingung einer repräsentativen Demokratie ist606. Allerdings geht der Behördenbegriff, den das StGB auch in § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB nicht definiert, sondern voraussetzt, über die in §§ 105, 106 StGB geschützten Stellen hinaus. Die Begriffsbestimmung, die jedoch grundsätzlich vom Schutzzweck der jeweiligen Norm abhängt607, wird dahin gegeben, dass es sich um eine von der Person des Inhabers unabhängige Kompetenz handelt, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung staatlicher Zwecke tätig zu sein608. Auf dieser Ebene käme dann immerhin der Schutz konkretisierter staatlicher Tätigkeit in Betracht; an eine Parallele zur § 113 StGB ist zu denken609. In der Literatur wird jedoch an dieser Stelle ein Ungleichgewicht dieser Alternative der Bestimmungsklausel im Verhältnis zu ersten und dritten Variante gesehen und mit der Forderung einer restriktiven Auslegung verbunden610. Schließlich wird als drittes Element der Bestimmungsklausel die Beseitigung oder die erhebliche Beeinträchtigung der politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen des Staates genannt. Als „vager Formulierung“ wird diesen Grundstrukturen die hinreichende Bestimmtheit i. S. v. Art. 103 Abs. 2 GG abgesprochen611. Mit der Bezugnahme insbesondere auf wirtschaftliche und soziale Strukturen des Staates geht diese Bestimmungsklausel jedenfalls über den Begriff der Verfassungsgrundsätze, die Gegenstand der Bestimmungsklausel des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB sind und in § 92 Abs. 2 StGB eine Konkretisierung erfahren, hinaus612. Eine weitere Materialisierung 603 LK/Krauß, § 129a Rn. 58; Helm, StV 2006, 719, 721; NK/Ostendorf, §§ 129a, b Rn. 6b. 604 Der „Behörde“ bei § 129a Abs. 2 StGB entspricht im Wortlaut des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI (ABl. EG 2002 Nr. L 164, S. 3) die „öffentliche Stelle“. 605 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 340 f. 606 M.w. N. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 347. 607 Sch/Sch/Eser/Hecker, § 11 Rn. 51. 608 Fischer, § 11 Rn. 29. 609 Vgl. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 371 f. 610 Helm, StV 2006, 719, 721; m.w. N. LK/Krauß, § 129a Rn. 58. 611 Vgl. SK/Rudolphi/Stein, § 129a Rn. 10. 612 Vgl. Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 137 ff.
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
dieser als unscharf empfundenen Begriffe könnte anhand der Verfassung erfolgen. Denn auch wenn das Grundgesetz nicht ausdrücklich das ihm zugrunde liegende Staatskonzept bestimmt, können Grundstrukturen des Staates verfassungsimmanent rekonstruiert werden613. b) Das Verhältnis der Eignungsklausel zur Bestimmungsklausel Auch wenn die Betroffenheit der Staatsschutzebene durch die Bestimmungsklausel nur partiell vorhanden ist, erscheint die Staatsschutzrichtung durch die Eignungsklausel i. S. d. § 129a Abs. 2 StGB vorgegeben. Danach muss die Katalogtat durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen den Staat erheblich schädigen können. Der BGH kritisiert jedoch diese Formel als konturenlos und wenig aussagekräftig614. Um eine dem Bestimmtheitsgebot gerechte Konkretisierung zu erzielen, hat er eine Einschränkung vorgenommen, mit der in Anlehnung an Rudolphi und Stein615 die Bestimmungs- und Eignungsklauseln in einen spezifischen Zusammenhang gestellt werden616. Dieses Verständnis geht dahin, dass die Bestimmungsklausel als subjektives Merkmal besonders gravierende Nachteile für den Staat näher beschreibt, die in der objektiven Eignungsklausel wieder aufgenommen werden. Zwar setzt auch der BGH voraus, dass das Gesetz die terroristische Vereinigung über die subjektive Ausrichtung hinaus durch die objektive Gefährlichkeit der terroristischen Taten für den Staat definieren wolle. Jedoch bezieht sich nach Auslegung des BGH diese objektive Gefährlichkeit, die in der Eignungsklausel ausgedrückt ist, ausschließlich auf die Merkmale der Bestimmungsklausel.617 Das führt im Ergebnis zu folgender Auslegung der Eignungsklausel: „Ein im Sinne des objektiven Merkmals relevanter Schaden droht dem Staat, wenn die Straftaten geeignet sind, die Bevölkerung in erheblicher Weise einzuschüchtern, eine Behörde rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen des Staates erheblich zu beeinträchtigen“ 618. Diese Argumentation setzt indes voraus, dass die Elemente der Bestimmungsklausel eindeutig einen Schaden für den Staat kennzeichnen; nur dann könnten sie das Merkmal der Eignungsklausel, den Staat schädigen zu können, konkretisieren. Die Prämisse hat sich jedoch vorstehend als problematisch erwiesen.
613 614 615 616 617 618
Isensee, in: HStR II, § 15 Rn. 28. BGHSt 52, 98, 102. SK/Rudolphi/Stein, § 129a Rn. 12. BGHSt 52, 98, 103. BGHSt 52, 98, 102 ff. BGHSt 52, 98, 104.
B. Staatsschutz durch § 129a StGB
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c) Das Subjektive der Bestimmung und die objektive Eignung Die Bestimmungs- und Eignungsklauseln greifen nach der Ansicht des BGH als subjektives und objektives Element inhaltlich ineinander619. Diese Differenz zwischen subjektiver und objektiver Ausrichtung ist zunächst unmittelbar auf eine konkrete Straftat bezogen. Denn es ist die Begehung der Katalogtaten sowohl in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI620 als auch in §§ 89a Abs. 1, 129a Abs. 2 StGB und in § 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG, die jeweils die spezifische Bestimmung und Eignung aufweisen muss. Demgegenüber erscheint im Rahmen des § 129a StGB die Begehung von terroristischen Straftaten lediglich durch die Zweckrichtung der Vereinigung vermittelt. In diesem Zusammenhang muss auch bei der Bestimmungsklausel des § 129a Abs. 2 StGB auf den Zweck der Vereinigung selbst abgestellt werden621. Von hier aus aber lässt sich umgekehrt die Bestimmung der Katalogtaten nicht mehr subjektiv begreifen622, so als handele es sich dabei um eine terroristische Absicht623 oder eine andere Vorsatzform bei ihrer Begehung. Die Bestimmungsklausel wird allerdings wiederum dadurch personalisiert, dass die Zwecke und die Tätigkeiten einer Vereinigung aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder konstruiert werden müssen624; insofern wird die Bestimmung der Katalogtaten durch eine weitere Zwischenstufe vermittelt. Das BVerwG nimmt für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung zwar an, dass der Vereinigung das kriminelle Verhalten der Mitglieder zugerechnet werden kann, wenn ein solches den Charakter der Vereinigung prägt, sich nach außen als Vereinsaktivität darstellt und von der Vereinigung gebilligt oder gestützt wird625. Unabhängig von der Strafverfolgung einzelner Mitglieder der Vereinigung626 kommt es hier nicht darauf an, inwiefern die Zwecke der Vereinigung von jedem Beteiligten geteilt werden müssen. Für den Straftatbestand des § 129a Abs. 2 StGB entsteht indessen diese Frage im Rahmen des Vorsatzes der organisationsbezogenen Beteiligung neu627.
619
BGHSt 52, 98, 101. Der subjektiv gefassten Bestimmungsklausel entspricht in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI (ABl. EG 2002 Nr. L 164, S. 3) die Zielrichtung, mit der die terroristischen Katalogtaten begangen werden. 621 LK/Krauß, § 129a Rn. 54; Helm, StV 2006, 719, 720. 622 SK/Rudolphi/Stein, § 129a Rn. 15. 623 LPK/Kindhäuser, § 129a Rn. 8. 624 Vgl. Weißer, JZ 2008, 388, 389. 625 BVerwGE 80, 299, 306 ff.; BVerwGE 134, 275, 279 f. 626 BVerwGE 80, 299, 306; BVerwGE 134, 275, 280 f. 627 Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 141. Vgl. auch die Lösung zur Einordnung der Bestimmungsklausel von Zöller, der die Bestimmung gem. § 129a Abs. 2 StGB einerseits als ein objektives Tatbestandsmerkmal der Vereinigungsabrede bezeichnet und an620
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
Die Bedeutung einer Differenzierung zwischen der Bestimmung und Eignung sieht der BGH darin, dass mit der Eignungsklausel eine objektive Grenze des Tatbestandes gegenüber der reinen Zweckgerichtetheit gezogen ist628. Hierdurch wird über die Bestimmungsklausel hinaus eine „realistische Möglichkeit“ 629 der Katalogtaten, einen Schaden für den Staat hervorzurufen, hinterfragt. Mit der Forderung einer objektiven Eignung könnte sich somit ein funktionaler Bezug zum betroffenen Rechtsgut insofern herstellen lassen, als Fälle offenkundig fehlender Rechtsgutsrelevanz ausgesondert werden630. Für das Folgende ist damit die Aufgabe gestellt, gerade die Eignungsklausel in ihrer Staatsschutzrichtung darzustellen. d) Der Schutz ausländischer Staaten und internationaler Organisationen Bis hierher wurden die Bestimmungs- und Eignungsklauseln von der Position eines Angriffes gegen den Staat der Bundesrepublik Deutschland aus betrachtet631. Die Anwendung dieser Klauseln endet jedoch nicht an dieser Stelle, sondern Bestimmungs- und Eignungsklauseln beziehen sich – in Übereinstimmung mit Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI – zugleich auf den Schutz „eines“ Staates sowie einer internationalen Organisation. Das entspricht dem Terrorismus als einem grenzüberschreitenden Phänomen632. Zugleich könnte jedoch die Einbeziehung der auswärtigen Staaten und internationalen Organisationen in den Schutzbereich auch als eine Relativierung des Staatsschutzes empfunden werden. Paeffgen sieht angesichts der an dieser Stelle parallelen Fassung des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB die Einordnung als Staatsschutzdelikt insgesamt infrage gestellt633. Er leitet dies insbesondere daraus ab, dass mit dem Schutz eines dererseits damit das voluntative Kriterium des Vereinigungsbegriffs ausfüllt (Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 140 f.) 628 BGHSt 52, 98, 102 ff. 629 BGHSt 52, 98, 102; LK/Krauß, § 129a Rn. 64. 630 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 346. 631 Der Schutz der BRD im internationalen Kontext des Terrorismus findet außerdem über die §§ 5 und 129b StGB statt. Während § 129a StGB das Beteiligen an einer Vereinigung regelt, deren Taten einen auswärtigen Staat oder eine internationale Organisation schädigen können (vgl. die Eignungsklausel des § 129a Abs. 2 StGB), betrifft § 129b StGB den Fall, dass die Vereinigung im Ausland tätig ist. Mit Ausnahme von innerhalb der EU-Mitgliedstaaten tätigen Vereinigungen gilt § 129b StGB allerdings erst dann, wenn die Katalogtat i. S. v. § 129a StGB durch eine im räumlichen Geltungsbereich des deutschen StGB ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet (vgl. § 129b Satz 2 StGB). Der § 5 StGB, der das deutsche Strafrecht auf die Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter erstreckt, gilt auch für die Tatbestände des § 129a StGB (BT-Drs. 16/13145, S. 4). 632 Vgl. LK/Krauß, § 129a Rn. 6 ff. 633 Vgl. auch Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 456, der die Einordnung der §§ 102 ff. StGB als Staatsschutzdelikte infrage stellt.
B. Staatsschutz durch § 129a StGB
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(jeden) Staates lediglich die formelle Integrität von Staaten geschützt sei, ohne Ansehung ihrer rechtsstaatlichen Verfasstheit.634 Im Hinblick auf den Schutz ausländischer Staaten könnte die Lösung in Anknüpfung an den Dritten Abschnitt des StGB über Straftaten gegen ausländische Staaten gesucht werden635. Bei der Frage, welches Rechtsgut bei diesen dem Schutz ausländischer Staaten dienenden Vorschriften in Betracht kommt, stehen sich im Wesentlichen drei Positionen gegenüber: Erstens wird die These vertreten, dass ausschließlich ausländische Rechtsgüter, wie z. B. die Integrität und Würde der in den §§ 102 ff. als Handlungsobjekte bezeichneten ausländischen Organe, geschützt seien. Zweitens wird mit einem inländischen Rechtsgut argumentiert, etwa deutschen Interessen beim Erhalt des zwischenstaatlichen Friedens, der Wahrung diplomatischer Beziehungen usw. Drittens verbindet die herrschende Lehre die beiden vorstehenden Positionen zu einer doppelten Schutzrichtung. Dafür wird insbesondere angeführt, dass die Verfolgung der Straftaten gegen ausländische Staaten durch § 104a StGB dahin eingeschränkt ist, dass der betroffene Staat diplomatische Beziehungen zur BRD unterhält, Gegenseitigkeit verbürgt ist und ein Strafverlangen seitens dieses Staates vorliegt sowie eine Ermächtigung der Bundesregierung zur Strafverfolgung erteilt ist. Durch das Erfordernis einer Strafverfolgungsermächtigung ist zugleich ein Steuerungselement geschaffen, um dem Einwand gegenüber dem anscheinenden Schutz totalitärer oder autoritärer Staaten Rechnung zu tragen. Entsprechende Regelungen finden sich über § 104a StGB hinaus bei § 89a Abs. 4 Satz 1 i.V. m. Abs. 3 Satz 2 StGB und § 129b Abs. 1 Satz 3 bis 5 StGB. Die Vorschrift des § 129b Abs. 1 Satz 5 StGB knüpft die Entscheidung des Bundesministeriums der Justiz materiell explizit daran, ob die Bestrebungen der ausländischen terroristischen Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände verwerflich erscheinen. Bei § 129a Abs. 2 StGB hat diese Schranke kein Korrelat, jedoch steht einer analogen Anwendung dieser Strafverfolgungsermächtigung nichts entgegen. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben durch den Rahmenbeschluss 2002/475/JI sind darüber hinaus auch internationale Organisationen in die Schutzrichtung der Bestimmungs- und Eignungsklauseln einbe-
634 NK/Paeffgen, § 89a Rn. 8 f. Er hält aufgrund dieser „falschen Etikettierung“ der Vorschrift als einer „Straftat gegen den demokratischen Rechtsstaat“ eine Einordnung im 7. Abschnitt bei den „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“, wie dies im hessischen Gesetzesentwurf (BR-Drs. 827/07) vorgesehen gewesen war, für „vorzugswürdig“. 635 Zum Gedanken der Völkerverständigung als Schutzgut im Rahmen des Art. 9 Abs. 2 GG vgl. unten Fn. 656.
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
zogen worden636. Obwohl, wie bei den Staaten i. S. v. § 129a Abs. 2 StGB, auch der Kreis der internationalen Organisationen nicht näher bestimmt ist, sind dem Begriff nur solche Organisationen zuzuordnen, die in ihrem Dasein und ihren Funktionen in der BRD auf den Bestimmungen völkerrechtlicher Abkommen beruhen, welche in der BRD in Bundesrecht umgesetzt worden sind637. Teilweise wird sogar vertreten, dass derartige internationale Organisationen die Rechtsstellung mit den hinter ihnen stehenden Staaten teilen638. Die Struktur des Schutzes von ausländischen Staaten und internationalen Organisationen erscheint insofern vergleichbar. Ein anderer Hintergrund einer Übernahme des Schutzes der ausländischen Rechtsgutsträger ergibt sich aus dem Ansatz über die auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruhenden Delikte („treaty based crimes“ 639). Zu solchen Tatbeständen gehört einerseits der spezifische Schutz ausländischer NATO-Vertragsstaaten in Deutschland, wobei die Staatsschutztatbestände der §§ 93 ff., 109d ff., 113 ff., 333 f. StGB zugunsten NATO-Vertragspartner erweitert wurden640. Andererseits kann durch §§ 153 ff. StGB die Rechtspflege auch vor internationalen und supranationalen Gerichten geschützt sein, wie etwa im Fall des EuGH oder EGMR641. Die Schutzbereichserweiterung durch § 129a Abs. 2 StGB wäre dann entsprechend auf die Umsetzung der Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zurückzuführen, der Deutschland als Mitgliedstaat zur Angleichung in Strafsachen verpflichtet642. Für die Bestimmung der durch § 129a StGB geschützten Rechtsgüter ergibt sich aus dieser Sichtweise, dass es sich hier um einen solchen Fall handelt, in dem die Staaten sich verpflichten können, bestimmte inländische Kollektivrechtsgüter einem transnationalen Schutz zu unterstellen643.
636 Zum Schutz der Rechtsgüter des § 334 StGB wurden die Amtsträger, sonstige Bedienstete einer internationalen Organisation sowie die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben beauftragten Personen schon durch § 1 IntBestG den Amtsträgern i. S. v. § 334 StGB gleichgestellt, und in § 2 IntBestG wurde die Bestechung von Mitgliedern einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation kriminalisiert. 637 Zur Stellung internationaler Organisationen als völkerrechtliche Subjekte neben Staaten s. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/2, § 105 ff.; SK/Rudolphi/Stein, § 129a Rn. 10. Ferner zum Argument der Vergleichbarkeit einer internationalen Organisation mit der Behörde s. MK/Krauß, § 129a Rn. 58. 638 M.w. N. Wenckstern, in: Hdb. IZVR II/1 Rn. 44. 639 Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 259. 640 Ambos, Internationales Strafrecht, § 1 Rn. 35. 641 Ambos, Internationales Strafrecht, § 1 Rn. 35. 642 Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107, 1108. 643 Ambos, Internationales Strafrecht, § 1 Rn. 35.
B. Staatsschutz durch § 129a StGB
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III. § 129a StGB als Staatsschutzdelikt Sofern die Frage nach dem in § 129a StGB geschützten Rechtsgut auf den Staatsschutz gelenkt worden ist, wäre nach der Einordnung des § 129a StGB innerhalb der Rechtsgutsebenen des Staatsschutzes zu fragen. In diesem Zusammenhang muss die Regelung des Art. 9 Abs. 2 GG in den Mittelpunkt rücken, die einen Rahmen für die Schutzrichtungen der Organisationsdelikte bildet. Damit sind einerseits die Spezifika eines Rechtsgutsangriffs durch organisationsbezogenes Verhalten angesprochen, die sich im Vergleich zu den gegen Kernrechtsgüter des Staates gerichteten Einzeltäterdelikten der §§ 81 ff. StGB zeigen. Andererseits ergeben sich Rückwirkungen auf die systematische Stellung des Straftatbestandes über die Bildung einer terroristischen Vereinigung innerhalb der Organisationsdelikte, sodass die Verknüpfung auf der Rechtsgutsebene zwischen den geltenden §§ 129 und 129a StGB gelöst und eine Verknüpfung des § 129a StGB mit § 85 StGB hergestellt wird. 1. § 129a StGB innerhalb der Rechtsgüterstruktur der Staatsschutzdelikte a) Die Staatsschutzdelikte lassen sich nach Hierarchie- bzw. Rechtsgutsebenen strukturieren. Mit Hefendehl können insgesamt drei Deliktsgruppen unterschieden werden. Die erste Gruppe umfasst solche Delikte, die den Bestand des Staates im Ganzen betreffen. Hierzu gehören neben dem Hochverrat sowohl die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84 ff. StGB) als auch die Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 93 ff. StGB). Die zweite Gruppe schützt die Freiheit politischer Willensbildung und -betätigung im Handeln von Wählern und Verfassungsorganen (§§ 105 ff. StGB). Die dritte Gruppe schließlich betrifft die Funktionsfähigkeit der Organe, die mit der Vollziehung des Staatswillens im Inneren befasst sind (§§ 113, 133 f., 136, 275 f. StGB usw.).644 Im Schrifttum wird innerhalb der ersten Gruppe noch eine weitere Differenzierung vorgenommen. So unterscheidet Schroeder den Bestand der BRD, die verfassungsmäßige Ordnung, die in § 92 Abs. 2 StGB genannten Verfassungsgrundsätze und schließlich die innere und äußere Sicherheit der BRD voneinander645. Auch Arzt untergliedert an dieser Stelle in die Rechtsgüter des Staatsbestands (§ 92 Abs. 1 StGB), die äußere und innere Sicherheit des Staates (§ 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB) sowie die Verfassungsgrundsätze (§ 92 Abs. 2, 3 Nr. 3 StGB)646. Hinsichtlich der Frage, ob auch der § 129a StGB in diese Systematik gehöre, geht die Antwort von Arzt dahin, dass die genannten Rechtsgüter, die Staats644
M.w. N. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 340 f. Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 82 Rn. 11 ff. 646 Arzt/Weber, Strafrecht Besonderer Teil1, § 43 Rn. 2; auch Arzt/Weber/Heinrich/ Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 43 Rn. 2. 645
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
schutzdelikte im engeren Sinne647 beträfen, während der Tatbestand des § 129a StGB sich gegen die öffentliche Ordnung richte und damit ein Staatsschutzdelikt im weiteren Sinne sei, d. h. ein solches Staatsschutzdelikt, bei dem der Akzent nicht beim Staat, sondern im Angriff gegen die Allgemeinheit liegt648. Diesen Systematiken ist gemeinsam, dass sie den § 129a StGB grundsätzlich aus dem Staatsschutz ausgliedern, auch wenn sie sonst Angriffe auf die innere Sicherheit als vom Staatsschutz umfasst ansehen. Dass der § 129a StGB aus dem Bereich der inneren Sicherheit und damit aus den Staatsschutzdelikten ausgeschlossen wird, hat seinen Grund darin, dass einerseits zwischen „öffentlicher Ordnung“ und „innerer Sicherheit“ eines Staates eine gewisse Unschärfe besteht649. Andererseits ist die Rechtsgutsqualität der inneren Sicherheit i. S. d. § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB umstritten geblieben. Sie wird teilweise als eigenständiges Schutzgut begriffen650, nämlich als die Fähigkeit der BRD, sich nach innen gegen Störungen zur Wehr zu setzen651. Jedoch wird sie auch als ein bloßer Zustand der relativen Ungefährdetheit der Rechtsgüter652 des Staatsbestandes, der Verfassung bzw. der freiheitlich demokratischen Grundordnung aufgefasst oder auch als eine niedrigere Intensitätsstufe gegenüber den Kernrechtsgütern des Staatsbestandes und der verfassungsmäßigen Ordnung653 angesehen. Allerdings hat auch der BGH die Beeinträchtigung der inneren Sicherheit – als Merkmal der Staatsschutzklausel des § 120 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a GVG – durch einen Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze gem. § 92 Abs. 2 StGB im Vorfeld ihres Beseitigens, Außerkraftsetzens oder Untergrabens i. S. d. § 120 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b GVG bestimmt654. 647 Arzt/Weber, Strafrecht Besonderer Teil1, § 42 Rn. 2; auch Arzt/Weber/Heinrich/ Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 42 Rn. 2, § 43 Rn. 2. 648 Arzt/Weber, Strafrecht Besonderer Teil1, § 42 Rn. 3; auch Arzt/Weber/Heinrich/ Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 42 Rn. 3. 649 Das hatte sich bereits im Rahmen der historischen Betrachtung abgezeichnet, vgl. oben S. 124 ff. Das Verhältnis zwischen der öffentlichen und der inneren Sicherheit sieht Möstl – trotz ihrer unterschiedlichen Provenienz – durch eine weitgehende Austauschbarkeit bestimmt, wobei einerseits im polizei- und ordnungsrechtlichen Kontext dem Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ eine traditionsreiche Dogmatik zugemessen wird und andererseits verfassungsrechtlich schlicht von Sicherheit gesprochen wird bzw. das Attribut „innere“ hier die Abgrenzung von der „äußeren Sicherheit“ markiert (Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 124 ff.). 650 LK/Laufhütte/Kuschel, Vor § 80 Rn. 20; Sch/Sch/Sternberg-Lieben, Vorbem. §§ 80 ff. Rn. 2. 651 LK/Laufhütte/Kuschel, § 92 Rn. 9; Sch/Sch/Sternberg-Lieben, § 92 Rn. 15. 652 Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 308, 389 ff., 392; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 82 Rn. 15; vgl. Cramer, Der Vollrauschtatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt, S. 77; Kindhäuser, in: Schünemann/Suárez Gonzáles, Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 125, 130 f. 653 Schnarr, MDR 1993, 589, 592; vgl. Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 457 f. 654 BGHSt 46, 238, 250.
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Etwas anders wird die Staatsschutzrichtung des Tatbestandes des § 129a StGB durch seinen Charakter als Organisationsdelikt akzentuiert. Denn die Grenze, an der eine Vereinigung wegen einer Beeinträchtigung des Staates den ihr innerhalb der Rechtsordnung gegebenen Freiraum übertritt, ist anhand der Schranken des Art. 9 Abs. 2 GG konkretisierbar655. Damit ist der Blick auf die Rechtsgüter der verfassungsmäßigen Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung656 gelenkt. Der exakte Bedeutungsgehalt des Rechtsguts der verfassungsmäßigen Ordnung ist sinnvariabel nach der Anknüpfung innerhalb des Grundgesetzes vorgegeben. Nach überwiegender Ansicht wird dem Begriff bei Art. 9 Abs. 2 GG die Funktion zugemessen, die grundlegenden Strukturelemente des grundgesetzlichen Verfassungssystems zu bezeichnen; das BVerfG spricht von „gewissen elementaren Grundsätzen der Verfassung“ 657. Damit gehört die Bestimmung in den Kontext der Instrumente präventiven Verfassungsschutzes der wehrhaften Demokratie. Insofern ist es naheliegend, die verfassungsmäßige Ordnung an dieser Stelle im Zusammenhang mit dem Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Art. 21 Abs. 2 und 18 GG zu sehen658 und nicht als die gesamte Verfassung mit ihren Einzelbestimmungen zu begreifen659. Als freiheitliche demokratische Grundordnung bestimmt das BVerfG die Ordnung, „die unter Ausschluß jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt“ 660. Daran schließt das BVerfG eine Aufzählung von Einzelgrundsätzen an661, die 655 Die Angriffsrichtung auf den Staat ist zwar auch Merkmal der terroristischen Straftat gem. Art. 1 Abs. 1 Rahmenbeschlusses 2002/475/JI (ABl. EG 2002 Nr. L 164, S. 3) und der schweren staatsgefährdenden Straftat des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB. Im Rahmen des § 129a StGB verschiebt sich jedoch der Bezugspunkt insofern, als dass die terroristische Katalogtat zum Bezugspunkt einer Vereinigung gemacht wird. Die organisationsbezogene Auslegung kann daher keine Geltung für die konkrete Begehung terroristischer oder staatsgefährdender Straftaten beanspruchen. 656 Mit diesem Rechtsgut sind die „elementaren, für ein friedliches Zusammenleben der Völker unverzichtbaren Regeln des Völkerrechts“ angesprochen (Münch/Kunig/Löwer, Art. 9 Rn. 44), wozu auch das Recht anderer Staaten auf Selbsterhaltung, Unabhängigkeit und Gleichheit zu rechnen ist (Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 Rn. 131). Insofern ergibt sich auch aus dieser Perspektive ein Zugang zur Einbeziehung ausländischer Staaten und internationaler Organisationen in die Bestimmungs- und Eignungsklauseln des § 129a Abs. 2 StGB. Vgl. zu dieser Problematik oben S. 144 ff. 657 BVerfGE 6, 32, 38. 658 M.w. N. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der BRD, § 107, S. 1352. 659 So aber Jarass/Pieroth, Art. 9 Rn. 19; auch von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper5, Art. 9 Rn. 78; anders dagegen von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 77. 660 BVerfGE 2, 1, 12 f. 661 Aufgelistet werden im Einzelnen das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (BVerfGE 2, 1, 13; vgl. auch die Art. 9 Abs. 2 GG betreffende Auflistung seitens BVerwG, NJW 1981, 1796, 1796; BVerwG, NVwZRR 2000, 70, 71).
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
eine deutliche Konkordanz mit den Verfassungsgrundsätzen des § 92 Abs. 2 StGB aufweist662. b) Die Orientierung des § 129a StGB am verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 9 Abs. 2 GG schafft eine wesentliche Grundlage in der Frage nach dem geschützten Rechtsgut dieses Straftatbestandes. Gleichwohl erschwert die Vervielfachung der Staatsschutzrichtungen durch öffentliche Sicherheit und Ordnung, innere Sicherheit, verfassungsmäßige Ordnung bzw. freiheitliche demokratische Grundordnung die Einordnung innerhalb der Schutzgüter des Staates. Hefendehl macht dabei darauf aufmerksam, dass eine Konkretisierung von Rechtsgütern auf möglichst niedriger Abstraktionsstufe bei den Staatsschutzdelikten nicht stets gefordert ist; vielmehr gewinnen die einleitend dargestellten Hierarchiestufen an dieser Stelle Relevanz663. Sofern die staatsfeindliche Motivation des Täters seinem Angriff eine Richtung gegen den Bestand des Staates gibt, sei durch diese Intention auch der Bezug zu den auf der obersten Hierarchiestufe geschützten Rechtsgütern hergestellt664. Bei den Organisationsdelikten käme entsprechend die Zielrichtung der Vereinigung in Betracht, die bei § 129a Abs. 2 StGB auf die Begehung von Straftaten bezogen ist, denen die Eignung zukommt, den Staat erheblich zu schädigen. 2. § 129a StGB und Hochverrat Die verfassungsmäßige Ordnung stellt nicht nur einen Schutzgegenstand des Art. 9 Abs. 2 GG dar, sondern ist zugleich ein Rechtsgut des Hochverrats. An dieser Stelle wird die verfassungsmäßige Ordnung nicht mit bestimmten Verfassungsgrundsätzen identifiziert, sondern beim Hochverrat als die konkrete staatliche Ordnung auf der Grundlage der Verfassung bestimmt665. Allerdings wird dieser Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung unter Berufung auf den Art. 143 a. F. GG, der nach der Aufhebung der Hochverratsvorschriften des StGB666 den Hochverrat interimistisch bis zum 1. StÄG von 1951 auf Verfassungsebene regelte, auf Art. 9 Abs. 2 GG übertragen667. Ridder, der den Art. 9 Abs. 2 GG nicht in eine Linie mit Art. 21 Abs. 2, 18 GG stellen will, möchte nur solche Vereinigungen wegen ihrer Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung 662
Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte und Grundgesetz, S. 144. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 341; zum Erfordernis einer Differenzierung und Spezialisierung der geschützten Rechtsgüter dagegen Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 294 f. 664 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 341 f. 665 M.w. N. zum strafrechtlichen Meinungsstand NK/Paeffgen, § 81 Rn. 12. 666 Zur Entwicklung des Staatsschutzrechts von der Aufhebung der nationalsozialistisch geprägten Straftatbestände durch das 11. Kontrollschutzgesetz vom 30. Januar 1946 bis zum 1. StrÄG s. LK/Laufhütte/Kuschel, Vor § 80 Rn. 6; NK/Paeffgen, § 81 Rn. 3. 667 AK/Ridder, Art. 9 Abs. 2 Rn. 33 ff.; kritisch insbesondere gegenüber dieser historischen Interpretation Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der BRD, § 107, S. 1352 f. 663
B. Staatsschutz durch § 129a StGB
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als verboten betrachten, die „eine Verdichtungsstätte von Bestrebungen sind, die zu hochverräterischen Unternehmen führen können“ 668. Auf diese Weise erscheinen die Organisationsdelikte, sofern sie die verfassungsmäßige Ordnung als Rechtsgut aufweisen, in einen historischen Kontext mit dem Hochverratskomplott (vgl. § 63 des preußischen StGB von 1851, § 83 RStGB) gestellt. Für diese Sichtweise spricht, dass die Tatbestände des Hochverrats als Kollektivdelikte begriffen werden. In tatsächlicher Hinsicht soll nur eine organisierte Umsetzung eines hochverräterischen Unternehmens erfolgstauglich sein669, sodass es sich hier „um ein Kollektivgeschehen handelt, das sich aus einer Vielzahl einzelner Tatbeiträge zusammensetzt, die erst durch ihr Zusammenwirken das Tatbild im Ganzen ausfüllen“ 670. Insofern ließe sich etwa § 129a StGB als ein dem Hochverrat korrespondierendes Organisationsdelikt im Vorbereitungsstadium beschreiben671. Da nach überwiegender Ansicht dagegen eine solche begriffliche Gleichsetzung der verfassungsmäßigen Ordnung des Art. 9 Abs. 2 GG mit dem Rechtsgut des Hochverrats abgelehnt wird, muss von hieraus auch das Verhältnis der in Betracht kommenden Organisationsdelikte zum Tatbestand des Hochverrats anders gefasst werden. Dabei kann daran angeknüpft werden, dass das Stufenverhältnis innerhalb der Tatbestände des Staatsbestandsschutzes nicht an einer Vorverlagerung des Rechtsgutsangriffs innerhalb der Stadien der Deliktsentwicklung orientiert, sondern als eine Zerlegung der Kernrechtsgüter des Staates dargestellt wird. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass schon dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten ein Stufenverhältnis innerhalb der Staatsschutzdelikte zugrunde lag672. Entsprechend wird auch im modernen Strafrecht der Hochverrat als schwerstes Delikt gegen den Staat an die Spitze der Staatsschutzdelikte gestellt673. Die Tatbestände der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats gem. §§ 84 ff. StGB sollen sich vom Hochverrat nach h. M. nicht nur da668
AK/Ridder, Art. 9 Abs. 2 Rn. 35. Es wurde jedenfalls in der BRD weder ein Einzeltäter, noch ein Täter mit organisatorischem Hintergrund wegen Hochverrats verurteilt (vgl. Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 471; zu Verfahren wegen der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens s. Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 463 f. und 471 f.). 670 MK/Lampe/Hegmann, § 81 Rn. 4. 671 Die §§ 83 und 129a StGB unterschieden sich in diesem Fall wesentlich durch die Bestimmtheit des Vorhabens: Während § 129a StGB über die Eignungsklausel ein Potenzial, den Staat erheblich schädigen zu können, voraussetzt, muss jedoch die Bezugstat, der diese Eignung zukommt, nicht weiter konkretisiert sein. § 83 StGB erfordert dagegen ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen. 672 Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 39 ff., 327; vgl. oben S. 130. 673 MK/Lampe/Hegmann, Vor §§ 81 ff. Rn. 1. „Der Umsturz von innen, der den Verfassungsstaat endgültig zu Fall bringen soll, wird regelmäßig erst das letzte, in Beginn und Fortschreiten schwer erkennbare Ziel der staatsgefährdenden Aktivitäten sein“ (MK/Lampe/Hegmann, Vor §§ 81 ff. Rn. 8). 669
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
durch unterscheiden, solche Gefährdungen zu erfassen, die nicht durch Mittel des Hochverrats (Gewalt oder Drohung mit Gewalt) gekennzeichnet sind674. Vielmehr werden die hier betroffenen Rechtsgüter als „Schwundstufen“ der Kernrechtsgüter des Hochverrats distanziert675. Die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne bestimmter verfassungsrechtlicher Grundsätze, wie sie bei Art. 9 Abs. 2 GG überwiegend verstanden wird und damit auch für das Organisationsstrafrecht prägend ist, liegt damit in einem den Kernrechtsgütern des Staates gegenüber abgestuften Bereich. Entsprechend sind die §§ 84, 85 StGB an die Spitze der Straftaten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates gestellt, mit denen der Tatbestand des § 129a StGB so gesehen in einen systematischen Zusammenhang mit den §§ 84, 85 StGB tritt. Die Frage unmittelbar danach, ob die Bildung einer terroristischen Vereinigung und die Begehung terroristischer Gewalttaten Hochverrat oder Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens sein kann, wirft Wagner auf676. Ihre Beantwortung hängt indessen von dem zugrunde gelegten Begriff des Terrorismus und der politischen Einschätzung des Terrorismusphänomens ab. Das zeigt einerseits die entsprechende Strafverfolgung im Kaiserreich, die bei Wagner den historischen Anknüpfungspunkt bildet677. Andererseits wurde die Annahme der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens im Fall der Baader-MeinhofGruppe zwar in Betracht gezogen, jedoch bewusst verneint, um das Gewicht der Bedrohung nicht zu hoch anzusetzen678.
C. Systematisierung der Organisationsdelikte nach ihren Rechtsgütern I. Art. 9 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Grundlage eines Systems der Organisationsdelikte Die vorstehende Betrachtung der Rechtsgutsstrukturen des § 129a StGB hat gezeigt, dass für das Organisationsstrafrecht eine Beantwortung der Frage nach 674
Sch/Sch/Sternberg-Lieben, Vorbem. §§ 84 ff. Rn. 1. Kritisch Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 354. Für einen Verzicht auf die Konkretisierung der Kernrechtsgüter durch diese Abstufung ließe sich anführen, dass auf dieser Rechtsgüterebene das Angriffsobjekt – der Bestand von Staat und verfassungsmäßiger Ordnung – über die Intention des Täters rekonstruierbar ist; s. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 341 f. und vgl. oben S. 150. 676 J. Wagner, NJW 1980, 913, 913. 677 J. Wagner, Politischer Terrorismus und Strafrecht im Deutschen Kaiserreich von 1871, S. 327 ff.; ders., NJW 1980, 913, 914. Zur Bedeutung der Hochverratsdelikte zum Kampf gegen Kommunisten in den 1950er Jahren vgl. Hefendehl, in: FS-Schroeder, 453, 463 ff. 678 J. Wagner, NJW 1980, 913, 914; Schroeder, NJW 1980, 920, 920 ff.; Hefendehl, in: FS-Schroeder, 453, 468 ff.; MK/Lampe/Hegmann, Vorbem. §§ 81 ff. Rn. 10. 675
C. Systematisierung der Organisationsdelikte nach ihren Rechtsgütern
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dem geschützten Rechtsgut nicht ohne Blick auf die von Art. 9 Abs. 2 GG vorgegebenen Grenzen der Vereinigungsfreiheit erfolgen kann. Wenn mit Organisationsdelikten strafrechtlich auf ein organisationsbezogenes Verhalten zugegriffen wird, muss die Schranke des Art. 9 Abs. 2 GG unmittelbar relevant werden. Dieser Zusammenhang darf allerdings nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass in den Tatbeständen des Organisationsstrafrechts das verfassungsrechtliche Verbot aus Art. 9 Abs. 2 GG sanktioniert würde679; d. h., es geht nicht um eine Legitimation der Organisationsdelikte aus Art. 9 Abs. 2 GG. Umgekehrt aber muss das Strafrecht die verfassungsrechtlichen Schranken der Vereinigungsfreiheit beachten. Infolgedessen sind die Organisationsdelikte vor dem Hintergrund der Rechtsgüter des Art. 9 Abs. 2 GG zu sehen und damit am Typus der strafgesetzwidrigen und verfassungswidrigen Vereinigungen auszurichten680. Durch die Grenzen der Vereinigungsfreiheit ist damit das mögliche Spektrum der Organisationsdelikte vorgezeichnet. Unmittelbar an die Verbotsgründe der Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und des Gedankens der Völkerverständigung knüpfen die Strafnormen des § 85 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB und des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 VereinsG an. Auch soweit in § 129a StGB eine Staatsschutzrichtung indiziert ist, muss man sich auf diese Rechtsgüter beziehen. Als weitere Schutzrichtung der Organisationsdelikte kommen die Rechtsgüter der Straftaten hinzu, auf deren Begehung die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung gerichtet sind. Hier handelt es sich um die Strafgesetzwidrigkeit der Vereinigung, auf die sich vor allem der § 129 StGB in seiner Schutzrichtung bezieht. II. Auslandsbezug als Prüfstein der Anbindung des Organisationsstrafrechts an Art. 9 Abs. 2 GG Die Anbindung des Organisationsstrafrechts an Art. 9 Abs. 2 GG war bereits ein Streitpunkt in der strafrechtlichen Diskussion um ein Erfordernis des Inlandsbezugs der kriminellen und terroristischen Vereinigungen. Dabei hatte der BGH zwischen den §§ 129, 129a StGB und Art. 9 Abs. 2 GG einen historischen und systematischen Zusammenhang hergestellt, um den Anwendungsbereich der Straftatbestände auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes zu beziehen681. Rudolphi hatte sich hiergegen gewandt, weil er die Einschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 129, 129a StGB als Folge des Rechtsgutsverständnisses des BGH interpretierte, nach dem sich die Organisationsdelikte darauf beschränkten, die öffentliche Ordnung und Sicherheit innerhalb der BRD vor Missbräuchen der 679
So allerdings BGH, NJW 1966, 310, 312. Durch Art. 9 Abs. 2 GG ist die Organisation von ihrem Wesen oder Kern her dem Unrecht verschrieben; vgl. dazu Hefendehl, in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 89, 102. 681 BGH, NJW 1966, 310, 312; BGHSt 30, 328 ff.; m.w. N. zum Meinungsstand LK11 /von Bubnoff, § 129 Rn. 28 f. 680
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
Vereinigungsfreiheit zu schützen682. Mit dem gesetzgeberischen Entscheid dieser Problematik zu Gunsten einer Strafbarkeit der Beteiligung an ausländischen Vereinigungen (§ 129b StGB) konnte jedoch der Zusammenhang zwischen den Tatbeständen der Organisationsdelikte und den Grenzen der Vereinigungsfreiheit, an denen sich das Strafrecht zu orientieren hat, nicht aufgehoben werden. Im Zusammenhang mit der Kriminalisierung ausländischer Vereinigungen ergeben sich allerdings verfassungsrechtliche Rückwirkungen aus dem Umstand, dass Art. 9 Abs. 1, 2 GG nur für Deutsche im Sinne des GG wirkt683. Die Vereinigungsfreiheit Nichtdeutscher ist lediglich im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, was in der Konsequenz in diesem Bereich Vereinigungsverbote über den Rahmen in Art. 9 Abs. 2 GG hinaus rechtfertigt. Ausprägung dieses Umstandes sind die Vorschriften der §§ 14, 15 VereinsG.684 Mit der korrespondierenden Strafnorm des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 VereinsG, nach der die Beteiligung an verbotenen Ausländer- und ausländischen Vereinigungen sowie das Zuwiderhandeln entsprechender Betätigungsverboten strafbewehrt ist, verbindet sich in der Folge allerdings die Problematik, welche Rechtsgüter hinter diesen Straftatbeständen stehen685. Im Kernstrafrecht dagegen sind die Organisationsdelikte durch den Begriff der strafgesetzwidrigen oder verfassungswidrigen Vereinigungen, welche die von Art. 9 Abs. 2 GG geschützten Rechtsgüter angreifen, geprägt. Dadurch, dass § 129b StGB die §§ 129, 129a StGB auf ausländische kriminelle und terroristische Vereinigungen erweitert, kommen keine anderen Rechtsgüter in den Blick686.
682 Rudolphi, in: FS-Bruns, 315, 318 f.; ders., ZRP 1979, 214, 216; ders., NStZ 1982, 189, 199. 683 Umgekehrt ergeben sich vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der §§ 129, 129a StGB für die deutschen Grundrechtsträger zwei Fragen, sofern ein Auslandsbezug im Rahmen dieser Straftatbestände gegeben ist: Die erste geht dahin, ob für die Grundrechtsträger der Vereinigungsfreiheit die Beteiligung an Vereinigungen kriminalisiert werden darf, die auf Straftaten im Ausland gerichtet sind, die nicht zugleich nach deutschem Recht strafbar sind (zur vor der Einführung des § 129b StGB vorherrschenden Auffassung, dass auf Bezugstaten nach den Regeln der §§ 3 ff. StGB das deutsche Strafrecht anwendbar sein müsse vgl. BGH, NJW 1966, 310, 312; BGH, NStZ-RR 2002, 300, 301; zum Streitstand nach der Erstreckung der §§ 129, 129a StGB auf ausländische kriminelle und terroristische Vereinigungen LK/Krauß, § 129 Rn. 66 ff.). Die zweite Frage berührt die entsprechende Problematik für verfassungswidrige Vereinigungen i. S. d. Art. 9 Abs. 2 GG, nämlich inwieweit – im Rahmen des § 129a Abs. 2 StGB – der strafbewehrte Eingriff in die Vereinigungsfreiheit der Grundrechtsträger zum Schutz (irgend-)eines Staates sich vor dem Hintergrund des von Art. 9 Abs. 2 GG ebenfalls geschützten Gedankens der Völkerverständigung rechtfertigen lässt (s. zu dieser Problematik oben S. 144 ff.). 684 Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 65. 685 Vgl. dazu S. 157 f. 686 Griesbaum, in: FS-Nehm, S. 125, 129; NK/Ostendorf, §§ 129a, b Rn. 3; anders LK/Krauß, § 129b Rn. 1 f.; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129b Rn. 2, die einen weltweiten Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ansprechen.
C. Systematisierung der Organisationsdelikte nach ihren Rechtsgütern
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III. Verfassungswidrige Vereinigung innerhalb der Organisationsdelikte 1. Überblick zur Stellung der Tatbestände innerhalb des StGB a) Das RStGB von 1871 richtete sich im Abschnitt über Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung in § 128687 gegen geheim gehaltene Verbindungen und in § 129688 gegen staatsfeindliche Verbindungen, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehörte, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften. Durch das 1. StrÄG von 1951 wurde die Vorschrift des § 129 StGB neu gefasst und auf kriminelle Vereinigungen bezogen, deren Zwecke oder deren Tätigkeiten nunmehr lediglich darauf gerichtet sind, strafbare Handlungen zu begehen, während § 128 StGB unverändert blieb. Zugleich traten zwei neue Organisationsdelikte hinzu. Im Abschnitt über Staatsgefährdungen sollten mit § 90a StGB das Gründen und Beteiligen als Rädelsführer und Hintermann an solchen Vereinigungen erfasst werden, deren Zwecke oder deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Diese Vorschrift wurde in einem Zusammenhang mit dem ebenfalls neu geschaffenen § 129a StGB gesehen689, der sich auf das Fortführen einer verbotenen Vereinigung und auf das Aufrechterhalten ihres organisatorischen Zusammenhalts erstreckte, wenn das Bundesverwaltungsgericht oder das oberste Verwaltungsgericht auf Landesebene festgestellt hatte, dass diese Vereinigung gem. Art. 9 Abs. 2 GG verboten ist. Ein Staatsschutzbezug dieses im Abschnitt über Straftaten gegen die öffentliche Ordnung verorteten § 129a StGB war positivrechtlich nur über den § 94 StGB hergestellt, der die staatsfeindliche Absicht bei der Begehung von Straftaten nach § 129a StGB als Strafschärfungsgrund einordnete690. 1964 wurde das Vereinsrecht reformiert. Neben der Verabschiedung des neuen Vereinsgesetzes wurde auch § 90a StGB infolge der Rechtsprechung des BVerfG zum Parteienprivileg691 neu gefasst, sodass Gegenstand seiner Regelung die vom BVerfG für verfassungswidrig erklärten politischen Parteien wurden. Der § 128 StGB war aufgrund des neuen Abs. 3 auf politische Parteien nicht mehr anzuwenden. Der Regelungsbereich des § 129a StGB wurde zugleich in den § 90b 687
Fn. 146. Fn. 147. 689 von Weber, MDR 1951, 517, 521. 690 Vgl. die Kritik von Willms zur Aufnahme von Organisationsdelikten des 7. Abschnitts in den Katalog des § 94 StGB (Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 10, 107. Sitzung vom 16. Oktober 1958, S. 147, 156; Willms, NJW 1957, 565, 565). 691 BVerfGE 12, 296. Die Vorschrift des § 90a StGB war 1961 wegen Verstoß gegen Art. 21 Abs. 2 GG für verfassungswidrig erklärt worden (BVerfGE 12, 296, 304). 688
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
StGB übernommen und damit systematisch nunmehr dem Staatsschutz zugeordnet. Im Rahmen des 8. StrÄG wurden schließlich 1968 auch die §§ 90a, b, 94 und 128 StGB aufgehoben und stattdessen die §§ 84, 85 StGB eingeführt; dabei stellte der § 85 StGB das Aufrechterhalten einer Vereinigung unter Strafe, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. § 84 StGB regelte Entsprechendes für die als verfassungswidrig erklärten Parteien. Insofern haben diese Vorschriften seit 1968 ihre systematische Stellung im Rahmen der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats. b) Diese Betrachtung offenbart zusammenfassend eine Wechselwirkung zwischen den Staatsschutzdelikten und den Straftaten gegen die öffentliche Ordnung. Pointiert zeigt sich dies am Verhältnis des § 129a StGB und § 90a StGB jeweils in der Fassung von 1951. Während in § 129a StGB die Beteiligung an Vereinigungen, die bereits nach obergerichtlicher Entscheidung verboten waren, als Straftat gegen die öffentliche Ordnung erfasst war, war eine Beteiligung vor dem Verbot im Rahmen des § 90a StGB als „Staatsgefährdung“ eingeordnet. 1964 wurde die Regelung des § 129a StGB zunächst in den Abschnitt über Staatsgefährdung als § 90b StGB überführt und stellt seit 1968 in der Form des geltenden § 85 StGB eine Straftat gegen den demokratischen Rechtsstaat dar. 2. Die strafbare Beteiligung an förmlich verbotenen Vereinigungen a) In den Mittelpunkt der Rechtsgutsproblematik der Strafnorm des § 85 Abs. 1 Nr. 2 StGB692, der die Beteiligung an einer förmlich verbotenen Vereinigung kriminalisiert, steht die Frage, ob es sich bei diesem Tatbestand um ein bloßes Ungehorsamsdelikt ohne Rechtsgutsbezug handelt693. Das wäre der Fall, wenn die Strafbarkeit allein von einem formalen Grund des Verbotenseins der Vereinigung abhinge. Die Funktion des förmlichen Verbots im Rahmen des § 3 692 Auf einer anderen Ebene liegt die Problematik von § 85 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 20 Abs. 1 Nr. 2 VereinsG, wenn sie Ersatzorganisationen erfassen, die erst nach einem Verbot gem. Art. 21 Abs. 2 GG geschaffen worden und in keinem Parlament vertreten sind. Wenn solche Vereinigungen durch § 33 Abs. 3 ParteiG dem Vereinsrecht unterstellt werden, könnte hierin ein Verstoß gegen das Parteienprivileg liegen, sofern auch die Feststellung des Vorliegens einer Ersatzorganisation in jedem Fall dem BVerfG vorbehalten ist; die sich daraus ergebende Verfassungswidrigkeit der Vorschrift würde auch die Strafvorschriften betreffen (m.w. N. NK/Paeffgen, § 85 Rn. 8). 693 Ungehorsamsdelikte hat Schnorr von den Organisationsdelikten danach unterschieden, dass ihr Unwert nicht im Charakter der Vereinigung selbst, sondern in der Missachtung eines Hoheitsaktes liege; die Strafbarkeit trete entsprechend erst dann ein, wenn die Vereinigung förmlich verboten ist (Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, Vorbem. zu den §§ 20–22 Rn. 1; so auch MK/Heinrich, § 20 VereinsG Rn. 3). Kritisch Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 313 f.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 351.
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VereinsG beschränkt sich jedoch auf eine Warnfunktion, durch die eine Konkretisierung der Verbotsgründe im Einzelfall ausgesprochen ist694. Damit sind es aber die Rechtsgüter des Art. 9 Abs. 2 GG, die auf den § 85 Abs. 1 Nr. 2 StGB übertragen werden und als verfassungsmäßige Ordnung und Gedanke der Völkerverständigung zu benennen sind695. b) Die Problematik einer Bestrafung bloßen Ungehorsams muss über den Regelungsbereich des § 85 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB hinaus aber zugleich in Anbetracht des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 VereinsG gestellt werden696. Diese Vorschrift erweist sich als zweifache Erweiterung der Strafbarkeit im Verhältnis zu der Norm des Kernstrafrechts. Zunächst erfasst § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 VereinsG bereits dann ein organisationsbezogenes Beteiligen, wenn die Verbotsverfügung noch nicht unanfechtbar, sondern lediglich gem. § 3 Abs. 4 Satz 3 VereinsG i.V. m. § 80 VwGO sofort vollziehbar ist. Diese Strafbewehrung vor Bestandskraft des Verbots kriminalisiert nach Ansicht des BVerfG jedoch keinen bloßen Ungehorsam697. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch hinter einer bloß vollziehbaren Verbotsverfügung die materiellen Schutzgüter des Art. 9 Abs. 2 GG stehen698. Darüber hinaus ist der Rechtsweg im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO schon mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG durch die Strafnorm nicht beschränkbar699, sodass auch Mitgliederversammlungen mit dem Zweck der Erörterung der Rechtslage, die Neuwahl eines Vorstandes zur Vertretung im Prozess oder die Sammlung von Mitgliederbeiträgen für die Prozesskosten nach dem Vereinsverbot von dem Tatbestand ausgenommen bleiben müssen700. Anders zu beurteilen ist dagegen die Auffangfunktion des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 VereinsG hinsichtlich Vereins- bzw. Betätigungsverboten solcher Ausländervereine bzw. ausländischer Vereine, die nicht wegen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung ergangen sind. Dass Art. 9 Abs. 2 GG nur Schranke der Vereinigungsfreiheit ist, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes genießen, findet in den Verbotsgründen der §§ 14 Abs. 1, 2 und 15 Abs. 1 VereinsG Ausdruck, die wesentlich weiter gefasst sind. Wenn insbesondere hinter einem Verbot gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2
694
Vgl. oben S. 16. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 352; Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 314. 696 Der BGH begreift das Zuwiderhandeln gegen das Betätigungsverbot gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG i.V. m. § 14 Abs. 3 Satz 1 bzw. § 18 Satz 2 VereinsG ausdrücklich als Ungehorsamsdelikt, wobei er allerdings lediglich eine Abgrenzung gegenüber den Organisationsdelikten in konkurrenzrechtlicher Hinsicht, nicht dagegen die Rechtsgutsproblematik anspricht (BGHSt 43, 312, 314 ff.). 697 BVerfGE 80, 244, 256. 698 BVerfGE 80, 244, 254. 699 BVerfGE 80, 244, 250 ff. 700 Zu der Intention des Gesetzgebers vgl. BVerfGE 80, 244, 248 f., 251 f. 695
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VereinsG die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des allgemeinen Polizeirechts stehen701, lässt sich hinter der Bestrafung des Ungehorsams kein strafrechtliches Rechtsgut mehr aufweisen. c) Schließlich werden auch die §§ 129, 129a StGB durch Schroeders alternatives Rechtsgutskonzept in die Nähe solcher formalen Ungehorsamsdelikte gerückt. Denn an dieser Stelle geht es für ihn um „Straftaten gegen das Strafrecht“, bei denen Schroeder als das geschützte Rechtsgut die Durchsetzung des Strafrechts, die Verhinderung von Straftaten als Zweck des Strafrechts und somit das Strafrecht selbst angibt702. Zugleich sieht er aber die Besonderheit dieser Tatbestände darin, dass „die Straftaten gegen das Strafrecht die gleichen Rechtsgüter angreifen wie die darin angesprochenen anderweitigen Straftaten“ 703; d. h., die Tatbestände zum Schutz des Strafrechts flankierten mittelbar auch den Rechtsgüterschutz der Taten, auf die sie Bezug nehmen704. Die Ansicht von Schroeder weist also auch Züge der Vorbereitungstheorie, wie sie für die §§ 129, 129a StGB entwickelt wurde, auf. IV. Strafgesetzwidrige Vereinigung innerhalb der Organisationsdelikte 1. § 129a StGB als Qualifikationstatbestand des § 129 StGB a) Die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a StGB wird regelmäßig als eine Qualifikation im Verhältnis zum Tatbestand des § 129 StGB über die Bildung einer nur kriminellen Vereinigung verstanden. Eine solche spezifische Verknüpfung zwischen den §§ 129 und 129a StGB beruht darauf, dass der § 129 StGB seit 1951 bis zur Einführung des § 129a StGB von 1976 trotz seiner Ausrichtung auf kriminelle Vereinigungen gleichzeitig politische Vereinigungen erfasste705. Durch die Abspaltung des § 129a StGB durch das sogenannte Anti-Terrorismus-Gesetz von 1976 sollte der erhöhte Strafrahmen des Tatbestands der Bildung einer terroristischen Vereinigung im Vergleich zu § 129 StGB vor allem damit begründet werden, dass die Vereinigungen i. S. v. § 129a 701
M.w. N. Erbs/Kohlhaas/Wache, V52 § 14 Rn. 9 f. Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 28, 9, § 92 Rn. 6 f., 13. Allerdings hat auch die Neufassung des § 129a StGB, deren Bestimmungs- und Eignungsklauseln das terroristische Merkmal neu definieren, hier keine andere Einordnung nach sich gezogen (Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 29, § 92 Rn. 6 f., 13; auch Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 29, § 95 Rn. 3 i.V. m. Rn. 15 f.). 703 Schroeder, Die Straftaten gegen das Strafrecht, S. 32. 704 Schroeder, Die Straftaten gegen das Strafrecht, S. 32; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 92 Rn. 13. 705 Es war sogar umstritten, ob § 129 StGB auf Wirtschaftsdelikte anwendbar sei oder sich auf politische bzw. staatsfeindliche Verbindungen beschränke (Hohmann, Wistra 1992, 85, 85 ff.). 702
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StGB auf die Begehung von bestimmten Katalogtaten mit besonderem Unrechtsgehalt706 gerichtet sind. Dabei wurde § 129a StGB nicht allein an der Schwere der Bezugstat orientiert, sondern an der Erfassung typischer terroristischer Straftaten707. Allerdings kam es entgegen der gesetzlichen Überschrift der Norm im Tatbestand nicht auf ein bestimmtes politisches oder terroristisches Merkmal an, sodass die Katalogtaten für sich betrachtet letztlich zu Erscheinungsformen der allgemeinen Kriminalität gehörten708. Schnarr hat dieses Phänomen als „Doppelgesicht“ des § 129a StGB bezeichnet709. b) Mit der Einführung der Bestimmungs- und Eignungsklauseln in § 129a Abs. 2 StGB, die, wie oben gezeigt, den Begriff einer terroristischen Straftat umschreiben sollen, ist nicht primär eine Trennung zwischen dem § 129 StGB und dem § 129a StGB begründet, sondern eine Aufspaltung innerhalb des § 129a StGB bewirkt. Die Grenze verläuft hierbei nicht nur zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des § 129a StGB, sondern vor allem materiell zwischen terroristischen Straftaten und Straftaten der allgemeinen Kriminalität. Denn auch die Katalogtaten des § 129a Abs. 1 StGB können unter den Umständen des Einzelfalls terroristische Straftaten sein; die Bestimmungs- und Eignungsklauseln des Abs. 2 könnten hier eine Orientierung bieten. Anderenfalls liegt zwar eine tatbestandsmäßige Vereinigung vor, bei der es sich jedoch um eine Form der kriminellen Vereinigung handelt. Obwohl bisher über die Rechtsgutsproblematik des § 129a StGB regelmäßig durch einen Verweis auf den § 129 StGB entschieden wird, liegen, wie die Untersuchung gezeigt hat, der Differenzierung zwischen terroristischen und kriminellen Vereinigungen unterschiedliche Rechtsgüter und Schutzkonzepte zugrunde710. Einerseits ist über die Bestimmungs- und Eignungsklauseln eine Betroffen706
Vgl. LK/Krauß, § 129a Rn. 39. Vgl. zu Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform 1976 Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 373 ff. Diese Abgrenzung erwies sich allerdings als nicht unproblematisch, wie das Beispiel des Raubtatbestandes zeigte, der sowohl als ein Fall der allgemeinen Kriminalität als auch als typische Finanzierung des Terrorismus eingestuft wurde (Felske, Kriminelle und terroristische Vereinigungen, S. 386, 388). 708 Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129a Rn. 1. 709 Schnarr, MDR 1993, 589, 590. „Diese Vorschrift erfasst nach ihrem Wortlaut und nach ihrer Historie auch schlicht kriminelle Organisationen, etwa Aktivitäten von Verbrechervereinen (Hehlerringe) oder Straftaten auf dem Gebiet der sonstigen organisierten Kriminalität, die in der Bundesrepublik jedenfalls bisher keine verfassungsfeindliche Tendenz aufweist“. Umgekehrt will Schnarr dagegen das Vorliegen eines Organisationsdelikts nicht als Indikator dafür gelten lassen, dass Staatsschutzinteressen betroffen sind (Schnarr, MDR 1988, 89, 93). 710 Insofern verliert bei Organisationsdelikten auch die in der Literatur vereinzelt vertretene Staatsschutzrichtung – „Schutz der staatlichen Zwangsgewalt“ von Otto (Otto, Grundkurs Strafrecht. Die einzelnen Delikte, § 90 Rn. 4) und „Organisationsanmaßung des staatlichen Gewaltmonopols“ von Cancio Meliá (Cancio Meliá, in: FS-Jakobs, S. 27, 48 f.; ders., in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? 707
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heit des Staates im Fall der terroristischen Vereinigung hergestellt; hier ist das Rechtsgut nicht nur aus einer Katalogtat vermittelt, sondern durch diese selbst definiert. Andererseits stellte das BVerfG bereits 1963 für § 129 StGB fest, dass die Vorschrift vor allem „Verbrechervereine“ betreffe711. Entsprechend wird organisierte Kriminalität negativ als eine nicht die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdende Erscheinung bestimmt712. Damit richtet sich das Beteiligen an einer kriminellen Vereinigung i. S. d. §§ 129 und 129a Abs. 1 StGB gegen die Rechtsgüter der jeweiligen Bezugstaten. In diesem Sinne sind die kriminellen Vereinigungen der §§ 129, 129a Abs. 1 StGB innerhalb der einleitend aufgezeigten Entwicklungslinien in einem Zusammenhang mit Komplott und Bande zu sehen. Die Rechtsgüter, die durch das Beteiligen an einem Zusammenschluss betroffen sind, sind die Rechtsgüter der Straftaten, auf deren Begehung die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung gerichtet sind. Vor verfassungsrechtlichem Hintergrund ist damit die Seite des Art. 9 Abs. 2 GG angesprochen, die über den Verfassungsschutz im engeren Sinne hinausgeht, indem sie auch den strafrechtswidrigen Vereinigungen den Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG nimmt713. Das verdeutlicht sich, wenn man auch in Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG in dem Merkmal „den Strafgesetzen zuwiderlaufen“ nicht einen formalen Strafnormverstoß, sondern die Beeinträchtigung der hinter den Strafgesetzen stehenden Rechtsgüter angesprochen sieht. Für § 129 StGB und § 129a Abs. 1 StGB ergibt sich hieran gemessen, dass das Sichvereinigen in Anknüpfung an Tatbestandsmerkmale bestraft wird, deren Vorliegen die Vereinigung konstitutionell durch Art. 9 Abs. 2 GG unabhängig von den Organisationsdelikten der §§ 129, 129a Abs. 1 StGB bereits disqualifiziert714. Damit beruht die verfassungsrechtliche Legitimität dieser Organisationsdelikte auf ihrem Gerichtetsein715 auf die Begehung von Straftaten, während Begleitphänomene der orgaS. 47, 59 f.) – an Überzeugungskraft, wenn sie gleichermaßen sowohl für kriminelle als auch für terroristische Vereinigungen gelten soll. 711 BVerfGE 17, 155, 165. 712 M.w. N. Roggan, in: Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der inneren Sicherheit, S. 412, 414. Es geht insofern um eine weitere Aufgabe neben dem Verfassungsschutz, wenn z. B. nach dem Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 des bayerischen VSG das Landesamt für Verfassungsschutz die Aufgabe hat, Bestrebungen und Tätigkeiten der organisierten Kriminalität zu beobachten (Roggan, in: Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der inneren Sicherheit, S. 412, 414). Es wird auch im Rahmen der kriminologischen Systematisierung von Erscheinungsformen der Kriminalität davon ausgegangen, dass organisierte Kriminalität nicht Straftaten des Terrorismus umfasst (m.w. N. Göppinger/Bock/Schneider, Kriminologie, § 26 Rn. 17 f.). 713 von Münch/Kunig/Löwer, Art. 9 Rn. 2. 714 von Münch/Kunig/Löwer, Art. 9 Rn. 39; Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der BRD, § 107, S. 1348 f. 715 Das Tatbestandsmerkmal des Zuwiderlaufens gem. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG lässt sich im Gegensatz zu „Verletzen“ verstehen. Es soll ausdrücken, dass es nicht auf eine Normverletzung seitens der Organisation ankommt, jedoch die kollektive Intention
C. Systematisierung der Organisationsdelikte nach ihren Rechtsgütern
161
nisierten Kriminalität, wie eine Bedrohung der Allgemeinheit716, demgegenüber zurücktreten müssen. c) Zusammenfassend ist für das Verhältnis von § 129 und § 129a StGB Folgendes festzuhalten: Während sich der § 129a StGB im Zeitraum zwischen 1976 und 2003 als eine Qualifikation des § 129 StGB mit einer übereinstimmenden Rechtsgutskonzeption begreifen lässt, ist dies angesichts des § 129a StGB in der geltenden Fassung vorbehaltlos nur bei schwerwiegenden Formen der allgemeinen Kriminalität möglich. Sofern durch die Staatsschutzrichtung im Rahmen der Bestimmungs- und Eignungsklauseln des § 129a Abs. 2 StGB ein weiteres Qualifikationsmerkmal hinzugetreten ist, ist das Verhältnis der Vorschriften komplexer geworden. Denn § 129a StGB kann neben dem Schutz der Rechtsgüter der Straftaten, auf deren Begehung die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung gerichtet sind, auch die Staatsschutzrichtung als ein eigenständiges Qualifikationsmerkmal erfassen. In Art. 9 Abs. 2 GG entsprechen dieser Struktur die Strafwidrigkeit der Vereinigung einerseits und die Verfassungswidrigkeit der Vereinigung andererseits. Diese unterschiedlichen Rechtsgutskonzepte schließen sich, wie bei der historischen Betrachtung der Entwicklungslinien der Beteiligung an Zusammenschlüssen gezeigt werden konnte, nicht aus. 2. Die bewaffnete Gruppe gem. § 127 StGB als strafgesetzwidrige Vereinigung a) Die bewaffnete Gruppe, die den Gegenstand des § 127 StGB bildet und vergleichbar mit anderen Zusammenschlüssen der Organisationsdelikte als eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist, die sich zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammengeschlossen hat717, kann eine Vereinigung i. S. d. Art. 9 GG darstellen. Das gilt zunächst auch dann, wenn für die bewaffnete Gruppe auf eine gegenüber der Vereinigung des § 129 StGB vergleichbare Organisationsstruktur verzichtet wird718 und der Zusammenschluss bei § 127 StGB nicht auf Dauer angelegt sein muss719. Denn die Anforderungen, die in Art. 9 GG an Personenzumaßgebend ist, sodass eine Strafrechtsverletzung seitens der Mitglieder nur indiziell wirkt und im Übrigen eine Zurechenbarkeit zur Vereinigung vorausgesetzt ist (vgl. BVerwGE 80, 299, 306 f.; vgl. auch S. 143). D. h. zugleich aber, dass die Vereinigung den Verbotstatbestand auch dann erfüllen kann, wenn es noch nicht zu einer Rechtsverletzung gekommen ist (AK/Ridder, Art. 9 Abs. 2 Rn. 30; Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der BRD, § 107, S. 1347). Insoweit decken sich das „Zuwiderlaufen“ des Art. 9 Abs. 2 GG und das „Gerichtetsein“ in Straftatbeständen der Organisationsdelikte (AK/ Ridder, Art. 9 Abs. 2 Rn. 30). 716 Vgl. etwa LK/Krauß, § 129 Rn. 2. 717 LK/Krauß, § 127 Rn. 6; Lenckner, in: GS-Keller, S. 151, 156. 718 M.w. N. LK/Krauß, § 127 Rn. 7; vgl. BT-Drs. 13/8578, S. 28; anders Fischer, § 127 Rn. 3, der unter Berufung auf das Merkmal „befehligen“ eine § 129 StGB vergleichbare Organisationsstruktur verlangt. 719 M.w. N. LK/Krauß, § 127 Rn. 8.
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3. Kap.: Rechtsgüter des Organisationsstrafrechts
sammenschlüsse gestellt werden, gehen lediglich von einer gewissen organisatorischen Stabilität aus und erfassen auch locker organisierte Gemeinschaften, sofern eine gemeinsame Zweckverfolgung besteht720. Eine Vereinigung zur Verfolgung eines vorübergehenden Zwecks ist somit vom Schutzbereich nicht ausgeschlossen, wenn ein organisatorischer Zusammenhalt besteht, der über die aktuelle Interaktion der gleichzeitig präsenten Mitglieder hinausgeht721. Die Beteiligung an einer Gruppe i. S. d. § 127 StGB gerät jedoch dann in einen Grenzbereich, wenn auch spontan gebildete Gruppen, die sich ad hoc zusammentun, tatbestandsmäßig sind722. b) In dem Umfang aber, in dem § 127 StGB eine organisationsbezogene Beteiligung unterbinden will, muss sich auch diese Norm an den in Art. 9 Abs. 2 GG gestellten Anforderungen orientieren723. Dabei geht es in Art. 9 Abs. 2 GG um abschließend aufgestellte Gründe für Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit, sodass dem Art. 9 Abs. 2 GG in diesem Punkt die Funktion zugemessen werden kann, den Kreis der Organisationsdelikte zu umgrenzen. Im Unterschied zu anderen Organisationsdelikten, die an die Strafgesetzwidrigkeit der Vereinigung i. S. d. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG anknüpfen, ist die Ausrichtung der Zwecke und Tätigkeiten auf die Begehung von Straftaten tatbestandlich in § 127 StGB nicht zum Ausdruck gebracht724. Entsprechend gehört es insbesondere zu den Problembereichen dieses Tatbestandes, auf welche Weise strafrechtlich irrelevante Personenmehrheiten unterschieden werden sollen. Hier werden einschränkende Auslegungen vorgeschlagen, nach denen eine das Gewaltmonopol angreifende Gesinnung725 oder eine die Möglichkeit von Gewaltanwendungen gegen Menschen einschließende Zweckvereinbarung726 gefordert wird. Auch dem Merkmal „unbefugt“, das sich nicht auf die Tathandlungen, son720
M.w. N. Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 14 f. M.w. N. Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 25. 722 M.w. N. LK/Krauß, § 127 Rn. 8; ablehnend SK/Rudolphi/Stein, § 127 Rn. 4; NK/ Ostendorf, § 127 Rn. 8. 723 Die h. M. nennt demgegenüber den inneren Rechtsfrieden und das staatliche Gewaltmonopol als geschützte Rechtsgüter (m.w. N. LK/Krauß, § 127 Rn. 1). Anders SK/ Rudolphi/Stein, § 127 Rn. 2: Geschützt seien die Kollektivinteressen der von Gewalttaten der Gruppe potenziell betroffenen Individuen im Vorfeld. 724 Für eine Streichung des Tatbestandes: Lenckner, in: GS-Keller, S. 151, 164; SK/ Rudolphi/Stein, § 127 Rn. 1; NK/Ostendorf, § 127 Rn. 5. Volkersen hält § 127 StGB in der Gestalt, die er durch das 6. StrRG erhalten hat, für verfassungswidrig (Volkersen, in: Institut für Kriminalwissenschaft und Rechtsphilosophie, Irrwege der Strafgesetzgebung, S. 285, 292). 725 NK/Ostendorf, § 127 Rn. 11; dagegen wird eingewandt, der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen die Einführung einer Eignungsklausel hinsichtlich einer Friedensstörung entschieden, so LK/Krauß, § 127 Rn. 18; vgl. BT-Drs. 13/8578, S. 56 und 13/ 9064, S. 9. 726 SK/Rudolphi/Stein, § 127 Rn. 3; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 127 Rn. 2: „latente Bereitschaft, Waffen usw. gegen andere ggf. auch einzusetzen“. 721
C. Systematisierung der Organisationsdelikte nach ihren Rechtsgütern
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dern die Gruppe selbst beziehen soll, wird diese Abgrenzungsfunktion auf der Tatbestandsebene zugemessen727. Inwiefern der Mangel des Tatbestandes im Hinblick auf den Verbotsgrund des Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG auszufüllen ist, lässt sich schließlich auch im Verhältnis zum ungenehmigten Besitz von Waffen als Individualverhalten problematisieren. Wenn der ungenehmigte Besitz von Waffen als Individualverhalten unterbunden werden kann, kann auch eine kollektive Betätigung – einer Gruppe, die über Waffen und gefährliche Werkzeuge verfügt728 – nicht unter dem Aspekt der Vereinigungsfreiheit geschützt werden729. Jedoch kämen an dieser Stelle in strafrechtlicher Hinsicht nur die Tatbestände des Waffenrechts bzw. die dort geschützten Rechtsgüter in Betracht, die anders als § 127 StGB gruppenmäßige Gefährdungen von denselben Rechtsgütern nicht im Blick haben730.
727 Lenckner, in: GS-Keller, S. 151, 162 f.; vgl. auch BT-Drs. 13/8578, S. 56 und 13/ 9064, S. 9; nach der Gegenansicht bezeichnet „unbefugt“ das allgemeine Rechtswidrigkeitserfordernis (vgl. NK/Ostendorf, § 127 Rn. 11). 728 M.w. N. LK/Krauß, § 127 Rn. 18: Bewaffnung als wesentliches Merkmal der Gruppe. Zur Problematik der Aufnahme von „gefährlichen Werkzeugen“ in den Tatbestand vgl. Lenckner, in: GS-Keller, S. 151, 158 ff. 729 BVerfGE 30, 227, 243; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 Rn. 39; s. auch Fn. 15. 730 Vgl. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 146.
Viertes Kapitel
Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes durch Organisationsstrafrecht Die Strukturen der Organisationsdelikte, wie sie in der vorliegenden Abhandlung herausgearbeitet werden konnten, spitzen sich zusammenfassend in der Organisationsbezogenheit der Beteiligung mehrerer an einer Vereinigung zu. Erst vor diesem Hintergrund erscheint auch die Legitimation einer Strafbarkeit wegen der Beteiligung an Personenzusammenschlüssen der §§ 84, 85 StGB, der §§ 129, 129a StGB und des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG als ein einheitlicher Komplex der Organisationsdelikte. Die Organisationsdelikte auf der Kriminalisierungsebene zu hinterfragen, bedeutet deswegen, dass die partizipatorische Zurechnung – als individuelle Verantwortung für kollektives Verhalten – zu rechtfertigen ist. Es ist hierfür davon auszugehen, dass die Organisationsdelikte sich als solche Delikte charakterisieren lassen, bei denen organisationsbezogene Beteiligungen zu einem kollektiven Geschehen verbunden werden, welches weder bei einem der Beteiligten an der Vereinigung einzeln verortet noch durch die Organisation selbst strafrechtlich verantwortet werden kann. Die Wege für eine Legitimation des Organisationsstrafrechts verdichten sich daher darauf, wie in der Deliktsstruktur mit der entstehenden Lücke umgegangen werden kann. Im Folgenden wird die Organisationsbezogenheit der Beteiligung entsprechend fortentwickelt werden müssen, um auch auf der Legitimationsebene zeigen zu können, dass im Fall der Beteiligung an einer Organisation etwas anderes gilt als bei einem typischen Alleintätertatbestand. Durch die Anwendung der herkömmlichen Legitimationskonzepte – nämlich des Gefährdungsdelikts, des ins Vorfeld verlagerten Rechtsgüterschutzes sowie der Maßstäbe für Staatsschutzdelikte – lässt sich dagegen lediglich ein Rahmen für Organisationsdelikte vorzeichnen. Es muss jedoch hinzukommen, in die Deliktsstruktur die tatbestandlich notwendige Beteiligung mehrerer einzubinden. Davon wird die Stellung des gruppendynamischen Ansatzes in einer Legitimierung des Organisationsstrafrechts zu unterscheiden sein. Die Erklärung vor dem Hintergrund der gruppendynamischen Prozesse und somit mit der Gefährlichkeit der Vereinigung ist zwar in die herkömmlichen Legitimationsansätze eng eingebunden. Ist der Legitimationsansatz an der organisationsbezogenen Beteiligung orientiert, wird jedoch möglich, die Organisationsgefährlichkeit als strafrechtliches Kriterium kritisch zu betrachten oder ganz zurücktreten zu lassen.
A. Aufgaben eines legitimen Organisationsstrafrechts
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A. Aufgaben eines legitimen Organisationsstrafrechts I. Rechtsgüterschutz durch Organisationsdelikte Das strafrechtliche Verständnis der Organisationsdelikte findet in Art. 9 Abs. 2 GG seinen verfassungsrechtlichen Bezugspunkt und ist durch die dort vorgegebenen Grenzen bestimmt. In Gestalt des Art. 9 Abs. 2 GG hat man jedoch zunächst eine Norm des präventiven Verfassungsschutzes vor sich731, die dem Grundrechtsträger die Grenzen seiner Vereinigungsfreiheit vorgibt. Wird dieser Bereich verlassen, bestehen im Verfassungs-, Verwaltungs- und Strafrecht unterschiedliche Instrumentarien, um hierauf zu reagieren. Jedes dieser Rechtsgebiete muss seine Reaktion auf das die Rechtsgüter des Art. 9 Abs. 2 GG bedrohende Verhalten nach den für es maßgeblichen Prinzipien rechtfertigen. Im Unterschied zum Benennen des Rechtsguts auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 2 GG ist bei der Legitimierung also davon auszugehen, dass die strafrechtliche Reaktion auf das die Rechtsgüter des Art. 9 Abs. 2 GG bedrohende Verhalten nach strafrechtlichen Prinzipien zu legitimieren ist. Diese Vorgehensweise erfordert, die strafrechtlichen Sanktionen auch von den verwaltungsrechtlichen Maßnahmen zu distanzieren, insbesondere dort, wo die Straftatbestände des Organisationsstrafrechts an das förmliche Verbot der Vereinigung anknüpfen732. Auf der Verfassungsebene ermöglicht Art. 18 Satz 1 GG die Verwirkung von Grundrechten – unter anderem der Vereinigungsfreiheit – als weitere Reaktion733; diese Verwirkungsentscheidung kann in ein Spannungsverhältnis mit den strafrechtlichen Sanktionen treten. Dieses Verhältnis wird einerseits an der Monopolstellung des BVerfG für den Verwirkungsausspruch734 orientiert, sodass bis zum Ausspruch des BVerfG noch kein Unwerturteil eines anderen Staatsorgans über die betreffende politische Betätigung abgegeben werden dürfte735. Für das politische Strafrecht wäre dies allerdings „geradezu existenzvernichtend“ 736: Wenn auch der Art. 18 GG damit nicht direkt die Verfassungswidrigkeit der Straftatbestände737 begründete, so wäre jedoch für den Zugriff auf die in Art. 18 GG genannten Rechte stets erst das allein maßgebliche Unwerturteil des BVerfG abzuwarten738. Andererseits könnte man die Möglichkeit der vom Bundesverfassungsgericht auszusprechenden Verwirkung von Grundrechten 731
BVerfGE 80, 244, 253; m.w. N. von Münch/Kunig/Löwer, Art. 9 Rn. 40. Vgl. BT-Drs. 4/2145, S. 5 f. 733 Zum Verhältnis von Art. 18 GG und Art. 9 Abs. 2 GG s. Maunz/Dürig/Klein, Art. 18 Rn. 115 f. 734 BVerfGE 10, 118, 122 ff. 735 Zu dieser Argumentation s. etwa Maunz/Dürig/Klein, Art. 18 Rn. 121. 736 Maunz/Dürig/Klein, Art. 18 Rn. 89. 737 Reissmüller, JZ 1960, 529, 533. 738 Wilke, Die Verwirkung der Pressefreiheit und das strafrechtliche Berufsverbot, S. 123 ff.; Willms, NJW 1964, 225, 227. 732
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
wegen ihres Missbrauchs zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung derart in Verhältnis zum Strafrecht setzen, dass mit dem Verwirkungsausspruch nicht eine Einschränkung, sondern eine Erweiterung der Staatsschutzmaßnahmen angestrebt würde739; hier träte der Verwirkungsausspruch nicht an die Stelle der im Strafrecht bereits vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen, sondern ergänzend neben diese740. Eine vermittelnde Position bildet demgegenüber die Annahme einer „Doppelspurigkeit“ im Verhältnis von Art. 18 GG und dem strafrechtlichen Staatsschutz741. Dies setzt voraus, die Verwirkungssanktion als Maßnahme zur Lockerung der Grundrechtsbindung zu Gunsten präventiven staatlichen Vorgehens zu begreifen, sodass repressive Maßnahmen von der Sperrwirkung nicht erfasst wären. Damit läge die Unterscheidung in der spezifischen Funktion der rechtlichen Reaktionen: Strafe und Grundrechtsverwirkung.742 Auch das Strafrecht hat die Funktion, entlang der präventiven Strafzwecke Rechtsgüter zu schützen: Da die legitimen Strafnormen auf den Schutz der individuellen Freiheit und einer ihr dienenden Gesellschaftsordnung abzielen, kann auch die Strafe nur einen dem Verbrechen vorbeugenden Zweck verfolgen743. Ohne aber das Gegenteil, dass der Zweck der Strafe sich auf die gerechte Vergeltung des durch die Tat verwirklichten Unrechts beschränke, zu berühren, hat das Strafrecht im Rahmen des Rechtsgüterschutzes ein bereits verwirklichtes materielles Unrecht zum Anlass und Gegenstand. Strafrechtlich ist der Sachverhalt nicht als eine „Gefahrenquelle“ zu begreifen, sondern als eine Tat im Sinne der Rechtsgutsbeeinträchtigung744. Daraus ergibt sich zur Legitimierung des strafrechtlichen Eingriffs die Aufgabe, Rechtsgut und Tathandlung nicht beziehungslos nebeneinanderstehen zu lassen, sondern diejenigen Verknüpfungen zu beschreiben, die mit dem Topos der realen Verletzungskausalität oder entsprechenden materiellen Äquivalenten angesprochen sind745. Damit verbindet sich zugleich die Suche nach der adäquaten Deliktsstruktur. II. Die Rechtfertigung partizipatorischer Zurechnung insbesondere Die Schutzrichtungen der Organisationsdelikte implizieren angesichts der Legitimationsaufgabe unterschiedliche Fragenkreise. Geht man einerseits von den 739 BGHSt 17, 38, 42; Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte und Grundgesetz, S. 129. 740 BGHSt 17, 38, 42; s. dazu Maunz/Dürig/Klein, Art. 18 Rn. 122. 741 Maunz/Dürig/Klein, Art. 18 Rn. 125. 742 Maunz/Dürig/Klein, Art. 18 Rn. 134 f. 743 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 3 Rn. 37. 744 Zu Strafzwecken im Zusammenhang mit Terrorismus s. Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 254 ff.; B. Heinrich, ZStW 121 (2009), 94, 121 ff. 745 M.w. N. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 28, 149.
B. Das Organisationsdelikt als Gefährdungs- oder Vorfelddelikt
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Rechtsgütern der Straftaten aus, auf deren Begehung die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung gerichtet sind, ist die entsprechende Tatbestandshandlung zeitlich vorverlagert, sodass eine Vorbereitung als eine auf diese Rechtsgüter gerichtete Handlung, nicht aber eine Beeinträchtigung der Rechtsgüter erfasst wird746. Beim strafrechtlichen Schutz der Rechtsgüter des Staates muss andererseits zwischen der tatbestandlichen Handlung und den Rechtsgütern über die subjektive Intention des Täters hinaus ein erkennbarer funktionaler Bezug herstellbar sein747. Die Legitimationsansätze spiegeln sich hier im Schema der herkömmlichen Deliktsstrukturen wieder. Daneben ergibt sich spezifisch für Organisationsdelikte die Besonderheit, dass im Rahmen der organisationsbezogenen Beteiligung eine notwendige Kumulation mehrerer, aufeinander bezogener Rechtsgutsangriffe vorliegt. Komplementär zu der oben dargelegten partizipatorischen Zurechnung wird im Folgenden die Organisationsbezogenheit auf der Ebene der Legitimierung auszufüllen sein, indem hier nach der Rechtfertigung der individuellen Verantwortung für kollektives Verhalten gefragt wird.
B. Das Organisationsdelikt als Gefährdungsoder Vorfelddelikt Entsprechend der vorstehend entwickelten Vorgaben, einen legitimierenden Bezug zu den geschützten Rechtsgütern aufzuzeigen, werden im Folgenden die Organisationsdelikte zunächst vor dem Hintergrund geläufiger Deliktsstrukturen zu betrachten sein. Die mit der partizipatorischen Zurechnung ausgedrückte Differenz zwischen der Organisationsebene und der einzelnen organisationsbezogenen Beteiligung bleibt hier unbeachtet, sodass man nur zu vorläufigen Resultaten gelangt. Wenn die vertretenen Ansätze damit nachteilig erscheinen, ist hier eine Stellungnahme dazu entbehrlich, ob sich die Ergebnisse vor dem Hintergrund des jeweiligen Konzepts nachvollziehen lassen. I. Rechtsgutsgefährdung und die Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung im Rahmen der Organisationsdelikte 1. Die Tatbestände der §§ 129, 129a StGB werden überwiegend als „abstrakte Gefährdungsdelikte“ klassifiziert748. Eine entsprechende Einordnung erfolgt 746 Vgl. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 287; vgl. Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 296. 747 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 344; ders., in: FS-Schroeder, S. 453, 473 f. 748 M.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 4; SK/Rudolphi/Stein, § 129 Rn. 3.
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
auch hinsichtlich der Normen der §§ 84, 85 StGB749. Für diese Betrachtungsweise wird als die Strafbarkeit legitimierendes Gefährdungspotenzial vorausgesetzt, dass gruppendynamische Prozesse stattfinden750 oder Beweisgemengelagen entstehen751. Die Variationsbreite dieser Ansätze reicht bis hin zu der Forderung, dieses Potenzial müsse sich in einem „Gefährlichkeitstest“ erweisen752. Die Umsetzung dieses Kriteriums führt bei Langer-Stein dazu, im Rahmen der §§ 129, 129a StGB zwischen dem Vorliegen abstrakter oder konkreter Gefahr in Abhängigkeit davon zu unterscheiden, ob die Wirksamkeit der gruppendynamischen Prozesse in einem konkreten Fall nachgewiesen ist oder unterstellt bleibt. Zeige sich im Rahmen einer Gruppenanalyse, dass tatsächlich ein Hemmungsabbau stattgefunden habe, deute dies auf eine konkrete Gefahr hin. Werde eine solche Untersuchung unterlassen, wäre daran anzuknüpfen, dass jede Gruppe in der Lage sei, gefährliche gruppendynamische Prozesse zu entwickeln; insofern gehe von jeder Vereinigung eine abstrakte Gefahr aus.753 2. Mit dem Typus der Gefährdungsdelikte kann bei den Rechtsgütern, die geeignet sind, durch tatbestandsmäßige Handlung verletzt zu werden, eine Distanzierung gegenüber der Verletzung gekennzeichnet werden: Die tatbestandliche Handlung gefährdet hier das Rechtsgut, indem entweder eine konkrete Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung eintritt oder die Verletzung abstrakt wahrscheinlich erscheint. Diese von der Verletzung zur abstrakten Gefährdung reichende Abstufung entspricht bezogen auf das Rechtsgut Leben dem Verhältnis der Tatbestände der §§ 222, 315c und 316 StGB. In diesem Zusammenhang kann man das abstrakte Gefährdungsdelikt dadurch legitimieren, dass mit der Unterbindung der abstrakt gefährlichen Verhaltensweisen dem „gefährlichen Zufall“ vorgebeugt
749 Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 315; m.w. N. LK/Laufhütte/Kuschel, § 84 Rn. 1. 750 Rudolphi, in: FS-Bruns, S. 315, 317; s. oben Fn. 1, 2. 751 Langer-Stein, Legitimation und Interpretation der strafrechtlichen Verbote krimineller und terroristischer Vereinigungen, S. 191; Fürst, Grundlagen und Grenzen der §§ 129, 129a StGB, S. 262 f.; Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 503; s. dazu auch Schroeder, Die Straftaten gegen das Strafrecht, S. 29 f. 752 U. Weber, Beiheft ZStW 1987, 1, 31; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 44 Rn. 14. 753 M.w. N. Langer-Stein, Legitimation und Interpretation der strafrechtlichen Verbote krimineller und terroristischer Vereinigungen, S. 210 ff. Im Ergebnis hält LangerStein die Erfassung der Beteiligung an einer Vereinigung als konkretes Gefährdungsdelikt für vorzugswürdig; zumindest sollte die Möglichkeit eines Gegenbeweises der Ungefährlichkeit zugelassen werden (Langer-Stein, Legitimation und Interpretation der strafrechtlichen Verbote krimineller und terroristischer Vereinigungen, S. 211, 243). Dabei will sie insbesondere der Konstellation „der abstrakten Gefahr von abstrakten Gefahren“ vorbeugen, die entstünde, wenn Zwecke oder Tätigkeiten einer Vereinigung auf die Begehung von Straftaten mit der Struktur abstrakter Gefährdungsdelikte gerichtet sind (Langer-Stein, Legitimation und Interpretation der strafrechtlichen Verbote krimineller und terroristischer Vereinigungen, S. 210 f.).
B. Das Organisationsdelikt als Gefährdungs- oder Vorfelddelikt
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wird754. Als problematisch erweist sich dann, neben der Anknüpfung an ein hinreichendes Gefahrenpotenzial die im Einzelfall ungefährlichen Verhaltensweisen auszuscheiden755. Bei dieser Sichtweise erscheint die Klassifizierung von Tatbeständen als abstrakte Gefährdungsdelikte dort problematisch, wo die tatbestandsmäßige Handlung für sich genommen für das Rechtsgut nicht gefährlich werden kann. Denn wäre es unmöglich, theoretisch zu bestimmten, wann das geschützte Rechtsgut durch die einzelnen tatbestandsmäßigen Handlungen verletzt wird, dann wäre es zugleich unmöglich, von einer Gefährdung dieses Rechtsguts zu sprechen; ein Tatbestand zum Schutz eines solchen Rechtsguts wäre nicht in Form eines abstrakten Gefährdungsdelikts konstruierbar. Die Frage würde sich etwa für die Beteiligung an Organisationen der §§ 84, 85 StGB stellen; wenn hier als Rechtsgut der Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei mit der herrschenden Meinung die freiheitliche demokratische Grundordnung angesehen werde, meint Hefendehl, müsse man nicht um diese fürchten756. 3. Umgekehrt kann die Deliktsstruktur des abstrakten Gefährdungsdelikts bei Tatbeständen zum Schutz überindividueller Rechtsgüter adäquat erscheinen, wenn die Möglichkeit einer Verletzung begreifbar gemacht werden könnte. Anastasopoulou unternimmt diesen Versuch, indem sie vor dem Hintergrund der realen Funktion dieser Rechtsgüter ihre Verletzung757 gegenüber einer globalen Rechtsgutsvernichtung abschichtet758. Eine Verletzung will sie annehmen, wenn das auf gesellschaftlicher Kommunikation aufbauende kollektive Rechtsgut sich einem Verhalten gegenübersehe, an dem deutlich werde, dass sich die Rechtsfeindlichkeit des Einzelnen durchsetze759. Von einer Verletzung des durch die §§ 129 ff. StGB geschützten öffentlichen Friedens sei etwa dann auszugehen, „wenn eine konkrete Gefahrenlage geschaffen worden ist, die einen hypothetischen Polizeibeamten zum Einschreiten verpflichtet“ 760. Infolge ihrer Überlegun754 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 157; B. Heinrich, ZStW 121 (2009), 94, 124 f.; m.w. N. Puschke, in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 9, 12 f. 755 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 157 f. 756 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 158. 757 Demgegenüber sei auch bei „klassischen“ Individualrechtsgütern die Annahme, die Verletzung stelle eine konkret greifbare Größe dar, eine „Illusion“ (Anastasopoulou, Deliktstypen zum Schutz kollektiver Rechtsgüter, S. 201). 758 Anastasopoulou, Deliktstypen zum Schutz kollektiver Rechtsgüter, S. 194, 201, 203, 205, 300. Bei nur scheinbar überindividuellen Rechtsgütern sei das Abschichtungsverfahren nicht möglich, vielmehr offenbare sich ihr verdeckt individueller Charakter oder es zeige sich die Vagheit der zu ihrer inhaltlichen Anreicherung genannten Interessen, bei denen sich zu keinem Zeitpunkt eine Verletzung fixieren lasse (Anastasopoulou, Deliktstypen zum Schutz kollektiver Rechtsgüter, S. 304). 759 Anastasopoulou, Deliktstypen zum Schutz kollektiver Rechtsgüter, S. 301. 760 Anastasopoulou, Deliktstypen zum Schutz kollektiver Rechtsgüter, S. 300 f.
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
gen hält Anastasopoulou im Ergebnis die Deliktsstrukturentrias von Verletzungs-, konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt auch für überindividuelle Rechtsgüter für angemessen. Das abstrakte Gefährdungsdelikt habe an dieser Stelle die Funktion, angesichts der Frage, ob eine Tathandlung eine Verletzung kausal herbeiführt, auftretenden Beweisschwierigkeiten zu begegnen761. II. Vorfeldschutz durch Organisationsdelikte Wenn man die Tatbestände der §§ 129, 129a StGB als Vorbereitungsdelikte vergleichbar der Komplottregelung des § 30 Abs. 2 StGB begreift, scheint man es an dieser Stelle mit einem ins Vorfeld verlagerten Rechtsgüterschutz zu tun zu haben. Ausgehend von dem oben dargestellten Begriff des abstrakten Gefährdungsdelikts762 wäre ein solcher Vorfeldschutz dadurch gekennzeichnet, dass er ein vom Täter beherrschtes Verhalten kriminalisiert und somit früher als bei abstrakten Gefährdungsdelikten einsetzt763. Anders als bei Gefährdungsdelikten kann eine Legitimierung bei Vorfelddelikten nicht auf die Unbeherrschbarkeit der Situation gestützt werden. Entscheidend ist vielmehr, dass in der Intention einer Rechtsgutsbeeinträchtigung ein verantwortbares Beherrschungsmoment liegt.764 Mit der Vorbereitungstheorie ist somit ein Organisationsdelikt strukturell so aufzufassen, dass wesentlich eine Beeinträchtigung der Rechtsgüter der Bezugstaten intendiert wird. Aus der Perspektive eines späteren Rechtsgutsangriffs wird die Beteiligung an einer Vereinigung also als ein Zwischenschritt konstruiert, von dem der Zusammenhang zum späteren Rechtsgutsangriff dadurch hergestellt werden muss, dass eine Bezugstat zumindest so sicher folgt, wie sonst Vorbereitung und Versuch des Allgemeinen Teils zueinander und zur Begehung stehen. Differenzierter stellt sich die Vorbereitungstheorie bei Puschke dar, wenn eine intendierte Beherrschung einer späteren Rechtsgutsverletzung auf die Vorbereitungsdelikte im engeren Sinne beschränkt wird, während die Verbrechensverabredung und die Organisationsdelikte – als Vorbereitungsdelikte im weiteren Sinne – sowohl durch das Moment objektiver Unbeherrschbarkeit als auch durch subjektive Gefährlichkeitszusammenhänge charakterisiert werden. Hiermit wird die Grenze zwischen abstrakten Gefährdungsdelikten und Vorbereitungsdelikten nicht streng danach gezogen, ob die Handlung ein Zwischenschritt zur Rechts761
Anastasopoulou, Deliktstypen zum Schutz kollektiver Rechtsgüter, S. 204, 312. Vgl. oben S. 168 f. 763 Vgl. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 36: „Die Trunkenheitsfahrt fällt nach dieser Sichtweise also nicht unter den strafrechtlichen Vorfeldschutz, wohl aber die Pönalisierung der Verbrechensverabredung über § 30“. Siehe auch Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 296; B. Heinrich, ZStW 121 (2009), 94, 124 f. 764 Puschke, in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 9, 13. 762
B. Das Organisationsdelikt als Gefährdungs- oder Vorfelddelikt
171
gutsbeeinträchtigung ist. Vielmehr ließe sich im Grenzbereich eine Tendenz der „Intentionalisierung des Gefährdungszusammenhangs“ beobachten.765 III. Legitimationsansätze für Organisationsdelikte der Staatsschutzebene 1. Die Problematik einer Legitimierung im Bereich der Staatsschutzdelikte resultiert aus Eigenschaften der Rechtsgüter des Staates auf der ersten Hierarchieebene. Zum einen muss der Schutz des Staates stattfinden, noch bevor der Staat in seinem Bestand beseitigt oder erheblich beeinträchtigt ist766. Zum anderen sind Staatsschutzdelikte durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass das Zerstören von Bestandsbedingungen des Staates durch eine Tathandlung kaum denkbar erscheint767, vielmehr zeichnen sie sich als kollektive Rechtsgüter dadurch aus, dass sie gegenüber der tatbestandsmäßigen Handlung immun bleiben768. Schließlich werden die Staatsschutzdelikte auf dieser Ebene als nicht okkasionelle Rechtsgutsbeeinträchtigungen dargestellt, sondern sie beruhen auf einer bewussten Entscheidung des Handelnden769. Diese Elemente implizieren eine Vorverlagerung des Strafrechts in das Vorfeld770. Dabei erweist sich gerade das Organisationsstrafrecht bei historischer Betrachtung als Indikator des aktuellen Bedrohungsempfindens771. Um dieser Vorverlagerungstendenz entgegenzuwirken, fordert Hefendehl ein objektives Kriterium, nämlich als Mindestbedingung einen erkennbar funktionalen Bezug der tatbestandlichen Handlung auf die staatliche Funktion oder Institution, die geschützt ist. Im Fall der Organisationsdelikte gem. §§ 84, 85 StGB liegt dieser Bezug für ihn in der aggressiv-kämpferischen Haltung der Vereinigung gegenüber den in Art. 9 Abs. 2 GG bzw. in Art. 21 Abs. 2 GG genannten Rechtsgütern, welche mit dem Verbot der Vereinigung oder der Partei festgestellt sei772. 765
Puschke, in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 9, 13; auch Hefendehl, in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 89, 92. 766 LK/Laufhütte/Kuschel, Vor § 80 Rn. 22, § 83 Rn. 1; Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 457; Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte und Grundgesetz, S. 117. 767 Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 473. 768 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 151; Kindhäuser, in: Schünemann/Suárez Gonzáles, Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 125, 129. 769 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 339; ders., in: FS-Schroeder, S. 453, 473. 770 Vgl. Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 457 f.; vgl. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 752. 771 Denn in Organisationsdelikten haben sich Ereignisse niedergeschlagen, die von der Französischen Revolution, der deutschen Revolution von 1848, dem Kampf gegen die Sozialdemokratie, der Bedrohung der Weimarer Republik, einer kommunistischen Bedrohung in den 1950er Jahren, den Anschlägen der RAF bis zur gegenwärtigen Terrorismusgefahr reichen. 772 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 352.
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
2. Die Einsicht, dass dem Tatbestand des § 129a StGB eine Staatsschutzrichtung zukommt, fordert heraus, auch hier einen entsprechenden funktionalen Bezug aufzuweisen. Eine Basis für die Ermittlung des Zusammenhanges zwischen der tatbestandsmäßigen Handlung und dem geschützten Rechtsgut muss die Eignungsklausel bilden. Denn durch sie sind die Rechtsgüter des Staates in den Blick gekommen. Wie oben bereits dargestellt, führt die Eignungsklausel, nach der die Katalogtaten des § 129a Abs. 2 StGB „den Staat erheblich schädigen können“ müssen, dazu, dass über die Zweckrichtung der Vereinigung, bestimmte Katalogtaten zu begehen, hinaus eine objektive Grenze gezogen wird. D. h., die intendierten Taten müssen für den Fall ihrer Begehung die realistische Möglichkeit einer erheblichen Schädigung aufweisen773. Eignungsklauseln dienen grundsätzlich zur normativen Konturierung von Tatbeständen, die Verhaltensweisen erfassen, die nicht an sich oder nicht einmal typischerweise gefährlich sind. Dabei kommt dem Merkmal der Geeignetheit die Funktion zu, erst diejenigen Ausgangssachverhalte als „geeignet“ zu bestimmen, denen im Rahmen der Tathandlung erkennbar die spezifische Gefährlichkeit im Hinblick auf die Rechtsgutsverletzung innewohnt774. Das Eignungsmerkmal kann dabei unmittelbar auf die tatbestandsmäßige Handlung bezogen sein (etwa bei § 126 StGB), oder es kann sich auf bestimmte hervorgebrachte Veränderungen beziehen, die ihrerseits zur Schädigung geeignet sind (etwa bei § 325 StGB). Wird die Struktur der Eignungsdelikte auf § 129a Abs. 2 StGB übertragen775, ist zunächst zu sehen, dass die Eignung hier nicht die Gefährlichkeit an sich beschreibt, sondern eine spezifische Angriffsrichtung formuliert. Darüber hinaus ergibt sich erst über eine vermittelnde Kette die Verletzungseignung, denn nach dem Wortlaut des § 129a Abs. 2 StGB sind lediglich terroristische Katalogtaten geeignet, nicht dagegen das tatbestandsmäßige Beteiligen an einer Vereinigung selbst oder eine dadurch bewirkte Zustandsveränderung. 3. Infolge der Eigenschaft der Eignungsklausel des § 129a Abs. 2 StGB, statt einer Erheblichkeitsschwelle lediglich die Angriffsrichtung zu bestimmen, erscheint es möglich, Parallelen zum Tatbestandsmerkmal der Gefahr eines schweren Nachteils (für die äußere Sicherheit der BRD) gem. § 94 Abs. 1 StGB zu ziehen. Die Bedeutung dieses Merkmals zur Herstellung eines legitimierenden funktionalen Rechtsgutsbezugs lässt sich infrage stellen; so sieht Hefendehl im Rahmen des Landesverrats die tatbestandsmäßige Handlung selbst hierzu als ausreichend geeignet an, während mit dem Merkmal Gefahr eines schweren Nachteils lediglich die Fälle offenkundig fehlender Rechtsgutsrelevanz ausgeschlossen
773 774 775
BGHSt 52, 98, 102; LK/Krauß, § 129a Rn. 64. Vgl. oben S. 144. Hoyer, Die Eignungsdelikte, S. 56. LK/Krauß, § 129a Rn. 64; Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 141.
B. Das Organisationsdelikt als Gefährdungs- oder Vorfelddelikt
173
seien776. Von dieser Position aus wäre zu fragen, ob die Eignungsklausel des § 129a Abs. 2 StGB mit ihrer Staatsschutzrichtung lediglich ein limitierendes Merkmal darstellt und sich dem Schutz der in den Katalogtaten genannten Rechtsgüter unterordnet. Dieser Einwand tritt im Rahmen des § 129a StGB jedoch zurück, wenn man berücksichtigt, dass durch die Eignungsklausel vor dem Hintergrund des Art. 9 Abs. 2 GG eine selbstständige positive Beziehung zu Rechtsgütern des Staates hergestellt wird. Gegen eine tatbestandliche Einschränkung des Schutzes der Rechtsgüter der Katalogtaten durch den Aspekt des Staatsschutzes spräche zugleich, dass man auf diese Weise zu keiner adäquaten Ausformulierung des Rechtsgüterschutzes gelangte. Denn die unterschiedlichen Rechtsgüter des Art. 9 Abs. 2 GG stehen nicht in einem funktionalen Zusammenhang, sondern stellen jeweils für sich Grenzen der Vereinigungsfreiheit dar. 4. Bei § 129a Abs. 2 StGB übernimmt die Eignungsklausel also eine Doppelfunktion. Sie definiert eine Schutzrichtung, schränkt aber gleichzeitig den Begriff der terroristischen Vereinigung gegenüber der verfassungswidrigen Organisation i. S. d. Art. 9 Abs. 2 GG weiter ein. Nach Art. 9 Abs. 2 GG setzt ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung eine aggressiv-kämpferische Haltung voraus; dazu ist ein aktives Eintreten für die diesen Gütern widerstreitenden Ziele zu fordern777, jedoch ist die realistische Aussicht, ihre Bestrebungen zu realisieren und damit Beeinträchtigungen an den Gütern zu bewirken, nicht entscheidend778. Die Eignungsklausel des § 129a Abs. 2 StGB veranlasst aber darüber hinaus bei terroristischen Vereinigungen im Einzelfall zu prüfen, ob ein objektives Risikopotenzial gegeben ist, diese Rechtsgüter erheblich zu schädigen. An der Einschränkung des Tatbestandes durch die Eignungsklausel orientiert sich wiederholt die Rechtsprechung des BGH, wenn auch der BGH die Schädigungseignung auf die Merkmale der Bestimmungsklausel bezieht779. Ausgeschlossen wird auf diese Weise etwa ein propagandistischer Effekt der Tat, um potenzielle Gleichgesinnte zu mobilisieren780. Zugleich wurden Vermögensschäden durch Brandanschläge und Sachbeschädigungen im Rahmen des Weltwirtschaftsgipfels in Heiligendamm 2007 ausgeklammert, zumal eine Gefährdung für Menschen nicht entstehen sollte und nicht eingetreten ist781.
776
Vgl. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 346. Näher dazu unten S. 190 f. 778 BVerwGE 61, 218, 220; von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 76. 779 Vgl. oben S. 142. 780 BGHSt 52, 98, 108; BGH, NStZ 2008, 146, 148. 781 BGH, NStZ 2008, 146, 148; vgl. auch BGHSt 52, 98, 108, wo sogar in zwei Fällen von „einer gewissen Gefährdung“ für Menschen ausgegangen worden ist. 777
174
4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
C. Das Organisationsdelikt I. Von der Organisationsgefährlichkeit zur organisationsbezogenen Beteiligung Die dargestellten Konzeptionen des Gefährdungsdelikts und des vorverlagerten Rechtsgüterschutzes bzw. der Legitimationszusammenhänge auf der Staatsbestandsschutzebene leiten im Bereich der Organisationsdelikte die Beeinträchtigung des betroffenen Rechtsguts ganz überwiegend aus dem gruppendynamischen Ansatz ab. Der gruppendynamische Ansatz lässt also mehrere Mechanismen eines Rechtsgutsangriffs zu. Denn von der auf Rechtsgutsbeeinträchtigungen hindrängenden Eigendynamik von Organisationen kann man sowohl auf eine abstrakte Gefahr für die Rechtsgüter als auch auf die Intention einer Rechtsgutsbeeinträchtigung schließen. Eine Legitimierung der Organisationsdelikte mit dem gruppendynamischen Ansatz bedeutet insofern, die Organisation in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Im Organisationsstrafrecht muss es dabei um eine Organisation gehen, bei der sich eine Rechtsgutsbeeinträchtigung in der Ausrichtung ihrer Zwecke und Tätigkeiten gegen Rechtsgüter niederschlägt. Auch im Strafrecht rekurriert man mit diesem Merkmal auf die Verfassungs- und Strafgesetzwidrigkeit der Vereinigung, die grundsätzlich die verfassungsrechtliche Grenze der Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 2 GG markieren. Verfassungsrechtlich besteht der Rechtsgutsbezug einer Organisation in einem aggressiv-kämpferischen Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung einerseits oder darin, den Strafgesetzen zuwiderzulaufen – was eine Beeinträchtigung der hinter den Strafgesetzen stehenden Rechtsgüter impliziert – andererseits. Ein solches Ausrichten der Organisation gegen die Rechtsgüter als Rechtsgutsbezug begründet dennoch ausschließlich Maßnahmen gegen eine Organisation. Der legitimierende Rechtsgutsbezug im Strafrecht kann darauf noch nicht gestützt werden. Vielmehr muss man zwischen der Ausrichtung der Organisation selbst auf die geschützten Rechtsgüter und der strafrechtsrelevanten organisationsbezogenen Beteiligung unterscheiden. Erst diese Unterscheidung zeigt, dass mit herkömmlichen Legitimationsansätzen die Frage noch offen bleibt, wie die Beteiligung mehrerer innerhalb der Deliktsstruktur der Organisationsdelikte integriert werden kann. Zu den bisherigen Ergebnissen der Arbeit gehört, dass die strafgesetz- oder verfassungswidrige Organisation ein objektiver Umstand des strafbaren Beteiligungsverhaltens ist. Knüpft man hieran an, können die herkömmlichen Legitimationsansätze vor dem Hintergrund der Struktur einer strafbaren Beteiligung an Organisationen anders als mit dem gruppendynamischen Ansatz dargestellt werden. So wie das Merkmal der Organisationsbezogenheit die Zurechnungsstruktur der Beteiligung bei Organisationsdelikten im Allgemeinen prägte und im Einzelnen die vertypten Beteiligungsrollen formte, muss der Rechtsgutsbezug für den
C. Das Organisationsdelikt
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einzelnen an der Organisation Beteiligten aus der Organisationsbezogenheit seiner tatbestandsmäßigen Handlung folgen. Die Organisationsbezogenheit kennzeichnet in der Deliktsstruktur der Organisationsdelikte, dass jeder Beteiligte einen Rechtsgutsangriff unternimmt, indem er in einer Organisationsrolle782 eine objektiv strafgesetz- oder verfassungswidrige Organisation fördert. Der Zusammenhang zwischen dem tatbestandsmäßigen Verhalten der Organisationsdelikte einerseits und den strafrechtlich geschützten Rechtsgütern andererseits ergibt sich insofern aus einer organisationsdeterminierten Förderung. Sie ist sowohl von einer am Zufall gemessenen Gefährdung als auch von einem intendierten Angriff zu unterscheiden. Dass die Beteiligung an einer Organisation nicht im Schema der herkömmlichen Deliktsstrukturen erfasst ist, wurde an einer früheren Stelle angedeutet783; einzelne Aspekte dieser Abgrenzung werden noch zu akzentuieren sein. Von der Position des geschützten Rechtsguts aus ist die tatbestandliche Erheblichkeitsschwelle der Organisationsdelikte mit der Beteiligung mehrerer überschritten. Die organisationsbezogenen Verhalten verdichten sich im Begriff der Organisation zu einer realen Kumulation gleichgerichteter Beteiligung mehrerer. Es handelt sich bei Organisationsdelikten insofern um einen real kumulativen Rechtsgutsangriff. Hierauf beschränkt sich im Strafrecht die Bedeutung des Kriteriums, dass die Organisation sich gegen Rechtsgüter richtet. Denn die Organisationsbezogenheit der Beteiligung bedeutet, dass die einzelne strafbare Förderung der Organisation sich als ein Teil in den kollektiven Rechtsgutsangriff einfügt. Hierin liegt, wie sich im Einzelnen noch zeigen wird, eine besondere Form des Zusammenhandelns, die nicht durch Herrschaftsbereiche strukturiert ist und daher eine Konzentration der Verantwortung in Zentralfiguren nicht ermöglicht, sondern mit einem Beherrschbarkeitsverlust einhergeht. Pointiert: Es werden im Folgenden vor allem solche Aspekte der Legitimierung zu berücksichtigen sein, die die Beteiligung an einer Organisation von typischen Alleintätertatbeständen unterscheiden lassen. II. Die organisationsbezogene Beteiligung als Rechtsgutsangriff 1. Strukturen kollektiven Handelns Wo mehrere gemeinsam handeln, kann hinsichtlich des Geschehensablaufs ein Mangel an Beherrschungsmöglichkeiten beobachtet werden. Dies wird erkennbar, wenn es um die Verhinderung einer gemeinsamen Straftat geht. Entsprechend stellt die Regelung des § 24 StGB unterschiedliche Anforderungen für den Rücktritt eines Alleintäters im Verhältnis zum Rücktritt bei Tatbeteiligung mehrerer 782 783
Vgl. oben S. 36. Dazu oben S. 167 ff.
176
4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
auf. Im letzteren Fall reicht es nach § 24 Abs. 2 StGB nicht mehr aus, den eigenen Beitrag, soweit man ihn noch beherrscht, zurückzunehmen. Sondern es muss für die Straflosigkeit des Versuchs nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB die Herrschaft über das Geschehen (wieder-)erlangt werden, damit „die Vollendung verhindert“ werden kann784; hierauf muss auch das ernsthafte Bemühen in den Fällen des § 24 Abs. 2 Satz 2 StGB gerichtet sein. Eine andere Sichtweise auf das gemeinsame Handeln ergibt sich, wenn man an die kollektive Intentionalität der Beteiligten, die das gemeinsame Vorgehen trägt, anknüpft. Damit ist allerdings ein außerrechtlich gesehen nicht unumstrittener Begriff angesprochen. In Diskussion steht hier die Frage, wie ein gemeinsames Handeln, etwa ein gemeinsames Spazierengehen, vorzustellen ist. Diese Fragestellung betrifft vor allem die Problematik, an welcher Stelle das Kollektive im gemeinsamen Verhalten zu verorten ist: bei einem Kollektivsubjekt, bei den in einem besonderen Modus verbundenen Einzelabsichten oder in dem Gegenstand, etwas als Kollektiv zu tun785. Dies deutet sich etwa darin an, dass, wenn Individuen gemeinsam spazieren, entweder gesagt werden kann, „sie beabsichtigen, gemeinsam zu spazieren“, oder „sie beabsichtigen gemeinsam, zu spazieren“ 786. Jeweils für sich genommen sollen Subjekt, Modus oder Gehalt der Intention eine Abgrenzung gegenüber einem lediglich parallelen individuellen Verhalten schaffen. Hinzu kommt, dass die gesuchte Abgrenzung auf der Ebene normativer Erwartungen vorgenommen werden kann. Durch die Normativität wird in den Vordergrund gerückt, dass kollektive Intentionalität dann an Stabilität gewinnt, wenn sich die jeweilig Handelnden der beabsichtigten Handlung verschreiben. Das gemeinsame Spazierengehen impliziert insofern die Erwartung, dass keiner umkehrt oder den anderen davonläuft.787 Die Ausrichtung auf ein gemeinsames Vorhaben scheint also eine Bindung des Einzelverhaltens hervorzurufen: Jeder könnte zwar einseitig umkehren oder davonlaufen, nicht aber ohne gegen den gemeinsamen Zweck, spazieren zu gehen, zu verstoßen. Wenn das Verhalten dagegen autonom bleibt, d. h. von jedem auch aufgeben werden könnte, spricht dies gegen eine kollektive Intentionalität. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass bei voller Steuerungsfähigkeit des eigenen Verhaltens das gemeinsame Handeln auf die Stellung des Einzelnen in zweifacher Hinsicht beschränkend wirkt. Gegenüber einem Alleinhandelnden sind die Möglichkeiten, den Geschehensablauf insgesamt zu steuern, zum einen 784 Es wird dem Beteiligten ein über die Anforderungen von § 24 Abs. 1 StGB hinausgehendes Erfolgsabwendungsrisiko auferlegt (LK/Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 362). 785 Zur kollektiven Intention auf den Ebenen Subjekt, Modus oder Gehalt s. Schmid/ Schweikard, in: Schmid/Schweikard, Kollektive Intentionalität, S. 11, 46 ff. 786 Näher dazu Schmid/Schweikard, in: Schmid/Schweikard, Kollektive Intentionalität, S. 11, 14. 787 Vgl. Schmid/Schweikard, in: Schmid/Schweikard, Kollektive Intentionalität, S. 11, 54; Gilbert, in: Schmid/Schweikard, Kollektive Intentionalität, S. 356, 360 ff.
C. Das Organisationsdelikt
177
insoweit reduziert, als er das Verhalten der anderen Beteiligten nicht beherrscht. Zum anderen ist das Verhalten durch die Erwartungen der anderen Beteiligten gebunden. Vor diesem Hintergrund zeigt sich für Organisationsdelikte anhand der bereichsspezifischen Regelungen zur tätigen Reue Folgendes: Die §§ 129 Abs. 6, 129a Abs. 7 StGB und ebenso die §§ 84 Abs. 5, 85 Abs. 3 StGB setzen zwar das ernsthafte Bemühen voraus, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung der Bezugstaten zu verhindern. Anders als in § 24 Abs. 2 StGB trägt der an einer Organisation Beteiligte jedoch nicht das Risiko, dass seine Verhinderungsanstrengungen fehlgehen788. Entlastend wirkt hier anscheinend nicht, ob sich der Geschehensablauf in einer Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts realisiert, sondern dass der Täter durch sein auf die Verhinderung gerichtetes Verhalten die Lösung aus der Organisation und die Aufgabe seiner organisationsbezogenen Rolle ausdrückt. Dem entspricht, dass bei Organisationsdelikten statt eines gemeinsamen Rechtsgutsangriffs ein Nebeneinander einem gemeinsamen Zweck untergeordneter Förderungsleistungen im Mittelpunkt steht. Mit den Organisationsdelikten ist also der Blick auf die kollektive Intentionalität in der Struktur des gemeinsamen Handelns gelenkt. 2. Der Verlust der Beherrschbarkeit bei kollektivem Handeln als Legitimationskriterium Über die Tatbestandsebene hinaus hat Weber den Verlust von Beherrschungsmöglichkeit hinsichtlich des Geschehensablaufs bei kollektivem Handeln zu einem Legitimationsgrund gemacht789. Bestimmte Unternehmenstatbestände i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB legitimierten sich danach aus der Unmöglichkeit für den einzelnen Täter, das bis ins Versuchsstadium vorangetriebene Geschehen und die daraus resultierenden Gefahren noch zu beherrschen. Beim Hochverrat gem. § 81 StGB trete der Verlust an Beherrschungsmöglichkeit dadurch ein, dass bei ernst zu nehmenden hochverräterischen Bestrebungen mehrere beteiligt sein müssen, die jedoch in keinem näheren Kontakt zueinander stehen müssen. In der Folge habe der Einzelne „nur noch beschränkte Möglichkeiten, den weiteren Ablauf der Dinge zu hindern; bloßes Nichtweiterhandeln wird dazu kaum je geeignet sein“ 790. Während es aber bei § 81 StGB nur einer tatsächlichen Notwendigkeit entsprechen kann, dass mehrere arbeitsteilig tätig werden, um einigermaßen 788 Vgl. LK/Krauß, § 129 Rn. 182 ff. Im Rahmen von § 24 Abs. 2 StGB trägt der Beteiligte das entsprechende Risiko, dass seine Verhinderungsanstrengungen fehlgehen; so stellt sich die Frage des Rücktritts z. B. dann nicht, wenn es dem Anstifter nicht gelingt, den durch ihn hervorgerufenen Tatentschluss des Haupttäters zu beseitigen und der Haupttäter die Tat begeht (m.w. N. LK/Lilie/Albrecht, § 24 Rn. 258 f.). 789 U. Weber, Beiheft ZStW 1987, 1, 9 f. 790 U. Weber, Beiheft ZStW 1987, 1, 10.
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
erfolgsversprechend darauf hinarbeiten zu können, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder deren verfassungsmäßige Ordnung zu ändern791, gehört das kollektive Handeln bei Organisationsdelikten zur Struktur des Rechtsgutsangriffs. Den möglichen Gehalt des Verlusts der Beherrschbarkeit auf der Legitimationsebene reduziert Hefendehl auf den Fall, dass das nicht mehr beherrschte Risikopotenzial das jeweilige Rechtsgut zu schädigen vermag792. Für den Fall echter kollektiver Rechtsgüter sei jedoch die Beherrschungsmöglichkeit über ein Risikopotenzial lediglich tatbestands- oder erfolgsrelevant. Sofern bei kollektiven Rechtsgütern durch die tatbestandsmäßige Handlung allein kein Verletzungsrisiko geschaffen wird, gehe auch die „Beherrschungsmöglichkeit über ein Risiko nicht weit genug, als deren Verlust Rechtsgutsrelevanz entfaltet“ 793. Als Beispiel werden Aussagedelikte angeführt. Wenn diese die Institution der Rechtspflege schützten, bleibe die einzelne Falschaussage ohne Einfluss auf dieses Rechtsgut794, doch untergrabe die Tatsache, dass sie zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung werden könne, über den Kumulationsgedanken das Vertrauen in die Rechtspflege795. Wären Individualrechtsgüter geschützt, läge dagegen ein abstraktes Gefährdungsdelikt vor, weil mit der Falschaussage ein vom Täter nicht mehr beherrschbares Gefährdungspotenzial geschaffen sei, das sich auf diese Rechtsgüter auswirken könne796. 3. Die Deliktsstruktur der organisationsbezogenen Beteiligung a) Im Rahmen der durch das notwendige Beteiligen mehrerer geprägten Deliktsstruktur der Organisationsdelikte geht es nicht darum, mit dem Verlust der Verfügungsgewalt über ein Risiko überhaupt einen Bezug zum geschützten Rechtsgut herzustellen, also den legitimen Strafeinsatz vollständig hierauf zu stützen, wie dies Weber beim Hochverrat versucht. Denn ein Rechtsgutsbezug besteht bei Organisationsdelikten zunächst über die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung, die auf die Verletzung von Rechtsgütern der Bezugstaten bzw. der Staatsschutzebene gerichtet sein müssen. Es geht vielmehr darum, zwischen dem organisationsbezogenen Beteiligungsverhalten und der strafgesetz- bzw. verfassungswidrigen Vereinigung einen legitimatorischen Zusammenhang herzustellen. An dieser Stelle muss erneut auf das Kriterium der Organisationsbezogenheit zurückgegriffen werden. Damit ist bezeichnet, dass das tatbestandsmäßige Beteili791 792 793 794 795 796
U. Weber, Beiheft ZStW 1987, 1, 9 f.; vgl. oben S. 151. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 198 f. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 199. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 199. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 324. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 199, 324.
C. Das Organisationsdelikt
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gungsverhalten in einer der Zwecksetzung der Organisation untergeordneten Förderung besteht. Die Deliktsstruktur der organisationsbezogen Beteiligung lässt sich aus einem komparativen Blick auf weitere Legitimationsansätze, bei denen Drittverhalten phänomenologisch beobachtet werden kann, entwickeln. b) Bei Kumulationsdelikten führt erst eine Summe von Einzelhandlungen zu einer Rechtsgutsverletzung797. Zu ihrer Legitimierung bedarf es der Prognose, dass das Rechtsgut zu Schaden kommt, wenn gleichartige Handlungen in großer Zahl vorgenommen werden798. Ferner muss die Kumulation selbst realistisch zu prognostizieren sein799. Man könnte auch hier von einem Verlust an Beherrschbarkeit sprechen, wenn man davon ausgeht, dass mit der Einzelhandlung das Risiko einer Kumulation geschaffen wird. D. h., der tatbestandsmäßigen Handlung haftet die prognostizierte Gefahr an, dass durch das Handeln anderer eine Rechtsgutsverletzung droht.800 Wird mit der Kumulation die hypothetische Beteiligung mehrerer am Rechtsgutsangriff vorausgesetzt, so wird diese Überlegung im Rahmen des Kumulationsgedankens jedoch für indifferent gehalten, weil der einzelne Täter zu keiner Zeit in einem ihm zurechenbaren kollektiven Zusammenhang handelt801. Auch bei Konvergenzdelikten kann der spezifische Rechtsgutsbezug durch eine Kumulation von Handlungen begründet werden. Zwar können die geschützten Rechtsgüter regelmäßig auch durch Einzelhandlungen beeinträchtigt werden802, jedoch liegt der materielle Unwert der Konvergenzdelikte in einem Zusammenhandeln mehrerer auf Täterseite. Es handelt sich insofern um Tatbestände mit real vorhandener Kumulation. Der Unterschied zu Kumulationsdelikten zeigt sich aber in Folgendem: Gegen den Kumulationsgedanken wird der Einwand vorgebracht, es werde mit diesem eine Unrechtsbegründung ex iniuria tertii betrieben803: „Hier würden dem Täter die Taten anderer als Unrechtsgrund zugerech797
Kuhlen, GA 1986, 389, 399. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 186 f. Bei Kuhlen konzentriert sich die Rechtfertigung auf der Kriminalisierungsebene auf das „Problem der großen Zahl“ (Kuhlen, GA 1986, 389, 401 ff.), wobei eine Prognose in dem Sinne enthalten ist, dass die Einzelhandlungen zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung nur dann führen, wenn sie in großer Zahl vorgenommen würden (Kuhlen, GA 1986, 389, 399). 799 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 185. 800 Zu der Problematik der Gleichbehandlung, der Zulässigkeit des Prioritätsprinzips und zur Haftung ex iniuria tertii bei Kumulationsdelikten s. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 189 ff. 801 Die Einzelhandlung bei Kumulationsdelikten erscheint vielmehr auch dann verbotswidrig, wenn es tatsächlich bei dieser einen für das Rechtsgut nicht gefährlichen Handlung bleiben sollte (Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 189). 802 Vgl. etwa entsprechende Grundtatbestände: § 223 StGB im Verhältnis zu § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB oder § 242 StGB im Verhältnis zu § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB. 803 Im Rahmen des gruppendynamischen Ansatzes könnte man den Einwand auch so formulieren, dass mit den Gruppenprozessen eine verminderte Verantwortlichkeit des einzelnen Beteiligten einhergehe (s. oben S. 12, 23). Auf den ersten Blick scheint man 798
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
net“ 804. Innerhalb der Struktur der Konvergenzdelikte kommt dieser Einwand unabhängig von seiner sachlichen Berechtigung805 nicht in Betracht. Denn die Konvergenzbeteiligten handeln in einem kollektiven Zusammenhang, der eine Verklammerung zwischen den Einzelhandlungen schafft und damit die Funktion ausfüllt, die bei Kumulationsdelikten lediglich durch die Prognosen erfüllt wird. Für Organisationsdelikte ist hier etwa zu berücksichtigen, dass das Beteiligen mehrerer als objektiver Umstand im Begriff der Organisation enthalten ist, sodass die Beiträge in der Organisation nicht beziehungslos nebeneinanderstehen. Das organisationsbezogene Beteiligen füllt hier in einer bestimmten Beteiligungsrolle einen Teil dieser Organisation bewusst aus, nimmt also an dem kumulativen Rechtsgutsangriff teil806. c) Die reale Kumulation, die sich bei Konvergenzdelikten zeigt, wird auf der Kriminalisierungsebene jedoch mit der Hypothese verbunden, dass mit dem Zusammenhandeln mehrerer ein gegenüber der Einzelhandlung gesteigertes Gefahrenpotenzial entsteht. Sie tritt bei Organisationsdelikten in der Gestalt der Annahme gruppendynamischer Prozesse auf. Derartige gruppendynamische Prozesse werden gerade für terroristische Gruppen behauptet807. Kriminologisch soll dies Erklärung darin finden, dass Isolationseffekte als spezifisch terroristische Bedingung gruppendynamische Prozesse verstärken808. Einerseits begründe die Reduktion sozialen Austausches und der Kommunikation mit der Umwelt einen starken Einfluss der Gruppe auf ihre Mitglieder. Es wird hier erwartet, dass sich daraus für das Gruppenmitglied eine Dependenz von der terroristischen Identität und der terroristischen Gruppe als ausnur entgegnen zu können, dass sich der Beteiligte durch den Beitritt zu der Organisation bewusst dem Risiko verminderter Hemmung ausgesetzt habe (Eser, Empfiehlt es sich, die Straftatbestände des Mordes, des Totschlags und der Kindestötung (§§ 211 bis 213, 217 StGB) neu abzugrenzen? D 173). Im Ergebnis greift auch dieser Einwand nur im Rahmen der Schuldzurechnung auf der Tatbestandsebene; d. h. aber auch, dass, wenn durch gruppendynamische Prozesse Hemmungsfaktoren gesenkt werden, dies hier Berücksichtigung finden müsste. 804 Kindhäuser, in: Schünemann/Suárez Gonzáles, Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 125, 129. 805 Dazu Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 189 f. 806 Teilnehmen kennzeichnet hier zugleich einen Unterschied zu den Fällen der §§ 87 Abs. 1, 88 Abs. 1, 89 Abs. 1, 90 Abs. 3 und 90b Abs. 1 StGB, in denen der Täter sich absichtlich bzw. wissentlich für staatsfeindliche Bestrebungen Dritter einsetzt (vgl. zu Bedenken wegen einer Haftung ex iniuria tertii im Rahmen dieser Tatbestände Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 350). Teilnehmen bedeutet hier, sich organisationsbezogen zu verhalten, d. h., die Förderungsleistung des Täters muss objektiv durch die Organisation determiniert erscheinen. In diesem Sinne ist der kollektive Rechtsgutsangriff für den Täter kein fremder. 807 Wildfang, Terrorismus, S. 199 ff.; J. Wagner, Politischer Terrorismus und Strafrecht im Deutschen Kaiserreich von 1871, S. 264 ff. 808 Wildfang, Terrorismus, S. 163, 200 f.; J. Wagner, Politischer Terrorismus und Strafrecht im Deutschen Kaiserreich von 1871, S. 264 ff.
C. Das Organisationsdelikt
181
schließlicher Bezugsgruppe ergibt. Andererseits verbinde sich mit der Isolation eine Gruppenpolarisierung. D. h., es sei von einem Bedürfnis der Gruppe auszugehen, sich von Fremdem abzugrenzen und sich das Konstrukt einer Fremdgruppe zu schaffen809. Entscheidend muss für dieses Erklärungsmodell sein, den Übergang von der bloßen Existenz der Gruppe zur Anwendung terroristischer Gewalt durch ihre Mitglieder abzuleiten. Angeführt werden hier die Aufrechterhaltung der Stellung einzelner Beteiligter in der Gruppe sowie der Zweck, die Akzeptanz der Gruppennormen zu untermauern810. Indessen wird darauf hingewiesen, dass vor allem an dieser Stelle der gruppendynamische Erklärungsansatz weitgehend eine Hypothese darstelle, die empirisch kaum Bestätigung erlangt habe811. Insbesondere ließe sich nicht bestimmen, in welchem Verhältnis individuelle und gruppenabhängige Faktoren bei der Begehung von terroristischen Straftaten effektiv wirken812. Lässt man ideologische, religiöse oder politische Motivationen außer Betracht, zeigt sich, dass in einem derart reduzierten Bereich der organisierten Kriminalität813 Gruppenprozesse eine untergeordnete Bedeutung haben. Es wird beobachtet, dass hier zwar an das Vorhandensein einer gewissen „Struktur“ angeknüpft wird814. Jedoch zeigt die von Kinzig unternommene Strafaktenanalyse, dass sich die zu erwartenden Mehrpersonenstrukturen regelmäßig auflösen815. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass die Feststellung von Strukturmerkmalen einer Gruppe in nur wenigen Strafurteilen erfolgte816. Kriminologisch erklärt Kinzig dies einerseits damit, dass die erfassten Straftaten organisierter Kriminalität nicht so strukturiert seien, dass eine Zusammenfassung mehrerer Beschuldigter in einer Anklage sinnvoll erscheint817. Andererseits entspreche 809 Wildfang, Terrorismus, S. 204 ff.; J. Wagner, Politischer Terrorismus und Strafrecht im Deutschen Kaiserreich von 1871, S. 265. 810 Wildfang, Terrorismus, S. 211 ff. 811 Victoroff, Journal of Conflict Resolution, Vol. 49 No. 1 2005, 3, 30 f. Auch die Studie von Wildfang begreift sich bewusst nicht als eine empirische Untersuchung (Wildfang, Terrorismus, S. 3). 812 Victoroff, Journal of Conflict Resolution, Vol. 49 No. 1 2005, 3, 31. Vgl. dort auch die Kritik an der Generalisierung einzelner Theorieansätze zur Erklärung des Terrorismus und zur mangelnden empirischen Fundierung in diesem Bereich (Victoroff, Journal of Conflict Resolution, Vol. 49 No. 1 2005, 3, 31 ff.). 813 Vgl. Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 772. 814 Kritisch Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 778. 815 Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 771. 816 Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 772. 817 Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 772.
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
diesem Befund, dass die Beziehungen zwischen den Akteuren in diesem Kriminalitätsfeld durch das illegale Streben nach individuellem ökonomischem Vorteil bestimmt seien, was der Entstehung stabiler Strukturen entgegenwirke818. Der Rekurs auf gruppendynamische Prozesse zur Begründung eines mit der Organisation verbundenen Gefährdungspotenzials stößt also nicht nur auf die oben aufgezeigte allgemeine Unsicherheit, dass die Gruppenleistung durch mindernde als auch steigernde Effekte beeinflusst werden kann819. Vielmehr beruht er zugleich auf empirisch schwer fundierbaren Hypothesen zu den innerhalb einer kriminellen oder terroristischen Gruppe relevanten Faktoren bzw. der Entstehung von Gewalt aus der Gruppe heraus. Jedoch stellt sich die Frage, ob eine auf der Gefährlichkeit der Gruppe basierende Argumentation erforderlich ist. Wenn der gruppendynamische Legitimationsansatz die Gefahr in der Entfaltung der auf die Begehung der beabsichtigten Straftaten hindrängenden Eigendynamik innerhalb der Gruppe verortet, folgt dies daraus, dass hier der Blick auf die Gruppe als solche gerichtet ist. Dass die Hypothesen des gruppendynamischen Ansatzes an die Organisationsgefährlichkeit gebunden sind, prägt auch die Begriffsmerkmale der Vereinigung. Mit der Vereinigung müssen die Rahmenbedingungen der Eigendynamik abgebildet werden. Als eine strukturell ganz spezifische Gruppe schließt die Vereinigung die aus Mittäterschaft und Bande zusammengesetzte Reihe von strafrechtsrelevanten Personenzusammenschlüssen ab.820 Eine Untersuchung, die dagegen die organisa818 Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 773; der Zusammenschluss erschien nur dann stabil, wenn die Gruppe auf landsmannschaftlicher Geschlossenheit von Ausländern beruhte, wobei intensive Freundschaft, vor allem aber Verwandtschaft noch stärker stabilisierend wirkte (Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 772 f.). 819 Vgl. dazu oben S. 13. 820 Die Vereinigung wird als ein auf gewisse Dauer angelegter organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen definiert, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen (m.w. N. BGHSt 54, 216, 221; m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 18). Insbesondere bei der Auslegung des Merkmals einer festgefügten Organisationsstruktur und der Ausbildung eines Gruppenwillens, dem sich die Beteiligten unterzuordnen haben, wirkt sich der gruppendynamische Ansatz aus. Nur bei entsprechend hohen Anforderung an diese Voraussetzungen des Vereinigungsbegriffs sei das Entstehen von gruppendynamischen Prozessen zu erwarten (m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 19, 29). Durch diesen engen Vereinigungsbegriff entsteht ein Spannungsverhältnis mit europarechtlichen Vorgaben zum Begriff der kriminellen und terroristischen Vereinigung (vgl. für die kriminelle Vereinigung Art. 1 der Gemeinsamen Maßnahmen 98/733/JI vom 21. Dezember 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 351, S. 1, und für die terroristische Vereinigung Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung 2002/475/JI vom 13. Juni 2002, ABl. EG 2002 Nr. L 164, S. 3). Bei einer Orientierung an den europäischen Normen erscheint dagegen eine Herabsetzung der organisatorischen und voluntativen Voraussetzungen möglich (m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 44 ff., § 129a Rn. 20 ff., kritisch allerdings BGHSt 54, 69, 110 f.).
C. Das Organisationsdelikt
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tionsbezogene Beteiligung in den Mittelpunkt stellt, muss es an dieser Stelle vielmehr darauf ankommen lassen, in diesem Verhalten einen Legitimationsgrund nachzuweisen. d) Mit dem Organisationsdelikt, das an die organisationsbezogene Förderung als Form der Rechtsgutsbeeinträchtigung anknüpft, verbindet sich ein organisationsspezifischer Beherrschungsverlust. Die organisationsbezogenen Verhalten verdichten sich im Begriff der Organisation zu einer realen Kumulation von gleichgerichteten Beteiligungen mehrerer. Diese Wirkung entsteht dadurch, dass sich die organisationsbezogen Beteiligten einem gemeinsamen Zweck unterordnen. Organisationsdelikte rekurrieren damit auf den Umstand, dass Individuen durch Unterordnung unter einen Zweck ihre Verhaltensweisen auf eine Rechtsgutsbeeinträchtigung hin verbinden können, ohne dass beherrschbare Bereiche entstehen, die mit denen der Beteiligung mehrerer im Allgemeinen Teil vergleichbar sind: Wer sich organisationsbezogen an einer Vereinigung beteiligt, steuert nicht durch eine Beteiligung an einem gemeinsamen Tatplan das Geschehen auf eine Rechtsgutsbeeinträchtigung hin. Auch die Figur der Organisationsherrschaft tritt bei Organisationsdelikten nicht an die Stelle der Tatherrschaft, und zwar weder als eine Herrschaft über die Rechtsgutsbeeinträchtigung mittels eines Ausführenden im Getriebe des Machtapparates noch als eine Herrschaft über die Organisation selbst. Indem die tatbestandsmäßigen Verhalten insgesamt nicht tat-, sondern organisationsbezogen gefasst sind, ergibt sich jedoch in der Struktur der Organisationsdelikte ein Mangel an Beherrschbarkeit an der Stelle, an der bei der Teilnahme der Haupttäter steht. Denn wenn jeder Beteiligte sich lediglich dem kollektiven, auf eine Rechtsgutsbeeinträchtigung gerichteten Zweck unterordnet, Gegen eine Verringerung der Anforderung an die Organisationsstrukturen und den Gruppenwillen wird zugleich vorgebracht, dass die erforderliche Abgrenzung von Vereinigungen im Verhältnis zu Banden und mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen problematisch würde (m.w. N. LK/Krauß, § 129 Rn. 40). Bei diesem Argument ist aber zu beachten, dass sich zwar phänomenologisch eine Reihe aus Mittäterschaft, Bande und Vereinigung anhand des Merkmals „Personenzusammenschluss“ bilden lässt. Jedoch können diese Personenzusammenschlüsse nicht in einem Fall als konkurrierende Alternativen nebeneinanderstehen, sondern es handelt sich um funktional unterschiedliche Rechtsfiguren: eine Zurechnungsnorm, einen Strafschärfungsgrund und ein Tatbestandsmerkmal. Lässt man die gruppendynamischen Prozesse bei der Legitimation der Organisationsdelikte in den Hintergrund treten, hat das Tatbestandsmerkmal der Vereinigung aus der Sicht der Organisationsbezogenheit die Bedeutung, ein zweckgerichtetes kollektives Handeln zu kennzeichnen. Das Überindividuelle dieser Einheit ist mit dem – auch verfassungsrechtlich geforderten (vgl. von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 14 ff.) – Merkmal eines Gruppenwillens der Organisation beschrieben, der die Unabhängigkeit der kumulierenden Handlungen von der Steuerung durch eine Einzelperson ausdrückt. Die strafrechtliche Relevanz der Vereinigung resultiert dabei aus dem Umstand, dass die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung kollektiv – also unabhängig von dem einzelnen Beteiligten – gegen die geschützten Rechtsgüter gerichtet sind.
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
mangelt es an einem Träger des sich daraus ergebenen Rechtsgutsangriffs. Diese Lücke in der Deliktsstruktur der Organisationsdelikte lässt sich auf die Formel einer organisierten Unverantwortlichkeit821 bringen. Dieser einer anderen Diskussion entstammende Gedanke kann in die Organisationsdelikte insofern eingebunden werden, als es darum geht, mit der partizipatorischen Zurechnung, durch die der Einzelne das kollektive Verhalten zu verantworten hat, ein Gegenstück zum Verlust der Beherrschbarkeit aufzuzeigen. 4. Die organisationsbezogene Beteiligung im Schema der herkömmlichen Deliktsstrukturen – Zugleich eine zusammenfassende Betrachtung Das Vorstehende ist der Versuch, das Merkmal der Organisationsbezogenheit auch bei der Legitimationsfrage zu berücksichtigen. Einstieg war hierfür der Verlust an Beherrschbarkeit. Damit kann man in der Deliktsstruktur ausdrücken, dass für den Beteiligten an einer Organisation die Möglichkeiten, den Geschehensablauf insgesamt zu steuern, reduziert sind. Es sind allerdings kaum die Ansätze vorhanden, die dieses Phänomen in die Legitimationsstrukturen einbinden. Eine Abhilfe war deswegen im Vorstehenden, zum Vergleich die allgemeine Teilnahme und die Rücktrittsregelung sowie das Kumulations- und Konvergenzdelikt heranzuziehen. Mit diesen ließen sich die Besonderheiten eines nicht tat-, sondern organisationsbezogen tatbestandsmäßigen Verhaltens herausarbeiten; im Überblick: Ein passender Anknüpfungspunkt für einen Verlust an Beherrschbarkeit in der Deliktsstruktur lässt sich bei Kumulationsdelikten insofern finden, als mit der Einzelhandlung das Risiko einer Kumulation geschaffen wird. Die Legitimierung der Kumulationsdelikte beruht dabei auf der prognostizierten Gefahr, dass es mit dem Handeln anderer zu einer Rechtsgutsverletzung kommt. Während es bei Kumulationsdelikten zur Legitimierung der Strafbarkeit einer entsprechenden Prognose bedarf, handelt es sich bei Organisationsdelikten um eine bereits realisierte Kumulation. Diese ergibt sich aus dem im Tatbestand angelegten kollektiven Verhalten, während der Täter eines herkömmlichen Kumulationsdelikts zu keiner Zeit in einem Zusammenhang mit anderen tatbestandlich relevant handelt. 821 Dieser Begriff wurde in die Diskussion um die Notwendigkeit von Verbandssanktionen eingeführt und soll dort vor allem problematisieren, dass es durch die komplexen Organisationsstrukturen von Unternehmen fast unmöglich sein kann, einen individuell Verantwortlichen zu ermitteln (m.w. N. Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, S. 43). Die Ansicht, dass damit nicht nur Beweisschwierigkeiten gemeint sind, etwa auf welche konkrete Person eine bestimmte Rechtsgutsbeeinträchtigung zurückzuführen ist, findet sich bei Otto, der mit dem Stichwort der organisierten Unverantwortlichkeit die Zurechnungsschwierigkeiten im Rahmen einer Organisation bezeichnet sieht: Im Zweifel würde die Rechtsgutsverletzung überhaupt nicht auf eine einzelne konkrete Person zurückzuführen sein (Otto, Die Strafbarkeit von Unternehmen und Verbänden, S. 8).
C. Das Organisationsdelikt
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Für die Rechtfertigung der partizipatorischen Zurechnung bedeutet ein Verlust der Beherrschbarkeit nicht primär einen legitimierenden Bezug zum geschützten Rechtsgut. Im Rahmen der durch das notwendige Beteiligen mehrerer geprägten Deliktsstruktur der Organisationsdelikte kommt vielmehr hinzu, dass sich die Beteiligung an einer Organisation dadurch beschreiben lässt, dass innerhalb der Organisation auch keine beherrschbare Bereiche bestehen, die der Beteiligung mehrerer im Allgemeinen Teil entsprächen. Somit liegt ein Mangel an Beherrschbarkeit bei Organisationsdelikten auch an der Stelle, an der das rechtsgutsrelevante kollektive Geschehen im Ganzen weder bei einem einzelnen Beteiligten noch bei einer rechtswidrigen Organisation strafrechtlich zu verorten ist. Somit ist auf das Phänomen der organisierten Unverantwortlichkeit hingewiesen. Die Legitimierung der partizipatorischen Zurechnung ist also mit einem Beteiligungsverhalten konfrontiert, das sich durch die Unterordnung unter einen kollektiven Zweck in eine reale Kumulation gleichgerichteter Rechtsgutsangriffe einfügt. Damit ist ein Verlust an Beherrschbarkeit insofern verbunden, als der einzelne Beteiligte das kumulative kollektive Gesamtgeschehen weder auf die Rechtsgutsbeeinträchtigung hinlenken noch von ihr ablenken kann. Ein wechselseitiger Mangel an Beherrschbarkeit über das Gesamtgeschehen würde zu einer organisierten Unverantwortlichkeit führen. Eine partizipatorische Zurechnung ermöglicht dagegen, die Haftung des Einzelnen auf das rechtsgutsrelevante organisationsbezogene Handeln in einer bestimmten Beteiligungsrolle zu stützen. Von diesem Zwischenergebnis ausgehend gelangt man erneut zu der Frage, wie sich Organisationsdelikte in das Schema der herkömmlichen Deliktsstrukturen integrieren lassen. Es geht also um die Möglichkeiten, das organisationsbezogene Beteiligen als abstraktes Gefährdungsdelikt oder als ein Fall der Vorfeldkriminalität aufzufassen. Eine Legitimierung der Organisationsdelikte aus dem Schaffen einer abstrakten Gefahr für das Rechtsgut würde allerdings voraussetzen, die Beteiligung an einer Organisation als ein gefährlicher Zufall darzustellen. Es kommt bei den Staatsschutzdelikten das Problem hinzu, ob die kollektiven Rechtsgüter sich als verletzbar begreifen lassen. Wenn die Vorbereitungsstruktur auf die Tatbestände der §§ 129, 129a StGB übertragen wird, ist damit eine Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes an eine Stelle, die noch vor dem Eintritt einer Gefährdung liegt, gemeint. Im Kontext der Vorbereitungstheorie haftete somit der Beteiligung an einer Organisation an, dass sie einen Zwischenschritt zur Rechtsgutsbeeinträchtigung ist. Dabei resultiert aus der Intention die Beherrschbarkeit des späteren Rechtsgutsangriffs. Beide Legitimationsansätze, wie sie auf Organisationsdelikte übertragen werden, sind also in ihrer Argumentation auf die Gefährlichkeit der Vereinigung angewiesen und verlieren die tatbestandsmäßige einzelne organisationsbezogene Handlung aus dem Blick. Bezieht man die Beteiligung an der Organisation in die Deliktsstruktur ein, ergibt sich eine andere Sichtweise, die die herkömmlichen Deliktsstrukturen nicht ausreichen lässt. Entsprechend gliedert Puschke die Organisationsdelikte als Vorberei-
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
tungsdelikte im weiteren Sinne aus, wenn es ihm um Beherrschbarkeitszusammenhänge auf der Legitimationsebene geht822. III. Strafbarkeitslimitierende Faktoren bei Organisationsdelikten Das Vorstehende hat einen Rechtsgutsbezug der organisationsbezogenen Beteiligung innerhalb der Deliktsstruktur der Organisationstatbestände ausgewiesen. Darüber hinaus muss aber die Frage gestellt werden, inwiefern die Grenze des straffreien internen Bereichs privater Lebensgestaltung innerhalb der kollektiven Intentionalität in der Organisation aufgehoben wird. Es geht darum, ob der Rechtsgüterschutz durch Organisationsdelikte in einem angemessenen Verhältnis zu dem Eingriff in die Freiheitssphäre des Täters steht823. 1. Bestimmung des straffreien Internums und das Kriterium der Organisationsbezogenheit Jakobs’ Argumentation geht in diesem Kontext von einem straffreien Internum des Täters aus: „Ohne externes störendes Verhalten darf ein Subjekt nicht auf seine Interna festgelegt werden“ 824. Dieses Internum sei nicht auf das psychophysische System des Menschen beschränkt, sondern auf seine Stellung in einer durch das Grundgesetz festgelegten Rechtsordnung bezogen. Der so definierte Privatbereich erfasse insbesondere auch soziale Kontakte.825 Infolgedessen sind für Jakobs der Beteiligungsversuch i. S. d. § 30 StGB, die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen und die Bandenbildung „ebenso genuin privat wie jede andere Beziehung und wie sonstiges Verhalten im Internbereich“ 826. Hier ließen sich die Beteiligten zwar aufeinander ein und öffneten so ihren Privatbereich, der gemeinsame Bereich bleibe dennoch für Außenstehende verschlossen827. Eine Differenzierung zwischen der Verabredung mehrerer und der Vorbereitung (dem Planen) eines Einzelnen wird eingeebnet: „Natürlich stört es, wenn man weiß, daß Personen ein Verbrechen verabredet haben; aber es stört auch, wenn man weiß, daß jemand über die günstige Möglichkeit, ein Verbrechen zu begehen, nachdenkt oder als Alleintäter ein Verbrechen akribisch vorbereitet“ 828. 822 823 824 825 826 827 828
44.
Puschke, in: Hefendehl, Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts? S. 9, 13. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 38 f., 104 ff. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 773. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 754 f. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 757. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 757. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 765; vgl. auch Cancio Meliá, in: FS-Jakobs, S. 27,
C. Das Organisationsdelikt
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Wenn Jakobs nicht bei jeder Objektivierung die Grenze des Internen zieht829, so gelangt das BVerfG dagegen im Rahmen seiner sog. Sphärentheorie zu der Annahme, dass bereits schriftlich niedergelegte Gedanken, etwa „tagebuchähnliche Notizen“, nicht mehr zu dem beherrschbaren Innenbereich gehören830. Enthielten die Aufzeichnungen Angaben über die Planung bevorstehender oder Berichte über begangene Straftaten, fielen sie aus dem unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung heraus831. Das BVerfG argumentiert, dass die Zuordnung eines Sachverhalts zu einer bestimmten Sphäre nicht davon abhänge, ob eine soziale Bedeutung oder Beziehung bestehe, sondern welcher Art und wie intensiv sie sei832. Über die Intimsphäre hinaus unterliegen soziale Kontakte sowohl in der Privatsphäre als auch in der Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre im Rahmen einer Abwägung staatlichen Eingriffen833. Knüpft man hieran an und zieht die Grenze des dem staatlichen Eingriff entzogenen Internums beim Gedanken, erscheinen lediglich noch Tatbestände problematisch, bei denen über Absichten des Täters hinaus ein sozial indifferentes Verhalten umschrieben ist834. Bei Planungen, in die mindestens zwei Personen involviert seien (wie bei § 30 StGB), scheint mithin keine Verletzung des straffreien Innenbereichs zu drohen835; lediglich im Rahmen einer Abwägung wäre dem effektiven Rechtsgüterschutz durch Organisationsdelikte der Eingriff in die Freiheitssphäre des Täters entgegenzusetzen. Jakobs hält von seinem Standpunkt aus dagegen nur in den Fällen eine Vorbereitungsstrafe für legitim, in denen der Täter bereits im Vorbereitungsstadium „in einem fremden Organisationskreis“ agiere, etwa wenn er zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (§ 83 StGB) Sprengstoffanschläge durchführe836. Cancio Meliá meint in Anlehnung hieran, eine Verschiebung der geschützten Privatsphäre explizit bei Organisationsdelikten rechtfertigen zu kön829
„Sofern die Vorbereitung nicht nur Planung eines einzelnen Subjekts bleibt, sondern sich objektiviert (und bestehe eine „Objektivierung“ nur in gemeinsamer Planung mehrerer Subjekte), bestraft sie das positive Recht in mehreren Fällen, ohne dabei die Schranken zu achten, die der bürgerliche Status des delinquierenden Subjekts dem Strafrecht zieht“ (Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 25. Abschn. Rn. 8). 830 BVerfGE 80, 367, 374 f. 831 BVerfGE 80, 367, 375. 832 BVerfGE 80, 367, 374. 833 Vgl. zu Sphärentheorie m.w. N. Geis, JZ 1991, 112, 112 ff.; m.w. N. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 105 f. 834 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 106; dabei mache es keinen Unterschied, ob an ein straffreies Internum angeknüpft wird oder ob ein äußerlich neutrales Verhalten dem Zugriff des Strafrechts entzogen ist. 835 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 106. 836 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 765. Im Rahmen des § 30 StGB hält Jakobs dagegen einen Einflussverlust für nicht ausreichend, um den eigenen Organisationskreis zu überschreiten (Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, Fn. 19).
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
nen837. Er knüpft daran an, dass sich mit der Integration des Beteiligten in das Kollektiv ein „Kontrollverlust“ verbinde. Die Eingliederungsleistung in die Organisation legitimiere die Zurechnung des „Unrechts der Organisation“ zum Mitglied.838 Mit der „Einpassung“ des Verhaltens in den organisatorischen Kontext werde zudem nicht auf einen Planungszusammenhang und somit nicht auf das Internum des Täters zugegriffen. Vielmehr nehme der Handelnde hier ein eindeutig als störend definiertes Verhalten vor839. Was bei Cancio Meliá als Einpassung in den organisatorischen Kontext angedeutet ist, lässt sich mit dem Kriterium der Organisationsbezogenheit der Beteiligung begreifen. Denn durch dieses Merkmal ist bei Organisationsdelikten das Beteiligungsverhalten in Zusammenhang mit einer strafgesetzwidrigen oder verfassungswidrigen Vereinigung derart gestellt, dass es bei objektiver Betrachtung durch die Organisation determiniert erscheint840. In diesem Sinne geht es nicht um ein sozialindifferentes Verhalten. Der Zugriff des Strafrechts ist bei Organisationsdelikten somit nicht auf einen unantastbaren Innenbereich gerichtet. Gleichwohl bleibt zu beachten, dass der effektive Rechtsgüterschutz im Verhältnis zur Freiheitssphäre des Täters betrachtet werden muss. 2. Der manifestierte Missbrauch der Vereinigungsfreiheit Der Freiraum, den der Einzelne hinsichtlich des sozialrelevanten Verhaltens, sich zu vereinigen, hat, ist durch Art. 9 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich vorgezeichnet. Entsprechend bestimmt sich die von strafrechtlichem Eingriff freie Privatsphäre durch diese Norm. Danach zulässige Eingriffe sind darüber hinaus durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt. Allein nach diesen Maßstäben bemisst sich, ob die auf interner Kommunikation beruhende Existenz der Vereinigung841 schon im Bereich des legitimen strafrechtlichen Zugriffs liegen kann. Die dem gruppendynamischen Ansatz entsprechende Argumentation mit einem besonderen Gefahrenpotenzial tritt demgegenüber notwendig zurück. Im Folgenden ist zu zeigen, dass an bestimmten Stellen der innere Bereich verlassen sein muss und Kommunikationswege nach außen beschritten sein müssen, damit ein Strafrechtseinsatz sich rechtfertigen lässt. Dabei ist zwischen verschiedenen Typen strafrechtsrelevanter Vereinigungen zu differenzieren.
837 838 839 840 841
Cancio Meliá, in: FS-Jakobs, S. 27, 47. Cancio Meliá, in: FS-Jakobs, S. 27, 47. Cancio Meliá, in: FS-Jakobs, S. 27, 47 f. Vgl. S. 36, 81 f., 111 f. MK/Miebach/Schäfer, § 129 Rn. 1.
C. Das Organisationsdelikt
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a) Das Androhen von Straftaten und § 129a Abs. 3 StGB Ein Akt öffentlicher Kommunikation läge vor, wenn die in § 129a Abs. 1, 2 StGB genannten Katalogtaten begangen oder Androhungen i. S. d. § 129a Abs. 3 StGB publiziert werden. Unter der Voraussetzung der Androhung von Straftaten durch die Vereinigung hält Jakobs die §§ 129, 129a StGB für legitime Strafnormen; die Strafe rechtfertige sich aus der Rechtsfriedensstörung wegen des eintretenden Normgeltungsschadens842. Allerdings findet sich in den Tatbeständen der Organisationsdelikte – mit Ausnahme des § 86 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB843 – für eine (öffentliche) Kommunikation kein Anknüpfungsmerkmal. In diesem Zusammenhang verdient insbesondere der Tatbestand des § 129a Abs. 3 StGB Beachtung, der die Beteiligung an Vereinigungen erfasst, deren Zwecke und Tätigkeiten lediglich auf die Androhung von Straftaten der Kataloge des § 129a Abs. 1 und 2 StGB gerichtet sind: Die Gleichstellung von Begehung und Androhung in § 129a StGB beruht auf den Vorgaben des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI844. Zunächst definiert dessen Art. 1 Abs. 1 Buchstabe i das Androhen von terroristischen Straftaten im Sinne des Rahmenbeschlusses – also der Taten des Art. 1 Abs. 1 Buchstaben a bis h – selbst als eine terroristische Straftat. Die Umsetzung der europarechtlichen Vorgabe hätte zu Schaffung eines Tatbestandes führen müssen, in dem die Androhung terroristischer Straftaten begleitet durch Bestimmungs- und Eignungsklauseln selbstständig erfasst wäre. Dieser Androhungstatbestand wäre dann über Art. 2 des Rahmenbeschlusses zur Bezugstat für die terroristische Vereinigung geworden. Im Ergebnis hätte zwar der Androhungstatbestand Kommunikation vorausgesetzt, die terroristische Vereinigung müsste jedoch nur durch ihre Zwecke und Tätigkeiten auf die Androhung gerichtet sein. Damit ergibt sich auch für den geltenden § 129a Abs. 3 StGB keine Beschränkung durch ein Erfordernis von (öffentlicher) Kommunikation der Androhung aus seiner Entstehungsgeschichte. Des Weiteren lassen sich für den § 129a Abs. 3 StGB, weil er ohne einen Androhungstatbestand als Bezugstat dasteht, sowohl der Unrechtsgehalt als auch die systematische Stellung kaum bestimmen. Denn einerseits deckt sich die Androhung einer terroristischen Straftat nicht mit §§ 126, 241 StGB845. Andererseits 842
Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 778; vgl. oben S. 187 f. Vgl. dazu S. 102. 844 Nach einer an den Rahmenbeschluss 2002/475/JI (ABl. EG 2002 Nr. L 164, S. 3) angelehnten Auslegung ergibt sich auch, dass die Bestimmungs- und Eignungsklauseln auf das Androhen gem. § 129a Abs. 3 StGB zu beziehen sind (s. dazu Fischer, § 129a Rn. 18). 845 Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 144. Bei den Differenzen geht es nicht nur um die teilweise von § 126 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 StGB verschiedenen Katalogtaten, sondern es fehlt in § 129a Abs. 3 StGB auch an der tatbestandlichen Voraussetzung der Friedens843
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
kann der Tatbestand des § 129a Abs. 3 StGB nicht aus einer mehrstufigen Vorbereitungsstruktur heraus erklärt werden846, so als läge die Beteiligung an einer auf das Androhen gerichteten Vereinigung auch im Vorfeld der angedrohten Tat. Wie bei den §§ 126, 241 StGB lässt sich die Drohung nicht als Vorstufe der Verwirklichung begreifen, denn die angedrohte Tat existiert lediglich in der Äußerung des Drohenden847. b) Das Erfordernis einer aggressiv-kämpferischen Haltung Es finden sich somit zwar in der tatbestandlichen Fassung der Organisationsdelikte keine unmittelbaren Anknüpfungspunkte, die ein kommunikatives Auftreten der Vereinigung voraussetzen. Jedoch ergeben sich entsprechende Erfordernisse aus der verfassungsrechtlichen Prägung der Tatbestände. In erster Linie hat hier das Merkmal einer aggressiv-kämpferischen Haltung eine Bedeutung, das im Zusammenhang mit Bestrebungen gegen die Rechtsgüter der verfassungsmäßigen Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung des Art. 9 Abs. 2 GG bzw. der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus Art. 21 Abs. 2 GG steht. Aus ihm folgt zunächst, dass eine bloße Kritik, auch wenn sie unbegründet, unsachlich und unqualifiziert ist, außer Betracht bleiben muss. Auch sind nicht allein die Publikationen und schriftlich oder mündlich verbreiteten Ansichten maßgeblich, es kommt vielmehr darauf an, ob „Tatsachen vorliegen, die eine Tätigkeit der Vereinigung mit dem Ziel der Verwirklichung ihrer verfassungswidrigen Absichten ergeben“ 848. Das kann sich genauso aus einer der Organisation zurechenbaren Einzelaktion wie aus einem fortlaufenden Untergraben der bestehenden Ordnung ergeben. Es muss sich dabei allerdings weder um rechtswidriges Verhalten handeln noch müssen die Tätigkeiten Gewalt entfalten.849 Sofern die Straftatbestände der §§ 85 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 129a Abs. 2 StGB verfassungsrechtlich auf Art. 9 Abs. 2 zu beziehen sind, folgt daraus zugleich, dass die dort genannten Vereinigungen durch das Merkmal der aggressivkämpferischen Haltung immanent beschränkt sind. Insbesondere für terroristische Vereinigungen muss hieraus folgen, dass sie im Sinne einer aggressiv-kämpferischen Haltung nach außen treten müssen, sofern sie sich gegenüber kriminellen Vereinigungen durch die Angriffsrichtung gegen den Staat abheben; anderenfalls wäre der Staatsschutzaspekt vor Art. 9 Abs. 2 GG nicht zu rechtfertigen. störung des § 126 StGB. Die Erkennbarkeit von wesentlichen Merkmalen der Verbrechensbegehung bereits aus der Androhung macht den Unterschied zu § 241 StGB aus. 846 SK/Rudolphi/Stein, § 129a Rn. 6, 13. 847 Bloy, in: FS-Eser, S. 233, 243. 848 M.w. N. BVerwGE 61, 218, 220. 849 BVerfGE 5, 85, 141; m.w. N. von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 Rn. 76.
C. Das Organisationsdelikt
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Vor diesem Hintergrund muss es zugleich als verfehlt erscheinen, wenn es in der älteren Rechtsprechung für den Begriff der Vereinigung i. S. d. § 90a a. F. StGB für belanglos gehalten wird, „ob die Vereinigung sich nach außen, der Öffentlichkeit gegenüber, betätigt oder ob sie im geheimen wirkt und ihre Tätigkeit auf den eigenen Kreis beschränkt“ 850. Demnach sollte bereits jeder Personenzusammenschluss erfasst sein, „dessen Zielsetzung sich darin erschöpft, unter Festhalten an Gedankengängen, mit denen einer der freiheitlichen Demokratie völlig entgegengesetzten Staatsauffassung gehuldigt wird, die Mitglieder in der beharrlichen Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Ordnung zu bestärken“ 851. c) Das Gerichtetsein auf die Begehung von Straftaten Diese zu § 90a a. F. StGB ergangene Rechtsprechung wird auf kriminelle Vereinigungen übertragen852. Dabei erweist sich das Aufgreifen an dieser Stelle als nicht unzutreffend. Strafgesetzwidrige Vereinigungen i. S. d. Art. 9 Abs. 2 GG sind solche, deren Zwecke und Tätigkeiten den Strafgesetzen „zuwiderlaufen“. Zwar ist einfachgesetzlich von §§ 129, 129a Abs. 1 StGB gefordert, dass die kriminellen Vereinigungen auf die Begehung bestimmter Straftaten „gerichtet“ sind. Jedoch dürfte eine Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals entsprechend dem auf die zweite und dritte Alternative des Art. 9 Abs. 2 GG bezogenen „Richten“, das eine aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber dem geschützten Rechtsgut voraussetzt, abzulehnen sein. Denn wenn sich die Angriffsrichtung der kriminellen Vereinigung auf die Rechtsgüter der Bezugstaten stützt, scheint von diesem Schutzzweck her eine öffentliche Kommunikation der Zwecke und Tätigkeiten nicht geboten. Als verfassungsrechtliche Schranke wirkt an dieser Stelle lediglich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der tatbestandlich in der Regelung des § 129 Abs. 2 Nr. 2 StGB verankert ist. d) Geheimbündelei Die geheime kriminelle Vereinigung muss allerdings gegenüber dem Tatbestand der Geheimbündelei distanziert werden, bei dem der Kriminalisierungsgrund allein im Geheimsein lag. Das Phänomen der Geheimgesellschaften erreichte unter dem Vorbild entsprechender Verbindungen der Französischen Revolution Ende des 18. Jh. einen Höhepunkt853. Wegener weist darauf hin, dass das zeitliche Zusammentreffen dieser Entwicklung mit der aufklärerischen Forderung nach Transparenz der staatlichen 850 851 852 853
BGHSt 7, 222, 224; vgl. auch BGHSt 9, 101, 103; BGH, NJW 1956, 879, 879. BGHSt 7, 222, 224; vgl. auch BGHSt 9, 101, 103; BGH, NJW 1956, 879, 879. LK/Krauß, § 129 Rn. 75. M.w. N. Wegener, Der geheime Staat, S. 187 f.
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
Institutionen (wie etwa Budgetpublizität, Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, Öffentlichkeit der Parlamentsdebatte) weniger Ausdruck einer historischen Paradoxie als vielmehr Resultat des Umstandes ist, dass die Geheimhaltung Mittel zur Sicherung politischer und privater Freiheit war854. Das Verlangen nach einem Recht, privat zu sein, steht so in einem Komplementärverhältnis zur Transparenzforderung und wird zugleich Instrument, den Einzelnen vor dem informatorischen Zugriff des Staates zu schützen855. In diesem Kontext ist aus strafrechtlicher Sicht bezeichnend, dass das preußische Edikt wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen von 1798 zum Ausgangspunkt des Organisationsstrafrechts wurde856. Derartige Gesetzgebungsakte mussten die Frage herausfordern, die Bernhard Turin in seinem 1801 anonym erschienenen Werk „Ueber das Verbrechen geheim zu seyn und die Strafbarkeit desselben“ stellte, inwieweit nämlich das Geheimsein selbst zum Strafgrund werden könne. Turin geht von dem Prinzip aus, dass man nur insofern ein Recht zur Verheimlichung habe, als Anderen nicht ein Gegenrecht auf „Publizität“ zukomme857. Es bestehe in der bürgerlichen Gesellschaft des Staatsvertrags nur dann ein Recht des Staates auf Publizität, wenn es der Verhütung von Rechtsverletzungen oder der Wiederherstellung des rechtlichen Zustands diene858. Entsprechend hätten auch Verbindungen kein unbeschränktes Recht, geheim zu sein, sondern müssten die staatliche Erforschung ihrer Zwecke dulden859. Maßstab der „Strafgerechtigkeit“ für widerrechtliche geheime Verbindungen sei jedoch allein die Widerrechtlichkeit, die darin liegen könne, dass der Zweck der Verbindung gegen „Privatrechte der Bürger“ oder „Rechte des Staates selbst“ gerichtet sei, nicht aber die Verletzung des Publizitätsgebots860. Demgegenüber gelangte über die Vorschrift des § 98 des preußischen StGB von 1851 der Straftatbestand der Geheimbündelei in das RStGB. Der entsprechende Tatbestand des § 128 RStGB, der die „Theilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll“ kriminalisierte861, existierte bis zur Aufhebung durch 8. StrÄG 854
Wegener, Der geheime Staat, S. 188 f. Wegener, Der geheime Staat, S. 193. 856 Vgl. oben S. 118. 857 Turin, Ueber das Verbrechen geheim zu seyn und die Strafbarkeit desselben, S. 26 f. 858 Turin, Ueber das Verbrechen geheim zu seyn und die Strafbarkeit desselben, S. 35. Daraus folgt für ihn eine allgemeine Anzeigepflicht hinsichtlich rechtswidriger Taten und ihrer Urheber (Turin, Ueber das Verbrechen geheim zu seyn und die Strafbarkeit desselben, S. 41). 859 Turin, Ueber das Verbrechen geheim zu seyn und die Strafbarkeit desselben, S. 76 ff. 860 Turin, Ueber das Verbrechen geheim zu seyn und die Strafbarkeit desselben, S. 131, 136, 173 f. 861 Fn. 146. 855
D. Terrorismusfinanzierung
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1968. Dabei sollte es nicht der Zweck der Verbindung sein, der die Teilnahme an ihr strafbar machte, sondern ihre von der Staatsregierung geheim gehaltene Organisation862. Auch die Staatsgefährlichkeit solcher Verbindungen wurde nicht als Tatbestandsmerkmal vorausgesetzt, wenn auch diese zugleich als Grund für die Aufnahme in den Abschnitt über „Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung“ angesehen wurde863. Daneben nannte Schöncke als Strafgrund der Geheimbündelei, dass „das Bestehen geheimer Verbindungen geeignet ist, in der Bevölkerung ein Gefühl der Beunruhigung und Unheimlichkeit zu verbreiten“ 864. Allmählich setzte sich indessen die Ansicht durch, dass eine derartige Strafnorm mit Art. 9 Abs. 2 GG nicht vereinbar ist865. Damit ist der Geheimhaltung als Kriminalisierungsgrund entgegengesetzt, dass die Zwecke oder Tätigkeit der Vereinigung auf die Rechtsgutsbeeinträchtigung gerichtet sein müssen.
D. Terrorismusfinanzierung: Exemplifizierung eines umstrittenen Strafeinsatzes Die durch die Beteiligung mehrerer geprägte Deliktsstruktur der Organisationsdelikte lässt sich abschließend konturieren, indem man sie dem Tatbestand des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB gegenüberstellt. Dies rechtfertigt sich auch insofern, als der Gesetzgeber mit § 89a StGB gerade den Zweck verfolgt, im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten nicht organisatorisch gebundene Einzeltäter zu erfassen866. Durch das Wiederaufgreifen der Terrorismusfinanzierung ist der Blick auf Verhaltensweisen gelenkt, die ohne Berücksichtigung weiterer Umstände einen Bezug zu betroffenen Rechtsgütern nicht erkennbar werden lassen. Dieser Rechtsgutsbezug wird bei der Finanzierung terroristischer Vereinigungen durch das Merkmal der Organisationsbezogenheit ausgefüllt867; die Deliktsstruktur der organisationsbezogenen Beteiligung ist vorstehend im Einzelnen dargestellt worden. Dort hingegen, wo es um eine als Vorbereitungsdelikt eines Einzeltäters konstruierte Finanzierung geht, muss sich ein Rechtsgutsbezug in anderer Weise ergeben. Den möglichen Ansätzen, von denen hierbei ausgegangen werden kann, haftet die Problematik an, tatbestandlich die umschriebenen Handlungen aus ih862 M.w. N. Frank18, § 128 Anm. I; vgl. Schönke1, § 128 Anm. III.1. Die Gegenansicht setzte jedoch für die Strafbarkeit nach § 128 StGB voraus, dass die Verbindung eine Einwirkung auf öffentliche (politische) Interessen bezweckte (so m.w. N. Kleinfeller, in: Birkmeyer u. a., Vergleichende Darstellungen des deutschen und ausländischen Strafrechts Besonderer Teil, II. Bd., S. 271, 277 f.). 863 M.w. N. LK8 /Werner, § 128 Anm. II. 864 Schönke1, § 128 Anm. I. 865 Willms, NJW 1957, 565, 565 f.; Seifert, NJW 1964, 2142, 2142 f. 866 BT-Drs. 16/12428, S. 2, 12. 867 Vgl. oben S. 110 ff.
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
rer Neutralität herauszuheben. Diese Schwierigkeit, Finanzierungshandlungen zu kriminalisieren, soll die folgende Betrachtung der Tatbestände der §§ 83 und 87 StGB verdeutlichen, auch um zu zeigen, dass der § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB ihren Rahmen übersteigt. I. Die Entwicklung der Vorbereitung des Hochverrates von Zachariäs Kritik hin zum Tatbestand des geltenden § 83 Abs. 1 StGB nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Abkehr von der Stelle des Corpus Iuris (C. 9, 8, 5), die im Rahmen der Rezeption des römischen Rechts bei Staatsschutzdelikten zu einer Gleichstellung des bloßen verbrecherischen Willens mit dem Verbrechen selbst maßgeblich gewesen war868. Zachariä hat zu zeigen versucht, dass es dort nie um eine Bestrafung von Absichten gegangen sei869. Er entwirft daran anschließend die Auffassung, dass „entfernteste“ Vorbereitungshandlungen aus dem Hochverrat auszugrenzen seien, sofern sie „blos durch die äußerlich nicht erkennbare verbrecherische Absicht eine Bedeutung erhalten“ 870. Anderes lässt er nur für „gewisse“ Handlungen gelten, nämlich für die Aufforderung zum hochverräterischen Aufruhr oder für die Bildung eines Hochverratskomplotts. Denn in beiden Fällen läge eine „auf Hervorbringung des Verbrechens gerichtete äußere Handlung der Anstiftung“ vor, „deren Wirkung der Thäter nicht mehr aufzuhalten vermag, und deren Gefährlichkeit es gewiß rechtfertigt, denjenigen, welcher auf diese Weise schon eine bestimmte feindselige Gesinnung unverkennbar an den Tag gelegt hat, einer Strafe zu unterwerfen“ 871. Diese Auffassung, die als in der Folgezeit herrschend angesehen wird872, sah sich positivrechtlich zunächst gem. §§ 63 ff. des preußischen StGB von 1851 und später in den entsprechenden §§ 83 ff. RStGB einer Regelung gegenüber, die die Vorbereitung eines Hochverrates in unterschiedliche Verhaltensweisen auffächerte873 und zugleich über eine Generalklausel „jede andere“ vorbereitende Handlung erfasste874. Obwohl im letzteren Fall noch „die entfernteste“ 875 868 Vgl. dazu Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 17 f., 22 sowie 70 f. 869 Zachariä, ArchCrim 1838, 221 und 344, 344 f. 870 Zachariä, ArchCrim 1838, 221 und 344, 348; er nennt folgende Beispiele: „Ja selbst derjenige, welcher in der Absicht den Regenten zu tödten, sich z. B. nach der Audienzzeit erkundigt, oder zu erfahren gesucht hätte, wann der König ausfahre oder welchen Weg er zu nehmen pflege, würde sich noch nicht eines strafbaren Versuchs schuldig gemacht haben“. 871 Zachariä, ArchCrim 1838, 221 und 344, 348. 872 Vgl. m.w. N. Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 70 f. 873 Im Einzelnen waren im RStGB folgende Vorbereitungshandlungen in Beziehung auf den Hochverrat erfasst: die Verabredung (§ 83), die Kontaktaufnahme zur auswärtigen Regierung, der Missbrauch anvertrauter Macht, das Anwerben von Mannschaften bzw. Einüben derselben in den Waffengebrauch (§ 84) und die öffentliche Aufforderung zu hochverräterischen Handlungen (§ 85). 874 Vgl. § 66 des preußischen StGB von 1851 und § 86 RStGB.
D. Terrorismusfinanzierung
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Vorbereitungshandlung erfasst sein sollte, erfolgten bereits in der Rechtsprechung des Reichsgerichts Einschränkungen. Diese betrafen maßgeblich die Bestimmtheit des hochverräterischen Unternehmens876 und die Geeignetheit der Vorbereitungshandlung, einen vollendeten Hochverrat erreichen zu können877. Diese Reduktionsversuche haben sich zum einen in der Fassung des geltenden § 83 Abs. 1 StGB in dem Tatbestandsmerkmal der Bestimmtheit des hochverräterischen Unternehmens niedergeschlagen878. Zum anderen setzen sie sich in der Diskussion fort, ob der Vorbereitungshandlung eine gewisse objektive Gefährlichkeit innewohnen muss879. Der Frage, ob eine Vorbereitung des Hochverrats auch durch Sammeln oder Zurverfügungstellen von Geldmitteln erfolgen könnte880, stehen diese Einschränkungen zunächst nicht entgegen. Denn mit dem Kriterium der Bestimmtheit des hochverräterischen Unternehmens scheinen keine Einschränkungen der Vorbereitungsmittel vorgegeben und mit dem Gefährlichkeitskriterium sollen nur objektiv ungeeignete Maßnahmen ausgeschlossen sein881. Umgekehrt sollen zwar Verhaltensweisen des täglichen Lebens ausgeschieden werden882, jedoch scheint der Tatbestand des § 83 Abs. 1 StGB gerade durch das Erfordernis eines bestimmten hochverräterischen Unternehmens zugleich die Unbestimmtheit der Vorbereitungsmittel kompensieren zu wollen. Eine nicht lediglich über die Intention des Täters vermittelte Bestimmung müsste auf die sozialen Strukturen zurückgreifen, Frank18, § 86 Anm. I. RGSt 5, 60, 68 f.: „Es muß daher genügen, wenn das Gesamtbild in der Vorstellung soweit bestimmte Umrisse angenommen hat, daß es als eine konkrete Gestaltung erfaßt werden kann. Demgemäß muß das Angriffsobjekt eines hochverräterischen Unternehmens feststehen und die Ausführung dieses Unternehmens als bestimmtes Endziel in das Auge gefasst sein. Daß aber auch alle Modalitäten der Ausführung nach Ort, Zeit und Mitteln schon beschlossen seien, ist nicht erforderlich, weil die Vorbereitung des Unternehmens eben in der Gewinnung der Mittel und der Gelegenheit besteht“. 877 RGSt 16, 165, 166 f. Näher zu den Merkmalen der Bestimmtheit und der Geeignetheit, wie sie in der Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Vorbereitung eines Hochverrats vorkommen, vgl. Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte und Grundgesetz, S. 41 ff. 878 Vgl. jeweils m.w. N. NK/Paeffgen, § 83 Rn. 5; LK/Laufhütte/Kuschel, § 83 Rn. 2. 879 M.w. N. LK/Laufhütte/Kuschel, § 83 Rn. 9 ff. Kritisch dagegen J. Wagner, der das Kriterium der Gefährlichkeit im Staatsschutzstrafrecht insofern problematisch sieht, als die Gefährdungsprognosen im Hinblick auf die Entwicklungen des Staates unzuverlässig und wertungsabhängig wären (J. Wagner, Politischer Terrorismus und Strafrecht im Deutschen Kaiserreich von 1871, S. 343 f.). 880 Das Reichsgericht hielt es innerhalb der von ihm entwickelten Grenzen für „unbedenklich“, das in Kenntnis der verbrecherischen Ziele erfolgende Sammeln oder Einzahlen von Beiträgen als Vorbereitung des Hochverrats zu erfassen: „Diese Beiträge bildeten das statutengemäß vorgesehene Mittel, durch welche die Liga in den Stand gesetzt werden sollte, die Aufgabe, die sie sich gestellt, zu erfüllen“ (RGSt 16, 165, 169). 881 LK/Laufhütte/Kuschel, § 83 Rn. 9; m.w. N. NK/Paeffgen, § 83 Rn. 13. 882 M.w. N. LK/Laufhütte/Kuschel, § 83 Rn. 11. 875 876
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4. Kap.: Deliktsstrukturen und Grenzen des Schutzes
in die der Täter eingebunden ist. In tatsächlicher Hinsicht werden die Hochverratstatbestände als Kollektivdelikte beschrieben, die ein Zusammenwirken mehrerer erfordern; im Tatbestand des § 83 Abs. 1 StGB findet sich dies indessen nicht ausgeprägt883. II. Wechselt man die Blickrichtung auf § 87 Abs. 1 Nr. 3 StGB, der einen weiteren Vorbereitungstatbestand des Staatsschutzrechts darstellt, ergibt sich ein anderes Bild. Geldmittel gehören hier nicht zu den Sabotagemitteln884. Denn unabhängig von einer subjektiven oder in den Umständen verobjektivierten Bestimmung, für Sabotagezwecke eingesetzt zu werden, wird gefordert, dass die Vorbereitungsmittel objektiv unmittelbar zur Verwirklichung des Sabotagevorhabens geeignet sein müssen885. Mit der Konkretisierung der Vorbereitungshandlungen ist bei § 87 StGB beabsichtigt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass hier die Vorbereitung von der Bindung an eine bestimmte Bezugstat losgelöst ist886. Die Einführung der Vorschrift bezweckte nämlich, im Verhältnis zum Hochverrat vorbereitende Maßnahmen zu erfassen, ohne dass sie auf ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen bezogen sein müssen. Zugleich wurde das Verhältnis zu Sabotagetaten gegenüber den Vorgaben des § 30 StGB gelockert887. In beiderlei Hinsicht wurde § 87 StGB für die Schaffung des § 89a StGB zum Vorbild genommen888. Im Fall der Terrorismusfinanzierung geht § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB allerdings insofern weiter, als mit der Finanzierung ein Verhalten erfasst ist, mit dem lediglich mittelbar ein Risikopotenzial für eine schwere staatsgefährdende Gewalttat verbunden ist. III. Das Schema, für das die Kriminalisierungsstrategien des § 83 StGB einerseits und des § 87 StGB andererseits stehen, zeichnete Dohna folgendermaßen: „Der Vorbehalt, daß es sich um ein bestimmtes, in seinem Ziel und Plan erkennbares hochverräterisches Unternehmen handeln müsse, ist dort am Platz, wo die Strafdrohung an das ins Auge gefaßte Ziel anknüpft und auf jede genauere Kennzeichnung der zu ergreifenden Mittel verzichtet. Er verliert jede Bedeutung, wo der Gesetzgeber umgekehrt die Vornahme gewisser typischer Vorbereitungshandlungen, die Verwendung gewisser erfahrungsmäßig besonders gefährlicher Mittel 883 LK/Laufhütte/Kuschel, § 83 Rn. 10, die sogar eine gewisse organisatorische Basis fordern, damit ein geeignetes Bedrohungspotenzial besteht. Vgl. auch S. 151, 177 f. 884 LK/Laufhütte/Kuschel, § 87 Rn. 13. 885 M.w. N. LK/Laufhütte/Kuschel, § 87 Rn. 13; dort auch zu dem darüber hinaus gehenden Erfordernis der Bestimmung von Sabotagemitteln. 886 BT-Drs. 5/2860, S. 10; NK/Paeffgen, § 87 Rn. 2. 887 Dies betraf einerseits den Bezug auf Verbrechen i. S. d. § 12 Abs. 1 StGB, andererseits das Erfordernis, dass die im Rahmen des § 30 StGB vorbereiteten Taten den Konkretisierungsgrad eines mittäterschaftlichen Tatplans bzw. Anstiftervorsatzes erreichen müssen (Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 28 Rn. 56). 888 BT-Drs. 16/12428, S. 14. Eine gewisse Parallele zwischen § 87 und § 89a StGB ergibt sich auch im Rahmen der einzelnen Vorbereitungshandlungen dieser Tatbestände.
D. Terrorismusfinanzierung
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verbietet“ 889. Ohne dass hier dazu Stellung genommen werden könnte, ob durch diese Kriterien je für sich eine legitime Vorverlagerung ins Vorbereitungsstadium begründet werden kann, ist festzustellen, dass § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB diese Systematik durchbricht. Denn weder geht es dabei um eine bestimmte staatsgefährdende Gewalttat, die finanziert wird, noch um Mittel, die selbst ein Risikopotenzial im Hinblick auf diese Taten verkörpern890. Bei einer organisationsbezogenen Finanzierung ist dies nur insofern anders, als das Verhalten in einem organisatorischen Kontext steht. Sie fügt sich als Beteiligung an einer Organisation in einen kumulativen Rechtsgutsangriff ein und erlangt dadurch einen strafrechtsrelevanten Rechtsgutsbezug. Gleichwohl ist das Beteiligen mehrerer auch in Strukturen der vorstehend betrachteten Einzeltäterdelikte präsent. Bei Hochverratstatbeständen soll ein Zusammenwirken unausgesprochen vorausgesetzt sein, damit ein objektiv tauglicher Rechtsgutsangriff zustande kommt891. In § 87 StGB handelt der Täter im Auftrag einer ausländischen Stelle bei gleichzeitigem Wissen, dass er sich für Bestrebungen gegen Rechtsgüter des Staates – die nicht seine zu sein brauchen892 – einsetzt. Auch im Rahmen des § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB verlangen die tatbestandsmäßigen Handlungen überwiegend eine Interaktion mit anderen893. Anders als bei Organisationsdelikten entfaltet die Beteiligung mehrerer jedoch auf der Kriminalisierungsebene hier keine Bedeutung.
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Dohna, in: FG-Frank, S. 229, 241. Diese Problematik schlägt sich in einem Beschluss des KG Berlin nieder, das für die Strafbarkeit gem. § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht auf das äußerlich neutrale Verhalten des Täters – das Verschaffen und Aufbewahren von potenziellen Grundstoffen – zurückgreifen will (KG Berlin, StV 2012, 345, 346 f.), obgleich es die Lösung darauf lenkt, dass die subjektive Tatseite – etwa durch kommunikative Umstände – einer Objektivierung zugänglich werden muss (KG Berlin, StV 2012, 345, 347). 891 MK/Lampe/Hegmann, § 81 Rn. 4; LK/Laufhütte/Kuschel, § 83 Rn. 10. 892 M.w. N. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 349. 893 Vgl. oben S. 107 ff. 890
Resümee I. Dem Phänomen der Terrorismusfinanzierung nachzugehen, setzt voraus, dessen Sachverhalte innerhalb verschiedener Normenkomplexe zu sehen. Eine erste Orientierung hierfür ermöglicht die Begriffsbestimmung für Terrorismusfinanzierung in § 1 Abs. 32 KWG, § 1 Abs. 2 GwG, § 80c Abs. 2 VAG, indem sie dazu Hinweise gibt, wie die strafrechtlichen Maßnahmen aufgefächert sind. Zunächst ist dabei an den Tatbestand des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB zu denken, der mit dem Sammeln, Zurverfügungstellen und Entgegennehmen von Vermögenswerten für eine staatsgefährdende Gewalttat ein besonderes Unrecht der Terrorismusfinanzierung indiziert. Einbezogen werden müssen aber auch allgemeine Beteiligungsformen, insbesondere eine Beihilfe zu einer konkreten (terroristischen) Straftat, sowie das tatbestandsmäßige Verhalten des § 129a StGB. Die Finanzierung kann also auch tatbestandsmäßiges Verhalten eines Organisationsdelikts sein; dies vergegenwärtigt ein Blick auf § 7 Nr. 4 des Gesetzes zum Schutze der Republik von 1922, wonach zu bestrafen war, wer eine geheime oder staatsfeindliche Verbindung „mit Rat oder Tat, insbesondere durch Geld, unterstützt“. Dieser spezifische Ausschnitt der Finanzierung ist dem Einzeltäterparadigma entgegenzusetzen und kann mit dem geltenden Organisationsdelikt des § 129a StGB über die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung wieder aufgegriffen werden. II. Wer Organisationsdelikte mit einer auf die Begehung von Straftaten hindrängenden Eigendynamik erklärt, folgt einem gruppendynamischen Ansatz. Dessen primäre These ist die Organisationsgefährlichkeit, die sich aus einer gesteigerten Gruppenleistung und einer Beeinträchtigung des persönlichen Verantwortungsgefühls der Gruppenmitglieder zusammensetzt. Eine andere Sicht auf Organisationsdelikte ergibt sich, wenn man vom Maßstab des tatbestandsmäßigen Verhaltens ausgeht. Mit dem „wer sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt“ oder dem „wer eine Vereinigung unterstützt“ muss die auf die Organisation bezogene Beteiligung in den Vordergrund rücken. Es geht dann darum, über die zwei Seiten dieses Verhältnisses hinaus den strafrechtsrelevanten Zusammenhang zu akzentuieren. Auf der einen Seite dieses Schemas steht die Organisation, die als der soziale Tatbestand des Bildens und Bestandes einer Vereinigung rechtlich zu begreifen ist. An diesen kann das Organisationsstrafrecht erst dann anknüpfen, wenn die Grenze der Vereinigungsfreiheit überschritten ist. Sie bestimmt sich nach Art. 9 Abs. 2 GG und verläuft an der Stelle, an der die Zwecke und Tätigkeiten der
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Vereinigung den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richten. Organisationsdelikte, die der Bildung und dem Fortbestand der Organisation vorbeugen, müssen jedoch die Verantwortung bei den an der Vereinigung Beteiligten verorten, also bei den Vereinigungsmitgliedern und Unterstützenden. Hierdurch ist entscheidend der Blick von der Organisation auf den einzelnen Beteiligten gelenkt. Entsprechend lässt sich die andere Seite der Betrachtung darin abbilden, dass der Rechtsgutsangriff der Organisationsdelikte als ein Beteiligungsverhalten des Einzelnen bestimmt ist. Aber ebenso ist der Freiraum, den der Einzelne hinsichtlich des sozialrelevanten Verhaltens, sich zu vereinigen, hat, wiederum durch Art. 9 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich vorgezeichnet. III. Aus der Sicht auf Organisationsdelikte, die das Beteiligen an der Organisation in ihrem Zusammenhang sichtbar macht, ist ein Merkmal der Organisationsbezogenheit indiziert. Mit diesem Merkmal lassen sich die Eigenschaften der Organisationsdelikte an mehreren Stellen näher beschreiben. Im Einzelnen: 1. Zunächst ist das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts berührt, indem die Organisationsbezogenheit an die Stelle des tatbezogenen Aufbaus der allgemeinen Beteiligung tritt. Wenn in die allgemeine Beteiligung derjenige eingebunden wird, der zur Begehung seiner Tat sich einer Organisationsstruktur bedient, so soll mit dieser Organisationsherrschaft eine mangelnde Tatnähe kompensiert werden. Mit der Organisationsbezogenheit im Rahmen der Organisationsdelikte geht es dagegen nicht darum, einen durch die Organisation vermittelten Tatbezug herzustellen. Entsprechend wird im Organisationsstrafrecht eine Planung oder Vorbereitung von konkreten Bezugstaten nicht gefordert, d. h., Modalitäten ihrer Begehung brauchen nicht in dem im Allgemeinen Teil bestimmten Maß im organisationsbezogenen Verhalten antizipiert sein. Die Ausrichtung der Zwecke und Tätigkeiten der Organisation auf die Begehung von Straftaten bildet bei Organisationsdelikten lediglich einen objektiven Kontext, in dem das auf diese Organisation bezogene Verhalten aus seiner Neutralität herausgehoben wird. 2. Durch die Organisationsbezogenheit lässt sich ferner die Vereinigung in ihrer Verfasstheit betrachten. Einen abgrenzungsfähigen Vereinigungsbegriff herauszuarbeiten, beansprucht vor allem der gruppendynamische Erklärungsansatz. Die Vereinigung soll danach eine durch ihre Eigendynamik ganz spezifisch geprägte Gruppe darstellen, die als Steigerungsstufe gegenüber der Mittäterschaft und der Bande begriffen wird. Hier werden allerdings funktional unterschiedliche Rechtsfiguren in eine Reihe gestellt. Denn als Tatbestandsmerkmal der Organisationsdelikte unterscheidet sich die Vereinigung von den Zurechnungsregeln der allgemeinen Beteiligung und dem Strafschärfungsgrund der bandenmäßigen Begehung. Die Bedeutung der Vereinigung beschränkt sich aus der Sicht der Organisationsbezogenheit darauf, ein zweckgerichtetes kollektives Handeln zu kenn-
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Resümee
zeichnen. So knüpft das Organisationsstrafrecht über das Merkmal der Vereinigung an den Umstand an, dass die Zwecke und Tätigkeiten kollektiv gegen die geschützten Rechtsgüter gerichtet sind. Die differenzierte Binnenstruktur der Organisationsrollen variiert dabei lediglich als Ausgestaltung von Beteiligungsverhalten. Eine rollenspezifische Differenzierung ermöglichte, verschiedenen Aspekten der organisationsbezogenen Beteiligung nachzugehen und jeweils hervorzuheben. Wenn sich etwa bei der Mitgliedschaft an einer Vereinigung zeigte, dass die notwendige Beteiligung in Form einer Nebentäterschaft mehrere Rechtsgutsangriffe zusammenfasst, so wirkt diese Struktur auch bei allen anderen untersuchten Beteiligungsrollen fort. Anhand der Rädelsführerschaft konnte in der Organisation der objektive Zusammenhang unter den Beteiligten hergestellt werden. Die Fragestellung beim Unterstützen führte dazu, dass jede organisationsbezogene Beteiligung als ein Förderungsverhalten begriffen werden kann, und somit dazu, bei einer Abgrenzung der Beteiligungsrollen untereinander nicht beim Nachweis einer irgendwie gearteten bzw. vorteilhaften Förderung zu belassen. Durch die Organisationsbezogenheit zeichnet sich auf der Ebene der Zurechnungsstruktur der Beteiligung schließlich die Grenze zwischen der Organisation und der Organisationsumwelt ab. Von der tatbezogenen allgemeinen Beteiligung kann hier danach unterschieden werden, ob das Beteiligungsverhalten durch die Zwecksetzung der Organisation als maßgebende Entscheidungsprämisse determiniert ist. 3. Nach ihrer Zwecksetzung unterscheidet Art. 9 Abs. 2 GG verfassungs- und strafgesetzwidrige Vereinigungen. Das System der durch die organisationsbezogene Beteiligung betroffenen Rechtsgüter ist hieran zu orientieren. Unmittelbar an die Verbotsgründe der Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung knüpfen die Strafnormen des § 85 Abs. 1 Nr. 2 StGB und des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 VereinsG an. Auch soweit in § 129a StGB eine Staatsschutzrichtung durch die Bestimmungs- und Eignungsklauseln des § 129a Abs. 2 StGB in der Fassung von 2003 indiziert ist, muss man sich an diese Rechtsgüter halten. Als weitere Schutzrichtung der Organisationsdelikte kommen die Rechtsgüter der Straftaten hinzu, auf deren Begehung die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung gerichtet sind, und die vor allem den § 129 StGB kennzeichnen. 4. In der Zurechnungsstruktur der Organisationsdelikte fügen sich die Vereinigung und das entsprechende Beteiligungsverhalten nach Maßgabe der Organisationsbezogenheit zu folgendem Bild zusammen: Jeder an der Organisation Beteiligte unternimmt durch Fördern der Organisation einen selbstständigen Rechtsgutsangriff; da im Begriff der Organisation das Beteiligen anderer vorausgesetzt ist, stehen zugleich mehrere und in einem Organisationsdelikt verbundene Rechtsgutsangriffe real kumulativ nebeneinander. Im Rahmen der Organisations-
Resümee
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delikte wird durch diese – partizipatorische – Zurechnung eine individuelle Verantwortung für kollektives Verhalten begründet. Für eine Legitimierung des Organisationsstrafrechts ergibt sich schließlich insbesondere die Aufgabe, nach der Rechtfertigung der partizipatorischen Zurechnung zu fragen. Es geht darum zu zeigen, wie das organisationsbezogene Beteiligen mehrerer innerhalb der Deliktsstruktur zu integrieren ist. Die Organisationsbezogenheit entspricht hier einer Differenz zwischen der Entscheidung, sich an einer Vereinigung zu beteiligen, und dem rechtsgutsrelevanten kollektiven Geschehen, das bei keinem der Beteiligten im Ganzen zu verorten ist. Die Entwicklung von strafbarkeitslimitierenden Faktoren für Organisationsdelikte kann daneben auf das Überschreiten des straffreien Innenbereichs durch die Integration des Beteiligten in das Kollektiv einerseits und andererseits durch einen manifestierten Missbrauch der Vereinigungsfreiheit zurückgreifen. IV. Durch das Wiederaufgreifen des Phänomens der (Terrorismus-)Finanzierung ist der Blick auf Verhaltensweisen gelenkt, die einen strafrechtsrelevanten Bezug zu betroffenen Rechtsgütern nicht erkennbar werden lassen. Es müssen vielmehr Ansätze entwickelt werden, die die tatbestandlich umschriebenen Handlungen aus ihrer Neutralität hervorheben; vergleichbar mit der Funktion des in § 83 Abs. 1 StGB geforderten Merkmals der Erkennbarkeit des intendierten Vorhabens oder mit dem des Einsetzens besonders gefährlicher Mittel gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Im spezifischen Ausschnitt der Finanzierung terroristischer Vereinigungen nach § 129a StGB tritt an diese Stelle das Merkmal der Organisationsbezogenheit, das objektive Umstände dieses Organisationsdelikts bündelt; d. h., auch die Finanzierung mit neutralen Mitteln findet hier im Kontext der terroristischen Vereinigung statt.
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Stichwortverzeichnis abstraktes Gefährdungsdelikt 90 ff., 167 ff., 185 aggressiv-kämpferische Haltung 171, 173, 174, 190 f. Androhen von Straftaten 122, 189 f. Anstiftung 88, 99 f., 107 Aufnahme von Beziehungen zu einer Vereinigung Fn. 105, 112 f., 134 Aufrechterhalten des organisatorischen Zusammenhangs 55, Fn. 207, 61 Ausländerverein 154, 157 Außenstehender siehe Organisationsrolle und Organisationsumwelt Äußerungsdelikt 102, siehe auch Werben und Verbreiten von Propagandamitteln bandenmäßige Begehung 37 ff., 42, 117, 182 Bandenmitgliedschaft 37 ff. bandenspezifische Gefährlichkeit Fn. 65, 39, 42 Befehligen einer bewaffneten Gruppe 55, Fn. 718 Beherrschbarkeit 170, 175 ff., 183 ff. Beihilfe 12, 38 f., 49, 75, 83 ff., 88, 107 – zum abstrakten Gefährdungsdelikt 90 ff. – zum Organisationsdelikt 85 ff. – zur Täterschaft verselbstständigte 83 ff. besonders schwere Fälle der Beteiligung an einer Vereinigung 55, 67, 71, 75 f. Bestimmungsklausel 139 ff., 159, 161 – als subjektives Merkmal 143 – Beeinträchtigung der Grundstrukturen des Staates 141 f. – Einschüchtern der Bevölkerung 139 f. – Nötigung einer Behörde 140 f.
Betätigungsverbote, vereinsrechtliche Fn. 17, 16, 154, 157 Beteiligungsrolle siehe Organisationsrolle bewaffnete Gruppe Fn. 105, 88, 161 ff. Bezugstat 21, 41, 51, siehe auch Rechtsgüter der Organisationsdelikte Deliktsstruktur der Organisationsdelikte 30 f., 178 ff., 185 f. Eignungsdelikt 172 Eignungsklausel 139, 142 f., 150, 159, 161, 172 f. – als objektives Merkmal 143 f. – Gefahr eines schweren Nachteils 172 f. – und funktionaler Rechtsgutsbezug 144, 166 f., 172 – Verhältnis zur Bestimmungsklausel 142 Einheitstäterlehre 24, Fn. 103, 48, 64 Einzeltäterparadigma 107 ff., 193, 197 Fehdedelikt 127 f., 131, Fn. 556 Finanzierung siehe Terrorismusfinanzierung Förderung 14, 74 ff. – dauerhafte 76 f. – Grenzen der rechtsgutsrelevanten 90 ff. – mehraktige 76 f. – mittelbare 93 f. – organisationsbezogene 175 – organisationsexterne 82 f., siehe auch Organisationsumwelt – wesentliche 74 ff. Friedensschutzdelikt Fn. 482, 127 f., Fn. 551, Fn. 556, 140, 169 Gedanke der Völkerverständigung Fn. 656
Stichwortverzeichnis Gefährdungsdelikt – abstraktes siehe dort – konkretes 168 – und gefährlicher Zufall 168 f., 175, 185 Geheimbündelei 191 ff. Geheimdienst siehe Nachrichtendienst Gründen einer Vereinigung 68 ff. – Beteiligung im Gründungsstadium 69, 71, 95 – Beteiligung in einer führenden Rolle 68 ff. Grundrecht auf Sicherheit 139 f. gruppendynamischer Ansatz 11 ff., 23, 58, 92, 168, 180 ff. – Grundsätze 11 f., 180 f. – Gruppenleistung 12 f., 182 – Kritik 164, 181 f., 188 – Mechanismus des Rechtsgutsangriffs 174 – Schuldminderungs- bzw. Schuldausschließungsgrund 12 Haftung ex iniuria tertii 179 f. Hausfriedensbruch Fn. 556 Hintermann 65 ff. – als Nichtmitglied 66, siehe auch Außenstehender – besonders schwere Fälle der Beteiligung an einer Vereinigung siehe dort Hochverrat 130, 147, 150 ff., 177 f., 187, 194 ff. kollektive Intentionalität 176 Komplott Fn. 182, 115 ff., 120, 122, 151, 160, 170 Konkurrenzen – konkurrenzrechtlicher Begriff des Organisationsdelikts 22, 77, Fn. 696 – zwischen organisationsbezogener und allgemeiner Beteiligung 95, 100, Fn. 446 Kontaktaufnahme siehe Aufnahme von Beziehungen zu einer Vereinigung Konvergenzdelikt 38 ff., 44 ff., 179 f.
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– als Sondersystem der Beteiligung 39, 105 f. – Konvergenzgefährlichkeit 39 Kumulationsdelikt 25, 30 f., 179 f., 184 f. Mächte, fremde oder ausländische 88 f. Menschenmenge 88 Mitgliedschaft 36 ff., 72 ff. – als besonderes persönliches Merkmal 42 ff. – als subjektives Recht Fn. 138 – formale 37, 73, 80 – in einer Bande siehe Bandenmitgliedschaft – in einer Mittätergemeinschaft 40 – in einer Vereinigung 41 ff., 72 ff., 82 – Merkmale 37, 74 ff. Mittäterschaft 23 ff., 29 f., 32, 40, 45 f., 60, 75, 182 Nachrichtendienst 88 f. Nebentäterschaft 44 ff., 59, 61 neutrales Handeln 21, Fn. 341, 110, 193 ff. niedrige Beweggründe 136 f. notwendige Teilnahme 30, 44 ff., 85 öffentlich, Bedeutungsspektrum 124 ff. öffentliche Ordnung 121 f., 131 f., 148 ff. – und Sicherheit im polizeirechtlichen Sinne 124, 126, 130 Organisationsanmaßung (Cancio Melia) 135, 187 f. Organisationsbezogenheit 19 ff., 31 ff., 34, 51, 90, 110, 164, 167, 174, 178 f., 188, 197 – Tatbezogenheit siehe dort – und neutrales Handeln siehe dort Organisationsdelikte – als Vorstufe des Hochverrats 151 – als Vorstufe eines Bandendelikts 41 f. – Begriffsbestimmung 21 f. – Deliktsstruktur der siehe dort
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Stichwortverzeichnis
– im Verhältnis zum Allgemeinen Teil 21, 35, 83 ff., 99 f., 183 f. – Konkurrenzen siehe dort – Systematik der siehe dort – teilnahmeähnliches Verhalten 32, 183 f. Organisationsherrschaft 19 f., 175, 183 Organisationsrolle 34 ff., 80 ff., 104 ff. – Innen- und Außenverhältnis 66 f., 80 ff. Organisationsstrafrecht des 19. Jh. 117 ff. Organisationstheorie (Luhmann) 35 f., 81 Organisationsumwelt 80 ff. Organisator 61 ff. organisierte Suizidbeihilfe 13 organisierte Unverantwortlichkeit 184 Partei, verbotene Fn. 14, 155, Fn. 692 partizipatorische Zurechnung 23 ff., 34, 166 f., 185 Rädelsführer 52 ff. – als Mitglied einer Vereinigung 60 – Befehligen einer bewaffneten Gruppe siehe dort – besonders schwere Fälle der Beteiligung an einer Vereinigung siehe dort – im allgemeinen Beteiligungssystem siehe Organisator und Organisationsherrschaft – Kohäsionsfunktion 61 – und Herrschaft 59 ff. Rechtsgüter der Organisationsdelikte 114 ff. – historische Entwicklungslinien 114 ff. – öffentliche Ordnung 148 ff., siehe auch dort – Rechtsgüter der Bezugstaten 122, 161 f., 170, siehe auch Vorbereitungsdelikt – Staatsschutz 149 f., siehe auch Staatsschutzdelikte – Rechtsgutsebenen 130, 147 f., 150
Rechtsgutsbezug, funktionaler 144, 167, 171 ff., siehe auch Eignungsklausel und Kumulationsdelikt Sabotage 88 f., 133, Fn. 806, 194, 196 f. Schutz ausländischer Staaten und internationaler Organisationen 144 ff. Sicherheit des Staates 129, 140, 148, 150 Sphärentheorie 187 Staatsschutzdelikt 130 ff., 171 ff. – Beteiligen an einer terroristischen Vereinigung 132 ff., 172 f. – Hochverrat siehe dort – intendierter Rechtsgutsangriff 134, 150, Fn. 675, 167, 170 f., 185 Strafbarkeit juristischer Personen 18, 25, 183 f. strafbarkeitslimitierendes Merkmal 173, 186 ff. straffreies Internum (Jakobs) 186 f. Strafgesetzwidrigkeit der Vereinigung siehe Zuwiderlaufen, den Strafgesetzen Sympathiewerbung 99, 101 ff. Systematik der Organisationsdelikte 18, 35, 152 ff., 164 Systemunrecht (Lampe) 23 f. Tatbezogenheit 19 ff., 51, 92, 94 – Organisationsbezogenheit siehe dort tätige Reue 177 Terrorismusfinanzierung 21, Fn. 168, Fn. 190, 56, Fn. 210, Fn. 232, Fn. 234, 65 f., 74, 76, Fn. 339, 95, 106 ff., Fn. 707, 193 ff. terroristisch, Begriff 135 terroristische Straftat – Einzelfallbetrachtung 135 ff. – i. S. d. Bestimmungsklausel und Eignungsklausel siehe dort Überzeugungstäter 12 Umsturzvorlage Fn. 482 Ungehorsamsdelikt Fn. 105, 77, 156 ff. Unterstützen 72 ff., 103 f.
Stichwortverzeichnis – Abgrenzung von der mitgliedschaftlichen Beteiligung 74 ff., 82 – als Förderung siehe dort – als Kennzeichen der Organisationsdelikte 87 ff. – als zur Täterschaft verselbstständigte Beihilfe siehe Beihilfe, zur Täterschaft verselbstständigte – erfolgloses 103 f. – extensiver Beteiligungsbegriff 73 – Kettenunterstützen 86 – und Sympathisanten 78 ff. Verbreiten von Propagandamitteln 92 f., 101 f. Vereinigung – als objektiver Umstand der Beteiligung 21, 31, 48, 105, 174, 180 – Ausländerverein siehe dort – ausländische 153 f., 157 – Begriff 18 f., Fn. 820 – förmlich verbotene 15 ff., 133, 151 ff., 156 f., 169, 171, 190 – geheime 118, 155, 191 ff. – kriminelle 15 ff., 134 f., 153 f., 155, 158 ff., 191 – als Grundtatbestand der Bandendelikte 42 – Personalisierung im Mitgliedsverhalten 143 – terroristische 15, 21, 132 ff., siehe auch terroristisch, Begriff – als Qualifikation der kriminellen Vereinigung 158 ff. Vereinigungsverbot, Vereinsverbot – förmliches 15 ff., 165 – verfassungsrechtliches – ipso iure Wirkung 17 – konstitutive Wirkung 17 – Warnfunktion 16 ff., 121, 156 f. Vereinigungsfreiheit – des Einzelnen Fn. 15 f., 18, 188 – Grenzen der 14, 114, 149, 153, 157, 165 f., 173, 188
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– strafrechtlicher Eingriff in die 18 f., 165 f. – Verwirkung 165 f. vereinte Kräfte 88 verfassungsmäßige Ordnung 148 ff. Verfassungswidrigkeit der Vereinigung 14, 161 Verhältnismäßigkeit 191 Versuch – der Beteiligung an einer Vereinigung Fn. 263, 103 ff. – der Gründung einer Vereinigung Fn. 263 – Rücktritt vom 175 f. – und tätige Reue siehe dort Vertrauen als strafrechtlicher Schutzgegenstand 123, 132, 139 ff., 178 Vorbereitungsdelikt 11, 40, 42, 51, 101, 120 ff., 158, 166 f., 170 f., 185 f. – im weiteren Sinne (Puschke) 170, 185 f. Vorverlagerungstheorie siehe Vorbereitungsdelikt – i. S. Rudolphis 41, 51, 82, 122, 170 Werben 96 ff. – als Versuch der Beteiligung 103 ff. – Erfolg 97 ff. – Sympathiewerbung 100 ff. – Verbreiten von Propagandamitteln siehe dort – Werbe- und Anwerbetatbestände 97 ff. Zurechnung – des kollektiven Verhaltens 29 ff. – eigener bzw. fremder Tat 31 – individuelle 25, 27 – kollektive 28 f. – partizipatorische siehe dort Zusammenrottung 88 Zuwiderlaufen, den Strafgesetzen 143, 160 Zwecke der Vereinigung 119, 150, 160 f., Fn. 820 – als objektiver Umstand der Beteiligung 21 – auf der Legitimationsebene 153, 174